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Lihrary of
Princeton Universit.
BLAU MEMORIAL COLLECTION
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C= An unfere Lefer und Abonnenten! — Dd
Vor
>: erfte Jahrgang der „Deutfchen Aunft“ fand mit Nr. 51 feinen Abflug. Damit ift Sas erfle Stadium Ser Entwielung
unferes Blattes erfolgreich beendct. Es ift ung gelungen, der „Deutfhen Kunſt“ eine Verbreitung iiber ganz Deutfdland 3u
ae fihern, die weit über unfere Erwartung hinausging. Bei Rünftlern und Runftfreunden hat die unpartetifde, mehr betradtende
und beridtende, als kritifirende Haltung des Blattes gleihe Anerkennung gefunden. Aud) ste praktifchen Ziele Ser „Deutfchen Runt
haben Surh Sen von ibr angeregten unmittelbar bevorftehenden
Abfıhlun eines Kartells der Dentfchen Kunftvereine
wie einer auf Siefer Bafis berubenden Neuordnung des provinziellen Ausftellungswefens eine bemerfenswerthe Förderung erfahren.
Die energifhe Betonung ser Einheit des Deutfchen Runftfhaffens hat Anregungen gegeben, die in weiteren organifatorifhen Ein-
richtungen ihren Ausdrud finden werden.
Der nunmehr beginnende zweite Jahrgang der „Deutfchen Runft* ftellt dem befehreibenden Wort das anfhaulide Bild
an die Seite. Die nationale Entwidelung unferer Run wird nicht nur gefhildert, fie wird in muftergiltigen Nachbildungen
moserner Meifterwerke Sem Auge vorgeführt. Dom 1. Oktober ab erfcheint die „Deutfhe Runt" vierzehntägig in doppelter
Stärfe unter dem Titel
Deutliche Kunft.
Illuſtrirte Zeitfhrift für das gefammte deutfhe Kunftfhaffen.
Central-Organ Deutfcher Kunft-. und Künftler-Dereine.
Bindende Verträge mit Rünftlern erften Ranges, Runftverlegern und Runftanftalten ermöglihen es uns, unferen alten
und neuen Freunden einen fortlaufenden Ueberblid über die Aunftübung unferer Zeit auch im Bilde zu geben. Die begleitenden
Texte und orientirenden Artikel werden ihrem bisherigen Charakter, die negirende, auf Dogmen eingefhworene Rritit Surh die
pofitive erfldrende Runftbetradtung zu erfetzen, treu bleiben.
Dor Allem betradten wir es als unfere vornehmfte Aufgabe, in den mweiteften Rreifen der Bebildeten das DVerftindnif
für nationales Runftfhaffen zu erweden und zu verbreiten und ftets von Neuem zu betonen, daß man vom Auslande lernen
fann, obne jklavifh nadhzuahmen. Die Runft ift die edelfte Blüthe eigenartigen Dolfsthums, die man rein halten foll von un-
feudjtbarer Mifhung. Die franzöfelnde, anglifirende und japanifirende Mode vergeht, das nationale Runftihaffen überdauert fie
weil es im Volle wurzelt und verftanden wird.
Aud in der fo umgeftalteten „Deutfhen Runt“ bleibt dem Wirken der Runft- nnd Bünftleruereine
ein entfprehender Raum im form eines einen halben Bogen umfaffenden Beiblattes gewahrt, während in einem zweiten ebenfo
ftarfen Beiblatt unter dem Titel
Dom unk- und Runſtgewerbe-Markt
die Dermittelung zwifhen Produzenten und Ronfumenten einen ebenfalls reidh illuftrirten Plat findet.
Die Umwandlung der „Dentfchen Bunk in eine illufeirte Beitfdrift vollzieht fic) im natürlichen
Fortfehreiten three Entwidelung, fie war nothwendig und bereits bei Begründung des Blattes vorgefehen. Die „Deutſche Kunſt“ iſt
in ihrer erweiterten form durd alle Buchhandlungen für den
Ginheitspreis von 2 M. SO Pf.
3u beziehen.
Wir fliegen mit dem berzlichften Dante für das ung bisher entgegengebracte Dertrauen unferer Lefer, das wir Surh die
Neugeftaltung der „Deutfhen Kunft“, für das uns materielle und ideelle Unterftigung in reicher ‚Fülle zur Verfügung ftebt, zu
rechtfertigen gedenken.
Berlin, im September 1897.
Die Redaktion der „Deutfchen Runft“.
Dr. Georg Malfowsfy.
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he
a3. 5606 wee 156
- Deuffche
+
Sluftrirte Seitfchrift für das gefammte deutfche Kunftfchaffen.
Eentral-Organ deutfcher Runft: und Rünftler-Dereine,
Alle 14 Tage erfcheint eine Nummer,
Preis vierteljäbrlih 2.80 Mark,
Poftzeitungslifte Ar. 1174.
Herausgegeben von
Georg Malkoliuskn.
Sthriftleiftung und Berwalfung Berlin W.57, Sfeinmeßftr. 26.
Alle 14 Tage erfheint eine Nummer,
jnferate: 40 Pfennige für die 4 gt-
fpaltene NonpareilleZeile.
Publifationsorgan des Dentfhen Runftvereins in Berlin, des Schlefifhen Runftrereins in Breslau, des Runftrereins für das Großherzogthum Heffen in Darnıftadt, des Anbaltifben Runjts
vereins in Defjau, des Württembergiihen Runftvereins in Stuttgart, des Schleswig » Holfteinifhen Runftvereins in Riel, der Runftvereine in Münden, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera,
Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Börlik, Danzig, Mönigsberg, Stettin u. a.
Ar. 1.
2. Oktober 1897.
II. Jahrgang.
Arnold Bolin jum 70. Geburtstag.
Pon Hay Jordan.
ir, du wunderbarjter unter den Riinftlern der Gegenwart
— Arnold Bolin — einen Heilgruß zuzurufen an
A der Schwelle des achten Fahrzehntes, die Du jet
betrittft, fann unfer Blatt fih nicht verfagen. Das
töftlihfte Gefhen? Ser Gottheit — Jugend im Alter — ift Dir zu
Theil gewor-
den. Wie ein
fraftigerBaum
ftebt Deine ge-
Srungene Ge-
ftalt vor unfe-
ten Bliden; dic
Rinde fängt
wohl zu bröf-
feln an,aber die
Aeſte ſtrotzen
von ſaftigem
Laub und in
verleumdete Areopag trat einbellig meinem Wunyde bei und der
Minifter ermächtigte mich, Sen Meifter aufzufordern, zu malen,
was er wolle. So viel ich weil, war das der erfte Auftrag
für eine öffentlihe Gemäldefammlung, den Bödlin erhielt —
feine Heimat) Bafel ausgenommen. Jmmer aber foll dabei un-
vergeffen fein,
was Graf
Shat fdon
lange zuvor für
einen Riinftler
gethan, der am
Beginn der
fehziger Jahre
nod als eine
febr problema-
tiſche Geſtalt
erſchien. Es ge⸗
hörte damals
RN
F F
Žo
feinen gebeim- 4 fein geringer
nißvollen x Muth dazu,
Schatten fingt Ben Bilder bei Yöt-
nod immer die Aa lin 3u beftellen,
Nachtigall und Ge und ebrend foll
tummeln ſich Ehe man zu aller
Märdenge- wi Zeit anerfen-
ſchöpfe. nen, daß Schack
Schweigend Bocklin⸗Medaille von Hans Sandreuter, Baſel. wenn immer
in Bemunde-
rung genießen,
was Deine
Hauberhände uns verfhwenderifh gefchentt, das It die wahre feier,
die wir Dir bereiten fönnen — nimm’s, fo bitten wir, nicht für
ungut, wenn der Mund überläuft von dem, deffen das Herz voll
it. Und nun gar die Tinte! Jh glaube, Du Herrlider, gehörft
3u denen, die diefen Saft am meiften verachten; aber fei’s drum.
Heute risfiren wir einmal felbft Deinen Unmuth; wir Rleinen
wollen uns aud einmal fühlen, indem wir Didh bei Namen rufen.
Unfer heutiges Befhleht, das fo einig ift in der Bewunderung
Bödlin’s, mag es ung Aelteren faum glauben, daß aud er
fid) mithfam emporgerungen hat. Als id vor zwanzig Jahren
in der preußifhen Runftfommiffion, unterftüßt von Reinhold
Begas, den Antrag ftellte, Arnold Bödlin einen Staatsauftrag
zu ertheilen, da war es feine Uebertreibung, wenn ih binzu-
fügte: Ser größte Poet unferer Jahre darbt. Aber diefer viel-
Beyer Pre
Vd
Heransgegeden vom Comité für die Bödlin- feier in Bafel.
Alleinverfauf durd Georg u. Cie, Bud» und Runftpandlung in Bafel (Preis in Bronze M., 16, in Silber M. 44.
auch beſtärkt
durch noch ein⸗
ſichtsvollere
Autoritäten, nicht müde wurde, ſeine Sammlung mit Werken dleſes
„Sonderlings* zu fhmüden. Shat ift manchmal etwas pedantiſch
in ſeinen Urtheilen, aber Böcklin gegenüber hat er, faſt Allen voran,
bewieſen, daß er einen freien Blick beſaß, der nicht bloß das
Berühmte, fondern mehr nod) das wahrhaft Rühmlihe erkannte
oder fagen wir: daran glaubte. Denn der Blaube an das
Genie ift die befte Tugend des gebildeten Menfhen. Und ihn bat
diefer Glaube nicht betrogen, denn in mandem Betradt gehören
die Bodlin’s der Schacothef (wie der Mündyener fagt) zu den
erfreulihften und jedenfalls 3u den verftandlidften Schöpfungen
des ‚Farben-Zauberers, deffen Seele zu jener Heit fic) in der
Sonne des Südens badete. Auch eine Bemerkung des geift-
vollen Mäcen über feinen Liebling ift mir fehr zutreffend
erfhienen. Wie miflich es auch ift, Rünftler von dem urfprüng-
g 559049
IX
lien Bepräge eines Bödlin mit anderen zu vergleichen, fo wird
er felbft dod faum etwas dagegen einwenden, wenn man ihn
(mit Schad) einen Geiftesbruder Biorgione's nennt. Ebenjo
verdubt, wie vor vierhundert Jahren die Philifter Denedigs den
Bilder-Träumereien jenes wunderbaren Jünglings aus Caftelfranco
zufaben, betrachteten
anfanglid) unfere
Weifen die Phanta-
fien des feltfamen
Schweizers, ‘die fie
oft genug für Luft-
fprünge eines tollen
Bögleins hielten.
Beiðen gemeinfam ift
der Sinn für das
Mpyftifche in der Ya-
tur und die Dermäb-
lung Ses Wenfden
mit der umgebenden
Sinnenwelt urd das
Medium der Farbe.
Könnte das Bild in
Denedig, weldes als
„famiglia di Gior-
gione“ bezeichnet
wird, oder aud das
andere in Wien, das
unter verfihiedenen
Titeln au den der
„Magier führt, nicht
ebenfo von Bödlin
gemalt fein? „Man
weiß nicht, was er
hatdarftellen wollen
— erflärt Dafari bei
der Schilderung der
Biorgione'fchen fres-
fen am Canalegrande
-— und wie viele Be-
milse Bsdlin’s blei-
benuns Rathfel, wenn
wir uns nidt ge-
nieBend dabei beru-
bigen, daß der Rünft-
ler eben Beheimniffe
feiner Seele malt, die
wohl zu ahnen, aber
nicht zu erkennen find.
Aber aud) unter
den Modernen fteht
unfer gepriefener
Meifter nicht ganz
allein. Dor faft 60
Jahren bat in Berlin
ein genialer Rünftler,
ungliidlid) und ver-
zweifelt, die Palette
fortgeworfen, der et-
was von er magi-
fhen Kraft Bödlin's
befaB Rarl Blehen
ift heute faft ver-
geffen; wer aber feine Werfe verfolgt und namentlidh die Studien
und Entwürfe betrachtet, die aus dem Brofefhen Befik in die
Nationalgalerie übergegangen find, dem wird aus feinen roman-
tifhen Farben-Gedanten ein ähnlicher Beift entgegenweben. Ihm
wurde diefer Drang zum Gift, das ihm vernichtete — für Bödlin
it er der Quell geworden, der unerfhöpflih rinnt.
Oft überhaupt dte fhöpferifhe Araft zu bezeihnen, die das
Wefen von Bödlin’s Kunft ausmaht? „Natur-Phantaft‘* möchte
4. Bödlin.
Deutfhe Runft
man ibn nennen, wenn man damit nur redt verftanden miirde.
Daß er dank feiner unvergleidliden Begabung den Widerfprud
auflöft, der zwifhen Natur und Phantafie befteht, das ift das
Gebeimnif feiner Wirfungen. Er dichtet mit den Mitteln der
Natur, Wie Michel Angelo in feinen fceinbar übermenfchlichen
Geftalten muthet er
der Sinnenwelt um
uns ber das Aeußerfte
3u, aber er bleibt
in den Grenzen ihrer
Befeße. Daher die
überzeugende Gewalt
feiner Shöpfungen,
die ,,berrlid) wie am
erften Tag* den
Jubel der Kreatur
ausftrömen. Ein Bei-
fpiel für viele: das
Bild „‚Befilde - der
Seligen* in der
National- Galerie.
Als ih ihm f. 3.
diefen Titel vorfhlug
— jedwedes Rind
will einen Namen
haben —, erflarte er
fic einverftanden, und
Sod) find wir von
einem geiftvollen
Interpreten belehrt
worden, daß wohl
nod eine beftimmte,
ich möchte fagen bifto-
tifche Dorftellung fidh
in Sem Werfe ver-
birgt — die Fahrt
der Helena auf Chi-
rons Rügen. Gleid-
viel! Wie Mander
bat Anftoğ genom-
men an den fcharfen,
für unwabr erflärten
Tönen diefes Bildes,
und ennoh: wer
einmal einen Som-
mermorgen im Sa-
binergebirge erlebt
bat mit der wunder-
baren Rlarheit des
Aethers, Ser fatten
Tiefe feiner fär-
bungen, der wird diefe
Sprache verſtehen.
Aus der Rünftler-
Phantafie wieder ge-
boren, gereinigt 3u
ihrem hödhften Blanze
laht uns die Natur
entgegen. Sie fann
fo ausfehen und fie
feiert ie fhöne Stun-
de, da das Mufter-
bild der Frauen den barrenden Befpielen zugeführt wird. Es
ift ein Sonntag in der Natur.
Niemand hat fo wie Bödlin die Luft, Sie Erde, das Wafer,
das Feuer gemalt. Dem Feuer insbefondere widmete er einmal
ein cytlifhes Bildergediht, das wenig befannt ift. Es find in
die Wand eingepaßte Bemälde von verfihiedenem Format, jest
im Wedelind’fhen Haufe in Berlin, pietätvoll gehütet vom ver-
ftändnißvollen Befiger und der anmuthigften Hausfrau. Die
er
Kenzeswehen.
-3
pmax,
u
Darjtellungen fıildern Sie Woblthaten und die Furdtbarfeit des
Elementes, das der Titan dem Himmel entriffen: die Auffindung
des erften Blutbfunfens, feine Nußung, feine zerftörende Gewalt.
Sovlle uns Drama wedfeln. Es ift ein frühes Werk des Meifters,
aber cs offenbart fhon feine wunderbare Fähigkeit und es ent-
hält bereits Motive, die ihn aud fpäter befhäftigt haben: fo
den gefeffelten Prometheus, -eine feiner grandiofeften Yatur-
pbantajien, und den Burgbrand den er wiederholt in verfchiedener
Faffung malte.
Die Erde läßt er uns fhauen im ihrer Pradt als mütter-
lide Spenderin, in ibrem Ernft, wenn die Elemente gleihfam
BT = SE a —
gf ny
— =
Ge
Deutfhe Runft. i 3
der Wogenfhwall auf hoher See, immer neu und immer über-
zeugend fpiegelt es fic) in Bödlin’s Magie. Das Waffer feint
fein cigentlides. Element zu fein. Man fast, er babe
es fogar in feinen Tiefen ftudiert, um feine Gebeimniffe zu
belaufen. Das möchte man in der That glauben, wenn man
ein Bild anfhaut, wie das „Spiel der Wellen“, das die
fluthbende Mafje „Welle felbft auf Wogen wallend“ wiedergiebt,
belebt von übermütbigen Halbmenfchen:
Befunde junge Frauenglieder
Dom feuchten Spiegel doppelt wieder
‚Ergößtem Auge dargebradt!
—
—
— ee
A. Bilin, Spiel der Wellen. Photographie Verlag der Photographifden Union, Niiinden.
um fie freien und ringen, in Ser ftillen feier ihres ‚Friedens.
Wald, Wiefe, Fels und Haag laceln uns an oder laden zu
finnigem Genuß in einer Farbenfprace, die nur er zu reden vere
ftebt. Sein Liebling ift der Friibling. Die Kindheit Ser Natur,
die in der Lenzeswonne jaudzt, die fanften Ciifte, fprudelnde
Quellen mit genießenden und froblodenden Befhöpfen darumber'
weiß Keiner zu fıhildern wie der feltfame Mann, der aud die
Poejie des Todes verftebt. Man betrachte unfer Bild Lenzes-
Weben*. Die Quellnympbe, den Vogel auf der Hand, fpendet
das fprudelnde Yap; die Waldgefhöpfe Fommen herbei, fidh
daran zu erquiden, die Wiefe prangt in Blumenfülle und in
der Fryftallflaren Luft tanzen die Genien des Frühlings den
Reigen.
Und nun das Waller. Sei es die heilige Meer- fluth, die
thpthmijch feierlih am tempelgefymüdte Geftade brandet, fei es
Gefellig dann und fröhlich badend,
Erdreiftet [hwimmend, furdtfam watend,
Gefdrei sulegt und Waſſerſchlacht.
- Oder er führt uns in die melandoliihe Einfamkeit der
Wajjerwüjte und läßt uns das auf felfenzaden gelagerte Robben-
seihleht und die Seefhlangen eben, die fiir ihn Feine
Fabel find.
Wer jo ins Innere der Natur gedrungen ift wie Bödlin, der
fann aud wagen, fih gleihjam neben jie zu ftellen und in ihrem
Beifte zu erfinden. Daher die wunderbar glaubwürdigen fabel-
wefen, mit denen er Cand und Meer bevölkert. Wm mert-
wiirdigften find feine faune und Centauren, Sie er Surh einen
fühnen Realismus lebensfäbiger zu maden weiß. Denn er giebt
nicht die berfömmlichen Bejtalten Siefer Mifchlinge, wie fie uns
aus der Antife überliefert find, fondern er formt fie fih gleihjfam
4 Deutfhe Rung.
aus dem ſchweren
Thon einer ver-
gangenen Erd-
epoche. Diefe Pfer-
demenfhen find
derbe zottige Ge-
fellen, Sie Riipel
derjungenSchöpf-
ung, unflätig, aber
glaubwürdig.
Daneben dielliren
und Tritonen voll
troßiger Kraft,
gleih Baftarden
der Giganten,
theils fatyrartig,
theils froſchhaft,
wie 3. B. der
auf antifer Stele
thronende Ropf,
dem das „Sub
aqua — sub
aqua“ Ovid's
aus Maul und
Naſe dringt. Böck⸗
In bat es ver
ftanden, uns mit
diefen Zwitterwe-
* ſen und Unge—
thiimen vertraut zu maden, weil er fie mit Humor behandelt.
Mit feinen Menfchengebilden hat fidh die Welt am wenigften
befreunden wollen. Bödlin ift von der LCandjhaft ausgegangen
und ift erft fpäter zur felbftiftändigen Figuren - Rompofition ge-
langt. Ganz forreft gezeichnet find feine Männer und Frauen
felten; mandmal erfcheinen fie wie Abbreviaturen, und er bat
Sen Muth, febler zu machen, weil cs ihm immer auf das
Geiftige der Sache anfommt. Und das ift meit auh darnad
angetban, uns zu entfhädigen, wo er uns Bewaltfames zumutbet.
Es wäre gut, wenn unfere Rünftlerjugend, die fo gern zu ibm
fhwort, es beberzigen möchte, daß Willfür der Formbehandlung
nur da zuläffig und gerechtfertigt ift, wo ein Ueberfchuß an Jn-
halt gleichfam ergänzend binzutritt. Und Sas ift bei Bödlin
faft immer der fall. Der febler ift heutzutage legitimiert, weil
es unferen jungen Adepten febr oft an Refpeft vor der Natur
A. Bödlin.
Hl. Katharina,
mangelt. Nicht weil, fondern obgleih fic) Bolin mandmal
verzeichnet, find feine Bilder gut. Der Jdeengehalt ift immer
bedeutend. Und Bödlin ift in allem originell, befonders aud
in feiner Technik. Die Leuchtkraft und — was in unferer eit
der Experimente viel befagen will — die Haltbarkeit feiner
‚farbe erregt auch die Bewunderung der Widerfacher. Mit
unendlichen fFleipe, oft berathen von dem jüngft verftorbenen
H. Ludwig in Rom, deffen bier in hohen Ehren gedacht fein
möchte, bat er fic) eine Malweife gefhaffen, die bisher nie
erreichte Wirkungen bervorbringt.
Sein Hauberftab bat jedes Gebiet, in das er eingedrungen,
mit neuem Reiz erfüllt. Befonders anziehend find feine ein-
famen Menjchen, luftwandelnde, trauernde, xubende. Bern
f&bildert er Eremiten; wie rithrend jener alte Einfiedler, der feiner
Madonna am Morgen ein Ständden mit Ser Beige bringt, be-
laufht von neugierigen Engelfnaben, Seren fic) Correggio nicht
zu |hämen brauchte. Unfere Abbildungen geben außerdem einen
jener anziehenden Natur-Monologe wieder. Git cs nicht, als
müßten dem Bejchauer von felbjt .die Derfe fommen, wenn er
fid in diefes zarte Stüdhen Frühling verfentt und den Bee
trabtungen der einfamen Beftalt nahhängt, die traumverloren
ins Wafer faut?
Mandmal bat Bödlin auch Portraits gemalt, fih felbft in
Begeifterung auffhauend binter ihm ser Tod, der die Geige
fpielt. Der Grundzug feines Wefens ift Mufif. Am voll-
fommenften und crfreulidften unter den Bildern diefer Gattung
it das Doppelbildniß ‚Mutter und Rind“, am erfgreiendften
das ffizzenbafte Abbild feiner Gattin, einer Römerin, die viel
mit ibm und um ibn gelitten bat.
Als er für Wandgemälde im Breslauer Nufeum Entwürfe
gab, fhuf er ein Chriftusbild mit Sen nad Licht und Heil Ver-
langenden, und felten ift diefer Bedanfe weihevoller zum Aus-
Sru? gelangt. Jm Jahre 1877 ftand auf feiner Staffelei in
‚Florenz Õie Pietà, die jet Ser National - Galerie angehört.
Nädtliher Himmel liegt über Ser Erde; aus ihm tritt leuchtend
das blumenbeftreute Marmorpoftament hervor, auf weldem
lang ausgeftredt in Todesftarre der Heiland liegt. Ueber die
Leiche bat fih Maria geworfen, ganz verbüllt bis auf die Hand,
die den Sohn umflammert. Da öffnet fih das Bewölf; von
findlihen Genoffen umringt beugt fih Gabriel, der Engel der
Derfündigung (er war damals nod durch den Lilienftab tenni-
liher gemadt) tief binab zu der trauernden Mutter und rührt
fie an. Die große Tragödie, die da begann, als er ibr diefen
Sohn verbeißen, ift nun zu Ende; es ift vollbradt; der Bote
Gottes will Maria tröften.
Seit Vollendung diefes farbengewaltigen Bildes find zwanzig
Sabre verfloffen und unaufbörlid bat Bödlin uns mit Werfen
feiner Hand befhenft. Da diefe Hand und diefer Geift nie
erınüden möchten! Er laffe Glarus Ffarus fein und erfreue fih
goldener Tage auf der feftgegriindeten Erde.
Geleite ibn ferner Apollon, der berrlide Gott, Dionyfos
Ser Schwermer, uns Du, holdladhelndge Aphrodite!
Der Schöpfer der auf der erten Seite unferes Heftes abgebildeten
Bödlin-Medaille ift der Maler Hans Sandrenter. Als der bedeutendfte
Schüler Bödlin’s und zugleih als Freund des Meifters war er in bejonderem
Maafße zu diefem Werke geeignet. Er bat ih nidt darauf befhränft, dem
Medailleur Zeihnungen vorzuarbeiten, vielmehr das plaftifhe doppelfeitige
Modell der Münze felbft mit höcfter Sorgfalt und bis ins Einzelne fertig
geftellt. Der Avers der Medcille zeigt das Porträt Bödlin's, gebildet auf
Grund der von Sandreuter zu diefem Zweck vor kurzem in Florenz auf
genommenen Zeichnungen; der Revers it gefhmüdt mit der freien Madbildung
einer in Bödlin's Befike befindliden Replif des befannten fhönen Bildes
„Malerei und Didtung’s Das Graviren der Stempel und die Prägung der
Medaille wurden in dem Atelier Huguenin freres in Locle ausgeführt.
A. Bilin, Studienfopf.
!
|
|
Deutfdhe Runft. 5
Das wechfelnde Schönheitsideal und das Srauenbildnif.
Pon Georg Malkowshy.
die Aefthetif des Frauenbildniffes eine Gefchidte der
weiblihen Schönheit, wie fie fh in den Porträts
der verfchiedenen Zeitabſchnitte darſtellt.
Der Zwedbegriff der äußerlihen WAehnlichfeit haftet dem
Bildnig als wefentlihes Merkmal an, er ift das Regulativ
D' Aefthetif ift eine Befhichte der. Befhmadsentwidlung,
9
Was wir von dem Frauen-Portrait des Ulterthums wuften,
war im Wefentliden funftgefhidhtlihe Refonftruftion. Man
mußte von der Technif der Skulptur auf die der Malerei zZurüd-
fliegen. Die eigentlih griehifhe Aunftübung dürfte uns
außer den Büften der Didterinnen Sappho und Corinna faum
mebr binterlaffen haben, als eine Anzahl von Grabjtelen, auf
a. Bödlin. Pietà. Photograpbie-Derlag der firma frig Gurlitt, Berlin.
für die Portrait-Malerei und feffelt fie troß alles Jdealifirens
und Stilifirens fefter nod als andere Zweige der bildenden
Runf an den Nährboden der natürlihen Erfcheinung. Aus
den Frauenbildniffen der verfdiedenen Zeiten ließe fih eine nicht
gefhriebene Rulturgefhidte fonjtruiren, die, das intimere Leben
der Völker fhildernd, mindeftens denfelben Anfpruh auf Wahr-
beit hätte, wie die Bejhichte der großen Thatfahen. Raphaels
Fornarina weiß uns mehr von der Befhichte der Renaiffance
zu erzählen, als desfelben Meifters berübmteftes Papftbildniß.
Die Perfönlichkeit des Mannes pofirt im Portrait mit dem ganzen
Beiwerf feiner äußeren Würde und Stellung, das Frauenbild
wirft nur urd feine natürliben Gaben. Mit der Wiedergabe
des individuellen Reizes ift der hödhfte Aunftzwed erreiht. Das
Frauen-Portrait iff meift wahrer und aufridtiger, als das
Mannerbildnif, weil es fic) mehr auf die Darftellung der von
allen fonftigen Beziehungen losgelöften Perfönlichkeit befchräntt.
denen die Hausfrau inmitten ihrer familie oder in der Aus-
übung ihrer häuslihen Pflicten erftheint. Alle diefe Dar-
‚stellungen aber fteben unter dem Einfluß des Haffifhen Schön-
beite-Prinzips. Es handelt fih mehr um die Wiedergabe des
idealifirten Typus, als um die der individuellen Erfheinung.
Erft die helleniftifhe Periode verhilft der in ihrer
Eigenart ausgeprägten Perfonlicfeit zu ihrem Rechte. Jn diefe
Heit dürfte eim großer Theil der Bildtafeln aus agyptifden
Gräbern zu verfegen fein, die der fih allmälig nad allen Wind-
tihtungen Zerftreuenden Sammlung Graf angehören. Hier zeigt
fih jene naturaliftifche Unterftrémung, obne die eine gedeihliche
Entwidelung der bildenden Künfte nicht denkbar ift.
Jn der Runftübung der römifhen Raiferzeit gelangt
fie zur Herrfhaft und findet in den erhaltenen Büften der
Raiferinnen ihren bezeichnendften Ausdrud. Dugleid macht fih
bier zum erjten Male ein gewidtiger Fattor — die Mode, in
EEE ET AN
Bauen, N 99 ‘Dentiae Bunt.
burlesfer Weisk geltend. Ein Theil diefer Bülten batre einen
in Stein gebildeten, abuehmburen Haaranjjag, der je mitch dem."
wecfelnden Beihmad durch eine andere Frifur. ericht werden
konnte.
durch, man. begnügt Th Samit, unter Wahrung der Nebnlichfeit,
der Portraitbüfte dem allgemeinen Tepas irgend einer meibliden
Gottheit, dex Jans, der ‘Minerva, der Denas, Ne Diana zu
verleihen. i
Has der antifen Runfmelt bat A im Brofen snd Savin
Elia in Se fpatere blnbeegeeltet: Das Jdeat der
flaffifthen meib-
Lhen Schönbeit,
wir te fith worsuas-
weile in der Profil
Linle ausſpricht, die
niedere Stirn, die
gerade verlaufende
Vaje, das anmutbige
Oval des Wangen-
Umeiffes,
Unter der Hees
ſchaft dieſes Ideal⸗
ſteht aud zungchſt
das ftauen⸗BUd⸗
niß der Renrifs
fanit, wengſtens
infomrit de Wieder.
aehnrf des Haffıfhen
Hiterthunts : von
Melienausgebt; Mber
das sani profil
füngt any ‚fi indie
visuell zu beleben,
die wadjendse Bri-
jteshildang der Frat
en, die ſich ihren
Thell an dent heller
‚urcherömifiben
Willen nicht nehmen
laien, Hberbabt die
meedere Zülrslinie,
un die paller gebil-
deten Lippen Ipielt ein
Hug teizvoller Sinn-
Jitter, gnd er Uue»
druck des leuchſenden
Aues vernñerllcht
CAd Ju den Frauen⸗
Portrals der Glient⸗
fihen ' Nenaiffence
famınt allerdings nur
die. höher grgansfine,
dur Rang und
Yeidthu über dns Gowdhalide panabo. "Weiblichkeit
sut Darella. Wo dic Derföntichleit für die Verdektiichung
diefer Erflufivität nicht ausreicht, tritt das prähtige Beimerk oder
gar Me allegorifihe Nafaa helfend cn. Das Frauen⸗ Bilduſß
der Renaiffance bleibt Rud in tiefem Pante von feinem anliten
Vorbilde abhängig, ee vergöttlicht Se weiblihe Fhönbeit init
den Jelnem epigonenbaften Charatice angentefferren Mitteln,
Daneben aber machen fit awei audere, aus den europaſſchen
wirtelländern mit eenan ſhet Bendlferung bermpt-
gehende Strömungen geltend, die in einem mettwärdigen Begen-
iage zu einander eben. Die wiederländifche Aani predigt mit
leuchtenden. ‚Farben und hollen Amriflinten: den Kultus oer
Sinnlichkeit, nad in deutidien Stau Bildaijfen Serfelben Felt
gelangt zum erfben Mile die Inaritifeit des wribliden
Brmülbe zum Nussrude, Nubens' Helene forman und Rem»
betudt's Satia einerjeits, Düter's. und Holbein's. frauen Bils
niffe aus pateisifihen ond J— Kreiſen anderetſeils
a, Biain.
Das Prinzip. der Jdenlifirang Tchimmer nur nob lefe
Aluiter und Wind,
ee
liefern Me tröffenäften. N, betes Ranftauffaffang.—, Matt
man das, was die meiblide Porteat-Malerel des fpateren Mittels
„alters geleiftet und. der Nachwelt überliefert bat, abgefehen von
den eben erwähnten Nebenftrömungen, auf eine ‚formel bringen,
fo mirè man fagen können: mir werdanfen dee Nenaijfance das
adeal der finnliden franenfdsnbeit
Das Rofofo bradte cine neue, ſeliſam verfchnörkelte Mrt
Seas Fraden-Ruling, die tm weiblichen Bilduuß ihren addquater
Anedrud findet: Neber dec sierlichen Unnatur Ser hacen chohe
des KNefftoch des gemaltfam gefchnürten Mickers wiegt fi das
grasiöfe Köpfiben,
von: Ködden amt
cabmt oder non einer
tburmbaben: frtfur
dibesragt, die ſeine
puppenhafte Anmoth
nod deutlicher her⸗
vortreten laͤßt. Die
ſchmale Stirn mit
den fein gezeichneten
Sataf Die fibsa
> bismeilen fünftlich
— azene
Magendrauen, bse.
nn äteregelnäßige
Atumpfnäschen, dic
le. 38 Anen Bone
aL gefpigten Vippen,
“Sas Bribden im
inn, das Alles
mweift anf rim aes
‚ea: bin, auf das
jpenl deranmatbigen
=Zdönbeit ni jeden
Preis, jelbit um Sur
= der Aetürlichfeit. Es
tet uns iie den pers.
fcbledenjien “Bere
menfdlihangen ent
gegen, ahmdria: bis
zu jeneujehtfans sopfi-
gen ‚Franenbilönisfen
Anton Praf s, Hi
denen Me tige Mne
muth Ad awsniamt,
als ob fie ihre cigene
Brofmutler neäre,
Die Bilon ber
„Fran Rath Bortbe
vrranfihauliben am
biflen. jene. he der
Bewegung. erjbirele
Sierlichleit, die. fih
von dem Bemuifen ibrer Würde miras fe einem Entrechat
- horreur!—— hemmen lagt Das ‚frauen Bildnif des R ototo
hat etmar sattenubaft Pfeudo«Linslides, in der Mürde Hefpreigt-
Pompöfes, aber dur alle Hanatue feimmect als Gewolltes,
wenn auch wiht Erreichies das Focal der anmutbigen
Franenfhönbeit,
Was dem. Körper redt tit, ift dee Seele billig, dee werd-
lihen Minib bes Leibes entipricht de ‘sertie Emphndiimkeit
dee ‚Fühlens, In den ‚Frauentöpfen See Weethersett nud Ser
darauf folgenden Hamantit it ew abt über, Ne Spuren
der Maiden, einfahen Jorniengebung wiederzüfinden, untlar
nadhempfanden und pater im Sinne des nabmirfenden Empire
Stils zurcchtgeftugt., Aber zu der überfammenen "oder bewußt
nacgenbmien Einfadbeit der Linenfuͤhrung trilt An went
Element, das nah Nusdrud tingende Sentimen, die .fhenr
Seele, Eine gemiffe mimofenbafte Wrath, Ste Tinnig feiimärte
geneigte Aopfbaltung, die Schmichtladen, das gro „Teelenmolle
‘matte, paftellartige Farbengebung binein verfolgen tann.
Auge, die fpibe, carafterlofe Bildung des Rinns, das Alles
weit auf eine einfeitige Befühlsrihtung bin, die man bis in die
Das
Ende des vergangenen und der Anfang unferes Jahrhunderts
haben uns mit Sem Jdeal der fentimentalen frauen-
ſchönheit beſchenkt.
Wenn man von dem modernen frauenbildniß ſpricht,
ô. h. von dem unſerer Zeit und der Zeit unſerer Väter, ſo wird
man zunächſt trotz aller Anerkennung für die techniſche Hand-
fertigkeit alles ausſchließen müſſen, was nicht über das Maaß
der handwerksmäßig hergeſtellten Aehnlichkeit hinausgeht. Das
Kunſtwerk im Portrait beginnt ða, wo der Künſtler aus ſeiner
eigenen Auffaſſung heraus nach der Richtung des Schönen oder
des Charakteriſtiſchen hin ein undefinirbares Etwas hinzugethan
hat. So lange er nicht über die bloße Aehnlichkeit hinaus—
gekommen iſt, bat er feinen Anſpruch auf den Namen eines
Rünſtlers. Die Grenzbeſtimmung des Schönen und Charakteriſtiſchen
hängt von ſeiner Individualität, die Unterordnung beider unter
das Ideal weiblicher Schönheit von ſeinem durch das Schönheits⸗
Ideal früherer Zeiten bewußt oder unbewußt beeinflußten
Geſchmacke ab.
So wird ſich nicht leugnen laſſen, daß in dem frauen-
bildniß der erſten Hälfte unſeres Jahrhunderts die überaus ein—
fache Formengebung der Antike nachklingt. Der konventionellen
Linienführung des Umriſſes entſpricht die Glätte und Abgetöntheit
des Farbenauftrags. Die naive Zimperlichkeit des jungen
Mädchens, die hausbackene Nüchternheit der Frau ſteht im inneren
Zuſammenhange mit dem männlichen Biedermeierthum jener
Jahre. Das ſchlicht anliegende Haar mit der um das Ohr
gezogenen Flechte umrahmt kühl verſtändige Züge. Ueber den
ſtillen Augen, um den ſchmal geſchnittenen Mund liegt ein un—
beſtimmter Hauch altjungferlicher Verſchämtheit. Die Begas,
Magnus, Meyerheim, Sohn ſind im Frauenbildniß von dem Ideal
ihrer Zeit abhängig, das ſich etwa in der Bezeichnung Othello's
für ſeine Desdemona, im „ſanften Schweigen“ verkörpert.
Dann ſetzt zunächſt ſchüchtern, mehr und mehr erſtarkend,
die Rückkehr zur Natur ein in unmittelbarem Zuſammenhang
mit der Veränderung der fozialen Stellung der Frau. Der
Fleifhton wird lebhafter, der Ausdrud bewegter. Die fih ent-
mwidelnde Tehnit überwindet fpielend die äußere Sıhranfe der
Aechnlichkeit und fudt die Charafteriftif urd ftarfe Betonung
des fozialen und geiftigen Milieus zu ergänzen. Das Beiwerf
wird gleihmwerthig behandelt. Die forgfältig nadgemalte Natur
fegt ih auf den ebenjo forgfältig gemalten Divan oder Pliifd-
feffel, und der Naturalismus wird wieder zur Romvention. Die
Willfür bedeutender Rünftler weift der weiblihen Individualität
einfach einen Platz in der ihr ungefähr entjprechenden Dergangen-
heit an. Cin Rembrandt-Hut macht aus der Banquiers-Battin
eine Patrizier- frau des fiebzehnten Jahrhunderts, ein gepudertes
Toupet verbannt den naiven Badfifh in das Zeitalter Watteau-
fher Schäfer-Szenen. Ueberall tritt das Beftreben hervor, die
banale Weiblichkeit durch äußere Zuthaten in das Rünftlerifhe zu
überhöhen, mit verfchiedenen Mitteln je nach der gefellfdhaft-
lien Stellung. Die Frau hat fih aus der Häuslidykeit heraus
in die Befellfhaft „gerettet, fie wird entweder für die gute
Stube oder für den Salon gemalt, jedenfalls verliert fidh ihr
eigentlihes Wefen in der abfihtlihen Bekleidung oder Umkleidung.
Die Stoffe und Detailmalerei umwudert die Perfonlidfeit. Don
Guſtav Richter bis zu Konrad Riefel, von Guffow bis zu
Cenbad und Raulbad erftarft Sie Technif zu feltener Voll-
fommenbeit, obne bei aller Meifterfhaft im Wechjel der Moden
und der gefellihaftlihen Formen zur ruhigen Ausgeftaltung eines
neuen frauenideals zu gelangen.
Die uns zunähft liegende Gegenwart fceint auf einem
wefentlid anderen Wege einen Anlauf zur Erreihung diefes
Hieles nehmen zu wollen. Sie ftrebt, unbeirrt dur das ftilijirte
Jdeal, nad dem Charakteriftifhen, die Schönheit erfdeint nur
als die Hülle des inneren Wefens, das überall fiegreih Surh-
bridt. Das Charakteriftifhe der weiblihen Perjönlichkeit ver-
flühtigt fic leichter, als das der männliden, es zeigt fih eher
Deutſche Kunſt. 7
in einer im Fluge erhafcdhten Stimmung als im feft ausgeprägten
Gefidtsausdrud. Daher gewinnt beim modernften weibliden
Portrait das Erfaffen des rictigen Moments erhdhte Bedeutung.
Das bligartige. Fefthalten erfhöpft das Wefen eines frauen-
Charakters mit größerer Sicherheit, als die unmwillfürlic zur
Pofe führende Beobachtung. Aus diefen Erwägungen beraus
entwidelt fic) cine neue Schönheitsform des Frauenbildniffes, die
man dem ganzen Zeitharakter entjprehend als die des nervöfen
Augenblidsportraits bezeihnen möchte. Nicht die ruhende
Umgebung, fondern die wedfelndse Situation führt bier zur
Offenbarung des Senfenden und empfindenden Seins. Schönheit
und Häflichfeit verfihieben ihre Grenzen unter der Einwirkung
der momentanen Empfindung. Das Portrait wird wohl oder
übel zum Genres und Sittenbild, es gewinnt ein allgemeineres
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A. Bödlin. Krojchkönig.
Pbotograpbijder Verlag der firma frig Gurlitt, Berlin.
Intereffe, das über die Schran-
fen der guten Stube und des
Salons hinausgeht. Dem fen-
fiblen Charakter der modernen
Frau entfpridt erGmprefjionis.
-mus ihrer bildlidben Darftellung.
Weibliche Bildniffe von Haber-
mann-Miinden erfdeinen wie
fünftlerifhe Charakter-Difionen
im fFluge erbafdend und mit
einer f liichtigheit abfonterfeiend,
die geiftvoll andeutet, ftatt liebe-
voll auszuführen. Ein eigent-
lihes Schönheistdeal fennt das
moderne frauenbildnif nicht,
es haftet von Individuum zu
Individuum und fuht — die
Seele der modernen frau.
Norbert Pfregfchner
und das Märchen in der
Skulptur.
Dor einer Reihe von Jahren
“erregte eine Marmor - Gruppe von
Sufmann-Hellborn — das flum-
mernde Dornröschen auf einem von
Rofen umwuderten Throne — auf
der Berliner Runftausftellung Auf-
merffamfeit um der fubtilen Behand-
lung es Marmors willen. Das
Marden fannte Feder, und das Rofen-
gewirr war wirflid mit großer Runft
aus dem Stein heraus gemeißelt. Seit-
her hat "die Skulptur eine wefentlid andere Richtung eingefhlagen, durd) die
Denfmalfabrifation in Anfpruh genommen, malerifh in der Auffaflung, in
der formengebung dem naturaliftifhen Zuge der Feit folgend, zwifchen der
Wiedergabe der Wirklichkeit und einem gewiffen Hange zum Phantaftijch-
Symbolifhen fhwantend. Der Zufammenbang mit der Antife hat üh un-
merflid geldft, aber es läßt ih faum behaupten, daß fih, «bgejehen von
dem leicht erflärlihen Monumentalpatriotismus, im Stoffwahl und Geftaltung
nationale Eigenart bemerkbar madte. — So reid) unfere jiingfte Dergangenbeit
an bildnerifhen Motiven fein
mag, die Mythologie das
Marden und die fagenhafte
Dorzeit unſeres Volkes hat
unter den Bildhauern von
jeher nur ſpärliche Khapſoden
ihrer eigenartigen Schönheit
gefunden. Eine gewifje nebel-
bafte Myftif, eine Neigung
zum Grotest-Uebermenfdliden,
die fnofpenbaft verfdwommene
Anmuth unferer Sagen- und
Märchenbildung ſchien der
ſcharf umriſſenen Fformengebung
in Erz und Stein zu wider
ftreben. Und dod) ware es be-
dauerlidh, wenn die Geftalten
unferer Marden aus dem
Stofigebiete der Skulptur aus-
fhieden.
für den Bildhauer fpielt
das zufällig gefundene Modell
eine größere Rolle als für
den Maler. Beim Anblid des
„Märdens" von Norbert
Pfregfhner auf der Ber-
U, Bilin.
Der Einfiedler,
Norbert Pfretzſchner.
liner Runftausftellung fiel mir fo-
fort eine reizende Modellfzene ein,
die h bei Gelegenheit eines Atelier-
befudes abfpielte, den ih dem
Rünftler machte, um feinen Entwurf
zum Bismarddenfmal der Rorps-
ftudenten fennen zu lernen. Pfregfchner
war eifrig befhäftigt, einen einfachen
Geburtstagstifh herzuridten für
— fein Modell: ein paar Blumen-
töpfe, billige Gebrauds gegenftande,
bei deren Arrangement ih ibm nad
Rräften half. Als das Mädchen
eintrat, fhüchtern, von fdeinbar
dürftigen Rérperformen, fonnte ih
mir die Wahl diefes Modelles faum
erflären. Der Künftler führte fie zu
ihrem Geburtstagstifh, die ganze
Geftalt beugte fic) neugierig vor, die
nicht eben fhönen Züge belebten fih,
um Augen und Mund fpielte ein
naives Staunen — die Marden-
freude eines Rindes.
Diefes freudige Staunen ob eines
niedlihen und do natürlich erfchei-
nenden Wunders fand id in der
Gruppe ,, Das Marden", wieder, mit
dem Pfregfdner die foeben ge-
fhloffene Berliner Ausftellung be-
fitte. Die leicht vorgeneigte find-
lide Geftalt, die in leifem Erjchreden
gehobenen Hände, deren ‚Finger fi
doc wieder neugierig der winzigen
Elfenténigin auf dem Baumftamm
entgegenftreden, die jungfräulichen
fhmiegfamen Glieder, das Alles er-
innerte unwillfürlih an das ftaunende Beburtstagsfind im Atelier. Dem Natur-
linde it das Wunder fein fremdes, den Zufammenbang des Seins ftörendes
Element, es neigt fih ihm als etwas Seltjamen, aber feineswegs Erjdredliden
zu. Elfen und Zwerge find ibm hold vertraute Erfdeinungen, mit deren
Rönigin fid ganz gut plaudern läßt, wenn man — ibre Sprache verftebt.
Man fann fogar, fobald man fie recht fennen gelernt, mit den Waldgeiftern
einen lojen Scherz treiben. Das faunden in der zweiten Gruppe Pfresfdner’s
dehnt fid) behaglich und fiebt fic) zufrieden ladelnd nad dem Schwänzden
Moderne Malerei,
im, dis id ein — 6 init | he greliten etn bemalt. ebene
‚Malerei‘ nennt Pfrekühner dieſe ‚aumdbhige Gruppe, vielleicht ein wenig zu >
adj Darf man fle ‚allgemeiner, | deuten, Jo ik ig bas mit See Natut
prirast gevaren Menfhentiiß, aa fie. fpielend umminadelt nach. feinem
Pefdrand, tor ololerten. Fannenfhwängden grünem. Guid sind biim
; “tine ‘tarbe. Fan flerifibe Bedeulnny
“te whbline Wiffion: brefeth
Mass jsansysftfher Piata r
Kaubgensen th ymdiret any Ad fo ted eine nene Wri Pami,
‚Kirbenswürdigee upt bie) Quintellenz der Märcenbildirtg, een
bie. erden rippen Weorbest Picenjaner’ a An denlfher Wandering find Be
gehaen ind wollen stenje naderapfindend — fein. Me ein her UN
‚ner ‚ik ber Künikler vom Mobdetl
ausgegangen und. Yat da Bae
fate feiner Aörperfiildung zu
tinem grmoltien und doch abits
loa WAEN, ment, ‘umge:
ftaltet.
Norbert Pregfihner bat äuf i
dem Gebiete der. Monumental |
plaftit bémertensmerthe - Erfolge
cbabt⸗ ent elften neben jeinen
von Jugendteaft ſirohenden N
“mart als Horpefindent“ de
herbe Anınuth Seah Se
fräudichteit. Bermanifh empfunden
etek des batafbliigen Anäbleine,
uch dte „moderne Male wohl
unwücfigen . Hiniors mit dem
Symbol frietemd, zum Nabdenfen
anregen) obne ea gn ersmingen,
Anig und nel zagltic roe 3
einer Snfaktefltnmundg gbir N)
Wie das irdi Casall)
faum tit fesielten titeraria
Dorbils Hat, fo fehlt der proberen
Materei jede polemifihe Spee:
Ga ift faw Fandy wns mën:
der Bahie dinmat nachmian, tote:
te Mape Badlia’ fo oft gayan.
nad the mit einst felifam ere
fheinenten farbig eia Ahnippe
then fasligt. Handvit ¢3 fh dot
nor um etn Faustenfhwängden,
und daa bodbeinige Bäbhen ger
denft Mer mit ‘feinem meneti
Anftridh unter feinen aako.
‚Furore au machen. Wis una on >
teiden Suuppen beſendets gefallt,:
das iit neben dem mtivrn: Ef
"ber Aafaa der. ajde Rey
in ber Behandlung ten Nutten.
Pfeesfenere unverbüllte Mädihen- °
Gefallen Find fit) dea Mangels
an Bekleidung narnict bewußt.
Sie krifi fi mit ihren Reizes
wiht wed ſchamen fih three mich),
weil die Naghen tbr mstürlihes
Märbentecht af. Sie: Tofriliren
nit nad dem Beiihäurr bin, Senn fie willen MiG von Set hirben Zibsadei,
die non Abeer Hlahten Bliedern a att \
Die —— ati Pilat des ftädtifchen
Suermondt-MTufeum zu Machen. |
„Berlin, seine Teanzdfifbe SEN" bien. der Tilet einer Beofhüre, Me wor
Jahten von einem Maties dex drutſchen Zpracnerdins beranageachen wurde,
ide Mbit, ge grinen, wle sith Tranasffite Hereidonuugen men Ramen
fd dem Ange deo fremden ty Merlit sefber Sartieten)
Mit eiel aröferem Kehti könnte Nahen eine, ‚nfeangenhfähe Sai genannt
werben, dehnen. Glebt dor Stregeninmen An "Dentfcher sind dan aber Im
Ransanfiter — t pru ite Reema, Gebtidere feah oſiſch ez MR ‘
Morbert Direpiner, Marken.
vy tinier feben**
haft im alten Sin Athöneaphielen ı Bilderrepraduftionen baben fein Inlereſſe
ich nr —— al ẽ
— Bed rhenfo fane von einer in dte andere Hand wie das
eꝛdſche und: die Damen heben tiwas von dem Geſchmat ihrer weſtlichen
Yadbatinen In Bieidung, Yoltand 2c. am Mh, gies Pho genligend, im: den
‘ ae moblibuenden Einprut u arwinnnt.
Es ap epit nue fa atiiettit, * ‘bet Sem Herben anſeten Plataten
an neben, in der Ach bas Verſtandniß für
Aet Die unlängft ftallgebabte „Unge
seit ‘Yoloffalen Erfolg haben mufiie.
ee Auch mee tene; Sas allen Reifen drr Einwohner eigen
zu fein fien bat Here Profelfor
iir Mag Schmid jekt, wieder in
dent einer Letiang anvertraaien.
Rädtifhen Suermondt-Mufenm eine:
„ätusftellung beutfher Plafale*
orränftattet. — Diefelbe IR mit
großen ‚Beihmal artangıt and
giebt, im ihrer Rethbattigtett
denttäch netun Aber die axe
ihaili. Entwilüng - in
Desifihland bislang - je fete.
nernahläfligten ———
fe en fortida gu
‘fonftaticen, das. läßt -fh
nidt leugnen, ` nat- mands
der Platate redet eine deutliche.
Sprache non ‚dent großen Ders
ftändnif, das der Heftetter, wer
Chef der. beauftragten Anftalt, der
Alnjler und. — last not least
me Det Mitbograph von einem
tünjkerifhen" Plakat hatten:
Dao Wort ,finftlerifih war bis
jent- mit. unferen Plataten. nidyt
in Derbindung zu beingen, dean
bie füßlihen Bilder, yandwerte-
mäßig und langweilig Uthogre
pity deren Sihrifttert jo plump
and Thwnlitig auf dem Bilde mit
Bändern cand Medaillen orrgiert
angebrad@l war, fonnten auf Mefe
Bereidhnang makelid feliren Ur
ipay maden. — Zum Glg
faben dann: einige Froftnöuftrtelle
A, da mil dem Buder ſplel
nicht viel anzufangen. fei, wenn
zo anf Wirfung Homm und
damit mar. ber etfe Beriti yu
ber Erferminif. geigan, wae das.
PHatal eigentiii’ bezweit.. Ee
tt nicht nötig, nodmala bite
darauf binguweifen, weidhe Air
tribute einem Rünftlerifihnmodtenen
Plakate eigen fein mülfen, ea wird
jeder anfinertfame Lafe bey Dre!
nachfolgenden Bejhreibung ofort:
‘Me: dem: beleeifenten Diafst ans
gaftenden eier — ums » dang wien war ‘baler “werinteden morden
wär...
‚Die Quatelina enthalt ungefähe. 30 Plotate wol en oetfiiederien
Künftlern, nad. Seren Originaten fa 40 Aunikanttsiien Deutfiblands sic
- Heprodattionen Srhefert baben. Daß unter dleſen 200 Pisfaten ak tet:
mäßige Freodufle worfommen, dét? nihi Wunder nthmea, wen man die
Abfiht Sea. Derunfialters beriitfisitigt, einen Nitia auf die Entwidelung drs
Seuifthen Pistler u geben. — cd beihränte mich daber bd der Kefthrels
bung nur guf tiae Unzabl bervortagender fitment, deren Hilfatrsfte: Eubo⸗
draperi. derartig ‘arfthult Ans, Dat au in lechnifiher. Bezirhung don ‚einer
Wichergahe bie nede Yen Lana, — Die el nnd Ihabianen.
ant dem tiftortfiben, iud alfo det Befdrelbung richt: wert,
Eine Abe, bie Raben An “Being auf Cednit und Fathen ·
if
an PERE.
Crenit elon: su, auf at tana — eat mit:
he nur dir im alten Sul Utbograpbitten , ‚Banfoplatatel — nae
b Das belie Plata Sief Unfit ag eritfählesen. davjenine pon „frik ebm:
; Münden, tan J der toben ‘Platattontue 3 einen Meinen H Preis
ae Ea. agt ‚eine i deren, einem
Lege od, mit Sonnecynlent: eine — raucht, — gi
feiti die wätbendfien A bi os wri pure 5
Ungerfhe Piafar Eirvrarin ift ganz başi i
toni yom „fühen Bilder" abzubringen und pen Sae Dettoni für)
die Miyon de Plofats zu erleichtern. — Weld eine Feine Stine g An Hier‘
alter Stade, wither denen Beiienbogen fish die in det. ‘Uhendfonne ‚glängenden
‚Hutpen der Elbe bindurhmätzen. Und. Bui one. mit A anion
Die Fehieung and Me Tecdhmit (Frnt, ie pi ape
fde ïo das Piafet. ausufehen, RE ae EAE STERN
‚Im Dresten, der Krnfilichenden Stost, — tine ER bie ‘fa 6 im:
der ‘Platatbeande eisten Ruf, ermorben bat, ya it Th Beyer, Die firma w N der She ben — oder dritten RN
ferit — Srloptanseige: a8, “Sat ee aine allegorifäe frasrny Preis — Konnte, ‘8 fo. wenig den Ynforderungen eines. modernen"
gealt, nen ple i: i pete entfpridt, ‚vielmehr eher an die alten. Bilderfpiele ‚erinnert, ia
in Stel Fates und Bold gemt and wit, in dem format 80 a 57 cm. ' Die firma Biefede & Drorient feit einige fehe, gute Piatate ans il
fehr auffallend) Der Éuinftler ifi iffers, won bis * das — Beit annee um „fahrnider) zur Shaun, Bo ih 5. 3. dis
werke Rene fear Piatak von I. Fi J ——— Werke (Een Aublmane
£ eg) ee pont thn i in à ine fein Einfachheit gtofarlig. und ea if eine: ‚Wohlibat, N
s “smifiben: au dem. Ata i > ir met w Pordig, peter
er Ta welurgemäß die —
N in ee ——
— Wir: — ‘ie. wieder ‚dem ge ‚san
Hebe, See ein Meiftenost- s dem ‘Pistat” ‚für
de dom: Morte 3 Atniipter « + Bseferngünder-
Kefelljihant gebeten ba Ver ‚Äberkrifft | iw
um — noch Bae LafermeCigaretien-
g rin ale Kod. farbe ehr Baia
"Plafat. “fient demzufolge immer „feiih" ana... 00
Me Fee, tinen Mervis in mmodetnem Pelz, * Ve Sobe
Cylinder ‘bie ‚Basflammen am dunkelbkanen Nacht · Ahlen
himmel durch ben eleftrifihen. ifrenn in Bernd
fehem au lajen, it ilih, — Den: der fima, —
it ferner ein Patat n genialen Beßeünden 7. 1...
ausgeitellt, das in feiner vornehmen ualang au
ob werdient, Brei i es im ‚allen. ‘Sn ge y“
Arketa Seiederickanifter Offer en sete taia —
trinten Es it im Unido an daz Wdjabrige ©
; Fnbiltum ber, Fma FW. Wefenberg, Eihsdien 0.0.
fabat trfóienen tind zeigt in gefoltert Waje das bem
Zeltenwirit bon Fdedtid. dew. Brower | angefandene *
Privileg. des Bofecsnefaante, der damals Yoon sit
‚Cidjorken genoffen wurde. fiir: ‚den ER im Sen
vtiefinie ; Lihorien,
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i ; i erfähen, rs ven: Pioti pe ‘oun je
Lefeefabeit von rt 5 ee
Te oiie ang. “tee Die —
Tropfen" ı niman, -tit ‚ Porderanunde akqebitbet, ria
über deren Edithelt: ‚in Datura li Siret. Mie —
rat ebl i Nr aha? ee
Don Berliner) ten —
Hiffarth & Co, Otto sfa, Ap Parerea —
Atere & ts, Diy a Gekte nE
AS a OLE mo
-m Bodile, > Frühling —
Deutfhe Runft. 11
Das Demmlerhaus in Braunfchmeig.
en der Dampfwagen bis an das Weihbild der Welfenftadt
Braunfhweig getragen, dem grünen zunädhft wohlgepflegte Part-
d anlagen entgegen, aus deren Schatten Pillen und Landhäufer
auftauhen. Braunfhweig zeigt auf den erften Blit den unverfälfchten
Typus der verfehrsreihen, im Aufftreben begriffenen Handels- und Fnduftrie-
fadt. Langfam fdlendert man einige hundert Schritt die Straße hinauf
bis zu einer die Ausfiht fperrenden Rrümmung, und plößlic ift die lärmende
Gegenwart hinter uns verfunten, und vor dem erftaunten Auge thut fih
ein Stüd ftiller, weltferner Dergangenheit auf. Leife plätfhern fhmale Waifer-
reifen aus den Mänlern phantaftifher Fabelthiere in die zierlih gegoffenen
Zinfbeden der Straßenbrunnen.
Bar eng und traulihd neigen fid
die überfragenden Stodwerke der
Häufer einander entgegen, und
die fauber gefchnitten und luftig be-
malten Figuren der hölzernen Simfe
und BaltentSpfe raunen fih alte
Gefdhidten zu voll derben Dolfs-
wites. €s ift ein fchier traumbaftes
Bild deutfher Stadte-Vergangenbeit,
und man würde niht erftaunen,
wenn man plößlic einem behäbigen
Patrizier in Schaube und Barett
oder einem Bürgers-Töcterlein im
Brethen-Roftüme begegnete.
Die Privat-Arditeftur Braun-
[hweigs fteht Surhweg unter dem
Seiden des hölzernen fadhwerts
VER a
—
und unterſcheidet ſich deshalb weſent⸗ S— ——
ſcheidet ſich desh fi —
lich von der ſüddeutſcher Städte.
Der konſtruktive Auf bau und der
ganze Charakter der Verzierung
wird zunächſt dadurch beſtimmt, daß
die häuſer faſt ausnahmslos nicht
ihre Giebel, ſondern ihre Langſeiten SFR ECON
der Strafe zufehren. Go liegt der “ s
Shwerpuntt nidt in den vertifalen,
fondern in den horizontalen Linien
der Facade, und der die über
fragenden Stodwerfe theilende
Sdwellbalfen geftaltet üh zum
Hauptträger des Flähenfhmuds.
gn fraftigem Profil sunterfeblt,
bededt fih feine lange Bandlinie
mit verfhlungenem Zweige und
Laubwerf.
Poffenbaft in den Motiven, dod
edel und ftilvoll in der Anordnung
des Fleraths ift die Facade des
alten Demmler'fhen Haufes
am Sad. fein gegliederte Bänder,
mit gefdnitten und bunt bemalten
Delphinen, 3ieben fih unter den
Fenftern hin, die durch Pfeiler mit
Engelbildniffen und Frudt - Dafen
flanfirt find. An den Brüftungen
der Stodwerfe aber fdlingt fid,
durch Reliefftreifen giebel-, bogen-
und medaillonartig abgegrenzt, eine
Fülle von Einzel - Darftellungen
hinauf, die den ganzen Bötterhimmel
der Renaiffance dicht neben natura-
tiftifhe Genre- Szenen und derb
komiſche Volksbeluſtigungen ſtellen.
Bis unter die Konſolen, die den
Ctagen als Stütze dienen, zieht ſich
in vornübergeneigten figuren diefer
Bildſchmuch, als fände die üppige
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Phantafie des Holzfhnigers an der flähe nimmer Genüge. Diefer ganze
Herenfabbath bildnerifher Schaffensluft aber glänzt in buntefter farbenpradt,
roth, blau und gelb, in die nücdterne Wirklichkeit hinein, troß feiner grellen
Lofaltöne einheitlich wirfend, wie ein orientalifhes Teppichmufter.
Diefes pradtige Denkmal echt deutfher formen- und Sarbenfreude ver-
fhwindet vom Erdboden. Es weicht dem Raumbedürfniß der modernen Gnduftrie-
ftadt. Bisher hat von einer Erhaltung des phantafievollen Facadenfhmudes noch
nichts verlautet. Hoffentlich ift dafür geforgt. Sollte man es vergeffen haben,
fo mögen die vorftehenden Zeilen als Anregung dienen. Wo die ftaatlihe Hilfe
verfagt, muß der Eifer der Aunftfreunde und Sammler ergänzend eintreten.
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hes as SR ts el ae acca aia,
SR tae na,
Das Demmler-Haus in Braunfchweig.
———— — — — —
12 Deutfde Runf.
ZE
Die Bödlin-Medaille der Jugend.
"a: Minden fommt die Nachricht, dafi die Münde-
ner „Jugend“ eine Huldigungsnummer und eine
Medaille für den 16. Oktober vorbereitet. Hervorragende Rünftler
und Sdriftfteller haben fih auf den Ruf der Jugend" vereinigt,
dem verehrten Manne ein wiirdiges Feftgeidhent auf den Beburts-
tagstifh zu legen.
Um die literarifchen Beiträge eines Detlev von Liliencron, der
ein, Bödlin gewidmetes, größeres Epos bringt, eines Mar Halbe,
ri Otto €. Hartleben, W. Weigand, Ferd. Avenarius und vieler
| Anderer wird fid) ein monumentaler Shmud von Bildwerken reiben.
| Mar Alinger bat eine eigens überarbeitete Platte für das Titel»
blatt der ‚Feftnummer zur Verfügung geftellt; Otto Greiner fandte
aus Rom ein für fie gearbeitetes, doppelfeitiges Wid mungs-
blatt und Safhr- Schneider wird in ibr, nachdem er der
Oeffentlihfeit gegenüber lange gefbwiegen, ein ganz nenes
Wort fpreden. Und ans dem tiidhtigen Rünftler-Beneralftabe der
pougend werden Angelo Jant, frig Erler, Zul, Diez und viele Andere
Arbeiten beiftenern.
Die zweite feftgabe, eine geprägte Medaille, bat der begabte Münchener
Bildhauer Hugo Raufmann im Aufteage des Herausgebers der „Jugend“ in
diefem Sommer in Florenz
modellirt.
Die Dorderfeite der Ne-
daille ftellt das bärtige,
fharfumriffene Haupt des Be-
feierten in Profilanfidt dar.
Auf der Rüdjeite erblidt man
den „großen Pan“, in Maffi-
fher Landfhaft auf einem
felfen fikend, wie er einem
jungen Riinftler die Hand
beim Malen führt.
Der Stempelfhnitt lag
in den geübten Händen des
Mündenee Miünzgravents
Borfh, die Prägung bat
das Föniglihe Hauptmünz-
amt übernommen. Diefe feft-
gaben follen allen Runft-
freunden zu einem mäßigen
Preife zugänglid gemaht werden: "die Nummer, obwohl in vergrößertem
Umfange erfeinens, zum gewöhnlichen Preife der „Jugend“, 50 Pfennige, die
in Bronze geprägte Medaille, 6 Hentimeter groß, in Etuis, zu 20 Mark.
Die Bödlin-Medaille, Revers.
Buriofa ans Atelier und Werkfatt.
— Ein Paiferlides Gefhenf. Zar Nifolaus I. hatte den franzöfifchen
Marinemaler Tannenr nah Petersburg fommen laffen, eine Reihe Bilder zu
malen. Tanneur madte fh aber duch rejpeftwisrige Bemerkungen unmöglid und
mußte des faiferlidhen Anfehens wegen fortgefhidt werden. Indeſſen trug
ihm der Zar feine Unverfhämtheiten nicht nadh, fondern verehrte ihm fogar
perfönli eine foftbare Meerfchaumpfeife, die reid) in Silber gefaßt und mit
Diamanten verziert war. Fhr ungeheurer Kopf faßte wohl den vierfahen Inhalt
oder mehr der grdfiten gebrdudliden Jägerpfeifen. Beim Anblid diefes Kleinods
entfubr dem Maler die Bemerkung, er würde „verteufelt viel Zeit“ brauden, bis
der Roloß einigermaßen angerauct fei. „Wann müflen Sie reifen?" fragte
kurz der Zar. „un vierzehn Tagen." — „Bis dahin wird fie angeraudht fein.“
Die Palaftwahe madhte große Augen, als fie das Aunftwerf an einer
Rette befeftigt im Wadraumt hängen fah. Der Offizier Ias folgende Ordre
vam Vermifchtes.
ili, Kurinfa a. Afeliern. erkftaft.
———— Gedanken ühen hildente Kunf.
*
vor: J. Bei Strafe der Knute darf Niemand aus einer anderen Pfeife rauhen.
2. Jeder Bardift bat zwei Stunden lang daraus zu rauhen. 3. Weder
während des Tags- nod Yachtdienftes darf die Pfeife ausgehen, worüber der
Offizier du jour zu waden bat. 4. Wer frank wird, fommt ins Hofpital
und tritt fofort ein anderer für ihm ein. 5. Der nöthige Tabak wird auf
Rednung des jedesmal Wadbhabenden geliefert. — Binnen 14 Tagen war
die Pfeife angeraudht, [hwarz wie Ebenholz. Auf den Detel ließ der Zar
eingraviren: Angeraudt in 14 Tagen. Raifer Nifolaus. 1848.
— €in Maler als fiinftlerifher Vorläufer Gerhard Haupt-
mann's. Gm Fabre 1848 ftellte Rarl Wilhelm Hiibner in Rdnigsberg ein
Bild aus, das den Titel „Die Auspfändung“ führte, dem ein zweites folgte,
das die Waarenablieferung der Weber an den fabrifanten in draftifher Weife
Jehilderte und Figuren brachte, die an die Geftalten der Hauptmann'fden
Armleutedramatif fogar im Einzelnen erinnerten. Rein geringerer als
‚Ferdinand Bregorovins fhrieb damals eine abfällige Rritif, in der er den
Riinftler einen Eugen Sue
der Malerei nannte. „oft
dies ein Rubm und eine
Größe, fo ift fie fatal genug.
Denn das wahre Runftideal
liegt außerhalb des Rreifes,
in. welhen ein Eugen Sue
fic) geftellt bat. Wie ift es
möglid, daß ein vollendeter
Meifter der ‚farbe und
plaftifden Darftellung nicht
über die Myfterien des Prole-
tariats binausfommen Fann?
Will er uns wirflid in den
Labyrinthen des irdifchen
FJammers feftbannen und
unfer nah freiheit ledy
zendes Herz mit dem ge-
Die Bilin Medaille der Jugend. malten neuen Pitaval trö—
Mosdellirt von Hugo Kaufmann, ſten? ... Iſt hier eine
ſiegreiche Oppoſition gegen
das Sentimental-Weiche der Düſſeldorfer Schule, ſo iſt es zugleich gegen
die Idee des Kunſtſchönen überhaupt. Wollt Zhr uns das Unglüd, den
Schmerz und das Web malen, fo fteigt ein wenig höher hinauf, wo fih das
Leid begeiftigt und verfittlidt und mit dem Sdhidfal endlih harmonisch fih
verföhnt. Solde Hungerfzenen aber gehören in die Feitungsberichte, in die
Regierungsaften, die Yothftandsvercine und in die Ständefammern — fie
laffen ih da recht mit Erfchütterung feben und hören.“
Gedanken über bildende Aunft.
Obgleih wir Feine Runft haben, giebt es dodh mehr Menfhen, die Bilder-
galerien befuden als Bibliothefen, und es ftudieren heutzutage mehr Menfhen
griehifhe Kunft, als die griehifhe Sprade.
*
Der verſteht Malerei zu beurtheilen, der etwas wirklich Schönes zuerſt
erkennt.
*
Unſern Augen wird von Kind auf peinliches Sehen gelehrt. Wir ſuchen
Alle nach Löchern in den Aermeln der Leute oder nach Staub auf deren
Rragen. Es iſt die kleinliche, engherzige Art, die Menſchen zu betrachten.
Wir Maler müſſen unſere Augen nicht ſo gebrauchen, weil wir ſie anders
gebrauchen können, denn wenn der Rock auch ſchmutzig iſt, ſo fann er dodh
ſchön ausſehen, wenn er gemalt ift.
*
Es fragte Jemand Albrecht Dürer, womit er den Bart gemalt habe, um
ſolch' einzelnes Haar zu erzielen. „Mit einem breiten Pinſel“, war die
Antwort.
Berlin. — Die Reihshäuptftadt fteht zur Zeit, wie das gefammte
deutfhe Land, unter dem Heihen der Bildhauerfunft. Es fheint, als
fönnte man fih in der Erinnerung an die glorreiche Vergangenheit des legten
Dierteljahrhunderts garnicht genugthun, und müßte fie in Stein verewigen um
jeden Preis. Die großen Arbeiten am Nationaldenfmal Wilhelms I. find
beendigt, es handelt fih nur nod um das dekorative Beiwerf. Die Bild-
bauer Gaul, Breuer und Wagner find eifrig an der Arbeit. Gaul ift
mit der Mitte der inneren Seitenwand befdhaftigt. Fm Nordpavillon figen
zwei Raben mit drollig ernfter Miene auf einem fichtengehänge, und im füd-
lihen Pavillon hodt ein Eihhörnhen auf einem Behänge von Eichen und
Sonnenblumen, das an zwei Widderköpfen angebracht ift. Neben den beiden
Pavillons befinden fih zwei Thiiren aus Sandftein, die jest aud nod) mit
fleinen Reliefs gefhmüdt werden. Das Modell zeigt auf einer Seite eine
Putte, die fih den Helm aufgefett bat, auf der anderen Seite einen auf
einer fabne ftehenden Fleinen Rer! mit Trommel und Schild und in der
Hand ein Schwert. Die großen dekorativen Gruppen auf der Attifa der
Halle und an den beiden Prunfportalen find vollendet, fo daß die voll-
ftändige Abrüftung erfolgen konnte. Die freigelegten Gruppen an den Seiten-
portalen zeigen verfciedene Geftalt. Am Yordportal befränzt ein Anabe die
Rartoude, während ein Weib in die (aus Rupfer getriebene) Pofaune ftößt.
Diefe Gruppe ift von Breuer. Am Südportal legt eine Ffrauengeftalt das Gewinde
um die Rartoude, während von der anderen Seite Putten mit einem Lorbeer-
zweig herabſchweben. Sehr hübſch ift der Grund ausgefüllt, hier mit Sonnen-
firablen, dort mit Engelsföpfen, die fih in der Luft fiiffen. Die zweite
Gruppe hat Wägner gefihaffen. Die Herftellung des Mofait auf dem Denfmals-
bof und in der Halle ift nahezu vollendet.
Auh an den Standbildern der Siegesallee wird im Stillen
weiter gefhaflt. So führt Rarl Begas feine Bruppe bier aus und hat fon
das frühere Bärwald'ihe Atelier in Wilmersdorf bezogen. Den Mittelpunkt
feiner Anlage bildet das Standbild des Astaniers Otto IV. mit dem Pfeil
(1267—1308). Die Figur erfheint nad dem genehmigten Entwurf im Retten-
panzer mit übergehängtem Mantel; die Linte fat den Helm, die Rechte das
Schwert. Auf der linken Seite des Kopfes trägt der Markgraf eine Binde,
die das Auge bededt; er hatte die Wunde, weldhe ihm den Beinamen gab,
im Rampfe mit dem Erzbifhof von Magdeburg davongetragen. Yur das
Bismarddenfmal vor dem Reidstagshaufe will nod immer nidt
zur Rube fommen. Es fdwebt ein eigener Unftern über der ganzen An-
gelegenheit. Die erfte Konkurrenz führte zu feinem endgiltigen Ergebnif,
und Sie zu einem engeren Wettbewerb aufgeforderten Sieger wie die be-
fonders eingeladenen Rünftler mußten fi ihrem Einlieferungstermin um fünf
Monate, bis zum 1. Oftober d. J., verlängern laffen. Wir werden über die
im Ubrfaal der Afademie ftattfindende Ausftellung der Entwürfe in der
nädften Yummer berichten.
Aud die Stadt Berlin hat Unglüd mit ihren bildnerifhen Fntentionen.
Die Ausfhmüdung der Potsdamer Brüde hat beredtigte Be-
denken bei den Stadtverordneten erregt. GBauf, Siemens und Helmholt
will man ih als Standbilder mit obligatem Beiwerf gefallen Laffen, mit dem
lebenden Röntgen fann man fih niht befreunden. Aud die äfthetifhen Ein-
würfe gegen die Attribute der genannten Belehrten — Röntgen mit der
Camera — entbehren nicht der Begründung.
Um das Treitfhte-Dentmal im Vorgarten der Univerfität ift
ein Streit entbrannt, der zum Theil hinter den Kouliffen fpielt. Ein Wett-
bewerb foll niht «ausgefhrieben werden, der Bildhauer Uphues erfreut
fid offenbar hoher Proteftion, und wenn man den Namen Adolf Hildebrand
nennt, fo erinnert man fi allerdings, daß Berlin nod) fein Denkmal von
feiner Hand befitt, weiß aber nicht, ob der Künftler überhaupt dte Abfiht
þat, fih Ser ibm zugedadhten Aufgabe zu unterziehen. Bisher hat er aus
Gefundheitsrüdfihten abgelehnt, wie bei der Konkurrenz um das Siemens-
und Rruppdenfmal. h e
Offenbar meint es das Klima beffer mit dem fiinftlerifihen Schmude
Berlins als die mafigebenden Faktoren. Während man den Grofen Rurfürften
vor einigen Jahren vom edlen Roft mit eifrigem Bemühen reinigte, bat fidh
der Shloßbrunnenvon Reinhold Begas mit einer wunderbaren natürlichen
Patina bededt, vor der man hoffentlid als unerwartete Zugabe etwas mehr
Hodhadtung entwidelt. Das berühmte Berliner Reinlidfeitsgefiihl follte bei
der Denfmalspflege Halt maden.
` Auf dem Gebiete der Malerei ift wenig Neues zu berichten. Man erholt
h von der Bilðerfhau im Ausftellungspar? und fammelt neue Kräfte,
Schulte hat feine Herbftausftellung mit Bödlin’s „Arieg", Ludwig Anausı
„Unzuftiedenen“, Hans Thoma's ,,Meeresidpll’ und Hane Deiters?
„Frühlingsreigen“ und zwei Portraits von Lenbad erdffnet. Bei Gurlitt ift
großes Reinmacen fiir die Eröffnung der Saifon. Ueber beide Ausftellungen
werden wir in der nädften Nummer berichten.
— Einen bemerfengwerthen Faktor in der Berliner Aunftthätigkeit fpielt
feit den wenigen Fahren feines Beftehens der „Deutfhe Aunftverein“.
Wir find in der glüdlihen Lage, unfern Lefern das Vereinsblatt fiir das
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nes x G ERAR 5 ; TPES EEA
. u. = eee
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Cudwig Manzel.
Der Ruhm,
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TEENS a Dejos Aant
nl a ee — ——
Jape 1896 vorzufiihren, daa anf Veranlaſſung
des Vorſtandes mit Unferſtüzung bes- Altis
mintfterlume augeferitgt morsen ft: Der
prädjiige Bupferjtich won MIhert Ariger giebt
bas tine ‚Flügelbild des Genter Wtarwerta ber
Gebrhier Toben und Kuberi van Erd,
die, „Mufigiesenden Engel mit. wunderbarer
Tree wieder. — m März 1897 übermittelte
der Deutſche Runſtvxern feinen Miighiedern 14
eine Rupferdgung radi der Gruppe des Profelfor i
2. Mangel „Der Ruhm“, Die lorbeergeftöme.
weibliche Jesigefialt dee. Ruhmes bat forben ol
das Bild des Haijets Wilhelm J. in die
goldene Tafel der Geſchichte eingetragen. Die as
Une Hand. pili die. in ftarter Dergoldung a
ausgeführte Tafel, die rehte ft mit bent!»
Birdel zusätgrfuuten, Ter Bd dea finnendem'
Auges. vb mit dem ‘Wusdrad jeelijcher Er
aniffenkeit anf dem Antlik des Kakfere. Die
Ides lgeſtalt flbi, in. Bronze amegeführl, »
iit auf., einen ‚jelshlod von Marmor. figend
dargeftellt. Anf den beiden Seiten find be
Aahtesjahlen 1897 und 1797 in ben Bein
gemeipeli. Am fije des Sodels befindet
fid eine eingelaffene Tafel wus Bronye mit, a
der Anfiprift: „So bem gefiefet iP nog
fein Monard gemefen" = Fie Bismart pi
im Deutfhen Aetdhotage, I Mars 1888.
— Die Rütjrile See MarmoreBodele zeigt
auf tine Bronze piatte das Monogram. bea, a
Deutjhen KRunft-Vereins. ; R
der Deutihe Sauf Vertin tibt je:
Dervielfältigungsredt breg ae und
giebt Deroielfälligungen in, Bronze und
Warmor oder nur tn — bet: einer Bohr
von intl. Bodel 68 cm zu 1000 ‘Riar an
feine Mitglieder. ab. ‚Drei ‘€xemplate ‘bea
pradtiged Wertes, find, mie wir hören, für
dle tin Topember &. 3. flaitfindende Derloofung
dis Runftvereing befttmmt,
en
Würden. — —S fängt an aan
parte zu werben. Wie an der Seine giebt.
man Ad audi bet una gefellfihafilide Nender
ons im Salon
wate mit biog tunt Bmpelt, fondem fle’ gefeltiihaftlich genegen lernt,
ble Ber guten Weli zu. werden,
au begrüßen, . dağ Sle Sezeſſſon ihre. Pau eEn Aha aufgegeben Mk Ra
willig, nit. bloß weit fir mußie. N
Der Boden brannte the gleidjam anier $
Die „Dermöbelung’” im Glaspalat hat keeffinhe „Folgen nebabt.
ju einem wärdigen und angenehmen Auentpatie ad ‘file. etmas ips
Menfchen geworden. ,
‚ya der Chat, man möthle fait. jagen, ‚das nnani. ‘bie bei una:
diesmal den Osgel abi Wie Bart RS pping ven Badırer zum Blasbläfer
‚geworden aft iind feiner Pbantafie Im Saftig ‚hingepufieten ‚Stengel-Bläfren
de Zügel jätießen Saft, mie, Liebermann den Hammer. aiara md felbite
bändie Krberlapeten vernagelt, fo fb aud umjere Midielangels’s » und:
Hafaet'a: Deforateurs geworden. Tide nett, Stud: und den eftangofen madter
wir diesmal Stant, fondem mit $. Besdrund frinn arabijdhen, mit Martin be
Dilfer und feinem Empiresimmer, —
oo) fait: Berlin befortsere intere|fictit dürfe fits, da din Bt: PRAN
bier febr anzegend gewitht: pat. Auf deifen Bejtellung hat her "Miißhaurr
und Zifeleue Karl Grog, Sefen Zinnarbeiten in der Aleintunft-Nbtkeilung
bes Blaspalafes fibon rühmend erwähnt wurden, zur Zeit in einem Schau ·
fenſtet des Runjigewerbevereing eine Reihe nener Begenftande in Sim cua
geeli: sine Blamenvaje und tine Helbe von Cafelgerathen Ung pier zeigt
fh das Desändni des Verfertigers: für das Wefen des an fh fo vornehmen '
. Meballs und zine gefunde ornamentale Begabung, die Einfälle in Schranken:
— Engel.
Hah Uubert vap Eyd. " Rupferfidh den Widest Beton,
Wenn daa fo weiter debi, wird ze 5 Babin: tommen, bag X
‚ter.
Blaopalaß fängt an, mie et wieder Centrale ber Runi gemarden ijt; and
Und in: ‚biejer Bindt it es mit gimen-
Hih, er wär tbe Pe tea y
; abaut unse Pring - » Regentenftrafie find duch ein Rundfchreiben erfreut
"worden, worin dns mold wich mit Unnredt voraehälten wird, deß der Exjolg den
i fegefhiontiteigen Untermbnung immuerpin des ıhmeiles der Edien merth yes
wefen.
a e ia und bem geforderten Swete an
ee Sopol mei.
ooo AA fann mih aber Ser. —— nicht
miballen, baf-man mandmal In der Ent
anidelang deto fornew der Aanftmöbel, und
well Air das Unangemeilene hinäberfihmeift und
Se Maile ‘bet Natur ans sen Angen veciiert,
die aller Aunft, alfo aud der ‚Bunftmöbel- r
tijchlerei tidptunggebend fein und bleiben: fetite.
Dleſe Maßt aber. find Sie des Menjdes. ‚Für
thn, für feine Sinne ‘und Bliedmaßen ‚follen ;
Me Sachen geftifen werden, bie das Heim
wohnlih machen, de Thür gum Kinduch-
‚gehen, die Seel gum Signen, die ‚Fenfter zum
" Ausfhruen und als Quellen des bimmlifchen
Luͤchls fur unfere Interieure, die Bläjee und.
Krüge follen fo ‚nteintbar” fein mle der
Wein und dia Bier, ‚Die Börder follen band-
It "bleiben. — und alles dae t vielleicht
‚bier. ‚und da aus den Yagen verloren worden,
“Man map die Movfeeung abwarten, wenn
en woblvecaniagter. Dogel einmal miftsnia
fingt. Die Ahöpfungen der Aunft folgen ein-
ander ziemlich regelmäßig wie die Tage, abet
fie gleichen fid niht at nidt unfer Franz
v. Upde aus einem Bell» ein Dunkelmaler ge-
worden? Haite man Nies vor jehn Jahren, wa
‚er. den Pfeinzirianus. im Wappen trug, für mög |
= wegen der mßlungenen Sigur bea Chriftus
= -— gefiebt 28 felber, fh. und ber Welt, sah
Defer Chins mit glüdiich fek Er eeflärt
7. fh beret: thn umgumalen, Es fell nun die
. Btastetsmmifien ‚wieder‘ einberufen werden,
um nobmale über die Ankaufefrage zu be-
finden. Na intimen Yeufrrungen maf-
— gebender Pirfonen zu fhfteßien, fcheiment aber im
y ‚erheblichem Mage Bedenten zu beftehen, ob
man iin Bd für dte Pinafothet ermerben forte,
dns a nob abgedabent ech mije ‚ohne daß man. vorber wijfen thane,
tele fic) Me Abänderung machen werde, |
En Bitd im grogen Stel, daa fo Mel toftet wie ein breififiges Hase —
ber Kreis af auf 5000: ‘Mart besiffert worden), it wie en ‚Bauwerk.
Hian elite wii: en Madmodelic aight ofiie fo. etwas Ungthenerlihee ‚halten,
en deowegen ann, bewährten und erfahrenen Rünler m biti mie
is tinen Neuling,
Tye — Tir das nunmeht abgebrochtie abet ;
Die Apii di Devine’ ‚war, In dem Frovifediden Bau fünf taer-
naliongle Runiauiaftetinngen | 'abzuhatlen. Oier Sirfer Ausftellungen haben
“mii Sea erhofften. füranziellen efultuhe abzejhloffen und von ber Befsmmt: =
banhats pon 462 Sl Mark and IS Pfennig find im vier akren über
152 OW Mark abgesablt worden. Die fünfte Mugitetfiang 187 wurde: mich
abarhulten und fo, fdjuldel Ser Herein not cha: 50 200 Mart. für 1897
mat wieder "fine große Internationale. Kunftansttellung im Blaspalaf pio-
feltirt. An bddijter Bielle hertſchle der dringende Wanye, die beiden Bünftler-
'vereine Mündens möchten von nun ab diefe alle otet arte wiederkehrenden
geoßen Internationalen Ausftellungen im Blaspalaft gemeinfhafilih infzentzen.
Dleſen Wanſche naczufommen, hielt die Dorftandfhaft für um fo mehr ger
‚boten, ala dem Derine das t. Aunftausftellungsgebände im Rönigsplag zur
Abhallung ferneree Nusftellungen dard dr Begiirnag sagewiejen, und fy
Ste Zufanft des Vereine ſichet geſtelll wurde. Da dem Beteine and Än
Deitel der. Erübrlgungen aig be großen Austellung 1897 bom: ‘Sentral.
foatigen Bebrauhagegenftänse ein menig 40 sei nit tt
lid) gehalten? Sxine „Gtmmeifabrt Chttftit wurde:
: fir bie Shisisantinfe (Pinatothet) in Bore ER
aber — man höre und faune <
mee ht der. Srostalonuhion. beanftantek o Er es
5 Abbe — man böre nnd. kount nod miele Sees
Deutfhe Runft.
comité in WAusfidt geftellt wurde, mit Befreiung von jeglidher Verpflidtung
im falle eines Defizites, war, nad der damaligen Aufftellung des Budgets
zu jihließen, here Ausfiht vorhanden, die oben erwähnte rüdjtändige Schuld
im Betrage von 30000 Mark abzutragen. Leider jhwinden die Hoffnungen
auf einen beuer zu erzielenden Ueberfhuß in Folge der im Glaspalaft ge-
madten großen Einbauten. Der Verein halt es für eine Ehrenjade, feinen
Derpflihtungen voll nad3zufommen, Aus diefem Brunde richtet der Vorftand
an die Garanten die Bitte, die von ihnen übernommene Garantie noc bis
zur endgiltigen Abwidelung der zur Feit beftehenden DVerpflidtungen aufrecht
erbalten zu wollen, und nimmt ihre Einwilligung hierzu als gegeben an,
wenn nit bis zum 15. Oftober 1897 anderweitig verfügt wird. Die Zahl
der Baranten foll fih auf etwa 200 belaufen, trotzdem wird fih unter ihnen
taum eine diffentirende Stimme finden. Wir zweifeln nicht, daß die „Sezefjion‘
in dem neuen Heim diefelben Erfolge erringen wird wie in dem Haus an
der Prinz-Regentenftraße.
Dresden. — Die Regfamfeit auf dem Boden des Runftlebens will immer
nod nicht zur Ebbe gelangen. Yur die Werefchtagin-Ausftellung gebt ihrem
Ende entgegen, um ihre Aunftreife nah Wien fortzufegen. Und zwar betrifft
dies and eine ganze Reihe von Stüden, die hier in Privatbefiz übergegangen
find und nicht vor 1900 in die Hände der Käufer gelangen werden. Gm
Uebrigen hat fid die Ranfluft mehr auf Funftgewerbifhe Begenftände ge-
- worfen. Und zwar it das Röniglide Runftgewerbemufeum
in erfter Linie dabei betbeiligt. Für das „Möbelzimmer"* find feds von
Meinen Scheiben in modernem Antifglas umgebene Glasfenfter angefauft
worden, die den oberen Theil der Fenfter des betreffenden Saales füllen
werden. Jm Eifenzimmer desfelben Mufeums ift ferner ein Glasfenfter aus
Opaleszentglas von Sadfe und Hofrihter (Dresden) angebradt. Das
Material felbft ftammt aus Amerifa. Ein anderes ift nah Sem Dillmann'fdhen
Derfahren von Thorndife in Berlin hergeftellt. Das Bild — ein Blumen-
ftüd — wird hierbei in drei aufeinander liegenden Scheiben in den Rome
plementirfarben hergeftellt, refp. eingeätt. Eine Anzahl Bronzen (Empireftil),
alte Porzellane und moderne Reramiten (Schale und Dedeldofe von Zſolnay
in fünffichen, (Ungarn) fommen dazu, bei weldhen letteren eine tiefrothe
Unterglajur und das Metalllüftre bemerfenswerth find; ferner Gobelins nad
den Entwürfen von ©. Edmann (Münden) in der Biwerbefchule zu Siherre-
bed (Nordfchleswig) in bäuerliher Technik hergeftellt. Endlich find die Runft-
fhage um eine Reihe von Medaillen bereihert worden, darunter folhe von
Pawlif (Wien), Henze (Planen), Hildebrandt, Vogel, Dubois und Chrylain
Actien-Gesellschaft
vormals
—& — —
Musterlager:
H, Gladenbeck & Sohn
Bildgiesserei i
Friedrichshagen b.
Bronce- u. Zink- Kunst- fiesserei.
Grosse Auswahl
moderner und antiker Kunstwerke.
Beleuchtungsfiguren,
Garten- und Grabfiguren.
Berlin S., Wasserthor-Strasse 9.
Verkaufsmagazin:
Berlin W., Charlottenstr. 23, vom 15. November cr.
15
in Paris n. a. Der berühmte Todtentanz in der Neuftädter Dreifaltigkeits-
tirhe, deffen Gleichen nur nod Liibed, Bafel und Straßburg befigen, und
der 1559 auf Deranlaffung des Herzogs Georg gefdaffen wurde, geht dem
Verfall entgegen. Ein Bypsabguf desfelben wird nunmehr für das Mufenm
des Röniglih fähfifhen Alterthumsvereins hergeftellt. —
Stuttgart. — DerWürttembergifhe Runftverein verfendet
im Namen der vereinigten füddeutfhen Runftvereine eine Einladung zur Be-
fhidung der im Jahre 1897/98 zu veranftaltenden gemeinfhaftliden
permanenten Ausftellungen. Man rühmt die Strenge der Auf-
nahme-Jurp, die in den Händen des Württembergifhen Runftvereins liegt,
doh werden fih woblberathene und ftrebfame Kräfte dadurd nidt abhalten
laffen, vor diefem Skrutinium ihre KRraftprobe zu maden. Die verbundenen
Dereine genießen den Auf, fehr günftige Derfaufsrefultste zu erzielen. — Gn
der biefigen permanenten Ausftellung befindet fid) jekt neben einer Paftell-
fammlung von Meyer- Bafel eine Kollektion Böffenrotb'fdher Land-
fchaftsftudien. Der Miindhener Riinftler wird gewarnt, ‘der „DVielheit‘ zu
verjallen und damit an Fünftlerifher Perfönlidfeit einzubüßen.
Prof. Rappie, Hermann Drüd,Stuttgart, Wolf-Thorn (Berlin) find
gut vertreten. Münden fandte Bilder von Bredt, Dolten, Schultheiß,
R. Raupp.
Hrankfurt a, WH. — Wie überall fo wird and bei uns feitens des
Runftvereins die Rolleftiv-Ausftellung mit Vorliebe gepflegt. Thre Roften
tragen diesmal die Berliner Portraitmalerin frl. M. frige und der Aquarellift
John Hammer. Jh meine das figürlih, oder „moralifh". Das trifft
namentlih bei frl. frike 3u, die uns mit allerlei Perjönlichfeiten befannt
madt, welde wir nicht fennen. Es find meift bochgeftellte Leute, denen die
Rünftlerin ihre Kraft widmet, Rammerjunfer, Derwandte des Rönigs von
Tabti und ahnlidhe Leute, weldhe mit einer Schlichtheit dargeftellt werden, als
wären es ganz gewdhnlide Sterblide. Daß man hierin zu weit geben Pann,
dafür liefert das Portrait Hermann Grimm's einen Beweis, Niemand würde
hinter diefen Zügen einen der geiftreihften Canfeurs nuc — ahnen! Gm
Rolorit ift die Meifterin ein wenig ,,fnauferig® modte man fagen. Wir über-
fhaken den Werth der Farbigkeit nicht, aber eins muß man dıcfem Elemente
laffen. Es giebt Rörper. Die Hammer'fhen Saden find febr faft
zu zahlreih. Beim Aquarell ift die Gefahr, daß ein Werk das andere auf-
bebt oder in die Monotonie hinabzieht, nod größer als brim Oelbild. Vielleicht
leidet der Eindrud diefer Rollektion ein wenig unter ihrer Fülle der Beftalten.
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Berlin.
Max Hoerder.
Unter den Linden, Hôtel Bristol.
16 Deutfde Runf.
Andere Rolleftionen finden wir bei Hermes. Jagdftüde von C. Jimmer-
mann und 17 Bemälde von Habermann füllen diefen Salon. Jn Ton
und Tedhnit vollfommen, fheint den Werken des letzteren Meifters nod die
Rube zu fehlen, die das Oelbild zur Dorausferung hat. Lenbad, Stud,
Rampf find hier mit vorzüglihen Einzelleiftungen vertreten. Bei Schneider
ftebt Thoma im Zenith, ebenfalls Follektiviftifh auftretend.
Nürnberg. — Höhft anerfennenswerth ift die Rührigfeit der Derwaltung
des Germanifden Nationalmufeums, bewundernswerth der Fortjchritt, den
die Sammlung maht, zumal wenn man bedentt, daß Alterthümer jetzt bedeutend
bod im Preife ftehen. Go mufte für eine filberne Reliquie von 1467, in
form einer Büfte des hl. Jeno, mit 18 000 Mar? bezahlt werden. Die Mittel
zur Erweiterung des Mufeums werden durd freiwillige Beiträge der Nation,
fowobl der Regierungen wie der fürften, einzelner Gefhlehter, Rörperfhaften
und Mäcen gewonnen, die fih zu „Pflegfhaften‘ zufammenfhließen. So
hat die Berliner Pflesfhaft Fürzlih die reihe Sammlung mittelalterlider
Siegelftempel ihres verftorbenen Mitgliedes Warnede zum Preis von 10 000
Mark für das Mufeum erworben. Sie umfaßt über taufend Originale von
Städ!en, Richen, Familien aus der gothifhen und der Renaiffanceseit,
darunter mehrere Hundert von aufßerordentlihem Runftwerth. Die fürftlid)
Sulfowsti'fhe Waffenfammlung foftete iiber 200000 Mark; die dazu
nöthig gemwefene Anleihe ift fürzlich endlih abgezablt worden. Hauptjählid
find es die prachtvollen Turnierrüftungen, die hier intereffiren, fowie die erften
Donnerbiidhfen und Orgelgefhüge, die es fhon vom 15. Jahrhundert an gab.
für die Heilung der im Kriege wie im Frieden gefchlagenen Wunden bemühte
man fih aud damals, wovon die pharmacentifhe Sammtung beredtes
Zeugniß ablegt. Schon feit 1884 hatte der Deutfhe Apotheferverein Deran-
laffung genommen, dem Germanifden Mufeum befondere Unterftürungen
zuzumweifen, um eine der Befhichte der Pharmacie gewidmete Abtheilung als
„biftorifch pharmacentifhes Centralmufeum* zu bilden. Jn den Jahren 1895
und 1896 find diefe Beftrebungen nun zu einem gemwifjen vorläufigen Abfchluffe
gefommen. Es gelang, aus der altberühmten Stern - Apotheke in Nürn—
berg die vollftändige, vorzüglid erhaltene Einrihtung Ser Material und
Rräuterfammer nebft Zubehör fowie die Apparate des Laboratoriums, alles
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Die sieben
des Künstlers in Einba
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7AN Kunstverlag von Rudolph Schuster, Berlin, =
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In meinem Verlage erschien das Prachtwerk:
des Vaterunser,
Acht Kupfecrätzungen
nach den Zeichnungen in der National-
galerie zu Berlin von
Professor C. G.. Pfannschmidt
mit erläuterndem Text
Professor Leder.
— Preis Mk. 30.— @-——
Dasselbe Volksausgabe.
Acht Lichtdrucktafeln
nach den Originalen mit erläu-
terndem Text des Künstlers.
AW. Preis Mk. 10.—
aus der Frühzeit des achtzehnten Jahrhunderts ſtammend, zu erwerben, wie
fchon fritber die Holzeinridtung einer Apothefe in Oebringen. fünf Räume,
theilweife neu erbaut und ftreng im gefdidtliden Stile der betreffenden Zeiten
eingerichtet, find für diefe in ihrer Art einzig daftehende Sammlung beftimmt.
on der Sammlung für Tradt und Schmud, die uns ein farbenreihes Bild
der Roftiimentwidelung zeigt, gewähren wir neben anderen Neuerwerbungen
nit ohne Rübrung die Arbeit einer Tochter der hl. Elifabeth von Thüringen aus
dem 13. Jabrhundert, eine geftidte Tafhe und einen Gürtel mit der ein-
geftidten Infchrift:,„Ger-
trudis filia beatae ®
Elisabeth me fecit.“
Den Yorddeutfchen wird
es freudig berühren, dağ
unter den Zugängen aus
dem Gebiete der Haus-
geräthe niederdeutfche
Arbeiten, bejonders
aus Schleswig - Holftein,
Truben, Bauernftiihle,
Scränfe u. f. w. por-
wiegen. Ein holfteinifher
Schrank von 1586 zeigt
die Thierfelder nod mit
dem gotbifhen Rollen-
motiv verziert, während
die Beihläge und Orna-
mentfriefe frührenaiffan-
ceformen aufweifen. Zu
den nürnberger, [hweizer,
tiroler Zimmern foll nun
auh eine vollftändige
friefifhe Bauern-
ftube tommen, ein
Mufter nordifcher Tedhnit.
PREISANSCHLÄGE
LIEFERUNG. „IP mar a
MUSTERN 2
45 Zu DIENSTEN.
PROMPTE
ZEN EN TEN AN- FUN N
CNL TRAL ITNA IRL G NALIL NNLLA
Bitten
nddecke nach
— ——
— — —
œ Vom Kunf-
> Bunfgemerhemarbf.
und —
Eine Erinnerung an die Berliner Kunſtausſtellung.
— Der Streit über die Vortheile und Nadtheile, die die beiſpielloſe
Entwickelung der Photographie und das auf dieſer beruhende Reproduftios-
verfahren der bildenden Kunſt, ſpeziell der Malerei, gebracht hat, hat noch
immer nicht zu einem abſchließenden Endurtheil geführt. Beide Parteien ver-
fechten hitzig ihre Meinungen, und wir werden wohl kaum zu einer
Klärung gelangen, ehe die farbige Photographie, die ja nod
Bezeihnend für all’ diefe Beftrebungen find dte vier Mappen Berliner
Runft-Ausftellung-Photograviiren, Sammlung 1897, die jest von
dem bekannten Welthaufe Meifenbad, Riffartb und Co. in Berlin er
fcienen find. Die firma hatte fic) die fpesielle Unterftiigung der betr. Rünftler
und Ser Ausftellungsfommiffion gefidert und bat nun ein Werk zu Stande
gebracht, wie wir es in diefer Art bislang nod nidt befiken. Da bei der Aus-
wahl der Gemälde natürlich nit der Gefhmat eines jeden getroffen
werden fann, fo ift es freigejtellt, jelbft aus Ser Gefammt-
in den erten Anfängen ftedt, fih zu einem brauchbaren = ae er = Folleftion eine Anzahl zu wählen und zu einer Mappe zu
Medium ausgewadjen und ihre folgen für die Malerei A vereinigen.
gezeitigt bat. Diefelben werden wabrfdeinlid in Dem clou der Ausftellung, der Rolleftion
einem Derfhwinden all jener Bilder beftehen, die Liebermann, ift Rehmung getragen durd eine
auf einer platt naturgliftifhen Yaturauffallung = Sammlung von 14 Blättern nah den Werken
bafiren, eingerednet all’ die Portraits, in $: X des Meifters. Es it wunderbar, wie bier das
denen die niidterne Augenblidsähnlichteit die ee. medhanifche Verfahren fih fähig gezeigt hat,
vertiefte fünftlerifhe Befanmtauffaflung über- we — die maleriſche Technik des Künſtlers in ihren
wiegt. Daß eine folhe Entwidelung ein if 7 zerteften und feinften WAeuferungen wieder:
Eegen für die Runft fein muß, ijt wohl
ganz zweifellos — ob aber aud) für die f
Mehrzahl der Rünftler?
Einftweilen find die Dortbeile, die
die Rünftler aus der Photographie ziehen,
ganz ungeheuere. Sie haben id an ibrer
Hand zu einer fabelhaft
feinen Beobadtung der
momentanften Bewegun-
gen aufgefhwungen. Man
vergleihe nur wie vor 25
Fahren Wafler und Iau-
fende und fpringende
Thiere gemalt wurden, und
wie beute. Uber and
durh Derbreitung ihrer
Werte in Nahbildungen
it ibnen materiell und
nod) mehr dem allgemeinen
Dollsgefhmad ideell ein
großer Mugen erwadfen.
Namentlid feit Ser ge-
waltigen Dervollfomm-
nung der photograpbifchen
Reproduftionsarten, Pho-
tograpüre und Heliogra-
väte, ift Sen Schreden, die
in Geftalt jener bunten
CGeldrude nnd ähnlicher
Erzeugniffe die Fimmer-
wände des deutfchen Klein-
und Mittelftandes verun-
zierten und den Geſchmack
und das Empfinden für
jedes wahre Runftwerf
verdarben, ein heifer Rrieg
erklärt. Mit Stol; fonnen
wir Deutfhe fagen, dağ,
wie auf fo vielen teh-
nifden Gebieten, aud hier
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zugeben, jo dağ man, genau wie in der Aus-
ftellung felbjt, die Entwidelung Lieber-
manns von der „Rübenernte", in der er
nod gang in Courbet befangen ift, über
die þolländifhen Jnterieurs und das Bier-
fonzert“ hinweg bis zu feinem „Mann in
den Dünen“ verfolgen
Pann. Der Drugton ift
möglihft dem warm grau-
gelben Gefammtton der
Liebermann'fhen Bilder
angepaßt, jo daß au
bierdurd die Suggeftion
gefteigert wird.
Dieje Anpaffung des
Drudtones der Phots-
aravüre an den Befammt-
ton des Bildes ift Pon-
fequent mit feinftem Fe-
famat und 'Sarbempfin-
den Surd das ganze Wert
durchgeführt. Bei der
Auswahl der Bilder ift
feinerlei Ridtung bevor-
3ugt worden, fo daf jeder
Gejhmad zu feinem Recht
gelangt; ða ift eine Ans-
wahl feiner Candfchaften
der Ausftellung von Brö-
fer, Douzette, flidel,
Bude, Hammader,
Hans Hermann, Rob-
nert, Müller-Rurz-
welly, Peterfen UAn-
geln, Ramee, Mes-
dag, Ravenftein,
Saltmann;Chierbilder
von Bergmann, fren
3el, Rubnert; die phan-
taftifhen Werte Neu-
~ Es
unfere Tiidtigfeit und baus,Lippifd, Sdheu-
unfer fleif die größten renberg; das ergrei-
Fortjhritte errungen ba- fende „Chriftus unò
ben und in der Welt an Die Prifidenten-Glode der Berliner Stadtverordneten-Verfammlung, feine Mutter“ von
der Spitze marſchiren. Nad einem Entwurf von Prof. E. Doeplet d. J. ausgeführt von Hugo Shaper, Berlin, Gronvold.
18 Deutjde Runft.
Die Präfidentengloce der
Berliner Stadtverordneten:
Derfammlung.
Aus dem Runftfond der Berliner
Stadtgemeinde follte laut Befhluß ein
bedeutfamer funftgewerblider Gegen-
ftand von der Ausftellung 1896 er-
worben werden. Yad längerer Bera-
thung fam man zu der Entjheidung,
daß man lieber beftellen als taufen
wolle, und die Wahl für die Anus-
führung fiel auf den Hofjuwelier Hugo
Shaper, defen Fünftleriihe Aus-
ftellungserfolge unbeftritten waren. Man
einigte Ah Sabin, fiir die Stadtver-
ordnetenverfammlung eine
monumentale Präfidentenglode
zu ftiften. Profefjor €. Doep-
ler jun. übernahm den Ent-
wurf, Hugo Schaper die
Ausführung. So mußte ein
Werk zu Stande fommen, das
der Leiftungsfabigteit unferer
Boldfhmiedefunft Ehre macht.
Drei gotbifh ornamentirte
Füße, zwifchen denen in Email
das Brandenburgifhe, das
Preufifhe und das Wappen
der Bewerbeausftellung berab-
hängen, tragen von Pflanzen-
ornament flanfirt eine einfache
Randleifte, aus der, von einem
Diftelftanz mit gerade auf-
fteigenden Rnofpen umrantt,
der Sodel 25 cm hoh auf-
ragt. Um die Einziehung
diefes Unterſatzes ſchlingt ſich
von Ornamentſtreifen einge—
rahmt ein Spruchband mit
der Infhrift: Zur Erinne-
tung an die Berliner
Gewerbe = Ausftellung
1896. Die Ausladung des
Sodels ijt mit einem Blajen=
mufter verziert, das noch oben
bin mit einem gewundenen
Rundſtab abſchließt.
Die Glode felbft ift in
iiberaus fdlidten formen ge-
halten. Ueber dem eigentlihen Körper, der mit dem Berliner Stadtwappen
in Email verziert ift, zieht fich in gothifhen Buchftaben ein zweites Spruhband
bin mit der Injhrift: „Rannft Du Mach nidt halten, muß meines
Amts ih walten.“ Darüber wölbt fih in mäßiger Spannung die leicht
ornamentirte Ruppel, aus der der Blodengriff aufragt, mit einem Lapis
lazull⸗Knopf abſchließend.
Die feine Gliederung des im ganzen 50 cm hohen Kunſtwerkes wird
durch die Abwechſelung von mattem und blankem Silber mit reicher Ver—
goldung gehoben. Die bald antik-grünliche, bald gelbe Tönung des Goldes,
die Emaillirung der Wappen, die maaßvolle Anwendung des freiheraus-
gearbeiteten, in Flacrelief gehaltenen und cifelirten Ornamentes ergeben
einen Bejammtausdrud vornehmer Pracht, wie ihn die Spätgotbif der beften
Heit zu erzielen weiß.
€. Bernewif. Rheingold,
Bronzegruppe gegojfen von H. Bladenbed. A. ©.
Friedrichshagen b. Berlin.
— Nene Bewegungen auf dem Gebiete des Runftgewerbes geben er-
fahrungsmäßig von praftifhen Ausgangspunften aus. Die eleftrifde
Beleudtung mit ihren von Glas umjhloffenen Blühförpern verlangt eine
andere Teftonif als die aus einer Rdhre auffdlagende Gasflamme oder das
durd ein Baffin gefpeifte Petroleum-Lampenliht. Das tann, fo banal es
aud Flingen mag, nicht oft genug wiederholt werden. Gerade das fiegreich
vordringende eleftrifhe Licht bat zu Formenerperimenten geführt, die aller
Beräthteftonit Hobn fpreden. Als nahahmenswerthes Beifpiel bringen wir
die Abbildung der Gruppe ,, Rheingold von C. Bernewik, die von der
Bildgieferet H. Gladenbet & Sohn, Friedridshagen, fiir eleftrifihes Lidt
adaptirt worden ift. Der Goldflumpen dient als gläferne Lidtbhiille, die von
den Rbeintsdtern in mühelos anmuthiger Bewegung emporgebalten wird.
Durd eine leihte Bewandbülle getrennt, fhmiegen fid die fdlanfen Madden-
geftalten in aufjtiebender Gliederpradt 3ufammen, mit den Fiifen auf den
elfen geftiigt. Das ans dem Rheingold ftrablende Licht läßt von oben ber
in reizvoller Abwecjelung über ihre Leiber Liht und Schatten fpielen.
— €s jheint als follte Ser gute alte Lebnftubl durdh das leichte
Salonmöbel englifh-japanifhen Gefdmads völlig verdrängt werden. Es
wäre fhade Sarum, bedeutete er doc) in der Modeerfiheinungen Fludt den
„tuhenden Punkt“. Trotdem ift die Lederfihnigarbeit, wie fie in meifterhafter
Tehnif in den Hulbe’jhen Werfftätten geübt wird, nob immer eine edle
Runft, die fic an die Bedingungen des Materials gebunden, Surhaus nicht
der babylonifdhen Formenverwirrung unferer Feit anbequemen will. Die
Schnitt- und Punzarbeit ift nun einmal von den Bejegen des Flacreliefs
abhängig, und es ift fhwer, mit Meffer und Modellicholz gegen die Zeihnung
3u fündigen. Der von uns abgebildete Lebnftubl ift in jpätgothifhem Stil
gehalten und weit in dem Schilde der Riidenlebne die Geftalt eines
Bifhofs mit Mitra und Rrummftab auf, von Pflanzenornamenten umgeben.
Gn den Holztheilen madhen fih fon die Uebergangsformen zur Renaiffance
bemerkbar.
— Die Anmeldungen zu der Heraldifhen Ausfiellung des Runft
gewerbe-Dereins im Halle, die in der zweiten Hälfte des Oftober ftatt-
finden wird, laufen in reiclidhem Mache ein. Die vieljeitige Anwendung,
welde beraldifhe Formen im modernen Runftgewerbe finden, wird in der
Ausftelluna Wusdrud finden. Blasmalerei, Boldfhmiedefunft, Damaftweberei,
Runftftiderei, Reramif, find angemeldet. Dazu fommen Entwürfe von Rünft-
lern, wie Maler Hupp, Profeffor Doepler, Profeffor Hildebrand u. a, ab-
gefeben von der fehr reihhatligen Abtheilung für ältere Heraldik, die durch
Dogelfammlungen, Rupferftihe, Holzfhnigereien u. a. illuftrirt fein wird.
— Die Rönigl. Hoffunftbandlung Ernft Arnold in Dresden begeht
zur Heit eine doppelte feiler. hr Fnhaber, Herr Hoftunfthandler Gutbier,
veranftaltet als Abjhluß feiner 50 jäb-
tigen Thätigfeit im Runftfalon „Shlof-
ftrafe die bundertfte öffentlihe Aus-
ftellung, welde fih unter dem Titel
„Mufenm der antifen Skulptur‘ als
Gegenftüd und Ergänzung an das
früher veröffentlid,te „Wufeum der ita-
lienifhen Malerei" anjhlieit. Der von
Herrn Dr. Herrmann, Direftorialafjiftent
der Rgl. Skulpturenverfammlung in Dres»
den, dazu verfaßte Ratalog wendet fidh
fowohl an die Arhäologen von Fac nidt
als vielmehr an die Lehrer und Leiter
höherer Lehranftalten und an den großen
Kreis von Bebildeten. Die Sammlung
umfaßt gegen 1000 Photograpbien, deren
Einzelpreife im Ratalog verzeihnet find.
Das ganze Werf Poftet 1200 Mark.
— Hervorragende Künſtler äußern
fih fehr anerfennend über die feit Rur-
3em eingeführten
Helios-Malfar-
ben, mit welden
fih völlig wafhechte
Malereien auf
Stoffen jeder Art
berjtellen Lafjen. Be-
malte Toilettenge-
genftände, gemalte
Hausgegenftände
bat man ja don
lange, dod leider
war der Schmud
allzu vergänglich
und mußte forglid
vorSchaden bebütet
werden. Oelmalerei
brad, gab Ränder
und wurde lügen-
baft, Aquarellmale-
rei fonnte Surd ein
einziges Waſſer—
tröpfchen gänzlich
verwiſcht werden.
Nun find die far-
ben gefunden, mit
denen fih wafchbare
und unvergänglide
Kehnjtuhl in Kederjchnitarbeit.
Beorg Gulbe, Berlin - Hamburg.
en —
— — == i
Malereien berftellen laffen. Die Heliosfarben find die intereffantefte Yleuheit auf
dem Bebiete des häuslihben Aunftfleißes, fie verfprehen die Eröffnung ganz
neuer Arbeitsgebiete. Dabei ift die Malerei fehr leicht ausführbar, fo
daB and) jeder Ungeiibte, der nur mit dem Tufchkaften umzugehen verftebt,
bübfche, bleibende Schmudftüde herftellen fann, und da die farben wunder-
bare Wärme haben, eignen fie fih ebenfo vorzüglih für Bilder und dekorative
Malereien, wie für Stores, Tifhlänfer, Ueberhandtiider 2c. 2c. Die farben
fehen auf Leinwand und Battit ebenfo fhön aus wie auf Atlas, Seide,
Gobelin, Holz, Papier 2c.
— Don dem wiedererwadten Jntereffe für die Medaillen-Runft legen ein
bübfches Zeugniß ab die beiden neneften Erzeugniffe Ser Metallwaaren-
Deutfde Runft. l 1
©
fabrit von Wilh. Mayer und frz. Wilhelm in Stuttgart. Die
eine Medaille zeigt auf der Vorderfeite das Profilbild des Raifers mit dem
lorbeerbefränzten Adlerhelm. Die Rüdfeite wird durd einen Anker ornamental
getheilt. In dem einen Feld wird ein Panzerfhiff auf hoher See fihtbar,
das andere füllt eine gereimte Gnfdrift, die dem Jwet der Medaille zur
Erklärung dient. Die Modellitung des Stüdes ftammt von H. Diirrid in
Raffel. Die zweite Medaille ift intereffant als Derfud, die politifche Spott-
münze wiederzubeleben. Ste bezieht ih auf die franzöfifh-ruffifhe Allianz.
Einem fhnauzbärtigen Ruffen wird von einer ftart defolletirten Dame mit
der Freibeitsmiinze — natürli die franzöffhe Republit — heftig die Rour
gemadt; auf der Rüdfeite weit ein auf dem Globus thronender Sdalfsnarr
auf die Thatfache hin, daß die Welt rund ift und fih drehen muß.
ceser Preisbewerbungen. —<7>
— Der Ausfhuß für deutfhe Nationalfefte fhreibt einen Wettbewerb
aus um ein Dlafat, das thunlidft in verfleinerter form zugleih als Sinn-
bild auf den Scrift- und Drudfaden, als Siegel, Stempel, Feftzeihen und
dergleihen des Ausfhufles Verwendung finden foll. Das Plafat foll farbig
fein und in fiinftlerifcher Dollendung den Gedanfen der deutfhen National-
fefte unmittelbar verftändlib zum Ausdrud bringen. Dies ift mehr durch
Bildwirtung als durh Schrift anzuftreben. Da eine Herftellung in großen
Mengen beabfidhtigt tft, fo gilt mdglidft einfache Dervielfältigungsweife bei
geringfter Roftfpieligheit ale Vorzug. Zur Theilnahme an dem Wettbewerb
find alle deutfhen Rünftler des Gn- und Auslandes zugelaffen, die deutjche
Reidsbiirger find. Jur Vertheilung kommt ein einziger Preis von 1000 Mart
für den beften, zur Ausführung angenommenen Entwurf. Jt eine gleich-
zeitige Derwendung als Plafat und Sinnbild niht möglich, fo erhält der
befte Entwurf zu einem Plafat 500 Mark, der befte Entwurf zu einem
Sinnbild ebenfalls 500 Mark. Die Entwürfe des Plafats wie des Sinn-
bildes find, vollftändig ausgeführt, in Naturgröße bis zum 15. Dezember dem
Generalfetretariat fiir deutfhe Nationalfefte, Münden, Ballerieftraße 15, einzu-
reihen.
— Das RKöniglid Sähfifhe Minifterium des Jnnern fchreibt 12 Preife
von je 50 und 12 Preife von je 25 Mark aus für die 24 beften Orginal-
entwürfe zu fünftlerifhen Pofttarten. Die Bilder dürfen ein- oder mehrfarbig
cœ Perfonliches und
— Die Wahl des Gebeimen Regierungs-Raths Profeffors
Herrmann Ende zum Präfidenten der Akademie der Rünfte in Berlin für
die Zeit vom 1. Oftober 1897 bis dahin 1898 it vom Raifer beftätigt
worden.
— Dem £andfhaftsmaler Olof Jernberg zu Düffeldorf ift der Titel
Profeffor beigelegt worden.
— Den £ehrern an der Unterrihtsanftalt des Aunftgewerbe-Mufeums in
Berlin, Arhiteften Otto Rieth und Maler Vital Shmidt, it das Prädikat
„Hrofejlor'‘ verliehen worden.
— Einer der älteften Lehrer der Aunftfhule in Breslau, Maler Albredt
Bräner, ift einem Herzfihlage erlegen. Am 14. Mat 1830 in Breslau
geboren, genoß er jhon als Anabe den Unterricht des Bildhauers Madtig
und feines Daters, Rarl Brauer; 1850—!852 in Dresden auf der Akademie,
ging er nad frantfurt a. M. 3u Eduard Steinle, unter deffen Aufficht -ein
GCelbild „Anbetung der Hirten‘ entftand. 1860 wurde er Lehrer für frei-
handzeihnen an der damaligen Runft-, Bau- und Handwerlfdule feiner Dater-
ftadt. Eine Auswahl feiner ornamentalen Studien, zu denen er aus allen
Teilen des Naturreihs, namentlih aus der Pflanzen- und Dogelwelt, feine
Dorwürfe holte, ift auf 40 lithographifhen Tafeln unter dem Titel: „Dorlage-
blätter für den Zeichenunterricht‘* erjchienen.
— Prof. Louis Gurlitt ift, 85 Jahre alt, in Naundorf bei Schmiedes
berg geftorben. Der Derftorbene war Schüler von Benedizen, fegte 1832 feine
Studien in Münden fort, befudte dann die Akademie in Kopenhagen und
bereifte Norwegen, Schweden und Giitland. 1843 ging er nah Düffeldorf
und bald darauf nad Unter-Ftalten und Sizilien, woher er für feine nadh-
folgenden Bilder zahlreihe Motive nabm. Yad Reifen in Oefterreih, Grieden-
land, Spanien und Portugal nahm er 1869 feinen Wobnfig in Dresden,
von wo er 1888 nad Berlin überfiedelte. Seine zahlreihen Landfdhaften
find durdweg poetifh in der Rompofition und gut ftilifirt; die beften die-
jenigen, in denen er die üppige Natur und die farbenpradt des Südens
fchildert. Einige diefer hervorragenden Arbeiten befinden fi) in der Dresdener
Rönigl. Bemäldefammlung. Prof. Burlitt war Mitglied der Akademien von
Ropenbagen und Madrid.
— Der öfterreihifhe Benremaler Alois Shönn ift am 16. September
im Alter von 7] Gabren in Reumpendorf in Rarnthen geftorben. Obwohl er
auf der Akademie feiner Daterftadt Wien vorzugsweife den Unterridt von
Lucas von führih genoffen hatte, wandte er fi, vornehmlich durch eine 1852
nad dem Orient unternommene Reife beftimmt, bald der koloriftifhen Richtung
zu. ‚früher hatte er, als Theilnehmer an dem italienifchen Feldzug von 1848,
einzelne Befehtsfzenen und militärifhe Genrebilder gemalt. Yad 1852
fcilderte er vornebmlid) Dolfsfzenen aus dem Orient, der Waladet und
Siebenbürgen, denen fih in den fedsziger und fiebenziger Jabren Bilder aus
dem Dolfsleben Denedigs und feiner Umgebung anreibten. Don diefen find
der fifhmarkt in Chiogia und das Volkstheater in Chiogia (mit einer Auf-
fein und dürfen nur darftellen: Landfhaften oder Ortfhaften aus dem
Rönigreihe Sachen, voltsthümlihe Bauten, Dolkstrahten oder. Dolksbräude
aus dem Rönigreihe Sadfen. Die Entwürfe find ohne Rennzeihen mit ver-
fhloffenem Briefumfhlag, das den Yiamen angiebt, mit I. Dezember 1897,
Nadhmittags 2 Uhr, bei der Kanzlei des Minifteriums des Jnnern einzureichen. |
Das Preisgericht foll beftehen aus Riinftlern, einem Vertreter des farben-
druds und einem Mlitgliede, das vom Derein für fähfifhe Dolfstunde vor-
gefhlagen wird. Nicht preisgefrönte aber zur Vervielfältigung geeignete Ent-
wiirfe fönnen für das Sammelwert „Rünftlerpoftfarten. mit Bildern aus dem
Schfenlande" angefauft werden.
— für ein faufmännifhes Dereinshaus in Chemnik
find 41 Entwürfe eingegangen. Hiervon erhielten Preife Bruno und Ernft
Beier-Chemnik und Dresden, Rid. Shleinite Dresden, Herm. Thiime-
Dresden, Dorn und Heidemann=Berlin.
— Der Dentmals-Ausfhuß ridtet an die deutfchen Rünftler die Ein-
ladung zu einem Wettbewerb zur Ausführung eines Denkmals für Raifer
Wilhelm I, für weldes 200 000 Mark zur Verfügung ftehen, und das auf
dem Egydienplake in Nürnberg errichtet werden foll. Die frift,
innerhalb welder die Entwürfe bei dem Stadtmagiftrate Nürnberg eingereicht
fein miiffen, endigt mit dem 1. Juni 1898.
Ateliernachrichten. —>
führung von Sdiller’s „Räubern*) durd die Mannigfaltigfeit und den Humor
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20 Deutfde Runf.
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Illustr.
Le. Garten- und Brunnenfiguren
nähere Angabe des
Gewünschten.
Kaiser- und Kriegerdenkmäler, Gedenktafeln
Büsten, Reliefs.
Galvanoplastische Kunstanstalt Geislingen-St.
(Zweiganstalt der Württbg. Metallwarenfabrik.)
Iren
Deutfdhe Runft.
per Deutsehe Cicerone.
Führer durch die Kunstschätze **
*% der Länder deutscher Zunge. |
Von G. Ebe. Band.
Gebunden 6 M. 50 Pf. ord.
Das Werk, dessen
erster Band hiermit
vorliegt, soll für
Deutschland und die
deutsche Kunst das
leisten, was der
prächttge Cicerone Jakob Burckhards, der ja in aller Händen ist, für
Italien Shut. Es soll dem Künstler wie dem Kunstliebhaber einen
sicheren und bequemen Führer durch die Denkmäler im ganzen deutschen Sprach-
gebiet schaffen und damit vor allem auch das Studium der vaterländischen Kunst-
schätze durch den Augenschein erleichtern Die Werke sind in grösstmöglichster
Vollständigkeit aufgenommen. die Einteilung ist eine ausserordentl. übersichtliche:
nach Stilepochen u. innerhalb derselben nach Landschaften. Neben den historischen
und topographischen Notizen ist eine knappe Beschreibung gegeben.
Verlag von Otto Spamer in Leipzig. (EN
Erster
Geheftet 6 M, ord.
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Percy Ernst Renowitzky 7
Portrait-Maler.
Atelier: BerlinW,, Nollendorfplatz 6. es
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Für Anfänger Vorbereitungsklassen. —
Aufnahme jederzeit. —
Prospekte gratis.
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Prurhtmerk fiir jeten @Gebildeten
und Sdonfte, was im Bereiche der Kunft gejchaffen wurde,
Gelegenheit geboten,
in den Befig eines wa§rhaften Aunfimufeums ju gelangen.
ODER DONE RTL T
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Einladung
zur Weſchickung der Hunſt-Nusſtellungen
der vereinigten Süddeutſchen Aunftvereine.
Die vereinigten Runſtvereine des ſüddeutſchen Cutnus:
Augsburg, Bamberg, Bayreuth, Fürth, Heilbronn, Hof, Nürnberg
Regensburg, Stuttgart, Alm, Würzburg,
veranftalten aud im Jahre 1897/98 gemeinfhaftlihe permanente Ausftellungen, zu deren recht
zahlreicher Beihidung die die Rünftler hiermit freundlichft eingeladen werden. (Jahres:
umfag fiber 100000 Marf.) Die Bedingungen und Anmeldeformulare find von dem mit
ter Kauptgefhäftsführung betrauten Württemb. Runftverein in Stuttgart zu beziehen. Alle
für den Turnus bejtimmten Runftwerfe find nad vorausgegangener Anmeldung mittels
$ormular ausfchlieflich an den Württemb. Kunftverein in Stuttgart einzufenden, wojelbft
eine Jury über die Aufnahme der Werte entjcheidet. 5
Om Namen der verbundenen Vereine:
Der Württemb. Kunftverein in Stuttgart.
— — — —— — — — — — —e — — — — —
PORE DE DE Eee NA
— — — — — — — — — — — — —
Derein
vine Winia.
Ständige Runft-Ausftellung
Wilbelm-Strafe 92.
Geöffnet von 10—4 Ahr, Sonntags von 11—2 Mhr.
Anentbehrliches
um billiaen Preis:
Dentmiifer der Runt.
Arditektur, Skulptur, Malerei.
Sur Meberficht
ihres Entwicelungsganges von den
erften Pünftlerifchen Derfuchen bis zu
den Standpunften der Gegenwart.
Bearbeitet von
Prof. Dr. 23. £üdke
und
Prof. Dr. €. von Lühow.
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Deutfde Runf.
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om Snferaten-Seife der Deut Kun. ar
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Se ode + Ausitattung!
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Se ode Ausitattung!
durch Maler erften Ranges.
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i Derlag der „Denticen Aunft“, Berlin W. 57. — Verantwortlich für die Seriftleitung : Dr. Georg Malfowstp, Berlin wW. ‚ Steinmegftr. 26. — Drug von W. Bügenftein, Berlin,
Un die Deutfchen Kunftvereine.
>: „Deutſche Runft* ift auf Sen Namen der Runftvereine gegründet in der Erfenninif, daß dh in ihnen alles zufammen:
findet, was an der nationalen Runftentmidlung dauernden Antheil nimmt. Es galt, für die Beftrebungen diefer zahl-
reihen über das Reich zerftreuten Vereinigungen einen publiziftifhen Sammelpunft zu fhaffen, der einen Werhfelverfehr der
lofalen Verbände ermögliht und von ihren Unternehmungen zu gegenfeitiger Anregung Renntniß nimmt. Vor allem fam es
darauf an, die Aunftvereine nad) dem Mufter der Aunftgewwerbevereine zum Abfhluß eines Rartells mit periodifch wiederkehrenden
Delegirtenverfammlungen und einer an eine gemeinfame Befhäftsftelle gefnüpften Exekutive zu veranlaffen. Nur fo ift es zu
erreichen, daß die Erzeugniffe modernen Runftfhaffens von den wenigen Centralen Surh Vermittelung der Runftvereine über ganz
Deuifhland verbreitet werden und fo Derftändnif und Sammeleifer weten.
Die von der „Deutfhen Runft ausgebende Agitation ift von dem glüdlihften Erfolge begleitet gewefen. Eine große
Jahl der Vereine hat das Blatt als Publifationsorgan anerfannt und fic) mit den oben angedeuteten Zielen einverftanden erklärt.
Schon im Laufe diefes Monats tritt in Dresden eine Delegirtenverfammlung zufammen, um den Entwurf eines Statuts für ein
Rartell der Deutfhen KRunftvereine einer eingehenden Berathung zu unterziehen.
Auf der Grundlage des bisher Erreihten bat ih inzwifchen eine völlige Umgeftaltung der „Deutfhen Runft‘* vollzogen.
Don der Ueberzeugung Öurhdrungen, daß nur eine illuftrirte Zeitfhrift zur Hebung des Aunftverftändniffes' beitragen fann, haben
wir das achttägig erfheinende Nachrichtenblatt in ein mit reihem Bilderfhmud ausgeftattetes vierzehntägiges Runftjournal umgewandelt.
Wenden wir uns nunmehr an dte große Maffe der Bebildeten, die der Deranfhaulihung des Kunftwerfes bedürfen, fo bleibt doc
die im nterefje der Aunftvereine geübte agitatorifhe Ridtung des Blattes unverändert, ja fie fann um fo wirkjamer eingehalten
werden, als die „Deutfhe Rung“ mit einem größeren Publitum zu rechnen bat und diefes den Beftrebungen der Runftvereine in
erweitertem Maße zugänglid machen wird.
Um diefes Ziel energifch verfolgen zu können, bedürfen wir der dauernden Unterftügung urh die Vorjtände und
Gefchaftsleiter Ser Runftvereine. Wir erlauben uns daher, an fie die ergebene Bitte zu richten
1. uns alle Nadrihten über ihre Unternehmungen (Ausftellungen, Reproduktion von Runftwerfen, Derloofungen, Beiträge
zur Löfung monumentaler Aufgaben, Schenkungen u. f. w.) Sirett zugehen zu laffen;
2. uns die Reproduftion von zur Verloofung angefauften. Bildern und Skulpturen, von auf ihre Veranlafjung
bergeftellten Runftwerfen u. f. w. zu vermitteln und thunlidft 3u erleichtern.
Da wir den Beftrebungen der Runftvercine einen befonderen Theil des Blattes unter Ser Rubrif „Heimiſche Kunſt⸗
pflege‘ widmen, ift fiir Nachrichten und Reproduktionen ſtets der gewünſchte Platz vorhanden, ſo daß ſich hier eine ausſichtsvolle
Gelegenheit bietet, den Mitgliederkreis der Vereine zu erweitern und ihnen allmählig alle diejenigen zuzuführen, denen die bildende
Runft als ein wichtiger Faktor der nationalen Kulturentwickelung erſcheint.
Indem wir fhlieflih bemerken, daß wir für jede Anregung in Bezug auf die Bejtaltung des Tertes und des Bilder-
fhmudes befonders dankbar fein werden, zeichnen wir
Berlin, im Oftober 1897.
Ergebenft
Derlan und Redaktion der „Deutjchen Runft“.
Dr. Georg Maltowstr.
>
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Mluftrirte Seitichrift fiir das gefammte deutjche Kunftfchaffen.
Central-Organ deutfcher Runft: und Rünftler:Dereine,
Alle 14 Tage erfheint eine Nummer,
Preis vierteljäbrlih 2.80 Mark,
Poftzeitungslifte Ar. 1174.
Herausgegeben von
Georg IWalkowskn.
Schriftleifung und Derwalfung Berlin W.57, Sfeinmehffe. 26.
Alle 14 Tage erfheint eine Nummer.
Inferate: 40 Pfennige für die 4 ges
fpaltene Nonpareille-Zeile.
Publifationsorgan des Teutjhen Runftvereins in Berlin, des Schlefifchen Runftvereins in Breslau, des Aunftvereins für das Großberzogtbum Heffen in Darmftadt, des Anbaltifben Runfte
vereins in Deilau, des Wiirttembergijden Runftvercins in Stuttgart, des Schleswig - Holfteinifhen Runftvereins in Riel, der Runftvereine in Münden, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera,
Altenbutg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Görlik, Danzig, Rönigsberg, Stettin u. a.
Ur. 2. 16. Oktober 1897. II. Jahrgang.
Wilhelm Keibl.
Pon Franz Bermann Meißner.
6)
95 i
aine Liebhaber- Aufnahme liegt vor mir. Ein halbduntles
wy Zimmer in einem Bauern- oder Förfterhaus mit Ge-
u >, weiben an den Wänden und einem für die Landes-
gewohnbeiten ungewöhnlih großen Fenfter, von weldem
ber das Licht müh-
felig im Rampf mit
der Dunfelbeit fidh
drängt, ift zu feben.
Es ftellt eine Maler-
werkftatt vor. Jm
Hintergrund figt auf
einem Holzgerüft in
der poffirliden ,,Der-
zauberung‘* des Bee
maltwerdens eine Be-
talt mit fcharfge-
fhnittenem und ha-
rakteriſtiſchem Geſicht,
nämlid Rommerzien-
rath Seeger aus
Berlin, der befannte
Deforateur undRunft-
fammler mit dem
behenden und ficeren
Spürfinn für die vor-
nebmfte Runft. Don
dem Maler an der
Staffelei vor ihm
fiebt man nur die
Rüdenparthie des
foloffalen Oberfér-
pers, den furzgefcho-
renen, runden und
mädtigen Ropf mit
den ſehr Fräftig aus-
gebildeten Obren, welche ihrer Art nad auf große Thatkraft fliegen
laffen. Eine breite fleifhige Hand führt den Pinfel. Der Rod
verdankt fein Entftehen augenfdeinlid einem ländlich-ehrſamen
Schneidermeifter. Mehr ift nicht zu erfennen. Man glaubt nur
aus beftimmten fleinen Zeichen fohliegen zu dürfen, daß der
Handlungsort diefes durch die Perfonen merfwiirdigen, fonft aber
alltäglihen Vorgangs auf dem Lande zu fucen ift, — weit
draußen irgendwo in der weiten Welt, in jener Abgefchiedenheit,
wo nur der Menfch nod, nicht feine Manier Geltung bat.
W. Leibl.
Bauernjägers Einkehr.
Nun ziehe ich aus meiner Bibliothek ein Buch heraus und
ſuche nach einer kleinen, ſehr ſchlechten, ſehr verwiſchten Jint-
ätzung darin. Man mag gar nicht glauben, daß die hell-
getünchte Außenſeite des Bauernhauſes mit der kleinen Reihe
niedriger Fenfter da-
tin und dem üppigen
Weinlaub darüber im
Hufammenbang mit
der obigen nüchternen
Malerwerfftatt ftebt,
— daß der Mann
auf der Holzbant in
der Lodenjoppe, den
Wafferftiefeln, Sem
breiten filghut, mit
Ser furzen Pfeife im
Munde Serfelbe ift,
deffen febrfeitige Be-
fanntfhaft uns die
erte Abbildung be-
reits vermittelt. Und
dod ift's fo. Und
ih glaube, man
braudte nur in die
Augen desraudenden
Bauern auf der Haus-
ban? 3u bliden, um
zu ftugen, — denn
da ift in dem nerven-
tubigen Beobadten
von irgend Etwas
ein Rulturbewußtfein,
das der liftigfte Bauer
nidt bat.
Das ift das Drum
und Dran von Wilhelm Leibl’s Menfchendafein feit 25 Jahren
ungefähr, — das ift das Äußere Bild eines modernen KRünftler-
eremiten, der dem großen Franzofen Millet und feiner Einfiedelei
3u Barbizon obenbin verwandt feint. Und doh find tief-
greifende Unterfhiede zwifhen Beiden. Bis auf das Sclag-
wort: ,,freimilliges Bauernleben — haben fie wenig gemein,
fo oft fie aus Aeußerlihem aud mit einander vergliden werden.
Millet war ein fpat in die Runft gefommencr Bauernfohn, — ein
Emporfommling des Landes, der in dem Parifer Giftbaud aus
2
m
Noth und wohl arglos dem
Derderb zweidentiger Runft unter-
lag. Dann fommt eines Tags
die Offenbarung in mädhtigen
Zügen über ihn, — das Heimweh
padt ihn und reißt ihn zurüd
in’ die Candeinfamkeit. Und wäh:
rend er trunfen von er gewon-
nenen freiheit draußen urd die
großen Stimmungen der Land-
[haft fhreitet, fällt ihm die
eigene arbeitsharte Jugend wieder
ein; wie ein Unredt fommt ihm
die Föltlihe Muße feines Maler-
lebens gegenüber den feuchenden
Menfchenlaftthieren um ihn herum
vor; fein ethifches Bemiffen fträubt
fi, begeiftert ob einer erfannten
Sendung funkeln Sie Augen in-
mitten Ser wilden Lodenpradt
feines Kopfes, und ein Priefter
wird er obne Talar, Ser mit
wunderfamen Stimmen der Runft
Menfchenliebe fortab predigt fein
Lebelang. — Mit Leibl ift das
gerade umgekehrt und darum das
Ergebniß ein grumdverfihiedenes
im Ganzen, fo mancderlei Zu-
fammenflang es bier und da, will
fagen in den Bildniffen, zwifchen
ihnen giebt. Der ift 1846 in Köln am fhönen Rhein geboren und
feiner Stadtleute Kind. Ein Domkapellmeiftersfohn ift er; um feine
Jugend Suften alle Blithen bevorzugten Aufwachfens im KAunft-
freis. Selbft mufifbegabt als Datersfobn, lodte ibn dod) dic
Runft nidt, — vielmehr wird ihm die nüchterne- Tiftelei des
Ongenieurberufs das Ziel aller Aufunftsgedanfen. Ein ferniger
Menfh von Körper, zieht er fröhlid in eine Sclofjerwerfftatt,
die üblihen Dorbereitungsjahre vor dem Studium bier durdhzu-
machen. Weiß der Teufel, wann und wie es eines Tags beim
Feilen und Hämmern, beim Geradebiegen und Polieren über ibn
fam. Er gebt eiligft nah Münden zu Ramberg. Er treibt
einige Jabre miibfelig Malerfunft im Elementaren, gudt fic die
Spanier, Holländer — die berzhaften Leute mit dem ruhigen
Strid) und dem männlich-zarten Farbengefiibl recht eindringlich
an, und als er 1869 auf der Mündener Ausftellung Courbets
Runft fennen lernt, da sieht es Sen jungen Afademiefchüler une
widerfteblid nad
Paris, um nod
befjerenGewinn von
diefem Meifter ein-
subeimyen. Er
friegt Sort 1870 auf
ein frauenbildnif
die goldene Me-
Saille, wird aber
beim Kriegsaus-
bruch gleih den
übrigen Deutfchen
ausgewiefen. Das
fam wohl gerade
zur rechten Feit, um
ibn vor Derméal-
ehung zu bewahren,
und doch wieder
fpat genug, fodaf
er inzwifchen in der
Fremde ſich Plar ge
worden fein fonnte,
wie cr die Sufunft
anzupadın bätte.
ID, Keibl,
W. Leibl.
Deutſche Ranft.
Bildnißſkizze.
Hände mit rothem Tuch. Studie.
Er maufert fi noh ein paar
Jährhen in Münden durd, und
dann fommt das Milletfhe zum
Durdhbrud. Er gebt auf's Cand
und wird Bauernmaler.
Leibl hauft feit Anfang der
Wer Jahre zunähft in mehreren
anderen Dörfern Oberbayerns,
feit Anfang der 80er Jahre aber
in Aibling, wo er als Junggefelle
gemeinfam mit feinem Freunde
Sperl, dem Landfchafter, im eige-
nen Bauernbaufe wohnt, auf
deffen Gartenbanf wir ibn oben
erlaufdten. Aber er fit nicht
bloß launifh, wie font die
Stadtmenfchen draußen am Land;
er [hwärmt nit wie diefe in
funftgerehten Reimen von der
Poefie der Natur; er Pokettirt
aud nit mit ihr, binterliftig
dabei an den Beifall der Stadt-
welt Senfend, — er hat etwas viel
Größeres, etwas Unglaublides
fertig geftiegt: der feinerzogene
Mann aus einem im edelften
Sinne vornehmen Elternhaus ift
ein- ‚Landmenfh in jeder fafec
geworden,'der mit und unter den
Bauersleuten wie ibresgleiden und
nur urh ie innere Dornehmbeit nad aufen unmerflid von ihnen
gefhieðen lebt. Er fommt nur äuferft felten nah Münden in die
Stadt, — er will nichts von ihr und hat faum nod eine Er-
innerung an ihre ihm fremd gewordenen Freuden. — Millet fag
Abends mit feinen fünftlerifhen Freunden und ihren Frauen
zufammen, orafelte über Runft, Dafein, Menfchenliebe, bejam erte
den Landmenfhen in feiner Mübfeligkeit, und war bei aller
Größe feiner Aunft von der farce niht ganz frei, als deren
tollfte Ausgeburt uns Tolftoi feit Jahren beglüdt. Millet bat
eine byfterifche Beimifhung. Der bünenbafte Kraftmenfh Leibl
ift fernfrifd) und von feinem anderen Vervenreiz, es fei Senn
einem rein fünftlerifihen, angefräntelt. Wenn's duntelt, dann
treten die Bauern von Aibling, die Burfchen, die Madchen mit
ihren Spinnroden in feiner gaftfreien Hausftube an. Da wird
erzählt, Sa werden Rraftproben angeftellt, da wird gefhubplattelt
und die fröblihe Allotria naturfeifher Menfhen getrieben. Hier
fühlt fih der be-
rühmte Riinftler
wohl. Mir ift vor
Jahren in Münden
mit der Derfiderung
Ser Thatfachlidfeit
erzählt worden, dağ
in früherer Feit Leibl
und ein ebenfo ath-
letifer Bruder
Landarzt von ihm
bier und da zum
Sonntagsvergnü-
genin’s Wirthshaus
gingen, die Thür
verfdloffen und
nadh einander
fammtlicde Burſchen
verbläuten und zum
Fenfter hinaus-
warfen. Ob's wahr
it, weiß id nidt.
Aber bezeihnend
wär's jedenfalls für
Deutfhe Runft. 23
diefen Riefen mit den Bärengliedern, der fo wunderfam zart
und fein in feiner Runft ift, — für diefen derben Reden, den
alle Bekannten als einen Pradtmenfhen an Gemüth auf's
Hödjite rühmen. Diefer Mann mit der gläubigen, offenen, naiven
Rinderjeele fühlte ih heimathlos unter dem ränfefüchtigen Stadt-
gefindel, -— er warf nad den erften fcblimmen Erfahrungen von
der Bemeinheit draußen mit Ungeftüm die Vergangenheit ab und
fhlüpfte in eine reinere Welt. Er jhmadtete nad einfachen
Derbhaltniffen; hin-
eingetaudt in fie,
überbeizte der
gliederfrobe Hüne
fein Hirn nicht mit
Grübeleien über
Welt und Umge-
bung, er fpintifirte
niht in fozialen
Theorien berum
und las feine
Bauernromane,
um fic) über feinen
„Stoff‘‘ zu orien-
tiven, fondern fab
fih mit leuchtenden
Augen wie Parfi-
fal. auf der Blu-
menaue unter der
Gralsburg um und
fog als eine föft-
lihe Arznei den
frifchen Berud des
Landes ein, bis
er gefund, vom
Stadtfiehthum
gerettet war. Hier
muß man die
WurzelvonLeibl’s
Art und von der
Größe feiner Aunft
ſuchen.
Eine Menſchen⸗
natur, die ſolches
zu Wege bringt
und auch innerlich
aufgeht in einer
primitiveren Le⸗
bensſphäre, muß
unbedingt viel⸗
mehr logiſch als
metaphyfifh ver-
anlagt fein, wird
ficher mehr er Be-
tradtung der
Dingeindervollen
Schärfe ihrer Er-
fheinungen als phantaftifher Regung zugänglid fein. Das
trifft bei Leibl zu. Was man gemeinhin Riinftlerphantafie
nennt, befigt er nicht. Seine Dorftellung hat faum Sen Seifeften
litterarifch-novelliftifihen Zug; und faft it es parador zu fagen,
daß er, der die ergreifendften, fchlagendften Menfcengefichter mit
volllommener Genauigkeit dargeftellt hat, garfeine Gabe der
Charafteriftif befigt. Etwas im Menfchen über das unmittelbare
Naturbilð hinaus zu erkennen, zu geftalten, ift ibm verfagt.
Seine Pünftlerifhe Fähigkeit ift in allem Geiftigen enger abge-
grenzt als dies bei großer Begabung fonft gefunden wird.
Dafür hat fic) die ganze Wudht eines ferngefunden Hiinen von
zäher Willenskraft und die tiefe Weihe eines reingeftimmten
Gefühllebens auf die gegenftändlihe Natur geftürzt. Und da
ift eine der merfwürdigften Erjcheinungen Wirklichkeit geworden :
die ftupendefte Made der Malerfunft ftempelt Leibls Werf zu
W. Leibl.
Männliches Bildnif.
einem Jahrbundertjeltenen Phänomen und mit ihr ift eine Babe der
Andaht vor der Natur verbunden, die immer nur die Föftliche
Eigenfhaft weniger der bedeutendften Rünftlerperfönlicyfeiten war.
Ihn reizt nur die Form in ihrer augenblidliden Rube, und
faft fcheint es, als ob die Bewegung etwas Unbegreiflides für
ibn babe. Er faft wie ein Momentphotograph den rubenden
Punft auf. Er hat das empfindlicdfte Auge für die Linie, noch
mehr für die lebendige ‚Farbe in der Natur, fo daß er Rolorift
genannt werden
fann. Aber wenn
er bier im Ton -
etwas Sdazuthut
aus Eigenem, fo
iftesjene unendlich
kleine Schwan-
fung im Werth,
welde die ftam-
melnde Ergriffen-
beit vonder Öffen-
barung im Rlein-
ften mit fid bringt.
Und darinliegtder
berüdende Jau-
ber feiner Runft.
Mit der Treue
einesidealen Chro-
niften fohildert er
ein Menfchenge-
fiht, eine Hand
genau fo eingehend
wie das Rleid, die
Schürze, eine
Sdnalle, eine
Heitung, die Mö-
bel, ein Stüd
Wiefenplan, und
nichts ift bezeich-
nender für diefen
Standpunft des
gleichen Interefjes
an jedem Ding,
als daß zwei feiner
berühmtejten Bil-
der, „Die drei
Bäuerinnen in der
Riche* und,, Die
Wilderer‘ näm«-
lich, je beim Auge
der Hauptfigur zu
malen begonnen
find; und einzig-
artig ift Sie Doll-
fommenbeit jedes
a Theils, die mit
einer ganz erftaun-
lichen Gelaffenbheit gewacdhfen: feinen, ohne daß Mübhjfeligfeit und
Schweiß den ruhigen Lauf des Werdens nur einen Augenblid
gehemmt. Aber die Würze giebt dod ert der altmeifterliche
Dämmerton feiner Palette, den er vielleicht nod beffer, aber ficher
nicht geringer als Velasquez und Holbein beherrfht. Das klingt
ftarf; es ift aber fo. Man betrachte fo ein Fleines Stüd wie
die um ein Befangbudh gefalteten Hände im Schooß einer Frau
obne Obere und Untertheil im granugrünlihen Kleid. Vom Hand-
bildnif Sarin und allem Anderen ganz abgefehen, — weldy' ein
wunderbar empfundener Ton ift bier 3ufammengeftimmt! Man
wird ganze Gallerien vergeblih nad Achnlihem durdhfuden.
Oder ein beliebiges feiner Mädchen- und Mannerbildniffe mit
dem Sauber des Jnfarnats und der. verblüffenden Stoffmalerei.
Wo ein Farbentropfen von feiner Palette auf die Leinewand
fommt, da wird der jungfräulihe Odem des Landes lebendig und
24 Deutfhe Runft
wW., Keibl, Studicntopf.
weht uns mit fdmeidelnden Händen an, fo dag wir uns im
Ernft darauf befinnen müffen, Saf nur die durdytriebenfte
Renntnif der Mache und unendliche Geduld des Durdbildens fo
etwas zu Werke bringt. Er bat die glanzendften Malervirtuofen-
Tugenden, für die vor ihm Holbein und Menzel Sie Haupt-
Schlagworte waren, und er bat faum einen der Schatten, um
nidt Lafter zu fagen, welhe fonft mit jeder Virtuofität ver-
bunden find. Man fann getroft behaupten, daß unter feinen
begnadigten Händen das Malerhandwerk zum Jdeal geworden ift.
Leibl bat nicht lange gefhwantt, wohin er fih wenden
follte, aber in der Vollendung der Made hat ér dod eine reiche,
nod) immer fortwährende Entwidelung durdgemadt. Sein
frühfter fertiger Stil ift ein Foloriftifcher Jmprefjionismus mit
gebrodenen und halben Tönen in der Art des fpäten Velasquez
und von Rembrandt's zweiter Periode. Die '„Tifhgefellfhaft*,
ein Rollegium von zwei Malern augen-
fheinlid und einer jungen frau, die eben
einen Buben zum Bierholen fehiden wollen,
ift bier in der farbigen Kühnbeit, aber
auh in der unverlierbaren Harmonie der
Leibl’fhen Malkunft eine Perle, die zu
den 70 Nummern der Seeger'fhen Leibl-
fammlung gebört. Eine alte häßliche Frau,
weldhe zwifhen dem Roblbereiten bindurd)
den Rofenkranz abbetet, zwei Dadauerinnen,
einzelne Männerbildnifje find weiterhin in
diefer Art befannt. Die Malerei ift, ob
man die wirren fleden unter der Lupe
betrachtet oder die richtige Entfernung
nimmt, von beriidender Wirkung duch ihr
ftilles und geheimnißvolles Ceben, die Figuren
groß und fübn aufgefaßt, und man weiß
fofort, daß bier die Spiegelung eines
wirklichen Erlebnifjes von genialer Künftler-
band bewirkt ijt. €s ift ein Vorgang
und dod wieder feiner, — es ift nur ein
Augenblidsausfhnitt, defen anekdotiſche
Bedeutung ganz Äußerliher Natur fdeint.
Mit den Bildniffen ift es gerade fo. Welch’
ein lebendig funkelnder Eindrud vom Leben,
als fhauten wir den Dargeftellten in einem Spiegelglas, tritt uns
bier entgegen; Form und Eindrud — das giebt Leibl in einer
DVolltommenbeit, die wir fonft in der Gegenwart nur nod bei
Menzel bewundern; darüber hinaus eine Charakter - Analyfe
giebt es nid.
Am meiften befannt und gefeiert ift der Riinftler jedod) in
den Meifterwerfen feiner mittleren Periode — der photographifhen
fann man fagen, wenn das nit als Herabfegung gilt; bier
fymiegt die vollfommenfte Seidnung fic) in ftupender Treue
dem Yaturbild an, — bier ift ein hocdentwideltes Raum- und
Formgefühl vorhanden, — hier it in der Farbe alles Perfon-
lide fo ftarf 3u Gunften der Wirklichkeit unterdrüdt, wie fie ein
echter Maler im Sinne der holländifhen Schule verfteht, daß
felbft Sic Riinftlerandadt vor dem Dorbild nur verftoblen fid
bemerfbar madden will, Jn diefer Reihe mit ihrem gleidy-
mäßigen Schwelgen in tedhnifhen Runftftüden vom Rleinften
aufwärts finden fih aud in unendlicher Fülle jene Phänomene
der liebevollftien Beduld und einer begnadigten Hand, die Alles,
was das Auge im fchärfften und nüdternften Hinfehn erblidt,
in virtuoje Malerei umzufegen verftebt. jene Werke entitehen,
vor denen Künftler und Laien feit Jahrzehnten wie vor Offen-
barungen von etwas Unbegreiflidhem ftehen, — welde freilidy die
deutfche Gleicdgiltigteit gegen Alles, was ohne Reflame bedeutend
ift, lange Zeit bindurdh Bild um Bild nad England und
Amerifa wandern lief. Allerdings läßt die ftrenge Selbftkritif
tes Riinftlers aud nidts aus feiner Werkitatt heraus, was ihm
irgendwie unzulänglic fıheint. Seeger erzählte mir einmal, daß
er gelegentlih feiner jährlihen Aiblinger Befuhe zwei Mappen
mit früben Zeichnungen Leibl’s fand, diefelben für fih in Befhlag
nahm und eine hohe Summe dafür bot. Der Rünftler verbrannte
daraufhin fogleih vor den Augen feines Freundes bis auf
wenige Blätter den ganzen Inhalt, „damit nad) feinem etwaigen
Tode nichts Minderwerthiges an die Oeffentlichkeit Fäme*. Hat
Leibl doc eins feiner beriihmteften Werke auf den beredtigten
Tadel hin wegen unridtigen Grdfenverhaltniffes einer Figur
darin fogleidy zerfhnitten. Die „Zeitung lefenden Bauern‘, die
„Drei Bäuerinnen in der Kirche‘ — an mifroftopifher Genauigkeit
und ftoffliher Echtheit wohl das Aeuferfte Leibl’ fer Runft —
die vielen Innenftüde von Bauernftuben mit ihren Jnwobnern,
deren Rleiderfchnallen man mit der Lupe unterfuchen, deren Tert
in den Bebetbühern auf Sem Kirdenftüd 3. B. man felbft in
der photographifden Verkleinerung der Originale mübelos lieft,
— fo erftaunlide Scherze in der Art der oben jhon bejprochenen
Hände mit dem Gebetbudh, der hierbei abgedrudten Hände mit
einem rothen Tud, jenes viel bewunderten Miederftüds mit
ID, Keibl,
Hinde mit Gebetbud. Studie,
BF I Ten 5
[Rens
Dentfhe Runft. 25
Spange, blauer Schürze, weißer geblümter Blufe in vollen und
reinen Cofalfarben, gehören alle bierher. Und bier ift Leibl als
nüchterner Darftellee der unmittelbare Erbe Holbeins, wie er in
feinem unvergänglihen Jörg Bisze vor uns fteht. Er erjcheint
nur vollfommener dank einer inzwifchen fortgefhrittenen größeren
Renntnif der Cuftperfpeftive. Eine andere Reihe von Werken
behandelt Sie Darftellung des einzelnen Menfchen. Eigentlich)
find es ja überhaupt nur Einzelmenfhen, die Leibl in feinen
mebrfigurigen Bildern nebeneinander fett, Senn der Rapport
zwifhen feinen Perfonen, das Anekdotifhe des Themas gelingt
ihm eben nicht befonders, und nur die trefflihe Beherrſchung
läßt das überfehen. Aber wenn er eine einzelne Figur behandelt,
dann fdeint es wirklich mie eine Befreiung über ihn zu fommen,
— da weif er die Natur in ihren feinften Zügen vielleiht noch
fiherer zu treffen und da erwadt in feinen Tafeln. oft, wenn er
Mädchenköpfe 3. B. fcildert, die herbfüße Jungfräulichkeit der
Natur, wie fie über den Schöpfungen der Waldfchule von
Fontainebleau fhwebt. Mit welder Schärfe find fo die ver-
fhlagenen bageren Röpfe der oberbayerifhen Wildfhüten urh-
gebildet und wie Föftlih find fie gemalt in dem dämmerigen
Duft des etwas trodenen Tons! Und
welde würzige Süßigfeit duftet über
den vielen Köpfen junger Land-
mädchen, die van Dyd im Ton nicht
bezaubernder hätte fhildern fonnen.
Aber van Dyd war ein Hof- und
Salonmenfd, und Leibl 30g aus den
Sphären durdtriebener Bildung in
die Landeinfambeit, den unentweibten
Naturbaud andacdhtig zu verehren.
Und das ift denn aud das Mehr
in allen diefen Tafeln, das cin Stadt.
menfch begreifen, aber niht fhaffen
Fann: der feufthe Haud) geddmpfter,
aber reiner farben, — Linien von
föftlicher Ylervenruhe, — eine Seelen-
eriftens in dSiefen Madchenaugen,
Lippen und Wangen, die etwas
Marienhaftes bat.
Jn neuerer Zeit ift Ser Stil
Leibl’s einfacer, nod fithler, toniger
geworden, ohne daß er an Kraft
und Sinn für das Rleine verloren
hätte. Das ,,Herdfeuer, des
„Bauernjägers Eintehr*, der diefem
Artifel in einer Autotypie beigegeben
ift, gehören hierher wie zwei prächtige
Bildniffe von Ernft Seeger. Bei-
nahe merfwiirdig ift dabei, wie gern
Leibl aus feinen halbdunflen Bauern-
ftuben einen fenfterausbli€ auf
griine Garten giebt und dod nur
ausnabmsweife einmal ein landfdaft-
lihes Stüd behandelt. Rühl, vor-
nebm und rafjig ift aud hier feine
Kunft gewiß, aber viel anzufangen
weiß er mit dem Befiht Ser Erde
nidt, — der Menfh ift ibm Alles.
— — Bier und da bat Leibl and
zur Radirnadel gegriffen und bei
feinem boben zeihnerifhen Rönnen
bodintereffante Stüde fertig ge-
bradt. Hier ift er wefentlid Umrif-
menfd) und nur in ein paar
Menfchentöpfe gräbt er fich ticfer ein.
Don der Candfraft, Bauernbaufern,
Thieren giebt er hierbei faum mehr
als eine Randbemerfung, mebr bei-
läufig denn als Erflärung, aber fo
fein und trefflic zugefpißt, daß man
ihn 3u den intereffanteften Stehern der Zeit zählen muß.
Das ift der vielgenannte Cinfiedler von Aibling — der
Riefe mit der Rinderfeele — der fFauftmenf mit der fraulichen
Zartheit des Pinfelftrihs. Jn den ZOer Jahren viel gepriefen,
wurde er in den SOern nidt eben oft erwähnt, weil er feinen
Frat niht bei jeder offiziellen Gelegenheit fhwang. Seit einigen
Jahren tritt Leibl mehr und mehr in den Vordergrund und die
Oeffentlidfeit befinnt fih darauf, weld’ einen bedeutenden Rünftler
Deutfhland in ihm befikt. Das ift ein Zeitzeihen. Seit den
legten Jahren ift fein Zweifel mehr darüber, daß die moderne
naturaliftifhe Malerei, die eint mit fo Pdftlidhen Derheifungen
von Werf zu Werf der Erften und Bedeutendften begann, in
rapidem Derfall auf Ubwege obne Riidfebr gerieth. Und nod
ehe das Jahrhundert ganz abgelaufen ift, Siirfte Senn aud Leibl
in. der Sffentlidhen Shagung eine Stellung einnehmen, die
würdiger für feine bedeutende Runft ift als die bisherige.
Wir bemerten, daß fih die Reproduftionsredte fEmtlider Werke IW. Leibl’s mit Aus-
nahme zweier im Befige des Herrn Rommerzienraths Seeger, Berlin befinden, deffen Entgegen-
tommen wir die Möglichfeit einer Deranjhanlihung des Werkes des Rünftlers verdanken.
Die Redaltion,
W. Leibl.
Waldheger.
Deutſche Runf.
Hendeutfche Zimmereinrichtungen.
` Pon Bruno Sdhippang.
mit einander verwadfen, da das Wort des George
Sand von den Fehlern unferer Tugenden faft auf allen
Lebensgebieten eine unbegrenzte Beredhtigung behält. Umgekehrt
giebt es faum einen ‚fehler des individuellen oder des nationalen
Charakters, der nicht gewiffe Elemente in fic) trüge, Sie unter
beftimmten Dorausfegungen die Grundlage zur Entwidelung ganz
neuer Tugenden hergeben könnte. Seit Jahrhunderten wird nun
fhon die Klage laut über den Mangel des nationalen Rüd-
grates unferes deutfchen Voltes,
über feine allzu grope Nadh-
giebigteit gegen fremde Ein-
flüffe und feine Unfähigkeit,
fih auf fih felbft zu befinnen.
Nur felten wird in Erwägung
gezogen, wie gerade diefe
Nadgiebigfeit des deutfchen
Nationaldarakters das Deutfch-
thum in die Lage verfekt,
feine fpeziellfte Rulturmiffion
in der Amalgamirung trieb-
fräftiger Rulturfaktoren zu er-
füllen, Es bewährt fih augen-
blidlid) in dem allgemeinen
Siege der deutfhen Waare
auf dem Weltmarfte, was wir
aus unferer Anpaffungsfabig-
feit gewonnen haben. Gerade
dadurch, daß fih die deutfche
möuftrie bemühte, jedem frem-
den Dolfe zu geben, was feinen
fpeziellen Bedürfniffen, feinem
durh die befonderen Lidt-
effefte des Landes bedingten
‚SFarbenfinne entfprad), hat es
über England gefiegt, das
bartnädig bemüht war, die
Welt im Sinne feines Spezial.
gefhmades zu uniformiren.
Deutfchland ließ fi inzwifchen
Heit, die Vielfeitigteit feines
Rönnens zu entwideln und es
ift befannt, wie unendlich viele
Waarenballen aus Deutfchland
die Reife über den Ranal und
zurüd maden mußten, um in
Deutfhland als englifhe Erzeugniffe höhere Preife zu erzielen.
Der zähe Ronfervatismus John Bulls warf das Hauptgewidt
fetner Dolfstraft auf die merfantile Seite; die induftrielle gerieth
darüber in Verfall, — man handelte mit fremden Waaren. Diefe
Entwidelungsphafe, Sie der Nationalöfonom als Merfantilismus
bezeichnet, muß ihrer Natur nach dem Begriff „Mode* eine ganz
ungebührlihe Wichtigkeit beilegen.
Die übertriebene Betonung der Mode fördert ja den fhnellen
faufmännifhen Umfat und jeder, der einigermaßen mit den
Eriftenzbedingungen des modernen Kunftgewerbes vertraut ift,
weiß ein Lied Savon zu fingen, welde Derwiiftungen diefer
elende übertriebene Modenbegriff anrichtete. Allein auch er hatte
feine Lichtfeite, die, daß die deutfihe Ornamentif die Rinder-
franfheiten Ser biftorifhen Stilmutb in verhältnigmäßig kurzer
Heit überwand. Daß biftorifher Stil die Formenfprache einer
vergangenen Heit bedeutet, daß moderne Gothif (in fflavifcher
Nahabmung) nicht günftiger wirft, wie ein modernes Gedicht in
mittelhoddeutfther Sprache, haben wir alle fhnell genug begriffen;
unfer fiinfilerifthes oder funftgemerblides Gewiffen fagt uns, dah
wir verpflichtet find, unfere eigene Sprache zu reden, Aus dem
6: und böfe find in unferer beften aller Welten fo eng
W. Leibl.
Studium des Mittelalters aber haben wir neben der techniſchen
Routine den Sinn für die Stimmung gewonnen. Aus unſerem
Stimmungsvermögen erwächſt unſer neuer Stil. Dieſer neue
Stil hat in England zuerſt die Sanktion der Mode erlangt.
Gewiſſe merkantil beeinflußte deutſche Kreiſe meinen nun, in dem
neuen Stil etwas ſpeziell Engliſches vor ſich zu haben und
glauben, die Vorbilder des Kunſtgewerbes aus England holen zu
müſſen. Wer aber nur ein wenig Einblick in engliſche Ver-
hältniſſe beſitzt, weiß, daß die Uranfänge der modernen engliſchen
Entwidelung auf Semper zu-
rüdgehen. Rustin hat mit eng-
lifher Jähigteit daran gear-
beitet, Sempers Theorien 3u
populatifiren. Man braudt
nur den Namen Herfomer zu
erwähnen und feine Bezies
bungen 3u frampton und den
modernen englifchen Bewerbe-
fhulen zu fennen, um zu wiffen,
daß bier wieder englifhes Ra-
pital mit deutfihen Ideen ar-
beitet, in derfelben Weife etwa,
wie v. Hoffmann's Anilin-
farben-Erfindung in England
groß wurde.
Warum foll aber Deutfd-
land, das jetzt allmälig wohl-
babend genug wird, um gute
funftgewerblihe Erzeugniffe zu
taufen, fein geiftiges Eigen-
thum immer erft aus zweiter
und dritter Hand entgegen-
nehmen? Es handelt fid) doc)
bei einem folden Verfahren nur
um die letzten Ausläufer einer
über wundenen nationalöfono-
mifchen Bewegung. Schon die
f. 3. nad England entfandte
Rommiffion, die fic) über eng-
lifche Tapeteninduftrie und De-
foration unterrichtete, machte
darauf aufmerffam, wie die
nad unferen Begriffen über-
reiste englifhe Farbengebung
auf die Cigenthiimlidfeiten des
trüben englifchen Himmels zu-
rüdzuführen ift. Ebenfo wenig fönnen wir bei unferen Cebensgee
wohnheiten englifhe Einrichtungen braudhen. Das darf uns natürlid)
nicht hindern, im fosmopolitifchen Sinne alle Verbefferungen ein-
zuführen, die auf allgemeinen hygienifhen Wahrheiten u. dergl. m.
beruben. Diefe Derbefferungen zu benutzen, fie in deutfche
farben- und Formenfprahe zu überfetzen, ift vielmehr Sie Auf-
gabe der deutfchen Jnnendeforation. Daf man in Deutfhland
zielbewußt in diefem Sinne zu arbeiten vermag, zeigen die Ab-
bildungen aus neueren deutfchen Heimftätten, die wir vorzuführen
Gelegenheit haben. Alle drei Einrihtungen find von der Firma
Carl Müller u. Co., Hofdeforateur in Berlin, geliefert. Da
fehen wir einen Vorraum mit Garderobe. Es ift bier, wo es
fih um einen Raum handelt, der erft durch die meuzeitlihe Ent-
widelung zum Lebensbedürfnig wurde, auf jede Anlehnung an
biftorifche Stilformen verzichtet, die formen find in fonftruftivem
Sinne gehalten. Um den engen Raum möglihft liht aus-
zugeftalten, find alle WArchitefturtheile, Thüren, Wände, Dede
u: f. w. blendend weiß gehalten; ein tiefrother Teppich führt
einen warmen Ton ein; dic Verglafung der Fenfter und Thüren
it in feegrünem Ton mit durdgehendem Ornament ausgeführt
Studienfopf.
und Lift am Tage ein leiht gedämpftes Cidt auf den glänzenden
Metalltheilen der Beleuhtungsförper fpielen. KCebtere find unter
Benugung alter Teheranwaaren entworfen und mit modernen
weißen und farbigen Metalltheilen verbunden. Der Ramin ift
mit echten Delfter Platten ausgelegt; der Einjat aus Schmiede-
eifen farbig gehalten. Das Schlafzimmer ift unter firenger Bee
rüdjihtigung gefundbeitliher Anforderungen zufammengeftellt.
Alle Holstheile beftehen aus Efchenholz, das. leidt von Staub
gereinigt werden fann; zu den Vorhängen ift wafhbarer Baum-
wollmuffelin mit anmuthiger Mufterung in Gelb ung Creme ver-
wendet; die Bettftelle befteht aus Wefjing; ebenfo die eleftrifden
Beleuchtungskörper, die von feegrünen Bläfern umgrenzt werden.
Die Wände find fraifefarben, der Teppich feegriin mit dSunflerem
Ornament. Ein kleines Meifterwerk der Stidfunft bietet fih in
der feinen finngemäßen Heichnung Ser Bettdede dar. Das Speife-
zimmer giebt jene Stim-
mung von Soliditat,
Farbenwarme und
formenreidhthum, die
wir als den bezeid-
nendften Ausdrud für
die Zweckbeſtimmung
eines folhen Raumes
empfinden. Die Holz-
möbel find in grün
getöntem Eichenholz
ausgeführt; die
Schnißerei ift mit An-
flingen an ie Gothi
in naturaliftifchen for-
men gehalten, aber
überall fo eingedämmt,
daß Zwed- und Ron-
firuftionsgedanfe cs
Möbels nit von der
fhmüdenden Zuthat
überwudert werden.
Die Schnitereien find
unter Sisfreter An-
wendung von Bold
farbig behandelt; ähn-
lide - farbenténungen
finden fih an dem
erhaben gearbeiteten
bemalten fries unter
der weißen Studdede.
Die Tapeten und Holz.
theile der Wände zci-
gen einen bellgrünen
Ton, der fih demjenigen der Möbel unterordnet; der Teppich
it burgundroth, alfo auf Kontraftftimmung bin gewählt.
Reihe, farbige Lichtreflere werden urh die phantaftifche Ver-
wW., Keibl,
Mädchen im Grünen.
Deutfbe Runft 27
glafung des Erfers und ihre Wirfung auf das Tafelgerath
des Rredenzfdrantes eingefiibrt. Die Zeihnung der Glas-
arbeit lehnt ebenfalls an gothifhe Motive an; and das
Außenfenfter ift farbig verglaft. Beachtenswerth ift die Feidh-
nung der Stühle, die an tiroler Gothi? erinnert, {ie
aber vor anderen derartigen Arbeiten dadurch auszeichnet, Saf
der fonftruftive Gedanfe zum Ausgangspuntte gewählt wurde
und die ftilijtifthen Motive fic) ihm unterordnen. Nad diefer
Seite hin ift die Stärke des fcaffenden Seutfden Kunft-
finnes zu fuchen; er erfaft Sen Geift cs Dergangenen und
gießt ihn in neue eigene formen. Gn diefem Befinnen auf fih
felbjt, in der Tendenz zu individualifiren — zunädhft im Dolfs-
thümlid-Nationalen, dann im Ständifh-Sozialen — liegt die
Zukunft des deutfchen und des europäifchen Kunftgewerbes
geborgen. Das Bewollt-Yeue, das Erzwungen-©riginelle, das
fih in fo manderlei
modernen Erfcheinun-
gen, 3. B. in einzelnen
Publifationen des
Studio fund — thut,
giebt nidt die Garantie
gefunder Entwidelung.
Alles Jrdifhe ift ein
Bewordenes; Natur
und Kultur fennen
weder fprungbafte Ent-
widelung nod) gewalt-
fames- oder abfolut
Neues. Das deutfihe
Runftgewerbe fann
feine eigene Dergan-
genheit nicht entbebren
und unfere Gunendefo-
ration wird nurlebens-
fähig bleiben, wenn
fie, wie es an den
gegebenen Beifpielen
der fall ift, Sie deutfche
farben- unð formen-
fprade pflegt. Stil
bildend bat von jeher
nur die lokal und
fozial bedingte Zwed-
mäßigfeit gewirkt. Den
‚Modegefhmad des
Auslandes wabllos
übernehmen, beißt nicht
das Runftgewerbe för-
dern, fondern es in
feinen Wurzeln untergraben! Man befinne fih darauf, der
Deutfhen Handfertigkeit Aufgaben zu ftellen, die aus nationalen
Bedürfniffen hervorgegangen, ihrer Leiftungsfäbigfeit entjpreden.
Berliner Herbftausftellungen.
obald fih die Pforten des Ausftellungsgebäudes am Lehrter Bahnhof
sefhloffen haben, öffnen fih die der Aunftjalons im Innern der
Stadt. Man gewinnt, der großen Bilderfhau müde, wieder intimere
Beziehungen zu dem einzelnen Rünftler und genießt behaglid, ftatt mehr oder
weniger fritifd 3u vergleihen und zu urtheilen.
Bei Schulte Unter den Linden befindet man fic flets in guter fünftlerifcher
Gefellfhaft. Man unterhält Ah ohme fonderlihe Aufregung und freut fid
alte Bekannte wieder zu finden, deren anerkanntes Können jeden Zweifel aus-
fließt. Meinungsdifferenzen liegen außer dem Bereihe der Möglichkeit, wo
es ih um Andreas und Oswald Adhenbad, Ed. Hildebrandt,
Calame, Derboefhoven, Liers, Hognet, £. Anaus handelt. Selbft
der wechfelnde Modegefhmad wird an ihnen nit ohne ein Gefühl wohl
tempericter Hodadtung vorübergehen diirfer. Wenn uns perfönlih Andreas
Adenbah als Maler intimer Binnenlandfhaften während der feheziger und
flebsiger Jahre lieber if, als der vielgerühmte Schilderer der bewegten See,
wenn Oswald Ahenbad's „Dierwaldftätter See und „Nädtlihes Rhein-
ufer" uns fpmpathifher berühren, als feine dekorativen italienifchen Liht- und
Sonnenbilder, fo ift das Befhmadsfahe, über die fih nicht ftreiten läßt.
Eò. Hildebrandt, Hoguet, Calame gehören einer Funftgefchictlid feftgelegten
foloriftifhen Schule an, KLier's „Waffenfchmied‘ ift den beiten nicder-
ländifhen Rleinmalern überaus fein nahempfunden und Ad. Schreier's mit
glänzendem Befolge zum Rampfe ausreitenter Sheikh ift ein „pbantaftifhes
Gedidt‘ frei nah Freiligrath.
Gm Uebrigen hat Schulte feine Llous, die zu einer eingehenden Betradhtung
auffordern. Da ift zunädhft ein pradtiger 2. Anaus aus Privatbefig. Der
„Unzuftiedene" gehört, wenn wir nidt tren, den ficbziger Jahren an und
23 Deutfde Runf.
weit alle fdhdnen Eigenjihaften des Meijters auf, das gefällige ausgeglichene
Rolorit, die forrefte Feidnung und die treffihere, maßvoll das Häßlide
vermeidende Charakteriftit. Als man den finfter vor fi binftarrenden Mann
im Sdlapphut, der da am Biertijd fißt, als „Sozialdemokraten bezeichnen
wollte, hat fih der Künftler dagegen verwahrt, mit vollem Recht, denn aus
den energifhen Zügen fpricht mit der politifhe Ylörgler, fondern der forgen-
volle Arbeiter, der die Löfung der fozialen Frage zunähft at home beginnt.
Intereflant ift es, wie aud) die Meijterfhaft eines Anaus an ein gewifles
Format gebunden ift. Der „Unzuftiedene‘ ftreift hart an die Grenze der
Leinwandgröße, in der das Rönnen des Rünftlers am vorıheilhafteften zur
Geltung kommt.
Aud der Diiffeloorfer G. von Bohmann hat fein format. Das eine
feiner Bilden ftellt in einer an 5. Brandt erinnernden gelblihen Tönung
eine Marktfzene vor eine landliden Schenke dar, während zwei andere ein-
fahe und gerade darum überaus reizvolle Strandmotive behandiln. - Bod-
mann’s figürhen wirken ftets lebensgroß, weil ihre Ausführung gerade fo
weit getrieben ift, daß fie das puppen-
baft Miniaturartige vermeidet. Gn der
damir, ‚Farben zu entdeden, wo man bisher nur Licht und Schatten gefeben.
Ein glänzendes Beifpiel -für die moderne Sehweife des Malers ift der
Norweger frig Thaulow. Wenn er Denedig fhildert, fo offenbart ihm
die füdlihe Lichtfülle eine Reihe von Lofaltönen, die fic) unter dem Einfluß
der feuchten Luft zufammenjhließen zu überaus feiner Harmonie. Die Um-
riffe lodern, die Flähen beleben fih. Er mifcht die Farben nist auf der
Palette, fondern er fert fie auf der Leinwand nebeneinander und überläßt ibe
Hufammenftimmen dem Auge des Befihauers. Wenn er eine nordfeanzöfifche
Hafenftadt wie Dieppe in nadtlider Beleudtung malt, fo fließt ĉas Mond-
lidt von den rothen Dadern herab und dnrhfhimmert die blauliden Schatten,
die von den engen Straßen binaufgleiten an den Mauern. Bei Leffer
Ury gewinnt ste Farbe felbftftändig äfthetifhe Bedeutung. Der Einzel-
gegenftand verliert feinen Dafeinswerth, er wird zum an fid gleidgiltigen
Derfuhsobjeft für eine Polsriftifde Dichtung. Die Formen verflüchtigen fic,
fie bilden nur nod die Grenzen für die an einander ftoßenden Farbenfladen.
Leffer Ury malt den Kritifer der „Doffifhen Zeitung‘, Paul Schlenther, und das
Bildnif wird unter feinen Händen zu
einer fünftlerifhen Charafterpifion, in der
Act der Terrainbehandlung kommt ec den
beften Arbeiten von van Goyen gleid.
Meifter Lenba) ift mit einem
Bismard-Bildnig neueften Datums ver-
treten, das alle guten Qualitäten des
Rünflers aufweift, obne unter feinen
Werken gerade in die erfte Reihe zu
gehören. Ein Portrait feines älteften
Töhterhens Marion in blondem Loten-
haar muthet in Jeihnung und Farbe
wie ein guter Bainsborough an.
Am meiften Gntereffe dürfen in der
Schulte'ſchen Ausftellung zwei neue
Werte von Hans Thoma und Arnold
Bolin beanfpruden. Der Frankfurter
Meifter bringt eine jener anthropomorpbhen
Naturfildereien, in denen eine Stimmung
fih zu phantaftifhen Gebilden versidtet.
Auf einem Felsblod figt in fih zu-
fammengefanert ein betrübter Meergreis,
um den fih theiinahmsvoll eine Schaar
von Seehunden gefammelt bat. „Neeres-
öde mödhte man das Bild in feiner
trüben Farbengebung nennen, wenn nicht
ein leifer Fug in das Tragifomifthe den
melandolifhen Befammteindrud milderte.
fih das Robuft-Rörperlihe vergeiftigt und
wie hinter einem verfldrenden und durd-
leuchteten Schleier erfheint. Es liegt etwas
Weiches, zart Anmuthendes in diefer
Runft, die alle Eden und Ranten der
Wirklichkeit abfihtlid ignorirt und fle am
liebften in einen großen Zufammenflang
ſympathiſcher Farben auflöfen mödhte.
Aber die Natur läßt miht mit fi
fpielen, die aufdringlihe Wirklidfelt ge-
winnt wieder Gewalt über die felbft-
berrlihe Hand des Riinftlers. Hans
Thoma ift trok feiner fvmboliftifhen
Neigungen ein treuer Scilderer der
wirflihen Dinge, denen er ihr typifdhes
Wefen ablaufcht. Seine „Sturmlandfhaft
athmet individuelle Stimmung, aber wenn
er mit Laubmaffen und Wolfenfdhidten
aud nod fo fummarifh umgeht, wenn
ibm Hirt und Heerde zu farbenfleren
werden, fo weht doch eine ehte Winds-
braut duch feine Baumfronen, fheucht
die Wolfen vor fih ber und fegt faft
fihtbar über die Ebene und ihre Staffage.
Die Natur läßt nicht mit id fpielen,
und fo fheint ung denn Walther Crane
Arnold Bédlin’s „Krieg will diefes Mal bei Burlitt ein wenig über
als Skizze betrachtet fein, als erfte die Grenzen feiner Aunft binausge-
Geftaltung einer Fünftlerifhen Ron- W. Keibl, Alter Mann, Radirung, gangen 3u fein. Seine „florat mit
3eption, die fid, wie verlautet, einmal zu dem LBlüthenzweig lafen wit uns nod
einem lebenegroßen Gemälde verdichten wird. Ueber eine brennende Stadt gefallen, aber feine Schwanenjungfrauen wollen märdenbaft-lebendig
bin rafen die apofalvptifhen Reiter auf gefpenfifhen Roffen: Ein fadel-
fhwingendes Weib in rothem Mantel, ein bartiger germanifder Rrieger, eine
beulende furie mit Shlangenbaar in gelbem Gewande und ein ,,Angft
gerippe", auf dem Schädel den goldenen Lorbeerfranz. Aus der fonnen-
beglänzten Ebene fteigt der Rauh auf in die fadelduchlohte Höhe. Durd
die ganze Kompofition geht ein gewaltiger, mächtig ergreifender Zug, der die
Mängel der Heihnung und eine gewiffe, bei Bsdlin ungewobhnte Flaubeit der
sarbengebung überfehen läßt.
Der Salon Burlitt giebt Belegenheit zu intereffanten Studien auf dem
Gebiete der Landfihaftsmalerei von dem alten, jüngft verftorbenen Louis
Gurlitt bis zu dem jungen, ungemein lebendigen Leffer Ury. Lonis
Burlitt ftebt auf dem Scheidewrge, wo fid) die Landfcaft von der ftilifirenden
Hajiihen Naturauffaffung losmaht und am der Hand der Niederländer zur
Beobadhtung der Wirklichkeit zurüdkehrt. Seine foloriftifhen Mittel find un-
zulänglid für die Wiedergabe fubtiler Luft- und Lichterfheinungen, er fann
aud eine gewille konventionelle Linienführung, ein philifterhaftes Bemühen,
die Tehni? unter glatter Oberflähe zu verdeden, nicht verleugnen, aber feine
Runft ift ebrlich, mit bejheidenen Mitteln arbeitend, fleinbiirgerlid pflicht-
bewußt. Sein „Blit auf Hamburg" ware eine trefflihe Vorlage für einen
jener fauberen Stablftide, denen man nod heute gelegentlih in Reifehand-
biidhern begegnet. Seither hat fih das Rünftlerauge verfhärft, man begann
fein, ohne doch über Sas Deforativ-Gefallige binauszufommen. Die hübfhen
Madchengefidter und fehlank-englifhen Leiber Ingen gar zu förperlich
unter den Schwanenhüllen hervor, das Auffhweben gleih einem unbewegten
Kleben auf einem Tapetengrunde, der vergeblid eine Landfhaft zu fein fudt.
Da weiß fidh L. von Hoffmann mit feinen dekorativen, leicht geäzten und
bemalten Holztäfelhen befjer in den Schranken des Deforativen zu halten.
Was er an füß-fentimentalen Mädchenföpfen, an fanft fid neigenden frauen-
förpern auf lichte Hintergründe malt, erinnert an die Prärafaeliten, ohne
mit der Prätenfion einer Ummodelung der natürlihen Dinge, einer Rüd-
datirung des Begenwärtigen aufzutreten. Es find gemalte Sentiments, aber
feine aufdtingliden Sentimentalitaten.
Lenbad'’s Portrait Raifer Wilhelm I. wird befonders werthvoll dadurch,
dağ es als das letzte Bildnif des greifen Herrfhers gemalt ift. A. Menzel
ift mit einer wunderbar treuen Studie des Ropfes eines „fterbenden Schimmels**,
frig von Uhde mit dem Bildnif eines alten Mannes, Stud mit feinem
von der vorjährigen Berliner Ausftellung ber befannten „Tanz“, Max
Rlinger mit feinem 1893 ausgeftellten weiblihen Akt „Am Strand‘ vertreten.
W. Leib! hat ein paar prächtige Fleinere Bildchen gefendet und intereffante
Skizzen und Studienföpfe, von denen wir mehrere duch die Giite der
Burlittjhen Runfibandlung unferen Lefern in Autotypien vorzuführen in der
Lage find. 6. m.
~ — — — —— - —
der Baſeler Kunſthalle zu betrachten
Farben von 1849; es folgen die Jagd
Deutſche Runft. 29
Peter Sldtner.
t lebte, nahm drei Weiber und ftarb am 23. Oftober 1546 — mehr
wiffen wir von Peter Fldtner's Schidfalen nit; glücklicherweiſe
defto mehr von feinen Werfen. Nachdem vor zwei Jahren der
Wiener Belehrte Domanig „Peter Flötner als Plaftifer und Modelleur" ge-
fhildert hatte, ift jet des Rünftlers ganze Aunftthätigkeit in erfchöpfender
Weife in dem Werke des Tübinger Profeffors R. Lange „Peter Flötner, ein
Bahnbreder der deutfhen Renaiffance, Berlin bei G. Grote, dargelegt.
Johann Neudörfer im feinen unlängft im der „Deutfhen Runt" ftiszirten
Memoiren ftellt ibm einem Deit Stoß gleih. Don Beruf Bildfchniger, hat
fih Flötner in verfhjtedenen Bebieten mit großem Erfola verfuht. Ueberall
bewährt er fih als Meifter von origineller und reicher Erfindungsgabe, von
eleganten und Ffünftlerifh ausgereiften Formen in feinen Werfen. Er ift der
erfte unter den Nürnberger Rünftlern, der die eigenartige Mifhung von Gothit
und Renaiffance überwunden hat und die reine formengebung der italienifchen
Renaiffance in durchaus felbftändiger Derarbeitung bietet. Befonders verbreitet
und bewundert waren die 40 zum größten Theil Mauresfen darftellenden
Holzfdnitte der fog. Wyffenbad'fchen Folge, die ihn ihrer Mannigfaltigfeit und
fünftlerifchen fFeinbeit heute nod als Dorbilder dem Runfthandwerfer dienen.
Daran fließen fih eine große Reihe weiterer Holzfihnitte, die zum Theil als
Budilluftrationen, zum Theil als felbftändige Blätter vorliegen. Außerdem
find jeßt duch Lange's Forfhungen eine Anzahl von trefilihen Hand-
zeihnungen flötner's befannt geworden. Seine Hauptthätigkeit tritt uns
jedoh in feinen Dekorationen und Architefturen, feinen Bildfhnigereien,
Medaillen und Plafetten entgegen. Bezuglih des Hirfdvogelfaales weift
Lange nad, daß nit nur die Ornamentif, fondern der ganze Saalbau, auh
in feinen arditeftonifhen Theilen auf Flötner zurüdzuführen ift und er faßt
fein Urtheil in die Morte: „Die funfthiftorifhe Bedeutung diefes Haufes be-
tubt darauf, dah es das erfte größere, im reinen Renaiffanceftil ausgeführte
Bebäude Nürnbergs und überhaupt die fhönfte und ftrengfte Schöpfung der
ganzen dentfhen Frührenaiffance ift." ferner ift der größte Theil der
Schnißereien in dem berrlihen Saale des bekannten Tuderhaufes, die reiz-
volle Thürumrahmung und Dertäfelung eines jegt als Schlafraum dienenden
Zimmers fowie eine Reihe einzelner Theile Flötner zuzufihreiben, ebenfo das
Nordportal im Standesamte des Ratbhaufes. Doch nit nur für Nürnberg
hat Flötner gefhaffen. Schon im Fabre 1526 muß er fic eines guten
Riinftlerrufee erfreut haben, denn damals bereits erhielt er vom Kardinal
Albreht von Brandenburg den Auftrag zu einem Brunnenentwurfe, der, aus-
geführt, auf dem Markte in Mainz aufgeftellt wurde.
Don den Bildhauereien und Bildfdnizereten, dem Hauptgebiete von
Flötner’s Schaffen, find leider nur wenige authentifhe Stüde erhalten. Um
fo mehr begrüßen wir es freudig, daß durh Lange's Forfhungen aud bier
wieder ein Pradtftüd mit Sicherheit auf unferen Rünftler zurüdgeführt werden
darf. Es ift der herrlihe Pokal der Familie Holzfhuher, der „aus reiner
reid) gefdnigten Rofosnuf von 47 Zentimeter Umfang, die auf einem
filbernen und vergoldeten Fuße in Beftalt eines doppelt gewundenen Wein-
ftods ruht und mit reichen vergoldeten Silberornamenten gefaßt if,‘ befteht.
Die Böclin-Ausftellung in Bafel.
ie Ausftellung, weldhe zu Ehren des größten Farbendichters unferes
Jahrhunderts zu Bafel eröffnet ift, dürfte zu den eigenartigften und
N feltenften ihrer Art gehören. Schwerlid werden wohl jemals wieder
hundert Original» Bödlin's zufanmen zu bringen fein; das Material ift zu
foftbar, als daß es von den weit verftreuten Befigern nod einmal bergegeben
würde. Hier findet man die Bödlin's aus Sem Bafeler Mufeum, die im
Bafeler Privatbefiz befindlichen Werke, darunter die Foftbaren Stüde des Herrn
La Rohe- Ringwald, ferner die acht Bilder der frhrn. v. Heyl in Darm-
fadt u. A. mehr. Feblt aud nod
ein oder das andere Werk, weldes
nicht bergegeben wurde, fo it Sod
die Befammtüberfiht über des Rünft-
lers Schaffen ziemlih lüdenlos, zumal
da der Befuder in Bafel noh Böt-
lin's fresfen im Treppenhaufe des
Mufeums, diejenigen in der Villa
Sarafin und die ffulpirten Röpfe an
und 3u bewundern Gelegenheit hat.
Die Hängelommijjion fudte thuntidft
eine biftorifhe Folge einzuhalten, doch
wurde fie des öfteren aus Rüdfichten
auf den Raum unterbrohen. Das
frühfte Bild it das Portrait feiner
Mutter, weldes Bödlin als Rnabe
von fehzehn Jahren gemalt hit. Die
„badenden Knaben“ ftammen aus dem
Jahre 1848, ein Kornfeld in fräftigen
der Diana, die römiſche Weinſchänke,
Petrarca an der Quelle von Vaullufe,
der Anadoret, Denus und Amor; der .
panifhe Schred (1858). Der Gothen-
zug ffammt bereits aus dem Fahre 1884.
Die beiden Villen am Meer find 1864
und 1868 gemalt; es folgen die
fifhenden Pane, die Flora (1875),
Ser Centaurenfampf, die Najaden,
der Centaur in der Dorfidmiede,
ie Meeresidylle, Ses Lebens furzer
Traum, das dreitheilige Bild Venus- genitrix; die Sufanna im Bade
mit ihrer unverwiiftliden Romif, Polyphem und Odyffens, Prometheus;
ein Selbftbildniß von 1872 mit dem fiedelnden Tod zur Seite, ein
zweites von 1895; das Berliner Selbftbildnig won 1885 fehlt; folieğlih
feien nod der heilige Hain, „Zieh es ladt die Au und die Heimkehr
erwähnt. Es ift ein eigenes Befübl, diefe Reihen längft bekannter und lieb-
gewordener Werke zu durhwandern; geben fie dod) ein beredtes Fengnif von
einem raftlofen Fleiß, der mit immer fteigenden Erfolgen belohnt wurde, ein
Speifezimmer, ausgeführt von Carl Müller, Hofdeforateur, Berlin,
30 Deut{he Runft
Bild von der Entwidelung feiner Perfönlichkeit,
feines Sudhens und Ringens nad plaftifhen Ausdrud der verfhieden-
artigen Eindrüde und Stimmungen, welde die Naturgewalten in
dem empfangliden Dictergeifte bervorriefen. Wir fehen, wie er es ver-
fhmabht, die Landfhaftemalerei als Abbildung einer beftimmten Gegend,
von dem Werdegang
als Zllufteation zu betrachten, fondern als Wiedergabe der Stimmung, die
fie ihm aufzwingt; wie fih die Naturgewalten, bejonders. das Meer, zu
neuen, aber organifh entwidelten fSrperliden Wefen verdidten und wie
fhlieglih die Naturftimmung felbft, wie im Schweigen des Waldes, Geftalt
von Fleifh und Blut gewinnt.
Der Wettbewerb um das Berliner Bismarckdenfmal,
te Schattenfeiten der Denfmaler-Ronfurren; find fo oft und fo grell
beleuchtet worden, daß zu weiterer Aufhellung faum nod etwas
EAN zu thun übrig bleibt.
Wenn fie ein nothwendiges
Uebel find —- viel mehr wird
bei der ganzen Dottorfrage
nidt berausfommen —, fo
muß man fi mit ibrem Dafe n
abfinden und wird fid der
durch fie bervorgerufenen
Uebung der Scafiensfräfte
freuen dürfen unbefchadet eines
gewiffen Mitgefühle mit un-
belohnten Anftrengungen.
Ueber dem vor dem Ber-
liner Reidhstagshaufe zu er-
tidtenden Bismarddentmal bat
von Unbeginn ein Unftern
gefhwebt. Der erfte Wettbe-
. werb ergab das betrübende
Refultat allgemeiner Unzuläng-
lichkeit der geftellten Aufgabe
gegenüber, auf die Einladung
3u einer engeren Konkurrenz er-
folgten mebrere Abfagen, und
das Endergebniß ift der lange
vorausgefagte, durd) die Ein-
ftimmigfeit Ser Gury befonders
fanftionirte Sieg von Rein-
bold Begas. Unter zwölf
Ronkurtenzarbeiten bewäbrter
Meifter die befte herauszufinden
it feine leichte Aufgabe, die
Gewifjenhaftigkeit der Preis-
tidter it über jeden Zweifel
erhaben, und fo wird man
fih wohl oder übel an den
Gedanken gewöhnen müſſen,
in Reinhold Begas den
„Phidias von Spreeathen" zu
bewundern. Das Zeug dazu
bat er, und in der Reids-
hauptftadt ift Plag genug für
mandes nod nicht einmal
geplante Denkmal.
Wenn man die Rotunde, den Langfaal und den Korridor der Berliner
Runftafademie, in dec das Dutend eingelieferter Entwürfe auegeftel't ift,
durhwandert, fann man fih eines wehmüthigen Gefibls nidt erwehren in
dem Gedanten, daß fo viel in Gips umgefekte BilShaner- und Arditelten-
Phantajle dem Untergange geweibt ift. Lapt fh doh niht einmal boffen,
daß ein Theil des bier Befchaffenen fid in die Provinz binüberrettet, Deren
Bismard = Denfmal - Bedürfnig jedenfalls anf billigerem Wege befriedigt
werden muß.
Ein Rundgang im Uprfaal führt an den Arbeiten von Reinhold
Begas, Brütt, Hilgers, Lejjing und Maifon vorüber. Dem preis-
gefrönten Sieger gebührt der Dortritt.
„Fürft Bismart fteht auf vieredigem Poftament, an einen Felfen gelehnt,
In einfacher Uniform, d:3 Schw.rt in der Linken; dte finger der redten
Hand ruhen auf Dofumenten, der Mantel fällt malerifh bernieder. Der
energijch gebobene Ropf ift mad rechte gewandt. Dorn am Poftament ein
‘Atlas mit der Erdfugel, hinten ein Schmied, der am Ambos das Schwert
Dorraum, ausgeführt von Carl Müller, Hofdekorateur, Berlin,
fhmiedet. Das Poftament ftebt auf einem runden «rhiteftonifhen Ausbau,
an den ih finfs und rects vieredige Godel angliedern. Hier ruht eine
Spbhing, auf der eine nagte
Hünglingsgeftalt malerifh bin-
gegoffen in einem Bude lieft;
dort hält eine weiblihe Figur,
die einen Tiger bändigt, in
der Rechten die RKaiferfrone.
Die runde Architektur it vorn
und auf der Riidfeite mit
einem dreitheiligen Relief ge-
fhmüdt. Da ift zum Beifpiel
dargeftellt, wie der deutjche
Mihel von der Germania ge-
wedt wird, wie diefer in den
Rampf zieht und fiegreich heim-
fehrt; weiter beziehen ih die
Reliefs auf die Wiedererrich-
tung des Deutfhen Reiches.
An dem vieredigen Haupt-
poftament ift links in einer
Landfhaft das Relief eines
pbilofopbifhen Einfiedlers
angebradt, über deffen Haupte
Adler Freifen; rechts figt eine
Eule zwifhen Büchern, Alten
und fliegenden Raben."
Wie fiid in diefer Be-
fcdreibung abfihtlid einer vor-
liegenden Kunft-Rorrefpondenz
gefolgt, weil wir ihr aus
eigener Anfhauung faum etwas
Vennenswerthes hinzuzufügen
wüßten. Der Atlas mit der
Erdfugel, der Waffenfdmied
des Deutjchen Reiches, der auf
einer Spbhing ftudirende Giing-
ling, die Tigerbändigerin mit
der Raiferfrone, die Reliefs,
der von Adlern umfreifte Ein-
fiedler, das Alles ift redendes
Ocnament, deffen Spradhe man
falfh oder ridtig, ernfthaft
oder parodirend deuten tann.
Jedenfalls find die bildnerifhen
Details ein wirdiger Rommentar zu den Thaten des Wiedererridters des
deutihen Kaiferthrone, der bei dem Denfmal doc immer die Hauptyade ift,
und für feine Geftaltung fegen wir, tro des in diefem Punfte nit eben
glüdlihen Entwurfes, bei Meifter Begas die weiteftgehenden Haffnungen.
Ueber das monumentale Rompofitionstalent gerade diefes Rünftlers läßt üh
ftreiten, der Schöpfer der beften VBismardbifte wird des Altreipefanzlers
madtvolle Geftalt fider in wiirdiger Bildung dir Nachwelt überliefern.
Adolf Brütt's fhöne Begabung drüdt fid in ftimmungsvollem Mase
halten aus. und in Sem malerifhen Sinn, der fih zwanglos der gärtneishen
und arditeftonifden Umgebung anpaft. fontainen und Gruppen von
Draden- und Löwentödtern vermitteln den Uebergang vom Monument zu den
Anlagen einerfeits und zum Reihstagshanfe andererfeits, während rechts der
Rrieg, duch einen fampfbereit auf einem Lowen rubenden Jüngling dargeftellt,
linfs der ‚Frieden, ein im Stolz ihrer Schönbeit mit einem fraftigen Rnaben
prunfendes Weib, den Sodel flanfiren. Auf diefem felbft ragt madtvoll die
Gejtalt des Fürften, mit der Linfen den Pallaf an die Bruft driidend, in
RER EHE EEE rE 2:
Deutfhe Runft. 31
der Rechten dte Urkunde der Reihebegründung baltend. Die wudhtige Beftalt
Bismard’s maht die wallenden falten eines Mantels iiberfliiffig und Briitt
ift Bildner genug, um ihe and obne diefe b.liebte Zuthat ftatuarifche
Beltung zu verfiha fen.
An der Einfachheit der Anlage des Entwurfes von Hilgers madt fid
der Einfluß des mit ihm zu gemeinfamer Arbeit verbundenen Baumeiftera be-
merfbar. Bruno Sdhmik’ Starke drüdt fih in der originellen Einfügung
des Aufbanes in die gegebenen Terrainverhältniffe aus. Halbrunde Schalen
laffen ihr Waffer in vertiefte Baffins ftrömen, zu deren Niveau breite Stufen
hinaufführen. Yiren bringen die Raiferfrone dar, eine Germania erhebt fih
über dem erlegten Drachen, eine wildbewegte Ariegsgruppe ftrebt zu dem Sodel
empor, der fih mit roh behauenen Felseden vierfeitig unter dem einfad
fäulenartigen Piedeftal hinbreitet. Auf diefem fteht der Reichefanzler, in der
befannten Haltung den Pallafhgriff umfpannend, während die Rehte eben-
falls die vielfach verwendete Dofumentrolle trägt.
Otto Leffing bat fih mit dem Arditeften Jaffoy affoctirt.
müfjfen es ung leider ver-
fagen, bier auf die Fülle
der Beftalten einzugeben,
mit denen er den Sodel
feines Denfmals umdrängt.
Bären und Löwen, germa-
nifhe Arieger und Helden-
leihen tragende Walfiiren,
Barbaroffa und fahnen
und Miiken fchwenfendes
Dolf männliden und weib-
lichen Geſchlechts, Kaiſer⸗ u.
Biſchofsornat bewachende
Drachen — es iſt ein ſchier
beängſtigendes Gewirr von
figürlichen und gegenſtänd—
lichen Zuthaten, das ſich bis
auf das Piedeſtal ſelbſt fort⸗
ſetzt. Da ragt ein mit
Adler und Krone tragendem
Genius geſchmüdter Obelisk
auf, vor dem endlich die
Statue des Reidsfanglers
fih erhebt, breitfpurig, den
Pallafh anf den Boden
ftiigend und mit der un-
vermeidliden Rolle aug-
geftattet.
Ou fcier verblüffender
Geftaltung bat fid dte
Meifterfhaft Maifon's
gefallen. fürt Bismard
unbededten Hauptes zu den
fügen einer arhaifhen Pallas Athene in einem Sefjel firend, das mag
einer Rünftlerlaune feinen Urfprung verdanken, für ein Denfmal des Reihs-
kanzlers in Berlin ift es ein wenig — zu Maflifch.
Guſtav Eberlein läßt neben dem iiberhdhten, den mantelumbiillten
fürften tragenden Sodel Krieg und Frieden auf fic) baumenden Roffen ein-
herfprengen, die Bebrüder Taner ftellen ein fihlichtes Poftament mit der
ihrem erften Entwurf gleihen Statue in die Mitte einer arditeftonifchen
Anlage, die fih in noch größerer Ausdehnung, mit allem möglichen Bruppen-
beiwerf ausgeftattet, auh bei frih Shaper findet, defen Bismardfigur auf
breit bingelagertem Poftament alles Lob verdient. Bei Carl Ehtermeyer
wiederholt ih der Lefjing'fhe Obelist auf dem Sodel, deilen Tragkraft für
die madtige Geftalt des Reihsfanzlers allein gerade ausreihen follte, und
der viel verfprehende friß Schneider bietet einen hellenifhen Krieger, der
eine Statuette der Nile trägt, und einen die corona civilis darbietenden
Mafifhen Züngling auf, um den Soldaten- und Bürgertugenden feines Helden
gerecht zu werden. Die Dorzüge des Siemering'fhen Entwurfes liegen in
der würdevollen,, fraftbewußten Haltung der Statue und in den beiden
Gruppen, die den Treppenaufgang zur Plattform fihmüden. Einer Germania,
die einen Krieger duch Ueberreihung des Schwertes zum Rampfe wappnet,
entfpridt in wohlthuender Symmetrie eine Boruffia, die einem Dradenfieger
die Raiferfrone darbringt, An Ludwig Manzel’s Entwurf — der
Wir
Schlafzimmer, ausgeführt von Carl Müller, Hofdeforateur, Berlin.
Schöpfer des Stettiner Brunnens hat fi mit dem Arditeften Rieth zufammen-
gethan — beftidt die monumentale Haltung der Hauptfigur, die unbededten
Hauptes in fhlihter Größe auf dem Poftamente ftebt.
Als wir müde die Akademie verlaffen hatten und über den Schloßpla&
fhritten, grüßte duch den berbftlihen Yebelfcleier von der Brüde die mact-
volle Reiterfigue des Grofen Rurfiirften bheriiber, einfam aufragend, gewaltig
in ihrer DVereinzelung. Möge der eiferne Kanzler feinen Andreas Sdhliiter
finden. Das walte der gute Beift der deutfihen Bildnerfunft! G. M.
£udwig Seit.
Im Weltheiligthim von Loreto wurde die Ausfhmüdung des Chors den
‚Deutfhen überlaffen. An Sem Werke, das aus einem Chorgeftühl
DI. nebft Bifhofsthron, einem Bilderfenfter und einer Reihe von Fresfen
befteht, arbeitet Prof. Ludwig Seit mit feinem Mitarbeiter Schielin aus
Lindau bereits fünf Fabre
und nod weitere fünf Jahre
wird er bis zur Dollendung
daran zu thun haben.
Seit erftrebt die Bil-
dung eines modernen Stils
für die hriftlihe Aunft; in
der modernen Runft, fo
großartig fie fei, vermiffe
man den Ausdrud der Feit.
Nah dem Studium der
Alten und der Natur müffe
man fih aus Ser legteren
die ftiliftiihen Eigenfhaf-
ten der Alten zurüdton-
firutren. Gm Begenfat zu
den Nazarenern erftrebt er
eine Harmonie zwifchen
feinen fresten und der Ar-
hitektur des Bebäudes und
erfand auf diefem Wege
eine neue Ornamentif,
welde die Derbindung
zwifhen den die Chorni-
fen faumenden Rippen
und den Wänden der Yifcen
feloft vermittelt. So bilden
feine Steafen im Rahmen
venezianifh-gothifher Ur-
itefiue ein zufammenhän-
gendes deutjhes Marien
epos. Die einzelnen Ab-
theilungen find als gotbifche
Senfter gedacht, im oberen Theile figen nnter Baldadinthronen in Lebensgröße die
Rirhenväter und Propheten, die ih mit Maria befhäftigt haben, dann folgen
vorbildlihe Szenen aus dem alten Teftament und im dritten und. vierten
Stodwerf die Befhichte Marik und Chrifti.
Die beiden Abtheilungen, die den Antheil der Madonna an der Pajiton
behandeln, find fertiggeftellt. Jm zweiten Stodwerf feben wir, flanfirt von
den Geftalten Adam's und Noah's, die Enthauptung des Holofernes durd
Judith. Die Rreuztragung im odritten Stodwerf ift eine ganz deutfhe Dar-
ftellung. Deutfh ift die gothifhe Straße Jerufalems, deutjch die Rriegsfnedhte
und das Voll. Fn der zweiten Abtheilung fehen wir im zweiten Stodwerk,
von David und Salomon flanfirt, Efther und Mardohai vor dem Könige,
der wie ein romantifcher Märdenprinz dargeftellt ift. Es folgt im gleiden
Stodwerf der dritten Abtheilung das Opfer Ffaak’s und Jafob's Traum.
Abraham's Schmerz ift -aus dem Herzen des Vaters gemalt; denn auf dem
Saum von Abraham's Aleid lieft man abgebrohene deutfhe Worte, die der
deuten fann, der weiß, daß Seitz zur Feit, als er dieje Abtheilung ſchuf,
feinen erwadhjenen Sohn verlor. Iſaak iſt mit naiver Lebensfreude dar-
geftellt. Es folgt das fenfter, in deffen Zwidel unter dem deutfhen Michel
die Rrönung Mari duch Chriftus dargejtellt if. Das Ganze mutbet wie
ein Stüd inniger deutfher Andacht an, wie ein überzeugungstreuer Marien-
fult, dem das Wunder ein Alltäglihes ift.
32 Deutfhe Runf.
Vermifchfes.
Kurioſa aus Afelier und COerkflaff,
Gedanken üher hiltende Kunfl.
Die jchöne fornarina.
Das Publitum thut gern einen Blid pinter die Rouliffen,
meift um fo lieber, je mehr das Privatleben des beliebten
Akteurs ein geheimnifvoller Schleier werbiillt. Solder Ge-
heimniffe giebt es viele in der Gefchidte und Kunſtgeſchichte; nur felten
zerreißt Ser Nebel vor unferen Bliden durh einen neuen fund, eine
geiftreihe Aombination. Wer war die fhöne Fornarina? Raffarl bat
die Beliebte im „Heliodor", in der „Verklärung, im „Parnaß“ ver-
ewigt, außerdem mehrere Portraits von ihr gemalt, von denen leider mur
das in der Galerie Barberint 3u Rom und die Donna velata der florentiner
Galerie Pitti erhalten find. — Grund genng, daf anläßlih der diesjährigen
Raffacl=-Ansftellung zu Urbino Antonio Valeri obige Frage zum Titel einer
eingehenden Unterfudung macte, Dafari nennt fie in feinen Künftler-
biographien zweimal Margerita, weiteres urfundlides Material ift von der
„donna di Raffaëllo“ nit erhalten. Die Ueberlieferung bezeichnet drei
Häufer in Rom, wo fie gewohnt haben foll; Valeri entfheiðet ih für den
palaxetto de’Sassi di Parione in der Din del Boverno vechino 48, weil
nad) einer Urkunde von 1518 dort ein Bader Francesco aus Siena wohnte.
Nad dem Tode des Meifters foll die ,,fchdne Badin", die neun Jahre mit
ibm 3ufammentebte und ibn grenzenlos liebte, in ein Rlofter gegangen fein.
für diefe bisher unbeglaubigte Ueberlieferung meint Daleri den Beweis
gefunden zu haben. Er ftieß bei feinen Forfhungen duch Zufall in den
Rapitular-Arhiv einer römifhen Parodial-Bafılifa auf Urkunden aus einem
alten Rlofter Noms, das im fehzehnten FJahrbundert einging. Sie enthalten
die Namen von frauen, die von 1515—1521 in das Rlofter des Confervatorio
di Santa Apollonia in Traftevere eintraten. Es war ein Refugium jhöner
Siinderinnen, die, nicht mehr gefellfhaftsfähig, nah der Sitte der damaligen
Zeit den Schleier nahmen. Fn diefen Urkunden beißt es u. a.: „Heute am
JS. Auguft 1520 wurde in unferem Ronfervatorio frau Margarita, Wittwe,
aufgenommen, Tochter des verftorbenen francesco Luti von Siena. Der
Schluß liegt ja nun in der That nahe, daß die [höne Fornarina die Margarita
£uti, Tochter des Bäders aus Siena gewefen fei. Die Bezeihnung „Wittwe‘
ftört weiter nicht. Denn erftens fagt die Ueberlieferung nidts davon, ob fie
jemals -verbeirathet gewefen, zweitens fönnen ihr aud ibre hoben Gönner den
Titel beigelegt hiben, um der Schmerzgebeugten den Eintritt in das Alofter
zu erleichtern.
Zuriofa aus Atelier und Werkftatt.
— Die Bildfäule eines Biscuit- fabrifanten. Der Mann, dem
feine Seitgenofjen und engeren Landsleute bei Lebzeiten die Anwartjchaft
auf die Unfterblichfeit verliehen, war ein Biscuitfabrifant in Reading in
England, deffen Name auf den Flügeln der Reklame dur alle Länder eilte
und bis zu den Wilden im dunfelften Afrifa vordrang. Eines Tages be-
jhloffen nun die Leute von Reading, die Erinnerung an die Dortheile, die
George Palmer ihrer Stadt gebraht hatte, zu verewigen, und die Errichtung
einer Bildfäule des generöfen Fnduftriellen wurde allgemein ale die befte
Ehrung erfannt. Man wollte aber einen „veredelten‘, ftilifirten Palmer, der
in gezwungener Pofe von feinem Sodel herab die Bewunderung der Nad-
welt herausfordern Fönnte, fondern einen braven, behäbigen, fcblidten Palmer,
mit einem Worte einen „Mitbürger und Biscnitfabrifanten“, wie man ihn jeden
Morgen freundlich lädhelnd und grüßend in's Romptoir geben fab. Alfo be-
merft der ‚Fremde, den der Weg nah Reading führt, auf dem Hauptplate
der Stadt das „familiärfte und unfonventionellfte’ aller Denkmäler: die
Bronzeftatue eines alten, vergnügt lähelnden Bourgeois in etwas verfihliffener,
durd den langen Gebraud abgenugter Kleidung, mit einem altmodifchen
chapeau-bas in der einen und einem großmädtigen Regenfhirm in der
anderen Hand. Es ift fiher das erfte Mal, daß diefes mehr nütlihe als
anmuthige Gnftrument auf einer Bildfaule figurirt.
— Denfmal und Lendtthurm. Nicht oft nehmen Denkmäler für
berühmte Franzofen eine fo praftifche form an, wie das foeben auf dem
unwirthliden
elfen von Pen-
maid | an der
bretonifden
Rüfte errichtete.
Dor einiger Feit
teftirte eine
TodterdesMar-
falls Davouft,
Herzog von
Auerftädt, NMa-
dame de Blo-
queulle, eine
Summevon
drei Millio-
nen frants,
um das Un
denfen an
ibren Dater
durd den Bau
eines Leuchte
thurms 3u ver-
ewigen, Die
Regierung zollte
diefer ausge
zeichneten Idee
Anerkennung,
beſonders, da
der Leuchtthurm
von Penmaich baufällig geworden war. Sie verdreifachte die von Madame
de Bloqueulle hinterlaſſene Summe und ließ das neue Leuchthaus bauen.
Es iſt jetzt die mächtigſte Feuerwarte Ffrankreichs; das elektriſche Licht der—
ſelben hat die Stärke von JO Millionen Kerzen und kann, da er 180 Fuß
hoch iſt, auf 60 Seemeilen geſehen werden. Auf der Spitze ſteht die Statue
des Generale.
Pale
Gedanken über bildende Bunuh.
€s giebt in der Runft feine andere Sprade als das Auge. Runft lann
feine farbe befhreiben, das ift das Hiibfihe an Bilderbüdern, fie jagen nichts.
*
Yıidts ift Mar obne Hintergrund. Ein weißes Ei gegen ein weißes Stüd
Papier wirft nit. Es i micht leicht, einen Hintergrund zu malen; ich glaube
behaupten zu Fönnen, die alten Meifter gaben fic) mehr Mühe mit ibren
Hintergründen als mit ihren figuren.
>
Mondfeinlandfhaften feben aus, als ob fie in Tinte getaudt und halb
ausgewafchen wären. Eine Skizze muß ausfehen wie ein Ganzes, niht
wie fedsebn.
À *
Außer bei Idioten ſind die Augen eines Menſchen niemals ganz gleich.
*
Aus der Verbindung zweier Farben entſteht Farbe.
+
Man erreihet Sas Wunder der Maturwabhrheit nidt durd zu große
Peinlidfeit. Wenn ein Vogel durch die Luft fliegt, fiebt man feine federn
nit. Um fle feben zu fönnen, müßte das Auge mehr als einen Wugenpuntt
baben, einen für den Vogel und einen für die federn Man muß nicht die
Wirllichfeit, fondern das, was als die Wirklichkeit erjceint, wiedergeben.
Die Derbindung für hiftorifche Kunft.
Seit zweiundvierzig Jahren wirft in Deutfhland ein Verein, der fi die
Aufgabe geftellt hat, die Hiftorien-Malerei zu pflegen, und er ift trog der
dejem Aunjtgebiet fo abbolden Strömungen unferer Tage feinem Zwede treu
geblteben. Ja, felne Annalen beweifen, daß unfere gebildete Welt feinen
Beftrebungen nod immer warme Teilnahme entgegenbringt, denn die Jahl
feiner Mitglieder hat in meuefter Zeit nicht ab, fondern ftetig zugenommen.
Aus einer jdwe- ten Rrifis ift er vor JO Jahren ver-
jiingt hervorge— gangen und der Glaube an feine
Mifjion hat fih neu beſtärkt.
Wenn heute ſo vielfach gepredigt wird, es komme
bei einem Kunſtwerk nichts auf den
Inhalt an, und wenn man ſich gar
ſo weit verſteigt, zu behaupten, daß
das Intereſſe am Begenftand dem Fünft-
leriſchen Produkt ſchade, ſo iſt das doch
nur ein vorübergehender Irrthum, eine
Reaktion gegen das Zuviel. Es iſt
niemals richtig, mit dem Bade auch das
Rind auszuſchütten. Rann denn ein
Runftwerf dadurd etwas einbüßen, daß
es nicht bloß unfere Sinne erfreut,
fondern zugleih and den Geift befhäftigt?
Unbeirrt durd die wedfelnden Tages-
meimngen bält die „Verbindung" daran feft,
gute biftorifhe Bemälde anzulaufen oder zu
beftellen. Die erworbenen Bilder werden in
allen Städten, wo fid) Mitglieder befinden,
öffentlih ausgeftellt und nad durdlaufenem
Turnus unter den Mitgliedern verlooft. Auf
diefe Weife gewinnen namentlid unfere Runft-
vereine werthvolles Ausftellungsmaterial und
die Ausfiht auf einen dauernden Befit. Ueber-
dies erhält jedes Mitglied eine Heliogravure
der erworbenen Gemälde. Jedes zweite Jahr
findet eine Hauptverfammlung ftatt, in welder
die Ankäufe oder Beftellungen bewirkt werden.
Die Riinftler des biftorifhen Faces find ein-
geladen, Werke ihrer Hand oder Entwürfe ein-
zufenden, über welde fodann eingehend disfutict
wird. gft es auh zunddft erwünſcht, womög—
lid) fertige Gemälde anzufaufen — und zu
dicjem Zwede tagt die Derfammlung gern in
Städten, wo 3. B. große Ausftellungen Aus-
wahl bieten — fo find doc ftets and Auf-
träge ertheilt worden. Eine groe Jahl be-
rühmter Rünftler paben bisher Werke ihrer
Hand gefpendet, wir nennen Menzel, Buftav
Spangenberg, Bleibtreu, Julius Scholz, Camp-
haufen, Piloty, Thumann, Lindenfhmit, Franz
Adam, Schuh, Anadfuß, Hellquift, Ferdinand
Reller, Scheurenberg, Edtler, Raupp, W. Räu-
ber, aber gleichzeitig ift fteta jungen auf-
€. Piper,
Kandelaberträger auf der
Kriedrihsbrüde, Berlin.
ftrebenden Talenten Gelegenbeit gegeben worden, ihre Kraft zu erproben.
Soldhe Beftellungen find für die jungen Muler von ganz befonderem Werth.
Ein Hiftorienbild erfordert einen ungewöhnliden Aufwand an Studien und
damit aud Aufwand an Geld. Fndem nun die Derbindung jüngern Rünftlern
das Dert auen fdenft, Gemälde nah Entwürfen auszuführen, gewährt fie
ihnen auh duch Dorfhüffe die Mittel dazu. Mander jest berühmte Meifter
þat fih in jungen Jahren auf diefem Wege einen Yamen gemadt. So find
u. U. Hugo Vogel, Neuhaus, A. Rampf und Rodoll in
Diiffeldorf, Carl Marr und Herterid in Münden zuerft oder
doch zumeift durd Bilder befann geworden, die fie im Auf-
trage der Verbindung gemalt hatten
Auf diefen Erfolg ift die Ver-
bindung befonders ftol3. Sie faßt
dabei den Begriff „Hiftoriengemälde"
nit in dem engen Sinne der Dar
ftellung gefhichtliher Vorgänge
allein, fondern in dem weiteren
wonad aud Rompofitionen idealen,
Gehaltes zuläjfig und willfommen
find. SI ihrer neuen Statuten
tellt als Jwet feft: die Er=
werbung bedeutender Runft
werfe und zwar vorzugsmweife
des gefdhidtliden Fades. Es ift alfo
vollfommene freiheit der Bewegung gegeben,
und dies hat die Leitung des Vereins er-
muthigt, neben Bildern aus dem Dolfsleben
au einmal ein Runftwerk ganz anderer Gattung
als bisher zu erwerben, nämlid einen Cyklus
von Original-Radirungen Mar Rlingers. Die
legten Bilder-Anfäufe waren: die „Pietä' von
U. v. Bederath, „VDolksopfer I. J. 1815“ von
Arthur Rampf, „Der legte Staatsrath des
Großen Aurfürften‘ von Fr. Röber (Düfjeldorf),
„Kardinal Borromäus bei den Peftfranfen"
von Hadl, „Die Pfingftpredigt des Petrus",
Stizze von Fugel (Münden), „Victoria von
Eihftädt (Berlin), ,, Rondolenbefud von Edtler
(Münden).
Betonen wir noh einmal die Hauptauf-
gabe der Verbindung, die ihr den Namen ge-
geben hat, fo fei daran erinnert, dağ die Hifto-
tienmaleret bet anderenDdlfern Europas, voran
in Spanien und bei den Slaven, in neuerer
Heit einen bedeutenden Aufjhwung genommen
bat. Gegründet in den Zeiten politijcher
Schwäde unferes Daterlandes, hat diefer Verein
dazu beigetragen, die Erinnerung an die Groß—
thaten unferer Dorfahren wad zu erhalten. Jest,
feitdem unfer öffentlihes Leben fic) fo giinjtig
verändert bat, wendet fih das nterejje jolden
gefhichtlihen Darftellungen nidyt mehr mit dem
wehmütbigen Befühl verlorener Bröße zu, fondern
mit dem ftolzen Bewußtfein würdiger Nachfolger.
€. Piper.
Kandelaberträgerin auf der
$riedrihsbrüde, Berlin.
34 Deutfde Kunſt.
Die Mitgliesfhaft des
Percina wird erworben urh
einen jäbrlihen Beitrag von
150 Marf auf die Befhäfts
periode von vier Jahren. Der
Dorftand befteht aus dem Por-
figenden (jest Dr. 5. 5. Meier
in Bremen), dem Bejhäftsführer
(jest Gebeimrath Dr. Mar
Jordan in Berlin), weldem
U. Klee, Sekretair der National-
Galerie, beigegeben ift,*) und
dem = Raffenfiibrer (jest A.
Molinens in Barmen). Die
Derbindung zählt gegenwärtig
150 Mitglieder mit zufammen
142 Antbeilfcheinen und ver-
wendete bisher durhfchnittlih in
jedem zweiten Gabre 30 bis
40 000 Mark zu Anfäufen.
Alle freunde vaterländifher
Runft find zum Beitritt freundlid
eingeladen.
— Die Brüdenbauten
waren niemals die ftarfe Seite
der Berliner Arditeltur,
und wenn man fie mit deforati-
ven Statuen und Randelabern
fhmüdte, feblte es fider nict
an Mipgrifen. Darin feint
allmälig ein bemerfenswertber
Wandel cingzutreten, befonders,
feitdem man fid daran gewöhnt
bat, den bildnerifhen Schmud
der nädften Umgebung anzu-
paffen. Die Heilige Bertraudt
auf der gleihnamigen Brüde
bedeutete einen, wenn auch nicht
verbiiiffenden, fo Sod immerhin
verheifungsvollen Unfang. Die
Entjheidung über die Gelehrten-
gruppen der Potsdamer Briife ift zum Blüd nod niht end ültig getroffen.
So mag es denn niht unangebradt fein, wenn man auf die flimmungs-
volle Dekoration der Friedrihebrüde durd die Piper'iden Randelaber-
Träger binweilt. Die Nähe des Barodbaues des Königliden Schloffes
hat bier wohl dt Formengebung čie Wege gewiefen. Jn fräftigem Glieder-
prangen reten ih Mann und Weib empor und ftreden je einen Sadelgriff
dem Winde entgegen, der das Gewand gegen den Unterleib preßt und die
mit dem Arm emporgezogenen falten hinter dem Haupte anfbaufht. Mit
dem feft aufgefesten Standbein fontraftirt diefe lebhafte Bewegung des Ober-
förpers, deren Motiv durd den Bewandbaufh angedeutet wird. Tie leichte
Anlehnung an den Barod-Stil genügt, um die wefentlih dekorativen Kunft-
were in die Eigenart der Oertlichkeit einzufügen.
Berlin. — Es ift mit befonderer Freude zu begrüßen, daß die Berliner
Nationalgalerie ipren Beftand von Böklinbildern um des Meifters
prächtige „Meeresbrandung" von der Münchener Ausftellung vermehrt bat.
Das Werk reiht ih würdig den „Elvfäifhen Befilden“, der „Morgenandacht
des Eremiten", der „Pietà und dem „Schweigen im Walde" an. Hoffentlich
hat die „Meeresbrandung‘* nicht eben jo lange eines geeigneten Hängeplaßes zu
barren, wie jeiner Zeit die „Pietä'. Ein Bölin birgt fo viele Quellen
reinen Runftgenufjes, daß man ihn micht frühe genug dem Publitum zugänglic)
maden fann, und um des Publitums willen find Sod) nun einmal die Runft-
anftalten da, infoweit fie nicht fpeziellen Lnterrichtszweten dienen. Fm
Runftgewerbemufeum ift man fih der Aufgabe, das Kunftverftändnif in
den weiteften Kreifen zu verbreiten, pflihtgemäß bewußt. Dafür zeugen die
*) Statuten und Protofolle der Verbindung jind jederzeit durch Heren Klee (Berlin, Nat.
Galerie) 3u erhalten,
Studienfopf.
Neues Reproduttions-Derfabren von Meifenbad & Riffarth, Berlin-Miinden,
während des Winters veran-
ftalteten öffentlichen Dorlefungen.
Profeffor Dr. A. G. Meyer
liet über den Rlaffizismus in
Berlin und Potsdam bis zum
Tode Scintel's, Dr. A. Brüning
über die Berätbe der chriftliden
Rirde, Dr. €, Pernice über die
Bronze- und Silbergeräthe des
flaffifden Altertbums. Wenden
fih die Dorträge im Runftge-
werbe-Mufeum an die große Maffe
der Gebildeten, ohne ihnen befon-
dere Roften 3uverurfaden, fo weiß
das Marfifhe Provinzial-Mu-
feum fih Gönner und Stifter
durh einen Pleinen Appell an
den perfönliben Ehrgeiz ber»
anzuziehen. Es verleiht an die
Förderer der Sammlungen gol-
dene und filberne Anerkennungs-
zeihen und Diplome. So giebt
es zur Feit 7 Inhaber der
goldenen, 66 der filbernen Aus-
zeihnung und nicht weniger als
222 glüdlihe Befiter des Di-
ploms. Die Bedeutung des
Mufeums fteigert fih von Jahr
zu Jaber und feine Sammlungen
werden, nachdem das Bauprojekt
des Stadtbauraths Hoffmann
angenommen ift, einen würdigen
arhiteftonifhen Rahmen erhal-
ten. Die Grundidee ift eine
doppelte, es foll einmal den
Bedürfniffen der naturgefhicht-
liben und fulturgefhidtliden
Sammlungen in Bezug auf
Raum, Ueberfidtlidfeit und gute
Beleudtung genügt und außer
dem in dem Bebäude felbft ein
bedcutjames und lehrhaftes Aus-
ftellungsobjeft dargeboten werden. Mit anderen Worten, es follen die
Baulichfeiten felbft die Befhihte der Bankunft und der Banftile in
der Provinz Brandenburg vom Ende des 12. bis zum Anfang des
IS. Jahrhunderts darftellen. Es ift ein abteiartiges Bauwerf gedacht,
im Uebergangsftil zur Gothif — Badfteinbau — aber nod als An-
Hänge an die frühere Bauperiode Bautheile aus Feldfteinguaderwerk
einen Treppenaufgang mit romanifchen Säulen und dergleihen aufweifend.
Die hohen Giebel haben ihre Vorbilder im Rlofter Chorin und in der
Ratharineny fowie Annenfiche in Brandenburg a. H. Hieran gliedert fi
ein Anbau im Stile des Uebergangs der Gothif zur Renaiffance, etwa um
J500 gedadt, wobei man an Vorbilder wie Schloß Grunewald und der-
gleiden denken mag, abgepußte Wände, die Thüren und Fenfter mit Hauftein-
umrabmungen. Den Befhluß madt ein fapellenartiger Ausbau in der form-
gebung Sclüters, in weldem die zahlreihen, auf den Kultus bezüglihen Begen-
ftände des Märkifhen Mufenms in der Hauptfadhe untergebracht werden follen.
Wird man fih der Wichtigkeit der ftädtiihen Sammlung erft vet bewußt,
dann wird man aud) wohl mit größerer Pietät folher Denfmäler gedenken,
wie fie 3. B. beim Abbruh der alten Georgentirhe öffentlih ausgeboten
wurden. Da war u. A. die fhöne Rangel mit den „Glaube, Liebe, Hoffnung“
und andere Allegorien durftellenden fieben Bemälden des gerade vor hundert
Jahren verftorbenen Afademiedireftors Bernhard Rode. Die fieben auf Holz
gemalten Bilder find allerdings ftar? verfhmußt, würden aber in der Hand
eines geübten Reftaurators febr leicht fih wieder auffeifchen Iaffen. Sie
zeigen in recht charafteriftifcher Weife des Meifters Streben nah natürlihem
Ausdrud in der Zeichnung. Bekanntlich begen aud die Mariene und
die Barnifonfiche Bemälde Ses Meifters. Die fünf allegorifhen Gemälde
in der Garnifonfirhe find der Erinnerung der glänzenden Siege des großen
Königs’ und feiner Helden gewidmet, fie zeigen den mit der Fahne in der
Deutfhe Runft.
35
Hand fterbenden Schwerin, dem die Siegesfönigin den Kranz auffegt, die
Göttin der Frenndfhaft über der Urne Rleifts weinend, die Heldenmufe, am
Monument Winterfelds deffen Thaten niederfchreibend, die Böttin des Ruhmes
die Urne Rleifts mit Lorbeer [hmüdend, und einen Löwen die mit des General
Zietens befannter Tigerdede halb verhüllte Urne Zietens bewadhend. Berlin
entwidelt fih am Ende doh noh ganz im Stillen zur Aunftftadt. So gebt
uns ein Aufruf zu, der von einem „Rünftler-Derforgungsheim* zu
erzählen weif und zu Beiträgen zu diefer Stiftung auffordert." Jn Borgs-
dorf, einem der gefundeften Dororte Berlins, fteht auf einem fünf Morgen
großen Terrain, unmittelbar am Bahnhof, an fistaltfdhem Waldesrande ge-
legen, diefes Heim — faft vollendet unter Dad und fad. Es foll demnadft
mit der inneren Eintihtung begonnen, und am 22. März 1898 foll es durch
Aufnahme der erften Pfleglinge — die dort volle Derforgung. bis an ihr
Lebensende erhalten — felerlih eingeweiht werden.
Münden. — In der Architektur der bayerifhen Hauptftadt vollzieht
ih "tn neuefter Zeit ein Umfhwung, der mit den flaffifdhen Reminiscenzen
endgiltig zu breden juht. So entfteht am Boetheplaß eine zufammenhängende
Anlage dreier Doppelhäufer, weldhe duch den Baumeifter Rud. Häußler
nah Plänen des Prof. Emanuel Seidl ausgeführt werden. Sie repräfen-
tiren fih in reinem Barod-Stile und werden mit der Vorgartenumzäunung
ein gefdloffenes Ardhitefturbild bieten. Die Haufer werden in dharakteriftifcher
Weife bemalt, ähnlih dem Haufe des Rammerfängers Ff. J. Bradl, wo eben-
falls eine hübfche farbenwirfung erzielt wurde.
— And in dem malerifhen Shmu des neuen Hofbraubaufes
fnüpft man an einheimifhe Ueberlieferung an, ftatt fh mit froftigen
Allegorien zu begnügen. Dem Gefhidtsmaler Ferdinand Wagner war
die Uufaabe geftellt, einen biftorifhen Männertrunt im Hauptbilde zu ver-
ewigen. So griff der Rünftler zu jener Epifode in der „Mordweihnacdt'
von &. v. Schmid, die davon erzählt, wie die Daterlandsvertheidiger von 1705
beim Jagerwitth im Thal fic) nod duch einen frå tigen Trun? ftärften, bevor
fie ih zum Sturme anfhidten auf den rothen Thurm. Diefer Sturm felbft
und dte Riidfebr des Rurfürften Mar Emanuel werden dann in befonderen
Seitenbildern gefhildert. Stadtwappen und alte UArditefturen, Devifen und
Sprühe fügen ih gefällig in den arditeftonifhen Rahmen ein und beleben
die flähen. Der bayerifhen Treue und dem baverifchen Trunfe, Iautet die
Widmung auf dem gefchweiften Spruhbande unter dem Hauptbilde.
Sedenfalls erfheint die Mündener Runft im Hofbraubaufe - volfsthiimlicer
als in den glüdlih reftaurirten Wandbildern der Arkaden. Profeffor
Spieß legt foeben die lekte Hand an die Im Grunde genommen wenig
danfbare Arbeit. Es ift jene über dem Eingang befindlihe Allegorie, die in
zwei Figuren die Hauptjlüffe Bayerns, „den Rhein und dte Donau", darftellt,
während ein an der gegemüberliegenden Seite angebradtes Wandgemälde,
defen Wiederherftellung noch nicht vollendet ift, den Main und die Jfar ver-
finnbildlihen wird. Die Keim’fche Fresto-Tednif fihert hier einem; der
feüheften Werke von W. v. Raulbad die Erhaltung.
— Jm Runftwerein ift die Herbftfaifon mit einer Kollektiv. Aus-
ftellung Profeffor Albert Keller's und mit einer für ein öfterreihifhes
Schloß beftimmten Friesfompofition von Marz von Mann eröffnet worden.
Die legteren bilden eine eigenartige Rompofition in gothifhen Stilformen:
Die Hauptgeftalten aus Wolfram von Ejhenbah's „Parzival" wachen aus
fortlaufendem Ranfenwerf, wie man es abnlid auf alten Stammbaum-Dar-
ftellungen fiebt. Albert Reller ift vorwiegend durch Bildniffe vertreten, denen
fi eine Aktftudie zu den ,,Sflavinnen im Glaspalaft, und eine große
Wiederholung der „Derfuhung‘ anfcließt.
Stuttgart. — Der feit 70 Jahren beftehende Württembergifde
Runftverein zählt mehr als 2200 Mitglieder. Der Etat für die Der-
loofungsanfäufe beziffert ih auf 24 000 M., während der Jabresumfak an
Privatanfäufen etwa 40 000 M. ansmadt. Das feit 1888 eigene Gebäude
it nahezu fhuldenfrei. Die Ausftellung it zur Feit recht gut befdidt.
Wielandt-Rarlorube ift mit einer Reihe landfchaftliher Studien aus dem
Süden vertreten, die den Rünftler als einen der tüdhtigften Schüler Schönleber's
erfceinen laffen. Eugen Bradt fandte eine prächtige, auf das Heroifde
geſtimmte Haidelandſchaft.
Karlsruhe. — Im Runſtverein hat Prof. Rallmorgen adt
Bilder und zwölf Skizzen ausgeſtellt, mehrere nach holländiſchen Motiven,
Ranalanſichten, Bauern, Schiffer; eine Elbmündung mit ausgehendem Dampfer,
herrliche Landſchaften aus dem Würmthal und Pfinzthal; einen Kirchgang
in Grégingen, dem Gommeraufenthalt des Riinftlera in der Mabe von
Durlad; dazu fommen trefflihe Blumenftudien, in denen aud feine Gemahlin
Ebenbürtiges leiftet.
Düfeldorf. — Anderköniglihen Aunftafademie ift der Bau derneuen
Freiliht- Ateliers nahezu vollendet, fo daß die Räume fhon in Gebraudh ge-
nommen werden Ffönnen. Die Schüler werden durch diefe Einrichtung, die
feine andere Akademie befizt, in den Stand gefett, ibre Studien in dem-
felben Gebäude fowohl im gefhloffenen Raum, als audh im vollen Lichte der
auf dem Dade befindliden Glas - Afademie maden zu können. Bleichzeltig
Actien-Gesellschaft
vormals
——
Musterlager:
=. H Gladenbeck & Sohn
x, Bildgiesserei
Friedrichshagen b.
Bronce- u. Zink-Kunst-Biesserei,
Grosse Auswahl
moderner und antiker Kunstwerke.
Beleuchtungsfiguren,
Garten- und Grabfiguren.
Berlin S., Wasserthor-Strasse 9.
Verkaufsmagazin:
Berlin W., Charlottenstr. 23, vom 15. November cr.
Berlin.
Max Hoerder.
Unter den Linden, Hötel Bristol.
36 Deutfde Runft.
findet in der Aunfthalle eine Ausftellung des „Vereins von Freunden der
Photographie‘ ftatt, die mance Fünftlerifde Anregung bietet.
Darmjadt. — Die Broßh. Bemäldegalerie hat ein Bild frik
Upbe’s erworben, das der Meifter erft vor furzem vollendet hat: eine fhlichte
Familie beim Tifhgebet in einfahem Raum, durch defen Fenfter, von einem
Dorhang gedämpft, das Sonnenlicht hereinfällt. Das Bild unterfheidet fich
von anderen verwandten Arbeiten Uhde's darin, daß die Beftalt des Heilande,
die er font gern unter die geringen Leute unfrer Zelten treten läßt, bier
fehlt: er bleibt völlig auf dem Boden der wirklihen Welt, bringt aber das,
was den Menfhen über diefe hinaushebt, das religiöfe Befühl, überzeugend
zum Ausdrud, ohne Pathos und Sentimentalität. Aud vom formalen
Standpunkte darf das Bild zu dem Beften gezählt werden, was aus Ubde's
Werkitatt herzvorgegangen ift.
Leipzig. — Die Ouvertüre der diesjährigen Salfon fest nicht gerade
mit Pofaunenftößen ein. Gm Runftverein hat Dieffenbadher zwei
Gemälde „Zur Steinzeit" und „Ahasver, die weit abfeits von feiner
eigentlihen Domäne, der Darftellung ergreifender Bauerntragödien, liegen.
Sfernaguti ift mit intereffanten Glluftrationen in Paftell zu Derga's
„Cavalleria rusticana“ vertreten, von Landfdhaften find ein ,,friibnebel"
von Behmann - Münden und fein „Sommer“, fowie die Kollektion
Wucderer - Paris hervorzuheben, dann ein Winter-Aquarell von franz
Ulrich - Berlin und fehs Bilder von Rarl Retlih, ferner befannte Werke
von Macco, Donzette, Anna Löffler, €. Henfcel, Delfers u. a. — Das von
Ad. Lehnert modellirte und in der NRupp’fhen Erzgießerei in Münden
gegoffene Denkmal des Fürften Bismard wurde am 18. Oftober enthüllt. Der
Altreihskanzler in Civil hat eine Höhe von 3,80 m und fteht auf einem
6,60 m hohen aus Kupfer getriebenen felfen. Die 35,50 m bobe Sodelfigur
eines Arbeiters rührt von dem Leipziger Gof. Mayr ber. — Das Runft-
gewerbemufeum bat nen angefauft und ausgeftellt: einen bolzgejihnigten
vergoldeten Spiegelrabmen in italienifher Hofrenailfance; einen fhönen filber-
vergoldeten Abendmablsteldh, Uebergang vom Barot zum Rofofo, einen
Meißener Porzellanteller aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, eine nieder-
deutfhe Glasmalerei von 1556 mit dem Wappen der Lübeder Familie
fühting, ein Dugend fpanifh-maurifcher Fliefen des 15. Jahrhunderts mit
reihen geometrifhen Muftern und prächtige Brofatftoffe.
Breslau, — Das Sdhlefifdhe
Atelier Sdlabits
Provinzialmufeum hat im legten
Dorotbeenftrafe 52.
Betriebsjabre von der jährlih über-
000 Mart — —
wieſenen Dotation von 87 ar Unterri Atimzei Anenund3Malen.
Portrait, Stillleben, Byp>, Aft.
59 355 Mark für die Verwaltung aus-
gegeben. Aus dem Refervefonds @ Vorbereitung für die Afademie. @
Getrennte Herren» und Damen-Rlafjen.
wurden je ein Gemälde von É. v.
Efhwege und C. €.
IN & Comp:
Morgenftern ange-
fauft, für Kunſtdrucke,
Biider 2c. 9044 M. auf-
gewendet; es bleibt zur
Uebertragung auf den Re-
fervefonds 97/98 ein Be-
ftand von 10 171 M. An
Gejchenten gingen ein:
Ad. Dreßler's „Kleine
Landfhaft" und €.
Paffini's „Denezia-
nifhes Mädchen“. Die
geringe Vermehrung der
Runftfammlungen im
laufenden Etatsjahre ift
duch die bedeutenden
Roften zu erklären, welche
die Herausgabe des
Bilderatlas ſchleſiſcher
Runftdentmäler erfordert.
Sur Zeit find die vom
Magiftrat angefauften
Studien des verftorbenen
Malere A.Wlflim oberen
Gefhoffe ausgeftellt.
AUTOTYPIEN
CHEMIGR APHIEN
DREIFARBENDRUCK
PROMPTE
LIEFERUNG. oF
GAaCGOGOGOCOCDGD -GOCGOCGOGOGDGDGDGD
Wa eee
A“ Kunstverlag von Rudolph Schuster, Berlin. = ?
In meinem Verlage erschien das Prachtwerk:
Die sieben Bitten
des Vaterunser,
Acht Kupferätzungen
nach den Zeichnungen in der National-
galerie zu Berlin von
Professor C. G. Pfannschmidt
mit erläuterndem Text
des Künstlers in Einbanddecke nach
Professor Leder.
——--@ Preis Mk. 30.—
—
=
-——
Dasselbe Volksausgabe.
Acht Lichtdrucktafeln
nach den Originalen mit erläu-
NZ terndem Text des Künstlers.
AS Preis Mk. 10.—
—
— ⸗
Lingner⸗Farbe.
s iſt erfreulich und ein wichtiger Faktor unſeres Kunſtlebens, daß ein
fo reges Jntereffe in allen Fachkreiſen und auch von Seiten der
Regierung der wichtig und nothwendig gewordenen frage über
das unſern Künſtlern zu Gebote ſtehende Malmaterial zugewendet wird. Die
Klagen der Maler über die Unzulänglichkeit und Unhaltbarkeit einzelner
unſerer bisherigen Präparate waren durchaus berechtigt. Die Art der Ju-
ſammenſtellung derſelben führte eine andere Verbindung der Farben auf der
Leinwand herbei, als es in früheren Jahrhunderten der fall gewefen fein
mug. Der geringe Beftandtheil an wirklichem Farbſtoff läßt heute dieſelben
des Charakters entbehren, der ſie leicht behandlungsfähig macht, indem er dem
Rünſtler es ermöglicht, müheloſer und vom erſten Augenblicke der Arbeit an
die aufgeſetzten Töne miteinander zu verbinden, ohne daß dieſelben ſich zu
weich und weſenlos mileinander vereinen. Nur dieſe Leichtigkeit läßt die
große Produktionsfähigkeit denken, die bei den Alten, ſelbſt unter andern
Lebens- und Arbeltsbedingungen, für uns ſo erſtaunlich wirkt.
Ein zweiter Nachtheil dieſer mangelnden Farbenbeſtandtheile und die
hlerdurch wie durch das nicht ſorgfältig und geeignet gewählte Rohmaterial
hervorgerufene Stumpfheit der Farbentöne lag darin, daß bei dem energiſchen
Auftreten des Realismus in der Kunſt, die Künſtler — in dem Suchen nach
vollſter naturaliſtiſcher Wiedergabe — genöthigt waren, die Farben immer
und immer paſtoſer zu verwenden, um ſchwächliche Töne möglichſt zu über—
winden. Es ſind, um für all dieſe Mängel Abhilfe zu ſchaffen, Verſuche
gemacht und die gewagteſten Probleme aufgeſtellt worden. Wir wiſſen, wie
viele unſerer erſten Künſtler ſich mit der Loſung dieſer Fragen beſchäftigen, und es iſt
von uns das Auftreten eines neuen Farbenfabrikats im vorigen Jahre mit
nterejfe begrüßt worden, wenn aud mit den Zweifeln, die uns andere auf-
taudende und dann wieder als nicht ausreihend erfannte Erfindungen diefer
Sarbenfrage gegenüber begreifliher Weife aufgenöthigt haben. Diefe Zweifel
beftehen ja immer vor Allem in der Frage der Haltbarkeit, eine Frage, die
fih mit einer gewiffen Sicherheit erft nad Jahrzehnten beantworten läßt —
aber die Lingnerfarbe — denn diefe it es, welde wir im vorigen Fahre bier
als neue Erfheinung befprahen — hat fih inzwifhen in ihrer Behandlungs-
weife immer mebr als eine Wohlthat für die Rünftler und einen fortfdritt
für die Kunſt bewieſen.
Sie hat in ihrer eminenten Leuchtkraft einzelnen Rünftlern zu einem
Ausdrud ihrer Farbenideen verholfen, wie wir gleihe Arbeiten von denfelben
nod faum anf den Ausftellungen bisher gefeben und bietet, wie wir von
vielen der Riinftler felbft erfahren haben, durch ihre leichte Behandlungsfäbigkeit
die Möglichkeit, vorübergehenden Stimmungen — aud den feelifhen eines
Portrais — mit größ-
ter Leichtigkeit zu folgen.
Es ift ja natur
gemäß, daß, wie die
Wirkungen diefes
neuen Materials von
der heute gebrauchten
Oelfarbe verſchieden
ſind, auch die An—
wendung eine etwas
andere iſt. Nicht etwa,
daß der Künſtler ge—
zwungen iſt, ſich einer
ganz neuen Malweiſe
zu unterwerfen, die
dem ſubjektiven Aus—
druck ſeines künſtle—
riſchen Wollens viel⸗
leicht höchſt unbequem
iſt; vielmehr handelt
es fih für ibn darum,
Walter Crane,
ĉie erftaunlihe Letftungsfabigteit diefer neuen farbe ert voll tennen 3u
lernen, um fih derfelben mit dem ganzen Vortheil zu bedienen. Es
if, wie fhon früher einmal am diefer Stelle bemerft' wurde, das voll-
fommene Zufammenwirfen von Malgrund, Farbe und Malmittel, weldes die
bobe Vollendung des Refultates verbürgt. Dabei ift der Rünftler in der an-
genebmen Lage, mit demfelben Material ganz verfhiedene Effefte zu erzielen,
die auf eine entfprehende Wahl des Malgrundes zurüdzuführen find. Wer
3. B. den Derfuh madt, die Lingnerfarbe auf einem febr ftarf jaugenden
Grund, etwa Bypsgrund, mit Fortlaffung des barzenthaltenden Malbalfams
zu benugen, wird fid zu feinem Erftaunen der Löfung der Frage näher fühlen,
ob die alten Meifter ihre Bilder mit Oel- oder Temperafarben untermalten.
Durch die fähigkeit, das Anreibemittel faft vollftändig an einen gut faugenden
Grund abzugeben, wird jene paftellartige, matte Tönung des Farbftoffes
hervorgerufen, der, wenn nicht gefirnißt, fehr wohl irrthiimlider Weife als
Temperafarbe angejehen werden fonnte. Diefe Eigenfhaft erklärt es aud,
warum jene alten Bilder die Jahrhunderte unbeeinflußt überdauern fonnten,
da der abjhließende Firniß nicht eine mit Del überfättigte und Saber der
Herftörung geneigte Materie, fondern einen faft trodenen Farbftoff in feiner
ganzen Farbenpradt zur ftets gleihbleibenden Wirkung brachte.
Die Derbreitung der Lingnerfarbe, deren Herftellung in letter Zeit ganz
außerordentliche Derbefferungen erfahren hat, nimmt von Tag zu Tag zu über
ganz Deutfhland, wo von allen Rapazitäten verfchiedenfter Richtungen Beweife
einlaufen von gleider Freude an diefer Erfindung. Möge fie dazu dienen,
den KRünftlern die Schwierigkeiten ihres Berufes zu erleichtern!
Derbeffertes Autotypverfahren.
em Bediirfnif des einfahen Bürgers, die Fahlen Wände feines
Heims auszufhmüden, verdantten die Reproduftionsverfabren ihre
D Entftehung ; und zwar waren es zuerft Aupferflih und Radirung,
welde ein farblofes Spiegelbild der ehrfurchtsvoll angeftaunten Meifterwerke
der beliebteften Riinftler aud in die Wohnungen der einfachen Leute über-
trugen, weldhe die Roften eines Originalgemäldes nit zu erfhwingen ver-
modten. Jn dem Maße aber, wie fih die Tednifen des Grabftidels und
der Nadel vervolltommneten, bildeten fi in ihnen Spezialfünftler aus, deren
Arbeiten infolge ihres fünftlerifhen Wertbes fo theuer wurden, daß fie
wiederum den weniger Bemittelten verfagt waren. Es liegt auf der Hand,
daß von einer Verbreitung im große Maflen des Voltes fo lange nidt die
Rede fein konnte, als die individuelle Befhitlihkeit den Werth der Re-
produktion beftimmte. Erft duch ein vollftindig mehanifhes Der-
Wettlauf der Stunden,
38 Deutfdhe Runft.
fahren konnten fie in diefem Sinne populär werden, und diefes wurde erft
ermöglicht durd die Photographie. Die Lidtbildtunft übertrug das Original-
gemälde in jeder gewünfchten Verkleinerung auf den Holzftod, und zwar mit
einer fo mathematifhen Benanigfeit, daß felbft der. gefchidtefte Zeichner nicht
folgen- fonnte, außerdem waren die Unterfchiede von Liht und Schatten
foweit angegeben, daß die Holzfchneiderei fheinbar eine ganz medanifde
Arbeit war. Aber auch diefes ſcheinbare „nur Nachzeichnen“ entwidelte fid
zu einer fchönen Aunft, man vergleide nur einen Jahrgang der fliegenden Blätter
von 1870 und von heute! Erft einer genialen Rombination der Photographie
mit dem Aekverfabren. war es vorbehalten, eine Surdgreifende Ummwälzung
herbeizufiibren, und zwar erfolgte fie in
fo foloffalem Lmfange, daß hentzu-
tage fein einziges Reproduftionsverfabren
ohne Photographie mehr denkbar ift. `
€s würde hier zu weit führen, die
vielen Arten und Rombinirungen der
Reproduftionsverfahren auseinander zu
feben; bei den meiften dreht es fih um
die Frage, wie man am beften die
von der Photographie gelieferten dunklen
und hellen Flede in Strihe und Puntte
zerlegt, um die Aekung zu ermög-
liden. Die Herftellung einer Autotypie,
mit der wir es bier 3u thun haben, er-
folgt dadurd, da man während
der photographifhen Aufnahme in der
Raffette der Ramera zwifdhen Platte
und Auszug ein ganz feines, auf Blas
gravirtes Neg, Rafter genannt, ein-
fġiebt, weldes fid mit dem Bilde zugleich
auf die Ylegativplatte überträgt. Diejes
feine Bitter erfheint ebenfalls auf der
geägten Platte und bildet dort infolge
feiner gleihmäßigen Erhöhungen und
Dertiefungen das Adhäfionsmedium für
die Drudfarbe. Fe feiner man nun den
Rafter nimmt, um fo mehr wird die Idee
erwedt, daß man es mit einer Photo»
graphie oder Heliogravüre zu thun babe
und der Bedankte an die Autotypie tritt
in den Hintergrund; aber unfere zäbe,
fhmierige Druderfhwärze will bei einem
gewifjen Grade der Feinheit nicht mehr
mit, und fo entftehen, namentlich in gleich
förmigen Sdhattenparthien, beim Drut
oft recht ftörende fledige Stellen (Paten).
Das Novum, weldhes mir nun hente
In einem von Krüger & Sfowraned,
Berlin, Unter den Linden, photograpbitten,
in der graphiſchen Kunftanftalt von
Meifenbsdh, Riffarth & Co., Schöneberg-
Berlin, reproduzirten Frauenfopf dem
Lefer vorführen, befteht nun darin, daß
die fertig geätte Platte vor dem Drut
noh einmal von einem gefhidten Xylo-
graphen übergangen if, der aud die legten Unebenheiten, die durch den
Drut entjtehen Fönnten, bejeitigte und auch die letzten Feinheiten hervorhob.
Man fiebt, in dem intereffanten Rampfe zwifchen Künftlerarbeit und medhanifcher
Reproduktion behauptet zur Zeit die erftere nod immer eine dominirende, weil
forrigirende Stellung.
— Der Runftverlag von Fri Burlitt bringt eine überaus wirfungsvolle
Radirung von A. von Döring nah Walter Crane's „Wettlauf der
Stunden“. Das Blatt erfheint in folgender form: 12 Sterndrude auf
feinem Sapanpapier & 750 Mark. (Diefe find numerirt und von Sec une
verjtählten Platte gezogen.) 50 Markörude auf hinefifhem Papier A 350 Mark,
50 Dor der Schrift-Drude à 100 Mark, Drude mit der Schrift find geplant
a 45 Mark. Bildflähe 395%X98 cm. Der Alleinvertrieb für den Runft-
handel ijt der firma Stiefbold & Co. in Berlin W., Kronenftraße 49, über-
geben. „Walter Crane's „Wettlauf der Stunden“ ift das padendfte Werk
Y j
Tel hn $
i ù S | verbindet. Braziös fpannt eine Japanerin
: den Regenfhirm auf, defen 12 Theile
das Zifferblatt einer Uhr bilden. Ein
Hahn, das Sinnbild der Wachfamteit,
[haut zu der angezeigten frühen Morgen-
€. Bernewif. Japanerin mit Schirm als Uhr
und Beleuchtungsförper,
D. Bladenbed & Sohn, friedridhsbagen bei Berlin.
diefes phantafiereihen Meifters, der duch die Ausftellung feiner vielfeitigen
Arbeiten fih aud in Deutfchland zahlreihe Freunde und DVerehrer gewonnen
hat. Eine rafende Jagd über die Wolfenbahn vor dem nadtliden Himmel,
an weldem die Sonne eben die Beftirne zu überftrahlen beginnt. Wie die
jugendliden Lenker mit hohgefhwungener Peitfhe ihre Befpanne zu tofendem
Laufe treiben, athemlos, alle Nerven gefpannt, nur auf das eine Ziel alle
Sinne geridhtet; wie die edlen Roffe dabinftiirmen, weit ausholend, fih
drängend und bäumend: das ift ein Bild der haftenden Zeit, ganz fo, wie
die heutige Welt fie empfindet, ein Bleihnif der wilden Unruhe, in der unfer
Leben mit uns dahinfährt. Go modern der Bedanfe und die Empfindung
find, fo treu wahrt der Maler in feiner
Rompofition das Erbe der alten Meifter,
geihloffene Bildwirfung, bharmonifden
£inienzug, fihere Dertheilung im Raum;
es ift, als ob bier nicht ein Bemälde von
befcdheidenem Umfange, fondern eine weit-
tadumige Wandmalerei vorläge. Dabei
eignet ih das Bild wie wenige andere
zum täglihen Genuß, zum Schmud der
Wohnung. Die einheitlihe Wirkung des
Gemäldes hat der Radirer Adolf
v. Döring mit fiherer Hand wiederzugeben
gewußt, die gemefjene Zeihnung, die der
Antife nadftrebt, die Tiefe der weidenden
Naht und den fhimmernden Blanz des
Stiiblidts. Das Blatt wird unter den
Werfen der heutigen deutfchen Radirfunft
mit Ehren beftehen.‘*
— Der moderne Befhmad im Runft-
gewerbe weilt einen Mifchftil auf, der, es
in feiner Ungebundenhelt zu regellofen,
aber eben datum reizvollen Yengeftal-
tungen bringt. Mit vielem Befchid werden
Nußzwede und dementfprehende Formen
zu anmuthigen Berätbformen verbunden.
So haben Bladenbed und Sohn A.-G.
friedribshagen-Berlin mit Bee
nugung einer von Bernewiß modellitten
Gruppe einen Zimmerfhmud gefhaffen,
der Standubr und Belendhtungstdrper
unde empor. Hinter der figur erhebt
ih ein erotifhes Ranfengewirr, aus deffen
Blüthenfelhen eleftrifhe Blüblampen
leudten. Das Ganze ift in einer Höh:
von etwa einem Meter in farbiger Bronze
ausgeführt und hält fih in maßvollem
Naturalismus von jedem Perfuh Fonven-
tioneller Stilifirung fern.
— Jm Aufteage des Raifers haben Profeffor Anton Seder in
Straßburg und Hofgoldfhmied Theodor Heiden in Münden eine Amts-
fette gefertigt. fiir den Biirgermeifter einer Stadt römifchen Urfprungs be-
ftimmt befteht diefe Kette aus Pallifaden, Thürmen und Thoren und ift mit
Edelfteinen befett, ein ebenfo prunfvolles wie fünftlerifch gediegenes Werk.
— gm Mündener Runftverein bat A. Endell, von den die „Klein—
funft'-3immer des Blaspalaftes mehrere intereffante Arbeiten aufweifen, ein
Stehpult ausgeftellt, das durch Einfachheit der Form und praftifhe Ron-
ftruftion angenehm berührt. Die Ffünftlerifhe Verzierung beſchränkt ſich auf
die gefhmadvollen Eifenbefhläge an den Schlöffern der Schubfächer unter
der Platte, fowie an der zur Aufnabme des Tintenfaffes beftimmten Per-
tiefung (namentlid) die letteren zeigen ein fhönes ordhideenartiges Pflanzen-
motiv) und auf die eigenartig gefhwungenen, vertieften Linienornamente an
den Dorderfldden der Schubfäher und auf der Pultplatte. Das Material
des Pultes ift matt gebaltenes amerifanifhes Außbaunholz. Den Endell’ihen
Entwurf haben die Herren Rirfch und Till ausgeführt.
— Gn Minden gelangte unter Leitung Ses Hoftunfthdndlers Albert
Riegner und dee Runfthändlers Hugo Helbing der Nadhlaf des verftorbenen
Münchener Runftbändlers und Runftverlegers Peter Raefer fowie
die Bemälde-Sammlung des Rentners €. Beuttenmiiller in Baden-Baden zur
Derfteigerung. — P. Raefer war ein in weiten Arelfen befannter und wegen der
ernften und vornehmen Auffaflung feines Berufs angefehener Mann. So wies
fein Nadlaß viele feine und anziehende Bilder auf: zwei Aquarelle von
H. v. Bartels, einen ,,Wilddied von f. Burger - frankfurt, ein an Petten-
fofen erinnerndes Bildchen des Wieners Hugo Charlemont, eine flotte Sti33e
von Wilhelm Diez, eine Gartenfzene von Ferd. Heilbuth, hübſche Benrebilder
von H. R. Raefer, Piglheims farbenftizze zu dem in der Nationalgalerie be-
findlihen „Moritur in Deo“, von C. Ridelt den Studienfopf eines Kindes,
Preisbewerbungen.
— Für den Wettbewerb zur Erweiterung des Rathhauſes
in Börlit waren 15 Entwürfe eingegangen. Das Preisgeridt hat ent-
f&hieden und zuerfannt: Den T. Preis dem mit dem Rennworte ,, Anno dazu-
mal" bezeihneten Entwurfe, Derfaffer Arditetten Sdhauppmeyer und
Helbig in Bonn; den II. Preis dem mit dem Rennworte ,,Springinflee
bezeichneten Entwurfe, Derfafler Arditeften Reinhardt und Süßengut in
Charlottenburg; den III. Preis dem mit dem Rennworte ,,Gefdloffene Ban-
gruppe" bezeihneten Entwurfe, Derfafler Bau» anfpeltor Schröder in
Ftledrihsberg und Ardhitelt Aröger in Wilmersdorf. Als I. Preis
waren 4000, als II. 2500, als III. 1500 Mark nomirt.
— Don den deutfhen Arciteften weldhe zur Betheiligung an. dem Preis-
Ausfhreiben für den Bau der Oberlaufiger Ruhmeshalle und
des Raifer Sriedrih - Mufenms aufgefordert worden, waren 47 Pro-
jefte eingefandt. Das Preisgeriht hat entithieden: Es haben erhalten den
I. Preis (3000 Marl): Entwurf Nr. 31 mit dem Rennwort „seit und Treu“
Hugo Behr, Lehrer an der fgl. Baugewerkfchule in Hörter; den II. Preis
(1500 Mart). Entwurf Nr. 4 mit dem Kennwort „Einheit* Erdmann
Hartig, Direktor der fgl. Aunftgewerbefhule in Barmen; die zwei III. Preife
(je 750 Mart): Entwurf Nr. 9, Rennwort „Der alte Rurs“, Arditeft felir
Jahrmarkt - Leipzig; Entwurf Nr. 3, Rennwort „Deutjhland, Deutjch-
land über Alles‘, Arditeft Berger - Berlin.
— für den Ban eines Runftmufeums in Riga fhreibt čie
Rigafhe Stadtverwaltung einen Sffentliden Wettbewerb aus. Die Preife
betragen. 800, 500 nnd 300 Rubel. Die Entwürfe miiffen bis zum
1./15 Februar 1898 eingereiht werden. Wegen der genaueren Bedingungen
haben fih die Bewerber an das Rigafde Stadtamt (Br. Rönigeftraße 5)
3u wenden.
— Ein Berliner Bildhauer ift aus dem engeren Wettbewerb, der um
ein Raifer Wilbelm-Denfmal in VYeuftettin veranftaltet worden war,
als Sieger hervorgegangen. Einftimmig wurde der vom Bildhauer Wilhelm
Wandfhneider vorgelegte Entwurf zur Ausführung beftimmt. Die Enthüllung
des Denkmals foll jdon am 2. September 1898 ftattfinden.
— Jn dem engeren Wettbewerb um ein Raifer fFriedrich Denkmal
in Hagen ergab das Urtheil einen Erfolg der Berliner Rünftler. Es wurden
für geeignet befunden und durh gleihmäßige Preife ausgezeihnet die Ent-
würfe der Berliner Bildhauer Profeffor Mar Baumbadh, Emil Lauer,
felir Börling- friedrihshagen und Arnold Rünne,
— für das Denkmal von Werner Siemens und Alfred Krupp wurden
im Jngenieurhaufe die Entwürfe eingeliefert, und zwar von Prof. Donndorf-
Stuttgart, von Otto Lang- Münden, der das Effener Grabdenfmal von Alfred
Reupp gefdaffen hat, und von Wilhelm Wandfchneider- Berlin. Wie wir
erfahren, find noch Arbeiten von drei Berliner Bildhanern, von Prof. Ernft Herter,
Ferdinand Lepde und Otto Riefh, zu erwarten. Eberlein hat ans freien
Stüden gleih zwei Skizzen zu jedem Denfmal gefandt. Preife find nicht
ausgefegt, dod) befteht die Abficht, mit dem Urheber der beften Entwürfe wegen
der Ausführung eines oser beider Denkmäler in Verhandlung zu treten.
— Jn dem Wettbewerb, den die Stadt Köln zur Erlangung von Ent-
würfen zu je einem Denfmal für Wallraf und Rihark, die Begründer des
nad ihnen genanuten Mufeums in Aöln, eröffnet hatte, hat das Preisgericht
die erften beiden Preife den Arbeiten der Bildhauer 3. B. Schreiner und
W. Albermann in Köln zuerkannt. Den dritten Preis erhielt der Entwurf
des Bildhauers Midael Lod-Berlin. Don weiteren Entwürfen wurden
vom Preisgeriht die Arbeiten der Bildhauer Jean Degen-Röln und
N. friedrid Charlottenburg zur Prämittung empfohlen.
— Ein Preisausfohreiben für einen Plafatentwurf erläßt die
firma J. 6. Houben Sohn Tarl in Aahen. Diefer foll außer der firma
die Stihmworte „Acdener Badeöfen‘, „Original Houben’s Basöfen“ und „Ueber
50 000 im Bebraud‘ enthalten. Der Entwurf ift in modernem Plakatftil
auszuführen. Die Wahl der Darftellung ift freigeftellt. Eine bildlihe Dar-
ftellung eines Bade- und Basofens fann angebradt werden. für die drei
beften Entwürfe werden als Preife ausgefest: 400 Mark, 100 Mark und
60 Mark. Dem Preisridterfollegium gehören außer einigen Profefloren des
Aachener Polytehnitums auh der Maler Profefor Arthur Rampf aus
Diiffeldorf an.
Deutfhe Runft. 39
mebrere harafteriftifhe Erndfhaften von Ed. Schleih und eine landfchaftlide
Size von Francesco Diner. Jm Ganzen umfaßte der Raeferihe Nadlaf
89 Nummern.
— Ein Bildnif des Philofophen Rant aus den 70er Jahren des
18. Jahrhunderts hatte der: Dresdener Antiquar Lengefeld der Stadt
Rönigsberg zum Rauf angeboten, die Sas Bild billig erftand, nahdem Pro-
feffor Dr. Dieftel in Dresden und Profeffor Wörmann, der dortige Galerie
direftor, ein günftiges Butachten abgegeben hatten.
— Dor einiger Zeit tauchte die Nachricht auf, Saf in der fatholifden
Pfarrlirche zu Wittihenau bei Hoyerswerda ein ehter Dürer hänge. Die
wiffenfhaftlihe Unterfuhung bat ergeben, daß das Bild die Jahreszahl 1597
aufweift und daß fein Schöpfer Andreas Drefler fei, geboren 1550 zu Kamenz,
geftorben am 8. Oftober 1604.
Perfnliches und Ateliernachrichten.
— Der Dr. phil. Erid Pernice ift zum Direktorial-Afjiitenten be
den Röniglihen Mujeen in Berlin ernannt worden.
— Dem Direktor des ftädtifhen Mufeums Wallraf-Rihark zu Rdln am
Rhein, T. Aldenhoven, ift das Prädikat „Profeflor‘* beigelegt worden.
— Der Gefhihtsmaler Eduard Raempffer ift zum ordentliden Lebrer
der Runft- und Aunftgewerbe-Schule in Breslau ernannt worden.
— Profeffor Ludwig Dettmann ift zum Ehrenmitgliede der Société
royale belge des Aquarellistes ernannt worden.
— Das von dem aus Nürnberg gebürtigen Portraitmaler Anton
Shöner gemalte Portrait des Beh.-R. v. Lavale, Direftors der Pfälzifchen
Eifenbahnen, hat dem buyerifhen Prinzregenten fo ausnehmend gefallen, daß
er dem Rünftler einige Sigungen in Ausfiht geftellt bat.
— Profeffor Franz Stud's neueftes Gemälde „Sufanna im Bade"
wurde von der fleifdmann'fdhen Hoftunfthandlung in Münden erworben,
während das Selbftportrait des Riinftlers und fein „Verlorenes Paradies‘
in den Befit des Generalfonfuls Henneberg in Zürid übergigen. Zur Jett
arbeitet Stud an den Deforationsffizzen und figurinen für Adalbert
v. Boldfhmidt's Tondihtung „Bäa, die in Hamburg 189S aufgeführt
werden foll. Adt große Skizzen und 45, figurinen hat der Rünftler bereits
vollendet; die Sfizzen werden im Atelier des Hamburger Deforationsmalers
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Ar. 3.
2. Movember 1897.
II. Jahrgang.
Zur Schägung Mar Liebermann’s.
Bon Henriette Mendelfohn.
Wir die Shaikung Liebermann’s ift Berlin das wenigft wurde in Berlin wenigftens mit einem Enthufiasmus der Ent-
geeignete Feld. Thm fehlt das fpezififh Berlinifhe —
das Geiftreidelnde.
Liebermann ift ein--
fah. Weder dem Publikum
noch dem Journaliften bieten
feine Werte Stoff, das eigene
Licht leuchten zu laffen. Ueber
das Anekdotenbild und über
die fumboliftifchen Bilder, in
die fo viel bineingeheimnißt
werden kann, läßt fi reden.
Ueber Liebermann nidt. Was
er zu fagen hatte, hat er in
feinen Werten gejagt, fo
fhliht und einbeitli wie
möglid).
Liebermann ift ein Total-
begriff geworden, der fich nicht
zerpflüden läßt. Grund ge-
nug, daß er in Berlin — der
deutfhen Machtzentrale der
Runft, nit des Runfige-
fhmads — fpäter als im
Ausland und in Münden
durhdrang. Grund genug,
daß die Richtung, die er ver-
trat, nur vorübergehend über
die Ausftellungen gehuſcht
ift und nie feften Fuß gefaßt
bat, während die Saat fym-
bolifher Lilien bherrlich er-
blübte.
Ein Dierteljabrhundert
bat es in Berlin bedurft,
um an offizieller Stelle, und
folhe it die Ausftellung,
dem Publitum in Lieber-
mann zu zeigen:
„Das ift ein Mann!“
Wie hat fih. in dSiefer
Seit das Urteil über ihn
geändert! Reinem ift mit
folder Deradhtung begegnet
als ihm. Selbft Gujffow
ee
en
Mar Liebermann,
Bildnifradirung von A, Zorn.
rüftung begrüßt, während Liebermann der ,,Sdmugmaler war
und blieb.
Noch im Jahre 1889 heißt
es in Rofenberg’s dreibän-
diger GBefhichte Ser mo-
dernen Kunft:
„Wefentlih durd Parifer
Einwirkungen ift aud die
Ridtung der wenigen in
Berlin thatigen Maturaliften
beftimmt worden, unter denen
fih Mar Liebermann durd
feine Unverdroffenbeit, die
niedrigften, [hmußigften und
troftlofeften Motive aus dem
menfchlihen Leben heraus-
zuziehen und mit einer uns
ausrottbaren Vorliebe für
die häglichften Exemplare des
Menfchengefdledts und einer
unbeilbaren Neigung für
einen fhwärzlid braunen
Gefammtton darzuftellen,
einen Namen gemadt."'
So lautet das Urtheil
eines Berliner fadfritifers
im Jahre 1859, nachdem 1831
bereits Liebermann das Alt-
männerhbaus in Amjterdam
gemalt, über weldhem heute
die große goldene Medaille
in der Berliner Ausftellung
prangt. — Als im Jahre
1887 in der „Runft für Alle“
der für das Liebermann-
Derftändnig grundlegende
Artikel von Helferich erfchien,
fnüpfte die Redaktion daran
die vorfidtige Bemerkung,
daß fie nicht den Standpuntt
des Derfaffers theile.
Bereits ISSS 30g die
neve Runft in die Pforten
des Mündener Blaspalajtes
42 Deutfhe Rung.
ein, und Muther begann feine Runftberihte mit der Auffchrift -
„Mag Liebermann‘.
In Berlin verhielt man fic) weiter fprdde, nicht allein im
Publifum, fondern in funftmadtigen Rreifen, fo Saf nod
Kämmerer im Jahre 1895 in feinem gründlichen, verdienftvollen
Aufſatz fohrieb: „es lohne fih wohl, feftzuftellen, „was tann
Liebermann“, ehe es einjtmals heißt „was konnte der Derfannte*.
Durdhfalagend im Publitum für feine Werthfhagung wurde aber
erft das Sabr 1894: Das Erjceinen der fofort vergriffenen
„Gefhihte der Malerei im meunzehnten Jahrhundert von
Muther. Es handelt ih nit darum, feftzuftellen, wie weit hier
für das Liebermann-Derftändnig etwa frühere Arbeiten in
Betradht fommen, fondern nur um die Thatfache, daß für eine
andere als die bisher übliche Runjtbetradhtung Muther in der breiten
Schicht der Bebildeten Stimmung magte.
Aber freilih, das Kunfturtheil it nocd immer ein dem
gebildeten Publitum (niht funftgebildeten) aufoftroyirtes. Ein
Vormittag im Saal 44 der Ausftellung -nict nur febend, fondern
aud hörend verbradt, giebt ein eigenes Rapitel sur Liebermann-
Schäßung. Die fünftli angefihts der großen goldenen
Medaille ausbredende Bewunderung fulminirt in den Worten
„ac, wie fig!"
Das, was im Ausland, in Münden, ih längt vollzogen,
was in Berlin einigen Rünftlern und Runftgelehrtenals anerfannte
Thatſache feftftand, 1897 wurde es in Berlin afademifh und
ftaatlih beglaubigt: die Schäßung Mar Liebermann's.
Der Maaßitab für den Werth eines Mannes liegt aber immer
in der Schäßung. Runftwerfe, die weder in Ser Mitwelt nod
in der Nadhmwelt einen begeifterten Wiederhall erweden, baben
feinen objektiven Werth. Gn der Runft giebt es fein Ding an
fih, fondern nur die Wirfung auf andere. Darum ift der Wunfch
des Künftlers nad) Anerkennung niht Ausflug der Eitelkeit,
fondern nur beredhtigtes LCebensbedürfnif.
Somit hätte Liebermann das erreiht, was ihm in feinem
„wahnfinnigen Ehrgeiz‘ als erftes äußeres Ziel vorfchwebte: die
Schätzung
der Mitwelt.
Aber iſt
diefe Schät-
3ung eine rich:
tige? Glau-
ben wir nod
an objektive
Werthe? Wir,
die . Seitge-
noffenLieber-
mann’s, find
ein bewege
lihes Gee
fhleht; wir
fteben ineiner
peit der, Um-
werthung
allerWerthe**
niht nur auf
moralifchem,
fondern aud
auf äftheti-
fhem Gebiet.
Wir glauben
nicht mehr an
ewige Runft-
gefeße: wir
haben funft-
geſchichtlich
zu viel Surh-
lebt. Mit
Düffeldorf
begannen wir
und frifd
Mar Liebermann,
fetten wir über Liebermann hinweg, um aus einer Mifchung
von Japan und primitiven Meiftern den ftilifirten äfthetifhen
Thee aufzugießen, das Runftbediirfnif der Gegenwart zu ftillen.
Runftfohriftftellee find leider Feine Propheten — aud fie
ftehen im Banne einer Tradition, fei es eine Jahrhunderte oder
Jahrzehnte alte. Die ewigen Runftgefege find Abftraftionen der
Erfahrung: Dor der Entdedung der Bemalung griechifcher
Skulpturen galt uns ein bemaltes Bildwerf als Barbarei. Bei
der Ausgrabung Pergamons wurde mandhe Behauptung über
den ,,Geift der Antike‘ begraben. Neue Erfahrungen — neue
Befeze! — Das Gefek giebt der Riinftler: die That.
Und als einen Mann der That verehrt Liebermann die Mit-
welt — als einen Mann der That muß die Nadhmelt ihn
nennen, je nadhdem fie felbft im Seiden diefer Richtung ftebt
oder nit. Denn aud die Nachwelt ift nicht objektiv.
Liebermann wird auh ibr wie uns der Mafjifche Vertreter
des realiftifhen Jmprefjionismus für Deutfhland fein.
Jn Menzel's „Walzwerk“ liegen bereits alle Reime der
neuen Ridtung. Liebermann bat fie zur Ääuferften Ronfequenz
entwidelt. Möglih, daß die Frudhtbarkeit Menzel’fhen Schaffens
die Bedeutung des einzelnen Werkes verdunfelt. Jn Menzel's
Schmiede liegt niht nur ein Reim, fondern eine Saat, die im
realiftifchen Jmprefiionismus Liebermann’s reifte, befrudtet von
bolländifch-franzöfifhen Eindrüden.
Das Walzwerf enthält bereits das, was wir als Vorzug
des LCiebermann’fchen Naturalismus rühmen: die Einfachheit. Der-
glihen mit dem, was vorher funftgefhichtlid bejtand, meift fie
bereits das auf, was font Menzel fhe Runft nicht fennzeichnet:
impreffioniftifhe Anläufe.
Dadurdh, Sah Liebermann diefen Zug fraftvoll und ein-
feitig an der Hand internationaler Ueberlieferung ausfpann,
wurde er der erfte realiftifhe Maler Deutfhlands. Menzel
blieb fein erfter realiftifher Riinftler.
Menzel hat ftets viel auf dem Herzen; er fteht allein ohne
jeden realiftifhen Untergrund. Um fid feiner Zeit verftändlic)
3m Atelier.
PRT TRS re gir 8
Deutſche Kunſt. 43
zu machen, muß er überdeutlich ſprechen — ſtatt traditioneller
Poſe — ein Ueberbeſchäftigtſein, ein Ueberaccentuiren.
Liebermann will wenig auf einmal ſagen, aber das Wenige
präzis. Seine ſparſamen Accente liegen in der geſchloſſenen
einheitlichen Charakteriſtik — der Meiſier des Realismus, des
Impreſſionismus ſchafft das Stimmungsbild. Die Liebermann—
Literatur, ſo begeiſtert ſie iſt, ſchätzt die Perſönlichkeit, den Bahn—
Hals ihn beeinflußt: Wir können jedem der Werke ſeine Zenſur
und Nummer geben. Wir wiffen bereits in mathematifhen
Proportionen auszudrüden, wie Liebermann fi zu Menzel,
zu Leibl, zu Ubdse verhält. :
Aber über Sem geht das verloren, was als unvergängliches
Erinnerungsbild über Liebermann und Sem Fleinen Saal in der
Berliner Ausftellung liegt — die Stimmung.
Mar Liebermann,
breder, Sen Dorfampfer, den Rulturbringer; fie f[häßt weniger
Liebermann’s Werke als feine Hiele.
Wir werden binreihend darüber orientirt, daß Courbet,
Millet, Baftien Lepage, Jeracls auf ihn eingewirkt, daß Frans
Hetefliderinnen.
Dielleiht fann Cuft noc) durdfidtiger, Sonne nod leudtender
gemalt werden, aber niemals ftimmungsvoller. Und wenn
heute der Rolorismus längjt über Liebermann binausging: die
Wirkung diefer Werke bat er nicht übertroffen, hödjtens erreicht.
Die Entwiclung Liebermann’s.
Pon Carl Fanghammer,
7 enn zehn Seutfdhe Maler ihre Anfiht über Lieber-
Ke mann und feine Runft äußern follten, fo würde man
EN wahrfcheinlich wenigftens zwölf verfihiedenen Meinungen
ableugnen, die charaktervolle Perfönlichkeit.
gegenüberftehen. Keiner würde das gewaltige Talent
Liebermann felbjt
fteht der neueften Entwidlung der Runft, der Symbolit in farbe
und Linie, negirend gegenüber, da er nur eine Aunft verftebt,
die aus dem engften Anfchluß an die Natur erwacfen ift. Wie
aus der erfteren Chatfadhe hervorzugehen feint, daß das Bild
feiner PerfSnlichteit noh eine fdhwanfende Erfcheinung ift, fo
aus der legteren, daß feine Entwidlung ihre Grenze gefunden. Wir
fönnen nod gewaltige Werke von ihm erwarten, Heberrafhungen
44 Deutfhe Runft.
Mar Kiebermann, Mutter und Kind.
wohl faum — cs werden alles Bilder fein, wie fie fhon jetzt
durd) den Namen Liebermann gekennzeichnet find.
Wir find heut auh fon mehr in der Cage, aus feiner
Entwidlung beraus ibn zu verftehen: er ift aus einem febr
gefhidten Maler nad und nah ein großer Rünftler geworden.
Gewif das größte an ihm ift, Saf er rüdfichtslos, ohne redhts
oder linfs zu fielen, feinen Weg gewandelt ift. Ein Phänomen
ohne Vorläufer oder Nadfoiger ift er nicht, und wer ihn dafür
ausgiebt, erweift ihm jelbit den allerfchledhteften Dienft.
Liebermann ftammt aus einer fehr begüterten Berliner
familie und diefe Segnung mit Blüdsgütern bat ihm un-
zweifelhaft viel zu der Rüdenfeftigkeit in feiner Runft geholfen.
Als Erfolge für ibn in feiner Keimath nod völlig ausgefhloffen
waren, fonnte er fic) feinen Aufenthalt und fein Publitum in
der ‚Fremde fuden. Er bat ftets fthaffen fdnnen, was ibm
gefiel und wie es ibm gefiel, ohne an den Befhmad des
Räufers zu denken oder an das Gefpenft Hunger, das fo viele
Talente dahinrafft, fei es phviifch, fei es Fünftlerifch.
Frith regte ih in ihm die Cuft am fünftlerifhen Bilden;
Maler zu werden erlaubte ibm indefjen fein Vater niht, bevor
er die Gymnafial-Abydhlugpriifung beftanden hatte. Rennzeihnend
für feine fünftlerifhe Eigenart erfheint mir, daß fhhon damals
feine Schwärmerei die Menzel’fhen Jlluftrationen zu „Friedrich
dem Broßen“ waren und nicht, wie es dod wohl eigentlich
hätte ordönungsmäßig fein miiffen, Raulbad und Cornelius.
€s ift dies um fo bemerfenswerther, als nod) Ende der fechziger
Jahre Steffed, Ser damals eine führende Stellung in Runft-
Berlin einnahm, Menzel in maßlofer Weife verurtheilte.
Auf einige Feit wurde Steffed Liebermann's Lehrer
und lic ibn jogar jhon bald an feinen eigenen Bildern mit-
arbeiten. 1869 ging Ciebermann dann, zwanzig Jahre alt,
nad) Weimar auf die Runftfdule zu Pauwels. Die erfte
Befhaftigung, die diefer dem neuen Schüler gab, war, daß er
ihn 3u einem Boccaccio Modell fteben ließ. Als Liebermann
dann nad der erften Woche jhüchtern zu bemerfen magte, er fei
dod) eigentlich gefommen, um zu lernen, fertigte Pauwels ibn
damit ab, daß zu feiner Heit die Schüler bei Wappers fogar
die Paletten gepugt hätten. Sehr groß fcheint der Fünftlerifche
Einfluß der damaligen Großen in Weimar Pauwels, Thumann,
Genelli auf Liebermann nist gewejen zu fein, Senn fein
erftes Bild „Der Alte im Atelier’ zeigt ganz andere Diele.
Guffow, der damals als junger Stern aufging, fam 3u ibm
ins Atelier: „Das Bild ift gut, wir miiffen uns duzen!* Bald
folgten die „Bänferupferinnen“, ein Bild, das ebenfalls nur
gemalt war der Malerei wegen; einer Malerei, die im ihrer
breiten Geftalt von Courbet abftammte. Aud „Verfhämt* und
ein ,,Rirdenftillleben mit dem Selbftportrait gehören in diefe
Periode von Liebermann’s Runft. Die „Bänferupferinnen“
bradten Sem jungen Riinftler die Bunft Menzel’s ein und —
5000 Marf. Und diefes Geld hatte die größten folgen für
Liebermann's ganzes Leben: er ging damit nad Holland und
entdedte Rembrandt und die holländifhe Atmofphare. Das
ging fo 3u: Pauwels batte all’ feine Schüler vor Rembrandt
gewarnt, das fei Gift; wenn ein Rünftler fih an den made,
werde er nur irre — aber van der Helft! Und in Amfterdam,
da fei der fihönfte van der Helft. Liebermann ging bin,
ihn zu fehben. Aber in Amfterdam find auh die befannten
gewaltigen Rembrandts, und Liebermann gerieth in einen
Raufh vor ihnen, vor diefem ,,gottbegnadeten Genie, „ser
mwunderbarften Erfcheinung in der Runft aller Zeiten‘. Und fo
die Augen und das Herz voll von Rembrandt, fing er an,
das neue Milien zu fehen: er entdedte Holland, das ibm nod
heut ,,das Land* ift. Er wurde fo aud der Vater all’ jener
„weißen Haubenbilder‘, die nahher Jahrzehnte lang die Aus-
ftellungen bevölferten. Yun ging er nad Paris und ließ fi)
bald darauf einige Zeit in Barbizon nieder. Den Gewaltigen
‚von Barbizon, Millet, Corot, Troyon, perfönli nahezu-
treten, war unmöglid, Senn Ser Deutfdenbag war damals,
Mar Liebermann.
Derihämt,
gleih nad dem Krieg, fo ftark, daß fic) die Franzofen wunderten,
wie er es wagte, ohne Revolver auszugehen. Der Einfluß der
fünftlerifhen Atmofphäre Franfreihe auf Liebermann war
ein gewaltiger. Jn den nächſten Bildern, den „‚Konferven-
maderinnen‘, den „Rübenarbeitern", den „Befhmiftern‘, zeigt
fidh, wie er freier in .der Technit wird und tiefer im der
fünftlerifhen Auffaffung feines Begenftandes.
Ende der fiebziger Jahre bradte Liebermann dann den
„zwölfjäbrigen Jefus im Tempel“, ein Bild, auf dem er nod
energifher als Menzel in feinem Blatte, das den gleichen Stoff
behandelt, Chriftus als Pleinen Judenjungen und die Schrift
gelebrten als ,,Rebbes auffaßt. Ob das Bild Liebermann
wohl felbft viel Freude gemacht hat?
1881 ftellte er dann das „Altmännerhaus* aus, das ihm
eine Medaille im Salon einbrachte und ihm mit einem Schlage
in franfreid) einen Namen madte. Er wurde in den „Cercle
des XV“ gewählt, Sem Männer wie Stevens, Baftien Lepage,
Dagnan Bouveret, Boldini angehörten, aber aud damals
nod) fonnte er es als Deutfher faum wagen, in den abendlichen
Vereinigungen der Befellfhaft zu erfcheinen.
€s folgten die ,,Bleide’, die „Schufterwerkitätte‘, Ser
„Mündener Biergarten“.
Seit 1884 lebt Liebermann wieder in Berlin. Diejer
fpäteren Periode gehören dann die „frau mit der Ziege, die
„Netefliderinnen‘*, der „Alte in den Dünen“, ie „holländifche
Dorfitraße*, die ,, fladsfpinnerinnen’’ an. Seiner zweiten
Heimath Holland ift er treu geblieben: alljährlih fudht er es auf
und findet neue Anregung dort.
gn den letzten Jahren hat Liebermann aud einige Portraits
gemalt: den „Hamburger Biirgermeifter in feiner alterthümlichen
Amistradht, Virchow, Gerhardt Hauptmann. Es find Bildniffe
von padender Charafteriftif, deren größte Stärke in der tiefen
feelifihen Erfaffung der dargeftellten Perfönlichkeit beruht. Jm
Befiht Pirhom’s liegt der ganze Sfeptizismus, zugleih aud
das volle felbftbewußte Ueberlegenheitsgefühl diefes Mannes, der
fhon vor 50 Jahren auf feinen internationalen Weltruf felbft in
Sffentlider Verfammlung binwies. Jn Berhardt Hauptmann
offenbart fih das Injihhineinfhauen, diefes innere’ Ceben, das
der Dichter weltenfern von feinen beften Freunden im tiefiten
Schrein feines Herzens birgt. Der Hamburger Bürgermeifter ift
die mit marfigen Strihen gefhilderte Ylatur des eifenköpfigen
Hanfapatriziers, ein fleiner Rénig. Es erinnert in feiner ein-
fahen Größe an Velasquez. Der cigenften Natur der ganzen
Deutfhe Run ft.
45
Mar Liebermann. Stizze.
Liebermann'ſchen Kunſt entſprechend, zeigen die Bildniffe nichts
von irgendwelcher Liebenswürdigfeit, von Ronzefjionen an die
Selbftauffaffung des Dargeftellten. Mit beinahe graufamer
Schärfe legen fie aud) Sie unerfreulihen Züge fell. Das rein
Malerifche bat ihrem Schöpfer offenbar erft in zweiter Linie ge»
ftanden. Diefes Betonen des Seelifhen auf Roften des Mal-
tehnifchen weifen alle Bilder aus der legten Epoche Ciebermann’s
auf. Es kommt ihm vor Allem an auf die großzügige
Schilderung der Stimmung. Die Sonnen, die über feiner Runft
jegt leuchten, find Jsraels und Millet. Er þat fih in ein-
ee Ty
Eur — Petr re 43257355]
LER TER RESET NIE L HERE EL LITE
Bet Fer in ran
— *
—
Mar Liebermann.
Im Runtelpart,
46
zelnen Werken zu einer monumentälen Größe und Einfachheit
durdgerungen. Je erinnere an die „Frau mit der Ziege, in
den Dünen, oder die „Neßefliderinnen*. Wie da der Contour
der figuren den der Dünenlandfhaft fihneidet, wie die ein-
zelnen groen Silhouetten der menfchlihen Beftalten mit ihrer
gewaltigen Bewegung in den Raum fomponirt finds, das ift
Runft großen Stils. Aud) Wilder intimeren Reizes haben wir
aus diefer lekten ‚Periode: die „bolländifhe Dorfitraße*, die
„Flahsfpinnerinnen“ Sie find erfüllt von einem fprudelnden
inneren Leben: die Bäume raufıhen, die Rader fdnurren, die
Menfhen athmen. Das Leben, wie es ununterbroden in der
Natur webt und fih regt. Jn Ser Erfaffung diefes Lebens,
namentlid Ser Bewegung und des Atmofphärifchen, bat es
Mar Sicbermann,
Liebermann zu einer gewaltigen Meifterfchaft gebracdht. Was
feinen Bildern Ser legten Zeit diefen großen Zug verleiht ift
namentlih au, daß er nicht mehr das einzelne zufällige Modell
anefdotiich fhildert; er giebt jegt Typen. m jeder feiner figuren
it ein ganzer Menſchenſchlag gefhildert, in jedem feiner Bilder
ein ganzer Zuftand.
Die vorbergebende Periode (etwa bis 1885) zeigt umgekehrt
die Betonung der Einzelfehilderung; zu ihr gebören die „nähende
Alte, die „Schufterwerkftätte, das „Mädchenwaifenhaus*, das
yy 2lltmannerbaus, der „Münchener Biergarten“. Den Maler
bat bier jedes einzelne Wefen interejjirt. Die Bilder find auc,
da es auf Einzeljcilderung ankam, fpiter gemalt, wenn man
überhaupt bei Liebermann von fpifer Malerei fprechen tann.
Die form, das zeihnerifche Element ijt mebr betont. Ein Haud
Menze"jchen Geiftes weht Surh fie, ohne Saf je die Menzel’fche
Deutide Kunſt.
Nebertreibung des Charakteriftifhen einträte, die fo oft an die
Rarifatur ftreift. Dabei ift aud ihnen fhon das Atmofphärifche
mit damals in Deutjhland ungewohnter Feinheit gefehen; id
erinnere an das glikernde Spiel dco Sonnenlidts, das durd
das Laub der Bäume fällt und bunte Fleddhen auf den Boden,
die Menfchen, die Baume, die Haufer malt, im „Altmänner-
haus“ und im „Waifenhaus*.
Tehnifh hat fic) bier Liebermann fdon völlig von der
von Courbet jtammenden öligen Malerei feiner erften Periode frei-
gemadt, der die „Bänferupferinnen‘, die „Aonfervenmaderinnen‘
und der „Runkelpark‘* angehören. Il boit dans. son propre
verre.
Die-Art wie Liebermann fhafft ift fehr verfchieden, bald
NaS
Landſchaftsſtudie.
malt er ein Bild ganz vor der Natur fertig, bald malt er's
ganz aus dem Kopf, unterſtützt durch eine gülle von Studien.
Nur eins verurtheilt er: das Zuſammenflicken von Naturſtudie und
Erinnerung 3u einem Bild. Seine „Flachsſpinnerinnen“, feine
„Schuſterwerkſtätte', die „Mäherin“ find fertig vor der Natur
gemadt; das „Altmännerhaus*, der „Biergarten“ ganz nad
Studien. Liebermann gebt eigentlih nie obne Sfizzenbud aus
und viele gefüllte Hefte geben Feugnif davon, wie er fort.
während dabei ift, feinen „Kopf zu ameubliren, wie er felbft
fagt. Diefe Pleinen und großen Heihnungen von ihm find oft
von bejtridendem Reiz; es find Vlätier darunter, in denen der
ganze Zauber der Malerei liegt; man Ffönnte wohl aud feine
Art zu zeichnen wie eine Malerei in Schwarz und Weiß auf
fafyen. ‘Auch wenn er dann folde Blätter mit der Nadel in
die Rupferplatte ritt, weiß er all Sen Zauber des inneren Lebens
in Ser Natur feftzubalten: bas Gleifen der Sonne, das
Weben der Luft, das Raufchen der Blatter, die Bewegung alles
Lebendigen.
Das neuefte Problem, mit Sem fih Liebermann befhäftigt,
it Ser „At im freien. Er malt badende Jungen, unter
Deutfde Runft. 47
Bäumen, am Meeresftirand. Er fuht dem Problem von allen
Seiten beizufommen, wie er ftets jedes feiner Probleme mit
eifernem Fleiß von allen Seiten ftudirt bat, bis er jcließ-
lid) die „Bilder malte, mit denen es dann für ihm abge-
than war.
Altes und Neues vom Naturalismus.
Von T. Todtenhaupt.
p. Publifum ift die Anſicht verbreitet, als fländen die
Männer, die wir in der Literatur und in der bildenden
KRunft „sie Alten‘ nennen, alfo folde, die in ihrem
Schaffen mehr oder weniger den Traditionen einer ver-
gangenen Epoche folgen, allem Neuen von vornherein gleich-
giltig oder ablebnend gegenüber. Unter „modern“ verſtehen
Diele nichts
Anderes als
brutal, fham-
los, unfünftle-
rife und haben
feine Ahnung
von dem
frifhen, bele-
benden Zug,
der überall
urh as deut-
fhe Runftleben
der Gegenwart
geht.
* *
*
„ibr Rön-
nen ift Sa zu
Ende, wo die
ehte Runft an-
fängt.“
Ein „Jun—
ger“ und zwar
einer, derelwas
fonnte, bat das
von den Na-
turaliften ge
fagt Stauffer
Bern.
Stid Natur abmalen fann; es ift das eine conditio sine
qua non — aber da fängt die Runft erft an; dann kommt
das Studium, wo man mit dent, was man gelernt bat, 'was
anfangen foll, das ift die zweite und größere Aufgabe des
Rünſtlers.“
Stauffer führt nun weiter aus, wie ein Stück Natur, mit
Pietät und
Empfindung
wiedergegeben,
zwarauch ſchon
anerkennungs⸗
werth ſei, aber
„einem ftärke-
ren Naturell ift
die Natur re-
fpeftive das
Hufallige der
Erſcheinung
nur das zu ver⸗
arbeitende Ma⸗
terial 2,
Weiter beiftes:
„Ein Runft-
werk ift unter
allen Umftän-
den eineSade,
die Dergnügen
maden, Benuß
bereiten, in ir-
gend einer
Weife den Be-
fhauer überdie
Mifere des All-
Staufferwar
eine Surd und
Surd) moderne
Rünftlernatur und doch find feine Anfhauungen über Sas Wefen
der Kunft, was den Kernpunft betrifft, diefelben wie die, welche
man vor mehr als hundert Jahren für die richtigen bielt.
Wenn aud auf Umwegen, feint jeder Rünftler von Gottes
Gnaden zu dem Punfte zurüdtommen, von dem fon die Alten
ausgingen :
„Die Natur ift das zu benugende Material.“
* *
*
Das erfte Mal, als Stauffer in Paris weilt, ift er entzüdt,
begeiftert von den Werken der modernen Parifer Waler.
Das zweite Mal giebt er zwar noh 3u, dap im All
gemeinen die Mache der Bilder beffer fel, die Maler gejchidter
als in Deutfhland.
gm Ganzen jeðodh ift er ernüchtert.
„geht komme ich wieder hin“, fihreibt er, „nad vier Jahren,
und babe mir bas aud zu eigen gemadt, was id bei den
Frangofen fo hod fchakte; nun ift eine gefunde Naturanfhauung
oder beffer gefagt Tednif niht mehr eine Sache, Sie ih an
einem Riinftler auf Sas Hodfte fake, fondern ic) halte es
einfad) für felbftverftandlid, dap Jemand, der das Prädikat
eines guten Malers für fih in Anfpruh nimmt, das Handwerk
los bat, daß er mit anderen Worten auf eine gefunde Weife ein
Mar Liebermann.
tigliden bine
weg und in
Stimmung
verfegen foll.
Was ih da fage, it nun allerdings weder etwas Geift-
reiches, no etwas Neues, und troßdem ift es möthig, dies
wieder zu betonen, denn die heutigen fogenannten Realiften oder
Yaturaliften und bald auh alle aneren Leute feinen das vere
geffen zu haben. Wozu malt man eigentlih? Am den Leuten
zu zeigen: ,,Sebt, was bin ih für ein Rerl!“? Das fann ja
nebenbei auh fein, obgleih man das aud obne befondere
Mätchen merft. . Sie (die Ausfteller im Salon) grübeln
und fpintifiren nur darauf, wie fie in die Augen fallen Fönnten,
fei es durh ein geiftreihes Motiv oder Surd das Gegentheil,
möglichfte Plattheit; die Einen pofiren auf gefhidte Bebandlung,
die anderen auf das Begentheil. Das find die Bedcutenden, der
andere Troß find lediglich Nahahmer,, die im Gefolge irgend
eines folhen Heren fih befinden und auf die Richtigkeit ihres
Prinzips fhwören. Prinzip ift nicht das richtige Wort:
Abfonderlichkeit.‘
* *
*
Mit dieſen Sätzen vergleiche man Stellen aus Leſſing's
„Laokoon“, wie die folgenden:
„Er (der griechiſche Künſtler) war zu groß, um von ſeinen
Betrachtern zu verlangen, daß ſie ſich mit dem bloßen kalten
Vergnügen, welches aus der getroffenen Aehnlichkeit, aus der
Landſchaftsſtudie.
48 Deutfde Runh
Mar Liebermann. Wäfchehängen,
Erwägung feiner Befhidlichkeit entfpringt, begnügen follten; an
feiner Runft war ihm nichts lieber, dünfkte ihm nichts edler, als
der Endzwed der Runft, „Wer wird dich malen wollen, da did
Niemand feben will, fagt ein alter Epigrammatift über einen
bödjft ungeftalteten Menfhen. Mander neuerer Rünftler würde
fagen: „Sei jo ungeftalten wie mdglic; ich will did) doch malen.
Mag did) auc Niemand gern fehen, fo foll man dod) mein
Gemälde gern fehen; nicht infofern es dic) vorftellt, fondern
infofern es ein Beweis meiner Runft ift, Sie ein foldhes Scheufal
fo ähnlih nadzubilden weiß! —
So jchrieb damals Lefiing. An anderer Stelle heißt es:
„Der Endzwed der Wifjfenfhaften ift Wahrheit. Wahrheit
it der Seele nothwendig; und es wird Tyrannei, ihr in Be-
friedigung diefes wefentliden Bedürfniffes den geringften Zwang
anzuthun. Der Endzwed der Künfte ift hingegen Ver-
gnügen, und das Vergnügen ift entbehrlich."
Olt es nicht Sasfelbe, was Ser moderne
Riinftler fagt — nur in ein flein wenig an-
deren Worten?
* *
*
Geſchicklichkeit in der Handhabung der
Tednif fann niemals Genie und Urfpriinglid-
feit erfegen; befonders aber eine nicht felbft
gefundene Technik, eine den Anderen abge-
fehene Befhidlichkeit vermag nur furze Jeit
über innere Hoblbeit und Leere binwegzu-
täufchen!
on jeder Runft hat von jeher die Nad-
ahmung die [härfjte Derurtheilung der wirklich
Großen erfahren.
„Nahahmung ift ein Bild, fümmerlich
zurüdgeworfen von trüber Flähe; Dar-
ftellung aber leibt und lebt zurüd vom blanfen
Spiegel. — Nadhahmer, Du bift, wie überall,
fo auc bier, der obnmadtige, marflofe Anedt:
Du aber, Darfteller, bift der gemaltige
Herrfcher, deffen Stab über. die ganze Natur
reiht. Wer des Darftellers Darftellung wieder
Sarftellt, das ift, wer das Urbild nidt in
der finnlihen Wirklichfeit, fondern in der
Rleinfrämer, der die Waare aus der dritten
oder vierten Hand verkauft.‘
ylladabmer fremder Manieren kommen
mir immer nicht anders vor als Rofaden
oder Bettler. Sie fteden fic) in geraubte
oder erbettelte Rleider, wovon ihnen felten
ein Stüd völlig gerecht fein wird.“
„Die größten, unfterblichften Dichter aller
Nationen find populäre Dichter gewefen. Dur)
die ganze Befhichte der Dichterei findet fih, dak
gerade bei denen Nationen, welhe die Poefie
nidt aus fremden Landen eingeführt haben,
fondern wo fie aus ihrer eigenen Natur aufge-
fprofjen ift, die größte Liebe und Allgemeinheit
derfelben geberrjcht bat. Das giebt die echte,
wahre Popularität, die mit dem Vorftellungs-
und Empfindungs - Dermögen des Voltes im
Ganzen am meiften harmonirt.'*
G. A. Bürger (Vermifchte Schriften).
Diele Jahre lang ift das Volk der Dichter
und Denker aud das Volt der Nadhahmer
gewefen. ... dle Franzofen, die Japaner,
die Engländer — alle wurden nadgeabmt —,
bricht jegt die Zeit herein, da wir eigene Weg
wandeln werden?
Kunftinduftrie und Kunfthandwert.
Bon Bruno Schippang.
n der Beurtheilung fünftlerifher Dinge berrfht nod) immer
eine endlofe Verwirrung in Bezug auf Mare Unterfheidung
tehnifcher und volfswirthfdhaftlidber Angelegenheiten von
wifjfenfhaftlih äfthetifhen Gefihtspunfkten. Es müßte erft eine
Geſchichte der wiffenfihaftlihen Aefthetif gefchrieben werden, etwa
von jenen WAeuferungen abwärts, die fi in den Befenntniffen
Auguftins, des Bifhafs von Hippo Regius, finden bis hinunter
zu unferen Tagen, wo vielleiht Juftus Brindmann, der ftudierte
Nationalöfonom, als der erjte nad Julius Lefüng gelten fann,
Ser befähigt ift, fünftlerifhe Fragen von volfswirthfdaftlicdem
Standpunkte aus zu beurtheilen. Man müßte beim Schreiben
einer folhen Befhichte alle jene Befihtspunfte ins Auge faffen,
Darftellung des Anderen auffudt, ift und
bleibt ein ausgemadter Aneht. €r ift ein
Niar Liebermann.
Konjervenmacherinnen,
melde je und je bei der Bildung pbhilofophifher Abftraftionen
ins Gewidt fielen und nadhmweifen, weldhes Derderben über das
europaifte Runftleben bereingebrocen ift, feit Sie Gemiither der
„Bebildeten‘ von der GFllufion beherrfht wurden, daß nur die
Grieden ein Volf von Riinfilern waren, und daß nur bei ihnen
Dorbilder für eine gedeihlihe Entwidelung der Runft zu fuchen
find. Don Erasmus bis Boethe wäre diefer Gedanfengang für
die deutfhe Entwidelung insbefondere darzuftellen und man
müßte den ganzen himmelftürmenden Hyperidealismus zu erfaffen
fucben, der für die hohe Aunft in der Corneliusfdule, für das
Runfthandwerk in der gänzlihen Derfandung endet. Neben einer fol-
hen Befhichte der äfthetifchen Ab-
ftraftion wiirse man eine Ge-
ſchichte des Kunſthandwerks brauchen
die etwa an Schmarſow's Barok
und Rokoko anlehnte an der Stelle,
wo er die Unterſcheidungs⸗Merk⸗
male zwiſchen Michelangelo's und
Bernini's Einfluß giebt und des
Letzteren Stellung zur franzöſiſchen
Runft erörtert. Es wäre ſodann
alles das zu ftudieren, was man den
unverwiiftliden Alafjizismus im
Yationaldarakter der Franzofen
nennt und man müßte zeigen, wie
im 17. und 18. Jahrhundert die
Derleugnung nationaler Selbft-
ftändigkeit, die fhon urd die
bumaniftifhe Renaiffance ihre
Grundlage erhielt, mehr und mehr
die geiftigen Bedingungen fhuf,
unter denen die Lebenskraft des
Handwerks erlöfhen mußte. Weiter
würde man eine Gefdidte des
Werkzeuges in jedem Zweige ge-
brauden, wie fie in Bucer’s
TCednifthen Rünften angebabnt ift
und eine überfihtlihe Darftellung
alles Beweismaterials dafür, daß
fünftlerifher Rüdgang und ted-
nifher fortfdritt fih bisweilen
gegenfeitig bedingen, daß immer
erft einige Zeit vergeht, bevor das
neue technifhe Hilfsmittel auch zu
einem geiftigen Ausdrudsmittel
geworden ift. Es läßt fih 3. B. an
der Geſchichte der Spike und ihrer
Darftellung auf Gemälden, im
Rupferftid) und Holsfdnitt unge-
mein viel intereffantes Belegmate-
rial für diefe Beobadtung ent-
deden. Die Gefthidte der Spite
Mar Liebermann,
it in vieler Hinfiht cdharafte-
riftifh für Sie Gefchicdte der
legten vier Jahrhunderte des Runfthandwerfs; früher und
unmerflicer vielleidt als felbft in der übrigen Tertilfunft ift
bei der Spike Ser Uebergang vom Kunfthandwerf zur Kunjt-
induftrie gemadt worden, denn die Erfindung des gemebten
Neggrundes ift älter als 3. B. die des Jaquardmebftubles. Gn
der Gefchicdte der Glasinduftrie wurde der Uebergang vom
Handwerfliden zum Gnduftriellen von den Glasformern und
-Bläfern früher gemadt, als von den Glaspreffern und Glas-
malern; der tehnifche Fortfhritt von einem niederrheinifchen
Glafe aus römifher Zeit bis zu einem Röpping’fhen Glafe
von heute ift viel geringer, als derjenige von einem Spiegel in
Sansfouci bis zu den Niefenglasplatten, welde vor einigen
Tagen in den Wertheim’fhen Neubau in Berlin eingefet wurden.
Deffenungeadhtet würden 3. B. die Fenfter des Berliner Mef-
palaftes (Heinersdorff fhe Glasmalerei, Berlin, Friedrichitr. 207)
niht zu Stande gefommen fein, ohne Beihilfe des tehnifchen
Deutfde Runft.
49
Fortfhrittes Ser Glasprefferei; die Blasmalerei wieder tann
ohne die Beihilfe des modernen Chemifers nicht gedeihen und
fo gebt es fort in’s Unendlide — immer greifen geiftige, wiffen-
fhaftlihe und medhanifche Momente ineinander, find fo eng mit-
einander verwadhfen, daß uns allmählid die Erkenntniß zu
reifen beginnt, wie wenig beredtigt Aefthetit und äfthetifche
Urtbeile find, die lediglid auf pbilofophifhe Abftraftion und
fomit auf fpntbetifher Willfür beruhen. - Ein praftifh braud-
bares Urtheil über fünftlerifhe Dinge fann immer nur auf
analytifhem Wege gewonnen werden.
Ein Ausflug fynthetifcher Spefulationsfudt ift das in fünft-
lerifthen Rreifen nod) vielfad) vere
breitete Dorurtheil gegen die Runfte
induftrie, welches in der befannten
Thatfade feinen harafkteriftifhen
Ausdrud findet, daß der rabiate
Handwerfstheoretifer Rustin fidh
weigerte, Herfomer’s neues Heim zu
betreten, weil ih daran Benußung
von Mafchinenarbeit geltend madte.
Herfomer aber war frampton’s
Lehrer; Frampton fteht jekt an
der Spike Ser neuen Runft-
gewerbefhulen, welche die Lon-
doner Rorporationen gegründet
haben. Dort ift es Bedingung,
daß jeder Schüler jeden Gegen-
fian ganz und gar felbft anfer-
tigt; er lernt aber alle neueren
und neueften Hilfsmittel der Tehnif
fennen und tritt fpäter als begeifte-
rungsfäbiger Menfh mit gründ-
liden praftifhen Renntniffen in
eine funftgewerbliche Laufbahn ein.
Begeifterungsfähigfeit und ein
fünftlerifhes Gewiffen aber find
die Wurzeln alles deffen gewefen,
was wir als Runfthandwerf der
alten Zeit bewundern und lieben;
nidt die mehanifhe Handarbeit
madte Sas Runfigewerbe groß,
fondern der "Bedanfe und das
Gewiffen der fhaffenden Meifter.
Darum fann aud in unferer Zeit,
wo das Handwerk im Zeichen der
Inöuftrie fteht, fein Runfthandwerf
gedeihen, das nicht an die Lebens-
bedingungen der Jnöuftrie anfnüpft.
Wem ift denn mit dem ,,Runjt-
handwerk der Künftler“, wie es
uns in Münden und Dresden
veranfhaulidt wurde, gedient?
Einigen wenigen reihen Leuten
mit nervös überreistem Befhmad.
Das deutfhe Volk, wie es fih im gebildeten Mittelftande ðar-
ftellt, gebt leer aus, denn felbft die Scheerebeder Webereien nad)
Edermann’s prächtigen Entwürfen find für das deutfhe Bürger-
haus nod) reichlid) theuer. Und das felimmfte an diefer Art
der Befdiigung des Runfthandwerfs feitens der hohen Runft ift,
daß beutegierige gewiffenlofe Guduftrielle diefen verfeblten Be-
miibungen auf den ferfen folgen und ihren Plunder mit hod-
flingenden Namen den Minderunterrichteten fiir echt künſtleriſche
Leiftungen anpreifen. Eine biefige Teppihausftellung zeigte
fhon manderlei Wuft diefer Art. Darüber müffen denn die
wahrhaft gebildeten funftfinnigen Gnduftriellen, wie 3. B. der
firebfame und echt fünftlerifh veranlagte Direktor der Vereinigten
Smyrnateppidfabrifen von Schmiedeberg, Cottbus und Hannoverjch-
Linden Schaden leiden. „Wir müffen das minderwerthige Zeug
liefern um zu exiftiren, und find froh, wenn wir ein wenig
Rraft frei behalten, um aud fünftlerifh fortzuftreben‘‘, lautete
Dr, Peterfen,
50 Deutſche Runf.
Mar Liebermann.
Stizze.
feine Rlage; ähnlich äußerte ſich gelegentlich ein Crefelder Seiden—
ſabrikant. Unſere deutſchen Künſtler aber geben ſich nicht die Mühe,
ſich mit der Technik billiger Teppiche vertraut zu machen, um
aud dafür kunſtgerechte Entwürfe zu liefern. Unfere Runjt-
kritik der Tageszeitungen wartet hübſch ab, bis unſere deutſchen
Teppiche in England und Amerika Mode geworden ſind; dann
werden ſie uns als moderne engliſche Erzeugniſſe angeprieſen,
ebenſo wie engliſches Porzellan, von deſſen „neuem“ Stil die
Eingeweihten wiſſen, daß er auf die Einflüſſe zurückgeht, die
Rösl's preisgekrönte Arbeiten in South Kenſington zu Anfang
der 80er Jahre auf das engliſche Kunſtgewerbe ausübten.
Warum beſchäftigen ſich unſere Künſtler ſo wenig mit der
Runſtinduſtrie? Warum ſtudieren ſie nicht die Cigenthimlidfeiten
der Maſchinen und machen ſie ſich als künſtleriſches Ausdrucks—
mittel dienſtbar? Das wäre doch der direkteſte Weg, Einfluß
auf die Maſſen zu gewinnen, eine Kunſt für das Volk zu
ſchaffen. Was kann es denn der Ehre des Künſtlers ſchaden,
wenn er an die Bedürfniſſe des täglichen Lebens anknüpft,
wenn er dem Söddeutſchen einen künſtleriſchen thönernen Maß—
krug mit modernen Ideen, dem Norddeutſchen eine durchdachte
Bierglasform bietet, an welcher alle Vorzüge der neueften Hilfe-
mittel zur Geltung kommen? Warum befaßt man ſich nicht mit
dem Studium 3. B. der Sophaformen, wie fie unter den ver-
fhiedenften lofalen Einflüffen fic) geftalteten, fo daß bier die
„altdeutfche*, Sort die Divanform überwiegt? Warum fcdentt
man dem Einfluß des Fenfterformats, wie es fih in
verfchiedenen Gegenden ungleih ausbildete, feine Auf-
merffambeit? Der Charakter der ganzen Dekoration wird
dadurd beeinflußt und es eröffnet fih den Rünftlern der
Ausblid in ein unermeflicdes Thatigfeitsfeld, wenn man
3. B. nur daran denkt, wie der Rhythmus des ‚fenfter-
formats mit demjenigen des Tapetenmufters barmoniren
müßte. Nösl’s Tapeten find 3. B. deshalb befjer für
Deutjchland geeignet, weil fie im Allgemeinen den Rhythmus
des deutfihen ‚Fenfterformats einhalten; wir brauchen aber
Tapeten für jedes format; wir braudhen Mufter für Damaft-
gewebe zu Fleinen und großen Tifhtüdhern, zu Bettdecen,
für Damen- oder für Kerrenzimmer, zu bedrudtem Steingut
für die Rüde und zu bemaltem Porzellan für den Salon;
fur3, es ift fein Ende von Beihäftigung für gewiffenbafte
Künftler zu finden, wenn wir nur einmal aufhören
wollen, an die große Lüge der Humaniften zu glauben,
daß es eine Schande fein fann, einem fclidten Bebraude-
gegenftande das Siegel feines fiegreihen fiinftlerifchen
Gewiffens aufzudrüden, ihm den Stempel des Bewußtfeins
zu geben, daß der Rünftler berufen ift, ficb Ste Erde und
ihre Kräfte, alfo aud) die Mafdine unterthan 3u maden,
fic) die Materie mit allen Hilfsmitteln der Technik zu
unterwerfen.
Dom Hildesheimer Silberfhag.
a wurde auf dem Galgenberge bei Hildesheim, wo
am 17. Oftober 1868 der berühmte Silberfhat gefunden
wurde, eine Ausgrabung unternommen, um Aufklärung
über den Fundort zu gewinnen. Das Ergebnif diefer
Arbeit vernichtete die Hiibfthe Hypothefe, daß man es mit dem
Tafelgefhirr des in der Tentoburgerfihlacht gefallenen Quintilins
Darus 3u thun babe, und unfere ftrebfamen Runftbiftorifer find um
ein reizvolles Thema zur Doktorarbeit ärmer. Aud der Bedanke an
ein Stammesheiligthum der Cherufer, dem Arminius den Shak
übergeben hätte, muß nun aufgegeben werden. form und An-
lage deuten vielmehr auf eine Befeftigung, eine Annabme, die
durch den Fund von Diegelfteinen, Schieferplatten und verfobltem
Holze zur Gewifbeit wurde. Warum man grade an diefer
Stelle den Schatz vergraben hat, wird fih faum nod feftitellen
lafen. Jn Ser Eile einer Belagerung ift es jedenfalls nicht
gefhehen, das lebrt die Art der Bergung: er war nämlid auf
das Sorgfältigfle verpadt; alle fleineren Stiide, die Teller,
Beder, Mapfe, waren in die drei großen Befäße hineingelegt,
daneben lehnte die große Bratenfchüffel und das Bejtell eines
Rlapptifhes. Yun vermuthete man, daß diefes Silbergefhirr ein
Gefchen? der Römer an einen befreundeten Stamm darftelle;
berichtet Soc) Tacitus von folden Gaben. Aber aud) diefe
Annahme ift hinfällig, wie fih aus der Renovirung der ein-
zelnen zerbrohenen Stüde ergiebt. Diefe Wiederberftellungs:
arbeiten haben eine überrafchende VBereiherung des Beftandes,
für einzelne Theile wefentlihe Vervollftändigungen gebradt.
Henkel wurden angelöthet, Lüden Surh moderne Silberplatten
ergänzt und aus Scherben neue Stüde gewonnen. So wurde
das Riichengefchirr Surh eine, wie man aus den Brandfpuren -
der unteren Seite vermuthet, Bratenfchüffel vermehrt, das Prunf-
gejhirr wurde bereichert duch zwei Becher, verziert mit einem
fhmalen vergoldeten Blätterfranze, ferner durch einen Dreifuß,
deffen Beine aus DVogelhermen mit Thierfüßen und bärtigen
Köpfen beftehen; eine punktirte Jnfchrift giebt außer dem Namen
M. Scato an, daß zwei Dreifüße, denen jetzt einer fehlt, zu dem
Shake gehörten und dağ beide 852 gr wogen. Zwei fleine
Befäßfüße tragen den Namen des L. Manlius Boccus, eine
Eierfchale Sen Ses Marfus, ein Rafferolgriff wieder einen an-
deren Namen; bieraus gebt mit Sicherheit hervor, dağ — ob
man nun in en Namen den Befitzer oder den Verfertiger vers
muthet — diefe Stüde niht urfprünglid einem Befiger gehörten,
fondern von verfihiedenen erbeutet wurden. Ebendafiir fpridt aud
die Derfchiedenbeit der Stiide mach Alter, Stil und Benußung.
QB
Studie,
Mar Liebermann.
wu, .
I. Eberlein.
Wenn man die Bedeutung
des fhönen Naten in der
modernen Skulptur begreifen
will, wird man zunädhft davon
ausgehen müfjen, daß der Bild-
ner von beute in der peinliden
Lage ift, einen möglichft cinleuch-
tenden Vorwand für das Nadte
fuhen zu müffen. Da batten es
die Alten beffer. Ihnen ſtand
die ganze Bötter- und Bötter-
balbwelt und vor allem das
Bymnafion zur Derfügung. Die
Gleihfhätung Förperliher und
geiftiger Ausbildung ermöglichte
ihnen für das Spiel der Rörper-
musfeln ebenfo zu interefjiren,
wie für das der Gefidtsmusteln,
Das Chriftenthum hatte hier
zunädhft einen radifalen Wandel
gefhaffen. Die Madhtfülle des
Dreieinigen Gottes widerftrebte
der Förperlichen Darftellung, fo-
bald man nicht zu monftruöfen
Bilbungen nah Sem Mufter
der Afiaten greifen wollte, und
der menfhlihe Leib wurde zur
läftigen Hülle, die man jenfeits-
bedürftig nicht früh genug ab-
ftreifen fonnte, Erft auf dem
Umwege über das traditionelle
Seigenblatt des erften Menfchen-
paares gelangte Ser Künftler
wieder zur Bildung des fhönen
Nackten.
Der Renaiſſance glückte es,
das unverhüllte Fleifh in fein
lange verfümmertes Recht einzu-
feßen. Der Olymp wurde wifjen-
fchaftlid beglaubigt und zu einer
Art ideellen Dafeins ermächtigt,
die Landfchaft bevölkerte fih mit
literarifch beurfundeten Faunen
und Dryaden, und die wieder
erwachte freude an der ganzen feienden Welt führte zurüd zur
Wertbihätung des Leibes, dem man fo viele reelle Benüfje
verdanfte. Gn die Darftellung des Nadten gelangte unbeabfid-
tigt ein Zug des Sinnlihen. Das Betradten verquidte fidh
mit dem Begehren, an die Stelle der Kraftfreude eines Michel
Angelo trat die Benußfreude der fpäteren Jtaliener und der
femininen Franzofen.
Nirgendwo fonft zeigt fih fo augenfällig der epigone
Charakter unferer Runft als in der Bildung des Nadten. Die
Bildhauer, die den Muth haben, das Macte fdledhtweg als einen
wefentlihen Theil des darftellbaren Schönen um feiner felbft
wegen nahzufheffen, laffen fih an den Fingern berzäblen. Der
bedeutendften einer ift Hildebrand - Rom, bei dem man das
Gefhledtlidhe vergit um der Bliederpradt willen. Fhm ift der
menfdlide Rörper ein fhönes Bewähs, das zur Betrahtung
und Nachbildung berausfordert, wie ein anderes Yaturproduft.
Die Mehrzahl der Bildhauer fuht unter dem Einfluß der
Konvention einen Vorwand für Sie Unverbiilltheit Förperlicher
Reize und verfällt fo in das Abfihtlihe und in weiterer folge
in das bewußt Lüfterne.
Hu diefen zählt Buftav Eberlein trog eines Sticdes in
das boudoirhaft Leichtgefallige nidt. Er ift eine Art bilönerifchen
ydtauenlobs und feinen anmuthigen unverhüllten Weiblein be»
Eberlein, Sahende Nymphe,
Deutfhe Runft. 51
Das Yate in der modernen Bildhauerfunft.
gegnet man auf Sodeln und Ronfolen in jedem einigermaßen
degagirten Salon. Auh er braudt einen Vorwand, um feine
zierlihen Yuditäten unter verfchiedenen Etiquetten einzufhmuggeln,
aber er Fönnte allenfalls aud ohne ibn ausfommen, denn ihm
dient Ser unverbiillte Körper als Ausdrudsmittel für feelifche
Regungen und Empfindungen. Er bat vor Allem in feinen
vielen Pfyche-Darftellungen einen- Typus gefunden, den man als
den der weibliden ,,Derfchamtheit bezeihnen möchte. Die
Glieder fhmiegen fidh reizvoll zufammen, als möchte das eine
dem andern als unzulänglide Hülle dienen. Bleibt ĝas Nagte
hier noc Selbftzwed, fo dient es in anderen weiblichen Beftalten
wirflid als Empfindungsträger. Guftav Eberlein’s Lachende
Nymphe“ ift das Weib im woblgefalligen Stolze ihrer Schönheit.
Wenn fie das üppige Haar vom Rügen bis nad der Bruft
emporziebt, fo weiß fie wohl, daß diefe Bewegung nicht zur
Dedung genügt, und ihr Blid gleitet gleichzeitig triumpbhirend
an der fihönen Wellenlinie ihrer rechten Hüfte hinab. Sie
prüft fampffroh und fieghaft lächelnd den unmwiderftehlichen
Weaffenfhmud ihrer Leibesfchönbeit.
Das Begenftüd diefer Statuette, die „Weinende‘ Ylympbe,
fteht unter dem Eindrud der Niederlage ihrer Schönheit. Achtlos
halt die hängende Linte das binabgeglittene Gewand, wäh-
rend die Rechte die Thränen
trodnet. Die fdlanten Blieder -
find dem Auge des Befhaners —
preisgegeben, gleichgiltig, wie
ein werthlos gewordener Beſitz.
Das Nadte verräth in beiden
Geftalten die feelifche Bewe-
gung. In der einen zeugt das
ftraffe Spiel der formen von
freudiger Erregung, in der ande-
ren find Musfeln und Gelenfe 3u
müder Entfagung erjhlafft.
Mit diefer lebendigen
Sprache des Yadten bei Eber-
lein wären wir dann wieder
auf einem Umwege zu den
Grundfäßen der Alten zurüd-
gekehrt. Der Körper wird
allerdings nicht mehr um feiner
Schönheit an fih willen nad-
gebildet, aber aud nicht des
bloßen Sinnenteizes wegen,
er belebt fih wie die Züge
des Antliges aus dem Innern
beraus und redet feine eigene
Sprache. Diefes Reden aber
it die Hauptfahe bei der
Bildung des Nadten, wenn
man fie nun doc einmal nad)
dem Dorgange der Alten als
etwas Selbftverftändliches nicht
hinnehmen fann und mag.
Der fpröde Marmor und die
nod fprödere Bronze wider-
ftehen der präzifen Darftellung
des Gemiithslebens. Der Bild-
net wiirde in feinen Wusdruds-
mitteln dem Maler nachfteben,
wenn er vor der Bewandbülle
Halt madhen müßte, deren
Faltenwurf wohl aud) feine be-
fondere Sprade fpricht, aber
fih odh im Grunde genommen
auf die Andeutung der Be-
wegung befdrantt.
Georg Malfowsfy.
Eberlein, Weinende Nymphe.
52
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| “samen.
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Mar Liebermann, CZ Menu Karte.
Die Wiesbadener Mufeums:Srage.
Seit langer Zeit ftreiten fic) die Väter der Thermenftadt Wiesbaden um
die Frage der Erridtung eines neuen Landesmufeums. Das alte, fhwer-
und baufällige Gebäude in der Wilhelmftraße, das zur Zeit die Landes»
bibliothef und eine fehr reichhaltige Bemälde- und Stulpturenfammlung ent-
hält, foll fhon lange einem Nenbau Platz maden. Fehlte es nun aber einer-
feits an Geld, fo war andererfeits zwifhen den betheiligten Znftanzen und
Behörden nie ein Einvernehmen zu erzielen. Die Stadt glaubte durd die
Bewilligung eines fehr theuren Bauplages genug gethan 3u haben, die
Regierung wollte über die Summe, welde fie bisher der Runftfammlung
alljährlih geopfert bat, nicht hinausgehen, und der Rommunalverband des
Bezirfs verlangte von der Stadt eine Beihilfe zu den jährlich etwa 60 000
Mark betragenden Mebrfoften. Eine Einigung war nicht zu erzielen, Herr
von Hülfen, der Intendant des Wiesbadener Hoftheaters, hatte in einer
Privatunterredung fein Gntereffe an dem Wufeumsban fo lebhaft betont, daf
man fid fo lange für berechtigt bielt, an deffen direfte Verwendung beim
Raifer 3u glauben, bis der ftets forrefte Here Gntendant erflarte, daß er fi
niemals einen Eingriff in die refjortmäßigen Redte eines Anderen erlauben
würde. Als man dann Herrn von Miquel bei feiner jüngften Anwefenheit
in Wiesbaden privatim bezüglid feiner Stellung zu der Angelegenheit inter-
pellitte, gab diefer die denfwürdige Antwort:
Wenn die Wiesbadener Runftfammlungen nicht mebr zu
halten find, fo müffen fie eben aufgelöft werden.
Uns will bedünfen, als hätte der Herr finanzminifter mit diefem Aus-
fprud fid eben jenen Uebergriff in die refiortmäßigen Rechte eines Anderen
geftattet, den Herr von Hiilfen fo forreft ablehnte. Ob Runftfammlungen
ethaltensmerth find, darüber ftebt ibm faum ein Urtheil zu. Selbft bei
Bewilligung der Roften dürfte feine Entfheidung ert ins Bewidht fallen,
wenn man über die für folhe Awede bereitftehenden Mittel abfolut nicht
binausgeben will. Runftfragen find allerdings leider oft Finanzfragen,
werden aber zum Blüd nicht immer im Sinne des finanzminiflers entjchieden.
Dentfhe Runft.
Vermifchfes. Kuriofa aus Alfelier und lerk-
Malf. Gedanken iiher hiltente Kuni.
Buriofa ans Atelier und Merkftatt.
— Englifhe Sammelwuth. Jn Herrenhiemfee hatte ein englifder
Arzt ih nit enihulten fsnnen, eine Dorbangquafte abjufcnetden und mit-
geben zu beißen. Er wurde vom Amtsgeriht Prien zu vierzehn Tagen Be-
fängniß verurtheilt und gegen eine Raution von 10 000 Mark vorläufig ent-
laffen Der englifhe Konful in Münden erklärte nad vorhergegangener
Dereidigung, daß der Angeflagte in feiner Heimath eines ungetrübten Leu-
mundes fid erfrene, nod nie beftraft wurde und als gutfituirt gelte. Die
Quafte felbft wurde in Prien auf 3 Mark, in Trauenftein auf 12 Mark
gefhäßt. Der Angellagte gab an, daß er nur eine franfe babe abfchneiden
wollen als Andenken an Herrenciemfee, daß er aber gegen fein Wollen die
Quafte abfohnitt, indem er die Manipulation von rüdwärts ausfühıte. Gn
der That find auh einzelne Franfen fo did, wie die abgefhnittene Schnur
der Guafte. Die Dertheidigung platdirte auf geringe Sahbefhädigung obne
Abfiht des Diebftahls, indem diefe Art Sammler audh an der Mufchelgrotie
in Münden, an den Mofaifen der Marfustirdhe in Venedig anzutreffen feien,
ohne daß man fie gerade für Diebe anfhaue. Das Schöffengeriht erkannte
aber auf Diebftabl. Entjcheidend dürfte die Bethätigung des Sammeleifers
durh Abfhneiden von rüdwärts gemefen fein.
— Eine Kritifer-Ronkurrenz. Man darf der Entfheidung der Preis-
tihter in Denedig mit Spannung entgegenfehen, die über die befte Aritif der
Runftausftellung in der Lagunenftadt zu befinden haben. An dem Wett-
f&riftftellern betheiligten fid) 26 Kritifer, darunter nur drei Ausländer, und
zwar die Deutfhen: Dr. Bath, Römifiher Korrefpondent des „Berliner
Tageblatt", Doß, Aunftkeititer der „Runft für Alle in Münden, und Ottomar
Pilz von der „Magdeburgifhen Zeitung". Die Anderen find jämmttid
otaltener; aud -eine junge Dame ift auf dem Plane erfcienen. Einige
„KRonkurrenten" haben mehr als 30 Artikel eingereiht. Es handelt fih um
Preife in der Höhe von 1500, I000 und 500 Lire. Wenn folde Wettbewerbe
Nachfolge finden, wird? man fih in Kürze ein feftes Urtheil über ,,befte
Rritifen bilden fönnen. Hoffentlich find die Preistichter nit ausftellende Rünftler.
— Erfte Anregung zur PLünftlerifhen Konzeption. — Die
Interviews über die Entftehung eines Runftwerfes find in unferen Zeit-
f&hriften an der Tagesordnung, und die Rünftler willen denn aud manderlei
3u erzählen, wie und unter welden Umftänden die Mufe der Phantafle ihre
Stirn gefüßt. Bödlin hatte ein von einem Bafeler Mäcen in Auftrag ge
gebenes Stillleben vollendet. Mit Liebe und Sorgfalt hatte er allerhand
Stiichte um eine üppige Melone gruppirt. Das Bild fiel aber niht nah dem
Befhmade des Beftellers aus. Der Künftler nahm fein Gemälde zurüd und
madte fic) darüber, das Bild mit dem Mefjer abzufragen. Als Bödlin das
Meffer an die Melone feken wollte, bielt er inne. Plötzlich durdzudte ihn
eine Jee: er ergriff den Pinfel und aus der Melone entjtand nad und
nad der Körper einer im Wafler fhwimmenden Sirene. Es geht eben auh
im Runftfhaffen einfadher zu, als die Schulweisheit der Kritif fid träumen
läßt, und aus mander Wafferflade ift ein Wolfenzug entftanden durd) Per-
wehslung von Unten und Oben.
Gedanken über bildende Runft.
Der funfe, der Einen infpirirt, aus einer Stelle der Natur, an der
Taufend andere gleihgiltig vorüber gegangen find, ein Runftwerf zu fhaffen,
daz fogenannte Genie wird und muß ftets unergründlid bleiben. Neben Ser
Auffaffung befteht aber das Bild aus dem Handwerk, und diefe beiden
faltoren verbinden fidh und müffen fid zu einem Ganzen vereinigen, wenn
ein Runftwerf entftehen foll. Bei diefer innigen Amalgamirung dürfte es
— befonders bet der Malerei — fhwer fein, zu beftimmen, wo die Runft
aufhört und das Handwerk beginnt. Oft nad ftundenlangem vergeblihem Be-
müben, wenn man im Begriffe fteht, im Gefühl feines unzulängliden Talentes
die Arbeit aufzugeben: plöglih gelingts. Mar Liebermann.
+
Laffe Jeden mit feinen eigenen Augen feben, und würdige das, war es
wiederzugeben fi bemüht.
©, über die Leute, die fo leicht arbeiten, es foftet ihnen feine Mübe, ihre
Werke zu fehen — und wegzugeben. Flüchtige Arbeiten machen nur Eindrud,
wenn fie flott und dod) fauber gearbeitet find.
— —
Dentfhe Runft. 58
Der Derband Deutjcher Bluftratoren,
Der feit einem Jahre beftehende Verband Deutfher Jlluftratoren, der die
Gutereffen feiner Mitglieder fräftig zu vertreten bemüht ift, hat am diefe foeben
ein Rundfchreiben erlaffen, worin zur Befhidung einer im April nadften
Jahres in Berlin zu veranftaltenden Shwarz- und Weiß-Ausftellung auf-
gefordert wird. Diefe Deranftaltung, die erfte ihrer Art, dürfte Ah zu einem
fünftlerifhen Ereigniß geftalten, da fie ein umfaflendes Bild von dem Stande
deutjcher Jlluftrationskunft zu geben verfpricht, indem die beften und befannteften
Namen bereits dem Verbande
angehören und täglih neue
Anmeldungen einlaufen. Die
zuftändigen Behörden, Rul-
tusminifterium und Akademie
der Riinfte ftehen dem Unter-
nehmen durchaus woblwol-
lend gegenüber und haben
die Räume im WAlademiege-
bäude zur Derfügung geftellt.
Diefe Selbftftändigfeit der
Schwarze und Weiß - Aus-
ftellung dürfte den Erfolg
wefentlid fidern helfen; jeden-
falls war es ein guter Be-
danke, fie nidt als UAn-
bangfel der grofen Runftaus-
ftellung auftreten zu laffen,
da man nur fo der ndthi-
gen Aufmerkfamkeit gewiß
fein darf. s
Wir geben nadftebend
den Wortlaut des Rund-
fhreibens:
Berlin, tm Oftober 1897.
Hodgeebrter Herr
Rollege!
Jn unferem legten Rund-
fhreiben haben wir Ihnen
über die von uns geplante
Schwarz. und Weiß - Aus-
ftellung die erfte Mittheilung
gemadt. Die Dorarbeiten
find nun fo weit gedieben,
daß wir für einen foldhen
Swed ein wiirdiges Lofal,
nämlid die Ausftellungs-
räume der Rénigliden Afa-
demie der Rünfte, zugefagt
erhalten haben, und zweitens,
daß eine Anzahl hervor-
ragender Rünftler aus den ver-
fhiedenen Städten Deutjd-
lands fi bereit erklärt hat,
dem gefhäftsführenden Aus-
ſchuß ihre Hilfe zu leihen.
Paul Meyerheim. Bleiftiftzeihnung.
Ae
(Ey ER)
nl
D) w
Die Namen diefer Herren finden Sie am Schluß diefes Schreibens verzeihnet.
ferner find für die biftorifche Abtheilung die einleitenden Schritte gethan, und
ein funftwiffenfhaftlih gebildeter Kollege ift mit den Vorarbeiten betraut
worden.
Die großen Jahres-Ausftellungen hatten zwar immer Abtheilungen für
Handzeihnungen, Aquarelle 2c., in denen auh die Runft des Fllufirators
einige Berüdfihtigung fand, die volle Würdigung fonnte ibe aber dabei nidt
zu Theil werden. Yirturgemäß wurde fie dur die Fülle der Gemälde und
Skulpturen erdrüdt, und als Anhängfel an die großen Deranftaltungen vom
Publifum als etwas Neben-
fadlides und darum Minder-
werthiges angefeben. Dafann
nur Wandel gefhaffen werden,
wenn die Glluftrationstunft
fih in felbftändigen Aus
ftellungen größeren Stils
der Oeffentlidleit vorführt.
Nur fo kann gezeigt werden,
welhe Fülle von Talent
und Gntelligens der Glluftra-
tionsfunft dienftbar gemadt
wird. Jeder von Ihnen
weiß, daß dasfelbe Publifum,
weldes an Derleger und
Feiner immer höhere An-
forderungen ftellt, nod) durd-
aus nit gewöhnt ift, die
Runft des Glluftrators als
vollwerthig anzufehen, felbft
Runftfreunde und Sammler
beadten faum die Tages-
dlluftration. Was in Paris
und London längft Mode
geworden ift, die Arbeiten
der befannten Tages-Feidner
im Original oder "guten
Druden zu fammeln und be-
trächtlihe Preife dafür an-
zulegen, das fennt man in
Deutfhland nicht.
Einige Hauptpuntte des
Ausftellungs » Programmes,
weldhes Semnddft zur Ver-
fendung gelangt, würden fein:
J. Die Ausftellung währt
vom I. April bis J. Mai 1898.
2. Nur deutfhe Rünftler
werden zugelaffen.
5. Jedes Mitglied des
Derbandes foll das Redt
haben, eine Mindeftzahl von
Arbeiten auszuftellen, wenn-
glei eine gewiffenbafte Jury
von den eingehenden Werken
die Auswahl treffen wird.
54 Deutfdhe Runft.
4. Es follen Schritte getban werden, Sie eine Pramiirung hervorragender
Werfe und Anfaufe ermdgliden.
Werther Herr Rollege, wir bitten Sie nun zunädft, dağ Sie uns bald-
möglichft eine Mittheilung maden, ob Sie geneigt find, die Ausftellung zu
befhiden, damit wir einen Ueberblid über das Material erhalten. Wenn das
Unternehmen, welhes wir planen, die gewünfchte Bedeutung erhalten foll,
müffen wir des Beiftandes jedes einzelnen Derbandemitgliedes fiher fein, und
erwarten fdnnen, daß Feder fein Beftes thue. Gelingt diefer erfte Derfud,
fo ift die beredtigte Hoffnung vorhanden, daß die Schwarz- und Weifaus-
ftellungen des Derbandes deutjher Glluftratoren eine dauernde Jnftititution
werden.
Diefe Ausftellungen, abwedfeluds in den dSeutfdhen Aunftzentren ver-
anftaltet, fönnen dem ganzen Glluftratorenftande nicdt unbeträchliche ideelle
und materielle Dortheile bringen.
Hodadtungsvoll
3. 4:
9. Schlattmann, Scriftwart.
Alb. Baur, Prof. W. Claudius. E. Doepler, Prof. W. Hafemann, Prof.
S. Jüttner. Ff. Rallmorgen, Prof. Arthur Rampf, Prof.
Chr. Rröner, Prof. René Reinide. frig Reif. Ff. Starbina, Prof.
Ww. Simmler, Prof. H. Vogel- Plauen. A. Zid.
Hufhriften find an Herrin J. Sdhlattmann, Berlin W.,
Ylettelbed- Straße 24, zu ridten.
£L. Manzel, Vorfikender.
Auch etwas vom „Zeichnen“.
Wenn wir umftehend eine der früheften Arbeiten Paul Meyer-
beim's, einen in Bleiftift ausgeführten Studienkopf, reproduziren, fo gejihiebt
e3 nidt obne befondere Abfiht. Zn der Schätung der Tehnif hat fic feit
zwei Jahrzehnten ein Umfhwung vollzogen, der feine guten und feine
[hlehten Seiten bat. - Statt das Handwerk zu beberrfden, recnet es fih der
Rünftler ala bejonderen Vorzug an, wenn er ih von ibm beherrfhen läßt.
Er fiebt die Natur von vorneherein unter dem Befihtswinfel der einmal
gewählten Nahbildungsweife, er zeichnet fie in Umriffen mit dem Stift, er
ftreiht fie in farbenmaffen bin mit Wafferfarben und hält die Lofaltöne
fet mit dem Oelpinfel. Die fünftlerifhen Vortheile eines folhen Verfahrens
find augenfällig, aber es führt audh mißbräudlih zu einer gewillen Ober-
flählifeit. Man war in früheren Zeiten wohl ein wenig pedantifch, indem
man der Tehnif gewaltfam etwas abzuringen fudte, was fie ihrer Natur nad
nur jehwer bergab, aber man lernte fie Ah dienftbar machen für die Darftellung
des Naturganzen wie es jih eben bot. Das weiblihe Röpfhen Paul Meverheim’s
mag dem Ultramodernen gequält erfheinen und überängftlih, aber es bleibt für
den Unbefangenen ein glänzendes Heugniß ehrlicher Arbeit. Licht und Schatten
find überaus fein mit dem Stift berausgearbeitet und die Modellirung der
Wangen und des Halfes ift muftergiltig. Das Röpfhen ift niemals ver-
Sffentlidt worsen und verdient doch mehr Aufmerkfamfeit als mande Rolleftiv-
ansftellung von Studien und Skizzen moderner Meifter, die am beften
niemals über die Schwelle des Ateliers herausgefommen wären.
Berlin. — Die Mufeumsinfel wird nun endlid für die geplanten
Neubauten freigelegt, und bei diefer Gelegenheit ift denn auch wieder ein
dentwiirdiges, wenn aud nicht durch Fünftlerifhe Qualitäten ausgezeichnetes
Wobrzeihen von Alt-Berlin gefallen, das „Mehlhaus“. Leber dem mittleren
Eingangstbor Ias man die Infhrift: „Mehlverfauf en gros et en detail“
und oberhalb der ‚Fenfter des erften Stodwerks in großen fhwarzen Metall
budftaben daa Wort ,,Meblhaus". Das „Mehlbaus‘ war bis in die fiebsiger
Jahre hinein bei dem befferen Berliner Biirgerthum das beltebtefte und
aefuchtefte Feftlofal der Stadt, in weldem vor allem 3abllofe Hodszeiten
gefeiert worden find. Jm Rellergefhoß des Hanfes befand fih am der
Wafjerfeite außerdem eine der älteften und eigenartigften Schifferfneipen
Berlins, die ihrer verftedten Lage wegen nur den Cingeweibten befannt war.
Die niedrigen und doch anbeimelnden Räume waren mit dem Hausrath langft
vergangener Zeiten ausgeftattet, und an den Wänden hingen uralte Bilder,
auf denen in Bild und Wort das Lob der edlen Schifffahrt gefungen wurde.
Hoffentlich hat das „Mehlhaus" wirklihen Runftbauten weiden miiffen.
Mit dem bildnerifhen Schmude des Reihstagsgebäudes geht es
teht langfam vorwärts. Es jheint, als ob der Raifer feine Abneigung
gegen den Ban Wallot’s nur fewer überwindet. Schon vor langer Feit find
von fiinf eingeladenen Riinfilern die Entwürfe zu dem Standbilde eingegangen ;
man wollte die Entjheifung in die Hand des Kaifers legen, der jedod bisher
"burgifch » [hwedifche Heer unter dem Broßen Kurfürften
die Modelle nod nidt hat befichtigen wollen. Nun wird wabrfdeinlid
Gebeimrkth Wallot felbft den geeigneten Entwurf auswäblen, der jedod vor
der Ausführung, wie jede Darftellung eines Hobenzollernfürften, der faifer-
lihen Genehmigung unterliegt.
Dagegen hat fih Reinhold Begas fhon energifh an die Vorarbeiten
fiir fein Bismarddenfmal gemacht. Der Meifter bat fih als arditeftonifchen
Hintergrund ein Modell der NReihstagefront in Meinem Mafftabe Fommen
laffen. Das Denfmal foll nidt im unmittelbaren Anfhluß an die Rampe
aufgeftellt werden; ser von Begas angenommene Standpunkt liegt in der
Nähe des jebigen Springbrunnens. Der Künftler bat die Wbfidt, fat aus-
fclieBlid) Bronze zu verwenden und gedenft, aud fiir die Poftamente diefes
Material dem Comité zu empfehlen. Es würden dann nur die Stufen und
der Unterbau in Stein bergeftellt werden. Uebrigens wird die Bismard-
denfmal-Ronfurren3 infofern eine weitere Fünftlerifhe Folge haben, als die
beiden Monumentalgruppen Profejfor Siemering's vielleiht für Berlin in
anderer Form gerettet werden. Einzelne Mitglieder der Jury wollen anregen,
daß fie am Potsdamer Plak an Stelle der Thorhäufer zur Aufftellung
fommen. Die Gruppen ftellen die Borufjia dar, die dem ausziehenden Arieger
das Schwert giebt, und den fiegreih bheimfehrenden, der der Germania die
Raiferfrone reicht. i
Münden. — Eine eigenartige ftimmungsvolle feier: hat man im
intimeren Rreife an Meifter Bödlins Ehrentage veranftaltct. Als Ein-
ladende zeichneten unter Anderen: f. v. Defregger, L. Dill, F. Stud, Herm.
Levy, G. Hirth, Mar Halbe, R. Strauß, E. v. Wolzogen. Das feinfinnig
zufammengeftellte Programm bragte anh eine intereffante Yovitdt, eine
fleinere Dichtung für Klavier, ,,Gefilbe der Seligen* (Manufkript) von felix
Weingartner, die von R. Strauß und M. Schillings meifterhaft gefpielt, mit
ftürmifhen Beifall aufgenommen wurde. Dr. Hirth pielt die ‚Feftrede,
Mever-Bafel toaftete auf die fünftlerifhen Beziehungen zwifchen Münden und
der Schweiz. Die legte Strophe eines zu Ehren Bödlins gefungenen Cantus
wurde dem Meifter telegrapbifch übermittelt. Ueber dem Ganzen fhwebte
eine Rünftleriihe Stimmung, wie fie Miindener Feftveranftaltungen zu zieren
pflegt. a
Dresden. — Die internationale Ausftellung wurde mit einem
Sefteffen befdhloffen, die nod einmal alle betheiligten Faktoren zufanımen-
führte. Bei diefer Gelegenheit wurden dem Minifter des Ganern von
Metzſch, dem Oberbiirgermeifter Beutler, dem Oberhofmarfhall Grafen
Diktbum von Edftädt und dem Geheimen Regierungsrath Dr. Rofder
Erinnerungsmedaillen überreicht, die von Hartmann graviert, die Natur als
Mutter der Runt in Relief darftellen. Jedenfalls ift von Ser Regierung
wie von Stiftungen und nftituten alles Möglihe gefhehen, um den Erfolg
der Ansftellung zu fihern. So wurde von der Tiedgeftiftung nod kurz vor
Thoresfhluß das fhöne Brunnentelief Arthur Dolfmann'e aus bemaltem
Marmor angelauft und der Röniglihen Skulpturenfammlung im Albertinum
zum Gefhenf gemadt. Auh im Rahmen der unvermeidlihen Lotterie ift dafür
geforgt, daß das Andenken an die erte internationale Ausftellung
bewahrt bleibe. Als Meinere Bewinne zu 5 und 2 Mark werden 200 große
und 4000 Feine rotbbraune Mappen gegeben. Gede diefer Mappen enthält
zwanzig Blätter in Lidtdrud, weldhe Anfid;ten aus der fo prädtig und ger
fhmadvoll angeordneten Ausftellung darbieten. Dabei vergißt man über der
fhönen Erinnerung nidt die Zukunft und bat jhon jet in einer vom Obere
bürgermeifter Beutler einberufenen Derfammlung von Stadtverordneten, zabl-
reihen Künftlern und Aunftfreunden befdlofjen, im jahre IS99 in Dresden
eine deutfh-nationale Runft- und funftgewerblide Ausftellung
3u veranftalten. a
Breslau. — Gn der Herbftausftellung von Th. Lidtenberg,
Schlef. Runftverein, nimmt die „Hochzeit zu Cana" von A. v. Brandis.
Berlin, die eine Kurzwand des Hauptjaales allein für üh in WAnfprud.
Wer Brandis nur aus feiner bier vor Furzen gefebenen großen Leinwand
„Die Auferwedung Jairi's Tödterleint fannte, wird einen gewiffen fort-
feritt nicht verfennen. — Ein Runftwert im vollften Sinne ift Prof. Werner
Shudh's „Schlaht bei Warfhan. Die Hiftorie berichtet darüber: Am
1. Juli 1656 war Warfhau wieder in die Hände der Polen gefallen. Sieges=
gewiß verkündete Rönig Gobann Cafimir, die Shweden habe er den Tartaren
zum Frühftüd gejcenft und den Kurfürften von Brandenburg wolle er in
ein Lod werfen, da ihn weder Sonne noh Mond bejihiene. Das banden:
und Rarl X. von
Deutfde
Schweden, obwohl nur 18000 Mann ftark, brad gleihfalls gegen den fünf-
mal ftarferen Feind auf. Gn der furdtbaren dreitätigen Shladt bei
Warfhau vom 28. bis 50. Juli 1656 braden fhwedifhe Strategie und
brandenburgifhe Tapferkeit die Uebermadt; in wilder Flucht eilten Polen,
Tartaren und Rofafen davon. Letteren Dorgang fhildert Shud's Bild in
der padendften, lebendigften Art. Die in Unordnung flüchtenden Reiterhaufen
mit den ftürzenden Menjhen und Thieren, die gefdloffen vorrüdenden
Schwadronen des Rurfürften (der gerade einen widtigen Hügel genommen
hat), die zahlreihen, der Natur auf das Trenefte abgelaufhten Stellungen,
die prächtige Luftperfpeftive — alles diefes, verbunden mit einem ungemein
ztelfiheren Farbenauftrag und einer vornehmen Tönung — madt das Bild
zu einem Meifterftüd der modernen Schladhtenmalerei und einem erftrebens-
würdigen Beş für jede Galerie. — Aus dem Sdhladtengetiimmel mit
Ranonendonner zurüd in die graue Antifen führt die „Andromeda von
Wilh. Räuber - Münden. è
Mit dem Namen der Tochter des Repheus und der Raffiopeia verbindet
man gewöhnlih die Dorftellung von threr Anfeffelung an den felfen.
Rubens angefeffelte Andromeda fteht als lebensgrofer Aft auf einem fels-
füd, das feine Fortfeßung in einer mädtigen Steinwand findet, welhe die
Ausfiht auf Meer und, bewSlften Horizont frei läßt. Die Angft vor dem
noh niht fihtbaren Ungeheuer fpiegelt fih lediglid in den Befihtszügen
wieder. Einige Strahlen der Abendfonne werfen einen warmen Refler auf
den gutmodellirten Maddhenleib. — Guntime farbige Reize: finden fih in dem
Bilde „Um Yligenfee‘ von Hermann Weuhaus-Miindhen, wo der wafer-
rofenbefränzte Anabe den verführerifhen Worten des ibn umfdlungen baltenden
Nirfeins gierig laufcht, welde Niegehörtes, Gebeimnifvoll - Mardhenhaftes
enthalten; wie lange nod, und er ift dem Zauber mit Leib und Seele ver-
fallen. Weld dämmriges Waldesdunfel Liegt über der Szene ausgebreitet,
wie föftlih fhmiegen fih die beiden Körper aneinander, wie beredt drüdt die
Haltung des Waflerfräuleins ihre Antwort auf des Anaben frage aus,
warum fie nicht bei ihm bleiben fönne:
Denn der Menfchen Falfhheit und blinde Wuth
Zwingt mid hinab in die diiftre Fluth. —
Etwas weniger rüdjihtenoll geht es bei der „Yipmphenrade‘
U. H. Shram- Wien zu. Das Iuftige Weibervölklein fragt den fie beim
Bade belaufht habenden bodsbeinigen Gefellen nist erft lange um feine
Einwilligung, fondern feleppt den fih heftig Sträubenden lachend und
fhreiend und an den Obrleiften zupfend ins Waffer, um ibn eines abfiihlenden
Bades theilhaftig werden zu laffen, und ihm die Luft für immer zu benehmen,
Runf.
55
aus dem Hinterhalt weiblihe Aftftudien zu maden. — Einen Hinterhalt
anderer Natur bilden die beiden Jäger in dem Bilde W. Simmler's-
Berlin „Auf dem Gemswedfel. Der eine Jäger gebietet dem Hunde Still-
fhweigen, während der andere vorfihtig nad der Zugdbeute auslugt, die im
Hintergrunde bereits fihtbar" wird. — Den Jmprefjionismus des legten
Dezenniums vertritt Scheurenberg's „Maria mit dem Hirtenfnaben" in-
mitten einer fonnigen Wiefenlandfhaft mit Schafen, fowie „O sanctissima“
von ©. Beygrow-Bartmann- Münden; einen gefunden Naturalismus auf
dem Gebiete der Landfihaftere dagegen Paul v. Raven ftein-Rarlsrube
mit feinen ruhig wirkenden vornehm gemalten großen ‚Formaten „Mondnacht
am Weiher und „Abensfimmung“. m. B.
Zeipgig. — Das foeben enthüllte Bismarddentmal der Bild-
bauer Adolf Lehnert und Jofeph Mayr fteht unweit des Reihagerihts in.
mitten des Johannparks und bildet einen prächtigen Shmud der allzeit treuen
Pleiffeftadt. Der Altreihsfanzler raftet, von feinem Tyras begleitet, auf den
Stod geftügt, in Civil, mit dem Schlapphut bededi, auf einem Spaziergange
und fhaut gefpannten Blides ins Weite, als müßte er aud in der Muge
wachen über Deutfhlands Sicherheit. Während die beiden Gefährten in
fraftftrokender Rube beharren, taudt am Fuge des Felsvorfprunges die Ge-
ftalt eines Schmiedes auf, der fih eben von der Arbeit erhebt., Das
Schurzfell nod vorgebunden, die Arme entblößt, frebt er in jubelnder Be-
geifterung den Felfen hinauf, mit der Redten das Lorbeerreis dem Meifter der
Staatefunft entgegenfhwingend. Die figur des Fürften ift 3,20, die des
Werfmeifters 3,30, der Godel 5,60 Meter hod, während das gefammte
Denfmal eine Höhe von 8,80 Meter erreiht. Es trägt nur die Auffchrift
„Bismard“ auf der Vorderfeite und die Zahl „I897" auf der Rüdfeite. Mit
Ausnahme des Poftaments aus Beuchner Stein it es ganz aus Erz gegoflen;
nur der einen Branitfelfen darftellende Sodel, auf dem der fiirft ftebt, ift
aus Rupfer getrieben.
Mannheim. — Die Hedel’fhe Hoftumftyandlung hat im Anfhlnf
an ihre reidbaltige Ausftellung von Photogravuren nad Bödlin in ihrem
neu ausgeftatteten Runftfalon eine „Engliihe Ausftellung‘‘ veranftaltet.
Hauptjähli vertreten find ducd Reproduftionen Rofetti, Burne Jones
Watts, Walter Crane. Die Eigenart des englijihen Aefthetizismus fommt
in diefen Blättern typifh zum Ausdrud. Don Rofetti find nur wenige
Blätter, darunter feine bekannte „Aftarte Syriaca! vorhanden. Um fo
größeren Reidhthum weift Burne Jones auf. Da ift vor allem „ARönig
Actien-Gesellschaft
vormals
Friedrichshagen b.
— —
Garten-
Musterlager:
Berlin W., Charlottenstr. 23, vom
Unter den Linden, Hötel
H, Gladenbeck & Sohn
Bildgiesserei
Bronce- u. Zink- Kunst- Giesserel.
Grosse Auswahl
moderner und antiker Kunstwerke.
Beleuchtungsfiguren,
und Grabfiguren.
Berlin S., Wasserthor-Strasse 9.
Verkaufsmagazin:
Berlin.
Max Hoerder.
15. November cr.
Bristol.
56 Deutfhe Runft.
Rophetua und die Bettlerin". Rophetua, deffen Liebe zu einer Bettlerin
die provenfalifhe Ballade erzablt, fniet vor dem Throne, auf den er
das arme aber fhöne Mädchen als Aönigin erhoben hat. An myſtiſchem
Zauber wird diefes Bild überboten. ,,Denusfpiegel und ,,Chaut d'amour“
und ebenfo wie die „Schöpfungstage", Blatter, die jeder Derebrer
des englifhen Malers fennt. Neben den Bildern Watt's wirkt be-
fonders fein „Tod und Liebe durch die Tiefe der Auffaffung. Aufer-
dem bietet die Ausftellung eine Reihe Seforativer Blatter. Walter Crane
ift duch fein Blatt „Triumph der Arbeit harakteriftifch vertreten. Befondere
Aufmerffamteit verdienen die ,,figroy Pictures’! fowle die farbigen Litho-
graphien, welhe durd ihre Riihnbeit den Laien verblüffen mögen, den
Renner aber durdp ihre originelle Schönheit und ihren entzüdenden Reihthum
an reizenden farbenzufammenftellungen erfreuen. Sie ermögliden vermöge
ihrer verhältnigmäßigen Billigkeit jedermann eine originelle dekorative Der-
werthung.
Düffeldorf. — Der Runftverein für die Rheinlande und Weftfalen
bat feinen Mitgliedern dlefes Jahr eine Ueberrafhung bereitet, die fih der
allgemeinften Juftimmung erfreuen wird. Als Dereinsgabe, die fonft in
einem geftohenen Runftblatt zu beftehen pflegte, fiel diefes Mal die Wahl
auf eine Kollektion von Lichtöruden. Gn ftilvoller, eleganter Mappe
befinden fih neun Heliogravuren nad Meifterwerfen der Diiffeldorfer
Galerie. Es find Reproduftionen nah Ed. von Gebhardt „Der reiche
diingling’, Arth. Kampf, „Rede Friedridhs des Broßen an feine Generale
in Röben a.d.©.", L. Anauß „Die Rartenfpieler", Chr. Rrdner „Schreiender
„Birfh, C. Fr. Leffing „Landfchaft mit Artegsfzene‘, C. Müller „Die Ver-
fündigung", E. Schulz-Briefen „Die Verhaftung", E. Schwabe „Ungelöfte
Fragen“ und A. Seel „Das Innere eines Harems'', Jeder diefer Lidt-
drude ift in dem Farbenton gehalten, der dem Gemalde am beften entfprad;
die Arbeit felbft wurde in den Brudmann'fchen Ateliers in Münden her-
geftellt und darf als eine tadellofe bezeichnet werden. Ueberdies zeigt das
Titelblatt eine zierlihe Vignette nad einer Zeihnung des Theatermalers Herr -
E. Hater: Anfibt der Runfthalle. Dem Wunfhe vieler Mitglieder nad
Abwedfelung ift durd diefe Mappe in vornehmfter Weife Rebnung getragen.
WZ
We
Elberfeld, — Jm Mufeums-Verein madte eine Rolleftivansftellung
der modernen Holländer großes Auffehen; die erften Meifter, Apol,
Bisfhop, du Chattel,
ten Rate, Rlinfenberg, Mesdag
batten fid) betbeiligt. Die Sammlung
umfaßte 57 Oelbilder und Aquarelle.
Unter den Oelgemalden
fondera die zwei großen „Mari
nen“ von Mesdag,
eine „Ranallansfhaft"
von du Chattel und
der „Hafen von Alfmaar'*
von Rlinfenberg bere
vor ;unter den Aquarellen
ift eine poetifche Mond-
nadt von Apol, ein
paar prädtige, farben-
freudige „Pferde auf der
Weide" von Eerelman,
und eine entzüdenbe
trauliche Mutterliebe!“
von Bisſchop. Von den
jüngeren Künſtlern zeich—
nen ſich zwei aus:
Wefterbed jun. mit
einem von der Sonne
goldig beleuchteten, ,Wald-
interieur" in Del und van
Maftenbroef mit
10 Aquarellen, Finfland-
fdaften, in denen er an
Jacob Maris erinnert.
Ai Kunstverlag von Rudolph Schuster, Berlin. =
In meinem Verlage erschien das Prachtwerk:
Die sieben Bitten
des Vaterunser.
Acht Kupferätzungen
nach den Zeichnungen in der National-
galerie zu Berlin von
Professor C. G. Pfannschmidt
mit erläuterndem Text
des Künstlers in Einbanddecke nach
Professor Leder.
——-~© Preis Mk. 30.— ¢-———
Dasselbe Volksausgabe.
Acht Lichtdrucktafeln
nach den Originalen mit erläu-
terndem Text des Künstlers.
AWS. Preis Mk. 10.—
I
Eerelman,
Atelier Sdlabit
Dorotbeenftrafie 32.
UnterrihtimFeihnen und Malen.
Portrait, Stillleben, Bpps, Akt.
@ Vorbereitung får die Afademie. @
Betrennte Herren» und Damen-Rlafjen,
ragen be-
FRIEDRICHST
AUTOTYPIEN æ
CHEMIGR APHIENG
DREIFARBENDRUCK «
PROMPTE PREISANSCHLÄGE
LIEFERUNG. ~~ mir LE
MUSTERN
zu DIENSTEN.JG
Ce
a N Fe a
KEOXCAOCAOICGOCOCIOCO -COHYCOQGISGIONCGIOCOGHLGO
Die Leipziger Kunftfreundinnen und das Kunft-
gewerbe.
Der Auffhwung, den das Runftgewerbe Im letzten Jahrzehnt genommen,
bat eine Menge weibliher Hände in Bewegung gefekt. Mandes Schöne
und Originelle entftand diefem Fleiß, aber aud) Vieles, das anders und
beffer zu wünjhen wäre. Der Grund diefes Verfeblens ift der Mangel
an Studium. Die kunftgewerblihe Bethatigung braudt eine ganz fpezielle
Ausbildung, und zwar eine Aus-
bildung, die den Schüler ziel-
bewußt leitet vom erjten Derfuch,
Runft- und Naturfzenen zu ere
faffen und wiederzugeben, bis
zum felbftindigen Fünftlerifchen
Entwurf.
für rein malerifhen Unter-
richt ift durd Privatateliers ge-
forgt worden, leider ift aber im
funftgewerbliden fac nod feine
Ausbildung miglid. Der Verein
der Runftfreundinnen bat fih
daher entjchloffen, vielfah ge-
äußerten Wünfhen nadhzugeben
und eine Bildungejtätte zu `
fhaffen, in welder Damen Ge-
legenbeit finden, fid für funft-
gewerblihe Thätigfeit auszubil-
den. Der Rath der Stadt Leip-
zig unterftügt das Unternehmen, .
indem er dem Verein die Jeihen-
fale des Grajfimufenms zu
Unterrihtszweden zu Verfügung
geftellt hat. Der Unterricht findet
an vier Dormittagen in der
Wode ftatt und zerfällt in zwei
Rurfe, welhe auh unabhängig
von einander zu befuden find.
Aurfus I bildet die Por-
fhule. Er foll duch Zeihnen
und. Malen nad Gips grund-
legende plaftifhe Unfdhaunng
fhaffen und außerdem die Hand
in verſchledenen Zeichentechniken
üben.
Rurſus II unterrichtet die
Schülerinnen |. in den ver—
fhiedenen Stilarten des Orna-
ments, das nah eigener An-
fhauung in einfadfter, plaftifcher
Darftellung wiederzugeben ift; 2. im Studium der Pflanze jowie in deren Lm-
geftaltung urh Stilifirung, als grundlegendes Motiv unferes modernen
Runfigewerbes; 3. giebt Rurfus I Anleitung zur Verwendung von Ornament
und ftilifirter Blume duch Rompofitionsaufgabea aus dem Kreife felbft-
bethätigter Liebhaberfünfte wie für induftrielle Zwede. Erftere Aufgaben be-
fteben in Entwürfen für Holzbrand, Lederpunzen, Runftftiterei, Möbel-
dekoration 2c, fie follen Sie Damen unabhängig madhen von ängftlihen
Abpaufen von Vorlagen, die niht einmal immer muftergiltig find. Letztere
Aufgaben berüdfihtigen Entwürfe für Tapeten, Stoff und Buntdrud, Leder-
preffung 2c. Ste werden dann in der erforderlichen Tehnit ausgeführt und
die Schülerinnen fomit befannt gemadt mit den Anforderungen, welde die
tehnifhe Ausführung ftellt.
Buchdedel.
Kederfchnitt mit Metallbejchlag.
Georg Bulbe, Berlin— Hamburg— frankfurt,
©
elle
— Der fünftlerifh verzierte Buchdedel, der bis an das Ende des
vorisen Jahrhunderts in den Bibliotheken der Liebhaber eine große Rolle
fpielte, war feither unter dem Einfluß der Iiterarifhen Maflenproduftion bei-
nahe verfhwunden. Jn minderwerthigen Albumdedeln mit Lederpreflung
friftete er eine fümmerlihe Eriftenz. Die Wiederbelebung der Lederfhnig-
und Punzarbeit hat aud hier einen Wandel gefhaffen und der fünftlerifchen
Handfertigfelt neuen Spielraum gewährt. Befonders die firma Georg
Bulbe, Berlin—Hamburg— frankfurt bat fih große Derdienfte um
` diefe Tehnif erworben. Dor
allem bietet fih gerade in dem
Derhältnig zum literarifhen Er-
zeugniß, dem der Detel als
Schuß dient, Gelegenheit für
die Anbringung des redenden
Slerraths. Der von uns abe
gebildete Bucdedel zeigt die
Idealfigur der Wiffenfchaft mit
den befannten Altributen, von frei
erfundenem, gefällig in einzelne
Rahmen hineinfomponittem
Relief umgeben. Die im Re-
naiffancefiil gehaltenen Metall
eden geben dem Ganzen den
Charafter des folisen Budfbuges.
— Jn ben Publifationen der
erzberzoglihden Runftfammlung
nAlbertina zu Wien begegnen
wir einer prächtigen farbigen
Fabfimile - Reprodufiion des
Criumphwagens Marimi-
lian's I. nad dem Originale
Albrebt Dürers. Belanntlid
‚ließ Axifer Marimilten I. fon
1512 durch feinen Beheimfihreiber
Marg Treyg-Suurwein den Plan
zu cinem grofgedadten Werke
ausarbeiten, weldhes die Herr-
fcerthatigfeit und den Lebens-
lauf des Raifers darzuftellen be-
ftimmt war. Auf Grund diefes
Planes ließ Raifer Mar bei
mehreren fogenannten Brief-
malern Entwürfe in Miniature
Malerei maden, welde fid aber
des Beifalls ihres Beftellers
nit zu erfreuen hatten, zumal
aud eine von Diirer's Hand mit
1515 bis 1514 datirte Sfiz3e
dem Axifer vorlag, welde ebenfalls die „Albertina verwahrt. Auf An-
rathen Willibald Pirkhrimer's, des Freundes und förderers Dürer's,
wurde Lekterem Ser definitive Auftrag zur MUeberarbeitung all’ diefer
Dorlagen ertheilt, welder Aufgabe der Meifter zur größten Zufrieden-
beit des Raifers im Gabre 1518 entjprad. Ein Gefpann von zwölf reid
gefhirrten Pferden zieht den goldenen Prunfwagen, auf weldem der Raifer
in reihem Ornate figt; vor ihm feine erfte Gemablin Maria von Burgund,
daneben ihre Toter Margaretha, nadhmalige Statthalterin der Niederlande.
Vor letzterem binwieder gewahrt man des Raifers einzigen Sohn, Philipp
den Schönen, und feine Gemahlin Johanna voi Raftilien, vor diefen ihre
beiden Söhne, die nadmaligen Raifer Rarl V. und ferdinand I, weiter vor
der Letzteren nebmen vier Schweftern. Eleonora, Zjabella, Maria und Ratharins
— — EA EE ——— ——
58 Deutſche Kunſt.
C. Bernewitz.
Ofenſchirm.
H. Gladenbeck, A. ©.
Friedtichshagen b. Berlin,
die Nachgeborene, die Plätze ein. Die vier Rader, weldhe den Staatsewagen
zu tragen baben, find bezeichnet mit: Gloria Caesaris, Dignitas, Magni-
ficentia und.Honor. Eine Diftoria, welche hintet dem Raifer ftebt, hält
einen Lorbeerfranz über fein gefröntes Haupt. Auf den Federn ihrer Flügel
find Sie Bezeihnungen der bervorragendften Rriegethaten des Raifers zu lefen.
Perfonififationen der Herrfchertugenden: Justitia, Fortitudo, Prudentia
und Temperantia, balten Rränze in Handen, welche, mit nod anderen
nambaft gemadten Tugenden verfettet, gewillermaßen die Tragerinnen des
Wagenbaldadins bilden, welder oben das finnige Bilderrathfel enthält:
Quod in coelis (sol) — für sol eine Sonnenfheibe — hoc in terra
(caesar) — für cacsar aber dag Reihswappen mit Doppelasler. Auf dem
Rutferbode fitt die Vernunft (Ratio), in beiden hocherhobenen Händen die
Hügel: Potentia und Nobilitas, baltend. Zwölf je in Weiß und je in
Diolett gefleidcte Madchen, Tugend-Perfonififationen, fiibren die Pferde. Die
fünftlerifhe Derberrlidung der Hertfdhermadt war fcdon vor 3 Jahrhunderten
Braud. Zum Glüd lebte damals — Albreht Dürer.
— Die Ausftellung des Baverifhen Runftgewerbevereins
in Münden bot vor Kurzem zwei hervorragende Erzeugniffe des Runfthandwerfs:
Das eine ift die von Heren Holzbildhauer Erhard Fifdher gefertigte
Nachbildung eines der beiten Wappenbildern im Münfter zu Ulm. Diejes
Erzeugnif’ tüchtiger Runft und gewlifenbafter Ausführung ift für die beral-
difhe Aupftellung in Halle a. S. beftimmt. Die Wappennadbildung ift in
Holz gefhnigt und in alter Enthuftt! bemalt, ganz nad dem Originale. Das
Wappen bezieht fidh, nadh Seht Namen Lorenz Krafft zu fließen, auf die
Ulmer Patrizierfamilie Rrafft von Delmenfingen. — Der zweite Begenftand
ift ein Wert von Cifen. Es ift eine Luftre für die eleftrifhe Beleuchtung im
„Reftaurant Auguftiner, der fic als etwas Neues und Eigenartiges anf
dem Bebiete der heutigen ARunftjhmiedetehnif präfentirt. Der Entwurf ftammt
von Herrn Profefjor Emanuel Seidl. Der Luftre wird um eine Studjäule
angebradt, die im Charakter der friibrenaiffance gedadht ift. Wie alle
Beleuhtungsförper für diefe neuen fhönen Lofalitäten, ift auch diefer Luftre
in einer mehr heiteren Deforationsweife mit KRonzefjionen an eine freiere
Rihtung gehalten. Die Ausführung in der Runftfdhmiedetednif rührt von der
firma Reinhold Kirfh, l. b. Hofkunfifihlofferei in Münden, her. Der Reifen
des Beleudhtungskörpers hält zwei Meter Durdhmefler und wird von vier
Trägern gehalten. Diefe find durd) Rnaufe gegliedert und tragen am Ende
je einen Engel, der das Lidt in Beftalt einer Rerze darbietet. Zwifchen den
Rerzen laufen auf dem Reifen Hirfhe und Gemfen. Dazwifchen find Blumen-
ftöde aufgeftellt mit Rofen, Tulpen und Nellen. Alle figuren find hand-
gefhmiedet, zeigen vollendete Runftfiymiedearbeit und zugleih einen großen
Fortjhritt in der Tednif. Aus der unteren flähe des Reifens wadfen
Blätterbäfhel hervor, in denen die Blasbirnen für die Veleuhtung ge- _
borgen jind.
— Die Stillofigfeit unferes Hausraths bringt bisweilen Er-
zeugniffe hervor, denen man um der Anmuth ihres Naturalismus willen
nit böfe fein fann. Ein mit Blumen gefhmüdter Ofenfhirm, auf- deffen
Rand ein Papagei hodt. An feinem Fuße ftehend ein Bronzebübden, das
den trägen Dogel mit der ausgeftredten Hand zum Herabfommen auffordert.
Etwas Stilloferes läßt fih faum denfen. Da feblt jede Beziehung zum
Ofen, jeder fonftruftive Hufammenbang des Schirmes mit dem Figiirliden,
und dod wirkt das Ganze anheimelnd, wie ein in Bronze überfegtes Foypll.
Das Zufammenwirken der freien Rünftlerphantafie des Bildhauers C. Bernewig
mit der bewährten funftgewerblihen Tedhnif der Bladenbed'fhen Bieferei
bat da ein Deforationsftüd zu Stande gebradt, das jedem Damenfalon zur
Hierde gereicht und weder wahllos nahahmt nob um jeden Preis modern
fein will.
— Der Bafeler Cifeleur Hans frey, defen Arbeiten auch auf der
diesjährigen VII. Internationalen Aunftausftellung in Münden Beachtung
fanden, bat zum 400 jährigen Beburstage Hans Holbein's eine Holbein-
Medaille gefhaffen, die auf Ser Dorderfeite das Bruftbild Hans Holbein's
ò. J. nad deffen Selbftportrait trägt mit der Umfhrift „Hans Hölbein 1497
bis 1897, während auf der Riidfeite der von Holbein’ihen Landsfnedhten
gehaltene Bafeler Schild mit der Umfohrift „Inclyta Basilea“ zu feben ift.
Die gelungene Medaille foftet in Bronze 10 Franken, in Silber 20 Franten.
— Gn der Ausftellung des Stuttgarter Runftgewerbevereins
befindet fidh eine Loftbare Uhr, ein Hoczeitsgefhent des Raifers Napoleon I.
an feinen Stieffohn Eugen Beauharnais, Herzog von Leudtenberg, der fid
am 12. Januar 1806 mit Amalie Augufte, einer f. bayerifhen Pringeffin, ver-
mäblte. Gn pradtigem Bronceguß ftellt eine etwa 0,5 m bobe figur den
Gott der Ehe, Hymen, vor. Mit feiner Fadel beleudtet und verherrlidt ex
die Stunden und Wege des ehelihen Lebensglüds; mit dem Pfeil in der
Rechten deutet er auf die Stunden der Uhr. Diefe bildet einen Kriegefchild,
den Helden andeutend, als welder Eugen in den Augen Napoleons ftets
gegolten. Nah dem Tode des Herzogs und feiner Gemahlin fam das Jn-
ventar nah St. Petersburg, wohin ein Sohn an eine ruflfche Prinzefjin
verheirathet war. Bei diefer Gelegenheit erbiclten Damen und Herren im,
Dienfte des jungen Ebepaares vor Ablieferung der Binterlaffenfhaft Ge-
fhente, unter denen ih auh die Uhr befand; diefe ging (pater in den Bejit
des Hofantiguars finte in Berlin und von da in Privathände über,
Uhr und Figur ruhen auf fhwerer Marmorplatte; die Cifelirarbeit (aft eine
Meifterhand erfennen; das Werf ift von Manière in Paris.
— Unter den der Rönigin Diftoria zu ihrem Regierungs:
jubiläum geftifteten Gefdhenfen, die zur Zeit im South-Renfingtons
Mufeum ausgeftellt find, ragen die aus Deutfehland geftifteten fürftlihen
Gaben befonders hervor. Die Raiferin Friedrih hat ibrer Mutter einen
berrlihen, mit Diamanten und Edelfteinen gefhmüdten Briefbefhwerer aus
Chryfopras geftiftet. Der deutfche Raifer hat im Verein mit mehreren deutfchen
Fürftenhäufern eine große vergoldete Dafe geftiftet, deren Dedel die Beftalt
der Britannia trägt. Die Dettern und Bafen der Rönigin, unter ihnen der
Großherzog und die Broßberzogin von Medlenburg-Strelit, die ehemalige
Rénigin von Hannover, der Herzog von Cambridge, der Herzog und die
Herzogin von Cumberland, die Prinzeffinnen Marie und Friederike von
Hannover baben eine Biiderdede aus maffivem Bold gefdenft, weldhe die
fonigliden Yamensziige fammt Rrone und Gabreszablen in Diamanten,
Rubinen und Smaragden aufweift. Unter den anderen fürftlihen Gefchenfen
bemerft man ein Stüd Granit auf goldenem Unterfat, das als „Bruß aus
dem badifhen Schwarzwalde die Broßherzogin von Baden gefhidt bat,
ET —
DS
— Die freude an farbiger Ausfhmüdung der Gebäude in
Münden ift im Zunebmen begriffen. Wor kurzem wurde das Berüft vom
Baftbaufe zum Spödmaier in der Rofenftrafe am ,,Rofened entfernt,
wodurdh es nun möglich ift, die ganze bemalte Flähe in ihrer Wirkung zu
beurthetlen. Das Haus bietet einen hödhft reizvollen Anblid, wozu die Lage
an der engen Straßenfreuzung nod befonders beiträgt. Befhmadvolle
deforative Ranfen- und Blumengewinde, unter denen die Rofe natürlich vor—
þerrfht, verbinden, über die Fläche gefhidt vertheilt, ornamentales Rabmen-
wert, weldes die vom Aunftmaler Schleibner ausgeführten Bilder der
Madonna mit dem Rinde, des St. Lutas als Patrons der Maler, cines
Wappenträgers und in Beziehung auf die Bezeidnung ,,Rofened" einer Rofen
firenenden allegorifhen figur in fih fließt. Sprucbander mit kräftigen
Derfen (vom Stadtarhivar von Destouhes bherrührend) durchziehen die
Deforation. Das Werf wurde in der verhältnigmäßig turgen Frift von zehn
Deutſche Runf.
59
Woden fammt allen Dor- und Yiebenarbeiten in Keim’fher Mineralmalerei
durch das Atelier des Deforationsmalers Heider ausgeführt.
— Die neuefte Caune der Parifer Mode befteht darin, Miniaturbilder
auf Handfhuhfndpfen zu tragen. Natürlich find nur die eleganteften,
für befondere Belegenheiten bejtimmten Handfhuhe mit diefen Anöpfen ver-
feben, die das farbige Bildnif. irgend einer befannten Schönheit, eingerahmt
von einem ganz fhmalen Goldranddhen, aufweifen. Die Handfhuhe find die
beften crömefarbenen „Schweden mit dem beliebten Rand, der aus ver-
fciedenen Nuancen des weichften Blaceleders zufammengeftellt if. Die Nähte
find meift in zwei fontraftirenden Farben mit Seide funftvoll geftidt. Zu
den Miniaturbildhen werden die Portraits der jhönften Damen aus der
Gefellfhaft und die der berühmteften Bühnenfünftlerinnen genommen.
<e>r Preisbewerbungen. -P>
— Die Ffriedrid Eggers-Stiftung zur Forderung der Riinfte und
Runftwiffenfhaften zu Berlin verleiht am J. April 1898 600 M. Stipendien
an einen Bildhauer event. an einen Maler, Kunftgewerbebefliffenen, Aunft-
gelehrten, Urditeften. Der Bewerber foll wenigftens ein Jahr auf der
Föniglihen Runft- oder Bau- oder Bewerbe-Afademie oder Univerfität zu
Berlin ftudirt haben und fic duch hervorragende, nad feinen Leitungen auf
feinem Berufsgebiete zu beurtheilende Begabung auszeidnen. Bewerbungen
find im Laufe des Monats Januar 1898 an den Föniglihen Baurath
Ff. Shwedten, Berlin W., Lügomftraße 68 III, einzufenden.
— für die deutfhen Arditekten wird ein öffentliher Wettbewerb
ausgejchrieben zur Erlangung von Entwürfen für den Vollendungebau des
aus dem 14. Jahrhundert ftammenden Rathhaufes zu Göttingen. für
die beften Arbeiten find drei Preife ausgefert: J500, 1000 und 500 Marf.
Dem Prelsricterfollegium gebsren u. a. Profeffor Oken- Berlin und Stadt-
bautath Ger ber- Göttingen an. `
— Die von Herrn Arditeft Erter in Münden ausgefchriebene Kon-
furreng für Entwürfe zu familienhäufern bat nidt nur durd die
cœ pPerfönlihes und
— Der Großherzog von Weimar verlieh Arnold Bödlin die
goldene Medaille für Wiffenfhaft und Runft 1. Rlaffe und ernannte ihn zum
Ehrenmitglied der großberzoglihen Aunftfhule in Weimar.
— Die Benoffenfhaft der bildenden Rünftler Wiens hat in
ihrer anßerordentlihen Generalverfammlung dem Befchluffe des Dorftandes
einftimmig zugeftimmt, den großen deutfchen Meifter Arnold Bödlin an-
laflid feines 70. Geburtstages zum Ehremmitgliede der Wiener
Rünftlergenoffenfhaft zu ernennen. Der Dorftand der Genoffenfdaft,
der gleichzeitig auh Hauptvorftand der Allgemeinen Deutfhen Runftgenojlen=
fhaft if, hat bei diefer gleichfalls die Ernennung Bödlins zum Ehren-
mitgllede der Allgemeinen Deutfhen Runftgenofienfhaft in Anregung ges
bradt. Aud): diefem Antrage wurde zugeftimmt.
— Der f. Galeriedireftor v. Ruftige in Stuttgart bat wegen
vorgerüdten Alters um Enthebung von feinem Amte nadgejudt.
— Als Befbäftsführer des Dereins Berliner Rünftler, mit gleid-
zeitiger Leitung der großen Berliner nationalen und internationalen Aus»
ftellungen wurde Herr f. v. Bayer, der Leiter der Runftausftellung zu
Leipzig 1S97 und der Runftausftellung zu Nürnberg 1896, ernannt.
— Jn feiner Daterftadt feodoffia in der Krim feierte der ruffifde
Marinemaler Aiwafowsfi fein 6Ojähriges Riinftlerjubilaum. Scaffens-
freudigfeit bat ibn immer ausgezeihnet, und dank feiner rajtlofen Arbeit
entftanden über 5000 Bemälde. Sie find in der ganzen Welt zerftreut. Die
größte Anzahl wird wohl in Rußland geblieben fein, aber man trifft fie aud
auf den Landfigen englifher Lords, in den Schlöfjern der Rönigefamilie in
Holland und in den Bemäldefammlungen des Papftes. Selbft in die Paläfte
des Sultans und bis nah Batavia find fie gelangt.
— John Gilbert, der Präfident der fgl. Gefellfhaft der Aquarell-
maler in London, ift im Alter von SO Fahren geftorben. Sir John war
einer der frudtbarften Riinftler des DVictorianifhen Feitalters. Er bat
61 Fahre lang unermüdlihb gemalt. 1856 bat er feine erften Bilder aus-
geftellt und nod in der letten Sommerausftellung der Aquarellgejellfchaft
bingen zwei feiner Bemälde, die er, obwohl feit vier Jahren gelähmt, mit
unverfiegbarem Eifer vom Lehnftubl aus gemalt bat. Sir John war fein
großer Maler — die Farbe if bei ihm beinahe immer monoton und fub-
ordinirt — aber er bat gut und Fräftig gezeichnet und bat ein Auge fürs
Romantifche gehabt, was feine Popularität beim großen Publiftum erklärt,
das immer mehr darauf fieht, was, als wie gemalt wird. Am bedeutenditen
war Gilbert als populärer Jllufteator — er þat den „Illustrated London
News‘ im Lauf feiner langen Derfniipfung mit ibnen nicht weniger als
30 000 Holzfihnitte geliefert. Gilbert's Leben ift abfolut ereigniflos; in der
Dorftadt Bladheath geboren, ift er in Blackheath geftorben. 1862 wurde er
Aflociate der alten „Water Colour Society, nädftes Jahr Mitglied und
1875 Prdfident. 1872 nahm ihn die Royal Academy als Ajlociate in ihren
Shook auf und feit 1876 fann er das R. A. an feinen Namen hängen.
Die Rönigin bat ihn fhon 1872 zum Ritter gefhlagen. Seit vielen Jahren
überaus zahlreihe Thellnahme von 130 Arditeften mit 500 Entwürfen ein
erfreulihes Refultat gehabt, fondern aud) durch viele glüdlihe Löfungen
der geftellten Aufgabe. Folgende Preife find zuerfannt worden: Ludwig
Stadler-LBerlin erhielt einen )., 5 2. und 3 5. Preife, zufammen im
Betrag von 1935 Mark, Steinlein-Münden, Meier und Wörle-Char-
lottenburg, Rihard Senf- Münden und H. Börke-Difjeldorf erhielten
je 1. Preis zu 500 Marf, Honig und Söldner-Münden einen |. und
2. Preis mit 855 M., Sdliiter-Berlin einen 2. Preis mit 333 M.,
©. Delisle-Berlin einen 2. und 3. Preis mit 499 M., Helbig und
Haiger-Münden einen 3. Preis mit 166 M., und M. Zöllner-Plauen
einen 3. Preis. Zum Ankauf wurden 58 Entwürfe empfohlen und 16 Ent-
würfe mit lobender Erwähnung bedadt.
— Gn endgiltiger Entjheidung über das Rellame-Plafat der
Stadt Düffeldorf bat der Vorftand des ,,Verfehrs-Dereins den mit dem
1. Preis ausgezeihneten Entwurf des Malers frenz einftimmig zur Ausführung
beftimmt. Das Plafat wird in einer Auflage von 10000 Eremplaren durch
die Runftanftalt von L. Shwann hergeftellt.
Ateliernachrichten. —->
vor feinem Tod bat Gilbert feines feiner Bilder mehr verkauft, um fo viele
als möglid der Nation fehenken zu fönnen. 895 bat er fie dann an die
Galerien von London, Mandefter, Liverpool und Birmingham vertheilt.
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der vereinigten SHüddeutfchen Runftvereine.
Die vereinigten Runftvereine des füddeutfhen Turnus:
Augsburg, Bamberg, Bayreuth, Fürth, Heilbronn, Hof, Nürnberg
Regensburg, Stuttgart, Alm, Würzburg,
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zablreiher Bejhidung die a en Rünftler hiermit freundlihft eingeladen werden. (Jahres:
umfag über 100 000 Marf. ie Bedingungen und Anmeldeformulare find von dem mit
der Hauptgefhäftsführung betrauten Württemb. Runftverein in Stuttgart zu beziehen, Alle
für den Turnus beftimmten Runftwerfe find nad vorausgegangener Anmeldung mittels
Formular ausfchlieglich an den Wärttemb. Kunftverein in Stuttgart einzufenden, wojeloft
eine Jurp über die Aufnahme der Werke entjceidet.
Jm Namen der verbundenen Vereine:
Der Württemb. Kunftverein in Stuttgart.
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Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Börlik, Danzig, Rönigsberg, Stettin u. a.
Ar. 4.
15. November 1897. ; IL. Jahrgang.
Das Aujfiihe Wappen mit Kranz tragendem Genius.
Nach einer Photographie von f. Rullridh, Berlin.
Ein fürfliches Gejchent.
Die Beziehungen fFriedrids des Broßen zur Rönigliden Porzellan-Manufaktur.
Don Georg MalKowsky,
Jahr 1750 zurüd, wo Wilhelm Cafpar Wegeli den erften DVerfucd
machte, das ihm von Arbeitern aus Höcft verkaufte Gebeimnif der
Herftellung echter Porzellane in der Preufifhen Hauptftadt zu verwerthen.
Die überaus felten gewordenen Arbeiten diefer bereits 1757 wieder auf-
gegebenen Fabrikation find mit einem blauen W gezeihnet und zeugen
von einer ziemlid vollfommenen Tehnit. Don dem Bildhauer Reidard
faufte J. €. Gogfomsfi 1761 das Gebeimnif fiir 4000 Thaler und ere
tidtete in der Leipziger Straße eine fabrif, deren Leitung der fähfifche
Rommifjionsrathb @rieninger übernahm. Diefer engagirte den Emailmaler
Jaques Clauce und den Modelleur Elias Mever aus Meißen, fowie eine
Anzahl von Arbeitern, die mit dem dort geübten Verfahren genügend ver-
traut waren. Später fiedelten auch die Maler C. W. Böhme, J. B. Borr-
mann und Ch. Rlipfel nad Berlin über, jo daß fofort ein Stamm tüchtiger
Tehnifer vorhanden war. Jm Auguft 1763 mußte Gokfowsfi feine
Hablungen einftellen, und nod vor Ablauf diefes Monats übernahm der
Staat die ganze Anftalt gegen Zahlung der beträdhtlihen Summe von
225 000 Thalern. Grieninger wurde Direktor und führte ein forgfältig
datirtes Journal, deffen Aufzeihnungen wir im Folgenden zum Theil wört-
lih wiedergeben.
Don dem erften Befuche Friedrihs des Großen Anfangs September
weiß Grieninger in voller Bewunderung der Sadhkenntnif des Rönigs viel
Riibmlides zu erzählen: „Niemals bat fic wohl ein Monarch gnädiger
herabgelaffen. Sein huldreiher Blid erftredte fi über Alles. Jn der Mühle
und dem Schlämmereigebäude blieb er lange, um die Zubereitung der
Materialien mit angufeben. Bei den Brenngewdlben fpradh er lange mit
mir von den Porzellanöfen, und zeihnete den Umrif von einem fächfifchen
Gaarofen, wie er meinte, in meine Schreibtafel. Es war aber niht der
Gaar- oder Gutofen, fondern der Umrif vom Vergliihofen, der dem Könige
zu Meißen ftatt jenes mag gezeigt worden fein. Gn den Wrbeiterftuben, in
den Dorrathsfammern und auf dem Waarenlager, nirgends entging feiner ibm
ganz befonders eigenen Wufmertfamfeit etwas. An manden Orten, wo er
etwas wahrzunehmen glaubte, das anders wäre, als zu Meißen, fragte er
um die Urfache der Derfihiedenheit. Da ich ihm auf feine Frage: ob die
Porzellanmanufattur aud) auf einem für fie fhidlihen Plak angelegt wäre,
zur Antwort gab: dağ fie in Rüdfiht auf die Mühlen- und Stampfwerke
zur Erfparung der Pferde fowohl, als wegen Abführung der Porzellane
und wegen Transport der vielen Materialien und des Holzes, befonders
aud) wenn feuer, bei dem doc beftändig gearbeitet würde, ausfäme, viel zu
weit von der Spree entfernt wäre, fagte der allergnädigfte König: „Er bat
rect, indeffen wollen wir fehen, wie weit wir bier damit fommen werden;
geht es gut, wie id alle Hoffnung babe, fo fonnen wir fie binbringen, wo—
D: Dorgefdhidte der Berliner Porzellan- fabrifation reiht bis in das
One
62
bin wir wollen“. a, das neue Werf wurde ihm bhernadh bei
feinem ausnehmend glüdlihen Fortgang fo lieb und werth, Sağ
id mid um alles nicht hätte unterfteben wollen, etwas wegen
Derlegung in Portrag zu bringen. Aud waren auf die Ein-
tihtung und auf die Gebäude fhon zu große Roften verwendet
worden. Da er über zwei Stunden verweilet und fih über
alles die genauefte Auskunft hatte geben laffen, verficherte
er alle auf das buldreichfte feiner foniglichen Gnade unter der
gewiffen Anhoffnung, daß ein jeder ferner wie bishero allen
Fleiß anwenden würde, das neue Werk je linger je mehr zu
feiner Dollfommenbeit bringen zu belfen. Wer bätte wohl hierbei
ungerührt bleiben fönnen, und ohne Saf er nicht den feften
Entfhlug hatte faen follen, alle ihm obliegenden Pflichten
nad feinen beiten Kräften zu erfüllen.“
Nachdem nod 140 000 Thaler in das neue Etabliffement
bineingeftedt waren, dem au fonft befondere Privilegien, wie
freier Holzbezug, Accife- und Hollfreibeit, eigene Berichtsbarkeit,
Siegel mit Adler und Scepter, verlieben wurden, fam es vor
Allem darauf an, den Abfak zu erhöhen. Hatte fih fon
Bopfowsfi verpflichten müfjen, monatlich fiir 6000 Thaler Por-
zellan abzunehmen, fo wurde nun den Juden auferlegt, ein be-
ftimmtes Quantum Waare für den Vertrieb im Auslande zu
erwerben, die Beneral-Lotteriepadht- Sozietät mußte für 6000,
jpäter für 9600 Thaler jährlih Faufen und es wurde dafür ge-
forgt, daß Ser Porzellandebit an gewandte Kaufleute gegen
Rautionsleiftung nad auswärts vergeben wurde. So betrug
denn der Umfak in en erften 24 Jahren des Beftebens der
Berliner Porzellan-Manufaktur nicht weniger als 2188 539 Thlr.
25 Sgr. 6 Pf., eine Summe, aus der 464 050 Thlr. 7 Sgr.
6 Pf. als Reingewinn in die KRöniglihe Schatulle abgeführt
wurden.
Das nterefje des Königs erwies fih als ein überaus reges.
Nod in Semfelben Monat September des Fabres 1763 madte er
der Anftalt einen zweiten Befuch und erfundigte fidh aud
auf das lebhaftefte, woher man das Material bezöge. Als
man ihm Paffau in Bayern als Bezugsort nannte, fagte er
zum Direktor Grieninger:
„Ih erinnere mid, Saf id) in Schlefien an verfciedenen
Orten, und befonders auf dem Wege, der von Tannhaufen —
hat er eine Schreibtafel? fhreibe er fih die Namen auf! — nad
Charlottenbrunn und weiter nad Langenwoltersdorf führt, un-
gefähr eine halbe Meile von Tannhaufen, eine fhöne weiße Erde
wahrgenommen habe Er muß an meinen Winifter von
Schlabrendorf fihreiben und von Sclefien Proben kommen
laffen. Auf die weitere Frage des Direktors, an wen derfelbe
über den Erfolg der damit anzuftellenden Proben zu rapportiren
babe? war die Antwort: ,,er beridte an mid, und am Schluß
eines jeden Wonats fcidt er mir einen fummarifhen Raffen-
extrakt.“
Es gelang denn auch wirklich, in Sträbel am Zobten eine
brauchbare und ſpäter in Brachwitz bei Halle eine vorzüglihe
Erde zu finden, die noch heute verwendet wird.
Der Ruf der Berliner Porzellan-Manufaktur war ſchon im
erſten Jahre ihres Beſtehens ſo begründet, daß ſelbſt exotiſche
Gäfte ſie als Sehenswürdigkeit beſuchten und dort ihre Ein—
käufe machten. So weiß Grieninger beſonders intereſſant von
einem Beſuch des türkiſchen Geſandten zu erzählen: „Der im
November 1765 hier zu Berlin ſeinen Einzug haltende türkiſche
Geſandte Achmet Effendi kam gleich nach ſeiner Ankunft, um
Beſtellungen zu machen. Er war ein großer Porzellanliebhaber
und beſuchte die Manufaktur während ſeines Hierſeins ſehr fleißig.
Je Sider und ſchwerer die Porzellane, je ſchöner und voll—
kommener waren ſie nach ſeinem Geſchmack. Da ich dem Könige
etliche von desſelben beſtellten Porzellane zeigte, lachte er über
ihre Schwere, und gab mir den Befehl, daß, wenn desſelben
Beſtellungen fertig ſein würden, ich ſelbige mit noch anderen
Porzellanen, an welchen der Geſandte ſein vorzügliches Wohl—
gefallen gehabt hätte, zuſammen nehmen und ihm als Geſchenk
überbringen ſollte. Ich hatte demſelben ſchon zu verſchiedenen
Malen auf ſeine Einladung meine Viſite gemacht, und war alle—
Deutſche Kunſt.
zeit ſehr höflich empfangen worden, jetzt aber, da ich mich melden
und dabei ſagen ließ, daß ich auf höchſten Befehl Sr. Majeſtät
Ses Königs an den Herrn Geſandten etwas zu überreichen hätte,
wurde mir eine Stunde beſtimmt, in welcher ich kommen ſollte.
Der Vetter des Geſandten, ein ſehr ſchöner und geſitteter junger Türke,
mit dem Reiſeſtallmeiſter, dem Hofmeiſter und einem Dolmetſcher
empfingen mich beim Eingang in das Vernezobre'ſche Palais
und führten mich zu dem Geſandten, der auf einer drei Stufen
hohen Eſtrade, die mit Scharlach belegt war, ſaß und etliche
von ſeinem Gefolge hinter ſich ſtehen hatte. Ich wurde auf das
freundlichſte empfangen und ſobald ich mich des königlichen Auf-
trags entledigt hatte, mußten die vier großen Körbe voll Porzellan
ins Zimmer gebracht und vor ihm ausgepackt werden. Er be—
trachtete ein Stück nach dem anderen auf's genaueſte, küßte viele
derſelben und ließ mich durch den Hofdolmetſcher Francopulo ver—
fihern, daß er niemals ein fo großes Vergnügen und Freude
gehabt hätte, als über diefes foniglithe Befhent. Da alles aus-
gepadt und um ihn herum aufgeftellt war, fand er auf und
neigte fich tief, fete fid) wieder, und ic mußte neben ihm figen,
ein fogenanntes Türtentöpfhen voll trüben Raffee austrinfen und
aus einer von feinem Pagen mir vorgebaltenen alten Schachtel
etliche Stückchen ſchmutziges Zudergebadenes zu mir nehmen.
Er fprad viel zu mir duch feinen Dolmetfher von türkifchen
Geihmad, und wie febr das echte Porzellan zu Konftantinopel
und in der ganzen Türkei geliebet und hodgefthaget wiirde.
Dabei gab er mir die gewiffe Derfiderung, der Manufaktur nad
feiner Zurüdfunft einen guten Abfat ihrer Waaren zu ver
fhaffen. Beim Abfhiednehmen bhefdenfte er mid) mit zwei -
perfifhen, flornen, mit Silber durhmwirkten frauen-Halstiidern,
einer großen Seifenkugel, mit etlihen Padeten türlifhen Tabats-
blättern, und einem Bläschen voll ftarf riehendem Fluidi, Seffen
Beftimmung mir Niemand zu fagen wußte Joe mufte ver-
fpreden, ihn während feines biefigen Aufenthalts öfters zu bee
ſuchen.“
Fürſtliche Beſuche waren meiſt von größeren Ankäufen be—
gleitet, was Friedrid) Sem Grofen um fo mehr Freude bereitete,
als er felbft Erwerbungen oft mit Sen Worten abzulehnen pflegte:
„Sieht er, das ift fhön, und fchöner, als ich's zu Meißen ge-
feben habe; aber ih fann’s nicht faufen, id) babe fein Geld.“
Diefes Intereffe blieb dem Könige bis in die letzten Fabre feines
Lebens, als er einfam und alternd fic) mehr und mebr auf feine
Refidenz Potsdam befchränfte. „Der König wohnte in dem neuen
Schloß und ließ mir befehlen, dahin zu ihm zu kommen. Ich
war gleich den anderen Tag Morgens nach 6 Uhr vor ſeiner
Thür, vernahm aber von ſeinem Kammerhuſaren mit Schrecken,
daß der König vom Podagra und vom Chiraga die allergrößten
Schmerzen erdulden und ausſtehen müſſe. Ich hatte etliche mit
couleur de rose, Ses Rönigs fFavoritfarbe bemalte und vor—
züglid gut gerathene Stiide von der Manufaktur mitgenommen,
die ih, da er mih vor fih tommen ließ, bei feinem Bette
auf einen Tifh ftellte. Kaum daß er diefelben ins Auge be-
fommen hatte, mußte ihm eins nad) dem andern ins Bett gegeben
werden.“
„Den 9. Januar 1781 Fam der König die Wachparadse in
dem auf der Porzellanmanufattur Grund und Boden ftebenden
Ererzier- Haufe zu feben. Beim Jurüdfahren ftieg er beim
Dorderhaufe aus dem Wagen und ging mit dem General-
lientenannt von Möllendorff auf das Hauptwaaren-Lager. Jm
Hinaujgeben fagte er auf der Treppe zu mir: weiß er wohl, wie
lange es fdon ift, daß ich nicht biergewefen bin? Sie werden
indeffen viele fhöne Saden gemadhet haben! Ueber die Vor-
räthe war der allergnädigfte Rönig febr zufrieden, nur befremõete
ihn, daß fo viele davon weiß und unbemalt waren; da er aber
hörte, daß feit einiger Heit der Abfak von bemalten Porzellanen
ftärker als der von weißen gemwefen, dadurd aber auch die Ein-
nabme um fo ergiebiger geworden wäre, fagte er: das ift gut
und daß Ser bemalten bald wieder mehrere vorrätbig fein, dafür
werden fie fhon forgen. Daf das Waarenlager zu enge fei,
wie er mir gejagt bat, Sas fehe ih wohl ein; ih werde es er-
weitern, und die zwei niedrigeren Ylebengebäude dem Corps de
— —
Unter Baldachin thronende Kaiſerin Katharina II. mit allegoriſchen Eckfiguren.
Nach einer Photographie von f. Rullrih, Berlin,
Mittelſtück des Tafelaufſatzes.
Logis gleich boc aufführen laffen. Schon den anderen Tag
fam der Hauptmann von Bontard, um das ganze Bebäude auf
zunehmen und dasfelbe mit den beiden zu erhöhenden Yleben-
Bebäuden in einen Rif zu bringen. Da der König den
12. September 1781 vor der Manufattur vorbeiritt, ließ er mich
zu fih an's Pferd kommen und fragte: ob bei der Manufaktur
viele auswärtige Beftellungen in Anfertigung wären? Auf meine
bejabende Antwort und Benennung einiger Beftellungen von
London, von St. Petersburg, von Warfhau, fagte er: das ift
mir lieb, Sie werden fchon fleißig arbeiten. Leb’ er wohl! Mit
meinen Beftellungen hat es nod) Heit.“
„Schon feit dem 9. Januar 1781 hatte die Manufaktur des
Glüds, ihren geliebteften König bei fih zu feben, wegen des-
felben fo fehr gefhwädten Befundheit entbehren müffen. Erft
beute, den 4. Januar 1784, fam er 3u aller inniger Freude
wieder auf das Hauptwaarenlager und ging durch alle Ub-
theilungen Sesfelben, um die während feiner Abwefenheit zu
Stande gebradhte Erhöhung der beiden Seitengebäude und die
dadurch gewonnene Erweiterung des Hauptwaarenlagers in
Augenfhein zu nehmen. Die ganze Einridtung und befonders
die Ordnung in Aufftellung der Porzellane erhielt Beifall und
überall pezeugte der allergnädigite Rönig feine Zufriedenheit,
nur über die Maler niht, weil fie Sie Mythologie niht fleißiger
ftuðirten. Der Rönig hatte für feine Tafel ein Service mit
Gemälden aus den Ovidifhen Derwandelungen anzufertigen be-
foblen, und zu dem Ende Jemand zu fih nadh Potsdam tommen
laffen, dem er das, was er gemalt haben wollte, in die Schreib«
tafel Siftirte. Da nun diefer Fein Mytholog war, fo war das,
was er aufgefihrieben hatte, fo übel gerathen, daß Niemand
etwas von des Königs Gedanfen daraus abnehmen nod er-
rathen fonnte. Dieferhalb anzufragen, bätte wohl niht gut
aufgenommen werden dürfen, und gleihwohl mußte das Service
fertig gemadt werden, weldes auc gefthab, aber gar nicht nad)
des Königs Sinn. Und fo mußten die Maler des Föniglichen
Beifalls, deffen ihre Arbeiten fo oft gewürdigt worden, jetzt ver-
luftig geben.“
Eine der vornehmften Aufgaben der Porsellan-Manufattur
war die Herftellung Ser Gefthenfe, mit Senen Friedrich der
AUdorirender Ruffe.
64 Deutſche Runf.
Adorirender Kufle.
Große fürftlihde Perfonen zu erfreuen pflegte. Don Ser wabr-
baft fonigliden Gabe, der unfere Nummer gewidmet ift, geben
die Aufzeihnungen des Direktors Grieninger autbentifhe Runde:
„õm April 1772 ift das vom Könige nad felbfteigener Angabe
beftellte und für die ruffifthe Aaiferin zum Gefdent beftimmte
große Deffertfervice fertig und auf einer langen Tafel zum Bee
feben in Ordnung aufgeftellt worden. Es wurde wegen feiner
Seltenbeit 14 Tage, bis die Föniglie Ordre zum Derpaden und
Derfenden gefommen war, an Jedermann gezeiget. Gn der
Mitte der Tafel war die auf dem Throne figende Kaiferin
im faiferlihen Anzug und in mit feinen Kanten gezierter
Rleidung en biscuit. Um den Thron waren mytbologifde
Bottheiten und vor der Raiferin die Themis mit dem durd
derfelben weife Verordnung allen unter ihrem Scepter
ftehenden Völkern neuertbeilten Gefegbuhe, auf welhem die
Worte: Leges novae mit goldenen Buchftaben zu lefen
waren. Unten um en Thron Fnieten von allen zum
ruffifdhen Reich gehörigen Nationen in ihren gewöhnlichen
Trachten nad denen Surh meinen guten Freund, den jüngeren
Heren Profeffor Euler zu St. Petersburg erhaltenen illumi-
nitten Jeidnungen. Ju Siefen war .die Tafel noch mit
vielen ftaffirten mvtbologifhen und anderen Figuren, be-
fonders mit Trophäen und angefetteten Türken in ihren mit
bunten ‚farben ftaffirten verfchiedenen Rleidungen, nebjt einer
großen Anzahl von Tellern und Schüfjeln, von allerhand
beim Deffert erforderlihen Gefäßen und Authaten befetet.
Die Ränder an Tellerin und Schüfjeln waren durdbroden,
reih vergoldet und an einem jeden derfelben C. II. mit
Gold und natürlich ftaffirtem LCorbeerfranze angebracht. Jn
der Mitte waren alle Teller und Schüffeln mit Krieges
sefhichten zwischen den Ruffen und Türken von unferm
gefdidten Bormann vorzüglid fhön mit bunten Farben
bemalet. Löffel, Meffer und Gabeln waren von Silber und
reih vergoldet. Die ganze Föniglihe Familie mit dem
ganzen Hofitaate, die vornebmiten, ja Sie mebrften Ein-
wobner von Berlin famen, um diefes Föniglihe Befchenf
in Augenfcein zu nehmen. Der Sehensbegierigen wurden
sulegt fo viele, Saf das unordentlihe Zudringen faum
Surd die Soldatenwacen, welde alle Zugänge befetzt batten,
fonnte abgehalten werden. Da diefes Service zu St. Peters-
Deutjbe Runf. 65
burg angefommen und dafelbft auf faiferlichen Befehl eben auf
die Art wie bier zu Berlin zur öffentlihen Schau aufgefeßet
worden war, foll fih aud dort eine unzählbare Menge von
Menfhen dabei eingefunden haben. So allgemeinen Beifall
diefes Service erhielt, jo war es dad der Porzellan-Manufaktur-
faffe eben nicht febr eintraglid. Der König ließ nur eine febr
mäßige Summe dafür zablen. Die größte Belohnung für die
Manufaftur war des Rönigs Zufriedenheit über die getroffene
Ausführung feiner Gedanfen.*
Aus diefen Aufzeihnungen läßt üh zunädft nur entnehmen,
daß der Tafelaufjatz angefertigt, in Berlin ausgeftellt und nad)
St. Petersburg befördert worden if, wo er ungeheneres Auf-
feben erregte. Wo er dann geblieben ift, wifjen wir niht, ver-
muthlid in Peterhof. Jedenfalls egriftirte er nur in einem bee
fannten Exemplare in voller farbenpradt. Die alten Modelle
find in den fedsiger Jahren einmal in der Porzellanmanufaktur
bervorgefucht, reftaurirt und zur Herftellung einer Anzahl un-
bemalter Figuren verwendet worden, ie man in London aus-
ftellen wollte, ein Dorhaben, das man aus irgend welden Bründen
fallen ließ. Gm Archiv der Anftalt fanden fic die in Rußland
bergeftellten Skizzen der oben erwähnten Völkertypen, die aber
mit den endgiltig modellirten figuren faum noh irgend welden
Sufammenhang baben.
Ein zweites bisher unbefanntes Eremplar beñndet fih im
Befig der Hoflieferanten Carl Müller & Co., Berlin,
mit deren gütiger Erlaubniß wir den ungefähren Aufbau des
Ganzen, den Thronhimmel mit der Raiferin und ein paar Tro-
phäen und Einzelfiguren reprodusiren.
Es erfheint faft unbegreiflih, wie eines der bedeutendften
Erzeugniffe des dekorativen Beihmads, des Rococo, allmälig
Ser Dergeffenheit anbheimfallen fonnte. Der prädtige 5 fuf
bobe und ebenfo breite
Cafelauffak ijt ein
f À unübertroffenes Mufter
wirkfamen, leidenfch afte
lich bewegten und doc
thythmifd gegliederten
Aufbaus, von dem die
moderne Denfmalpro-
duktion manches lernen
fonnte. Unter dem
tiefrothen, reid) ver-
goldeten Baldadin
thront die Raiferin Ra-
tharina in reider gold-
Geftidter Robe, vom
Purpurmantel umwallt
mit lebhaft triumphi-
render Bebärde nad
linfs gewendet. Die
vier Treppenpodefte
ſchmücken allegoriſche
Figuren im Geſchmacke
der Zeit, unter denen
wir Mars, Bellona,
Herakles und Minerva
erkennen. Die Sockel
find maladitartig
emaillirt, Säulen und
Thronhimmel reich ver-
goldet. Sechs auf
Baumftämmen arran-
girte Trophäen um-
tagen den unteren
Treppenfuß, von gee
fefjelten Sklaven, den
Repräfentanten befieg-
ter barbarifcher Völfer-
[haften flanfirtt. Da-
zwiſchen erheben fic
Afrifaner mit Roffdhweif und Paute,
Einzelfiguren, Solda-
tentypen des ruflifchen
Heeres mit erbenteten
Waffen, und Sieges-
zeihen. Auf Sem
zweiten Treppenabfat
haben fih huldigende
Typen der ruflifchen
Nation verfammelt,
Hofleute in Rococo-
tract und malerifch
gekleidete Bauern, die
Enieend oder fih zu
begeiftertem Treue-
fhwur der rubmvollen
Raiferin entgegen-
redend. Don befonde-
rem Reiz ift Ser an-
muthige Genius, der
über dem Wappen mit
dem Doppelaar feg-
nend einen Lorbeer-
franz hält.
Es ift unmöglich,
den feftlihen Eindrud
des ganzen Runftwerfes
zu fhildern. Man bat
fih unter dem Einfluß
des fogenannten Natu-
ralismus daran ge-
wöhnt, die ganze Runft
es Rococo als ver-
fhnörkelte Unnatur zu
betradhten. Wer fih
davon überzeugen will,
daß gerade im Rococo
die Anfäte einer leb-
haften naturaliftifchen
Reaktion gegen die erftarrenden formen des Barodftils fih
bemerfbar madhen, der ftudire die Anatomie des Yladten im
Cafelauffak Ser Ratharina, den überaus leichten Fluß der Gee
wander, ie Treue in der Wiedergabe der nationalen Typen,
die freie Ausdrudsfähigkeit Ses Mienenfpiels. Dor Allem
aber it als Sas Wefentlidhe des uniibertreffliden Runftwerfes
bervorzuheben die unbedingte Renntnif und Beherrfchung des
Materials, deffen glänzende Oberflähe durch zart geftimmte und
doch nicht nüchtern wirkende farbe gedämpft wird. Die figuren
wirken fammtlic) lebensgroß, alles Nippesartige ift auf das
glüdlidhfte vermieden.
Der große König bat aud bier einen Theil feines Beijtes
verfpiiren laffen, wie er jede Arbeit Ser Porzellanmanufattur
zu infpiziren und zu prüfen pflegte. So trug denn Grieninger
am 17. Auguft 1786 mit tiefem Schmerz in fein Journal ein:
„Schon feit vielen Monaten waren alle Einwohner der Föniglic
preufifchen Staaten zwifhen beftindiger furht und Hoffnung
über ðas niht hoh genug 3u fcdbende theuerjte Leben ihres
allgeliebteften, . böhft gefährlid franf Sarnieder liegenden
Monarden, und heute Vormittag zwifchen 7 und 8 Ubr fam
von Potsdam die bödhft traurige Nahriht nad Berlin von
feinem auf die fhmerzhaftefte Rrankheit an diefem Morgen gegen
5 Uhr erfolgten Tode. Mein Gott! welche düftere Stille!
Meberall nichts als Seufzer und Thränen. Und welder Anblid!
fo viele unter den Waffen grau gewordene tapfere Rrieger ihren
geliebteften Friedrih, unter deffen Befehlen fie fo oft gefieget
baben, beweinen fehen. Niemals ift wohl ein Rönig von feinem
Heere und von feinem Dolfe fo wehmüthig beflaget und betranert
worden. Er war ja auch der Einzige.* Friedrich des Großen
Gründung, die Berliner Porzellan-Manufaktur, bat fih weiter ent-
widelt und Gutes geleiftet, die durch den Tafelauffatz der ruflifchen
Raiferin erreichte Hobe bat fie nie wieder erreicht.
Afiate mit frummem Schwert und Turban,
66 Deutſche Runf.
Ausftellung des Hamburgifchen Künftler-Klubs bei Gurlitt.
ie act Hamburger, die mit ihren Malereien in die Burlitt'fchen
Salons eingezogen find, muthen wie Nahzügler der Modernen an,
9 die zu fpat anfgeftanden find, um den rechten Anjchluß zu finden.
Wir glaubten, der ultraviolette Farbentaumel fei glüdlih überftanden, freuten
ung, daß felbft die Fanatifer nadhgerade eingefeben hätten, die Natur fei
nidt aus flodigen farben-
fleden 3ufammengeflidt, und
„Schweftern" bliden ein wenig fhemenbaft aus dem Rahmen.
Das im
gleihen Maßftabe gehaltene Bildnig eines mütebededten Mannes in Profil
ift nicht ohme Dorzüge, nur liegt aud diejes zu flah auf der Leinwand, und
der Reflery der Landfhaft in Haar und Bart ift doh gar zu intenfiv grün.
Julius v. Ehren ift ein rafher Beobachter und flotter Stizzeur. Jn
zweien feiner Bilder hat er
Enten mit der überzeugenden
da kommt die gefdloffene
Schaar diefer Acht, um offene
Thüren einzurennen. - Sie
bilden fih ein, uns jet noch
das Sehen lehren zu müffen,
und haben felber nidt ge-
feben, was um fle berum
vorging. Die Vertreter des
Smpreffionismus find wie in
der Literatur fo and in der
bildenden Runft in rubigere
Bahnen echter Wiederfpiege-
lung des Wirkliden einge-
lenft. Sie erheben nur nod
Anfprud auf das Derdienft,
nad manderlei Grrungen
ebenfalls Pfadfinder auf
dem Wege zu neuer Runft
gewefen zu fein; und der
fpätfommende Hamburgiſche
Künftler-Alub vermag nicht
mehr einen Rampf der Mei-
nungen 3u entfeffeln. Trot
alledem ftedt Talent in diefen
Alubiften, in einigen fogar
viel Talent; nur fehade, daß
es nod herumerperimentirt,
wo es fid) die Errungen-
fchaften Anderer hatte nuke
bar machen fönnen. Als
farbenftizzen, als koloriftifche
Notizen für fpäter auszur
führende Werke fann man
fih viele diefer Bilder ge-
fallen laffen, nur müffen fie
nicht den Anfprud erheben,
fon fiir etwas fertiges zu
gelten. Wer fid) aufmerffam
in ihre Einzelheiten vertieft,
trägt feinen vollen fünftle-
tifgen Genuß, aber um jo
beftigeres Flimmern in den
Augen davon. Am ertra-
vaganteften gebärden fidh
Arthur Jllies und Ernft
Eitner. Gn des Erfteren
ndtiiblingsfdnee liegt mafji-
ves Diolett auf den Bergen,
Genauigfeit Ses Moment-
photographen wiedergegeben,
ohne doc das Fmpreffio-
niftifhe des Rolorits zu
opfern. Sowohl in „3n der
Dorffdhmiede wie „gm
Altentheil‘ ift zwar Alles
gut ftizzirt, doc fo fledig
und ungenau, daß nichts aus
dem Bilde Mar herausttitt.
Weit beffer it das „ntes
rieur“ der Waſchküche, aber
die „Dorfſtraße“ im Sonnen-
ſchein erſcheint wiederum zu
oberflächlich geſehen und läßt
dem Betrachter feine Einzel-
anfhauung zurüd. Recht
effeftvoll, wenn and über-
trieben nebelbaft ift Paul
Rapfer's „Mondfchein‘
(Ausblid auf eine belebte
Dorfftraße), und neben einer
guten Jnterieur-Sfizze bringt
er ein Bild „Mittagerube*,
Julius Wohlers gelingt
es am wenigften, den Pinfel
flott wie die Rollegen zu
führen; aber fteht aud fein
„Abend im Hiibnerbof in
flarer ‚farbe, fo ift er dob
ein wenig zu babnebiiden
gemalt. Thomas Herbft
dagegen Pann etwas, das
verbirgt fih auh unter ab-
fihtsvoller Flüdhtigkeit nicht.
Jn „Raft auf dem Felde"
und „Straße auf finten-
wärder", guten Skizzen mit
Pferden, fowie in einem
Bildchen mit Rüben bewährt
er ih als Thiermaler; und
in Ser Paftelltednif, fo in
„Straße bei Blüdftadt und
befonders in „Slafhen-
flechterin“, leiſtet er ſogar
virtuoſes. Er dürfte bald
ein ſchnelleres Tempo zum
Diele der Anerkennung ein—
während im „Alpenglühen“
Stumpfziegelroth mit Grün
und Blau zufammengefpad-
telt ift und in der „Mittagsjonne* die Zugfpike fat noh buntjchediger
erfipeint. Diel feiner ift fein „Herbftnebel" am Woajler, über das in ver-
fhwommenen Umrifjen ein Ruderboot gleitet. Das bier gewählte land-
fhaftlide Motiv hat es dem Riinftler fo angetban, daß er es in anderen
Beleuhtungen nod als „Herbftfturm" und ale „Aanal gemalt bat.
Illies und Eitner fhwelgen in Buntheit, dod gelingt ihnen auch ein rubigerer
Eindrud, 3. B. Eitner in „Winter im Frühling“, worin Lenzftifhe fih an-
fprehend duch den Schnee ringt, Jllies in der grünen Tiefe des „Bader
Sees. Eitner bat fih auh im Portrait verfudt. Die lebensgroßen
Trophäe mit gefeffelten Sklaven.
flagen als die eben mit-
firebenden Kameraden.
: . Friedrich Schaper ſcheint
unter dieſen der emſigſte zu ſein, Arthur Siebeliſt als Künſtler der ſolideſte.
Schaper, der in dem vor der Kirche belegenen „Friedhof in Reinfeld“ eine
breite Anlage bekundet und das halblebensgroße Profilbild der alten frau
Mach Feierabend“ intereſſant belichtet hat, auch eine tüchtige Interieurſtizze
mit lugendem Mädchen ausſtellt, iſt in ſeiner Vielmalerei bisweilen flüchtig
und zeigt in „Sonnabend“ 3. B. eine tief zur Erde gebüdte Frau, deren
nadten rechten Arm man für gefpalten halten möchte, fo ungenau ift ein
Strihfhatten über die Haut gezogen. Jn Siebelift's Malweije ift Alles
tobufte Bravbeit, mit der ihm Einiges glüdt, Anderes um fo griindlider
Deutfhe Runft. 67
mißlingt. So find feine „Bauernftube* und fein „Weg zwifchen Weiden“
gute farbenffizzen auf unterfchiedlihen Gebieten; neben recht mittelmäßigen
Landfdaften ift die eine, „Kühe im Schatten“, warmer Anerkennung werth,
während die Landfhaft „Regenbogen hinter der Abficht des Riinftlers zurüd-
bleibt, der in Wafjer, Wiefe und Luft fdon alle Regenbogenfarben grellbunt
verbraudt hat, fo daß für die fhimmernde Naturerfcheinung tein Effett mehr
übrig blieb. Um fo mehr befriedigt der „Lefende junge Mann‘, ein brillant
bingepinfeltes Bildchen, das noch dadurch befonders angenehm auffällt, daß
die den Lehnfefjel bededende Häfelei mit liebevollfter Benauigfeit heraus-
gearbeitet ift. Zu Siebelift hat man das Vertrauen, daß er bald die legte
Eierfchale impreftoniftifcher Abfonderlichkeiten abgeworfen haben wird. Es
ift unbedingt ein Rénner und das ift für den Anfang genug. Ribg.
Portrait und Photographie.
er moderne Portraitmaler giebt eine zufammenhängende umfaffende
Charakteriflif der zu malenden Perfonen oder verfudht es wenigftens.
Die vorübergehende Stimmung oder Stellung würde das Bildnif
in eine Benrefcene verwandeln. Die Malerei hat die Mittel in der Hand,
die als Banzes erfaßte PerfSnlicdfeit in diefer idealifirten Form der Nachwelt
zu überliefern; fie braudt es nidt zu thun und foll es gewiß nicht: aber
im Allgemeinen pflegt man den Portraitiften als den größeren Riinftler 3u
fhäßen, der es verfteht, uns die ganze geiftige Bedeutung einer Perfon im
Bilde Mar zu madhen. Anders die Photographie. Man beberzigt noch immer
viel zu wenig, daß bei der Lichtbildnerei die Büte des Apparates fo gut wie
Alles und der Handwerker, der ihn regirt, fo gut wie Nidts ift. Der Apparat
aber balt immer nur den einen beftimmten Moment feft; und wenn der ab-
zunehmende Runde in diefem Augenblide nit „bedeutend ausfah', fo ift es
feine Schuld, nicht die des Handwerkers. Der Apparat fieht feine feelifchen
Vorgänge, keine geiftigen Vorzüge; er halt fic) rein an das Aeußerlihe, dann
aber mit einer folhen Genauigkeit, daß er Dir aud) nicht eine einzige Sommer-
fproffe fhenft. Sein Dortheil vor dem Maler befteht in dem blibfdnellen
Erfaffen und Fefthalten einer beftimmten Stellung, eines fhnell wedjelnden
Ausdruds. Macht man doh im Atelier Perfonenaufnahmen mit dem Brude=
theil einer Sekunde. Bier hat die Photographie ein Mittel, ihre ureigene
Individualität zur Geltung zu bringen; denn aud fie it etwas Befonderes
für fi, ein echtes Material ebenfogut wie Marmor, Silber oder farbe, wenn
fie nit etwas anderes fheinen will, als fie ift, wenn aus ihr herausgeholt
wird, was ihr feine andere Tehnit nahmakt.
Und nun fehe man fih daraufhin die Auslagen unferer großen Photo-
graphen an, die ih fo gern Riinftler tituliren. Was der Retoudeur leiften
fann, ift gefhehen. Er Pann aber nur fortnebmen, 3. B. Gommerfproffen,
aber nichts hinzufügen. Alles Pofe, im beften falle gefhidte Vertheilung
Sefammtaufbau des Tafelauffages der Kaiferin Katharina.
Nadh einer Photographie von f. Rullrih, Berlin.
—
— y
TA FP I SETAT, =
68
Deutfhe Runft.
von Liht und Schatten, bübfhe Drapirung von Seide und Pelzwerk u. f. w.,
aber fein Momentbild im obigen Sinne des Wortes. Die Schuld liegt theils
am Publikum, theils am Photographen. Zunädft einige Sünden des Erfteren.
Da zieht fic der junge Mann einen funfelnagelneuen Anzug an, der nod) fteif
am Rérper figt, in den nod nicht die dur längeres Tragen haratteriftifhen
falten gedrüdt find. Er þat fih eine abenteuerlihe Kravatte umgebunden
und einen Cylinder aufgefegt, die man beide an ihm nicht gewohnt ift; er
bat fi einen Scheitel ziehen oder Loden brennen oder gar den Bart ab-
ſchneiden laſſen
u. f.w. Nun fommt
der Photograph
und fekt diefes
fonntäglib aus-
gepubteMenfden-
find hübfch gerade
auf einen She-
mel, 3upft die
Rodhälften fym-
metrifch und preft
den Ropfin einen
Schraubftod, daß
das Opfer Hals-
fhmerzen be-
fommt. Nun das
Gefidt:: nidt fo
ernft! nidt fo
fidel! -Nun be-
fommt die Miene
fo etwas wie
woblwollende
Bleihgiltigfeit, mit der man etwa im Aquarium an den Tiefjeethieren vorbeigeht,
vorausgefegt, daß man fein Naturforfcher ift. Warum bedienen fih Publitum und
Photographie des erwähnten Dortheils nicht, warum werden ftatt Augenblidsbilder
im fohönften Sinne des Wortes nur LTlihephrafen gedredhfelt? „Das ift sod
nun einmal niht Mode" fagt das Publifum. Es bat aber gar nidts zu
fagen, es foll erzogen werden. „Das it Sade der Amateurphotographen",
fagen verädtlih die Berufshandwerfer. Die Amateure betreiben als Zeit
vertreib, was tiefer Ernft und eingehendes Studium fein follte. Außerdem
£. von Hofmann,
Supraporten von
enn man einmal das Fazit der Entwidelung der modernen
Malerei zieht, wird man zwei Hauptpoften nicht vergeffen
dürfen, die ihr gut zu fihreiben find: den Brud mit der er-
ftarrenden Linienführung der Antike und die Wiedereinfegung des Rolorismus
in feine dSeforativen Rechte. Giebel und Lunette d. b. mathematifh aus-
gedrüdt Dreied und Bogen bedingten bis vor einem Jahrzehnt den Umrif
der Rompofition, heute find fie freie Bildumfpanner, die nicht einengen, fondern
umgrenzen. Sobald es fih früher um eine Wanddeforation handelte, be-
gannen Ralf und Tünde einen unheilvollen Einfluß auszuüben, die Farbe
verlor ihre frifhe Leuchtkraft, fan in den Untergrund ein und nahm tapeten-
hafte Dämpfung an, heute behält fie ihre fatte Frifche, legt fic) mit felb-
fändiger Wirkung vor die gleichgiltige Flähe und belebt fie mit un-
gebrohenen Tönen.
Wer L. von Hoffmann's Werdegang, als den eines ftarfen, wenn aud
nidt einwandfreien Talentes, mit aufmerffamem Auge verfolgte, fonnte mit
Sicherheit vorausfagen, daß feine Begabung einmal eine Foloriftifh-deforative
Ridtung einfhlagen würde. Es ift dem Rünftler gelungen, gewijje Mängel
der Zeihnung zu einer Art von Stil umzubilden, der als Banzes genommen,
eigenartig wirkt. Hofmann's Bilder find von einem zarten Farbenreiz um—
geben, der märdenhaft romantifh über die Bedingungen fdrperbafter Ge-
ftaltung binaushebt und in ein Zauberland verfegt, in dem Anatomie und
Perfpeftive nicht gelehrt werden und fo ihre wiffenfhaftlihe Beglaubigung
verlieren. Seine fFarbengebung iiberfeRt die Wirklichkeit ins zart Ver-
fhwimmende und wandelt die Natur in ein von fanftem Licht überftrömtes
Traumbild. - £L. von Hofmann's Werke tragen einen buccolifch » elegifchen
Charakter, auf defen Ausbildung der römifhe Aufenthalt nicht obne Einfluß
geblieben fein dürfte.
Supraporte für die Dilla v. d. Heydt.
fcielen fie 3u viel nad rechts und links; man fehe fih nur ihre Ausftellungen
an. Da foll eine ehrlihe gute Aufnahme bald als Tufhezeihnung bald als
Bleiftift- oder Kreidezeihnung oder fonft etwas wirfen. Warum denn? Es
glaubt ja dod Feiner! Oder aber, es werden allerhand Scherze gemadt:
unfharf eingeflellt, damit „holländifhe Ylebelftimmung‘ berausfommt, oder
gegen die Sonne photogtaphirt, und dreift und gottesfüchtig „Mondfchein-
ftimmung* datunter gefdhrieben. „Stimmung“ in einer Photographie! Sie
fann zufällig darin liegen, dann follte man doch nicht durch die Unterfchrift
fo thun, als ob
man fie Surd
eigenes Derdienft
bervorgezaubert
hätte! Und nun
gar die Unter-
foriften! Wenn
ein frauenzimmer
am Meere ftebt,
ift es eine „Sap-
pho“; wenn fih
ein alter Redal-
teur an feinem
Arbeitstiſch in
müder Haltung
photograpbiren
läßt, fo find es
gleid) ,,Todesge-
danten" ein frau-
lein im Roblbeet
ift ,, friiblings-
ahnen“ und der»
gleihen mehr. Das muß dem Befhauer die aufridtige Freude an der
gelungenen Aufnahme zerftören. Die Ausftellung im Berliner Reihstags-
gebäude hat gezeigt, daß die deutfhen Amateurphotographen Hervorragendes
leiften, warum wollen fie den guten Wein dur gefhmadlofe Etikette
verderben? Für das nähfte Jahe find wieder große Ausftellungen geplant;
boffentlid wird bis dahin die unretoudirte Portraitphotographie, was
harakteriftifhe Haltung und Umgebung betrifft, mehr fultivirt als bisher. Sie
ift aufridtig und daher fünftlerifh im beften Sinne des Wortes.
£. von Hofmann.
Das ,,Gdyll der Berliner Ausftellung 1896 hatte in Herrn C. v. ©. heydt
einen Liebhaber und Käufer gefunden. Don ihm ift die Anregung zum
Schaffen dreier Supraporten ausgegangen, die zum Schmud feiner Villa
am Rhein beftimmt find. Wir verdanken feiner Büte die Erlaubnif zu den
vorliegenden Reproduktionen.
Es ift bezeihnend für L. von Hofmann's Eigenart, daß er es vermeidet,
feinen Werfen einen beftimmten Ylamen zu geben, und wir haben feine Der-
anlaffung, fie unberufen zu etifettiren. Ein Bach durdriefelt den Rafen einer
Thalmulde, aus der im Hinter- und Mittelgrunde geradlinige Stämme empor-
ragen, während fih feitlih leicht gefhwungene Rofenzweige aufranten. Gn
leichtem Tanzfchritt fhwebt in durdfidtigem Gewande, hinter dem zurüd-
geworfenen Haupte die Hände freuzend, eine mäddhenhafte Beftalt daher, der
zwei Befährtinnen, fid umfchlungen baltend, folgen. Die Lenzesfonne lictet
die farben und Frühlingswehen baufdt die flatternden Bewänder. — Heller
Sonnenfhein überglänzt die Fnfel eines von Felfen umgrenzten Bergfees.
Darauf prangen in rofigem Bliiben zwei märdenbafte, botanifh unbeftimm»
bare Baume. Am Ufer läßt ein Weib die Hülle des Gewandes fallen, um
dte Glieder in der Fluth zu fühlen. Ueber dem Ganzen laftet lihtjhimmernde
fommerlihe Schwüle. — Am Rlippenrande enttaudht eine Nymphe der tief-
blauen Meerfluth. m Schatten eines breitäftigen Baumes auf der felfen-
infel bläft ein nadter FJüngling de Flöte, deren Tönen die Befährtin lauft.
Was die leife bewegten fluthen raufhen, was die Nymphe fingt, in den belden
jugendlihen Geftalten wird es zur Harmonie, zur hörbaren Tonfolge, die fanft-
fhwellend von þerbftliher fruhtreife erzählt. — Wenn L. von Hofmann die
Stimmung der Jahreszeiten darftellen wollte, dann fehlt — für feine Eigen-
art bezeihnend — der Winter, orafelt der pedantifche Arittler. Uns genügt
es, daß in den drei Supraporten ein frifhes, dafeinsfrohes Naturempfinden
— —
Deutſche Kunſt.
zum Ausdruck kommt, dem das Blühen und Wachſen lieber iſt, als das
Welken und Vergehen. hier liegt der Keim der Geſundung der Modernen.
Wer fih, wie L. von Hofmann, aus den bpfterifhen Sentiments zur jugend-
ftarfen Empfindung durcharbeitet, deffen Befühlsfprahe darf auf Derftändniß
rechnen, fo fremdartig fle aud) 3unddft den anmuthen mag, der fih aus der
Ronvention mit Rraftanftrengung in den Naturalismus hinübergerettet hat.
Was bei dem Maler der Supraporten nah Ausdrud ringt, tann fih nicht
mit der Wiedergabe der Wirklichkeit begnügen, weil es ein nnerliches, Perfön-
lihes if. Es
fhafft füh eine
eigene farben-
und formen-
fpradhe, deren
Deflination und
Syntar in der
äfthetifhen Rlipp-
foule nod nicht
gelehrt wird. Daf
diefe Sprache
über die erften
Yaturlaute hin-
aus ift, » bewet(t
gerade ihre
zwanglofe Ein-
fügung in den
Rhythmus der
dekorativen Runft.
Das eigentlide
Bild liegt per-
fpeftivifh hinter .
dem abfichtlih dunkel gehaltenen Rahmen der Supraporte, aber aus feinem
Organismus heraus wadhfen Pflanzengebilde, die ih an der Umrahmung
hinaufwinden. Ueppig blühende Rofen umfränzen das erfte Bild, Scilf
fproßt am Ufer des Bergfees und Wafferrofen erblühen an dem Felfen, auf
Die Kunft in
n das fonft fo ftille Wiener Kunftleben ift feit einiger Zeit erftaunlide
Bewegung gefommen, an der Architeftur, Malerei und Skulptur
zugleidh ihren Antheil haben. Was man an Anregungen nidt aus
heimifhen Mitteln beftreitet, holt man fih sans façon von auswärts. So
madt dem Hofbau-Comité dte Ausftattung der nnenräume des voll-
endeten neuen Traktes der Hofburg befondere Schmerzen. Da find die Herren
Hofrath Wetfdl, Minifterialrath R. von Forfter und verfchiedene Bauräthe
auf die Reife gegangen, um fih zunächft in den bayerifhen Rönigsfhlöffern
Rath zu holen. Yad Befidtigung der Bauten in Münhen, Nymphenburg,
Würzburg, Bamberg wird Franfreid) befudt, um in Paris, Derfailles,
St. Clouds Studien zu machen. Ueber Lyon reifen die Herren dann nad
Turin, Genua, Rom und Neapel und treten über Florenz dte Riidreife nad
Wien an. Die Reife verfolgt den Zwed, zu ftudiren, was von den Éin-
tidtungen der befihtigten Schlöffer für den Burgbau beniigbar fein würde,
und einen Uebergang zu fhaffen von der ftreng italienifhen Renatffance der
Facade zur inneren Einrihtung, weldhe in franzöfifher Renaiffance gehalten
fein foll Wenn die Herren diefen Uebergang draußen gefunden paben,
werden fie das Befehene hoffentlih fo gefhidt zufammenfliden, daß die
etlettifhen Nähte nit allzu fihtbar find.
Daß man übrigens gar nicht jo weit zu reifen braucht, um fih arditet-
tonifhe Anregungen zu holen, beweift der im Rathhaufe ausgeftellte Pavillon
der Stadt Wien für die Jubiläumsausftellung. Der preisgekrönte Entwurf
der Bebrüder Drerler ift eine glänzende Probe des neneren „Wiener Stils.
Der Eingang ift von Pylonen flanfirt, welhe Wappen und Mauerkrone tragen.
Um Fuße der Pylonen befinden fih allegorifhe Frauengruppen, die das Auf-
blüben der Riinfte und Wifjenfchaften, des Handels und der Jnduftrie dar-
ftellen. Der Eingang wird von einem Giebel beberrfdt, in deffen fries die
Derherrlihung des Raifers durch die gebildeten Völler dargeftellt ift, gerdnt
von einem fhwebenden Genius. Hinter dem Giebel erhebt fih eine gewaltige
Ruppel; die an die Pylonen fi anfchließenden Edpavillons find mit einem
reihen fries deforirt, in welden fic die meunzehn Wappen der Wiener
£. von Hofmann, Supraporte für die Dilla v. d. Heydt.
69
dem das jugendlihe Paar ruht, während bandartige Lilienblätter fi bis zu
dem Laubwerf des Baumes binreden. Das Banze erfheint belebt, von
Stimmung durdhwebt, es raunt und redet vom Weben der Natur, das es
jugendfrifch hineinträgt in die Wohnräume der Menjchen.
Wir find der todten Formenfpradhe der Renaiffance müde bis zum
Ueberdruß und laufen Gefahr, uns ausländifhe Jdiome anzugewöhnen, die
dem deutfdhen Obre fremd Elingen. Gebt man der franzöfelnd anglifirenden
und japanifirenden Manter auf den Grund, fo findet man nidts als defadentes
Epigonenthum,
das wit uns nidt
aufórängen laffen
dürfen, fo lange
wir uns zu felbft-
ftandigem Sdaf-
fen ftar? genug
. fühlen. Nur aus
dem deutfden
Naturempfinden
heraus fann eine
neue deforative
Runt erſtehen,
die den Bediirf-
niffen unferes
Dolfes entgegen-
fommt und 3u
ihm fpridt in
feiner eigenen
Sprade. Ob
fhon £. v. Hof-
mann die redten
Naturlaute gefunden fiir das redende Ornament, nad Sem wir uns febnen,
mag den äfthetifhen Zweifler und Tiftler befhäftigen. Wir freuen uns der
Töne, die er anfchlägt, weil fie aus dem Zauberwalde der deutfhen Poefie
berausfdallen, balb vergeffen und doch feltfam vertraut. 6. m.
DOefterreich.
Eemeindebezirke, ornamental ineinander verfhlungen, aneinanderreihen. Die
Innenräume gliedern fih im mehrere Dorfäle, die den Einblid in die Central-
halle geftatten, in der fih das Raiferdenfmal erhebt, von allegorifhen Figuren
umgeben. Jn einem vierzig Meter langen fries fommt die Huldigung der
Wiener Bevölkerung für die Schaffung von „Broß-Wien" zum Ausdrud.
Das Bild des Raifers befindet ih im Halbrelief an der Rüdwand und ftellt
den Moment dar, wie dem Monarchen von der Wiener Bevölkerung für feine
Beftrebungen zu Bunften der Stadt eine Arone dargereiht wird. Fm Ginter-
grunde fieht man die jubelnde Menge mit Palmwedeln, Fahnen und Standarten.
Zu Füßen des Bildes befindet fih der große Wiener Plan in einem Maße
von über fehs Meter Höhe und fieben Meter Breite. Das alte Wien vor
fünfzig Jahren ift in grauer farbe gehalten, das jetzige Broß-Wien in rother
farbe. Der Feftraum wird dur eine einzige, 36 Quadratmeter große Glas:
tafel eingededt, welhe in Ematlglasmalerei den Adler der Gemeinde Wien
in foloffalen Dimenfionen enthält. y
Inzwifhen ift man aud auf eine wiirdige Dertretung der Oefter-
reihifhen Aunft auf der Parifer Weltausftellung 1900 bedadt.
Dem Spezial - Comité gehören an die Herren: Seftions-Chef Graf Latour
als Dorfitender, der General -Rommiffar Hofrath W. f. Erner, dann der
Maler Hugo Darnaut, Baurath Deininger, Maler Eugen Selig, Bildhauer
Profeffor Hellmer, Arkitett Profeffor Rönig, Bildhauer Rihard Rauf-
fungen, Maler Profeffor von Lichtenfels, Maler Karl Moll, Ober-
baurath Profeffor Wagner und Seftionsrath Freiherr von Wedbeder.
on den erften Sigungen wiirde allfeitig anerkannt, daß das Hauptgewidt
auf eine forgfame Auswahl der Runftwerfe und weniger auf den Umfang
der Ausftellung gelegt werden folle. Der Dorftand der Benofjenfhaft der
bildenden Rünftler Wiens, Maler Eugen Felir, richtete an die Regierung einen
Appell, daß durd Ertheilung größerer Staatsaufträge die Schaffung von be-
deutenden Runftwerfen fiir die Parifer Ausftellung gefördert werde. Der
Dorfikende theilte mit, dağ der für diefe Ausftellung beftimmte Aredit wohl
nit für eine derartige Aktion herangezogen werden fönne, wohl aber habe
+ See — —
— L
TE
70 Deutfhe Runft.
das Unterrihtsminifterium durd Ertheilung von Anftrdgen auf Recnung: der
ftaatlihen Runfttredite den öfterreihifhen Riinftlern Gelegenheit gegeben,
größere felbftftändige Runftwerfe zu fhaffen. Gegenwärtig fei eine ziemlich
große Zahl folder Aufträge in Ausführung begriffen, welde vorausfidtlid
bis zur Parifer Ausftellung vollendet werden dürften. Die hierfür zugefagten
Rünftlerhonorare betragen jet fdon 158000 fl. Die nädfte Aufgabe des
Speztal-Tomites wird in der Derfendung der Einladungen zur Betheiligung
der öfterreihifhen Rünftlerfhaft an der Parifer Weltausftellung beftehen,
wobei das Augen-
mer? in erfter
Linie auf die Ge-
winnung bervor=
ragender Runft-
werke duch un-
mittelbaren Per-
fehr mit Rünftlern
und Runftfreun-
den gerichtet wer-
den foll.
Aud in
den Bildhauer-
Ateliers
herrfcht reges Le-
ben, das die
vollſte Oeffent⸗
lichkeit nicht
ſcheut. In dem
binter der Ro-
tunde belegenen
Pavillon arbeitet
zur Zeit Profeffor Weyr. An fertigen Arbeiten ftebt hier der große
filberne Prunffchild, eine der Jubiläumsgaben, welde im nädhften Jahre dem Raifer
von Oefterreic) überreiht werden foll. Der Auftraggeber ift dem Riinftler
felbft unbefannt; man vermuthet die Stadt Wien. Die Mittelgruppe enthält
eine allegorifhe Huldigung vor der Raiferftatue. Redts und linfs davon
find in Hautrelief die habsburger Herrfher wiedergegeben; allegorifhe figuren
weifen auf die vielfeitige Thätigfeit des Monarchen bin. Den inneren Rand
des Schildes bilden die Wappen fämmtliher Provinzen in Elipfenform an-
geordnet, die im ihrer emaillirten Ausführung befonders dekorativ wirken.
Neben diefer Arbeit geht die reizende Giebelgruppe für das „Hufarenhaus‘
am Graben ihrer Dollendung entgegen, beftehend aus Tauben und Rindern
in etwas über Lebensgröße. Zwei Foloffale Löwen aus Bronze werden den
fünftlerifhen Abfhluß der neuen Hafenbauten an der Donau bilden. für
die Stadt Tetjhen ift ein Brunnen beftimmt, welder die Wiedergabe einer
dortigen Lofalfage zeigt, außerdem find einige ftimmungsvolle Brabdenfmäler
in Arbeit. Gntereffant ift, daß die Außenthürme dlefes Ateliers dem
Publifum in weiteftem Umfange geöffnet find; weder Meifter noh Schüler
lafjen ib durh die Schaaren der Yleugierigen in ihrer Arbeit ftören. Hier
zeigt fi wieder einmal die merfwürdige Thatfache, daß der Mann aus dem
Dolfe weit mehr Achtung vor der Arbeit hat als der fogenannte Bebildete.
Er betrachtet jhweigend in refpeftvoller Haltung den Fortgang der Arbeit,
während diefer fih nicht felten in fhön flingenden Phrafen ergebt. Profeffor
Wepr fonftatiert mit vielem Dergniigen, daß beftimmte Leute aus dem Volt
immer wieder famen, daß der fortfdritt eines Runftwerfes fie mit derfelben
Spannung erfüllt wie ein Roman. Er fteht auf Sem Standpuntt, daß
nidts der Entwidelung der Runft fo förderlih ift, als fortwährende Be-
tührung mit dem Leben, daß amdererfeits duch diefe freiwilligen Befucer
ein gewiffes Gntereffe und DVerftändnig der Runft in die breiten Mafjen ge-
tragen werde. Das Vorgehen des Wiener Profeffors ift gewiß nadhahmens-
werlh; ob fic) aber viele Riinftler mit fo gefunden Nerven finden werden,
daß fie dur die meiftens redht banalen Bemerkungen der gaffenden Menge
in ihrer Arbeit nicht geftört werden, möchten wir dann doch feher bezweifeln.
on der Stille reift indeffen im Atelier Zumbufdh das, Modell des
Reiterftandbildes des Erzherzogs Albredt der Dollendung entgegen.
Der Erzherzog ift in der Benerals-Rampagne-Uniform und in Pantalons, die
in hoben Rébrenftiefeln fteden, dargeftellt. Auf dem Kopfe trägt der Erz-
herzog den Generalshut mit berabgelaffenem Sturmbande, die rehte Hand
hält den Marjhallsftab, die linte die Zügel des mäßig ausfchreitenden Pferdes.
Der Ropf des Erzherzogs, der übrigens eine ‚geradezu erftaunlihe
£, von Hofmann,
Supraporte für die Dilla v., d, Heydt.
Portrait-Aehnlichkeit zeigt, it etwas nadh linfs gewendet. Die Dorderfeite
des Sodels wird eine Gnfdrifttafel fdmiiden, die von zwei Benien gehalten
wird. Auf diefer in Bronze auszuführenden Tafel, die foeben im Atelier ge-
formt wird, befindet üh die Infhrift: „Feldmarfhall Erzherzog Albrecht
von Oefterreih 1817—1895." Das Denkmal dürfte im Auguft nädften Jahres
enthüllt werden -
Da fih Wien befanntlih vor einiger Feit entfdloffen hat, endlih «ud
feine Maler- Sezeffion zu haben und diefe dod nicht fofort aus eigenen
Mitteln beftreiten
fann, ift der
tiibrige Runft-
händler Artin
in die Brefde
gefprungen, bat
fi) eine Sezefjion
von auswärts
verfdricben, die
nun in den Salen
der Gartenbau-
gejellfhaft den
guten Donau=
ftädtern eine ge-
linde Bänfehaut
verurjadt in Er-
wartung der
Dinge, die etwa
die einheimifchen
Modernen!
bringen werden.
Mar Slevogts
„Grüner Domino", „Ritter Blaubart und „Danae“ entfeffeln eine rabiate
Rritif, deren Widerfprüche ung heute nicht mehr aufregen fönnen.
„Der Name Slevogt", heißt es in einem der Tagesblätter, „bedeutet den
dernier cri der modernen Malerei; wo immer er in einer Ausftellung auf-
taucht, ruft er die fanatifcheften Parteiungen wah — was in Wien zweifellos
grade fo eintreten wird wie anderwatts. So wird wenigftens Wien endlid
wieder einmal auf dem Gebiet der bildenden Aunft fein Ereigniß haben."
„Nein, Bott Lob!" ruft die fonfervative Rollegin aus, „da hat Wien denn
dod nod) andere und minder unäfthetifhe Ereigniffe auf diefem Gebiet.
Dor allem miifite ein fo freder, graufamer Realismus mit ftupender Technik
Hand in Hand geben, wie es bet Antoine Wierk in Briiffel der fall war,
dann erft fönnte von Parteiungen die Rede fein. Go aber rufen wir wie
Mephifto unter dem Hodgeridt: „Vorbei, vorbei!" Selbft Sirle, Uhde,
Trübner, Thoma rufen hier Disfuffionen hervor, über die wir längft zur
Tagesordnung übergegangen find. Wer noch irgend etwas auf tubigen
Runftgenuß, auf faubere Malerei und ordentliche Hiftorie halt, rettet ih ins
Rünftlerhaus, wo Werefhtfhagin mit feiner Wanderausftellung gefhicht-
liher Bilderbogen von anno 1812 angelangt ift. Napoleon I., mit Pelzmüte
und Obrenflappen dofumentarifh belegt, der ehte Schlitten, mit dem er aus
Rußland herausgefliidtet, da kennt man fih dodh noh aus und erinnert fih
mit behaglihem Vergnügen an das, was man als Junge gelernt hat.
Auf dem Gebiete des Runftgewerbes bereitet fih ebenfalls eine Bährung
vor. Die Schülerausftellung der Runftgewerbefdule war, gelinde gefagt, ein
wenig langweilig ausgefallen. „Man fah da vortrefflide Leiftungen aus der
Cifelirfhule des Profejlors Stephan Shwart, aus dem RKlok fen Atelier für
Holzfhnigerei, aus dem unter Stork’fher Oberleitnng ftehenden Spikenturs.
Aud in den malenden Fahfhulen der Profefforen Rarger und Math fand
fih Hoffnungsvolles. Jn der allgemeinen Abtheilung endlich lehrten Profeflor
A. Binzel und fein Schüler, Dozent A. v. Renner, mit beftem Erfolg, was von der
früheren fogenannten „Stillehre" noch übrig geblieben.‘ Aber diefe Refte
wollen eben nidt viel befagen, wo man fid immer mehr überzeugen muß,
daß unferem Runfthandwerf der innige Zufammenbang mit dem modernen
Leben verloren gegangen ift, und man begeiftert fih — aud ein wenig
post festum — 3dgernd fiir die franzöfifhen Möbelftoffe und die englifhen
Tapeten von William Morris, die gleihzeitig im Kunftgewerbemufeum aus-
gefellt fnd. Hoffentlih erleben wir nun niht auh in Wien jenen Nad-
ahmungstaumel, der das Runftgewerbe im Reih zwifhen ödeftem Naturalismus
und raffinirteftem Manierismus bin- und herfhwanfen läßt. Dielleicht erinnert
man fih, daß der Wiener „Befhmad fih einmal eines gewiflen Rufes erfreute,‘
— 2
ET r= x
Deutſche Kunſt.
71
II. Uphues. Brütt.
Die Doktorfrage, ob der männ—
lichen oder der weiblichen Schön—
heit der Vorzug gebührt, iſt ſo
lange unlösbar, als es Männer
und Weiber giebt, die ihr Befchleht
nicht verleugnen fönnen, wie denn
auch afthetifche Fragen von fubjer-
tien Cuft- und Unluftgefiiblen nicht
zu trennen find. Mit der banalen
Gegeniiberftellung von Rraft und
Anmuth ift nihtauszufommen, aber
es läßt fih von ihnen ausgehend
immerhin ein relatives Refultat er-
zielen. Jedenfalls ftellen Kraft und
Anmuth die unterfchiedlihen Haupt-
vorzüge der beiden Befihlehter dar.
Die Rraft äußert ih am ausdruds-
vollften in zwedbewußter Anfpan-
nung, die Anmuth in er maf-
vollen Ruhe oder in fpielender Be-
wegung d. 6. die Schönbeite-
fonfurrens Ser Gefchledter wird 3u
einer Musfel- und fleifhfrage. Die
Epidermis des Mannes foll die
Rérperftruftur verrathen, die des
Weibes fie verhüllen. Die weibliche
Schönheit liegt in dem Fufammen-
fluB, Sie mannliche im Aufeinander-
ftofen und Durhfchneiden der
Sladen. Ueber ie Glieder des
zarten Gefhledts gleitet das Licht
in gleihmäßiger Weife bin, in
denen des ftarfen Gefdledts ver-
fängt es fid und wird urh
Schattenpartien unterbrochen.
J. Uphþues ift, wie es der
afademifche Unterricht noch immer
bedingt, von den Körperabftraf-
tionen der Antife ausgegangen.
Dagegen läßt fih natürlich nichts
einwenden, fobald rechtzeitig die
Reaktion 5. b. die Rüdfehr zur
J. Uphues. Natur, zum eigenen Sehen eintritt.
Aus Abftraftionen lafjen fih tebr-
bafte Formeln ableiten, das Unlehrbare will felbit errungen fein.
Wenn wir zur Deranfcdaulidung der bildnerifchen Eigenart Uphues’
gerade den Bogenfhüten gewählt haben, fo gefhah es, weil fid)
bier am deutlichjten Ser mafvolle Charakter feiner Kunft aus-
fpridt. Was ihm von Ser Antike geblieben ift, avon zeugt
der feine Sinn für die Antithefe Ser Bewegung im Nadten.
Dem ftraffen Stand des linten Beins entfpriht die nad Ab-
fcdnellung des Pfeils erfchlaffende Haltung des gefrümmten
tehten Arms; mit dem geftredten linfen Arm, der den Bogen
aufredt, forrefpondirt das redte Spielbein mit leicht vor-
gefhobenem Knie. Die Wahl des Moments nad dem Scuffe
it eine ungemein glüdlihe, gerade fie ermöglicht die erwähnte
Diagonale Ser Bewegung, die Wbwedfelung zwifhen nod gee
firafften und fhon erfclaffenden Musfellagen. Die geradlinige
Körperhaltung wird urh Sie Drehung des Oberfsrpers nad
linfs unterbroden, der fih die Wendung des dem Ziele in der
Luft folgenden Kopfes zwanglosanfdhließt. Esiftein Jünglingsmann
in reifer Rorperfraft, den Uphues in einem WAugenblide darftellt,
der eine maßvolle Anfpannung diefer Kraft verlangt. Das Nagte
war unerläßlid, wo es fic darum handelte, die Rörperbewegung
nad einem fernen, bod liegenden Augenpunft bin im präcifer
Form zum Ausdrud zu bringen. Ein befleideter Bogenfhüße
war unintereffant für den Bildner wie für den Befchauer.
Bogenſchütze.
Das Nackte in der modernen Bildhauerkunſt.
Was wir von der fFlächenbehandlung des weiblichen
Körpers gefagt haben, läßt fih faum an einem anderen Bild-
bauer befjer veranfhauliden, wie an Brütt. Seine weibliden
Geftalten find weder natiirlid nod) geziert anmuthig, fie find
sunddft und vor Allem wabr und in diefer Wahrheit malerifch.
Mafvolle Bewegung erzeugt den oben erwähnten Gliederflug
als ein Ungezwungenes. Die Uadtheit ift bei ihm ftets durch
die Situation bedingt, unbewußt, niemals mit dem Befdauer
fofettirend. Selbft feine Schwerttänzerin fchielt niht nah dem
Publifum, fie „arbeitet“, wie es ihr als Artiftin zufommt, die
Yladtheit erfdeint ibe als eine Aeußerlichkeit ihres Berufes. Das
Gleidhe gilt unter anderen Verhältniffen von feinem ,,Badenden
Madchen. Es ift überaus reizvoll, wie die gewollte Bewegung
bier durch eine fonfurirende Empfindung momentan gehemmt wird.
Der Körper ift zum Sprunge bereit, aber gleichzeitig zittert ein
Schauer vor der Kühle des Wafers über ibn hin, Sie Arme
breiten fih wie abwehrend aus, die Kniee prefjen fih zufammen
und der Blid mißt bei vorgeneigtem Haupte Sie Tiefe. Alles
it auf den Moment berechnet, in der nädjjten Sekunde ftraffen
fih die leife zitternden Glieder und tauden woblig in Sie noh
eben gefürdteten Wellen. Brütt gehört zu den wenigen Bild-
bauern, die eigentlich in gar feinem bemerfbaren Sufammenbange
mit Sem Yadten der Antife ftehen. Seine formengebung nimmt
von dem Modell gerade fo viel als fie braudt, ohne darum
nad) irgend einem berühmten Mufter zu idealifiren. Das Lebens-
element feiner Runft ift bei aller bildnerifhen Sicherheit das
Malerifhe, das wohl abgewogene Spiel des Lichts auf der
weid) gefpannten Hautflähe. Die weiblihen Beftalten Briitt’s
find felten felbftherrlic) gefhaffen, fie verlangen nadh einem
Milieu, das ihre Stimmung be-
dingt und die Art ihrer Yladtheit
beeinflußt. Das Spiel der un-
befleideten Glieder deutet die
Situation an und zwingt die
Einbildungsfraft, es fih azu zu
fhaffen. Was auf diefem Wege an
ftatuarifcher Gefchloffenheit verloren
gebt, wird an malerifhem Reiz ge-
wonnen. Die Art, in der Briitt
das Nadte behandelt, verleiht ihm
eine individuelle Ausdrudsfähigkeit,
die fonft nur der Schweiterkunft
der Malerei zugänglih if. Er
hat eine Vorliebe fiir leife fdwel-
lende formen, über denen die Haut
fi jpannt, verborgene Kraft ver: /
rathend. Dabei nähert er fidh
durchaus nicht dem matronalen Ty-
pus der Antife, wie ihm etwa
unfere liebe frau von Melos dar-
bietet. Auch die Renaiffance bat
es ihm nicht angethban. Es liegt
in feiner Auffafung des fihönen
Nadten ein fpezififh germanifcher
Hug, der bei allem forgfältigen
Yaturftndium an Dürer und Alde-
grever erinnert. Seine freude an
der Anmuth des weiblihen Rör-
pers ift aller Sinnlichkeit bar, fie
ergößt fic an dem Mebergange
der weichen Linien und an dem
fanften Schwellen der Flächen,
ohne der Einbildungsfraft dielleber-
fhreitung der auf den Genuk hin-
weifenden Grenzen zu geftatten.
Seine weiblide Madtheit ift echt
fünftlerifch, weil fie zuerft, und vor
Allem Runft ift. G. m.
—
N
Brütt.
Badendes Mädchen.
72
Vermifchtes.
Kuriofa aus Afelier und erkflaft.
Gedanken üher hildente Kunfl.
Eine Ausftellung von Katenbildern.
Einen Ragen- Raffael haben wir fon einmal gehabt;
wenn man einem Beridhte der „Fcankfurter Zeitung‘ glauben .
darf, hätten wir, wenn wir wollen, aud eine Ragen-Angelifa
Raufmann. Henriette Ronner heißt fie, aus Belgien
gebiirtig, und bei Hermes in frantfurt a. M. hat fie aus-
geftellt — eine mehrere Dugend Nummern umfaffende Sammlung, -
die „den Runftfreund mit hohem Refpeft, den Rakgenliebhaber
jedod) mit hellem Entzüden erfüllen müffen.“ Da wir den
Runftfreund bier fhwer von dem Ragenliebhaber trennen fönnen,
wollen wir uns nit verfagen, ein paar lallende Laute jenes
„hellen Entzüdens“ vermifcht mit denen des „hoben Refpelts‘
wiederzugeben, wie fie der RKritifus des Frankfurter Blattes zu
finden weiß. „Wer Raten oft und gern beobadtet, der wird
vielleiht mit uns gefunden haben, dağ andere hervorragende
Ragenmaler wohl aud den Körper des Thieres mit der wunder-
voll grazidfen, gefhmeidigen Regung feiner Linien ftudirt haben,
daß aber die Darftellungen vielfah den Beigefhmad von
„Rompofition", von Abfichtlichfeit verrathen, mitunter fogar
ein wenig die Luft zum Thierfabuliren, d. b. Sie Neigung, in
die Thiergeftalt gewiffermaßen menfhlihe Charafterzüge hinein-
tragen. Frau Ronner hat nidts von diefem ‚Fehler; fie erfhaut
die Rake mit voller Schärfe, aber zugleih mit voller Ylaivetät,
und da ihr virtuofer Pinfel allen ihren Abfihten bis in die feinften Yüancen
des Ausdruds zu folgen vermag, fo ergeben fih daraus Schilderungen,
die mit der ganzen Gewalt reiner Natürlichkeit auf uns wirken. €s ift
wirtlih eine feltene malerifhe Kraft, die folhe Effefte zu bannen, folde
Rontrafte zu einen weiß. Jm Blanze eines und desfelben Auges glauben wir
da holdfelige Liebenswiirdigfeit und bodenlofe Niedertradt und Falfchheit auf-
leuten zu feben . . . Rakennatur! Eine reizende Rompofition, die aber den
oben berührten febler des ,,Romponirens" von Ragenbildern nicht aufweift,
ift das größere Tableau „Coquetterie": vier junge Ragden umfpielen einen
Spiegel, während die Rakenmama woblgefallig und wadfam auf den einen
Sprößling herabfihaut, der, auf den hinteren Pföthen ftehend, mit den vorderen
eben Unterfuhungen über die Realität feines Gegenüber hinter dem Spiegel-
glas anftellt. Die Bilder und Studien, zumeift in Oel ausgeführt, datiren
alle ert aus den legten vier oder fünf Jahren — eine Frau in den flebziger
Fahren hat fie gemalt! Man wird, wenn man aud das nod in Betradt
zieht, von den Pöftlihen Schilderungen einen niht leicht 3u vergeffenden Ein-
drud mit hinwegnehmen.*
_ Der Rtitifer der Frankfurter Zeitung ift jedenfalls ein leidenfcaftlider
Ragenfreund und cs ware unrecht, ibm böfe zu fein, wenn er ung aus der
Tiefe feiner Empfindung zuruft: „Wenn Sie eine Ragenfunft haben wollen,
dann haben Sie fie."
Buriofa aus Atelier und Merkftatt.
— Ein Riefengemälde. Der Maler James Tiffot in Paris bat im
Auftrage der Dominikaner für ihre 17 Meter hobe Rapelle im faubourg
Saint Honoré einen Chriftus tm foloffalen Mafftabe vollendet. Chriftus ift
vom Riinftler hinter dem Altar aufrecht ftebend gedacht; die Figur bat eine
Höhe von 15 Meter; indeß fiebt man nur den Oberkörper, und zwar über
einem gewaltigen Säulengeländer. Dom Hintergrunde der Rapelle oder and
in der Nähe gefehen maht das Gemälde den Eindrud, als trate Chriftus
aus dem dunfelblauen Himmel hervor; von feinem zwei Meter hohen Haupt
geht eine Aureole von goldenen Strahlen aus, und er öffnet den Gläubigen
feine Riefenarme, die 15 Meter von einander abftehen. Ueber feinem Haupt
[hwebt eine Taube mit drei Meter Fliigelweite. Chriftus trägt das Gewand
der Leviten aus weißem Linnen opne Naht und darüber, weiß auf weiß, den
wollenen Prophetenmantel. Die figur ift von Welnreben umrabmt, dem
Sinnbild des Abendmahls. — Don einer 15 Meter hohen Einzelfigur fann man
fid) in unferer pygmäenhaften Zeit faum eine Dorftellung machen, zumal es
fid nicht um Mofaif, fondern um ein Stesfogemälde handelt. An einer
Taube von drei Meter Fliigelweite erlabmt die Phantafie, felbft wenn fie den
bl. Geift vorftellen foll.
— Modell und Stempelfhneidetunf. Die neuen Schweizer goldenen
Swanzigfrantsftüde feinen ein Begenftüd zu den bekannten Frankfurter
Thalern bilden zu wollen, die mit der Gnfchrift A. v. Nordheim verfeben find,
einem Namen, hinter dem fih angeblid eine Beliebte Rotbfhild's bergen follte,
während es fih doh nur um den Stempeljhneider handelt. Zu dem Münz-
bild hatte ein Berner Oberlander Madchen, Anneli Stalder in Brienz, Modell
geftanden. Yun fchreibt die Schweizer numismatifhe Zeitfhrift: „Zu loben
fei hödftens die Wahl eines nationalen Modells für den weibliden Ropf.
Dagegen fei es total verfehlt, ein junges Mädchen zur Helvetia zu wählen.
Viel beffer als ein fo unerfahrenes Ding bätte eine wadere frau und Mutter
auf die Münze gepaßt; an ftattlihen, ja fhönen Geftalten in der Dollfraft
des reiferen Alters fehle es ja in der Schweiz nit. Noch verkehrter fei der
Ausdrud im Befiht; es fei, als ob das Schweizer Mädchen voll Sehnfuht
nah dem Shak ausblide. So geht's eben mit den Allegorien! Der eine
denkt ih die Schweiz als Matrone, der andere als Badfifh. Die Sebnfudt
nah dem Schatz — darin miiffen wir der numismatifchen Zeitfehrift Recht
geben — if auf einem Boldftüd nist fo ganz am Plage.
Gedanken über bildende Bunf.
Jm Pofitiven die Poefie feftzuhalten, fheint mir die Aufgabe des
Rünftlers zu fein.
*
Der wahre Styl kommt dann, wenn der Menſch, ſelbſt groß angelegt,
nah Bewältigung der unendlihen Feinheiten der Natur, die Sicherheit erlangt
hat, in das Große zu gehen.
Mit.einem Worte: Styrl iſt richtiges Weglaſſen des Unweſentlichen.
*
Der ſogenannte Realiſt bleibt immer im Detail ſtecken. Realismus iſt
die leichteſte Kunſtatt und kennzeichnet ſtets den Verfall. Wenn die Kunſt
das Leben nur kopirt, dann brauchen wir ſie nicht.
*
Das Werf mag viele fehler haben, aber eines muß man ihm laffen —
originell ift es. So fpreden gewifje Leute und ziehen die Augenbrauen n
die Höhe.
Was ift originell? Alles und Jedes in der Welt ift fhon einmal da-
gewefen und leider faft immer beffer. Was aber aus der tiefiten Seele des
Menfhen kommt, ift Semungeadtet immer originell.
Anjelm Feuerbad.
Deutfdhe Runf. `
Preisausfdreiben fiir eine Hodpzeits-Medaille.
Wir verdffentliden im Madftehenden an ungewohnter Stelle
den Wortlaut eines Preisausfchreibens, das uns foeben furz vor
der Drudlegung aus dem Preußifhen Rultusminifterium zugeht:
„Es befteht der Wunfch, eine Hocdzeits- Medaille oder Plakette
prägen zu laffen, die geeignet ift, als Hodhzeitsgefhent Derwendung zu finden
oder für die Angehörigen der Eheleute als dauernde Erinnerung an die
Hochzeitsfeier zu dienen.
Zu diefem Bebufe wird ein Wettbewerb für preußifhe und in Preußen
lebende andere deutfhe Rünftler ausgefchrieben.
Derlangt. wird ein Wahsmodell in, der drei-, vier- oder fünffahen Bröße
der Ausführung, deffen Durdhmeffer oder längftes Maß mindeftens 20 cm
beträgt und 30° cm nicht überfhreiten darf.
Die form der Medaille oder Plakette ift dem Ermefjen des Riinftlers
anheimgeftellt. Es können eine oder beide Seiten fiinftlerifh ausgeführt
werden. Auf einer Seite ift Raum vorzufehen für eine einzugravirende
Gnferift, welche mindeftens das Datum der Ehefchliefung, thunlihft aber auch
die Namen des Ehepaares enthalten foll.
Das Modell muß forgfaltig urdgearbeitet fein, fo dağ es nah Der-
fleinerung duch die Mafchine für Herftellung des Stempels .benukt werden
tann. Die Infchrift ift in einem beliebig gewählten paffenden Beifpiele voll-
ffändig zu entwerfen. Dem Modell ift eine Photographie beizugeben, welde
es in der von dem Riinftler fiir die Ausführung beabfidtigten Per-
Meinerung zeigt.
Feder Entwurf muß mit einem Rennwort verfehen fein. . Außerdem ift
ein gefdloffener, dasfelbe Kennwort tragender Briefumfhlag beizugeben, in
weldem fid) die Angaben über Namen und Wohnung des einjendenden
Rünftlers befinden.
Die Einlieferung der Modelle bat
bis zum 25. April 1898, Nachmittags 5 Uhr,
im Bureau der Röniglihen Akademie der Rünfte in Berlin NW., Univerfitäts-
ftraße 6, zu erfolgen.
für den beften Entwurf wird ein
Preis von 2000 Marf
ausgefetzt. Ferner werden dem Preisgeriht nod) 3000 Mark zur Verfügung
geftellt, um weitere Preife zu vertheilen, foweit befriedigende, eines Preifes
würdige Löfungen eingehen. Als Preisgeriht ift die preußifhe Landeskunit-
fommiffion beftellt.
Der unterzeichnete Minifter beabfihtigt und behält fih das Redt vor,
den urh den erften Preis ausgezeichneten und geeigneten falls nod andere
preisgefrönte Entwürfe in Bronze oder Silber ausführen zu laffen und für
amtlihe Zwede, befonders zu ‚Gefhenfen für öffentlihe Sammlungen oder
Anfalten, zu vervielfältigen. . Die Vervielfältigung zum Swede der Der-
werthung verbleibt in allen fällen dem Rünftler. Befondere Dereinbarungen
mit demfelben über Benugung der angefertigten Prägeftempel werden vor-
behalten.
Nadh erfolgter Beurtheilung werden die Entwürfe unter Angabe der
Namen der pfeisgefronten Riinftler öffentlih ausgeftellt. Die Nennung der
Rünftler, weldhe feine Auszeihnung erlangt haben, erfolgt nur auf deren
Antrag.
Berlin, den 1. November 1897.
Der Minifter
der geiftlichen, Unterrihts- und Medizinal-Angelegenheiten.
Boffe.
Das fo angefiindigte Preisausfchreiben ift mit befonderer
‚freude zu begrüßen, weil es bezeugt, wie man aud) an maf-
gebender Stelle bemüht ift, die heimifche Runftpflege oder —
prägnanter ausgedrüdt — die Runft im Zufammenbange mit Haus
und familie zu pflegen. Wir werden Gelegenheit nehmen, fhon
in nadchfter Heit durch Tert und Bild zu veranfhaulidhen, wie
man in der deutfhen Vergangenheit folde Medaillen und
Plafetten zu erfinden und tehnifh zu geftalten pflegte.
Die Küneburger Bauernftube.
Bei dem Wettlauf nah dem neuen Styl der deutjhen Zimmereinridtung
ift man fhon wiederholt bei der Bauernftube angelangt. Die Bauernftube
von damals foll das Herrenzimmer von heute fein. Ob man aud die echte
Lüneburger Banernftube nahbilden wird, weldhe legthin im Mufeum zu Celle
zufammengeftellt it? Die Realiften, Naturaliften und Deriften unter unferen
Wobnungseinridtungsreformatoren werden ihre belle Freude Saran haben.
Ueber der in den Flett führenden Thür find roh aus Holz gefdhnigte Pferde-
fopfe angebradt; die leiten UWeberbleibfel des uralten Pferdekultus neben
der Barbe, die man fiir des Ollen n Peerd ftehen läßt. Gm Slett befindet
fih der niedrige, frei ftehende Heerd aus Feldfteinen, zwifhen ihm und der
Wand die alte Bank. Ueber dem Heerd, herab von dem hölzernen
Rahmen hängt der große Reffel an einem Reffelhaten; legterer war einft das
widtigfte Hausgeräth für die Bedeutung des Rechtes des Haufes und Hofes,
erfheint daher auh oft in adligen Wappen.
Der Rahmen diente zugleih als Ffeuerfhurdede für den darüber befind-
lihen Boden. Zm braunen Bört fteht Zinngefhirr, daneben das Butterfaß,
der Holzkloß mit Holzeimern, der Hadeblod mit Beil. Während am Tage die
Sonne durh grün bleigefaßte Scheiben fiheint, dient Abends die madtige
Rienleucte als Lampe. An der anderen Seite fteben Haspel- und Spul-
geräthe, fowie ein fchdner Eihenfhrant. Jn der, Mitte der Stube (Dönze)
felbft, laftet auf feinen Rugelfiifen ſchwer der eihene Tifh; unter den alten
Schiebfenftern zieht ih die lange Anechtebant bin; an der Wand fteden in
einem Lederhalter Gabeln und hölzerne Löffeln; ein Webftubl, der riefige
Ubrfaften, Rrüfel mit Doht und Gel, Brautfhoppen aus Zinn, ein Ofen von
1670 mit blauweißen Figuren und Landfhaften vervollftändigen die Ein-
tihtung, natürlich fehlt auh der Sonntagsftaat des Schulzen (Anlehofe,
‚blauer Rod, rothe Wefte, blante Rndpfe) und der Schulzin (Boldhaube) nicht.
Was wird wohl die moderne Mobelinduftrie mit Stefer vom ftrebfamen
Celler Mufeumsverein gegebenen Anregung machen?
Eine alte chinefifche Technik.
— £. von Hofmann hatte im Aunftfalon von frig Gurlitt - Berlin
jüngft ein paar dekorative Holztäfelhen ausgeftellt, die auf vertieft aug-
gefhnittenem, in den Umrifjen gerigtem und leicht bemalten Grunde
pbantaftifhe Szenen, Bruftbilder und Landfchaften boten. Die Wirtung diefer
Dereinigung von Schnitarbeit und leiht farbiger Hebermalung war ungemein
reizvoll. Es ift für Rünftler und funftliebendes Publitum gleih inter-
efant, 3u erfahren, daß eine ähnlihe Tehni? in China bereits vor einem
halben Gabrtaufend geiibt wurde. Der unten theilweife abgebildete Prunt-
fhirm entftammt der fiiddinefifhen Proving Roromandel und wurde im
14. Jahrhundert angefertigt. Die Ornamente fnd aus dem Ladgrund in ver-
tieftem Relief ausgefhnitten und zartfarbig polpdhromirt, ganz wie in den
Hofmann’fhen Holztafeln. Die Art der Ornamentirung ift dadurd befonders
74 Deutſche Run ſt.
intereſſant, daß ſie zeigt, wie die Chineſen ſchon in der früheſten Kunſtübung
fih als Naturaliſten im beſten Sinne des Wortes gaben und dod). iiberall
die Geſetze des vertieften Rellefs zu wahren wußten. Die eine Seite des
Schirmes weiſt blühende Baumzweige auf, die ſich in natürlicher Veräſtelung
über einen Waſſerſpiegel neigen.
geäderten Blättern hervor. Vögel und Libellen flattern über die leicht ge-
fräufelten Wellen. Die andere Seite zeigt zierlihe Bronzevafen, aus denen
an fein gefhwungenen Zweigen Ordideen, Chryfanthemen und Tulpenbaum-
blüthen auftragen. Die Art, wie all die zierlihen Sähelhen über die Fläche
bingeftreut find, iff von einer naiven Ungezwungenbeit, wie fie im Runft-
bandwerf faum je wieder erreiht worden ift. And das Alles vor einem
halben Gabrtanfend! Man muß fih unfere Elfenbein- und Holsfdnigereien
deffelben Zeitraumes vorftellen, um fih flar zu werden, daß es im 14. Jahr-
hundert in Oftafien ein Rulturvolf gab, von dem unfer Runfthandwerf foeben
wieder zu lernen beginnt.
Die durdh £. von Hofmann — fider ohne Renntnif
folder Dorlaufer — gegebene An-
regung verliert Such diefe Reminiscenz
natürlih nichts von ihrer fünftlerifchen
Bedeutung. Dielleiht dient fie dazu,
den zur Plage gewordenen, unbebolfenen
Rerbfhnitt im Deutfhen Haufe- ein
wenig zurüdzudreängen. Die Möglidy-
leit der Reproduftion verdanfen wir
der Wagner 'jhen Runfthandlung
(5. Paedter) Berlin.
Berlin. — Die perfönlide
Initiative des Kaifers im Runft-
angelegenbeiten findet in der Preffe
nit immer die Wertbihätung, die fie
in Anfprud nebmen darf. Man follte
fih tro gelegentliher Meinungsver-
f&hiedenheit freuen, daß ein fürt an
der Spike des Staatswefens fteht, der
im Runftfhaffen eine bedeutungsvolle
Aeuferung des Nationalbewußtjeins
fieht und ihm demgemäß dauernd feine
Aufmerkfamteit zumendet. Daf er
dabei feinem eigenen Bejhmad folgt,
it ebenfo natürlih, als daß ibm alle
mögligen Leute den ihrigen octroyiren
mödten. Soviel ift fiher erreicht, daß
in den Werkftätten der Reiheshauptftadt
in einem für Berlin überaus fihnellen
Tempo gearbeitet wird.
Die Arbeiten am Raifer-
Wilbhelmdentmal werden unter fteter
Theilnahme des Raifers emergifch fort-
gefeßt. Der Bildhauer Göt ift mit
dem Entwurf für Bitter und Randelaber
befhäftigt. Gn das erftere werden
drei Reliefs eingefügt von ovaler form.
Das eine zeigt die fikende Geftalt
dk Schönheit, wie fie in anmuthiger
Bewegung ibr berabflutbendes Haar
ordnet; zur Seite ftebt ein Pfau.
Auf dem zweiten Relief ift die Weisheit
veranfhanliht duch ein Weib, das,
den Rérper nad vorn geneigt, ernft
finnend in ein Buch fis verfentt, auf
das die Strahlen der Morgenfonne
fallen; daneben fitt eine Eule. Die
Weisheit ruht auf einer Architektur, die
arabesfenartig gebeimnifvolle Zeichen
trägt. Das dritte Relief verkörpert die
Kraft in Geftalt eines jugendftarfen
Mannes in rubender Haltung, deffen
= Blit auf einen Löwen gerichtet ift.
Die Kandelaber erhalten eine Bröße von
Chinefifher Prunffhirm.
Rothdornartige Bliithen lugen aus fein -
etwa zwei Meter und werden von Raiferfronen überragt, an den vier Eden
treten farpatidenartige befliigelte Jdealgeftalten hervor, die unten in Ronfole
verlaufen. Die bildnerifhen Arbeiten werden in vergoldeter Bronze aus:
geführt.
Die Entwürfe für die bildnerifche Ausftattung am äußeren Aufbau des
Domes, mit denen Profeffor Vi. Beiger betraut ift, fehreiten rüftig fort. Eine
der Mittelfiguren der act Gruppen fingender Engel, welde die Hauptfuppel
umgeben follen, it inzwifhen im Modell vollendet. Ste ragt inmitten
Guirlanden haltender Putten in dreifaher Lebensgröße auf und wird in
Kupfer getrieben werden.
für die Siegesallee find inzwifhen die Gruppen der zweiten Jahres-
ferie von den Bildhanern Profefforen Baumbad, Carl und Reinhold Begas
in Angriff genommen worden. Der nah Stuttgart berufene Arditelt Halm-
buber þat allerdings die baufünftlerifhe Leitung niedergelegt, aber die Aus-
führung der erften Nifchen in Marmor ift fo weit vorgefdritten, daf fie fon
in nädhfter Zeit die Siegesallee [hmüden werden. Aud für den Neubau der
Hohfhule für die bildenden Rünftle und für Mufif zeigt der Raifer ein dauerndes
Gnterefje. Bei der Aonkyrrenz, die im vergangenen Jahre ftattfand, war das
Terrain am Joologifhen Garten, auf dem fih jest der Sportplat des
Weftens befindet, zu Grunde gelegt worden. Man bat fih aber dann ent-
fhloffen, den geräumigen Plaş zur Verfügung zu ftellen, der zwifchen
Hardenbergftrafe, Fafanenftraße und Rurfürftenallee gelegen ift. Durd eine
Rabinetsordre des Raifers find im Juni diefes Jahres die Arditeften Rayfer
und von Broßheim, deren Entwurf in der Ronkurrenz den erften Preis er-
halten hatte, beauftragt worden, den Bau auszuführen und zunädit ein
neues Projeft für den nun gewählten Plaş auszuarbeiten. Diefes Projekt
ift jett fertiggeftellt und der Prüfung des Rultusminifteriums unterbreitet worden.
Die Entwürfe für den inneren
Shmud der Erldferlirhe in Jeru—
falem läßt fih der Kaifer in allen einzelnen
Theilen vorlegen und orönet die vorzunehmenden
Aenderungen felbft an. Neben den Glas-
fenftern, die im Föniglihen Jnftitut für Glas-
malerei bergeftellt werden, ift der funfivolle
Taufftein zu erwähnen, der von regierenden
Fürften geftiftet wird. Hierzu gehören anc
ein Lamm Gottes, ein Adler, der die Bibel
trägt, und eine Reibe von ornamentalen
Löfungen. Die Modelle werden in der Berliner
Sunfersdorffdhen Bildhauerwerkftatt bergeftellt
und dann an Ort und Stelle von deutjhen
Bildhauern ausgeführt. Zur Ausführung des
Baues wird Stein, der in Paläftina gefanden
wird, verwandt. Der Entwurf fiammt von
dem wirflihen Gebeimen Ober-Baurath Pro-
feffor Adler, in defen Händen aud die oberfte
Leitung liegt.
Der perſönliche Verkehr des Kaifers mit der
Rünſtlerſchaft iſt ein überaus reger. So wurde
der Maler W. Koſſak, der Ende Oktober
von einer Studienreiſe nach Frankreich zurück—
gekehrt war. ſofort zum Bericht empfangen.
Der Känſtler hat dort die Stätten in Augen-
fhein genommen, Ste er in feinem Rundgemälde
„Die Campagne von ISI4" zu fhildern gedentt.
Während der Audienz, der aud die Raiferin
beiwobnte, legte Roffal dem Herrfherpaare die
bereits fertigen Skizzen zu einem der Bilder,
das eine Epijode aus der Schlacht bei Champe-
aubert behandelt, vor.
Die ftädtifhe Runftpflege, infofern
fie fid) in Ser Deputation für Runftzweige ver-
förpert, ftudirte eifrig die Modelle für die
Dichterbermen im Diktoriaparf und fab, dağ
Alles gut war. Pradt bat Heinrid) von
Rleift im Augenblid des Sihterifhen Schaffens
dargeftellt; der Ropf ift in finnendem Ausdrud
ein wenig gefenft. Die rehte, bis gur Hals-
fraufe emporgebobene Hand hält den Bänfe-
fiel; Ser linfe Arm ift leiht auf den Sodel
Chineſiſcher Prunkſchirm.
An
Deutfde Run ft.
geftiikt, und die Hand faft in ein Manuffript, auf weldes der Mame Heinrid
von Rleift gefdrieben ift. Ein um den Ueberrod gelegtes faltiges Gewand umgiebt
den fblanfen Sodel, deffen Dorderflähe mit Lorbeerzweigen, Mobnblume und
einer fih darum züngelnden Schlange verziert ift. Die Herme Mar von Schenten-
dorf's ift von Reidel geftaltet. Ueber den Waffenrod des Liikower Jägers
legt fih auf der Schulter der Mantel, defen Faltenwurf die linfe Hand zu-
fammenbalt; die rechte faßt eine Rolle, die des Dichters Namen trägt. Dem
Bildhauer Wend war die Aufgabe zugefallen, den Sänger von „Lever und
Schwert‘ darzuftellen. Wud Körner trägt die Uniform des Liikower Jägers,
dazu die Adjutantenfhärpe und über die linte Schulter gebreitet den Reiter=
mantel. Den fug der Herme fhmüdt im Flachrelief die von Putten getragene
Lever. Hans Latt hat Ernft Mori Arndt in fohaffender Thätigkeit dar-
geftellt. Die rechte Hand faßt den Ganfefiel, die auf der Bruft rubende
Linte hält das Manuffeipt des Liedes: „Der Bott, der Cifen wachen ließ.“
Don der linten Schulter fällt der Mantel auf den Sodel hernieder, deffen
Fug von einem Cidenband umflodten ift. Uhland ift von Mar Rrufe in
tubiger Derflärung wiedergegeben. Riidert's Denfmal ift ein Wer? des Bild-
hauers Lepde. Aud Rüdert ift im Augenblid des poetifhen Schaffens dar-
geftellt, mit dem Ganfetiel in der Rechten und einem offenen Screibheft in
der Linten. Am Fuße des Sodels liegt in anmuthiger Haltung eine Putte,
welde in die Seiten der Leier greift. Zu übermäfßiger Anftrengung der Ein-
bildungsfraft gab die geftellte Aufgabe feinen Anlaß, man Fonnte mit Putten,
Lorbeer, Federfiel und Manuffript wohl ganz gut ausfommen, und der fhön
angelegte Diktoriaparf wird fdon feine Schuldigfeit thun, um den Runſtwerken
zu erhöhter Beltung zu verhelfen.
Münden. — Gn den letzten Tagen der Internationalen Runftausftellung
wurde „Die beilige Naht" von Walter firle von einer Bremer Runft-
freundin angefauft, um fie der dortigen Runftballe zum Bejhent zu maden.
Leider ift für Münden im neuerer Zeit ein ähnlicher Fall niht zu ver-
zeihnen. Es find fhon viele Jahre, dap das „Spiel der Wellen" von A.
Bödlin durh Herrn Baron Wendelftadt in NMeubeuren, „Die Sintbfluth" von
£. Willroider Surd Heren R. Moffe in Berlin, „Die Sünde" von Ff. Stud
durh Herrn Haniel in Heimhaufen für die neue Pinafothef erworben wurden;
feitdem ift diefer Sammlung durch Private fein Runftwerf mehr zugewendet
worden. Dielleiht regt das erwähnte Beifpiel zur Nadeiferung an und wirkt
dabin, daß auh von Mündnern der bayeriihen Staatsfammlung werthvolle
Bereicherungen zugeführt werden. Jm Runftverein fonzentrirt fid Sas Jnter-
efe um Eduard von Bebhardt's „Jünger von Emaus" und Egger»
Liens’ ,,Schwur der drei Tiroler 1809". Auf dem Bilde von Gebhardt
ift Chriftus den Bliden der beiden Jünger foeben entrüdt; fie fhauen in er-
fhüttertem Staunen nad) oben, während die alte Magd, die mit einem Licht
zur Thür hereintritt, fih verwundert zeigt, dağ von den drei Tifchgenoffen
der eine jo fpurlos verfhwunden ift. Hat man fih einmal über das eigene
Staunen ob des Feblens Ser Hauptperfon fortgefegt, fo fann man ih an
der ernften Arbeit eines Riinftlers erfreuen, deffen religiöfe Bilder ftets von
auftihtiger Befühlsinnigkeit Surdhdrungen find. WAud) die Hiftorie von Egger-
Lienz zeugt von dem hoben fünftlerifgen Ernft und der Einfachheit der Mittel,
mit denen gefdhichtlihe Ereigniffe erfaßt fein wollen, um auf den modernen
Menfhen einen über den Theatereffeft hinausgehenden Eindrud zu machen.
Dresden. — Den pradtigen faatlihen Neubauten wird fid nun
aud der Landtagspalaft anfcliefen, der auf dem Schloßplat zwifchen der
Brübl’fhen Terraffe und dem“ Stallhof gegenüber der fatholifien Rirdhe
errichtet wird. Das alte finanzminifterialgebdude ift bereits niedergeriffen
worden, dod) mug auh das Briibl'fhe Palais nod fallen, da fi heraus-
gefellt hat, daß Schwamm und fäulnig an den Balken ihr Zerftörungswerf
begonnen baben und die Mauern der Feftigkeit ermangeln. Damit geht der
Feftfaal im oberften Gefhoß verloren, der ein fhönes Beifpiel der meifter-
haften Gnnendeforation des vorigen Jahrhunderts war. Gebeimrath Wallot
bat dafür geforgt, Saf wenigftens alle werthvollen Einzelheiten erhalten
bleiben: die Wandfüllungen des Saales find photographirt und die Reliefs
im Treppenhaufe abgeformt worden; fie werden vermuthlid im Neubau
verwendet werden. Das große Silvefter'jhe Dedengemälde zu erhalten, würde
bedeutende Koften verurfahen; ob diefe daran gewendet werden können, iſt
noch fraglich. Der Wallot'ſche Neubau für das Ständehaus wird im All—
gemeinen die Geftalt eines unregelmifigen Diereds haben und fidh um einen
großen Kichthof gruppiren. Die Seiten nad der Terrafien- und nach der
Bribl'fhen Gaffe werden einfah ausgeführt, die eigentlihen Schaufeiten
fommen nad dem Sdhlofplak und nad der Auguftusftraße zu liegen. Auf
beiden Seiten treten fräftige Säulenftellungen vor. Der Brundriß ift von
meifterhafter Alarheit und Bequemlidfeit der Anordnung. Die Schaufeite
nad dem Scloßplage wird fo geftaltet fein, daß fih das geplante König
Albert-Dentmal der Architektur anfchließt. :
Rarlsrube. — Die Creignijje der legten Woden find die Enthillung
des Raiferdenfmals und die Eröffnung der nenen Miethsfale
des Runftvereins, Das Raifersenfmal von Heer ift ein hervorragender
Actien-Gesellschaft
vormals
— B—-—
Fabrik für
H, Gladenbeck & Sohn |
Bildgiesserei
Friedrichshagen b. Berlin.
Wilhelmstrasse 76/77
Giesserei für Denkmäler und Werkstätte für
Bronce-Architectur.
Beleuchtungs-, Garten- und Grabfiguren.
Salonbroncen.
— Büsten, Statuetten, Gruppen in Bronce- und Bronce-Imitation. —
Musterlager:
Berlin S., Wasserthor-Strasse 9.
Verkaufsmagazin:
Berlin W., Charlottenstr. 23, vom 15. November cr.
Max Hoerder.
Unter den Linden, Hötel Bristol.
76 I Deutfhe Rung.
Zs
Schmud der badifhen Hauptftadt. Gn der Gefammtgeftaltung, in der
Silhouette, die ih dem aus der Raiferftrafe heranfommenden Befdauer
darbietet, it das Denkmal voll fünftlerifher Schönheit. Die Aehnlichkeit,
der würdevolle und gütige Ausdrud, die Haltung im Ganzen laffen nidts zu
wünfchen übrig. Der auf die linte Seite gebogene Ropf des Roffes maht
die Beftalt des Raifers jhon von Weiten fihtbar. Auch die beiden Figuren
vor und binter dem Sodel, den Frieden und die Gefchidte vorftellend, find
von edler Auffaffung. Yur die Reliefs find fhon wegen der verfdiedenen
Mafe der Figuren nit ganz einwandfrei.
Die einzige, dem Runftverein zur Verfügung ftebende Räumlichkeit,
der Saal in dem eigenen Gebäude des Vereins am Schloßplat, war für die
geftiegene Mitgliederzahl und den wadfenden Befuh fhon feit längerer Zeit
nicht mehr ausreihend. Der Dorftand hatte einen glüdliben Gedanfen, als
ec die urfpriinglidh 3u einem Café beftimmten Säle in dem Neubru am der
Ede der Raifer- und Waldftraße miethete. Gn diefen follen fiinftig die Runft-
werte ausgeftellt werden, die längere Zeit bier bleiben, während der ältere
Saal die rafcher wechfelnden Ausftellungen aufnimmt.
Gm Ausftellungsfaal des ftädtifhen Archivs ift eine Sammlung von
Werken altdeutfber und niederländifher Rupferftid- und Radir-
funft aufgelegt. Die Sammlung gehört zu jener auferordentlid werthvollen
und umfangreihen Rolleftion von Stihen und Zeihnungen, Aquarellen,
welde die Erben des verfiorbenen Beheimratbs Ferdinand Singel dem
ftädtifhen Archiv als „Ferdinand Singel'fhe Sammlung zugewendet haben.
Wiesbaden. — Der nah dem Beichluß der Feftfommiffion fiic die
Enthülhingsfeier des Raifer Friedrih-Dentmals zu Gunften eines neuen
Shiller- Dentmals ftattgebabte Derfauf von Tribünenbillets bat den
Erlös von 5658 Mark ergeben. Hierzu fommt der vorausfidtlid einige
Taufend Mark betragende Ueberfhuß aus dem Raifer Stiedrih-Denfmalfonds.
Es ift begründete Ausfiht vorhanden, daß diefer Fond fih bald vergrößern
wird, und daß fomit der ‚Frage der Errichtung eines neuen würdigen Sciller-
Denfmals wird näher getreten werden können.
Ueber das in der Saalburg bei Homburg v. ©. Höhe zu erridhtende
Mufeum römifher Altertbümer verlantet feit der Raijerrede in Wies-
baden mandes neue. Das Mujeum wird ein Reids-Limes-Mufeum werden.
Sämmtliche fundftüde des Limes von der Donau bis zum Rbein follen dafelbft
zur Aufftellung gelangen. Die Porta Decumana und das Prätorium follen
zur Aufftellung der Fundftüde vollftändig in Stein aufgebaut werden.
Elberfeld, — Im Mufenms-Verein wurde zu Ehren des 70. Geburts-
tages von Arnold Bödlin eine Bödlin- Ausftellung veranftaltet. Sie
beftebt aus einem Originalgemdlde Ses Meifters „Der Tanz um die Bachus-
faule aus biefigem Privatbefit, ferner einer mit Bödlins Erlaubniß gemalten
Ropie eines Elberfelders, Rernefamp, nah dem Münchener Bilde „Spiel der
Wellen“ und einer Anzahl Rlinger'fher Radirungen nad den befannteften
Werfen des Meifters. Neben Bödlin und Rlinger kann gegenwärtig bier nur
noh franz Stud anffommen, deffen entziidendem ,, frauenfopf' die Nachbar—
fhaft der Bödlin’fhen Arbeiten nicht jchadet.
Bonn. — Gn dem zum Abbruch beftimmten alten Bebäude der Bonner
Lefegefellfhaft ift augenblidlih für einige Woden eine funftgewerblide
Ausftellung untergebradht, die durch Bonner Fntereffenten in Derbindung mit
dem Direftor des Centralgewerbevereins fiir Rheinland
und Weftfalen, Frauberger, ins Werf gefekt if. Die
meiften Ausftellungsgegenftände hat der Centralgewerbe-
verein geftellt und mit bewährten Befhid gruppirt. faft un-
befannt ift dagegen, was in den verfchiedenen Bonner Privat-
fammlungen an guten funftgewerbliden Studien vereinigt
it. gn erfter Linie ift hier die Sammlung des Herrn Karl
Röttgen zu nennen, die in Bezug auf mittelalterlide Hol3-
ffulpturen und Möbel unmittelbar nad) den großen Runft-
gewerbemufeen in Röln und Düffeldorf fommt, und die bekannte
Rramer'fhe Sammlung in Rempen, deren Haupttbeil
vor Rurzem durd eine hodberzige Schenfung dem neuen Kaifer
Wilhelm-Mufeum zu Crefeld iiberwiefen worden ift, ducd die
Fülle plaftifher Werte noh übertrifft. Aus der Röttgen'jchen
Sammlung find zur Jeit einige gothifhe Renaiffance-
Shränfe und -Truben ausgeftellt, durchweg rheinifhe und
niederdentfhe Arbeiten, insbefondere die Renaiffance-Shrante
graphien nach
Surh ihre Cintheilung
und die lange Herrfchaft
degenerirter gothiſcher
formen merkwürdig.
Dann fejjelt den Blit
eine Reihe vor Holz-
ffulpturen, vom !3. bis
17. Jahrhundert, mit
zwei jpätromanifchen
Madonnen beginnend,
gute frühgothifhe Ein-
zelfiguren, daratte-
riftifche Arbeiten aus der
Rölnifhen Schule vom
Anfang des 15. Jabr-
bunderts mit dem reichen
Gefaltel in der Gewan-
dung, endlich eine große
Hablvon plaftifhen Ar-
beiten aus der Schniger-
fhule von Röln, von
Calcar und den übri-
gen niederrheinifchen
Runftcentren fowie vlä-
miſche Arbeiten, einige
Surh die cingebrannte
Hand als Erzeugnijle
Antwerpener Fabrifen
beglaubigt, daneben
nod einige füddentfche
Arbeiten. Die lange
Reihe von einem halben
Hundert Skulpturen ent-
hält nur gute Stüde
und führt die ganze
Entwidlung der Holz-
ffulptur am Rhein duch
drei Jahrhunderte vor.
Unter den zablreihen
übrigen lusftellern fei
dann nur nod Here
3of. Hofmann bervor-
geboben, ein befannter
Sammler von Bonner
Alterthümern, dereinige
filberne und eiferne
künſtleriſch hochbedeu⸗
tende Rococo⸗Arbeiten
und weitere Kunſtwerke
aus der kurfürſtlichen
Zeit der öffentlichen
Ausſtellung übergeben
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— Marie vc. Ebner-Eschenbach — Nathaly v. Esch-
struth — Ludw. Jacobowski — Ad. Kohut — John
Henry Mackay — Conr. Ferd. Meyer — Peter Nansen
= Elise Polko — Ferd. v, Saar — Heinr. Seidel --
Tanera — Konr. Telmann — E,v. Wildenbruch — ete.
Das jetzt beginnende II. Semester
SM bringt Beiträge von: zZ
Arthur Achleimer — Georg Ebers — Osc, Blumenthal
— Gust. Falke — H. Heiberg — Paul Heyse —
Ludw. Jacobowski — Wilh. Jordan — Dell. von
Liliencron — Maria Janitschek — Peter Rosegger —
Joh. Schlaf — Aug. Strindberg — F. v. Zobeltitz — u. A.
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165
PREISANSCHLÄGE
miT
MUSTERN S
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SS TE EEE et. —
Kunff- unt ==
Kunfigemerhemarkt.
Japaniſche Holzſchnitt⸗Technik.
Ueber die Technik der farbigen Holzſchnitte in Japan hat neuerdings
T. Tokuno, Vorſtand der Abtheilung für Buch- und Bilderdruck des finanz-
miniſteriums zu Tokio, in einer Publikation des National-Muſeums zu
Waſhington Aufklärungen techniſcher Art gegeben. Danach ſucht ſich der
japaniſche Holzſchneider ſelbſt mit umſtändlicher Sorgfalt ſein Material aus,
und zwar bevorzugt er Sakura, eine Art Kirſchholz, deſſen Faſer ſich durch
Härte und Zartheit in gleicher Weiſe auszeichnet. Er ſpaltet parallel zur
Faſer, wie es Dürer liebte, während die moderne Praxis gern quer durch—
ſchneidet. Die mit dem Pinſel auf dünnes, durchſcheinendes Papier gemalte
Vorlage wird, die leere Seite nadh oben, auf die Platte gelegt. Deutlid er-
fheint das Bild jedoh erft, nahdem das Papier geölt und forgfältig ab-
gefhabt it. Beim Schnitt wird das Mefjer mit der Rechten gehalten und
mit der Linfen geführt, eine Handhabung, die felbft ein beliebtes Motiv für
Holzfdnitte ift. Probedrude, Rünftlerabzüge, Avant-la-lettres find un-
bekannt, dafür it Alles — auf japanifhem Papier gedrudt. Fede Farbe
erfordert einen bejonderen Blot; die weiteren Platten werden Sparjamteits-
balber auf demfelben Stot nebeneinander, oft auh auf der Rüdfeite ans
geordnet. Trodene Farbe wird aufgetragen und Reiskleifter darüber gelegt.
Die farbe wird erft auf dem Blot mit Pinfeln gemifht und zugerichtet, die
ebenfalls tühtig in Reismafje getränkt find; diefe ift niht nur zum firiren
da, fondern verleiht der farbe auh Glanz. Das aus der Borfe des Maul
beerbaumes gewonnene Papier ift das denkbar zurtefte; forgfältig befeuchtet
wird es auf den Blod gelegt, mit einer eigenen Bürfte gerieben und an.
gedrüdt; kurz das bergeftellt, was unfere Drudereien einen Bürftenabzug
nennen. — Wenn diefe Prozedur bei uns micht in derfelben Feinheit her-
gefellt werden fann, fo liegt die Schuld einmal an den farben, die zu-
fammenlaufen. Außerdem lafen üh die Handgriffe wopl leiht aufzählen,
find aber night nah Schema F nahzumaden, weil nod hierbei die geniale
Andividualität alles ausmadht: etwas mehr befeudten oder weniger, etwas
mehr ‚Farbe als Bleifter oder umgetebrt u. f. w. Dazu fommt die beneidens-
werthe Geduld und Rube der Japaner und ihe gefdidtes „Handgelenk“,
weldes wir bei ihren Stichblattern, Elfenbeinfhnitereien 2. fhon fo oft be-
wundert haben.
Ein neuer Berliner Kunftfalon.
Rurz vor der Potsdamer Brüde ftoßen zwei verfhiedene Richtungen
Berliner Lebens in jharfem Winkel aufeinander, eine ftille, erſt kürzlich ent—
ftandene Privatftraße, die fic) am Garten der Röniglihen Hohfhule für
Muff hinzieht, und die mächtig pulfirende Derfehrsader der Potsdamer Strafe.
€s war ein überaus glüdlihee Gedanke der neu begründeten RKunft-
bandlung von Keller und Reiner, bier ihre vornehm ausgeftatteten
Ausftellungsfalons zu eröffnen. Die Bedeutung diefer Eröffnung fonzentrirt
fih in zwei Hauptpunften. Zunächft und vor Allem ift in Ser inneren Ans-
ftattung der Räume auf das glüdlihfte der Eindrud einer zum Verkauf ge-
ftellten Bilderfhau vermieden. Wenige auserlefene Gemälde und Reproduftionen
Kunftjalon von Keller und Reiner, Berlin, Potsdamer Strafe.
78 Deutfhe Runft.
fhmüden die Wände, ftatt fle zu bededen. Gefchitt vertheilte Staffeleien
tragen Runftwerfe, die zu intimerer Betradtung einladen. Aus Pflanzen-
arrangements erbeben fid Büften und Statuetten. Echte Teppihe und felle
unterbrehen die gleihmäßige Tönung des Fußbodens und zierlihe Etabliffe-
ments von Stühlen und Tifen fordern zur Ruhe auf. Selbft für malerifhe
Durdhblide ift geforgt. Treppen, Yifhen, Bogenöffnungen und Kleinere
Rompartiments, die auf einen Rorridor münden, fhließen fh an die beiden
vorderen Ausftellungshallen an. So ift es den Unternehmern gelungen, be»
haglihe Räume zu fhaffen, die eine Bilderfhau nicht als Arbeit, fondern als
angenehme Erholung erfheinen laffen. Es ift das für Berlin eine Ylenerung,
die wir wohl vorwiegend den Erfolgen der Mündpener und der Dresdener
Ausftellung zu verdanken haben. loch bedeutfamer will ung erfcheinen, daf
man es. bier zum erften Male verfuchte, Malerei, Bildhauerei und Runft-
gewerbe im weiteften Sinne zu einem Bünftlerifh gruppirten Ganzen zu ver-
einen. Diefe äußerlihe Betonung des Zufammenhanges von Aunft und
Runfthandwerk bedeutet einen fortjhritt, der hoffentlich auch auf unfere großen
Jahresausftellungen zurüdwirken und ihnen einen wohnlicheren Charakter ver-
leihen wird.
Was die nene Runftausftellung bisher an Ausftellungsobjeften geboten
bat und für die nächfte Zeit in Ausficht ftellt, läßt überall ein zielbewußtes
Streben erkennen. Gn Mluger Selbftbefhränfung bat man 3unadft mit
Aquarellen, graphifhen Arbeiten, Skulpturen, Möbeln und Fleineren Er-
zeugnifien des Aunftgewerbes begonnen. Eine Rolleftion von Möbeln, die
nah Seidnungen des Fraulein von Salusfowsfi in englifhem Ge-
[hmad ausgeführt wurden, norwegifhe Schränke, Stühle und Tifhe in
nordifher Schnizarbeit und bunter Farbendeforation haben den Reigen der
Separatausftellungen begonnen. Daran wird fih eine Kollektion von Gyps-
abgüffen, Modellen und Reproduftionen von Walter Schott fließen und
fhon Mitte diefes Monats beginnt die mit Spannung erwartete Ausftellung
von Werken Meunier':, die in Berlin fiher nicht geringeres Auffehen erregen
werden, als in Dresden. Die Salons Reller u. Reiner find im vornehmften
Rahmen und mit den günftigften Afpekten begründet und ftellen fih als eine
dantenswerthe Bereicherung des Berliner Runftlebens dar.
— Einhundert werthvolle Belgemälde erfter neuerer Rünftler, fowie eine
fleine Rolleftion vorzügliger alter Meifter, darunter die Beftande einer
befannten Wiener Galerie, famen im Rudolph Lepke’fhen KRunf- -
auftionsbaufe in Berlin bei reger Raufluft unter den Hammer. Den
hödhften Preis von 1960 Mark erzielte ein weiblides Portrait von Gerard
Ter Bord, ehemals der Rolleftion Dradsler angehörend. Ein reizendes
Genrebild, von A. Dieffenbac und £. Rnaus gemeinfam gemalt, . ging für
1110 Mark fort, C. Spizwegs „Poftftation in einem öfterreihifhen Gebirgs-
dorf" wurde für 1640 Mark verkauft, und Hans Thoma’s ,,Luftiges Land-
leben" fam auf 1500 Mark zu ftehen. Zwei eigenartige Bilder von Anton
von Werner, aus früherer Zeit ftammend und in Motiv und Farben ganz
abweihend von den fpäteren Darftellungen diefes Riinftlers, „Schneewittchen‘
und „Die fieben Raben‘, blieben bedeutend hinter dem einftigen Raufwerth
zurüd. Nur das erftgenannte wurde für 1005 Mark verkauft. Ludwig
Munthe's „Schneelandfhaft" erzielte 1110 Mark, Fr. Keller's humorvolles
Bild „Die erte Sdnepfe 1000 Mark, Hugo Rauffmann’s Wirthshans-
Interieur , Fagdge(dhidten'’ G10 Wark, Eugene VDerboethoven's „Thierftüd‘
700 Mark, das Bild eines Tiroler Bauernmaddens ,,'3 Lisl von franz
von Defregger 750 Mark, Sf. Jiems „Anfiht von Marfeille 570 Mart,
eine große „Havellandfhaft" von Aurt Bennewit von Löfen 495 Mark und
Ft. von Paufinger's „NRöbrender Hirfh 450 Marl. Ein von Defregger
1880 gemalter Studienfopf „Ein bärtiger Jäger! wurde mit 550 Mark,
N. D. Diaz’ „gm Walde von Fontainebleau mit SOO Mar? und Biufeppe
Cofta's „Hüftbild einer jungen Neapolitanerin“ mit 490 Mar? bezahlt.
Die erften 70 Bilder erzielten einen Gefammtbetrag von rund 25900 Mart.
— Ein prädtig gelungenes Runftwerf, ein großes Blasgemälde
weldes den Stadtverordneten- Situngs- Saal des neuen Rath-
haufes in Jauer zieren foll, ift in dem KRöniglihen Gnftitut für Glas-
malerei in Charlottenburg vollendet worden und dort öffentlih ausgeftellt.
Das 4 Meter bobe und 31/, Meter breite Fenfter, das von dem Jauer'ſchen
Banquier Knappe gefdhenft wird, befteht aus drei Flügeln. Die Malerei ift
nad dem Entwurf des Malers Julius Giiré vielfadh in der Weife ausgeführt,
Kunjtjalon von Keller und Reiner, Berlin, Potsdamer Straße,
PS. FO er“
daß die helleren Schattirungen durh Ausägen des Ueberfangglafes bewirkt
wurden. Gn der Mitte fieht man die Gaurovia, die auf einer Bank figt und
eine Wauerfrone mit Rofen fhmüdt. Rechts ift der Frieden, linfs der Krieg
allegorifh dargeftellt. Die oberen Theile der Flügel zieren in der Mitte das
fhleffhe Wdlerwappen mit dem Sprudbande „Friede ernährt, Unfriede
verzehrt‘, fowie die Wappen der mittelfblefifrhen Stadte Liegnik, Goldberg,
Bolfenhain, Schweidnik, Striegau und Landeshut. Quer unter den Lichten
zieht fih über die drei Flügel eine Darftellung der Stadt Jauer mit einem
Blit in die fruchtbare Begend.
— Das Württembergifhe Runftgewerbe - Mufeum in Stuttgart
nimmt fih des modernen Aunftgewerbes in dantenswerther Weife an. Jinn-
gieBer Rarl Rurk, Hirfehfte. 17, hat 3 aus feiner Werkftätte hervorgegangene
Gegenftände zur Ausftellung gebradht und damit gezeigt, im weld trefflider
Weife diefes Metall fic) verarbeiten läßt. Ein flacher Arug in fólanter ge-
falliger form zeigt in feiner Rundung theils als Flachrelief getrieben, theils
gtavirt, in meifterbafter Ausführung Sie Anfidten des Stuttgarter Alten
Scloffes uud des Nenen Lufthaufes. Cine pradtige runde Zunftplatte, deren
ftilvoller Rand theils getrieben, theils in hübfcher Zeihnung und Schrift
grapirt, zeigt auf ihrem Brunde das Wappen, der Zinn» und Gelbgiefer in
treffliher Zeihnung jhwungvoll getrieben. Eine weitere Pruntplatte bildet
einen Zimmerfhmud zur Erinnerung an die filberne Hochzeit des Buchhändlers
Paul Kurg. Im finnreidher Weife ift hierfür gerade Zinn gewählt worden,
denn urh Generationen hindurh haben fih Blieder der aus Reutlingen
ftammenden und dort alt eingefeffenen Familie Kurz dem Gewerbe der Jinn-
und Belbgießer zugewandt und fid als tüchtige Meifter erwiefen. So bat
denn der dem angeftammten Berufe treu gebliebene Meifter Karl Kurg feinem
Bruder die finnige Babe zugedadht und mit feinem Kunftverftändniß in vor:
zügliger Ausführung ein Werk vollendet, das dem Stuttgarter Runftgewerbe
das glänzendfte Feugnif ausftellt. Jn prächtig ausgeführter Bravirung zeigt
die Platte auf ihrem Grunde erhaben aufgelegt das ehemals Rapp’fche, jett
Rurg'fhe Haus, Stifteftr. Mr. 7, das gerade in legter Feit, als an Goethe's
Befud in Stuttgart vor 100 Jahren erinnert wurde, mebrfad bejproden
wurde. Den kräftig gehaltenen getriebenen Rand, auf dem in hübfcher Schrift
Namen und Jahreszahl aufgelegt, zieren hübfhe Renaiffancefhilder mit
cœ perf önliches und
— Dr. Mar Friedländer it zum Direftorial- Afliftenten bei den
Réniglidhen Mufeen in Berlin ernannt worden.
— Dr. phil. Adolf Brüning ift zum Direttorial- Affiftenten bei
dem Rönigliden Aunftgewerbe-Mufeum in Berlin ernannt worden.
— Der Direttor der Krafauer Aunftfhule Julian falat ift aus
Hubertusftod nad Rrafau zurüdgefehrt. Der Maler weilte in Hubertusftod
als Gat des Raifers und nahm häufig an defen Jagdfabrten Theil.
Direftor Salat gedenft, in Berlin eine Reihe von Aquarellen und Skizzen
auszuftellen, weldhe Epifoden aus dem Fagdleben in Hubertusftod darftellen.
— Dem Hofbildhauer Lober in Wittenberg ift die Ausftattung der
in Jerufalem nen erbauten Erlöferfirhe übertragen worden, deren
Einweihung im nähften Frühjahr erfolgen wird. Diefe Ausftattung wird in
Eidenhols im byzantinifhen Stil ausgeführt. Auffallend ift bei der Erlöfer-
ficde die ungewönnlihe Stärke der eihenen Thüren. Auch für diefe Aus-
fiattung bat fih Se. Majeftät der Kaijer die letzte Entjcheidung vorbehalten.
Er prüft die Zeihnungen bis in die Meinften Einzelheiten und viele von
ihnen tragen Aenderungen und Bemerkungen von des Raifers eigener Hand.
— Der Herzog von Sadfen-Altenburg verlich Sem Lehrer an der Runft-
afademie und Kunftgewerbefchule zu Leipzig Woolf Lehnert, der die Geftalt
Bismards auf dem jüngft enthüllten dortigen Denfmal des fiirften meifter-
haft modellirte, die Derdienftmedaille für Runft und Wiffenfdaft.
— Galeriedireftor v. Ruftige in Stuttgart wurde feinem Anfuden
gemäß von der Stelle eines Gnfpeftors der f. Gemaldegalerie enthoben und
bet diefem Anlaş vom Rönig von Württemberg mit dem Romthurfrens
2. Rlafje des Friedrihsordens ausgezeichnet.
— gn Wien it nah längerem Leiden der Genremaler Anton
Müller im Alter von 45 Jahren geftorben. Er war ein Schüler der
Akademie unter Eifenmenger, Fenerbah und Angeli und befonders erfolgreid
thatig als Pfleger des Sittenbildes aus dem Wiener DVolfsleben. Müller
ftellte alljährlih niht nur im Rünftlerhaufe, fondern aud im Auslande aus
und feine Bilder waren aud in Deutjhland fehr gefucht.
— Gn Rom ftarb der Runftforfher Giovanni Battifta Cavalcafelle
im Alter von 77 Jahren am Schlagfluß. Das Hauptwerk des Mannes, der
zulegt das Runftreffort im Minifterium der Sffentlihen Erziehung verwaltete,
ift feine in Bemeinfhaft mit dem Engländer J. A. Crowe verfakte „New
Deutfhe Runft 79
Widmung und Datum und den eingravirten Wappen der familie Rurk und
Rober. Die äußere Umrahmung des Nandes bilden zierlihe, fpitenartig
durhbrodene Jaten.
— Jn der Dorhalle zu den Erdgefhoßräumen des Leipziger Runft-
gewerbe-Mufeums hat für längere Zeit ein funftvolles Marmormofaitbild,
angefertigt von Herrn Leonardo di Pol (Fabrifant vom Mofaif-, Granit-
und Kunftmarmorfußböden), Aufftellung gefunden. Die intereffante Arbeit
verdient um fo mehr Beahtung und Anerkennung, als bei uns die figiirlide
Mofailmalerei nur wenig gepflegt wird. Die Mofaiktehnik ift eine zu müh-
fame, als daß fie üh in unferer fehnellarbeitenden Zeit ihre einftige Be-
liebheit hätte wieder erringen fönnen. Begenwärtig wird bei der Herftellung
figiitlidher Mofaifen in der Weife verfahren, daß man die verfhiedenfarbigen
und verfdleden großen, vieredigen und nad hinten feilförmigen Marmor-
fliidchen zunädft, die Rüdfeite nadh oben gefehrt, auf einem den Entwurf
enibaltenden gummirten Papter zufammenftellt und dann im Ganzen mit
walzenförmigen Inftrumenten in weihe Zementmaffe eindrüdt, Die gefertigte
Mofaifflähe wird fhließlih abgefhliffen und polirt. Das Mofaitbild des
Herrn di Pol ift in verfhledenen Farben ausgeführt. Der Entwurf zu der
in ganz modernem Styl gehaltenen Darftellung ift von Herrn Architekt Georg
Wünfhmann geliefert worden. Die Mitte des Bildes nimmt eine auf einem
monumental wirfenden fteinernen Sit thronende, jugendlihe Franuengeftalt
ein, die Saronia vorftellend. Sie ift dem Befthauer voll zugewendet und
breitet feierlid) die Arme aus, in der Linfen die Statuette Ser Pallas, in der
Redhten einen Lorbeerfranz haltend. Hinter dem Throne erheben fic zwei
ftilifitte Lorbeerbäume, deren Aronen fih verfdlingen: als Symbole des
Blühens und Bedeihens von Sadfens Gnduftrie und Gewerbe gedadt.
Ueber dem Thron leuchtet die von einem mächtigen Strahlenfranz umgebene
Scheibe der lebenfpendenden Sonne. Den Hintergrund füllt dte verfhwimmende
Silhouette der Stadt Leipzig, dur die Auppelprofile der Pleifenburg und
des Reichsgeridtsgebdudes Fenntlihd gemaht. Das den bedeutenden Umfang
von vier Quadratmetern aufweifende Bild wird von zwei fannellirten, tonifchen
Halbfäulen von rothem Kunftmarmor flanfirt, die fih von in grünem Stucco
Luftro ausgeführten Pilaftern abheben. Den oberen Abfhluğ bildet ein ftreng
antifes, rothes Gefims von Runftmofait.
Ateliernachrichten. —>
history of painting in Italy“ (London, 1864—1872; deutfh von Mar
Jordan). Die Belanntjhaft der beiden Schriftfteller, die beide als Maler
begonnen und fic) dann der Iheoretifhen Runftbetradtung zugewandt hatten,
wurde durd eine zufällige Begegnung in einem deutfhen Poftwagen vermittelt,
gerade vor 50 Jahren. Cavalcafelle kehrte damals von Münden, wo er eine
Heit lang gemalt hatte, nah Ftalien zurüd. Die innere Derwandtfhaft
zwifhen ihm und Crowe führte zu einem engen geiftigen Bündniß, zu einer
Art gemeinfamen Schaffens, wie fie febr felten ift.
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Leporello- Müller ` (Maler, wre tee, ese ne Zeichenlehrer, i
nitlerihe Wu erzeipner u
Stimmbildung zu Weimar.
(Unter bem Protettorate Seiner königlihen Hoheit des Großherzogs von Sadjfen.)
1. Gegründet von Abgeordneten deutidher Kiinftlerverbande.
2. Dem fünftleriihen Erwerbsteben angepaßt, fihert die Anftalt den Bezug
. . einer Rente fir die Tage des Alters und der Juvalidität
Berlin S.W. Belle-Ültiancestr. 78. 3. Bei genofienihaftliher Verfaffung oftenlofe Verwaltung burd den Vorftant.
— . Erleichterung der Mitgliederbeiträge durch außero rdentüche Einnahmen.
eng weiterer außerordentliher Einnahmen den Ortöverbänden anheimt:
tellt.
6. Sure Beihränfung des dauernden Wohnfikes.
Statuten und Auskunft Roftenfrei durch die Gejchäftsitelfe in Weimar.
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Neu eröffnet am 1. Oktober 1897. |
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moderner kunstgewerblicher Arbeiten in geschlossenen Interieurs. |
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Gewünschten.
Deutfde Runf.
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Verlag der „Deutjden Runft“, Berlin W. 57. - — Der antwortlid für die Jori iftlei eitu n3 Dr. 7 Bes: ty Malfo ometp, Berlin W., Stein nmeßjtr. 26. - — - Drud von W. Bürenftein, Berlin.
Braunschweig, die Stadt Heinrichs des ESwen.
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Slluftrirte Seitichrift für das gefammte deutfche HKunitichaffen.
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Central⸗Organ deutſcher Kunſt und Rünftler- Vereine.
Alle 14 Tage etſcheint eine Aummer.
Preis vierteljährlih 2.80 Mark,
Poftzeitungslifte Ar. 1174.
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Publitationsorgan des Deut ſchen Runſtvereins in Berlin, des Schleſiſchen Kunſtvereins in Breslau,
Herausgegeben von
Georg Malſtowsſin.
Schriftleikung und Verwalkung Berlin W.57, Steinmehſtr. 26.
Alle 14 Tage erſcheint eine Nummer.
Inferate: 40 Pfennige für die 4 ges
fpaltene Nonpareille-Zeile.
èco Aunftvereins für das Broßberzogtbum Hefjen in Darmftadt, des Anbaltifhen Runfte
vereing in Deilau, des Württembergijchen Runftvereins in Stuttgart, des Schleswig - Holfteinifhen Runftvereins in Riel, der Runftvereine in Münden, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera
Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Börlif, Danzig, Rönigsberg, Stettin u. a.
Br. 5.
Nicht immer
lagern fih die
Rulturerfdei-
nungen der vers
fhiedenen Zeiten
fchidtweife über
die der Dergan-
genbeit, fie ver-
wifhend und
überdedend, bis-
weilen fchmiegen
fie fih wie Jab-
resringe in ein-
ander und ume
hüllen ſchonend
den alten Kern.
Die Bauwerke
einer Stadt ſind
die zu Stein ge-
wordene Ge-
fhidhte des Ge-
meinwefens. So
hat in Braun-
fhweig jedeRul-
— Braunſchweig. Der Löwe
ae Heinrichs des Löwen. tur Epoche ihre
me’ Don ©. Bünther-Naumburg. Stilformen Wee
— niger geſchloſſen
abgelagert, als
ſie in kecker Laune mit denen ihrer Vorgängerin gemiſcht.
Die Geſchichte der Stadt im frühen und fpäteren Mittel-
alter verkorpert ſich in den Denkmälern des Burgplatzes und
des Altmarktes.
Die. Burg Danfwarderode felbft ift allerdings nur
eine ftilvolle Rejtauration, die erft unter der Aegide des Prinz-
Regenten Albrecht vollendet wurde. Aus einer Anzahl von Ane,
Ein- und Dorbauten im Renaiffancee, Barod- und Sopfftil
wurden zunädhft die fpärlihen Nefte des Saalbaues Heinric’s
des Lowen bherausgefhält, eine Arkade aus maffiven Pfeilern
mit romanifhen Edfäulen, Refte von dSreitheiligen Fenfter-
gruppen mit fchönen Säulen aus Ralffinter und zwei große
rundbogige Fenfteröffnungen. Das Ganze wurde dann im
Stile der Zeit mit seinen engen Remenaten und der zwei-
gejhofligen, Surh einen Thurm ausgezeihneten Burgfapelle
ergänzt. Der verdedte Bang über den Arkaden bildet die
Derbindung mit dem Dom.
Dor der Burg erhebt fic) das uralte Wahrzeichen der
1. Dezember 1897.
IL. Jahrgang.
Braunfchweig, die Stadt Heinrich’s des Löwen,
Stadt, Ser eherne Come. Daß er von dem großen Welfen-
þerzog erridtet worden, unterliegt feinem. Zweifel, über Ur-
fprung und Beftimmung diefes merfwiirdigen Denfmals aber gehen
die Meinungen weit auseinander. Betradtete man das Wappen-
thier friiber als ein Beutetü aus dem Orient, fo beweift eine
genauere Unterfuhung feiner ftreng ftilifirten formen, daß wir
es böhftwahrfheinlid mit einem Erzeugniß niederfähfifchen
Runftfleifes aus einer Zeit zu thun haben, die uns nur wenige
Denfmale binterlaffen hat. Die romanifd) beeinflußten Formen
laffen Sen Glauben an einen orientalifhen Urfprung verzeiblid
erfheinen. Daß fih die Legenden-Bildung diefes gebeimnife
vollen Wahrzeihens bemädhtigte, it natürlid, wie fic denn
nod) beute das Dolf feine Ueberzeugung nit rauben läßt,
der große Welfe habe bier feinem aus der Sage befannten,
treuen Löwen ein Erinnerungsmal fegen wollen. Nadh den
mittelalterlihen Befhichtsfchreibern follte der Löwe den Feinden
des Herzogs ein Seiden fein, daß er feinen Beinamen nidt
umfonft führe. Solde ehernen Pronunziamenti liegen jedod)
fo wenig im Geifte der Zeit, daß wir uns fdon eine
nücdternere Erklärung fuhen miiffen. Wahrfcheinlic bedeutete
diefer Lauenftein, wie ibn der Chronift Botho nennt, für
Braunfhweig dasjelbe, was die Nolandsfäule für andere
Städte war. Er bezeihnete den „Rönigsbann“, & b. die
Stätte der oberjten Berichtesbarfeit des Landesherrn. Spätere
Jiirften feinen den Löwen weniger ernt genommen zu haben,
fie beluftigten fic damit, von den Fenftern der Burg aus
kleine Münzen in feinen Rahen zu werfen; was daneben fiel,
gehörte dem armen Volt. Die verfdiedenen Zeitläufe aber über-
danerte die Liebe der Braunfhmweiger zu dem uralten Wahr-
zeihen ihrer Stadt, und als die Franzofen im Jahre 1807 den
ebernen Cowen mit vielen anderen KRunftfhägen nad Paris
entführen wollten, wäre es beinahe zu einem Dolfsaufitande
gefommen. Yapoleon der Erjte begnügte fih mit der Erklärung,
das Haus Braunfhweig babe aufgehört zu regieren, gönnte
den Braunfhweigern ihren Löwen und madte die Stadt zum
Hauptort des zum Königreihe Weftpbalen gehörigen Oger-
Departements.
Die monumentalen Wahrzeichen der Blüthe Braunfchweigs
als Hanfaftadt finden fic auf dem Altmarfte.
gn der Mitte des Plagkes erhebt fi eines der merf-
würdigften Denfmale des Mittelalters, der Stadtbrunnen, etwa
um 1408 errictet. Er beftebt aus einem majfiven, mit Socel
und frénenden Gliedern verfehenen Pfeiler, der die untere
Schale trägt, und einer aus diefer Schale emporftrebenden Säule,
welde die beiden oberen Beden ftügt. Die Spike endete ur-
fpränglid mit einer fogenannten Laterne. Alle drei Beden nebft
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Braunfchweig.
Das Rathhaus,
Don ©, Bünther-Naumburg,
ihren Bliederungen und Ornamenten, fowie der Aufjak, find
aus Blei gegofien und angenietet. Das Merfwiirdigite find die
zwei Reihen Infchriften und die Rofetten der beiden unteren
Beden. Jeder einzelne Buhftabe war aus Blei angefertigt und
mit den Rofetten auf einer Bleileifte befeftigt, die dann um das
Beden gefhlagen und dur Stifte gehalten wurde. Man fannte
alfo fhon dreißig Jahre vor der Erfindung der Buchöruderkunft
bleierne, beweglihe Lettern. Um das untere und größte Beden
fhlingt fih ein Band von zwanzig Einzelbildern, die Surd
vier LCömwenköpfe getheilt find. Gn der Mitte der Abtheilungen
befindet ji jedesmal ein fiirft, auf einem Throne fitend, mit
einer Krone. gefhmüdt: David, Karl, Artur, Alerander, während
die übrigen Bildniffe Propheten und Heilige darftellen. Jede Figur
trägt ein Sprudband in der Hand, das jest unleferliche lateinifche
Infriften in gotbifcher Schrift aufweilt. Cin befonderes Gntereffe
fnüpft fih an die Bibelfprühe über diefen Bildern. Sie find in
deutfther Sprache abgefaßt zu einer Feit, wo es nod Feine
Ueberfegung der Heiligen Schrift gab.
Die zwanzig Wappen des zweiten Bedens nebft den darüber
befindlihen Namen dürfte der Künftler theils in Beziehung auf
die alte Befhihte, mit Hinweifung auf die
Länder des damaligen römifhen Reiches, theils
willfürlih angebradt haben. Der Doppel-Adler
erfcheint zuerft, ihm folgt das Erzbisthbum Mainz,
das KRönigreih Böhmen, das Erxbisthum Köln,
das Churfürftentbum Sadfen und Bayern, das
Erzbisthum Trier und Churfürftentbum Branden-
burg. Das Wappen der Stadt Braunfhweig
mit dem Löwen beginnt den zweiten Streifen,
und ihm reihen fih in buntem Wedfel Raifer,
Rönige und Feldbherren des Alterthums an: Heftor,
Alerander der Grofe, Jolius, König von Baby-
lon, David, Judas der Maffabäer, Jofua, Karl
der Broße, Artus. Den Befhlug macht Gottfried
von Bouillon.
Das dritte Beden des Brunnens ift mit
einem Krange fehöngeformten Lanbwerkes ge-
fhmüdt und tragt in einer gothifd durdbrocdenen
Laterne eine Fleinere Scale, aus welder das
Waffer urfpriinglid) Surd vier, daran in die
Höhe friechende, eidechfenartige Thiere gefpicen
wurde. Die Ruppel des Brunnens zierte nod) bis in die
Witte des vorigen Jahrhunderts ein Muttergottes- Bild,
während an der Spike Ser Laterne eine Fahne mit
dem Stadtlöwen angebradht war.
Als Hintergrund dient diefem sierlichen Werke früh:
Seutfcher Metall-Tehnif das entzüdende fteinerne Spigen-
wer? der Rathhaus-Arfaden. Don 1250 bis gegen die
Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts erbaut, weift fein
Grundriß die ungewöhnliche Form eines Richtfheits auf,
Länge gebildet, die ihre Biebel der Martini-Rirhe und
der Breitenftraße zufehren. Den Frontfeiten find je vier
| Im Spißbogen -Stil erbaute Arkaden vorgelegt, und auf
diefen erbeben fic ebenfo viele Lauben, welde einen
offenen Gang bilden. Die Pfeiler diefes Vorbaues laufen in
zierlih durhbrodene Spitbogen aus, deren Mafwerf von
Rundbogen unterfpannt ift. An die neun Pfeiler der Bogen-
Lauben lehnen fih je zwei Wifchen mit den fteinernen Bildfäulen
der fürftliden Ahnherren des welfifhen Haufes. Der Stil
diefer Statuen gehört dem fünfzehnten Jahrhundert an. Gn
der der Breitenftrape zugefehrten Biebelfront befindet ji, außer
dem in einer Nifhe aufgeftellten Muttergottes - Bilde, ein zwei-
feldiges Wappen mit den beiden Leoparden im unteren und
dem Gufgeridteten Löwen im oberen ‚Felde.
om Inneren des NRatbbaufes ift befonders die große
Dornfe, der eigentlihe Raths - Saal, bemerfenswerth. Die
eihenen Balfen der Dede find mit reizender Schnitzarbeit im
gothifhen Stile geziert. Ju dem anderen Flügel liegt die
Schottel-Dornfe, das Schabzimmer, und die Faftelabends-Dornfe,
der Tanzfaal.
Um diefes anmuthige Denkmal sierlidfter Bothit herum
treibt dann die Stilmifhung ihren feltfam pbhantaftifhen Spuk!
So erhebt fih in feiner nädften Nähe eines der üppigften
Barot - Portale. Dier Hermen tragen einen Fries, auf defjen
Dorfprung zwei aufrechtftehende Löwen ibren Vorderleib Surd
Cartouden - Ausfohnitte Seden. Den Abjhlug des Ganzen
bilden zu beiden Seiten zwei lanzentragende Krieger. Renaiffances
und Barot - Stil iibermudern die ältere Gothif und geben dec
Privat » Arhiteftur Braunfhweigs einen eigenartigen Charakter,
mit dem wir uns weiter unten befhäftigen werden.
Hod) über die Dädyer der alten Welfenftadt ragen die
Mauern und Thürme von nicht weniger als zwölf Rirhen und
Kapellen, deren Bau ausnahmslos in den kurzen Zeitraum zweier
Jahrhunderte fällt. Sie verdanken ihre Gründung zum größeren
Theil Heinrid dem Löwen und feinen nädhften Madfolgern. Als
fid dann das emporblühende Bemeinwefen von feiner Abhängig.
Feit loslöfte und felbjtjtindig entwidelte, traten die Gilden an
Stelle der fiirftliden Donatoren. Es wurde ihnen Ebrenfadhe,
ihre Gotteshauyer auszubauen und ihren reihen Mitteln ent-
a | Es wird duch zwei Flügel von je über fehzig Fuß
Mawes!
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Deutfhe Rung. 88
prechend zu fhmüden. Daher auh bier jene reizvolle Stil-
mifhung, die über den Kern der romanifchen Pfeiler-Bafilita
den Spitzenfchleier frühgothifher Fialen breitet, die fhmudlofen
Steinwände durh Strebepfeiler unterbricht, und dann wieder
zwifhen das zierlihe Maßwerf zweier Spitbogen- fenfter ein
mädhtiges Renaifjance-Portal fett. '
Das Wahrzeihen der Herrfhaft der welfifhen Fürften ift
der Dom. Als Heinrih der Löwe von feinem Kreuzzuge in
das gelobte Cand zurüdkehrte, gründete er ihn an der Stätte
der ehemaligen Peter Pauls-Rapelle und ftattete ihn reichlich mit
den aus der ‚Fremde herübergebrachten Reliquien aus. 1194 im
tomanifhen Stil vollendet, verlor der Dom im folgenden Jahre
Surh einen Blig feine Thürme, die zwar fpäter wieder aufgebaut
wurden, aber niemals die beabfihhtigte Höhe erreichten und mit
einem ftumpfen Yothdad abjihließen. Zwifchen ibre in fclidten
Linien hod aufragenden Majfen fette dann eine fpätere Bau-
Periode ein Glodenbaus im gothifhen Spitzbogen-Stil. Die
einfache freusformige Anlage verräthb fih an der Nord- und
Sidfeite durch je einen fhmudlos glatten Giebel, während die
Seitenjhiffe des Langhaufes als Anbauten bemerfenswerthe Stil-
mifhungen zeigen. Die echt friihgothifden Fenfter des Südſchiffes
find von je einem fpiten Giebel überhöht und Surh Pfeiler ge-
trennt, über die ein Wafferfpeier binausragt. Die gerade Surh-
gehende Wand des Noröfchiffes fehlieft mit einer Surdbrochenen
Baluftrade ab, und zwifhen den fenftern im Tudor-Stil erheben
fic) acht mit Fialen gefrönte Pfeiler.
Das auf je aht romanifchen Pfeilern rubende Mittelfchiff
wölbt fih in einer Länge von 124 Fuß dem hoben Chor ent-
gegen, unter dem fich eine geräumige Rrypta ausdehnt. Die
niedrigeren Seitenfbiffe find wieder doppelt getheilt, das füdliche
Surh gotbifhe Pfeiler, das nördlide durch Säulen, die von
gewundenen, fih in den Bewölbe-Rippen fortfesenden Riffelungen
überfponnen find.
Als man im Jahre 1845 eine Reftauration des Inneren
der Kirche vornahm, entdedte man unter der Ralftünde die Refte
alter Wandmalereien. Ganz nadh dem byzantinifhen Schema
weift der Chor Darftellungen aus dem. Leben Chrifti, as Kreuz-
fhiff folhe aus der Gefhihte des Davidifchen Befihlehtes auf,
während die Seitenwände mit Bildern aus der Heiligen-Legende
bededt waren. Leider hat man es für angezeigt gehalten, den
al secco gemalten fresfen zum Blanze der Neubeit zu verhelfen.
Während Profeffor Brandes fih bei feinen Reftaurationen nod
auf Sie Refte der alten Malereien ftiigen fonnte, ift der Nürn-
berger Profeffor Effenwein felbfiftändig vorgegangen und bat
das Mittelfhiff mit gut gemeinten Schildereien ausgeftattet, die
in form und farbengebung gar modern anmuthen, Selbft die
nad desfelben Meifters Entwürfen bergeftellten Blasgemälde an
der Nordfeite des Mittelfchiffes find nicht geeignet, jenes mpftifche
Dunkel zu erzeugen, das fo große bemalte Wandflädhen zu ein-
beitliher ‚Farbenwirfung zufammenfglieft.
Man muß die biftorifihen Erinnerungen zu Hilfe rufen,
um in dem nüchtern bunten Raume zu nahempfindender Stimmung
3u gelangen. Da breitet vor dem Hodaltar aus Mufchel-
Marmor, den Mathilde von England, die Gemablin Heinrich's
des Lowen, geftiftet, der mächtige 16 Fuß bobe Bronzeleudhter
feine fieben Arme aus, angeblih von dem großen Welfenherzog
aus Paläftina mitgebradt, jett tro feiner orientalifirenden
‚Formen als ein Erzeugnif frühen vaterländifhen Kunftfleißes
erkannt. Zu beiden Seiten des Chores erbeben fic) die bunt
bemalten Sandftein- figuren Beintidy's und Ses Bifchofs Herrmann
von Hildesheim, und im Kreuzpunft des Querfciffes und des
Langhaufes ruhen auf breitem Grabftein in feierlic) ftarrer
Haltung die Geftalten Heinridh’s und feiner Gemahlin. Weiterhin
dedt eine Meffingplatte die Brabftätte Raifer Otto's IV. und
feiner Battin Beatrir. Jn der Rrypta aber reiben fih in un-
unterbrochener Folge die Sarge welfifher fürften und Ffürftinnen
von dem Markgrafen Ebert an bis zum Herzog Wilhelm, dem
letzten feines rubmreichen Gefcledhtes. Da ruben die Herzöge
Ferdinand, der Held des fiebenjährigen Krieges, Karl Wilhelm
‚Ferdinand, der unglüdlihe Befiegte von Auerftadt, Friedrich
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Braunſchweig. Portal am Rathhauſe.
Don ©. Bünther-Naumburg.
Wilhelm, der bet Quatrebras gefallene führer der fhwarzen
Schaar, und Leopold, der 1785 bei Frankfurt als Cebensretter
in Ser Oder ertrant.
Don dem reihen Reliquienfhate Heinrih's des Löwen
it nur wenig erhalten: das angeblihe Horn und die Schalmei
des heiligen Blafius. Gn einer Seitenfapelle wurde ein uralter,
lebensgroß in Holz gefdnigter und gemalter Crucifizus und eine
Marterfaule mit Ser Halbfigur des gegeißelten Chriftus und
dem frähenden Hahn des Petrus aufbewahrt, intereffante Bild-
werfe von feltfamer Yaivetät in Erfindung und Ausführung.
An der Süsfeite aber grünt nod immer der Stumpf einer
mehr als fiebenhundertjährigen Linde, in deren Schatten der
große Welfe zu Bericht gefeffen haben mag; und an dem Portal
Ser Yordfeite dicht neben dem verdedten Gange, der die Burg
Danktwarderode mit dem Dom verband, bemerft man die tiefen
furden, welde die Alaue des treuen Löwen in die Steinwand
gefragt haben foll, die ihn von der Leiche feines Herrn trennte.
Ebenfalls unter Heinrid Sem Löwen gegründet ift die
Ratharinen-Rirhe am Hagenmarft, vor Seren Portal fic der
Heinrihsbrunnen erhebt. Don dem urfprünglih romanifden
Bau ift die Thurmanlage mit dem Haupteingang im Rundbogen-
Stil und das auf romanifhen Pfeilern rubende Mittelfhiff er-
halten. Das Mittelgefhoß der Thürme und Sas zwifhen fie
eingebaute gothifhe Glodenhaus, fowie ein Theil der Seitenfdiffe
gehören dem dreizehnten Jahrhundert an, während der hohe
84
Deutfhe Aunf.
Chor und die ihm zunädft liegenden WArchitefturtheile etwa um
die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts durch die Patrizierfamilie
Rogbel geftiftet wurden. Die drei Cangfdiffe der mächtigen
Hallentirhe find neuerdings rejtaurirt und ftilgereht ausgemalt.
Die Glasgemälde der drei Chorfenfter, Mofes mit der ehernen
Schlange, die Opferung Jfaat's und die Rreuzigung darftellend,
entftammen dem fechzehnten Jahrhundert. Unter den Grab-
mälern der Rice find bemerfenswerth das einer Armgart von
Bortfeld, die 1585 vor dem Altar todt niederfanf, als fie eben
den Ringwedfel mit ihrem Derlobten vollzieben follte, und das
des Jürgen von Schulenburg, der im Jahre 1605 die Stadt
vor der Erftürmung rettete.
Um die fhmudlofe, in der Mitte des vierzehnten Jabr-
bunderts für den Franzisfaner- Orden erbaute Brüderfirdhe
fpinnt ftiller Rlofterfrieden feinen Zauber. Ueber dem einfachen
dreifhiffigen Hallenbau im gotbifhen Stil ragt fein Thurm
empor, da ein folder den Rirchen der Bettelmönde nicht geftattet
war, aber um feinen geradwandigen Chorabfihluß legt fic ein
Kranz zellenartiger Kapellen und über der Mitte des Satteldades
fit ein zierliher Dadpreiter. Der jhönfte Theil der Innenkirche
it Ser Chor, den ehemals ein prädhtig gefchnitter Lettner vom
Mittelfhiff trennte. Hier erbebt fic) der foftbare Hochaltar, ein
dreiflügliger Schrank, deffen Thüren mit Hoblbildnereien bededt
find. Das funftvolle Chorgeftühl ift leider duch in die Rüd-
lehnen eingelaffene Malereien verunziert. Unter den fonftigen
Merkwürdigkeiten des Botteshaufes ift ein fhönes Taufbeden zu
erwähnen. Don vier männlihen Figuren getragen, die als
Perfonififationen der Paradiesftröme Wafjerfhläude ausgiefen,
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Braunſchweig. Taufbeden in der Brüderkirche.
Don O. Bünther-Naumburg.
ift fein Körper mit fechzehn figuren von Heiligen und Apofteln
verziert. Durd ein funftvoll gefdmiedetes Cifengitter ijt das
Begen von den übrigen Räumen getrennt.
Don Häufern umdrängt liegt die Brüderfirhe als ftilles
Plätchen da, wie es friedlider und weltabgefchiedener die Ardhi-
teftur des Mittelalters felten gefchaffen. An die Südfeite lebnt
fih ein Rloftergärtchen, von wunderfamen gothifhen Rreuzgängen
umfcdloffen, die fic) mit hoben, jiheibenlofen Spißbogenfenftern
nah Sem Gnnenraum öffnen. Epheu und Rofenbüfhe Klettern
an dem Wafwerf ippig wucernd empor, und an den Wänden
fteben, mit figuren und Gnfchriften bededt, die Brabfteine er-
loſchener Geſchlechter.
Eine Gildenſtiftung iſt die am Wollmarkt gelegene Andreas—
Kirche. Als ihre Gründer werden im Geſchichtsbuche Ser Stadt
Braunſchweig Kaufleute genannt, „welche Kroppel gewaesen;
daen alse de Kroppel up stelten gan, alse gingen duesse
Kopluede ok, unde waren fan orer kopenschop rike
luede.“ Jbrem Andenken ift das Relief-Bild im Giebel des
fadlichen Rircdenfchiffes gewidmet, das vier Krüppel zu den Füßen
Chrifti in rober Steinmeßarbeit veranfhaulidt. Der um 1200
begonnene Bau wurde ert im fechszehnten Jahrhundert voll-
endet und ftellt im feinen Grundformen ein dreifad getheiltes
Langhaus obne Querfhiff dar. Die Außenwände der Seiten-
{diffe werden von Spitbogen- fenftern durchbrochen, die in einen
hohen glatten Giebel auslaufen. Die beiden Thürme gehören
der beften Feit der Bothif an. Befonders fhön ift das zwifchen
ihnen gelagerte Glodenhaus mit einer prächtigen Roſette über
den Spitbogen: fenftern des Unterbaues. Urfpriinglid) follten
die Thürme bis zu einer Höhe von 500 Fuß aufgeführt werden.
Wie jo häufig im Mittelalter, wurde jedoch nur einer der Thürme
bis zu feiner fupfernen Spige vollendet. Zweimal urd den
Blig getroffen, wurde er J740 Surh einen belmartigen Aufjat
verunftaltetj 2 - .
Die eigentlihe Stadtlirhe aber it die Martini- Rirde
am Altmarft. Obwohl die älteren Theile, die Thürme und das
Mitteljhiff, in ihren rein romanifhen Bauformen auf die Heit
Heinvic)'s des Löwen zurüdgeben, ftehen alle duperen, im die
Augen fallenden Anbauten mit der Arditeftur des Ratbbaufes
in Einklang und entftammen etwa der zweiten Hälfte des drei-
zehnten Jahrhunderts, Die von Spitbogen - fenftern durch—
brochenen Seitenſchiffe laufen in reich verzierte Giebel aus, und
die Portale find mit Relief - Skulpturen gefhmüdt. Befonders
das Nordthor weift in der Giebelwand eine Darftellung des
Bräutigams und Ser fieben thdridten und fieben Fugen Junge
frauen auf, während Sie Lunette mit einer Derbilölihung des
Todes Mariä ausgefüllt if. Unter dem reihen Schmud des
Inneren jind befonders erwabnenswerth: der bronzene Taufftein,
auf den Schultern junger Handwerksgefellen in der Tract des
fünfzebnten Jahrhunderts rubend und mit vielen Relief-Dar-
jtellungen in Marmor und Metall verziert; die prächtig gefchnigte
Kanzel, die feltfam genug auf einer Reiterftatue des heiligen
Martin balancirt, und eine prunkvolle Orgel, deren Seiten» und
Mittelbrüjtungen, zwifchen Säulen und Apoftel-Statuen, Relief
Darftellungen Ser Paffions-Gefdidte tragen.
Jn der nachften Umgebung Braunfdweigs, die
fic) fonft nicht durdy landfhaftlihe Reize auszeichnet,
baben trokdem fcharfjichtige Klofterbrüder das jhönjte
Flethen Erde ausfindig zu madhen gewußt. Etwa
` eine Wegftunde von der Stadt entfernt ragen aus
grünen Büfchen die Mauern der Abtei Riddagsbaufen
empor, eines der intereffanteften Bauwerke des frühen
Mittelalters. Jm MUebergangs-Stil vom romanifden
Rundbogen zum romanifhen Spitbogen erbaut, ente
bebren feine von fdmalen Fenftern ohne Mafwerf
unterbrodenen Mauern Ser Thiirme, nur ein fleiner
Dachreiter beseichnet Sen Rreusungs-Punft des Haupt-
und des Querfchiffes. Das Aeufere und das Gnnere
— aber weiſt den zierlichſten Skulpturen-Schmuck in
ſeltſamer Miſchung romaniſcher und gothiſcher Motive
auf. Beſonders das weſtliche Portal iſt ein Muſter
— — —
Deutfde Runf. 85
gefhmadvoller Ornamentirung im Uebergangs-Stil. Jm Spig-
bogen ausgeführt, wird es in der Mitte Such einen romanifchen
Pfeiler aetheilt, auf den fic) die inneren Segmente zweier
weiterer Spigbogen ftiigen, die Sann wieder von einem romanifden
Rundbogen- fries unterfpannt find. Jn der Mitte des Portals
über dem Pfeiler it das Standbild der Mutter Gottes angebradt.
Die Abtei Riddagsbaufen, vor Allem das eben befdriebene
Portal, repräfentirt den Höhepunkt einer Befhmadsrihtung, die
in fünftlerifher Dollfraft die formen einer abfterbenden und
einer auflebenden Stilrihtung zu einem anmuthigen Ganzen zu
vereinigen weif. Sie ift, mit dem Rathbaufe am Altmarkt und
den barmonifdhen Anbauten der MartinieRirdhe, das Fünftlerifche
Wahrzeihen des in freiheit aufbliibenden Gemeinwefens der
alten Welfenftadt.
Die Blithe Ses freien Bürgertbums findet ibre glänzendfte
Bethätigung in Ser Runft und im Runftgewerbe. Die ebren-
feften Ratbsleute, Raufberren und Gildemeifter, wie fie Cranad,
Holbein und Diirer gemalt, erfreuten fic jener wohl temperirten
Genuffabigheit, die fih das Leben eigenartig reizvoll geftaltet.
Haus und Geräth waren anmuthig geziert, und der Stadt Wohl-
ftand fam prunfvoll in Rauf- und Privathäufern zum Ausdrud.
Gerade Braunfhweig nimmt unter dem blühenden Städte:
wefen des Mittelalters eine befondere Stellung ein. Sein Handel
wie feine Runft trägt den Charakter der Dermittelung zwifchen
Norð und Süd. Bebabiger Woblftand, niht übermäßiger
Reihthum beftimmen sie arditeftonifcden Grundformen, die fih
` unter dem Einfluß eines gefunden, dSafeinsfroben Dolfslebens
entwideln. Um die nüdhterne Zwedmäßigfeit des ardhiteftonifchen
Aufbaues fclingt Serber farbenfrober Humor feine phantaftifch
gewundenen Ranfen. Ueber die alterthümliche Gothif fort fehiebt
fh in er Flähenbebandlung der Sacaden Sie Renaiffance,
aber beide Stilformen überwucdhert eine Dierfunft, die ihre Motive
riidfidtslos den derben Beluftigungen des Bürgerftandes entnimmt.
Als Woahrzeihen der ftadtifchen Machtvollfommenbeit in
Bandelsfahen erhebt fih am Wollmarkt die „alte Waage, ein
Mufter des fparfamen, auf einem feften fteinernen Erdgefchoß
überfragenden Fachwerfbaues. Hier wurden die aus Nord und
Süd berbeiftrömenden Waaren auf Maß und Gewicht geprüft,
und die Rrabne Ser beiden oberen Stodwerfe hörten nit auf
zu rafdeln und zu narren beim Hinaufziehen der jchweren
Ballen. Kommt der Zwedbegriff des Baues in der durd viele
Fenfter-Oeffnungen unterbrocdenen Facade, in den hohen, durch
die fpit zulaufenden Dadhfirfte bedingten Cagerbdden zum Aus-
drud, fo treibt in den horizontalen Holzgliedern und an den
fonfolenartig behandelten Balfenfdpfen die gothifche Phantaftif
ibe Spiel. Seltfam verfdlungene Laubfriefe fhmüden die
Lingsbalfen der Etagentbeilungen, Draden und anderes
Märdengetbier reden von den Ronfolen herab ihre unförmigen
Köpfe. 1526 errichtet, bemweilt das in großen Maßen gebaltene
Bauwerf, wie deutfhe Eigenart fic immer wieder eigenfinnig
unter den importirten Renaifjance- formen hervordrängt.
Daf folde Eigenart Siefe Formen gelegentlid aud in
fräftigem Selbftbewußtfein umzubilden verfteht, dafür zeugt der
mädtige Giebelaufbau des Gewandhaufes, 1270—1280 als
Gildenftatte der Cudmacer errichtet und 1590 von den Meiftern
Magnus Rlinge und Balzer Kirchner im Renaiffance-Stil um-
gebaut. Hat der weftlihe Giebel, mit Voluten und Quader-
wer? in Sternmuftern berausgepußt, im Wefentlichen feinen früb-
gothifhen Charakter bewahrt, fo ift der öftlihen Stirnfeite eine
ippig antififirende Facade vorgelegt. Aber die niedrigen Stot-
werfe, mit der Höhe des Ganzen feltfam fontraftirend, bedingen
eine formenfpradhe, die mit der Ueberfegung aus dem Jtalienifchen
gar Fed umzufpringen weiß. Auf Pfeilern mit gedrüdten Bogen
erbebt fic) eine fiir Derfaufszwede geöffnete Halle, deren Kreuz-
gewölbe auf ARenaiffance - Ronfolen ruhen. Darüber baut ji
Stodwer auf Stodwerf, gotbifh in der Maßwerk-Brüftung
der Loggien und den Fenfterumrabmungen, urh Fräftige
Simfe getheilt, die von antififirenden Säulen, Hermen und
Pfeilern getragen werden. Ueber die ganze Flähe bin aber
ftreut die Renaiffance ihre fhön gegliederte Ornamentif in Geftalt
von Frudtgewinden, Medaillons, Cartoudhen und Einzelfiguren, den
treppenartigen Aufbau abmedslungsreid) belebend. Jm Grofen
und Ganzen halt fic) der Stil an die durd) das Steinmaterial be-
dingten formen und fdmiict fic) nur bie und da mit Zierathen,
die als Bänder und Rofetten der Metall-Cednif entlebnt find.
Die Privatarchitettur des mittelalterliihen Braunfhweig wird
im Wefentlihen urh das Leicht zu bearbeitende Holz beftimmt.
Balfenfdpfe und horizontale Schwellenlagen bededen fic) mit
grellfarbigen Schnitereien und werden zu Bildträgern, ohne ihre
fonftruftive Bedeutung zu verlieren. Unter den Fenftern breitet
fih balbmondförmig ein fächerartiges, an die moderne Rerbfdnitt-
Urbeit erinnerndes Ornament aus. Cin prächtiges Beifpiel diefer
felbftftändigen Architektur ift sas alte Mumme-Braubaus, deffen
lange front fic) im Uebrigen an die. Renaiffance- formen an-
fließt, foweit es die Eigenart des Holzbaues zuläßt.
Sum DVolfshumor, wie er fid in der bildenden Runft aus-
Ipricht, gehört untrennbar die Farbe. Erft die bunt bemalte
Schnißerei wirft auf das naive Empfinden der Menge, und jo
bededen fih denn die Privathäufer Braunfhweigs in feger
Fafhingslaune mit farbenglänzenden Sdildereien, in denen fird-
lide und weltlide, ernfte und derbfomifhe Darftellungen fih
feltfam Surcheinanderwirren, Jm Haufe am Baeerflint foll
Till Eulenfpiegel gewohnt und feine Streiche verübt haben. Es ift,
als ob er einen Theil feiner Iuftigen Einbildungskraft auf die alten
Baumeifter übertragen und fo der Nachwelt übermittelt hätte.
Gar feltfam nimmt es fih dann aus, wenn plößlih ein
altersgrau, in fhweren Renaifjance- formen
aufragendes Steinportal die buntbelebte
Slade unterbridt, fic) breit und ernfthaft
vor den luftigen Bilderfafhing hinfpreizend.
Diefe fortwährende Stil-
mifhung ift es, Sie der Stadt
Braunfhweig ihren unterfcheiden-
den arcitektonifhen Charafter
verleiht und den
Befucer be-
rührt, wie die
Derförperung
einer uralten
Mardendich -
tung. Heidni-
fhes und Chrift-
liches, Höfifibes
Sraunſchweig. Die Katharinen-Kirhe mit dem Denfmal
Heinrihs des Löwen,
Don O. Günther-Naumburg.
86 Deut{ he Runft.
und Bauerlides, Heiliges und Profanes wirrt ih da zu wunder-
lidhen Gebilden 3ufammen, denen fic) Sie Einbildungstraft willen-
los gefangen giebt.
Unwiderftehli aber Sringt überall nüchternes, modernes
Gefdhaftsleben in die Märhenpoefie der Welfenftadt ein. Das
„Haus zum Stern“ hat einem Wiener Café Plazt maden
müffen, die facade des ,,Demmerbaufes*, das wir in Heft |
abgebildet und befchrieben, ift mit Mübe und Moth aus einem
projeftirten Umbau berausgerettet worden. Die fic jeltfam
biegenden Querbalfen, die fic) neigenden fteilen Däder in den
winfligen Strafen mabnen an die Vergdnglidfeit alter Städte-
Dom Landfchaftern.
Von Wolfgang Rirdbad.
„Weiß der Himmel, was das ift mit diefen neuen
Landfbaften! Darin fann ja fein Menfd
mebr fpazieren gebn.“ Wenn er aber cin Bild
fand, das ihm zufagte, fo brady er oft mit Entzüden
in die Worte aus: „Herrgott, das ift famos. Hier
fönnte man ja gleih ein Pidnid veranftalten!‘
Dor einem anderen laufhigen Bilde mit Bebüfchen
und einer Rubebank: „Jetzt wünfdhe ih mir nur
nod ein recht hübfhes Mädel zum Schabe, daß
wir uns glei auf die Bank fegen fönnten. Die
Küffe müßten ja noch einmal fo gut fhmeden.“
Sab er aber eine Hodgebirgslandfhaft mit wilden
Klüften und Abhängen, fo fagte er: „Ih muß nur
gleih zu Haufe feben, ob mein Rudfad und meine
Gebirgsfhuhe noh in Stand find, dag man einmal
bier binaufjteigen Fönnte, um fic) Edelweiß zu
pflüden, denn da oben muß fiher weldhes wadfen.‘*
Ja, fogar vor Regen fürdtete er fic) durhaus nidt;
eine düftere Wolfenlandfhaft von Ruysdael konnte
ihn gar wohl begeiftern und einmal fagte er:
„Wenn ich jeßt hier durd den Sturm und Regen
wanderte, würde ih nicht einmal meinen Schirm
auffpannen, fdon damit id) die Rompofition nicht
beeinträchtigte. Und wenn id Flitfhnag würde!
Diefer Riinfiler war zweifelsohne ein wetter-
fefter Mann, der unter Spazierengehen niht nur
einen fonnigen Sonntagsnahmittagipaziergang
zwifchen grünenden Wiefen verjtand, fondern weder
Sturm nod) Gefabren auf offener See oder in Gee
Aber auf alle fälle wollte er =
Kin geiftreiher Rünftler aus älterer Zeit pflegte beim Be-
trachten von gewiſſen Landſchaftsbildern zu ſagen:
pracht, deren Erinne-
rung wenigitens in
Bild u. Befhreibung
feft zu halten die Auf:
gabe aller derer ift,
denen das Wieder-
erwachen eines ge
funden volfsthüm-
liden Runſtſchaffens
am Herzen liegt.
G. Malfowsfy.
Genuß erinnert, den
wir gerade bei der
Malerei als eines der
Braunjhweig, Das Gewandhaus,
bewegenden Momente nicht aufer
Act laffen follten.
Denn fragen wir uns, was
it es denn eigentlih, mas uns
sum Landfchaftern veranlaßt und
was in unferen Zeiten diefer Runft
zu jo allgemeiner Verbreitung ver-
bolfen bat! Nicht zu allen Zeiten
war diefes Gntereffe an der lang-
Ihaftlichen Natur glei groß. Die
Griechen erreichten in ibrer Art
das Höchſte in der Darftellung des
menfihlichen Körpers, feiner Schön«
beit, feiner lebendigen Organifation,
birgsflüften ſcheute. — Braunſchweig. und die Bildhauerei wurde geradezu
in jede gut gemalte Landſchaft hineinſpazieren —— Portal am ein Ausdrud der menfdlihen Judt-
—
können, um zu ſehen, ob der Maler ſie auch richtig . Zeughaus. wabl, der Auslefe des Beften und
wiedergegeben habe und um im Befonderen und ER am fhönften Organifirten im Sinne
Allgemeinen die Cigenthiimlichfeiten Siefer Cand-
fchaft 3u ftudiren und zu genießen.
Gegen gewiffe vieredige Roblfelder und flache Bemüfeland-
jbaften hatte er eine unergriindlide Abneigung. Bei fo einem
Bilde fagte er einmal: „Der Rohl fteht zwar gut, aber ich bin
dod) fein Bemüfeweib. Jh handle dod niht damit. Diefer
Maler hätte mit feinem Bilde in die Markthalle geben follen !*
Und vor einer anderen wenig intereſſanten Landſchaft: „Jeſus,
jet bin nun fhon zwei Stunden über 'diefes öde Gebiet ge-
wandert und babe mir Schwielen an die Füße gelaufen und
es it immer noh niht zu Ende. Wenn ih erft da beraus
wäre!‘
Seder geneigte und geiftreihe Lefer Fönnte eine Blumenlefe
ähnliher Balerieworte mit Ceichtigkeit felbft berftellen, wenn er
von der gleihen Lebhaftigkeit der Empfindung und Antheilnahme
an gemalten Begenftänden bewegt wäre wie diefes fröhliche alte
Künftlerblut. Wir aber werden durch diefe Aeuferungen auf
eine Runftfrage aufmerffam, die uns gewiß den boldeften Reizen
der Landfihaftsmalerei näher bringt und uns an den naiven
* der Emporbildung der menſchlichen
Raffe ſelbſt. Die Freude an der
Schönheit des Menſchen fiel noch ganz zuſammen mit dieſem
Darwiniſtiſchem Inſtinkt. Aber die Landſchaft hat das Griechen—
thum, die alte Kunſt überhaupt faſt gar nicht gepflegt. Nur
die Dichter batten Sinn für Landſchaftsreize. Wenn Homec
uns die Grotte der Kalypſo malt, ſo ſehen wir hier recht wohl
ein behagliches Landſchaftsgefühl. Wir erkennen es auch ſechs—
hundert Jahre ſpäter vielfach in den lieblichen Idyllen des
Theokrit, ſehen hier ſogar bereits eine Art von maleriſchem
Landſchaftsſinn ausgebildet, wie von der ‚fähigkeit zum land-
ſchaftlichen Stimmungsempfinden. Im Ganzen aber äußerte ſich
dieſer Landſchaftsſinn weniger durch maleriſche Nachahmung als
dadurch, daß man in Gärten, Parks, in Verbindung architektoniſcher
Anlagen mit Berg, Thal, Waſſerſturz und Pflanzengruppen
idylliſche und anmuthige Landſchaften um ſich herum erſchuf.
Der Landſchaftsſinn und die Ciebe zur Landſchaft blieb rein
praktiſch. Und es iſt Jahrhunderte lang ſo geblieben, und es
ſcheint, daß erſt mit der Verbreitung der bibliſchen Schriften in
VERRECHNET
Deutfhe Runft. 87
Europa derjenige befondere Candfaftsfinn und Naturfinn auf-
gekommen ift, der zulet zu diefer befonderen Verherrlihung der
Natur führte, die jetzt im unferer Candfchaftsfunft zum Ausdrud
gelangt.
Es flingt parador, aber es ift eine Thatfadhe, daß die
Juden, die in Paläftina, in Aegypten und in Babylon feit ur-
alten Heiten, zur Zeit Homers, vor derfelben und nad) derfelben
gelebt haben, aud diejenigen waren, die am früheften den Sinn
für die Natur, für Candfhaft und all ihre Schönheiten begeiftert
gepflegt haben. Es klingt um fo wunderbarer, als man beut-
zutage ja beobadten will, daß die Nadhfommen Abasveros faft
gar feinen Landfhaftsfinn, ebenfowenig wie landwirtbfhaftlien
Sinn hätten. Man nimmt es wefentlid als ,,germanifde
oder gar „hriftlihe* Eigenfhaft in Anfprud.
In Wahrheit aber ftellt fi die Sade fo, daß es niemals
ein Volt gegeben bat von fo ausgefprodenem gefunden Ylatur-
finn, von fo viel Begeifterung fiir die Natur, wie dasjenige ift,
dem wir die Sammlung der Pfalmen, das hohe Lied Salomos,
die Dichtung von Hiob, wie das Buch Efther, das lieblihe Bud
Ruth, fowie die fogenannte Genefis des Mofes, d. h. die Natur-
entwidlungslehre des Mofes verdanfen. fängt diefes Bud doce
fogleih mit den Säten an „Und Bott fahe, daß es fhön war,
denn fo heißt es im hebräifhen Original; nicht nur, daß es
„gut war, wie wir zumeift aus Luthers Ueberfeßung denken.
Nein, cs ift bier die Schönheit der Natur, die Schönheit der
Schöpfung gemeint, in welder das Bras und die Pflanzen fih
aus der Erde felbft natiirlic) entwideln, in welder die Erde
felbft allerhand lebendige Thiere hervorbringt, wie der Menſch
felbft nun diefe Entwidelungsreihe befchließt. Und die Begeifterung
für die Schönheit der Natur legt Gott felbft das Bemwußtfein
unter, daß er fieht, es jei Alles fhön. Diefer Naturfinn erfhuf
den 104. Pfalm, ein Lied von der landfchaftlihen Schönheit der
Natur, as wohl noh niemals feither an Plaftit, Anfhaulickeit
und Begeifterung für die Natur übertroffen wurde, ein Panorama
der Natur von großartigften Dimenfionen. Es bat unzähligen
„idealiſchen“ Landfihaften zum ftillfhweigenden Dorbilde gedient,
wie die Dorftellungen vom Paradiefe und feiner menfdliden und
thierifden Staffage bis in die Schöpfungen Raphael Sanzios
und Midel-Angelos hinein Träger der Landfhaftsempfindung
werden.
je mehr die altteftamentarifhe Bibel und die Lehre Jefu
felbft mit ihren Naturgleihniffen und ihrer landjdhaftliden Um-
gebung bekannt wird, defto mehr fehen wir aud in der Malerei
eine felbftftändige Entwidelung des Landfhaftlihen oder doc
mindeftens die Neigung, Menfhlihes und Landfhaftlihes in ein
gewiffes Gleihgewicht zu fegen.
Bei den älteren und früheften Meiftern Ser italienifchen
. Malfunft, welde ja überhaupt die Lehrer und Meifter der
europäifchen Malerei wurden, fehen wir von Haus aus das
Landſchaftliche faſt durchweg als einen idypllifchen Hintergrund
für die religiöfe oder biftorifhe Darftellung benußt. Und febr
früh fhon wird bier das Perfpektivifhe als ein Hauptmoment
diefes landfhaftlihen Reizes angefehen. Diefe Candfdaften find
in den feltenften fallen bloße Phantafie-Landfhaften. Wer
Italien fennt, erfennt bei den älteften Meiftern wie felbft nod
bei Tizian, wenn er eine Denus hinlagert und einen fernblid
in eine bergige Landfhaft eröffnet, oft ganz beftimmte Ausblide
aus den venetianifhen Alpen, aus den Vor-Apenninen, aus
der lombardifhen Ebene jo gut wie aus den tosfanifhen Thälern
wieder. Gewiffe geologifhe Bergharaktere find ganz bejtimmt
feftgebalten und nur die ftilifirende Manier, in welder diefe
Yaturbeobadtungen vorgetragen werden, läßt fie für manden
als „pbantaftifche* Landfdhaften erfcheinen, weil er die richtigen
geologifhen und botanifhen Grundzüge diefer Hintergründe nicht
felbft beobadtet bat. Erft in fpäterer Zeit, und wefentlih in
Holland und Belgien, entftehen dann jene im wahren Sinne
phantaftifhen Landfdaften, wie fie auf den Bildern eines
Breughel erjcheinen, merkwürdige Panoramen, wo phantaftifch
geformte Berge mit einer Vegetation, die fih im diefer Weife
rein botanifh niht miteinander verträgt, vor Sem Befchauer
aufgerollt feinen. Aud in altdeutfhen Gemälden begegne
man dergleihen, und man erklärt fi diefe Landſchaftsphantaſtik
wohl daraus, daß diefe H länder und Fladländer nur fehr
unbeftimmte Begriffe von Gebirgen, Flußläufen und Thälern
batten, daß fie etwas lediglic) aus dem Ropfe malten, was fie
nur auf Reifen vorübergehend und fliidtig beobachtet hatten oder
fih auf ihre Weife nah Bildern zurecht legten. So entftanden
jene landfchaftlihen Rumpelfammern, die uns um fo mehr über-
rafden, als die niederländifhe Malerei da, wo fie ihre eigene
Umgebung malt, ja immer befonders realiftifh ift und ebenfo
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Braunſchweig. Das Mumme⸗Haus.
viel Terrainverſtändniß wie jede andere landſchaftskundige fähig-
keit beweiſt.
Aber noch immer iſt damit nicht die Zeit des eigentlichen
Landſchafterns angebrochen, wenn auch ein Mann wie Ruxsdael
bereits groß iſt im Ausdrucke von Stimmungen der ſelbſtſtändig
herausbeobachteten Landſchaftsnatur. Er iſt und bleibt in ſeiner
Zeit mehr oder minder vereinzelt, unbeſchadet aller Verdienſte
eines Cverdingen und Anderer um die allmälige Entwickelung
eines ſelbſtſtändigen Landſchaftsbewußtſeins.
Die Zeit hingegen, wo fröhliches Malerblut hinauszieht in
Wald und Feld, ans Meer und in die Gebirge, um im taufend-
fachen Prisma Ser Luft- und Lichtſtimmung alle formen-
ſchönheiten und geheimnißvollen Naturgewalten der Landſchaft
zu ſtudiren und auszuplaudern, beginnt ſo recht erſt am Ende
des vorigen Jahrhunderts und füllt dasjenige aus, deſſen Ende
wir uns nähern. Ert von ða ab fönnen wir von einem
befonderen Riinfilerftand der Lansfhaftsmaler reden. Wie Goethe
fhon in jungen Jahren als Landfchaftszeihner dilettirte, in
ge Deutfde Runft.
feinem „Werther aber dichterifch alle Reize der landfdaftliden
Natur fhilderte und feinen Helden mit malerifhem Bewuftfein
die Gegenftände der freien Natur betradhten läßt, fo fehen wir
aud) fonft, daß Laien und Dilettanten beginnen die Natur auf
ihre malerifch-poetifche Seite anzufehen. Neben der durd Raffael
Mengs, Winkelmann, Gefer fortgepflanzten großen biftorifchen
Runft, neben den Bilbniffen der Graff, Tifhbein fehen wir
allmalig aud) gelegentlih das Landfhaftlihe felbftändig wieder
auftreten. Hatte dod hundert Jahre früher fhon Salvator
Rofa in Ftalien machtige Schritte in der Ffolirung des land-
fhaftlihen Naturgenuffes getban und Ser Rupferftid) und die
Radirung hatten fogar fhon eine gewiffe Tradition heroifcher
- Landfhaften, die aber eben freilich vielfach noch in der gefdilderten
Phantaftit ftedten. Gn franfreih war eine Liebhaberei für
Shäferfpiele und Fdyllen aufgefommen, man fieht in der hdfifden
Benremalerei eines Lancret und feiner Schule auf die Candfdaft
bereits ftarferes malerifthes Gewicht gelegt, nahdem durch Pouflin
und Clause Lorrain fhon eine felbftändigere Landfdafts-
fhilderung in Schwung gefommen war.
Man ift aber in der Lage, nahzumweifen, daß jene Periode
der Landfdhaftsmalerel, welde durh Ruysdael, Salvator Rofa,
Pouffin und Claude Lorrain bezeichnet ift, in einem gebeimnis-
vollen Sufammenbang mit literarifhen Befhmadstihtungen
ftebt, welche zu den Seiten Siefer Meifter das Jöpllifche, die
Dorliebe für Schäferpoefie oder romantifche Stadtfludt pflegten.
Wie fcdhon in Shatefpeare’s Dramen zu Anfang des 17. Jahr-
bunderts diefe Richtung geniale poetifhe Blüthen gezeitigt hatte,
fo feben wir aud in Gtalien, franfreid), Holland im Laufe des
Jahrhunderts und tief hinein ins adtzehnte die Fdyllendidtung
und Scäferpoefie fih ausbreiten. Und wer zweifelt, daß die
Landfdaftspoefie eines Claude Lorrain ganz aus diefen didterifcen
Träumen bherauswadft?
Die Kunft in Paris.
aris gilt mit Recht als Runftftadt erften Ranges, troßdem ift and
dort niht Alles Bold, was glänzt. Befonders um die Erhaltung
DO der Runftdentmäler hat es von jeher an den Ufern der Seine
nicht befonders gut geftanden. Gebt hat der Bemeinderath endlich befhloflen,.
einen Ausfhuß einzufezen, der ih mit der Frage zu befhäftigen hat, wie
vom alten Paris nod) 3u retten fei, was zu retten ift. Gerade in jüngfter
Heit war Mandes verfhwunden, was ohne große Mühe zu erhalten gewefen
wäre. So ein ftilvoller, wohlerhaltener, fiinftlerif werthvoller Palaft des
fiebsebnten Jahrhunderts in der Rue des Archives, der einem Zinshaus Plag
maden mupte. Das Bebäude hatte fic) trefflich für ftädtifhe Zwede gebraudhen
laffen. So ein Stüd der Mauer, mit der Philipp Auguft Paris umgeben
hatte und das „in der Rue Clovis bei einem Umbau faft unverlegt zu Tage
fam. So der Unterbau der von Robert de Sorbon erbauten Rapelle, der
bei der Erweiterung Ser Sorbonne verfhlungen wurde, Ausgrabungen
würden wahrfheinlih gefchidtlid) Werthvolles 3u Tage gefördert haben.
Mande der Alterthümer find freilih nit zu retten oder es lohnte fih nicht
ihre Erhaltung. Aber Abbildungen, Lichtbilder oder Zeihnungen wären
gewiß wertbvoll für die Madfommen, für Rünftler und Gelehrte.
Aud um das Schloß von Derfailles mit feiner gefhichtlihen Bilder-
fammlung ertönen immer neue Scmerzenfchreie. Es ift wegen feiner freien
Lage der Unbill der Witterung ausgefert. Alle hervorftehenden Bautheile
find duch Waffer und frot gefhädigt. Gm nnern mußten mehrfah Böden
und Deden geftügt werden, namentlid 1878 bei Sem von Mac Mahon ge-
gebenen Ball, und voriges Jahr bei dem Befuh des Farenpaares. Um das
Schloß außen und innen zur Weltausftellung 1900 einigermaßen in Stand zu
fegen, müßte die dafür ausgeworfene Summe (150 000 Franke) mindeftens
um J00 000 francs jährlih erhöht werden. Der Bericterftatter für die
Runftausgaben, Berger, mahnt dringend zu folder Erhöhung.
Jm Uebrigen wachen die ftaatlihen Kunftfammlungen in Paris beftändig
durch Zuwendungen von Privatperfonen, deren Liberalität unferen Sammlern
als Dorbild dienen Fönnte,
Der Runfifenner Jules Maciet, der die Sammlungen des Louvre
und des Mufeums der dekorativen Rünfte fon um mandes
fhöne Stüd bereiherte, bat dem Louvre neuerdings eine Serie von 14 Gee
mälden des 15. und 16. Jabrhimderts Ser vlämifhen und der deutfchen
Schulen zum Gejhen? gemadt. Die Stüde der Serie find nidt fammtlid
von dem gleihen Werthe, einzelne mur Fragmente größerer Runftwerfe, aber
alle find von febr hohem Augen für de Kunftgefhichte und werden die Samm-
lung des Louvre in erfrenliher Weife ergänzen. Die bauptjädlichften
Stüde der gefhenkten Serie find: ein fehr jhönes Panneau „Mariä Per-
fiindigung im Stil Memlings oder van der Weydens; der Flügel eines
Triptvhons, einen Inieenden Spender in einer Landfhaft mit feinem
Schutzengel darftellend; zwei Peine runde Panneaur, das eine mit einem
wunderfhönen Chriftusfopfe, das andere mit einer berrliben Muttergottes
auf Goldgrund, vier Meine Studienföpfe auf einer Leinwand und zwei
Männerportraits,
Selbft die Runfthandler meinen es in Paris mit der Kunft felbftlos
ebtlid. So hat Artaria eine Ausftellung der Werte von Alphons
Muda veranjtaltet, 3u der er dem Publifum freien Zutritt geftattet. Muda
verdantt einen Theil feiner Ausbildung dem Auslande, aber es aft fid
wobl faum annehmen, daß er auf der Mündener Akademie, die er be
fügte, feine Erfolge auf dem Gebiet des Plafats verdankt. Uebrigens
it Muha ein durchaus univerfeller Rünftler. Er ift ein Meifter der bifto-
tifhen Rompofitton, des Sittenbildes, der intimen Studie und ein fhöpfe-
tifher Geit in Erfindung pifanter Plakate und Flluftrationen. Ob er uns
in einem Ratton, als Blasfenfter auszuführen, den Ritter Hubertus oder eine
anmuthige Szene aus dem foyer der groffen Oper vorfiibrt, immer zeigt er
fih vollfommen Herr des Dorwurfes, den er darftellen foll. Der
Svllus „Die vier Jahreszeiten“, reizende weiblihe allegorifhe Figuren,
als Plafat für eine große Gnduftrie gedadt, find mit derfelben Sorgfalt
für alle Details ausgeführt, wie die Bejhichtsbilder „Johann v. Leyden,
„Der Prager fenfterfturs u. f. w. Ob er nun eine Affihe für eine
Figarrettenpapier » fabrit oder das Titelblatt für die Zeitfhrift „La Plume“
erfinnt, fein Stift und fein Pinfel find immer geiftreih. Fablreihe Studien
nad der Natur geben Hengniß dafür, wie ernt es Mudha mit feiner Kunſt
nimmt. Das Hauptwerf der Ausftellung find die 132 in Aquarell aus-
geführten Fllufteationen zu dem
Märden „lie, Prinzefjin von
Tripoli" mit dem Tert von Ro-
bert de flers.
Paris, das überall an der
Spike der Zivilifation marfdirt,
bat es nun aud zu einer Se-
zefjion in der Seszeffion gebradt.
Die Marsfeldgruppe wollte auf
dem Brundftüde des hinefifhen
Pavillons beider Porte Dauphiné
des Bois de Boulogne ein Ge-
bände aufführen laffen, das bis
zur Weltausftellung von 1900
ihre Runftausftellungen aufneh-
men follte. Der „Temps" hatte
darüber den Präftdenten der
„Société nationale des
beaux - arts“, Puvis de Cha-
vannes, befragt und von ihm
die Beftätigung diefer Nachricht
erhalten. Here Puvis e Cha-
vannes erflarte fie allerdings
für noh verfriibt, weil das
Comité der genannten Riinftler-
gefellfhaft erft über das Projekt
berathen und der Parifer Be-
meinderatb feine Zuftimmung
geben muß. Nun ftößt aber
das ganze Projekt nit nur
innerhalb diefer Behörde auf
ethebliden Widerfprud, fondern
(>
Braunfchweig.
Portal an der Abtei Riddagshaujen,
FEET AE
Deutfhe Runft.
die Marsfeldtiinftler felbft find darüber in einen .argen Ronflift gerathen.
Die Gruppe der Ardhiteften hat in corpore ihren Austritt angemeldet.
Die Urface diefes Brude, der den Marsfeld-Salon einiger bedeutender
Rräfte beraubt, it die rüdfichtslofe Meife, mit der der Dorftand der
Société Nationale ihren eigenen Arditeften gegenüber vorging. Diefe
erfuhren von dem Plane Ses Umbanes des Pavillon Chinois erft, als
er dem Parifer Gemeinderathe zur Genehmigung unterbreitet wurde, und
waren weder über den Entwurf nod über den Yleuban felbft zu Rathe ge-
zogen worden. Der Vorftand hatte fic) zu diefem Zwede an den Architekten
Formigé, eine der Stügen des alten Salons, gewendet, weil diefer, angeblid
fidh eines gewiflen Einfluffes unter den Stadtwätern erfreut. Eine folhe Zu-
tüdfegung fonnten Riinftler, wie de Baudot, Franz Jourdain, Benonville
u. A, h nit gefallen laffen. So hat man ih aus Utilitätsgründen
zwifhen zwei Stühle gefegt, da man den Gemeinderath nidt einmal duch
Herrn SFormige überzeugen
fonnte, daß Paris durch das
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den Sdhaften der Säulen, die vorn das Dad ftüben, flieht man zwei Kronen
und den Mamenszug Wenelifs in amharifher Schrift. Byzantinifhen Stiles
find aud die fehs goldenen Areuze, die ebenfalls zu den Gefdhenten gehören.
Das für Menelif jelbft beftimmte ift größer als die übrigen und mit einer
Halskette verfeben. Die andern Kreuze find fir die Raiferin und die Prinzen.
Die Stiftung Ses Thrones für den aus eigener Rraft in feiner Herrfhaft
befeftigten Menelif gerade durch Franfreih tann man, wenn man will, als
eine fiinftlerifche Liebenswürdigfeit auffafjen, für die fih die Italiener be-
banten mögen.
Uebrigens fegt PouffielgueRufand feine fünftlerifhe Kraft aud daheim
für das monardifhe Prinzip ein. Er hat das von der royaliftifhen Jugend
dem Herzog von Orleans als Andenfen an feine Heirath gewidmete bronzene
flahbild angefertigt: „Frankreih unter dem Sduge des Erzengels Michael
die Föniglide Krone darbringend." Jm Vordergrunde Ffrantreidh, eine Frauen-
geftalt in lilienbefietem Panzer
und wallendem Gewande. Mit
fehlen einer Marsfeldaus-
ftellung in Gefahr fommt,
feinen Ruf als Weltftadt ein-
zubüßen.
Wenn die Riinftler aud
auf dem nicht mehr ungewöhn-
ligen Wege der Unverträglid-
feit um eine Unsftellung fommen
follten, fo feblt es ibnen doc
nidt an Staatsauftragen, die
bisweilen einen für eine Re-
publit feltfamen Charafter an-
nehmen. Dieerotifchen fürften,
mit denen frankreich intimen
Derfebr unterhält, hatten fhon
öfters den Wunfh ansge-
“jproden, von ihrem „großen
Vater" jenfeits des Wafers
ein mehr oder weniger foftbares
Thréndhen als Garantie der
durch ebenjenen „großen Vater!“
fart gefährdeten Souveränität
zum Befhent zu erhalten. Der
Königin von Madagaskar und
dem Rönig Toffa von Porto-
novo hatte fih auh Menelif
von Ubefjinien angefdloffen.
So wurde denn Ponffielgue-
Rufand mit den einfhlägigen
Arbeiten betraut und hat ein recht
anftandiges Stüd ftiliftifcher
der rechten Hand bietet fie die
Krone dar, mit der linken
drüdt fie die Fahne Jeanne
d'Arc's an die Bruſt. Hinter
dieſer Frauengeſtalt, ſie um
Haupteslange überragend,
ftebt der heilige Michael, der
fie mit dem linfen Arm zu
fügen fcheint, während der
tehte Arm ein entblößtes
Schwert hodihwingt. Ganz
im Bintergrunde erfdheint die
Rathedrale von Reims, in der
die franzöfiihen Könige ge-
front wurden, rechts und linfs
in den Wolfen die Geftalten
Chlodwigs, des heiligen Lud-
wig, Karl's VIIL. und Hein-
tih's IV. Unten links auf
einem Unterſatz ein Riffen,
worauf Scepter und Schwert
gefreuzt liegen.
Wenn man die fran-
36fifhe Runt auh gelegent-
lid in den Dienft der Politik
ftellt, jo nimmt man es mit ihr
im Grunde genommen doh gar
nidt fo ernft. Der Zwedbegriff
fteht meift — und fiher nicht
zu ihrem Schaden — erheblid
hinter dem Luftgefühl zurüd.
Slidarbeit 3u Stande gebradt.
Der Thron ift zerlegbar, aber Meunier.
fo umfangreih, daß feine
Theile in fechzig großen Riften verpadt werden miiffen. Der Stil ift
romanifh-byzantinifh. Der Thron ift 6,50 Meter hod) und 4 Meter breit.
Auf beiden Seiten befinden fih fhwere Wände aus gefihnigtem, theilweife
vergoldetem Eihenholz, die das Dad tragen, auf dem fih die vergoldete
dreifache Aciferfrone aus Metall erhebt. Die Hinterwand ift mit einer Art
Dorhang ausgejhlagen, worauf eine Rrone in Seide geftidt if. Auf der
Sigbant liegen zwei mit rothem Damaft überzogene pradtvolle Riffen. An
Was von Conftantin
s giebt Künftler, Seren Perfonlidfeit von ihren Werfen
nicht getrennt werden darf, wenn man beide in ihrem
vollen Werthe würdigen will. Was fie auch immer
fhaffen mögen, es ijt mit Einfegung ihrer ganzen Eigenart bervor-
gebradt, eim Banzes, weil mit Anfpannung aller Nerven aus
dem Gnnerften bherausgearbeitet. €efthetifche Formeln find auf
fie nicht anmendbar, weil fie naturnothmendig Organismen
zeugen, sie nicht gemodelt, fondern gemadfen find und fo ihre
Dafeinsberehtigung erweifen. Sie bergen den Maafftab der
Der Einfiedler.
Das beweift aud die nenefte
Publifation von Didier und
Mericaut „Le nu ancien et
moderne“, von dem einige neue Lieferungen erfehienen find. Es handelt fih bei
diefen Werken um eine Sammlung von antifen und modernen Meifterwerten der
Malerei, die in allen Galerien der Welt zerftreut find; ein fpezififcher Jwet
außer dem rein fünftlerifchen foll nicht verfolgt werden. Die Reproduftion ift eine
tadellofe und die Auswahl eine feinfinnige und gefchidte, fo daß man eigent- `
ld darüber vergefjen fönnte, daß „le nu“ in Paris in jeder form will-
fommen ift, mag es nun antif oder modern fein.
Meunier zu lernen ift.
Dinge in fih, fie bedürfen der Bewerthung nicht, weil fie neue
Werthe fchaffen.
Jn Münden 1896 lernte man Conftantin Meunier
fennen, in Dresden 1897 als der Gröğten einen fhäten; Berlin
wird nidts anderes übrig bleiben, als an ihm zu zeigen, ob es
wirklich Neigung hat, allmälig eine Runftitadt zu werden. Wenn
die, denen es ernft ift mit der Runft, fid niht andädhtig in dem
Runftfalon von Reller und Reiner fammeln, dann fteht es
fhlimm um die Empfänglichkeit für bildnerifhe Bröße in der
90
Reihshauptftadt, man wird eingefteben miiffen, Sah fie an
Conftantin Meunier nicht beranreidt.
Was wir zunähft an dem belgifthen Riinftler meffen fönnen,
das ift unfer fünftlerifhes Verhältnig zu der uns umgebenden
Wirllichfeit. Man hat Meunier einen unbarmberzigen Wabrbeits-
fhilderer genannt. Das ift gerade fo richtig und gerade fo
falfh wie jedes äftbetifihe Urtheil, das einfeitig Erfaßtes fur;
formulirt zum voll Derftandenen überböhen will. Man tann
h die Sache noch leichter machen und Meunier einfad als
Yaturalifien etifettiren, ohne darum dem Kern feines Wefens um
das Mindefte näber zu fommen. Sein Verhältnig zu den Aus-
fendungen ift ein rein fünftlerifhes und will daher mehr
empfunden als begriffen fein. Wenn einer von uns Nidt-
fünftlern in die belgifhen Roblendijtvifte reifte, würde er. als
Reifegepäd ficher feinen gan- =
zen Dorrath von foxialpoliti- —
ſchen Kenntniſſen mitnehmen. — FER
Meunier ift unter Ser Arbeiter-
bevölferung des „Schwarzen
Landes groß geworden.
Gerade weil ihm Alles alt
vertraut ift, was uns neu
erfcheint, weil er Alles tennt
und fritiflos als gegeben
þinnimmt, gewinnt er einen ~
unverrüdbaren Standpuntt, -
der ihm geftattet, injtinktiv
das Typifche aus der Flucdt
der Einzelerfheinungen ber-
auszufinden. Was fih nie-
mals erflügeln läßt, bietet
fih ibm zwanglos fhon in
der Anfhauung, fo daß er,
ohne zu wollen, nit die
Arbeiter, fondern Sen Ar-
beiter fhilðert. Somit ftellt
er fih unbewußt, wie jeder
echte Rünftler, mitten zwifchen
Naturalismus und dealis-
mus. Schön und Haplid
fließen ihm zufammen, und
aus der Mifhung entfteht ein
Ylenes, das von ihm eigen-
artig erfchaute Typifhe. An
Meunier's Werfen fönnen
wir lernen, daß unfer Ver-
bältnif zu den Außendingen
⸗
J
Deutſche Runft. / s
= 4 =
fi einen Bruchtheil Ser Natur unterworfen, wenn es fih aud
nur um den Schnitt Ser reifen Feldfruct handelt. Das tec aus
dem Hintergrunde bervorfpringende Antlitz; iſt ſicher nicht ſchön
nad dem ,,antififaén Begriff, aber es zeugt in feiner gewaltigen
Charakteriftit von/der Glorie Ser Arbeit und wird fo mehr als
fhdn — erhaben in unbewußter Würde.
Aud fir Fen Empfindungsausdrud bhat fih Meunier feine
eigene Norm Kefchaffen, mit der fid) felbft ein Leffing- vergeblich
fritifh abyitihben würde. Verzweifelnde Rene und liebevolles
Derzeihe find noh niemals fo ergreifend bildönerifh ausgedrüdt
, wie in Ser Gruppe „Die NRüdkehr*. Jwei nagte
Mhlidhe Figuren, eine greifenbafte figend, eine jünglingshafte
vot ibr auf die Aniee geworfen. Die Köpfe ffizzenhaft modellirt.
/Der Alte bat mit beiden flahen Händen den Kopf des Jungen
gefaßt und zieht ihn empor,
um ibm mit trübem €rnft
in die Augen zu fhauen.
Das ift Alles. Was da
mit den denkbar einfadften
Mitteln, nicht durch feelifdmen,
fondern Surh Musfelaus-
drud, niht im Mienenfpiel,
fondern im Nadten erreicht
ift, grenzt an das Fabelhafte.
Man lernt, wie ausdruds-
fähig die bloße Rörperbewe-
gung, richtig beobadtet und
treu wiedergegeben, fein fann.
Die Tehnit Meunier's
ftößt mit fouveräner Ueber-
legenbeit fcheinbar alle bild-
nerifchen Befetze um, ohne fie
in Wahrheit irgendwo zu
verlegen. Sein „Einfiedler‘‘
flebt an einer felswand,
fladh, beinahe ganz von vorn
gefeben. Um eine zweifel-
bafte Ede jchleiht faucdend
ein ebenfo flad) modellirter
Panther. Aber fobald fih
das Auge nur ein wenig ger
wöhnt bat, tritt der fels
zurüd, der Flagellant (sft
fih von ihr los, über das
Rnodengeriift feiner Bruft
fpielen Licht und Schatten
und der Panther fdmiegt
ein unnatürlihes, duch vor-
gefaßte Meinungen bedingtes
it. Wir find daran gewöhnt,
in der körperlichen, nad) unferen Begriffen mechaniſchen Arbeit in
etwas Untergeordnetes zu fehen, Meunier zeigt fie uns, obne es
zu beabfidtigen, als eine zielbewußte, beroifhe Anfpannung
ganzer Manncskraft zur Bewältigung der Materie.
So gelangt der Künftler zu einer Art der dealifirung, die
mit dem, was man gemeinhin Jdeal nennt und dem Charakteriftifchen
feindlih gegenüberftellt, gar nichts zu tbun bat. Die auf einen
einzigen nabe liegenden Punkt fonzentrirte Arbeit zwingt den
Menſchen zu einem JZufammenraffen der Energie, die uns Achtung
abringt trog des erwähnten Vorurtbeils; fie zeigt gerade diefen
Menfhen dynamifh von feiner beften Seite, fie macht ibn zum
Heroen. Die äfthetifhe Ummertbung, zu der uns Meunier ver-
anlaßt, ift eine tief einfchneidende. Er zeigt, wie das richtig
erfaßte Charakteriftiihe über den Typus fort zum deal führt.
Wir find fo glüdlih, in Sem Relieftopf des ,,Sdnitters die
jüngfte Arbeit des Meifters zum erften Mal reproduziren zu
dürfen, an der fih das Befagte durch die Anfhauung erläutern
läßt. Diefes farf gefchnittene aufwärts der Sonne entgegen-
geredte Arbeiterbaupt bebt fihb von dem faum angedeuteten
Aehrenbintergrunde madtvoll ab, wie das eines Halbgotts, der
Meunier.
Die Rüdfehr.
h um die Ede herum.
Das Ganze lebt, verfdiebt
und bewegt ih nadh einem
Rhythmus, der feinem der tunftgefhidhtlih feftgelegten Stile abge-
lauft ift. Wir werden uns eben aus Meunier's Runft neue
Gefeße für das Flahbild ableiten müffen.
Ebenfo gebt es mit des eigenartigen Künftlers Material-
behandlung. Er fpringt mit der Bronze um, als ob fie Thon
wäre. Er ftnetet und ftreicht fie wie eine weiche Maffe, er bringt
es fertig, uns glauben zu maden, daß man in Metall ffizziren
fann. Sieht man dann genau hin, fo ift das, was man anfangs
für einen bloßen Entwurf gehalten, nicht einmal eine weit getriebene
Stizze, fondern ein fertiges Werk, lebensgroß troß feiner Kleinbeit,
fet umtiffen bingeftellt, ein felbftherrlihes Aunftwerf.
Warum wir uns nodmals mit Conftantin Meunier be-
fhäftigt haben (fiebe „Deutfhe Kunft* I. Jahrgang, Nr. 42).
Weil gerade wir Deutfche nocd etwas von ihm lernen fönnen, den
Unterfehied zwifchen patriotifher und nationaler Aunjt. Der
glühendfte „Patriotismus“ bat uns mit einer Reibe von Sieges-
denfmalen befchentt, an denen eben jener Patriotismus das ribmens-
wertbefte if. Da fommt ein echter KRünftler, fihildert uns fein
feiedlihes Dolf beim mübfeligen Tagewerf und fihafft jo monu-
mentale Runjtwerfe von nationaler Bedeutung. 6. m.
FETTE.
Deutfhe Runf. 91
Das Kandesgewerbemufeum in Stuttgart.
as erft fürzlih vollftändig eingerichtete Mufeum in der Legionsfaferne
in Stuttgart war urfpriinglid als Mufterlager gedadt. Es follte
den Bewerbetreibenden gute Mufter aus dem Auslande vorführen
und zur Nahahmung überlajjen. Als folhes ift es das ältefte feiner Art in
Deutfhland; denn fcdhon am 4. April 1840 wurde eine vom Staate angefaufte
Sammlung von Mufterftüden, Werkzeugen 2c. dem Publifum zugänglih ge-
macht. Mit den veränderten Derfehrs- und Produftionsverhältniffen, befonders
nah Erlaß des Mufterfhutgejeges wurde aus dem Lager ein Mufeum, eine
Umwandlung, welde das wefentlihe Derdienft des Präfidenten Dr. v. Baupp
(feit 1882) it. Als folhes hat es die höhere Aufgabe, die Bewerbetreibenden
zu eigenem Nachdenken anzufpornen, den Befhmad des Publitums zu bilden
und es faufluftig zu madhen. ‘Es foll ansgefprobenermaßen fein biftorifches
Mufeum fein, fondern die in
Stuttgart beftehende Sammlung
vaterländifher Runft- und Alter-
thumsdenfmale durch muftergiltige
Arbeiten der Gegenwart ergänzen.
Als Erfat für die fehlenden Alter-
thiimer dient die Bibliothef mit
der graphifhen Dorbilderfamm-
lung, die in 400 Rajten eine ‚fülle
von Gegenftinden aller Stile,
Zeiten und Völler zur Anfhauung
bringt. Die Sammlungen zer-
fallen in vier Abtheilungen: Runft-
gewerbe, Mafcinen, Werkzeuge,
Tehnologie und Bypsmodelle. Fm
Erdgefhoß find Sie tehnologifhen
Sammlungen untergebradt, im
erten Stot das Runftgewerbe.
Legteres begimmt mit der grapbi-
[hen Sammlung, welde die Ent-
widelung der Lithographie und der
photographifhen Reproduftions-
verfahren darftellt, aber auch den
Rupferftic) mit feinen verfchiedenen
Techniken, den Buhdrud und Holz-
fhnitt in ihren mannigfaltigen
Phafen. Daran fließt fih eine
Sammlung von ex libris und
eine biftorifhe Folge alter Drude
vom 15.—18. Jahrhundert, ferner
Buchbindereis und Lederarbeiten,
Buntpapierfabrifationen, Gobelin-
imitationen 2c. Es folgen Holz-
fonigereien, Gutarfien, Rerb-
jhnitt, Holzmofaif, Brandmalerei,
Dergoldung, Rorbwaaren und Lugusmöbel, darunter ein Curusfabinet aus
Nufbaum von Giovanni Apollino in Ampezzo, ein folhes von Collinfon & Lod
in London mit Elfenbeineinlagen und andere Ziermöbel.
Die Ubtheilung für Metallarbeiten ift nadh dem Grundfak zufammen-
geftellt, möglichft viele Tednifen zu zeigen: Galvanoplaftif, Mefjingpreilung,
Bronze und Zinfguß, Legierungen; die Begenftände find zum Theil Nad-
bildungen hiftorifher Stüde. Sehr reihhaltig ift die Sammlung von Eifen-
arbeiten: fenfter- und Thürfchlöffer, Bitter, Lampen 2c. Ebenfo wie die
legtgenannte Abtheilung liegt nad der Lindenftraße hinaus der Saal für
Glas und Reramif mit feinen 534 Schränken. Lehrreih ift eine überfichtliche
Darftellung der Glasfabrifation mit den dazu dlenlihen Znftrumenten. Glas-
gefäße aus allen Ländern zeigen den Bejhmad der verfdiedenen Völker;
Nachbildungen alter Originale rühmen die Leiftungen unferer Dorfabren.
Ungemein reihhaltig ift der Saal für Porzellan; bier wetteifert Berlin und
Meifien mit Limoges und Sevres; Majolifen, öfterreihifhe Fayencen, Delfter
Gefdhicr ftehen neben Paliffy-Gmitationen von Barbizet, Schweizer Bauern-
majolifa, Steinzeug von Dillroy & Bod, Wedgewood und danifchen Terrafotten.
Prunfftüde ftellte die KRönigl. Porzellanmanufaktur in Berlin (Rofotovafe)
und eine firma in Saargemünd. Die angrenzende dinefifhe Abtheilung
enthält eine vollftändige Sammlung der bekannten funftgewerblihen Erzeugnijfe
diejes Landes.
Meunier.
Der Schnitter.
Der Blanzpunft des ganzen Mufenms ift die japanifhe Sammlung.
Sie umfaßt 3300 Nummern, darunter viele Stüde aus der beften Zeit:
270 fabrifate aus Porzellan, 500 Bronzen; Email-Tloifonne, mit Edel-
metallen taufdirt, getrieben und cifelirt, 650 Waffen, 100 verfdiedene Meffer-
griffe, 300 Ladarbeiten, 150 aus Elfenbein, Horn, Schildkröt, 220 Spiel-
zeuge, 70 Rultusgegenftände, 150 alte Stidereien, 500 Toupen verfhiedener
Gewebe von den früheften Zeiten an u. A. m. Während diefe Begenftände
aufgeftellt wurden, gingen noh ein: zwel über 3 Meter hobe Tempellaternen
aus Bronze von 1663, über 1!/, Meter hohe Satfuma=Dafen mit Darftellung
japanifcher Heldenthaten, zwei große Aranihe aus Bronze, Schränfe, Lat-
arbeiten, Waffen, Mufitinftrumente und Stoffe, welde der jüngft verftorbene
Rommerzienrath Schöll in London geftiftet hat. Eine ganz hervorragende
Runftabtheilung ift ôte Sammlung
von einigen taufend auf Papier
und Seide gemalter Bilder von
berühmten japanifhen Rünftlern.
Langs der Schloßftraße zieht fih
der Tertilfaal bin. Erwähnens-
werth find bier die in jahrelanger
Arbeit für das Mufeum ausge-
führten Lehrgänge der Reutlinger
Sstauenarbeitsfihule und der l. P.
Stidereifhule in Wien; ferner eine
hdchft bedeutende Spigenfammlung;
an Stidereien, fowobl griedhifch-
ruſſiſche wie italienifde, fpanifde,
perfifhe; folhe in Reltefgold, in-
difhe Tamburirarbeit; dann aud
ganze Gewdnder fiir profane und
firdhlide Fwede; Proben der Ter-
tilfunft aus den Grubenfunden
Unterägpptens (1.—8. Gabrhun-
dert). Den Schluß bildet ein
technologifhes Rabinet, in dem
die Rywltoffe, eine Reihe von
wed ſuhlmodellen 2c. angeführt
find; an den Wänden find in
vielen hundert Bänden die fran-
36fifehen Webmufter aufgeftellt und
in 80 Tafeln die Darftellung aller
widtigeren Bindungsarten in
Muftern und ibre Defompofition.
On der Rönig-Rarl-Halle werden
die unteren Räume ganze Jimmer-
augftattungen enthalten; auf den
Galerien ftehen folde funftgewerb-
lide Gegenftinde, welde eine
der Arditektur der Halle entfprehende Aufftellung geftatten; außerdem find
hier eine große Anzahl der verfhiedenartigften Schmud- und Shau-
ftüde ausgeftellt, deren nähere Aufzählung viel zu weit führen würde.
Die Lebhrmittelfammlung im oberften Stodwerd ift zu einem felbft-
fändigen Mufeum plaftifder Vorbilder geworden. Sie umfaßt bis jest
6725 Nummern, die im Allgemeinen nah den Stilrihtungen geordnet find.
Darunter befinden fih zwei fhöne Brabfteine von Deutfhordensherren, zwei
in Holston imiticte figuren vom Hodalter in Befigheim, ein Abguf der
Rreuzblume der frauentirhe in Eflingen, farbige Jmitationen von Gegen-
ftänden Firhliher Aunft aus Wiener Mufeen, Randelaber aus der Certofa in
Pavia; die Figuren vom Marimiliansdenfmal in Gnnsbrud, die Dede und
Anderes vom Sdhloffe zu Jever in Oldenburg, eine dekorative Figur vom
Reidhstagsgebdude, Pflanzenabgiiffe, Thiermodelle 2c. Yeu eingerichtet ift die
tehnologifhe Sammlung mit Zinfgußfiguren, Möbeln, Werkzeugen, Bewehren,
Schlöſſern, Rohprodukten und Darftellung ihrer Bearbeitung. Daran fließen
fih die Sammlungen der Agl. Zentralftelle für Landwirtbichaft, Eleftrotednif,
eine Mafchinenhalle und eine Sammlung für Werkzeuge, Präzifionsinftrumente 2c.
Der Jwet der Lehrmittelfammlung endlih ift, den Lehrern Einficht zu ver-
ihaffen von den jeweilig neu erworbenen Lebrbiihern, Vorlagen und An-
fhauungsmitteln für die Volfsfchulen und gewerbliden Unterrihtsunftalten
aller Art.
Th. Th. Heine.
92
Deutfhe Runft.
‘Venmifchfes.
Kuriofa aus Afelier und Clerkfatt.
Gedanken üher hildente Kunf.
polizeibureau und Atelier.
Der Maler Max Liebermann hatte gegen den Oberprafidsenten einen
Prozeß angeftrengt. Er hatte die Abficht, Ah im dritten Stodwerf feines
Haufes Parifer Plak 7 ein Atelier herridten 3u laffen, deffen Glasdad etwa
fünf Meter über den Daļhbalten fih befinden follte. Der Polizeipräfident
lehnte es ab, dem Rünftler die Bauerlaubnig zu gewähren, da dur den
geplanten Aufbau die Umgebung des Brandenburger Thores verunftaltet
würde. Der Riinftler führte darauf Befhwerde beim Oberpräfidenten. Diefer
wies ebenfalls die Befdwerdse ab, deutete auf die Schönheit des
Parifer Plakes und die vornehme Architektur der dort befindlihen Häufer hin
und befürchtete durch den Bau eines Ateliers eine Derunftaltung der Gegend.
Der Riinftler war anderer Anfiht und verflagte den Oberprajisenten beim
Oberverwaltungsgeriht. Der Anwalt führte vor dem Oberverwaltungageridt
aus, dap die Polizeibehörde auf Brund des § 6G l. c. nur ein Redt habe,
große Derunftaltungen der Straßen durch Bauwerfe zu verhindern. Der
Bau des Ateliers werde nur wenig bervortreten und erfceine feineswegs
geeignet, am Gefammteindrud des Parifer Plages etwas zu ändern. Es
fönne keineswegs angenommen werden, daß der Bau das feinere äfthetifche
Gefühl verlegen werde. Liebermann fei ein echter Künftler und werde nidts
beginnen, was geeignet fein fönnte, die vornehme Umgebung und fein eigenes
Haus zu verunftalten. Es liege fein öffentlihes Gntereffe vor, folde Be-
fdhrantung im Cigenthumsredt 3u redtfertigen. Regierungsrath Balz bat
um Abmweifung der Rlage und behauptete, der Polizeiprafident fonne jede
Derunftaltung verhindern. Mafgebend fei allein das Urtheil des äfthetifch
gefhulten Publitums und nicht dasjenige der grofen Waffe des Dolfs. Der
fhönfte Plat der Hauptftadt, am den fih zablreihe hiftorifhe Erinnerungen
fnüpfen, müfje feine rubige Dornehmbeit behalten. Der Aufbau würde die
Schönheit des Brandenburger Thores in hohem Brade beeinträchtigen. Der
Geridtshof befhloß, feine Entjheidung zu vertagen.
Buriofa aus Atelier und Werkftatt.
Revande und Bildbauerfunft. — Wenn Politi? und Runft eine
unnatürlice Verbindung eingehen, werden die fic) ergebenden Erzeugnifle meift
zu Ungebenerlihfeiten. Die franzofen haben nah diefer Richtung befonders
Unglüd, da fie ganz ausnebmend vielfagend erjheinen mödten. Bei
Mars Ia Tour fteht ein Denkmal, das einen fterbenden Arieger darftellt, defjen
rubende Waffen die kommende Generation — zwei Rinder — aufnehmen.
Die Rinder find inzwifhen wohl fhon als Enkel aufzufaflen. Auf dem
Richhofe zu Rolmar fteht das Grabmal zweier 1870 gefallener Franktiteurs.
Es befteht aus einer großen Steinplatte, die von einem fid aus dem Grabe
erhebenden franzöfifhen Krieger, deffen Hand nah dem auf der Platte liegenden
franzöfifhen Hanbajonet greift, in die Höbe gehoben wird. Das Ganze ift
fo [hauerlih realiftifh gehalten, daß fhwadnerpige Perfonen Sen Anblid
nicht vertragen fönnen. Das wirft hoffentlih nicht allzu entmutbigend auf
unfere fommende Generation. Jn Tiirfheim ift zu Ehren des Reihstags-
abgeordneten Brad ein merfwürdiges Monument errichtet. Am Fuße des von
einem Parifer Riinftler hergeftellten Denkmals figt eine, übrigens fünftlerifch
ganz verfehlte, weiblibe figur, die aus einem «uf ihren Anieen liegenden
Buche ein Blatt herausgeriffen und auf den Boden geworfen bat. Das foll
nad der Meinung derer, die es willen müfen, dte Mufe der (franzöfifcen ?)
Bejhichtsfehreibung fein, die entrüftet ein für Stanfreih nit eben fhmeicel-
baftes Blatt (18702) aus dem Buche der Hiftorie berausreißt. „Spotten
ihrer felbjt und willen nicht wie."
Der Runftgefhmad der Ausländer in Paris. — Die Aufjeher
in den Mufeen find darüber befragt worden, für welhe Kunftgegenftände fidh
der fremde am meiften interefirt. Das Refultat ift folgendes: Betreten die
Ausländer den Louvre, fo fragen fie vor Allem nad der Venus von Milo: fie
betradten und bewundern fie ftunden-, ja tagelang. Außer der Venus von
Milo feifelt befonders die Vitoria von Samothrale ihre Aufmerkfamkeit. Don
den Gemälden gefallen ihnen am meiften: die Jucunda, die Himmelfahrt und
die Hochzeit zu Aana. Auch verweilen fie längere Zeit vor den Blasfäften,
die den Rronfhat enthalten. Da werden denn die Wächter diejer Reihthümer
mit fragen beftürmt über die Krone Karl's des Grofen, die Napoleon I. bei
feiner Salbung trug, über die Rrone Ludwig's XV., iiber den ,, Regent"
(Diamant) und iiber den mit Diamanten reid befegten Degen Napoleon's I. Gm
Lurembourg fragen die WAmerifaner fogleid) nad den Gemälden Meifjonier's,
während die Engländer auf das Meeting der Marie Bafhlirtfhew zugeben;
denn in Albion genießt Sie junge ruflifhe Rünftlerin großen Ruf, den ibe
ihre Schriften und namentlid ibr Journal eingetragen haben. Jm Pantheon
geben die Fremden fhnell an den Fresfen vorbei, dod betradten fie mit
Interefje die Gemälde des Jean Paul Laurens und die Puvis de Chavannes’,
an denen fie befonders der Farbenton überrajcht.
Gedanken über bildende Aunft.
Noch heute hat der afademifhe Zopf nicht begriffen, daß dem Antifen-
zeihnen das Aktzeihnen vorangeben muß, indem die Antife felbft nur der
ideale Ausdrud des vollfommenen Studiums der Natur ift, oder einfacher
ausgedrüdt: Ehe man Antiten zeichnet, muß man die menfhlihe form
verfteben.
*
Wer ein Kunſtwerk gleich auf den erſten Blick zu verſtehen meint, mit
Allem, was darum und daran und dahinter iſt, der ſollte etwas mißtrauiſch
ſein und ſich votſehen. Wird es ihm aber bei dem Anſchauen eines anderen
wohl und freudig zu Muthe, ohne daß er weiß warum, dann möge er ruhig
ſtehen bleiben. Es wird wohl etwas Gutes ſein.
TET SE Pa TLS — *
Deutſche Kunſt. 93
Die Jahresmappe
der Deutſchen Geſellſchaft für chriſtliche Kunſt.
Die Deutſche Geſellſchaft für chriſtliche Kunſt hat ſoeben ihre IV. Jahres-
mappe erſcheinen laſſen. Ueber den Zwed der Geſellſchaft iſt ſchon des
Oefteren gefprohen worden, fo daß es genügt, furz darauf hinzumeifen, daß
die Befellfhaft Derftändnig der Runft in breitere Schichten tragen will, und
zwar im Befonderen der hriftlihen Runft. Aus dem Gebiete der Arditektur
ift von den Tafeln zu nennen ein Entwurf einer Säulenfiche nad genuejifhen
Meiftern des 16. und 17. Jahrhunderts von dem Arditeften J. Bühlmann,
Profeffor an der tednifden Hodfdhule in Münden. Das Charakteriftitum
diefes Baues ift dreifhiffige Gliederung, wobei das Gewölbe des überhöhten
Mittelfhiffes auf fhlanfe Säulenarfaden gefetzt und der fid) ergebende Seiten-
[hub auf Pfeiler an der Außenfeite der Nebenfhiffe übertragen ift. Der
Innenraum madht dadurch einen leichten und freien Eindrud, es ergiebt fid
eine gute Befammtanfiht und fhöne Durhblite. Profeffor Hauberriffer
in Münden giebt den Entwurf zu einer Tauffapelle in der Herz-Jefu-Ricdhe zu
Graz in fraftigen, gedrungenen formen von frühgothifher Stilifirung. Eine
außerordentlid tüchtige Arbeit zeigt das Blatt „Tod des heiligen Zofef", ein
Holzrelief von Thom. Bufher- Münden. Der dargeftellte Vorgang kommt
zu ftarfem unmittelbaren Ausdrud, die Haltung der Figuren wie der falten-
wurf find virtuos behandelt. Don dem öfterreihifhen Bildhauer Midael
Ruppe ift eine Madonnaftatue wiedergegeben, die ungemein zarte Jnnigteit
athmet. Don Oelgemälden find drei Reproduftionen vorhanden: Abend-
mahl" von Bebh. fugel- Münden, „Tarl Borromäus im Dienfte der Peft-
kranken“ von Babr. Hadl-Münden und „Beburt Chrifti von Heintid
Nuttgens- Düffeldorf. Alle drei find Werke von tiefer Empfindung, die
duch das Mittel vollendeten Rönnens ausgefprohen wird. Der Prager
S. B. Rudl it mit zwei Skizzen zu Wandgemälden vertreten, die einen
eignen Reiz zu geben verfprehen durch den Gegenfak des byzantinifd-
romanifden Boldhintergrundes (Mofaitimitation) und der freieren, moderneren
Behandlung des Figürlihen. Das legte Blatt „Der reihe Züngling" von
Sriedrid Stummel- Revelaar ift in dem Stile der früheften Ftaliener
gehalten. Alle reproduzirten Werke figürlihen Inhalts zeigen insgefammt,
gleich denen der früheren Mappen, den gemeinfamen Zug, ser von driftlider
und firdlider Kunft verlangt wird, die tiefe, frommglaubige Ebrfurdt vor
der Perfon des Heilands, eine andadtevolle Zartheit in der Behandlung des
Dorwurfs. Die Reproduktion der Blätter rührt von der Aunftanftalt von
5. B. Obernetter in Münden ber, fie muß als außerordentlih gelungen
bezeichnet werden. Der Preis der Mappe (Rommifjionsverlag der Herder'fhen
Budbandlung in Freiburg i. B.) ift 15 Mark.
Ein Erlaf der Münchener Lofal-Baufommiffion.
Wenn in einem Gebäude im Erdgefhoffe und aud nod in den oberen
Gefhoffen in der Frontmaner große Schaufenfter für Waarenausftellungen
bergeftellt werden, fo wird die betreffende Umfafjungsmaner des Gebäudes in
den betreffenden Bejhoffen in einzelne wenige Stiiken mit darüber liegenden
Gebälfen anfgelöft und erft über diefen Gefdhoffen fann die Arditektur fi)
eigentlih entwideln. Dem für arhiteltonifhes Bleihgewiht Ser Baumafjen
empfindlihen Befchaner find folhe Erfcheinungen nidts weniger als erfreulich.
Aber auh in ftaatifher und fenerpolizeiliher Beziehung beftehen gegen
folde Konftruftionsweife nicht unbedeutende Bedenken. Wenn aud in beiden
legten Beziehungen die Baubehörde feither fhon Maßnahmen verlangte,
welde im Gntereffe der Sicherheit erforderlih waren, und wenn fie auch den
ihr gewährten wenigen Einfluß auf die arciteftonifche Ausgeftaltung der
TER
ISCHES
Sacaden dahin geltend machte, daß eine völlige Auflöfung der Facade in
wenige dünne Erferftügen bintangehalten wurde, fo madte fid dennod das
Bedürfniß geltend, die äfthetifhe Seite der Frage einer eingehenderen
Würdigung zu unterftellen. Geleitet von dem Bedanfen, daß Münden als
Runftftadt ein hohes Gnterefje bat, einen Derfud) 3u machen, einen möglidft
barmonifhen Ausgleih der fih in folhen Baufeagen widerftreitenden
prattifcen und äfthetifchen Forderungen zu finden, hat Bürgermeifter Brunner
angeordnet, daß in fommiffioneller Berathung im Rreife von Rünftlern und
Mitgliedern der Baufommiffion die erwähnte Frage einer befonderen Prüfung
unterftellt werde. Als Ergebniß diefer Berathung entwidelten fih folgende
Leitfäe: 1. Die in Eifenkonftruktionen aufgelöften Sacaden find nicht prinzipiell
auszufchließen, da Mittel zu finden find, weldhe zu einer harmonifhen Aus-
geftaltung führen und den Widerfpruh zwifhen den fhwaden Stügen des
Unterbaues und dem zu tragenden Maffivbau löfen. 2. Als foldhe Mittel
werden nambaft gemadt: Energifhe Abtrennung des in Eifen fonftruirten
Unterbaues von dem oberen Maffivbau duch ftarf vortretende horizontale
Gliederungen, traftiges Dortreten der Stiiken fiber den Flddhen, die deforative,
das „Motiv des Tragens" fennzeichnende Geftaltung der Stiiken 2c. 2c.
3. €s ift demnad darauf zu adten, daß die Ffacaden, den genannten An-
forderungen entfprehend, in dem eifernen Unterbau und dem mafjiven Auf-
bau einheitih und harmonifh werden. Dabei find Surrogate möglihft zu
vermeiden und die harakteriftifhen Eigenfchaften jedes Materials zur Geltung
3u bringen. — Nadh Sen eben angegebenen Grundfaken wird die Lofalban-
fommifjion bei Derbefheidung von Baugefuhen in Zukunft verfahren.
Aorwegifche Bauernfunft.
On der Runfthandlung von Reller und Reiner, Berlin, find Theile,
einer Norwegifhen Bauerneinrihtung aus der Umgegend von Dront-
heim ausgeftellt, die das „Schmüde Dein Heim" anders illuftriren als unfere
fabrifmäßig bergeftellten, diefes Motto führenden Blasdiaphanieen. Weberei,
Stiderei und bunt gefärbte Holzfchnigerei fußen feft auf beimifder Ueber-
lieferung und fchaffen eine grellfrendige Umgebung nad den von den Vor-
fahren binterlaffenden Muftern. Der hölzerne Edfhrant zeigt das alte
nordifche, eng verfchlungene Pflanzenornament, das mit feinen tiefgrünen
Blättern alle Flähen bededt, während ARundftäbe und gewundene Säulen
als Eden und Trager dienen. Der vieredige Lehnftuhl ift, foweit die Holz-
theile in Frage fommen, im Stile der Spätrenaiflance gehalten. Der Bezug
weit eine einfahe bunte Mufterung auf, wie fie oft in der nordifhen Fladen-
dekoration wiederfebrt. Die plumpe aber bequeme form des Rundjtubls ift
mit Rerbfdnigereien bededt, die in bunt bemalten Ringen feinen Körper um=
geben. Schalen und Näpfe find ebenfalls aus Holz gefhnitten und mit
einfaden Linienornamenten und bunten Blumen verziert. Hödft originell
find die beiden Wandteppiche, die nach uralten in der Riche von Hud be-
findlihen Muftern bergeftellt wurden. Der eine ftellt in zwei Linien über-
einander die Mugen und die thdricdten Jungfrauen dar im norwegifder
Bauerntradht, von-je einer größeren Chorführerin geleitet. Der auf dem in
einen Rahmen gefpannten Wandteppid gefchilderte Dorgang ift nit leicht
beftimmbar. Wabrfdheinlid handelt es Adh um einen heiligen criftlihen See-
fönig, der mit gewappnetem Dolf an einem heidnifhen Beftade landen will
und von allerlei teuflifhem GBefindel daran verhindert wird. Vielleicht ift er
aud fold einem infernalifhen Bautelfpiel zuzufchreiben, daß einer des
Befehrer gar arg von der Seefranfheit befallen dem Meere feinen Tribut
zollt. Ueber die Schönheit der Bauernkunft, wie fie fid in der norwegifchen
Einrihtuug giebt, läßt fih ftreiten. jedenfalls wirkt fie, von derbem Humor
durchwirkt, ungemein gefund und frifch, wie alles volfsthiimlide Schaffen.
94 Deutfde Runf.
Berlin. — Don der föniglihen afzdemifhen Hohfhule für
die bildenden Riinfte wurde der Bericht über das Lehrjahr Oftober 1896
bis 1897 verfendet. Deränderungen in den Cinridtungen der Anftalt find in
diefer Zeit niht erfolgt, und eben fo wenig find, abgefeben von dem Tote
des Lehrers der Perfpektive, Profeffors Stredfuß, Veränderungen in der Ju-
fammenfegung des Lehrförpers eingetreten. Befucht wurde die Hodfdule im
Winter von 240 Perfonen, darunter 172 Malern und 60 Bildhanern, im
Sommer von 194 Perfonen, darunter 154 Malern und 52 Bildhauern, wozu
noch je 2 Rupferfteher oder Radirer, 2 Zeichenlehrer und 4 Perfonen anderen
Berufs hinzutceten. Die verfhiedenen Preife erhielten aus der Reihenheim-
fiiftung Maler Bitfhmann und Maler ©. Heller, aus der Adolf Geis-
berg-Stiftung Maler Rarl Ziegler und Maler Adolf Obft, aus der
Adolf-Menzel-Stiftung Maler Philipp Panzer.
Daf wir nun doch unfere nadtraglide BSdlin- Ausftellung haben
werden, it mit um fo größerer Freude zu begrüßen, als der 70. Geburtstag
des Schweizer Meifters an der Reihshauptftadt fpurlos voriibergegangen ift.
Gelang es doh nidt einmal, ein Riinftlerbantet für die Feftfeier zufammen-
zubringen. Der Gedanfe, Bsdlin mit anderen Mitgliedern der Afademie, die
ibr 70. oder 80. Lebensjahr vollendet haben — es handelt fih um Pape,
©. Adhenbadh, Hünten und frig Werner ift glüdliher Weife auf-
gegeben worden. Berlin birgt befanntlihd mehr Bödlinwerke, als man draußen
im Reid glaubt, und fo wird denn unter Profeffor von Oettingen’s
Leitung etwas zu Stande fommen, was fih auh neben der Bafeler Aus-
ftellung behaupten tann.
Sm Uebrigen arbeitet man bier fhon jett mit Hohdrnd an den Por-
nn nn mn nn en
bereitungen für die bevorftehenden großen Ausftellungen. Jn einer Sigung
des „Dereins Berliner Riinftler’ wurden mit großer Mehrheit für die
Rommiffion der Berliner Runftausftellung 1898 die Kandidaten der ,, freien
Dereinigung gewählt. Als Mitglieder fungiren die Maler W. Döring,
5. Loofdhen, ©. Frenzel, die Bildhauer Dr. Harger und J. Uphues
uud der Braphifer 5. Strud; als Erfagmänner die Maler Ernft Haus-
mann und W. Feldmann, der Bildhauer frig Rlimfd und der Architett
Ratl Hoffader.
Der inzwifhen zum Profeffor ernannte Hoffader fungitt aud ale
Reihsfommiffar für die fünftlerifhe Ausftattung der Räume, die dem deutfchen
Runfigewerbe auf der Parifer Weltausftellung 1900 zugewiefen find. für
die einzelnen Bruppen arbeiten neben dem WBeneralausfhuß von 23 Mit-
gliedern fünf Meinere Comités für Möbelinduftrie, Reramif, Blasinduftrie,
KRunftfhmiede- und Bronzeinduftrie, fowie Edelmetalle und Zuwelterwaaren.
Was die Vertretung der deutfhen Malerei und Bildnerei in Paris anbetrifft,
fo wird die Wahl Anton von Werner's in das Ausftellungs-Comité
vielfah bemängelt. Hoffentlich zieht fih der Afademiedireftor beffer aus der
Affaire, als feine enragirten Begner annehmen und findet bei feinen füd-
deutfchen Runftgenoffen, die ihm ebenfalls nit wohl gefinnt find, im Gntereffe
der guten Sache ein Entgegentommen, das fdh über perjönlihe und
partifulariftifhe Bedenken fortfett.
Das Comité fiir das Bismard-Denfmal hatte den formellen
Auftrag, das Denkmal zu erridten, bisher an Reinhold Begas ertheilt,
wünfchte aber verfchiedene Aenderungen an dem Entwurfe. Der Rünftler ift
jedod nicht gefonnen, den betreffenden Wünfchen zu entjprehen. Er hält fein
Aorwegijche Möbel. Kunftfalon von Keller & Reiner, Berlin,
Denutfhe Runft.
Wer? fo, wie es ift, für gut. Es ift unter diefen Umftanden nicht ftatthaft,
fhon jetzt zu fagen, daß die Denktmalsfrage erledigt fei. Sie wird es nur
dann fein, wenn das Comité auf Abänderungen verzichtet. Begas hat einen
Ergänzungsplan in Bezug auf die arditeftonifhe Anpafjung des Entwurfs
an dem Reihstagspalaft eingereiht. Die Angelegenheit ift in großem Stile
gedadt. Ein Plateau, zu dem Stufen binaufführen, wird gleihfam eine
Projektion der großen Rampe des Reihtagsgebäudes nah dem Aönigsplat
zu darftellen, und redts und linfs von dem Denkmal follen gewaltige
Brunnenbeden fih erftreden. An diefem Ergänzungsplane nad etwaigen
Dorfhlagen Wallot's nok Aenderungen vorzunehmen, würde der Rünftler ih
unter Umftänden dod) wohl entjhließen.
Der deutfhe Runftverein, der fih in erfreuliher Weije fort-
entwidelt, veranftaltete feine Gabresverloofung. Don den Runftwerfen, die
zur Derloofung famen, find hervorzuheben: Bilder von Flidel, Albert Hertel,
Wenglein, Langhammer, Wentfher, Willy Hamader, Carlos Grethe, Dictor
Scheuermann, Orrin Ped, Reller-Reutlingen, Skulpturen von Janenfh, Hans
Latt, Martin Wolff und Anderen, außerdem das befannte Fleine Meifterwerf
„Der Ruhm“ von Ludwig Manzel inm drei Eremplaren. Die ordentliche
Generalverfammlung findet in den erften Tagen des nädften Monats ftatt.
Anfang Dezember fommt aud die diesjährige Dereinsgabe zur Derfendung;
fie befteht in dem Stih von Albert Krüger „Die fingenden Engel" nah dem
van Eyd’fhen Tafelwerk und ift ein Pendant zu der Babe des vorigen Jahres.
Münden. — Die biefige Rünftlerfhaft hat fih unter führung der be-
kannten Befellfhaft „Allotria‘ vereinigt zu einem Rünftlerfeft großen Stils,
das im nädften Karneval ftattfinden foll. Es find nun vierzehn Jahre ber,
dag die KRünftlerwelt in ihrer Befammtheit fih zu fo löblihem Thun zu-
fammengefunden bat. Der Plan erregt daher überall, wo er bereits befannt
geworden, lebbaftefte Genugthuung. Es wire jedoch verfehlt, einen rein
idealen Jwet als Urface diefer Einmüthigfeit anzufehen und befondere Hoff-
nungen daran 3u fniipfen. Es fcheint vielmehr in erfter Linie auf die
materiellen Erträgniffe des Feftes anzufommen, womit die feit längerer oder
fürzerer Zeit von den Ausftellungsunternehmen der Rünftlergenoffenfhaft und
der Sezejjion vorhandenen Defizits gededt werden follen. Ein etwaiger
Ueberfhuß wird mwahrfheinlih der inneren Ausfhmüdung des neuerbauten
Rünftlerhaufes zugute fommen.
Stuttgart. — Die Ausftellung des Runftvereins birgt gegen-
wärtig eine Reihe intereflanter Landfhaflen. Don Keller» Reutlingen
einen „Blid auf die Münchener Hochebene, von P. P. Müller „Stühlings-
95
lite, von Heys einen ftimmungsvollen „Herbft“, von Fleiſcher (Bonn)
einen indifhen Strand mit badenden Knaben.
Frankfurt n. WM. — Das Aunftgewerbemufeum bat mit einem
Hamburger Fayenceofen in Blaumalerei eine intereffante Erwerbung gemadt,
der an ein Ghnlides Exemplar im Mufeum der Hanfeftadt erinnert, das die
Rünftlerbezeihnung C. M. Möller trägt. Der erworbene Ofen zeichnet idh
duch eine vorzüglihe Scharffenermalerei aus. Das Ornament, dağ fih über
die Gefimfe und Pilafter des Ofens ausbreitet und Darftellungen aus der
antifen Mythologie einrahmt, hat nur wenig Unkldnge an das fommende
Rofofo; es verwerthet ein verfdhlungenes Bandwerf, Doluten, UWfanthus-
blätter, Baldahine und Behänge in freier Weife. Die Motive der Bilder
entnabmen die Hamburger Fayencemaler gewdhnlid) den Rupferftiden und
Zeichnungen jener Zeit, verfuhren hierbei aber mit viel Freiheit, vor Allem
in der Rombinirung der Figuren mit den landfhaftlihen Hintergründen, die
fie duch italienifche Architekturen belebten und meifterhaft zu behandeln ver-
ftanden. Leider haben alle diefe Oefen im Laufe der Zeit ftar? gelitten, da
man fie, als ein veränderter Befhmad unferes Jahrhunderts die farbigen
Oefen aus den Hamburger Patrizierhäufern in die Dörfer der Umgebung ver-
bannte, beim Wiederauffegen in den niedrigeren Bauernftuben vielfach ver-
ändern und fhadhaft gewordene Radeln durch fremde erferen mußte, fo daß
ein vollftändig erhaltenes Eremplar fi nicht vorfindet.
Grefeld. — Das fünftlerifhe Creignif des Tages ift die Eröffnung des
Raifer Wilbelm- Mufeums. Der Gedante, in Crefeld ein Mufeum zu
gründen, das in erfter Linie dem Runfthandwerfer gute Dorbilder und reide
Anregung geben, dann aber aud in der ganzen Bevölkerung den Sinn für
die Runft wegen und fördern follte, mar Ende der achtziger Jahre vom
Handwerker- und Bildungsverein ausgegangen, det eine werthvolle Sammlung
ing Leben rief. Befondere Wufmerffamfeit wurde der niederrheinifhen Holz-
fhnigfunft aus gothifher Zeit und den Ausgrabungen römischer Alterthümer
in den nahegelegenen Orten Belley (Gelduba) und Asberg (Asciburgium)
zugewandt, und ein großer Ankauf in Berlin verfhaffte dem Mufeumsverein
eine reihhaltige und werthvolle Porzellanfammlung. Den größten Zuwads
erhielten aber die Shake des Vereins urh die ihm gefhenfte berühmte
Sammlung des Ronfervators Kramer in Kempen. Der Gedanke, dem ver-
ftorbenen großen Raifer zum Bedädtniffe ein Mufeum zu errichten, ift furs
nah dem Tode des Raifers von dem Stadtfhulratb Dr. Reuffen angeregt
worden. Er fand begeifterten Anklang, und im furzer Ftift hatte die
Actien-Gesellschaft
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Unter den Linden, Hötel Bristol.
95 Deutfhe Runft
Crefelder Bürgerfhaft annähernd 400000 Mar zu dem fhönen Jwet
gezeichnet.
Düfeldorf. — Die biefige Abtheilung Ser Deutfhen Aunftge-
noffenfhaft bat ihre Rommiljion für die Ausftellung in Paris gebildet.‘ Ge-
wählt wurden als Vertreter der Akademie: Direktor Peter Janffen, Prof. Düder
und Prof. Claus Meyer; für die Runftgenoffenfhaft: Prof. A. Baur, Prof. Kroner,
5. Peterfen- Angeln, £. Feldmann, Rlein-Chevalier, Graf Briihl und €. Majfan;
für die freie Vereinigung: A. Frenz, 5. Müblig, F. Vezin, E. Wendling
und Cl. Bufdher. — Der Riinftlerflub ,, St. Lucas" wird, wie alljabrlid, im
Dezember eine Sonderausftellung in den Schulte'fhen Räumen veranftalten.
Om Runftgewerbe - Mufeum ift vor Aurzem eine Ausftellung von Riinftler-
Lithographien und -Plafaten eröffnet worden. Diefelbe ift von der Hoffunft-
handlung Bismeyer u. Kraus unter Mitwirkung der Maler A. frenz, Profefor
Oeder, Prof. Fr. Roeber und Prof. Schill ins Leben gerufen und darf das
weileftgebende Gnterefje beanfpruden. Die Ausftellung jiheidet üh in eine
biftorifhe Abtheilung mit etwa 320 Blatt, eine moderne Maler-Lithographie-
Abtheilung mit etwa 550 Blatt und eine Plafat-Abtheilung mit ca. 200 Blatt.
Don ausländifhen Riinftlern find zu nennen die Franzofen Lunois, Steinten,
Fantin-Latour, Lantrec, Carrière; dle Engländer Channon und Holloway;
der Holländer Deth u. A. Unter den deutfhen Runfttädten thut ih Rarls-
tube durd feine gediegene Dertretung hervor. Frankfurt a. M. glänzt Surh
Hans Thoma, dem fid Steinbaufen und Süs in ihrer Eigenart anjchließen.
Unter den Diiffeldorfer Riinftlern ragen A. frenz, Arthur Rampf, ©. Jernberg,
C. Beter, Mattfhaß und E. Rampf bervor.
on der Sikung des Runftvereins für die Rbeinlande und
Weftfalen wurden die Ergänzungswahlen für den Derwaltungsrath vor-
genommen. Das CErgebnif war die Wiederwahl der ausfdeidenden Herren
A. Bagel, Ff. Haniel und v. Wätjen. Cbenfo wurde zum Vorfigenden für
das Jahr 1897/98 wieder Guftizrath Spiedhoff gewabhlt, zum Stellvertreter
Geb. Regierungsrath Dr. Rubnfe und zum Gefretair Rommersienrath
A. Bagel. Wud das Amt dea Schatmeifters für 1897/98 wurde wieder
dem Fabrifbefiger G. Blom übertragen. Gn derfelben Sikung wurde das
aus den Mitteln des Fonds für öffentlihe Zwede erworbene große Gemälde
von Prof. Jul. Röting ,,Grablegung Chrifti dem meuerrichteten Kaifer
Wilpelm-Mufeum zu Crefeld als Gefdent iiberwiefen; ferner wurde zu einem
für die Aula des Gymnafiums in Mörs zu ftiftenden Gemälde ein Zufhuß
von 2000 Warf bewilligt und außerdem nod ein Betrag von 600 Mark
als Preis bet einem fiir das legtgenannte 3u erdffnenden Wettbewerb ansgefert.
— Die Refidensftadt Rdnigsberg, wofelbft fih außer
Königsberg.
einermebe oder weniger reinen‘ Vernunft aud ein reger KAunftjinn
geltend macht, begt befanntlid ein an modernen
Bildern recht hemerfenswerthes Stadt-Mufeum. Wie
alljährlid wurden aud) diefes Jabr unldngft mit den iiblicen
auh anderwarts zur Verfügung ftehenden Mitteln eine An-
zabl Gemälde angefauft. Für etwa 18000 Mark wurden
7 Oelbilder erftanden, Seren Schöpfer bekannte Namen
tragen. An den Neuerwerbungen läßt fih in fünftlerifcher
Hinfiht nits ausfegen, im Gegentheil; Sod muß man
es bedauern, daß lediglih Landfhaftsbilder erworben worden
find. Wir geben zu, daß Meifter auf den übrigen Mal-
gebieten fih ihre Leiftungen theurer bezahlen laffen als die
in Menge vorhandenen Landfdaftsmaler. Wenn man
aber fiebt, daf das Königsberger Stadtmufeum empfind-
liben Mangel an religiöfen Darftellungen leidet, jo bätte
wohl Seitens der Ankaufsjury diefer Zweig der Malerei
in erter Linie berüdjichtigt werden dürfen. Neben den
Schulen, beziehungsweife einzelnen Meiftern, verdienen auch
die Stoffe bei Anfäufen eine Beahtung. Außer einem
durd Dermadhtnif erbaltenen Landfhaftsbilde: Inſel Philä,
eignete
Leben.
zugesandt.
von Ernft Rörner aus dem Fabre 1877, wurden folgende
Bemälde angefauft: Der Haidebah von Eugen Bradt,
Abend im Walde von ferdinand Keller (1894), Straße
im Schwarzwald von Hugo Anorr, Straße in Amfter-
dam von Hans Herrmann, Saraglioni bei Capri von
W. Hamacher, Fm Bredszeller Moor von Rihard friefe
(1895), ein Bleines Affenbild „Der Rritifer von Gabriel
Mar. Außer der lektgenannten Skizze find die erworbenen
Delbilder werthvolle Rompofitionen. Am meiften feffelt
Unser neuer,
illustrierter Katalog für 1897
über Tausende von Photogravuren und
Photographien
Werken klassischer und moderner Kunst
wird gegen 50 Pfg. in Postmarken franko
Rnorr's Bild „Straße
im Schwarzwald" mit
einem im bellen Son
nenfdein die bergige
Landftraße herab-
fahrenden Ochfenge-
fpann, und friefe's
„Bredszeller Nloor,
ein prädtiges, großes
Landfchaftsbild aus dem
oftpreußifchen Forft-
revier „Ibenhorſt“. Am
Frühmorgen lagern auf
dem weiten Terrain im
hohen Graſe verſteckt
Schaaren von Roth—
wild, in den Lüften
fliegt cine Eule, wäh-
tend linfs im Dorbder-
grunde ein ftaitlicher
Elh Stand genommen
hat, und den mächtigen
Ropf nad dem lagern:
den Rebwild hinwendet.
R. friefe fennt die
landſchaftlichen Reize
Oſtpreußens wie kein
anderer Maler und weiß
ſie mit ihrer Staffage
von Edelwild prächtig
wiederzugeben. Seine
Bilder gewinnen gerade
für das ſtädtiſche Mu—
feum der Rrdnungs-
ftadt Rénigsberg er-
böhte Bedeutung, weil
fie von innigem Hei-
mathsgefiibl erfüllt,
einen gewißermaßen lo-
falen Charakter tragen.
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..
Das soeben beendete I. Semester
SET enthielt Beiträge von: g
Rud, Baumbach — Fritz Brentano — Felix Dahn
— Marie cv. Etmer-Eschenbach — Nathaly v. Esch
struth — Ludw. Jacobowski — Ad. Kohut — John
Henry Mackay — Conr. Ferd. Meyer — Peter Nansen
— Elise Tolko — Ferd. v, Saar — Heinr. Seidel —
Tanera — Konr. Telmann — E, 0. Wildenbruch — etc.
Das jetzt beginnende II. Semester
SM dringt Beiträge von: Amg
Arthur Achleitner — Georg Ebers — Osc. Blumenthal
— Gust, Falke — H. Heiberg — Paul Heyse —
Ludw. Jacobowski — Wilh. Jordan — Dell. von
Liliencron — Maria Janitschek — Peter Rosegger —
Joh. Schlaf — Aug. Strindherg — F. c. Zobeltitz — u. A.
FRIEDRICHSTI
AUTOTYPIEN
CHEMIGRAPHIEN
DREIFARBENDRUCK:
SSE 240/241
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PROMPTE
LIEFERUNG. çP
"ss. mn"
Deutfde Rung. 97
z | a Vom Kunft- unt —
=~ Runftgemerhbemankh.
Meihnachts-Ausftellung im Hohenzollern-Kaufhaus.
Bon Bans Korften.
8 ift nod garnicht fo lange her, daß in Deutjchland auf jeder Lifte,
die von den anzufhaffenden Möbeln gemadt wurde, das „Paneel-
fopha“ obenan prangte. Das unbeholfene, Plat raubende Möbel-
üt durfte in feinem Haufe fehlen, und ein Zimmer galt als unfhön, wo
ftatt des Paneelfophas ein niedriger Divan oder eine Chaifelongue ftand.
Nur in großen Räumen, wie fie unfere Durhfnittswohnungen felten auf-
weijen, nahmen fi die wudtigen Einrichtungen gut aus, wenn üh and
über ihre Schönheit vom füuftlerifhen Standpuntt aus ftreiten läßt.
Langfam begann man im Deutfchland einzufehen, daß die Engländer
Recht hatten, wenn fie ihre Wohnzimmer mit jenen faft zu zierlihen Mabagoni-
möbeln ausftatteten, die jih an den Empireftil anlebnen und dem modernen
Geſchmack durch ihre eigenthümlihen bizarren ‚Formen geredht wurden, obne
das uralte Gefeg der Symmetrie zu verlegen. Raum hatten fidh diefe Möbel
eingebürgert, als in Frankreih und Belgien ein nod neuerer Beihmad auf
tauchte, der den englifhen Stil aus den deutjhen Wohnungen zu verdrängen
fuchte.
Nur vereinzelt Pamen diefe Möbelftüde bisher zu uns, und eine voll-
ftändige Eintihtung im „neneften" Stil dürfte in Deutfchland nod nicht
eriftiren. Das abjolut Neue befteht in der fcheinbaren Umfpmmertrie und in
der gefdhidten Derwendung der Metallbefhläge zu dekorativen Zweden. Fd
fage abfihtlih: [heinbaren Unfpmmetrie. Im Wirklichkeit ift nur die gerade
Linie möglidft vermieden und nur dort angebradt, wo fie fonftruftiv ab-
folut nothwendig ift.
Die Weibnadtsausftellung Ses ,Ranfhaus Hohenzollern“,
Berlin, Leipzigerftraße, bringt eine ganze Reibe diefer neueften Möbel und
ih muß geftehen, daß in diefen Schränken, Tifhen und Stühlen die fhein-
bare Unregelmäßigkeit künſtleriſche Wirkung erzielt. Gntereffant ift es zu
feben, wie aus den ftilifirten Pflanzenmuftern der Möbelbezüge Ste formen
der Möbel jelbft hervorgegangen find. Diefelben gebogenen und in breit-
gedrüdten Spiralen verlaufenden Linien, die der Ornamenti? zu eigen find,
finden fic in entfpredender Form bei den Möbeln wieder, während die
Möbelbezüge bedeutend einfachere Zeihnungen aufweifen, als bei dem Stil
„von gejtern".
Wenn es unferer deutjhen Fnduftrie gelingt, diefen Formen deutfche
Farben zu geben und fie fo umzugeftalten, daß deutfche Eigenart aus ihnen
herausfpridt, dann ift ein großer Schritt vorwärts gethan auf dem Wege
zur Schaffung einer gediegenen, individuellen Bejhmad verrathenden Wohnungs-
eintihtung.
Den formen der Möbel entjprehen die ausgeftellten Deforationsgegen-
tände. Ueberall begegnet man bei ihnen dem Beftreben, mit der überlieferten
Form zu breden und fih Sem dominirenden Stile anzupaffen. Wie bei den
Möbeln it auh hier das Pflanzenmotiv durhweg als Ornament verwendet,
nut Profeffor Befmann giebt auf einem fhönen Bobelin Schwäne.
So primitiv diefe Ornamentif ijt, Sarf ibr doch niht das Lob vor-
enthalten werden, Saf fie fpridt, das heißt, Saf aus ihr deutlich der Zwed
des Gefafes erfennbar ift. Diefe Eigenfhaft bat fie mit der Schwarzwälder
Favenceinduftrie gemeinfam, die febr hübſche Flaſchen für Rirfhwaifer bringt,
auf denen Kirfhen und Rirfchlaub abgebildet jind, während den Detel-
fnopf drei Rirjchen bilden.
Die ausgeftellten fayencen aus dem Atelier von Cl, Maffier und
dänifher Rünftler zeigen wunderbare Farbeneffefte, die namentlih durd den
fhimmernden Luftre zu vollften Wirkung fommen. Das ftilificte Ornament
ift vollftändig verfhwunden, die Pflanze in naturaliftifher Nachbildung
fhmüdt die Dafen und Befäße. So bringt Mafjier Alpen- und farnfränter,
auh Nelfen bilden bei den verfihiedenften Fayencen das hauptſächlichſte
ornamentale Motiv.
Einen intereffanten und foftharen Theil der Ausftellung bilden die
Porzellanmalereien. Die ausfhlieglihb angewandte Unteralafurmalerei
erhöht die Brillanz der farbe. Kopenbagener Porzellan zeigt Quatlen und
einfache Mohnblumen zart und duftig, wie bingebaudt, im Hintergrund ein
Wiefenmotiv. Stiefmiitterhen auf Tafjen in Dedfarben gemalt und entzüdende
Rleinmalereien ohne jede Stilifirung bilden eine andere Gruppe diefer
Austellung.
Don Profeffor Lenger (Karlsruhe) find ein Paar hübfhe Dafen ausgeftellt,
die auf Uni-fond Pflanzenmotive zeigen, ganz der form des Gefafes an-
gepaßt, eim nicht zu unterfhägender Vorzug gegen die ausländischen feramifchen
Erzengnifje, bei denen nur 3u oft auf Roften dea Stils und der farben-
wirkung die Unpaffung des Ornamentes an die form vernadlaffigt wird.
Gefloffenen und friftallifirten Glafuren — eine Wenerrungenfhaft der
Reramif — begegnen wir bei verjihiedenen Gefäßen, und die Zartheit der
Ausführung, die um jo mehr bervortritt, wenn die Goldfcmiedefunft fie in
ihren Dienft nimmt, läßt ganz entzüdende Runftgegenftände erftehen.
Wie jhon oben erwähnt, geht die Möbeleinrihtung der Zimmer mit der
fonftigen Ausftattung Hand in Hand. So haben fic) auh die Beleuchtungs-
förper dem Einfluß des Pflanzenornamentes unterwerfen müfen, ihre Formen
find den Stengeln und Aeften nachgebildet und Verzierungen zeigen Pflanzen,
ohne jede Stilifirung. Wie Wandbretter auf Stügen montiert werden, die
Aeften und Zweigen nachgebildet find und den Eindrud maden, als wiidfen
fie aug der Wand heraus, fo ind die Beleuchtungskörper fo angebradt, dağ
fie ihrem Befeftigungspunft zu entwachfen fheinen. Die häßlich ausſehenden
Drähte für Glühlampen find an den ausgeftellten Beleuchtungsförpern dadurch
verborgen, daß man fie mit Seide itberfponnen, gleichzeitig als Träger der
einzelnen Blühlampen dienen läßt. Auch auf die länglihe Form der Blüh-
lampe ift Rüdjiht genommen, indem man fie wie Rriftalltropfen montirt
und die Prismen der alten guten Zeit wieder berbeiholt, um die Kronen zu
beleben. Bei der Herftellung der Beleuhtungsförper ift der deutſchen In—
duftrie eine führende Rolle zugewiefen. Gn der form an altdeutfche und
niederländifhe Motive anlebnend bat fie neue Effefte dadurch zu erzielen ge-
wußt, daß fie die überladende Ornamentif vereinfaht und mit wenigen
Mitteln einen fünftlerifhen Befammteindrud hervorruft, der für diefen Zweig
des Runftgewerbes muftergiltig fein dürfte.
Alles in Allem genommen bringt die Weibnadtsausftellung eine Fülle
fhöner und Fünftlerifh bedeutender Einrihtungs- und Runftgegenftinde die
mit wenigen Ausnahmen geeignet find, Sie Runjt im Haufe zu beben und
fo anregend zu wirken. Was uns das Ausland an Butem bringt, muß
für die deutfhe Runft verwerthet werden — nit durch einfahes Nadhbilden,
fondern dadurch, Saf aus dem Gebracdten Menes gefhöpft und aus einer
fremden Anregung eigene Bebilde gejhaffen werden.
Delegirtentag der Kunftgewerbe:Dereine.
Auf dem Berliner Delegirtentag des Verbandes der deutfhen KRunft-
gewerbevereine waren von 25 Vereinen 20 dur 27 Delegirte vertreten. Zum
Dorort für die nädhften 2 Jahre wurde der württembergijhe Kunftgewerbe-
verein in Stuttgart gewählt, deffen Vorig zur Heit Präfident v. Baupp
führt. Der bisherige Vorort Berlin erftattete den Gefdaftsberidt für die
Jahre 1895—1897 und legte den Etat für die folgenden 2 Befhäftsjahre zur
Genehmigung vor. Außerdem wurde einftimmig befdloffen, den auf dem legten
im Januar d. J. abgebaltenen Delegirtentag vertretenen Standpuntt feft-
subalten, wonad das deutfhe Runftgewerbe auf der Parifer Welt-
angftellung 1900 in feinen bervoragendften Leiftungen, gefondert von der
Marftwaare, aud der funftgewerbliden, gefdbloffen vorgebe und alle zur Aus»
ftellung zuzulaffenden Begenftände einer nah einheitlihen Gefidtspuntten zu
vollziehenden Vorprüfung zu unterwerfen feien. Betrejfs der im Gabhre 1899
für Dresden geplanten deutfehnationalen Kunft- und Runftgewerbe-Ausftellung
ging die einftimmige Meinung dahin, daß im Hinblid auf die Derpflihtungen,
welde die einheitliche, allfeitige und glänzende Betheiligung des deutjchen
Reihes auf der Parifer Weltausftellung 1900 den Kunftgewerbetreibenden
auferlege, von einer folhen Deranftaltung dringend abzurathen fe. Ferner
bat der neue Vorort übernommen, die Regelung verfdiedener, die Parifer
Ausftellung betreffender, mehr gejhäftliber Fragen anzubahnen und durch
98 Deutfhe Runft.
einen fpäteren Delegirtentag eventuell zum Austrag zu bringen. Die Ein-
ftimmigfeit in der Befchlußfaffung über diefe widtigen Fragen ift um fo be-
deutungsvoller, als der Verband fo ziemlih alle Aunftgewerbevereine Deutjch-
land mit über JO 000 Mitgliedern umfaßt.
Die Derfteigerung der Douglas’fchen Sammlung
alter Blasgemälde.
Am 25. Ylovember verfteigerte das befannte Auktionshaus J. M.
Heberle in Röln die prächtige Douglas’fhe Sammlung alter Blasgemälde,
darunter folhe nah Entwürfen des jiingern Holbein und von Hans Baldung
Grien. Der widtigfte Theil der Sammlung, fünfundzwanzig Scheiben mit figür-
_ liden Darftellungen, war vom 17. bis zum Anfang des J9. Fabrhunterts im
Rlofter St. Blafien im Schwarzwald
aufbewahrt worden. Don da gelangten
fie duch Rauf um 1820 in den Befit
des Grofherzogs Ludwig von Baden
und wurden nah Schloß Langenftein am
Bodenjee übertragen. Daß diefe Scheiben
mit wenigen Ausnahmen nidt von vorn-
herein für St. Blafien beftimmt waren
gebt fon aus dem Äuferlihen Umftand
hervor, daß fie zumeift durd Befchneiden
an den Seiten und oben, für die dor-
tigen fenfter adaptirt worden find. Sider
ift, Saf die erfte Abtheilung der Sammlung
aufs Engfte jener Runftridtung ver-
wandt ift, die während der erjten drei
Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts in
Bafel ihren Mittelpunft hatte. Baſel
verdanft feine fünftlerifhe Blüthe in
erfter Linie einem deutfchen Meifter, dem größten Genie, das die deutjche
Malerei neben Dürer befigt, dem Augsburger Hans Holbein dem Jüngeren,
der in den Fahren 1515—1526 im Bafel thätig war, in denfelben Jahren,
in welden diefe Glasgemalde entftanden find. Don den Douglas-
Scheiben zeigt zum Mindeften eine Gruppe, eine Darftellung der Rrenzigung
Chrifti in drei figurenreihen Tafeln (Katalog Yr. I—5), den direften Ein-
fluß des großen Meifters. An farbiger Wirkung werden die Scheiben
im Holbein-Stil nod übertroffen von den Fenftern der zweiten Ab-
tbeilung, vierzehn Tafeln mit je einer ftehenden Figur, aufer Chriftus und
der Mater dolorosa männlihen und weiblihen Heiligen. Die Ausführung
in Glas läßt auf verfchiedene, nit ganz gleihwerthige Hände fhliefen; der
Stil der Zeihnung aber weift bei der ganzen Bruppe auf den aus Schwaben
ftammenden und in Straßburg i. €. anfäffigen Maler Hans Baldung Grien
(geftorben 1545) bin. Einzelne diefer Tafeln find fo vollendet in der
Heihnung, wie namentlid) die Mater dolorosa, und fo kraftvoll im der
Farbenwirfung, daß man fie den beften Meifterwerfen der deutfhen Glas-
malerei zuzählen muß. Den Schluß der ganzen Sammlung bildeten Pleine
Wappenfcheiben theils fihweizerifcher, theils badifher Herkunft, die neben den
großen Werfen der erjten beiden Gruppen vorwiegend biftorifdes und
beraldifches Jntereffe darbieten.
— ðm Auftrage der Stadt Berlin find aufer der von uns in
Nr. reproduzirten Prafisentenglode nod einige andere funftgewerblide
Arbeiten im Anfhluß an die Bewerbeausftellung ausgeführt worden. Der
Hofgürtler des Raifers, Herr H. Preet, welder auf der Ausftellung ein
Ehrendiplom und vom Minifterium die filberne Staatsmedaille erhalten batte,
wurde von der ftädtifhen Runftdeputation damit betraut, für dag Arbeits-
zimmer des Oberbiirgermeifters im Rathhaufe eine Schreibtifhgarnitur und
ein Stubenthermometer nah den von der Deputation ausgewählten Modellen
berzuftellen. Die jett abgelieferte Garnitur befteht aus einem Schreibzeug,
einer feder, einer Sandfhale mit dazu gebörigem Sandlöffel und einem
Briefbefhwerer; alle diefe Begenftände find, wie auh das Zimmerthermometer,
im Stile Louis XV. gehalten und in gut zifelirter, feuervergoldeter Bronze
ausgeführt. Nadh Beftimmung der Deputation follen fie nur bei befonderen
feftlihen Anläffen Verwendung finden.
— Wenn wir obenftehend zwei reizende filberne Br ohen in Medaillen-
form mit flaļhrelief von Vernier und Chéret abbilden, fo gefhieht
Broken von Chéret und Vernier,
es um Ses pifanten Gegenfakes des Motivs wie der Tednif willen. Das
Köpfchen mit der Halbmaste fed anus dem Reliefgrunde vorfpringend, malerifch
aufgefaßt, wie in einer tollen Rünftlerlaune gefdhaffen, und daneben das
feufhe Grethen mit langen Zöpfen und züdtiger Haube, ein wenig
mehr Wagnerifch-meifterfingerhaft als Boethifh-fauftifh, aber immerhin für
einen franjofen merfwiirdig germanifh gedadt. Man fieht, die Begenfäte
fangen an, fih auszugleihen. Demimondaine und Grethen find gleich
meifterhaft in den Raum hineinfomponirt. Dernier ift ftilvoller, Chéret
genialer in der Reliefbebandling. Jedenfalls ift es dankbar zu begrüßen,
daß die Runfthandlung Reller & Reiner- Berlin diefe beiden an-
fprechenden Metallarbeiten nod vor Weibnadten auf den Markt bringt.
— Jn Lepfe’s Runftfalon, Berlin, famen 60 Gemälde nieder-
ländifher Meijter, ein Theil der Galerie Charles Sedlmeyr, Paris,
zur Derfteigerung. Erwähnt feien: Zwei
Bildniffe eines vornehmen Kavaliers und
einer Dame von Wiereveldt, das
Bruftbild eines Lacdhenden Jungen von
franz Hals; das Bildniß eines [hwarz-
gekleideten niederländifhen Heren und das
einer Dame, Rnieftiide in Drittel-Lebens-
größe, von Maes; das Fleine Bildnif
einer Dame von Mieris, und ein anderes
von Slingeland. Blänzend ift der jün=
gere David Teniers vertreten. Don
ibm gemeinfam mit G. und M. Sorgh
ift das Bildnif eines Mannes, der auf
einem Schiebfarren Gemiife vor die Thür
eines Bauernhaufes bringt. Don Teniers
allein ift das Meine Bild eines luftiges
Paare — eines zehenden Bauern und
eines alten Weibes. Zwei nicht minder
hervorragende Bilder von Adrian van Oftade: Bauer und Bäuerin in einer
Dorffhente und Bäuerin mit einem Rinde vor einem Manne mit einem Rruge in
der Hand im Jnnern einer Hütte. Don dem großen Jakob van Ruysdael
ein große Waldlandfhaft — ein bewaldeter Hügel jenfeits eines Baches, über den
ein hoher hölzerner Steg führt, und eine Landfhaft mit einer gemanerten Brüde.
Don van Boijen enthält die Sammlung drei Landfhaften. Don Wouver-
mann das befannte Bild des Charlatans; von van Daelen ein fhönes
Arditekturbild; von van de Velde eine Slußlandfhaftl. Don Weenir ift
ein prädhtigs Thierftüd erften Ranges.
— Aus dem renommirten Atelier für Blasmalerei von B. van Treed
in Münden find zwei prädtig ausgeführte frühgothifhe Fenfter für die
Jobannisfirde in Stuttgart abgegangen. Jedes Fenfter enthält in
teiher Arcitefturumrahmung zwei Bilder: einerfeits „Beburt Chrifti", darunter
„Chriftus fegnet die Rinder; auf dem andern Senfter „Die Himmelfahrt
Chrifti und „Auferwedung der Tochter des Jairus. Die Entwürfe find
vom Runftmaler Velin in Stuttgart. Aufßerordentlih gefhmadvoll erfheint
das Farbenenfemble, und leuchtend heben fi) namentlih die Hauptfiguren in
ihren hellen Bewändern vom dunfeln Hintergrund ab. Das Atelier des
Riinftlers hat einen großen Auf erlangt, und eine Menge von Aufträgen find
in Ausführung begriffen. Für die Augsburger Barfüßerfiche ift gegenwärtig
ein fenfter mit dem Bild des evangelifchen Liederdidters Gerhardt in Arbeit,
der am Schreibtifh dargeftellt wird, den Sdurdgeiftigten Blit nadh oben
wendend, wo Engelein als feine Gnfpiratoren in die ftillfhöne ardhiteftonifche
Umrahmung eingefügt find. Das Juftisgebäude in Ulm wird 15 mit Wappen
gefhmüdte Fenfter aus dem van Treed'fchen Atelier erhalten, das Hamburger
Rathhans drei Fenfter mit Biirgermeifterportraits. Für das evangelifhe
Vereinshaus in Nürnberg wurden Blasgemälde geliefert; mehrere Beftellungen
für Richen in Württemberg und in Sachen find auszuführen.
— Die Glasmalerei von L. Rirhmair (Haidhaufen) hat für die
Lutherfirhe in Hannover drei Doppelfenfter ausgeführt, welde Fiirzlid) an dem
Ort ihrer Beftimmung angelangt find und dort große Anerkennung gefunden
haben. Die Kartons wurden von Prof. Linemann- frankfurt gefertigt. Gu
Rofetten, duch gothifhe Ornamente umrahmt, die Porträts von Luther,
Melandhtbon und Aurfürft Johann von Sadfen. Zwei Fenfter find in
Topetenmanier bemalt, das dritte enthält ein figurenreihes Bild „Chriftus
als Rinderfreund und ein Fleines Portrait des Stifters der Fenfter. Aud
Sere re hoe ee —
Pa BER RETTET
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Deutſche Kunſt. 99
diefe Arbeiten mit ibrer effeftvollen Farbenwitfung geben der Miindener
Glasmalerei ein riihmlides Zeugniß.
— gn Emil Ridter's Runfthandlung in Dresden erregt die Aus-
ftellung von Balle’fhen Zier- und Runftgläfern, für die die Firma
auf Jahre hinaus das alleinige Betriebsredt für Dresden erworben bat, die
Bewunderung der Renner und Laien. Sie wurde, da eine große Reihe der
beften Stüde daraus bereits in den Privatbefitz biefiger Aunftfreunde über-
gegangen war, um eine neue Rolleftion des berühmten Glasmeifters von
Nancy vermehrt. Bemertt fei noh, daß alle unier den Marken „nad Gallé“,
„Syftem Gallé" rc, in den Handel kommenden Glafer nidt edt und nur
werthlofe Jmitationen der Modelle Galle’s find, die diefer befanntlid alle
eigenhändig anfertigt. — Die funftgewerblihe Ausftellung ift ferner vermebrt
worden durch Potterien von Hermann Käbler, 5. F. Willemfen, Madame
Willemfen, R. Hanfen und anderer Riinftler, die es nicht verfihmähen, für
das Runfthandwerf zu arbeiten.
Preisbewerbungen.
— Der Wettbewerb um den großen Staatspreis findet im
Jahre 1898 auf den Gebieten der Malerei und der Arditeftur ftatt. Aus-
führlihe Programme fönnen vom Senat der Afademie der Rünfte zu Berlin
fowie von den Runft«fademien zu Dresden, Diiffeldorf, Rarlsrube, Raffel,
Rönigsberg i. Pr., Münden und Wien, den Aunftfhulen zu Stuttgart und
Weimar fowie dem Städeljhen Runftinftitut zu Franffurt a. M., endlich and
von den tedhnifhen Hocdfihulen Deutihlands bezogen werden.
— Bei der vom afadenifhen Rath vorgenommenen Vertheilung von
Preifen an eine Anzahl von EC chülern der Tgl. Runftafademie in Dresden
für ihre im verfloffenenen Studienjahr gefertigten Arbeiten wurde der große
Preis, das alademifhe Reifeftipendinm (je 5000 Mark auf zwei Jahre) den
aus Tihirnig in Böhmen gebürtigen Rupferfteder und Radirer Rihard
Müller, einem ehemaligen Schüler des Prof. Poble, fiir die Stidradirung
„Adam und Eva" verliehen. Der Mitbewerber um diefes Stipendium,
Georg Erler aus Dresden, ein Atelierfhüler des Prof. Ruebl, erhielt für
die im Wejentlihen auf gleicher Linie ftehende Originalradirung „Vor der
Schicht“ die qrofe goldene Medaille. ;
— ur Erlangung von Bauplänen für eine evangelifhe Lufas=
firde in Chemnig eröffnet der Rirhenvorftand diefer Rirdengemeinde einen
Wettbewerb für die deutfchen evangeliihen Arditeften. Ansgejert find drei
Preife zu je 3000, 2000 und 1000 Mark. Die Arbeiten find bis 15. fee
bruar 1898 abzuliefern. Preisridter find: Geb. Baurath Orth-Berlin, Bau=
rath Dr. Rofbad-Leipzig, Prof. Stter-Hannover.
— Zur Erlangung von Entwürfen für ein Denfmal auf dem
Hobenftein bei Witten zu Ehren Louis Bergers it ein Wettbewerb
unter den deutſchen Architekten ausgefdhrieben worden. fiir die zwei beiten
Entwürfe find Preife von 500 und 300 Marf ausgefegt. Die Entwürfe find
bis zum 31. Januar 1898 an den Dorfikenden des Dentmal-Ausjhufjee,
Bürgermeifter Dr. Haarmann in Witten, einzureihen. Weitere Auskunft
ertheilt das Stadtbauamt in Witten.
— Die f. F. Runfterzgieferei, filiale der Berndorfer Metall-
waatrenfabrif Urthur Rrupp, hat eine Ronfurrenz ausgefchrieben über
die Lieferung eines Modells, weldhes die Huldigung an Seine
Majeftät den Raifer anläßlib des Regierungsjubiläums dar-
ftellen foll. Bezüglid der Auffaffung des Themas ift den Konkurrenten
vollftändig freie Wahl gelaffen. Das Modell foll die Höhe von 40 Centi-
meter nicht überfteigen. (Tbonmodelle find ausgefdlojjen.) Als Eingabe-
termin ift der J. Februar 1898 feftgefegt. Die Modelle find bis Abends
6 Uhr in der ?. t. Aunfterzgießerei, Wien, 4. Bezirf, Bußhausftraße Ar. 25,
abzuliefern. Gedem Modell ift ein verfiegeltes Convert beizulegen, weldes
Namen und Adrefje des Künftlers enthält. Die f. f. Runfterzgießerei garantirt,
daß fie die von der Gury als befte und als geeignet bezeichnete Arbeit
acceptirt und um den Preis von J000 fl. 6. W. von dem Konkurrenten
erwirbt. Eventuelle Aenderungen des Modells find von dem Künftler felbit
vorzunehmen. Die zweitbefte Arbeit erhält einen Preis von 200 fl. 6. W.,
die drittbefte einen Preis von 100 fl. 6. W. Als Guroren werden fungiren
die Herren: Arthur Krupp, C. Zumbufch, t. f. Profefjor, und A. Sharif,
Direktor der f. l. Graveurafademie.
— Das Comité fiir die Erridtung einer Afropolis der Wiffen-
fhaft in Ralifornien ladet die UArciteften aller Lander zur Betheiligung
ein. Es fteht in Berkeley ein Terrain von 99 Hektar zur Verfügung, das
eine Bodenerbebung von 700 Fuß bat und im Hintergrunde von einem
1000 Fuß höheren Bebirgszuge abgefdloffen wird. Man ftebt über die
Stadt und den Hafen von San francisco auf den Stillen Ozean. Die
Ralifornier erwarten, „daß die ausgezeichnete Lage dem Banmeifter Gelegenheit
geben wird, ein Werk zu fhaffen, dejlen eigenartige Schönheit feinen Namen
den größten Rünftlern aller Zeit ebenbürtig am die Seite ftellen wird. Es
bandelt Ah um etwa dreißig Bebäude, die zufammen für etwa fünftaufend
Studirende aller Fakultäten Unterrihtsräume enthalten follen. Der Ausdrud
„Akropolis der Wiſſenſchaft“ iſt angeſichts dieſer Aufgabe nicht ſchlecht
gewählt. Zeit und Geld ſtehen unbeſchränkt zur Verfügung. „Ungefähr fünf
Millionen Dollars ſind bereits für den Anfang des Baues verſprochen, und
ſo allgemein iſt der Wunſch geäußert worden, an den Koſten des Werkes
theilzunehmen, daß man glaubt, alle nöthig werdenden Mittel ohne weitere
Schwierigkeiten beſchaffen zu können.“ Die Koſten für den Entwurf trägt
eine frau Phebe Hearſt. Das ausführliche Programm iſt in etwa zwei
Monaten von allen Architektenvereinen zu beziehen.
Perſönliches und Ateliernachrichten.
— Dem Architekten Karl Hoffader in Berlin iſt das Prädikat
„Profeſſor“ beigelegt worden. —
— Der Maler Max Liebermann zu Berlin it von der Société
royale Belge des Aquarellistes in Brüſſel zum Ehrenmitglied ernannt
worden. Don deutfdhen Riinftlern ift diefe Auszeihnung fhon in früheren
Jahren Adolf Menzel, Paul Meyerheim und Franz Skarbina zu Theil
geworden.
— Jn Vertretung des beurlaubten Prof. Dr. Wolfgang v. Dettingen,
der fommiffarifd) das Amt des erften ftändigen Sefretairs der föniglihen
Afademie der Riinfte in Berlin nah dem Tode Dr. Hans Müllers verfieht,
lieft in diefem Winterfemefter an der Düffeldorfer Runftafademie Prof. Nöber
Kultur und Roftümgefbidte und Ronfervator f. Shaarfhmidt Kunft-
geſchichte.
— Eine Gruppe Berliner Känſtler hat ſich zu einer neuen Aus—
ſtellungsgeſellſchaft zuſammengefunden, die den Namen „Vereinigung 1897"
führen wird. Es find adt Maler: Rarl Rlimfdh, Meyer-Liiben,
Staffen, fahrenfrog, von Brandis, O. H. Engel, Weftphalen,
Rarl Ziegler, und vier Bildhauer: frig Klimfh, Lepde, A. Gaul
und felderboff.
— Profeffor Hermann Prell ift von feiner nordifhen Reife
zurüdgefehtt, um nunmehr das legte feiner drei Aoloffalgemälde für die
deutfche Botfhaft in Rom, weldhe befanntlih Kaifer Wilhelm II. bei ihm be-
fellt bat, zu vollenden. Das legte Gemälde foll den Wiedereintritt des
Winters auf der Erde darftellen. Prell hat für diefes Bild Studien auf
Bornholm u. f. w. gemadt. .
— Profeffor Arthur Rampf in Düffeldorf ift gegenwärtig mit den
Dorarbeiten zu feinen Bemälden beihäftigt, die zur Ausfhmüdung des Rreis-
tagsgebäudes in Burtſcheid-Aachen beſtimmt find. Die Bilder ftellen Szenen
aus Sem Dolfsleben der Gegenwart dar. Fu den Roften der Ausführung
der Gemälde leiftet der Kunftverein für die Aheinlande und Weitfalen einen
Beitrag von 10000 Mark aus feinem Fonds für Runftwerfe zu öffentlicher
Beftimmung.
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. . B. Groller, Nad tieiten.
5, J. Lo rmina, A. B. — Gin falidee Benge.
36. V_ Bluthgen, riedentflörer.
7, Bret Harte, Jad Despard.
. Max Schmidt, Wildbraut.
Max Ring, ree;
R. Misch, Aue on Geletfe.
t. Crawford, tinder deë Königs.
Winterfeld, Verſprechen.
jerlein, Käthe und Kathnta.
v. Suttner, Sein Berbängnis.
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Ar. 6. 15. Dezember 1897. II. Jahrgang.
Aus dem Hamburger Rathhaufe.
Bon Georg Malkowskn.
TE ce im Anfange Ses Jahres 1895 die überlebenden fieben
Weib Hamburger Rathsbaumeifter die legten Berüftftangen von
J T ihrem Werke entfernen ließen, tonnten fie fehben, daß Alles
gut war, Saf fie der Verwaltung ihrer Heimathftadt
ein würdiges Wohnhaus, ein finnvolles Wahrzeihen aufblühenden
Wohlftandes geftiftet hatten. Das Hamburger Rathhaus erhebt fih
auf feinem granitenen Unterbau in foliser Steinpradt, im Bildfdmud
der facade die Entwidelung des Gemeinwefens fdildernd von der Hanft-
ftadt bis zum freien Bundesgliede des geeinten Deutfhen Reiches.
Am 19. Juni 1895 empfingen Senat und Bürgerfhaft in ihren
fefträumen eine glänzende Vereinigung dentfcher fiirften, die zur
Eröffnung des Nord-Oftfee-Ranals berbeigeeilt waren, und am
26. November 1897 fonnte Oer größere Theil des Gnnenbans feierlid)
feiner Beftimmung übergeben werden. Mögen über der Vollendung
der Pünftlerifehen Wusftattung nod) Jahre vergehen, fhon heute ift das
Gefhaffene einer Schilderung in Wort und Bild würdig, die uns
durd das freundlide Entgegenfommen Ser firma Strumper & Co.,
Hamburg, erleihtert wird, in deren Verlage die erften drei Cieferungen
des Practwerfes „Das neue Rathhaus in Hamburg“ erfhienen find.
gn das Rellergefhoß eines Rathhaufes gehört nah gutem alt-
deutfhen Braud zunähft und vor Allem die Trinkjtube für die ehr-
famen Stadtväter und jonftige Bürger, die an dem alten Spruce
feithalten: „Wer niemals einen Rauf gehabt, der ift fein braver
Mann“ Ju Hamburg nimmt der Ratheweinfeller das ganze Erd-
gefhoß an der Seite der Johannisftrage ein. Don der Ede am
Rathhausmarft her betritt man Surh die „Bachuspforte‘* einen Rorridor,
von dem aus man reits in einen anmuthig deforirten Vorraum, den
fogenannten „Rofenfranz‘*, gelangt. An der weiten Wölbung, die fid
über dem Holzgetäfel, von Rappen durdfdnitten, ausfpannt, treibt der
dekorative Sinn Profeffor Duyffde’s fein phantaftifhes Spiel. Eine
fille von Rofen breitet fidh an der Dede aus und auf diefem Blumen-
teppich tanzen: zierlihe Mägdelein einen fröhlichen Reigen. Die vier
abgerundeten Eden füllen halbrunde Sophas aus dunklem Leder, über
denen je ein in Bold und Silber fhimmernder Pfau fein Rad fchlägt.
gn einer Nifhe aber fteht in Bronze eine Statuette des Weingottes,
deren Bedeutung ein Schelmenverslein erflart:
Seht der Madden Ringelreibn mit den Rofenfränzen,
Seht der Jugend Widerfchein im Pofale glänzen!
Seht, wie Bachus fröhlih lacht, denfend alter Tage,
Denn von feiner Zaubermadht fündet uns die Sage:
Seitenflügel des Hamburger Rathhaufes. Wenn die Maid den Bacchus Füßt, heimlih und verfhwiegen,
Photographie von Strumper & Co., Hamburg, Wird beglüdt in Jabresfrift fie ein Herz befiegen,
|
102
Aber der Deutfche nimmt es nun einmal ernfthaft mit dem
Trinken, und fo ift denn der dekorative Schmuck des Aneipfales
„our bunten Rub“ der ruhmvollen Vergangenheit der alten
Hanfeftadt gewidmet. Don der auf mähtigen Pfeilern ruhenden
Wölbung hängt das Modell der „Bunten Ruh“ herab, des
Rriegsfhiffes, auf dem Simon von Utredht das Haupt der
Ditalienbrüder, den Seeräuber Stortebeder, gefangen einbrachte.
Die Bewölbgurten find mit Wein und Blumengewinden bededt,
aus Seren von Sprudhbändeen durhzogenem Gerant Masten
und Wappen in buntem Gewirr auftauden.
Die fenfter find mit Tiroler Glasmalerei gefhmüdt, in
Deutfhe Kung
In der „Schänfe*, die zur Aufbewahrung einer Fülle von
Trinfgefäßen in Schränken und auf Rredenztiihen beftimmt ift,
hat der Maler Jordan das Bedeihen des Weines unter dem
Einfluß von Erde, - Luft, feuer und — leider aud Waffer
dargeftellt. Jm Mebrigen wird das Erögefhoß Ssurdh die
Wirthfhaftsräume und urh einen Theil des Ardivs ein-
genommen.
Die Räume des Parterregefhoffes, vorwiegend für Gee
fhäftsbureaus beftimmt, gruppiren fih um die mädtige Rath-
bausdiele, deren 16 Säulen ein Mekgewdlbe tragen, das fih in
der Höhe wie Hweigwerf veräftelt. Den unteren Theil der
Der Kaijerfaal im Hamburger Rathhaus.
Photographie von Strumper & Co,, Hamburg.
denen nad Kartons von Allers die Srei Hauptfeebelden
Hamburgs, Simon von Utredt, Ditmar Roel und Carpfanger
abgebildet find, feitlih von Darftellungen aus ihrem ruhmvollen
Leben flanfirt, während die oberen Felder durch alte Anfidten
der Stadt ausgefüllt find.
Einen anderen Crinfraum, den ,,Remter“ hat Arthur Fitger
mit der bumorvollen Darftellung des Trinferhimmels gefhmüdt,
als deffen Jnfaffen wir Hieronymus Jobs, Kaifer Wenzel,
Sokrates, Lucullus, falftaff, Perfeo, Noah und ein paar
Urgermanen bemerken. Ueber ihnen Allen aber waltet oberhalb
des Einganges berabjhwebend ein geflügelter, von anmuthigen
Putten begleiteter Genius, die Freude. Ein befonderer Raum
wird durd das Podeit der Treppe gebildet, die sum Bürgerſchafts—
Deftibül binaufführt. Da fit im Hwidel der Ebrenlaube ein
Stadtvater in Schaube und Amtsfette und um ihn berum zieht
fic) Sie Infhrift: „Wer niemals einen Raufch gehabt, der ift
fein braver Mann‘,
Schäfte fhmüden von Eichenlaub umfranzte Medaillons be-
rühmter Hamburger Bürger, während oben je zwei fdhmiede-
eiferne Halter als Träger fupferner Laternen mit eleftrifhem
Liht dienen. Erwähnenswertb ift in Siefem Theil nod der
»Srautgang mit feinem eifernen Geländer, deffen Rofengewinde
ein RupferfhildS umrabmen mit der Infchrift:
Ehret ie Frauen, fie fledhten und weben
Himmlifhe Rofen in's irdifhe Leben.
Das Hauptgefhoß enthält die Räume des Senats, der
Bürgerfhaft und die Feftfäle. Hier berrfcht überall gediegene
Pradt. Bejonders Sie Rathsftube, eine unveränderte Nad-
bildung des alten Sigungsfaales, athmet mit ihrer Eichentäfelung,
deren fiillungen mit Hulbe’fhen Ledertapeten befpannt find,
ruhige Dornehmbeit. Yur der Baldadin über Sen Sigen der
Bürgermeifter unterbricht mit der wunderbaren Stiderei in Bold
und Seide, die feine Hinterwand fhmüdt, Sen ‚dunklen Ge-
ſammtton.
Te —
Deutfhe Runf.
103
An der Ede nah dem Rathhausmarkt zu liegt das Arbeits-
zimmer des Erften Bürgermeifters. Ueber der Mahagonitäfelung,
in die Metalltafeln mit den Wappen Hamburger Stadtoberhäupter
eingelaffen find, dehnen fih die gefhmadvollen Seidentapeten,
deren flähe dur einen Ramin mit der Büfte des verftorbenen
Bürgermeifters Dr. Peterfen unterbroden wird. Die fenfter des
Erkers fhmüden Bildniffe der Bürgermeifter Dr. Lehmann,
Dr. Méndeberg und Dr. Dersmann.
Ueber die Haupttreppe der Bürgerfhaft. gelangt man in die
Räume, die für die Gemeindevertretung beftimmt find. Nachdem
man ein glänzendes Foyer durchfdritten, betritt man den Sigungs-
E ait ay + atts
—
Beſonders hervorzuheben iſt der Kaiſerſaal, in deſſen Schmuck
die künſtleriſche Harmonie des Hamburger Rathhauſes in eine
Jubelhymne auf die Seemacht des Deutſchen Reiches ausklingt.
Die Deden- und Wandbilder find von Arthur Fitger entworfen.
Die Hauptdarftellung in der Mitte des Plafonds fymbolifirt,
rechts und lints von Schilderungen der Beographie und Aftronomie
flanfirt, den Triumph der deutfchen Flagge über das Meer. Gn
den Liinetten der Wände prangen die allegorifchen Derförperungen
der Handels- und Kriegshäfen, Hamburg urh Sie Hammonia,
Bremen urh einen Chorkfnaben und einen Sciffsjungen, LCübed
als ältefte Hanfeftadt Surh die Hanfadronif, Emden durch eine
Sur „Bunten Kuh” im Hamburger Rathsweinkeller,|
Photographie von Strumper & Co., Hamburg.
faal, Ser Surh drei hohe Fenfter nad der Johannisftraße be-
leudtet wird. Täfelung und Dede find aus Eichenholz her—
geftellt. Die Gliederung des Raumes ift die gewöhnliche, Surh
den Zwed beftimmte. Das Präfidium, die Senatsfommiffion
und der Tifch des Haufes haben ihren Plag an der Fenfterfeite.
Redts und linfs befinden fh die Logen für das Publikum.
Die Site der Bürgerfhaft bauen fih im Halbfreife amphi-
theatralifh auf. Don der reihgefhnigten Rüdwand des
Prafisiums hebt fih eine Seidenftiderei ab, deren Mittelfeld das
Hamburger Stadtwappen jhmüdt. Die Fenfter find mit Tiroler
Glasmalereien nad Kartons von Rarl Behrts verfehen, die den
Handel und Wandel Hamburgs in Emblemen, feine äußere und
innere Gefchidte in einzelnen Szenen fhildern.
Aud dte fefträume, der Phönirfaal, das Waifenzimmer, der
Bürgermeifter-, der Thurm-, der Raifere und der Biirgerfaal,
liegen fämmtlih im Hauptgefhoß, barren aber zum Theil nod
ibrer endgiltigen dekorativen Ausgeftaltung.
Negftriderin, Wilhelmshafen durch eine Dradenbändigerin, Riel
duch eine Bellona, Rénigsberg durch die Krönungsinfignien,
Stettin durch die Embleme der Schiffbautunft treffend charatterifirt.
In den Zwideln zwifhen den Hafendarftellungen find die Re-
präfentanten der fremden Nationen: Jnder, Chinefen, Amerikaner,
Afrifaner u. f. w. angebradt.
Hamburgs Rathhaus verdankt feine Entftehung der gemein-
famen Arbeit von nidt weniger als neun Rathsbaumeiftern, von
denen fieben feine Vollendung erlebten. Trotzdem . ftebt es wie
aus einem Buß gefhaffen da, ein glänzendes Mufter der echten
Gemeindebaufunft, aus dem Zwedbegriff arcitettonifdy beraus-
gewadfen, mit fchdn gegliedertem bildnerifhen und malerifchen
Schmud zu Mit- und Nachwelt redend von thatkräftigem Bürger-
finn. Jn fic) gefeltigt und Soh fih freiwillig anfclieBend an das
wiedererftandene Neid, erzählt es in Statuen und Bemälden, in
Reliefs und Ornament von einer rubmvollen Vergangenheit, die
in einer reid) gefegneten Gegenwart ihre Vollendung findet.
104
Deutfdhe Runf.
Das moderne Kunfthandwerf in der Certilfunft.
Pon T. Pagen.
Die Ausftellung der Lehrkräfte des Berliner Runftgewerbemufeums, welhe
der Ausftellung von Schülerarbeiten gefolgt ift, giebt Belegenbeit, einen Blit
auf die Beftrebungen der modernen dekorativen Aunft in der Behandlung des
tertilen Ornamentes zu werfen. Es handelt fi bierbei nit um jene
Probleme des farbendrudes, die von England aus unter Benußung japanischer
Anleitungen vor einigen Jahren auh dem Betrahtungskreife der deutfchen
Runftkritit nahe gebracht wurden. Man bat es in den Techniken, die uns in
der fiinftlerifden Yengeftaltung von Otto Edmann und Mar Seliger ent-
gegentreten, mit den unterfciedliden Lebensbedingungen von Hausinduftrie
und Mafdhinenarbeit zu tbun. Die Kausinduftrie, die bier in form von
derber Gobelinweberei, von Teppidfniipferei und Stiderei vertreten ift, fußt
für den leitenden Künftler auf dem Prinzip des Rapellmeifters, der ein
Ordefter dirigirt, oder aber auf demjenigen des Romponijten, defjen Werke
dem Publifum duch den befondern Vortrag ausgezeichneter Dirtuofen ver-
ftändlih gemadt werden. Die Beziehungen des Aupellmelftere zu feinem
- Orcefter herrfchen zwijhen Otto Edmann und den Scherrebeder Webereien
vor; diejenigen des Romponiften zum interpcetirenden Dirtuofen zwiſchen
Mar Seliger und feinen Schweftern
Frau Dernburg und Fräulein Fda
Seliger. Hierdurd wird der aller-
weſentlichſte Unterſchied zwiſchen
dieſen Arbeiten und den vielbe—
wunderten Sachen von Hermann
Obriſt begründet. So geiſtreich
jene Erfindungen auch ſein mochten,
ihr künſtleriſcher Inhalt und
ihre praktiſche Dauerhaftigkelt
wird durch die Thatſache
beeinträchtigt, daß die Aus—
führung von begeiſterungs—
loſen, minderwerthig geſchul—
ten italieniſchen Stickerinnen
hetrührt, die nicht im Ent .
fernteſten befähigt ſind, ſich
in die Empfindungswelt des
Rünſtlers einzuleben und
nun wieder ſeinen Entwurf
durch die vollendeten Aus— 4
Seudsmittel einer mehanijch *
tadelloſen und innerlih durd-
geiftigten Technik verftändlich
und vollauf künftlerifh ge-
nleßbar zu machen. So wecden
denn die Obriſt'ſchen Ver—
ſuche vorausſichtlich
nur der Webekunſt
einige brauchbare
Anregungen hinter—
laſſen, während
die künſtleriſch
Ltg
—..
veranlagte Stiderei, die mehr als gedantenlofe Mafchinenarbeit
leiften
mödte, ihre Zuflucht bei anderen Meiftern und Vorbildern fuden muß.
Man magte f. J. für die Verwendung der billigen italienifhen Arbeiterinnen
im Dienfte des Heren Obrift geltend, daß deutfhe Arbeitskräfte für diefen
Jwet zu theuer wären. Auf den febr -nabeltegenden Gedanfen, die Tednit
zu vereinfachen, ift Yiemand gefommen. Es giebt eben in der frage nad
den Arbeitskräften in der Wirkerei nur die Majchinenarbeit oder die Verein-
fahung der Tednit.
Der Standpunft billiger ausländifher Kräfte ift für Runftgewerbe und
Dolfswirthfhaft im gleihem Grade verwerflidh. Was die Mafchine leiften
fann, wird durd die im Lidthof des Mufeums gleichzeitig ausgehängten
türfifhen Tambourirarbeiten veranfhaulidt. Hierbei wird der Stoff in Rahmen
gefpannt und die Ausführung mit einer Art Hafelnadel im Rettenftich be-
werfftelligt. Die Sticmafdinenarbeit ift bis zu einer erftaunliden technifden
Dollendung gedieben, «ber fie wird diefe türtifhen Arbeiten nie übertreffen
fönnen. Und diefe türfifden Arbeiten wieder wird man im fürzefter frift in
fo hoher Vollendung auf dem Webftuhl nahahmen, daß Feine Mafchinen-
Der Sigungsfaal der Hamburger Bürgerfchaft.
Photographie von Strumper u, Co., Hamburg.
ere eo
Deutfhe Runft
fiderei daneben aufreht erhalten werden Pann, weil fie fih nicht bezahlt
maden würde. Haben wir dod heute fhon Seidenftoffe, die mit taufdend
echten Spikenmuftern überwebt find. Mod ftärter it die Ronfurren3, welde
der Mafchinenftiderei aus den fortfdritten. des Farbendtudes erwähl. Eben
deshalb bleibt der eigentlichen ARunftftiderei nur ein einziger und zwar der
von frl. Seliger betretene Weg offen. Sie gebt von der Dorausferung aus,
daß die Stiderei der Zukunft ih ausfhließlih mit der Verzierung gegebener
flähen von ganz beftimmten Raum- und Maßverhältniffen befaffen foll. Ein
maffenhaftes Anfertigen von Stidereien, die dann als Zufallsprosufte in jede be-
liebigellmgebung hineingezwängt werden, giebt es für fie nicht. So liegt fhon auf
der Hand, daß die ausgeftellten Gegenftande im Lichthofe des Mufeums
ebenfo zur vollwerthigen Beltung fommen, wie die Edmann’fhen Entwürfe.
Befonders der große Wandfhirm mit dem Sdhdpfungsmotiv fann bei dem
Oberliht des Nufeumsraumes durhans nicht ridtig beurtheilt werden. Gerade
diefer Schirm ift harakteriftifch für das Beftreben, mit einfachen Mitteln große
Wirkungen zu erreihen. Die Applifationstehnif, die befanntlih feit den
Tagen der Renaiffance arg vernadläfjigt wurde, überwiegt hier durdweg.
Ueberall find die farbigen Wirkungen lediglid durch Uebereinanderlegen
farbiger Stoffe erzielt; die Umriffe werden duch Boldfäden gededt und die
Schattirungen find durd abg-tönte Seidenftiderei eingelegt. Das ungünftige
Licht läßt die Stimmungsfeinheiten der Arbeiten nicht annähernd zur Geltung
fommen. Wer Gelegenheit hat, die Arbeit im ridtigen Lichte zu fehen, wird
einräumen, daß man ôte Behandlung des Motives „Alfo ward vollendet
Himmel und Erde faum glüdlicher löfen kann, wie es bier der Fall if. Auf
wolfigem Hintergrunde mit fein abgetönter Frührothftimmung erbebt fdh ein
ftilifirter Apfelbaum, deffen Stamm von einer Schlange in glänzenden
Tönen feiner Seidenfäden ummwunden ift. Davor jiten zwei buntgefiederte
Greifen mit fpriihenden Augen und funtelnden Kronen. Die phantafievollen
Linten der Wolfenbildungen und der Windungen des Flufies, welder den
landjhaftlihen Hintergrund durhfcneidet, geben dem Bedanken des Werdenden
einen fehr treffenden Ausdrud und mit liebevoller Hingabe nimmt die farben-
105
gebung die Wiederholung des Motives auf; Magnolienfträuhe mit ftreng
ftilifirten Bliithen bededen die Seitentheile dea Schirmes. — Es gehört ein-
gebendes Dertrautfein mit allen tednifchen Exiftenzbedingungen einer Stiderei
dazu, um zu ermejjen, in wie hohem Brade diefe Arbeiten alle Anforderungen
erfüllen, die an das geftidte Runftwerf geftellt werden müjlen. Diefe Saden
verzichten auf jeden Wettbewerb mit der Malerei; fie wollen nidts fein als
Stidereien und erreichen dur diefe fihere Befchränfung auf ihre Grenzen
eine Ffünftlerifhe Höhe, die dem Seutfchen Kunftgewerbe zur Ehre gereidt.
Sie find aus einem gewifjenhaften Studium alter, vorhandener Shake heraus-
gewadfen; vom Japanismus find fie verfehont geblieben; fie geben Deutjches
und Moderndeutfches, das frei ift von nervdfer Ueberreizung und Bejpreiztheit.
Neben den fhönen Teppih- und Bobelinentwürfen von Otto Edmann er-
feinen diefe Arbeiten febr reich; fie tragen mehr den Charafter einer
Sonastenfompofition, etwa im Stil von Glud, während Edmann in feinen
beften Sadhen den Ton des Dolfgliedes trifft und Anflänge an den nordifchen
Grieg jum Vortrag bringt. Diefer Unterfehied wird bedingt dur feine
Stellung zu den ausführenden Kräften in feinen Tednifen. Um den
Unterfhied zu erfaffen, ftudire man die feinen Wappenftidereien, die Lafur-
arbeiten und Spitenftihe an den übrigen vorhandenen Stidereien aus der
Muſeumsklaſſe Seliger-Dernburg. Man wird da die Meberzeugung gewinnen,
daß unfere deutfche Stidfunft Stilgefege eigenfter Art befitt, die griindlid
‘verftanden fein wollen, bevor man einen neuen Stil für fie zu fehaffen fucht.
Herr Edmann ift vom Mündener Glaspalaft her fo gut befannt, daß man
nidts Neues über ihn fagen fann; feine Entwürfe gelangten in den fleinen
Münchener Räumen mit ihrem ftimmungsvollen Milieu beffer zur Geltung,
als bier. Sebr interejiant find feine Entwürfe für Buntpapier zum Biider-
einband u. a. m. Die Entwürfe und Malereien von Mar Seliger zeigen,
daß diefer Künftler aud) augerhalb der Sticereien, Glasmofaiten, Gobelins 2c.
etwas ganz Eigenes in der Kunft der Malerei zu fagen hat. Befonders fein
find feine Darftellungen des Waldbodens, deſſen Eigenart er mit liebevollem
Dertändniß wiederzugeben weiß.
Adolf Heer’s Reiterftandbild Kaifer Wilhelms 1. in Karlsruhe.
Pon Dr. Cathiau.
(Siehe Abbildung Seite 115.)
aac
— Im frübjahr 1888,
forderte, mit
Der Peterjen-Kamin im Arbeitszimmer des Hamburger Bürgermeifters,
Photographie von Strumper & To., Hamburg.
bald nah dem Hinfheiden des erften Hobenzollern - Kaifers, bejhloffen die Ge-
meindefollegien der badifhen Landeshauptitadt die Errichtung eines Denkmals für weiland Raifer Wilhelm.
und votirten bierfür 200 000 Mark.
ftift bis
für de Errichtung eines Reiterjtandbildes auf und beftimmte zu Preisridtern:
Wallot,
Ein Ausfchreiben des Stadtratys vom 24. Auguft 1889
zum J. Auguft 1890, die Rarlsruber Bildhaner zur Wettbewerbung
Shaper und Eberlein - Berlin, Thierfh - Minden und von Jum-
bufd-Wien, nabdem aud ie Plagfrage endgiltig entjhieden worden war.
Aus der am 5. Auguft 1890 erfolgten Entjiheidung des Preisgerihtes
ging Profeffor Adolf Heer ale Zweiter hervor. Fn3zwifden aber hatte
ein Schreiben aus dem Broßberzogl. Geheimen KRabinet vom JI. No-
vember [S90 den Heer'ihen Entwurf als denjenigen bezeichnet, welder
Kaifer Wilhelm I. am rihtigften zum Ansdrud bringe.
So fam nahezu mit Stimmeneinbelligfeit der denfwürdige Be
ihlu der Biirgerfollegien vom 26. November J890 zu
Stande, welder die Ausführung des Neiterftandbildes in die
bewährte Hand Adolf Heers legte.
Der erfte Eindrud, welden das Denkmal auf den Be-
fhaner madt, ift ein mächtig padender; du die foloffalen
Waffen der beiden Benien fih vor den Schmalfeiten des
Poftamentes erheben, während über die Breitfeiten
nur die beiden am Unterfodel Lagernden Wappenthiere
beraustreten, fo äußert jih in dem ganzen Auf-
bau zunädft eine faft überwältigende Fülle
trotig emporftrebender Rraft, welde die uns
mittelbare Nähe alter Lrubbäume
nidt zu bändigen vermag. Wenn
diefe Wirfung vom Riinftler beab-
fidtigt worden, dann weidt er
damit von der vielfad vertretenen
Anfidt ab, dap ein folder Aufbau
feinem Standorte breit entwadfen
miiffe; lag es dod nabe, mit Rüd-
106
üht auf diefelbe die Sodelfiguren zu den Seiten des Reiterftandbildes
fopreiten zu laffen; damit wäre vielleiht ein maffigerer, umfaffenderer Ueber-
bli¢ fiir das Ganze gewonnen worden, fdwerlid) aber ein die finngemafe
Wirfung fordernder, nad) welder der Gedanfe des rafd) und thatfraftig feinen
höchſten Zielen zuftrebenden neuen Reidhes in der majeftätifhen Erfdheinung
des verewigten Aaifers allein den allgemein verftindliden Ausdrud
finden follte. Jedenfalls war die Aufgabe für den Künftler durd die zur
Ausführung gelangte Anordnung feine leichtere geworden.
Wenn der jugendlide Sieg- und Frieden-Derfünder der Bewegung des
faiferliden Roffes gefolgt ift und voranzufhreiten im Begriff ftebt, fo tonnte
der Genius bezw. die Mufe der Befchichte, ihrer Befchäftigung entfprechend,
auf der hinteren Oberfodelftufe figend Sargeftellt werden. Beide figuren
find ebenfo geift- und lebevoll, als, im Begenjat zur befonnenen Rube des
Reiters, energifh bewegt aufgefaßt, nit fomwohl in Hinfiht auf Rörper-
formen und Bewandung, wie aud bezüglich deffen, was fie fagen und fein
follen: Gn der vorgebengten Haltung und im Antlig der geflügelten
„Diftoria" prägt ih der unerfchütterlihe Blaube an den friedlihen Aus-
bau der innerpolitifchen Derhältniffe des Neihes aus, während die „Be-
fhidte (Alio), finnend in fi gekehrt, befriedigt feheint von der ergebniß-
reihen Rüdfhau in eine große Vergangenheit, deren glanzvolle Tage, da-
runter die von Straßburg und Wek, fie mit ehernem Griffel, den nad-
fommenden Gefdledtern zum Bedädhtniß, als Symbole einer großen Zeit,
in ibe Bud eingefhrieben. Als Derfünderin von des Raifers Siegen fhwingt
die weit vorgeftredte Rechte der Diktoria den immergrünen Lorbeer, während
die Linke den mit Lorbeerreis umfdlungenen Feldherenftab erfaßt hat. Daß
der Friede diefer Tage ein gewappneter ift, wird dem Befdhauer aus der
Rüftung Mar, welde unter dem bei der Bruft zurüdgefchlagenen Bewande zu
erkennen ift; als fprehende Attribute der „Befhicte lehnen rechts der Figur
zu deren Füßen die Wappenjchilder der wiedergemonnenen Provinzen Elfaf
und Lothringen. Symbolifh ift vielleiht die „Viktoria als ein
Bild zugleih der fpähend in die Ferne fhauenden Zukunft, verhüllt in
fchwere, bie und da fat allzu jhwere Bewandung aufzufaflen, während bei der
„Gefhichte", als Ausdrud für die Vergan genbeit, ein allerdings ebenfalls fehr
maffig gebaltenes Bewand mit reich verziertem Saume nur den unteren Theil des
im übrigen nadten Rörpers bededt; auf alle fälle ift der faltenwurf nidts
weniger als ftilifirt, was bei dem unter der unmittelbaren Einwirkung klaſſiſcher
Dorbilder herangereiften Meifter
faft zu verwundern ift: in breiten
Waffen, zuweilen derb real,
lagern fih die Bewandpartien
um die kräftigen Glieder der
beiden Benien, überfluthen fie
die reihen Profilitungen des
Poftamentes; fo ift es, als ob
ein lebhafter Windftoß bereits
in den Gewandfalten des
zum Aufflug gerüfteten Sieg-
verfünders fih verfangen habe.
Eine finnige Beigabe, in
der Silhouette den Uebergang
aus der breiten Abtreppung
in das eigentlihe Piedeftal ver-
mittelnd, bilden die auf den
beiden Langfeiten in gleicher
Höhe mit den Figuren hin-
gebetteten Wappenthtere, zur
Linfen der badifhe Greif,
ridwärts bezw. rheinwärts
ſchauend, die Krallen gejpreist,
wie er die lorbeerbefränzten,
fiegreihen badifhen Fahnen
als einen foftbaren Hort mit
dem Flügel degt; zur Redten,
als Symbol deutfher Einheit
und Rraft, der Lowe, fried-
fertig, aber wadhfam, unter
den Pranfen das unbefiegte
Reichsſchwert. =
Des Befhauers volles Jnter-
efje beanfpruhen am Unterbau
Deutfhe Rung.
nod die beiden in den Stein eingelaffenen Reliefs: das auf der Siidfeite, in unferer
Abbildung fidtbar wiedergegeben, gedenft des Antheils der badifhen Truppen
am Befreiungsfampfe von 1870/71, insbefondere auf den Sdladtfeldern von
Straßburg, Dijon und Belfort in jenem Momente, in weldem der
kürzlich verftorbene Prinz Wilhelm von Baden und General v. Werder
fih zu den errungenen £orbeeren beglüdwünfchen; das nördliche Relief vergegen-
wärtigt den folgenjhwerften Akt im großen Kriege, die Derfündigung des
Raiferreihes im Spiegelfaale des Königfchloffes 3u Derfailles duch Grog.
berzog Sriedrih von Baden. Ueber ein Dugend portraitdhnlider figuren
waren bier in den verhältnigmäßig engen Rahmen plaftifch einzufügen. Die
dargeftellte Handinng ift fdharf und gemeinverftändlih darakterifitt. Die
beiden Tafeln, wenn aud nidt das Befte am Werk, erfheinen wie eherne
Urkunden für weltgefhihtlihe Momente.
Seines hoben Berufes bewußt, würdevoll, doh niht ftolz, Strenge und
Entfchiedenheit im Blit, dod) auc wieder jene väterlihe Milde, die allzeit
eine feiner vornehmften Herrfchertugenden gewefen und die Jedem unvergeflid
fein wird, der einmal das Blüd hatte, dem hopen Heren perfönlid gegen-
iibergufteben; fodann aber and — und das ift Meifter Heer ganz über-
tafhend gut gelungen — mit jenem unvergleihlihen Ausdruck der abgeklärten
Ruhe und Ausfdhnung, wie fie dem an Lebenserfahrung gereiften, in Rampf
und manderlei ernfter Prüfung erftarften Helden im vorgerüdten Alter eigen
wat, fo figt Raifer Wilhelm I. dort droben zu Pferde; wobl faut das
Auge in die Weite, aber nicht fpäbend nah feindlihen Bewegungen; denn
die Rechte, welde den Feldfteher gefaßt hat, ruht mit demfelben auf dem
Schenkel; es ift nur ein forfhen und Sinnen nah jenen friedliden
Organifationen für feines Dolfes Wohlfahrt, welde Raifer Wilhelm vor feinem
Lebensende der Nation als ein werthvolles Erbe hinterlaffen bat.
Der Kampf im offenen Felde ift zu Ende; das Wert des Friedens
tritt in fein Recht. Nod wogt und pulft in dem ftolzen Schladhtroffe das Dor-
wärtsdrängen in das Getiimmel der Schladt; die linte fauft, welhe feft den
Zügel umfaßt hält, parirt mit furzem Griff diefen Drang des edeln Thieres,
das wohl feinem Reiter fih fügt, aber mit Stampfen und Scharren zu er-
fennen giebt, wie wenig die Raft ibm zur Zeit bereits zufage. Mit be-
wundernswerthem Bejhit hat Meifter Heer diefen eigenartigen Konflikt
zwifhen Ruhe und Bewegung zu Bunften des mehrfah angedeuteten Grund-
gedanfens herangezogen und gelöft.
Der ,,Rojentran3 im Hamburger Raths-Weinkeller.
Photographie von Strumper u. Co., Hamburg.
Deutfhe Runft. 107
Eine jhwierige Aufgabe bei Monumentalwerken ift es immer, die Brößenverhältnifie in Einklang zu erhalten mit der Fünftlerifhen Wirkung; ing-
befondere vermfaden die auf den Standort des Befchiruers zu beziehenden Höhenmafe oft reht große Schwicrigkeiten. Soll das Roß mit feinen weit-
aus anfebnlideren Whmeffungen den Reiter nicht in feiner Bedeutung beeinträchtigen, fo miiffen bier beim Zufammenban Runftgriffe zur Anwendung
fommen, von welden der Midteingeweihte feine UWhnung bat. Kaifer Wilhelm war allerdings von aufergewöhnlid hobem und ftarfem Körperbau, ein Rede
an Beftalt, und dod mußten diefe Maße dem Pferde gegenüber zu Bunften der beabfihtigten Wirkung modifizirt werden.
Die impofante Wirkung ganz befonders aus der Vorderfchan unterftütt wefentlih der glüdlihe Gedanke, den Kopf des Thieree nad) der linken Seite
fidh wenden zu laflen, abgefeben davon, daß fih aud hierin cine dem Fahmann nicht unbefannte Eigenart temperamentvoller Racepferde fundgiebt.
Hierdurd wurde der größte Theil des Oberkörpers, zumal das hoheitwolle, jo fhön darakterifirte Haupt des Raifers für die Vorderfiht frei, ohne Surh
die Mafje des Pferdefopfes und die breite Bruft des Thieres in irgend einer Weife behelligt zu werden. Am Reiter felbft «ber ftrebt Alles — in Muger Er-
faffung der bierzu verfügbaren Mittel, nah aufwärts; fet ftiigen fi die Beine in die Bügel, ftramm und militsirifh egaft ift die Haltung des Reiters
im Sattel; der rehte — wie der linfe Arm find fo für diefes Emporwadfen verwerthet, daß and fie fid, in der Vorderfiht wenigftens, möglichft ftreden;
der weit offene Reitermantel wirft lange falten über den Rüden und über die Flanfen dea Thieres, alle in n«türlidem Abwärtsfall, vom Winde ein
wenig nad rtüdwärts geweht. Gn woblthuendem Begenfat zu diefer von oben nad) unten gerichteten Linienfludt fteht die dichte, vom Winde im reiche
Haarpartien aufgelöfte Mäbne und der in langen Wellen hinausflatternde Schweif, aud da, wie vielleicht bei der Wiedergabe des Lorbeerreifes, ift der
Bildhaner feiner gewohnten Majlifh-ftrengen Stiltihtung untreu geworden. Ganz vortrefflid) aber hat er fic) mit der an fid ja Auferft wenig monu-
mentalen militairifhen Uniform abgefunden. Heer verfchmähte mit Recht den konventionellen, dekorativen Auf- und Auspuß für den hödften Würden-
träger der Nation, wie thn fo viele Denkmäler Raifer Wilhelms. vielleicht als kulturhiftorifhe Merfwürdigkeit der Nachwelt zu überliefern beftimmt find;
ihm genügte das befheitene Kleid des Rriegsmannes, weldes den Feldhertn faum von feinen Untergebenen unterjdeidet: fo das echt Dolfsthiimlide her-
vorkehrend, geftaltete Heer den geliebten „alten Heren“ mehr als den ftrengen, aber wohlmeinenden Vater jener Soldaten, als den Liebling feines Voltes
im Norden wie im Süden. Was die TDetailausführung des Werkes betrifft, fo wird man, felbft bei eingehender Betrahtung, dem Rünftler das Lob nicht
vorenthalten dürfen, daß er, ohne Doreingenommenbeit fiir einen oder den anderen Theil des gewaltigen Werkes, mit äußerftem Fleife und peinlidfter
Sorgfalt gearbeitet bat; die Portraitähnlichkeit des Raifers ift eine geradezu überrafhende und ift dies auch mit der unverhohlenften freude von dem Der-
ewigten febr nabeftebender Seite riithaltlos anerfannt worden. Es ift nichts Rleinlides, Schwädlihes in diefem Meifterwerfe deutjher Plaftif, nidis
Ueberflüfjiges, Phrafenhaftes, Weithergeboltes. Das Karlsruher Reiterftandbild Wilhelms I.
mißt vom Boden des Kaiferplakes bis zur Helmfpike ca. 12 Meter, die Höhe des Reiters
beträgt einfchließlih Plinthe 5,20 Meter, die des Poftaments 10,72 Meter; die Sodelfiguren
haben eine Höhe von 3,10 Meter. Begoflen wurden die Bronzetheile des Denkmals in der Bildgießerei
der Altiengefellfhaft Shaeffer & Walder in Berlin, und erforderten Reiter und Rop zu-
fammen etwa 125—130 Zentner Bronze. Das Poftament ift von der firma Rupp & Möller,
hier, aus fhwedifhem Granit gearbeitet, reich profilirt und gefchliffen. Noch fehlen, wie aus
unjerem Bilde, weldes wir einer photographifhen Aufnahme aus der photographifden
Kunftanftalt für Arditeltur und Plafiit von R. Morat, bier, verdanken, zu erjehen, die
Sandfteinftufen um den Sodel und das mit Randelaberfhmud verfehene Beländer — vitl-
leicht ebenfalls aus Bronze; das Raiferdentmal trägt auf der vorderen Schmalfelte über der
Vittoria die einfahe Infgrift: „Wilhelm I; auf der entgegengefetten Front heißt es:
„errihtet von der Stadt Rarlsrube 1897". Wo die Runft jo Mar und eindringlich
fpridt, wie im Rarlsruher Reiterftandbilde, glaubte man weiterer Epitheta und einer befonderen
£apidar-Epiftel entrathen zu fönnen; .folhe Zufäge muthen oft an, wie die Zlluftrationen zu
unferen großen Klcfjitern — überflüfiig — ftörend. — So möge denn das ftattlihe Denkmal
der badifthen Landeshauptftadt, weldhes ebenfo den ehrt, der es gefihaffen, wie die Stadt, welde
es in ihrem Weidbilde errichtet hat, möge es all denen, welde den Raifer gefannt und von
Auge zu Auge gejfhaut haben, das Bedädhtnif an eine große Feit zurüdrufen.
Dom Kandfchaftern.
Don Wolfgang Kirhbar.
‚I.
Ein ganz neuer Zuftand Ser Landfcaftstunft beginnt, nachdem mit
der Yaturfluht der Wertherzeit und mit den Roufjeau’fhen Fdeen von der
Rüdfehr zur Natur cin tieferer Ernft in diefe Betrachtung der Natur fommt.
Um die Wende des vorigen Jahrhunderts ift vor Allem die Naturwiffenfhaft,
und zwar Botanif und Zoologie, mehr und mehr Gemeingut der Gebildeten
geworden und aus ihr entwidelt fic) ein befonderer Naturfinn und Reifefinn, der
in einem Werke wie Humboldt's „Rosmos" Landfhaftsbilder und Landfdafts-
eindsrüde in einem ganz neuen Sinne verarbeitet. Und mit den reifenden
Yaturforfhern beginnen nun aud die Maler ernftliher auf Reifen zu geben,
Skizzen, Studien der Natur in aller Herren Candern wie in der nddften Heimath
felbft 3u fuden und das Gefhaute mit möglichft naturwahren Zügen feftzubalten.
Es bildet fi der Stand der Candfchaftsmaler im befonderen Sinne mit befonderem
Bewuftfein. Jm Anfang ift diefes Streben vielfach nod) mit biftorifeen
Empfindungen gepaart. Die biftorifhe Landfdhaft Ser Rod'fchen Schule leitet
die neue Entwidelung unter Anfniipfung an fo Mandes ein, was fon bei
Salvator Rofa und Claude Lorrain vorgebildet war. Rottmann befucht die
großen Erinnerungsftätten griechifder Gefthidte und malt fie mit dem
Bewuftfein ihres lofalen Namens und ihrer lofalen Gefchidtspoefie und
Erinnerungspoefie. Er jhildert uns diejenigen italienijden Landschaften, mit
welhen fih bedeutende mythologifdhe, gefhichtlihe, fagenpoetifdhe Vor- | Shunyei. Bauernmädcen in Hofen
ftellungen verbinden. Preller fbafft aus einer Verbindung griedifcher ein Pferd führend das Neisftroh trägt.
Naturftudien und phantafievoller poetifher Schöpferfraft feine Gövffeeland- Sammlung Derer, Paris,
bope piinia
108
fhaften. Mit WAlerander Calame aber auf dem Rontinent und
mit dem genialen Turner in England fiegt nun das rein finnliche
und naturfchildernde Element, wie es urh Humboldt, Surh
Stifter und fo manden Natur- und Reifefchilderer ausgebildet
worden war. Jn England ift es befonders die Poefie der Ylatur-
fhilderung, welhe durch Lord Byron in ,,Chilbe Harold und
fo vielen anderen Werken unübertreffli ausgebildet worden war,
die aud einem Manne wie Turner die Farben auf die Palette
zwang. Und feither malt der Landfchafter Alles, von den
Sonnenuntergängen über ägyptifhen Pyramisen an, von den
Stimmungen am Ganges an über Capri, Sorrent und die
italienifhen Landfhaften, über märkifhe Sandfeen bis hinauf
in die Urgebirgshöhen und die Bletfcher Norwegens. Und neben
diefer geograpbifchen Landfchaftsmalerei mit all ihren Darftellungen
großer Yaturphänomene des Meeres, der Gebirge, der Sonne
und des Mondes in Luft und Aether, in Wolfen und Stürmen
it auh die iöpllifhe Landfhaftstunft nad allen Richtungen
entwidelt, mag fie fih ins laufhige Waldesinnere verfteden und
mit einem Spitweg alle die fleinen bebagliden Winkeldhen auf-
fuden, in denen der Menfh gern eine träumerifche Einfamfeit
genießt, oder im Gefiihle heimathlidher Sicherung Sie vertranteren
Stimmungen in feld und Wald empfindet. Das it dann mit
einem Worte die ,,feld-, Wald- und Wiefenpoefie, die fidh
nunmehr von der Literatur vollig losgemadt bat und fih ganz
ihren eigenen malerifhen Möglichkeiten überläßt.
Nebenbher find aus älteren Entwidelungsperioden der Land-
fhaftstunft auh noh die mythifhen Landfchaftsgeifter lebendig
geblieben. Auf fo mander Landfhaft Bödlins, die mit dem
Auge des Mythologen, mythenbildender poetifcher Phantafie an-
gefehen ift, verkörpert die menfhlihe Staffage ja nur den
gebeimnifvollen Charakter der Landfdaft felbft. Diefe faune
und Waffertentauren, diefe Niren und Schlangen find ja nur die
Geifter Ser Elemente felbft, welche die Landfhaft ausmaden.
Der Trieb, der einen folden Meifter bewegt, ift derfelbe, welder
die Balladendidtung unter den Poeten bewirkt. Diefelben mythen-
bildenden Triebe, welche Goethe die Ballade ,,Das Waffer raufdt,
das Waffer fehwoll, feinen „Erlfönig* eingaben, welde aud in
der Balladenmufif eines Schumann und Schubert miederfebren,
fie fins aud das fhöpferifhe Element in einem Maler wie
Bödlin. Faft feine fämmtlihen Bilder find Naturballaden. Er
ift in der Malerei, was Schumann in der Mufif ift. — Aber
allerdings, er ift dabei ganz Maler. Eine allerjiingfte ,,fym-
boliftifhe* Richtung verfällt dem gegenüber in die Sudt, ihre
landfchaftlihen Romanzentriebe, ihre Landfhaftsftimmungen nicht
mehr .malerifh, fondern nur ganz roh und dekorativ zu geben,
woran der Mangel an fleip und malerifhem Talent mehr
Antheil hat als etwa ein tieferes poetifches Naturbewußtfein.
Unfer Purzer gefhichtlicher Ueberblid über die Entwidelung
der Candfchaftsmalerei hat uns au gelehrt, wie fehr verfchieden
die Triebe find, weldhe die Rünftler zur Abfchilderung der leblofen
Landfhaft bewegen, der Phänomene, in welchen Alles in Allem
die Wohnftätte unferes Erdballs felbft mit feinen Begleitern am
Himmel fih uns darftellen. Es ift nur recht und billig, daß die-
jenigen Stimmungen, Triebe und Einflüffe, welche in früheren
Seiten den Hauptanlaf zu folhen Schöpfungen gaben, aub in
der meiterfihreitenden Menfchheit erhalten bleiben. Wenn wir
gelernt haben uns an ftürmifhen Meeren oder unabfehbaren
Gletfherfhründen malerifh zu erbauen, follen wir deihalb an
der Schäferpoefie eines vergangenen Jahrhunderts uns minder er-
gögen?! Es find immer nur die balbjchöpferifchen Geifter, die
Pedanten, die Wodefdpfe mit den fpärlihen Hirnwindungen im
wäfltigen Schädel, die da meinen die Menfchheits-Entwidelung
beftebe darin, Saf immer eine Runftart die andere verdrängt.
Dielmebr in der Bereiherung des Alten mit dem Neuen, im
lebendigen Auffparen und Erhalten aller Mittel, die den
Menfchen vor Jahrtaufenden beglüdten und fehöpferifh bewegten
vereint mit dem, was neue Zeiten weiter erringen, befteht der
Fortfhritt und die gefunde Entwidelung aller Künfte, aller
Geiftesarbeit. Uralt find gerade die Runjttriebe, welde in einem
Manne wie Bödlin walten und alle Elemente der Natur mit
Deutſche Runſt.
mythiſchem Anſchauen durchdringen, mit jenen geheimnißvollen
Naturſchauer, der einſt die Völker dazu brachte, in ihrer Ein-
bildungsfraft Dryaden und Aypmpben in jeder Baumböhle wohnen
zu laffen. Und wäre es ein Atavismus, es giebt Atavismen,
deren lebendige Erhaltung die Bedingung menfclider Rernfraft
und des inneren Zufammenbanges der Menfchheit felbft ift. Aber
wenn wir diefe Art Ihäten der Natur und Candfdhaft gegenüber
fi) zu verhalten, follen wit defhalb denjenigen, der, obne Bei-
wer? der freien Einbildungstraft, feine Stärke Sarin fudt, das
Yaturphänomen des erregten Meeres, der fturmzerfauften Wald-
landfhaft an fi wiederzugeben, weniger jhäßen? it er ein
Meifter feiner Sade, fo wird er dasfelbe Naturgraufen durd die
eingehende Beobadtung aller Spmptone des reinen Naturporganges
erzielen, welches der mythifd bildende Beift durch die Bevölkerung
mit allerhand YHaturfvmbolen erreicht. —
Warum landfhaftern wir? Was dSriiden wir Surh Land-
fhaften aus? Wie man fieht, febr verfihiedene Thätigfeiten der
menfchlihen Seele, fehr verfchiedene Verhältniffe zur Natur. Da
RN *
EIES N
IN FR iR
RRS
&
Mafanobu,
Hinten im Tolönoma Bildnifi des Bottes Hotei,
Sammlung Roepping, Berlin,
Dienerin einen Kiebesbrief fchreibend.
Hweifarbendrud in Rotb und Grün.
giebt es Geifter, die mit Pinfel und Palette ausziehen, weil eine
große Luft lebendiger Schilderung in ihnen ftedt. Sie fuchen fih
die auffälligften Naturvorgänge am Himmel auf in einer fernen
tropifhen Gegend; fie wollen uns die Wunder der geograpbifchen
Natur vor Augen führen und Alles ift lebendige Schilderungsluft
an ihnen. Anderen wird die Tandfchaftlide Natur mit
ihren Herrlidfeiten in Gebirgen und auf der See, in alten
Hainen und nädtlihen Mondfcheinlandfhaften zu einer Art
von Yaturreligion und ihre Bilder find die Altarbilder einer
folden Religion, welde das Ewige in feiner fichtbaren
Natur - Offenbarung preift. Solde Pfalmen, folthe gemalte
Pfalmen verdanten wir Meiftern wie Calame, wie Turner und
mandem anderen großen Poll-Candfhafter. Und gewiß ift,
wenn eine folhe pfalmirende erbebende Yatur-Andaht den
Rünftler bei feiner Malerei bewegt, diefe Art von Landfchafte-
malerei etwas, was fhon in Rompofition, Wurf und Stimmung
zum fellelndjten gehört, was menfdlider Geift hervorbringt.
Und wieder giebt es Candfhafter, die beinahe mit dem Jnterefje
des Botanifers ihre Wiefe malten, ja, es giebt Pedanten unter
den Rünftlern, deren Beftes eigentlich nur das pedantifche Intereſſe
it, daß fie die Bliimlein ibres Dordergrundes botanifd genau
wiedergegeben haben. Oft it es aber nidt das Gntereffe am
Bliimlein felbft und feiner botanifchen Natur, durchaus nicht zart—
finnige Beobadtung und Bewunderung des Gegenftandes an fid,
fondern eben nur das pedantifche Selbftbewußtfein der Genauig-
Feit felbft und die ftille Eitelkeit über diefe Genauigkeit. Dann
giebt es wiederum melandolifhe Bemüther, denen die Landfchaft-
mehr dazu dient ihre eigene Melandolie oder ihre afhgraue
Lebensftimmung in flahe möglichjt reizlofe Ebenen hineinzutragen.
Da fohlängelt fih nun trübe ein Wäfjerlein; ein fabler Baum,
ein Pabler Horizont und ftatt formenbildender Wolfen eine fable, leere
Vebelwand. Ein Anderer aber malt diefelbe Gegend und bringt
es doc fertig, die Pleinen bebaglihen Schönheiten räumlicher
Perfpeftiven, verftedter Gutimitdten gerade aus dem Oedeften und
Rablften bherauszufeben. Wir fennen Candfcafter, die es fic
aur vornebmften Lebensaufgabe gemadt haben, gerade in den
unfcheinbarften Dünen, auf den ödeften Flähen, in den lange .
weilighten Schuttwinfeln verborgene Schönheiten zu entdeden und
þeimlih zu verrathen. Sider it ibr Jwet ein ganz anderer
als derjenige deffen, Ser hoch in den fonnigen Regionen des
Monte Rofa oder im gewaltigen Bergfturm, Ser durch uralte
Eichen brauft, den Pfalm auf die Schöpfung im Grofen an-
ftimmt. Dann giebt es wieder folde Epifurder wie der alte
Spikweg, die fih überall Rubeplätchen im Sonnenfhatten aus-
zufuchen wiffen, eine Art animalifches Yaturgefühl befiken, das
fie als foldhes überall verfinnliden. Sie haben Eidechfenfeelen,
die gern im Grünen, felber grün verborgen täufhen. Sie em-
pfinden aus der Seele animalifhen Woblfeins heraus und
fühlen mit den Fröfchen, als wahre Seelenwanderungskandidaten
landfhaftliher Natur. Und endlich giebt es aud) nod eine
befondere Gattung der eigentlihen Naturbelaufher. Das find
die Maler, die fozufagen der Natur gegenüber immer auf
dem ,,Anftand find, welche gewiffermaßen das Yervenleben
der Pflanzenwelt, der Landfhaft zu ertappen fuden und deren
Hauptvergnügen eben in diefem Beobachten, dem Belaufden
von allerhand Situationen der landfchaftlihen Natur liegt.
Endlih find in neuer Zeit auh ie bloßen Erpeti-
mentatoren fehr Mode geworden, weldhe ihre Palette zum Per-
fuhsobjeft für allerhand phyfitalifch-tehnifhe Experimente be-
nußen, zum Beifpiel wie weit man geben kann, um mit und
ohne Cremfer Weiß die größte fheinbare Bildhelligkeit zu er-
zeugen und das Licht der Sonne, weldes Billionen mal Billio-
nen Grad Hike bat, vermittelft Erdfarben von fünf bis feds
Grad Reaumur nahzuahmen. Diefe Erperimentatoren haben
freilich ihre Augen in ciner Schnupftabatsdofe figen, fonft mipten
fie ihnen „übergehen“ bei folhem Beftreben.
Es gilt in dSiefer Runft wie in fo manden menfdliden
Dingen, daß diefelbe äußere Thätigkeit Sod febr verfehiedenen
Beweggründen entfpringen tann. Jemebr innere Beweggründe
unfer eigenes Leben hat, defto leichter und genußreicher werden
Deutfdhe Runf.
109
wir aud die verfdiedenen Eindrüde auffaffen, welche die Künftler
uns wiederfpiegeln. Wir werden nit Alles unter einen Hut
bringen wollen. Wir werden andädtig mit Rottmann auf
Trümmerfeldern der Aultur und Ruinen ehemals blühender Ylatur
verweilen und unter Zufaß einer gefhichtlihen Erinnerung das
Dergänglide alles Jrdifhen auh in "folhen Landfhaften vom
Riinftler mitempfunden fehen. Wir werden aber auh gern mit
einem KRubierfchty braunen Herbft und ftehende Gewaffer, nebel-
naffe Tage der verlaffenen, vereinfamten Yatur miterleben und
unmwillfürlid ein fympathifhes Naturempfinden mit den blätter-
lofen Bäumen fühlen, ale wären fie empfindende Wefen, als
wäre .die menfchenleere Landfcdaft felbft eine Perfon, mit deren
Shidfalen und Ausfehen wir lebendig mitempfinden. Je treuer
ein Landfihafter in folden Fällen alle die zarten Phänomene
des Naturlebens beobachtet, je zarter feine Palette fie wiedergiebt,
defto inniger wird aud unfer Mitleben mit der Seele der Land-
fhaftsnatur felbit.
Sicher find es zarte und große Bedürfniffe der menfchlichen
Seele, die, neben der freien Luft fünftlerifher Nahahmung
an fih, der Landfhaftsmalerei in unferen Zeiten fo viele
Freunde und Anhänger geworben haben. Wenn fie fih niht
auf Roften der Bejtaltenmalerei, der Sramatifh bewegten Men-
ſchenmalerei
entwickelt,
die ande⸗—
ren gewalti⸗
gen Bedürf-
niffen der
Menfhen- |
feele ent-
fpriht, darf
fie uns all
überall will-
fommen fein.
Jene großen
Maler, wie
Rubens, die
neben ihren
Figuren aud
mächtige
Landſchaften
zu malen
wußten, ſind
wohl die
glücklichſten
Naturen gee
weſen, weil
ſie auch mit
dem Pinſel
die verſchie—
denſten Bee
dürfniſſe der
anſchau⸗
enden Seele
auszuleben
wußten. Ein
treuer Spic-
gel der allge-
meinen Rul-
turentwide-
lung aber ift
auh gewiß
die Land-
ſchafts⸗
malerei in
den verfihie-
denen
Phafen ihrer
eigenen Ent-
faltung. —
Schaufpieler als vornehme Dame |
im Gewitter.
in Rofa und Gelb auf duntelgrauem Grunde, Sammlung Vever, Paris.
Shunsho,
110
Deutide Runf.
Gefchichte des japanifchen Sarbenholsfchnitts.
Pon Brune Sdippang.
3 läßt üh darüber ftreiten, ob das Wort „Alles verftehen heißt Alles
verzeihen“ berechtigt ift; jedenfalls wäre das „Alles verjtehen‘ Fein
wünſchenswerther Befik. Wer Alles verzeiht, tann nidt Alles lieben,
denn man liebt felten, wo man vollftändig verfteht. Deshalb fann aud die
erafte Wiflenfhaft niemals zur fünflerifhen Entfaltung führen — die Wiffen-
{haft leiftet der Aunft nur geringfügige Kundlangerdienfte, die dod) wieder
für ihr Bedeihen fo unentbehrlih find, wie alle mehanifhe Arbeit für die
Entwidlung der Geiftestultur. Jede künft-
lerifhe Aeußerung der menfhlihen Seele
it ja im Grunde ein Ringen um den Aus-
drud für das, was zu fagen die Sprade
allein nicht binreiht. Nationale Runft ift
in diefem Sinne Sprache der verfdieden
geftalteten Dolfsfeele und perjönlihe Runft
ift, In ihrer Unverfälfchtbeit, eben defbalb
die höchfte, weil Ne im ftrengften Sinne des
Wortes Seelenfprade und Ueberzeugungs-
ausdrud werden muß. So oft man eine
neue Seite der Menjchenfeele in den natio-
nalen KRunftäußerungen einer befonderen
Volfsfeele erklingen hört, und einzelne
reine Tonfhwingungen aus den nationalen
Harmonien der gewaltigen Rompofition der
Menfhheitsfeele in den perjönlihen Leber-
zeugungsäußerungen der einzelnen natio-
nalen Künftler wahrnimmt, fo oft gewinnt
man einen nenen Sdliiffel zum bejjeren
Derftändnig des Großen, Hebergewaltigen,
dem wir in allen Aenßerungen der Natur
gegenüberftehen. Gn dem fdlidten Worte
„Leben“ fallen wir zufammen, was wir
nicht verfteben und was zu ergründen dod)
unausgefett der Trieb der jaudhzenden und
Flagenden Menfhheit bleibt. Wir alle
fteigen höher, je mehr Thore der Erkenntnig
uns geöffnet werden. Als ein foldes Thor
der Erfenntniß begriigen wit aud die feine,
überaus gewijfenhafte Arbeit von W. von
Sevdlik, der in feiner „Befhichte des
japanifhen Farbenholzſchnittes“
(Dresden bei Gerhard Kühtmann 1897)
diefe von allen Rennern jo bodhgefhätte
Tehnit der Allgemeinheit sugdnglid madt.
Bisher fannten nur wenige eingeweibte
Sammler genau diefe wunderliche Welt
des zterlihen Formenfpiels. Luftig gauteln
die fhmiegfam weihen Erzeugniffe einer
fraufen Pbantafie anf den zierlihen Blättern
daher, jedes ein Stüdlein Leben und eine
Meifterleiftung an Beobadtungstunft, baud-
fein, duftig und der Natur mit einer
Kedheit abgelaufht, Sie ans Dämonifche
ftreift. Alles ift in Anmuth oder in Humor
aufgelöft — in einen nidt unliebenswiirdigen Humor, dem weiter nidts als das
weinende Auge des Pantagruel fehlt. Fit es wabhr, dag japanifde Rinder niht
weinen? Wenn dte oft gezogene Parallele zwifhen Rind und Runt Stih halt, fo
fönnte man es glauben. Die japanifhe Runft fennt weder das de profundis nod
das grofe Hallelujah; fie ift eine Runft, die auf einem philofophifhen Syftem
aufbaut. Pbhilofophie Plingt immer in abftrafte Rejignation aus; Religion
führt zur fonfreten Ergebung. Der Refignation verwandt ift die Verneinung;
in der Ergebung liegt der Zug zum Subjeftivismus. Hierin ftedt das
Gebeimnif der Größe japanifher KRunft und zugleih ibre Begrenzung.
Refleftionslos, von feinem welterlöfenden und weltfremden Dogma beengt,
tritt fie wagemutbig an ihre Aufgabe heran. Es der Natur gleihzuthun ift
vor allem ihr Ziel. Je böber die Meifterfhaft fteigt, defto enger wird die
Befanntyhaft mit dem Leben und jeinen Widerjprüdhen. Nur ein fernes
Shigenobu: Pferde am Wafer.
Mit der Band kolorirt in Schwarz, Grün und Gelb. Samml. Bing, Paris.
traumverfhwommenes Ahnen dämmert herauf von der Möglichkeit eines ver-
föhnenden Befeges der Liebe. Es bleibt fporadifh und der Wirrwarr erſcheint
im unbejtimmten erften Grau des Frühlings nur um fo gefpenftifcher und
zufällige. So bleibt jedes Bild unferer japanifihen Freunde ein Wuefdnitt,
eine zufällige Bemerfung, das geiftreihe Apercu eines Menjcen, der fid
bewußt ift, in feinem Handeln fonfequenter und haralterfefter zu fein ale die
willtiirlide Natur, Wan weiß wohl, daß es anders fein könnte, aber man
hat aufgehört zu wünfhen, dağ es beffer
werden mödhte. Warum aud? Das Leben
ift liebenswiirdig genug, ift interefiant,
unterhaltend wie eine fprdde Rofette; es
nimmt die graufame Härte, mit der es zu
fpielen liebt, nicht fo ſchauderhaft ernſt,
wie uns möndifhe fanatifer glauben
machen möchten — freilich, es verſchweigt
auch manches über ſeine erhabene Große.
Man lernt die ſtille Sabbathfeier der Natur
nicht kennen, wo der Winter nur einen
Monat dauert. Der weiß nichts vom
Weibe, der niemals neben das Lächeln der
Gioconda die furchtbate mater dolorosa
ſtellte, die uns aus Dürer's Bildniß ſeiner
eigenen Mutter von überwältigendem Web
und unerfhöpfliher Opferwilligfeit erzählt.
Das Leben fennt nur, wer mit ihm rang
und dennod Sieger blieb. Die Runft des
Sonnenaufganglandes ringt mit den Aeufer-
lidfeiten der Natur und bewältigt fie mit
fo fpielender Leichtigkeit, dağ das Wort
von Sem Falligrapbifhen Element in thr
ftarfe Berechtigung erbält. Wir werden in
Europa in diefer Hinfiht den japanifden
Meiftern gegeniiber immer Stiimper bleiben.
Nur in der Gewalt der Tragif, in der
Darftellung des Seelifhen bleiben mir
Sieger. Nidt als ob die Japaner Feine
Religion oder Feine Tragif fennten. Sie
haben eine reihe Symbolit, die wohl ver-
diente, in Europa gekannt 3u werden.
Aber wo fie die Tragif geben, fteht ftatt
des antiken, durch fih felbft gebundenen
Sdidfals oder des mittelalterliden Ge-
wifjens ein jchanerlih grinfender Satan,
der fih der Dernidhtung freut. Taufend
gierige fangarme erbarmungslofer Polypen
ftredt die brandende Meereswoge aus
nad den gebredliden Cintagsfiegen, Sem
armfeligen Menfhengewürm in den beiden
Booten drunten. Hohnladend ziebt fie fid
zurüd; das jammervolle Zufrllsproduft
muß gequält werden, damit es dod irgend-
wo einmal etwas empfindet, bevor es ins
Nirwana der Unperjönlidfeit zurüdſinkt.
Das ift die Tragif der japanifden Religionsphilofopbie. Welden Einfluß die
japanifhe Mufit auf die Schwefterfünfte ausübt, davon fagt uns v. Seydlit,
nichts. Wir ftehen ihr gegenüber, wie der Auftifale dem „Triftan‘ und
ahnen nur eine Derwandtfchaft, wo uns aus Unkenntniß der Formenſprache
das Derftändnif und fomit die Möglichkeit des Vergleihs fehlt. Doch zurüd
zum Holsfdnitt.
Seine Entwidlung nahm in Japan wie in Deutfchland ziemlich denfelben
Verlauf. Diefe Tehnit wuhs aus dem Bedürfnig hervor, Erbanungsbilder
für die Befuher heiliger Stätten in großer Zabl mit geringer Mühe herzuftellen.
Dann wurde fie zur Zllufttirung von Büchern verwandt, gewann allmälig
eine felbftändige Bedeutung meben der Malerei und trat endlich, jeit Erfindung
des Buntdruds, fogar in eine Art Wetttampf mit diefer ein. Fu diejer
Entwidlung war an beiden Orten der gleihe Zeitraum von etwas über einem
—— SE.
Te
Deutfhe Runft.
Jahrhundert erforderlih; dann aber gewann der Buntdrud in Japan elne
von feinem anderen Lande je erreichte Blüthe, die uns an 95 Abbildungen
vorgeführt wird. Hier intereffiert uns bauptfählih die technifche Seite. Bei
der Betrachtung der japanifhen Holsfhnitte hat man zu unterfheiden zwifchen
den Erzeugniffen nad 1840, um welde Zeit etwa der rapide Perfall beginnt
und den vorhergehenden anderthalb Jahrhunderten; was im vorigen Jahr-
hundert fiinftlerifhe Buchilluftration war, wurde jeit fehzig Jahren zum
Bilderbogen für das Dolf. Das japanifhe Bud befteht aus einem dünnen
Heft mit biegfamem Dedel; die Blätter werden nur einmal gebrochen, auf
einer Seite bedrudt und mit dem falz nah außen gebeftet. Unfere lette
Seite it in Japan die erfte; die Schrift läuft von oben nah unten und
zwar rebts anfangend. Die Berftellung der Holzjhnitte ift die früher bei
uns üblihe; die Zeihnung bleibt erhaben ftehen, wird aber nicht auf den
Stot felbft ausgeführt, fondern erft auf einem dünnen, durdhfidtig gemadten
Papier, weldes fodann verkehrt aufgeflebt wird. Die auszufparenden Stellen
werden fammt dem Papier ausgefchnitten bezw. geftofen, das auf den fteben
gebliebenen Rändern noh lebende Papier ert nad fertigftellung des Schnittes
abgewajchen. Die japanijihen Maler, welde Blätter für Holsfhnitte an-
fertigten, fihnitten ebenfo-
wenig felbft wie — nad
Anfiht des Derfaflers —
Dürer, Holbein oder Cranad,
fondern überließen diefe Ar-
beit fingerfertigen Hand-
werfern. Bei ihrer Arbeit
balten fie den Pinfel fent-
reht zwifhen zweiten und
dritten Finger und bewegen
ihn mit dem ganzen Arm.
Die Perfpeftive wird
nidt durch Sdattirung er-
teidt, fondern durd fouliffen-
artige Zwifhenftüde; Schat⸗
ten Bennt er überhaupt nicht,
ebenfowenig it Erreihung
möglichfter Plaftif fein Ziel;
denn der Holzfhnitt ift ihm
nidt ein Erfah des Gee
mäldes, fondern eine illu-
minirte oder ausgetufchte
Kalligraphie, deren Vorzüge
Imprefjionalismus und delo-
tative Wirfung find. Mit
thunlidft wenig Striden mdglidft viel fagen, der Phantafie des Befdaners
zur Ergänzung genügenden Spielraum lafjend und durd gefhidte Vertheilung
von farbenfladen deforativ verbliiffend, das ift des japanifhen Rünftlers
deal. Der Drud wird mit der Hand oder dem Reiber ausgeführt; darauf
beruht feine Schönheit und die erftaunlihe Anpaflung an die Abfichten des
Riinfilers. Das Papier wird danadh verfhieden gewählt, ob es die farbe
mebr oder weniger auffaugen foll und vor dem Drud leicht angefeuchtet,
fein Ton ift elfenbeinen, die Oberflähe glatt. Die mit Reisbrei angemadte
Wafjerfarbe wird mit einer Bürfte aufgetragen. Fe nahdem die farbe ab-
getönt, mit mehr oder weniger Waffer verfetzt wird, je ftärfer oder jhärfer -
Ser Drut ift, laffen fh die verfchiedenartigften Wirkungen erzielen. Bet
Buntdruden wurden ebenfoviel Platten gefhnitten, als Farben verwendet
werden follen; als um die Mitte des vorigen Jabrhunderts der reihe Bunt-
drud beliebt wurde, fuchte man durch Ueberdrude Platten und fomit Koften
zu fparen; es wurde das Jiel des Riinftlers, die reihfte Wirkung mit der
geringften Zahl Platten zu erzielen. Gn der beften Zeit fam er mit 5—7
‚farben aus; bei den Surimonos (Blüdwunfgfarten) im Anfange unferes
Jahrhunderts ftieg diefe Jahl aber bis auf dreifig. Mod) mehr als bei uns
haben in Japan die Anilinfarben Schaden gethan. Früher hatte man ein
bläulihes Roth (beni) und ein ziegelfarbenes Bleioryd (tan); and das
hinefifhe Todeniltotb fand Verwendung. Das Gelb ift meift gelber Oder;
tother Oder fam erft fpäter hinzu; blau ift meift Jndigo oder Rupferfarbonat.
Mit der Feit ftellten Ah dunkelgrün, grau, braun, oliv ein. Schwarz wurde
von jeher gern in breiten Waffen angewendet, die Modellitung darin fparte
man duch weiße Linien aus; der fleifhton wird zur Unmerflickeit abgetönt,
und in foftbaren Druten Surh Beftreuen von mika (Perlmutterpulver) her-
vorgehoben, dus ein weihes Schimmern erzeugt. Um 1750 wurden Troden-
Biröjhige: Der Windftof. Reifende auf einer Briide.
Rol. Rupferftidtabinet, Dresden,
111
oder Blindplatten-Preffungen eingeführt, de auf eine lette Platte gejchnitten
werden und Mufter auf Bewändern, Einzelheiten im der Landfhaft 2c. zum
Ausdrud bringen. Als befondere Formen find zu erwähnen die Triptyden,
von denen auch das vorliegende Wert mehrere wiedergiebt; Pentaptyden;
Kafemonos (aufreht lange Streifen) und die quadratifhen Surimonos.
And nur annähernd die hervorragendften Namen anzugeben, ift ganz
unmöglid; wir müfjen uns darauf befchränfen, zu unferen Abbildungen einige
Notizen zu geben.
So zeigt die eine Pferde am Waffer unter einem Rirfhbaum. Der Holz-
fhnitt ift mit der Hand Bolorirt in fhwarz, grau und gelb. Sein Er-
zeuger ift -Shigenöbu, der zwifhen 1728—1740 arbeitete und der Stamm-
vater der Riinftlerfamilie Wifhimura war; größer noh als er war fein Sohn
und fein Bruder. Dann folgt ein Zweifarbendrud in Roth und Griin von
Wafanobu: Die einen Liebesbrief fhreibende Dienerin wird von ihrer Herrin
belaufht; hinten im Tafonoma das Bildniß des Bottes Hotei; es ift ein
Theil eines Triptydons, weldes die „Frechheiten der Dienftmadden darftellt.
Der Rünftler begann feine Thatigfeit fury nad 1700 und ftarb 1752. KLiebreiz
zarter frauengeftalten war feine Domäne; Surh feine grazidös und gefhmad-
voll abgerundeten Rompo-
fitionen geht ein weiblider,
elegifcher Zug, der die Ent-
widlung vorbereitet, die
fpäter der japanifde Holz-
fdnitt nehmen follte Ein
drittes Bild ftellt einen Shau-
fpieler als Dame im Gewitter
dar; das Original ift in
Rofa und Gelb auf duntel-
granem Grunde gehalten.
Der Rünftler, Shunfho, be-
gann 1764 feine Wirkfamteit
und ftarb 1792. €r ift der
Hauptdarfteller von Shau-
fptelern geworden, auf wel-
chem Bebiete ihm feine zahl-
reihen Shiler folgten. Unter
den letzteren wurde am be-
rühmteften Hotufai. Seine
zabllofen Bildniffe find durch
Lebendigkeit der Bewegung
und Kraft der Färbung
ausgezeihnet. Mit _ einem
äußerft einfahen und dod
wirfungsvollen faltenwurf wußte Shunfho Surh gefhidte Vertheilung fhwarzer
Maffen eine hddft dekorative Wirfung bervorzubringen. Sein Zlluftrgtions-
wer? in Buntdrud, weldhes er mit Shigemaja 1776 berausgab, „Spiegel der,
Schönheiten des Grünen Haufes“, ift wohl überhaupt das jhönfte Zlluftrationg-
wert, das Japan hervorgebradt hat; ein anderes berühmtes Werk der Beiden
ift die Darftellung der Seidenzuht. Es folgt ein Werk von Shunyei: Ein
Bauernmädden in Hofen und Sandalen führt ein Reisftroh tragendes Pferd.
Unter den Schülern Shunfho's nimmt Shunyei eine hervorragende Stelle
ein; er foll 1819 im Alter von 58 Jahren geftorben jein. eben trefflihen
Schaufpielerbildnifien hat er große Darftellungen von Ringern geliefert; für
Saher madhte er febr luftige volFsthiimliche Rompofitionen in wenigen farben.
Befonders intereffant ift der „Windftoß" von Hirdfhige. Zwei Neifende
befinden fih auf einer Brüde; Ser eine flürzt feinem Schirm nad, den
anderen droht der Mantel zu entflattern. Hirdfhige, geboren 1797, ge-
ftorben IS5S, ift der legte große Künftler Japans. Naddem die japanifche
Holzfhnittfunft im Verlauf einer I50jährigen Entwidlung von der orna-
mentalen Darftellungsweife zu der iderliftifhen und dann zu der phantaftifcen
vorgedrungen war, lief fie mit Hiröfbige in den Hafen des Naturalismus ein.
Er entwidelte die Darftellung der Thierwelt und verhalf der Landjihaft zu
jelbftftändiger Bedeutung, fuf die Stimmungslandfhaft. Er ftudirte die
europäifche Runft und modelte Perfpeftive und Kompofition danah um, lehnte
aber die Technif ab. Die Natur fah er mit feinen eigenen Augen als
Japaner an, entdedte Eigenheiten, die uns verfdloffen geblieben waren.
Weniger feine Aunftwerfe, als gerade feine gewöhnlichen Drude haben ftarte
Verbreitung und Beliebtheit gefunden. Hier aber zeigt fidh bereits der volle
Derfall des japanifhen Holzfdnitts, indem hier die farben durh Verwendung
tober und harter Anilinfarben abftoßend wirken.
112
Stadt contra
Staat.
Der Stadt Braun.
{hweig waren durd eine
legtwillige Derfügung der
Wittwe des Ritterguts-
befikers von Reinide vom
Jahre 1865 fünfundacht-
3ig zum Theil febr werth-
volle Oelgemälde mit der
Beftimmung vermadt
worden, daß fie in dem
Muſeum am Boblwege
untergebracht werden
follten, und daß, wenn
dereinjt eine Ausfcheidung
diefer Bilder, aus dem Mufeum erfoigen würde, der Magiftrat der Stadt Braun.
fhweig ihnen eine andere fihere Stelle gewähren folle. Als nun die Stadt vor
zwei Jahren eines der Bemälde zu haben wiinfdte, um es dem deutfigen
Hochſtifte zu Ftankfurt a. M. für die damals dort veranſtaltete Boethe-Aus-
ftellung zu überjenden, verweigerte der Staat die Herausgabe des Bildes.
Diefer Vorfall in Derbindung mit dem Umftande, daß die Stadtverwaltung
beabjihtigt, für die ihr gehörigen, jet in werfchiedenen Bebäuden unter.
gebrachten Bemälde angemefjene Räume zu jhaffen, waren für den Magijtrat
die Deranlafjung, die der Stadt an der von Reinide'fhen Sammlung zu-
ftebenden Eigenthumsrehte geltend 3u maden und das Stratsminifterium um
Abgabe einer Erflärung dahin zu erfuden, dağ die fraglihen Gemälde der
Stadt nah Befhaffung geeigneter Räume auf deren Verlangen würden
herausgegeben werden. Das Staateminifterium hatte aber Sie Abgabe diefer
Erklärung niht nur verweigert, fondern aud) die Anjidt geltend gemacht,
daß das Eigenthumsreht der Stadt an den Gemälden zu Bunften des
herzogliden Mufeums befhränft worden fei. Da mun die Stadt diefer Aus—
legung der lettwilligen Derfügung nicht beipflihten zu Fönnen erklärte und
einen Derluft ihres WUnfpruds durch Verjährung befürchtete, fo ftrengte fie
einen Prozeß gegen den Staat und das berzoglihe Finangzfollegium auf
Herausgabe der Bilder an. Nachdem im dem feit zwei Jahren fhwebenden
Prozeffe eine große Anzahl von Dernehmungen ftattgefunden hatte, wurde
von der erften Jivilfammer des berzoglihen Landgerichts entfchicden, daß die
fragliden Bilder der Stadt auf Wufordern dann zurüdzugeben find, wenn fie
anderweitig eine fihere Stelle zur Anfbewahrung für diefe gefhaffen haben
wird. Die nit unerheblihen Roften des Redtsftreites wurden sem Staate
auferlegt.
Ruriofa aus Atelier und Werkfatt,
— Die Dolfsvertretung und der Naturalismus. Die zweite
Sadhfifhe Kammer bejhäftigte fid mit der naturaliftifhen Malerei. Sie
nahm gegen eine zu weitgehende Berüdjihtigung der Modernen"! bet An-
fäufen für die Röniglihen KRunftfammlungen Stellung. Yur ein Sozial-
demoftat trat für die ‚Freilichtmalerei ein, während die fonfervativen und die
fortfohrittlihen Redner unter dem Beifall der Rammer fidh miffallig über das
Dorberrjchen der modern-realiftifhen Richtung in der Galerie, namentlich über
den Ankauf des großen Bemäldes „Und der Herr fihuf einen Barten‘ aus»
fpraden, das als eine Derhunzung der Natur gerade das abfchredendfte Bei
fpiel dlefer Schule darftelle. An folhen Bildern fepe man fein gelbes, rothes
und blaues Wunder. Gn den gebildeten Bürgenkreifen berrfhe die Anficht
vor, daß man der neuen und allerneueften Richtung gegenüber fic) refervirt
verhalten müjje. Dort fälle man über mandhe als gental gepriefene moderne
Malereien das Urtheil: ,,farbenflererei und meine, die Mutter Natur müffe
fh über folhe Ronterfeiungen jhämen. Fahre man fort, derartige Gemälde
anjgutaufen, fo miiffe man bald ein neues Mufeum bauen; denn erft auf 5
bis 10 m Entfernung fönne man feben, was fie darftellen follten. Staats-
minifler v. Watdorf erwiderte, über Beijhmaderihtungen laffe ih ja ftreiten,
aber die Stiftung, aus der jene Ankäufe gemacht feien, jchreibe den Ankauf
für die Balerie gemacht werden.
Deutſche Kunf.
Vermifchfes. Kuriofa aus Alfelier und COerkflaft.
Gedanken üher biltende Kunfl.
von Werken lebender Künftler vor, unter diefen aber übten vier Fünftel die
Fstreilihtmalerei aus.
— Unter Bildern begraben. Eine Brabftätte der feltfamften Art,
von der nur wenig Leute Renninif haben, befindet fih in der im Süden
Londons gelegenen Dorftadt Dulwidh. Es handelt fih um das Grab Sir
Francis Bourgeois, der mit einigen ‚Familienmitgliedern in der wunderfhönen
Gemalde-Galerie, deren Gründung man ihm verdankt, ruht. Das eigentlide
Maufoleum befindet ih in der Dorhalle und ift urh eine Pleine Thür, die
aus der Balerie hinansführt, zugänglid.
— Jolli- und Runftfritif. Don der New-Vorker Behörde der Joll-
abfhäter ift eine intereffante Entfcheidung betreffe der auf Aunftwerke be-
züglihen Beftimmungen des neuen Zolltarifs abgegeben worden. Es handelte
fih um die fpezielle Frage, ob ein fiir eine Riche in Binghampton, N. VY.,
aus fFrantreih importirter Alter als Runftwerk von Zollgebühren befreit ijt,
mit anderen Worten um eine Definition des Wortes Aunftwerf. Seitens
eines von den Jmporteuren angernfenen Sahverftändigen wurde der betreffende
Altar zwar nicht als Aunflwerf im eigentlihen Sinne, jedod als ein Pro-
duft des Kunftgewerbes bezeichnet. Die Generalappraifers erklärten darauf
in ihrer Entfheidung, daß das Zollgefer nur wirlihen Runftwerfen, d. h.
entweder Originalen oder Nahbildungen, die im Atelier eines KRünftlers
von diefem felbft oder wenigftens unter feiner Anleitung hergeftellt wurden,
eine zollfteie Einfuhr geftatte. Alle Nachbildungen, die in fabritmäßigen
Etabliffements bergeftellt würden, feien nicht als Aunftwerfe zu betrachten
und daher zollpflihtig. Fu diefen gehöre auc der erwähnte Altar, der von
Sacverftändigen als ein Produft der Ardhitettur bezeichnet worden fei.
— Eins der fieben Wunder von Jena. Eins der leben Wunder
von Jena, das Weigel'fhe Haus in der Johannisftraße, wird gleid nad
Neujahr abgebroden werden, um einem Neubau Plaz zu maden. Das Haus
it um 1670 von dem berühmten Mathematifer Erhard Weigel, der den Herzog
Wilhelm von Sadfen-Weimar in 14 Tagen alle Sterne tennen lehrte, er-
baut worden. Jena wird fih alfo in Kürze nur nod mit feds fihtbaren
Wundern benügen müffen, das fiebente wird nod in dem befannten Diftidon
fortleben:
Ara, caput, draco, mons, pons, vulpecula turris
Weigeliana domus: septem miracula Jenae.
— Ein nener Bildermartt jenfelts des Grofen Oceans. Ein in
Pittsburg verftorbener Millionär hat der Stadt fein ganzes Vermögen mit
der Bedingung vermadt, daß eine Bildergalerie angelegt werden foll, und
zwar follen jedes Fahr 200 000 M. für Bemälde moderner Meifter aus-
gegeben werden. Das Programm ift ebenfo forgfältig entworfen wie toft-
fpielig. Eine Jury wird alljdbrlid) Europa bereifen, um Gemalde zu einer
Ausftellung anzuwerben, welhe jedes Jabr im Herbft in Pittsburg ftattfinden
wird. Die erfte Ausftellung wird nod diefes Jahr eröffnet, werden. Es foll
eine Jury gewählt werden, in welder jedes Land, das bei der Ausftellung
beteiligt ift, durch zwei namhafte Rünftler vertreten wird. Nadh Sem Urtheil
diefes internationalen Comités follen, foweit, die Gelder reihen, Ankäufe
Den Rünftleen werden alle ihnen durd
ihren Aufenthalt in Pittsburg erwadfenen Spefen erftattet.
— Runft und Anatomie. An der Münchner Medizinifhen Wochen-
febrift ift ein Arzt graufam mit den Bildern der Dresdener Ausftellung ins
Geriht gegangen. Antonio Chiattone hatte ein Relief „Ruhe ausgeftellt,
von dem der Jünger des Aeskulap zu fagen weiß: „Dem Rinde find in der
rechten Achfelhöhlenwand einige Rippen herausgenommen worden, und der
Bruftbeinausfhnitt hat ih ganz nah links verzogen, mit fhiefem Aufjat
des Halfes." Die „Sufanne im Bade von O. Frigfthe (Dresden) „hat von
der Taille an nad unten männlihe formen — das bekannte und bequeme
Mittel, um X-Beine zu verhüten.‘ — Mer Slevogt's Todtentanz weit nidts
Geringeres auf, als „einen jehief geheilten Oberarmbruh mit Schwund der
Urmmusteln und 40 Prozent Derluft an Arbeitsfähigkeit.‘ „Wer ih für
die richtige und für die falfh wiedergegebene Contur des Darmbeinfammes
bei einfeitig nad vorn gerolltem Bein intereffirt, der fann Dergleihe anftellen
bet den verfihiedenen fchaumgeborenen Géttinnen."
—
PS —— ne I EET ==
Die Organifation der Kunftgewerbe-Mlufeen.
Der Ruftos des Mufeums Schlefifher Wlterthiimer Dr. Hans Seger
bat auf dem Gewerbetage in Gnadenfrei einen Dortrag gehalten, der im
Drut erfcdhienen und vom Sdlefifdhen Central-Gewerbeverein verfandt worden
it. Die Arbeit enthält ein vollftändiges Programm für die Organifation
unferer Runftgewerbe-Mufeen und bietet eine Fülle von beherzigenswerthen
Anregungen, die fih auf die Beobadhtung beftehender Verbhaltniffe ftügen.
Wir geben im folgenden die widtigften Ausführungen des Dortrages:
„Als Aufgabe der Runftgewerbemufeen gilt im allgemeinen die Hebung
der Bewerbethätigkeit dur die Hilfsmittel der Runft und der Wiffenfdafi.
Insbefondere haben fie den Jwet:
J. die Einfiht des Dolfes in den gefhichtlihen Entwidelungsgang der
Runftindufttie zu fördern und veredelnd auf die Befhmadsbildung ein-
zuwirken;
2. den Handwerkern authentifhe Vorbilder zu liefern, wenn es ſich um
Gefhidtlid treue Nahbildung von Erzeugniffen früherer Aulturepochen handelt,
bauptjädhlih aber fie durd eigene Anfhanung und Studium davon zu über-
zeugen, duch Beobadhtung welder Befege in diefer oder jener Heit, in.
diefem oder jenem Zweige der Runftinduftrie Stilgemafes und Schönes ge-
leiftet wurde;
3. durd) Wiederbelebung verlorener oder vernadlaffigter tehnifher Der-
fabrungsarten den Erwerbstreis des Dolfes 3u vergrößern;
4. einen Mittelpunkt zu bilden für die Ausftellung von Erzeugniffen der
modernen Runftinduftrie (Brinfmann).
Zur Erreihung diefes Awedes dient vor allem eine Sammlung von
forgfältig ausgewählten Werken der Aunft und des Kunfthandwerkes in
Originalen und Nadhbildungen, eine wohlgeordnete fachbibliothef und eine
mit diefer in Verbindung ftehende Sammlung von Feihnungen, Ornament-
fihen, Photograpbien u. f. mw. Die Begenftände diefer Sammlungen
find theils Eigentyum der Mufeen, theils denfelben von Hofe und
Staatsanftalten, Gemeinden, Rorporationen oder Privatperfonen leihweife
überlajjen.
Der Schwerpuntt ruht naturgemäß auf der Sammlung der Original-
arbeiten. Schon räumlih beanfpruhen diefe in jedem Mufeum den erjten
Plak, und ebenfo dienen die finanziellen Mittel der Mufeen zum weitaus
größten Theil ihrer Vermehrung und würdigen Aufftellung. Ueber ihre
Auswahl gelten an. dem Königlihen Runftgewerbemufeum in Berlin folgende
Grundfäge: „Die Sammlung des Mufeums hat in erfter Reihe die Bedim-
mung, dem beimifden Runftgewerbe Vorbilder zu geben. Ju diefem Behufe
gilt es, das Dorzüglichfte herbeizufhaffen, was zu irgend weldhen Zeiten, in
irgend welden Ländern auf diefem Gebiete hervorgebradt worden if. Es
wird biebet von der Meberzeugung ausgegangen, daß der einzelne fadh-
gelebrte oder eine Rommiflion von folden nicht berechtigt ift, der lebendigen
Produftion irgend eine beftimmte Gruppe. von formen als die allein mufter-
giltigen aufzudrängen. Das Mufenm bat mit die Aufgabe, Stüde zu
fuden, weldhe der Handwerker unferer Tage [flavife) fopiren fdnnte; es gebt
vielmehr von der Abfiht aus, daß fein Stüd irgend einer früheren Periode
unmittelbar der ettzeit zum Dorbilde dienen könnte, fondern jede von der
Vorzeit” überlieferte form umgearbeitet werden muß, entfpredend den ver-
änderten Brundbeftimmungen der Technik, des Materials und der Gebrands-
beftimmung unferer Zeit. Als direft nahahmbare Vorbilder fönnen hödftens
moderne Erzeugnijfe dienen. Das Mufeum ift aber weit entfernt, auf diefem
Gebiete gedankenlofe Nahbildung oder gar die Aneignung fremder Mufter
befördern zu wollen; es werden von modernen Erzeugniffen Saber nur folde
Stüde angefhafit, welde eine ganz beftimmte Entwidelung der funftgewerb-
lien Thätigfeit bezeihnen, und weldhe anregend auf das heimifhe Runft-
gewerbe wirken lönnen. Vorzugsweife aber richtet fih die Aufmerkjamkeit
auf die Stüde früherer Feit, welhe als das gemeinfame Erbtheil aller
Rulturpölfer einen in feiner Benukung unbejchränften Ausgangspunkt für
moderne Arbeiten bilden. Auf genau demfelben Standpunkt fteht Zuftus
Brinfmann, der Direktor des als Mufteranftalt in Ser ganzen Welt aner-
kannten Hamburgifchen Mufeums für Runft und Gewerbe.
Befondere Beadtung verdient das Verhalten der Mufenmsverwaltungen
gegenüber den Werken der modernen Runftinduftrie. Gn Berlin werden von
modernen europälfhen Arbeiten nur ganz hervorragende, zum Theil äußerft
foftbare Stüde gewählt, da die Erfahrung gelehrt hat, daß alle modernen
Arbeiten, Sie nidt im fi einen erheblihen Werth von fünftlerifher Poll-
endung und forgfältigfter tednifher Durdharbeitung tragen, im furzer Heit
veralten und eines Mufeums unwürdig werden.‘ Gn Hamburg erftreden ih
die Ankäufe vorzugsweife auf funftgewerblidhe Erzeugnijfe früherer Jabr-
hunderte,
Das Kaiferdenfmal in Karlsruhe.
Photographie der Runjtanftalt fiir Architettur und Plajtif von R. Morat,
Rarlerube, Cuijenjtr. 45,
(S. Seite 105.)
114
Selbft fleinere Gewerbemufeen, die dh ohne alle fulturgefdhidtliden
Nebenabfidten rüdhaltlos in den Dienft der lebenden Gnduftrie ibres Bezirkes
ftellen, verfahren nad denfelben Grundfagen. So fließt das Diiffeldorfer
Gewerbemufeum den Ankauf moderner Waaren überhaupt aus; was davon
vorhanden, ift ibm von den Fabrifanten gejhenft worden. Und in čem dies-
jährigen Thätigfeitsberiht des jehr rührigen Nordböhmifhen Bewerbemufeuns
zu Reihenberg wird mitgetheilt, daß es fi bei den budgetmäßigen Anfäufen
natürlih in erfter Linie um Lunftgewerblide Altfahen gehandelt habe, Seren
Gediegenheit nicht dem Wedjel der launifhen Alltagsmode unterliege, fondern
Surh das itbereinftimmende Urtheil von Generationen fanttionict erfdeine.
Uebrigens beruht jedes Mufeum auf befonderen fofalen Dorbedingungen, die
bei der Zufammenftellung und Dermehrung der Sammlungen forgfältig berüd-
fihtigt werden wollen. Unzweifelhaft haben namentlid die Fleineren provinzialen
oder ftädtifchen Nufeen die Aufgabe, diejenigen Bewerbezweige, die in ihrem
Bezirke von Alters her beimifh waren, in irgend erreihbarer Dollftändigkeit
vorzuführen. Eine weitere Pfliht, zu deren augreihender Erfüllung allerdings
nicht geringe Beldmittel gebdren, erwadjt den Mufeen in der Bewahrung des
beimifhen KRunftbefizes vor der Derfchleppung ins Ausland. Leider ift in
diefer Hinficht fihon fo viel verfaumt worden, dah beute nur nod wenig zu
thun übrig bleibt. €s fei nur an die weltberühmte Sammlung des Fretherrn
von Minutoli in Liegnit erinnert, die hauptfidlid in Sdlefien zufammen-
gebracht und überdies im der ausgefprodenen Abfiht angelegt war, das
Kunftgewerbe in allen feinen Zweigen in einer möglihft großen Zahl älterer
muftergiltiger Vorbilder zu veranfhaulihen. Sie it in den fechziger und
fiebziger Jahren an auswärtige Mufeen verkauft oder auf dem Wege der
Auktion zerftreut worden.
Neben diefen fozufagen programmatifhen Befihtspunften wirten aber bei
der Bildung einer Mufenmsfammlung auh eine Anzahl zufälliger Momente
entfcheidend mit, vor allem felbftverftindlid die zu Bebote ftehenden Geld-
mittel und Räumlichkeiten, dann aber aud der etwa vorgefundene Beftand
an älterem Sımmlungsmaterial. Selten liegt derartigen Sammlungen ein
Plan zu Grunde, wie er bei der Anlage moderner Runftgewerbemufeen vor
Augen fhwebt. Diel häufiger haben rein wiflenfhaftlihe oder antiquarifche
Gnterefjen 3u ihrer Bildung beigetragen. Zn folhen Fallen bat die Mufeums-
verwaltung die Pfliht, ihr Programm nad der angedeuteten Richtung hin zu
erweitern und das einmal Begonnene in demfelben Sinne liebevoll weiter
zu pflegen.
Bei der Aufftellung funftgewerbliher Sammlungen berrfcht heute dus
Beftreben vor, die Begenflände, fo weit es h thun läßt, in ihrer urfprüng-
liden Anwendung und Umgebung 3u zeigen und zu diefem Zwede einen
tulturgefdhidtliden Fufammenbang berzuftellen.
Die Sammlung von Bipsabgüffen und galvanoplaftifdhen Ropicen halt
fid in den meijten Mufeen in befheidenen Grenzen. Man fagt fid, daf der
Erwerb guter Originale von Jahr zu Jahr jhwieriger und Poftfpieliger wird,
Einladung des Dereins für hiftorifche Kunft.
Die Verbindung für biftorifhe Runft verfolgt das Jiel, hervorragende
Gemälde, namentlid Bilder gefhihtlihen und idealen Inhalts, durd Beitellung
auf einzuliefernde Skizzen oder durch direkten Ankauf zu erwerben. Fu diefem
Swed halt fie alle zwei jahre eine Derfammlung ab, in welder über die
Erwerbungen entjihieden wird. Die Riinftler, insbefondere diejenigen des
biftorifthen Fades, werden erfudt, sur nddjten Hauptverfammlung der Ver-
bindung, welde im Juni ISIS zu Münden ftattfinden foll, neuere Gemälde
oder Entwürfe zu folden eingufenden. Bisher wurden 62 Gemälde 2c. im
Gefammtbetrage von 520 250 Mark erworben.
Befonders erwünfcht wird es der Verbindung fein, ein Bildniß Seiner
Majeftät des Königs Albert von Sahfen als Feldherr im franzöfifhen Kriege
und ein foldes des Altreihsfanzlers fiirften von Bismard in einem be-
deutenden Momente feiner Wirkjamkeit zu erlangen.
Die Sendungen find an den Dorftand des Runftvereins zu Münden zu
thbten mit dem äußeren Dermer? „Derbindung für hiftorifhe Runt" und mifen
fpäteftens bie zum l. Juni dort anfommen,. fertige Gemälde können auch auf
die im nädften Jabre in Münden Anfang Juni zu eröffnende Runftans-
ftellung gejandt werden, für die an den Kunftverein gehenden Sendungen
übernimmt die Verbindung die Roften des Hin- und Nüdtransportes mit
Ausnahme der Sendungen als Eilgut oder mit der Poft und unter der ans-
drüdliben Bedingung, daß Nahnahme für Spefen 2c, nicht erhoben wird.
Deutfde Runft.
während man in Bezug auf Nahbildungen etwa Derfäuntes jederzeit nad-
holen tann.
Die Bibliothe? nebft der Sammlung von Dorlageblättern bildet in allen
Runftgewerbemufeen einen wichtigen Derwaltungszweig. Während die eigent-
lihe Bibliothek in erfter Linie der Verwaltung die literarifchen Hilfsmittel für
die Vermehrung und Ordnung der Sammlungen zu liefern hat, dient die
Sammlung von Vorlageblattern unmittelbar der Benutung des Publifums,
namentlich der Gewerbetreibenden. Die Benugung flebt den Befudern opne
Weiteres frei, und Auffdriften auf den Rajten forgen für eine rafde
Orientirung. Diefe Art von Sammlungen haben ih gut bewährt und finden,
befonders wenn fle and Abends zugänglih find, bei den Feidnern und
onduftriellen großen Anklang.
Die bisher befprodenen Sammlungen bilden gewiffermafen den eifernen
Beftand der Runftgewerbemufeen. Daneben bieten diefe jedod) and Gelegenheit
zu wechfelnden Ausftellungen verjciedenartiger Yatur. Hierher gehört zu-
nädhft die Ausftellung von Werken der einheimifhen Runftinduftrie, ala deren
Hwed die Erleichterung eines unmittelbaren Verkehrs der für die Werkftatt
zeihnenden und mobdellirenden Riinftler, der Gewerbetreibenden und der
Ronfumenten untereinander bezeichnet wird. Dagegen verfolgen die Seitens
der Mufeen von Feit 3u Zeit veranftalteten Fachausftellungen mebr den Jwet
der Belehrung über den Stand irgend einer Technik oder eines zu befonderer
Blüthe gelangten Gnduftriesweiges. Hier ift Gelegenheit, die im Privatbeiit
befindlihen ARunftfhäte der Oeffentlidfeit zugänglih zu maden, hier fönnen
aud die Fortfehritte der modernen, ingbefondere der fremden Runftinduftrie
in weiterem Umfange vor Augen geführt werden. Don einigen Mufeen, die
fih als Mittelpunfte ausgedehnter Znöuftriebezirfe betrachten, werden inner-
halb diefes Bezirkes im Einvernehmen mit den Rommunen und Gewerbe-
vereinen zeitweilig filial- oder Wanderaugftellungen veranftaltet oder die
Lofalansftellungen dur Betheiligung des Mufeums unterftügt. Außerdem
werden Mufeumsftüde, deren Benugung gewünfcht wird, direft an Lepr-
anftalten, Riinftler und fabrifanten ausgeliehen. Einzelne Mufeen geben
hierbei in der Liberalitét auferordentlidh weit, indem fie darauf fugen, dağ
die Sammlungsgegenftände ja dazu da wären, um benußt zu werden, und
daß fie nur ihren Zwed erfüllt haben, wenn fie dabei allmälig abgenugt werden.
Endlih dient zur vollftändigen Erfüllung der Aufgaben eines Runft-
gewerbemufeums die mündliche Belehrung durch Vorträge und die wifen-
fhaftlihe Erforfhung und Darftellung des heimifhen Kunftgewerbes. Neben
den Dorträgen empfehlen fih planmäßig mit Erläuterungen verbundene
‚Führungen Surh die Sammlungen des Mufeums.
fügen wir nod) die Auefihreibung von Ronfurrenzen und die Ertheilung
von Preifen für berporragende funftgewerblide Leiftungen hinzu, fo haben
wir damit das Programm der Aunftgewerbemufeen in feinen Brundzügen
erfhöpft. Eine darüber hinausgehende direfte Einflußnahme auf die
fhöpferifhe Thätigfeit der modernen Runftinduftrie wird zwar bier und da
verlangt, fößt aber bei erfahrenen Ffahmännern auf ernftlihe Bedenken.
Bei jeder Einfendung ift außer der genauen WAdreffe des Urbhebers der
Preis und bei Dorlage von Entwürfen nod außerdem anzugeben, in welder
Bröße der Rünftler diefelben auszuführen wiinfdt.
Die den Gemälden beizugebenden bezw. feiner Zeit zu befhaffenden
Rahmen dürfen feine Studverzierungen erhalten und müfjen möglidft leit
und einfach fein.
Dorherige genaue Anmeldung der Bemälde und Entwürfe bei dem Shrift-
führer der Derbindung, Heren A. Klee, Sekretär der Röniglihen National-
Galerie 3u Berlin C, ift erforderlich.
Falls der Rünftler die Derfiherung der eingefandten Bilder oder Skizzen
gegen Fenersgefahr wiinfdt, ift die Höhe des DVerjiherungsbetrages dem
Runftverein in Münden mitzutheilen.
Berlin, im November 1897. s
Der Dorftand der Verbindung für htftorifhe Runft.
Berlin, — Der Raifer empfing im Scloffe die Bildhauer Ludwig
Cauer und Eugen Börmel und befidtigte die von ihnen gefhafjenen
Skizzen fiir die Siegesallee. Herr Lauer hat das Standbild des Curem-
burgers Raifer Rarl’s IV. darzuftellen. Dem Raifer find als Ylebenfiguren
der Erzbifhof von Magdeburg, Dietrih Portik, genannt Ragelwitt, und
Claus v, Bismard, Hauptmann bes Erzftifts Magdeburg und marlgraflider
Hofmeifter, beigegeben. Eugen Börmel hat das Standbild Raifer Sigismund's
auszuführen. Sigismund ift mit dem reichverzierten Lendner angetban, über
welchem der vorn offene Mantel berabfällt.. Den Kopf mit dem zweigetbeilten
— _ o oun
a en nn
Deutfde Runſt.
115
Barte und dem lodig herabfließenden Haar bededt der Helm mit einer Meinen
Rönigsfrone. Mit der Rechten ftiigt fid Sigismund auf das breite Schwert.
Die Büften ftellen den tapferen Landeshauptmann Lippold v. Bredow in
Rittertradht und den Berliner Bürgermeifter Bernd Ryle dar. Die Befammt-
anlage zeigt den Charakter der Friihgothit.
Aud im Arlegsminifterium beginnt man fih für fünftlerifhen Schmud
zu interefiren. Der große Minifterfaal ift im Laufe diefes Jahres einer um-
faffenden Erneuerung unterzogen worden und bei diefer Gelegenheit hat man
fih eine feltfame Rolleftion angelegt. Sie befteht in einer 26 Nummern um-
faffenden Portraitgalerie, die die Bildniffe der preußifchen Ariegsminifter,
vom General v. Ratte, der unter Ftiedrih dem Grofen amtirte, bis zum
General Bronfart von Schellendorf umfaßt und u. A. aud) die Portraits
v. Scharnhorft's, v. Pfuel's, v. Boyen’s, v. Roon's aufweif. Die Bildniffe,
um deren Zufammenftellung fic) der erfte WAdjutant des Minifters v. Gofler,
Graf Brühl, verdient gemadt, beftehen meift aus Lithographieen und Photo-
graphieen, die von dem Portraitmaler Morig Pathe funftvoll iibermalt find.
Aus der Feit des vorigen Jahrhunderts lagen Meine Pajftellbilder vor, die
erft photographirt und vergrößert werden mußten, um mit den anderen Bildern
in Uebereinftimmung gebraht zu werden. Sämmtlihe Bilder, die außerdem
die Wappen der Minifter aufweifen, find von eihengefchnigten und vergoldeten
Rahmen umgeben und in das die Wände des Saules befleidende Eichenholz-
paneel eingelafjen.
Können wit an diefer Ruhmesgalerie nun auch vom fünftlerifhen Stand-
punft aus nichts bejonders Rühmenswerthes finden, fo ift mit um fo größerer
Anerkennung zu erwähnen, daß das Schlüterdentmal in der Dorhalle des
alten Mufeums nunmehr nah 25 Jahren endgiltig fertiggeftellt ift. Das den
übrigen Standbildern entfprehende Poftament aus grauem Marmor bat in
der Oftabtheilung der Halle feinen Plag gefunden, fo daß Schlüter un-
mittelbar neben dem von Karl Begas ausgeführten Stindbilde des Architekten
®. W. v. Anobelsdorff Reben wird. Die Fußplatte des Dentmals trägt die
einfache Auffhrift „Andreas Schlüter, obfhon der geniale Bildhauer bei
Aufftellung des Rurfiirftendenfmals im Jahre 1703 alsbald nachher geadelt
wurde. Das Standbild aus weißem Marmor ftellt den Rünftler, der durch
Plan und Meifel als Arditeft und Bildhauer harakterifirt ift, in der Tract
feiner Zeit dar, die im Ganzen einfa) gehalten wurde. Der Blof, aus dem
die Figur mit grofer Mühe berausgemeißelt wurde, ift derfelbe, der fhon
vor 25 Jahren durh Profeffor Wredow befhafft wurde, der indeffen in zehn
Jahren nit über das Modell hinausfam. Heute fann man fih freuen, daf
feine Arbeit niht vollendet wurde, Senn er ftellte den Riinftler in dem
Augenblit dar, da er bei feinem Abfhied von Berlin im Dorbeigehen dem
Sdhloffe den letzten Scheidegruß zufandte. Diefer Augenblid war fiher der
unglüdlihfte in dem ganzen Leben Schlüter's und darum zur Derewigung in
Marmor fiher der ungeeignetfte.
Nürnberg. — Das Germanifdhe Nationalmufeum in Nürnberg
erwarb in jüngfter Zeit ein Denfmal, das durch feine Schidfale, wie durch
feine Seltenheit und Schönheit eine werthoslle Bereiherung der großartigen
feramifhen Sammlungen der Anftalt bildet. — Es If dies eine ganz in
bantglafirtem Thon ausgeführte Gedenttafel eines Ruppredt Heller, von 1554.
— Die familie Heller, deren Wappen oben im Giebel des Denkmals an=
gebradt ift, blühte im 16. und 17. Jahrhundert in der Gegend von Waffer-
burg (Ober-Bayern), und das vorliegende Werk dürfte in einer Rirhe diefer
Stadt oder der Umgegend angebradht gemefen fein. — Die Erwerbung ift
um fo mehr zu begrüßen, als damit ein faft als Unifum zu bezeihnendes
Stüd deutfher Runft, das bereits vor langer Feit ins Ausland gewandert
war, in der Heimath nun wieder einen würdigen und dauernden Aufftellungs-
plag gefunden hat. Die Gedenktafel erinnert in ihrer form — diejenige der
Aedicula — lebhaft an italienifhe Tabernafel, wie denn aud die in
Deutfhpland für figürlihe plaftifhe Werte — wenn niht die Oefen hierher
gerechnet werden — äußert feltene Verwendung von buntglafictem Thon
unwillfürlihd auf die Blithe italienifher Thonplaftif, die Werke der Familie
della Robbia in Mittelitalien, binweift. Diefer Hinweis liegt um fo näher,
als aud) Urt und Farben der Blafur die gleihen find. Die von dem mit
gefhmadvollem leihten Rankenornament gezierten arditeftonifhen Rahmen
umgebene Darftellung der Mitteltafel bildet das in flahem Relief gearbeitete
Dreifaltigfeitsbild. Die Rompofition ift angelehnt oder vielleiht nur mittelbar
beeinflußt von Dürer’s Bearbeitungen desfelben Gegenftandes im Wiener
Allerheiligenbild und in dem großen Holzfhnitte von 1511. Gerade die derb
naturaliftifhe Auffaffung der figuren, die das kräftige ftarffinodhige Befhledht der
Altbayern, in deen Bauen dle Arbeit entftand, harakterififch wiederfpiegeln,
und die hohe Farbenfreudigkeit — cbenfalls, wie die gleichzeitige Holzplaftik
beweift, ein hervorragender Zug der buyerifhen Runft — maden das
Monument im Derein mit der guten Ausführung und im Ganzen aus-
gezeichneter Erhaltung zu einem befonderen Shmud der Sammlungen des
Bermanifhen Yationalmufeums.
Dresden. — Die nationale deutfhe Kunt- und Runft-
Bewerbe - Ausftellung 3u Dresden 1899 wird dod ftattfinden, trok
der zum Theil berechtigten Bedenken, die auf dem legten Delegirtentage der
deutfhen Runftgewerbe-Dereine 3u Berlin geltend gemadt wurden. Wenn
Actien-Gesellschaft
vormals
— 8— —
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116
jedod diefe WAusftellung in funftgewerblider Hinfidt durch die Vorbereitungen
für Paris (1900), die dann gerade Rünftler und Werkftätten in Anfprud
nehmen werden, vielleicht ein wenig enttäufhen wird, fo fann fie in Bezug
auf Malerei, Bildhauerei, dekorative, reproduktive und graphifhe Riinfte jehr
Namentlih wird fid bier für die
Gelegenheit
Daran werden and
die Streitigkeiten im eigenen Haufe nichte ändern, die fhon in der erften
gut eine Generalprobe fiir Paris werden.
modernen Kräfte Ylorddentfhlands eine willfommene
einmal ein umfaffendes Bild ihres Aönnens zu geben.
vorbereitenden Sitgung zu Tage traten.
Mes. — Der Beridt des Runftvereing für das Vereinsjabr IS96 male
bis 1897 weift leider einen Riidgang der Mitgliederzahl auf.
Gm Laufe des Jahres find
beigetreten: 30 Mitglieder; macht zufammen 529; dagegen find ausgetreten 65,
Ausgeftellt waren in diefem Fabre
Stulpturwerl (die Ambroife Thomasbiifte),
5 Glashildwerle, | Runftgewerbegegenftand, 311 Oelgemalde, 60 Aquarellen,
Don den Öelbildern verdienten befondere Beadhtung die
von Profeffor Wenglein in Münden, Profeflor Neumann in Raffel, Auguft
Wolf in Denedig, Gabriel Mar, Braun's Reiterangriff, Bruner's ,,Jodyll",
Barnelo's „Des Columbus Landung in Amerika", Simm's „Aaifer Wilhelms I.
Tod“; ferner die Kollektionen der Bilder von Oenide, Dettmann, Letftifow,
Hendrid, Bradt; v. Preufhen und die Aquarelle von Bird.
wurden: a) von der Stadt Mek: 2 Bilder zum Preife von 4000 Mart;
(im Preife von
b) 7 Aquarelle;
c) 3 Runft-Pradtwerke; d) 2 Kunftblätter (alfo im Ganzen 23 Gewinne
vember 1896 zählte der Derein 299 Mitglieder.
fo daß jekt verblieben: 266 Mitglieder.
598 Runftwerfe, nämlih: |
20 Radirungen.
b) von Privaten: 15 Oel- und
2000 Marf).
7 Aquarellgemalde
Hur Verloofung famen: a) I] Gelbilder;
im Gefammtpreife von 1000 21.)
Speier. — Die
Runftvereins ergab
gegenwärtige Stand 1094 gegen 940 des Dorjabres
beträgt. Diefe erfreulihe Thatfahe ift das Ergebniß der
tegen und umfidhtigen Bemühungen der neuen Dorftand-
[haft, an deren Spike Oberamtsrichter Riffel fteht. Der
Rehnungsabfehluß weift in Einnahme und Ausgabe 13112 Mi.
71 Pfg. auf. Zur Derloofung gelangten 56 Oelgemälde,
zumeift werthvolle Runftwerfe. Unter den Mittheilungen
des Dorfigenden dürfte die Ernennung Seiner Eprzellenz
von Auer, früher in der Pfalz und jest in Oberbayern
Regierungspräjident, zum Ehrenmitgliede des Vereins von
Ontereffe fein.
Hildesheim. — Zn der legten Hauptverfammlung
Ses Wufeumsvereing erftattete der Tireftor des
Mujeums, Profeffor Andreae, Beriht über den Beftand
und die Thätigkeit des Vereins. Die Mitgliederzahl beträgt
zur Feit 566. Der Befuh des Mufeums war im Sommer
wegen der Umbauten nur fwad, doh hob er ih im
Herbjt wieder. Die Finanzlage ift noh immer feine gute,
wird fid) aber nunmehr befjern, nachdem der legte der
Roemer'fhen Befhwifter, Adminiftrator Ed. Roemer, firs,
lid verfchieden ift und dem Mufeum 170000 Mart tefta-
mentarifd vermadt hat. And die Mugniefung des zu
107 000 Mark verkauften Roemer'fhen Parkes ift jekt ein-
getreten. Das Landesdireftorium bat eine Beihilfe von
500 Mark gewährt. Die Mufeumsbibliothet hat einen
bedeutenden Auffhwunggenommen. Nahezu alle Sammlungs»
zweige haben durd Meinere Belegenheitsfäufe und dur
Geſchenke Zuwachs erhalten.
Breslau. — DerSclefifhe Runftverein hatnac dem
in der ordentlihen Beneralfammlung erftatteten Bericht einen
Rüdgang der Mitgliederzahl zu verzeichnen. Nadhdem die vorige
Periode mit 694 Mitgliedern mit 750 Antheilfcheinen gefchloffen
hatte, ward bas nene Etatsjahr mit nur 647 Mitgliedern
mit 701 Antheilfeinen eröffnet. Hinzu tamen im Laufe
des Jahres 70 Mitglieder mit 70 Antheilfcheinen, aus-
getreten find 60 Mitglieder mit 62 Antheilfdeinen, fo
daß aus diejer Etatszeit 657 Mitglieder mit 709 Antheil-
Gencralverfammlung des
einen bedeutenden Mitgliederzumads,
Pfälzifhen
Deutfdhe Runf. 2
feinen vorhanden find.
on den in Gemein-
fhaft mit dem Runft-
händler Lichtenberg
unterhaltenen Aus»
ftellungen wurden in
diefer Periode 3100
Bilder zur Schau ge-
bradt. Gn diefer Etats-
periode tft zum erften-
fein Prämien:
blatt ausgegeben, fon-
dern fhon im erften
Jahre eine Derloofung
abgehalten worden, in
welder 27 Oelbilder
und Aquarellen, 45
Stige, Radirungen
und Pradtwerfe zur
Derloofung Pamen.
bieten,
Jm No-
diefer Etatsperiode 50
Oelbilder, 4 Aquarelle
im Preife von 11 856
Mark. Der Aufwand
für Runftwerfe insge-
fammt betrug 15 405,70
Mart. Hiervon ent-
fallen auf einheimiſche
Rünftler 5440 M., auf
auswärtige 2570 M.
Angekauft
indem der
Zwei grosse Prachtgemälde.
1) ein velpouiide von Vaczlew Brozik:
„Ein Fest bei P. P. Rubens“ mit 44 Por-
traitfiguren.
Lichtgrösse:
4,17 Meter breit;
2) ein Oelgemälde von Prof. Peter
Janssen: „Die Kindheit des Bacchus‘*.
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BEF- Erscheint jährlich 28 med und bringt eine regel-
massige, vollstundige Uebersicht all-r wichtigeren neuen
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aufmerksam macht. was fur thn irgendwie von Inter-
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steller und Gelchrte werden die neuen litterarischen Er-
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Unterhaltungsbriträge, Plaudereien, Novellen, Humoresken
Proben neuerer Lyrik, Notizen über Theater, Kunst etc.
Die Träger der hekanntesten Namen zühlen zu den
Jlitarheitern der „Litterarischen Rundschau“; sie
begnüyt sich aber nicht allein mit den Arbeiten dieser,
ist vielmehr stets bestrebt, noch unbekannte, junge, auf-
strebende Talente zu unterstützen und durch Proben
thres Konnens die allgenıeine Aufmerksanıkeit auf ihr
Schaffen tu lenken. I
Der „Briefkasten“ giebt Auskunft über Fragen auf
litterarischem und künstlerischem Gebiete, Verleger-
und Litteratur - Nachweise etc. wg 2 SNIISSS
Um der „Litterarischen Rundschau“ eine allgemeine
Verbreitung zu sichern, ist der Abonnementspreis ausser-
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Alle Buchhandlungen sowie alle Postanstalten (Post -
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Das soeben beendete I. Semester
IE enihielt Beiträge von: “PG
Rud. Baumbach — Fritz Brentano — Felir Dahn
— Marie v. Ebner-Eschenbach — Nathaly ve. Esch:
struth — Ludw. Jacohowski — Ad. Kohut — John
Henry Mackay — Conr. Ferd. Meyer — Peter Nansen
— Elise Polko — Ferd. v, Saar — Heinr. Seidel —
Tanera — Konr. Telmann — E. v. Wildenbruch — etc.
Das jetzt beginnende II. Semester
bringt Beiträge von: G
Arthur Achleitner — Georg Ebers — Osc. Blumenthal
— Gust. Falke — IH. Ilriverg — Paul Heyse —
Ludw. Jacohowshi — Wilh. Jordan — Det. von
Lilieneron — Maria Janitschek — Peter Rosegger —
Joh. Schlaf — Aug. Strindherg — F. e. Zobeltitz — u. A.
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Deutfhe Runf. 117
& Vom Kunff- unt == Bay DD, *
x =œ Kunffgemerhemarke.
Noch einmal die Hochzeits-Medaille.
Aus dem Aultus-Minifterium gebt ung die folgende Mittheilung zu:
„Dem amtlihen Preisausfchreiben für den Entwurf einer Hod-
zeits-Medaille oder Plakette liegt die Abfiht zu Brunde, die ein-
beimifhe Medailleurfunft zu fördern und Surd Stellung einer Auf-
gabe, weldhe dus Gnterefje weiter Areife zu erregen geeignet erfcheint,
die Aufmerkjamkeit der Rünftler fowie die Theilnahme des Publitums
einem Runftzweige zuzumwenden, der in Deutjchland in früheren Zeiten
mehr als jetzt gepflegt und im Dolfe beliebt war.
Nadh Inhalt des Preisausfchreibens beabfihtigt der Aultusminifter,
für einen oder mehrere preisgefrönte Entwürfe den zur Ausführung
der Medaille erforderlichen Prägeftempel herftellen zu laffen. Es
wird dadurd den Privatleuten Gelegenheit gegeben werden, nad
Dereinbarung mit dem Rünftler Eremplare der Medaille oder Plakette
3u mäßigem Preife zu erwerben und mit der in jedem falle befonders
einzugrapirenden Infhrift bei Hochzeiten als Bejhent für die Ehe-
leute oder als Erinnerungsgabe für deren Angehörigen zu verwenden.
Eine amtlid,e Derleibung der Medaille ift nicht in Ausfiht genommen."
Die Tageszeitungen hatten es fid nicht verfagen können, den Erlaß des
Pree'sausfhreibens mit jherzhaften Gloffen zu begleiten. Eine genauere
Cinfidt des Schriftftüdes hatte fie davon überzeugen fönnen, daß es fih
nit um eine zu verleihende Medaille, fondern um eine Erinnerungsplafette
handelte, die das Bedädtnig an die Begründung der Familie bei den näher
Betheiligten zu erhalten beftimmt ift. Was uns fo feltfam erfheint, it in
Sranfreih längt Sitte. Berade in legter Zeit ik eine pradtige Hodseits-
Medaille von Roty veröffentlicht worden. „Die Dorderfeite zeigt im idyllifcher
Landfhaft ein junges Paar; der Jüngling fikt dem halbverfchleierten
Mädchen gegenüber und hat ihre Hand erfaßt, an die er den Ring zu fteden
im Begriff ftebt. Sein Auge ift zum Himmel erhoben, als ob er Bott zum
Heugen für den Ernft der Handlung antiefe. Fm Abfchnitt darunter fteht
das fdlidte, aber vielfagende Wott: SEMPER. Die Haltung und Be
wegung der beiden im zarteften Relief gehaltenen Figuren, namentlid die
fprechende Geberde der Hände ift von einer Anmuth, der man nur nod die
Runftwerfe der griehifhen Dafenmalerei an die Seite ftellen fann. Die
ideale Gewandung fibeint trok des Meinen Mafftabs der Figuren bis in's
Detail nad dem Modell ftudirt. Weniger bedeutend erfcheint die Niüdjeite,
die eine Statue des Amor in einer Parklandfihaft darftellt." Das reizende
Wer? findet fih abgebildet in der neuen Jeitfrift „Gazette numismatique
française“ von Mazerolle in der zweiten Lieferung Tafel XIV Nr. 68.
Dielleiht ift es anh hieran der Zeit, an das tief empfundene Dotivbild von
Meldhtor Lechter 3u erinnern, das vor. Jabresfrift im Burlittfhen Salon in
Berlin ausgeftellt war. „Aus blumigem Rafen wadfen innig aneinander
gefhmiegt Zwillingsbäume empor, durch einen rubingefhmüdten Boldreif
verbunden, ihre Rronen zu dichtem Zweiggewirr vereinend. An ihrem Fuße
fteht ein junges Menfchenpaar im mittelalterlihen fefigewande und blidt
mit feft verfhlungenen Händen zu den Wipfeln empor. Durd die Baum-
frone fdlingt fid) ein Schriftband mit den Worten: „Auf dem Baume der
Zukunft bauen wir unfer Neft und am unteren Rande des Bildes lieft man:
„richt nur fort follft Du Dih pflanzen, fondern hinauf. Dazu belfe Dir
der Garten der Ebel“ Das it Symbolit, aber leicht verftändlihe, wie fie
jeder Riinftler braucht, der mebr 3u fagen bat, als die Natur ihm in Dulgar-
fpradhe vorfliiftert. Cine ähnlide Symbolit würde nah unferer Meinung
den Gntentionen des Rultusminifteriums am na&dften fommen und in fiinft-
lerifcher form dem Erinnerungszwed genügen.
Die Derfteigerung der Sammlung Douglas.
Die von uns bereits erwähnte Auktion der Douglas’fhen Blasgemälde
bei 5. M. Geberle in Köln ergab mit ihren 59 Nummern im Ganzen
223 000 Mark. Don den Figurenfenftern, deren Rartons Hans Holbein ð. J.
gezeihnet hat, ging die aus drei Nummern beftebende große Rreuzigungs-
gruppe für 29800 Mark in das Cigenthum des Mufeums zu Bafel über.
Dasfelbe Gnftitut faufte eine Mater Dolorosa zu 5100 Mark, ferner das
JSenfter mit dem hl. Wolfgang zu 7900 Mark, Chriftus als Schmerzensmann
3u 4600 Mark, den hl. Chriftophorus zu 6500 Mart. Don diefer Holbein-
Gruppe ging eine Madonna für 7050 Mar? an eine Kölner Antiquitäten-
handlung und ein dreitheiliges Dotivfenfter fam fiir J9S00 Mar? an das
Rdlner Runftgewerbemufeum (in Runftltebbaberfreifen war dafür gefammelt
worden). Don der zweiten Abtheilung: Sigurenfenfter nad Rartons von
Hans Baldung Grien gingen die meiften Nummern an die Mufeen zu Bafel,
Berlin und das Bermanifhe Mufenm in Nürnberg. Die Preife ftellten fi
auf 3000 bis 14400 Mark. Lebieren Preis erzielte die Figur des bl. Georg,
den das Agl. Mufeum in Berlin erwarb. Eine Mater Dolorosa erwarb
Prof. Rofenberg in Rarlsrube fiir 12 000 Mark. Derfelbe kaufte auh eine
Scheibe mit Johannes dem Täufer für S400 und ein Ecce Homo für
6300 Mart. Das Mufeum in Bafel erwarb aus diefer Gruppe den
bl. Gebhard fiir 8000 Mark, das Rel. Mafeum in Berlin noh weiter die
bl. Helena fiir 6100, den bl. Ludwig für 8000, die bl. Barbara fiir 6000 und
den bl. Apoftel Jacobus d. Aelt. für 3850 Mark; die Stadt Freiburg erwarb
den bl. Hieronymus für 5550 Mark, Hauptmann Roth in Berlin die
pl. Elifabeth für 7100 Mart. Don der dritten Abtheilung: Schweizerfheiben zc.
fam eine runde Solothurner Stiftsfheibe von Thomann Hafner, im Durd-
meffer von 38 cm, fiir 3750 Marf an das Mufeum in Solothurn. Die
vorgenannten Fenfter hatten eine Höhe von 144 cm bei ca. 53 cm Breite.
Die übrigen Nummern blieben unter einem Preife von 5000 Marf.
— Die Runfthandlung von M. Boldfhmidt & To. in frankfurt
a Main, die feit Jahren fhon erlefene Schäte auf den Berliner Markt
entfendet, hat zum erften Male eine öffentlihe Ausftellung (im Haufe Unter
den Linden 16) veranftaltet, die hauptfählih Bilder franzöfifher Maler und
befonders folhe von Meiftern aus dem zweiten Drittel unferes Jahrhunderte
enthält. Berühmte Namen von beftem Rlange, wie Corot, Daubigny, Gules
Dupré, Diaz, fromentin, begegnen uns; daneben Gfabey, Siem, Charles
Jacque Ser Chiermaler von Fontainebleau, und fein aud) fdhon verftorbener
deutfcher Nachfolger, der ,,Schafmaler’ Brendel. Unter den franzdfifden
Gemälden find befonders hervorragende: Berne = Bellecours Geftalt eines
franzöfifhen Dragoners. Eine Landfihaft von Daubigny „Um Ufer der Bife*,
eine in Daubigny's Weife gemalte „Landfhaft zur Erntezeit von Corot;
eine jhöne Waldlandfhaft vom verftorbenen Diaz. Das Bild einer falten-
jagd von fromentin. Zwei Landfhaften mit Rindern und Hüterinnen von
Julien Dupré. Ein paar Skizzen des alten Ffabey, Seeftiide mit Staffage
Don Wepraffat ein Bild „Heuernte in Frankreich“. Ein Gentebild aus dem
Parifer Straßenleben von de Schrywer: Szene in den Champs Elpfées mit
weibliden Geftalten. Zwei Beflügelbilder „Hühner und „Hübhnerftall" von
Jaque. Ein in der Farbengebung und Durchführung ganz eminentes
Bild eines altfranzöfifhen Mousquetaires aus der Zeit Ludwigs XIII.
- von Roybet.
— Roftbare Budbinderarbeit. wird von Sammlern in England
und frantreih mehr gefhätt als werthvoller Buchinhalt oder foftbare Aus-
gaben. Bei Sotheby in London wurde in diefen Tagen eine Sammlung
Bücher von 110 Nummern, die, abgefehen von den Einbanddeden, feinen be-
fonderen Werth befaßen, für einen Gefammtbetrag von 1900 L., alfo durd-
fhnittlih zu 17 £., verfteigert. Den hödften Preis, 60 £., erzielte ein Seneca
von J580. Ein anderer Band mit dem franzöfifchen Rönigswappen auf der
Einbanddede und filbervergoldeten Edenverzierungen ging für 58 £. und ein
ganz prädtiger Band, die Erpofitiones des bl. Hieronymus, mit dem Wappen
des Papftes Paul IV. auf dem Dedel, umgeben von geometrifhen figuren-
verzierungen und Blumen und mit reihen Silberbefhlägen und Rrampen
fand für 49 £L. Käufer. Jn Deutfhland fdentt man in Privatfreifen der
alten Buchbinderarbeit noch immer nicht genügende Aufmerkfamteit.
118
— Ein Aruzifir im Werthe von 200000 Lire beabfidtigen einige
fatholifhe Gemeinden in Amerifa dem Papft Leo XII. als Weihnadts-
gefchent zu überfenden. Diejes Aruzifig ift ein Meifterwerf der Goldarbeiter-
funft. Das Krenz ift fehs Zoll lang, aus mafjivem Bold und mit neunzig
Diamanten vom reinften Wafler verziert. Dierzig diefer Steine, von denen
jeder 21/, Karat wiegt, find dicht über einander in die Mitte des Kreuzes ge-
fert, während 49 Meinere Diamanten die vier Enden fhmüden.
— Der moderne deforative Stilder Zimmerbelendhtung hat ih
an der Hand der neuen ihm geftellten Aufgaben wohl oder übel von den
überfonmenden formen losfagen müſſen. früher
durd das Baffin fiir Bel und Petroleum oder
durch die Basröhre beftimmt, ift er jet darauf
angewiefen, fid) mit einem Lidhtfpender abzu-
finden, der des teftonifden Trägers oder der
fiytbaren Leitung niht mehr bedarf. Die
eleftrifhe Blühlampe ift etwas Unförperlides,
das Alles Surdftrablt, obne feine Araftquelle
zu verrathen. Ein von innen beraus leud-
tender Blumenfeld erfcheint niht als uns
natürlihe Lidthiille, fondern als miibelos felbft=
leudbtender Organismus, der eine an fi freie
Staffage belidlet. Das Verhaltnif von Trag-
fraft und Laft ift auf den modernen Rande-
laber nit anwendbar. Unmuthige befleidsete und
unbefleidcte figurinen von Eberlein tauden aus
Deutſche Run ft.
binter ibnen aufragenden Rofengewinden auf, oder heben fih fchambaft 3u-
fammengefdmiegt als badende Mympbhen von gerade auffdhiefenden Waffer-
blumen ab. Ublmann's weiblide Zdealfigur fhwingt mit zierlih gehobenem
Arm einen Difelzweig, aus deflen Anofpen das Liht auf fie berabftrablt.
Alles erfheint leichter und freier, nicht mehr an die Bafls gefeflelt, fondern
freifhwebend. Die Bronzemontirtungen auf Marmorjodel von 5. Blabden-
bed zeichnen fic durch überaus gefhmadvolles Arrangement aus. Gn
mäßiger Bröße von 0,31—1,00 Meter gehalten, bilden fie einen anmuthigen
Himmerfhmud, der dur die verwendeten Modelle anerfannter Rünftler einen
befonderen Reiz erhält.
Selbftverftändlih verlangen die unten abgebildeten
Randelaber einen Hintergrund, da fie für die
Rüdanfiht nicht berechnet find und die Be-
leuchtungsförper felbft ih aus den Blumen-
felhen nad vorne meigen. Die Biegung
der Zweige, das Aufftreben und Hängen der
Bliithen ift durhaus naturaliftifh gegeben.
Wünfchenswerth wäre bei den beiden Fleineren
Randelabern nur eine andere Behandlung
des Sodels. Die Pflanzenjhäfte jheinen wie
fünftlih in den Boden geftedt, ftatt organic
aus ibm berauszuwadjen. Befonders die
Eberlein’ihe Pfyvhe müßte auf einer natür-
lihen Erdfdolle, nidt auf einer gleihmäßig
getundeten Plinthe ftehen, da fie bier als
badendes Mädchen erjceint, von Wafer-
pflanzen umgeben.
Pivche von Eberlein, Kandelaberfigur von Uhlmann, Blumenmädchen von Eberlein als Beleuchtungsfsrper
für cleftrijhes Siht montirt.
Uftiengefellfdhaft vormals H. Gladenbed u. Zohn, friedridebagen bei Berlin.
Deutfhe Rung. 119
Preisbewerbungen.
— für den Wettbewerb zur Erweiterung des Rathbaufes zu
Börlig waren 15 Entwürfe eingegangen. Den I. Preis erhielt der mit dem
Rennworte „Anno dazumal' bezeichnete Entwurf der Arditetten Shaupp-
meyer und Helbig in Bonn; den II. Preis der mit dem Kennwort Spring”
inklee“ bezeichnete Entwurf der Arditeften Reinhardt und Sifengut in
Charlottenburg; den III. Preis der mit dem Rennworte „Befchloffene Baugruppe"
bezeihnete Entwurf von Bauinjpeftor Schröder in Friedridsberg und Ar-
hiteft Arü ger in Wilmersdorf. Als I. Preis waren 4000, als II. 2500,
als III. 1500 Mark ausgefert.
— Die von Herrn Arkitett Erter in Münhen ausgefdriebene Kon-
furrenz für Entwürfe zu familienhäufern bat nidt nur durd die
überaus zahlreihe Theilnahme von 130 Arditeften mit 500 Entwürfen ein
etfrenlides Refultat gehabt, fondern aud duch viele glüdlihe Löfungen der
geftellten Aufgabe. Folgende Preife find 3uerfannt worden: Ludwig
Stadler-Berlin erhielt einen I., drei II. und drei III. Preife, zufammen im
Betrage von 1955 Marl, Steinlein-Münden, Meier und Wörle-Char-
lottenburg, Ridard Senf-Münden und 5. Börke-Düffeldorf erhielten je
einen Preis 3u 500 Warf, Honig und Söldner-Münden einen I. und
U. Preis mit 835 Mart, Schlüter. Berlin einen zweiten Preis mit 355 Mark.
©. Delisle-Berlin einen II. und III. Preis mit 499 Mark, Helbig- und
Heiger-Münden einen dritten Preis mit 166 Mark und M. Zöllner-
Plauen einen III. Preis. 38 Entwürfe wurden zum Ankaufe empfohlen und
16 Entwürfe mit lobender Erwähnung bedadıt.
— In dem Wettbewerb, den die Stadt Köln zur Erlangung von Ent-
wiirfen 3u je einem Denfmal fiir Wallraf und Ridark, dite Be
gründer des nad ihnen benannten Mufeums in Röln, eröffnet hatte, bat das
Preisgeriht die erften beiden Preife den Bildhauern J. B. Schreiner und
W. Albermann in Aöln zuerfannt. Den II. Preis erhielt der Entwurf
des Bildhauers Mihael Lod-Berlin. Von weiteren Entwürfen wurden
vom Preisgeriht die Arbeiten der Bildhauer Jean Degen-Röln und
N. Stiedridh- Charlottenburg zur Prämiirung empfohlen.
— Das Preisgeriht für das Peftalozzi-Dentmal in Zürid, Sem
16 Entwürfe zur Beurtheilung vorlagen, Tonnte, laut ,,frlf. Ztg.", feinen
erften Preis verleihen. Dagegen wurden zwei zweite Preife in Höhe von je
2000 franfen an Giufeppe Chiattone in Lugano und Hugo Siegwart
in Luzern, fowie ein dritter Preis zu 1000 Franken an Luigi Daffali
in Lugano verlieben.
— Die Derlagshandlung von Seemann & To. in Leipzig fhreibt für
ihre Zeitfchrift für bildende KAunft einen Wettbewerb um Originalwerte
graphifher Runft aus und bat hierfür drei Preife zu 500, zu 300 und zu
200 Mark ausgefegt; die Preisarbeiten find bis fpäteftens J. April 1898 an
die Derlagshandlung einzufenden.
— fiir den Bau eines Runftmufenms in Riga fdreibt die Riga'fdhe
Stadtverwaltung einen öffentlihen Wettbewerb aus. Die Preife betragen:
800, 500 und 500 Rubel. Die Entwürfe müffen bis zum 1./15. febr. 1898
eingereiht werden. Wegen der genaueren Bedingungen haben fh die Be-
werber an das Riga'fhe Stadtamt (Br. Rönigftraße 5) 3u wenden.
— für die deutfhen Arciteften wird ein öffentliher Wettbewerb aus-
gefhrieben zur Erlangung von Entwürfen fiir den Dollendungs-
bau des aus dem 14. Jahrhundert ftammenden Rathhaufes 3u
Göttingen. Für die beften Arbeiten find drei Preife ausgefegt: 1500,
J000 und 500 Marl. Dem Preisridter-Rollegium gehören u. A. Profeffor
Ogen-Berlin und Stadtbaurath Berber-Böttingen an.
— Der Verband Kölner Dereine, Befellfhaften und nnungen zur Er-
tidtung eines Raifer Srtiedrih -Dentmals in Röln verfügt jest
über einen Baarbeftand von 123 698 Mark, die in 5'/, prozentiger preußifcher
Staatsrente angelegt wurden, Die Sammlungen baben 119 92) Mark ergeben.
Aunädft gedenkt der Verband fih an die Stadtvertretung um die Beftimmung
des Plages für das Denkmal zu wenden, und, eine Stelle am Deutfchen Ring,
am Raifer friedrid-Ufer dafür in Dorfhlag zu bringen. Sodann follen
deutfhe Rünftler zu einem Wettbewerb von Entwürfen aufgefordert werden.
— Die Magdeburger Stadtverwaltung plant einen neuen
Mufeumsbau. Es foll zur Erwerbung von Bauplänen ein allgemeiner
Wettbewerb für «alle deutfhen Ardhiteften ausgefhrieben werden,
von efen Ausfall die Wahl des Bauftils u. f. w. abhängen wird. Das
neue Mufeumsgebäude auf dem Heydedplage foll nur zur Aufnahme der
tunft- und funftgewerbliden Sammlungen dienen, wogegen die naturwiffen-
fhaftliden Sammlungen in dem jegigen alten Mufeumsbau am Domplak
verbleiben follen. `
Perfönliches.
— Der Runftverein fiir die Rheinlande und Weftfalen zu Düffeldorf hat
den Profeffor Guftan Eilers zu Berlin mit der Herftellung eines Rupfer-
ftihes in grofem Mafftabe nad dem in der Röniglihen Galerie 3u Dresden
befindlihen Bemälde von Correggio „Die heilige Naht“ betraut. Der Rünftler
hat jüngft die dem Stihe zu Brunde liegende Zeihnung vor dem Originale
vollendet.
— Die Ausführung des Stepban-Dentmals und eines Brab-
mals für den verftorbenen Reidspoftmeifter it dem Bildhauer Upbues
übertragen worden. Das Modell zum Grabdenktmal zeigt eine an einen
Obelis? gelehnte weiblihe Trauerfigur, weldhe in der linten Hand einen
Lorbeerfranz hält; das Standbild für das Poftmufenm ftellt auf einem
monumental verzierten, faft 1,5 Meter hohen Godel den Derewigten über-
lebensgroß im einfach bürgerlicher Aleidung dar. Bildhauer Uphues hat fih
verpflichtet, das Grabdenfmal gegen Ende des Sommers 1898 und das
Standbild bis zum Januar 1899 aufzuftellen.
— Der Direftor im Rönigl. Münzfabinet in Berlin, Prof. Dr. Alfred
von Sallet, ift nah furzem, fhwerem Leiden geftorben. Alfred von Sallet
wer am 19. Juli 1842 in Neihenau, Rreis Mimpfh, als der Sohn des
befannten Dichters Friedrih von Sallet geboren. Jm Jahre 1884 wurde
Alfred von Sallet zum Direftor des Münzlabinets ernannt, an dem er bereits
feit 1870 als zweiter Beamter wirkte. Neben febr zahlreihen, meift die
griehifhe Münzkunde behandelnden Arbeiten veröffentlichte er feit 1874 die
Heitfchrift für Yumismatif und begann 1888 die ,,Befdreibung der antiken
Münzen der fönigl. Mufeen in Berlin“.
— Gn Wilmersdorf bei Berlin ftarb der Bildhauer Nicolaus Geiger.
Er hatte am 6. November erft das 48. Lebensjahr vollendet. Seine Heimath
war Lauingen in Bayern. Die Akademie befuhte er in Münden, wo er
zweimal den großen Preis errang. Er hat ih auh als Maler bethätigt.
Namentlid aber in feinen plaftifhen Werken liegt ein großer und moderner
Zug. Er fhuf u. A. die Kinderfeier im Tiele-Windlerfhen Haufe, das
Standbild der Arbeit für das Reihsbantgebäude, die Gruppe Jnfpiration
für die Ruppelballe des Eifenpalaftes, den Barbarofia für das Ayffhäufer-
denfmal von Sdhmik, die Gruppe „Derfuhung“, dazu Grabdenfmaler und
Portraitbüften. Auf der internationalen Ausftellung von 1886 erhielt er die
Meine goldene Medaille; auch in Melbourne wurde er ausgezeihnet. Der
Ufademie der Aünfte gehörte er feit 1893 als Mitglied an, bei der 200jährigen
Subelfeier wurde er zum Profeffor ernannt. Don feinen Malereien find die
Bilder „Afford und „Die Sünderin‘ hervorzuheben, fowie Sie Ruppelmalerei
der St. Hedwigsfiche zu Berlin. Das nod in der Ausführung befindlide
Relief fiir das Biebelfeld diefer Kirche ift fein leßtes größeres Werk.
— Jn Münden ift der Rulturbiftorifer Profeffor Heinrid von Rieb
geftorben. Riehl, der im Fabre 1823 in Biebrih geboren ift, trat zunädhft
journaliftifh in die Oeffentlidfeit. Don Wiesbaden, wo er die „Naflauifhe
Heitung“ begründet und mehrere Jahre geleitet hatte, ging er als Redafteur
der „Allgemeinen Zeitung" nad Augsburg. 1855 wurde er zum Profellor
an der AUniverfität Münden ernannt, feit 1862 war er Mitglied der Bayerifchen
Akademie der Willenfhaften. Fm Fabre ISSO wurde ihm der perjönlide
Adel verliehen. Seit etwa zehn Fahren war er Direktor des Bapyerifhen
Nationalmufeums und Generalfonfervator der Runftdenfmaler und Alterthümer.
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Mosel- Weine eigener Kelterung von #0 Pfg. am, Nichtzusasendes vird uubea- —
standet zurückgenommen. Preislisten und Proben gratis und franko. `
Derlag der „Deutjhen Runjt‘“, Berlin W. 57. — Derantwortlih für die Schriftleitung Dr. Georg Malfowsty, Berlin W., Steinmepftr. 26. — Drud von W, Biizenftein, Berlin.
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|
Selicien Rops,
PERL
An unfere Tefer!
Wir haben unferen Abonnenten und Freunden die erfreuliche Mittheilung zu machen, daß die „Deutſche Kunſt“
im neuen Jahre eine Erweiterung ihres Umfanges und ihrer Ziele erfährt.
Die in Berlin erfcheinende Runftfchrift „Das Atelier“ it von uns
anaekauft worden und geht vom 1. Jannar ab in der, Deutſchen Kunſt anf,
in der Weiſe, daß ihr Name und ihr Nachrichteninhalt in dem Beiblatt erhalten bleibt, die bisher den Titel
„Dom Runft- und Kunftgewerbemarkt* führte.
Es ift uns nicht nur gelungen, uns einen Theil der Mitarbeiter des „Atelier“ zu fichern, fondern wir
glauben gerade durch diefe materielle und ideelle Vereinigung zu beweifen, daß wir den Jeitpunft für gefommen
halten, wo Alle, die es mit der Kunft unferer Zeit ernjt meinen, fih á
ohne fidy anf Ridtungen mnd Grundſättze einzuſchwören
in dem Streben zufammenfinden tönnen,
die Entwirkelung deutſchen Kunſtſchaffens
mit vereinten Kräften zu fördern.
Wir werden es nach wie vor als unfere Aufgabe betrachten, alle Bewegungen auf dem Gebiete der
bildenden Künfte mit aufmertfamem Auge zu verfolgen und objettiv über fie zu berichten, ftatt fie je nad
Gefhmad und Neigung zu fördern oder zu bemmen. Die fortfchreitendere Verbreitung der „Deutjchen Kunft“,
das Woblwollen der Runftverwaltungen, die Anerfennung Ser Künftler wie der Runftfreunde leiftet uns Gewähr,
daß wir mit diefer parteilofen, nicht Frittelnden, fondern berichtenden Haltung den rechten Weg eingefchlagen
baben, Ser zu einem von dem nterefje aller gebildeten Kreife getragenen nationalen Runftfchaffen binleitet.
Berlin, im Januar 189s.
Derlag und Kedaktion der „Deutſchen kunſt“.
Dr. Georg Malkowsky.
—— — — —
Deuſſch
Beiblatt: Das Htelier.
Slluftrirte Heitichrift für das gefammte deutfche Kunftichaffen
Central-Organ deutfcher Runft: und Riinjtler-Dereine.
Herausgegeben von
Alle 14 Tage erfcheint eine Nummer.
Georg Malſiowsſin. Inſerate: 40 Pfennige für die 4 ge-
EEN 5 — ſpaltene Nonpareille⸗Zeile.
Schrikkleikung und Verwalkung Berlin W.57, Steinmekſtr. 26.
Alle 14 Tage erjcheint eine Nummer.
Preis vierteljährlih 2,80 Mart.
Poftzeitungstifte Ar. 1174.
Publifationsorgan des Deutfchen Runftvereins in Berlin, des Schlefifhen Runftvereins in Breslau, des Runftvereins für das Großberzogthbum Hefjen in Darmftadt, des Anbaltifhen Runfte
vereing in Defjau, des Mürttembergifhen Runftvereins in Stuttgart, des Schleswig - Holfteinifhen Runjtvereins in Riel, der Runftvereine in Münden, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera
Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Börlik, Danzig, Rönigsberg, Stettin u. a.
ar. 7.
etradten wir die Bejammtheit der produzicenden Rünftler unter einem
gewiffen gemeinfamen Gefidtspuntt, fo werden wir fie in zwei
ar Gruppen eintheilen fönnen. Die Einen arbeiten deduftiv, die Anderen
induftiv. Was bet dem Einen das
Produft langer Ueberlegung und
Gedantenarbeit ift, fommt bei dem
Anderen wie ein nedijher Kobold,
man weiß nicht wiefo und woher.
Eine Art zeichnet fih dur cine
enorme Realtionsfabigleit auf äußere
Eimdrüde aus; Alles, was um ihn
berum vorgeht, wird dem Riinftler
zum Ereigniß; eine jhöne Strophe,
eine klangvolle Affonanz, ein inter-
effanter Befihtzzug find Im Stande,
ibn 3u einem berrlihen Werf an-
3uregen. Der Waffertropfen, in
dem fih die Gonnenftrablen in
taufend farben brecen, wird für
ibn 3ur Welt, und der einfame Stein
am feldrain verwandelt fic) unter
feiner fuggeRtiv geftaltenden Rraft
3um Ko-hi-noor. €r will nidts
geftalten, was er nit fhon in der
Natur vorfindet, aber diefer Natur
giebt er ein perfonlides Bepräge,
weldes er aud uns aufzwingt, fo
daß wir fhlieglih die Natur- mit
denfelben Augen fehen, wie der
Rünftler, daß wir beim Anfhauen
oder Anhören eines Dorganges
dasfelbe Empfinden haben, aus dem
heraus der Dorwurf gefhaffen wurde.
Don diefem Befihtspunfte aus [hafft
jeder produzirende Rünftler nichts
Anderes wie Seelenzuftände und der
franzöfifhe Aefthetifer Amiel hatte
febr Recht, wenn er meinte: „Un
paysage est un état d'âme.“
Diefes Wort gilt ebenfowohl für
den Dichter wie für den Maler oder Bildhaner, für den Romponiften wie fiir
den Dramatifer.
Ein umgetehrter pfyhologifiher Vorgang jpielt fid bei einer anderen
Gruppe von Rünftlern ab; fie find fozufagen die Philofophen in der Runft;
he
i Januar 1898.
$elicien Rops.
Pon B. 8. Epftein.
Sélicien Rops, Selbftportrait.
3u fiihnem Unterfangen anreizt.
Radirung.
IL. Jahrgang.
das Räthfel des Lebens zieht fie mächtig hinan, es ift der dichte Vorhang
vor dem verfcleierten Bilde zu Sais, welder fie zu unermüdliher Griibelei,
Und. da fie das Räthfel des Lebens oder
zum mindeften verfchiedener Lebens-
erfheinungen nicht zu löfen ver-
mögen, da and fie vor dem Bude
mit den fieben Siegeln rathlos da-
ftehen, fo fuhen fie es menigftens
zu deuten. Und foiftibre Thatig-
teit neben der rein tünftlerifhen
aud eine pfyvchologifhe, indem fie
abftratte Begriffe in die form der
finnlihen Erfheinung zu zwingen
fuhen. Zu den letzteren gehört der
franzöfiibe Maler und Radirer fé-
licien Rops.
Wenn id nun fage, Rops ware
Franzofe gewefen, fo ift das eigent-
lid) nicht ganz ridtig, denn feine
Großeltern waren Rinder der Pufta
und ec felbft fam in Belgien zur
Welt, von wo er jedod nad) Paris
auswanderte, um dort feinen dau-
ernden Wohnfiz zu nehmen, und
wo aud alle feine Schöpfungen ent-
ftanden find, denen feine Gndivi-
dualität jenen eigenthümlihen Stem-
pel aufgedriidt hat, der heute
für das Wert des Felicien Rops
harakteriftifch if. Die Derbindung
des temperamentvollen und heiß-
bliitigen Magyaren mit der fanften,
etwas melandolifh angelegten Dlä-
min war fheinbar auf das Wefen
des Enfels beftimmend; aud in ihm
finden wir zwei Elemente, die,
f&heinbar dazu beftimmt, einander zu
befämpfen, in ibrer Dereinigung
thatfadlid die bödften Triumphe
feierten. Spornte das Tempera-
ment felicien Rops dazu an, das hödhfte Können zu erreihen, fo haben
wir e3 wiederum feiner philofopbifh und grüblerifh angelegten Natur
zu verdanken, daß diejes zur Vollendung gebrachte Beherrfhen der Radir-
nadel, die geradezu unglaublihe Dertrautheit mit den formen des menfhliden
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Körpers von einem Wollen übertroffen wurde, welhes ung Rops oftmals
dem Dädalus äbnlih erfcheinen läßt. Diefes Wollen, welhes aus jedem
Runftwerf des Rops entgegenblidt, diefer fpiritualiftifhe Zug in feinen
Rompofitionen ftellt ihn — freilid) in ganz inverfem Sinne — einem fra
Angelico, einem Memmling an die Seite. Ja, ih möchte noch weiter gehen
und behaupten, félicien Rops fei ein ausgejprohen driftliher Rünftler, wenn
man mir zugiebt, daß die Legende und Myftit des Katholizismus mehr als
ein Drittheil feiner Werke infpirirt haben. Jh meine natürlich nicht jenen
modernen, duch Zeit und Fortfritt geläuterten Katholizismus, der heute
praktiziert wird; ein folder wäre wohl niemals im Stande gewefen, Maler
herporzubtingen, wie Matthias Brünewald oder Roger van der Weyden. Es
it vielmehr der nervenerregende
finnlide Glaube des Mittelalters,
wie er in Klöftern und Abteien zu
finden war, mit all der fhwülen
Atmofphäre, Difionen und Offen-
barungen, Erfcheinungen und Teufels-
fpuf, Raftetungen und Erorzismen,
furz einem Dunftfreis, der wie feiner
gefhaffen war, den hodhgepeitjchten
Ylerventaumel zum Delirium zu ftei-
gern, Halluzinationen zu erzeugen,
"Wahrheit und Schein durcheinander
zu mifhen. Aus diefer Hyfterie
des Blaubens entftand eine große
Anzahl von Runftwerfen, deren
myftifge Natur deutlih auf ihren
Urſprung binweift. Es ift aber
ganz fonderbar, daß die von mir
gefhilderte Art des Blaubens nur
nach der einen Seite bin Runftwerfe
hervorgebracht bat, namlid nach der
göttlihen; das fataniftifhe Element
blieb trog der Werke eines Spren=
ger, Roðin, Rio, Görres völlig im
Dunfeln, denn die wenigen bild-
lihen Darftellungen, in denen der
Teufel eine Rolle jpielt, find von
einer derartigen Ylaivetät, von einem
derartigen Mangel jedweder tieferen
Myftif, daß fie ruhig zu den rein
naiven Runftwerken gezählt werden
dürfen, in denen des Künftlers
Wollen völlig hinter feinem Wert
zurüdteitt. Und dennoch läge nichts
näher, als dağ auh die negative
Seite jenes Glaubens einen fünft-
lerifhen Ausdrud, daß fid ein
Rünftler infpirict gefunden hätte,
neben der Allmaht Gottes and
Lucifer's Reid in den Kreis feiner u
Darftellung zu ziehen.
Ein folder Gedante liegt eigent-
lih fo nahe, dağ man fih wundern
muß, wiejfo es möglih war, daß der rothe Faden des Satanismus, welder
fid in Poefie und Profa durch Jahrhunderte hindurdfdlingt, ert nad
600 Fahren zu félicien Rops fiihrt, in weldem der im Ratholizismus tief
eingewurzelte fataniftifhe Bedankte feinen fiinftlerifhen Ausdrud bis zur Doll-
endung findet. Allerdings ift der fataniftifhe Gedanfe von Rops nicht
derjelbe, wie ihn etwa ein Künftler des Mittelalters verkörpert hätte; die tiefe
Pfedologie des Riinftlers benußt die auf Abwege gerathenen Phantasmagorien
des Mittelalters nur als willfommenes Symbol, in welhes er feine eigenen
Philofopheme zu Meiden fuht. Sowie nad dem ftrengen Budftaben des
Glaubens der Menf bald von Gott erfüllt ift, bald vom Teufel befejien
wird, jo pendelt nah Rops jedes Wefen ftetig zwifchen zwei Polen; die
Prinzipien des Guten und Böfen, des Reinen und Unreinen, der Keufchheit
und Ungudt, der Enthaltfamfeit und PVöllerei liegen im ftetigen Streit mit
einander. Das Eine, wie das Andere gewinnt oftmals die Oberhand, und
wenn Selbfterbaltung und anerzogene Begriffe den Menfden aud) gebieterifch
zwingen, auf der Bahn des Guten, Reinen und Reufchen zu wandeln, fo
FElicien Rops,
oS ries
Deutfdhe Runf.
fhlägt ihm die Lünftlih gezüchtete Enthaltfamfeit gar oft ein Schnippden
und all das Gegentheil von dem, was er thut, fpielt ih in feiner über-
bikten Phantafie ab. Diefe Phantafien zu verkörpern fudt die Runft des
félicien Rops. Er it ein Suder. Die tiefen Yeurofen der modernen
menfhlihen Seele Meidet er in das Gewand der biblifhen Befhichte und der
Legende, er fpürt mit einer Zähigkeit und Hartnädigkeit den in den dunfelften
Seelenwinteln fdlafenden Regungen nad, er fudt, wie ih fhon Eingangs
bemerft babe, Gefiible, Gedanfen, Wiinfhe, Cigenfchaften in das Gewand der
ſinnlichen Erſcheinung zu zwingen.
Und ſo iſt denn félicien Rops Symboliſt, und zwar, der oft recht
ſchwer zu verſtehen ift, trotzdem ſeine Vorwürfe von einer Kühnheit und
Realität find, daß man deren nähere
Detatllicung an diefer Stelle aud
nidt einmal andeuten diitfte. Dom
Beifte der Phantafie oder der Satire
find Rops’ Werte zum allergrößten
Theil erfüllt. Was fonft nod von
ihm eriftirt, hat zwar vom Stand»
punft des rein Tecdnifchen oftmals
einen febr bohen Werth, ift aber
nah feinen eigenen Worten aus-
fhliefih zur Uebung gemadt.
Und einer folhen Uebung bedurfte
er 3u einer Zeit, in der er bereits
für die Anderen ein vollendeter
Riinftler war. Sein Werdegang
ift ein gerader und Flarer. Ju Na-
mur geboren, ftudirte er Philofophie
und Yaturwiffenfthaften an der Uni-
verfität Brüffel; fcon damals foll
er, ein vollftandiger Uutodtdaft, ein
glänzender Rarifaturift gewefen fein,
zum großen Ergöten feiner Kolle-
gen. Sein Dater ftarb und im Be-
fte feines Erbtheiles genoß er das
Leben in vollen Zügen, fo daß er
faum merite, wie all fein Hab’ und
But unter feinen fingern zerrann.
Als er fih nun eines Tages aller
Mittel entblößt dafteben fab, da
griff er wiederum zum Bleiftift und
zur Yadel und die Radirfunft follte
ibm von nun ab gum Broterwerb
dienen. Zuerft waren es jatirijche
Blätter im Sinne Hogarth's, die
er in einem Sriiffeler Wikblatt
„Das Krokodil veröffentlichte, dann
gründete er im Jahre 1856 felbft ein
Wochenblatt: ,,Till Uyplenfpiegel'',
12. worin er jede Wode mit einer Radi-
—— rung kam, die ihre Sujets aus
allen Schichten der Befellfhaft ber-
nahm: das Dolf, die Bourgeoifie,
die Beamten fowie die Geiftliden, fie
alle 30g er in den Bereih feiner wirklih ätenden Kunft. - Schon diefe
Radirungen verrathen die Rlaue des Lowen, wenn fie auc) nur eine Etappe
auf dem Entwidlungswege des Rünftlers bezeichnen. Aber das Belgien der
fünfziger Jahre fhien ein fo geringes Derftandnif für die Werke des Meifters
gezeigt zu haben, daß der „Uyplenfpiegel“ zwei Jahre fpäter zu eriftiren anf-
bören mußte. Don diefem Augenblide an beginnt für felicien Rops eine
Epode des freien Schaffens, welde ibn nach Paris führte, wo denn auch
fein Genie und fein Rönnen zur vollen Entfaltung gelangten. Jn Paris gründete
er die ,,Société internationale des aquafortistes“, welde dazu dienen
foll, das ntereffe für Radirung zu beleben und wiederzuerweden. Aber
alle feine Anfttengungen feinen vergeblih; er und feine näheren ‚Freunde
liefern wahre Meifterwerke, er radirt felbft unter den Pfeudonpmen William
Leslie und Niederforn und trifft fo täufhend die Manier der deutjhen und
englifhen Schule, daß es erft ftrifter Beweife bedurfte, bevor man Rops
Auf dem Felde,
, feine eigenen Werke glauben wollte.
Aber entgegen den Lobeserhebungen eines Millet und Conrbet, trok der
— — — —
RETTET TER Ver <p ve:
Bewunderung von Beaudelaire, Gautier, Barbey d’Aurevilly fheint Rops
mit fic felbft nicht zufrieden. Gm Fahre 1876 vollzieht fh in feiner
fünftlerifhen Eriftenz eine entfcheidende Wendung.
Aus der Zeit, welche diefer neuen Epode in Rope! fünftlerifhem Schaffen
vorhergeht, ftammen die erften zwei der hier reproduzirten Raditungen. Die
eine ftellt eine Bruppe von Wäfcherinnen am Ufer des Bades vor und zeigt
ein ganz eminentes Beherrfhen der Radirnadel von Seiten des Rünftlers.
Viel intereffanter jedoh ift das andere Blatt „Les champs“, weldes mit
wenigen Striden, in einer geradezu genialen Yaivetät die mädtige Poefle
der ruhigen erwadenden Natur zum Ausdrud bringt. Ein Bauernmadden
fit auf der Erde, angelehnt an einen Baum, der noh nidt vdllig*mit Caubwerf
bededt ift; ibr linter Fuß ift entblößt und in ihren Augen drüdt fidh eine
etwas melandolifhe Freude, ein Woblbehagen aus, weldes durd die laue
Stiiblingsluft nod erhöht wird.
om Hintergrunde fiebt man einen
Bauer das Feld pflügen. Jn diefe
Zeit fällt auch die mit der Infchrift
„Non hic piscis omnium“ ver-
febene Radirung: „Un poisson
rare“, Eine Sirene mit zwei
langen Stoßzähnen, mit gejträubten
Haaren ift von den Wellen auf
einen unbefannten Strand geworfen
worden; auf die Hände geftütt,
fhaut fie mit Entfegen um fih.
3 batte bemerkt, daß fih im
Sabre 1876 eine große Wandlung
im Leben Rops’ vollzog. Er wurde
fih darüber Mar, daß, um die
jenigen fünf Lrifhen Probleme in die
Sprache der Radirnadel zu über-
fegen, die fein Behirn unausgefegt
befhäftigen, es ihm an fünftlerifchem
Rönnen mangle. Er, ter zu jener
Zeit fhon mehr als zwanzig Jahre
feinen Beruf betrieb, fing von Neuem
zu lernen an. Er fand, daß feine
Pbantafie ibn viel zu oft am Bängel-
bande geführt habe, fo dağ er, von
ihr allein geleitet, die Eraftheit
und Ridtigfeit der formen ‘des
menfhlihen Rörpers aus der Acht
gelaffen babe. Er glaubt in feinen
Hrihnungen unfihere Proportionen
zu entdeden, 3weifelbafte Mustu-
latur an nod) problematifcerem
Rnodengeriift. Und nun feben
wir das Scaufpiel, wie der bald
vierzigjährige Mann von neuem
Rarton und Roble gue Hand nimmt
und Sffentlidhe Ateliers befudt, `
um monatelang nadh Hundcrten von Modellen in den verfhiedenften Stellungen
Aft zu zeihnen. Diefe neuen Studien madten Rops erft zu dem, was er
wurde. Er gewinnt nun eine derartige VBeherrfhung der Formen des
menfchlihen Körpere, eine derartige Vertrautheit mit der Anatomie, eine fo
unglaublide Renntniß jedes einzelnen Niuefelbündels, daß jede Nadirung, die
aus der neuen Epode ftammt, vom tednifden Standpunft aus als
Monumentalwerf angefeben werden fann, wenn man aud mandmal ein fo
eminentes Können auf andere Dorwiirfe angewendet feben modte.
Aus diefer und einer fpäteren Epoche datiren jene Blätter, die ih mit
fataniftiihen Problemen befaffen. Die Jnkaraation der Derfuhung liegt piir
Rops im Wibe; es ift für ihm das nftrument, vermöge welhes der Teufel
die Seelen gewinnt und das feinerfeits dem Teufel unretibar verfallen ift.
Das einer gewiffen liebenswürdigen Satire nicht entbehrende Wort: „Cherchez
la femme“ wird unter Rops' Stift zum drohenden Symbol allen Unbeils.
Wenn das Ewig-Weiblide im gegebenen falle den Riinftler aud hinan-
gezogen hat, fo wird es den Beſchauer tief anwidern, und die Deutung der
Madt, weldhe Lucifer auf uns ausübt, in dem Sinne des Rops, wird bei
dem äfthetifch angelegten Naturell, weldhes gewohnt ift, im nadten frauen-
Börper die Perfonifizicung aller Yaturfhönheit zu finden, einen beillojen
selicien Rops.
Deutfhe Runft.
123
Rabenjammer binterlaffen. Man darf daher aud an die Werke des Felicien
Rops niht mit jener naiven freude und Erwartung berantreten, welde Kant
als ,,intereffelofes Anfhanen" bezeihnet; wir müffen uns mit all unferer
Pivhologie bewafinen und die Bilder zu deuten fuchen, ihren tiefinnerften
Sinn errathen. Erft dann wenn es ung gelungen ift, des Rünftlers Gntentionen
zu ergründen, werden wir uns bewundernd vor fo viel Rönnen, vor fo viel
Wollen beugen müffen.
Schon die moderne Salome muthet uns fonderbar an. Ein ganz modern
gekleidetes junges Weib fihreitet in tänzelndem Schritt vor und hält in der
Rechten einen Teller, auf weldem man einen Ropf eines alten Gelehrten
erblidt; auf einer Schleife liet man die Worte: „Académie“. Das innerfte
Wefen von Rope’ fataniftifhem Symbolismus zeigen uns am beften die
beiden bier reproduzirten Blätter: „Le sphinx“ und „L'evocation“.
Erfteres radirte Rops zu einer No»
vellenfammlung, welde Jules Bar-
IE: Su bey d’Aurevilly unter dem Befammt-
TE titel „Les Diaboliques“ herausgab
und in der eine Reihe von räthjel=
baften, finnlid-graufamen frauen-
harafteren pfydhologifh unterfudt
wird. Jm Dordergrunde fehen wir
eine mächtige Sphinz in der befann-
ten bieratifchen Pofe, mit mädhtigem
Bufen und tiefernftem Befiht; ein
vollendet modellirtes Weib, aus deren
ganzem Körper verzehrende Sinnlid-
feit fpridt, umfdlingt den Hals der
räthfelhaften Statue, gleitet bis zu
deren Obr und fheint jih ihr an-
zubieten, neue, nie gefannte Won-
nen erbofjend. Zwifhen den zwei
Flügeln, welde aus dem Rüden
der. Sphing emporwadfen, feben
wir den Satan, bodmodern, im
frat und mit Monocle im Auge,
naddenflid das Weib betrachten,
diefes ewig unlösbare Ratbfel,
deffen Seele ibm fhon jet fider
it. Ebenfo großartig ift das
Blatt: .,L’évocation“, welches
Rops für die von Octave Uzanne
im Gabre 1885 herausgegebene
Sammlung: „Son altesse la
femme“ malte und radirte. Jn
einem großen, mittelalterliben Labo-
ratorium fint ein alter Nefromant
und bejhwört „das Weib“. Vor
ibm liegt cin foliant mit der Jn-
fhrift: „Compend um malefic
iorum“, aus dem heraus er die Be-
[hwörungsformeln lief. Da p!öß-
lih zerbricht der im Hintergrund jtehense Spiegel, und vor ihm erfġeint ein
fhönes, nadtes, weiblihes Wefen, bereit, jedent Befehle von ihm zu folgen;
anf einem alten Pergament liet man das für die Situation fo bezeihnende
Wort: „Satanae, womit der Künftler offenbar andenten will, das fhöne
Weib fei nur ein Sendbote des Teufels, welder auf Siege Weile hofft, dte
See.e dea alten Gelebrten um fo fiherer in feine Gewalt zu befommen.
On diefen und ähnlihen Bahnen bewegt fih die ganze Runft des Rops
und wenn wir aud mandmal jagen müfjen, daß er die Grenze des Erlaubten
weit überjchreitet, jo tritt auf der anderen Site vor der grandiofen Gdee,
welche alle feine Werke beberrfiht, jedes Meinlihe Bedenken zurüd. Sowie
Fra Angelico, Memmling und van der Wevden Maler waren, dazu angethan,
die Majeftät Bottes zu vecherrliden, fo fann man félicien Rops als Leib-
maler Sr. Majeftät des Teufels bezeihnen. Und warum and nidt? Der
dogmatifhe. Glaube an Bott bedingt and den Glauben an Lucifer mit all
dem Gefolge von Heren, Gneuben und Succuben, Sabbath u. f. w. Wir
fdwebten Jahrhunderte lang im Himmel. Félicien Rops zeigt uns zur Ub-
wedfelung die Hölle, aber niht die unten, fondern die, welde wir in uns
tragen, die Hölle — auf Erden, als deren Beberrfderin feiner Einbildunge-
feafc das Weib in feinen verjdhiedenen Inkarnationen erſcheint.
Die Wäjcherinnen.
Berg rn — — — ep oe — SP ony ee Pe
Deutſche Runſt.
Die Gothik zur Zeit der Romantik.
T' den erten Jahrzehnten unferes Jahrhunderte, als unfere
Großväter und Grofmiitter als GFinglinge und Jung-
frauen, als junge Chemdnner und junge Frauen ibe
Leben genoffen, als die Scredenszeit der Revolution
vergefjen und die unrubige napoleonifche Periode der Reftauration
Plat gemadt, als man das Bedürfnig nah einem rubigeren
und befhaulicheren Leben allerwarts aufs tiefite empfand, da
30g mit dem Frieden aud eine neue Runft in die Häufer unferer
Großeltern, die Runft und die Literatur der „Romantik. Die
Welt batte fid lange genug an der Sonne Ser Antife gewärmt,
Griedhen und Romer in allen formen fopirt, jegt begeifterte man
fid an Ritterromanen, ftudirte mit befonderem Eifer die Ge-
fcidte der Areuzzüge, der Ritterorden und des Ritterwefens,
und trachtete darnad, auch die nähere Umgebung, die Wohnung,
ja felbft die Kleidung dem neuen Befhmade anzupajjen. Man
griff 3u breitfrämpigen Hüten mit wallenden Federn, bradte an
den Achfeln der Frauengewänder Puffärmel an, welde Senen
der Renaiffance abgelaufht waren, und griff wieder zu Rað-
fragen, langen Acrmeln und ähnlichen Dingen, welde man als
einft bei Rittern und Ritterfräuleins üblih [häßte. Alte Ritter-
fie wurden rejtaurirt und mit Riiftungen und Waffen, alten
und alt fein follenden, gefhmüdt „Ritterburgen* waren von
da an belichte Ausflugspläge und Reifesiele; bier lief fib
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Sélicien Rops. Die Bejhwörung.
Pon R. Forrer-Strakburg i. €.
romantifh träumen und doppelt fhön Walter Scott genießen,
Und um auh zu Haufe in diefer Sphäre zu leben, umgab
man fih mit allerlei Dingen, die an die ritterlihe Vorzeit ge-
mabnten. Man begann von Neuem mit der Verwendung bee
malter Glasfcheiben, man fette an Stelle der bisher üblichen
antififirenden Empire: Möbel „gothifh‘ ftilifirte, bemalte die
Wände mit romantifchen burgengefhmüdten Landfhaften und
gab fogar allen Nippfahen gothiydhen Charakter. Damals
glaubten die Zeihner, Arditekten, Tifdlermeifter, Bronzegießer
rc. rc. Sen Geift der Gothif vorzüglid be- und ergriffen zu
haben. Heute fönnen wir uns eines Lädelns nicht erwehren,
wenn wir jene gothifh Seforirten Buceinbände, gotbifh ge-
fhnitzten Möbel, jene Barometer, Ubrgehdufe, Rerzenftöde ıc. ıc.
in „sotbifcher ‚Faflung‘* feben. Abgefeben davon, daß damals
jene Arbeiter in ihrem tehnifchen Rönnen weit hinter Sem der
Bothit wie der neueften Zeit zurüditanden, fo liegt der Febler,
weshalb jene Gothi? von der wirfliden fo febr verfihieden
ift, vor Allem darin, daß jene den Geift Ser Gothi? niht be-
griffen batten. Nadh dem Rezepte ,,Rundbogen — romanifd,
Spitbogen — gothifh, nahmen fie den Spitbogen überall
als grundfäßlid zu verwendendes Charakteriftitum an, wo es
galt, irgend etwas in „gotbifhem* Stileherzuftellen oder zu deforiren.
für „Spigbogen“ boten in erfter Linie die Rirhen und Dome
die beften Vorbilder. Aus diefen heraus bildete man eine Art
ftereotyp wiederfebrendes Brund-Ornament, eine Art Kraut, das
in feiner Suppe fehlen durfte, die gotbifh fhmeden follte Die
guten Leute vergaßen aber, daß diefe der Architektur ent-
nommene Gothif, diefe ,,Rirdhengothit", feineswegs
ohne Weiteres auf profane Dinge übertragen werden
durfte!
Dies ift der Grund, weshalb alle „gotbifh“* fein follenden
Geräthe jener Heit, ©. b. Ser ungefähr urh die Reftau-
rationsepohe angedeuteten Seitperiode, nidts weniger als das
in fic) faffen, was die Autoren ihnen zu geben vermeinten, den
Geift der Gothif. So fommt es, daf jene „romantifhe Botbif",
welde im Runfthandwerf jener Heit feinen feften Fuß zu fallen
vermochte, und daß die Runftprodufte, in melden jene Ritter-
romantif und Theatergothif zur Anwendung fam, uns beute
mebr wie Auriofitäten und Abnormitäten vorfommen. Uhr—
sehäufe, Barometer, Thermometer, Stühle, Trinfgläfer, alle mit
thurmartigem, gotbifhen Baumer? gefhmüdt, überall, felbit da
arditeftonifde Motive der Bothifruntergefhoben, wo die wirkliche
alte Gothif einen ganz anderen formenfreis 3ur Anwendung
brachte. LUnfere modernen Meifter, idy nenne nur Seit, Seder,
Sattler als Beifpiele, haben fic ganz anders in den Geift jener
Feit hineinzuleben gewußt: Zwar wollen diefe die Meifter des
XIV. und XV. Jahrhunderts nicht ,,fopiren’, fie wollen Neues
fhaffen und man fiebt es ihren Arbeiten an, daß Jahrhunderte
fie von den Vorbildern trennen, aber trotdem athmen diefe
Arbeiten den Geift der Gothit, fo da man fic beim Genießen
dSerfelben wirflid) in jene Zeiten zurüddenfen fann. Nicht ver-
gefen darf man allerdings, daß wir, d. b. die Produzirenden
und die Ronfumirenden von beute, ganz andere Grundlagen
baben, um jene alte Runft zu verftehen, zu würdigen und in
neuer form wiederzugeben. Heute blüht wieder die Runft des
Holsfdnitts, vor 70 Jahren ftand diefer auf feiner tiefften
Stufe. Gleiches gilt für Holzfhniterei, Runftfdlofferei und die
zablreihen anderen Runfthandwerfe, welde in den Zeiten der
Gothif sur hddhften Blithe gediehen, in der erften Hälfte unferes
Jahrhunderts aber auf dem nieðrigften Niveau des Könnens
angelangt waren. Heute fommen fie Sanf der Beftrebungen
unferer fachzeitfehriften, der Runftgewerbefdulen, Runjtinduftrie-
mufeen und dank der vielen einfhlägigen Spezialwerfe in ihren
Leiftungen wieder denen der glanzvolliten Vorzeiten nahe.
Gerade jene Literatur und jene Lehranftalten fehlten aber vor
70— 80 Jahren noh gänzlid und es fehlte damit aud den das
—
Deutſche Rung.
maligen Augen die nötbige Sehfhärfe, welhe nicht bloß ober-
flählihe Unterfhiede zu erkennen, fondern aud das innere
Wefen der alten Runft 3u erfaffen vermag.
Gerade deshalb haben fih aber auch unfere Broßväter und
Großmütter in ihren gothifchen Ritterfälen fo bebaglid, fo
romantifd gefühlt; fie faben die Mängel ihrer Bothit nit,
fo entfegli unferem modern gefdulten Auge ihre “gothifden
Mobel und ihre mit gothifdhen Nippes durdfete Umgebung
vorfommen mögen. Das beweift aber nur wieder, wie wohn-
eye a
rn Tr ee eg
125
lid) man fih fühlt und wie febr es unfercr Natur entfpridt,
wenn wir uns eine unferen Runftneigungen und Studien,
vielleidht aud Traditionen und Liebhabereien angepaßte Um-
gebung fdaffen. Und wenn trog aller Anfeindungen der
Theoretifer, die Sitte Ser Ausftattung unferer Wohnräume in
alten Stilarten andauernd eine ebenfo vielgeübte, mie weit-
verbreitete ift, fo bemeift doc gerade dicfe gewaltige Aus-
dehnung, welch’ unmwiderftehliher Reiz den vielgefhmähten
„Interieurs de Style“ innewohnt.
Dom Berliner Weihnacht-Kunftmarkt.
8 ift begreiflih, dağ auh in der Runftwelt die Weihnadhteftimmung
vorherrfeht und auf die praftifche Seite, den Erwerb, einen befonderen
Nahdrud legt, um fih die allgemeine Schenk- und Rauf-Luft zu
Nutze zu magen.
Es ift das um fo verzeihliher, wenn es fih, wie beim Berliner
Rünftlerverein, um iðeale Jwete handelt, nämlih um die Unterftiigung
nothleidender Wittwen und Waifen verftorbener Rünftler. Alljährli eröffnet
der Derein einen Weibnadtstifh, auf welhem funftgewerblide Begenftände,
von nambaften Berliner Riinftlern mit Bildern und Ornamenten gefhmüdt,
dem Publitum 3u niedrigen Preifen feilgeboten werden. Auf Schreibmappen,
Rajfetten, Blods, Schränthen, Wandtellern u. f. w. ftehen unter werthvollen
Malereien die Mangvollften Namen, wie Sfarbina, Bradt, friefe, Feldmann,
€s ift ein anmuthiges Runterbunt von Malerei und Runftgewerbe, eine ftil-
lofe aber amüfante Derquidung von Praktifhem und Schönem. Nicht felten
paart fih die Erfindsungegabe mit liebenswürdigem Humor und wo der
eigentlih dekorative Sinn vermift wird, entfhädigt häufig ein origineller
Gedanfe. So hat Profeffor Sperling auf einer von dem Raifer erworbenen
Palette den Sprud veranfhaulidt: Man fann viel Schwein haben und
dennoh auf den Hund kommen. — R. Rödling hat eine Schieffheibe bei-
Geftenert, die, als Wanddeloration gedacht, eine Gruppe rothrödiger Ranoniere
aus der Zeit des alten frig darftellt, welde in großer Aufregung ein
Geihüg bedienen. Um das flott gemalte Bild fließt fh gleihfam als
Rahmen die gefdriebene Sirophe:
Das allerftärkite Artegesheer
Rann obne uns nidts maden,
Die Siegesgöttin lacht nicht eber,
Bis daß Ranonen traden;
Wo Artillerie fid zeigen thut,
Hieht jeder höflich feinen Hut,
Madt Plat — Kanonen fommen —
Einer der luftigften Begenftände ift ein hslzerner Bierfrug, weldhen O. H. Engel
mit gezeichneten Rarrifzturen — vermuthlih befannte Typen der Refidenz —
gefhmüdt und mit der finnigen Gnfdrift verfehen hat:
Jedem Braven ift's gegonnen,
Wenn am Abend finft die Sonnen,
Daß er in fih gebt und denkt,
Wo man einen Guten fchentt.
Runftwerfe als folde zu bringen war niht der Jwet des Weihnadtatifdes,
dodh werden fiherlih Originalzeihnungen von Menzel und Anaus ihre Ab-
nehmer gefunden haben.
Eine ähnlibe Deranftaltung wie die der Künftler ging von dem Derein
der Rünftlerinnen und Runftfreundinnen aus, die mit einer Weihnadts-
mefje an die Deffentlichfeit traten. licht weniger als hundert Damen batten
ih daran betheiligt und eine Fülle von funftgewerbliden Gegenftanden dar-
Gebradt, die ein achtenswerthes tehnifhes Können bezeugten, gegenüber dem
feüher herrfhenden Dilettantismus. Man hat ih gewöhnt, alles Aengftlide,
Ausdrudslofe abzufteeifen und mit fiderer Hand fräftig einzufeen, wie es
nur durd ernftlihe Studien erlernt wird. Go find die Riinftlerinnen auf
allen Bebieten der Tednif zu Haufe, jedes Material macht fi) ihnen dienftbar,
fei es nun Holz, Metall, Porzellan, fayence, Leder, Wolle, Flor oder Papier.
Aber, was widtiger erfcheint als Runftfleif und Runftfertigteit, der Befhmad
wird gebildet und zur Selbftändigkeit erzogen, er wird auf die Probe geftellt,
weldhe Ausdrudsmittel im befonderen Falle die geeignetften und mwirkjamften
find. Gerade in diefer Beziehung ift man nod nit überall zur Alarheit
gefommen. So würde man beifpielaweife bei einem bemalten Wandfdirm
eine ftilifirte oder freie dekorative Behandlung der braven realiftifhen Blumen-
malerei vorziehen. Denn ein Wandfehirm foll als Lurusmöbel einen praftifchen
Awed verkörpern und darf nicht zum eingerahmten Bilde werden.
Um von den gediegenften Arbeiten einzelne herauszugreifen, jeien genannt
die des Frl. Rirfehner: beftidte Deden aus weißer Seide, ein Wandfchirm
aus lichtgrünem Seidenrips mit halb gemalten, halb geftidten, aufliegenden
Blumen, ferner die Blasgenälde und Thonvafen von frl. Schlieder, fowie
ihre gemalten Kopien ruffifher Gobelinbilder von Einzelgeftalten weiblider
Heiligen mit aufgefegten farbigen Blasfternen, Silber- und Bold-Zierrathen,
Don allgemeinem Gntereffe find die Porzellanmalereien des Frl. v. Rliting,
die denen der Rönigl. Manufaftur ähnlich fehen und die von frl. v. ©. Gröben
aus Paris gefandten geftanzten Metallarbeiten, die fih befonderer Nachfrage
erfreuten.
Auh die Weihbnahts-Ausftellung bei Schulte hat eine gewifle
merfantile Färbung angenommen, ohne daß man von einem unfiinftlerifden
Befammteindrud reden fönnte. Sie bringt neben verfäufliher Marktwaare ein
Sélicien Rops.
126
ganzes Raletdoffop von Berühmtheiten, die verfchiedenartigften Werke der ver-
fciedenften Rünftler aus aller Herren Lander, jo daß man verfudt ijt, über
das Zuſammenhängen, über die unfreiwillige Nadhbarjhaft künſtleriſcher
Antipoden fih in fomifhe Phantafien zu verlieren. Als Beifpiel nenne id)
nur eine Beduinenattade von Schreyer und die fehr imprefjiioniftifch-ffizzen-
haften Themfelandfhaften von Muhrmann, Bilder, die fid) gegenfeitig ans-
zufihließen feheinen. Andererfeits gewährt es einen Reiz, jo viele bedeutende
Riinftler nebeneinander zu feben und ihre Werke auf die Rivalität in Rraft
und Wirkung, in Mache und Inhalt zu vergleihen; unter welden Befihts-
punften man aud) moderne
Meifter wie Dagnan=-Bou-
veret (Kopf einer Bretag-
netin), Dillegas (Mauren-
juftiz), Boldini (landfhaft-
lihe Skizze) beurtheilen mag,
man wird immer darauf Zurüd-
" fommen, daß eine ftarfe Per-
[Snlicfelt über alle auh dte
beften und feinften Effekte den f
Sieg davontragt. Jn Hans
Thaulow begegnen wir einer ff \
folchen PerfSnlidfeit, die ftark
und unabhängig genug ift,
eine eigene Sprade zu reden.
Die landfhaftlide Stimmung
wird ihm zum Ausdrud feines
i A
unendlid reiden foloriftifden fi URON
Empfindens und in diejem 3 PA
Sarbenflang giebt fidh der j Ak
Inhalt feiner Bilder fo einfach Bi A
und padend, wie es nur der
fouveränen und fpielenden Be-
handlung möglich ift, mag der
Riinftler nun Mondfdein oder hed
Tageslidt fcildern, mag er l i
uns das feidte Flußbett bei Š ? yà
einer Mühle oder einen moder- zn Key
nen Hafenquai mit Roblen-
waggons und Dampftrabnen
vor Augen führen. — Die i
Landfhaften der Holländer = ne hes
Banfema und Hagemans
fönnte man Meifterwerfe nn. x
nennen, wenn fh nide in ( N
ihnen allzufeht die nationale — He.
Tradition ausfprähe. Maris ir
und Mauve haben uns beinab
dasfelbe und früher ansge-
drüdt.
Die Deutfhen find dies-
mal bei Schulte etwas ftief-
mütterlih behandelt. Außer
dem altmeifterliben Stillleben von A. Runz, einem Jöyll von Rnaus
tritt nur Lenbad mit bedeutenden Leitungen hervor. Das Bildnif des ge-
feierten Mommfen, den er von vorn mit über die Stirn emporgefhobener
Sélicion Rops.
Ein feltener Sifd.
Deutfhe Runft.
Brille aufgefaßt bat, fheint in Blit und Haltung die Charafteriftif des
grübelnden in ih verjunfenen Gelehrten zu erjchöpfen.
Vor allen Ausftellungen it der Salon Burlitt feinem urfprünglicen
vornehmen Charakter treu geblieben. Man befindet fic in einem eleganten
Gefellfhaftszimmer, man wird nit von Bildern erdrüdt und wird nicht durch
allzuviele Eindrüde verwirrt. Das Originellfte anf funftgewerblidem Gebiete
find obne Zweifel die Erzeugniffe der New-Vorfer firma L. Tiffany,
welde es verftanden bat, aus Blas Prunfjtüde herzuftellen, die aus einer
Märchenwelt zu ftammen feinen und an phantaftifher Schönheit, Pradt,
Farbenglutb und Glanz mit
den üppigften Blumen der
tropifchen Ylatur, mit fhillern-
den Schmetterlingen und
Mufcheln wetteifern.
Die Bildergalerie bei Bur-
litt fegt fid aus bervor-
tragenden Werfen zufammen,
die im legten Sommer in
Dresden und Denedig Auf-
\ feben erregten. Dazu fommen
nod einige intereffante Ar-
beiten bekannter Meifter, wie
iy y \ Liebermann, Hans
NUR Z x Thoma, Reller + Reut-
pe FACT — lingen und v. hofmann.
7 a * \ Das frühlingsbild von Hof-
\ mann drüdt am beften feinen
\ Stil aus, vereinigt die Runft
A deforativen Vortrags mit
1 dem mardenbaft - fymbolifden
i Inhalt: Durdh eine fonnige
\ N 1 nod fable Friiblingslandfhaft
ARU T } fhreitet ein mit transparen-
ee tem Schleier befleidetes Weib
| und hält einen Blüthenzweig
é A. H in der Hand, während nadte
A a ' Rinder am Ufer eines Bades
f j fpielen. Die beten Stüde
der QAusftellung find ferner
eine Pietä von Bödlin und
drei Bilder von Leibl. Das
Interieur einer ländlichen
Rüde, der Ropf eines Bauern-
mäbddens, der an malerifcher,
formvollendeter Durchführung
feines Bleiben fucht, und aus
feiner Parifer Feit eine Pari-
ferin in Schwarz, ein Werk
von genialer Yobleffe und
wudtigem Dortrag. Daneben
verblajfen die italienifchen mit
beftechender Tednif gemalten
Bilder von Fex308 Ciardi, Signorini und Salvetico, thre Virtuofitat
erjcheint äußerlih und talt gegenüber der feelifh vertieften Tonempfindung
des deutjchen Meifters. Rarl Rrummader.
Die Berliner Böclin-Ausftellung.
Siehe „Deutfhes Wodenblatt Nr. 50.
© ie Reihshauptftast bat fih Sen
oe gegenüber gemwohnbeitsgemäß suriidbaltend gezeigt. Die
a Ausftellung feines ,„Werkes* in der Akademie der
Riinfte ift fpat und unter befonderen Schwierigkeiten zu
Stande gefommen, aber fie bedeutet einen Erfolg von nad-
baltiger Wirkung. Gn den dunklen Sälen fihieben fid Taufende
an einer impofanten Reibe von faft hundert Bildern eines
Künftlers vorüber, den falfh oder halb verftanden zu baben,
nod immer einen Gewinn bedeutet, weil man fid wenigftens
Bödlinhuldigungen
daran gewöhnt, ih mit dem DVerfteben eines Malers überhaupt
Mühe zu geben.
Eine fritifhe Würdigung Arnold Bödlins ftößt auf fier
uniiberwindlide Schwierigkeiten. Don feiner Perfon auszugeben,
ift undanfbar, da fein Cebensgefhid fid) von den unumgäng-
lihen Hungerjabren unbemittelter Riinftler abgefehen, überaus
einfach vollzogen hat und zu feinen Werfen faum in eine er-
fennbare Beziehung tritt. Auch das alte „Sage mir, mit wem
Du umgebft und id will Dir fagen, wer Du bit“ findet auf
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he
`
ibn nur befchranfte Anwendung. Wenn er bei dem Düffeldorfer
Johann. Wilhelm Schirmer in die Lehre gegangen ift, fo bat er
dodh das Lehrbare bald vergeffen und man fann mit demfelben
Rechte Holbein d. J. und einen Theil der vlämifchen Meifter des
16. und 17. Jahrhunderts feine Lehrmeifter nennen, wie irgend
einen feiner älteren und jüngeren Zeitgenoffen. Er, der poetifchite
„ler, theilt mit Adolph Menzel, dem profaifchften unter den
a die Eige ichPeit, weder zu den Füßen eines
zu haben. Einfame
em eigenartigen
| at der
©
Bou.
einem g
und pfeift ñ
Naturlieð. Neben
iiber einem Yotenbeft,
Flotow. Das Ganze ift in
gehalten, aber fhon voll fieghafte
föftlih, wie die Amfel mit weit geöjfne
furrirende Waldungethiim anfcpreit, während Note
an der Erde ihre ftumme Spradhe reden.
Dann fommt die erfte Romfabrt mit ihren materi
Sorgen und ihren ideellen Freuden, in der gliidliden Derbindun
mit Angela Pascucci ihren Abfchluß findend. Der Vertehr mit
Dreber und Anfelm Feuerbah bringt mandhe Anregung, aud)
die römifhe Landfhaft bleibt niht obne Einfluß: Aber das
halbe Dutzend italienifher Studien, das die Berliner Aus-
ftellung enthält, zeigt dod) immer nur, wie Bödlin aud bier
der Wirklichkeit gegenüber fi feine Selbftftändigfeit wahrt und
fih urh Liht- und Farbenfülle nicht blenden läßt. Da ringt
ein Etwas nad Ausdrud, das fih feine eigene Sprade fudt
und den Außendingen ein Perfönlihes aufzwingen will, Gn
diefen Experimenten fann man bald ein Stüd von Dreber mit
einem leifen Stih ins Heroifche, bald ein foldes von Aden-
bad und Flamm entdeden. Aud) Feuerbadh’s Einfluß ift zu
erfennen, in Röpfen und im figürlihen, am meiften vielleicht
in dem rührend einfahen Bilde, das den Künftler mit feiner
jungen frau mit verfhlungenen Händen in einem Garten
wandelnd darftellt. Den Beiden ift’s fiher zur Feit nicht eben
glänzend gegangen, aber fie find entfchloffen, Alles mit einander
zu tragen, Luft und Leid.
Die reiffte Frucht diefer Heit ift der „Pan im Scilfe*, der
dem Künftler in München feinen erften Erfolg bringt. Jm Rohr
verborgen lauft der ungefhlachte Naturgott dem Rauchen der
Wellen in den Halmen, um es nadhzuahmen auf funftlofer
Syring. Das Bild wird Surdh die Zeit feiner Entftehung zu
einem fymbolifhen Markftein Böcklin'ſcher Naturanſchauung.
Denutfhe Kung. 127
Schüdtern und taftend wagt fih feine anthropomorphifhe Dar-
ftellung der Stimmungslandfhaft hervor, um fih dann plößlid
jieghafte Bahn zu bredhen im Panifhen Schred. Da taucht der
gefpenftifhe Waldgott über einem Felsblod auf, und fein
gehörntes Bodsgefidt jagt den Hirten in die Fludt über Stod
und Stein den felshang hinab. Das ift fhon der ganze
groteste Humor, der Bödlin die Natur mit einer ausgelafjenen
Schaar von Drittelwefen erfüllen läßt, Gott, Menfd und Thier
zugleih. Mit diefem Bilde fteben wir nun mitten in der
Weimarer Zeit, die zwar nur zwei Jahre dauert, aber immerhj
Bi chet eet a IA TTi rtiae Runftid he
9
diefer `
Einflüffe waren ja ® ov ebr vie
Intereffantes, namentlid Im Munde Soans, der, wie gefagt,
außerordentlid fharfjinnig war und eine Mafje von Erfahrungen
über die alten Meifter befag.“
Aus diefem Urtheil Cenbach's läßt fih zweierlei entnehmen,
Saf ibm Bolin imponirt und saß er ihn mißverftanden hat,
wie es denn einem Riinftler von fo ausgeprägter Individualität
oft paflirt, daß er ih in die Eigenart eines Runftgenoffen nicht
bhineinzudenten vermag. Bödlin hat weder „mit Rembrandt
angefangen“, nod ift er auf jvmbolifhen Ab- und Umwegen
„nah und nad der Bödlin geworden“. Er it ausfchlieglic)
aus feinem felbftberrlichen Derhdltnif zur Natur zu begreifen,
deren Stimmungen fih ibm in ernfthafte und drollige Sput-
und fabelwefen umfeten, die er mit einem Gran des echten
Humors gemifht meift der römifch-bellenifhen Halbgötterwelt
nachbildet.
Wenn wir recht berichtet ſind, hat Böcklin eigentlich niemals
eine Landſchaftsſtudie über das Stadium einer Skizze zu
Erinnerungszwecken hinausgetrieben. Die Nachbildung der Natur
genügt ihm nicht, er ſchafft, von der Anſchauung angeregt, ein
Neues, Gleichwerthiges, mit Weſen von ſeinem Weſen Belebtes.
Dieſes ſouveräne Neuſchaffen iſt es, was ihn dem Verſtändniß
——— 4——
Neuerwerbungen
der Berliner ftaatlichen Kunftfammlungen.
Die Rgl. Bemäldegalerie wurde bereihert Surh zwei hervorragende
Erwerbungen, das Portrait eines jungen Mädchens aus der Mitte des
15. Jabrbunderta, wahrjheinlid von Domenico Veneziano berrühtend,
und das duch Charakteriftif und Einfachheit der Malweife ausgezeichnete
Männerbildniß von H. Holbein ò. J. Dem Raifer Friedrid-Mufeumsverein
wurde iiberwiefen und vorläufig in die Rol. Galeriefammlung eingereibt:
das Bildnif eines alten Mannes von Hans Memmling und der Studien-
fopf eines jungen Juden von Rembrandt.
Als Neuerwerbungen für die Sammlung der Skulpturen find als die
widtigften hervorzuheben zunähft ein Bejhen? des Herrn v. Rühlmann,
Brudftiide eines fpätgriehifhen Sarkophages. Fm Runfthandel wurden
erftanden: fehr werthvolle Theile einer Relieffolge, die als Shmud einer
Bafis verwendet gewefen fein mögen. Cine vollftändig erhaltene Platte zeigt
eine Entführungefzene:
nad einer flichenden Fran, während ein Fleines Madchen ruhig Sabet fteht.
Auf einer zweiten Platte flea zwei Männer in naddenflider Haltung auf
SFelfenfigen einander gegenüber, daneben ein dritter von ihnen abgewendet.
Unmittelbar anfhließend war wahrfheinlich die dritte nur theilweife erhaltene
Platte, auf der zwei Männer fihtbar find. Die Motive finden durchweg ihre
Analogien in den Werfen aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts. Die
Arbeit ift überaus gefdhidt und leicht, mit einem Anflug arhaifher formen-
auffaflung, weift aber leider überall ftarfe Derlegungen auf; namentlid fehlen
die Ropfe, die faft alle einmal modern ergänzt waren. Weiter wurden —
ebenfalls im Runfthandel — ein vortrefflih gearbeiteter männlicher Torfo mit
ungewöhnlih fhön erhaltener Oberfläche erworben, der ftiliftifch den Pergamons-
Skulpturen nabe fteht und ein nadter Frauentorfo, eine bas Haar aufbindende
Aphrodite darftellend, eine Arbeit von feltener Güte.
Die Sammlung von Bildwerfen aus der driftliden Epode
wurde dSurd eine betradtlidbe Anzahl werthvoller Gejdente vergréfert. Ein
bedentendes Runftwerf wurde dec Sammlung von Heren James Simon
gefhenkt, nämlih das Modell einer nadten mannliden Standfigur von
Antonio del Pollajuolo. Die herbe Behandlung, die fcharfe Betonung
des Anatomifhen, namentlid der Muskulatur, die Uebereinftimmung der
‚Formenbehandlung, befonders der Kopfbildung mit derjenigen dee einzigen
beglaubigten Bronzegruppe des Meiftere, die das Mufeo Nazionale in Florenz
befitt, läßt die Autorbeftimmung zweifellos erfheinen. Jn der fiheren Haltung
und der energifhen formengebung ift das in Blei gegoffene Modell ein
fleines Meifterwerf, das der Rünfller eigenhändig an einzelnen Stellen mit
dem Mefjer nachgearbeitet bat, obme es ganz zu vollenden. Trok des altliden
und bafliden Gefidtsfdhnittes fdheint Paris dargeftellt zu fein, der in der
linten Hand den Apfel hält, in der zue Schulter erhobenen Rechten aber einen
— jegt abgebrodenen — Stab, den wir uns furz und oben gebogen vor
zuftellen haben, wie ibn die Hirten häufig auf antifen Darftellungen tragen.
Durdh Zuwendung von Bönnern, weldhe nidt genannt zu fein wünfchen,
empfing die Sammlung außerdem zwei Perlmutterreliefs. Eine Anbetung der
Rönige in Rund, anfcheinend eine Arbeit des Yiederrheins aus der Zeit um
1450 und das forgfam gearbeitete Portraitrelief des Nürnberger Patriziers
Martin Haller. ferner ein Räfthen, deffen Dedel und Seitentheile in den
eigenartig verwendeten Reliefs Peter Fldtner's befteben. Endlich wurde
die Sammlung der Barodbildwerfe Surh ein Gefdenf eines Ungenannten
bereichert, ein bemaltes Thonmodell einer Madonnenftatue, die als eine gute
oberdeutfhe Arbeit aus der erften Hälfte des IS. Jahrhunderts zu bezeichnen ift.
Ein Mann bebt eine frau hod, ein zweiter greift"
Ale) a. |
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MS
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Weitere nit minder bedeutende Stüde flofien der Sammlung zu durch
den Raifer friedrich-Mufeums-Verein in Sen Statuetten des fogenannten
Gladiators von Bertoldo und eines fih Fafteienden Hieronymus. Das
legtere, wahrfheinlih paduanifhen Urfprunges, harakterifirt fih Surh fräftige
Formengebung und forgfältige Durchführung des Nadten. Ferner gehören in
die Reihe diefer Zuwendungen die Statue eines franzöfifchen Königs, wahr-
fheinlid von dem Portal der Kathedrale zu Rouen, eine Arbeit des 15. Jahr-
bunderts; ein glafiertes Thonrelief der Maria mit dem Rinde in Halbfigur
von Luca della Robbia, aus einer englifhen Privatfammlung ftammend,
und ein weiß geténtes, theilweife vergoldetes, Fleines rundes Studrelief,
Maria mit dem Rinde auf blumiger Wiefe, von zwei Engeln verehrt, von
einem Nachfolger Donatello's um 1440.
Die Erwerbungen des deutfchen Kunftvereins und
des Dereins der Kunftfreunde im preußischen Staate.
eber die Rührigkeit und den allgemeinen Charakter eines Runftvereins
geben die jährlihen Ankäufe für die Derloofung den beften Auf-
O fhluß. Es ift anzuerkennen, daß der Derein der Runftfreunde im
preußifhen Staate, der den verfdiedenften Befhmadsrihtungen Rechnung
trägt, auh Sen modernen Beftrebungen die Chore geöffnet bat. Davon
zeugen die werthvollen Erwerbungen einer Rreidezeihnung von A. Menzel
(Profil einer Dame im Pelzbarett) jowie einer virtuos behandelten farben-
ffizze von M. Liebermann, einen Arbeiter im Roblfelde sarftellend.
Don den 3ablreihen Landfdaften feien hervorgehoben ein poetifih
empfundenes und [luftig gemaltes Waldinterienr von Flidel; zwei Marinen
von Salzmann, heftig bewegte Szenen auf hohem Meere und an der Küfte
Helgolands; die italienifhe Landfhaft it duch Pape, Drefler und
Poffart vertreten. Engelhardt führt uns auf einen von figuren und
Bemfen belebten Bebirgsfamm, Wiffinger- florian in eine ftimmungs-
volle bherbfilide Allee. Hofmann von fallersleben bringt ein Winter-
bildhen und Rummelspadher eine gefhidt fomponirte Flußlandfhaft von
ausgefprodener Romantif. Frenzel’s Thierftüd, Riihe am Ufer, it mit
bewundernswerther Delifateffe behandelt. Ein launiges Genrebild ift Sie
Bärenfamilie von Wagner. Unter den Figurenbildern verdienen befondere
Beadhtung das Seeger’jhe Liebespärhen aus der Biedermeierzeit, das fidh
in der Waldesftille fo fittfam mit Dorlefen erfreut, ferner eine Menuettfzene
von Grotemeyer. Hur Vervollftindigung der. Sammlung wurde eine
Bronze von Schmidt angekauft, zwei Rehe in graziöfer Bewegung, fowie
das werthvolle Ylietenblatt, weldes in einer Radirung mach dem befannten
Rembrandl'ſchen Selbftbildnif beftebt.
Der deutfhe Runftverein zeigt nad wie vor, daß er, innerlid) gefraftigt,
feiner Aufgabe gewahfen ift. Die in diefem Fabre angefauften Runftwerfe
fteben bod) über dem Niveau eines oberflählihen Befhmades.
Das Genrebild von O. Ped ,,Waifenmaddhen in der Kirche erinnert in
dem feinen gedämpften farbenflang und der freien malerifhen Behandlung
an die beften modernen Hollander, ohne daß die Eigenart des KRünftlers zu
beftreiten wäre. Eine in jeder Beziehung hervorragende Leiftung ift Scheuer-
mann's „grauer Tag im Dorfrühling“, ein Bild, das offenbar vor der
Natur gemalt ift, aber in feiner ganzen vornehmen koloriftifhen Empfindung
niemals mit einer Naturftudie verwedfelt werden darf. Gm fhroffen Begen-
fat dazu bringt die Hamader'fhe „Hafen-Einfabrt ein momentanes
Erlebniß, eine Phafe von blikfdnell aufeinander folgenden Yaturftimmungen:
das blaue, gligernde Wafler, der an der Brandung empor(prikende Bifcht
Profeffor War Kod, Fries fiir einen Gerichtsjaal.
und binter düftern Häuferfilhouetten ein fhwerelgelber Whendhimmel, an dem
die zerfeßten Wolfen vorüberfaufen. Alles ift mit Temperament empfunden
und mit Bravour bhingeftriden. Einen anheimelnden und zugleih impofanten
Eindrud maht Reller's - Reutlingen ,,Warflbreit’, eine Wusfidt auf das
fränfifhe Städthen, das der Rünftler fo poetifh bei einbredender Dunkelheit
mit weiden tiefen farbenalforden, wie fie den modernen Müncnern eigen,
gefhildert hat. Das rötlihe Lampenlict, das aus den Fenfterhen der hoben
Giebelhdufer herworbridt, wirft überzeugend und Ffeineswegs aufdringlid.
Rarl Langhammer bringt ein reizvolles Landfhaftsbilddhen, betitelt „aus
der Mark. €s ift weniger der Charakter des märkifhen Landes, der uns
bier entgegentritt, als ein Beleudhtungseffett mit ftimmungsvollen Begenjägen.
Ftdhlide Sonnenblide wedfeln mit Wolfenfchatten, wirfungsvoll hebt ih
das dunkle Bebüfh von dem zerflüfteten Himmel ab.
Erwähnenswerth ift nod ein flottes Aquarell von Carlos Grethe
(Schiffsfzene), ferner die Anfiht der Rathedrale in Brügge von Hausmann
und ein Waldinterieur von Flidel, alles gute Bilder, deren malerifche und
tehnifhe Qualitäten nicht zu verfennen find.
Auch die Plaftit it würdig vertreten und mehr berüdfihtigt, als es fonft
bei Derloofungsanfäufen zu gefhehen pflegt. Ludwig Mangzel's Genius
des Ruhmes, der eine Bronzetafel mit dem Reliefportrait Ratfer Wilbelm’s I.
hält, ein gediegenes Runftwerf von monumentaler Wirkung, ift in drei
Eremplaren angefanft worden. Dazu gejellen ih nod der fraftvolle Bogen=
fhüge von Uphues, die Büfte einer träumerifh in fic verfunfenen Frau
von Janenfd, fowie ein Madden mit dem Schmetterling von Latt.
Don den Werfen graphifcher Runft wurden vier Nlappen mit den dies-
jährigen Radirungen der Worpsweder Kolonie erworben, deren Eigenart
ja feiner fiirfprade mehr bedarf. Overbed und am Emde haben es am
beften verftanden, uns den großartigen, f[hwermüthigen Charakter der Moor-
gegend vor Augen zu führen. Madenfen's Titelfopf ift eine aus-
drudesvolle Portraitftudie, Dogeler's „Lärhen‘ verrathen Gefthmad und Ér-
findungsgabe. Reiner der Worpsweder wandelt in den Bahnen der Ueber-
eferung, Reiner läßt ih vom Anderen beeinfluffen. Ob aber gerade die
Radirung bejonders geeignet ift, ihrem Lünftlerifhen Wollen Ausdrud zu
verleihen, mag gegenüber einzelnen tehnifhen Unzulänglidfeiten dabin-
geftellt bleiben.
Als Prämienblatt für die beiden Fabre 1896 und 1897 wählte der Aunft-
verein zwei Aupferftihe von Rriiger nad den mufizirenden und fingenden
Engeln aus dem Genter Altarwerk des van Eve.
Die Radirungsmappe des Münchener Kunftvereins.
Der Mündener Runftverein bringt feinen Mitgliedern diefes Jahr als
Befchen? eine Mappe mit Radirungen, die gewiß mandem willtommener find,
als die fonft üblihen Prämien, die großen Stihe. Dielleiht Pann aud diefe
Babe dazu beitragen, das Derftändniß für die Schwarze und Weißkunft und
im Befonderen für die Schabfunft zu fördern, weldhe ja in Deutfhland nur
ganz vereinzelt gepflegt wird. Die fieben Blatter der Münchener Mappe
zeigen erfrenlihe Leiftungen. Prof. Holm giebt die Anfiht des Mymphen-
burger Ranals mit einer Brüde und im Dordergrunde eine Allee von bohauf-
ragenden Baumriefen. Die Behandlung des Sonnenlidtes, das Durdeinander
von Lidt und Sdhatten auf den didten Laubmaffen und den breiten Räumen
ift mufterbaft in Einklang gebraht mit der einheitlihen Fledenwirfung des
Bildes. Die Abendlandfhaft von Ubbelohde bietet ein einfaces aber mit
großer Feinheit gewähltes Motiv. Die diifteren Baumgruppen, die in den
Tiefen Iuftiger behandelt fein könnten, der fhmale Lichtftreif an dem getonten
Himmel und das fließende Wafer befunden ein entwideltes koloriftifhes
Empfinden. Gn einem anderen Blatte von Ubbelohde, von hohem poetifchem
Stimmungsgebalt, gelangt eine ausgedehnte Thalmulde zur Darftellung, über
weldhe fih phbantafifhes Bewölf zufammenballt und wieder zerfließt. Die
Behandlung ift aud bei diefem Bilde eine febr malerifche, läßt aber hin-
fihtlih der Unterfchtede von Nah und Fern zu wünfhen übrig. Otto
Reitel's Motiv, Aübe im Flußbett, ift nicht gerade überrafchend, aber eine
tiihtige, auf farbige Wirkung abzielende Arbeit, die nur in der Unterfheidung
des Stoffliden nod eine Steigerung zuließe. Zwei weitere Radicungen von
malerifher Qualität haben den Riinftler C. Th. Meyer-Bafel zum Autor;
die eine giebt ein Bauerngehöft wieder, deffen Vordergrund eine Wildnif von
Gras und Straud bildet, die andere eine flußebene mit pifanten Baum- und
Häuferfilhouetten. Das letzte Blatt von Hans Meyer-Laffel, ein Schiff
im Hafen mit aufgezogenen Segeln darftellend, weift alle Vorzüge und
Nadtheile der Aquatinta-Tedhnif auf; die ganze Erfcheinung ift indeffen frifch
und lebendig und bejonders der zitternde Waflerfpiegel mit feiner Empfindung `
wiedergegeben.
Ein deforativer Fries von Profeffor AT. Kod.
Unter den Entwiirfen, die Profeffor Rod fiir die Jnnenraume des Reihs-
gerichtes in Leipzig lieferte, befand fih der oben abgebildete Fries. Leider
erwies fih die Ausführung als unmöglid, da es an der betreffenden Wand
an dem nöthigen Licht fehlte. Wir glauben der heimifhen Runftpflege einen
Dienft zu erweifen, indem wir auf diefen Entwurf binweifen, der einem ähn-
lien öffentlihen Bebäude um feines ernften Motive, wie um der virtuofen
Raumfüllung willen als fünftlerifher Schmud dienen fönnte. Es ift eine
Folge von Scenen, die Sünde und Strafe, Reue und Vergebung im Anjhluß
an die chriftlihe Religionsanfhauung verkörpern. Um den Baum der Ér-
fenntnl§ windet fid, ans Blumen fih aufbäumend, de Schlange. Auf das
Schwert geftiigt, mit ftrafend gehobener Hand vertreibt der Engel das erfte
Menfchenpaar, das fih in banger furdt in die Waldeinfamkeit rettet. Reunig
naht üh die Schaar der Biifer dem Erlöfer, in deffen Schooß ein jugendlicher
Sünder fein Haupt birgt, während ein Engel über ihm das Kreuz erhöht, und
über den Regenbogen fort führen die Himmelsboten den Reuigen der göttlihen
Dergebung entgegen. Die fhön ausflingende Bedankenfolge fließt Lüdenlos
zufammen und erjceint für eine Stätte der Rechtspflege gerade um ihrer ver-
föhnlihen Tendenz willen befonders geeignet. Gn ruhigen Farbentönen
gehalten, in den Konturen farf umriffen, hält die ganze Rompofition die
rechte Mitte zwifchen felbftändiger Darftellung und deforativem Schmuditüd.
Sie wirkt in ihrer forrefpondirenden Dreitheilung rhythbmifh, ohne in lang-
weilige Symmetrie zu verfallen.
Berlin. — In der Reihehauptftadt beginnt fih der opferwillige Runftfinn
erfreulich zu regen. Befonders für die National» Galerie bat die neue
Direftion das ntereffe wadh zu rufen verftanden. Jhr ift aus dem Nadlaf
des Dichters Emil Rittersbaus fein von Ludwig Anaus in Rreide aus-
geführtes Bildnif zugefallen. Als Dermädtniß der Frau Baronin von Wit-
leben geb. von Normann erhielt die Sammlung S Oelgemalde: Zwei Bilder
von franz Krüger „Raifer Wilhelm I. als Prinz zu Pferde‘ und „Pferde
im Stall", von Georg Bleibtreu das Bemälde „König Wilhelm vor
Sedan, von TCampbanfen „Ftiedrih der Große mit feinen Generalen“,
ferner „Pferde auf der Weide" von T. Shmitfon, „Der erfte Bebverjud‘‘
von Eduard Meyerheim, „Spreewald im Winter von Eduard Hilde-
brandt und „Waldblöße" von G. Munger. Der Beh. Rommerzienrath
Pringsheim überwies der Galerie eine Marmorbüfte Seiner Majeftät Raijer
Wilhelms I. aus dem Fabre 1876 von J. von Ropf, und der Rünftler felbft
fügte eine Marmorbüfte Ihrer Majeftät der Raiferin Augufta hinzu. Als
weitere Schentung Berliner Runftfreunde erhielt die Nationalgalerie endlich
nod) ein hervorragendes Werf von J. f. Millet, das 1870 gemalte Bild
„Novembre.
VE Et ye —
Profeſſor Max Koch, Fries für einen Gerichtsſaal.
Auch eine größere Plakat-Ausſtellung ſteht uns bevor, und
zwar als Sonderabtheilung einer Ausſtellung typographiſcher Erzeugniſſe im
nächſten Frühjahr. Die Ausſtellung dürfte eine Ueberſicht der Fortſchritte auf
dem Gebiete des öffentlichen Plakatweſens bieten und ein Bild der Cin—
bürgerung der künſtleriſchen Plakate in Deutſchland geben. Daneben ſollen
die neueſten Methoden der verſchiedenen Vervielfältigungsverfahren, endlich die
Neuheiten auf dem Gebiete der Schriftgieferei, Budausftattung und Holz-
feneidefunft zur Ausftellung gelangen.
Inzwifhen wird an dem fünftlerifh - patriotifhen Schmud ber
preugifhen Hauptftadt in der Siegesallee unentwegt weiter gearbeitet.
Profeffor Reinhold Begas ift eifrig mit feiner Aufgabe befhäftigt. Der
Meifter hat das Standbild des lekten Aslaniers, Markgrafen Waldemar
(1508—1319), auszuführen. Diefer Hauptfigur werden die Biiften von
Siegfried von Feuchtwangen und Heintih Frauenlob beigegeben. Feudt-
wangen war Hodmeifter des Deutfhen Ordens, und Heinrih Frauenlob
(1250—1318) ił der befannte Minnefänger. Er fommt wohl zu der Ehre der
plaftifden Darftellung, weil er aud ein Preislied auf Waldemar, den ritter-
lihen Turnierhelden, verfaßt hat. Markgraf Waldemar hat übrigens fon
an der Mühlendammbrüde von Unger's Hand ein Denkmal erhalten, es wird
nun intereffant fein, zu vergleihen, welhe Auffaffung Profeffor Begas feiner
Sigur geben wird.
Münden. — Gn der Runftgenoffenfdhaft macht ih mehr und mehr
das Gefühl der Zufammengehörigfeit bemerkbar. Ja man beginnt fogar,
fih nadh all! den internationalen Deranftaltungen auf feine nationalen Auf-
gaben zu befinnen. Die im Arzberger Keller abgehaltene, ſehr zahlreich
befudte außerordentlihe Beneralverfammlung befhäftigte fic) ausfmlieflid
mit der Geftaltung der Jabresausftellung 1898. Nadh Eröffnung der Ver-
fammlung durh den ftellvertretenden Präfidenten Hans Peterfen wies der
Präfident Dr. von Lenbah darauf bin, daß die feit dem Jahre 1888 all-
jährli im Blaspalafte veranftalteten Ausftellungen durchgehend den Charakter
internationaler Ausftellungen hatten. Es fei nun wohl an der Zeit, bierin
eine Aenderung eintreten 3u laffen, folle niht das nterefje der Riinftler wie
aud des Publifums an diefen Deranftaltungen erlabmen, welche fclieflid
teinem Schematismus zu verfallen drohen, wenn bier nidt Wandel gefhaffen
werde. Die Berehtigung diefer ausführlih begründeten Anfhauung wurde
allerfeits anerkannt, nur über die Art und Weife, wie eine Aenderung erzielt
werden follte, gingen die Meinungen auseinander. Nadh ausgedehnter Debatte,
in welder verfchiedene Anträge zur Disfufjion famen, wurde entfpredhend
einem Antrag aus dem Plenum einftimmig befdloffen: „Die Gabres-
ausftellungen find deutſche Ausftellungen mit Zulaffung auslindifder
Rünftler.“ Wir begrüßen diefen einftimmig gefaßten Befhluß mit um fo
größerer freude, als wir feit der Begründung der „Deutfhen Runft* es als
unfere Hauptaufgabe betrachtet haben, den durd die Preffe begünftigten
internationalen Runftfhwindel in die ihm gebiibrenden Schranken zutüd
zu weifen.
Dresden. Die Generalverfammlung des Sadfifden
Runftvereins in der Aula der Runftafademie gab ein erfreulihes Bild der
Wirkfamteit des Vereins. Dec Dorfizende, Braf Otto v. Pigthum, erftattete
den Jahresberiht. Er bemerkte, daß der Runftverein, trog der vielen An-
griffe, denen er ausgefett fei, 3. B. weil er nicht jedem Rünftler feine Werke
abkaufe, weil feine Ankäufe und ausgeftellten Aunftwerfe den Aunftliebhabern
nicht gefielen u. dergl. m. fi doch entwidele, an Mitgliedern zunehme und in
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136 Deutfde Runft.
diefem Fahre trog der internationalen Ausftellung an Eintrittsgeldern 6000 M.
eingenommen babe. früher hätten die Eintrittsgelder hödftens 1500 M. er-
geben. Die Einrihtung der billigen Sonntage babe fid bewährt. Der Ge-
danke eines Zufammenfhluffes aller deutfhen Aunftvereine, den
der Sähfifhe Aunftverein erftrebt, ift wefentlih gefördert worden, Eine ge-
meinfhaftlihe Befhäftsftelle der deutjchen ARunftvereine wird gefchaffen werden
fönnen, wenn bis zum J. April 1898 mindeftens 12 deutfche Runflvereine mit
einem Gefammtbeitrag von 5000 M. den Sakungen betgeftimmt haben. Der
Dorfigende theilte ferner mit, die Staatsregierung habe ibn erfudt, dem
Runftverein zu eröffnen, daß fie die in Vorbereitung begriffene deutfhnationale
Runftausftellung in Dresden (1899) unterftiige und empfehle; die Staats-
regierung rehne auf eine möglihft vollftändige Befhidung der Runftausftellung
duch fadfifhe Riinftler. — Hierauf wurde den Anträgen der Redhnungs-
prüfer gemäß das Rehnungswert des Aunftvereins richtig gefprodhen; der
Antrag des Dorftandes, für die beiden Jahre 1899 und 1900 zufammen ein
einziges Runftblatt auszugeben, wurde abgelehnt und nad dem Antrage des
Bildhauers Rafhau befhloffen, wie bisher ein Heft von Runftblättern aus-
zugeben, doch foll an die fähfifhen Riinftler eine Aufforderung ergeben, üh
3u bewerben. Die Neuwahlen ergaben von 145 Stimmen fiir Graf Vigthum
142, für den Oberbiirgermeifter Beutler 158; von Rünftlern wurden Maler
Stagura mit 129, Bildhauer Baeumer mit 128, Hiftorienmaler Afr. Dierde
mit 113 Stimmen gewählt. Dr. faul, Stadtrath Dr. Bierey und Architekt
Reuter wiedergemablt. — Zum Schluffe nahm man den Antrag der Maler
Ritter und Gen. an, wonad fiinftig bei der Derloofung der Ankäufe des
Runftvereins ein etwas verändertes Verfahren Plaz greifen foll. Darnad
follen die Inhaber der erften 15 Bewinnnummern das Redt haben, nadh der
Reihenfolge ihrer Nummern je eins der angefanften Runftwerfe nad ihrem
Belieben fih auszufuhen. Es fommt nämlid bisweilen vor, daß Anhänger
der älteren Runftridtung ein Freilihtbild gewinnen, das ihnen unausftehlid
ift, find umgekehrt ein Freilihtfhwärmer ein Bemälde der früheren Richtung,
andern Thüre Bott Dater dargeftellt ift. Die in orpdirtem Silber hervortretenden
Darftellungen heben ih von dunfelblauem Grunde ab. Die Darftellung des
b. Geiftes befindet h auf einer die Schlagleifte zierenden Rofette. G. Her-
meling bringt des weiteren eine für die St. Apoftelfiche bejtimmte Monftranz
zur Ausftellung, die trotz; des großen mädtigen Aufbaues das verhältnif-
mäßig geringe Gewicht von nur 14 Pfund hat. Der Fuß entwidelt fih aus
einem Dierpaß, in dem Niello-Darftellungen angebradht find. Der Modus
ift in reicher Filigran-Arbeit gehalten und der Schaft mit Emails verziert.
Um den aus einem Bergfryftall beftebenden Cylinder, der die Lunula
enthält, baut fih der viertheilige Obertheil auf. Die Rrone wird von vier
Strebpfeilern getragen; auf den Eden ftehen getriebene Heiligen-figuren, und
zwar die bh. Jofeph, Heribert, Katharina und Barbara. Der fuppelartige
Abſchluß bewegt ih, wie das Ganze, in ftreng romanifhen Formen und ift
reid) mit Emails, filigran und Edelfteinen geziert. Die oberfte Spike ift
dem Abfhluffe der St. Apoftelfirde nadhgebildet und endet in eine mädtige
tomanifhe Areuzblume, aus welder eine Maladitkugel hervorwadft, Am
oberen Auffatze finden wit nod) vier Email-Darftellungen: Rrdnung Maria,
Anbetung der Weifen, Geburt Chrifti und die DVerfiindigung in wunderbar
garter Ausbildung, die, wie die vier Cherubine, die den Uebergang von den
Strebebögen zu dem RKeypftall-Cylinder bilden, geradezu Meifterwerke der
Emaillirkunft find. Die zwölf Apoftel, die an einer Monftranz für die
Apoftelfiche nicht fehlen durften, find rings um die mit Brillanten ge-
ſchmückte Lunula in anbetender Stellung reizvoll angebradt. Erwähnt fei
fhließlih nod) aus der Reihe der nenausgeftellten Gegenftinde ein reich mit
filigran und Coelftei-
nen verziertes Mijjale
für die St. Remigius-
firhe in Bonn, das Einladung zum
von Gob. Diz in Bonn ae- —
gearbeitet iſt. = Abonnement =
das er nicht anfeben mag. Das neue Verfahren der Aus-
wahl der erften 15 Gewinnnummern foll bereits diefes
Jahr verfudsweife eingefiibrt werden.
Görlit. — Gn der Generalverfammlung des
Runftvereins für die Caufitz wurde zunädjft feitens des
Dorftandes der Bericht über die Periode 1896/1897 erftattet.
Aus demfelben ift hervorzuheben, daß die Ausftellung
diesmal in anderer Weife ins Leben gerufen werden
mußte als bisher, wo nur eine Auswahl unter den, im
Cyflus der oftelbifden Runftvereine furfirenden Bilder zu
treffen war. Es ergingen Aufforderungen an Riinftler-
[haften und einzelne Rünftler. Don erfteren haben fidh die
Dresdener Runft- Genoffenfhaft und der Ausfteller-Derband
Miindener Riinftler forporativ betheiligt und find deren
Werte in fih gefondert vorgeführt- worden. Die Münchener
Rolleftion zeichnete fih duch forgfältige Auswahl, Ab-
wedhjelung des Inhalts der Darftellungen und gediegene
Ausführung bejonders aus. Die Verbindung für die
biftorifche Aunft war mit drei bedeutenden Werfen vertreten.
Die Betheiligung der Berliner Rünftlerfhaft war nur eine
geringe, wenn diefelbe auf der Ausftellung dennoch durd
bedeutende Werke von H. Dahl, €. Bradt, O. Frenzel,
W. Hammader glänzend hervortrat, fo ift das den Be-
miibungen der Runftbandlung von M. Lewitt, Berlin, zu
verdanken. Die Derfammlung nahm einftimmig den
Dorfhlag des Dorftandes an, der vom fähfifhen Runft-
Derein 3u Dresden ins Leben gerufenen Vereinigung
der deutfhen Runftvereine zum J. April 1898 als
Mitglied beizutreten. Zur Derloofung gelangten 12 Oel-
gemälde, 2 Bouade-Bilder, | Aquarell und 57 Werke der
nadbildenden Runft. Auf der Ausftellung und in
Folge derfelben fanden nod Ankänfe im Werthe von
7200 Mark ftatt.
Köln. — Gn der Ausftellung für Hriftlide
Runft am Dombof zu Röln hat Boldfhmied f. Å. Hellner
eine 3weifliigelige reid) emaillirte Tabernafelthiire ausgeftellt.
Diefelbe zeigt in hellblau umrahmten fiillungen auf dem
einen Flügel die Figur des Welt-Erlöfers, während auf der
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Möbel im Stil Louis XV.
Von Runſttiſchlermeiſter J. Zwiener-Berlin.
Es iſt ein eigenartiger künſtleriſcher Reiz, der von dem Mobiliar im
Stil Louis XV. ausgeht. Farbiges Holz und Metallbeſchläge wirken zu—
ſammen, um den Eindruck vornehmer Koſtbarkeit ohne Aufdringlichkeit her-
vorzubringen. Die Marqueterie der Flächen iſt überaus einfach, meift ein
disktetes Blumen- oder Linearmuſter aufweiſend, das ſich um ein weniges
heller oder dunkler aus dem Fond heraushebt. Die Metallornamente dienen
als anmuthige Umrabmung det Fladen, aus denen fle gelegentlid als Hand-
haben und Griffe bervorragen, fie marfiren die Eden und Randlinien, biegen
ih nad oben bin zu leicht tragenden Gliedern und ziehen fih nad unten
bin zu gefdhweiften Füßen zufammen. Das figürlihe wird der Spät-
tenaijlance entnommen, das Lineare aus der form tes jhmalen Scilfblattes
abgeleitet. Die Silhouette wird eine ungemein bewegte und vermeidet mit
Glüd das gerade Derlaufen des Umtifjes.
Bei dem modernen Streben, um jeden Preis originell zu fein, ift es von
Heit zu Feit angemeffen, an den viel verleumdeten Stil zu erinnern und
darauf binzuweifen, daß man nicht ungeftraft mit der Tradition von Jahr-
hunderten bridht. Der Formenfinn will erzogen fein und aft fih nicht
Toilette-Tifch, Stil Louis XV., entworfen und angefertigt für das Fönigl. Schloß, Berlin,
von Julius Zwiener,
Surh individuellen Befhmad in voller Urwiidfigteit erfegen. Da ift es mit
befonderer ‚Freude zu begrüßen, wenn Ffürften und Höfe die gute alte Ueber-
lieferung pflegen und bei ihren Beftellungen den Modegefhmad bewußt
ignoriren.
So hat fidh der Kaifer ein hervorragendes Mitglied der früheren Parifer
Runfttifchler-Kolouie deutfher Herkunft fommen laffen und übermittelt ihm
feine Aufträge für das Ameublement des Shloffes. Herr J. Zwiener if
mit feinen reihen Erfahrungen, mit gefüllten Zeihnungsmappen und forg-
faltig gefammelten Modellen nad Berlin übergefiedelt und liefert prächtige
Möbelarbeiten für die Neumöblitung der Schloßräume. Eins feiner ge-
lungenften Werte ift feine Toilette für die Rönigsfammern, die wir unten
abbilden.
Das ganze Gerdth ift nah eigenen Entwürfen gearbeitet und bietet in
feiner Zufammenftellung von foftbarem Holz, Goldbronze und Marmor ein
überaus feines Mufter des oben befchriebenen Stils. Noch anmuthiger in den
Formen erfcheint das für den Fürften Pleg von demfelben Meifter angefertigte
Theetifhchen, das fi befonders durch fein feine zifelirten Metalltheile aus-
zeichnet. Die vier graziös gefhwungenen Träger der oberen Platte enden
in Engelsföpfen, während das Blattornament der gefhweiften Füße fidh
zwanglos an den Rand anfhließt, um dann feine Ausläufer leiht an den
Ranten binunter zu entfenden. Die auffteigende
flamme an den fih freuzenden Fußleiften, die feinen
Scilfleiften an den Fladhenrandern bilden ein zier-
lihes Enfemble, das davon zeugt, mit weldem
Derftändniß h Herr Zwiener in die formenfprade
des Stiles Louis XV. bineingelebt hat.
— Das Hohenzollern - Raufbaus in
Berlin, das fih aus einem Runftgewerbemagaszin
zu einem der größten Raufhäufer entwidelt hat, ge-
währt einen Ueberblid über den jegigen Stand des
Runftgewerbes, und zeigt die Errungenjhaften
funftgewerblihen Schaffens in Deutfhland, England
und franteeih. Ueberall maht fid das Beftreben
bemerfbar, mit den bisherigen Formen zu breden
und unter Wahrung des Zwedmäßigen, Bequemen
einen neuen fonftruftiven Stil 3u fchaffen, der in teten
Linien und Umriffen feine Reize offenbart. Am meiften
fpriht fh die Thatfahe Fünftlerifher Befruchtung
in der Wobnungseinridtung und den Möbeln aus;
bei legteren ijt nad englifdem Dorbild alles
Schnörfelhafte vermieden, wie ein muftergiltiges
Buffet, ein Damentoiletten- und Schreibtifh ver-
anfhaulihen. — Gm Stofflager fanden fic) die der
Natur nadgebildeten Fladhmufter und ihre Der-
werthung für die Herjtellung gewebter und bedrudter
Stoffe. Dem Gedanfen der Dereinfahung begegnen
wir in farbigen Blasfenftern, fowie in Erzeugnijfen
der Reramif. Die ausgeftellten Dafen und Schalen
lehnen fih nit felten an Motive aus der ländlichen
Dolfstöpferei an und tragen fo in form und farbe
den Stempel großer Eigenart.
— Tie Société de peinture Italienne
pour Gobelins, Berlin W., friedridftr. 138,
madt uns mit Bobelin-Nahahmungen bekannt, die
ihrer Billigfeit wegen für deforative Jwete em-
pfohlen werden fönnen. Die vorgeführte Malerei
giebt in woblgelungener Täufbung die echten
Runftgewebe wieder, 3. B. Botticelli's Primavera,
Wattean's Part- und Scäferfzenen und Tenier's
Wirthshaus-Gntecieurs,
130
zubilden; nicht beftellt, niht des Broderwerbs wegen, fondern
aus innerem Behagen und bäuslidem Blüd entfprungen.“
„Man wird jedod aud hierbei unter dem Einfluffe der Natur,
nidt wie Thorwaldfen in einer Jmitation des Idealſtyls der
Antife verbleiben, fondern feine Originalität darbieten.“
Diejes „Darbieten der Originalität“ ift es, aus dem
Schadow's jhwantendes Derhältniß einerfeits zur Natur, anderer-
feits zur Antife zu begreifen ijt. Seine derbe Künftlernatur
fann fih mit der fiigliden formengebung Thorwaldfen’s eben
fo wenig zufrieden geben, wie mit der nüchternen Wirklichkeits-
fhilderung. Er fommt von der Tradition nicht los und fucht
Sod) bei jeder Gelegenheit die Natur /fhüchtern zu korrigiren.
Immer wieder Febrt er zum Modell zurüd und febnt fid nad
dem fonnigen Jtalien, wo es ihm leichter wurde, was er brauchte,
zu finden. „jn Rom giebt es Mädchen, deren Gewerbe es ift,
den Rünftlern zum Vorbilde zu dienen; andre, fei es aus Sitt-
Man wird immer Satuaf jute > —
ı find, geben zum St
- fommen, daf eine ftarte Per- l gen 3 Studium nur
Deutfhe Runft.
Deutfhen Gebrauche, Alima und Sitten entgegen, und alle diefe
Riegel wegzufdieben, muß Jupiters Stratagem bei der Danae
oft wiederholt werden. Bei nadenden Sadhen hab id gewöhn-
lid) vor dem eigentlichen Modelle ein befonderes Studium nad
dem Leben vorangehen lafjen, und Hände, Arme und Kopf
wieder nad einem anderen lebenden Dorbilde genommen, aus
welden Studien zufammen id nahmals das auszuführende Modell
unternommen babe.“
Man muĝ die Mappe mit weibliden und männlihen Att-
ftudien Schadow’s, die fic im Befike der Berliner Atademie
befindet, Surdblattern, um fih Savon zu überzeugen, unter
welhem Gefidtswinfel der Riinftler die Natur zu betrachten
pflegte. Er fieht gewifjermaßen in das Modell das zu fhaffende
Runftwerf hinein. Nicht das malerifhe Spiel der Lichter inter-
effirt ibn, fondern die fehöne Silhouette, der weih gerundete
Umtiß. Die Epidermis fegt fih ibm unmwillfürlid in die Tertur
òes Marmors um. Er fucht, um fih alle malerifhen Deilletäten
= o +" »Birrin. find uns zu verfagen, mit Bleiftift und Röthel der Natur fo nabe wie
Ten BTaL Sure MAR an a É oR — — alia 4 tommen, er überliftet fie, um ihr das abzugemwinnen,
ne er — an PA er für feine bildnerifhen Awede braudt. Dabei geht Surd
— — — js Schriften immer wieder die Rlage, wie felten es ibm ver
Pan Tem: begegnen wie einet d \\ t=gemefen fei,” nad dem Leben zu modelliren. ,,Gndeffen
Telgen Pernt Ste Rart id) Soc) einige von frauen gemadt, die nad) ihrem Tode
And — genug ift, iebe ibrer Gatten verfertigen ließ. Aber daß Jemand, um
eine eigene Sprade zu reden. KW y /porübergehenden Reiz weiblicher Schönheit feſtzuhalten, ſie
Die MenihaiNipe Siinmuna X wi phe armor bei mir hätte madhen laffen, ift 3u menig vor-
wile: Shek sum Ansorud felii ja Aris “smen, als daß man dies dem Beifte des Heitalters zurechnen
— ———— [$ — a te, ein Geift, der Sod der Runft fo günftig wäre. —-
Eimphutene. nnd- fn dlefen AD FLAA, lihe Büften find eine Ser fhwerften Aufgaben in der Runft;
— — | THET 3u löfen, babe ih mir immer unglaublihe Mübe gegeben.
Inhalt feiner Bilder fo einfach Aft ei Micfeit mit Anmuth zu vereinigen, in einen Moment den
ai patend, Tle reg ee SER zE j \ “3ufammen zu faflen, der im Leben durc das befeelte Be-
pomterlintie nab fplelenses Be rir 4”, Mannigfaltige ‘unendlid) vieler Momente liegt, erfordert
pablo moglie It, mag < / x : ‚rtes Runftgefühl und einen, méddte ic faft fagen, an Lift
Rünftler nun Mondfchein oder Fad fisen Beobadhtungsgeift."
ae hörten, ne ‘ i Tharafteriftifh fiir Shadow's Art des bildnerifhen Schaffens
ane: 8S ———— Pel ft fi - as er von feinem Portrait der „Demoifelle* friederife
einer Mühle oder einen moder- ' ar erzählt. :
urn. Gafengnal “mue Bopien: 2 'eßtere Büfte ift eine Statue geworden. Ein alter Schrift.
a MIO ATES RYAN > A zählt von einer Statue, wovon die eine Hälfte in Rhodus
* Angen faren =a Rie — andere in Korinth verfertigt wurde, und beide Hälften,
—— "One. "Holländer ~ a á zufammengefegt waren, ein wohl zufammenftimmendes
Sentema mo hagemsns i (ask bildeten. Die Befchichte diefer ift zwar niht ganz fo,
Konnte, man Meiſterwerte ~ * per ähnlihd. — Die erfte Intention war, ihr Portrait
BEERS, “ween DS) aie ` £ — Ste zu machen; da ſie ſelbſt nachher begehrte, die Arme
— —— sf — — a auch dabei fein, fo wurde ein Ballen Thon untergebaut,
und Mauve baben uns beinab
dasfelbe und früher ausge-
—
von dem ſpärlich einfällenden Licht geſtreift. Die Wirklichkeit
erſcheint überall gefteigert, um die Stimmung Ses Bruft-
beflemmenden, Schaucrlidhen bervorzurufen und dod bat man
nirgends das Gefiibl des Unwabrfheinliden. Aus diefer Shludt
fönnte fih rin Drade bervorwinden, und man würde das
Märdenhafte als ein in joldher Umgebung Alltägliches hinnehmen.
Eben hierher gehört etwa nod die „Ruine am Meer mit den
fturıngepeitfchten Lyprefjen. Das zerfüftete Bemäuer, die mächtigen
fih im Windanprall neigenden Stämme wurden fo niemals
gejehen, fie jind aus der Phantafie des Rünftlers geboren, in der
die Elemente gewaltiger gegen das Menfhenwert anfämpfen als
in der Wirklichkeit.
Um Siefe Ueberhöhung der Natur annehmbar zu maden,
bedarf der Meifter der märdenbaften Staffage, die er dem un-
erfhöpfliben Shat der Antike entnimmt und ummoselt nad
feinem Sinn. Die Centauren trollen zottig ruftifal dur feine
Felslandjhaften, als wäre ihre Eriftenz eben jo beglaubigt, wie
das Steingeröll, das unter ihren Hufen aufftäubt. Ihre kraft—
ftrogenden Pferdeförper erfcheinen jo natürlid, Sap man nad
ihrer Anatomie garnicht mehr fragt. Wenn fie in unbändigem
w+ G. Shadow, weiblic fhöne Begend.
‚raus die Arme gefcnitten, gleidjam in einer Attitüde,
nite fie fid) auf eine Briiftung und blidte freundlid) umber
Indem fie nun dazu ftand, fand ich die
ng des ganzen Mädchens, die wohl gebaut ift, fehr anmutig,
beinigieine Büfte mit den Armen allein gar zu fragmentarifch;
Shörtftand fo in mir eim recht brennender Eifer, die Figur
liifter nadsubilden; es famen aber Unterbredbungen. Nad einiger
als machte id) den nod übrigen Theil, und fo ift es eine ganze
ır geworden, die die Hoffnung vorftellen joll, indem fie fih
der einen Anker lehnt. So recht zufammen ftimmt nun wohl
die IBanze nicht, daher ih aud niemanden ratben will, auf
zum Weife Statuen zu madhen, obne vorherigen Entwurf und
fie, ung des Banzen. Diefe figur ift drapirt, und fo ward
gu siesmal von meinem Behilfen Hagemann übertroffen, der eine
merende Yajade, mit einer Mufchel fpielend, gebildet bat, die gar
unie Hülle hat. Anmuthvoll und nadend liegt fie da, jeder
erzeil ift befeelt, und feine falte verbirgt die einzig fddnen
lienviffe, die die Natur in den weiblichen Körper, und nody zarter
köd jchöner in feinen inneren Runjtfinn legte, und die ih in
inem feinen und mafellofen Marmorftein blendend entwidelt
daben.“ Dieſes faſt neidvolle Sehnen nad der Bildung des
ihönen Yadten gebt urd des alten Shadow ganzes Schaffen,
das über das Portraitmäßige und Fonventionell Monumentale
binausftrebt.
Dentfhe Runft.
131
Er citirt Goethe:
„Was frommt die glühende Yatur
An Deinem Bufen Dir?
Was hilft Di‘ das Gebildete
Der Runft rings um Did ber?
Wenn liebevolle Schöpfungsfraft
Nicht Deine Seele füllt,
Und in den fingerfpigen Dir
Nidt wieder bildend wird?"
Gntereffant ift es auch, in welcher Weife Shadow das
Modell für Gewandftatuen zu verwenden pflegte. Da bat
er fidh aus Beobadhtung und Praxis feine eigene Technik zurecht
gemadt. „Lange fihon hegte id) die Dermuthung, daß die alten
griehifhen Meifter an den Modellen zu ihren Gewandfiguren
die Draperie nit möchten boffirt haben; nad meiner Meinung
haben fie ihr Modell nadend gemadht und darüber eingetaudte
Tücher gelegt, ie feft geworden find, und über diefe nachher
andere, wodurd die erften Surchfdhimmerten.
Bet Betrachtung der Werke des Raphael in
Rom äußerten die Rünftler: Er möchte bei feinen
Diefer Cinblid in die Werkftätte eines Riinftlers, der auf
der Grensfcheide des Rococo und der modernifirten Antike fteht,
bat nit nur feine intimeren Reize, er wird widtig für die
Beurtheilung diefer ganzen Uebergangsepode. Wir fügen bier
abjihtlih einen weiblihen Wit von €E. Sf. Meverbeim bei, der
fidh ebenfalls im Befige des Profeffors Paul Meyerheim befindet,
um 3u zeigen, wie forgfam man in einer Zeit nad dem Modell
3u arbeiten pflegte, die man, als in der Konvention befangen,
die Natur verfüßlihend darzuftellen fi) gewöhnt hat. Vielleicht
modifizirt man fein Urtheil ein wenig, wenn man erfährt, wie ein
feinfinniger efthetifer, wie Rugler, vor einem halben Jahr-
hundert über €. Ff. Meverheim urtheilte.
Man wird wohl thun, fic bei der Betradhtung des Altes
von €. f. Meverheim daran zu erinnern, daß der Künftler 1850
die Berliner Kunftafademie bezog und nadmeislih unter dem
Einfluffe Shadsow's ftand, an deffen Proportionslehre und
Studium der Anatomie erzfih zu feiner Auffaffung der Natur
6. M.
heranbildete.
Gewandern nicht die Bliederpuppe, fondern ein f
lebendes Modell, mit Bewand bekleidet, gebraucht
baben, indem das hödhft ungezwungene und das
von einem vorigen in den gegenwärtigen Moment
Uebergegangene in den Falten mit einer Glieder-
puppe nicht zu erreichen fei. Mit einer prompten
fauft und einem guten Bedädtnig läßt fid’s
möglid maden, eine Zeihnung als Studium auf
diefe Weife zu entwerfen. Daß jemand in der
Stulptur diefes Mittel angewendet habe, ift mir
nidt befannt. — — Nadhdem ih mid im Nadh-
zeihnen und, was ebenfo wefentlih war, mein
Modell im Faltenwerfen geübt hatte, verfudte id
es im Basrelief in Thon. Gener hatte es dahin
gebracht, zwei bis drei Stunden, nahdem das
Gewand fic glüdlih geworfen hatte, unbeweglid
3u bleiben, in welder Zeit id) mein Thonmodell,
Figuren von zwanzig Soll, entwerfen mufte, näm-
lid die falten darüber; was nun nod 3u thun
war, mußte mit dem frifchen Bedädhtniffe gefchehen.
gu wie weit dies gelungen ift, geziemt mir nicht
zu entfiheiden. Mehrere figuren in dem Basrelief
find fo entftanden, und diefe Methode bleibt auf
jeden fall vortrefflid; nur bei freiftehenden Figuren
it fie nicht anzuwenden, weil es nicht möglid
it, alle Seiten fo fhnell zu machen, als ein
Menfh ausdauern fann, in dSerfelben Attitüde zu
fteben. Aber allen, die auf flahem Grunde dar-
ftellen, ift fie zu empfehlen.
Die Notb, die Umftände erweden unfer Nad-
finnen und bringen uns auf Mittel, von denen id
bier einige Beifpiele geben will. Zu der Marmor-
gruppe der beiden fürftlihen Schweftern hatte
id) ein Modell in Gips, ebenfalls Naturgröße,
angefertigt. Die Größere, die Rönigin vorftellend,
bielt in der rechten Hand einen Korb, der fih an
die Hüfte lehnte; Biefer Korb mußte auf hohen
Befehl wegbleiben, welches auc) recht war; aber
die Schwierigfeit mar, den Arm womdglid in
derfelben Lage zu erhalten. Jd nabm ein females
und länglihes Stüd Gewand, tauchte diefes, um |
das fihnelle Binden zu verhindern, in einen mit |
dünnem Bier eingerübrten Gips, warf diefes über |
die fhon vorhandenen falten, ließ es mit der
rechten Hand halten und dann wieder frei nieder-
fallen; die ganze Partie der vorherigen Falten
fhien unter dSiefem neuen Ueberzuge durd, und
es entftand eine dbnlide Wirtung, wie an einigen |
antifen Statuen, wo man durd) die oberen falten
die unteren Öurdlaufen fiebt.*
E. $.Nieyerheim, weiblicher Akt.
132
Deutfdhe Runf.
Vermifchtes.
Kurinfa aus Afelier
unk erkat.
Gedauken ühben hildende
Bunft. |
Kunftgefchichte und
militärifcher Ehrenrath.
Dor etwa anderthalb Jahren erregte
eine Auseinanderfegung zwifhen dem
Profeffor der Runftgefhidte Dr. Rihard
Mutber in Breslau und dem Direftor
des ftädtifhen Mufeums in Magdeburg
Dr. Theodor Dolbehr Anfjehen. Der
lestere hatte gegen Muther den Vorwurf
erhoben, daß er h in einem Vorträge,
den er in Breslau über „Boethe und fein
Derhältniß zur bildenden Kunft‘ gehalten
und fpater als Aufjatz veröffentlicht hatte,
des Plagiats fhuldig gemadt habe, und
ibm nadgewiefen, daß diefer Dortrag
bezw. der Auffak zum wefentlihen Theile wortgetren Dolbehr's Buche über
„Goethe und die bildende Runft‘ entnommen war. Dor Kurzem meldete nun
das „Militär - Wochenblatt", af Profeffor Muther und Mufeumsdireftor
Dolbebr, von denen der erftere Referve-, der legtere Landwebroffizier war,
mit fdlidtem Abjchied entlaffen worden feien. Das militärtfhe Ehrengeridt
hatte beiden Herren den Offiziersrang aberfannt, weil fie es unterlajjen batten,
ihre Angelegenheit vor den militärifhen Ehrenrath zu bringen. Wir willen
niht rect, wie befagter Ehrenrath in der Lage gewefen fein follte, über den
Thatbeftand des Plagiats einerfeits und über deffen Verhältniß zur perfön-
lihen Ebrenhaftigfeit andererfeits fih ein Urtheil zu bilden, fönnen aber niht
umbin, von einer Thatfahe Notiz zu nehmen, die auf die militärifhe
Gerihtsbarkeit, infoweit fie von Ehrenräthen gehandhabt wird, ein beadtens=
werthes Streifliht wirft. Die Herren werden fih wohl oder übel mit ibrer
wiffenfhaftlihen Civilftellung tröften müffen.
Buriofa aus Atelier und Werkftatt.
— Die Pefther Ausftellungstataloge. Wie vorfihtig man mit
Derträgen in Bezug auf größere Derlagsobjefte umgehen muß, beweift ein
foeben zum Austrage gefommener Streit in der ungarifhen Hauptftadt.
Das Ausftellungsfacten-Padtfonfortium hatte das von der Ausftellungs-
direftion erworbene Cditionsredt der Ausftellungsfataloge um den Preis von
65 000 fl. an die Runftanftalt „Rosmos“ übertragen mit der Bedingung, dağ
das Ronfortium, wenn weniger als 250 000 Rataloge verkauft werden, jedes
zurüdbleibende Eremplar um den Preis von 52 Areuzern zurüdnehmen muß.
Das Manuffript des Rataloges follte laut Vertrag bis 10. April geliefert
werden, da dasfelbe jedoh zur feftgeRellten Feit nidt vorhanden war,
fonnten die Rataloge erft im Monat Mai übergeben werden. Nah Shiupg
der Ausftellung fand die Abrehnung binfihtlih der Kataloge ftatt und man
ftellte bei diefer Belegenbeit feit, daß bloß 52 786 Rataloge verkauft wurden.
Gm Sinne des Vertrages verlangte nun die Gefellfhaft „Kosmos“ von dem
Padtfonfortium für die unverfauft gebliebenen 217 214 Stüd Kataloge
68 549 fl. 44 Pr., aber das Ronfortium, fid auf die verfpätete Fertigftellung
des Ratalogs berufend, verweigerte die Zahlung. Unter folchen Umftänden
wurde die Runftanftalt „Rosmos“ beim Börfenjhiedsgeriht Plagbar, weldes
das Padtlonfortium zur Bezahlung der geforderten Entfhädigungsfumme
von 68249 fl. 14 fr. und der aufgelaufenen Prozefkoften verurtheilte.
Leonardo da Dinci's anatomifhe Feidhnungen. Des großen
Stalieners in Windfor aufbewahrte Zeihnungen von Skeletten, Muskeln und
Schnen werden demnähft mit Erlaubniß der Königin von England ver-
öffentlibt. Darunter befindet fih ein Blatt mit einer eigenhändigen Rand-
bemerfung Leonardo's: „Und Du, der Du duch meine Bemühungen das
7
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SSS h lamang
Ucujahrs- Glidwunfdh vow MT, Liebermann.
wundervolle Werf der Natur betrachten fannft, follten Did) dabei Bedenten
überfallen, es fei frevelhaft, den menfdliden Körper in feine Theile zu zer-
legen, fo erinnere Dih, wie unvergleihlid frevelhafter es ift, Sem Menjchen
das Leben zu nehmen; und wie wunderbar Dir der Bau diefes Rérpers
aud) erfdeint, bedenfe, dah im Dergleih mit der Seele, die in fold’ einem
Behäufe lebt, die einzig und allein göttlich ift, der Körper nicht in Betradt
fommt.“ Einige Zeilen weiter giebt er folgenden guten Rathfdlag: „Und
tradte Deine Befundheit zu bewahren, was Dir um fo leichter werden wird,
je weniger Du Did mit Aerzten abgiebft.‘
— Ein Doltaire-Bildnif. Die Wittwe des ehemaligen franzöfifhen
Kammerpräfidenten Floquet hat dem Parifer Mufee Carnavaldt ein werth-
voll:s Porträt des jungen Voltaire, ein Wer! des Malers Largillière, gefhentt. Die
auf die Leinwand gefhriebene Widmung lautet: „Je donne à Mademoiselle
de Livri mon portrait par Largillière.“ Maðemoifelle de Livri war
eine reizende Tänzerin der Föniglihen Oper, welhe fhlieglih einen Heren de
Gouverno beirathete. Darüber ärgerlih, holte Voltaire felbft fein Portrait
zurüd und fcenfte eo frau de Villette, von der es auf ihren Sohn, den
Marquis de Villette, iiberging. Aus deffen Binterlaffenfhaft gelangte es
ISS7 in den Befik des damaligen franzöfifhen Befandten in Münden,
Mariani, der es legtwillig feinem Freunde Charles Floquet vermadte.
Religion und Anfhauungsunterricht. Der Pfarrer Alfred Hoppe
in Winzendorf in Gefterreich ftellt die Aunft auf eigenartige Weife in den
Dient des Neligionsunterrihts: Er will duch graphifhe Darftellung der
einzelnen Religionslebren und Thatfachen der heiligen Gefhidhte mittelft
Kreide auf der Schultafel zeigen, wie man durch einfadhe Rreidezeihnungen
das Gntereffe der Rinder zu weden und den Neligionsunterriht zu beleben
im Stande ift. Er hat die Abfiht, größere Feicnungen (10 an der Zahl)
auf Wandtafeln herauszugeben (aufgezogen fammt Aufbewahrungsmappe
7 fl), und diefer Gedanke fheint der eigentlih fruchtbare und allgemein
ausführbare an dem Plane zu fein. Jedenfalls wäre dem Pfarrer Alfred
Hoppe bei zahlreihen Beftellungen vorläufig geholfen.
— Rünftler und Raufmann. Der englifhe Maler Whiftler bat eine
„Bejellfhaft mit befhränkter Haftpflicht‘ gegründet, die fünftig den Verkauf
feiner Bilder beforgt. Runfthandler, Wafenmsdireftoren und Sammler dürfen
wobl bald den Befud Ses Reifenden der neuen fırma erwarten. Die vor-
bandenen Defiing werden in allen Brößen zu feften Preifen abgegeben, Aufs
träge werden prompt mit einem Preisauffhlag von 25 Prozent ausgeführt.
Die Plakate, die dag Symbol der Fabrif, Apoll und Merkur in brüderlicher
Umarmung, und die Abbildung aller dem Maler verliehenen Medaillen zeigen,
enthalten die Gnfchrift: |, Whiftlers Bilder find die beften! Eine bejondere Ab-
theilung ift fiir Photographien, Andenfen und Autogramme eingerichtet.
Weuerwerbungen
der Berliner ftaatlichen Kunftfammlungen.
Die Rgl. Gemäldegalerie wurde bereichert Surh zwei hervorragende
Erwerbungen, das Portrait eines jungen Mädchens aus der Mitte des
15. Gabrbunderts, wabrfdeinlid von Domenico Veneziano berriihrend,
und das durd) Charafteriftif und Einfachheit der Malweife ausgezeichnete
Männerbildniß von H. Holbein ò. 3. Dem Raifer Ftiedrih-Mufeumsverein
wurde iiberwiefen und vorläufig in die Rgl. Galeriefammlung eingereiht:
das Bildnif eines alten Mannes von Hans Memmling und der Studien»
fopf eines. jungen Guden von Rembrandt.
Als Neuerwerbungen für die Sammlung der Skulpturen find als die
widtigften bervorzuheben zunähft ein Befchen? des Herrn v. Rüblmann,
Bruhftüde eines fpätgriehifhen Sarfophages. Jm Runfthandel wurden
erftanden: febr werthvolle Theile einer Relieffolge, die als Shmud einer
Bafis verwendet gewefen fein mögen. Cine vollftändig erhaltene Platte zeigt
eine Entführungefzene:
nad einer flichenden Fran, während ein Fleines Wadden ruhig Sabei ftebt.
Auf einer zweiten Platte fiker zwei Manner in naddenflider Haltung auf
Jelfenfigen einander gegenüber, daneben ein dritter von ihnen abgewendet.
Unmittelbar anfhließend war wahrjceinlih die dritte nur theilweife erhaltene
Platte, auf der zwei Männer jihtbar find. Die Motive finden durchweg ihre
Analogien in Sen Werfen aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts. Die
Arbeit ift überaus gefchidt und leicht, mit einem Anflug arhaifcher formen-
auffaffung, weift aber leider überall ftarfe Derlegungen auf; namentlich fehlen
die Röpfe, die faft alle einmal modern ergänzt waren. Weiter wurden —
ebenfalls im Runjthandel — ein vortrefflih gearbeiteter männlicher Torfo mit
ungewöhnlid fhön erhaltener Oberfläche erworben, der ftiliftifch den Pergamons-
Skulpturen nahe ftebt und cin nadter Frauentorfo, eine das Haar aufbindende
Aphrodite darftellend, eine Arbeit von feltener Güte.
Die Sammlung von Bildwerfen aus der hriftliden Epode
wurde Surh eine beträdhllihe Anzahl werthvoller Bejhenke vergrößert. Ein
bedeutendes Runftwerf wurde der Sammlung von Heren James Simon
gefhentt, nämlid das Modell einer nadten männlihen Standfigur von
Antonio del Pollajuolo. Die herbe Behandlung, die fharfe Betonung
des Anatomifhen, namentlih der Muskulatur, die Uebereinftimmung der
Formenbehandlung, befonders der Kopfbildung mit derjenigen der einzigen
beglaubigten Bronzegruppe des Meifters, die das Mufeo Nazionale in Florenz
befitt, läßt die Autorbeftimmung zweifellos erfheinen. m der fiheren Haltung
und der energifhen Formengebung ift das in Blei gegofiene Modell ein
fleines Weifterwerf, das der Rünfller eigenhändig an einzelnen Stellen mit
dem Mefjer nachgearbeitet hat, obme es ganz zu vollenden. Troß des ältlihen
und bafliden Befihtsfihnittes fheint Paris dargeftellt zu fein, der im der
linten Hand den Apfel hält, in der zue Schulter erhobenen Rechten aber einen
— jegt abgebrodhenen — Stab, den wir uns furz und oben gebogen vor-
zuftellen haben, wie ihn die Hirten häufig auf antifen Darftellungen tragen.
Durd Zuwendung von Bönnern, weldhe nicht genannt zu fein wünfden,
empfing die Sammlung außerdem zwei Perlmutterreliefs. Cine Anbetung der
Könige in Rund, anfheinend eine Arbeit des Yliederrheins aus der Zeit um
1450 und das forgfam gearbeitete Portraitrelief des Nürnberger Patriziers
Martin Haller. Ferner ein Rajtchen, dejien Dedel und Seitentheile in den
eigenartig verwendeten Reliefs Peter flötner's beftehen. Endlich wurde
die Sammlung der Barodbildwerfe Such ein Gefchenf eines Ungenannten
bereichert, ein bemaltes Thonmodell einer Madonnenftatue, die als eine gute
oberdeutfhe Arbeit aus der erften Hälfte des 18. Jahrhunderts zu bezeichnen ift.
>
Ein Mann hebt eine Frau hod, ein zweiter greift’
Weitere nit minder bedeutende Stüde flofen der Sammlung zu Surh
den Raifer friedrih-Mufeums-Verein in den Statuetten des fogenannten
Gladiators von Bertoldo und eines fih fafteienden Hieronymus. Das
legtere, wahrjheinlih paduanifhen Urfprunges, harakterifirt fih Surh kräftige
Formengebung und jorafältige Durbführung des Natten. ferner gehören in
die Reihe diefer Zuwendungen die Statue eines franzöfifhen Königs, wahr-
fheinlihd von dem Portal der Rathedrale zu Rouen, eine Arbeit des 15. Jahr»
_ bunderts; cin glafiertes Thonrelief der Marla mit dem Rinde in Halbfigur
von Luca della Robbia, aus einer englifhen Privatfammlung ftammend,
und ein weiß getöntes, theilweife vergoldetes, FPleines rundes Studrelief,
Maria mit dem Rinde auf blumiger Wiefe, von zwei Engeln verehrt, von
einem Yadfolger Donatello's um 1440.
Die Erwerbungen des deutfchen Kunftvereins und
des Dereins der Kunftfreunde im preußifchen Staate.
eber die Rührigkeit und den allgemeinen Charakter eines Runftvereins
geben die jährlihen Ankäufe für die Derloofung den beften Auf-
DD fhluf. Es ift anzuerfennen, daß der Verein der Runftfreunde im
preußifhen Staate, der den verfciedenften Befhmadsrihtungen Rechnung
trägt, auh den modernen Beftrebungen die Thore geöffnet bat. Davon
zeugen die werthvollen Eiwerbungen einer Rreidezeihnung von A. Menzel
(Profil einer Dame im Pelzbareti) fowie einer virtuos behandelten farben-
ffizze von M. Liebermann, einen Arbeiter im Rohlfelde darftellend.
Don den zublreihen Landfhaften feien hervorgehoben ein poetifh
empfundenes und luftig gemaltes Waldinterieur von Flidel; zwei Marinen
von Salzmann, beftig bewegte Szenen auf hohem Meere und an der Rüfte
Helgolandas; die italienifhe Landfhaft ift Such Pape, Dreßler und
Poffart vertreten. Engelhardt führt uns auf einen von figuren und
Gemfen belebten Bebirgsfamm, Wifjinger- florian in eine fiimmungg-
volle herbfilihe Allee. Hofmann von fallersleben bringt ein Winter-
bildhen und Rummelspadher eine gefhidt fomponirte Flußlandfhaft von
ausgefprodener Romantif. Frenzel’s Thierftüd, Rühe am Ufer, it mit
bewundernswerther Delifateffe behandelt. Ein Iauniges Genrebild ift die
Bärenfamilie von Wagner. Unter den Figurenbildern verdienen befondere
Beadhtung das Seeger'jhe Liebespärhen aus der Biedermeierzeit, das fid
in der Waldesftille fo fittfam mit Vorlefen erfreut, ferner eine Menuettfzene
von Grotemeyer. Fur Dervollitändigung der. Sammlung wurde eine
Bronze von Shmidt angefauft, zwei Rehe in graziöfer Bewegung, fowie
das werthvolle Ylietenblatt, weldes in einer Radirung nah dem befannten
Rembrandt'fhen Selbftbildniß beftebt.
Der deutfhe Runftverein zeigt nad wie vor, daß er, Innerlid gefräftigt,
feiner Aufgabe gewadhfen ift. Die in diefem Fabre angefauften Kunftwerke
fteben bod über dem Niveau eines oberflählihen Geſchmackes.
Das Genrebild von ©. Ped „Waifenmädden in der Kirche erinnert in
dem feinen gedämpften farbenflang und der freien malerifhen Behandlung
an Ste beiten modernen Holländer, ohne daß die Eigenart des Rünftlers zu
beftreiten wäre. Eine in jeder Beziehung hervorragende Leiftung Ift Scheuer-
mann's „grauer Tag im Dorfrühling“, ein Bild, das offenbar vor der
Natur gemalt ift, aber in feiner ganzen vornehmen toloriftifhen Empfindung
niemals mit einer Waturftudie verwedfelt werden darf. Fm fdroffen Begen-
fag dazu bringt die Hamader'fche ,,Hafen-Cinfabrt ein momentanes
Erlebniß, eine Phafe von blizfdnell aufeinander folgenden Waturftimmungen:
das blaue, glikernde Wafer, der an der Brandung emporfprigende Bifcht
Profeffor Mar Kod, Fries fiir einen Gerichtsjaal.
und binter diiftern Hauferfilhouetten ein fchwerelgelber Abendhimmel, an dem
die zerfegten Wolfen vorüberfaufen. Alles ift mit Temperament empfunden
und mit Bravour bingeftrihen. Einen anheimelnden und zugleih impofanten
Eindrud maht Reller's Reutlingen „Markibreit“, eine Ausfiht auf das
fränfifhe Städtchen, das der Rünftler fo poetifh bei einbrehender Dunkelheit
mit weihen tiefen farbenalforðen, wie fie den modernen Münchnern eigen,
gefhildert hat. Das rdtlide Campenlidt, das aus den Fenfterhen der höhen
Giebelhaufer herworbridt, wirft überzeugend und feineswegs aufdringlid.
Rarl Langhammer bringt ein reizvolles Landfchaftsbildden, betitelt ,,aus
der Mark, Es ift weniger der Charakter des märkifhen Landes, der uns
bier entgegentritt, als ein Beleuchtungseffeft mit ftimmungsvollen Begenfägen.
St5hlidhe Sonnenblide wedfeln mit Wolfenfdatten, wirkungsvoll hebt fih
das dunfle Gebiifd) von dem 3erfliifteten Himmel ab.
Erwähnenswerth ift noh ein flottes Aquarell von Carlos Grethe
(Schiffafzene), ferner dte Anfidht der Rathedrale in Briigge von Hausmann
und ein Waldinterienr von Flidel, alles gute Bilder, deren malerifhe und
tehnifhe Qualitäten nicht zu verfennen find.
Auch die Plaftit it würdig vertreten und mehr berüdfichtigt, als es fonft
bei Derloofungsanfäufen zu gejhehen pflegt. Ludwig Manzel's Genius
des Ruhmes, der eine Bronzetafel mit dem Reliefportrait Raifer Wilhelm's I.
hält, ein gediegenes Runftwerf von monumentaler Wirkung, ift in drei
Eremplaren angefauft worden. Dazu gefellen ih nod der fraftvolle Bogen-
fhüge von Uphues, die Büfte einer träumerifh in fih verfunfenen frau
von Janenfch, fowie ein Madden mit dem Schmetterling von Latt.
Don den Werken graphifher Kunft wurden vier Wappen mit den dtes-
jährigen Radirungen der Worpsweder Rolonie erworben, deren Eigenart
ja feiner fürfpradhe mehr bedarf. Operbed und am Emde haben es am
beiten verftanden, uns den großartigen, f[hwermüthigen Charakter der Moor-
gegend vor Augen zu führen. Madenfen's Titelfopf ift eine aus-
dtudsvolle Portraitftudie, Dogeler's „Lärhen‘ verrathen Befhmad und Er-
findungsgabe. Keiner der Worpswebder wandelt in den Bahnen der Ueber-
eferung, Reiner läßt fih vom Anderen beeinfluffen. Ob aber gerade die
Radirung befonders geeignet ift, ihrem fünftlerifhen Wollen Ausdrud zu
verleihen, mag gegenüber einzelnen tehnifhen Unzuldnglidfeiten dahin-
geftellt bleiben.
Als Prämienblatt für die beiden Jahre 1896 und 1897 wählte der Runft-
verein zwei Aupferftihe von Rrüger nah den mufizirenden und fingenden
Engeln aus dem Genter Altarwerf des van Eve.
Die Radirungsmappe des Münchener Kunftvereins.
Der Mündener Runftverein bringt feinen Mitgliedern diefes Jahr als
Gefdhenf eine Mappe mit Radirungen, die gewiß mandem willtommener find,
als die fonft üblihen Prämien, dle großen Stihe. Dielleiht fann auc diefe
Babe dazu beitragen, das Derftändniß für die Schwarz. und Weißkunft und
im Befonderen für die Schabfunft zu fördern, welde ja in Deutfhland nur
ganz vereinzelt gepflegt wird. Die fieben Blätter der Münchener Mappe
zeigen erfrenlihe Leiftungen. Prof. Holm giebt die Anfiht des Mympbhen-
burger Ranals mit einer Brüde und im Dordergrunde eine Allee von bodhauf-
tragenden Baumriefen. Die Behandlung des Sonnenlidhtes, das Durdheinander
von Lidt und Schatten auf den dichten LCaubmaffen und den breiten Räumen
it mufterhaft in Einklang gebraht mit der einheitlichen Fledenwirfung des
Bildes. Die Abendlandfhaft von Ubbelohde bietet ein einfaches aber mit
großer Feinheit gewähltes Motiv. Die düfteren Baumgruppen, die in den
Tiefen Iuftiger behandelt fein könnten, der fhmale Lichtftreif an dem getonten
Himmel und das fließende Wafler befunden ein entwideltes Ffoloriftifches
Empfinden. Jn einem anderen Blatte von Ubbelohde, von hobem poetifchem
Stimmungsgebalt, gelangt eine ausgedehnte Thalmulde zur Darftellung, über
welde fih pbantafifhes Bewölf zufammenballt und wieder zerfließt. Die
Behandlung ift and bei diefem Bilde eine fehr malerifche, läßt aber hin-
fichtlid) der Unterfehiede von Nah und Fern zu wünfdhen übrig. Otto
Reitel’s Motiv, Rühe im Flußbett, ift nicht gerade überrafhend, aber eine
tühtige, auf farbige Wirkung abzielende Arbeit, die nur in der Unterfheldung
des Stofflidhen nod eine Steigerung zuließe. Zwei weitere Radirungen von
malerifher Qualität haben den Rünftler TC. Th. Mever-Bafel zum Autor;
die eine giebt ein Bauerngehöft wieder, defjen Vordergrund eine Wildnig von
Gras und Straud bildet, die andere eine Flußebene mit pifanten Baum- und
Häuferfilhouetten. Das legte Blatt von Hans Meyer-Laffel, ein Schiff
im Hafen mit aufgezogenen Segeln darftellend, weift alle Dorzüge und
Nadtheile der Aquatinta-Tehnit auf; die ganze Erfheinung ift indeffen frifh
und lebendig und bejonders der 3itternde Wafferfpiegel mit feiner Empfindung `
wiedergegeben.
Ein deforativer fries von Profeffor AW. Kod.
Unter den Entwiirfen, die Profeffor Rod fiir die Jnnenraume des Reids-
gerihtes in Leipzig lieferte, befand fih der oben abgebildete Fries. Leider
erwies fih die Ausführung als unmöglid, da es an der betreffenden Wand
an dem nédthigen Licht fehlte. Wir glauben der heimifhen Runftpflege einen
Dienft zu erweifen, indem wir auf diefen Entwurf hinweifen, der einem ähn-
lihen öffentlihen Bebäude um feines ernften Motive, wie um der virtuofen
Raumfüllung willen als fiinftlerifher Shmud dienen fönntee Es ift eine
‚Folge von Scenen, die Sünde und Strafe, Rene und Vergebung im Anfhluß
an die Kriftlihe Religionsanfhauung verkörpern. Um den Baum der Er-
fenntniß windet ih, aus Blumen ih aufbäumend, die Schlange. Auf das
Schwert geftügt, mit ftrafend gehobener Hand vertreibt der Engel das erfte
Menfhenpaar, das fih in banger Ffurdht in die Waldeinfamfeit rettet. Reunig
naht ih die Schaar der Biifer dem Erlöfer, in deffen Schoofß ein jugendlicher
Sünder fein Haupt birgt, während ein Engel über ihm das Areuz erhöht, und
über den Regenbogen fort führen die Himmelsboten den Reuigen der göttlichen
Dergebung entgegen. Die fhön ausflingende Gedantenfolge fchließt lüdenlos
zufammen und erfcheint für eine Stätte der Rechtspflege gerade um ihrer ver-
föhnlihen Tendenz willen befonders geeignet. Gn ruhigen Farbentönen
gehalten, in den Konturen farf umriffen, hält die ganze Rompofition die
rechte Mitte zwifchen felbftändiger Darftellung und dekorativen Schmuditäd.
Sie wirkt in ihrer forrefpondirenden Dreitheilung rhythmifh, ohne in lange
weilige Symmetrie zu verfallen.
Berlin. — In der Reihshauptftadt beginnt ih der opferwillige Runftfinn
erfreulih zu regen. Befonders fiir die National- Galerie hat die neue
Direftion das nterefie wach zu rufen verftanden. Jhr ift aus dem Nadlak
des Dichters Emil Rittershaus fein von Ludwig Anaus in Kreide aus-
geführtes Bildnif zugefallen. Als VDermädtniß der frau Baronin von Wit:
leben geb. von Normann erhielt die Sammlung 8 Oelgemälde: Zwei Bilder
von franz Rrüger „Raifer Wilhelm I. als Prinz zu Pferde‘ und „Pferde
im Stall", von Georg Bleibtreu das Bemälde „Rönig Wilhelm vor
Sedan, von Campbhaufen ,, Friedrich der Grofe mit feinen Generalen",
ferner „Pferde auf der Weide" von T. Shmitfon, „Der erfte Behverfuh"
von Eduard Meyerheim, „Spreewald im Winter von Eduard Hilde-
brandt und „Waldblöße" von G. Munger. Der Geh. Rommerzienrath
Pringsheim überwies der Galerie eine Marmorbüfte Seiner Majeftät Raifer
Wilhelms I. aus dem Jahre 1876 von J. von Ropf, und der Riinftler felbft
fügte eine Marmorbüfte Jhrer Majeftät der Raiferin Augufta hinzu. - Als
weitere Sdhenfung Berliner Runftfreunde erhielt die Nationalgalerie endlich
nod ein hervorragendes Wert von J. f. Millet, das 1870 gemalte Bild
novembre“.
Bo
Deutfde Runf. 135
Profeffor Mar Hod, Fries fiir einen Geridtsfaal.
Aud eine größere Plafat-Ausftellung ftebt uns bevor, und
zwar als Sonderabtheilung einer Ausftellung tvpographifher Erzengniffe im
nädften Frühjahr. Die Ausftellung dürfte eine Ueberfiht der Fortfehritte auf
dem Gebiete des öffentlihen Plafatwejens bieten und ein Bild der Ein-
bürgerung der fünftlerifhen Plakate in Deutfhland geben. Daneben follen
die neueften Methoden der verfchiedenen Dervielfältigungsverfahren, endlich die
Neuheiten auf dem Gebiete der Schriftgieferei, Buchausftattung und Holz-
fhneidefunft zur Ausftellung gelangen.
Inzwifhen wird? an dem fünftlerifh - patriotifhen Schmud der
prenBifdhen Hauptftadt in der Siegesallee unentwegt weiter gearbeitet.
Profeffor Reinhold Begas ift eifrig mit feiner Aufgabe befhäftigt. Der
Meifter bat das Standbild des legten WAsfaniers, Markgrafen Waldemar
(1508—1319), auszuführen. Diefer Hauptfigur werden die Biiften von
Siegfried von Feudtwangen und Heintih Frauenlob beigegeben. Feudt-
wangen war Hodmeifter des Deutfhen Ordens, und Heinrih Frauenlob
(1250—1518) ił der befannte Winnefainger. Er fommt wohl zu der Ehre der
plaftifhen Darftellung, weil er aud ein Preislied auf Waldemar, den ritter-
lihen Turnierhelden, verfaßt hat. Markgraf Waldemar hat übrigens fhon
an der Mühlendammbrüde von Unger's Hand ein Denkmal erhalten, es wird
nun intereffant fein, 3u vergleidhen, welde Auffaflung Profeffor Begas feiner
Figur geben wird.
Minden. — Gn der Runftgenoffenfhaft madt fih mehr und mehr
das Gefühl der Zufammengehörigfeit bemerkbar. Ja man beginnt fogar,
fih nad all! den internationalen Deranftaltungen auf feine nationalen Auf-
gaben zu befinnen. Die im Arzberger Reller abgehaltene, fepe zahlreich
befudte aufierordentlide Generalverfammlung befhäftigte ih ausfnließlid
mit der Geftaltung der Jabhresausftellung 1898. Yad Eröffnung der Der-
fammlung urh den ftellvertretenden Präfidenten Hans Peterfen wies der
Präfident Dr. von Lenbah darauf bin, daß die feit dem Jahre 1888 all-
jährlid im Glaspalafte veranftalteten Ausftellungen durdhgebend den Charakter
internationaler Ausftellungen hatten. Es jei num wohl an der Zeit, hierin
eine Aenderung eintreten 3u laffen, folle niht das Gntereffe der Riinftler wie
aud des Publifums an diefen Deranftaltungen erlahmen, welhe fdlieflid
reinem Schematismus zu verfallen drohen, wenn hier nidt Wandel gefhaffen
werde. Die Berechtigung diefer ausführlich begründeten Anfhauung wurde
allerfeits anerfannt, nur über die Art und Weife, wie eine Aenderung erzielt
werden follte, gingen die Meinungen auseinander. Ya ausgedehnter Debatte,
in welder verfciedene Anträge zur Disfuffion famen, wurde entfpredhend
einem Antrag aus dem Plenum einftimmig befdloffen: „Die Jahres-
ausftellungen find Seutfhe Ausftellungen mit Zulaſſung ausländiſcher
Riinftler." Wir begrüßen diefen einftimmig gefaßten Befhluß mit um fo
größerer freude, als wir feit der Begründung der „Deutfhen Runft es als
unfere Hauptaufgabe betrachtet haben, den durd die Preffe begünftigten
internationalen Runftfhwindel in die ihm gebührenden Schranken zurüd
zu weifen.
Dresden. — Die Generalverfammlung des Sädfifhen
Runftvereins in der Aula der Runftafademie gab ein erfreulihes Bild det
Wirkfamfeit des Vereins. Der Vorfigende, Graf Otto v. Digthum, erftattete
den Gabresberiht. Er bemerkte, daß der Runftverein, tro der vielen An-
griffe, denen er ausgefegt fei, 3. B. weil er nicht jedem Rünftler feine Werke
abfanfe, weil feine Ankäufe und ausgeftellten Runftwerfe den Runftliebhabern
nicht gefielen u. dergl. m. fi doch entwidele, an Mitgliedern zunehme und in
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136 Deutfdbe Runft.
diefem Jahre troß der internationalen Ausftellung an Eintrittsgeldern 6000 M.
eingenommen babe. früher batten die Eintrittsgelder hddftens 1500 M. er-
geben. Die Cinridtung der billigen Sonntage habe fi bewährt. Der Ge-
danke eines Zufammenfhluffes aller deutfhen Kunftvereine, den
der Sähfifhe Aunftverein erftrebt, ift wefentlid gefördert worden, Eine ge-
meinfhaftlihe Befdhäftaftelle der deutjchen Aunftvereine wird gefhaffen werden
fénnen, wenn bis zum 1. April 1898 mindeftens 12 deutjhe Kunftvereine mit
einem Gefammtbeitrag von 5000 M. den Satungen beigeftimmt haben. Der
Dorfikende theilte ferner mit, die Staatsregierung habe ihn erfudt, dem
Runftverein zu eröffnen, daß fle die in Dorbereitung begriffene deutfchnationale
Runftausftellung in Dresden {1899) unterftüge und empfehle; die Staats-
regterung redne auf eine möglichft vollftändige Befhidung der Runftausftellung
duch fadfifhe Aünftler. — Hierauf wurde den Anträgen der Rehnungs-
prüfer gemäß das Redhnungswerf des Runftvereins richtig gefproden; der
Antrag des Dorftandes, für die beiden Fabre 1899 und 1900 zufammen ein
einziges Runftblatt auszugeben, wurde abgelehnt und nad dem Antrage des
Bildhauers Rafhau befdhloffen, wie bisher ein Heft von Runftblattern aus-
zugeben, dodh foll an die fähfijhen Rünftler eine Aufforderung ergehen, fid
3u bewerben. Die Neuwahlen ergaben von 145 Stimmen für Braf Vigthum
142, für den Oberbiirgermeifter Beutler 138; von Riinftlern wurden Maler
Stagura mit 129, Bildhauer Baeumer mit 128, Hiftorienmaler Alfr. Dieide
mit 115 Stimmen gewählt. Dr. faul, Stadtrathb Dr. Bierey und Architekt
Reuter wiedergewählt. — Zum Schluffe nahm man den Antrag der Maler
Ritter und Gen. an, wonad fünftig bei der Verloofung der Ankäufe des
Runftvereins ein etwas verändertes Verfahren Plag greifen foll. Darnah
follen die Jnhaber der erften 15 Gewinnnummern das Redt haben, nad der
Reihenfolge ihrer Nummern je eing der angefauften Aunftwerfe nad ihrem
Belieben ih auszufuhen. Es kommt nämlid bisweilen vor, daß Anhänger
der älteren Runftridtung ein Freilidtbild gewinnen, das ihnen unausfteblid
ift, find umgefebrt ein Freilihtfhwärmer ein Bemälde der früheren Richtung,
das er nicht anfehen mag. Das neue Verfahren der Aus-
wahl er erten 15 Gewinnnummern foll bereits diefes
Fahr verfudsweife eingeführt werden.
Görlik. — Gn der Generalverfammlung des
Runftvereins für die Caufit wurde zunädft feitens des
Dorftandes der Bericht über die Periode 1896/1897 erftattet.
Aus demfelben ift hervorzuheben, dağ die Ausftellung
diesmal in anderer Weife ins Leben gerufen werden
mußte als bisher, wo nur eine Auswahl unter den, im
Cyllus der oftelbifhen Runftvereine furfirenden Bilder zu
treffen war. Es ergingen Aufforderungen an Riinftler-
[haften und einzelne Rünftler. Don erfteren haben fic die
Dresdener Runft- Benoflenfhaft und der Ausfteller-Derband
Soeben erschien:
Kunstdenkmäler
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andern Thüre Bott Dater dargeftellt ift. Die in orydirtem Silber hervortretenden
Darftellungen beben fih von dunfelblauem Grunde ab. Die Darftellung des
b. Geiftes befindet ih auf einer die Schlagleifte sierenden Rofette. G. Her-
meling bringt des weiteren eine für die St. Apoftelfiche beftinmte Monftranz
zur Ausftellung, die trok des großen mädtigen Aufbaues das verhältniß-
mäßig geringe Bewicht von nur 14 Pfund hat. Der Fuß entwidelt fih aus
einem Dierpaß, in dem Yiello-Darftellungen angebradt find. Der Modus
ift in reicher filigran-Arbeit gehalten und der Shaft mit Emails verziert.
Um den aus einem Bergfryftall beftehenden Cylinder, der die Lunula
enthält, bant fih der vlertheilige Obertheil auf. Die Krone wird von vier
Strebpfeilern getragen; auf den Eden ftehen getriebene Heiligen- figuren, und
zwar die bh. Jofeph, Heribert, Katharina und Barbara. Der fuppelartige
Abjchluß bewegt fih, wie das Banze, in ftreng romanifhen formen und ift
reih mit Emails, filigran und Edelfteinen gesiert. Die oberjte Spike ift
dem Abfedluffe der St. Apoftellirhe nadhgebildet und endet in eine madtige
romanifche Rreuzblume, aus welder eine Maladittugel hervorwadft. Am
oberen Auffage finden wir nod) vier Email-Darftellungen: Arönung Mariä,
Anbetung der Weifen, Geburt Chrifti und die Verkündigung in wunderbar
garter Ausbildung, die, wie die vier Cherubine, die den Mebergang von den
Strebebdgen zu dem Rryftall-Cylinder bilden, geradezu Meifterwerfe der
Ematllirfunft find, Die zwölf Apoftel, die an einer Monftranz für die
Apoftelfiche nicht fehlen durften, find rings um die mit Brillanten ge-
fhmüdte Lunula in anbetender Stellung reizvoll angebradht. Erwähnt fei
fclieBlidh nod) ans der Reihe der neuausgeftellten Begenftände ein reih mit
Filigran und Codelftei-
nen verziertes Miffale
für die St. Remigius.
firhe in Bonn, das Einladung zum
von Job. Dir in Bonn = u
gearbeitet ift. = Abonnement =
oul die
YEE Allgemeine -FF
Aa TTERARISCHE > UNDSCHM,
DEF Erscheint jährlich 28 mal und bringt eine regel-
mässige, rollstandige Uebersicht all r wichtigeren neuen
Erschemungen «es In- und Auslandes, deren grind
liche Durchsicht jeden Litteraturfreund auf alles das
aufmerksam macht. was fir ihn irgendwie von Inter-
⸗s⸗eist? II GS
DEF Durch eine Anzahl hewihrter Fachleute „ Schrift-
steller un. Gelehrte werden die neuen litterarischen Er-
scheinungen. wissenschaftliche wie populäre, geprüft, und
alles Interessante. alles Wissenswerte und alles über den
Durchschnitt Hervorragende — gleichviel ob von he-
kannten oder unhekannten Autoren — besprochen "u
BE In hunter Ahmechslung folgen litterarische Aufsätze.
Unterhaltungsheitrüge, Plaudereien, Novellen. Humoresken
Proben neuerer Lyrik, Notizen über Theater, Kunst etc.
Miindener Riinftler forporativ betheiligt und find deren
Werke in fih gejondert vorgeführt- worden. Die Münchener
Rolleftion 3eicnete fid) duch forgfältige Auswahl, Ab-
wedfelung des Gnbalts der Darftellungen und gediegene
Ausführung befonders aus. Die Verbindung für die
biftorifche Aunft war mit drei bedeutenden Werfen vertreten.
Die Betheiligung der Berliner Rünftlerfhaft war nur eine
geringe, wenn diefelbe auf der Ausftellung dennod durch
bedeutende Werke von H. Dahl, €. Bradt, O. Frenzel,
W. Hammader glänzend hervortrat, fo ift das den Be-
miibungen der Runftbandlung von M. Lewitt, Berlin, zu
verdanken. Die Derfanmlung nahm einftimmig den
Dorfhlag des Dorftandes an, der vom fähfifhen Aunft-
Derein 3u Dresden ino Leben gerufenen Vereinigung
der deutfhen Runftvereine zum 1. April 1898 als
Mitglied beizutreten. Zur Derloofung gelangten 12 Oel-
gemälde, 2 Bouahe-Bilder, I Aquarell und 37 Werke der
nadbildenden Runft. Auf der Ausftellung und in
‚Folge derfelben fanden nod Ankäufe im Werthe von
1200 Mart ftatt.
Köln. — Gn der Ausftellung für Hriftlide
Runft am Dombof zu Röln hat Bolöfhmied f. Å. Hellner
eine 3weifliigelige reid) emaillicte Tabernafelthiire ausgeftellt.
Diefelbe zeigt in hellblau umrabmten füllungen auf dem
einen Flügel die Figur des Welt-Erlöfere, während auf der
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— Marie v. Ebner-Eschenbach — Nathaly v. Esch
struth — Ludw. Jacohowski — Ad, Kohut — John
Henry Mackay — Conr. Ferd. Meyer — Peter Nansen
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Tanera — Konr. Telmann — E, 0. Wildenbruch — etc,
Das jetzt beginnende II. Semester
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Arthur Achleitner — Georg Ebers — Osc. Blumenthal
— Gust. Falke — H. Heiberg — Paul Hense —
Ludw. Jacobowski — Wilh, Jordan — Detl. vom
Liliencron — Maria Janitschek — Peter Rosegger —
Joh, Schlaf — Aug. Strindhera — F.r. Zoheltitz — u. À.
ig
Deutfde Aunft. 137
Möbel im Stil Louis XV.
Von Runſtkiſchlermeiſter J. Zwiener-Berlin.
Es iſt ein eigenartiger künſtleriſcher Reiz, der von dem Mobiliar im
Stil Louis XV. ausgeht. Farbiges Holz und Metallbeſchläge wirken zu—
ſammen, um den Eindruck vornehmer Koſtbarkeit ohne Aufdringlichkeit her⸗
vorzubringen. Die Marqueterie der Flächen iſt überaus einfach, meiſt ein
diskretes Blumen- oder Linearmuſter aufweiſend, das ſich um ein weniges
heller oder dunkler aus dem fond heraushebt. Die Metallornamente dienen
als anmuthige Umrahmung der Flähen, aus denen fie gelegentlich als Hand-
baben und Griffe hervorragen, fie marfiren die Eden und Randlinien, biegen
Ah nah oben bin zu leicht tragenden Bliedern und ziehen ih nadh unten
bin zu gefhweiften Füßen zufammen. Das figiirlidhe wird der Spät-
tenaijfance entnommen, das Lineare aus der form ves jhmalen Scilfblattes
abgeleitet. Die Silhouette wird eine ungemein bewegte und vermeidet mit
Blüd das gerade Derlaufen des Umtijjes.
Bei dem modernen Streben, um jeden Preis originell zu fein, ift es von
Heit zu Heit angemeffen, an den viel verleumdeten Stil zu erinnern und
darauf hinzumweifen, daß man nicht ungeftraft mit der Tradition von Jahr-
bunderten bridt. Der Fformenfinn will erzogen fein und läft fidh nicht
st Pom
aS —
Toilette⸗Tiſch, Stil Louis XV., entworfen und angefertigt für das königl. Schloß, Berlin,
von Julius Zwiener.
durch individuellen Geſchmack in voller Urwüchſigkeit erſetzen. Da iſt es mit
beſonderer Freude zu begrüßen, wenn Fürſten und Höfe die gute alte Ueber⸗
lieferung pflegen und bei ihren Beſtellungen den Modegeſchmack bewußt
ignoriren.
So hat fih der Kaifer ein hervorragendes Mitglied der früheren Parifer
Runfttifhler-KRoloute deutfher Herkunft kommen laffen und übermittelt ibm
feine Aufträge für das Ameublement des Sdhloffes. Herr 3. Zwiener ift
mit feinen reihen Erfahrungen, mit gefüllten Zeihnungsmappen und forg-
fältig gefammelten Modellen nad Berlin übergefiedelt und liefert prächtige
Möbelarbeiten für die Neumöblirung der Scloßräume Eins feiner ge-
lungenften Werke ift feine Toilette für die Rönigsfammern, die wir unten
abbilden.
Das ganze Beräth ift nah eigenen Entwürfen gearbeitet und bietet in
feiner Zufammenftellung von foftbarem Holz, Boldbronze und Marmor ein
überaus feines Mufter des oben befihriebenen Stils. Mod anmuthiger in den
Formen erfheint das für den Fürften Pleß von demfelben Meifter angefertigte
Theetifhden, das fih befonders durch fein feine 3ifelicten Metalltheile aus-
zeichnet. Die vier grazids gefhmwungenen Träger der oberen Platte enden
in Engelsföpfen, während das Blattornament der gefihweiften Füße üh
zwanglos an den Rand anfhließt, um dann feine Ausläufer leiht an den
Kanten hinunter zu entfenden. Die anffteigende
Flamme an den fi) freuzenden Fußleiften, die feinen
Sdilfleiften an den Flddhenrandern bilden ein zier-
lihes Enfemble, das davon zeugt, mit weldem
Derftändniß fih Herr Zwiener in die Formenfprade
des Stiles Louis XV. hineingelebt hat.
— Das Hobenzollern - Kaufhaus in
Berlin, das fid aus einem Kunftgewerbemagazin
zu einem der groften Raufhdufer entwidelt hat, ge-
währt einen Ueberblid iiber den jegigen Stand des
Runftgewerbes, und zeigt die Errungenjhaften
funftgewerblihen Schaffens in Deutfhland, England
und franteeid. Ueberall madt fih das Beftreben
bemecfbar, mit den bisherigen Formen zu breden
und unter Wahrung des Zwedmäßigen, Bequemen
einen neuen fonfteuktiven Stil zu fhaffen, der in feden
Linien und Umriffen feine Reize offenbart. Am meiften
fpriht fh die Thatface Fünftlerifher Befruchtung
in der Wohnungseinrihtung und den Möbeln aus;
bei legteren ijt nad engliihem Dorbild alles
Schnörkelhafte vermieden, wie ein muftergiltiges
Buffet, ein Damentoiletten- und Schreibtifh ver-
anfhaulihen. — Fm Stofflager fanden fi die der
Natur nadgebildeten flahmufter und ihre Der-
werthung für die Herftellung gewebter und bedrudter
Stoffe. Dem Gedanfen der Dereinfahung begegnen
wir in farbigen Blagfenftern, fowie in Erzeugniffen
der Reramif. Die ausgeftellten Dafen und Schalen
lehnen fih niht felten an Motive aus der ländlichen
Dolfstöpferei an und tragen fo in form und farbe
den Stempel großer Eigenart.
— Die Société de peinture Italienne
pour Gobelins, Berlin W., friedridftr. 138,
madt uns mit Gobelin -Nahahmungen befannt, die
ihrer Billigkeit wegen für deforative Jwete em-
pfoblen werden fdnnen. Die vorgeführte Malerei
giebt in woblgelungener Täufhung die echten
Runftgewebe wieder, 3. B. Botticelli's Primavera,
Wattean's Part- und Schäferfzenen und Tenier's
Wirthshaus-Gnterieurs,
138
— Die im £ihthofe des Agl. Runftgewerbe-Mufeums zu Berlin
ausgeftellten Arbeiten aus Edelmetall find von dem Cifeleur Otto
Rohloff, Lehrer am Röniglihen Kunftgewerbe-Mufeum, gefertigt und zeichnen
fh duch vorzüglihe Arbeit und vornehmen Befhmad aus. Befonders ragen
drei Stüde hervor, welke im Befike des Raifers fi befinden, ein Prunf-
f&hreibzeng, beftehend aus einem mächtigen Yephritftein, der mit den Gnfignien
des Schwarzen Adler-Ordens im vergoldeter Bronze geihmüdt ift und von
zwei filbervergoldeten Adlern getragen wird, während den Dedel eine mit
rothbem Sammt gefütterte goldene Rönigsfrone bildet. Das Screibzeng ift für
das Kapitel des Schwarzen WAdler-Ordens angefertigt und wird nur vom
Raifer und vom Ordens-Ranzler bei der Ueberzeichnung der Ordens-Urfunden
benugt. Das zweite Stüd bildet einen großen, in Silber getriebenen Pokal,
auf dem die Flotte des Großen KRurfürften auf der Fabrt nad Rügen dar-
geftellt if. Unter den andern Ausftellungsftüden find zu nennen ein filberner
Weintrug, an deffen Halfe ein Satyr niet und feinen Kopf durh den Schlit
des emporftrebenden Henkels geftedt hat, ferner ein großer filberner Beer
mit dem Portrait des Raifers Wilhelm I., der als Centenarpreis für die
Segelregatta auf dem Wannfee gegeben worden ijt; ein Nautilus in ver-
goldetem Silber, eine Ropie des befannten Meifterwerfes von Quippe aus
dem grünen Gewölbe in Dresden, mehrere Meine fein cifelirte Silberbeder
fowie einige Plafetten und getriebene Mejfing- und Rupferfdiiffeln.
— Aus dem Atelier von Rarl Ule in Münden ift ein Blasfenfter
von befonderem Werthe hervorgegangen. Es hat einen Umfang von etwa
20 Quadratmeter und ftellt eine Parklandfhaft dar, in der fih von dunfen
Baumgruppen ein im Waffer ftebender, reid) mit fpielenden Mizen und Putten
verzierter, in grüner Bronze gebaltener Brunnen abhebt. Jm Wafer, das
von einem Schwan belebt wird, fhwimmen Seerofen und am Ufer fteben
Blumen und Schwertlilien. Das ganze Fenfter ift aus amerifanifdem
Opalescentglas ohne Anwendung aufgemalter Farben oder Conturen hergeftellt.
Eine derartige Arbeit von folhem Umfange dürfte aus gleihem Material
Theetifch, Stil Souis XV., entworfen und angefertigt für den
Fiirjten Plef von Julius Swiener.
Deutſche Runf.
bisher in Deutfhland wohl no nicht ausgeführt worden fein. Jn dem neuen
Befhäftshaufe „Raiferpalaft“ in Dresden foll diefe Mengene Arbeit Auf-
nahme finden.
— Die Runftanftalt von Trowisfh & Sohn in Frankfurt a. ©
hat feit ihrem fünfzigjährigen Beftehen fh die Wertbfhätung Derer erworben.
welde an die farbige Nahbildung berühmter Werke der alten Aunft einen
ftreng fünftlerifhen Maßftab legen. Schon die erften nad altitalienifchen
Meiftern gejhaffenen Farbendrude — wie 3. B. Raffaels Spofalizio —
beweifen, daß diefe Runftanftalt es ernft mit der Reproduftion der Originale,
nahm. faft jedes neue Bild hat dies erfte Urtheil beftdtigt. Der Beift der
Auffaffung ift Serfelbe geblieben, und wie die Technik üh vervollfommnet
bat, das zeigt gerade jet der nad der befannten Studie van Dyds zu feinen
„Rindern Karls I. von England“ gefhaffene farbendrud. Das Halbprofil
mit den Findlih offenen Zügen bebt fiy Mar von dem dunkelgetönten Hinter-
grunde ab. Gn der Leuchtkraft der farbe, namentlid bei der Rarnation,
fowie in der Weidbeit der Linien gelangen alle Qualitäten des Originals
zum Ausdrud.
— ðm Rölner Runftgewerbe-Mufeum ift das große dreitheilige
Glasgemalde zu vorläufiger Ausftellung gebradt, das auf der Auktion
Douglas für 21 780 Markt erworben und dem Mufeum von einer Anzahl
funftfinniger Freunde gefhenft wurde. Dargeftellt find unter rei befränzter
Renaiffance-Urchitettur auf blauem und rothem Grund die Mutter Gottes im
Strahlentranz zwifhen dem bh. Johannes dem Täufer und der bh. Margaretha.
Dor der lekteren fnieen die Stifter, Dr. Johann Widmann aus Bafel, Ober-
vogt des Rlofters St. Blaen im Schwarzwald und deffen Gattin Margaretha
Spilmann aus Breifah, Das fFenfter wurde im Jahre 1528 nad St. Blafien
geftiftet, wo ein Bruder der Margaretha Spilmann Abt war. Der Stil der
figuren und namentlid der ornamentalen Befrönung läßt mit Wahrfcheinlichkeit
darauf fohltefen, daß der Karton zu dem fenfter von Hans Holbein d. J.
gezeihnet worden ift, der im Jahre 1528 no in der Daterftadt des Donators
thätig war.
— Die Schule fiir Runfthandweberet in Scherrebel, die erft vor
11/3 Jahren von Paftor Jacobfen gegründet wurde, hat fih aus den ber
fbeidenften Anfängen jehnell entwidelt, fo daß fie fih jegt fhon eines wohl-
verdienten Rubmes erfreut. Der Runfthandler Bing in Paris hat nad
Scherrebef die Aufforderung gerichtet, bei ihm Sie Erzeugniffe der Schule
auszuftellen. Gn diefen Tagen find zwei neue pradhtvolle Gobelins fertige
geftellt und nad Dresden und Berlin zur Ausftellung gefandt worden. Der
nah Dresden gejandte Wandteppih ift nah einem Entwurf von Hans
Thoma in Frankfurt gearbeitet. Der zweite, den frühlingeeinzug dare
ftellend, nad Prof. Edmann in Berlin, ift die hervorragendfte Arbeit der
Sherrebefer Schule. Das Mufeum fiir Gnduftrie in Ropenbagen bat mebrere
Teppibe erworben, u. a. den gleidfalls nad Edmanns. Entwurf fertige
geftellten ,, Sdhwanenteppidh' (Preis 300 M.).
.
Preisbewerbungen.
Wettbewerb
um das Stipendium der Dr. Paul Schulge- Stiftung
für das Jabr 1898.
Auf Brund des Statuts der Dr. Paul Schulke-Stiftung, die den Jwet
bat, jungen befäbigten Riinftlern deutfher Abkunft obne Unterfhied der
Ronfeffion, welhe als immatrifulirte Shüler einer der bei der hiefaen Rönialihen
Akademie der Rünfte beftehenden Unterridts-Anftalten fiir die bildenden Rünfte
(der afademifhen Hohjaule für die bildenden Rünfte oder den afademifden
Meifter- Ateliers) dem Studium der Bildbanerfunft obliegen, die Mattel zu
einer Studienreife nach Fralien zu gewähren, wird hiermit der Wettbewerb um
das Stipendium für das Jabr 1898 eröffnet.
Als Preisaufgabe ift geftelit ein durchgeführtes Relief in Halbkreisform
über dem Portal einer Grabfapelle. Begenjtand frei. Bröße des einzu-
fendenden Modells: 0,70 : 1,40 Meter.
Die foftenfreie Ablieferung der Konkurrenzarbeiten nebſt fdriftlidem Be-
werbungsgefub an den Senat der Röniglihen Afademie der Rünfte muß bis
zum 5. März 1899S erfolgt fein.
Der Bewerber bat gleichzeitig einzureichen:
N) einen von ihm verfaßten Lebenslauf, aus weldem der Bang feiner
fünftlerifhen Ausbildung erfichtlich ift,
2) verjbiedene während feiner bisherigen Studienzeit von ibm felbft
gefertigte Arbeiten,
5) eine fchriftlihe Deriherung an Eidesftatt, daß er die von ihm ein-
gelieferte Ronfurrenzarbeit jelbft erfunden und ohne fremde Beihilfe aus-
geführt babe,
4) Heugnifje darüber, daß der Bewerber ein Deutfder ift und zur Heit
der Bewerbung als immatrikulirter Schüler einer der obenbezeidneten
akademiſchen Unterrihts-Anftalten dem Studium der Bildhauerkunft obliegt.
Eingefandte Arbeiten, denen die vorbezeihneten Scriftftüde und Feugniffe
nicht vollftändig beiliegen, werden nidt beriidfidtigt.
Der Preis befteht in einem Stipendium von 3000 Mark zu einer Studien-
reife nah Italien.
Der Genuß des Stipendiums beginnt mit dem 1. Oftober 1898. Die
Auszahlung der erften Rate im Betrage von 1500 Mark erfolgt beim Antritt
der Studienretfe; die zweite Rate in gleiher Höhe wird gezahlt, wenn der
Stipendiat nad Derlauf von fehs Monaten über den fortgang feines
Studiums an den Senat der Alademie der Rünfte einen für genügend er-
adteten Bericht erftattet bat.
Eine Theilung des Stipendiums an mehrere Bewerber ift ausgefdloffen.
Die Zuertennung des Preifes erfolgt im Monat März 1898. Nadh
getroffener Entfheidung fann auf Beftimmung des unterzeichneten Senats eine
Sffentlidhe Ausftellung der Bewerbungsarbeiten ftattfinden.
Die preisgefrönte Ronfurrenzarbeit wird Cigenthum der WUfademie
der Rünfte.
Berlin, den 25. November 1897.
Der Senat. der Röniglihen Akademie der Rünjte,
Sektion für die bildenden Künfte 5. Ende.
— Nahdem die Staatsregierung einen dritten Schinkelpreis in Höhe
von 1700 Mark geftiftet bat, find, entfpredend der Dreitheilung .der Aus-
bildung im Baufadh fiir den Hod, Eifenbahn- und Wafferbau, fiir 1898
folgende drei „Schinkel-Aufgaben" endgiltig vom WArciteften-Derein geftellt
worden: J. für den Hohbau: „Entwurf zu einem feft- und Befellfhafts-
baufe für die deutfhe Marine auf einem in der Nähe von Kiel gelegenen
Bauplaz"; 2. auf dem Gebiete des Cifenbabnbanes: „Umgeftaltung der
Bahnhöfe In Leipzig"; 3. auf dem Gebiet des Waflerbaues: Verlegung
der Berliner Stadtfhleufe nah oberhalb der Inſelbrücke“.
— Das über den Wettbewerb zum Neubau eines Rathhaufes
in Charlottenburg eingefegte Preisgeriht bat über die Prämtirung der
eingegangenen Entwürfe Entfheidung getroffen. Erhalten haben den erften
Preis mit I0 000 Mark, Rennwort „Spät und früh‘, die Arditekten Rein-
hardt und Süßenguth In Charlottenburg, den zweiten Preis mit 6000 Mark,
Kennwort „Charlotten-Burg“, die Urciteften Jaar und Dahl in Berlin, den
‚dritten Preis mit 4000 Mark, Rennwort „Ehemalige Bartenftadt", der Bau-
meifter und Lehrer an der Rönigl. Runftfhule in Berlin Herrmann Guth in
Charlottenburg, den vierten und fünften Preis mit je 2500 Mark der Arditekt
Rihard Walter und der Baumeifter Buftav Hildebrand in Charlottenburg,
Kennwort „Waifenhaus", der Architeft und Profeffor am der fsnigliden
tehnifhen Hodfdule Gob. Vollmer in Berlin und der Arciteft Heinrich
Saffoy, Kennwort „Charlottenburger Wappen‘,
— Das Preisausfhreiben für Rünftlerpoftfarten aus dem
Rönigreihd Sadhfen bat einen febr erfreuliden Erfolg gehabt. Gn
221 Einfendungen gingen 594 Entwürfe ein, Dolfstradten, Dolfsbräude,
Lansfhaften u. f. w. darftellend. m erfreuliher Bleihmäßigfeit find
alle Gegenden Sadjens vertreten. Es wurden 12 erfte, 12 zweite Preife
vertheilt und 16 Entwürfe dem Minifterium des Fanern zum Anfaufe em-
pfoblen. Die Herausgabe mehrerer Serien diefer Rünftlerpoftfarten ift in
Ausfidt genommen. Folgenden zehn Einfendern bat das Preisgeridt je
einen bezw. zwei Preife erfter Ordnung zuerfannt: Arthur Barth in Rölln
bei Meißen; Oberlehrer R. Hoffmann in Chemnitz (2 Preife); W. Witting in
Dresden, Adolf Nöther in Blafewisz (2 Preife), Otto Apikfh in Dresden,
P. Herrmann in Wahwis, Lehrer P. Lorenz in Plauen i. D., Felir Elfner
in Dresden, Arthur Bendrat in Dresden und Willibald Weingärtner in
Dresden. Ebenfo erhielten 10 Einfender die ausgeferten 12 Preife zweiter
Ordnung. 16 Entwürfe wurden außerdem dem Minifterium zum Ankauf
empfohlen. Die Herausgabe mehrerer Serien von „Rünftlerpoftfarten mit
Bildern aus dem Sachfenlande" ift in Ausfiht genommen.
— Bei der Ronfurrens des -Dereins der Bildhauer in Münden waren
den Mitgliedern drei Themata geftellt: 1. Die plaftifhe Ausfhmüdung eines
Paffagen - Einganges. 2. Ein fortlaufender fries und 3. ein Rapitäl. —
Als Preisrichter fungirten die Herren Profeffor v. Rramer, Bildhauer Hahn
und Arditeft P. Pfann. Wenn aud nur 14 Arbeiten der Beurtbeilung unter»
lagen, fo find nad Ausfprud der Herren Guroren doch nod einige febr be-
friedigende Löfungen zu verzeihnen. Preife erhielten für Aufgabe I: 1. Karl
Riller, II. Ff. Ringer. Die Löfung des Herrn Killer bejonders wurde als
eine hervorragende Arbeit von hohem Werthe bezeichnet; als eine fehr felbft-
fidndige Erfindung obne direfte Anlehnung an Dorhandenes. fiir Auf-
gabe 2: Zwei I. Preife: Arnulf Rorn und KR. Grog, mit Betonung der ge-
lungenen Löfung und fhönen Durdbildung. für Aufgabe 3: Preis: Rarl
Huber far eine zielbewufte und faubere Arbeit.
Perfönliches.
— Der Lehrer der Runftgefhihte und Literatur an der Runftafademie
in Diiffeldorf, Profeffor Dr. phil. Wolfgang von Oettingen, ift
endgiltig zum erften ftändigen Sekretär der Akademie der Riinfte in Berlin
ernannt worden.
— Dem Direftor der Sammlungen des Städel’jhen Aunftinftituts in
stanffurt a. M., Dr. phil. Heinrih Weizfäder, ift das Prädikat „Profeflor“
beigelegt worden.
— Dem ordentlihen Profeffor der Ff. techniſchen Hochſchule, Auguſt
Thierfh in Münden, wurde der Derdienftorden vom heil. Mihael IV. Rlafje
verliehen.
Thi
v-a e- ET HT eag E AR a n ae
Deutſche Runf. 139
— Dem Maler Dr. franz Ritter v. Lenbadh, Ehrenmitglied der
Afademie der bildenden Künfte in Münden, wurde die Bewilligung zur An-
nahme und zum Tragen des ihm verliehenen Rommandeurfreuzes I. Rlaffe
des fF. jhwedifchen Nordftern- Ordens ertheilt.
— Profeffor Rihard Stier in Stuttgart hat einen Theil der
funttionen dea in Rubeftand-tretenden Direttors H. v. Ruftige übernommen,
indem er zum Snfpeftor der f. Gemalde ernannt wurde. €s fallen ihm
damit die Funktionen eines Ruftos ‘fiir die Bilderfammlungen in den
ft. Schlöffern Stuttgart, Ludwigsburg, Bebenhaufen, Friedrihshafen u. f. w.
zu. Wer der Nachfolger Auftige's als Fnfpeftor der Staatsgalerie werden
foll, ift 3ur Seit nod unentſchieden.
— Der Bildhauer Wilhelm Wandfadneidser zu Charlottenburg hat
dem Großherzogliben Mujeum zu Schwerin drei funftvolle Arbeiten über-
fandt. Es find dies Statuen des verftorbenen Staatsfelretärs von Stephan
und der verdienftvollen Manner Werner Siemens und Alfred Krupp.
von Stephan ift dargeftellt in „groger Gala mit Degen und federbut.
Krupp und Siemens zeigen fih in einfadher Civilfleibung. Augenblidlid
arbeitet der Riinftler an einem für Neu-Stettin beftimmten Denkmal Raifer
Wilhelms I.
— Der Bildhauer Profeffor Ernft Herter führt das Wiesbadener
Bismard-Dentmal der Vollendung entgegen. Das Denkmal erhält eine Höhe
von etwa 7 Meter. Der Altreihsfanzler fteht, das Haupt mit dem Helm
bededt, in energifher Haltung da, die Linfe umfaßt kraftvoll den Pallafch.
Eigenartig ift der Schmud des Poftamentes. Vorn an der Ede gt eine an-
muthige Frauengeftalt, welche die Provinz Heſſen-Naſſau verkörpert: Palmen
liegen auf ihrem Schooße, mit einem Lorbeerzweig in der erhobenen Rechten
begrüßt ſie den Schöpfer des deutſchen Reiches. Auf der Rüdjeite ruht an
einer Ecke die Kaiſerkrone, die ein Adler mit ausgebreiteten Schwingen behütet.
Die rechte Seite des Poftamentes nimmt ein Anabe ein, der fid in ein auf-
gefhlagenes Bud vertieft; man lieft darin die Rraftworte Bismard’s: „Wir
Deutfcen fürdten Gott, fonft nichts auf der Welt.“ Der Sodel wird Granit,
die bildnerifchen Modelle werden in Bronze gegoflen.
— Der Bildhauer Profeffor Guftav Raupert, der in Kaflel verftorben
it, bat ein Alter von ahtundfiebzig Jahren erreiht. Er war am 4. April
1819 zu Raffel geboren. Dort wurde er ein Schüler von Profeffor Henfcel;
dann bildete er ih in Münden bei Shwanthaler und vollendete feine Studien
in Rom. Außer einer Reihe von Gruppen, wie faun und Bachantin,
Mutterliebe, Perfeus und Andromeda, fuf er das Heffendentmal in Raffel,
vier Gruppen in Sandftein (Krieg und Frieden) für die neue Börfe in
Frankfurt a. M. und Marmorftatuen von Chriftus und den vier Evangeliften
für die Bafilife in Trier. Zu feinen hervorragendften Werken zählen aud,
wie bereits erwähnt, die Denkmäler von Lefiing und von Börne in frant-
furt a. WM. Der Römerfaal dafelbft enthält fein Marmorftandbild Raifer
Wilhelms I.
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An unſere Leſer!
Wir haben unſeren Abonnenten und Freunden die erfreuliche Mittheilung zu machen, daß die „Deutſche Kunſt“
im neuen Jahre eine Erweiterung ihres Umfanges und ihrer Ziele erfährt.
Die in Berlin erſcheinende Kunſtſchrift, Das Atelier“ it von uns
angekauft worden und geht vom J. Jannar ab in der, Deutſchen Kunſt“ auf,
in der Weiſe, daß ihr Name und ihr Nachrichteninhalt in dem Beiblatt erhalten bleibt, die bisher den Titel
„Vom Kunſt- und Kunſtgewerbemarkt“ führte.
Es iſt uns nicht nur gelungen, uns einen Theil Ser Mitarbeiter es „Atelier“ zu ſichern, ſondern wir
glauben gerade durch dieſe materielle und ideelle Vereinigung zu beweiſen, daß wir Sen Zeitpunkt für gekommen
halten. wo Alle, die es mit der Kunſt unſerer Zeit ernſt meinen, ſich
ohne ſich auf Richtungen und Grundſätze einzuſchwören
in dem Streben zuſammenfinden können,
die Entwickelung deutſchen Kunſtſchaffens
mit vereinten Kräften zu fördern.
Wir werden es nach wie vor als umfere Aufgabe betrachten, alle Bewegungen auf dem Gebiete der
bildenden Künfte mit aufmerffamen Auge zu verfolgen und objettiv über fie zu berichten, ftatt fie je nad
Beihmad und Neigung zu fördern oder zu hemmen. Die fortfchreitendere Verbreitung der „Deutfchen Runft“,
das Woblwollen Ser Runftverwaltungen, die Anerfennung der Künftlır wie der Runftfreunde leiftet uns Gewähr,
Saf wir mit diefer paxteilofen, nicht Frittelnden, fondern berichtenden Baltung den rechten Weg eingefchlagen
baben, Ser zu einem von dem nterejje aller gebildeten Kreife getragenen nationalen Runftfchaffen binleitet.
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Beiblatt: Das Mtelier.
Illuſtrirte Zeitſchrift für das geſammte deutſche Kunitichaffen.
Central-Organ deutfdyer Runft und Riinjtler-Dercine.
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Alle 14 Tage etfheint eine Nummer. 2 usgeg Alle 14 Cage erſcheint eine Nummer.
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Publifationsorgan des Deutfhen Runftvereins in Berlin, des Schlefifhen Runftvereins in Breslau, des Runftvereins für das Trofberzogtbim Geffen in Tarmftadt, des Anhaltifben Runft-
vercins In Deffau, des Wiirttembergijden Runftvercins in Stuttgart, ded Schleswig - Holfteinifhen Runftvereins in Riel, der Runftvereine in München, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gero,
Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Gdrlig, Tanzin, Rönigeberg, Stettin u. a.
Hr. 8.
15. Jannar 1898. —— II. Zahrgans.
Max Roch, ein Dekorations-Künſtler.
chon ſeit einem Jahrzehnt ſpukt in deutſchen Landen ein weſenloſer
Begriff, der neuerdings mehrfach in Zeitungspapier gewidelt, greif-
bare Geſtalt gewonnen hat, hier ausländiſch aufgeputzt, dort mit
einem nationalen Mäntelchen umhüllt. „Dekorative Runſt“
nennt ſich der Geiſt, von dem man eine Neubelebung des modernen Kunſt-
ſchaffens erwartet, ein noch nie Dageweſenes, oder doch lange Verſchwundenes.
Was fi im Hirn der Literaten auf Formeln gebradt eng zufammen-
drängt, ftellt fic) in Wirklichfeit meilt als cine lange Reihe von That-
fahen dar, die langfam zufammenfcliegen. Ueber diefe alte Erfahrung
wäre wenig zu fagen, wenn man es nicht gleichzeitig verfuchte, mit dem
Begriff ‚Dekorative Runt zugleich als etwas Neues und AWadahbmens-
werthes eine Ausländerei einzufchleppen, von der wahrlid fein Heil zu
erwarten ift. LUnfere Nusftellungen und Kunfthandlungen füllen fih mit
Möbeln und Deforationsftüden franzöfifher und englifher Herkunft, Tages-
und Wodenfohriften preifen fie als NMufter modernen, geläuterten Befhnads
an. Wenn man ihren Berichten folgen wollte, fönnte man garnicht fehnell
genug von unferer heimifhen Tradition losfommen, um fic) auf den neuen
Glauben einzufhwören.
€s ift bier nit der Ort, fih mit dem wenigen Neuen zu befhäftigen,
das die vom Auslande beeinflußte Ausftattungstunft in Wahrheit auf-
zuweifen bat; obwohl man bei einer folden Unterfuhung zu gar merk-
würdigen Refultaten gelangen würde, wie fic) Senn beifpielsweije nach—
weifen ließe, daß ein gut Theil dcs gepriefenen Stils auf deutfhe An:
regungen zurüdzuführen if. Auch wäre es nit unintereffant, darauf
aufmerffam zu machen, wie funftgewerblide Unfenntnif uns Mandes als
modern aufzufhwindeln fudt, was jenfeits des Rbeins und des Kanals
fcit einem Jahrzehnt in das Gebiet Ser Mode von Geftern übergefiedelt ift.
Wir wollen uns im Yadftehenden auf die Fladendeforation be-
ſchränken und es verfuchen, der ausländifchen „dekorativen Kunft‘* Sie gute
deutfche ,,dierfunft* gegenüber zu ftellen. Wo es h um Flähenfhmud
bandelt, begnügt fic) der fogenannte moderne Gefdmad mit einem ge-
fälligen, aber feinem Wefen nad) bedeutungslofen Linien- und Farbenfpiel.
Wenn man an dem zierlihen Geranf japanifdher Pflanzenmotive feine
Freude bat, fo it das begreiflih, aber man follte aud den Urfprung
diefer Dekoration nicht vergeffen. Gn Sen anmuthig gewundenen Zweigen
ftedt eine eigenartige Heichenfpradye, durch die idh der Japaner mit feinem
Landsmann obne Worte verftändigt und jede Farbenzufammenftellung bat
ihre eigene Bedeutung. Die verftändniflofe Herübernahme diefer Linien-
führung ‚und Roloriftif ijt cin Armuthsseugnif, das wir uns um jo weniger
auszuftellen brauchen, als wir eine bewäbrte redende Zierkunſt haben, deren
wir uns wabrlich nicht 3.4 Sbämen brauchen.
Maz Hod. Stizze. Nicht vən einem um jeiner Befälligkeit willen importirten bedeutungs-
142
lofen formen- und ‚farbenfpiel, fondern von einem dem modernen
Empfinden angepaßten „redenden Ornament“ ift neues Heil zu
erwarten. Don den Wänden unferer öffentlichen Bebäude herab
foll eine große Vergangenheit Zu uns fpreden, Feftfäle und
Wohnzimmer follen in ihrem Bilderfhmud von gefelligen ‚Freuden
und von traulider Häuslichfeit erzählen, wie es im ftattlichen
deutfchen Bürgerheim Sitte war feit Jahrhunderten. Ein Grund
zum Bruce mit den Motiven und Formen früherer Zeiten liegt
um fo weniger vor, als das Derftindnif für fie nur bei denen
erlofhen ift, denen das ausländifhe Fin de siécle-thum augen-
blendend zu Kopfe ftieg.
Es liegt uns fiher fern, der die Wände quadratmeterweife be-
Sedenden boblen Roftiime und Hiftorienmalerei das Wort zu
reden, aber es reizt uns, dem finnlofen, importirten formen-
und farbenfpiel die redende Zierkunft, dem windigen Chic die
auf Tradition beruhende Tüchtigkeit gegemüberzuftellen. Um nicht
in gegenftandlofes Aefthetifiren zu verfallen, eremplifiziren wir mit
den neueften Arbeiten eines Deforationsfiinftlers wie Profeffor
Mar Rod, defen gefundem Sinn für flähenfhmud in letter
Feit viele Sffentlide Gebdude und Privathäufer ihre vornehmfte
Hierde verdanten.
Man hat fid jüngft daran gewöhnt, auf ein wohlgefchultes
Rompofitionstalent mit einer gewiffen Ueberhebung berabsufeben,
und doch ift und bleibt Sie Raumbefhränftung der Priifftein der
Meifterfhaft. Die redende Zierfunft, wie wir fie verftehen, trägt
wohl ihren Rhythmus in fih; aber fobald fie fih in einen
gegebenen Raum einfügen foll, muß fie fih einer Tabulatur an-
bequemen, deren Zwang man ihr nicht anmerken darf.
Als Mar Koh das Lübeder Rathhaus ausmalen follte,
handelte es fic) unter anderen um die Darftellung einer für die
Stadt bedeutfamen Begebenheit: Die Ueberbringung der Urkunde
über die Freiheiten und Geredtfame urh Befandte Raifer
Sriedrids, der dermalen gegen die norditalifhen Städte im
‚Felde lag. Der Löfung diefer Aufgabe ftellte fi ein fhwer zu
überwindendes Hinderniß entgegen. Die disponible flache mar
in Bogenfelder eingetheilt, deren Umrahmung den projeftirten
Feſtzug Surhfihnitt: da hieß es, aus der Moth eine Tugend
madhen. Der ganze Vorgang wurde hinter die Wandflähe ver-
legt, und die Befandten Raifer Friedrihs zogen wie an Bogen-
fenftern vorüber, von der jubelnden Menge begrüßt, in die ehrfame
Stadt ein. Der Raumzwang wurde fo der Fünftlerifhen Freiheit
dienftbar gemadt, der ganze Vorgang gewann an Natürlichkeit
und fpielte fih dioramatifh ab, wie ein wirkliches Gefdebnif.
Das fam denn and den einzelnen Geftalten 3u Gute, Rriegs-
fnehten und Bürgern, Laien und Geiftliden. Aus dem Roftüm-
bilde wurde eine fünftlerifh verkörperte Vergangenheit, die den
Lebenden die rubmvolle Bejhihte der Stadt veranfhanlichte
zur Erinnerung und zur Nadeiferung, ein redender, jedem ver-
ftandlider Wandfhmue.
Die Fresten im Leipziger Reihsgeriht find befannt, aber
es ift Mandes von den für diefen Zwed beftimmten Entwiirfen
in den Mappen des Rünftlers zurüdgeblieben, das der Deröffent-
lihung werth if. So reproduziren wir das für den Feitfaal
projeftirte ,,Oratel von Delphi. Flehend nahen die Sühne
fucdenden Gefandten. Auf einem Felfen thront lorbeerbefränzt
Sie Pythia und laufht den erlöfenden Worten des geflügelten
Genius, der hinter dem Raud des fhlangenummundenen Drei-
fußes auftaudt und Gnade fpendend die Hände ausftredt. Jn
antifer formenfprade tritt uns der driftlidbe Gedante der Strafe
als Sühne der Schuld entgegen, die Zierfunft gewinnt Leben
durch modernen Empfindungsgebalt. Das ift feine fühl refon-
firuirende Gedanfenmalerei, Sondern eine fiinftlerifche Ver-
mittelung zwifchen einer bedeutfamen Wythe und der nüchternen
Gegenwart.
‚Freier und ungebundener fdaltet die Phantafie des Rünftlers,
wo es fic) um den feftlidhen Schmud eines vornehmen Haufes
handelt. Tie Surh die Runft verflirte Gefelligteit, die veredelte
Dafeinsfreude ift das Thema Ser Wandmalereien, mit denen
Mar Rod den Feftfaal der Villa des Freiberrn von Rrausfopf-
Deutfhe Runf.
Hohenbuhau bei Wiesbaden zu fhmüden berufen ift. Deden-
gemälde und Supraporten, deren Entwurf wie bier zuerft ver-
öffentlihen, zeugen bei aller Freiheit der Erfindung von einem
feinen Rompofitionsgefühl, dem der gegebene Raum feine
Sdhranfe, fondern einen willfommenen Maßftab für den
Rhythmus der Gruppen bedeuiet. Don einem Strablentrans um-
geben, fhwebt Apoll auf weifem Flügelroß von Wolfen getragen
daher, Befhmwingte Benien und Putten übertragen die von ihm
ausgehende Begeifterung auf bodsbeinig über einander purzelnde
Faunden, die das Empfangene weiter geben an ein um den
Rand des Dedengemäldes gruppirtes Gewire bachifher Ge-
ftalten. Was da vom Maflifhen Olymp herniederfchwebt, ge-
winnt in den Supraporten irdifhe Beftaltung im malerifcyen
Renaiffance-Bewande. Der wiirdige Hausherr empfängt, die
Gattin am Arme, die nahenden Bäfte und ein mohlbefeßtes
Ordefter läßt, binter einer Balluftrade verfammelt, fröhliche
Melodien ertönen. Das Ganze maht einen überaus fröhlichen
Eindrud, das Renaiffance-Roftüm erfdeint nirgends als Maste,
fondern als natürliches fFeierfleids, der von der Dede hernieder-
klingende Begeifterungshymnus tönt in Sen Supraporten in
ruhiger Feftfreude aus.
Was Profeffor Rod fchafft, ift von jenem deforativen Sinne
erfüllt, den man als modernes Poftulat aufitellen moddte, und
wenn feine ‚formenfprade fih der überlieferten Brammatit be-
ient, fo it fie Soc durch eine frei fonftruirende Spyntar geregelt.
Eine fo fouverän mit der Tradition fhaltende KRünftlerfhaft
läßt fih nur duch ernfte Arbeit erringen, wie fle den Ultra-
modernen meift zu unbequem if. Man muß eben etwas gelernt
haben, um nicht in der Konvention fteden zu bleiben. Aus der
Schule des Runfigewerbemufeums hervorgegangen, bat Mar Rod
fih nicht mit der für Begabte iibliden Stipendienreife nad
Italien begnügt. Aud er hat in Sen Parifer Ateliers bei Galland
gearbeitet und fih dort fein gefundes deutfhes Empfinden bewahrt.
Das Naturftudium, das man für die Pfeudsodeforativfunft
als Privilegium in Anfprud nehmen möchte, ift eben nidt
Selbftzwed, fondern ein Durhgangsftaðium, Sas man ebenfo
überwindet, wie die fonventionelle Tradition. Profeffor Rod's
Atelier birgt neben quadratmetergroßen Entwürfen ein tleines
Studienblatt, das für feine Art des Schaffens darakteriftifch
it. SGorgfaltig, mit peinlihem Fleiß Surdgefiihrt, fieht man
da die gefrauften Umriflinien einer pilzartigen Schmaroger-
pflanze. Und wenn man den Rünftler nad der Bedeutung diefer
Studie fragt, dann madt er ein ganz ernfthaftes Gefidt und
antwortet leuchtenden Auges: „Ja, feben Sie, da nehme ih
meine dekorativen Motive ber. Don dem Apoll des Degen-
gemäldes bis zu dem moosartigen Gebilde, weld' ein weiter,
für das Kritifafterauge unermeßliher Weg!
€s ift eben ein -feltfam Ding um die Runft, die zwifchen
Meberlieferung und Yatur fo lange bin und berfdwantt, bis ihr
das individuelle Rönnen die Wege weift.
Berade diefes individuelle Rönnen aber droht der deforative
neue Stil zu erfiiden. Jn feinem Linien- und Farbenfpitem
ftedt ie Gefahr des Schematismus. Es fagt nidts, weil es
nihts zu fagen bat, oder ca fpricht eine fremde Sprache, die
wir nidt verfteben.
Mar Rod) hatte für einen Bedftein'fdhen Flügel auf der
Berliner Gewerbeausftellung 1896 im Weil, Bold und zarten
‚Farbentönen die dekorativen Zeihnungen geliefert, die noc) deut-
lider als feine großen Wand- und Dedenmalereien zeigen, was
wir unter redender Dierfunft verfleben.
Die Wagneropern und die in ihnen behandelte deutfhe Sage
lieferten die Motive für Schnigarbeit und Malerei. Die Orna-
menti? Ses Gnftrumentes erzählte von dem Fünftlerifchen Dienft,
in den es gefiellt wurde. Das fonftruftive Element, von dem
jüngft wieder mehr als nöthig gefabelt wird, war vollfommen
gewahrt, ohne allein formenbildend zu wirken und die freie Er-
findung zu hemmen. Der Zwedbegriff des Flügels war nit
nüdtern ftofflidh, fondern pbaptafievoll wefenhaft gefaßt und
zum Ausdrud gebracht.
— WI
Deutfhe Runft.
143
franz Stud.
8 war eine einfache Muſchel, deren Gattung fid) nicht beftimmen lief,
blau, grün und roth fhimmernd mit einem metallifhen Perlmutter-
glanz, deflen Herftellung durch Belfarben wie ein koloriftifhes Wunder
erfhien. Daneben hing ein Bild, ein paar am Meeresftrand in wilder Flucht
dabinrafende Beftalten, den Seewind verfinnbildlihend, wie er faufend über
den Sand ftreiht, mit vorgeftredten Armen und gefpreizten Beinen, jeder
Statif fpottend, und dod fo ted hingefekt, daß man an ihren Lauf glaubte.
Es find Fahre vergangen, feitdem franz Stud das gemalt hat, er ift
inzwifchen Profefjor geworden, vielfad medaillirt und von Weib und Mann
bewundert und verhätſchelt. Im Salon Schulte find vierunddreißig feiner
Werte ausgeftellt, die man mit gemifchten Gefühlen betrachtet.
€s will ung zweifelhaft erfcheinen, ob man wohl thut, wenn man eine
Rolleftivausitellung Stud’fher Bilder veranftaltet. Gm Einzelnen ift der
Rünftler feiner Wirkung fiher, faalfüllend ermiidet er. Es liegt etwas
Abfihtlihes in feiner Runft, das fid fo lange aufzwingt, bis die Reaktion
verfagt. Man fehnt fih aus feiner metallifch fhweren, tief fatten Färbung
beraus in das Lichte, leicht Bemweglide, die Phantafie verliert in diefer
malerifhen Scheinwelt ihre Spanntraft und fucht Erholung in der natiirliden,
entzauberten Wirklichkeit.
für franz Stu it die Natur nicht mehr liebevoll beobadteter Dar-
ftellungsgegenftand, fondern Material, mit dem er nach malerifher Willkür um-
fpringt. Dafür zeugen im Salon Schulte fieben Akte und vier weibliche
Mar Koh, Wandgemälde im Lübeder Rathhaufe.
Deutfhe Run ft.
Riinftlers. Der intereffante Ropf ift in das jugendlih Fauſtiſche
überhöht, die Augen flammen im diifterem Feuer und um die
Lippen zudt patbetifhe Leidenfhaft. Der Menfh verfhwindet
binter dem Künftler.
Man wird ji.) bei aller Abneigung gegen Dergleihe dem
Eindeud niht entziehen Fönnen, daß Stud in einem gewifjen
Abhängigkeitsverhältnig zu Bödlin ftebt. Aber fein Vortrag ift
nicht ernfthaft, fein formenfpiel nicht humorvoll genug, nur die
Sinnlidfeit ift bei ihm ftärfer und begebrlidher. Seine um das
Weib fämpfenden Centauren bauen zwar herzhaft mit den Hufen
auf einander ein, aber fie thun fid nicht fonderlid web und man
darf ihren Zorn nicht an den Bödlin'ihen Pferdemenfhen meffen.
Sein brauntotbes Meerweib fehreit mit geöffnetem Munde ein
Sturmlied in das Wellengebraus, aber die Stimme wird ihr
verjagen trok aller Rraftanfirengung, die Wogen find ftarfer als
fi. Wenn ein faunden mit dem gehörnten Rrausfopf gegen
ein Bödlein anrennt zum Ergöten feiner Benojjen, fo ift das
eine abfihtlihe Komödie, die das Alatfhen der bodsbeinigen
Spielgenofjen berausfordert ohne natürlih quellende Tollheit.
Nur an Sinnlichkeit ift Stud feinem Dorbilde Bödlin überlegen,
ja fie erfheint faft fcanfhaft iiberreist. Cin Centaur preft cin
nadtes Weib an fidh, ein jiinglingshafter faun ftredt fi be=
gebrlih neben einer im Lauf gefallenen Nymphe, ein ganzer
Bachantenzug tollt wein- und liebetrunfen einem Waldgebege zu.
Ueber Sem allen brütet ſchwere Wonneſchwüle ſtatt ausgelaſſener
Dafelnsfrende, die Stud'jhe Sinnlidfeit entjpringt den Nerven,
nicht dem gefunden Triebe.
Die Parallelen mit Bödlin drängen und bäufen füh in
Titeln und Motiven. Aus dem Bödlin'fhen „Schweigen im
Walde" wird ein Stud'fher „Zanberwald", in dem fih das
Einhorn 3u einem magern Centaurenpaar verfliidtigt, der Humor
der „Sufanna im Bade" fest fih in eine Rarrifatur um, die
nur eins ausfchließt, das behaglihe Laden.
Dor allem aber ift es ein Element, das ung bei Stud zu
feinem reinen fünftlerifhen Genuß fommen (aft, das Thea
tralifche, das bühnenmäßig dekorativ Arrangirte. Die Legende
vom erften Menfchenpaare verträgt ein joldes Element am allere
wenigften, wie es fi in der gerade aufgeredten Engelsgeftalt
breit macht, die im ,,Derlorenen Paradies anf das Schwert
geftüst an der Pforte Edens Wade bält. Selbft in der auf
Pferdegerippen berantobenden „Wilden Jagd“, wie in dem von
Mar Koch, Skizze.
Studienföpfe in Paftell. Befonders die Studienköpfe find für Stud
harakteriftifh. Bald leicht bingehaudt, bald in harte Umtiflinien umgefest,
verlieren fie das Bildnifartige unter der Hand des Rünftlers und gewinnen
eigenes Leben. Man fieht fie unwillfüriib in Stud'fhe Phantasmen hinein
und weiß genau, daß man fie irgend einmal als Pallas Athene, als furie
oder als Schöne Sünde wiederfinden wird. Die Seele, das eigenartige Em-
pfinden ift nicht aus den gegebenen Zügen herausgebolt, fondern ihnen auf-
geprägt. Das für die Univerfitätsaula in Münden beftimmte Portrait des
Prinzregenten £uitpold in der fpanifhen Hoftradht der Hubertusritter ſteht
unter dem Einfluß des mittelalterlihen Aleides, der Fuß tritt theatraliih auf
eine Stufe, und felbft in die freundlihen Züge des verwitterten Antlikes
fommt etwas wie abfidtlide Pofe. Dasjelbe gilt von dem Selbftportratt des
furien verfolgten Derbrecher in Lebensgréfe drängt es fidh
hervor, nah Senfation bafdend, die Cinbildungstraft anf-
ſtachelnd. S
Ein Rünftler von Franz Stud’s Qualitäten Pann eine ernft-
bafte Aritif vertragen, und der gelegentlihe Tadel ift eine Ergänzung der all-
gemeinen Anerkennung. Es tam uns darauf an, der Befüchtung Ausdrud zu
geben, daß ein großes Talent fih abhert und überreizt in dem Streben nad
dem Senfationellen und dabei einen Theil feiner felbftherrlihen Männlichkeit ein-
büßt. Jn Stud’s Schaffen ift ein femininer Zug gefommen, ser in der Bee
wunderung byfterifcher Weiblein und ihrer Aftbetifirenden journaliftifhen Ge-
folsfhaft feinen Wiederhall findet. Der Minnefänger Frauenlob wurde von
Jungfrauen zu Grabe getragen, weil er die frauen lobte, es ware fade
darum, wenn Stud’s Künftlerfhaft zu Grabe getragen würde, weil fie von
frauen allzu überfhwänglid gelobt wurde. Hödfte Runft ift und bleibt nun
einmal männlide Runjt, die mit den Nerven michts zu thun bat und die
Hpfterie nicht lennt. G. M.
Neuordnung und Neuerwerbungen der Berliner National-Galerie.
e 8 Ki Sem pfeudoforinthifcen Runfttempel auf der Mufeums-
infel hat lange Zeit fein befonders günftiger Stern ge-
fhwebt. Als die Wagner'ihe Sammlung im Fabre
des Heils 186] ðem Staate vermaht wurde, wußte
man eigentlich nicht fo recht, was man damit anfangen follte. Sie
fand in den dunklen Korridoren des Afademiegebäudes einen
beimlihen Unterfchlupf, erhielt fparliden Fuwadhs urh Ju-
wendungen des Herrfherhaufes und gelegentlihe Schenkungen
von Privatperfonen und nahm fo allmäblih einen Charakter
an, der zu Rlagen über folde Verborgenheit feinen befonderen
Anlaß gab. .
Als man fic dann in einer niht eben glüdlihen Stunde
daran erinnerte, dab König Friedrih Wilhelm IV. in feinem
Bebauungsplan der Mufeumsinfel als Mittelpunkt eine Art
Tempel geplant hatte, der im Exrdgefhoß Hörfäle, im Hauptftod-
werfe eine große Aula umfafjen jollte, brachte man diefe Er-
— — —
EEE TEE ET er oe ~
innerung mit den Rudimenten einer nationalen Bemäldegalerie in
Derbindung und erbaute innerhalb eines Jahrzehnts von 1866—1876
die Nationalgalerie. Der geplante Säulenumgang wurde mit
Rüdfiht auf die Belihtung zu einer mit Halbfaulen beflebten
Mauer, aus der ‚Freitreppe wurde eine Doppelftiege mit Thor-
Öffnung und Reiterdenfmal, es entftand aus dem Unterridts-
gebäude eine Pfeudo-Bemäldegalerie.
Die innere Entwidelung der Sammlung nahm ebenfalls feinen
befonders glüdlihen Derlauf. Die Wagner’fhe Sammlung follte
laut teftamentarifcher Verfügung als ein Ganzes erhalten bleiben,
in das fic) Sie gelegentlihen Schenfungen bei ungenügenden
Fonds zu planmäßigen Anfäufen nur zwangsweife einfügten.
Rubmvolle Waffenthaten und die Wiedererrihtung des Neiches
führten zu nabe liegenden Derwedfelungen patriotifher und
nationaler Kunft und nad Errihtung der Ruhmeshalle fam man
auf den nicht viel glüdlicheren Gedanken, Sie Nationalgalerie
etwa wie eine Bibliothef zu behandeln und fie urh eine
Portraitfammlung berühmter Dichter und Denker zu ergänzen.
Größere Organismen, wie die Raczinsfi'jhen Bilder wirkten wie
Anwiidfe, die den Körper anfıhwellen madten, ohne ihm neues
Leben zuzuführen. x
Man bat für diefe Zuftände Perfonen verantwortlid maden
wollen, ftatt mit den Derhältniffen zu rechnen, man träumte von
einer Nationalgalerie, ehbe es eine nationale Runft gab. Wäre
den „Anregungen der Tagestritif Folge gegeben worden, fo
würden wir heute an einer Reprafentation des wedfelnden Mode-
gefhmads — nod weniger ‚Freude haben. Das Drängen der
„Richtungen“ nad ftaatlider Anerfennung war ebenfo begreiflid,
als das Widerftreben, das cs fand, und wir nehmen, nachdem
ein Theil des älteren Beftandes ausgefihieden ift, feinen Anftand,
zu behaupten, daß man fon früher vorurtheilslos genug mit
Anfäufen verfubr, um jedem fic) behauptenden Können zu feinem
Rechte zu verhelfen. Gerade die dankenswerthe Neuordnung der
Sammlung beweift, daß es nur einer günftigeren Aufitellung
bedurfte, um die aufgehäuften Schätze zur Geltung zu bringen.
Wir waren bereits vor beinahe Jabresfrift in der Lage,
über die Surh Herrn von Tfhudi getroffene Yeuordnung im
unteren Stodwerf zu berichten. „Jetzt erſt erkennt man, welche
Fülle ganz vorzüglicher Werke die Galerie beſitzt. Die Sammlung
des erſten Geſchoſſes iſt dabei reich bedacht durch die jüngſte Kunſt,
ſo daß man ſich in einzelnen Kabinetten in den Salon Gurlitt
verſetzt glaubt. Dieſer innerlichen Wandlung entſpricht die
äußerliche. Sämmtliche Wände haben neue Dekorationen aus
grünen oder dunkelrothen Stoffen bekommen, um das einfallende
Tageslicht in einer für die Gemälde um ſo wirkungsvolleren
Nüancirung zu reflektiren. Wohlthuend berührt es, daß die
Wände nicht mehr fo überladen find und das Auge die Eindrüde
tubiger fammeln fann. Die ausgeftellten Gemälde find nad)
fünftlerifhen Befichtspunften gruppirt. So wird ein großes
Mittelbild meift durch formal fi entfprechende fleinere Seiten-
ftüde flanfirt, und foweit es der Inhalt der Werke oder ihre
Farbentdne geftatteten, find harmonifhe Zufammenftellungen mit
Glüd verfuht worden. Fur leichteren Heberfiht find die Gemälde
einzelner Schulen wie die Berliner, Düffeldorfer, Münchener oder
einzelner Meifter wie Bödlin, Cenbach, Menzel in einem Raume
sufammen untergebradht worden.“
Diefelben Grundfäte find jest mit gleihem Gefchic fir das
obere Stodwerf angewendet. Ohne ftreng an der hronologifhen
Reihenfolge fet zu balten, bat man eine Gruppirung vor-
genommen, die einen Ueberblid über das Aunitfhaffen unferes
Jahrhunderts geftattet. Die älteren Berliner, Düffeldorfer und
Weimaraner find in den Fleineren Rabinetten untergebradt, die
Surh die größeren Säle unterbrochen werden. Jn dem langen
Rorridor hängen die Belgier, mit denen die foloriftifihe hiftorifche
Schule ihren Einfluß auszuüben begann, in einem großen Saal
find die modernen Jtaliener und Spanier untergebracht, denen
fih die Maler von Barbizon anfhliegen. Die impofante Bilder-
reihe endet mit den Modernen“, mit den internationalen Er-
werbungen des verfloffenen Jahres. Mit ihnen fegt Die „neue
Aera Ser Nationalgalerie ein. Sie wurde mit einem Jubel
Deutfde Runfe
145
begrüßt, den
die neueften
Ankäufe zum
Glück ein we-
nig gedämpft
haben. Auf
den trium-
phirenden
Einzug" Ser
Ausländer
ſcheint die
nüchterne Er⸗
wägung ge-
folgt zu fein, .
daß es fih
in der Natio-
nalgalerie
vor Allem um
eine würdige
Vertretung
der dentfden
Runft bane
delt, ja man
wirdfic einer
mafvollen
Berückſichti⸗
gung derälte-
ren Runft er-
frenendiirfen.
Die Tra-
dition der
Galerie iftin-
fofern gee
wabrt, als
man zwei
Bilbniffe von
Roner und
Lenbad erworben hat, die fidh Ser Sammlung von Portraits
bedeutender Manner unferer Feit anreiben. Lenbach's Ffürft
Hohenlohe bilete trog feiner ffizzenhaften Ausführung einen
Hauptfhmud der vorjährigen Berliner Ausftellung, und Koner's
Ernft Curtius gehört zu den beften Werken des Berliner Bild-
nigmalers. Das find die feinen Züge, die fprecenden Augen
und der fharf gefchnittene Mund des Gelehrten, der zugleidh ein
Gefhhichtsfhreiber, ein Dichter und ein Runfttenner war und das
Empfundene und Bedadhte in Schrift und Rede formvollendet zu
geftalten wußte.
An die Ältere Aunftübung fnüpfen zwei Thierftüde von
Teutwart Schmitfon an, eine Rindviehherde auf der Weide
und eine Koppel wilder Pferde, die von Steppenbewohnern zu-
fammengetrieben wird. Schmitfon gehört zu den Malern, die
einer unverdienten Dergefjenheit entriffen zu werden verdienen.
Mit liebevollfter Beobahtung verbindet er eine Schärfe der Auf-
faffung der Thierformen in Rube und Bewegung, die weit über
das Typifhe hinausgeht und fih mit einem überaus fräftigen
Kolorit verbindet. Er erinnert an Troyon, vor dem er die forge
jamere Durchführung voraus bat, ohne ihn in der malerifchen
Konzeption zu erreihen. "Die „Heimkehr von der Rirhmweih‘ von
dem 1868 verftorbenen Wiener Wilhelm Waldmüller möchten
wir nicht zu den glüdlicheren Erwerbungen zählen. Das Bild
wirft troen in der Farbe und unbebolfen und bart in der
Seihnung. Aud Fönnen wir Waldmüller unmöglih zu den
Meiftern rechnen, für deren Vertretung in einer Deutfchen National-
galerie ein zwingender Brund vorliegt. Wilhelm Trübner's
Landihaft „Auf Herrendiemfee* mag mit ihren graugrünen
trüben Tönen fo lange als Lüdenbüßer gelten, bis es gelingt,
dem originellen Riinftler eine geeignetere Vertretung zu fihern.
Mit der Erwerbung der „Dadanerinnen* von W. Leibl
bat die Nationalgalerie einer lange verfäumten Pfliht genügt.
Leibl gehört in die erfte Reihe der MWirklichfeitsfhilderer, die der
Mar Koch, Stijze.
146
Deutfde Run ft.
Natur naiv verftändnißvoll ins Auge fehen, obne die Abficht,
ihre intimften Gebeimniffe einem verehrten Publito redht auf-
dringlih zuzufhreien. Er malt, wie der Spiegel refleftirt,
wahllos Schönes und Häflihes mifhend. Die Dahanerinnen
haben ein für Leibl ausnehmend großes format, aber jeder
Quadratzoll Ser feinesmegs befonders fleidfamen Tradt iſt
intereffant. Wan fragt garnidt, was fih diefe alte und diefe
junge frau zu erzählen haben, ob fie von einem familien-
ereigniß in der Rinderftube oder im Stall fprehen. Sie feben
aus wie Bäuerinnen und reden wie Bäuerinnen. Das Beheimnif
der Wirkung des Bildes ift fhmwer zu entdeden, es liegt in Ser
unverfälfhten Natürlichkeit, in dem ins Malerifche überfegten
Holaismus.
Die beiden ,,Bodlins von 1877 und 1879 gehören der
beiten Zeit des Meifters an. Der „„Frühlingstag* ift durch die
Rlinger’fhe Radirung befannt. Auf einer in voller Blumen-
pradt prangenden Wiefe ruht unter fchlanfen Silberpappeln ein
junges Menfhenpaar, felig in Lenz und Liebe verfunfen, links
im Bintergrunde jubeln fpielende Rinder und am Ufer des Sees
ftebt naddenflid) ausfhauend ein Greis. Man hat das Bild
ein wenig abfidtlid aud ,,die drei Menjchenalter genannt.
Solhe VDerdeutlidungen thun Bödlin meift Unreht. Wer diefe
Jubelhymne auf die lenzesfrifhe, um Werden und Vergehen un-
befümmerte Yatur nicht ohne Kommentar empfindet, wird fie
nimmer begreifen. Was bier Iyrifcy anklingt, wird in der
„Meeresbrandung‘* zum volltönenden Dithyrambus. Jn den
Felsfpalt gefchmiegt fteht ein Weib, die fehlankten Blieder von
einem dunklen florartigen Gewande umbiillt. Mit- weitgeöffneten
Augen ftarrt fie in das Wellentofen hinaus, das fi über fels-
blöde heranbäumt. Neben ihr ragt die goldfhimmernde Harfe
auf. Traumverloren greifen ihre finger in die Saiten und ent-
loden ihnen das weit hallende Sturmlied. Don der Harfe ber
gleitet goldiges Bleifen über die Falten des Bewandes, feuchter
Silberfhimmer gligert von den anprallenden Wellenfimmen auf,
die zwifchen den Felfen fhäumen. Das Ganze leudtet und
klingt und fingt, Bild, Dichtung und Lied zugleih und dod nidts
anderes, als tief und innig empfundene Yaturfiimmung, Sie in
eine farbeubarmonie 3ufammentént. 6. Mm.
Ausftellung im Kunftfalon von Keller und Reiner,
en größten Theil der Runftfalons nehmen zur Zeit die Erzeugniffe
der Guild and Scool of Handicraft ein, welde von
C. R. Ufbbhee in London ins Leben gerufen, fih unter deffen
fahfundiger Leitung befindet. Wie fidh eine folhe fyftematifhe Einrichtung
bewährt bat (die in England feineswegs zu den Seltenheiten gehört), zeigen
die funftvollen Rupfertreibgefäße mit ihren großen, einfahen formen und
ornamentalen Muftern, auf weldhen Blatterranfen und Thiere, wie Elefanten
und Pfaue, in ftilifirte rDarftellung verwendet find. Die technifhe Behandlung
des Materials ift ebenfo zu loben, wie dte gefhmadvolle Rompofition der
Farben. So zeigen die Beleuhtungskörper, die auf getriebener Platte aus-
greifenden Leuchter, eine malerifshe Zufammenftellung von Eifen und Rupfer.
Hier, wie bei den Schmudgegenftänden ift alles ftart Glänzende, Prunthafte,
vermieden. Bei den Armringen, Retten und Broden find die Farben des
Metalls fehr dezent und matt gehalten, namentlih das Silber erfheint wie
vom Alter erblindet, wodurd bei den großen Edel- und Halbedelfteinen ein
eigenthümlicher Effeft erzielt wird. Bei den Möbeln Afhbee's, einem Seflel,
einer Bank und einem Schreibtijd, it das Prinzip des Konftruftiven über-
trieben, und da ein Ebenmaß in der Linie niht vorhanden ift, fo maden
die Möbel — wenigftens in einer ungünftigen Umgebung — einen primi-
tiven, beinahe fomifhen Eindrud, Lemmen in Briiffel und ein ungenannter
‚Ftanzofe ftellen Teppihe aus. Die franzöfifhen leiden an dem fehler, dağ
fie Pflanzenmotive, Blüthendolden und Raftanienzweige, allzu naturaliftifh
wiedergeben, während die belgifden, die in Anüpfarbeit gefertigt jind, rein
ornamentale Mufter in eigenartigen farbenafforden zeigen. Die Lemmen'fden
Riffen find in ihrer einfahen Zeihnung vorzüglid. Die Keramik ift ver-
treten durch mattfarbige Dafen mit großen Blumenmuftern von Dammonfe
in Paris und die an Thüringer ländliche Erzeugniffe gemahnenden Töpfe und
Teller des Belgiers find. Außerdem find zu erwähnen die gefhmadvollen
Lederarbeiten von Charpentier in Paris, welhe mit graziöfen Reliefs ge-
fhmüdt find, ferner die Meinen metallenen Medaillons von demfelben Rünftler.
So zeigt and die Ausftellung, wie Runft und Kunftgewerbe in einander
übergreifen. Obne Zweifel ift es für die Entwidlung des Runftgewerbes von
Bedeutung, wenn fih, wie aller Orten, RKiinftler mit einem verfeinerten, ge-
läuterten Befhmad des Handwerks bemeiftern 'und in der aufwärts leitenden
Bewegung die führerfhaft übernehmen.
Don allgemeinftem ntereffe dürfte eine Sammlung franzöfifher Meifter
aus dtefem Jahrhundert fein: Es find die in Deutfchland fo fpärlic) vertretenen
Naturalijten und Fmpreffioniften, weldhe als die Wusgangspuntte der modernen
Malerei, als die fhöpferifhen Genies Ser modernen Dielfeitigkeit und frei-
zügigfeit gelten. JFaft vollzählig ift die Gruppe derfelben vertreten, aber der
Qualität nad nicht vollwerthig. für die Würdigung Torot's ift beifpiels-
weife die landfhaftlide Skizze mit Abendftimmung fein genügendes Beifpiel.
And die Paftelle von Millet („Winterlandfhaft" und „Ater mit auf-
ziehendem Gewitter") laffen noh niht den monumentalen Zug des Meifters
‘ihren prägnanten Ausdrud findet.
etfennen. Courbet's „Befchneiter Waldweg" drüdt beffer die Stärke des
Malers aus, der mit dem Stoff zu ringen fcheint und in feiner herben Manier
und mit unerbittliher Ronfequens feine Wabrheitsliebe bethätigt. Eine ganz
verfhiedene Natur it Daubigny. Bei ihm liegt der Schwerpunkt in der
poetifhen Stimmung, welhe in einem unendlich feinen Foloriftifhen Riang
Die Augftellung bringt zwei Bilder von
Daubigny, eine friihlingslandfhaft mit Blüthenbäumen und eine Naht-
ftimmung. Ueber einem Dérfchen mit einer romanifchen Kirche, das einem fo
vertraut erfcheint, als hätte man es hundert Mal gefehen, fteigt der Mond in
goldig - [himmerndem Blanze empor. Don dem gebeimnifvollen Halbduntel
heben fih ein paar blinfende Dächer ab. Sonft ift nirgends eine Linie, eine
Grenze zu fehen. Alles Stofflihe ift aufgelöft in weihe, fehmelzende
Altorde, in undefinirbare Töne, welhe die ganze Stimmung Mar zufammen-
faffen. Der träumerifhe Friede, das Schweigen in der Natur tann niht
ergreifender in Farben gefdildert werden. — Don den älteren Frangzofen
wäre zu nennen Décamps, der Maler des Oriente, der hier im Vergleih
zu feinen Epigonen etwas troden und afademife erfheint und Dupre, der
gleih den Meiftern von fontaineblean ein ausgedehntes Terrain zum Dore
wurf nimmt und fih mit liebevoller Sorgfalt in Bufh und Straud und
alle Einzelheiten einer wedfelvollen Degetation vertieft. Don Ribot, dem
Nadhabmer des Ribera, ift eine figiirlide Darftellung zu feben, die in der
Betonung der großen form und lebendiger Charakteriftit den Realiften feiner
Zeit kennzeichnet, während das Kolorit des Bildes auf die Mafjifhe Schule
des erften Raiferretthes zurüdweift. Ein Gemälde, dag für die ganze fpatere
Epode febr bezeihnend ift, rührt von Manet her. Es ftellt eine grell be-
leuchtete Wiefe mit Blumen und hohen Bräfern dar, aus welden ein
Rnabenfopf mit einem Strohhut auftaucht. - Gn der imponirenden Fauft
Manet's giebt fih die ganze Frifhe des zielbewußten Yieuerers zu erfennen,
der aus innerer Weberzeugung die ihm reizende Erfceinung zum Ausdrud
bringt. Die großen, fühnen Farbenflede, mit welhen er das Spielen von
Sonnenlihtern und Luftrefleren in der freien Natur fehildert, And für feinen
perfonliden Stil fehr harakteriftifh und laffen den Riinftler unter Taufenden
fogleid) erfennen. Don denen, die das Prinzip des Fmpreffionismus eigen-
artig weiter gebildet haben, find Claude Monet und Piffarro erfhienen.
Eine „Winterlihe Ueberfhwenmung" von Monet giebt fic fehr lebenswahr
in den gebrochenen, graublauen Tönen; bewunderswerth ift die ffizzen-
hafte Wiedergabe des bewegten Waflers. Piffaro's „Ländlicher Obft-
garten" fommt nicht recht zur Geltung. Bilder, die in vollem Licht gemalt
find und volles Licht, das Flimmern der Luft und die Hire eines Sommer-
mittags mit feinen gebrochenen ftumpfen farben zum Ausdrud bringen foll,
müffen unbedingt heller gehängt werden, um nicht manirirt zu erfcheinen. —
Endlih ift noh Degas, dem man in Deutfehland fo felten begegnet, mit
ein paar genialen, leiht folorirten Zeihnungen (Bewegungsftudien zu
Balleteufen) gut vertreten. Rarl Rrummader.
i EEE vay ute Uf = ET NEE
Deutfdbe Runft. 147
Die Sarbe und der Naturalismus.
Pon Dftomar Bete.
Fr ih mir ein Bild anfebe,
fo frage ih mih zunädft:
mödhteft du es befiten, es in
dein Simmer hängen? Blaubit
du, daß es bei Sfterer und intimerer
Betrahtung nidt an Reiz und feffelnder
Kraft verlieren wird? ft es, wie mande
Patentfaden, nur gut zum faufen und
verkaufen, oder aud "zum [bebalten?
Danad ftellt fih dann Ser Werth des
Bildes für mid feft.
Die Handler haben natiirlid ganz
andere Kriterien. Sie fuhen Namen,
Seltenheiten, Abfonderlichfeiten und
zahlen oft weit höhere Preife für ein
Bild, das man nit zum zweiten Male
anfeben mag, als für ein foldes, vor
dem man fiten und träumen — in das
man fih bineinzufehen, ja felbft hinein- Tre
zuverfeßen vermag. ——— E
Ein Vorkommniß, das mir begegnete, FERNEN.» fe Wiig yy
bat eine ganze Gedanten- und Beobach- yey IS N STERN ar t
tungsreihe bei mir veranlagt, die fic) um p E V RI, Wr,
diefes Hineinfeben und Hineinverfegen
einem Bilde gegeniiber gruppiren, aud
wenn fie vielleiht nit alle zufammen-
gehören, wie die Blieder eines Retten-
bruds nad der logifhen Methode der
Gelehrten.
JH ging einmal mit einem großen
Hunde und feinem Herrn die Friedridh-
ftraße hinab. So nidts 3u {uden, das
war mein Sinn. Da gerieth ploglid
vor einem Rürfchnerladen mein Freund,
der Hund, in eine fürdhterlide Wuth.
om Schaufenfter lag ein Wolfsfell und
der Ropf des Thieres, das ehemals in
diefem Felle wandelte, lebte, liebte, litt
und Schafe zerriß,% fletfehte, mit fämmt-
lihen Zähnen Sie Paffanten an. Die
gläfernen Augen der Beftie ‚Shimmerten
in fladerndem Gasliht, 'grünlid und
gräulid aus Sem Fenfter hervor, und
der Hund war faum davon abzuhalten,
fidh durh die Scheiben zu ftürzen, fo
lebensgetren und abfceulid fah Sas Un-
gethüm aus.
„Uun male einmal fold’ einen
Kopf“, fagte ih zu meinem Begleiter,
„ebenfo groß und ebenfo naturgetreu
und dann fieh 3u, wie Nero fih Deinem
Bilde gegenüber verhält.“
Diefer Dorfihlag gab zu einer län-
geren Diskufjion Anlaß; wir geriethen
hart aneinander, Nero Inurrte mit binein
und id gab nach, um nicht zerriffen zu
werden. {
Ein Wolfsfopf, jo fürdterlih und
naturgetren wie ein Medufenhaupt, wurde
gemalt, in die richtige Cage und Be-
leudtung gebradt und dann Mero darauf
losgelaffen. Der aber bejihnupperte nur
ängftlih Sen Wlendrabmen. Das Gee Mar Koch,
mälde fagte ihm nidts. Es war für ibn Detengemälde.
nichts weiter als Holz, Ceinwand und ;
farbe.
RN :
für Baron Krausfopf-
Hohenbuchan,
148
Deutſche Kung
Die Babe, jih in ein Gemälde himeinzuverfeten, war
Nero niht gegeben. Sie ift eine eminent menfhlidhe. Sie
fehlt en Thieren, fogar den bödjititehenden, und ift auc fiir
jede Menfchenart eine andere. Das fiharfe Auge des Thieres
betrachtet die bildlihe Darftellung auf der flähe nur als
Begenftand. :
Das ift ein Erfahrungsfaß, der zu einer ganzen Reihe von
weiteren Sägen führt, die ic Lebrfäte nennen würde, Hatt’ id
mir nit das Lehren abgewöhnt.
Es genügt die Thatjade.
Zwar erzählt eine Anekdote aus dem Llafjifhen WAlterthum,
daß die Vögel des Himmels berabgeftiegen wären, um von den
Weinbeeren zu piden, die Apelles zu malen verftand. Aber
entweder find diefe berühmten Stillleben der Kunftgefahichte
plaftifh polyhrome Nadhbildungen gewefen oder die betreffende
AnePdote gebört in jene Welt, aus welder die Grieden ihre
Mythen fcdspften. Selbjt an den Preyer'fhen Trauben, Af.
mannsbäufer Auslefe, bat fih noh fein Spak vergriffen.
Wir dürfen hieraus folgern, daß die Malerei etwas vor der
Plaftit voraus bat. Sie ift menfdlicher, gehört einer höheren
Entwidelungsftufe an. Denn die Plaftif ijt in beſchränktem
Maße aud für die Thiere da. So laffen fih 3. B. die Vögel
durch in Bips machgebildete Eier täufhen. Sie balten den
ihnen untergelegten Kreideblod für ein felbftgelegtes Ei. Eine
Heit lang glauben fie fogar an die Schreden der Vogelſcheuche.
Der fubgeftaltige Schirm, binter welhem man die Enten be-
fchleiht, Ser Papierdracdhe, mit dem man die Rebbühner vom
Aufiteigen abbalt und in die Stellnege treibt, fpielen in Jagd-
biidhern eine nicht unbedeutende Rolle. Die von unfern ftummen
Mitgefhöpfen erhaltenen Eindrüde find aber in allen fällen febr
unbeftimmte. Es fteht feit, daß Vögel und anderes Wild einen
Menfhen im Felde als folchen nicht erkennen, folange er fic
ganz regungslos verhält. Selbft hodftebende Thiere, wie das
Pferd, zeigen für die Phyfiognomie ihres Heren faum ein Ge-
dädhtniß. Die beft abgeridteten Lowen und zahmften Stiere
fallen ihren Herrn und Meifter oder den Hirten wie einen
fremden Eindringling an, falls er nicht die ihnen gewohnte
Rleidung trägt und fie Surh Beften und Laute unterftüßt. Dor
allen Dingen fheint feftzuftehen, felbit für den Mugen Begleiter
des Menfchen, den Hund, daß unjere „Summen“ Mitgefhöpfe
trog ihrer fharfen Sinne, eine bemalte Flache ohne Derjtändniß
betrachten und diefelbe aud) im beften ‚Falle jo wenig zu deuten
verjtehen, wie etwa eine Schrift. Andere Sinne, insbefondere
der Berud, müjjen ihrer Erfenntnif zu Hilfe kommen.
Und zwar ift das weiter nicht verwunderlih, da aud) der
Vaturmenfd ein Bild vorerft völlig verðugt anftarrt und nicht
weiß, was man damit will, und ða fogar die fo bod ftehenden
Chinefen, welde gleidfam, Sem Alter ihrer Kultur nad, den
Rang des Doyens unter den Völkern einnehmen, unfere Linear-
perfpeftive niht verfteben, und in ibren Gemalden aud faum
die Andentung einer Vertiefung, einer Farbenperfpettive geben,
Die Betraditung eines Runftwerkes, insbefondere der Malerei,
fett offenbar im Geifte abhnlidhe Vorgänge voraus, wie das
Lefen einer Shrift. Sie regt die Phantafie an und wendet fid
auf diefem Wege an unfer Verftandnif. Eine foldhe geiftige
Wirkung aber läßt fih mit febr einfachen Mitteln erreichen, ja
mit dem einfadjten vielleiht am ebeften. Und wir fommen
damit auf den Ausgangspunkt unferer Plaudereien zurüd. Die
farbe it an einem Bilde nicht das Wefentlichfte. Wenn man
auf das folorijtijche Element einen itbertriebenen Werth legt,
fo detrabirt man damit von der Wiirde der Runft. Das geiftige
Element kann ihrer entratben. Und wir dürfen uns defjen er-
innern, daß Lejjing es fogar beflagte, daß die Farbe überhaupt
erfunden wäre. Eine einfahe Radirung ftand ihm höher, als
das entjprehende Bemälde.
Es entjtebt die Frage, ob die Malerei vom Befchauer nicht
bloß ein Hineinjeben, fondern auh ein Hineinverfegen
veerlangt, die objektive und jubjeftive Betradtung. Ebenfo wie
dex Maturmenfh, muß der Kulturmenfch felbjt Sas Hineinfeben
ert lernen, muß Anleitung dazu haben. Das ift nun, wie mir
fheint, die Bedeutung und der Jwet des Rahmens. Er grenzt
ab, er fohlägt Sen Blid in Feffeln. Eine „Cleopatra“ von
Bödlin wäre obne den ihre Stirn befhattenden Rahmen garnicht
zu verftehen. Und dod) ift der Rahmen etwas ganz Unnatür«
liches; Sie Natürlichkeit felbft aljo nur eine Accidenz, etwas an
und fiir fih fünjtlerifh Unzulängliches und Unerreidbares.
Wenn Lediglid die möglichjte Naturwabrbeit Sen Werth
eines Gebildes ausmadte, fo wäre die befleidete Wadsfigur das
hochfte Produft der bildenden Runft. Yur eine jolde vermocten
aud die Auftralneger, weldhe im Lajtan’fden Panoptifum zu
Berlin Vorftellungen gaben, ohne Weiteres zu deuten. Wenn
die Naturaliften recht hätten, fo müßte man überhaupt davon ab-
feben, die Aörperlicykeit auf der fläche zu entwerfen; dann müßte
man das Marmorftandbild ganz intenfiv in Lofalfarbe tauchen,
kurz, nicht mehr malen, fondern bemalen. Nod einfacher wäre
es, fie anzuziehen, wie die mittelalterlihen Heiligen an ihren
Yamensfeften. Ein Rapbael und die Prärapbaeliten jtünden
dann tief unter den Wirklichfeitsnadabmern der Jebtzeit, und
gefeierte Meifter der Gegenwart, wie Bödlin, der Difionär und
Sarbendicdter, Ser uns mit Riefenfunft in den Glauben an
Yliegefebenes, Niegemwefenes bineinzwingt, auch diefer ftünde dann
weit unter dem farbendirftigiten ,,Grauler, welder das Bediirfnif
empfindet, die Natur auszufchladhten.
Giebt es auch in der Runft eine goldene Mittelftraße?
Muß man wie die Schablone, aud das Extrem meiden? Müßte
man nit einerfeits alle Eigenart, alfo das Hsdjte in der Kunft,
verbannen, wenn nur die Naturwahrheit gelten follte? Und
andererfeits, würde fih nicht alle formenreinbeit verflüchtigen
und in das Spmbolifche auflöfen, wenn nur die abftrafte Be-
deutung als das Wefentlihe des Runftwerfs bingeftellt würde?
Die Shwärmer für die polvhrome Plaftif berufen fic auf den
Jeus des Phidias aus Elfenbein und Gold, auf die bemalten
Figuren in den ‚Friefen der griechifdhen Tempel. Aber die Friefe
find fhon Rahmen, die das Gemälde abjhliegen. Und die aus
einer Maffe geformten plaftifhen Runftwerfe werden Feineswegs
naturaliftifd bemalt. Durd die Bemalung, ebenfo wie durd
das Material wurden Fleifd und Gewandung jedes nad feiner
Art in Begenfat zu einander gebradt. Das ift aber noh lange
fein Naturalismus.
Ein mit Befhmad und Farbenfinn begabter Bildner fann
durch Sie Verwendung verfhiedener Materialien unter Umftänden
auffallende und dennod barmonifh gefdloffene Wirkungen er-
zielen, Und auf die Wirkung fommt es an. Yidt auf die
Yaturwahrbeit. Es gilt das Wort Perin’s, des Braziofo in
„Donna Diana, aud auf dem Boden der bildenden Künfte.
„Ei was fühlen, bier gilt es gut Komödie fpielen. Es ift
gewif febr fewer, in der Sudt nah Wirfung innerhalb der
Gebote des guten Befhmads zu bleiben. Dem Bildner in Thon
und Stein, der obnehin mit dem groben Stoff und der zum
Ylaturalismus verleitenden Handgreiflichkeit des plaftifchen Gebildes
zu fümpfen bat, muß dies befonders fehwer werden. Jn jedem
falle it diefe Grenze eine andere. Die gemalten Giebel-
felder der Briehen ftanden in innigem Sufammenbange
mit der fchneeigen Urditeftur und mit Sem darüber fih
wölbenden Himmel. Es waren dhromoplaftifche Bilder, oben im
Rabmen, äbnlid manden GebildSen der englifhen Gutenfity-
Schule. Burne Jones „Laus Deneris* im Burlington-Mufenm
in London ift ein Bild mit plaftifchereliefartig eingelegten und
fodann übertündten figuren und vergoldeten Bewändern. Es
it von einer weltentrüdenden und berüdenden Wirkung, die im
allerfhärfiten Gegenfat zum Naturalismus jteht. Wer mddte
fih dem Reiz fhön getönter Porzellan- oder Majolifa- figuren
entziehen? Und doch ift es auh hier nist die Naturwabrbeit,
fondern die Stilifirung, die Eigenart des Stoffes, auf dem fih
taufend Lictreflere fpiegeln, welche unfere Sinne gefangen
nebmen. '
Alle diefe Dinge treten nicht mit der Anmafung auf, uns
täufchen zu wollen, fie geben fidh ebrlih für das, was fie find.
Sie erfreuen den Curusmenfhen Surh ihren Anblid, obne den
kunſtſinnigen Menſchen zu verlegen, wie dies bei den polpdromen
Bildungen vielfac gefchiebt. Das bemalte Standbild Raphaels,
weldes auf der erften Berliner polydhromen Ausftellung prangte,
ftand neben feinem unbemalten Urbild in Marmor. Es madte
einen niederfhlagenden Eindrud. Die großen grauen Flächen
des Mantels wirften eintönig; auf dem unbemalten Standbild
dagegen fonnte man dem feinften Spiel des Lichtes auf der
leife bewegten Form mit Entzüden folgen. Diefelbe Farbe,
welde die robere Form verdedt und dem Auge annehmbar er-
fheinen läßt, wirft zerftörend, wenn fie das zarte Detail in Lidt
und Schatten aufbebt. Man ift defhalb fehr fenell von der
Deutfhe Runft.
149
eine fraftige Wirfung berednet ift, welde fürchterlih „fernen“
foll, wie die griedhifchen Friefe, fann durch fie geboben werden.
Die Portraitbiifte dagegen, die einer intimen Betradhtung unter-
liegt, verträgt taum eine leihte Abtönung. Die Beifpiele der
dezenten Frauenbüfte Tilgners, des vielfach preisgefrénten Wiener
Bildhauers und feines Klein’fhen Gegenüber mit ftarf dunfel-
getöntem Haar auf einer fpäteren Berliner Ausftellung boten
darin eine auffallende Belehrung. Auf der 1889er Ausftellung
fhoß Adolf Hildebrand, der ‚Florentiner, ‘mit feiner elfenbein-
getönten Büfte den färfer tünchenden Meiftern gegenüber den
Dogel ab. Ob in diefer leifen Tönung nidt auh ein
Theil des Reizes liegt, der den ausgegrabenen Antifen eigen ift?
Mar Kod, Oratel in Delphi.
Bemalung zurüdgefommen. Je mehr der Künftler fein Werk
Surdarbeitet, 3ifelirt, fagen wir vergeiftigt batte, umfomebr
verzichtete er auf die farbe. Nur die robere Form, welche auf
Naturaliftifh find ihre Siverfen Töne wahrlih nit. Und man
fonnte fid) getündte Saden in einer Sammlung folder Antifen,
3. B. der vatifanifchen, doc faum vorftellen.
Die Ausftellung des Lucasclubs in Düffeldorf.
3 ift eine befannte Thatfadhe, daß die Düfjeldorfer auf den großen aus-
wärtigen Ausftellungen, in Münden, Dresden oder Berlin, wo fie
als gefchloffener Cyclus auftreten, meift am Ziele vorbeiſchießen.
Es gelingt den rheinifhen Rünftleen nit, als Bejammtheit einen bleibenden
Eindrud zu binterlajfen und bei Einzelnen hat es beinahe den Anfchein, als
ob fie ih mit Abfiht im ungünftigften Lichte zeigten. Ob es an einer
thatfraftigen Leitung feblt, ob perfönlihe Meinungsverfhiedenbeiten, Cliquen-
wefen oder allgemeine Bleihgiltigfeit daran fehuld find, it fhwer feft-
zuftellen: Jedenfalls thut man gut, die Düffeldorfer nicht nah den Leiftungen
im allgemeinen Wettfampfe zu beurtheilen. Man muß fie auf heimifdem
Boden aufjuhen, um fie überhaupt fennen zu lernen und ihre Sprache zu
verftehen; allerdings nicht. auf den Pfingftausftellungen in der Runfthalle,
welche nur für Derfaufszwede zugerihtet werden, jondern in der regelmäßig
im Winter ftattfindenden Ausftellung des St. Lucasclubs. — Der Lucasclub
befteht aus einer Fleinen Anzahl jüngerer Rünftler, die ih in gleihem Zdeen-
gang und gemeinfamem ernten Streben verbunden wiffen, als welde fie zu
den fübrern einer fidh leife vollziehenden Schwenfung, einer unverkennbar
fortfprittlihen Bewegung zählen. Gn dem ganzen Unternehmen der Lucas-
bündler ift der lebendige Pulsjchlag eines unabhängigen, jhöpferifhen Beiftes
zu verfpüren, der den Muth hat, mit erftarcten Formen zu breden, gleihwie
er in weifer Befihränfung den lokalen Brundton zu bewahren weiß, obne fi)
um die Lodungen einer gerade berrjhenden Mode zu fümmern.
— — EEPE
150
Max Koch, Supraporte für Baron Krauskopf-Hohenbuchau.
Prof. Arthur Kampf iſt vielleicht am engſten mit dem rheiniſchen
Boden verwachſen, da er derſelben Akademie, der er jetzt als anregender
Lehrer vorſteht, ſeine Ausbildung verdankt. Was ihn auszeichnet, iſt die
Schärfe der Beobachtung, die Gabe, bei jeder Linie, jeder Bewegung, ja bei
ganzen Situationen und dramatiſchen Begebenheiten das Charakteriſtiſche ſo—
gleich zu erfaſſen und dem Gedächtniß einzuprägen; und ſolche nach der Er—
innerung und dem perſönlichen Empfinden innerlich verarbeiteten Eindrüde, in
denen ſich die ganze Ueberlegenheit ſeines Könnens offenbart, gehören zu den
beften unmittelbarften Leiftungen feiner Runft. Die ausgeftellten „Erinnerungs-
ffiszen“, wie Rampf die verfchiedenen vollftändig ausgeführten Darſtellungen
betitelt, find die Ftüdte einer im vorigen Sommer unternommenen Reife
nah Spanien. Es find Bilder aus dem fpanifchen Dolfsleben, Tänzerinnen
und Tänzer, in deren leidenfhaftliher Bewegung die ganze Lebensfreude der
tomanifihen Raffie zum Ausdrud gelangt, ferner Arbeiter, Stierfämpfer und
Bettler. Gn der realiftifhen, feineswegs rohen, fondern liebenswürdig ein-
gehenden Schilderung der verwahrloften Müßiggänger zeigt fih in hervor.
. ragender Weife Kampf's pfvhologifhe Beobachtung, während er in. einer
originellen Sciffftudie lediglih auf malerifhe Qualitaten den Nahdrnd legt.
Ein anderer Godeenfreis befhäftigt 6. Spas, dellen kraftvoll durd-
geführte Aquarelle und KRoblenzeihnungen ein reifes tehnifhes Rönnen be-
weifen; der Inhalt feiner Darftellungen — die einzelnen Figuren find nämlid
als Träger ftarker Stimmungen und Bemüthsbewegungen, wie „Neue und
„finnlihe Meditation" aufgefaßt — fdeint auf Machempfinden englifcher
Dorbilder zurüdzumeifen und wird wohl faum vielfeitiges Derftändniß finden.
A. frenz vertritt diesmal nit den Düffeldorfer dekorativen Stil, der
fo leiht Gefahr läuft, fih zum äuferen Pathos zu verflahen, jondern er-
zählt finnig und liebenswiirdig ein mythologifhes Märden, „Die Geburt der
Venus. Am Geftade eines griehifhen Seeplates bliden fräftige Dolfs-
geftalten binab auf die feltfame Erfheinung des Meeres. Die Shaum-
geborene, ein zierlihes weißes Märhenjungfräulein Fauert, fheinbar erftaunt
über die Welt um fie ber, in einer aufgeflappten Mufdel, weldhe von Seelöwen
gezogen wird. Die Frenz'fhe Auffaflung, welhe fid in feiner Weife an dte
Bödlin’fhe anlehnt, zeichnet fih duch ftarfe malerifhe Gegenfake und durd
tiefe gefättigte Farbengebung aus.
Der originellfte figurenmaler des Rreifes it Gerhard Janffen, mit
weldem er eigentlid) nits gemein bat, als das Talent pfphologifcher Ver-
tiefung. Seine Stoffe pflegt er Sem Leben niederer Dolfaflaffen zu ent-
nehmen, deren urwiidfige Weuferungen in Schenfen, auf Dolfsfeften und
Rirmejjen er mit derbem naturaliftifhen Humor wiedergiebt. Seine Vorzüge
beftehen eben jo in breitem, virtuofem Vortrag, in einer überaus fein
nüanzirten Tonempfindung, wie in der lebendigen Auffafjung. Davon zeugen
eine „Wirthshausfzene", ein „Selbftportrait" und eine „Gruppe Säue".
Die Landfchaftsmaler, die fih in ihren Motiven diesmal faft alle an die
beimifhe Scholle gehalten haben, find vielleicht gerade deswegen in ihren
Leiftungen fo gleihmäßig gut. Prof. Olaf Jernberg bringt ein großes
Herbftbild, eine im Sonnengold glühende Allee, von der fi der tiefblane
flare Himmel effeftvoll «abhebt. Liefegang's Hauptwerk ift ebenfalls eine
Allee mit ftar! leuchtenden Lofalfarben. Wendling ift diesmal mit einem
‚Fsigurenbild vertreten, einem holländifhen Genre, das durd eigenartiges
Rolorit und die geiftreihe Löfung eines Veleuchtungsproblems uffällt.
Henle giebt neben einem Thierftid (Säue) ein Waldinneres von großer
Rraft und Wirkung, und Hermanns bringt febr feine Stimmungsland-
fhaften, Roloriftifhe Architekturen und Rirdeninterieurs. Eugen Rampf
geht feine befonderen Wege, indem er den belgifchen Küftenftrihen, die ibm
in ihren wedfelvollen Eigenthümlichfeiten zur zweiten Heimath geworden find,
immer neue Reize abgewinnt.
Kunftliteratur und Kunftreproduftion.
H. Rnadfuß, Künftlermonographien (Verlag Delhagen & Rlafing).
Don denen, die die glänzende und rafche Entfaltung der belehrenden
Runftliteratur gefördert haben, muß dem Derlag von Delhagen & Alafing und
Profeffor Hermann Anadfuß eine ‚führerrolle zugejprohen werden. Sie
waren die Erften, die in ihren Künftlermonographien eine entfcheidende Reform
in Sachen des funftgefhictlihen Anfhauungsunterricts für die breite Maffe
anbabnten.
Das Unternehmen bhat fih für das allgemeine Kunftverftändniß, das fomit
auch in Meinen abgelegenen Orten an der Hand des gegebenen Materials an»
geregt und gefördert werden fann, ein großes Verdienft erworben. Daf
befonders auf die Wiedergabe von Handzeihnungen ein Hauptgewicht gelegt
wurde, begrüßen alle freudig, die den Riinftler in feiner Werkftätte auffuden
wollen, um in das Wefen der produzirenden Kunft tiefer einzudringen. Die
Sammlung der bis jest vorliegenden Werke, mit einem Material von mehr
als 3000 Abbildungen umfaßt 29 Monographien über Raffael, Rubens
Rembrandt, Michelangelo, Dürer, Menzel, Teniers ô. 3, UA. v. Werner,
Murillo, Rnaus, franz Hals, van Dyg, Ludwig Richter, Watteau, Thorwaldfen,
Holbein ò. J, Defregger, Terborh und Jan Steen, Reinhold Begas,
Chodowied!, Tiepolo, Vautier, Botticelli, Ghirlandajo, Deronefe, Mantegna,
Shintel, Tizian. (Preis des Bandes 2? und 5 Marf.)
5. Rnadfuß und Mar Bg. Jimmermann.
(Derlag Delhagen & Rlafing).
Als Ergänzung der Rünftler-Monograpbien erfiheint in der gleihen vor-
nehmen Ausftattung, mit derfelben Bilderfülle eine „Allgemeine Runftgefchichte,
Das ganze Werk wird 5 ftattlihe Bände mit über 1000 Abbildungen enthalten
(Preis 24 Mart). Bis jekt liegt dee erfte Band vor, die „Runftgefchichte des
Altertbums und des Mittelalters bis zum Ende der romanifchen Epode", von
Prof. Dr. Mar Gg. Zimmermann, mit 411 Jlluftrationen (Preis br. 8 Marf).
Geben die Monographien abgefchloffene Darftellungen einzelner Meifter, fo
bietet die „Allgemeine Aunftgefhichte‘* cine Ueberfidt der Runftentwidelung im
Zufammenhang. Binfihtlih des Umfangs baben die Herausgeber und Per-
faffer das glüdlihfte Maß gefunden; die Runftgefhidhte ift weder zu fury
nod 3u umfangreidh. Sie hebt die Hauptfaden bervor, geht auf den geiftigen
Charakter Ser Feit zurüd und giebt in lebendiger Darftellung farbenreide
Bilder der vergangenen Runftepocen.
Allgemeine Runftgefhichte.
Mar Koh, Supraporte
Alwin Shulg. Allgemeine Befhichte der bildenden Riinfte (biftorifcher
Derlag Baumgartel, Berlin).
Die lekten 3 Lieferungen entfpreden tertlid) wie illuftrativ den €r-
wartungen, die an dte Weiterentwidelung diefer Runftgefhichte geftellt werden
durften. Der 4. Band des Werkes: Die Aunftgefhichte der neueren und
neueften Zeit wird in den Lieferungen 16 und 17 fortgeführt; im Befonderen
enthalten diefe die Baufunft des 18. und 19. Fahrhunderts. Jn an-
ziehender Weife entwidelt der Derfafler diefes intereffante Bebiet der Runft-
hiftorie von der heiteren Epodhe des Rofofo- und Barodftils bis zu den
Schöpfungen modernen Geiftes. Eine Auswahl trefflih abgebildeter Bau-
denfmaler vermittelt das Derftändniß des Stoffes. Lieferung 18 fegt den
1. Band: Die Runt des Alterthums, fort. Hier begegnen wir den Runft-
äußerungen der Perfer, Phönizier, Guden u. A. m. Die fomit begonnene
Darftellung der widtigften aller Runftepodhen muthet fhon in ihrem Anfang
duch die nene Behandlung des Stoffes fowobl wie durd Beigabe eines in
zwedmäßiger Weife gebotenen Bilderfhmuds an.
Ad. ©. Troikfih, Publifationen der Agl. Nationalgalerie.
für das laufende Dereinsjahr find wieder 25 neue Lichtdrude erfchienen,
die die Befammtzahl auf 189 vermehren und jedem Befhmade eimas Be-
friedigendes bieten. Schon längft befhränft fi die Vereinigung der Aunft-
freunde für amtlihe Publikationen der Rönigl. Nationalgalerie bei der Be
flimmung der zu vervielfältigenden Werke nit mehr auf die Bemäldefamm-
lung in der Nationalgalerie, fondern trifft eine Auswahl aus anderen Berliner
und auswärtigen Mufeen und Privatfammlungen. So bringt fie u. A. gute
Drude nah 5. v. Angelis Portrait des Raifers und der Raiferin Friedrich,
fowie nah Delobbes Töchter des Ozeans. Unter den neueften Blättern be-
fanden fih ferner mehrere Bildniffe Wilhelme II. von M. Roner und
£L. Nofter. Die Landfhaft ift gut vertreten Such Yormann (Sognefjord),
Flidel (Kellerfee, ein Motiv aus der holfteinifhen Schweiz), Willroider
(„Morgen und Abend‘) und Louis Herzog („Dom Eife zerfhellt und die
„Pescatori“, eine italienifhe Landfhaft mit Fifhern als Staffage). Don Rart
Rödhling giebt die Sammlung zwei Bilder aus den Entfheidungsfämpfen
des deutfch-franzöfifhen Arieges wieder,
Befellfhaft für vervielfältigende Runft. Wien. Hausfchat moderner
Runft. Heft VI und VII. i i
Die foeben erfhienenen neuen Hefte bringen neben mannigfahen Er-
f&heinungen, die auf den Bejhmad eines großen Publiftums eingeben, werth-
volle Radirungen nad modernen Meiftern, wie „Die Hanfjpinnerinnen“ von
M. Liebermann, „Um Morgen", von f. v. Uhde, ferner das G. Mar'fhe
„galrus Töchterlein‘‘, und aus früherer Zeit „Die Lautenfhlägerin‘ von f. A.
v. Raulbad, alles Wiedergaben, die fih mit den beften Photograpuren
meffen ténnen.
Deutfhe Runft 151
für Baron Krausfopf,
Hohenbuchau,
Der Ornamentenfhat, mit 100 Tafeln und Tert, von Baurath H. Dol-
metfch, herausgegeben von Jul. Hoffmann in Stuttgart (24 Marf).
Don der hohen Lelftungsfähigfeit unferer modernen Reproduftionsver-
fahren giebt das vorliegende Wert in feinen pradtvoll ausgeführten
100 Farbendrudtafeln ein ehrenvolles Zeugniß. „Ein Muflerbuh flilvoller
Ornamente aus allen Runft-Epoden'' nennt es fich, und im der That ift der
Inhalt nit nur reihbaltig, fondern aud das nad Gruppen zufammen-
geftellte Material felbft mufterhaft ausgewählt. Was man von
derlei Werken nicht immer fagen fann, trifft bier zu, dah aud die Farbtsne
in den meiften ‚fällen durhaus gelungen find und den alten Originalen
entfpredhen. Das Wert dient ebenfo dem Aunfthandwerfer, wie dem
Forfher, denn wenn es dem erfteren nahahmenswerthe Mufter bietet, fo
liefert es dem anderen werthvolles und zum Theil fogar neues Studien-
material, fowobl fiir die älteren Epochen, wie für die neueren Zeiten, des
XVIIL Jabrhunderts und der Empire. R. F.
Georg Hirth. Die Aufgaben der Kunftphyfiologie. (Verlag G. Hirth,
Miinden.)
Das frifthe, anregende Werk, das in der lebendigen auf eigene An-
fhauung des Derfaflers beruhenden Darftellung allen Runftfreunden warm
empfohlen werden tann, liegt nunmehr in zweiter Auflage vor und Ift durd
ein intereffantes Schlußfapitel („Wie Bilder betrachtet fein wollen") bereichert
worden.
A. Lidhtwark Dom Arbeitsfeld des Dilettantismus, Blumentultur,
Wilde Blumen, Uebungen in der Betradhtung von Kunſtwerken, die
Wiedererwedung der Medaille. Deutfche Städteftudien. (Verlag Gerhard
Riihbtmann, Dresden.)
Mit bewundernswerther Klarheit hat der DVerfaffer in diefem Werten
die Aufgabe gelöft, die äfthetifhen Brundanfhauungen im Volte zu weden
und zu entwideln. Seine Schriften dürften fi der größten Popularität er-
freuen, da Lihtwar? von fonfreten Beifpielen in Hamburg ausgehend mit
überzeugenden Vorſchlägen die Grundlage für ein allgemeines Intereſſe an
nationaler Kunſt zu ſchaffen ſucht. Ein Muſter für die größte Einfachheit der
Darftellung ift in den „Uebungen in der Betradtung von Runſtwerke““ ge-
geben, einem Bud, das auf dem thatfählih gepflegten fünftlerifhen An-
ſchauungsunterricht Lichtwark's mit einer Mädchenſchulklaſſe beruht.
hugo Licht, Architektur der Gegenwart. (Berlag E. Wasmuth, Berlin.)
Fn der jet erfctenenen 15. und 16. Lieferung werden eine Reihe von
Monumental- und Pradtbauten vorgeführt, welde ein Bild von den ver-
fhtedenen arhiteftonifhen Strömungen im Jn- und Auslande geben. Unter
den erfteren feien die Rathhäufer von Hamburg und von Schaerbee bei
Brüffel, das Reihegeriht in Leipzig, die Runftatademie in Dresden, fowie
Sie Neubauten der dortigen Refiden3, ferner das Staditheater und der Parf-
Klub in Budapeft genannt. ;
TFT Per . — qr-
152
Deutſche Kunſt.
Vermiſchles.
Kariofa aus Afelier und Cerkflaft.
Gedanken üher hildende Kunff.
Wiedergefundene Bilder.
Die fünf Kartons, die Prof. Lindenfhmit für die Frankfurter
Shiikenfefthalie im Jahre 1862 gemalt hatte, wurden nah dem feft vom
Feltausfhuß dem Schützenverein gejhenft und dienten bis zum Jahre 1867
zur Ausfhmüdung der Schießhalle am Röderberg. Mit dem Umzug auf die
bürgerlihen Scießjtände waren die Bilder verfhwunden, jede Spur war trok
angeftellter Nahforfhung verloren. Jn der legten Zeit forfhte nun der Sohn
von Prof. Lindenfhmit, der jegt in Münden lebende Striftftellee Willy
£indenfhmit, nah den verfhollenen Werfen jeines Vaters. Ein glüdlicher
Zufall führte traf auf dle Spur: die Bilder waren die langen Jahre hin-
durh im Geball des Hanfes der bürgerlihen Schiefftände aufbewahrt und
wurden in fehe gut erhaltenem Zuftande aufgefunden. Sie find auf grober
Leinwand in Leimfarbe gemalt, ihre Höhe beträgt je 2.60, ihre Länge je
G Meter. Das Biebelbild zeigt die Germania, während die vier Friesbilder vier
Hauptfiege der Deutfchen gegen Römer Magyaren, Türken und franzofen darftellen.
Dem Eingang der Fefthalle gegenüber war links die Darusfhladt, redhts die
Shlaht auf dem Lechfeld, zwifhen beiden Kartons Karl der Große im
Raiferornat, linfs und rechts von beiden der Cherusfer Hermann und Otto
der Broße. Neben dem Eingang rechts befand fih die Türkenfhlacht- im
Jahr 1685 bei Wien, links die Franzojenfhlaht an der Rakbadh. Fwifden
diefen Kartons Freiherr vom Stein, zur Seite rehts der Prinz Eugen, lints
Blücer, der Marfhall Dorwärts. Die „Rompofitionen find“, fo heißt es in
Gedenfbud des Shiikenfeftes von 1862, „frifh, Fühn, gewandt und in der
vom Moment bedingten und für den Nloment beftimmten, für die große Ent-
fernung berechneten Serben Ausführung wirfungsreih genug, daß fie der
Schügenverein, dem fie das LentralcomitE nah dem feft zum Gefdent
gemadt hat, zum Schmud feiner Schiefhallen verwenden wird." Der
Schügenverein hat befdlofjen, die fünf Kartons dem ftädtifhen Arhiv zur
Aufbewahrung zu überweifen.
Auriofa aus Atelier und WMerkftatt.
— Böllin's Stammbaum. Arnold Bödlin’s Vorfahren ftammen nicht
aus Bafel, fondern aus dem Kanton Schaffhaufen, aus der Dorfgemeinde
Beggingen. Der dortige Fivilftandsbeamte theilt mit, dağ h in den Ehe-
tegiftern folgende Einträge finden: Betraut den 15. Juli ISO! 3u St. Margaretha
in Bafel: Jakob Börklin, Sohn des Jakob Bödlin von Beggingen und der
Eva Bollinger von Beggingen mit Salomer Ebwald von fehrenbah aus
dem Kanauifhen. Aus diefer Ehe find 2 Kinder eingetragen. Der Sohn
Chriftian Friedrih Bödlin wurde unterm 14. Juni 1824 in das Bürgerrecht
der Stadt Bafel aufgenommen und hatte laut Miitheilung des Divilftandsamts
Bafel einen Sohn Arnold Bödlin, geboren zu Bafel den 16. Oltober 1827.
— Die Herfunfteiner Shillerphotographie. Don Paris aus war
über Landau in das Marburger Schillerhaus die Photographie einer Statue
gelangt, die den an die Erde gefeflelten Dichter darftellt, dem tröftend die
Mufe naht. Das Bild trägt die Unterfchrift: Gradler, Fdealismus. Der
Berliner Bildhauer ©. Gradler betheiligte fih 1872 an dem Wettbewerb
um das Boethedenfmal in der Reihshauptftast. Die fraglihe Photographie
dürfte nad einem Bipsmodell angefertigt fein, das für einen ähnlihen Zwed
beftimmt war. Sie tragt die Nummer 2522 und dürfte fomit einer Runft-
ausftellung entftammen oder aus dem Runfthandel hervorgegangen fein.
— Runftfennerfbaft. Für de Bedeutung von Sachverftandigen-
Urtheilen harakteriftifh ift eim Brüfjeler Prozeß. Herr Dandendaele in der
Brirffeler Dorftadt Saint-Foffe ten Noode befaß ein viel bewundertes, Hobbema
bezeihnetes Bemälde. Der Maler Alfred Stevens, der es genau geprüft
hatte, erflärte es als zweifellos edt. Vandendaele trat mit den Parifer
Händlern Leftier und Palors in Unterhandlung, um das Gemälde an Herrn
Mori Saint zu verkaufen. Die Sahe fam zum Abfhluß. Inzwifhen aber
gewann Saint Zweifel an der Echtheit des Bemäldes, für das fon
10 000 fr. bezahlt :saren und er verflagte den Dandendaele wegen Betruges,
da er eine Nachbildung als Original verkauft babe. Die Briiffeler Staats-
Mesdag, Federzeichnung.
anwaltfhaft liep das Gemälde urd drei gerihtlihe Sahverftändige aus
Paris prüfen, und alle drei erklärten übereinftimmend, dağ das Gemälde
nit echt, fondern eine Nahbildung fe. Die Anklage wurde erhoben. Der
Anwalt des angeflagten Dandendaele machte geltend, daß nichts fdwerer
fei, als die Echtheit oder Nichtechtheit eines alten Bemäldes feftzuftellen. Der
Berihtshof fprah Dandendaele frei und verurtheilte den Aläger in die Roften,
hielt alfo das Gemälde für edt.
Gedanken iiber bildende Bunft.
Um in der Runft etwas Hervorragendes zu leiften, bedarf es einer ge-
wiffen Dreieinigfeit: einer männlichen Energie, einer weiblihen Sartheit und
einer findlihen YWatvetat. š
Der Künftler foll nicht bei feiner Arbeit auf halbem Wege ftehen
bleiben. Fleiß ift die Hälfte der Bedingungen fiir ein Talent. Er foll
nicht allein durh Rompofition und oberflädlihe Durhführung wirken wollen.
Es ift, als wenn ein Landwirth die Ernte als Griinfutter für das Dieb
abjchneidel, anftatt fie ausgereift als Nahrung für Menfhen zu ver:
wertben.
*
Der Künſtler iſt nur im Stande, ſeine Gedanken aufzuſchreiben in den
Ruhepauſen ſeiner Produktion. Er iſt zu vergleichen mit der Dampfmaſchine,
die nad langer Fahrt im Lokomotivſchuppen ſteht. Sie ſcheint ermüdet,
aus kleinen Ventilen ziſcht der Dampf, und die Maſchine rüſtet ſich zu
neuer fahrt. R. Begas.
rrr—
Deutſche Runf.
Der Ausſchuß für Kunſt im Handwerk München.
u dem Zwecke,, das neue Kunſthandwerk wirkſam zu fördern, bat der
oben genannte Ausſchuß, der bereits im verfloſſenen Jahre eine Aus—
ſtellung erleſener Erzeugniſſe der neueren Richtung (unter dem Namen
„Rleintunft‘) im Glaspalaſt zu München veranſtaltete, ſich unter dem Namen
Ausſchuß für Kunſt im Handwerk in München enger zuſammengeſchloſſen und zu
feinen bisher verfolgten Zielen, das neuere Kunſthandwerk durch Anregungen
zu künſtleriſchen Atbeiten und deren Ausſtellung, insbeſondere auch durch ſeine
würdige Vertretung in Paris 1900 zu fördern, noch die Erridtung einer Aus-
kunftei in München über alle in das Gebiet gehörigen Fragen, ſowie die
Gründung einer Geſellſchaft m. b. h. beſchloſſen, die künſtleriſche Entwürfe
ankauft, anfertigen läßt und ſie ſo in Handel bringt, daß bei Ausſchluß aller
Geſchäftsgefahr der Hauptantheil des Gewinnſtes dem ausführenden Künſtler
zu gute kommt.
Beide Cinrichtungen ſeien hiermit dem Publikum auf das Wärmſte em—
pfohlen: ſie bezeichnen einen wirkſamen Schritt nach vorwärts, und es ſteht zu
hoffen, daß bei altfeitiger Unterftügung aud Seitens des fauffrdftigen, fiir
ein deutfhes Aunfthbandwerk empfänglihen Publifums, Ser deutfche Runftmarkt
aud in diefer Beziehung im Stande fein wird, dem Auslande die Spike zu
bieten. Jedenfalls giebt das thatfräftige Dorgehen des Ausfhufles einen
Beweis dafür, daß man hoffen darf, ein Gebiet für deutfhe Runft im Hand-
wer? wieder zu gewinnen, das dank unferer Sorglofigkeit leider fon zum
Theil an die Fremden verloren gegangen ift.
Um Mißdentungen vorzubeugen, heben wir hervor, daß der Ausfhuß
fih feineswegs als eine Art ,,Seseffion des bayerifhen Kunftgewerbe - Der-
eins betradtet wiffen möchte; vielmehr wird er nad wie vor dtefem hod-
verdienftlihen Dereine feine Mitwirfung auf dem Gebiete des neueren Runft-
handwerfs zuwenden und unter Zufammenfaflung feiner Aräfte auf diefes
eine Gebtet im Uebrigen Hand in Hand mit den allgemeineren Beftrebungen
des baverifhen Runftgewerbe-Dereins gehen. :
Um eine Anfhauung von den Zielen des Ausfduffes fiir Runft und
Handwerk zu geben, laflen wir bier zunächft feine Satungen folgen, die an
praktifher Rürze des Ausdruds nichts zu wünfhen übrig laffen.
§ 1.
Der Ausfhuß für Runft im Handwerk bezwedt die Förderung des neuen
deutfhen Runftbandwerks. Er fudt diefen Zwed zu erreihen:
J. dur) die Deranftaltung von Ausftellungen erlefener Erzeugniffe des neuen
Runfthandwerts (zur Feit insbefondere dur die würdige Vertretung des
neuen’ deuntfden Runfthandwerfs auf der Parifer Weltausftellung 1900);
2. Surh Anregung zu -fünftlerifhen Entwürfen;
‚duch die Bründung einer Befeltfhaft mit befhränfter Haftung unter der
Bezeihnung Vereinigte Werlftätten ` für Runt im Handwerk, deren
Jwet ift:
a) der Ankauf und die muftergültige Ausführung lünftlerifher Entwürfe,
b) deren unmittelbarer, gejhäftliher Vertrieb unter möglihft günftigen
Bedingungen fiir die betheiligten Riinftler, fowie unter fortdauernder
Bewäbrleiftung des fiinftlerifchen Werthes den Raufern gegenüber,
c) die Heranbildung fiinftlerifcher Kräfte in handwerflider Tednif;
4. durd Erridtung einer WAusfunftei in München, deren Aufgabe ift,
a) den betheiligten Rreifen gegen billige Vergütung über alle fragen des
neuen Runfthandwerfs Austunft 3u ertheilen; insbefondere
b) die engere Derbindung zwifhen Rünftlern, Handwerkern und Beftellern
3u vermitteln;
or
c) eine unlautere Ausbeutung der in Handel gebraten tünftlerifhen
Arbeiten, die vom Ausfhuß übernommen find, durch geeignete Der-
träge zu überwahen und duch zwedentfprehende Deröffentlihungen
3u verhindern.
§ 2.
Der Ausfhuß für Kunft im Handwerk befteht aus einem Vorfizenden,
einem Bejhäftsführer und vier Mitgliedern; letttere müfjen ftets Künftler von
Beruf fein. Zur Erledigung von Rehtsfragen fteht ihm außerdem ein Rehte-
beiftand zur Seite. Jm Falle des Austritts eines Mitgliedes ergänzt fidh
der Ausfhuß durch Zuwahl nah Stimmenmehrheit und wäblt feinen Dor-
figenden ebenfo. Der Ausfhuß bildet bei Ausftellungen, die er veranftaltet,
das Aufnahmegeriht und prüft im Lebrigen die eingegangenen Entwürfe,
Handelt es fih dabei um Arbeiten von Ausjhußmitgliedern, fo fheiden diefe
für den fall ans der Abftimmung aus. Für das Aufnahmegericht find mindeftens
drei Mitglieder erforderlih. Erfarmänner find thunlidft aus den Künftlern
der Befellfhaft zu nehmen. Er hält alljährli im Januar eine befondere
Derfammlung ab, in der die Wahl des Dorfigenden, die Rehnungslegung
und die Berathung eines Berichtes über die Thätigfeit des Ausfchuffes in
dem abgelaufenen Jahre zu erfolgen hat.
§ 3.
Bei Auflöfung des Ausfhuffes gebt das vorhandene Dermögen an die
Dereinigten Werkftätten für Runft im Handwerk, G. m. b. H. über.
Die nunmehr begründete Benoffenfhaft m. b. H. für Beftellung, Ankauf
und Anfertigung fiinftlerifder Arbeiten beruht auf idealen und 3ugleid
praftifhen Brundfägen.
Nah den Erfahrungen, die in den letzten Jahren bei uns in Deutfd-
land und im Auslande gemadht find, geht man nicht fehl, wenn man be
hauptet, daß immer weitere Rreife des fauffräftigen Publifums Luft batten,
fih der neuen, eigenartigen Ridtung im Runfthandwerf zuzuwenden, wenn
ihnen nur bäufigere und bequemere Gelegenheit geboten würde, fih folde
neuen Begenftände des Innenfhmudes anzufehen, und wenn die Preife nicht
nod immer höher wären als für die allgemein verbreiteten Waaren in den
befannten Stilarten. ferner ift es den mit den Derhältniffen Dertrauten
wohl bekannt, daß es eine beträchtlihe Anzahl von Rünftlern giebt, die eigen=
artige, [höne und zwedmäßige neue Entwürfe auf allen Bebieten des Runft-
gewerbes zur Hand haben, ohne in der Lage zu fein, fie ausführen zu laffen
oder Privatleute dafür zu gewinnen. Ebenfo wiffen wir, daf es Handwerker
und fabrifanten in Deutfhland genug giebt, die niht mur die tehnifhe
Fertigkeit im bödhften Maße befizen, um jeder Fünftlerifhen Anforderung zu
genügen, fondern auh Luft hälten, neue Entwürfe auszuführen, die Befhäfte-
gefahr jedodh nicht auf fih nehmen fönnen, eine größere Anzahl vor Stüden
anzufertigen, ohne zu willen, wie fie fie gefchäftlih verwerthen können.
Aud die Befhäftsleute, in deren Mugen es dod liegt, flets Menes und Gutes
3u bringen, find im der fehwierigen Cage, nicht zu wijlen, wo das Neue her—
geftellt wird und in welhen Mengen. Weil die Künftler feine ausführenden
Handwerker finden, die Handwerker und fabrifanten feine Gelegenheit zum
Heigen, und Raufluftige und Kenner feine zum Sehen, Raufen und Beftellen,
deswegen wird fo verftreut Yeues gejhaffen, vereinzelt und thener gekauft,
während in unfern Nachbarländern Angebot und Nadfrage in Sahen des
neuen Runfthandwerfs fdon geraume Zeit zur Zuftiedenbeit geregelt find.
Daber fommt es aud, daß der deutfche Markt von ausländifhen Erzeugnifien
des Runftgewerbes der Art überfhwenmt wird.
Nadh all den oben angedeuteten Richtungen bin foll Sie unter den
Aufpizien des Ausfchuffes begründete Befellfhaft Abhilfe fhaffen. Fbre
Hwede laffen ih etwa folgendermaßen zufammenfaffen:
ge: TS est on — —
J. ſie bezahlt entweder den Rünſtlern ihre neuen Entwürfe baar und er—
moͤglicht deren Ausführung unter ihrer Leitung oder ſichert den Künſtlern
die Ausführung mit Gewinn-Antheil ohne jede Gefhäftsgefahr für fie 3u.
Die tünftlerifhe Prüfung der Entwürfe gefihieht durch den Ausſchuß;
2. fie beftellt und bezahlt den Handwerkern eine größere Anzahl von Stüden
und übernimmt deren gefhäftlihen Vertrieb im ganzen Reihe obne Ge-
ſchäftsgefahr für fie;
3. fie liefert den Bejhäftsleuten die verlangten Stüde und forgt für einen
möglihft rübrigen faufmännifchen Vertrieb;
4, fie bietet dem Käufer nicht nur oft und an möglidft v vielen Orten und 3u
mäßigen Preifen Erzeugniffe des neuen Runfthandwerfes an, fontern giebt
ibm durch die priifende Thatigteit des Uneigutiee die Bewähr für fünft-
lerifhe und handwerklide Vollendung ;
5. fie giebt Rünftlern Gelegenheit, in den Wertftätten tehnifhe Kenniniffe zu
erwerben;
6. fie vermittelt urh die von dem Ausfchuffe eingerichtete Ausfunftei über
alle in das Bebiet des neuen Runfthandwerfs einfhlagigen Fragen die
Derbindung zwijhen KRünftlern, Herftellern und Raufluftigen in der wit
famften Weife und fudt
7. auf dem Redhtswege oder duch die Preffe zugleih eine unrecdhtmapige
Ausbeutung durh unlautere Nahahmung und Verwendung Fünftlerifcher
Entwürfe zu verhindern.
Die Gefellfhaft gründet ih mit einem Rapital von 100 000 Mark, das
jedoch bei entjpreheuder Betheiligung vorausfihtlih bald erhöht werden wird,
und fudt nun Mitglieder, die gewillt find, mindeftens 500 Mark bei 250 Mark
Einzahlung zu zeihnen. Nah gefeglider Vorfehrift darf diefe Summe nicht
unter 500 Mark betragen, erfährt aber nod oben hin feine Befhränfung.
Die Einzahlung der Summe ift und bleibt die einzige Verpflichtung, die der
Einzelne gegen die Bejelljhaft übernimmt. Befellfhafter fann jeder werden,
der obige Summe oder mehr (auf hundert Mark abgerundet) einzablt, ob er
ein Künftler, Handwerker, Fabrikant, Befhäftsmann oder Privatmann ift,
und es find die Dividenden, die er erzielt, durchaus getrennt von der Ber
Zahlung für Entwürfe oder für beftellte Begenftände. Ueber alles Nähere
ertheilt der Bejhäftsführer des Ausfchuffes für Runt im Handwerk, der zu.
gleih die vorläufige Gejhäftsführung der Befellfhaft übernommen bat, Bert
Maler f. A. ©. Krüger (Ausfunfte des A. f. R. i. H.) Münden XIX
(Bern), Rragerftr.. 1, jederzeit Auskunft.
Wir fliegen uns geen der Aufforderung zum Seinen von Stamm-
SS ETDs on
Deutſche Rung.
einlagen im Mindeftbetrage von 500 Mark bei Einzahlung von 250 Mark an
und maden darauf aufmerffam, daß die Einzahlung von Stammeinlagen von
500 Marf oder mehr bis zum 15. Februar 1898 an die Baperifhe Vereins-
banf Miindhen bewirft werden kann.
Dom Bayerifchen Kunftgewerbeverein.
m bayerifhen Aunftgewerbeverein in Münden vollzog ih un-
längft ein großer Umfhwung, eine vollftändige Yeuorganifation, die,
hervorgerufen durch die allgemeine funftgewerblide Bewegung und
die immer noch fteigende Ronkurtenz des Auelandes, im befonderen der that-
fräftigen Mitwirkung des Arditeften Theodor Sifher und des Malers
Rihard Riemerfhmidt zu verdanken if. Die Ausftellungshalle zeigte
fhon feit Jahren, daß fie dem Hwed des Dereins, den Sinn für das Schöne,
fünftlerifhes DVerftändnig und guten Befhmad allenthalben zu verbreiten
(wie der erfte Paragraph der Statuten bejagt), im Feiner Weife mehr gerecht
werden konnte, da diefelbe einem größeren Raufbaufe, wo das fiinftlerifd
Wertvolle von der Maffe der Dukendwaare erdriidt 3u werden pflegt, zum
Derwedhfeln ahnlid fab. Die jekige Umwandlung zeigt fhon im der Aus-
lage eine fparfame Dertheilung der Begenftände und vertritt damit ein be-
adtenswerthes Prinzip, daß die fünftlerifhe Aufmerkfamkeit nit in der Maffe
zerftreut, fondern an Einzelheiten gefefjelt werden foll. Gm Inneren berefeht
überall eine vornehme ARube; der leitende Bedankte befteht nicht darin, den
neuen Stil um jeden Preis 3. B. auf Roften der arhaiftifhen Elemente in
den Vordergrund zu drängen, fondern in dem unparteiifhen Beftreben, Butes
vom Sdhledhten zu trennen; die Vergangenheit foll feineswegs gedantenlos
den neuen formen geopfert werden, die doh in jener ihren Urfprung baben
und nicht aus dilettantifher Phantafterei frei erfunden werden können. So
läßt fih in der Ausftellung ein dreifältiger Charakter, Arhaiftit, Uebergang
und Nenes in jedem einzelnen Zweige des Runfthandwerks nadweifen.
Muftergiltige gotbifhe Möbel find von Fritzſche gefhaffen, ebenfogut
find die Schneller'fhen Nachbildungen der Spätrenaiffance, wie die des
Sopfftiles von Radfpieler. Zu einer Schlafzimmereintihtung abmt
SFrtigfdhe englifhe Vorbilder nad, während Till in feinem zierlihen Wand-
fhränthen, das fih dur cine vortrefflihe Tehnit auszeichnet, die neu-
deutjchen Beftrebungen vertritt. Cine hervorragende Leiftung befteht in einer
Trube von Hermann Obrift, die in ihrem erften Stüd bereits nad
Situationsplan fiir die Aufftellung des Stettiner Brunnens von Profeffor £. Manzel,
Aquarell von frib Bebrfe,
esa
Deutfde Runf.
155
Amerifa verfauft wurde. Die von Urbanifch gefertigten deutfhen Bauern-
möbel drüden am beften die deutjhe Eigenart aus, auf Grund deren fih
vielleicht ein deutfher Banernftil entwideln ließe. Gn den Uhren Jage-
mann’s verräth fih glüdlihe Erfindungsgabe.
Don den Rupferarbeiten find die von Wilhelm und Lind hervor-
gubeben, die in tednifcher Ausführung die hddfte Anerkennung verdienen.
Die Zinnarbeiten von Rarl Broß mit ihrer leihten Fifelirung und ihrem
vornehmen matten Blanze zeigen ein großes Derjtändnig des Künjtlers für
das Alte. Das Edelmetall ift in muftergiltiger Weife durh Ffr. v. Miller
vertreten, welder modernes fünftlerifhes Empfinden mit dem Verftändnig der
Renaiffance verbindet. Aus Sem Gebiete der Reramif finden fih gute
Arbeiten von Shwarz in Nürnberg vor, fowie von Heider und’ Shmuz-
Baudiß in Münden, deren Werke fchon früher Auffehen erregten. Jn den
Beleuhtungskörpern zeigt fih nod) ein merfwiirdiges Gemifd) vom neuen
und Uebergangsftil. Eine gothifhe Rrone, fowie ein moderner Handleudter
und eine eleftrifhe Lampe von Rirfch feien befonders hervorgehoben. Die
Mymphenburger Nahbildungen alter Mufter find befer als neue Motive.
Die Arbeiten der frau Schmidt-Pedt, die in der fabril von Hager,
Horth & Co. in Zell im Schwarzwald gefertigt find, find vortrefflich
gelungen.
Neues Meikener Porzellan.
Die Blüthezeit der Meißner Porzellanmanufaktur fteht mit der ganzen
Runftepode des Rococos in innigftem Zufammenhang. Jm Meißner Por-
zellan zeigte fic) Sex Niederfhlag jeder Aunftäußerung. Plaftit, Malerei
und Arditektur übten gleichzeitig ihren Einfluß aus und fihufen, fih dem
‚Modegefhmad anbequemend, graziöfe Gebilde, wie e dem zarten Material
der gebrannten Erde entfpradhen. Jn fpäterer Zeit gingen Stoffgefühl und
Stilempfindung mehr und mehr verloren. An Stelle der früheren Eleganz,
der leichten, beweglihen Form trat ein fhwerer, überladener Stil, welher den
Charakter des Materials verwifhte. Wud im Rolorit zeigen die fpäteren
Schöpfungen feinen Fortfhritt. Der leichte blumenartige Schmelz der farbe
wird durd eine Buntheit erfegt, deren Rompofition zwar nicht unfünftlerifch
ift, dod) feinen Dergleih zuläßt mit den früheren Feinheiten.
Während nun in der heutigen Revolution des Runftgewerbes die Meißener
Onduftrie fih bisher in vornehmer Ruhe abwartend und gleidgiltig verhielt,
Actien-Gesellschaft
vormals
A,
—— —
Fabrik für
H. Gladenbeck & Sohn
Bildgiesserei
Friedrichshagen b. Berlin.
Wilhelmstrasse 76/77.
Giesserei für Denkmäler und Werkstätte für
Bronce-Architectur.
Beleuchtungs-, Garten- und Grabfiguren.
Salonbroncen.
— Bilsten, Statuetten, Gruppen in Bronce- und Bronce-Imitation, —
Musterlager:
Berlin S., Wasserthor-Strasse 9.
Verkaufsmagazin:
Berlin W., Charlottenstr. 23, vom 15. November cr.
Unter den Linden, Hétel Bristol.
offenbart fih plöglich in jiingfter Feit ein eifciges Beftreben, mit den Ueber.
lieferungen aufzuräumen, um den Ffünftlerifhen Bedürfniffen des modernen
Gefhmades gereht zu werden.
Wenn man nun die neuen Erzeugniffe einer näheren Betradhtung unter-
z3iebt, fo wird man freili nicht überall einem felbftftindigen Gedanten be-
gegnen. Die Meinen Ziergefäße, Biidhfen und Dofen, fowie ein Plateau mit
Füßen von der matten Art einfarbiger Dekoration und mande andere Begen-
ftände lehnen fid an Ropenbagener Vorbilder an. Dielleiht ergeben ih aus
älteren fabrifaten manderlei Anregungen zur Dereinfahung der form, wie
fie allgemein gewünfht wird. Der weiße Rand in den flahen Schalen
und Tellern jcheint dafür noh nidt die richtige Löfung zu fein. Von be-
fonderer Schönheit find indeflen mehrere urnenarlige Gefäße, die auf weißem
und farbigem Grund ftilifirte Pflanzen in Glafurmalerei zeigen. Bei an-
deren Befäßen verbindet fih die Blafurmalerei mit Pâte sur Päte-Tednif,
welhe auf faum verfhwimmendem landfhaftlihen Grunde erhabene figür-
lide Darftellungen zeigen. Zwei feine Dafen aus älterer Zeit mit Pate
sur Päte-Medaillons deuten dieje eigenartige und wirffame Technik erft an.
Die landfdhaftliden Motive find außerdem bei einer Anzahl Schälhen und
Schmudplatten in breiter, moderner Farbenanfhanung mit überrafhendem
Erfolg angewendet worden. Jn gleiher Weife, wie bei den Befäßen, macht
fih aud bei den Gruppen, Figuren und Büften eine dem Charakter des
Materials entfprehende Umgeftaltung bemerkbar. Eine Sclittfhubläufer
gruppe und ein Blumen pflüdendes Mädden find bejonders gelungen.
Berlin. — Die Hauptverfammlung des Deutfhen Runftvereins
fand unter Dorfiz des Dize-Oberzeremonienmeifters Rammerherrn Bodo von
dem Rnefebed im Ardhiteftenbanfe ftatt. Profeffor Dr. Wolfgang von Oettingen
erftattete den Gabresberidt über das abgelaufene 5. Befhäftsjahr: Der Mit-
gliederzuwadhs beträgt 152, fo daß jett eine Zahl 1682 erreiht if. An-
gekauft wurden in diefem Fabre 25 Runftwerfe im Werthe von 23 000 Mart,
die zur Derloofung gelangten; außerdem erhielt jedes Mitglied den Rupferftid
von Albert Krüger nah Hubert van Eyds „fingenden Engeln"; die Regierung
hatte hierzu einen Staatszufhuß von 2500 Mark gewährt. Gm Ganzen
find bisher I20 Werke von 105 Rünftlern erworben, und zwar von 72 Malern,
6 Malerinnen, 22 Bildhauern, 4 Aupferftehern und | Medailleur. Das Jahr
1897 brachte ferner 5 funftwillenfhaftlihe Vorträge, und es wurde den Mit-
gliedern die Befihtigung der Ravene’fhen Bemäldegalerie erfhloffen. Für die
AUTOTYPIEN a
CHEMIGRAPHIENG
DREIFARBENDRUCK:
PROMPTE
LIEFERUNG. ~~
PREISANSCHLAGE
nal
MUS TERN gg
Zu DIENSTEN.G
Max Hoerder.
156
Monate Januar bis Mai ð. J. nó bereits aht Vorträge angemeldet, u. U.
von Springer, Dolbebr-Magdeburg, Dettingen und Dr. Schmid, dem Afjiftenten
des Direftors von Tfhudi. Aus Anlap der Hundertjabrfeier wurde das von der
Ausftellung befannte Bildwerf von Ludwig Manzel „Der Ruhm" im Anftrage
des Deutjhen Kunftvereins gejhaffen. Ein Eremplar diefes Wertes hat auh
die Raiferin erworben. Aus dem KRajlenberiht dea Shakmeifters Banquier
Rrekfdmar ergiebt fid eine Gabreseinnabme von 40565,50 Mart und ein
Rajffenbeftand von 6746,75 Mart. Nah dem DVoranfihlage bleiben fürs
nädjfte Jahr mehr als 25000 Mark für Ankäufe verfügbar.
Münden. — Der Derwaltungsratb des ftädtifhen Mufeums Magi-
giftratsrath Anton Kübler bat es unternommen, die bisher zerftreut ftebenden
und nidt immer forgfam aufbewabrten Modelle von preisgefrönten
Ronturcrenzarbeiten bei Erridtung von öffentlihen Denkmälern, Brunnen,
Brüden u. f. w., die die Gemeinde erworben bat, zu fammeln und ihnen
vorläufig, foweit der Raum ausreicht, im dritten Stodwerkfe des alten Jeug-
baufes, in dem fid das ftädtifhe Mufeum und die Maillinger - Sammlung
befinden, Aufftellung zu geben, bis ein anderes entfprecenderes Lofal für
diefen Jwet bereit geftellt werden fann. ferner find auch werthvolle
Architefturmodelle von Entwürfen des ftädtifhen Banamts vorhanden, tie
neben den vorerwäbnten Runfurrenzarbeiten jungen Bildhauern, Architekten,
Bautehnifern 2c. willfommene Gelegenheit zum Studium bieten dürften.
Damit it der Anfang zu einer werthvollen und intereflanten Modellfjammlung
der Stadt Münden gemadt.
Dresden. — Die Aufwendungen, welde das Königreid
Sadbfen fiir Runft madt, find nad dem Ausweis des Staatshaushaltevor-
anfdlages verbaltnifmapig febr bedeutend. Für die Rgl. Sammlungen für Runft
und Wiflenfhaft wird vom Landtage ein Zufhuß von 602 SII Mark verlangt
(83 018 Mark mehr als 1896/97). Für Runftzwede im Allgemeinen werden
84 000 Mark beanfpruht, davon 60 000 Mark am den Aunftfonds zur Her-
ftellung monumentaler Runftwerfe der Malerei und Bildnerei, 16000 Mark
für Guventarifirung der älteren Bau» und Runftdenfmaler des Landes und
für Beihilfen zur Erhaltung alter Punftgefhichtlib merfwürdiger Bauwerke
und Denkmäler, 4000 Mark Zufhuß an das Rgl. Ronfervatorium in Dresden
und 4000 Mark für den Kal. Sähfifhen Alterthumsverein. Die Akademie
der bildenden Künfte bedarf eines Zufhuffes von 158195 Mark (10 950 Mark
mebr), die Sähfifhen Baugewerkfhulen, die um eine Tiefbaufhule vermebrt
werden follen, erfordern 155 S20 Mark (50 670 Mark mehr), die Fnduftrie-
fhule zu Plauen S3 583 Mark (6660 Mark mehr), weil ftändige Funftgewerb-
lide Dorbilderfammlungen in Annaberg, Auerbach, Eibenftod, * Falkenftein,
Frankenberg, Blauhan und Meerane begründet und verforgt werden follen,
die Runftafademie und Runftgewerbefhule zu Leipzig 107 002 Mark (400 Marf
mebr, die Kunftgewerbefhule nebjt Yorfdule und Runftgewerbemufeum zu
Dresden 186 718 Mark (16605 Mart mehr). Jm Ganzen find das:
1575 929 Mark (168 251 Mark mehr als im Vorjahre). — Die Rgl. Por-
zellanmanufaktur zu Meißen, von welder verlangt wird, dağ fie den gefchäft-
lichen wie den künſtleriſchen Befihtspunft gleidmapig beadte, berednet
1 511000 Mark Einnahmen und 13502500 Marf Ausgaben, mitbin einen
Meberfhuß von rund 200 000 Mark. Für die Vorbereitungen zur Befchidung
der Parifer Ausftellung im Fabre 1900 find 10000 Mark eingeftellt. Die
Gefammtproduftion der Kgl. Porzellanmanufattur ift auf nicht weniger als
1609 600 Marf veranfdlagt.
Nürnberg. — Das Germanifdhe Nationalmufeum ift Surh
ftetiges ‚Fortjgreiten an einem wichtigen Punkte feiner programmgemäßen
Entwidlung angelangt. Es werden der Anftalt ihre Räumlichkeiten allent-
halben zu enge, der größte Theil des Grund und Bodens ift bereits über-
baut oder wird in der nädften Feit für Bauzwede in Anfprud genommen,
In Folge diefer Derbältniffe wurden im Fahre IS9G drei Meinere anftofende
Haufer um die Summe von rund 45 000 M. erworben, deren Anfaufspreis
namentlih auch durd dus Eintreteneiniger Freunde des Unternehmens gededt werden
fonnte. Don viel größerer Bedeutung aber ift die fäuflibe Erwerbung des an das
Grundftüd des Bermanifhen Mufeums angrenzenden Rönigsftiftungsbaufes,
eines mächtigen, langgeftredten Bebäudes mit Hof und Garten, weldes in
Folge bejonderer Berüdfihtigung der Zwede der Anftalt derfelben zum Preife
von 120000 M. überlajfen und am 11. Oftober v. 5. dem Mufeum bereits
zugefchrieben wurde. Gn diejes dreiftödige Bebäude, Untere Grafersgaife 18,
wird die Rupferftidjammlung, die bereits über 200 000 Blätter zählt, die
Deutfde Runft.
Bibliothef mit über 200 000 Bänden und das Archiv mit feinen reihen Be-
ftänden an werthvollen Urkunden und Alten verlegt werden. Die Mittel für
den Ankauf diefes Hanfes follen surd Freunde und Gönner des nationalen
Inftituts in der Weife aufgebracht werden, Sap fidh 120 derfelben bereit er-
läten, Sen Betrag vən je 1000 M. zu ftiften. Welch’ freundlide Aufnabme
diejfes neue Unternehmen bereits gefunden, wel’ großes ntereffe man ibm
entgegenbringt, möge die Thatfahe befunden, daß dem nationalen Werke jest
fhon, bevor die Sache in die Oeffentlichfeit gefommen, 50 000 M. für diefen
Dwed bewilligt wurden, Außer Nürnberg und Umgebung bat fic bei
Aufbringung diefer Summe die baverifhe Landeshauptftadt befonders
hervorgethan.
Gleichzeitig mit feinem Gefhäftsberiht erläßt das Bermanifhe Mufeum
einen Aufruf am alle deutfhen nnungen zur Befhaffung der Mittel zur
Errihtung einer Zunfthalle Wie alle Abtbeilungen des Mufeums allmälig
immer größerer Räumlichkeiten bedürfen, jo macht fih der Mangel eines
geeigneten Scales binfihtlid der Sammlung von Handwerks: und Zunft
alterthümern fühlbar. Entfprehend der großen Bedeutung des Handwerks
im Aulturleben bat es fih die Leitung des Mufeums von jeher angelegen
fein lafen, die intereffanten und wichtigen Denfmäler diefer Art vor der
Derfchlenderung und dem drohenden Untergang zu bewahren. — So ift ein
böchft anfehnliher Apparat zur Bejhichte des Fnnungs- und Zunftwejens
aus allen deutfhen Landen zufammengebradht worden, der der Unterbringung
in geeigneten Räumlichkeiten barrt.
Stuttgart. — Die Generalverfammlung des Runftvereins
genebmigte den vorgelegten Redenfchaftsbericht für 1895/97 und den Etat
für die neue Derwaltungsperiodse 1897/99. Dem Nedenjhaftsberiht ift zu
entnehmen, daß die Mitgliederzahl wieder zugenommen bat (jekt 2126); dağ
die fortdauernde Ausftellung des Dereins während der ganzen Verwaltungs”
periode ftar? befhidtt und der Befud der Ausftellung ftets febr rege war.
190.600 Perfonen befihtigten in den beiden Jahren die Ausftellung, die in
derjelben Periode 4257 Runftwerfe aufwies. Privatverfäufe wurden ver
mittelt im Wertbe von 74440 Mark. Fn der Dereinslotterte famen 67 Runjte
werfe zum Ankaufspreis von 15 828 Mark zur Derloojung. Jn dem Etat
für 1897/99 bilanziren Einnahmen und Ausgaben mit 52874 Mark. Das
reine Vermögen des Vereins beträgt gegenwärtig 92 824 Mart. An Stelle
der verftorbenen Derwaltungsrathsmitglieder Prof. Kopp, R. Merkel und
R. Horn wurden Bildhauer Baufh, Landfhaftsmaler H. Drii und Rom:
merzienratb ©. Merkel (Eflingen) in den Verwaltungsratb Booptirt.
Stettin. — Mit dem Manzelbrunnen erhält die Pommerfhe Hafen-
fadt einen bedeutenden Shmud, der ihr Emporblühen durch den Seehandel
veranfhanliht. Wir find in der augenblidlihen Lage, unferen Lejern um-
feitig den von frig Gebhrfe aquarellirten Situationsplan des berrliden
Denfmals vorführen zu Fönnen, wie er jüngft dem Kultusminifterium und der
Stadtwerordnetenverfammlung in Stettin vorgelegen hat. Dor einem ge-
waltigen Bajfin ragt die prachtige Figur der Stadtgsttin auf, In majeftätifcher
Haltung anf dag Meer hinausfchanend, dem fie mit Merfur als Lotjen, von
Meeresgottheiten geleitet, muthig entgegenfabrt. Dem Meifter des Denkmals
Ludwig Manzel werden wir fon in nadfter Feit eine befondere Nummer
widmeten, die feine Hauptwerfe veranfhaulict.
Riel. — Der Heinen Shleswig-Bolfteinifhen Rünftlergemeinde
muß man Unternehmungsgeift nahrühmen, Yacddem in Riel ihre 5. Jahresaus-
ftellung gefhlojlen wurde, verfucht fie jetzt in anderen Städten der Provinz
Surh Ausftellungen Gntereffe zu erweden. Die erfte diefer Wanderaus-
ftellungen wird in Schleswig, dem Site der Regierung, am 15. ð. M. er-
öffnet werden. Die dortigen ftädtifhen Behörden haben in Sanfenswerther
Weife den Rathhausfaal zu dem Fwede zur Verfügung geftellt, fowie eine
Garantieverpflidhtung übernommen. Der fréftigften Unterftütung Seitens
des Schleswig - Holfteinfihen Runftvereins it die Genofjenfhaft von vorn
herein fiher. Die Ausftellung fann felbftverftänslih nur eine ganz intime
fein, verfpridt aber dafür um fo intereffanter zu werden. Dettmann's
Tryptidhon ,,Die Arbeit, Rallmorgen's „Flachsſcheuer in Holland", Olde's
ySdnitter’, Weftphalen's „Vale senex Imperator‘ werden neben aus-
gewählten Stüden von Stordh, Burmefter, Frau von Sivers, Fedderfen,
Peterfen-Angeln und anderen die Haupansziebungspuntte bilden. Der Aus-
ftellung in Schleswig foll eine folche in ‚Flensburg folgen.
aS —
PR
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— Einen Rüdblid auf die Tätigkeit des Rudolph Lepfe'fhen Runft-
auftionshaufes enthält der alljährlih zu erftattende Befhäftsbericht diefes
unter Runftverftändiger Leitung ftehenden Gnftituts, weldher zugleih einen
intereffanten und umfaffenden Beitrag zur Bejhihte des Berliner Runft-
bandels im Gabre IS97 bildet. Gn dem jetzt abgelaufenen Jahre find in der
Zeit vom 5. Januar bis 24. Dezember 45 Rataloge verausgabt worden,
welde die Nummern 1071 bis 1115 führten. Der Gnbalt diefer Kataloge tam
an 140 Tagen in den verjbiedenen Sälen des Auftionshaufes zur Derfteigerung.
Es befanden fih darunter über 4600 GBelgemälde und Aquarelle, gegen
18 000 Antiquitäten und fonftige Runftfadhen, und 5000 KAupferftiche, über
1000 Büder und Pradtwerke, über 400 einzelne Pretiofen u. A. Don bervor-
ragenden Bemäldegalerien, die im vorigen Fabre duch das Lepke'fhe Runft-
auftionshaus unter den Hammer kamen, find zu erwähnen diejenigen des
preußifben Befandten, Brafen von Flemming, in Rarlsrube, der freifran
von Patow, des Negierungsratbs von Rienert in Braz, zweier Amfterdamer
Runftfreunde und die bekannte Balerie Sedelmever aus Paris. Wertbvollen
Inbalt boten ferner die Runftnadlafjfe des Portraite und Genremalers
G. Beder, des Malers Profefjor Guftav Graf, ferner der Maler Profefjor
Georg Bleibtreu und Robert Warthmüller. Große Beachtung in Berliner und
auswärtigen Kunftkreifen fanden aud die Verfteigerungen der Bibliothe? und
des Runftnadlaffes der Herzogin Pauline zu Sagan, ser Runftfammlung des
Oberhofmeifters v. Donop in Detmold, des Benerallieutenants v. Wedel, des
Prof. Rarl Heffner in Dresden, des Chefredaftenrs George Davidfobn, des
früheren föniglihen Theaterdireftors A. Dees und der unvergefliden Biihnen-
fiinftlerin Marie Seebad. Auh das vergangene Jahr hat den Beweis ger
liefert, daß das Rudolph Lepfe'fhe Runftauftionshaus den Mittelpunkt des
Berliner Runfthandels bildet, und daß feine Beziehungen fih bis über die
Grenzen Deutjhlands hinaus erjtreden.
— Als ein bewundernswerthes Runftwerk darf man die Uhr bezeichnen,
Sie fiġ im Lefefaal des neuen Reihstagsbaufes befindet. Sie ift
mit ewigem Ralendertag, Datum, Monat und Jabreswecfel, jowie Mondphafe
gefertigt worden. Der goldene Grund der vieredigen Platte, die drei weiße
Hifferblatter tragt, ijt mit fymbolifhen Figuren bemalt, die den Tag und die
Nacht verfinnbildligen. Der Tag wird durch einen Schmetterling (Tagpfauen-
auge) und die Sonne, die Naht Surh eine Fledermaus und einen Kometen
fumbolifirt. Linfs ift. tas Blatt für die Wodentage, vehts das für die
Monate, in der Mitte das Diatumzifferblatt. Ueber diefem erfcheinen in einem
Ausfhnitt die Mondphafen in Bold auf azurblauem Grunde. Jn zwei
weiteren Ausfchnitten it links die feititebende Jahreszahl der Erbauung des
Reihtagsgebäudes zu lefen, während die Fablen recta jelbftrhätig bis zum
Jahre 1999 bei der Fabreswende nadto pe Ube wedfeln.
— gm Röniglib Preußifben Jnftitut für Glasmalerei ift
ein für den Dom in Havelberg bejtimmtcs größeres ‚Fenfter bergeftellt worden.
Dasjelbe enthält in 35 Feldern auf einem reihen Teppichmufter die Wappen
einer. Reihe von Märkifchen Adelsgefhlehtern, durch deren Beträge ein weiterer
Schmud des Botteshaufes ermöglicht worden ift. Diefelben find die familien
Bismard, Quikow, Bredow, Alvensleben, Schulenburg, Rönigsmark, Kröder,
Putlik, Dof, Fagow, Lüderit, Buch, Wartenberg, Schlabrendorf, Eidftedt,
Gröben, Polenk, Beuft, Karftedt, Winterfeld, Hiineden, Gravenik, Barde-
leben, Affeburg, Lattorf, Hagen, Thümen, Platen, Lohow, Arnim, Rohr,
Dantelmann und Moellendorf. Trog der vielen verfchiedenen Wappenfarben
it durch gefchidte Dertheilung eine jchöne, farbenprächtige Befammtwirfung
erzielt worden.
— Don friedrid Preller’s Odvffeelandfhaften im Weimarer _
Mufeum vermißte man bisher ausreihende photograpbifhe Aufnabmen. Jett
endlid, 50 Fabre nah Vollendung der Malereien, ift diefem Mangel in über-
tafhender Weife abgebolfen. Von der Mufeumsverwaltung autorifitt, bat
der gefhidte Photograph Shwier in Weimar Fürzlih den ganzen Cyflus
nebjt den Sodelbildern mit großen, farbenempfindlihen Bromjilberplatten
ee
aufgenommen und einen großartigen Erfolg erzielt. Jn entzüdender Klarheit
und Einheitlihfeit, dabei von ftattliher Größe und einer Schärfe, die and
das geringfte Detail zum Ausdrud bringt, präfentiren fih diefe Nenauf-
nahmen als vorzäglihftes Hilfsmittel zum Studium und Genuß. Sie find
in zwei Ausgaben erfihienen, von denen die cine die 16 Hauptbilder umfaßt,
während die zweite auf jehs großen Rartons (61x90 Zentimeter) dte Haupt.
und Sodelbilder, zu je zwei und drei an wie die Originale, darbietet.
— Die RER ENTER von Andrea Sella Robbia
an der Facade des findelhaufes in Florenz ind nicht fo allgemein befannt,
wie fie es verdienen. Es find im Banzen zwölf Widelfinder, aber zwei
davon Wiederholungen, Basreliefs in naiver Darftellung auf blau emaillirtem
Brund — das Wirkelzeng theilweife leiht rothbraun oder hellblau gefärbt
— die fih febr voriheilhaft von der i
dunklen Sandftein- Einrahmung abheben.
Die firma Julius Schmidt in Florenz
hat nun die zehn Widelkinder in Chromos
tppie berftellen Iaffen und damit ein föft-
liches Runftwerf gefhaffen. Der Aus-
drud der Originale ift vollfommen ge-
wehrt; einige Widelfinder feheinen fid
geduldig in ihre Lage zu finden, während-
andere, ungeftiimere, fid aus den Windeln
zu befreien fuden; alle jedod frenen
fic) „3u leben". Der Preis ift 4 Mart
für alle zehn Blatter, 2 Mark für fünf
Blätter in ie Amine:
— Jn der Rönig Rarls-Halle in
Stuttgart, dem großen Prunffaal des
neuen Landesgewerbemufenms, wurde
eine interefjante Ausftellung von
Puppen eröffnet. Die zur Schau ge
ftellten Puppen ftammen zum Theil aus
Privatbefik, zum Theil aus den Shaken
des Mufeums felbft. Nur folhe Puppen
wurden zugelaffen, dle entweder Volfs-
trahten zeigen oder fiinftlerifd) aus-
geführt find oder ein biftorifhes Jnter-
effe darbieten und Originalpuppen jind.
Den Mittelpunft der Ansftellung -bildet
die 200 Puppen umfaffende Sammlung
einer biefigen Dame, frau Geb. Hofrath
von Schumader. Jn ihrer Sammlung
befindet ih u. A. eine Puppe, die die
Königin Luife von Preußen auf der
Fludht nad Memel einem Rinde, das fie
liebgewonnen (der Todter eines [hwedi-
fhen Ronfuls) zum Gefhenfe gemadt
bat. Aus der v. Schumader' jhen
Sammlung ift noh eine „Krippe‘‘ bervor-
zubeben: ein langer Zug der orientali-
ſchen fiirften und Gefolge bewegt fid
nah dem Stalle, in dem das Jefus-
find in der Krippe rubt; am Berge
empor find die Heerden zerjtreut und über
dem Berge thronen die himmlischen Heer-
fhaeren. Die über 100 Figuren um-
faſſende Darftellung it mit fünftlerifchem
Gefhmad angeordnet und ausgeführt.
Aus anderem Privatbefig ftammen prädy-
tige Puppen aller Zeiten und Trachten,
Uhr fiir das Kgl. Shlok.
Entworfen und angefertigt vom Runjttijdler
J. Fwiener,
158 Deutfdhe Runft.
datunter namentlich madchen Perſönliches und Ateliernachrichten.
4’ ‘ und frauen aus Schwaben
i und Bayern, Altenburg, Hol- — Dem Maler Rarl Bebrts zu Edamp bei Düffeldorf, dem Schöpfer
= 2 ſtein u. f. w. in Landestracht. der Wandgemälde im Treppenbaufe der Düffeldorfer Aunfthalle, it der Pro-
Sehr interefjant ift die Samm-
lung inefifher und japa-
nifher Puppen, die das Mu-
feum felbft ausgeftellt hat und
die durchweg dharaktervolle
Typen bietet; fie enthält aud
die Darftellung eines Kamm-
fpiels von dem faijerlid) japa-
nifhen Hofe. Diel bewundert
wird außerdem eine ans Irland
ftammende, nur 15 Millimeter
große Bliederpuppe.
— Das afademifihe Reife-
ftipendium der Dresdener Afa-
demie, weldes fiir das Be-
werbungsjabr 1897 der
Briffelfunft zufam, erhielt
auf einftimmigen Befchluß des
afademifdhen Raths der Maler
und Zeidner Ridard Müller,
der faum 25 Jahre zäblt und
der überdies noh niht vor
Sabresfrift — im Jannar 1897
— 3um erften Male die Radir-
nadel in die Hand genommen
bat. Ein fold) erftaunticher Erfolg darf in der That zu den größten Hoff-
nungen beredtigen. Eine Sonderausftellung, welde gegen 25 Radirungen,
Lithographien und Feidnungen Müllers umfaßt, offenbart ein fehr bedeutendes
Rönnen, insbefondere eine erftaunlihe Fähigkeit, die Natur ganz getreu
wiederzugeben, Das fommt namentlih bei der Wiedergabe der Thiere —
Schimpanfe, Marabu-Paar, Strauße u. f.w. — zur Geltung, welhe Gattung
Müller mit Vorliebe pflegt. Das Hauptblatt, Adam und Eva unterm Apfel-
baum darftellend, in weldem die verfdhiedenartigen Behandlungen der Ra-
dirung, Aquatinta und Rupferftih vereinigt find, ift ein Meifterftüd der Technik
zu nennen, während es in Bezug auf feelifhen Ausdrud nod Einiges zu
wünjhen übrig läßt. Zwei Feidhnungen — ein Affe mit einem Todten=
fopf und ein nadtes Mädchen mit einem Bären — find in einer eigen.
artigen Tehni? hergeftellt, die fic) der Künftler felbft gejhaffen hat. Es ift
eine Sgrafitto » Arbeit auf Papier, wobei der Zeichner die praparirte Flake
in ähnliher Weife bearbeitet hat, wie beim Radiren die mit Wads überzogene
Rupferplatte, nur daß bier ein einziges Blatt entjteht, während die Rupfer-
platte beliebig oft abgezogen werden tann. Die beiden Feichnungen, welde
Ah duch die Kraft und Bejchlojienheit des malerifhen Eindrutes aus-
zeihnen, find alsbald in den Befiz des Röniglihen Rupferftih-Kabinets und
eines befannten Aunftfreundes übergegangen.
Armleuchter für eleftrijches Liht.
9. Bladenbed u. Sobn A. B., ‚sriedrihsbagen-Berlin.
— Dem in Nr. 7 der Deutfchen Runft abgebildeten, für das Königliche
Schloß in Berlin beftimmten Toilettentifh von JF. Zwiener reiht fih die
umftebend wiedergegebene Standuhr im reiheren Stil Louis XVI. würdig
an. Das Mufchelornament bringt Fünftlerifhe Abwedfelung in das Spiel
der Formen, den Löwenklauen der fühe entfprehen die Löwenköpfe unter den
‚stieseden und als Rrönung dient eine jhußbereite anmuthige Amorette. Die
Bronzeornamente dehnen ih von Rand und Eden ber über die flähen auc
und beleben fie duch Frudtgebdnge und fartoudenartige Gebilde.
— Die beiden von der firma 5. Bladenbed & Sohn, A-G.
Ftiedrihshagen- Berlin, angefertigten Randelaber interefjieren um des
Begenfates willen, der einerfeits im den ardaifirenden, andererfeits in den
modern-naturaliftifhen Formen berrjht. Die ftrenge Haltung der Aegvpterin
in Ropftud und fein gefälteltem Gewande, deren ſymmetriſch ausgebreitete
Arme die Kerzen teagen, fontraftirt mit der fih zwanglos an Sie Säule
lehnenden Wafjerjhöpferin, über deren Haupte aus dem Rapitäl Blumentelde
als Lidtipender aufjcießen.
feffortitel verliehen worden.
— Dem ordentlichen Lehrer an der Runft- und Aunftgewerbefchule zu
Breslau, Maler Eduard Raempffer, ift das Prädifat „Profeffor' bet-
gelegt worden.
— Dem Maler Nicolaus Gyfis, Profeffor an der Rönigl. Akademie
der bildenden Künfte in Münden, wurde der Derdienftorden vom bi. Michael
5. Rlaffe verliehen.
— Dem Jnbaber der firma ©. feling, Groh. Badifhe Hof - Rupfer-
druderei, Herrn Wilhelm felfing, wurde vom Grofherzog von Baden das
Ritterfreuz 2. Rlafje des Ordens vom Zähringer Löwen verliehen. Gleidh-
zeitig wurde demjelben in Anerkennung feiner Verdienfte um den Drut
Weimarifher Radirungen vom Broßherzog von Sadfen- Weimar der Titel
„Broßberzoglib Sähfifher Hof-Rupferdruder‘‘ gebührenfrei zuerfannt.
— Den Jnhabern der firma Bismever & Kraus in Düffeldorf, Herren
Stik Bismeyer und Georg fleifdher, wurde vom Prinzen Beorg von
Preußen der Titel „Hoffunfthändler" verliehen.
— Die Surh den Rüdtritt des Direktors v. Ruftige in Erledigung qe-
fommene njpeftion der Bemäldegalerie in Stuttgart wurde den Profefjor
Dr. v. Lemde übertragen. Wie bisber ftets ein Mitglied des Lebrerfonvents
im Nebenamt mit einer verabfihiedeten Funktionszulage Balerieinfpeltor war,
fonnte aud für die Wiederbejegung zur Feit nur eine Berufung im Neben-
amte in frage tommen. Prof. Dr. v. Lemde it als Profeffor und Lebrer
der Runftgefhidte an der tehnifhen Hodhjhule und an der Runftihule eine
bewährte Kraft auf diefem Gebicte. Mit feiner Berufung wurde nad dem
Dorgange der großen Mehrzahl der Runftfammlungen Deutfchlands, deren
Doritände in Berlin, Dresden, Münden, Frankfurt, Raffel Runftbiftorifer vom
dad find, der immer allgemeiner und dringender fundgegebenen Forderung
Redhnung getragen, die Direktionen der Runftfammlungen wiffenfhaftlih ge-
bildeten, auf dem Gebiete der Aunftgefihichte erprobten Aräften zu über-
tragen.
— Belegenilihb der Fubiläumsausftellung in Bodenbah wurde dem
Maler Hermann Bufhbed in Münden für das feinerzeit auh im
Miindener Runftverein ausgeftellt gewefene Gemälde Gm Örangenteller* vom
Runftverein für Böhmen die filberne Medaille verlieben.
— Nad erfolgter Erganzungswabl, in welder die durh das Loos aus-
gejhiedenen Herren fümmtlid wiedergewählt wurden, hat fih der Dorftand
der Miindener Riinftlergenoffenfdaft für das Derwaltungsjabr 1898
fonftituirt wie folgt: Präfident: Dr. franz
v. Lenbad, Stellvertreter: Hans Peterfen,
Schriftführer: Rihard Gropp, Stellvers
treter: Wilhelm Graf Bülow v. Denne-
wik, Raffier: franz Sh mid- Breiten.
bad; Rarl Georg Barth, Angelo
Graf v. Courten, Afad.-Prof. Wilhelm
Diez, Theodor fijher, Hermann Rod,
Adolf Liiben, Josef Menges, Prof.
Eduard Obermayer, Emil Rau, Prof.
Emanuel Midl, Atad-Prof. Otto Seit,
Atad.-Prof. Alerander Wagner, Julius
Sembuſch.
— Der Ausſchuß für die Dresdener
deutſche RKunſtausſtellung im Jahre 899
hat ſich nun endgiltig gebildet. Gewählt
wurden zu Vorſitzenden die Profeſſoren Kuehl
und Prell, zu Schriftführern die Profeſſoren
Riefling und Burlitt, zum Schatmeifter
Rommerzienratp Habn. Der Vereinigung
bildender Riinftler Dresdens (Sezejlion)
wurden fünf, der Runftgenofienihaft act
Dertreter zugeftanden. Regierungefommillar
ift Geheimer Regierungsrath Dr. Rof her.
Die Ausftellung foll vom ! Mai bis
J. Oktober dauern.
— Der Bildhauer Prof.. Baumbad
in Stegmundsdorf hat das Modell Zu der
für die Siegesallee beftimmten Gruppe zum
größeren Theile vollendet und einige vom
Raifer gewünjchte Aenderungen in der Ge-
wandung der ‚Figuren berüdfihtigt. Jur Dar-
ftellung gelangen die agfanifhen Markgrafen
Johann I. und Otto ILL, die von 1220 bis
1266 regierten. Der friedlider gefinnte Marl- so tt
graf Johann fikt anf einem Wegfteine, die z j
Bebauungsurtunde Berlins über feinen Shooß fr «= Bie ny
gebreitet. Redts von ihm, der figur des
Bruders zugewandt, fteht der mehr Friegerijche
Otto, ganz und gar gewappnet, auf dem
Ropfe den Eifenhut mit der gefchlofjenen
Rapuze. Die erhobene Linte faßt einen
Kandelaber für eleftrijfches
Sicht.
5. Bladenbed u. Sobn, A. G.,
Friedrichs hagen ⸗ Betlin.
159
Jagdfpeer, während die Rechte lebhaft auf eine Stelle des Be-bauungs
planes binweift. Es fdeint üh Ser DOertlidfeit nah bei der Bee
tathung um das „Hohe Haus“ in der Klofterftrafe zu handeln. Auf dem
Plane treten der Flußlauf der Spree, die Lange Brüde und die jerge
Mufeumsinfel deutlich hervor. Markgraf Johann trägt in dem neuen Modell
einen hoben Spighut, während er den adlergefhmüdten Helm vor ih zwifhen
die Beine geftellt hat. Dem Doppeljtandbilde der beiden Herrfcher werden
als Nebenfiguren beigegeben Marfilius, Schultheiß und erfter Bürgermeifter
von Berlin (1242), fowie Probft Simeon von Aöln (1257). Diefe Büften
find erft in ‚Skizzen angelegt.
— Profeffor Reinhold Begas hat feine Skizzen für die Siegesallee
bereits vollendet, weldhe den Beifall des Kaifers gefunden haben.
— Das Zentralcomite zur Erridtung des Bismard-Denfmals in
Berlin, zählt den Beh.-Rath Wallot nicht mehr zu feinen Mitgliedern.
Der Arditelt hält daran fe, daß der Abftand von GO Metern, für den fidh
das gefammte Comité entfdloffen hat, als Entfernung des Denkmals von
der gewaltigen WUrditeftur des Reidstagspalaftes ein viel zu geringer fei.
Da das Comité einftimmig 60 Meter als genügend anerkannt hat und Wallot
den doppelten Abftand, 120 Meter, für das allein Richtige hält, fo erflarte
er dem Dorfigenden feinen Austritt.
Preisbewerbungen.
— Als Preisaufgabe des Arditelten-Dereins in Berlin zum
Shintelfeft 1899 ift im Hodban der Entwurf zu einem Feſt- und
Befellfhaftshaufe für die deutfhe Marine gewählt worden. Als
Oct der Ausführung ift Riel gedadt. Dort foll am Hafen, auf einem 200. m
langen, 150 m tiefen, vom Wajler bis zu einer dem Ufer parallelen Straße
um etwa JO m anfteigenden Bauplake ein Gebäude errichtet werden, weldes
einerfeits Fefträume enthält, die nur zu befonderen Gelegenheiten benutzt
werden, andererfeits fiir den täglihen Gebraud beftimmte Rafino-Raume,
verbunden mit Logirzimmern fiir die Offiziere Ser dentfdhen Marine und ihre
Bäfte. Beide Raumgruppen follen bei großen Feftlidfeiten zu einer zu
fammenhängenden Raumfolge vereinigt werden fönnen. An Hauptrdumen
werden für die auf einen Verkehr von 500 Perfonen zu berednende Anlage
für Seftzwede neben ftattlihen DBorräumen verlangt: 1) etne Ehrenballe zur
Aufftellung von Standbildern und Biiften fowie zur Anbringung von
Trophäen, Ballionen, flaggen u. f. w., die aud der Deranftaltung von
Ausftellungen und Feftverfammlungen dienen fann; 2) ein Feftjaal, der als
Speife- und Tanzfaal fowie fiir Mufit- und Theateraufführungen benußt
werden foll. Das für einen täglihen Verkehr von etwa 200 Perfonen ein-
zurihtende Rafino foll neben mehreren Speifefälen mit offener Halle zum
Eſſen im Fteien, einem Stühftüds-, Lefe-, Schreib-, Spiel- und Billardzimmer
eine größere Anzahl von Räumen für den Raiferlihen Vacht-Klub enthalten,
dazu eine Reihe von Logirzimmern für Marine-Offiziere. Gm Garten find
Regelbahnen, Tennispläge, offene Hallen u. f. w. anzulegen. Die Wahl
der Urchitefturformen und der Banftoffe ift den Bewerbern frei-
geftellt.
— Im Raimfaal in Münden find die 26 Preisentwürfe zu einem
Platat und Sinnbild für deutfhe Nationalfefte ausgeftellt, die in
Folge der ausgefhriebenen Konkurrenz eingelau,en find. Es ift eine Anzabl
marliger Zeihnungen darunter, aber was den Riinftlern allen miteinander
gefehlt hat, ift eine Mare Dorftellung von den im Fabre 1900 erftmals ge-
planten deutfhen Nationalfeften. Ste vermögen daber dem Volfe, fiir das
die Plafate beftimmt find, auch die Mare Dorftellung nicht zu geben, die das
Plafat dod vermitteln foll. Auf den meiften Bildern fieht man nadte oder
halbnadte Männergeftalten. Meift ein Mann allein, aber auh Gruppen,
3. B. zwei Wettläufer, eine Anzahl Seilzieber. Faft durhweg prächtige
Entwürfe. Aber auh mandes Barode. Da fteht ein Mann im roten Trifot
und fhwarzem Leibhen mit gefpreizten Beinen im Faltenwurf einer fhwarz-
weißroten Fahne. Ein anderer in Eifenpanzer gehüllter Mann mit ger
fpenftifhem biutlofem Befiht wählt aus einer Leier heraus. Ein Entwurf
bringt nichts als eine «uf deforativer Unterlage rubende, von fdwarzen
Adlerflügeln flankierte Raiferfrone. Theils in modernem, theils in altdeutfchem
Stil bewegen fih mehrere der Entwürfe, viele lehnen fih an das Antike an.
Modern und gut wirft ein Burfhe in Hemd und Hofe, der auf einem
Bauerngaul daberfommt. Aber die Aufgabe ein Ylationalfefte zu verfinn-
bildliden ift and) bier unzureidend geldft worden.
— Die Stadt Magdeburg eröffnet unter den deutfhen Arditeften
einen Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für den Neubau eines
Rädtifhen Mufeums für Runft und Runftgewerbe. Die Entwürfe
follen gleichzeitig die Erweiterungsmdglidfeit des Mufeums in zwei Ent-
widlungsftadien darthun. Als Bauplak ift der zwifhen der Raifer- und
Heidedftraße einerfeits und der Oranien- und Anbaltftraße andererfeits be-
legene, unregelmäßig geftaltete, unbebaute Blot beftimmt. Die nicht zur
Bebauung verwandten Theile desfelben follen in angemeffener Weife mit
gärtnerifhen Anlagen ausgeftattet werden. Die Hauptfront und der Haupt-
eingang find an der Raiferftrafe anzunehmen. Die Baufoften follen den
Betrag von 600000 Mar? niht überfteigen, einjchließlih der Roften der
Heizungsanlage, ferner der Waller-Zu- und Ableitungen, jedoh ausschließlich
der künftigen Erweiterungen. Die Roften der zum Theil an diefer Stelle er-
Deutſche Runf.
forderli) werdenden tieferen fundierung find in diefer Summe nicht ein-
begriffen, es it alfo eine Funticrung von normaler Tiefe der Berehnung zu
Grunde zu legen. Entwürfe, welhe nad dem Urtheil des Preiageridts diefe
Baufumme um mehr als JO Prozent überfihreiten, werden von der - Preis»
bewerbung ausgefhloffen. Zur Preisvertheilung ift eine Summe ‘von
10 500 Mark ausgefegt und zwar:
1 erfter Preis von 4500 Matt,
2 zweite Preife von je 2000 Mare,
2 dritte Preife von je 1000 Marf.
Das Preisgeridht befteht aus den Herren Oberbiirgermeifter Schneider,
Stadtrath Duvigneau, Stellv. Stadtverordneten-Vorfteher Jaenfh, Stadt-
verordneter Gddede, Mufeumsdireftor Dr. Dolbehr, Beh. Baurath Profeflor
Dr. Wallot-Dresden, Profeffor Friedr. v. Thierfh- Münhen, Stadtbaurath
Profeffor Licht-Leipzia, Stadthaurath Rdnigl Baurath Peters-Magdeburg.
Die Entwiirfe find fpateftens bis 3um 1. Auguft 1898, Mittags 12 Uhr, nah
dem Rathhaufe in Magdeburg einzureichen. :
— Der Ginsberg- Preis, welder zum Andenfen an den beim Erd»
beben auf Jodia verunglüdten Maler Ginsberg geftiftet it, tam zur Ver-
leihung für's Jahr 1898. Der Preis wurde zwei Studierenden der Ala-
demifhen Hochfdule für die bildenden Künfte in Berlin verliehen. Cine
Summe von 1200 Mar? erhält Maler Lipinsfi, ein Schüler von Prof.
Sceurenberg, ein Betrag von 670 Mark wurde dem Maler Stadhowial,
Schüler des Prof. Woldemar Friedrich, zuerkannt.
— Bet dem zweiten Wettbewerb für den Neubau eines Rathhaufes
in Deffau find die Entwürfe von den Architekten Reinhardt und Süßenguth
in Charlottenburg, Wienfoop in Gera, Erdmann und Spindler in Berlin,
Rihard Walter in Charlottenburg und Profeffor Frenken in Aaden als
empfeblenswerth beurtheilt worden; diefe werden anf Grund der Seftimmungen
für den Preis von je 750 M. in das Eigenthum der Stadt übergehen.
Vier weitere Entwürfe wurden als minderwerthig zurüdgeftellt. Die Be-
urtheilung fand duch den Geheimen Negierungsrath Profeffor Ende in
Berlin und Geheimen Baurath Profeffor Dr. Wallot in Dresden ftatt.
— Bei der Jubtläumsausftellung in Wien, die vom 15. April
bis Ende Juni I898 im Künflerhanfe und dem mit demfelben arditeftonifd
verbundenen Mufifvereinsgebäude ftattfinden wird, follen zwanzig Ehren-
preife im Gefammtbetrage von 44 000 Rronen gegeben werden. Ter erfte
Preis (Raiferpreis) beteägt 400 Dufaten und ift öfterreihifhen Riinftlern ge-
widmet; der zweite Preis im Betrage von 2000 Kronen ift vom Erzherzog
Otto gezeihnet. Die Lotterie hat 100000 Rronen 3u vergeben, die bereits
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12. A. Andrea, Dioderner Tämon. +8 eiten.
18. V. Blüthgen, Poirethr ufe. Jd. Le B. — Ein faliher Benge,
14. Oskar Hicker, Getd :eicaten. 36, riedeutftörec.
15, M. Lay, Ani dem Ilimerbof. 7. Bret Harte, x
16, Alex. Rimer, Jm Reg. . Max Schmidt, Die Wildbraut.
Der Leutverderber. Max Ring, Jrriwege.
ättgen, Nautilus. R. Misch, Aus dem Geleife.
@old-Aninta. . Crawford, Kinder ded Königs.
2. A. v. Winterfeld, Geilprechen.
ler, Bu Fede gebewt . Baierlein, Qathe und Kath ula,
wold und Lye . G. v. Suttner, Sein BerLäugnis,
Einladung
zur Weſchickung der Kunſt-Ausſtellungen
der vereinigten 5Süddeutſchen Kunſtvereine.
Die vereinigten Runſtvereine des ſüddeutſchen Cutnus:
Augsburg, Bamberg, Bayreuth, Fürth, Heilbronn, Hof, Nürnberg, |
Regensburg, Stuttgart, Alm, Würzburg,
veranftalten and im Jahre 1897/98 gemeinjdhaftlide permanente Ausftellungen, zu deren recht |
zahlreicher Beihidung die on Riinftler biermit freundlidft eingeladen werden. (Jahres: |
umfag über 100 000 Marf.) Tie Bedingungen und Anmeldeformulare find von dem mit
der Haupigefhäfteführung betraufen Württemb. Runftverein in Stuttgart zu beziehen. Alle
für den Turnus beftimmten Runftwerfe find nadh vorausgegangener Anmeldung mittels |
Sormular ausfchließlich an den Württemb. Kunftverein in Stuttgart einzufenden, wejelbit | == — —
eine Jury übet die Aufnahme der Werke entſcheidet.
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Sreie Kunit.
PPEPPPPPPDL
An unfere Tefer!
Wir haben unferen Abonnenten und Freunden die erfreuliche Mittheilung zu machen, daß die „Deutjche Runft“
im neuen Jahre eine Erweiterung ihres Umfanges und ihrer Ziele erfährt.
Die in Berlin erfcheinende Runftichrift „Das Atelier if von uns
angekanft worden und geht vom 1, Jannar ab in der, Deutſchen Kunſt“ auf,
in der Weife, daß ihr Name und ihr Nacdprichteninhalt in dem Beiblatt erhalten bleibt, die bisher den Titel
„Vom Runft- und Runftgewerbemarkt“* führte,
l Es ift. uns nicht nur gelungen, uns einen - Theil der Mitarbeiter Ses „Atelier“ zu fichern, fondern wir
glauben gerade durch diefe materielle und ideelle Vereinigung zu beweifen, daß wir den Zeitpunkt für gefommen
halten, wo Alle, die es mit Ser Runft unferer Zeit ernjt meinen, fih
ohne Adh auf Richtungen und Grundſätze einzuſchwören
in dem Streben zuſammenfinden können,
die Entwickelung deutſchen Kunſtſchaffens
mit vereinten Rräften zu fördern.
Wir werden es nad wie vor als unfere Aufgabe betrachten, alle Bewegungen auf dem Gebiete der
bildenden Rünfte mit aufmerffamem Auge zu verfolgen und objektiv über fie zu berichten, ftatt fie je nad
Befhmad und Neigung zu fördern oder zu hemmen. Die fortfchreitende Verbreitung der „Deutfchen Kunft“,
das Wohlwollen der Runftverwaltungen, die Anerkennung der Künftler wie der Kunftfreunde leiftet uns Gewähr,
daß wir mit diefer parteilofen, nicht frittelnden, fondern berichtenden Haltung den rechten Weg eingefchlagen
haben, Ser zu einem von dem nterefje aller gebildeten Kreife getragenen nationalen Runftfchaffen binleitet.
Berlin, im Januar 1898.
Verlag und Bedaktion der „Deutfhen Kun“
Dr. Georg Makowsky.
— —— — ==
te T
Deutſche Kunſt.
Beiblatt: Das Atelier.
lluftrirte Heitichrift für das gefammte deutfche Kunitfchaffen.
Eentral:Organ deutfcher Runft: und Rünftler-Dereine.
Alle 14 Tage erfcheint eine Nummer. Herausgegeben u Alle 14 Cage erfceint eine Nummer.
Preis vierteljabrlid 2.80 Mark. A 3 á Gnferate: 40 Pfennige für die 4 ges
Georg Malkotustin fpaltene Nonpareille-Zeile.
eitungslifte Ar. 1174.
URN Scriftleifung und Berwalfung Berlin W.57, Sfeinmehfir. 26.
Publifationsorgan des Dentfchen Runftvereins in Berlin, des Schlefifhen Runftvereins in Breslau, des Aunftvereins für das Broßberzogthum Heffen in Darmftadt, des Anhaltifben Runfts
vereins in Deflau, des Württembergijden Aunftvereins in Stuttgart, des Schleswig - Holfteinifhen Runftvereins in Biel, der Runftvereine in Münden, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera,
Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Gdrlig, Danzig, Rönigsberg, Stettin u. a.
Ar. 9. 1. £ebruar 1898. II. Jahrgang.
wW., Triibner, Walfyren-Vifion.
Deutfhe Runft.
II freie Kunt. =
eingetreten, das ihm eine große Aehnlidteit der Derbdlt-
nifje mit denen von Paris vor zwei Dezennien aufprägt.
Hier wie dort fiehbt man eine ganze Anzahl von Fleineren
Riinftlervereinigungen fic) ein Lokal fuhen, um, ohne dem
Hwang und der Bevormundung eines anderen Befhmades als
ihres eigenen ganz perfönlihen unterworfen zu fein, ihr Schaffen
dorthin zu bringen, wofür jeden Rünftlers Schaffen beftimmt ift,
in die Oeffentlichkeit.
Hier wie dort find die Gründe der Erfheinung zu fuchen
in der wie es fceint unvermeidliden Mifwirtbfhaft, die bei
großen Ausftellungen offiziellen Charakters all’ die vielen ,,per-
fönlihen Nüdfibten Ser Leitenden auf einander, auf ihre
Freunde und — last not least — auf „ihr Publitum, mit
fi) bringen, fiir die Jugend, die nod nit „arrivee‘ ift,
bleiben die ,,Codtenfammern’. Zu Worte fommen wollen fie
aber aud.
Einen nit zu unterfchätenden Vortheil bieten ihren An-
gehörigen aber dSiefe Rlubausftellungen auc durd Sie Fleineren
Räume Sie find nicht gezwungen, viele Quadratmeter Lein-
wand mit farbe zu bededen, um überhaupt gefehen zu werden.
Aud Bilder, wie man fie in ein modernes Wohnzimmer nor:
maler Größe hängen Pann, füllen bier ihren Plak aus.
Jn Paris hat fih diefe Art fo bewährt, daß fie bie auf
den heutigen Tag fortgeführt wird. Die „offiziellen‘ Derhalt-
niffe find eben diefelben geblieben — aud, man täufhe fidh
nicht darüber, nad) Gründung der „Société nationale des
Beaux-arts“, des Salon auf dem Marsfelbe. Jn Münden ift
mit diefem Jahre die Sezeffion „offiziell! geworden; nun, wer
in den Ateliers die Obren offen gehalten bat, wird genug Un-
zufriedenheit begegnet fein. — Es gebt eben offenbar nicht
anders. — Ob in Berlin die Derbältniffe in abfehbarer Zeit
fih fo ändern, daß das Beftehen der fleinen Rlubs iiberfliiffig
wird, ift faum vorauszufehen. Einftweilen macht fic gelegent-
lid) des Riinftlerhausbaues eine Centralifationsbeftrebung infofern
geltend, als man die weggelaufenen KRindlein wieder unter dem
fhütenden Dac des Daterhaufes zufammenzubringen fudt.
Man will den Klubs die Räume des Künftlerhaufes für ihre
Ausftellungen geben; — ob das nun wirflid frei und rüdhalt-
los gefdeben wird, oder ob urh unannebmbare Bedingungen
die angeftrebte Einigkeit wieder in die Briiche gehen wird, muß
eine nahe Zukunft lehren.
Eine diefer „Vereinigungen ift die „Freie Runft*, die heuer
bei Burlitt ihre dritte Jahresfhau veranftaltet hat. Man bat
ihren Yamen ‚freie Runft‘* oft mißdentet. Es ftedt, wie es
fheint, für jeden braven Deutfchen in dem Worte ‚frei etwas
revolutiondres. Jemand, der im Geriidt ftebt, „‚frei* zu denken,
wird meift bei uns auf der einen Seite begeifterte Anhänger —
auf der andern Seite ebenfo begeifterte Feinde finden, wozu es
nicht eben nothwendig it, daß man genaue Renntnig darüber
bat, wie es mit feinem „freien Denken“ eigentlich beftellt ift.
Dielleiht war es aus diefem Grunde niht ganz gefhidt, das
Yamensfhild „Freie Runft‘ in Deutfhland auszuhängen. Wenn
fi die feds „Berliner Rünftler* lieber „tein Programm‘ genannt
hätten, wäre allen deutfchfprehenden Menfchen wohl larer ge-
worden, was fie wollten. Als Feinde hätten fie dann nur ohne
Weiteres die paar Rünftler gefunden, für die ein Runftwerf
a priori eine Art gemalter oder gemeißelter Programmrede über
irgend einen frifd) entdectten äfthetifhen Lebrfat; bedeuten muß.
Die fehs haben feiner Feit ziemlih gleichzeitig in Berlin
das Handwerk ihrer Runft erlernt. Wilhelm Meifters Wander-
jahre baben fie dann weit über die Welt verftreut und als fie
fih fohlieglih in Berlin wieder zufammenfanden, entdedten fie
verfdiedene Gemeinfamfeiten an einander, vor allem das ernfte
eifrige Streben, zu fhaffen und zu wirken und Worte zu finden
für das, was fie auf dem Herzen batten. fiir jeden, der ohne
T' der Entwidlung des Berliner Aunftlebens ift ein Stadium
Dorurtheil die bisherigen drei Ausftellungen der Vereinigung
beobachtet bat, ift es hodjintereffant zu feben, wie fid bei den
Einzelnen, die fammt und fonders ‚‚teden‘* gelernt haben, nad)
und nad eine befondere Sprahe entwidelt, wie fi Perfönlid-
feiten berausfhälen, wie fie anfangen, Schönheiten in der Welt
mit eigenen Augen zu fhauen.
Eine Eigenart hat die „Freie Runft* eingeführt: Auswärts
wohnende Künftler, deren Schaffen ihr intereffant erfchien oder
an die fie perfönlihe Beziehungen fniipften, gewährte fie Baft-
freundfdaft, die Siefe ibr durch neue Anregungen und durd die
Gelegenheit zum Wettftreit lobnten. Es ift ein fliller aber
grimmer Krieg, den zwei Bilder an Serfelben Wand mit ein-
ander führen; aber „wo Streit it, ða ift Leben“.
Otto Heinrih Engel ging von Berlin aus nah Rarle-
rube und Münden, wo er Schüler Paul Höder's wurde. Er
war dort einer der Mitbegründer der Sezeffion (der er jetzt nicht
mehr angehört. Das Bild, das ihm zuerft einen Namen
madte, war fein „Meeresleuchten*. Auf’ einen Meerbufen find
in lautlofer Sommernadt weit binausgefahren, fo daß man die
Lichter vom Ufer fih nur von fern im Waffer fpiegeln fieht,
zwei einfame Menfchenfinder. Cangfam tauht er die Ruder
in's Waffer, fie läßt die Hand bineinhängen und bei jedem
Schlag fprikt es auf, und um den Kahn und um die planfdende
Hand wogt es von grünlich-gleigendem Leuchten. Engel’s ganze
Rünftlernatur fpriht fih in dem Bilde aus. Die ftille Jnnig-
feit, die Tiefe der Auffaffung, das Äußerft feine Befühl für die
landfchaftlide Stimmung. Auch in den Bildern der Heurigen
Ausftellung bethätigt er diefe Eigenfhaften: man fehe die
Schämigkeit des einen Fleinen Mädchens auf „die neue Freundin“, `
das freudige Erftrahlen der anderen und die mütterliche freund-
lichkeit der alten Dame. Man fehe Sie feine Stimmung swifden
zwei Regen auf „Wenn das Korn reift‘. Wenn Engel ein-
mal einen religiöfen Stoff malen würde, müßte er ein Werk
von tiefiter Gnnerlicfeit fohaffen, voll fiinftlerifther Religion,
die Glauben giebt und Glauben verlangt.
Eine ganz entgegengefette Yatur ift Herrmann R. C.
Hirzel. Auch er fucht in feinen landfhaftliben Radirungen
nur Stimmung. Aber wenn Engel in der Landfchaft lebt, fo
fpriht er über die Candfhaft. Er hat, nahdem er von Berlin
fortgegangen war, feine Wanderjabre in talien und Rom ver-
lebt und „le beau geste“, das Charafteriftifum aller romanifden
Runft, das ihm als franzöfifhem Schweizer, der er von Geburt
it, fo fhon im Blute ftedt, bat fic in diefer Feit des Werdens
durd) die italienifche Umgebung nod mehr bei thm entwidelt.
Er ift nie obne Pathos. Gerade diefer Charafterzug, der ibn
überall nach der Form ftreben läßt, bat ibn aber vor allem be-
fähigt, feine ornamentalen Sierleiften, Ex libris und Entwürfe
zu Schmudfahen zu fhaffen. Er zeigt eine bemundernswertbe
‚fähigkeit, aus den Formen einfacher deutfcher Wiefenblumen
Linienflug zu ziehen und eine Deforations-Wirfung voll Harmonie
und Grazie zu erzielen.
Carl Canghammer ift cin eigener Charakter. Die Motive
für feine Candfhaften bieten ibm die Befilde feiner beimifchen
Marf und, in weiter ‚ferne, die rémifthe Campagna. Hier wie
dort findet er die Einfachheit und Grdfe in Linie und Farbe,
die ftarfen Yaturafforde, die die Saiten feiner Harfe zum Mit-
tönen bringen. Er ging feiner Feit von Berlin aus nad Paris
und dann nad Rom, und namentlic) bier hat er fein Streben
nad Stil wohl zu der Stärke fonzentrirt, die fic jest oft in
feinen Arbeiten ausfpridt. Merfwürdig ift, wie er manchmal
durch pittoresfe Motive angeregt wird, Werke zu jchaffen, die
ihn als einen ganz andern erfcheinen laffen. Aus folden
„Stunden“ ftammt die „Villa Efte diefer Ausftellung.
Diefer Charakterzug macht ihn aber aud zu dem Deforateur, der
er ift, und befähigt ihn Arbeiten auszuführen, wie die Rapellen-
ausfhmüdung im vergangenen Sommer.
Deutfde Runf.
163
Buftav Meng: Trimmis, wie Hirzel ein Schweizer, ein
Graubündner, der Abftammung nad, ging von Berlin nad
Paris und war dort Jahre hindurd) Schiiler von Lefevre und
Conftant. Seine Eigenart, die ihm fhon in Paris die Ehren-
preife fiherte, ift fein Streben nadh der „bonne peinture“,
wie fie die franzöfifhe Tradition pflegt und wie fie ie franzofen
zu den Fühnften Neuerungen befähigt hat. Aus diefer Eigen-
art refultirt auc Meng’s Portraitfunft.
Mar ShHlidting ging zu den Belgiern und nad) Paris.
Die optifhen Erfheinungen des Lichts und der Atmofphäre bis
in die diffizilften Phänomene zu beobadhten und wiederzugeben,
ift fein heißes Bemühen, das ihn oft zu gewagten Erperimenten
führt. Der Sinn für die Raumvertheilung war ihm, wie Lang-
bammer, fohon vorher anerzogen urh beiðer Berliner Meifter
Eugen Bradt. Diefer Sinn hat ihn befähigt, fih in neuerer
Heit aud Ser Plafatfunft zuzumenden.
Der Bildhauer der Gruppe Martin Shauf ging gleid-
falls, naddem er in Berlin Schaper's Shiiler gewefen war,
nad Paris und fchloß fih dort Lefèbvre und Puch an.
Das Wefen feiner Runft ift Grazie; ob er nun eine dekorative
Biifte, wie unfere ,,Waffernize, eine fleine Statuette einer
modernen Dame, wie das Elfenbeinfigürden im vorigen Fabre,
oder Portraitbüften, wie feine „Vvonne*, den Dr. Cangerhaus,
den „Prinzen Albreht von Holftein und viele ‚andere fhafft,
immer ift es diefelbe Brazie, die uns fofort beitiht. Jn Paris
fiel feine „Sklavin“ im Salon auf, in Berlin bat er fron den
“großen Staatspreis eingeheimft, der ihn demnähft nah Rom
führen wird.
Don den diesmaligen Gaften heben üh namentlid frig
Burger- Münden heraus, der auf der großen Dresdener Aus-
ftellung die Portraittunft der Mündyener Sezefjion fo glänzend
vertrat, Rarl Hagemeifter, Ser ernfte Candfchafter, der feit
Jahren fern von aller Tagesftrömung feinen eigenen Weg gebt,
und Wilhelm Trübner, dejfen Eigenart dur ein militärijches
Phantafiebild vertreten ift, in dem fih Sage und Wirfichkeit
feltfam mifden.
Wenn wir der „Freien Runft* eine ganze Nummer unferes
Blattes gewidmet haben, fo gefhab es im der Abficht, aud die
Jüngeren einmal zu Worte fommen zu laffen, deren ernites
Streben, dem fenfationellen Aufpuß abhold, idh niht auf ein
Programm verpflidtet, fondern ruhig einen jener vielen Wege
einfhlägt, die ja aud wohl fhlieflih nad Rom führen.
Ausftellung bei Keller und Reiner in Berlin,
n der neuergänzten und meugeordneten Ausftellung von Reller und
- Reiner madt fih eine ftarte Bevorzugung des Auslandes, nament-
lid frantreidhs bemerfbar. Raffaeli, der geiftreihe Schilderer des
Parifer Straßen- und Dolkslebens, fann in feiner Aunft, die fih auf die An-
wendung der denkbar einfachiten Mittel befhräntt, als tlaffifd gelten. Außer
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einigen gefhmadvollen Paftellftudien (Einzelfiguren von einem Straßenkebrer,
einem ftridenden Mädchen und einer Modiftin mit Hutfhachteln) ift ein
Straßenbild zu erwähnen. Dargeftellt ift ein großer Plab, auf dem einige
Figuren in den Vordergrund fehreiten, während hinter der Fluht weißgrauer
Häufer in reihgezierter moderner Architektur das Bewühl der Broßftadt, ein,
es 7 in a y 7 —— —
Pa
ge
€, Sanghammer, Aus der Mark.
Deutfhe Run ft f
Menfhen- und Wagengewirre aus ein paar genialen Andeutungen zu er-
tennen if. Aud die großen Blumenftüde Raffaelis find bewundernswerth
wegen ihrer eigenartigen leihten Behandlung. Man tann an den einzelnen
Blüthen und Blättern die formen und Bewegungen niht bis in's Kleine ver-
folgen und doch geben dieje Stillleben einen Eindrud wieder, der von tiefem
Derftdndnif. aud des Feinten Organismus zeugt. Die Renois'fhen fofetten
Dämden mögen als Parifer Typus ganz echt erfcheinen, aber das die figuren
umfließende Farbenhaos giebt der Phantafie des Befhauers zu viel Spiel-
raum. Bei forrain dagegen zeigt fih in bewußter flüchtigfeit ein be-
deutendes Rönnen. Seine Skizze (einen Herrn im Bejellfhaftsanzuge dar-
ftellend, dem ein Rellner beim Anziehen des Ueberziebers behilflich ifti, ift
in farbe und Ausdrud ungemein lebendig. Carrière bringt eine Kohlen-
zeihnung, eine Gruppe von drei fhwakenden Frauen, die durd Rembrandt'fche
Liht- und Schattenfontrafte eine impofante Wirfung madt. Don den
modernen Gmprefjioniften, den fogenannten Lumintften, würde man gerne ein-
mal wirklihe Blanzleiftungen fehen, um ihre Theorie anzuerfennen, um die
Bildwirfung der flimmernden, brennenden Lichterfiheinungen beglaubigen zu
fönnen. Piffarro löft in einem Gemälde (ein Ader auf welhem ein Bauer
pflügt) alles Rörperhafte und alle ftofflihen Begenfäte in gleihmäßige, durd
dte ‚Feinheit der Farbe harakterifirte Tonwerthe auf, während erin einer gegen
das Licht gemalten Schafheerde mit Hirt und Hund weit mehr gefunde Natur-
anſchauung verrdth. Ein weiter Ausblid auf die offene Sec von Luce ift
in dem bellen vibrirenden Lidte gefeben. ine große weiße Wolfe fpiegelt
fh in der leicht bewegten Fluth, auf der viele Fahrzeuge in weiter ferne
dabinziehen. Die Lihtbrehungen erfcheinen, namentlid) wenn man weit 3u-
tüdtritt, fehr natürlih und das Bild giebt wirklid) etwas von der Erhabenbeit
des offenen Meeres wieder. Don A. Zorn, der feinem Charakter nah aud
3u den Frangzofen gehört, ift eine in feiner flotten fhrafjirenden Manier be
handelte Radierung ansgeftellt (eine Dame in Straßentoilette, vor einer
Draperie ftehend, richtet den Bid nad unten). Von Orazi, einem in Paris
lebenden italienifhen Künftler, bringt die Ausftellung einige Jlluftrationen,
Tufhzeihnungen zu Lorrain’s Märden, bei denen die fraftvolle Modellirung
der Akte gerühmt werden darf. Jn Rolbe begegnen wir einem eigenartigen
jungen Romantifer, defjen Talent nod nicht zur Selbftftändigkeit abgeklärt, aber
dod ftar? genug ift, für die großen Dorwürfe und die heroifhgewaltigen Fdeen
der Phantafie den Weg zu weifen. Bisweilen bewegt fic) der Rünftler in
Ertremen, in theatralifhen Uebertreibungen und Gliederverrentungen, welde
dem Dorbilde Mihel Angelo’s nicht zur Ehre gereihen wärden, bisweilen find aud
feine Röpfe zu puppenbaft ausdrudslos; aber trogalledem Laffen feine Rompofitionen
(es find leicht getufchte Federzeihnungen) eine ungewöhnlihde Begabung für
das Phantaftifche erfennen. Go in dem Bilde „Das Land unferes Sehnens*.
Am bügeligen Seegeftade blidt eine Anzahl nadter Geftalten nad einer im
Meere aufragenden pbantaftifhen Jnjel. Der Atlas ift als eine folojjale
menfhlihe Figur (wie Bödlin's Prometheus) dargeftellt, die auf einem zer-
fliifteten Höbenzuge fikt, das Haupt von Wolfen umfloffen. Das Bild „Es
fiel ein Reif in der frühlingsnadt“ zeigt im Dordergrunde ein nadtes Menfchen-
paar, das fi umarmend, in einer geraden Linie ausgeftredt liegt. Der
Londoner Rünftler Mura bereihert die Austellung mit fehr malerifden land-
fhaftliden Roblezeihnungen (Schafheerden, Architekturen, Randle zwifchen
befdneiten Feldern). Seine breite, auf große fledenwirfung zielende Be-
handlung erinnert unwillfürlih an den Hollander Mauve. Die Urt der Natur-
anfhaunng, die fid indeffen in feine Schablone formuliren läßt, ift jeden-
falls eine febr danfbare fiir die betreffenden in Duft und Dämmerung ver-
fhwimmenden Motive. Der einzige Deutfche, der dh unter all’ den Aus-
ländern Einlaß verfchaffte — abgefeben von Widmer's durh Kommentare
erläuterten Pflanzenphantafien — ift der Münchener Behrens. Seine ftilifirten
Heihnungen, ie mit fein geftimmten gobelinartigen Lofaltönen Folorirt find,
erfüllen alle Bedingungen, die man an die dierfunft ftellt. Die Darftellungen
beben fic) in grofer einfader Plafatwitfung aus der ornamentalen Umrabmung
beraus. Die formen find ftreng gegliedert und drüden das Motiv Mar
aus, anftatt wie fo häufig bei Rilifirten Zeihnungen, dem Befchauer urd
barode Uebertreibungen Rätbfel aufzugeben. Das Blatt, betitelt „Sturm“,
zeigt einen Adler, der mit halb zufammengellappten Jlügeln fih über das
Meer und einen Landftreifen mit fturmgepeitfhten Pappeln hinweg jhwingt.
Ein anderes Blatt „Schmetterlinge ift einem Oval eingefügt, defen
Umrahmung von Sclinggräfern gebildet wird. Auf den ausgebreiteten
Blättern einer Seerofe figen rechts und linfs Schmetterlinge. Jn dem Bilde:
„Sieg fhwimmt eine nadte Männergeftalt in den Meereswogen und hält eine
flammende fatel empor.
Don funftgewerbliden Gegenftinden find nod die Bläfer Ser firma
Gallé in Nancy und die feramifhen Arbeiten von Rigot in Paris zu
erwähnen. Große Erfindungen und befondere fünftlerifhe Feinbeiten find
jedoh im diefen Arbeiten mit zu entdeden, fondern nur das Beftreben,
die alten gewohnten Formen durd bizarre Einfälle zu vermeiden. Ungleid
werthvoller find die Zinnkrüge, die Dafen und Lederarbeiten Charpentier's,
fowie deffen Hod- und Sladreliefs, letztere von einer außerordentlih vor-
nehmen Wirkung. Hier it wirflid einmal etwas Pofitives vom Auslande
3u lernen.
R. Rrummader.
Die Kunftausftelung in Crefeld.
Eine vorbildlidhe Provinzial- Runftausftellung.
s ift Zeit, daß dle moderne Runft endlih aud anf das Land, in die
Proving dringt. Meberblidt man ihren bisherigen nun faft zehn.
W jährigen Siegeszug durch Deutfdland, fo fiebt man ein Springen
von Broßftadt zu Broßftadt, ein langfames aber fiheres Feftfegen in diefen,
indeß alles, was dazwifhen liegt, nod abnungslos im Winterfdlafe auf
alten Lorbeeren austubt. Raum, daß die Schlahtrufe des jtetig tobenden
Rampfes [bon bis hierher gelangt find, faum daß man fih bier [hon um
die Schlagworte Realismus und Sdealismus, JFmprefflonismus und
Symbolismus balgt, faum daß das obligate Lofalfünftlerhen fhon ängftlih
um die Zukunft feiner Eriftenz fid) forgt, und unter dem Zwange der Zeit
einige frifhere Töne unter feine Palette mifht. Hierher plöglih verfegt von
einem Iaunifhen Schidfal, glaubt man ein gänzlihes Stillfteben, ja Zurück—
geben der Feit zu bemerken, fiebt fih vor Aufgaben geftellt, die anderswo
jhon längft gelöft find, die anderswo als völlig trivial erfcheinen miiffen,
und ein Rampf gilt bier von neuem 3u entfahen, der anderswo bereits längft
durchgefämpft ift und zu vorläufig befriedigenden Nejultaten geführt bat.
Und dod muß diefer Rampf and bier gewagt und gewonnen werden!
Denn fo lange es nod bei uns foldhe Stillftandspunfte giebt, wird es bei
uns aud immer ftillftebende, erftarrte Runft geben. ‘Sie wollen ja alle ihre Runft
haben, diefe feineswegs immer armen Stadte, ibe frestengefdmiidtes Rathhans,
Portraits ihrer Ehrenbürger, Denkmäler auf den Strafen, Rathfilber 2c.; ihre
wohlhabenden Bürger müfjen durd) Runftpflege zeigen, daß fie weit über die
gewöhnliden Sorgen des Dajeins erhaben find, die weniger Bemittelten
pflegen fh wenigftens Dervielfaltigungen zu Ffaufen, und diefes ganze
summa summarum an KRunft, das garnicht fo unbetradtlid, und durch die
große Zabl folder Mittelftädte in Deutfhland ina Unermeflide fteigt, fällt,
wenn das Runftverftändniß hier überall dem Runftvermdgen nicht auf den
Ferjen folgt, nur immer der alten Runft in den Schoß und hält mit eiferner
Häbigfeit eine Kunft am Leben, die anderswo fron lange nur nod als
„biftorifh"" gilt. Da mag man denn nod fo viel fih müben, in der Großftadt
der „alten Richtung‘ den Todesftoß zu geben, fie erhebt an entlegener Stätte
immer wieder von neuem ihr Haupt und der Abnungslofe verfdwendet bier
unverdrofjen fein Geld an Dinge, die man anderswo faum mehr gefhentt
nehmen würde,
Um hier eine Aenderung hervorzurufen, giebt es nur einen Weg, Ser der
Weg zum Runftverftändniß überhaupt ift: jeben laffen und feben lebren! und
es gewinnt den Anfdein, als ob auf diefem Wege jekt eine Provingialftadt
zur führerin fih auffhwingt, bei der man bisher folde Runft- und Kultur
förderung niht gerade an erfter Stelle zu fuchen pflegte. Crefeld, die
Sammet- und Seidenftadt, die Stadt des rafchen jähen
Emporfommens, bat jeßt ein neues, ftattlihes Mufeum
befommen, das unter der zielbewußten Leitung feines
von Hamburger Kunfttendenzen erfüllten Direktors
Sriedr. Denefen ein richtiges „AReformmufeum“ zu
werden verfpridt und nun zur Zeit mit einer großen,
völlig modernen Runftausftellung fein Debut wirfunge-
voll vollzogen bat. Es lag bier freilih ein gut
beaderter Boden fhon vor. Das Lebenselement diefer
Stadt, "die Tertilinduftrie, it ja an fid ſchon Runft
und batte aud bereits eine reihe und fhöne Gewebe-
fammlung veranlaßt, die für die bisherigen Zwecke
ausgereiht hatte. Dor allem aber erwarb fih fo
Herr Crous durd unermüdlihes Sammeln das Ver-
dient, den Grundftod zu einem allgemeinen Runft-
mufeum zu legen und überhaupt das Runftintereffe
über die gejhäftlihe Spezialität binauszuheben.
Sein Name wird mit der erften Phafe der Fünft-
lerifhen Entwidelung Trefelds unzertrennlid verfnüpft
bleiben.
Die zweite Phafe beginnt mit diefer Runftaus-
ftellung. „Wie fommt Trefeld zu allen diefen Sachen?“
mit diefen Worten gab der befannte Runfitritifer der
Kölnifhen Zeitung feinem Erftaunen Ausdrud, gls er
diefe Ausftellung Surchwanderte und das Fleine Crefeld
mit feinem größeren Köln verglid, und wirklich, diefe
stage drängt fih jedem zuerft auf und muß fo
mit der Heit trivial werden. Denn es ift etwas erreicht,
was zum Theil nod nidt einmal alle Broßftädte er-
teidt haben, bier in der Provingialftadt ift etwas fhon
in die Praris getreten, was für Provinzialftädte noch
nit einmal in der Theorie verlangt worden war:
eine Ausftellung, die wirflid Qualität hat, eine Aus-
ftellung, die die Runft aller Völker zufammenfhaart,
eine Ausftellung, die alle Zweige der Runft, aud das
„Kunftgewerbe" in fid) vereinigt, jehließlic eine Aug-
ftellung in gefhmadvollee Aufftattung. Es ift biec
alles modern, alles, wie es die gefteigerten Anjprüdhe
moderner Runftgewöhnung verlangen. Man nähere fi
der Ansftellung und das Plakat des Hamburger Riinft-
lers Mobrbutter in [hwarz, blau, gelb und grün mit
dem ftolzen, weithin leuchtenden Worte „Crefeld" blidt
einem entgegen, man trete ein und nehme den Ratalog
zur Hand: da finden fih auf dem Titel von dem Dänen
Hendtriffen in Hol3 gefdnitten, von Edmann'fdher Hand
entworfen die Gnitialen de3 Raifer Wilhelm-Muſeums,
finnvoll von den blauen Lieblingsblumen des alten
Raifers umwunden und hinten im Anhang eine ganze
Reihe Wiedergaben von ausgeftellten Werken, aber
von einem der bedeutendften Amateure Deutfchlands,
dem Crefelder Otto Sharf. Und die Ausftellung
jelber? Da bliden von den Wänden herab und aus
den Schränken heraus franzofen, Dünen, Belgier,
Holländer, Schotten, Engländer, Ftaliener und Ameri-
faner, dazwijchen Mündener, Karlsruher, Dresdener,
Berliner, Worpsweder, Hamburger 2c. Man fiebt
Bronzen — Meunier — und andere plaftifhe Werke,
Aquarelle — Menzel —, vervielfältigte Aunft —
Thoma — und jließlid dekorative Runft; diefe in
einer Reichbaltigfeit, wie fie bisher, Dresden allein
ausgenommen, in Deutfchland überhaupt noch nicht
vertreten war: die modernen Blasfenfter des Ham-
burger Engelbredt, die gejhliffenen und geäßten
Dentfhe Runft.
165
Gläſer Gallé's, die iriflerenden Tiffany's, ein Scherrebeder Teppih von Bans
Thoma, und dann die Keramik!
Die feramifhe Abtheilung hebt diefe Trefelder Ausftellung überhaupt
über ihre lofale Bedeutung heraus. Eine folhe internationale Revue über
die moderne Reramif hat es bisher in Deutfhland überhaupt nod nicht ger
geben. An zwanzig Ausfteller haben fi bier zufammengefunden, von den
Sapanern, den Stammpätern diefer ganzen nenen jvmpatbifhen Kunft an,
Nar Schlihting, Sommeraben?d,
166
Deutſche Runft.
über die Franzofen bis 3u den jiingften Giingern derfelben in Deutfhland
und im Auslande. Alle umfdlingt das Band gemeinfamen formen- und
‚Farbenempfindens und läßt den Befhauer ahnen, dah wir dso fon wieder
fo etwas wie einen „Stil" haben. Seltfam nehmen fih hier zwifhen diefen
äußerlih verhältnigmäßig einfahen Objekten die fo prunkvollen Erzeugnifie
der Fönigl. Porzellanmanufaktur in Berlin aus, die etwas verfdlafen aus-
feben. Daß man Pöniglih und dod) 3ugleid’ modern fein fann, das
beweift dodh genugfam bier die Fönigl. Porzellanmanufattur Ropenhagen,
deren Erzengniffe ja allerdings aud) durdans ariftofratifdhen Charakter, aber
doch zugleih aud wirflihe Qualität zeigen.
Mit einem Schlage vermag hier Crefeld zu feben, worauf es in der
modernen Dekoration anfommt, und fann daraus den YMugen fiir die eigene
Spezialität ziehen. Den Horizont zu erweitern, zu ahnen, was anderswo in
der Runft los ift, muß überhaupt eine der Hauptaufgaben Crefelds werden,
wenn es feine Mifjion, für die übrigen Provinzialftädtt auf dem Gebiete
der Runft Vorbild zu werden, glüdlih zu Ende führen will.
Man bat jetzt Gelegenheit, fidh felber den Staar zu ftehen, wenn
man die berben Bilder eines Liebermann, die tief innerlihen eines Ubde,
die gemüthvollen Thoma's, die ftarfen Naturdichtungen der Worpsweder, die
naturfrifhen der Hamburger, die Farbenpoefien Mobrbutter's, die kraftvollen
Ralfrenth’s, die routinirt fiheren der Franzofen, die mufitalifh geftimmten
der Schotten, das Poloriftifh wie zeihnerifh gleih verblüffende Porträt des
Dänen Spberg betrachtet. Und es fceint, als wenn Krefeld wirflih Augen
bat, um zu feben. Die Antäufe, oder was mehr fagen will, die Bejhente '
für's Mufeum bewegen fih durhaus im moderner Richtung, fo daß zu
boffen ftept, daß aud die Privaten diefem Beifpiel folgen werden.
Es ift erfreulich, daß man mit diefem Eindrude aus diefer Ausftellung
fheiðen tann. Die Liebesmühe zu gunften der modernen Aunft feheint für
Crefeld feine vergebliche gewefen zu fein. Nun mdge and das Dorbildlice
diefer Ausftellung feine Früchte tragen! Dor allem in gewiffen Nadbar-
fädten! ,,Wie fommt Crefeld zu allen diefen Sachen!2 das möge man
fih immer und immer wieder dort fragen und, wenn man die Antwort ge-
funden þat, dann handle man danad! Die Runft decentralifiren, beift fie
materiell und ideell fördern. €. 3-
Hamburger Kunftbrief.
as Runftleben Hamburgs hat feit einem Jahrzehnt durd die Be-
ftrebungen von Mannern wie J. Brindmann und A. Lidt-
warf einen madtigen Auffhwung genommen. Die Aunfthalle wie
das Runftgewerbemufenm wadfen fih immer mehr zu Sammlungen erjten
Ranges heraus, Runft- und Riinftlervereine ftellen fic) in den Dienft modernen
Schaffens, das fie nad allen Richtungen bin zu fördern fuchen. Dabei
tragen diefe Beftrebungen einen gefunden, den lofalen DVerbältnifien ent-
fpredenden Charalter. Brindmann gebt mit gewohnter Energie den Spuren
der älteren Erzeugnifje der Runfttifhlerei und der Reramif Hamburgs und
feines Hinterlandes nad, Lihtwarf intereffirt ih für Fünftlerifhe Pädagogif
und unterftügt de lofale Aünftlerfhaft mit Rath und That. Die Hamburger
Rünftler fehließen ih zu einem lofalen Ausftellerverbande zufammen, und der
Runftverein wird ihnen vorausfihtlih die möthigen Räume und fomit die
Gelegenheit zum Dertriebe zu bieten in der Lage fein. Ein erfter Derfuch,
aud in der Reihehauptftadt durch eine Ausftellung bei Burlitt Boden zu
gewinnen, ftieß auf einen gewiffen Widerftand von Seiten der Tageskritik, die
mit der ihr eigenen Weisheit fhon das Epigonenthum der „Moderne“ ent-
dedt zu baben glaubt, gab aber immerhin Gelegenheit zur Befanntfhaft mit
Mar Pietfhmaun, Träumerei,
TEE r — — = — ron
Deutfde Runf.
einigen interejjanten Hamburger Rünftlertypen, die uns die landjchaftlide
Poefie der Umgebung der Hanfeftadt zuganglid maden.
Der Runftverein bat fi inzwifhen entfhloffen, ftatt der großen früh-
jabrfhan moderner Bilder eine Spezial-Ausftellung Hamburger und Altonaer
Rünftler in Verbindung mit einer Rolleftion von Gemälden aus Hamburger
Privatbefig in den Räumen der Runfthalle zu veranftalten. Man wird auf
diefe Weife einen Gefammteindrud gewinnen von dent Aunftintereffe, wie es
fih feit Jahrzehnten in der Hanfeftadt fryftallifiert bat. Man wird aud die
Leiftungen der modernen Hamburger in diefer intereffanten Vereinigung, zum
Beifpiel an den Maffifhen Meiftern der franzöfifhen Glanzepode, meffen und
fie günftiger beurtheilen fénnen, als es bisher der fall war.
Zur Feit nehmen die Rolleftivausftellungen von drei auswärtigen
Riinftlern das allgemeine ntereffe in Unfprud. Es find die Werke der
Maler Hammader, Frenzel und Bradt, welhe je einen Gaal der
Runfthandlung Bot & Sohn füllen. Hammacher darf fih überall einer
vornehmen und einheitlihen Wirkung rühmen. Seine 16 größeren und Meineren
Bilder find fat fämmtlih Seeftüde, nicht jene Marinen, bei denen gewiffe
Liebhaber eine detaillirte, auf nautifhen Kenntniffen beruhende Schilderung des
ganzen Schiffsorganismus zu fehen wünfchen, fondern ftark Foloriftiih em-
pfundene Yatureindrüde. Der Rünftler ift ein feiner Beobachter der taufend-
fältigen Ylaturfpiele, wie fie das Meer und vorzugsweife das transparente
Mittelmeer herporzaubert, er verfteht die Augenblidserfheinungen zu erfaffen
und aus der jedesmaligen Stimmung mit fouveräner Unterordnung alles
Nebenfählihen das Seelifh-gewaltige berauszugreifen. Gerade die Meifter-
[haft des freien Dortrags läßt KHammader mit Benugthuung auf den langen
Weg ebrlihen, peinlihen Studiums zurüdbliden, auf dem er in früherer Zeit
nod etwas temperamentlos und fahlih nüchtern erfhien. Jn feinem Bilde
Brandung an der Riviera ift eine bleibe Morgenftimmung gefdildert.
Dom Strande blidt man auf eine hod) emporfteigende Woge mit wirbelndem, 3er-
ftdubenden Gifht. Dahinter glättet idh die tiefblaue Fluth in dem metallifhen
Abglanz eines fhmalen Lidtftreifs am Himmel, der das Nahen des Tages
verkündet. Noch intenfiver und Iyrifher ift in dem Bemälde Es graut der
Tag’ die Tageszeit, die Stunde zwifhen Waden und Träumen gegeben.
Aus dem jehrttenlofen Dämmerfhein löfen fih faft gefpenftife die Umriffe
der Barfen mit ihren großen Segeln, während die Ferne von einigen röth-
liden Lidtern der Hafenhäufer matt erhellt wird. Auf einem anderen Bilde
liegt die fmaragdblaue Fluth, die von fröhlih dahinfhießenden Booten be-
lebt wird, in vollem Gonnenlidte des Mittags. Nicht minder glüdlih ift
eine Abendftimmung am Hafen von fiume wiedergegeben. Eine düftere,
fhwere Abendwolfe zieht an dem goldig-flammenden Himmel vorüber, die
ferne büllt fid) in einen weiden, grellen Duft, und ein alter Dampfer,
an deffen Rumpf ih eine grüne Patina angefekt hat, ftrebt langfam nad
dem Dordergrund. Don weiteren Arbeiten des Riinftlers feien nod) hervor-
gehoben: „Die Brandung bei finalmorina’’ und „An den Feraglioni™.
ferner nod zwei Bilder aus dem Norden, der „Waflerfall auf Finnland"
und das Bemälde „Die Hafeneinfabrt in Bornholm".
167
Ostar frenzel’s Thierbilder zeihnen fih weniger durch Poloriftifde
Feinheiten als durch Fraftvolle Charakterifirung und gute Zeihnung aus. Die
Darftellungen des Riinftlers, fei es friedlih grafendes Weidevieh, ein im
Bache watender Stier oder eine gefattigte Heerde, die fid) im Schatten hoher
Baume lagert, erfheint immer echt und glaubwürdig. Was ihm nicht über-
all gelungen, das Derfhmelzen von Landfhaft und Staffage, ift in feinem
„Paftorale" vielleiht durd ein bingutretendes beroifdes Moment erreicht:
Am Ufer eines Weibers, auf dem eine mädtige Baumgruppe einen breiten
Schatten wirft, fteht eine Frau, während ringsumber im faftigen Wiefengrün
eine weitverftrente Heerde liegt.
Eugen Bradt, der nie fo gut und fo vielfeitig in Hamburger Aus-
ftellungen vertreten war, bat fiir feine gejunde Naturanfhauung ftets einen
feinen, wenn aud nicht gewaltigen Ausdrud gefunden. Seiner Befhmads-
rihtung nah nähert er fih der früheren romantifden Schule, die in der
Schilderung des Erotifhen, bauptfählih des Orients, ihr deal fuht. Und
gerade die mit romantifhen Motive, wie der „Blid über das todte Meer,
das Geftade der Dergeffenheit, „Der Regenbogen‘, „Das Hünengrab“,
„Die Gnfel, muthen als die fubjeftiven Aeußerungen feines Ylaturells unfer
heutiges Empfinden mehr an, als die mehr realiftifhen Darftellungen aus
der Alpenwelt (Stifflerjoh und Matterjodh). Diefe vermögen uns in ihren
Meinen Proportionen feinen Begriff zu geben von der Erhabenheit und Bröße
der Regionen ewigen Schnees, jene dagegen tragen den überhöhenden
ftilifirenden Gedanfen des Rünftlers in fid.
Auch aus dem Bebiete des Runftgewerbes war in legter Feit eine inter-
effante Ausftellung und zwar im Mufeum für Runft und Gewerbe zufammen-
gefommen, welde von dem Kunftfleiß früherer Jahrhunderte, wie er fh
unter den Bauern Schleswigs lange fortgepflanzt bat, beredtes Zeugniß ab-
legt. Es waren Webereien aus dem 17. und 18. Jahrhundert, vielleicht aud
einige nad der Ueberlieferung getreu angefertigte Ropien aus dem Anfang
diefes Jahrhunderts. Die einfarbige Zeihnung diefer fogenannten Beiderwand-
Stoffe zeigt im Allgemeinen große jvmmetrifh geordnete Tiillmufter ohne die
gewohnte Gliederung durh Sproffenwerf. Da ift alles fein ordentlich
aneinandergereibt, wie es die Cednif des Webftubls bedingt und erleichtert:
Dögel, Einhörner, Doppeladler, von Blumenfträußen und Dafen umgeben und
getrennt. Seltener find die figürlihen Darftellungen: Allegorien der Welt-
theile wedfeln mit biblifhen Motiven ab. Ja, eine Fran, die ih neben
einem todt am Brunnenrand bingeftredten Mann in das Schwert ftürzt, ver-
bildlicht offenbar die fpätlafifshe Mythe von Pyramus und Thisbe. Aud
hier zeigt fih in der Stoffwahl eine merkwürdige Verwandtjhaft mit den
derfelben Zeit entftammenden Hamburger und Dierländer Oefen, deren Maler
ebenfalls Legende und Mythe, Allegorie und volfsthiimlide Darftellung felt-
fam 3u mifen liebten.
Die Tendenz all’ diefer Beftrebungen richtet fih offenbar auf die
‚Förderung einer gefunden lokalen Runftentwidelung, wie fie gerade bei uns
im Gegenfak zu der nivellitenden Mobdemalerei nah äußerlih nahgeahmten
augländifhen Muftern mit befonderer Freude zu begrüßen ift.
Der Künftler-Weftflub bei Schulte. :
hat ih diefen Künftlern in allen Formen offenbart und ift von den meiften
ir tragen nidt überall Uniformen. Die moderne Malerei zählt
fider immer nod zu den freien Rünften. Es wird nach allen
d Ridtungen flott epigonifirt, tiibnlid) Venues angeftrebt. Selbft
innerhalb der Maler-Vereinigungen, an denen gerade Berlin augenblidlid fo
teih ift, fheint jeder Eigenart voller Spielraum gegeben. Einen Beweis für
diefen Liberalismus liefert die Angftellung des Berliner Rünftler - Wefttlubs
im Oberlihtfaal der Schulte'fhen Räume. Eine Gefellfhaft von ungefähr
18 Herren ftellt fih mit ca. 40 Neufhöpfungen dem Publifum vor.
Wir feben viel Tiidhtiges und mandhes Mittelgut. Ueberwiegend ift das
Landfdhaftebild gepflegt; aber aud Portraits, Genrefzenen und Pbantafie-
gemälde legen non der Dielfeitigfeit der Dereinigung Feugnif ab. Die Natur
duch ein Temperament erfaßt worden. Normann und ‚Feldmann erfchauten
fie als Stimmungsmenfhen, Hendtih als Träumer, Frenzel und Dettmann
als Realiften. ,
Normann's tiefblaues, lebensvolles Nadhtftüd, „ein Motiv von Walders*,
zeigt einen fehnellfließenden Bergbad, der an den Tannenbeftänden des Ufers
vorbei feinen elligen Lauf nimmt. Sein „Herbftabend an den Lofoten giebt
pradtig die nmordländifhe, Suchfihtige Lidtitimmung, aus deren blauem
Dunkel fic) die Infelhäufer mit ihren erhellten Fenfterfheiben klar abheben.
Während W. feldmann's „Sintende Naht im Moor poefievoll das lette
Sonnenverglüben im Sumpfbereich erfaßte, ift feine ,, feldcinfamfeit" reizlos in
168
der Stimmung und grob in der Made. Dettmann's „Wailerrofen im Moor
find ein tiidtiges Naturftüd voll eingehendftem Studium. -Befonders die
linfe Seite des Bildes mit den fpielenden, fonnenbeleudteten Bauernfindern
it meifterhaft gemalt. Die fonderbare Rontraftirung des fhwarzen Bodens,
aus deffen Wafjerner die jehneeigen Blüthen bervorträumen, wirft feltfam
feffelnd. Selbft ein Stic nod Sadmmerumfangener Yaturpoefie feinen die
ländlichen Kleinen, die fo abnungslos granfam den holden Schmud ihrer
Sumpfbeimath zerftören. Utb partin feiner Oelflizze ,,Silberbirfen in Mond-
licht" ganz fürdhterlih, aber erreiht doc einen merfwürdig fascinirenden
‚Farbeneffeft des grün-
liden Mondlidts. Seine
„Heimkehr in der Dämme-
tung" ift ein ftimmungs-
volles Bild aus dem
holländifhen Dorfleben.
Die fFeudtigteit der Ra-
nalwelt mit dem biib-
[hen farbenmoment der
tiefrothen Dächer in der
blduliden Yacht wirkt
mit befonders feffelndem
Reiz. Auh desfelben
Riinftlers fleine Studien
verfchiederer holländi »
fher Typen find zuweilen
voller Charakteriflif.
JSrenzel's Magnet in
der Natur ift das Weide-
land mit feinen verfihiede-
nen Diebftaffagen. Seine
„ARühbe im Torfmoor'
durdhwaten eine furt, die
das Blau des Himmels
wiederfpiegelt, während
ein Sonnenfdhimmern wie
mit verhaltener freudig-
feit die feuchte Weide links
durdbellt. Yliht auf glei-
cher Höhe ftehen feine ande-
ten Bilder. Noh ift ein
weiter Schritt von diejem
immerhin tüdhtigen Rünft-
ler zu den niederländifchen
Meiftern. frand's
„Rornfeld'* mit feinen
à la Thoma ftilifirten
Rundwolfen und Pappeln
entbebrt nidt eines ge-
wiffen lebendigen Reizes.
In einem tüchtigen „Ha-
velbild und mehreren
effeftvollen Radirungen
beweift er bei ftar? im-
preflioniftifhen Neigun-
gen fleifiges Studium.
Hendrid ift der ge
wohnte träumerifche Cha-
tafterfopf des Rünftler-
Weftflubs. Wir folgen gern der Göthe'fhen Marime, bei allen Guten zu
den zufriedenen Bäften zu zählen, find fogar bei den vielen Spenden für
die der Poetenfeele befonders dankbar.
on zwei Aquarellen beweift Hendrid) feine malerifhe Auffaffung
der Natur. And das Stimmungsfluidum feines in bläulihen Tönen ge-
baltenen O©elbildes „An die Nacht, auf welder zwei geradeaufftrömende
Raudfäulen eines Opferaltars gen Himmel fteigen, bannt uns wie in
poetifher Hypnofe. Aebnlid und doch mit einem Stic in's Mondaine wirft
Hausmann's „am Meer". Gein fehnfuchtsvolles Weib am Strande läft
uns im Zweifel ob ein folden-, ein Gudrunmotiv anflingen foll. Jn dem
gleihen Sujet ift Herrmann Rod einmal erfolgreicher geween. Meyn hat in
feinem Damenportrait eines fchlanfen, eleganten Mädchens in weifem Atlas-
Deutfde Runft.
©., Ñ. Engel, Die neue Freundin,
Fleide eine in der Behandlung des Stoffliden, wie in dem fprehenden Aus-
drud der merfwiirdigen, fornblauen Träumer- und Schelmenaugen gleid
tüchtige, haralteriftifhe Leitung geliefert. Ebenjo gediegen ijt Fedner in
feinem Paftell ,, Mutter und Rind“. Hier ift befonders die Ausführung der
Köpfe vorzüglid. Das Rindden in feinem leidenden, traurigen Ausdrud er-
innert an ein Gabriel Mar'fhes franfes Rind. Eine der gelungenften Arbeiten
Höniger's ift feine „Parifer Bücherverfäufer". Während das Landfchaftsbild
Ser Seine in feiner faden Behandlung faum erfenntlid ift, find dem Maler
eine Reihe lebensvoller, echt Parifer Geftalten trefflih gelungen. Die Sonnen-
flede, die durch das Laub
der Quaibäume fallen,
erhöhen die Belebtheit
der Gruppen. Diftingirt,
nur ein wenig flau in
Farbe und Pinfelführung
wirft ein lebensgroßes
Damenportrait desfelben
Riinftlers.
Während die Aus-
fiellung des Rünftler-
Weftflubs in feiner Diel-
feitigfeit unfer volles Gn-
terefje in Unfprud nimmt,
it auh in den übrigen
Räumen eine fehenswertbe
Ausftellung bereitet. Wir
f
Y
RI
begegnen einer Reihe
gefdagter -Yamen wie
Shleidh, Lutteroth,
der ih im einer großen
Anzahl Landfcaft-Aqua-
relle und Oelbilder als
liebevoller, feinfinniger,
wenn auh zuweilen et-
was fonventioneller
Riinftler zeigt. Hen-
geler ergögt durch feinen
gtillenbaften Humor
und verftebt, trok einer
gewiſſen Verwandtſchaft
mit dem föftlihen Spit-
weg, dod deffen Pinfel=
delifatefje mit zu er-
reihen. Als ein befon-
ders fauberer und ele-
ganter Portraitfünftler
fellt ih Schulte im
Hofe vor. Cine
Reihe Marumtijjener, fei-
ner, mit fnappften Linien
gegebener Rinder- und
Frauenfdpfe zeigen ihn
als Meifter der Technik
und des Ausdruds. Be-
fonders gelingen ibm die
Glattgefheitelten, delifat
profilirten fFrauenfdpfe.
Eine große Anzahl zum
Theil febr gut charakterifirter Oel- und Paftellbruftbilder hat Otto v.
Rrummbaar ausgeftellt. Gottfried Hofer, der fiderlidy Tiichtiges fann,
it mit zwei feiner lebenegroßen Portraits wenig glüdlid. Sowohl
der Brahms ,,Todeslied fingende Herr zur Mühlen, dejlen modischer
Erfcheinung eber ein „Lebenslied* anftände, als die in der Haltung ziemlid
verunglüdte junge Frau vermögen zu befriedigen. Am gelungenften erfdeint
des Malers Portrait des Profejlor Beder. Hier Elingt die düftere Bluth des
Hintergrundes mit dem ernften Antlig des Rünftlers und feinem Mufifmotiv
zu harmonifhen Akford zufammen. Don befonderem Gntereffe find ferner
eine große Reihe Willy Hammader'jher Meeresftüde. Hier fcheint ein Schüler
Salzmann's den vollen, dämonifhen Zauber der blaugrünen Wogenwelt
begriffen und in padenden Momenten feftgebalten zu haben, Jarno Geffen,
— — — zes —
Deutſche Runft
Die Ausftellung der Schleswig-Holfteinifchen Kunftgenofjenfchaft.
ie Gründung der Schleswig - Holfteinifhen Runftgenofjenfhaft, deren
dauernder Sik nad Riel verlegt wurde, fand im Jahre 1894 ftatt.
A Aus dem Gefühl der Zufanımengebörigfeit in gemeinfamem Streben
hervorgegangen, fudte die Dereinigung der einheimifhen Rünftler fih durch
gegenfeitige Anregung und gemeinjames Vorgehen zu unterjtügen, insbefondere
aber nah außen bin durh die Derbindung mit dem zugehörigen, ftamm-
verwandten Volle eine praftifhe Grundlage für ihre Aunftpflege zu fhaffen.
Die erften Jabresausftellungen waren von gutem Erfolge begleitet und be-
zeihneten das Gelingen
des Unternebmens. 1894
waren 54 Ausfteller ver-
treten, in der Aquarell-
ausftellung von 1895
batten fih 47 Riinftler mit
145 Werfen eingefunden.
1896 bildete die Landes-
funftausftellung einen Theil
der Provinzial- Gewerbe-
und Kunftausftellung und
die vor furzem gefdloffene
Jabresausftellung in Riel
wurde von 60 Riinftlern
befdict.
Sm Anfhluß an die
Kieler Ausftellung befchloß
die Benofjenfhaft in meh-
teren Städten der Provinz,
fo in Schleswig, flens-
burg, GReboe Wanderaus-
ftellungen zu veranftalten,
um für die Darftellungen
beimathliher Aunft das
pnterejje einer Bevölkerung
wad zu rufen, die vielleicht
noch in höherem Mape ihre
provinzielle Eigenart be-
wabrt bat.
Gn Schleswig, wo
Behörde und Bürgerjihaft
dem Unternehmen fon
vorher das bereitwilligfte
Entgegenfommen bewiefen,
geftaltete h am 15. Ja-
nuar die Eröffnung der
erten Wanderausftellung
der Schleswig - Holfteini-
fhen Runftgenoffenfchaft
im Rathbansfaale zu einer
offiziellen feier, der etwa
150 Perfonen, Vertreter der Regierung 2c. beiwobhnten. Nadh einer kurzen
Begrüßung des Malers Hans Olde hielt Herr Profefjor Matthaei, Do-
zent der Aunftgefhichte an der Kieler Univerjität, im Namen des Schleswig.
Holfteinifhen Runftvereins eine WAnfprade, deren Inhalt für die Hebung
nationaler Runftpflege bedeutjam ift.
„Die Ausftellung ift zwar fein, aber wir legen ihr die größte Be-
deutung bei. Wir find der Ueberzeugung, dah die bildende Runjt ein
lebendigerer Faktor im Dolfsleben fein muğ, «ls bisher, und ferner, daß
eine bildende Runft fih nur dann gedeihlih entwideln fann, wenn fie aus
dem eigenen Dolfsthum hervorwadft. — Wie wir es bedanert haben, daß
die KAünftler Deutjhlands Jahrzehnte lang nad auswärts zogen, um dort
Selbftftandigfeit und Eigenart zu verlieren, jo bedauern wir es, dağ wer in
Schleswig - Bolftein Begabung für die Runft bejaß und befigt, hinaus muß,
um meit draußen zu bleiben, feine Eigenart zu verlieren. Wir find der
Ueberzeugung, daß nur aus der intimften Renntnif und der warmen Liebe
zur Heimath jener echte Runftdrang entjprießt, der dann aud die Herzen
anderer mit fortreißt. Wer, der die Werke des Shleswigers Asm. Carftens
Frit Burger, Damenbildnif.
fennt und vielleicht auch fhätt, hat je dae Bediirfnif gebabt, fih nad feiner
Heimath umzufehen! Larftens Heimath hätte eher Briehenland fein können.
So wird auh der Schleswig-Holfteinifhe Aunftjünger, wenn er binaus muß,
nah Münden, Berlin, Düffeldorf, Stuttgart, Dresden leiht auf der Afademie
nivellirt, feiner Eigenart beraubt, und wird fhließlih draußen bleiben, feine
Heimath vergefjend.
Wir wifjen wohl, daß das im gewiffen Grade immer fo bleiben wird,
daß fih das größere Talent immer größeren Wirkungskreis jucht, aber nicht
von vornherein. Ein
Raffael ift ja and nad
lorenz und Rom gezogen,
ohne zu verlieren. Aber
er ift doch hervorgegangen
aus der umbrifhen Schule
feiner Heimath und er hat
zeitlebens den Umbrier
niht ausgezogen und das
befte an feinen Werten ift
immer nod feine umbrifche
Gemiithswarme feiner
milden Heimath. Dürer ift
immer der Nürnberger,
Rembrandt der Lepdener,
Ludwig Ridtec der gemiith-
lihe Sadfe, M. von
Shwind der fangesfrobe
Wiener. Weil fie Gelegen-
heit batten, fih in der
Heimathb zu bilden, weil
ihre Wurzeln Rraft fogen
aus dem eigenen Dolfs-
thum, deshalb find fie
groß, allen verftändlic,
allen lieb geworden.
Das mödten wir aud
unferen fdleswig - holftel-
nifhen Rünftlern wünſchen.
Sie felbft haben fhon Luft
dazu und find bereit, da-
für Opfer zu bringen.
Dazu gehört aber Unter-
ftiigung von Seiten der
Bevölferung, und and von
Seiten der Behörden, we-
nigftens im Anfange.
Wenn man die Mittel
febafft, um ein Atelier zu
gründen, in dem Scles-
wig-Holfteiner bei Schles-
wig - Holfteinern lernen fönnen, wenn die Bevölkerung dem Gntereffe entgegen=
bringt, dann fommen wir dem Jiele näher.
Diefes Jnterejje zu erregen, ift der Runftverein da. Er it fih aber
längft Mar, daß er faum Opfer erwarten darf, wenn er draußen im Lande
nie etwas zeigt. Nun ift uns dte Aunftgenofjenfhaft vorangegangen und fie
bat mit diefer Ausftellung den Anfang gemadt.
So tihten wir denn an die Schleswiger Behörden und Bürgerfhaft die
Bitte, mit wohlwollendem Auge diefe Meine Ausftellung zu betrachten, die
Riinftler unter Berüdfihtigung der angegebenen Gefidtspuntte zu unterftügen,
am beften durd) Bildung eines lofalen Runftvereins, und diefe Austellung
mit einem Rundgang zu eröffnen.‘
Den bedeutfamen Worten Matthaeis können wir nur die weitefte Der-
breitung wünfdhen. Es ift ein erfreulihes Zeihen der Zeit, daß man an
verfdiedenen Orten anfängt, die Runftübung auf den lokalen Boden zu be-
jhränfen und man darf hoffen, daß ein ähnlihes gemeinfames Vorgehen
überall den günftigen Boden finden möge, wie in Schleswig -Holftein.
Daß die Benoffenfhaft fhon jegt im vollen Bewußtfein ihrer Aufgabe
170
deren Löfung näher getreten ift, zeigt die
Ausftellung in Schleswig, an der fih
50 meift jüngere Riinftler und Riinftle-
rinnen betheiligt haben. Der Gefammt-
eindrud. ift ein erfreuliher und zeugt
von: einer gefunden Naturanſchauung,
die auf der Brundlage tehnifhen Rönnens
ftebt und fih auf der Höhe felbftändiger
Entwidelung befindet.
Um einige der wirkfamften Exfchei-
nungen anzufübren, feien „die Flads-
bederei'' von Rallmorgen, Stord's
ftimmungsvolles „Es wird Abend“, ferner
das Dettmann'fhe Triptyhon „die
Arbeit und Weftphalen’s „ValeSenex
imperator" genannt. Hans Olde ift mit
einem in Sonnengluth getaudten Sdhnitter-
bild und einem Thierftüd vertreten, Geffen
bringt zarte Gnterieurs, Albert inter-
effante Halligbilder. Die Marinemalerei
it begreifliderweife ftar? ausgebentet
worden, als die beften Vertreter bemerkt
man die Riinftler Peterfen-München,
5. Peterfen-Angeln, frig Stolten-
berg, Burmefter, Lindemannr
frommel. Endlih fei noh auf die
zahlreihe Sammlung guter Aquarelle
und auf die Reliefs, Büften und Thon-
gefäße von frl. A. Peterfen bin-
gewiefen.
Innerhalb der lofalen Runftintereffen hat dh hier eine Entwidelung
vollzogen, die allen den Forderungen entfpricht, die wir feit dem Beftehen der
„Deutfhen Runft“ vertreten haben. Riinftlerfchaft, Runftforfdher, Runftvereine
und Behörden haben fih in dem Streben vereinigt, beimifhes Schaffen zu
Martin Sdhauf, Wafferblume.
|
Deutfde Runft.
fördern und ihm feinen natürlihen Näbhr-
boden zu fihern. Auch fonft beginnt es
fih aller Orten nad derfelben Richtung
hin zu regen. Gn Weimar hat fi ein Aug»
ftellerverband Thüringifher Rünftler ge-
bildet, der es werfuden will, Innerhalb
des fähfifchethüringifhen Landes das
Runftintereffe zu pflegen und neue Ab-
faßgebiete zu gewinnen. Ueber ähnliche
Unternehmungen in Hamburg berichten
wir in. eben diefer Nummer. Aud die
Fleineren durd fein Programm verpflid-
teten Riinftlergruppen in den großen Cen=
tren bilden Glieder in derfelben Kette,
deren Zufammenfhluß füh früher oder
fpäter vollziehen muß. Hat fid die
Lebensfabigheit diefer lofalen Gntereffenten-
gruppen erft einmal erwiefen, fo wird
es ein Leichtes fein, Rartelle abzufchließen,
wo die einheimifhen Kräfte nicht aus-
reihen, fih gegenfeitig zu unterftügen
und jo über ganz Deutjdhland ein Ylek
fünftlerifher Beftrebungen zu ziehen. Die
bier zunähft eintretende Dezentralifation
bedeutet feine Gefahr in Bezug auf ôte
Höhe der Leiftungen. Deutfchlands künft-
lerifhes und literarifhes Heil bat von
jeber in der geiftigen Rleinftaateret ge-
legen, die mit der politifden nidts ge-
mein bat. Lofale Eigenart gewinnt je
nad ihrer Stärke von felbft nationale, und in weiterer Entwidelung inter-
nationale Bedeutung. Unter allen Umftänden aber ift fie ein fiderer Schuß
gegen das Jmportiren ausländifhen Modegefhmads, dem jede Verbindung
mit dem einheimifhen Empfinden fehlt.
Kunftliteratur und Kunftreproduftion. 5
Beorg Treu: Conftantin Meunier. (Verlag von Emil Richter, Dresden.)
Preis 5 Mare.
Wenn man hoffen darf, dağ die Wertbfhätrung Meunier's in Deutfhland
nidt bei der Augenblitsbegeifterung vorübergehender Ausftellungen fteben
bleibt, fo verdient ein nen erfchienenes Werfden die allgemeine Beadtung
und Anerkennung, das gerade aus diefem Enthufiasmus berausgewadfen
dem Wunfche gerecht ‚wird, die Runft Meunier's in gut gewählten Beifpielen
dem Derftändniß aller Aunftfreunde zu übermitteln und zu dauerndem Benuffe zu-
gänglid zu maden.
Das Bud: Con-
ftantin Meunier
von Georg Cren,
im Derlage der
Runfthandlung von
Emil Ridter,
Dresden, enthalt
35 Tafeln, 3 Tert-
bilder, als Titel-
bild das Porträt des
Riinftlers. Gm An-
fhluğ an feine hier
vorgeführten Werke
giebt Ser Derfaffer,
Profeffor Dr. Treu
(der Direftor der
Rénigliden Stulp-
turenfammlung in
Dresden) eine furz-
Gefafte flare Sdhil-
derung feines Le-
bens und Wirfens,
deren Werth nod
$. Ubbelohde, Kiefern.
erhöht wird durch die eingeflodhtenen Ausfprühe des Meifters fowie
duch einen Anhang von autobiographifhen Mittheilungen. Die Wiedergabe
feiner Schöpfungen in Zintdrud (zum Theil einem größeren Werte: „les
Maitres de l’Art contemporain“ entnommen) ift eine vorzüglihe, fo daß
man in der lebenevollen Darftellung Tren’s Schritt für Schritt der Ent-
widelung Meunier's zu folgen vermag. Das ganze innere Leben, deffen
Reihthum der Rünftler erft in fpäteren Jahren inne wird, erfheint wie eine
von der Natur bedingte Ronfequenz feiner äußeren Erfahrungen; alle Ein-
dtiide, welche der
Riinftler von Ju-
gend auf empfängt,
geben in ihrer Der-
fettung feinem We-
fen die Ridtung und
feiner Runft jenen
tiefernften Gehalt,
der an Zeit und Ort
gebunden eine tul-
turhiſtoriſche Bedeu⸗
tung behalten
wird. Die Umge-
bung der Roblen-
arbeiter und Berg-
werfsleute, mit wel-
hen der Künftler
lebt und aufwadft,
wird fiir fein gan-
3e3 Leben beftim-
mend. Ylicht minder
der erfte gewaltige
Eindrud der Antike,
auf welden jedodh
gu — —
Deutſche Kunſt.
die damalige hohle und glatte Bildhauerkunſt ihn derartig ernüchtert, daß der
Jüngling, der in der Plaftif vergeblih nah dem Ausdrudsmittel feiner
reifenden Wabrheitsliebe ringt, fid mit einem Male der Malerei zumwendet,
um Land und Leute feiner Herfunft fehildern 3u fdnnen. Aus diefer Zeit
fammen beifpielsweife die wiedergegebenen Paftelle: das jhwarze Land,
der Shadt, die Hefatombe (die Opfer eines Grubenungliids). Mit über-
zeugender Alarhelt entwidelt fodann der Verfaffer, wie in Meunier das Bee
dürfnig nach plaftifher Geftaltung wieder zum Durhbruh kommt; bei einem
Dergleich feiner legten Bilder und den erften plaftifhen Werken diefer Periode
tritt das Formengefühl in reliefartigen Aufreihen der Bruppen, In der Typen-
ftrenge der Figuren und dem ganzen Aufbau immer mehr hervor. Damit
beginnt die Blanzzeit feiner Plaftit, aus welder eine ganze Reihe Einzel-
figuren, wie der Kammermeifter, der Laftträger, Pflüger, Puddler, der Per-
wundete, ferner die Gruppen, wie der verlorene Sobn, das Grubengas und
endlih mehrere feiner flaffifden
Reliefs, wie die Ziegelbrenner,
die Ausfahrt der Bergleute und
die berühmten Fragmente zum
Denfmal der Arbeit wiederge-
geben find. An die Betradtung
diefes gewaltigen Wertes, das
der Rünftler quf eigene fauft
und mit eigenen Mitteln unter
nommen ‘bat, Eniipft der Der-
faffer einige febr beherzigens-
werthe Bemerkungen über wahre
nationale Runft, welhe in Men-
nier ibr Vorbild fiebt, und ftellt
diefer die ftaatlihe Konkurrenz
gegenüber, weldhe den Rünftlern
eine von außen fommende felten
ganz dSanfbare Aufgabe ftellt,
die unter bindenden Derträgen .
und unter der Auffidt eines
Comités nidt im Stande find,
etwas Erfreulihes zu fdbaffen.
Treu fagt u. a.: „Es müflen ja
nidt immer auf Poftamente ge-
fpießte, mehr oder weniger be-
tühmte Männer fein, welde
unfere Sffentliden Plage und
Anlagen zieren; und Bildwerfe
anderer Art foll man nicht immer
in die Mufeen fperren. Man foll
fle in's Freie binausftellen, in
die öffentlihen Garten, in die
allen zugänglihen Bebäude. So
gefhah es im Alterthum und in
der Renaiffance; fo bat man es neuerdings in Paris wieder zu maden be-
gonnen, und damit der neuen Blüthe franzöfifher Malerei den Weg zu
Augen und Sinn breiterer Dolksfhihten geöffnet.‘
Möge das ansgeseihnete Buh and in diefem Sinne in Dentfd-
land eine Würdigung finden und dem belgifhen Meifter neue Freunde
werben.
Carl fel. v Schlichtegroll:
(Verlag €. Haberland-Leipzig.) Preis 1,50 Mark,
Es ift eigenthiimlid, daß troß der vielfeitigen Reformbeftrebungen auf dem
tehnifhen Gebiete der Malerei nod) unter KRünftlern eine große Unfenntniß
vorherrfiht von dem Wefen der Tempera-Malerei. Selbft von der Bedeutung
des Wortes Tempera, weldes fih von dem Iateinifhen temperare — mifhen,
ins richtige Derhältniß bringen, berleitet, und alfo nichts weiter als Mifhung
bedeutet, haben die Wenigften einen Begriff. Als die von Baron v. Pereira
erfundene Temperafarbe in Aufnahme fam, verfuchte fih jeder der neuen
Technik zu bedienen und viele, die von den Nachtheilen der nachdunkelnden
und teiffenden Oelfarbe überzeugt waren, glaubten in der flüffigen Behandlung
der leuchtenden Tempera ihr Heil zu finden. Die Derfuhe mit dtefer Neuerung
mögen wohl 3u den fhlimmften Erfahrungen geführt haben, wenn nidt ein
gründlihes Studium der Eigenthümlichkeiten in diefer Technik vorausging, wenn
niht an Stelle des Experimentierens erft das grundlegende Willen über die
Sufammenfegung der Farbe und die Haltbarkeit der Bindemittel trat. Derfelben
F. E. Meng⸗Trimmis.
Die Tempera-Malerei Pereira. -
N TT. ape re x
171
Unfenntnif und Gleidgiltigteit, wie bei einzelnen Rünftlern begegnet man
fogar heutzutage noh in den ftaatliden Lehranftalten, den Akademien, wo
man alles andere fiir wichtiger hält, ale eine praftifhe und theoretifhe Be-
[häftigung mit dem Handwerkszeug, mit der Herftellung des Malgrundes’ und
der Verbindung der farben. x
Was nun auf diefem Gebiete der verdienftvolle Baron Pereira im Per-
gleihe moderner Bilder mit denen alter Meifter innerhalb 20 Jahren erforfcht
und zu pofitivem Refultate geführt bat, ift neuerdings in einer Schrift von
Carl feliz v. Shlidtegroll unter dem Titel „Die Tempera-Malerei
Pereira ntedergelegt. Der Verfaffer, welder lange Jahre mit Pereira gemein-
fchaftlich arbeitete, giebt 3unadft feine Beobadtungen bei alten und neuen Meiftern
wieder. Die heutige Oelfarbe, die aus einer Mifhung von Farbmebl mit
Oel, Wads und bitumindfen Stoffen befteht, wird durd das paftofe Auftragen
in mebreren fclecht vereinbaren Schidten übereinandergelagert, während die
der mittelalterlihen Meifter nur
mit geläutertem Leindl ange-
tieben, lediglich zu Lafuren diente
für Ste in Tempera fertig ge
ftellten meift grau in grau ge-
malten Bilder. Diefe Art, der
Untermalung weift der Derfailer
an van Eyd und flandrifchen
Melftern nad und giebt, um
die Entftehung der lange verloren
gegangenen Technik zu verfolgen,
eine ausführlibe Befhihte der
Temperamalerei, deren Anfänge
fhon bei den Aegyptern und
Griehen zu fuhen find, während
im Mittelalter die Malweife zum
Gemeingut italieniſcher, deutſcher
und niederländiſcher Meiſter
wurde. Die Forſchungen ergaben
ferner Rezepte für die farben-
bereitung, welde bis aufs Meinfte
Detail übereinftimmen. Aus all
diefen Erfahrungen baut nun
Pereira ein Syftem auf, das in
der leichten Behandlung der La-
furmalerei feine Spite bat; die
Malmittel werden von der farbe
felber getrennt und ihre Der-
wendung dem Riinftler anbeim
| gegeben, wie er fie im betreffen-
den falle für praktifh hält,
fei eo mit Waffer, Leim, Gummi-
bar3 2c. Eine dem Paftell ähn-
lihe Wirkung wird in der Tempe-
ratur erzielt, wenn das Bild ungefirnißt ftehen bleibt. Ueber die andere Art der
Technik, welche tiefe, fatte Töne, wie die der Oelmalerei hervorbringen foll
und fowohl mit Untermalung mit zwei Brundfarben, oder der Prima-Malerei
mit bunten farben beginnen lann, ift des weiteren eine ausführlihe Anleitung
gegeben, wie über das Lafiren und die Benugung von Harz, Majolifa und
Deforationsfarben. i
Dr. Stanz Weinit: Theodor Hofemann.
des Dereins für die Befhichte Berlins.)
Die funftgefhichtlihe Studie des DVerfaflers, welder 9 Zlluftrationen
beigegeben find, ruft die Erinnerung am den trefflihen, ehemals fo volts-
thiimliden Berliner Rünftler wadh. Seine unverdienter Weife der Vergeffen-
beit anbeimgefallenen Bilder und Zeihnungen find Sittenfhilderungen, deren
Humor für die Zeit und die Mleinlihen DVerhältniffe des alten Berlins
harakteriftifh find. Der Lebenslauf des Rünftlers giebt einen feflelnden Ein-
blid in die befdheldenen Verhältniffe der erften Jahrzehnte unferes Jahr-
bunderts. Seine Jugendjahre verbradhte H. am Rhein, in Heidelberg, Mann-
beim und Düfjeldorf, wo er bis zum 21. Jahre verblieb und fhon frühe fid
feinen Unterhalt fuhen mußte. Durch feine Lünftlerifhe Begabung verfchaffte
er fih Eintritt in die litbographifhe Anftalt von Arnz & Winkelmann in
Düfjeldorf, bildete jedod nebenher fein Talent felbftftändig aus und befudte
die Afademie, ohne von ihr fid) beeinflujfen zu laffen. Mit dem erwähnten
Lithographen Winkelmann fiedelte er im Gabre 1828 nah Berlin über.
Toilette des Modells,
(Heft 34 der Schriften
— —
£eo Colftot und die Kunft.
Wenn fid cin Mann wie Leo Tolftoi mit der Definition des Be-
griffes ,,Runft befhäftigt, fo darf er einer großen Aufmerkfamteit von
Seiten der Betheiligten jicher fein, felbft wenn fein Urtheil durch Sadhkenntnif
nicht merfli getrübt ift. Der grofe Magus im Often, deflen literarifhe
Qualitäten im übrigen unbeftritten bleiben, orafelt im foeben erjchienenen
erten Theile feines Wertes „Ueber die Runjt" etwa folgendermaßen:
„Dort, wo für die Volfəbilðung nur ein Gundertftel deffen aufgewandt
wird, was nothwendig wäre, um dem ganzen Wolfe Unterridtsmittel zu
verfchaffen, werden von der Regierung Millionenfubfidien für Akademien, Ronfer-
vatorien und Theater ausgeworfen. Gn jeder großen Stadt werden ungebeuere
Bebände für Mufeen, Wlademien, Ronfervatorien und Theaterfhulen, zu Dor-
ftellungen und Ronzerten errihtet. Hunvderttaufense von Arbeitern —
Simmerlente, Steinmeken, Färber, Tijhler, Tapezierer, Schneider, Barbiere,
Juweliere, Bronzearbeiter und Seger — bringen ibr ganzes Leben in fehwerer
Arbeit zu, um die Forderungen der Runft zu befriedigen, fo daß es «außer
der militärifihen wohl feine andere menfhlihe Thätigfeit giebt, welche foviel
Kräfte abjorbirte, mie diefe. Wbgefehen von dtefer ungehenren Arbeit
werden aber für diefe Thätigfeit, ebenfo wie für den Krieg, dirett Menfden-
leben aufgebrauht. Hunderttaufende von Menjhen wenden von Jugend an
ihr ganzes Leben darauf, zu erlernen, fehr rafch die Beine zu bewegen (die
Tänzer), febr rafh die Taften oder Saiten zu rühren (die Mufifanten), mit -
Farben zu malen und Alles darzuftellen, was fie fehen (die Maler), jegliche
Phrafe auf jede Weife zu drehen und zu jedem Worte einen Reim zu finden.
Und diefe Leute — häufig fehr gute, Pluge und zu jeder nützlichen Arbeit
fähige Leute — verwildern in folhen ausfhließlihen, verdummenden Be-
jhäftigungen, werden zu einfeitigen und völlig felbftzufriedenen Spesialiften,
die gegen alle ernften Lebenserfcheinungen ftumpf find und nur verfteben,
ihre Beine, ihre Zunge oder ihre Finger herumzudrehen. Man fagt, dağ
Alles diefes für die Kunft gefhehe und die Runft eine fehr, widhtige Sade
fei. Zt es aber wahr, daß diejes die Aunft fei, und die Runft eine fo
widtige Sache wäre, um ihr folhe Opfer zu bringen? Diefe frage ift
deshalb befonders widtig, weil die Runft, um deretwillen die Arbeit von
Millionen Menfhen, ja jogar Menfchenleben und vor allem die Liebe zwifchen
den Menfhen zum Opfer gebracht werden, im Bewuftfein der Leute zu etwas
immer Unflarerem und Unbeftimmterem wird."
Wenn dann Tolftoi in weiterer folge nichts anderes zu fagen weiß,
als: „die Runft ift eine der Bedingungen des menfdliden Lebens und ein
Mittel des Verkehrs der Menfchen untereinander‘, fo will uns das dod aud
redt unklar und unbeftimmt erfheinen. Un diejer Unklarheit vermag natür-
lih auh ein angehängter Kommentar nichts zu ändern: „Die Thätigfeit der
Runft beruht darauf, daß der Menfch, Indem er mit dem Gehör oder Befiht
die Gefühlsäußerungen eines anderen Menjhen wahrnimmt, fähig ift,
dasfelbe Befühl zu empfinden, wie es jener empfand, der fein Gefühl zum
Ausdruck brachte.“
Die Kunſt gehört eben einmal auf die heitere Seite des Lebens, für
die dem ſozialtevolutionären Grafen Tolſtoi die ewige Beſchäftigung mit der
korreſpondirenden Schattenſeite den Blick getrübt hat.
Zuriofa aus Atelier und Werkftatt.
— Die PolizeieinerRunftftadt. S. fleifhmann's „Lady Godiva's,
dejjelben Künftlers ,Unfeuld und L. Sturm's „Echo“ find in Düfjeldorf
ob fittengefabrlider Nadtheit der weiblihen Figuren der Betrachtung eines
funftfinnigen Publifums mittelft Polizeierlajies entzogen worden. So ge-
[heben im Jahre des Heils 189S.
Deutfhe Runft.
Vermifchtes.
Kuriofa ans Afelier und Werkttatt.
Gedanken iiher hiltende Kuni.
— Runftpflegein Wien. Die Herren des Wiener Gemeinderaths pflegen
ih gern ihres Mäcenatenthbums zu rübmen. Dazu liefert ein während der
Budgetberathung befprodhener Lall eine eigenartige Flluftration. Jm Vor-
jabre hatte der Bildhauer Gemeinderath Coftenoble beantragt, für die
Förderung der heimifhen Aunft jährlih 20 000 fl. auszuwerfen und diefen
Betrag in das Budget einzuferen. Merfwiirdiger Weife fand fid in dem
Hauptvoranfchlage pro IS9S diefe Summe oder ein anderer Betrag für den
gleihen Jwet niht eingeftellt; wohl aber wurde in einer Notiz bemerkt,
der Magiftrat babe über den Antrag Coftenoble nod nicht Beritt erftattet.
Bemeinderath Zifferer ftellte den Antrag, daß der Magiftrat verhalten werde,
binnen vier Woden über die Angelegenheit Bericht zu erftatten, und daß die
20 000 fl. in das Budget pro IS98 einzufegen feien. Die Majorität fand es
jedoh nit für nothwendig, diefe Anträge auh nur dem Stadtrathe zu-
zumeifen, und lehnte fie rundmeg ab.
— Yen entdedte Watteau - Malereien. Ein Parijer Tapezierer war
von einem reihen Privatmann nad Belgien berufen worden, um einen
Salon jtilvoll einzurihten. Er fand dort prädtige auf Holz gemalte
Füllungen, deren Malereien mit feinften Verzierungen umgeben waren. Der
Eigenthümer, der diefe bemalten Fitlungen nicht verwerthen wollte, bot fie
dem Tapezierer zum Kaufe an, und diefer fhloß ihn mit GOOO frcs. ab.
Nah Paris heimgefelrt, zeigte der Tapezierer dieje Malereien einem Renner,
der Ihm erflärte, daß die Bilder Werfe Antoine Watteau’s oder mindeftens
eines jeiner beften Schüler feien. Der Tapezierer hat die Füllungen mit
25 000 fires. verfauft, der Raufer hat fie auf den Markt gebracht und fordert
— 525.000 fres., woriiber Unterhandlungen fdweben.
— Eine Statue in maffivem Golde. Cin amerifanifdher Bildhauer
bat von einem Spndifat von Millionären den Aufteag erhalten, für die
Parifer Ausftellung vom Jahre 1900 eine aus maffivem Golde hergeftellte
Statue des Präfidenten Mac Kinley zu fihaffen. Die Statue foll eine Hobe
von fieben Fup haben und in Gold einen Werth von mehr als vier Millionen
Mark repräfentiren. Und der Runftwerth? —
Gedanken iiber bildende Runi.
Die Runft an und fiir fic felbft ift cdel; deshalb fürdhtet fih der Rünftler
nidt vor dem Gemeinen. Ja, indem er es aufnimmt, ift es fdhon geadelt,
und fo feben wir die größten Riinftler mit Riibnheit ihe Majeftätsrecht
ausüben.
+
Die Dilettanten, wenn fie das Méglidjte gethan haben, pflegen zu ihrer
Entjhuldigung zu fagen, die Arbeit fei noh niht fertig. Freilich kann ſie
nie fertig werden, weil ſie nie recht angefangen ward. Der Meiſter ſtellt ſein
Werk mit wenigen Strichen als fertig dar; ausgeführt oder nicht, ſchon iſt
es vollendet.
*
Wenn ich jüngere deutſche Maler befrage, warum ſie doch, beſonders in
ihren Landſchaften, ſo widerwärtige grelle Töne dem Auge darſtellen und
vor aller Harmonie zu fliehen ſcheinen? ſo geben ſie wohl ganz dreiſt und
getroſt zur Antwort: Sie ſähen die Natur genau auf ſolche Weiſe.
*
Wir wiffen von feiner Welt, «ls in Bezug auf den Menſchen; wir wollen
feine Runft, als die ein Abdrud diefes Bezuges ift.
*
Ein Künſtler, der ſchätzbare Arbeiten verfertigt, iſt nicht immer im Stande,
von eigenen oder fremden Werken Rechenſchaft zu geben.
Die Technik in Verbindung mit dem Abgeſchmackten iſt die fürchterlichſte
Feindin der Kunſt.
*
Raphaelin von Reggio malte mit ſolcher Leichtigkeit die Außenſeiten der
häuſer in fresco, dağ alle Rinder Kalk auf Ziegeln ſtrichen und das
Gleiche zu thun gedachten. Goethe.
— —m⸗⸗ gun
— —— — — =
= TE — EEE ee — eee a?
Sächfifcher Kunftverein zu Dresden.
Jn der Derfammlung der Mitglieder des Sähfifhen Runftvereins am
50. November 1897 ift befchloffen worden, als Dereinsgabe für 1899 nad
§ 5 der Sabungen vom JO. März 1895 niht ein größeres Blatt, fondern
fünf Bleinere zu einem Hefte mit Umfhlag vereinigte Werte der verviel-
fältigenden Riinfte zu vertheilen.
An die Herren Künftler, welde fähfifher Staatsangehörigkeit oder dod
dauernd in Sahfen wohnhaft find, wird das Erfuhen gerichtet,
bis J. Mai 1898
Dorfhläge für diefe fünf Aunftblätter, welhe bis zum Schluß des Jahres 1899
vollzählig als Heft geliefert "fein müffen, an das unterzeihnete Direktorium
gelangen zu laffen. Die Dorfchläge fönnen in der Einjendung von Original-
Radirungen. oder von Madbilbungen, aud in bloßen Entwürfen, oder aud
in der Bezeihnung von Runftwerfen, weldhe in Nachbildung wiedergegeben
werden follen, befteben.
Ausgefhloffen find auf mehanifchem Wege hergefteltte Dervielfältigungen,
ingleihen Photographieen.
In Bezug auf den Preis für die Lieferung der fünf Aunftblätter in der
erforderlihen Anzahl einfhlieglih der dazu gehörigen Umfhläge gelten die
feitherigen Beftimmungen. Hieriiber fowte betreffs der Bröße der einzelnen
Blätter und fonft ift Weiteres bei dem Kaftellan des Sädhfifhen Runftvereins
zu erfahren. .
‚für die eingefendeten Entwürfe oder fonftigen Dorfhläge wird als folde
eine Dergütung nit gewährt.
Dresden, den 25. Januar 1898.
Das Direftorium des Sähfifhen Kunſtvereins.
Graf Digthum.
Die Derballhornifirung der Schrift.
Wir erhalten folgende Zufgrift: „Die jungen gährenden und mannig-
fad zerfabrenen Elemente in un,erer modernen Runft beginnen neuerdings
aud den Buhdrud fih unterthänig zu madhen und darin die auffälligften
Ausfhreitungen zu begehen. Bei manden Werften weiß man heute faum
nod 34 fagen, was darin wichtiger ift, der Wortinhalt oder die Umrahmung,
die Randleiften, Schlußverzierungen, die häufig halbe Seiten in Anfprud
nehmen und ihren eigentlihen Swed, nur ein jhmüdendes Beiwerf, eine
zierlihe Einleitung oder einen gefälligen Schluß zu bilden, völlig außer Acht
laffen. Wir geben bier auf die Art der Ausführung nit ein; ob fie fön
oder häßlich ift, dürfte in erfter Linie Befhmadfade fein. Aber Derwahrung
mödten wir dagegen einlegen, daß ein Theil diefer überfprudelnden „Künftler‘
es für angemeffen erachtet, ihre Fünftlerifhen Lannen und Empfindungen an
den einzelnen Bucftaben auszulaffen und fie fo unzuformen, daß es faum
noch möglid ift, fie zu erfennen. Das trifft vor allem für eine Reihe von
Einladungen zu Kunft » Ausftellungen, für Ankündigungen von Runftwerfen
un. f. w. zu, von denen man fagen muß, daß fie geradezu unleferlich werden.
Wenn man einzelne der Buchftaben, die diefe Riinftler anwenden, aus ihrem
Fufammenbange berausnähme, jo würden wenige Lefer im Stande fein, das
Räthfel zu löfen, welhen Budftaben fie darftellen follen. Daffelbe gilt fiir
mande Gnitialen von” Runftvereinen, Lefer und Budzeihen u. f. w. Wir
halten diefe neuere Bewegung für durchaus ungefund und Franfhaft und
médten dringend alle, die auf einen guten Befhmad Werth legen, davor
warnen, diefe fünftlihe Derunftaltung unferer Budftaben zu fördern. Unfere
deutfhe Schrift it fhon fo wie fo verfhnörkelt und ungelen? genug; es ift
befannt, daß fie fih weit fhwerer lefen läßt als die Flarere, einfachere und
durdfidtigere fog. lateinifhe Schrift und daß fie einen Theil der Schuld an
der zunehmenden Rurzfichtigfeit unferer deutfchen Gelehrten trägt. Die Be-
wegung zu Bunften der Rüdfehr zu Flareren und einfaderen Budftaben, zur
Bejeitigung der aus dem Mittelalter übernommenen gothifhen Schnörfel hatte
längere Zeit einen größeren Auffhwung genommen; fie machte aber Halt
vor dem WMadtgebot des ‘Fürften Biemard, der duch ihre Derwirklihung in
der Bequemlichkeit des Lefens beeinträdhtigt zu werden fürdhtete. Man büte
fih aber jest vor allem, in das Gegentheil zu verfallen und die Budftaben
fünftlih zu verunftalten, fo daß fie ihren widtigften Zwed, leicht leferlih zu
fein, vollftändig verfehlen.* Wir können dem Gnbalte diefer Zufdrift durd-
aus beiftimmen. jede Schrift, die beftimmt ift, gelefen zu werden, foil
zuerft Mar und dann erft [hön fein.
- Orthochromatifche Photographie.
Die gewöhnlihe Photographie giebt die Tonwerthe der Farben nicht
tidtig wieder und man arbeitete jhon in den 50er Jahren an der Abftellung
diefes Uebelftandes, der mamentlih bei der Reproduktion von Gemälden
bervortrat. Wan verfudte im naffen Rollodiumverfabren zuerft duch Anus-
fhluß einzelner Farben, durd das Einfhieben von Farbenfiltern das erftrebte
Jiel zu erreihen. Prof. Dr. h. W. Dogel fand fdlieflih, ausgehend von
der Theorie, daß lihtempfindlihe Silberfhichten alle Farben photographiren,
welde fie verfhluden, die einzig ridlige Löfung des Problems, das er mit
feinem Freunde Obernetter zu einem Spftem ausbaute. Jur Farbenempfind-
lihmadung der Silberfhihte dienen heute zumeift Erythrofin und Cofin.
Die von Vogel und Obernetter zuerft Sargeftellten Platten werden von Otto
Peruk, Trodenplattenfabrit, Münden, fabritmäßig bhergeftellt; Fabrif und
JFabrifationsgebeimniffe haben C. Ff. Boehringer & Söhne erworben. Jm
Anfang gaben die neuen Platten 3u manderlei Klagen Anlaß: fie waren
nidt haltbar; die Manipulationen mit denfelben hatten ihre Schwierigfeiten
und waren den Photographen ungewohnt, weshalb Mißerfolge nicht aus-
blieben. Heute ift die Qualität der farbenempfindliden Trodenplatten vor-
züglih; fie haben auch ohne Anwendung der Belbfheibe gemügende Gelb-
wirfung, maden Farbenfilter nicht nöthig und geben bei kürzefter Erponirzeit
auserponirte Bilder, ermdgliden alfo febr wohl auh Momentaufnahmen.
Die Entwidlung ift die gleihe wie bei anderen Platten, nur müflen zur
Dunfelfammerbeleubtung folhe rothe Scheiben und Cylinder verwendet
werden, die auf ihre Nihtöurdläfiigkeit von gelben und grünen Lidtftrablen
fpeftroffopifh geprüft find.
Auh bei Bligliht gemadhte Aufnahmen laffen. an Schärfe nichts zu
wiinfden übrig, nur empfiehlt es fih, I Gramm Magnefium mit 6 Gramm
falpeterfaurem Natron zu vermifchen, damit der Blig eine gelbe Färbung
erhält. Die fernwirfang bei Aufnahmen von Landihaftsbildern ift hervor-
tagend. Wenn die Berufsphotographen verhältnigmäßig wenig mit den
neuen Platten arbeiten, fo mag das verfdiedene Griinde haben. für die
Handhabung der neuen Platten fehlt ihnen vielfah nod die Routine. Aud
der höhere Preis fpielt eine Rolle. Schlieflih fpriht auh die Gewohnheit
des Publitums mit. Gnfanterie-Offistere 3. B., dte man aufnahm, wobei die
Uniform, ihrem richtigen Farbenwerth entjprehend, dunkel Pam, meinten:
„Wir find dodh niht von der Artillerie.“ Die abfalligen Urthetle in fad-
blättern über die erften Platten haben and viele abgefhredt. Den Amateuren
wird es aljo überlaffen bleiben, bier bahnbrehend vorzugeben. Aufnahmen,
die mit gewöhnlihen, und dagegen jolde, die mit Perug'jhen Platten gemadt
— —
174
werden, zeigen wejentlihe Unterfhiede. Eine polyhrome Dafe 3. B. erfchien
bier glatt, dort mit allen ihren figuren. Das Bleihe ift von den ver-
fhiedenen Reproduftionen von Bemälden 3x fagen.
Eine Altarwand von Carl Kanghammer.
Der moderne Rünftler wird nicht felten vor Aufgaben geftellt, deren
Löfung er feinem individuellen Empfinden abringen muß, weil die Dor-
bedingungen feines Schaffens wefentlid andere geworden find. Der firdliden
Runft unferer Tage fehlt der. große Zug in das Monumentale, Empfindungs-
gewaltige. Schon äußerlihb madt fih eine gewiffe Befhränfung bemerkbar.
Die Rathedrale wird zur Pfarrfiche, die Pfarzfirhe zur Rapelle. Dem ent:
fprehend verflühtigt Ah die religiöfe Monumentalmalerei zur Firhlihen
Deforation.
Der die Apfis vom Hauptfhlff thetlende Triumphbogen fpielt in der
tomanifhen Rirhenarditeftur eine ftilbeftimmende Rolle.
Dem fhwindenden reltgtöfen Bedürfniß ent-
fpredend wurde die Apfis zur
Altarnifche, der Triumph-
bogen zur Altar-
wand. Man
muĝ mit
diefen
Dorbedin.
gungen rechnen,
wenn man ein deto-
tatives Talent wie Carl
Langhammer aus einer
Gelegenbeitsleiftung beurtbeilen
will. Es handelte ih darum,
einen in feinen Derbältnifjen unge-
mein ungünftigen Raum mit reli-
giöfen Darftellungen zu fchmüden,
die einen Bezug zu den vom Altar
ausgehenden Segnungen haben. Cine
jvmmetrifhe Anordnung des Stoffes
war durch die Bogenform der Ultar-
wand der Rapellein Schönjee (Pofen
gegeben. Es fonnte nur eine Dupli»
zität Ser Scenen in frage tommen,
die von einem in der Mitte des Bo-
gens liegenden Centrum beherrſcht
wurde. Diefer ideelle und formale
Brundgedanfe der Rompofition — ift
energiſch durchgeführt.
Links ringt Jakob mit dem Engel:
„Ich laſſe Dich nicht, Du ſegneſt mich
denn!“ Rechts tauft Johannes den
jugendlichen Heiland: „Das iſt Bottes
Lamm, welches der Welt Sünde trägt“,
und von der Bogenmitte aus entſendet
die Taube, das Symbol des heili—
gen Geiſtes, ihre Segen ſpendenden
Strahlen.
Diefer die Rompofition beberr-
jhenden Grundidee entfpriht die
formengebung. Kangbammer ift in
die Schule der alten Ftaliener g
€s ijt ihm vor Allem ges
lungen, Lidt, Landfdaft
tales in eine gewiffe Harmonie zu
Wenn er
linfs ein
gangen.
und figu
bringen. tedts
3u prä»,
rafaelitifh wird, fo
ein wenig
wenig 3u poft
fann man ibm
Deutfde Runft
C. Fanghammer, Altarwand in Schönjee (Pojen).
das um der gut ftilificten Anordnung des Ganzen willen zu Gute halten. Alles
fügt ih 3wanglos der fläde ein. 6. m.
Berlin. — Die in den Etat 1898/99 eingeftellte Erhöhung des Runft-
fonds von 500000 auf 350000 Mark ift mit um fo größerer freude zu
begrüßen, als man aud dem provinziellen Runftbedürfniß ein wenig zu
Hilfe zu Fommen beabjihtigt. Gn der Motivirung der Etatspofition heißt es:
„Schon feit längerer Zeit hat ih der fonds als unzureihend erwiefen, den
an ihn geftellten berechtigten Anforderungen zu entfpreden. Zur Hebung
und Verbreitung des Runftfinnes erfdeint es erforderlih, den aus den Pro-
vinzen eingehenden Anträgen wegen Ausführung von Werken der monumentalen
Runft mehr als bisher zu genügen. Das Beftreben, der Nationalgalerie
Runftwerfe zuzuführen, weldhe als herworragende Meifterwerfe die allgemeine
Anerkennung der urtheilsfähigen Areife gefunden haben, hat fih mit den bis-
þerigen Mitteln nicht ausreichend verwirklihen laffen. Zur Pflege und
Förderung des fünftlerifhen Schaffens hat die Akademie
der Rünfte in Berlin feit Fahren im Fntereffe
der Künftlerfhaft eine Erhöhung
des Runftfonds dringend ere
beten.“
Yleben der ftaat-
lichen Unter»
ftiigung
läßt man
es aud an be
hördlihen Anregungen
zur ‚Förderung Fünftleri-
[her Zwede nicht feblen. So
bat fih unter der Aegide der
betreffenden Candrätbe ein Uder-
märfifher Mufeums- und Be-
fhidhtsvereim gebildet zur Erfor-
{hung der Gefhichte und fulturellen
Entwidelung der Udermark und deren
Bewohner bis in die nenefte Zeit,
fowie zur Hebung des Kunftjinnes
und des Runftgewerbes. Diefe Zweite
follen erreiht werden durch €inrid=
tung eines Mufeums und einer Bib-
liothef, durch literarifhe Veröffent—
lidungen, Deranftaltungen von Aus-
ftellungen und Erfurfionen. Die ge-
meinfame führung der Prafidialge-
fhafte durd die Landrathe Ser drei
utermärtifhen Kreife Prenzlau, An-
germünde und Templin bat zwar einen
fomifhen Beigefhmad, «ber es ift
immerhin Ausjiht vorhanden, dağ
man fih einmal darauf bejinnt, wie
aud) die Mark eine eigenartige fünft-
lerifhe Dergangenbeit bat, die der
Aufmerkſamkeit werth iſi.
Jedenfalls iſt ein Zuſammenwir—
ken der Kunſtverwaltung mit den freien
Vereinigungen ungemein erwünſcht,
wie denn auch der „Deutſche Kunſt
vereint, mit der Wahl des neuen
Direktors der National-Balerie Herrn
vp. Tfdudi und des Geheimen Regie
tungstaths Herrn v. Moltfe zu Dor-
figenden einen glüdlihen Briff getban
Dereins
hat, der den Fweden des
nur dienlid fein fann. Auh von
dem neuen Schriftführer Heren Pro-
i *
TS oT er —
Deutſche Kunſt.
feſſor v. Oettingen läßt ſich manche Anregung erwarten. Herr von Oettingen hat
fih dur die Deranftaltung der Bödlin-Ausfellung, die von 50 000 Perfonen
befuht wurde, erfolgreich eingeführt und ift auh wohl niht ohne Einfluß auf
die Aenderungen gewefen, dte das Programm der Broßen Runftaus-
ftellung 1898 aufweift. Die Beftimmungen entfpreden im Wefentliden den-
jenigen der legten Ausftellung. Sämmtlihe Runftwerfe find zwifhen dem
JJ. und 25. März im Ausftellungsgebäude am Lehrter Bahnhof abzuliefern;
die vorangebende Anmeldung ift bis zum J. Marz zu bewirken. Die Der-
fiherung der Werte erfolgt bis in Höhe von 3 Millionen Mark, gegen
4 Millionen Mark im Dorjabre. Die Zeihnungen oder Photographien für
den illuſtrirten Ratalog ſind bis zum 25. März an die Geſchäftsleitung ein⸗
zufenden. ` "Eine Wendung zum Befferen fehen wir in der von uns oft be-
fürworteten Heranziehung lünftlerifh hervorragender Werke des Runfthand-
werts. Weiterhin follen and die Beftrebungen auf dem Gebiete der Klein-
Plaftit Beförderung erfahren durd Bereitftellung befonderer Mittel, melde
zum Ankauf figürlider Bronzen Verwendung finden werden. Aud foll, falls
Modelle zur Ausftellung gelangen, die Ausführung in Bronze ermöglicht
werden. Das fieht fehr viel verheißend aus, fann aber nur dann von Er-
folg begleitet fein, wenn man grundfäglih alle fabrifwaare ausfhließt und
fih auf Originalarbeiten von wirklih Fünftlerifher Bedeutung befhräntt.
Da fih unmittelbar an die große Jahresbildfhru eine Eliteausftellung des
` Vereins Berliner Rünftler bei Belegenbeit der Eröffnung feines neuen Heime
in der Bellevue- Strafe anfchliefen wird, fo fteht der Reiheshauptftadt
im Laufe des Jahres eine Reihe erlejener Runftgeniiffe bevor.
Münden. — Auh in Münden trifft man eifrig feine Vorbereitungen
für die bevorftehende Runftcampagne. Eine außerordentlihe Generalver-
fammlung der Rünftlergenoffenfhaft traf endgiltige Beftimmungen über die
Jahresausſtellung 1898.
Im Ganzen wurden die früheren Beftimmungen beibehalten; wo Ver-
änderungen ftattfanden, wurde den Anträgen des Vorftandes entfprechend be-
fcloffen. Eine wefentlihe Neuerung ift, dag Gruppen- und forporative Angs-
ftellungen mit eigener Jury nad Dereinbarung mit der Ausftellungsleitung
fattfinden können. ferner, daß eine Zuerfennung von Medaillen nicht ftatt-
finden wird. Bezüglih des Tranportes wurde beftimmt, daß alle ausgeftellten
Runftwerfe freie Rüdfradht genießen, foweit folhe von den betreffenden Bahn-
verwaltungen gewährt wird. Der aus der Mitte der Derfammlung gebradte
Antrag: „es möge der frühere Modus bei der Wahl der Maler-Fury, wonach
jedes Mitglied wahlberedtigt ift, wieder eingeführt werden", wie dies bei den
großen Internationalen Ausftellungen, auh bei der legten, in Geltung war,
wurde angenommen. Sämmtlide Befhlüffe wurden einftimmig gefaßt; bei
175
der Befchlußfaffung über die Wiedereinführung des alten Modus für die Wahl
der Maler-Furp enthielten fih elf Herren der Abftimmung. Mit befonderer
Genugthuung begrüßen wir den durd Lenbadh beantragten Befhluß, die Aus-
ftellung als „eine deutfche mit Zulaffung ausländifcher Rünftler‘ zu bezeichnen.
"Inzwifhen wird man wobl thun, fid aud in Münden auf die Pflicht
ftaatliher Runftpflege zu befinnen, wie fie mit fo großem Erfolge jüngft in
Dresden geübt wird. Die Gelegenheit dazu bietet fih der bevorftehenden
Ueberfiedelung des Yationalmufeums in fein neues ftattlihes Bebäude. Gn
etwa anderthalb Fahren wird das alte Mufeum von feinen berühmten fultur-
biftorifhen Sammlungen geräumt fein. Es befteht der dringende Wunfd,
daß diefes von Rénig Mar II. erbaute Sammlungsgebäude, das BBefit der
t. Jivillifte ift, auch fpäterhin für die Kunftfammlungen des Staates erhalten
werde. Dor Allem denkt man an die Unterbringung des Mufeums von Byps-
Abgüffen in dem alten Mattonalmufeum. Die Abgüfle der antiten Bildwerfe
würden am beften in den Parterrerdumlidfeiten Unterkunft finden, während
die Abgüffe von modernen Runftwerfen ihren Pla in den oberen mit den
sefhichtlihen Wandbildern gefhmüdten Sälen erhalten dürften. Jedenfalls
erweift fid eine Dermehrung der letzteren als dringend ndthig.
Stuttgart. — Der Gefhäfteberiht des Württembergifhen Runft-
vereins weift überall erfreulihe Refultate auf. Am Schluffe des Dereins-
jahres fann der Dorftand mit Befriedigung auf fein Wirken zurüdbliden.
Die Mitgliederzahl ift auf 2126 mit 2225 AUntheilfcheinen geftiegen. Die mit
2135 Runftwerten befchidte Ausftellung wurde von 91 220 Perfonen befugt.
für die Derloofung wurden 67 Werte für 15 82S Mark angekauft, während
von Privatperfonen Erwerbungen im Betrage von 35 150 Mark gemadt
wurden. Als Dereinsgabe fam für die Verwaltungsperiode von 1895/97
auf jeden Antheilfhein ein Blatt der Radicung von W, L. Arndt nad dem
Gemälde von R. Cidftadt: ,,Bliicher empfängt bei Benappes die erbeuteten
Orden, Hut und Degen Napoleonga 1. zur DVertheilung. fiir die Ver-
waltungeperiode 1897/99 ift wiederum eine Dereinsgabe in Ausfiht ge-
nommen.
Trier. — Das Provinzialmufeum verdankt dem Grafen v. fürften-
berg-Stammbeim ein werthvolles und lehrreihes Befchent. Antäßlih der Be-
fihtigung der diesjährigen Ausgrabungen auf einen Grundftiide in der
Süd-Allee in Trier durch die Mufeumsfommiffion ftellte der Graf die Mittel
zur Anfertigung von Modellen der Ausgrabungen zur Verfügung. Die
Modelle wurden fofort in Angriff genommen, und zwar eines der ganzen
Bauanlage im Maßftabe 1:50 und ein genaueres von den Baderdumen
allein im Mafftabe 1:25. Diele Woden lang waren die Modelleure
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Mauern in Bips nadhzubilden und zum Ganzen zufammenzufügen unter be-
ftändiger Rontrole der Mufeumgleitung. Jet find die beiden Arbeiten
glüdlih vollendet und im Mufeum aufgefteilt, wo fie ein anfcaulides Bild
des intereffanten römifhen Bauwerfes bieten. Die Böden mebrerer unter-
fellerter Zimmer können abgehoben werden und geftatten das Studium der
woblerbaltenen Gewdlbefonftruftion der Keller. Aud der Boden des An-
fleideraumes im Bade läßt fidh abheben, fo daß man den Verlauf des Wafer-
abzugsfanals fowie eines Kanals einer früheren Periode ftudiren Pann. Die
Modelleure haben fid) die Mühe nicht verdrießen laflen, dem Bauwerk bis in
die Meinften Details nahzugehen, und fo ein Werk gejhaffen, das wirflid
die Wiljfenfhaft zu fördern im Stande ift.
Capel. — Der Gefhaftsberidt des Runftvereins verzeichnet einen
Mitgliederzuwahs von 146 Aktionären und 47 Mitgliedern, jo daß der Ge-
fammtbeftand SIS Aktionäre und 241 Mitglieder erreiht bat. Die ftändige
Ausftellung im Runfthaufe wurde mit 100 Runftwerfen befdidt. Rolleftiv-
ausftellungen bradten Meyer-Caffel, Willy Hammader, Felix
Poffart, Adolf Lins, Auguft Leu, Guftav Romin, Albert Brendel,
Smith Hald. Die große Ausftellung wurde mit S57 Nummern eröffnet.
Aus Dereinsmitteln wurde für 10 805, von Privatperfonen fiir 23 710 Mark
erworben. Die Ausgaben der Ausftellung betrugen über 3000 Mark, die
Einnahmen nod niht 2000 Mark. Jn Anbetracht diefer Unfoften, die fs
erheblich gejtiegen find, weil die Zahl der ausgeftellten Bilder von Jahr zu
Jahr währt, hält es der Dorftand für angezeigt, beim Derbande der Kunft-
vereine weftlid der Elbe dahin zu wirken, daß fünftighin die Anzahl der die
Wanderausftellungen des Verbandes mitmadenden Runftwerfe auf 500 be-
fhränft wird. Wird der Antrag angenommen, fo ftellen fid) die Verfandt-
foften wefentlic niedriger, und der fonds für Anfäufe wird jomit verftärkt.
Fernerhin aber wird die Wusftellung, da nun die Auswablfommifjion einen
firengeren Maßftab anlegen muß, vor einer Menge minderwerthiger und
mittelmäfßiger Stüdte bewahrt, und für die Fleinere Zahl läft fi eine vortheil-
baftere Aufitellung ermögliden.
Crefeld. — Der Jnnungsausfhug batte im Raifer Wilhelm-
Mufeum mit dem Direftor Dr. Denefen eine Zufammenkunft, in welder die
Frage, wie Sas Mufeum dem Handwerferftande musbringend zu machen ift,
eingehend erörtert wurde. Dr, Denefen bielt einen längeren Vortrag, worin
er ausführte, wie die Sammlungen des Mufeums befrudtend auf das Runft-
bandwerf wirken follten und Fönnten und wie befonders der Lefefact mit
feinen Zeitjriften und Dorlageblättern in Benugung genommen werden müßte.
Der ih an den Vortrag anfnüpfende Meinungsaustaufh führte zu mehreren
Dorfhlägen, die bezwedten, dem ganzen Handwerferftande die Schätze des
Mufeums nußbar.zu nahen. Ueber die Vorjihläge werden die zuftändigen
Rörperfhaften fih zu äußern haben. Jedenfalls liegt es im Gntereffe des
Mufeums fowobhl wie dea Handwerferftandes, wenn beide handinhand geben,
und es ift anzunehmen, daß den Wünfhen der Handwerker nach Möglichkeit
Rehnung getragen werden wird.
Magdeburg. — Der Runftverein bat feineAusftellung imletgten
Oberlihtfaal des Hädtifhen Mufenms wieder eröffnet. Sie umfaßt
außer dem großarligen Bemälde von Walter Leiftifow-Berlin ,, Abendftimmung
an einem Brunewaldfee" lediglic) Werke des Fünftlerifhen Steindruds und der
Malerradirung. Die Ausftellung iftvon großer Reihhaltigfeit, führt die Dresdener,
Münchener, Berliner, Karlsruher und Worpaweder Künftler und nicht minder die
bervorragendften Meifter des Auslandes vor; fie geftattet fomit, die beiden
Teönifen, die von den Künftlern der Gegenwart mit befonderer Vorliebe neben der
Malerei geübt werden, und vor Allem die Dielfeitigkeit und die Leiſtungskraft
der modernen KRünſtlerſchaft in dieſen Arbeiten auf Kupfer und Stein ein—
gehend fennen zu lernen.
Schwerin. — Im Mufeum iff cine Kolleftivausftellung von
Werfen von Hans Herrmann-Berlin eröffnet worden. Zwei derjelben be
handeln Entwürfe aus dem Lande der Deihe und Randle: „Fifhballe in
Atelier Hellhoff | Unterricht
in Seide-, Silber- und Goldstickerei
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‘Umfterdam" und ,,Die Maas bei Dordredt'. Das Benreftüd giebt uns ein
trefflides, wahres und wirfungsvolles Bild holländifchen Lebens und Treibens,
wie es gerade bei dem Fifhhbandel in feiner ganzen Eigenart zu Tage tritt.
Sowohl die menfhlihen figuren wie die leblofen Gegenftände find mit
Sorgfalt dargeftellt und die erfteren zu bübfchen Gruppen vereinigt. Die
Maas bei Dordreht zeichnet fidh duch eine treue Wiedergabe des befonderen
landfhaftlihen Charaktere aus; fehr fein ift der graue Ton getroffen, der
über der Waflerflähe, der Stadt und den Dünen oder Deihen im Hinter:
grunde lagert. Neuerdings hat Herrmann fih dem Studium unferer engeren
Heimath zugewandt, und zwar bevorzugt er, wie das bei feiner Fünftlerifhen
Dorliebe fiir die Riijte nicht anders zu erwarten war, die alten Hanfeftädte
und ihre Umgebung. Auf zwei größeren Tafeln bringt er das nnere der
Merienfiche in Wismar zur Anfhauung, während bei zwei fleineren Tafeln
der Fifherhafen von Wismar und ein Ausfdnitt aus der Umgebung Roftods
als Motive gedient haben.
Breslau. — Jm Runftgewerbeverein fam es im Anfhluß an einen
intereffanten Dortrag des erften Schriftführers, Malers G. Schieder, über das
vortrefflih eingerichtete und geleitete baverifhe Kunftgewerbemufeum in Nürn-
berg zu einer interefjanten Debatte über das zu errihtende Runftgewerbe-
mufeum. Geb. Rommerzienrath Websfy wies auf den doppelten Jwet hin,
dem das Breslauer Mufeum zu dienen berufen fei; daffelbe folle nit nur
eine WAuaftellung für funftgewerblidhe Erzeugniffe fein, fondern aud die
Sammlung des Mufeums felefifher WAlterthiimer in fih «aufnehmen. Auf
die Bitte des Herrn Rimbel um Austunft über den gegenwärtigen Stand
der Mufeumsangelegenbeit ergriff Oberbiirgermeifter Bender das Wort und
führte aus, daß man einen Vergleih mit dem reih unterftügten bayeriſchen
Runftgewerbemufenm niht anjtellen dürfe. Dort gäbe der Staat allein
75 000 Mark jährlihe Beihilfe, während bier leider nur 9000 Mar? p. a. in
Ausficht geftellt feien. Eine Bewißbeit, wenigftens diefe Summe zu erhalten,
habe man aber nod Feineswegs. Das Mufenm fei lediglih auf die Stadt
angewiefen. Diefe thue, was fie fönne, aber ihre Mittel für diefen Jwet
feien feine großen und Fönnten es and nicht fein. Es fei dringend erwünfjcht,
dak h nod andere bilfsbereite Faktoren für diefe Anftalt interefiiren. Auch
er glaube, daß, ähnlih wie in Nürnberg, ein Verein, der Antheilfheine für
Unterftiigung des Mufeums, beziehungsweife zum Anfauf von Ausftellungs-
gegenftänden ausgäbe, von großem, fegensreidem Wirken fein Fönne, Vielleicht fet
der Kunftgewerbeverein für ein foldes Wirken geeignet. Dor Allem warne er
davor, der neu zu gründenden Anftalt mit Mißtrauen zu begegnen. Man
nehme einftweilen von Rritifen Abftand, welde nur bemmen, aber in diefer
Sade niht fördern fönnen. Man bringe der Stadtverwaltung volles Ver-
trauen entgegen, bejtehbe dodh der Ausfhuß für das Runftgewerbemufeum
fat Surhweg aus Gewerbetreibenden, man fénne alfo ficer fein, dağ der
praftifde Theil gewahrt bleibe. Nod miiffe man fih anderwärts umfdanen,
Dergleidhe sieben, ehe man die innere Einrichtung in Angriff nebme. Es fei
felbftwerftindlid, daß, wenn das biefige Mufeum dem Bedürfniß dienen folle,
die anzuftellenden Beamten praftifhe Erfahrungen haben müßten. Indeß
würde der Beamtenapparat immer nur ein Beiner fein. 6—S Oberbeamte
genügen, davon fei einer nebft einigen Unterbeamten für das Mufeum
feblefifcher Wlterthiimer beftimmt. Man miijfe dem Verein für fehlefijche
Alterthümer für Ueberlaffung feiner Sammlung dankbar fein und ibm eine
widtige Stimme einräumen. Sei dadurh dod) der Brundftod für eine
Sammlung gelegt, fei dodh diefe Sammlung, theilweife Funftgewerblid, bödyft
wertbvoll, bis vielleiht auf die Gefäßjfammlung, für die ja auc nur die
untergeordnetften Räume, Ste Kellerräume, vorgefeben feien. Und follte fid
dao Mufeum in feinen Räumen, wie vielfad befiirdtet wird, als zu Plein
erweifen, jo ftebe nichts entgegen, daß es jpäter duch Anbau vergrößert
werde. Redner fhloß mit der Mahnung zu feifigem Wirken im Gntereffe
der Anftalt. Reider Beifall wurde ihm zu Theil.
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Der Vorstand.
Ein Beitrag zum Dres-
dener Ausftellungswefen.
Man hatte befanntlih in Dresden befdloffen,
im laufenden Jahre Feine offizielle Runftausftellung
zu veranftalten und ftatt deilen alle Rräfte auf
das Jahr 1899 zu fonzentriren. Dem gegenüber
beabficdtigt Ser Derein bildender Riinfiler zu
Dresden aud für das Jahr 1898 eine Bildeerfhau
zu Stande zu bringen, der ih Schwierigkeiten ent-
gegenzuftellen feinen. Ueber die Situation verlautet
nunmehr folgendes: ,,gm Juni erhielt der Verein vom
afademifhen NRathe die Mittheilung, daß im Jahre 1898
feine afademijche Ausftellung ftattfinden werde. Da
der Dorftand der Anfiht war, daß es eine fehwere
Schädigung des Dresdener KRunftlebens fein würde, wenn im Jahre 1898
feinerlei Ausftellung ftattfinde, daß feine Paufe eintreten dürfe, nachdem
eben erft die allgemeine Aufmerffamkeit in nahdrüdlichfter Weife durch
die internationale Runftausftellung auf Dresden bingelenft worden fei, und
daß außerdem die Lebensinterefien Ser Riinfiler es verlangen, alljabrlid
ihre neugefchaffenen Werke zuerft in Dresden auf einer Ausftellung vor-
führen zu Rönnen,” welche geeignet if, das Jntereffe weiterer Rreife zu be-
anjpruden, fo erfchien es als eine Pflicht des Vereins, hier einzutreten und
felbft eine Ausftellung ins Leben zu rufen. Die einzigen für eine ſolche
Ausftellung verfügbaren Räume find für 1898 die des Sädjijden Runft-
vereins. Diefer hatte bereits früher durch Herrn Runfthandler Holft meb-
tere Mitglieder des Dereins aufgefordert, eine Rolleftivausftellung in
feinen Räumen zu veranftalten; es war aber damals nit möglih gewefen,
diefer Aufforderung nadzufommen. Man erinnerte ih jet diefes Anerbietens
und glaubte dem vorhandenen Ausftellungsbedürfnig für 189S Surh Der-
anftaltung einer Rolleftivausftellung im Sadfifcen Runftverein wenigjtens
einigermaßen zu entfprehen. Um das Fnterefe an der
Augftellung zu erhöhen, follten einige auswärtige Rünft-
ler hinzugezogen werden. Der Dorftand erhielt auf eine
diesbezüglihe Firfularumfrage bei den Mitgliedern des
Dereins im Juli vorigen Jahres nur zuftimmende Ant-
worten und legte deshalb, nahdem er fi zuvor mit dem
Direktorium des Sähfijhen Runftvereins ins Einvernehmen
gefetzt hatte, die Ausftellungsangelegenheit der aufer-
ordentlihen Beneralverfjammlung zur Befhlußfaflung vor,
welde dann einftimmig erfolgte. Nachdem diefer Be-
fhluß bekannt geworden war, wurde vom Réniglid
Sähfifhen Minifterium des Innern dem Derein Ste Frage
zur Erwägung anheim gegeben, ob dur Veranftaltung
diefer Kolleftivausftellung im Sähfifihen Runftverein die
für 1899 geplante deutfch-nationale Runftausftellung nicht
gefhädigt werden tönne.
Der Verein bat in der Beantwortung dtefer Frage zu-
nadft das Bedirfnif für die alljahrlide Abhaltung einer
Runftausftellung in Dresden betont und darzulegen verjudt,
daß durd eine Ausftellung 1898 das Kunflinterefje für
Dresden nur wadgebalten und gefteigert werde und injofern
der Ausftellung 1899 daraus ein Vortheil, aber fein
Schaden entjtünde. ferner ift auf das Ausftellungswejen
in Münden und Berlin hingewiefen worden, mit denen
Dresden dod allmählih in Konkurrenz treten will. Jn
diejen Städten werden alljährlih Ausftellungen abgehalten,
welde oft mehrere Taufend von Runftwerken zählen, ohne
daß man daran denkt, eine folhe Ausftellung einzufhränfen
oder gar wegfallen zu laffen, wenn für das nädftfolgende
Jahr ein noch größeres Unternehmen geplant ift.
Deutfhe Runft.
Dis Meier:
Dresden würde fih alfo als Runftftadt fein riihmlides Zeugniß ausjtellen,
wollte es die deutfh-nationale Ausftellung 1899 durch eine Rolleftivausftellung des
Dereins bildender Rünftler Dresdens im Sädjfifchen Runftverein ISIS gefährdet
halten. Der Derein bildender Rünftler hat fih aber als produftionsfähig genug
erwiejen, um felbft mehrere in demfelben Jahre ftattfindende Ausftellungen Forpo-
rativ 3u befhiden; um fo mehr darf man ihm 3utranen, Ausftellungen in
zwei aufeinanderfolgenden Fahren ausgiebig befhiden zu fönnen. Die
von dem Rénigliden Minifterium in Betreff unferer Ausftellung gebegten
Bedenken find dann aufgegeben worden. Ende Oftober diefes Jahres wurde
der Derein duch das vorläufige Comité für die deutfch-nationale Ausftellung
1899 aufgefordert, drei Dertreter in diejes Tomite zu entjenden. Aus dem
Schreiben ging hervor, daß von verjhiedenen Korporationen zufammen
11 Dertreter gewählt werden follten; außerdem war befannt geworden, dağ
dem vorläufigen Comité nebft denen, welde von diefem noch fooptirt werden
follten, wenigftens ebenfoviel Perfonen angebsrten, fo daß das Befamtcomite
aus einigen zwanzig Mitgliedern befteben würde. Eine Vertretung urh nur
drei Mitglieder an einem fo grofen Comité fien aber dem Verein niht von
Werth und der Stellung nicht zu entfprehen, die er fih durh das, was er
in den legten Jahren für die Entwidelung des Dresdener Kunftlebens gethan
bat und vor Allem durch die Bedeutung feiner Betheiligung an den legten
größeren Dresdener Ausftellungen errungen hat. Außerdem waren nad den
bei der internationalen Ausftellung gemadten Erfahrungen Befürchtungen in
Betreff einer einwandfreien Bejchäftsführung vorhanden. Da der Verein nicht
wufte, ob das Comité fiir 1899 fic bereit finden lafjen würde, annebmbare
Bedingungen fiir die Entfendung von Vertretern ihm zu ftellen oder zu gee
gewähren, fo bielt er es für daa Ridtigite, zunädft auf die Entjendung zu
verzichten und abzuwarten, ob das Comité ein Entgegenfommen zeigen würde.
Die Ausftellung felbft follte, falls dem Verein diefelben Rechte wie anderen
Rorporationen zugeftanden würden, bejhidt werden. Die ftarfe Aufwärts-
bewegung, in der fic) das Dresdener Runftleben zur Feit befindet, bringt
nothwendigerweife Unrude und Unregelmafigteiten mit. fid, an Stelle der
alten C€inridtungen miiffen folde treten, die den neuen
Derhältniffen entfprehen, es treten Derfdhiebungen ein und
es wird einige Jeit dauern, bis aus der Gährung Inſti—
tutionen von fefter und Plarer ‚form hervorgegangen find.
Ein Zuftand wie der jegige ift auf die Dauer nicht haltbar.
€s werden jekt in unbejtimmten Zwifhenräumen grö-
Bere Ausftellungen veranftaltet, die geplant werden ohne
Hinzuziehung der Rünftlerfchaft, mit denen diefe vielmehr
als mit einer fon fo gut wile befdloffenen Thatfadhe
überrafht wird. Wollen nun die Rünftler in den Zwifchen-
räumen ihren Bedürfniffen entfprehend eine Ausftellung
veranftalten und fih bemühen, das funftinterefje wad zu
erhalten, jo werder ihnen Hinderniffe in den Weg geftellt,
um ihre Abficht zu verwirklihen. Daß die Rünftlerfhaft
auf die Erfüllung ihrer eigenen Wünfche gänzlich verzichten
und ruhig abwarten foll, was über fie befdlofjen wird,
tann gerechterweife Yliemand verlangen. Soll das Dres-
dener Runftleben in gefunder Weife fid weiter entwideln,
fell niht das, was bis jegt mübjam in einer längeren
Reihe von Jahren errungen worden ift, wieder verloren
geben, fo muß an Stelle des jebigen ungewillen fprung-
wiifen Dorgebens mit Ausftellungen ein beftimmtes Pro-
gramm treten, nah dem in Zukunft das Ausftellungswefen
zu regeln ift, und zwar muß die Rünftlerjhaft an der
Aufftellung diefes Programms betheiligt fein. Aud
die Bildung von Ausftellungsfommiffionen durch Per-
treter aller Riinftlervereine fann zur Fufriedenbeit Aller
gejheben, wenn der Brundfat aufgeftellt wird, daß auf jefo und
fo viel Mitglieder eines Vereins, weldhe an den drei legten
O> allgemeinen Dresdener Ausjtellungen fic betheiligt haben, je
178
Deutfdhe Runft
ein Vertreter zu wählen if. Gn abhnlicder Weife werden fdon feit Jahren
die Preisridter für alle größeren Ausftellungen gewählt. Ein Comité, um
defen Zufammenfegung die Rünftlervereine nicht befragt werden und in dem
die Dertreter derfelben eine Minorität find gegenüber einer Najorität, die von
denen, welde die Ausftellung angeregt haben, gebildet werden, ift niht ge-
eignet, die Rünftlerfhaft für eine freudige Mitwirkung zu gewinnen. Ohne
Zweifel fteht den Deranftaltern einer Ausftellung das Recht 3u, ein Comité
ganz nad eigenem Belieben zu bilden. Sobald aber die Riinftlervereine als
Mitveranftalter binzugezogen werden, fobald man überhaupt mit ihnen —
die fclieflid dod) die Dresdener Abtheilung in der Hauptfahe zu Stande
bringen — rechnet, wird man fie auh um die Zufammenfegung des Comités
fragen müffen, wenn man ein erfprießlihes Zufammenarbeiten ermöglichen
will. Ein rüftiges Fortfehreiten der biefigen Aunftverhältniffe it nur bet
einem freudigen Sufammenwirfen aller betheiligten Kräfte möglid, diefes ift
aber nur auf dem eben angegebenen Wege zu erreihen. Reibung tft gut und
erhält frifh, wenn ein idealer Wettbewerb daraus entfteht; in der Weife, wie
fie jet der Rünftlerfhaft aufgezwungen wird, fann fie nur lähmend wirken.
Die Sortfdhritte der Photographie im Jahre 1897.
Im vergangenen Jahre hat die Photographie ungehenere Fortfihritte
gemadt.. Zn den Anfang des Jahres fiel die Entdedung der Röntgen-
firahlen, deren Anwendung jegt fhon eine weitverbreitete große ift. Jn der
Telephotograpbie oder Fernphoto-
graphie ift es dem Wetteifer der
optifhen Werkftätten, befonders
derer von C. Steinheil Söhne in
Münden und Rarl Zeiß in Jena,
gelungen, mittels befonders fom-
binitter Linfenfyfteme photogra-
pbifhe Objektive zu fdaffen, mit
denen man Photogramme von
einem mehrere Rilometer weit ent-
fernten Orte mit Leichtigkeit an-
fertigen Pann. Mit einem guten
Teledejeftiv ausgeriiftet ift es 3. B.
möglid, von Potsdam aus Berlin
mit Rathhaus, Reidstagsgebaude,
zahlreihen Richen u. f. w. zu photographiren. Derartige fernphotographien
find fhon vielfah im Handel zu erhalten.
Aud die Meteorologie hat gelernt, die Photographie als Kontrole ihrer Be-
obadtungen zu benugen. Der Sranzofe Chilletet hat einen Apparat ton-
firuiet, der an den meteorologifhen Derfuhsballons angebraht wird und
gleichzeitig in fehr furzen FZwifhenräumen ein genaues Photogramm des
Erdbodens, über dem er jhwebt, fowie eines Aneroid-Barometers aufnimmt.
Dadurd ift es mit Leiihtigfeit möglich, genau den Weg des Ballons zu ver-
folgen und zu beftimmen, über welden Ort der Ballon fih in der vom
Barometer angezeigten Höhe befunden bat. Serner ift hier noh die fogenannte
„Lebende Photographie" zu erwähnen. Wir verfügen jett über 25 ver-
fhiedene, patentamtlih gefhüste Apparate, die uns im kurzer Zeit fo viel
verjchtedene, aufeinanderfolgende Aufnahmen zeigen, daß wir wirllid die
Bilder „leben“ fehen. Die Apparate beruhen alle. auf demfelben Prinzip,
dem der , Lebensrddet" oder ,,Footrope''; fie haben aber die verfchiedenften Namen,
wie Rinetograph, Rinetoffop, Rinematograph, Rinematoftop, Rinephotoffop u. f. w.
Die Wiffenfhaft bedient fih des Rinematographen neuerdings mit gutem
Erfolg; 3. B. zu Aufnahmen nerventranfer Perfonen, wodurh uns zum
erten Male ein Seutlidher Einblic in die Romplizictheit gewiffer Bewegungen,
wie fie 3. B. bei Gewobnbeitstrintern auftreten, gewährt wird. — Eine der
intereffanteften Neuerungen, welde der geologifhen und geographifchen Wiffen-
fhaft neue Gebiete erjchließen, befteht in der „Photographie unter Waffer".
Dem Brafilianer Boiteug ift es geglüdt, einen Apparat zu fonftruiren, mit
dem ein Taucher bis auf drei Meter Entfernung Begenftände unter Wafer
photographiren fann. Die Beleuchtung wird dabei duch eine elektrifhe
Glühlampe geliefert, die am Helme des Tauders befeftigt ift und von
‘Uffumulatoren oder einer Meinen Dynamomafchine gefpeift wird, die fid an
Bord des betreffenden Schiffes, von dem der Taucher hinabfteigt, befindet.
Die Photogramme follen ebenfo Mar fein, wie die bei Tageslicht auf-
genommenen. Es ift wohl mit Bewißheit anzunehmen, daß man duch
zwedmäßige Derbefjerung des pbotographifhen Apparates und des Be-
leuhtungsförpers auh Begenftände unter Wafler wird aufnehmen fönnen,
die weiter als 3 Meter vom Apparat entfernt find.
Endlid ift noch ein neues Derfahren in der farbigen Photographie, weldes
von Profeffor Gabriel Lippmann in London eingeleitet wurde, zu erwähnen. Es
foll banah die Aufgabe gelöft fein, alle Farben durch ein direftes Der-
fahren und durd eine einmalige Erpofition zu photographiren. Lippmann
bat auf diefe Weife das Sonnenfpefttum, Landfhaften, Blumen und Por-
traits in ihren natürlihen Farben abgebildet. Entwidlung und Sigtrung der
Platte gefchehen auf dem gewöhnlichen Wege. Als Platte wird eine folde
aus Bronzegelatine oder Godfilber benugt, und es ift feine andere liht-
empfindlihe Subftanz weiter nöthig, die einzig nothwendige Bedingung hin-
fihtlih der Platte befteht in deren Duchfitigkeit und gleihmäßigen Blätte.
Dir Hauptfade if, daß die lihtempfindlihe Schicht in Berührung mit einem
metallifhen Spiegel fein muß, was dadurch erreicht wird, daß der Rahmen
von hinten mit Quedfilber gefüllt wird, weldes Metall eine vollfommene
Berührung mit der empfindlihen Schicht eingeht. Nadh der Erpofition läßt
man das Quedfilber wieder ausfliegen, nimmt die Platte heraus und be
handelt fie mit Pyrogallusfäure, mit Amidol oder einem anderen bekannten
Entwidler.
— Am 25. Januar I898 begann im Rudolph Lepte'fhen Runft-
auftlonshaufe in Berlin die Derfteigerung einer Runftfammlung, die wohl
zu den bedeutendften der Saifon gehört. Sie ftammt aus dem Befiz eines
deutfhen Reihsgrafen, der den berechtigten Ruf eines Aunftfenners und be-
deutenden Sammlers genießt. Der reihilluftrirte Ratalog verzeihnet unter
den 1037 Nummern die Sammlung alt-franzöfifher Bobelins, von denen drei,
die Eberjagd nad Rubens, Antonius und Kleopatra (in der Art ses Le Brun),
die Brablegung des Darius, zu den bedeutendften und foftbarften ihrer Art
gehören. Rund 600 Nummern umfaßt die Sammlung von Tertilien und
Stidereien aus allen Zeiten von der Renaiffance bis zum Empire. Daran
reiht fih eine große Anzahl foftbarer und feltener perfifher Bebetteppidhe.
Weiter verzeichnet der Ratalog foftbare antife Möbel, Waffen, Elfenbein- und
Holsftulpturen, fllberne Befäße, Bronzen, Denezianer Bläfer u. f. w.
— Ein aus Edelmetall getriebener Tafelauffag, bei deffen Herftellung
etwa 18 Pfund Silber verwendet wurden, gelangte im Mündpener Runftgewerbe-
haufe zur Aufftellung. Don einem Oval, das ein goldener Aranz von
‚Frühlingsblumen belebt, erheben fih aus dem zu leichten Wellen geformten
Silber langftielige Seerofen, auf denen, Surh die Blätter gebildet, zwei große
und zwei Peine Schalen ruben. Ueber diefen thronen zwei Löwen, deren
einer das baperifche, der andere das Mündener Stadtwappen halt. Zwifchen
Löwen und Sdaalen fteigt eine gebündelte Garbe von Gerftenähren empor,
umrantt von einem freifhwebenden Rranze von Hopfendolden. Das Ganze
wird gekrönt von einer Amorette, die in den ausgeftredten Armen ein Sprud-
band trägt und auf einem Schnedenhaus fteht, deffen Jnfaffe neugierig die
Hörner ausftredt. Der Tafelauffag wurde vom Auffihterath der Löwen-
brauerei dem Direftor diefes Etabliffements Rommerzienrath Hertrih aus
Anlaß feiner Dermählung zum Befchenfe gemadt. Neben praltifher Ver-
wendbarfeit zeichnet fih das Prunfftüd durch eine flotte Rompofition aus, in
der Andeutungen auf die Spender und den Befchentten glüdlih verwendet
find und darf als eine Probe für das tüchtige Streben und Aönnen des
Herrn Steiniden gelten, von dem Entwurf und Ausführung berrühtt.
— In Münden wird am 7. Februar die Derfteigerung des Fünftierifhen
Nadlaffes von dem verftorbenen Bildhauer Profeffor Joh. Chr. Hirth ftatt-
finden. Der Ratalog feiner Werke wird u. A. das Bildnif des Derftorbenen
fowie 34 Abbildungen aus ca. 200 Originalwerfen in Marmor, Bronze 2c.
enthalten und foll feiner fünftlerifhen Ausftattung halber fowobl für die
freunde Hirth's ein bleibendes Andenken bilden, als and den Gntereffenten
jeden nöthigen Auffhluß bezüglih der Erftehung und der Dervielfältigunge-
rechte der Werke geben.
— Qn ben nenerdffneten Runftfalons von P. H. Beyer & Sohn in
Leipzig wurde neben Werken der neueren Runft aud eine Sammlung mufter-
giltiger und fhöner Stüde in Rupfertreibarbeiten von €. Steinmüller - Lohr-
Münden ausgeftellt, unter welden fih Schalen, Schreibzeuge, Meine Platten
befanden, die mit ftilifirten Pflanzenmotiven und Thieren aller Art gefhmüdt
find. Auf welke Stufe fünftlerifher Geftaltung fidh felbft weiblihe Nadel-
arbeiten heben laffen, davon gaben die von der Prinzeffin Tantacuzcene-
Münden ausgeführten Stidereien auf Riffen, Deden 2c. ein treffendes Bild
Deutfhe Runi.
Arbeiten, die unferen funftfertigen Damenhanden zur Nadeiferung empfohlen
werden fönnen.
— Gn der Bibliothe® des Leipziger Runftgewerbe- Mufeums war
eine größere Anzahl farbiger Entwürfe fiir Buddedel von einer
Berliner Rünftlerin, frl. Theodora Onafh, ausgeftellt. Die durchweg modern
gehaltenen Arbeiten verrathen ein ftarf perfönlihes Talent und ein bereits
hodentwidelies tehnifhes Können. Die pflanzlihen Zlerformen laſſen bei
aller Freiheit und Riihnheit der Stilifirung allenthalben ein gefundes, griind-
lihes Naturftudium erfennen. Neben Pflanzenmotiven verwendet die Rünftlerin
179
aud fdlidte, in wenigen fräftigen Strihen gegebene, fühn verkürzte und
eigenartig beleuchtete landfhaftlihe Motive zur Füllung der Zierfläden.
Der Hauptreiz ihrer Arbeiten beruht in ihrer farbigen Stimmung; die Rünftlerin
wählt ihre ‚Farben mit feltenem fFeingefiibl.
Weiterhin waren neu ausgeftellt die Nahbildungen nad den bekannten
altrömifhen Silberfunden von Bernap-Hildesheim und Boscoreale in galva.
nifhen Abgiiffen in verfilbertem und theilweife vergoldetem Rupfer — von
Chriftofle in Paris bergeftellt. Die Yahbildungen nah dem Shak von
Boscoreale find in Zinnguß ausgeführt von der Parifer firma Hael
u. Hourdep jun.
Ces Preisbewerbungen. —<?>
— Gn Raffel gelangten vom 23. bis 29. Januar die Entwürfe für
ein dafelbft zu errihtendes Denkmal Philipps des Grofmiithigen zur
öffentlihen Ausftellung. Der gefhäftsführende Ausfhuß hatte von der Aus-
febreibung einer allgemeinen Konkurrenz abaefeben und fih auf die Ver-
anftaltung eines engeren Wettbewerbes befhränft. Es waren hierzu neun
Rünftler eingeladen, von denen die Profefforen Begas (Raffel), Edtermever
(Braunfhweig), Eberlein (Berlin) und Maifon (Münden), letzterer aus
Rrankbeitsrüdjichten, ibre Betheiligung ablehnten, fo daß nur fünf Künftler
und 3war Profeffor Janenfh (Berlin), Bildhauer Ludwig Lauer (Berlin),
Everding (Raffel), Riirle (Berlin) und Ro (Charlottenburg) ihre Arbeiten
einreidten.
— fiinf der hervorragendften deutfdhen Bildhauer werden semnadft im Aufe
trage des Braunfdweigifdhen Landtages 3u einem Wettbewerbe fiir ein Herzog
Wilbelm-Dentmal in Bronze aufgefordert werden. Der legte Braun-
ihweigifhe Welfenfürft foll zu Pferde in Braunfhweigifcher Uniform dare
aeftellt werden. fiir die Sodel-Ausfhmüdung follen die Motive den
Segnungen der Regierung des Herzogs entnommen werden, die fpezielle Aus-
wahl und Beftaltung bleibt dem Ermefjen der Rünftler überlaffen. Als Platz
ift die (Oft-) front der Burg Danfwarderode nad dem Rubfauthenplag ans-
erfehen worden. fiir das Denfmal find 225 000 Marf ausgeworfen, aus-
f&hließlih der Roften des Wetibewerbes und einer angemeffenen Aus- bezw.
Umgeftaltung der Umgebung des Denkmals. c.
— Die Ausftellung der 55 Wettbewerbsentwiirfe für den Bau eines
neuen Rurhaufes in Wiesbaden gewährt dem Befchaner ein intereffantes
Bild von der eigenartigen Ridtung der modernen monumentalen Arditeftur
in Deutfhland. Die Preisrihterfommiffion fonnte fih trog der gropen Aus-
wahl mit dem Ergebniß der Aonkurrenz nicht befriedigt erflären und mußte
daber eine Anzahl guter Entwürfe prämitren, ohne einen derfelben zu em-
pfeblen. Der erfte Preis wurde Sem Bremer Arciteften H. Maenz zu-
erfannt und 3war in folge des reizvollen arditeftonifhen Aufbaues der
Faffaden und der ebenmäßigen Durdbildung der Innen-Architeftur. Der mit
dem zweiten Preis gefrönte Entwurf rührt von den Bafeler Arditekten
Huber und Hanfh und dem Wiesbadener f. Werz her. Er löft die
geftellte Aufgabe in eigenartiger Weife dmh eine bufeifenartige Brundriß-
form, wodurd eine fehr reihlihe Lichtzuführung bewirft wird. Den dritten
Preis bat ein Frankfurter Arditeft, Herr W. Msffinger, davongetragen.
Ein weiterer „Dritter Preis‘ ift ferner nod dem Arditeften Slawsti-
Karlsruhe zugetheilt worden. Endlih wurde von der Rommiffion nod je
ein vierter Preis Herrn Arditet Jacobi in Wiesbaden und den Herren
Ruder und Müller in Straßburg zuerfannt, und die Entwürfe der Herren
Spannagel- Münden, Mar Fritfche - Wiesbaden, Hubert Stier-
Hannover und Schulz und Shlihting in Berlin zum Ankauf empfohlen.
— Die Redaktion der Wiener Wodhenfdrift „Die Wage
fegt einen Preis von 200 Kronen aus für den beften Umfchlagentwurf;
(Papierformat 24 X 55 Tentimenter, feder- oder Tufchezeihnung auf ein-
farbigem Grunde). Die. Bedingungen find die üblihen: Ylame in gefhloffenem
mit Motto verfehenem Rouvert. Das Preisridteramt haben übernommen die
Herren Rarl Colbert, Ferdinand Broß, Ludwig Hevefi, Dr. Rudolf Letbar,
Hofrath Direktor Scala, Profeflor Adalbert f. Seligmann. Die Einfendungen
find bis jpäteftens 15. Februar 1898 an die Redaktion der Wage" (IV Heu-
gaffe 1S) zu richten.
— für die deutfhe Runftausftellung zu Dresden 1899 ift ein
farbiges Plafat berzuftellen, das in originaler gemeinverftandlider und
witffamer Weife auf die Ausftellung aufmertfam madt. Zur Erlangung ge-
eigneter Entwürfe für diefes Plakat wird ein Wettbewerb unter den deutjchen
Rünftlern ausgefchrieben, für den folgende Bedingungen gelten: 1. Die
fpäteftens am J. April 1898 bei der Ausftellungsfommiffion (Dresden,
Roniglide Runftafademie auf der Brühl'fchen Terrafje) einzureichenden Ent-
wiirfe müffen in der Hauptansdebnung niht unter SO Zentimeter und nicht
über | Meter groß und nicht bloß Skizzen, fondern fo fertig geftellt fein, daß
die Dervielfältigung unmittelbar nach ihnen erfolgen fann. 2. Es wird em-
pfohlen, darauf Rüdfiht zu nehmen, daß die Vervielfältigung der Entwürfe
einfhließlic der Ronturenplatte nicht mehr als fünf Platten erforder. 5. An
Schrift hat das Plafat nur zu enthalten die Worte: Deutjhe Runftausftellung
Dresden 1899 im ftädtifhen Ausftellungspalafte vom 1. Mai bis 15. Sep-
tember. 4. Die nad dem Urtheile der Ausftellungsfommiffion beiden beften
Entwiirfe, welde obigen Bedingungen entjprehen, werden mit Preifen von
800 und 300 Mar? ausgezeihnet. fiir diefe Preife geht das Cigenthum
und das Redht zur Dervielfältigung der zwei ausgezeihneten Entwürfe an die
Ausftellungsfommiffion über. 5. Die Entwürfe find ohne Nennung des
Namens der Urheber und ohne Monogramm oder fonftige Aennzeihen der
Urheber einzureihen, aber mit einem Rennworte zu verfeben. Ein gleid-
bezeichneter verfcloffener Umfhlag hat Namen und Wohnung des Urhebers
zu enthalten. Die Umfchläge der preisgekrönten Entwürfe werden erft nad
Ertheilung der Preife eröffnet. 6. Die Urheber nicht ausgezeihneter Ent-
würfe find beredtigt, fie nad dem 1. Mai 189S zurüdzufordern. Die Rom-
miffion fiir die deutfche Aunftausftellung zu Dresden 1899. Gotthard Auehl,
J. Dorfigender. Hermann Prell, 2. Vorfitender. Paul Riefiling, J. Schrift⸗
führer. Dr. Cornelius Gurlitt, 2. Schriftführer.
— Ein Rembrandt- - Preisausfchreiben ift von Teylers Tweede Benoot-
fhap 3u Haarlem ausgegangen. Es foll nämlid I eine möglidft voll-
ftändige, nad dec Zeit-Ordnung aufgeftellte befchreibende Nahmweifung der
Feimnungen Rembrandt's gegeben werden, fowohl derjenigen Jeih-
nungen, die fhon urh Lidtdrud oder auf andere Weife wiedergegeben
worden find, als aud derjenigen, die, weniger bekannt, fih in öffentlichen
oder privaten Sammlungen befinden. Tazu 2. eine genaue Befhreibung des
Dorwurfes, der Ausführungsart (unter Angabe der Maße und der Be-
3ieþungen 3u anderen Zeihnungen, Radirungen und Gemälden unter mög-
lihfter Angabe der Zeit der Entftebung, der jerigen und früheren Be-
wabrungsorte und der bergeftellten Reproduftionen). Dem DVerzeihnig muß
vorangehen eine Darftellung der Art Rembrandt's zu zeihnen in feinen ver-
fhiedenen Lebensperioden. Der Preis befteht in einer goldenen Ehrenmünze
im Werthe von 400 Gulden und einer aufergewdhnliden Beihilfe in baar
von gleider Höhe zu den für den Forfher unvermeidlihen Roften. Das
Preisausfchreiben erfennt an, daß in Deutfhland fiir die Reproduftion
pon Rembrandt'fhen Zeihnungen das meifte gejhehen jei. (Lippmann,
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PIPPI
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Wir machen befonders darauf aufmertfam, daß eine Anzahl der Semnacdhft erfcheinenden Nummern der
„Deutjchen Runft* in Cert und Jlluftration einzelnen in fich gejchlofjenen
Ces Künfler-Gruppen —TI
gewidmet fein werden. Wir glauben fo unferem Ziele, ein anjchauliches Bild modernen Runftfhaffens zu
geben, am beiten nahe zu fommen. Jn Vorbereitung ift zunächft ein Heft
„Die Dadjaner‘“,
ein Name, unter Sem fic) die Maler Frig von Ubhde, Dil, König, Kanghammer, Hölzel in verwandtem
Streben zufammengefunden haben.
Ferner haben wir die Abficht, den weniger befannten
Privatgalerien der Annftcentren
befondere Aufmerffamfeit zu fchenfen und ihre Schäge den Kunftfreunden in Abbildungen zugänglih zu maden.
Wenn bier auch die ältere Runftübung in Frage fommt, fo gedenfen wir dod) nicht über die Grenze unferes
Jahrhunderts hinauszugehen, um niht in das von anderen Jeitfchriften gepflegte Gebiet der Runfthiftorie
überzugreifen.
i Aud an die Sammler Punftgewerblicher Arbeiten, die geeignet erfcheinen, auf das Runfthandwerf
anregenden Einfluß auszuüben, richten wir die Bitte, uns die Abbildung ihres Befizes zu ermöglichen, der fich
früher oder fpäter zu zerjtreuen pflegt und fo feinen inneren Zufammenbang verliert.
Berlin, im Februar 1898.
Die Hedaklion der „Deutihen Kun“.
Dr. Georg Malkowsky.
eutſche Kunſt.
Beiblatt: Das Wtelier.
Slluftrirte Seitichrift für das gefammte deutiche Kunitichaffen.
Central-Organ deutfcher Runft: und Rünftler-Dereine.
Alle 14 Tage erfcheint eine Nummer. Herausgegeben pon Alle 14 Tage erfheint eine Nummer.
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Publifationsorgan des — Kae in Berlin, des —— ee in Breslau, des ——— für das PAPEN Heffen in Darmftadt, des Anhaltifhen Runfts
vereins in Deflau, des Württembergifden Runftvereins in Stuttgart, des Schleswig - Holfteinifden Runftvereins in Riel, der Runftvereine in Münden, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera,
Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Börlik, Danzig, Rönigsberg, Stettin u. a.
Mr. 10. 15. Februar 1898. II. Jahrgang.
C Nitolaus Geiger., —<&—D
Pon Jarno Jeffen.
D en großen Riinftler madht vor Allem die große Seele. einer zehrenden Krankheit der legten Jahre. Mit 49 Jahren,
oF ile das Waarenhaus Wertheim durfte Meldior Lecter als ihm nad heißem Ringen faum des Lebens gutbefegte Tafel
als Symbol die launiſchſte aller Göttinnen, die Mode, gedeckt ſtand, hat er abſchließen müſſen. „Wenn er jetzt noch
SE Es ſteht ſchlimm reden könnte“, ſagt ſeine ver—
um die Kunſt, wenn ihre ſtändnißvolle Gattin, „würde er
Jünger ſolchem Götzen huldi— nur klagen, daß er nicht weiter
gen. Vor wenigen Wochen zu ſchaffen vermochte.“
iſt dem deutſchen Volk in Innerhalb der neuen Kunſt
Nifolaus Geiger cin Meifter ent- bat fic) Nifolaus Geiger zu den
tiffen worden, deffen Gottheit Modernften gezählt. Wir fön-
das Ideal war. Er gehörte zu nen ibn als folden nur unter
denen, die abfeits von der Heer- dem Geficdtspunft eines aus-
ftraße ibre Rlaufe einrichten. ge(prodencn Subjeftiviften gel-
Hat ibn der Rampf um die ten laffen. Ein Dogma bat
Exiften; aud) unerbittlid) immer ihn niemals befdrantt. Den
in den Dienft des Tages ge- Begriff der Antike als den des
riffen, feine Schöpfungen find „latenten Befühlsausdruds‘
innerli ungetrübt geblieben. lehnte er energifh ab. Wintel-
Rein und vornehm, wie er als mann’s Kanon der ,,ftillen
Menfd) lebte, erfchlieBt er fid Größe darf an ihm nidt er-
uns in feinem Werk. Ueber- probt werden. Geiger wollte
bliden wir Nifolaus Geiger's das ftarfe Fühlen und feine
Arbeit von dem „Ecce homo“ ftarfe Verkündigung. Zu Ca-
feiner Knabenzeit bis zu den ca. nova's, Raudy’s bellenifirender,
dreißig Skizzen feines legten Gefolgfhaft gehört er nicht.
Tages, fo überrafht und ent- Dennod) war aud er ein Epi-
züdt uns der Nuancenreihthum gone, weil er trog aller Natura-
feiner Empfindungsffala. Die lismen den Wohllaut der Linie
Snbrunft des gotttrunfenen Ra- erftrebte. Und wohl allem fünft-
tholiten bat ihn erfhauern laffen lerifhen Schaffen, daß fidh,
wie die Ceidenfhaften desStaub- wenn aud) fcheinbar unbewuft,
gebornen. Ein bewegtes Pano- die Gefeke einer großen Der-
rama feelifher Bebilde zeigt gangenheit vererben! Ebenſo
ibn als Herrfher der Höhen wenig zählt Geiger zu den
und Tiefen. Jom it nidts Anhängern des raufchenden
Menfclices ferngeblieben, aber Barodftils unferer Schlüter- und
cs mies ihn unfehlbar zur Begasfhule Jedoh aud bier
Höhe. Eine bedeutende Anzahl finden fidh häufig in dem ma-
vollendeter Schöpfungen, eine lerifhen Schwung vieler feiner
fülle faum überfehbarer Ent- Schöpfungen verwandte Töne.
würfe und Skizzen ift als feine Die fülle feiner Pbantafie,
gefammte That binterblieben. Er ER a der von Jugend auf gewöhnte
Reiner Schaffensdrang zwang dekorative Pomp fatholifher
ihn 3u raftlofer Arbeit trog Henni Geiger, Portraitbüfte Nikolaus Geigers. Umgebung und feine ausge-
182
Deutſche Runf.
fprodene Begabung zum Maler wirkten in dSiefer Richtung.
So fehen wir Nikolaus Geiger in fouveräner Selbftbeftimmung
feiner Rünftlermifiion folgen. Jn einem feiner beredteften Werke,
der „unfpiration‘, fonsipirte er fiir Sie Cragerfiguren als Ure
bedingungen Ffünftlerifhen Schaffensdranges „Leidenfhaft‘ und
„Energie, die Büften der „Anmuth* und „Würde follten fie
umgeben. Symbolifh bat der Riinftler hierin das eigene Werk
gefennzeihnet als den Ausdrud eines ftarfen Cemperamentes,
das die Brazien zügeln.
für die Beftimmung zum Rünftler zeugt Geiger’s ganzes
Leben. Als Sobn eines fatholifdhen Siebmadhers ift er am
6. Dezember 1349 in Bayern, im Städtchen Lauingen, geboren.
Während feiner Volksfhulzeit weilte „ser goldlodige Bua mit
Vorliebe jeden freien Augenblid in der Pfarrkirche. Einige
Holzfhniterbeiten und ein paar fhwadhe Jmitationen Tiepolo's
wirkten vorerft auf feine empfängliden Sinne. Als Bolsfhniter
bat er fein Leben lang gearbeitet. Die geiftreihe Brillanz
Tiepolo’s, des „legten Denetianers,, fiheint felbft in ihrer un-
bedeutenden Kopie die Pbantafie des Künftlerfindes befrudtet
zu haben. Mit elf Jahren zeichnete er unermüdlich Apoftel-
geſchichte. Ein Jahr fpäter gefhah dem Verftindnipvollen die
Offenbarung — der Jwölfjährige bradh fid aus dem Bett des
Heimatbflüßchens Thonmaterial und formte die faft lebensgroße
Figur eines Heilands. Fluthen warmen Mitgefühls ruft diefer
trauernde Rönig wah. Keidend und dod bobeitsvoll trägt er
die Dornenfrone und das Scdilfrohr ftatt des Szeptere. Das
fhlihte Bewand fcheint auf diefer Büßergeftalt ein Königsmantel.
Troß hüllender Falten verrietben fid überrafhende anatomifche
Renntniffe. Die gejtrenge Mutter begann zu begreifen, daß in
den Pindifhen Spiel des Fleinen Nikolaus, fih nadte Knaben
aufzuftellen, ein tieferer Sinn gelegen babe.
Ein trauernder Chriftus fteht alfo am Beginn der Laufbahn
Uifolaus Geiger’s! Es fcheint ibm wie eine Vorverfündigung
des eigenen Befhids durd) die Seele gezogen zu fein. Bei einem
Steinhauer follte er feine Kunftftudien beginnen. Der ftrenge
Meifter ließ ihm Siegen büten und Schube putzen. Nur des
Sonntags Öurfie er in die Jeidenfhule. Nad sweijabriger
Awangsarbeit trieb ibn unbeswingbare Runftfebnfudt nad
Münden. Mit swei Gulden in er Tafhe bat er damals
Defregger vor der Thür der Akademie gefragt, wie man Künftler
werden fönne. Er wurde der Leitung Profeffor Rnabl’s anempfoblen.
Bei Steinmegen und Holsfohnigern erwarb er fic) in Freiftunden
außerhalb der Akademie fein täglihes Brod und lernte tapfer
das Hungern. Dreimal gewann er den eriten Preis und ver-
zichtete trotz leeren Magens auf eine Flingende Auszeihnung 3u
Gunften eines verfrüppelten Mitbewerbers. Man propbezeite
feinem Genie jeden Erfolg. Fm Befig der erften Medaille, verlief
er die Akademie und errichtete ein Atelier für Holzbildhauerei.
Diefer Zeit, 1869, entftammt feine Föftlihe „Nadonna, ein
Altarbild“, in Leoensgréfe. Geiger hatte an den Schätzen der
füddeutfhen Holzbildnerei des 15. und 16. Jahrhunderts fleißig
gelernt. Die Fnitterige Art des Faltenwurfs findet fih bäufig
in feinen Werten, Soc halt ein Fühn drapirender Wurf jede
Rleinlidfeit fern. Die naive Gunigfeit Ses Veit Stoß, acer aud
der harakteriftifhe Realismus Jörg Sprlin’s fpridt fih fhon in
feinen damaligen Arbeiten aus. Ein Brand im elterlichen Haufe
beraubte ibn jeder Ausfiht auf Unterftiigung. Trog aller An-
erfennung ging fein Münchner Gefhäft fhledt. So feben wir
ihn, drei Mark Baarvermögen in der Tafıhe, im Fabre 1875
eine fpefulative Reife nah Berlin antreten. Die Rifte, in der
die Gruppe „Romeo und Gulia verpadt gemwejen, wurde die
certen Tage fein Bett. Dann arbeitete er bei einem Stud»
modellenr, um zu leben. Jm Jahre 1S76 beauftragten ihn die
Arditeften Ebe und Benda mit 3wei Hodrelief-Rinderfrieyen fiir
das Tiele-Windler'fhe Haus.
Jn diefen Schöpfungen war es, als ob das jaudsende
Entzüden der endlid gelöften Künftlerfeele in vollen Melodieen
ausflänge. Red und überfhäumend tollte der Reigen paradiefifcher
‚jugendfröblichkeit am Strand, dur Feld und Wald und Garten
dabin. Ein Werk mit dem beftridenden Formenreiz franzöfifcher
Grazie, der Herzensnaivität und Fernigen Derbheit deutihen
Gemiithes war vollendet. Wie bingleitende Wellenlinien durdfließt
es das ausgelafjene Spiel bezaubernder Putten. Cine Fülle
fhelmifcher Motive war in unerfddpflider Phantafie, in origineller
Geftaltungstraft feftgebalten. Die bhinreifende Ausgelaffenbeit
eines Beethoven-Scherzos, die lebenfprudelnde Fülle Goethe’ fer
Gelegenheits-Jmprovifationen jubelte in diefen Bebilden. Wir
feben die Anmuth Luca della Robbia’s in moderner form durd)
ein Temperament empfunden. Auf diefe feltene Begabung folgte
fhnell die Quittirung. Aufträge famen von allen Seiten auf
Einzelfiguren, Portraitbüften und funfigewerblihe Modelle. Die
Gruppe des „Heimdal und der Einherien‘ wurde ebenfalls für
Tiele-Windler beftell. Die marfige Bronze-Beftalt der „Arbeit“
ging aus Beiger's Werkftatt für den Situngsfaal der Berliner
Reihsbanf hervor. i
Der Erlös Siefer Aufträge führte den Meifter 1878—79
nad Jtalien, ISSO nad Paris, 1881 nah Wien, wie er über-
baupt all feine materiellen Gewinnfte fofort für weitere Aus-
bildung feines Ffünftlerifhen Könnens verwerthete. Damals be-
gannen die Raud-Epigonen Berlins für die Reinheit der deutfchen
Runft zu fürdten. „Hinweg von unferem Tempel flang ihre
ängftlihe Abwehr. Jn des Künftlers Seele aber rangen zwei
Mufen um Herefhaft. Wie beiß aud die Malerei ihn ummwarb,
zeigt des von 188I—S4 nad) Münden Zurüdgefebrten Pinfel-
cifer. Eine Befammtausftellung der Werke Nikolaus Geiger’s
wird demnähft aud fein großes malerifhes Rönnen darthun.
Gu feinen Bildern ift er voll ftarfer Jnnerlichfeit, hat die form-
gebung des Plaftifers und farbenfreudiges Rolorit. Wäre ihm
ein längeres Leben befchieden gewefen, fo war fein Entfdlug,
demnädhft nur mit dem Pinfel zu fchaffen. Die Bilder „Accord“,
das Antwerpen erwarb, und „Die Sünderin“ . jtammen aus
jenen Münchner Tagen. Ste trugen feinen Ruf in weite Kreije
und verfhafften ibm König Ludwig's I. Auftrag zur Aus-
malung der Scloßfuppel in Cinderbof. Sämmtlihe Kartons
waren fertiggeftellt, Sie Probe follte dem bohen Auftraggeber
durd die Laterna magica vorgeführt werden, als die tragifhe
Endfataftrophe des fürften eintrat. An folden unglüdlihen
Jufållen it Geiger’s Caufbahn befonders reid) gewefen. Sein
genial Fomponirter Tafelaufiat „Regen und Sonnen’hein‘“ war
bis zur Berftellung des Modells in Silber fertig, als die Fabrik
fallirte.
Die den Bildhauern nicht immer gegebene Heihenkunft
befaß Geiger in bobem Maße. Oft genug dichte er unmittelbar
in Thon, Holz, Bronze oder Marmor; aber eine ‚Fülle feiner
Bleiftiftffiszen zeigt, daß er mandes Werf in Cinien vor-
fonzipirte. Es find nidt die flüffigen, fat nur andentenden
Umriffe wie bei Reinhold Begas' Bleiftift- Entwürfen, nicht die
zeichneriſch ſchwachen Linien Rauch's. Es ift eine anfhaulide,
fcharfgegebene Vorarbeit, wie in den Skizzen Sdhadow's. Mit
der goldenen Medaille für feine herrliche „Victoria“ in Melbourne
febrte Geiger nah der Hanptitadt zurüd. Ihm war der Auf-
trag für die Skulpturen des Giebelfeldes der Berliner Hedwigs-
Rirche und die Ausmalung ihrer Kuppeldede gegeben. Jm
Jahre 1886 fdlof er den Lebensbund mit der ihm feelen-
verwandten, bodbegabten Bildhanerin Henni Spiegel. gn
fhneller Reihenfolge bringt jedes Jahr weiter aroße Heugnifle
feines Rönnens. IS86 erftaunt die geniale Schöpfung der
„Infpiration* im Ruppelraum der nternationalen Kunſtaus—
ftellung ein weites Publitum. Hier war in jeder Fiber gefteigert
leisenfchaftlides Empfinden. Die hödfte Wonne inbrünftigen
Shaffensdranges fcdhien in dem Jünglingskörper durd den Auf
der Mufe gewedt. Während die Linte Frampfhaft eine Föftliche
Vifion zu balten ftrebt, preğt der Berius zugleih graufam den
Dornenfranz in des Auserfornen Redhte. Auf einer Tragewolfe
fhien die Gruppe fehwebend entführt und mit genialer An-
paffungsfabigfcit in die Ruppelnifce bineinfomponirt. Als
Spender Ser hddften Luft und zugleich des hddften Leides hat
Uifolaus Geiger feinen Genius darzuftellen geftrebt. An diefer
nadten Kinzelgeftalt verrieth fic) die große Fähigkeit, das
Rörperlie dur feelifhe Mächte lebendig zu madhen. Das
« aa eee
= — — —
RT TO
— —
Deutſche Runf.
——
183
Nikolaus Geiger, Anbetung des Chriſtkindes, Relief im Giebelbilde der Hedwigskirche, Berlin.
Knochengerüſt betont ſich unter dem angeſpannten Spiel der
Muskeln. Nidt ift wie bei den Rubens'ſchen Geſtalten von
Begas eine abrundende Epidermis um die Muskeln gebettet.
Don glei intenfivem individuellem Leben find 1895 „Die
Derfuhung* und 1896 „Nad dem Siindenfall Jn Sem Holz-
fhnigwerk „Derfuhung‘ ringt der überlebensgroße Körper eines
jungen Weibes mit den bypnotifirenden Einflüfterungen ihres
beißen Blutes, das im Symbol der Schlange neben ihr auf-
gerichtet ift. Gn frampfhafter Angft preffen fih die Faufte
gegen das Herz, fihliefen fid) erfhauernd die Augen und öffnen
fi die Lippen. Derlangende Begierde in Sen gefhwellten Hals-
und Beinmusfeln der Yiederfauernden fiindct en naben fall.
Das Bronzewert „Nah dem Sündenfall* hat die Berliner
Nationalgalerie erworben. Hier Plingt das taciteifhe Wort an:
„Dem Weibe gebührt die Trauer, dem Mann die Erinnerung.‘
Der entheiligende At ift vollzogen und bat zwei junge Opfer
in Scham und unbeilbarem Web niedergefdleudert. Jn dem
fyuldbewußt: brütenden Adam und der in verzweifelter Scham
und unbeilbarem Weh am Boden vergehenden Eva reden nur
die Körperformen. Das Mienenfpiel ift verdedt, jede Glieder-
hülle abgeftreift. Jn denkbar einfachften Mitteln ift ergreifende
Wirkung erzielt.
Beiger's eminente fähigkeit für Seforative Schöpfungen
machte ihn zum vielbegehrten Mitarbeiter der Arditeften. Leider
find viele feiner Gebilde voll monumentaler Bröße, wie die
Brunnen für die Bemwerbe - Ausftellung, die Pyramiden für die
Centenarfeier, der rührend erhabene Chriftus zur Beerdigung
Raifer Wilhelm’s I., einer fehnellen Vergänglichkeit anheimgefallen.
An allen großen Wettbewerben um öffentlihe Denfmäler hat er
fih in geiftvollen Sfiszen, in genial improvifirten Entwürfen
betbeiligt. Eine ungemeine Leichtigkeit in der Behandlung des
Rorperliden und im Aufbau, eine fprudelnde Phantafie fam
ihm zu Hilfe. Seine jchwebenden und fliegenden Geftalten
feinen in ihrer fpielenden Behendigfeit an Feine Befetze irdifcher
Schwere gebunden. Oft löfen fi fait Sie ficheren Linien des
Formengefiiges unter der Fluht und Fülle feiner Gefidte, Sem
malerifchen Schwunge feiner Bildnerfraft. Ein reizvoller Shmud
ift der graziöfe Puttenfries an Ser Dresdner Bant. Zu feinen
macdtvollftien Schöpfungen für arditeftonifhe Zwede zählt der
‚Friesgurt „Das Schladtfild* an dem riefigen Dentmal des
Seszeffionsfrieges zu Jndianopolis 1895. Ein Brabdentmal von
wundervoller Trennungsftimmung ift Ser Marmorfarfophag mit
der trauernden Maria auf dem Berliner Matthaifirdhbof. Voll
titanifhen Machtgepräges ift Beiger's Ayffhäufer-Monument des
„Barbarofja*. Ein midelangelestfer Zug gebt durch die
foloffalen Bliedmaßen, Sie unter ihrer Gewandung Föniglicye
Würde, ftrokende Kraft verfünden. Jn breitem Rahmen um-
fließt der romanifthe Halbbogen den Sagenfiirften. Nod
träumt das daraktervolle Haupt, die Hand vergräbt fi finnend
in die Bartfülle; aber ein flammender Reidserretter fann er im
nddften Moment emporfdnellen.
Der Auftrag fiir den Hedwigs-Rirchen-Giebel 1896 entfprad)
einer innerflen Neigung des Rünftlers. Das Evangelium Chrifti
hatte den gläubigen Ratholifen zur Beftaltung feines Erftlings-
werfes getrieben. Jn Ser „Anbetung des Chrifttindes fonnte
et fein in Ciebesempfinden überquellendes Herz ausftrömen. Dem
baroden Beiwerf eines fatholijden Gotteshaafes wußte er fid
tro modernen Gefühlsausdruds voll vornehmen Linienzuges
anzupaffen. Aus den robftarrenden Bloden des Giebelfeldes,
innerbalb gegebener Proportionen, fhuf er ein formenfdönes,
individuell durctöntes Steingemälde. Trog ailer fülle ift die
Ueberfiht flar. Gn dem Bilde der drei anbetenden Könige
wollte Ser Riinftler diz Menfchbeit fhilðern. Sie huldigt dem
Heiland als Rönig, als Bott und als Menfh Die wundervolle
Mittelgruppe der heiligen ‚Familie mit dem anbetend bingegoffenen
Rönige zeigt reihe nnerlichkeit. Der barmonifhe formenfhwung
bat Sanfovino’s bewegte Anmuth. Das pomphafte Bepränge
Ser Mobrengruppe zur Linfen it charakeriftifh gegeben und die
menfchlid mitleidvolle Gruppe rechts athmet bis in jede Bewand-
falte lebende Hingabe. Ein überrafhendes Element malerifcher
Plaftit ift in Ser reichen Licht- und Scattenabftimmung des
Steinmaterials gefwbhajfen. Einzig und allein durch die Art Ser
Yifolaus Geiger, Puttenfries.
Behandlung ift unglaublide Cichtfülle weißausftrahlend am Giebel
gefammelt, während fid die Mitglieder Ser Mobrengruppe wie
Sunfelbdutige Wefen von der Bildflähe abheben. Geiger’s
lebtes Werf „Die mufizirenden Engel für den Berliner Dom
zeigt des KRünftlers inniges Verfenfen in feine Aufgabe. Bei
allen Wiibfeligfeiten, allen Enttäufhungen bat fih während
diefes Rünftlers Erdenwallen aud der Mitwelt volle Anerkennung
eingeftellt. 1886 wurde ihm die Beine goldene Medaille der
Berliner Internationalen Runftausftellung, 1895 ernannte man
ibn zum Mitglied der Akademie, bald darauf zum Profefjor.
— Nifolaus Geigers edles Künftlerantlig mit Sen leidgeiibten
Hügen und den ernftitrablenden blauen Augen war ein Abbild
feines Wefens. Ein Chrijtustypus blidt er uns entgegen. Wer
mit ihm in Berührung tam, fühlte die Gegenwart einer vor-
nebmen Jndiviðualität. Die Lüge lag ibm fern, denn er fannte
fie nit. Er gebörte zu den Guten, denen wir den Glauben
an die Menjchheit danken, weil fie das ewige Evangelium des
Schönen predigen.
Berliner Kunftbericht.
C
an gelangt immer mehr zu der Meberzeugung, daß eine gefhmat-
; volle Ausftattung der Ausftellungsräume einer befdaulicen
"> 9 Betrachtung der Kunftwerke nur zum Vortheil dienen Pann. Der
Derein der Riinftlerinnen þat es ih angelegen fein lafen, die in der
Afademie der Rünfte zur Verfügung geftellten Ausftellungsfäle auf das
Anziehendfte zu hmüden. Die Wände des Treppenbaufes find mit liht-
grünem Spargelfraut bekleidet, Guirlanden fäumen die Eingänge, im Innern
bededt ein mattblauer Teppih den Fußboden, von welhem Topfpflanzen und
eine riefige Palme emporragen; an die gemufterten und einfarbigen Paneele
Thlieĝen Ah Langsftreifen von grober Leinwand mit eingewebten leichten
Ornamenten an. Diefer vornehmen, barmonifchen Dekoration entfprehend, ift
in den Hauptjälen eine gute Anslefe unter: den Runfewerfen getroffen. Die
Bilder in- und ausländifher Künftlerinnen hängen in angemeffenen Ab-
ftanden, wabrend in den vom Lichte weniger begünftigten Ylebenräumen das
Auge feinen Rubepunft findet unter den bis zur Dede binaufreihenden Be-
mälden, wo vielleiht eine nod jtrengere Sichtung niht gefhadet hätte.
Damit joll aber nicht in Abrede geftellt werden, daß der Bejammteindrud
der Anejtellung ein recht befriedigender ift und den Kunftfleiß der frauen-
bande im bejten Lichte zeigt. Yiamentlih in der Bildnipmaterei find außer:
ordentlihe Keiftungen zu bemerfen. Ein männlihes Porträt von Sabine
Lepfins, weldes einen jungen Mann mit fhmalem geiftvollen Gefidt in
ungezwungen anlehnender Haltung darftellt, ift in feiner dunkel abgeftuften
Tonwirkung und feinen Charakteriftit ein wirklihes Runftwerf zu nennen;
von gleier Delifatejje it €. Schulke-Naumburg's Bildnif einer eng-
lifthen Schönbeit, die eine Roje in der Hand hält, obwohl fis die Malerin
gar zu fehr in graziöfe Linien und vornehmen Ton verliert. Dora Hit
bringt ein duftig blafjes Rinderporträt, das bei aller Fartheit der Malerei
dem Süplihen fernbleibt und Charakter behält. Derber und fraftvoller als
die erwähnten find die Bildniffe der Dilma Parlaghy. Das Raiferporträt
Wilhelm IT. unterfdetdet fic) vortheilhaft von den üblihen Reprafentations-
bildern Such feine friihe natürlihe Auffafjung, leidet aber an Derzeihnungen
und Uebermodellirungen, die bei längerem Betrachten ftörend wirfen. Das
dem Mufeum zu Hannover entliehene Bruftbilo Windthorft's und das Porträt
eines Stabsoffiziers in ganzer figur gehören unftreitig zu ibren beften
Leiftungen; an der Porträtffisze des Finanzminifters Miquel, die in freidigen
‚Farben bingefegt ift, wird trot der Aehnlichfeit nicht Feder Gefallen finden.
— Anferordentlid reih ift die Landjhaft vertreten. Der Preis gebührt
wohl der Wiener Künftlerin Tina Blau, deren liebevolle Anſchauung ſich
nit dem Zwange einer modernen Richtung gebeugt bat. Cine Darftellung
aus dem Prater, eine Allee mit weit ausladenden Bäumen im zarten
Schmude des erwadhenden Frühlings, wirft ebenfo fejlelnd wie das Bild
eines Gartenweges in Gringing, welder einen melerifhen Ausblid auf eine
beitere Landfhaft giebt, auf bunte Däder, fonnige Baumgruppen und einen
flaren Sommerbimmel. Wan bat bei der Rünjtlerin immer das Bewußtjein,
dağ ibe nidts unwefentlihb und gleihgiltig erfheint, dağ Ales mit der-
felben naiven Yaturfreude gefeben und wiedergegeben ift. Don intimer
Naturbeobachtung zeugen ferner eine waldige Slußlandfhbaft von ©. Wifinger-
Florian, eine duftige, mit großem Bejchid behandelte Wiefe von J. Wyts-
mann, auf der unzählige violette Blumen jpriefen. Um nod einige der
beiten Leiftungen zu nennen, feiert die beiden Waldbilder von Bilders van
Boffe, Sas Herbftfiurmbild von €. Lifdfe und die Gartenede von
de Bièvre angeführt. Auffallend ift, wie wenig Malerinnen üh an eine
figürlihe Rompojition, überhaupt figürlihe Darftellungen herangetraut baben.
Hier wäre ein Jnterieur mit einer Bäuerin von M. Boffelmann und die
„St. Agnes mit dem Lamm" von Th. Shwarge hervorzuheben; mit
großem Gefhmad ijt eine bildmäpige Studie von ©. Boznansta behandelt,
welde ein Dienftmadden auf bellem Grunde mit einem weißgefleideten Rinde
auf dem Arme darftellt. — Das größte Gnterefje beanfpruden die Radirungen
uud Lithographien von C. Pac3zfar Wagner. Fhre Studien, hauptfadlid
weiblihe Akte, außerdem ein Selbftporträt und fymbolifhe Darjtellungen,
|
zeugen von einem bodentwidelten Formenfinn und einer Beberrfdhung des
Materials, die diejer energifhen, unerfihrodenen KRünftlernatur zur Ehre ge-
reiht. Die Allegorien find nicht fo urwiidhfig wie die Naturftudien, weil fie
fih häufig in den Spuren Rlinger'fhen Beiftes bewegen. — Es erübrigt
noh, auf die plaftifhen Schöpfungen einen Blid zu werfen, deren eine ganze
Anzahl die Ausftellung [hmüden, wie die Porträtbüften von €. Cadwallader
(Profeflor Goadhim, Hans Thoma, G. Ff. Watts) und ein matt getönter
Rnabenfopf von H. v. Raldjtein.
Hatte die Ausftellung der Rünftlerinnen ein internationales Bepräge, fo
werden wir in den Runftjalons von Burlitt der heimischen, hauptfählid
der Münchener Runft, gegenübergeftellt.
frit Erler ift ein vielfeitiges Talent, deffen Werte von frifhem,
ſchöpferiſchem Geiſte durchweht find, obwohl fie niht alle auf der Höhe einer
abgeflärten Meifterfhaft fteben. Am beften find die naiven Naturftudien
(gezeichnete Röpfe von Bretagner Bauern), ferner die leicht foloricten
Zeichnungen, Vorfakpapiere und Eprlibris-Entwürfe, fowie bemalte Buddedel
(3. B. zu Anderfens Marden) gelungen, in welhen ih Gefhmat und über-
müthige Erfindung paaren. Die Hauptbedingung eines Portraits, die
Nebhnlidfeit, weiß der Riinftler in den Bildnijien von B. v. Berlepfh und der
zapellmeiſter Strauß
und Maczkowsky durch
große Auffaſſung und
ſtrenge Zeichnung zu er—
füllen. Jn einem frauen-
bildniß ift die Beband-
lung der farbe etwas
ftumpf und troden, wäh-
rend in dem Portrait
des Mufiters Bifhof, der
vor einem Klaviere figend
und von réthlidem Rer-
zenfchein matt beleuchtet,
vor fic) binträumt, die
temperamentvolle Malerei
ſehr zu ſchätzen iſt. Die
ſymboliſchen und fagen-
haften Darſtellungen Er—
lers, wie „gung Hagen
und die Königskinder“
und „Der Froſch⸗König“,
entbehren der liebevollen
Durchbildung und ſind
trotz koloriſtiſcher Fein—
heiten zu oberflächlich
hingeſtrichen, um lebhaft
zu intereſſiren. Welch intime Naturbeobachtung ſich gerade in dekorativen
Malereien offenbaren kann, zeigt der Münchener Maler Joſef Rösl
in feinen tapetenattigen Wandgemälðen, die zur Ausſchmückung für
Kinder- und Badezimmer beſtimmt ſind, und in den Darſtellungen, die ſich zu
kleinen Fabeln geſtalten, an die Formen von Fiſchen und Waſſerthieren an—
knüpfen. Der Deutſch-Amerikaner L. Herzog ſtellt eine Anzahl Landſchaften
aus, eine herbſtliche Allee im Regenwetter, eine beſchneite Dorfſtraße, eine
Dorfecke in winterlicher Dämmerung, einen Blumenmarft in Amſterdam,
Lagunenboote bei Nacht und einen Schiffer in einem italieniſchen Hafen, der
ſtehend über die leichtgekräuſelte Fluth rudert. Der Maler beherrſcht und ver—
arbeitet jeden Stoff, der ihm als maleriſcher Eindruck vor Augen tritt; ſeine
techniſche Virtuoſität überwindet jede Schwierigkeit und bleibt bis ins
Kleinſte korrekt, aber es fehlt jedem einzelnen Bilde an der rein ſubjektiven
Gefühlswärme; man möchte im Terrain irgendwo mit dem Blide haften
bleiben, man möchte einen Gegenftand finden, in değen Betrachtung ſich der
Maler verliebt hatte. Go fommt aud die Poefie der Stimmung nicht recht
zum Durdbrud, weil diefe in allgemeinen und landläufigen Empfindungen
fteden bleibt.
Die Holländer, die in der Runfthandlung von Amsler und
Ruthard eine Sammlung von Aquarellen ausgejtellt haben, verftehen es
hingegen mit abfoluter Sicherheit, den Stimmungsgebalt ihrer Bilder aus der
finnlihen Erfcheinung berauszufhöpfen. Es it bewundernswertb, wie die
Holländer, die feit Jahrzehnten an der nationalen Ueberlieferung zehren und
fi gegen jeden Eindringling eines anderen Befhmadts zur Wepre feren, in
ihrer Einfeitigkeit immer frifh bleiben, un trog Wiederholungen niemals zur
— —
Deutſche Kunſt.
Nikolaus Geiger, Nadh dem Sündenfall,
185
Schablone berabfinfen. Die Cigenthiimlicfeiten ihrer begrenzten - Runft-
anfhanung, die ftar? ausgeprägte Vorliebe für tie naturaliftifhe Schilderung
ihres Landes laffen ein Prinzip erkennen, das für den bolländifhen Stil feine
volle Berechtigung baben mag.
Es fommt den Holländern niht darauf an, duch ftarte Poloriftifche
Effekte oder durch eine ftrenge Durhbilsung der Form zu wirfen. Weder die
farbe nod die Form ift erfhöpfend behandelt, vielmehr alles auf eine ein-
fahe gejhlojlene Bildwirfung abgerundet, bei der nur das Typifhe aus dem
meift dunklen Lofalton hervortritt. Durch die weihe verfhwimmende Be-
bandlung wird jener cdarakteriftifihe Schmelz erzielt, der in den fein ab-
gewogenen Stimmungen alle Werthe und Unterfchiede dominiren läßt, in
Körper und Atmofphäre, in der Leuchtkraft des Lictes und der Tiefe der
Schatten. So bat H. W. Mesdag durch die feinen Abftufungen von ein
paar [hmußig grauen und braunen Tönen eine Morgenftimmung am Strande
herausgearbeitet. Das fable Sonnenliht fampft mit zerflüfteten Wolfen-
mafjen, im Dordergrunde fhaufeln fih einige fFiftherboote auf langen leife
herantollenden Wellen. Auf einem anderen Bilde fehildert Mesdag mit
denfelben anfprudslofen Mitteln einige im Sturm bin- und hergefdleuderte
Boote M. Bilders von Boffe liefert den Beweis, daß durh die
fummarifhe Behandlung
die Charakterifierung der
kleinen form niht aus-
gejchloffen ift, in ihrem
„Wald von Gelderland".
Die Wiedergabe der mäh-
tigen blaugrauen Baum-
ftimme, des Waldbodens
mit feiner wudernden
Pflanzenwildniß und den
gezadten Laubmaffen, ift
mit bewundernswerther
Rlarheit gelungen. Die
Landfdaften von Ba=
briel, eine Dorfitraße
mit Bauernbütten und
ein von dichten Baum-
gruppen umſchloſſenes
Beböft bei eintretender
Dämmerung, offenbaren
ein ftar? ausgeprägtes
perfonlides Empfinden
und eine technifche Meijter-
ſchaft; als gute Leiftuns
gen, die indejlen fein
Haar breit von der all-
Holländer abweiden, find die Landfchaften
der frau Mesdag van Calcar (fufweg bei der Rirche in Dries)
und der frau Mesdag van Houten (im Walde) zu nennen. Oppen»
roth bebherrfht weniger die Stimmung und ftreift ans Süßliche.
Die figürliben Darftellungen zeigen in der malerifhen Behandlung diejelbe
BGeftaltungstraft wie die Landfihaften. C. Bifhops Gemälde „Ein
Sonnenſtrahl“ ftellt ein vornebmes mittelalterlihes Gemadh dar, in weldes
vom fenfter ber ein breiter Lichtftrom bineinfluthet. An einem langen
mit rotber Dede behangenen Tifbe fit eine Frauengeftalt, in eine Ede zurüd-
gelebnt und von gleihmäßigen Reflerlihtern umfpielt. Das Bild ift von
einem kräftigen und edlen farbenflang erfüllt; was den gewählten Begenftand
betrifft, jo dürfte das Lieblingsthema Bifchops in den verfdiedenen Be-
bandlungen als Delgemälde ziemlich befannt fein. Blömer's jpielende Rinder
am Strande von Scheveningen fnd in blafjen, paftellartigen Tönen gemalt.
Die Schilderung der Bauernfinder, die in den Tümpeln mit Meinen fahr-
zeugen fpielen, ift lebendig und anmuthig. Weniger gliidlid) ift die ver-
wafhende Manier des Malers bei einer Studie „Arautfhneidende frau" an-
gewendet. Don liebevollem Studium zeugt ein Aquarell von W. Martens,
das zwei ‚Frauen in einfacher fhwarzer Tradt am Fiehbrunnen darftellt.
Endlih wären nod zwei Genrebilder von Rate Bifhop hervorzuheben,
„Neue freunde” und „Mutter mit Rindern“, jowie eine «ausgezeichnete
Studie von Th. Shwarke, ein in Bouade und Aquarell gemaltes Bruft-
bild eines Mädchens in Fleidfamer bolländifcher Nationaltradt mit weißer
Miike und Brufttuh. Die Holländer verdanken ihre internationale Beltung
nur ibrer ftar? betonten Eigenart. Rarl Rrummader.
gemeinen Anfdauung der
186 Deutfhe Runft.
Das Modell des Kaifer Wilhelmdenfmals fiir Hamburg.
® is vor einem Sabre war man fih in Hamburg darüber im Zweifel lern auszufchreiben, allein die mit der Denfmalsfrage betraute Kommiljion
gewefen, ob es beffer fei, ein Denkmal für Raifer Wilhelm I. an der
Alfter oder auf dem Rathhausmarkte aufzuftellen. Als die Bürger-
Shaft fid) für das Lebtere entfhied, mußte der im Jahre ISS9 vom Senat
empfohlene Schaper'fhe Dentmals-Entwurf fallen und es galt einen neuen,
für den Rathbausmarft paffenden ausfindig zu maden. war hatte die
Bürgerfhaft den Wunfch geäußert, eine Ronfurrenz unter den deutfhen Rünft-
Wifolaus Geiger, Ecce homo.
des Senats, die urd Riinftler und Architekten ergänzt war, hat geglaubt
eine günftigere Löfung zu finden, indem fie den Konkurrenzentwurf, welden
Profejfor Schilling in Dresden zum Wettbewerb für das Nationaldenfmal
eingefandt hatte, auserfah und den Hamburgifchen Derhältniffen anpaffen lief.
Bildbanerifd) eine — der in der Hamburger Runfthalle ausgeftellte Entwurf ift
vom Senat angenommen und der Bürgerfhaft zur Annahme empfohlen —
der beten Leiftungen des Berliner Wettbewerbe, findet diefer Denfmals-Ent-
wurf nad diefer Ridtung aud hier allgemeine Anerkennung. Was man an
ihm ausfest, das ent/pringt dem ftarf entwidelten Hamburger Lofalpatriotismus,
welder mebe Beziebungen auf Hamburg an oder in dem Denfmal feben
möchte. Dielleicht wird nod einzelnes an dem Entwurfe nad diefer Richtung
geändert, jo viel aber fteht fe, daß die Bürgerfhaft, d. i. der Hamburger
Landtag, fih für diefen Entwurf entfheiden wird.
Der Raum, auf den die gefammten Denfmalsanlagen vor dem Rath-
baufe errichtet werden jollen, ift ein 117 und 43,5 Meter mejjendes Parallelo-
gramm mit abgerundeten Eden, an deffen füsweftliher Langfeite auf erhöhter
Plattform das Denfmal und rehts und linfs von ihm zwei paffende Monu-
mentalbrunnen in vertieftem Parterre Plat finden. Den Hintergrund für
Denfmal und Brunnen bilden Bosfetianlagen und vom jekt dort befindlichen
Rinderfpielgarten berrührende hohe Baumreihen. Das Reiterdenfmal felbft
erhebt fih auf einer 50 Meter breiten und 23 Meter tiefen mofaifgepflafterten
Plattform, die in der Front fünf Stufen aus dem Niveau emporfteigt und
ſeitlich durch Halbkreiſe abgeſchloſſen in der Hauptfache eine Ellipfenform hat.
Auf der Rückeite der Plattform führt in die Anlagen eine etwa 8 Meter
breite Treppe hinab, welche von zwei ſchlanken, ſäulenartigen Pylonen, ge—
krönt durch Lorbeerkränze herbeitragende Siegesgöttinnen, eingefaßt iſt. An
den Scheiteln der längeren Querachſe der Plattform, alſo auf der rechten und
linken Seite des zentral geſtellten Reiterdenkmals, ſind zwei Gruppen von je
drei weiblichen Geſtalten angebracht, welche ſich dem Kaiſer zuwenden. Von
den Geſtalten der Gruppe zur Rechten des Kaiſers veranſchaulicht die Mittel-
figur den Handel, die Seitenfiguren die Tertilinduftrie und die Eifeninduftrie.
Gu der anderen Gruppe nimmt die Wiffenfhaft die Mitte ein, um welde fid die
bildende Kunft und die Tonkfunft gruppiren. Die Figuren, welde mitfammt dem
etwa die halbe Höhe einnehmenden Sodel 4 Nieter fi über die Plattform
erheben, find lebhaft aufgefaßt und aus ihren Attributen ohne Schwierigfeit
erfennbar. Um der Plattform nah binten einen Abfehluß zu geben, find die
feitlihen Gruppen mit den Pylonen Such niedrige Balluftraden verbunden.
Das Poftament der Kaiferfigur ruht auf zwei Stufen, deren unterfte 91/, und
7% Meter in den Aren mißt. fiir diefe und das Poftament fommt zufammen
tine Höhe von S Meter heraus, jo daß das Denkmal mit der etwa weitere
5 Meter mejjenden Neiterfigur des Raifers und den Stufen der Plattform fih
bis rund 14 Meter über das Straßenniveru erhebt. Das Poftament trägt
an den Eden abgeftumpfte Doluten, während auf den dadurch entftandenen
etwas ausgebaudten Seitenfladen Reliefs Plak finden fonnten. Die Stirn-
feite trägt den Namen Wilhelm I, umjchlofien von den Reidsinfignien:
Krone, Schild und Schwert. Das Relief der einen Seite zeigt zwei frauen.
geftalten, welde die Einigung von Nord und Süd unter der deutfhen flagge
" verförpern, das andere will den deutjhen Seehandel unter der deutfhen See-
flagge verjinnbildliden. Eine Franengeftalt, Surh die Attribute als der
Handel bezeichnet, wird auf einer Mufchel von den Roffen des Pofeidon iiber
die Wellen getragen, während jhütend über ihr, von einer heroldartigen Figur
gehalten, die das Hamburger Wappen auf der Bruft trägt, die deutfhe See-
flagge webt. Die Reiterfigur des Raifers war ein voll gelungener Wurf des
Riinftlers. Der Raifer ift in dem Augenblide abgebildet, wo er fein Pferd
anhält und die rehte Hand Läffig auf die Linfe gelegt, welde die Zügel
bält, ein Flein wenig nah redts jih wendend milden Blides prüfend aus-
haut. Der Mantel ijt zurüdgefhlagen und läßt den Gnterimsrod und den
Degen jeben. Der Rünftler Fennzeihnet die dee, welde ihn bei der Schaffung
der figur leitete, mit den Worten: „Der Raifer ift auf der Höbe feiner Macht
und jeines Rubmes gedacht, mild herabfdauend in der würdevollen, gott-
ergebenen Rube, die ibm eigen war. Auch das Pferd, weldes im Schritt
von dem Reiter angehalten wird, ift eine wohlgelungene Schöpfung. Be-
mängelt wird mit Reht an dem Denfmalsentwurf die allzu flante Geftalt
der Pylonen, welde mit ihren nahezu 5 Meter hohen Figuren die Höhe der
Reiterfiguren erreihen. Jwifihen dem wuctigen Poftament und den Seiten»
gruppen wirken fie jhornfteinmäßig.
— —
Deutfhe Runft.
on den beiden Monumentalbrunnen, welche auf etwa 20 Meter Diftanz
das Denkmal flanfieren, ift Bezug auf Hamburg genommen, indem die
frönenden Brunnenfiguren „Die Elbe’ und „Das Meer" darftellen. Zum
Denkmal ftehen die Brunnen nur in einem dekorativen Verhältniß. Die
form der Brunnenbaffins ftellt man fih am beften vor durch ein 12 Meter
langes und 21/, Meter breites Parallelogramm, über weldes ein 5% Mieter
im Durdhmeffer meffender Kreis gelegt ift. Ueber diefem Kreis erhebt fidh
auf fhlanfem fuß eine Schale, auf der die Brunnenfigur fteht. Gn den über-
187
ftehenden Thellen des Parallelogramms find Meercentauren und Meer-
centautinnen angebradt, die Schiffe verkörpernd, welhe die Früchte des See-
bandels heimbringen. Als Material für Denkmal und Brunnen ift gedadt:
deutfher Branit für den Unterbau und die Stufen der Plattform, rothbrauner
polirter [hwedifher Granit für die Urchitefturteile, welde fih über die Platt-
form erheben, und Bronze für alles figiirlide und Ornamentale, fowie fiir
die Schalen der Gruppen. Das Banze wirft durd die Zufammenftellung von
Stein und Metall. überaus malerifch. Rarl Anhalt.
Theodor Hagen.
heodor Hagen gehört nicht zu den Riinftlern, die, an der Reife ihres
Rönnens angelangt, mit der lebendigen Befühlsäußerung nadlaffen
und fih nur noch in tehnifch verfeinerten Wiederholungen aus ihrer
fhöpferifhen Blanzzeit ergehen. Hagen ift
jung geblieben in feinem Schauen und
Schaffen, er fteht der Natur noh mit
derfelben fhwärmerifhen Verehrung gegen:
über, wie in feinen erften Studienjabren,
und vielleiht mit noch größerer Yaivitat,
weil fih fein Denken und Empfinden mebr
und mehr aus dem Bannfreis feiner Vor-
bilder befreit hat. Es liegt im Charakter
einer folden Perfonlicfeit, üh nidt an
Erfolgen Genüge zu thun, auh wenn fie
ibm neben dem flüchtigen Beifall der Menge
eine innere Befriedigung verleihen mußten,
fondern aus einem ftarfen Bedürfniß des
Gemiithes, einer fehwellenden Sebnfudt
heraus, dem geheimen Weben der Natur
immer mehr auf die Spur zu geben und
fih felber, feine perfönlihe Antheilnahme
zu erforfhen. Bei den meiften Riinftlern,
aud den genialften, vergeht oft eine lange
Heit ihres Lebens, ehe fie den eigentlichen
Berührungspunft mit der Natur gefunden
haben. Nicht nur die neben- und gegenein-
ander treibenden Strömungen in feiner
fünftlerifhen Umgebung drohen ihm Ge-
fahr, fondern aud) die Natur felbft, die
häufig ein Derirfpiel treibt, indem fie den
Rünftler in taufend verfchiedenen Sprachen
bierhin und dorthin verlodt und ihm in
der Hand wieder zerrinnen läßt, was er
feft zu paden glaubte. . I
Eine echte Rünftlernatur wird indeffen
darin ihre Stärfe erproben, daß fle in
diefem beftändigen Rampfe und Baufeljpiele
ihre Eigenart durdhfegt. Das frudtbare Talent fegt häufig erft dann cin,
wenn es gilt, die Grenzen des Rönnens zu überbliden und auszumeffen,
um innerhalb des ureigenen Bebietes der Empfindung den weiteften Spiel-
raum 3u geben.
Hagen bat lange mit dem Stoff und dem Befhmad gerungen, ebe er
zu der abgeflärten Meifterfchaft gelangte, auf der er fi jest befindet. Als
ein Schüler ©. Ahenbady's fuhte er vorzugsweife romantifhe Motive auf,
Alpen- und Berglandfdhaften, aus der Schweiz, der Eifel und Mitteldeutjch-
land, alterthümlihe Städte und Burgen, foðann niederrheinifhe und
holländifhe Fladhlandfhaften, in welden er aber nidt nad dem Dorbilde
feines Lehrers den Nahdrud auf. die romantifd-elegifhe Stimmung legte,
fondern in fräftig-malerifher Darftellung die fdlidtefte Erfheinung fefthtelt.
Seit einer Reihe von Jahren jedodh befchränft fih der Riinftler auf die
Schilderung feiner zweiten Heimath.
Eine Ausftellung der neueften Werke Hagen’s in Weimar giebt Belegen-
heit, fih mit feinem fünftlerifhen Typus näher zu befallen. Es find Dorf-
ftrafen, Garten, Rornfelder, Parfpartien an der lm, alles Porträtland-
fhaften, wie man früher die von der Natur gemalten Bilder bezeichnete, aber
fo wudtig im Dortrag, fo fret in der Auffaflung und fo fein in der bild-
mäßigen Abrundung, daß nur der grdbfte Unverftand fie mit Studien ver-
=A
nlifolaus Geiger, Märchenerzählerin.
wedfeln fonnte. Aus der früheren vornehmen Zurüdhaltung in der Farbe,
die bisweilen etwas froftig erfhien, ift Ser Aünftler zu einem gefättigten
pridelnden Farbenreihthum hervorgegangen. Die Sonne leudtet und glübt
in Garten und Alleen, jedes Hälmden em-
pfängt Lidt und Wärme, fpiegelt bei einer
Biegung die flimmernde, dunftig-blaue
" Atmofphäre, jedes Aefthen windet fi in
der charafteriftifdhen Lidtbredung des heißen
Sommertages der idpllifhen thiiringifden
Hiigellandfdhaft in nadfter Umgebung von
Weimar, die vielleiht mandem Riinftler
zu Fleinlid), zu ftimmungslos oder zu
wenig monumental erfheint. Und gerade
bier entftanden in den legten Jahren Meifter-
werfe, die wieder einmal den gewohnten
Schönheitstheorien ins Befiht ſchlagen,
3. B. der, daß es einen Unterfhied gäbe
zwijchen einer Candfhaft, die beim Luft-
wandeln fhön für's Auge und einer folden,
die fhön zur malerischen Wiedergabe wäre.
Hagen malt alles in der Natur, was in
feinem reihen Befühlsleben eine Saite ins
Schwingen verfegt. Er lebt in und mit
der Natur. Sie ift fein unentbebrlider
Lebensgefabrte, fein guter Ramerad, den et
3u behandeln weif, deffen geheime Regungen
ex verftebt, efen Launen er nicht übel-
nimmt.
Blaue Schatten laufen quer über die
blendende ftaubige Landftrafe. Jeder Blu-
menfeld, jede Staude, jedes Blätthen muß
mitfpreden, feinen ganzen Charakter in
Form und farbe entfalten, um dem Natur-
ausfhnitt Leben zu verleihen. Die liebe-
volle Derfentung des Studiums giebt dem
Maler jede Tehnit an die Hand, mit
der er duch Erperimentiren und Der-
gleihen jeden Stoff nad feiner Zndividualität zu behandeln verfteht. Der
Boden wellt und ftredt fih und verfchiebt fid in meilenweite ‚ferne, der
gtiinende Rajen wudert in iippiger Wildnif, auf den eben abgemabten
Stoppelfeldern herrjcht die Gefchäftigkeit der Ernte. Die Barben werden zu-
fammengeftellt und in goldig-fträhnigen Ballen in Diemen aufgethürmt, die
seldarbeiter haben große Eile, denn die Luft verdichtet ih und gigantifche
Bewitterwolfen ziehen drobend auf. Dann wieder führt uns der Maler an
die wogende grüne Saat beim flimmernden Blanze des Abendfterns, auf
bolprige ausgefahrene Wege, an die duftig fehattigen Ufer der Fim und
in feuchte Waldfhluhten, deren Boden mit rothgelbem Herbftlaub ge-
tigert ift.
Das Auszeihnende in Hagen's Landfhaften ift die immer vollendetere
Durdhdringung des Stoffes, der nicht ftilllebenartig peinlich, fondern zugleich
mit dem großen poetifhen Wurfe aus der Eingebung des Temperamentes
entfteht und wählt. Es ift fein Bild, in dem micht die Begeifterung und
Leidenfhaft des erften überwältigenden Natureindruds feftgehalten und immer
auf dieje zurüdgreifend bis zur fräftigften Wirkung gefteigert wäre. Hagen's
Landfchaften erfceinen ftets belebt, felbft wenn die Staffage fehlt, weil fie fein-
finnig aufeinander folgende Momente zu einem Gefammteindrud zufammen
zu fallen wifjen. Rarl Rrummader.
188
Deutfhe Runft
iR
Georg Kolbe.
enn man einem jungen Talent gegenüberfteht, maht fih die Der-
antwortlidfeit der Rriti? am meiften fühlbar, es erfcheint fchwer,
d die rechte Mifhung von Lob und Tadel zu finden und doch
bleibt fhlieglih nichts übrig, als die Wiedergabe des erften Eindrudes. Die
Runftbandiung von Keller & Reiner in Berlin bradte jüngft eine
Ausftellung von etwa einem Dugend aquarellitter Zeichnungen, die ein eigen-
artiges Empfinden verriethen, fo unfertig aud Mandes erfheinen mochte.
Neben den unverfennbaren Einfläffen von Bödlin und Klinger madte fid eine
gewiſſe Selbjtändigkeit geltend, ein ernftes Streben nah Geftaltung eines
reihen Innenlebens. Es war verhältnigmäßig leicht, den offenbar fehr jungen
Rünftler der Gruppe Rlinger,
Safha Schneider, Strafen anzu-
fließen und ihm von weiteren
Ausftellungen bis zur Erlangung
größerer Reife abzurathen. DieDor-
fht der Rriti? ift bei den vielen
fünftlerifhen Eintagsfliegen, die
fie innerhalb eines Jahrzehnts durch
vorzeitiges Lob gezüchtet, begreif-
lich, aber fhlieglih follte man die
eigene Schuld nit Unfhuldige ent-
gelten laffen. Gn einer Felt, die
geneigt ift, flidtigteit für Ge-
nialität, Senfationsfudt für Ori-
ginalität, Nichtlönnen für Nidt-
wollen zu halten, findet fih am
Ende aud Plak für die förderung
einer Begabung, die ernfthaft,
wenn auh noh mit unzulänglihen
Mitteln nah Ausdrud ringt.
Es gehört ein gewiffer Muth
dazu, ftatt zu illuftciren, neben
einer Dichtung ber zu zeichnen,
ihren in Worten nur angedeute-
ten Empfindungsgehalt in Linien
und farben umzuferen. Diefen
Muth beweift Beorg Rolbe jeden-
falls. Don dichterifhen Reminis-
cenzen angeregt, giebt er eigene
Phantasmen, ja er wählt den
dornenvollen Weg, fid das Gegen-
ftändlihe der Poefie verflüchtigen
eigenen Empfindens, wie der frifde liebenswürdige Humor, der den intimen
Derlehr des Einfiedlers mit feinem wilden Benofjen erfüllt. Dabei ift wohl
zu beadten, daß der eigentlihe Stimmungsgehalt in das Landfhaftlide
verlegt ift, in dem fih Rolbe's Begabung zunädft am mühelofeften bethätigt.
Jn der gewellten Ebene, in den jhön gefhwungenen Ufern, in den auftagenden
Selfen ftedt ein anmuthiger Fluß der Umriffe. Die leicht hingetuſchten
Aquarelltöne entfprehen gefhmadvoll den märdenhaft unbeftimmten Vor-
würfen. Der größte Vorzug all dtefer Rompofitionen ift ihre fünftlerifche
Naivität, die fh anregen läßt und wahllos weiterfhafft über das diel
binaus, weil fie einmal in Bewegung gefegt ift.
Die vorftehenden Heilen waren
gefchrieben, ehe wir auf den Ge-
danken famen, ung nach der Perfon
des jungen Rünftlers zu erkundi-
gen. Die folgenden Notizen ver-
danten wir der Güte des Grafen
H. A. Harrah in Paris.
Georg Rolbe ift 1877 zu
Waldheim, Rgr. Sadfen, als
Sobn des De.orationsmalers
Rolbe geboren. Bis zu feinem
14. Jahre im Daterhaufe erzogen,
fam et 1891 nad Dresden zuerft
auf die Gewerbefdule, wo er
Unterricht im Zeichnen nah Gips,
in der Perfpeftive, Projeftionslebre,
Architektur 2c. erhielt, dann auf
die Aunftgewerbefhule. Mit 18
Jahren ging er nah Münden,
um ein Semefter bei dem aus-
gezeichneten, ungarifhen Privat-
lehrer Holofy zu arbeiten, ynd dann
auf der Afademie bei Prof. Hagel
und Prof. Seit feine Studien
fortzufegen. 1897 fledelte Rolbe
nad Paris über und trat in die
Akademie Julian im Quartier
latin ein, und zwar in das
Atelier der Herren Badel & Sho-
mer. Hier that er fih jhon nad
einigen Monaten duch feine zelch-
nerifhen Leiftungen bervor, und
3u laffen und die reine Gdee in * erhielt einen erſten Preis. Erſt
neue bildneriſche Form umzugießen. feit etwas über 1'/; Jahren bat
Sein „Atlas“, der auf einfamer Nikolaus Geiger, Stijze. er angefangen, feiner reichen
SFelfenhdhe die Wolfenlaft des Him-
mels in fih zufammengefauert auf den Schultern trägt, erinnert eben nur
nod an dte flaffifhe Mythe, die ganze Rompofition Loft eine Gedanfenreihe aus,
die mit dem auf der Brenze zwifchen Erdenleid und Himmelswonne fdhwanfenden
Halbgdtterthum anbebt und je nad der Einbildungskraft des Befhauers endet
oder fih ins Unendlihe verliert. Cin Rentaur trabt, vom Rüden gejehen,
dem „Sonnenaufgang entgegen,‘ die erwadende Natur, die ih dem Leben
fpendenden Tagesgeftien zumendet. DVerlangend ftredt eine fhön fomponitte
Schaar nadter Menfhenfinder vom fablen Felfenufer her die Arme nad
einer grünen, fehattigen nfel aus, nah dem „Lande unferes Sehnens". Die
Dantedihtung von Francesca da Rimini verflühtigt fih bei Kolbe zu einem
Menfhenpaar, das angftvoll zufammengefhmiegt zwifhen Himmel und Erde
durch den „ewigen Raum“ dahinjchwebt, einfam in grauenvoller Dede. Ein
nadtes im Tode übereinander geftredtes Liebespaar überträgt die Stimmung
aus Heine's „Es fiel ein Reif in der Ffrühlingsnadht” in das Bildnerifche,
fle find „verdorben, geftorben“. An die deutfche Legende nüpft der „Einfiedler‘
an, ein Mönd, der in grüner Waldeinfamkeit vor feiner Hütte den ihm ver-
trauten Bären am zottigen Halfe fraut. Das it die Sage vom heiligen
Gallus, dem das wilde Bethier beim Bau feines Haufes durd Zutragen von
Baumftämmen hilft, belohnt durd die fpärlihe Brodnahrung, die der Heilige
ibm reicht, wie es fhon auf dem Dedel des Evangeliars des Möndes Tutilo
vor faft 1000 Jahren in Elfenbein gefihnitt zu fehen war.
Was all diefe dichterifhen Reminiscenzen reizvoll macht, ift der Zufat
Phantafie in einer Fülle ebenfo
origineller, wie tief und warm empfundener Blätter in einfadhfter Aquarell
tednif Ausdrud zu geben.
Mar Rlinger, dem feine Sadhen vorgelegen haben, hat fic lebhaft für
diefelben intereffirt und fic) febr giinftig über diefelben ausgefproden.
Diefen furzen Notizen ließ Herr Graf H. A. Harrah einen zweiten Brief
folgen, den wir als jhätenswerthen Beitrag zur Charakteriftit des jungen
Künftlers feinem wefentliden Gnbalt nad abdruden.
Paris, den 29. Januar 1898.
rue de Courcelles 198.
Die Fragen, die Sie an mid betreffs des Herrn Kolbe richten, find nicht
ganz leicht zu beantworten. Jh balte es von vorne berein für unmöglih,
einen jo jungen Rünftler zu beurtheilen, da eben das, was er bringt, nur
mehr oder weniger mangelhafte Ausdrüde find für eine Fülle von
Empfindungen und Gdeen, die noh garnicht den Anfprub irgend welder
Abgefhlojfenheit machen und fi deshalb auch eigentlich einer Beurtheilung vom
Standpunkt der allgemeinen Runftkritif entziehen. Niemand hat mehr als Kolbe
felbft das Befühl des Unzureihenden in feinen Saden, die er nur als Notizen an-
gefeben und beurtheilt willen möchte, weldhe er aus dem unendlichen Reichthum
feiner Phantafie bingeworfen hat, dem in ihm iibermadtigen Triebe zur
Produftion folgend, und ohne zZuerft an irgend jemand anders dabei zu denken.
Dem entfpredend mödte ih and beftimmt behaupten, daß irgend welde
äußere Anregungen duch fremde Riinftler nicht ftattgefunden haben, denn die
einzigen Aünftler, zu denen er wirklih mit großer Bewunderung emporfieht,
find Bödlin und aud Klinger, und von beiden ift verhältnigmäßig wenig in
feinen Saden zu finden. Das ift aber gerade der Zauber, der von ihnen
ausgeht, und der mid, als ich fie zuerft in feinem fleinen Dahftübhen im
Quartier latin fab, in fo hohem Grade feffelte; denn aus jedem Strid, aus
jeder Empfindung fpridt ungefhwmadt eine ftarfe Perfonlidfeit, deren Schaffens-
reihthum ihm garnicht erft Zeit läßt, ih das in der Phantafle Befehene nad
dem Dorbild irgend eines großen Riinftlers zuredtzulegen.. Daß diefe
Phantafle bald in ihrer Urwiidfigheit und Araft (Atlas. m ewigen Raum)
bald in ihren Märhenträumen (Einfiedler), und faft fentimentalen Stimmungen
immer urdeutfd und urgefund bleibt, hat mid befonders gefreut in
unferer Felt, wo gerade das Nationale in der Runft bei uns fo
felten bervortrit. Er bat mid oft an Thoma und Schwindt er-
innert, fo far? tritt bei ihm gerade das Deutfhe in feinem ganzen
Fühlen und Denken hervor. Und
gerade fo wie die Arbeiten, ift
der Menfh. Blond, kräftig, unter-
fest, im dichten Boulevardgedränge
fhon als Deutfher zu erkennen.
Das Bemerfenswerthefte an ihm
ift das für fein Alter erftaunlid
fefte Zielbewußtfein, mit dem er
feine Studien betreibt. Juerft
hat er faft ausfchlieglih „gemalt
und vor allem fehr viele land-
fhaftlide Studien gemadt. Als
er dann fab, daß ihm zum Aus-
drud deffen, was er geben wollte,
die zeichnerifhen Fähigkeiten
fehlten, wandte er fih mit ganzer
Energie dem Zeihnen zu und hat
es in furzer Zeit fo weit ge-
bradt, daß er feine ganzen figür-
lihen Zeihnungen obne Mo-
dell oder irgendmelde Modell-
ftudien aus dem KRopfe zeichnen
tann. Weil nun die FJhnen vor-
liegenden Saden gerade in die
Periode feiner angeftrengteften
zeihnerifhen Thätigkeit fallen,
lafen fie aud diefen Charakter
befonders hervortreten.
Uuh ih fenne ihn nur aus
diefer Zeit und fann mir des-
halb über jeine malerifhen Quali-
täten fein Urtheil erlauben. Jedenfalls fdeint mir, ob nun in farbe
oder Zeihnung, die Begabung zur Kompofition feine hervorragendfte Eigen-
haft zu fein. Rlinger’s Urtheil über ihm vermag ih Fhnen nit wörtlich
mitzutheilen, da ich es nicht war, der ihm die Saden vorgelegt hat. Seine
Nikolaus Geiger, Grabdenfmal auf dem Mathdi-Hirdhof in Berlin.
Deutfhe Rung. 189
Lehrer in Paris haben Ffeinerlei Einfluß auf ihn ausgeübt, da die Rorreftur
hier nur eine fehr flüchtige if. Er hat in der Akademie Julian nur Aft-
ftudien gemadt und aud fiir eine folde in einer Schulfonkurrenz den Preis
befommen.
Die Sacen, die Fhnen vorliegen, find eine Auswahl aus einer großen
Zahl (etwa 60 bis 70), dte alle im Laufe von nicht einem Jahr entftanden
und, bevor id) fie fab, nur ein bis zwei perfönlihen freunden befannt
waren. Da fie mir duch ihren außergewöhnlihen Phantafie und Em-
pfindungsreihthum eine wirklich große Freude gemadht hatten, verfprad ich
zu thun, wag in meinen Kräften ftände, und nahm fle nad Berlin mit.
Das weitere wiffen Sie.
JH habe, glaube id, nun alle Fore fragen beantwortet, foweit ih es
fonnte, und bitte Sie, mir nur nod zu geftatten, das zu wiederholen, was
id zu Anfang fdon erwabhnt hatte. Fh glaube namlid, dağ man
duch eine Fritifche Beleudhtung der
Arbeiten denfelben nit gerekt
werden kann, da fie, wie gefagt,
nidts WAbgefdloffenes find und es
aud nidt fein wollen, mir will
es deshalb feinen, ale ob in
diefem Falle die Aufgabe eines
Auffages vielmehr in einer, wie
foll ih fagen, poetifhen Be
handlung des Stoffes läge, die
das Publitum, indem fle den gei-
ftigen Gehalt des Stoffes auslöfte,
auf das, was den Werth der
Saden ausmacht, hinweifen würde
und es dadurh zu dem Runft-
genuß binleitete, zu dem es ja
meift erft durd eine verftändniß-
volle Rritif geführt werden muß.
Tropdem id nicht glaube,
daß ich Ihnen noch mehr Material
liefern könnte, bin ich doch bereit,
auf alle Fragen, deren Beant-
wortung Sie eventuell nod wiin-
fhen könnten, Auskunft zu geben
und ftebe Ghnen zu diefem Zwed
jederzeit zur Derfügung.
Mit vorzügliher Hochachtung
H. UA. Graf Barragh.
Wir haben diefem Schreiben
nihts Wefentlihes hinzuzufügen.
Aud uns fheint das Schaffen des
jungen Rünftlers aus deutfcher Empfindungstiefe gefhöpft zu fein. Wenn aud
bisweilen die Herefhaft über die tarten Ausdrudsmittel fehlt, fo it es jedenfalls
beffer, dağ die Spannfraft über das Ziel hinausfchießt, als daß fle vor ihm
verfagt. 6. M.
Die Kunft in Oefterreidy und der Schweiz.
ie ftaatlihe Runftpflege in Oefterréih hat fo lange und fo viel zu
wünfhen übrig gelaffen, daß jede Regung auf diefem Gebiet mit
D befonderer Freude zu begrüßen ift. Und es regt fid) dermalen
überall, meift mit Bezug auf das bevorftehende Regierungsjubilaum. So ift
ein Dorfhlag aufgetaucht, deffen Ausführung einmal Gelegenheit bieten
würde, zu zeigen, welde Aunftfhäge Wien in Sffentliden und Privatgalerien
aufgefpeihert hatte, ebe die derzeitige Derfumpfung allen Runftinterejjes ein-
trat. Es handelt fid darum, in einigen Hauptfälen des Hofmufeums eine
Galerie der Galerien 34 vereinigen. Da würden aus Raijerlihem Befit
ihren Plaß finden: die beiden Knaben des Rubens, der herrlihe franz Hals,
ein und der andere Dan Dyg, Luini; von Harrah das Rnabenbildnif des
Delasquez, das fih neben des gleihen Meifters Philipp IV. wunderfam aus-
nehmen müßte; vielleiht noh fein Juan von Toledo; von Czernin der
Potter, deifen gleihen die Welt nit tennt; der groe Rembrandt aus Schön-
born; mandes aus Privatbefiz Fame wohl hinzu. Es wäre ferner nit
unmöglid, daß man die Pefter Nationalgalerie für diefen Bedanfen gewänne.
Dann 36gen Spanier von einer Pradt auf, wie man fie aufer im Prado
nidt abnt: Jurberan, Gopa, Murillo. Dazwifhen auf Godeln oder in
Vitrinen die löftlihften Bronzen und Werke der Kleinkunft. Es wäre das eine
Schau von Aunftwerken, dte ih dem Salle carrée des Louvre ebenbürtig
an die Seite ftellen fönnte. Natürlih müßte die ftaatlihe Runftverwaltung
die Sahe in die Hand nehmen, die ja auh im Aunftgewerbe jüngft be-
merfenswerthe Erfolge erzielt hat.
Mit Herrn von Scala, dem neuen Direftor des Mufeums fiir Runft
und Gnduftrte, ift frifches Leben eingezogen. — Zunädhft wurde ein tunft-
gewerbliher Dorfhuß- Fonds gegründet. Herr v. Scala fand es niht unter
feiner Würde, da und dort,anzuflopfen, um die Mittel zu erhalten und erhielt
fie. Sie dienten in erfter Linie dazu, tüchtigen, aber unbemittelten Hand-
werfern das Nöthige zu verfchaffen, um die Ausführung dtefer oder jener Arbeit
in die Hand zu nehmen. Sie befamen außer beträdtlihen Zufhüflen in erfter
Linie muftergiltige Bebrauhsgegenftände im ihre Werkftätten geliefert, um fo
zu jeder Zeit ih am Originale Rath zu erholen, alle tehnifhen fragen am
190
Deutfhe Runft.
Dorbilde jederzeit ftudieren 3u fonnen. Die Anregungen werden meift vom
Auslande geliefert, aber die Refultate find dem heimifchen Runftgewerbe zu
Gute gefommen, wie der Erfolg der Möbelausftellung im Mufeum beweift.
Die Derfäufe befhränften fih ausfhließlih auf die Schöpfungen inlandifder
Rünftler. Am meiften Aufmerkfamkeit erregte ein Gnterleur, entworfen von
den Architekten Jofef Urban und franz Schönthaler, ausgeführt unter Affiftenz
von Maler Heinrich Lefler und Bildhauer Hans Ratthansty.
„Die Grundftimmung des Ganzen ift liht; die Möbel, durchweg in
äußerft zierlihen, an englifhe Vorbilder fih anlehnenden formen gehalten,
find in dunkel Mahagoni ausgeführt. Der untere Theil der Wand ift mit
einer meterboben Dertäfelung verkleidet, die durch in regelmäßigen Abftänden
wiederkehrende Lifenen, befrönt durch ziemlih weit vorfpringende Ronfolen,
eine fefte Gliederung erhielt. Darüber, bis zum Dedenfries reihend, fett eine
fein geftimmte Tapete mit Paffionsblumenmufter, graugriin und violett, an.
Sie ift von Lefler entworfen. Die Dede fleigt als flache, vierfeitige Pyramide
an und bat ein fleines, mit farbiger Glasdeforation verfehenes Oberlicht.
Der Boden ft mit verfchiedenen Teppiden belegt, unter denen einige von
£efler entworfene fein zum Uebrigen ftimmen. Originell wirkt ein in feinen
Befdhlagen febr reid) gebaltener und mit Bronze-Reliefs verfehener Hodseits-
frant, bei dem der Brautfranz ein ebenfo glüdlih durdgebildetes als
ornamental witffames Motiv abgab. Ylicht minder originell wirft ein Wand-
fhirm mit Füllungen in Applifationsarbeit, weiter eine mit reichlider Metall-
Treibarbeit verfehene Pendeluhr, dann die weißen Delvet-Dorhänge mit Mohn-
mufter, die in den Erferfizen am Fenfter befindlihen Poffterkiffen mit Appli-
fations-Stiderei, an denen in richtiger Erfenntnif des Awedes jede zu weit
getriebene Naturaliftit vermieden if, ebenjo wie bei den mit Mohnmufter ver-
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Georg Kolbe, Jm ewigen Raum.
fehenen Stuhlbezügen, endlih die in Glasemail ausgeführten farbigen
‚Fenfter mit Darftellungen aus „Dornröschen“ und „Afhenbrödel". Wir geben
die Befchreibung diefes Gnterieurs fo eingehend, weil es ih hier um keine
mehanifhe YNahabmung englifhen Stile, fondern um eine zwedmäßige und
fhöne Anpaffung an einheimifhe Verhältniffe handelt. Das verftändnifvolle
Einwirken feinfinniger Rünftler hat ein Neues gefhaffen, das unferem Runft-
empfinden nabe ftebt: Diefes an der Hand der Schilderung Ser heimifchen
Runftentwidelung beranzubilden, madhen fi die Vorträge des Vizedireftors
des öfterreichifchen Mufeums, Dr. Leifhing, zur Aufgabe. Er hat einen Eyflus
von Dorlefungen über „Defterreihifhe Aunftgefhichte‘‘ begonnen. Dr. Leifhing
verwies in feinem Einleitungsvortrage mit Redt darauf, daf es fih in diefen
Mufeumsfurfen darum handelt, gegenüber dem realiftifhen Zuge der Zeit, die
idealen Lebensmächhte zu pflegen und dadurch einer harmonifden WAusgeftaltung
der allgemeinen Bildung Dorfchub zu leiften. Er begründete aud, warum er
zur Einleitung diefer Rurfe ein Rapitel der fogenannten hoben Aunft wähle;
einmal dSeehalb, weil aud unter den Gebildeten die Kenntniß der reichen
Runftfhäße Oefterreidhs, welde in ihrer faft lüdenlofen, gefhidtliden Folge
als Ausfhnitt aus der allgemeinen ARunftgefhichte eine trefflihe Einführung
in diefe felbft bieten, nahezu gar nicht verbreitet fei; ferner weil das aktive
Ontereffe an den dekorativen Rleinfünften, deffen ein wiflenfhaftlih und zu-
gleid) praftifh wirfendes Inftitut, wie das Oefterreihifhe Mufeum, dringend
bedarf, in weiteren Rreifen nur auf dem Umwege über die hohe Runft lebendig
gemacht werden fann. Das ift jedenfalls der rehte Weg, aus dem Wirrwarr
des Modernen zu einer abgeflarten Runftanfhauung zu gelangen und das
Neue Surh die Errungenfhaften des Alten zu Fontrolliren.
Hierzu bietet fh auch in der Ausftellung des Aquarelliftenflubs
Gelegenbeit, die allen Riinftlern des Fn- und Auslandes Baftfreundfhaft ge-
währt und fic fo zu einem intereffanten Wettftreit geftaltet.
Das Zurüdftehen der Oefterreiher hat mehrere Gründe; dte „Sezeflion“
hat zwar die Genoffenfhaft aus ihrem Mafifhen Zauberfhlafe aufgerüttelt,
aber fie ftreift im Aünftlerhaufe: Alt, Veith, Zettel, Hirfchl ftellen hier nicht
aus. ferner arbeiten unfere Rünftler derzeit für die große Jubiläums - Aus-
ftellung und konnten ih für diesmal nicht recht betheiligen. i
Der Rlub trägt der Jeittrömung infoweit Rednung, als er fic) durd-
aus modern infzenirt. Schon der illuftrirte Ratalog giebt fih, wenigftens in
feinem reihen Dignettenfhmud, urmodern; die Pleinen Reproduftionen aus
der Ausftellung können damit freilich nit Schritt halten. Es fehlen eben
die Sezefjioniften, diefer unrubige Sauerteig, der Leben in den Rlub bradte,
und was Neuartiges vorhanden ift, fommt den alten kleinen Schulmanieren
gegenüber nicht recht auf.
Dafür find die Karlsruher und Worpsweder glänzend vertreten,
aud mit Werken der Radirfunft. Noh eine angenehme Entdedung fann
der Runftfreund in der Aquarelliften-Ausftellung mahen: Das Runftgewerbe
ift nicht vergefjen worden. Jn den Eden und in Schränken finden fih eine
Menge von Fayencen, Reramifen und Silber= und Goldarbeiten, lauter be-
merfenswerthe Erzeugniffe des Runftgewerbes. f
Wien beftrebt fid eben nad allen Ridtungen hin, die ihm gebührende
Stellung als Runftftadt zurüd zu erobern und ladet gaftlih Alles ein, was
ihm dazu Beihilfe gewähren tann.
Eine Ausftellung von Werten reihsdeutfher Rünftler bat,
wie fhon feit einigen Jahren, auh jekt wieder der Münchener Hofkunft-
händler Neumann in der Runfthandlung feines Bruders (am Rohlmarkt) zu-
fammengebradt. . eben Bödlin, der mit einer wundervollen Ruine am
Meer, und Uhde, der mit zweien feiner Hauptwerke vertreten ift, fowie Albert
Beller und Franz Stud, finden wir Namen wie Adhenbadh, Defregger,
Griigner, Hartmann, Raufmann, Raulbadh, Knaus, Mar Wenglein 2c.
Speziell die Mündjener Rünftler haben in Wien einen rührigen Vertreter und
ein bübjches Heim gefunden, wo neben den fdon genannten und anderen
Werken zur Zeit nod ein fhöner Studienfopf von Meifter Lenbah und ein
feiner Dies erfceint.
Gleichzeitig wünfht die ,,Dereinigung bildender Riinftler Oefterreidhs'
in folge 3ablreich) eingelaufener Anfragen befanntzugeben, daß zu ihren
Ausftellungen nicht allein die Werke ihrer Mitglieder und die Schöpfungen
fpeziell eingeladener Künftler zuläfiig find, fondern Saf es jedem andern
Rünftler freiftebe, fid an den Deranftaltungen diefer Vereinigung zu be-
theiligen. Mit NRüdfiht auf die bereits eingelaufenen zablreiden An-
meldungen und den für die Plazirung der Werke verfügbaren Raum fönnen
jedoh die Aufnahmen für die erfte Ausftellung nur im befihräntten Maße
ftattfinden. Der Termin zur Einfendung der Werke in das Ausftellungs-
Bureau (Bartenbau-Befellfhaft) ift vom 5. bis zum 15. März anberaumt.
Tg — — — == —
Deutſche Runf.
191
Auch in Transleithanien beſinnt man ſich auf die kulturelle Bedeutung
der Kunſt und des Kunſtgewerbes. Der Kulturminiſter Dr. Wlaſſics hat an
die Direktoren des National-Muſeums, des Runftgewerbe-Mufeums und der
Landes⸗Bildergalerie einen Erlaß gerichtet, den wir im Wortlaut wiedergeben,
da er uns beſonders nachahmenswerth erſcheint:
„Es iſt ein fühlbares Bedürfniß, daß die verſchiedenen und von Jahr
zu Jahr ſich ſteigernden kulturellen Anſprüche des großen Publikums be—
friedigt werden. In mehreren Ländern des gebildeten Weſtens werden ſchon
feit längerer Zeit durch auf wiſſenſchaftlichem Aiveau ſtehende ſeſtematiſche
Vorträge die Errungenſchaften der Kultur dem großen Publikum übermittelt
und wird auf dieſe Weiſe das Intereſſe für Wiſſenſchaft und Kunſt in die
breiteſten Schichten getragen. Ich wünſchte beſonders die Aufmerkſamkeit der
ungariſchen Geſellſchaft in höherem Grade auf die in heimiſchen Anſtalten
befindlichen zahlreichen und intereſſanten Sammlungen zu lenken. Derartige
Sammlungen find in erfter Reihe die des YMationalmufeums, der Runft-
gewerbemufenms und der Landes-Bildergalerie. Diefe find in erfter Relbe
berufen, den Runftgefhmad des grofen Publifums 3u entwideln, die Ge-
miither 3u veredeln und insbefondere das grofe Publitum in einer Richtung
3u erzieben, welde die Beftrebungen der Befellfhaft mit edlerem, idealerem
Inhalt erfüllt. Das Publifum, das die erwähnten Anftalten befudt, erhält
nur eine flühtige Orientirung von den dafelbft angehäuften Shaken der
Nation, wenn anziehende, fahgemäße Dorlefungen feinem GBejhmade und
feiner Denkart nicht die Richtung angeben. Jh eradte es fiir nothwendig,
daß diefe wichtigen faltoren der Kultur zu einem wahren Bemeingut der
Nation werden, damit fie aud praltifh ausgeniigt werden können. Jd
wiinfdte, daf die ungarifche Befellfihaft das wärmfte und wahre Fntereffe
für Wiffenfhaft und Runft an den Tag lege. Jh mwünfhe, dağ die
ungarifhe Gefellfhaft 3um flaren Bewuftfein deffen gelange, daß der Auf-
fowung des wiffenfdaftliden und Runftlebens die feftefte Bafis fei, auf
welde unfere Zukunft aufgebaut werden Fénnte. Was mir vorfhwebt, ift,
daß die Befriedigung der Anfpriihe des Aunftgefhmades zu einem Bedürfniß
des alltägliben Lebens werde. Zur Erreihung diefes Zieles müllen wir
alle zur Derfiigung ftebenden Mittel benügen. Deshalb wünfhe id, dem
Publitum Gelegenheit zu bieten, die Sammlungen der unter Fyrer Leitang
ftebenden Anftalt auf dem Wege fpftematifher anziehender Vorträge oder
Dorlefungen fennen zu lernen. Jh erfuhe daher, die praftifhe Durdhführ-
barkeit der bier aufgeworfenen dee zum Gegenftande Ghrer Erwägung zu
maden und mir ebebaldigft Bericht darüber zu erftatten, auf welhem Wege
und auf welhe Weife das ausgeftedte Ziel in der unter hrer Leitung
ftebenden Anftalt verwirkliht werden lönnte. Jh erwarte shren Bericht
noch redtzeitig genug, um über die nothwendigen Roften bei der Zufammen-
ftellung meines nadftjabrigen Budgets orientirt fein 3u fsnnen."
Und bier ftellt üh der internationalen die nationale Runft, dem
franzöfelnden „l’art pour l'art“ die Runft für das Dolf gegenüber. Es ift
das ein beachtenswerthes Zeihen der Zeit, das gerade für uns, denen der
ausländifhe Modegefhmad immer näher auf den Leib rüdt, feine Be-
deutung bat. :
Selbft in der dreifpradigen, allen internationalen Gntereffen geöffneten
Schweiz nimmt die Aunftentwidelung eine durhans nationale Richtung.
Im Basler Aunftverein hielt Dr. Albert Huber einen Vortrag über die €r-
tihtung einer fhweizerifhen Aunftafademie in Bafel. Es fei,
fo führte der Dortragende aus, angezeigt, alle Kunftinterejien in einem Brenn-
punkt zufammenzufaflen. Reine andere Stadt der Schweiz vereinige fo viele
wefentlide Bedingungen fiir eine nationale Runftafademie wie Bafel. Der
Redner wies auf Bafels traditionellen Runftfinn, auf feine Mufeumsfammlung
und die vielen Privatfammlungen bin, die Bafel beherberge und meinte, aud
die Lage an der Grenze fei nidt ein Madtheil, fondern ein Dorthell, da fie an
landfhaftlihen Schönheiten und Abwedhfelung der Volfscharattere im Elfag
und Sdhwarzwald dem Riinftler reidhe Wusbeute gewähre. Fa dem von der
Stadt erworbenen Margarethengut befige Bafel einen für den Jwet vor-
trefflid) geeigneten Plak. Cine auf den Dortrag folgende Diskuffion förderte
allerdings zahlreihe Bedenken zu Tage, denen man eine gewifje Berechtigung
nidt abfpreden kann, aber die Anregung ift einmal gegeben und wird ihre
Ftüdhte tragen.
Dorläufig hat Züri den Bafeler Landsleuten den Rang abgelaufen.
Jm Juli eröffnet es fein Shweizerifhes Landesmufeum. Lange genug
hat es freilih gedauert, dafür wird es aber in der That eine ganz prädtige,
überaus febenswerthe Sammlung werden. Yamentlid nach zwei Seiten bin
wird das Mufeum vor anderen fic) bervorthun: das find einmal die pradt-
vollen Fimmereinridtungen von der gothifden Zeit an bis zur Spätrenaljjance
binab in reiher Auswahl und dann die fat überreihe fülle von Glas-
gemälden aller Perioden. Dazu wird das Mufeum, abhnlid dem germanifden
Mufeum in Nürnberg, den großen Dorzug bieten, daß man nit übermüdet
wird duch die in Haufen beifammen aufgeftellten gleihartigen Begenftände,
da die Objekte fo viel als. möglid ihrer hiftorifhen Bedeutung entfpredend
in die Sammlungsräume vertheilt werden.
Mit dem ebenfalls geplanten Runftmufeum fieht es allerdings nod
recht windig aus. Die durd die Derfhmelzung mit der Künftlergefellihaft
auf 1800 Mitglieder angewadfene „Runftgefellfhaft hat fic da eine ſchwere
Aufgabe geftellt. Der Bau ift ohne den Preis fiir Grund und Boden — man
hofite, daf die Stadt diefen fchenfen werse — auf mehr als eine Million
veranfhlagt; das verfiigbare Rapital beträgt aber nur 100000 francs, und
wenn man and nod 200 000 aus dem Derfauf des bisherigen Bejizes heraus
zuſchlagen hofft, fo bleiben Sod immer nod 700 000 francs zu befhafjen.
Georg Kolbe, Es fiel ein Reif in der Friihlingsnact.
192
Die Böcklin-Masken und die
Photographifche Union.
Al Meifter Bödlin feine Masken, farifirte
Typen Schweizer Spießbürgerthbums, an der Hinterfront
des ` Bafeler Runftmufeums anbradte, fonnte er nicht
abnen, daß man um diefe tollen Ausgeburten einer
reihen Aünftlerphantafie einmal einen ernften Urheber-
techtaftreit führen würde. Aber Meifter Bödlin erfindet
und feine Erploitenre prozefjiren, das ift feit einiger
Feit der Bang der Dinge, bejonders feitdem die Photo-
graphifche Union in Münden fih dur einen überaus
dehnbaren Beneralvertrag das Cigenthumsredt
an allen gejhaffenen oder ert zu jchaffenden
Werken Bödlin's feftgelegt zu haben glaubt.
Den Klagegrund bildete die Verlegung dieſes
fünftlerifhen Cigenthums, das duch Befeg gefhützt
ift. DBellagte ift die Aftiengefellihaft „Polvgra-
pbifhes Fnftitut‘* im Zürih. Der Thatbeftand ift fol-
gender: Anläßlib des Bödlin - Jubiläums im legten
Jahre war das „Polygraphifhe Jnftitut auf den
merfantilen Gedanfen gefommen, Anfidtspoftfarten mit
den Bödlin’fhen humorififhen Fragen berzuftellen.
Die Rarten wurden aud wirflih gedrudt und fanden
ihren Abfat. Gn der Vervielfältigung der Bödlin-
‚Fragen erblidt nun die Fägerifhe Gefellfhaft in Münden
eine Derlekung ihrer Nedte, da fie allein zur Repro-
duktion Bödlin'fcher Werke befugt jei; übrigens feien die
raren niht etwa an einem öffentlihen Gebäude und
nidt fo angebracht, daß fie allgemein gefehen werden fönnten. Die beklagte Bejell-
fchaft behauptet demgegenüber, gerade das Aunftmufeum — e3 fteht im Eigenthum
der Bafelec Mufeumsgefellfhaft — fei ein öffentliches Bebäude, man dürfe
deshalb and Theile desjelben photographifh wiedergeben; zudem feien die
Fragen fdhon vor Änkrafttreten des Bundesgefeges über ten Shug des
literarifhen und Pünflerifhen Cigenthum angebradt gewejen. Die Ein-
willigung für die photograpbifhe Aufnahme der Nxsfen jei bei der Mufeums-
gefellfhaft eingeholt und von diefer ertheilt worden. Das Jürherifhe Be-
zirfagericht hat den niht unintereffanten Proze einftweilen vertagt. Wir
werden feiner Zeit über den Ausgang berichten, obwohl es an fih ziemlich
gleihgiltig ift, wer das Fünftlerifche Urheberreht Meifter Bödlin's gefhäftlih
ausnußt.
Ruriofa aus Atelier und Werkftatt.
— Stalienifhe Profefforen Weisheit. Dor einiger Feit erjchien
in Rußland ein Pradtwerf: Die Byzantinifhen Zellenfhmelze der
Sammlung Dr. Aler. von Swenigorodsfoi, verfaßt im Auftrage des
Befikers der Sammlung von N. Rondafow. Eine zwölfjäbrige Vorbereitung
ermöglichte eine bibliographifhe Wusftattung, wie fie nur ein fürftlihes Der-
mögen und gebildeter Runftgefhmadt zu Wege bringen konnte. Dem Erfinder
des Einbandes und der imneren ornamentirten Titelblätter, dem ruffifchen
Arditelten J. P. Ropet, hat bei der Rompofition eine intime Renntnif
byzantinifher Miniaturwerke, jowie der bervorragendften Frontaleinbände.des
frühen Mittelalters zur Seite geftanden. Die typograpbifche Herftellung, der
Gold- und Farbendrud der lithograpbirten Tafeln wurde von der Franffurter
firma A. Ofterrieth, der Einband von Hubee & Denf in Leipzig beforgt.
Da orakelt nun der italienifhe Profeffor A. Denturi in dem „Archivo
storico dell Arte“ über die Augftattung des Werfes folgendermaßen:
„Schade, daß die prunfhafte Ausftattung des Budes niht eben von gutem
Gefhmade ift, und daß die byzantinifhe Runft theatralifhen Effekten dienftbar
gemacht wird! Es genügt nicht, das Bold mit vollen Händen zu verfhwenden,
um die Güte einer Sache zu beweifen.* Vielleicht beweift der Herr Profeffor
zunädhft einmal, was es einem wijlenfhaftlihen Werke fhadet, wenn es
pradtig ausgeftattet wird. Da die zweibundert Abzüge nit in den Buh-
handel gefommen, fondern an fiirften, Gelehrte und Bibliothefen verfcentt
Dentſche Rung.
Vermilctes.
fax Kuriofa aus Afelier und Cerkffaff.
TEE EEE
Gedanken üher bildende Kunft.
worden find, fann fih Profefior Venturi doh unmöglich durch die Liberalität
des Dr. Aler. von Swenigorodsfoi gefhädigt fühlen.
— Neues vom Heine-Denf mal. Die Roften der Statue, welhe zum
hundertjährigen Beburtstag Heinrih Heine's auf dem Grabe des Dichters,
auf dem Wontmartre-friedhof in Paris, errichtet werden foll, find durd
Privatfammlungen bei Derwandten und Freunden des großen deutfhen
£yrifers aufgebradht worden. Der holländifhe Bildhauer Haffelrus in Rom
hat den Auftrag erhalten, das Monument in Marmor zu meißeln. Bereits
zum zweiten Mal ift ihm die Arbeit übertragen worden. Schon vor zehn
Jahren hat er ein Heinedenfmal gejhaffen, das feltfame Scidfale erlebte.
Befanntlih blamirte ih Düffeldorf und andere Rheinftadte nicht unerheblich,
indem fie die Aufftellung des Denkmals ablehnten. Befonders laut und
gebafiig eiferte der jekige Strafgefangene Herr v. Hammerftein gegen diefe
„Entweihung deutfcher Erde und deutfhen Beiftes‘‘! So verblieb denn die
Statue in Rom. Dort fah bei einem Befude der ewigen Stadt die Raiferin
von Gefterreih das Denkmal und war fo entzüdt über die Schönheit des
Wertes und des herrlihen Marmors, daß fie die Statue für ihr „Adilleon",
ihren Wobnfik auf der Gnfel Corfu, anfaufte. Das Denkmal ift in der form eines
Springbrunnens gehalten, aus dem in vielen Garben und Strablen die Wafer
plätfhern und deffen Spike der „Loreleyfelfen" frdnt. An der unteren fels-
partie ift in einer Nifhe die Medaillonbiifte des Dichters eingemeißelt. Als
der flühtige Defraudant v. Hammerftein auf feinen Srrfahrten nah Corfu
gefommen, hatte er dort Belegenheit, dies Denkmal zu fehen, gegen welches
er fih feinerzeit fo entrüftet hat. Hoffentlich entjpriht es feinen Wünfchen,
dağ nun die Franzofen durch einen bolländifhen Bildhauer dem Sänger der
Loreley früher ein Denkmal errichten, als die Deutfchen, denen er zwifchen
Laden und Weinen jeine Wintermärden erzählte, als fie für Deutjchlands
Einheit nok mehr träumten, als dadten und handelten.
— Wieder einmal Polizei und Runft. Ein Buchhändler in Cleve
ift dur den Bürgermeifter dazu veranlaßt worden, bei Vermeidung einer
Polizeiverfügung die bekannten Heihnungen von Safha Schneider aus
jeinem Schaufenfter zu entfernen, da daran von verjchiedener Seite Anftoß
genommen woren fei. Es ijt merfwiürdig, wie anftößig feit einiger Feit die
Runft der Polizei geworden ift. Wie wäre ee, wenn man zur förderung
der Wollwaareninduftrie den größeren Theil der dealfiguren unferer Dent-
mäler mit Slanellhofen bekleidete. 3
— efthetif und Eleftrizität. Die Dorfikenden der Münchener
Rünftlervereinigungen franz v. Lenbach, C. v. Löffr und Ludwig Dill haben
in Bemeinfhaft mit den Dorfizenden des Runftgewerbevereins Ff. v. Thierfch
und des Arditeften- und Fngenieurvereins Profeffor M. Schmidt eine Petition
an die Gemeindevertretung gerichtet, in der fie gegen die geplante Einführung
der oberirdifhen Stromzuleitung bei den eleftrijhen Bahnen im Gnneren der
Stadt Proteft erheben. m dem Proteft wird hervorgehoben, daß das Stadtbild
durch die Einführung der oberirdifchen Leitung eine fhwere äfthetifhe Schädigung
erleiden würde. Es fei erlaubt, darauf aufmerffam zu maden, dağ der
Meter unterirdifher Leitung in Berlin, wo eine folhe auf furze Streden zur
Anwendung kommen mußte, einen Koftenaufwand von je 400 Marl ver-
urfadte. And den Anforderungen des Schönbeitsgefühle find materielle
Grenzen geftedt.
Gedanken über bildende unf,
Das geringfte Produft der Natur hat den Kreis feiner Dolltommenbeit
in h und ih darf nur Augen haben, um zu fehen, fo fann id) die Der-
hältniffe entdeden, ic) bin fider, daß innerhalb eines Meinen Cirfels ‘eine
wahre Eriftenz befdlofjen ift. Ein Runftwerf hingegen bat feine Doll-
fommenbeiten außer fi, das Befte in der Gdee des Künftlers, die er felten
oder nie erreidt, die folgenden in gewiffen angenommenen Gefegen, welde
zwar aus der Natur der Runft und des Handwerks hergeleitet, aber dod nit
fo leicht 3u verfteben und zu entziffern find als die Befere der lebendigen
Natur. Goethe.
RETTET
Deutjcher Hausrath.
Ee ift von Zeit zu Zeit angebracht, darauf hinzuwelfen, daß es nidt
nur Nippes und Quincaillerien, Tiffany- und Galléglafer, Bing, Bigot,
Charpentier und Chéret giebt, fondern aud einen foliden deutfhen Hausrath,
der troß des mangelnden Namens feinen Vorzug bat und von gefdicten
Handen aud ohne berufsmäßige Dorbildung hergeftellt werden tann.
€s giebt nichts Poefieloferes als den modernen Beldfhrant mit dem
ausgefprodenen, feine Formen beberrjhenden Zwed der Diebesfiherheit. Die
unten abgebildete Sparkafje trägt den vertrauenerwedenden Charakter
patriarhalifher Dertrauensfeligfeit. Wo ihre Eihenholzflähen zufammenftoßen,
legen ih über die Fugen aufgenagelte Eifenbefchläge, deren Auszadungen
in aufgerichtete Eichelornamente auslaufen. Den DVerfhluß bildet ein reih-
geftalteter Ueberfall, in den der Riegel eingreift. Jn form eines geflügelten
Draden legt er fih vor die ebenfalls aufgenagelte Scloßverlleidtung. Die
Tragbarfeit des Beräthes wird duch verfhlungene Eifendrähte angedeutet,
deren Enden urd Thierföpfe gebildet werden. Der Charakter der Verzierungen
hält fih innerhalb der gothifhen Formengebung, die fih in der Thierbildung
und in der Art des Pflanzenornaments ausfpricht.
Handelt es fih hier um eine über ganz Deutfhland verbreitete Stilform,
fo bringen wir mit dem Ubrfaften von A. Eyßer, Nürnberg, ein Beifpiel
nationaler Hausinduftrie, deren urwüchfige Ornamenti? jih vorwiegend in
Süddentfhland, unbeeinflußt vom Modegefhmad, erhalten hat. Das einfache
Beräth ift von jedem Tifehlermeifter in billigem Material berzuftellen, während
die ebenfo fehlichte Bemalung aud von einer dilettantfh geübten Hand aus-
geführt werden fann. Die umrabmende Ornamenti? erinnert an Barot-
Dorlagen, die füllmalerei ift naturaliftifh behandelt. Der Jwet des Beräthes
fommt in den Zierformen zum Ausdrud. Der Hahn, mit anerfennenswerthem
Gefhid in feine Umrahmung hineinfomponirt, fräbt fymbolifh fein „Norgen-
funde hat Bold im Munde! zu dem Zifferblatt empor.
Dasfelbe Shmudmotiv fehrt in der von gefhidten frauenhänden her-
geftellten Standuhr in bemaltem Rerbfdnitt wieder. Die einzelnen Bretter
find vor ihrer Sufammenfegung Surd den Tifchler mit dem Schnitzmeiler
bearbeitet und ausgemalt. Die Schnittflähen haben gelbe und rothe Umrandung.
Auf dem Zifferblatt ift der Theil, weldher die Zahlen trägt, ausgegründet
und gepunzt. Während die ganze Uhr, mit Ausnahme des Hahnes und feiner
nädhften Umgebung, dunkel nufbraunfarben gebeizt ift, erfcheint der Ring mit
den Zahlen in einer hellen Eihenholzfhattirtung; die erhabenen Stunden-
und Minutenzeihen find elfenbeinfarben, der innere gefhnitte Aranz pfauen-
blau und ziegeltoth, die Derbindungsborte wieder mattgelb, der Stern ziegelroth.
An der Dorderfeite des Kaftens hebt fih der in natürlihen Farben gehaltene
Hahn von der eichenholzfarbenen, ausgegründeten und gepunzten Fläde
witfungsvoll ab.
Der Werth folhen Hausraths beftebt nicht nur in feiner überaus einfachen
Herftellbarfeit, er giebt vor Allem Anregung zur Ausbildung einer individuell
erfundenen und mit eigener Hand geübten Zierfunft, die von der Eigenart
des Beikers zu reden weiß.
Berlin. — Von ftaatliher Runftpflege it neben der erfreulihen Er-
böhung des Runftfonds, von der wir bereits berichtet, zur Zeit niht über-
mäßig viel zu bemerken. An der Siegesallee wird eifrig weiter gearbeitet,
ja die Reihe der Brandenburgifhen Markgrafen erhält einen unvermutheten
Nahwuhs in der Geftalt eines fürftlihen Anaben. Heinrih das Rind,
ein Asfanier, der ganze zehn Monate unter Dormundjhaft regierte, erhält
ein Monument, dem auch die Büften zweier bedeutender Männer feiner Epode
zugefügt werden. Wud) der Dolfsveriretung wird der ihr gebührende Antheil
an fiinftlerifcher Derherrlidung 3ugemeffen. Die innere Ausfhmüdung
des neuen Abgeordnetenhaufes ift bereits fehr weit gefördert worden.
Augenblidlih ift der Maler Hans KRoberftein mit der Ausführung der
beiden einzigen großen Wandgemälde bejchäftigt, weldhe vorläufig den Gnnen-
raum des neuen Haufes fhmüden follen. Die beiden Bilder, die im foyer
ihren Plaß erhalten, ftellen die Thatigheit der Abgeordneten dar, und zwar
das eine eine Sitzung im Plenum, das andere eine Rommiffionsfigung. Gn
der großen Treppenhalle werden vier allegorifhe Figuren aufgeftellt, welde
die Gerechtigkeit, die Weisheit, die DVaterlandsliebe und die Beredtfamteit
darftellen. Daß diefe Allegorien nicht neben Plenar- und Rommiffionsfigung,
fondern im Treppenhaufe ihren Plar finden, erfcheint im Gntereffe des
fünftlerifhen Einflanges geboten. — Recht eifrig erweift füh die ftädtifche
Runft+ Rommiffion, die fid den Schmud der Straßen und dffentliden Plage
nad wie vor angelegen fein läßt. Das von der Stadt angefaufte Marmor-
bildwerf „Die Nymphe" von Profeffor Calandrelli hat inmitten der Ufer-
anlagen bei der Lütomwbrüde und KRaiferin Auguftaftraße einen Plaş er-
palten. Es ift eine jungfeäulihe Beftalt mit Wafferrofen im berabfluthenden
Haar, die dem Schilf am Ufer eines Sees entftiegen ift; fie halt ein Stic
Gewand über dem rechten Arm und feint in vorgebeugter Haltung, den
Ropf fdharf nad lints gewandt, auf ein Beräufh zu achten, das fih aus der
‚ferne vernehmen läßt. Die figur ftebt auf einem felsblod aus Marmor,
der von Pflanzen und Gethier, von farren und Schilf, Fröfhen, Schild-
Peter Kölbl Sohn, Münden, Sparkaffe.
194
Deutfhe Rung.
fröten, Eidehfen und dergleichen belebt wird. — Aud die viel umftrittenen
vier Bilbwerfe auf der Potsdamer Brüde werden nod im laufenden Jahre
auf Ihren Poftamenten zur Rube fommen. Die Gruppen bringen moderne
Sorfdhungen, die unferem Zeitalter das Bepräge aufgedrüdt haben, zu lebens—
voller Anfhauung. Die Männer der Wiffenfhaft find in figender Haltung
dargeftellt. Es find ihnen Putten beigegeben, die das Arbeitsgebiet oder die
Erfindung jener Gelehrten fymbolificen. Die Gruppen von Mar Klein und
Profeffor Julius Mofer find fon vollendet und haben die Billigung der
zuftändigen Derwaltung gefunden. Rlein hat v. Helmbolk dargeftellt und
diefem"Belehrten den von ihm erfundenen Augenfpiegel in die Hand gegeben.
Werner Siemens von Mofer erfheint mit der Dynamomafchine und dem auf-
gerollten Rabel. Profeffor Janenſch ift bald fo weit, daß feine Gruppe ge-
formt werden tann. Er hat die Erfindung des eleltrifhen Telegraphen durch
Bauß verkörpert.
selderhoff, der die Verbindung der Elektrizität mit der
Photographie darzuftellen hat, ift mit feinem
Werk nod fehr Im Rüdftande. Jn Rurzem wird
der Auftrag für die Ausführung in Bronze ge-
geben werden. Die im Grundrif rechtedigen
Poftamente werden aus Granit bergeftellt. —
Der Entwurf zu einem Brunnen für den Lükow-
plag wurde in der Rünftlerwerkftatt des Pro-
feffors Otto Leffing von den Mitgliedern der
ftädtifhen Runftdeputation befidtigt. für den
Lügombrunnen hatten fhon früher mehrere Bild-
bauer Skizzen gefhaffen, fo 3.8. Profeflor Ernft
Herter, deilen geftaltenreiher Aufbau die großen
deutfhen Rulturepoden veranfdauliden follte.
€s hieß dann, daß der nene Stadtbaurath Hoff-
mann felbft fid an die Löfung der Aufgabe
maden würde, und er hat aud in der That eine
Stizze für den Brunnen entworfen. Inzwifchen
aber hat er die Beftaltung des Werkes Herrn
Profefjor Lefjing überlafjen, der nun wieder eine
eigene Rompofition gefchaffen bat.
Münden. — Unter dem Dorfige des Herrn
Rentiers Scheuer fand die diesjährige Beneral-
verfammlung des Runftvereins Münden
in den Dereinslofalitdten ftatt. Dem Berichte
der Dorftandfhaft it folgendes zu entnehmen:
dung des Vereins, wurden zur Ausftellung 6995
Runftwerke, darunter eine große Anzahl hervor-
tagender Schöpfungen unferer bedeutendften Rünft=
ler, gebraht. Die Zahl der Dereinsmitglieder
betrug am 51. Dezember 5857. Riinftler ftarben’:
UA. Drechsler, M. Höhl, M. Simon, Sänger,
Hirt, Engelhardt, Bildhauer; Wenban, Till-
mans, Loffow, Herpfer, Weigand, Birkmeier,
Patet, Maler; f. Björkften. Die dem Mitglieder-
‘ftande fagungsgemafe entfprehende Anzahl von
147 Gewinnen fonnte durd forgfaltiges Haus-
balten der Mittel um 55 iiberferitten und fobin
200 Gewinne um die Gefammtfumme von 75 144 Me.
angefhafft werden. für die Dereinsfammlung
wurde erworben: €. Zimmermann: Fifdftillleben,
um 2000 Mf. Als Gefhen? erhielt die Samm-
lung ein Bemälde: „Das Pfitfherjoh‘‘ des ver-
ftorbenen Beiger-Thuring, wodurdh der Beftand
der Sammlung auf 40 Runftwerfe im Gefammt-
werthe von 141260 ME. geftiegen ift. Als
Dereinsgabe wurde eine Mappe mit fieben Origi-
nalradirungen von Meyer-Bafel, Halm, Reitel,
Ubbelohde und Meyer-Laffel vertheilt. Für das
Jahr 1898 ift wieder eine größere Radirung von
£. Rühn nad dem Gemälde „Holländifhes Dorf"
von Schönleber in Vorbereitung. — Die Einnab-
men und Ausgaben bilanziren mit 128979,24 Mme.
Der Rajjebeftand beträgt 1652,27 Mt. — Auf
3. A. Eyffer, Nürnberg,
Ubrfaften aus Eichenholz.
Im abgelaufenen Jahre, dem 74. feit der Grün- `
dem Anwefen verbleibt nah Abjchreibungen im Betrage zu 1652,27 me.
ein Annuitätenfapital von 125547,73 Mt. Für das Jahr 1898 wird das
Budget in Einnahmen und Ausgaben auf 12575195 ME. veranfdlagt.
Der Ausftellerverband Mündener Riinftler hat erfreuliche gee
fHäftlihe Refultate aufzuweifen. für das Befhäftsjaht 1897/98 vereinbarte
der Verband zwei für fi beftehende Turnusaugftellungen. Turnus I umfaßt
die Städte Augsburg, Hannover, Berlin (Salon Schulte), Magdeburg, Leip-
3ig, Halle. Die forgfaltig ausgewählte Kollektion von Runftwerfen begegnet
allgemein einer günftigen Aufnahme und Beurtheilung. Zur Aufftellung der
aus etwa 150 Runftwerfen beftebenden Wanderausftellung waren nad Augs—
burg die Herren Maler fran? Rirhbad und A. Herrmann, nad Hannover
Maler fr. Freund delegict. Für Berlin bat Herr Maler Engel (Berlin) die
Dertretung des Derbandes übernommen. — Turnus II eröffnete in Wies-
baden mit J. Januar. Die dortigen neuerbauten, elegant eingerichteten Runft-
fale find von einem vornehmen Publitum ftets lebhaft befudt. Die Auf-
ftellung der Ausftellung des Verbandes leitete Herr Maler W. Trübner,
welder befanntlih feit mehreren Jahren in Frankfurt a. M. domizilirt und
die Güte hatte, die Vertretung feiner Münchener Kollegen zu übernehmen.
Dresden. — Safha Schneider hat vom alademifhen Rathe den
Auftrag erhalten, den Triumphbogen der Johannisfiche 3u Calin bei Meißen
mit einem Fresfogemälde zu [hmüden, welches im Anfhluß an Worte des
Johannes in der Apokalgpfe die Anbetung Chrifti im Himmel und auf
Erden darftellen foll, während der bildnerifhe Schmud des Altare und der
Rangel an Worte aus dem Evangelium und aus den Briefen des Johannes
anknüpfen foll.
Leipsig. — Gm Erdgefhoß des Kunf-
gewerbe-Mufeums find Tertilarbeiten von der
Norwegerin Nini Bulbranfon ausgeftellt, die
allgemeine Bewunderung erregen. Der ffandinavifce
„Hausfleiß", ‚dem wir beifpielsweife die Wiederauf-
nahme des Rerbfchnittes verdanken, bat fh aud
der tertilen Runft wieder bemädtigt: in Schweden
wie in Norwegen weben jegt frauen und Töchter
gerade aud der wohlhabenden Befellfhaft ihre
Wandbehänge, Riffenüberzüge und Aehnliches wieder
felbft. In ihren Brundzügen ift die Technik weder
ganz eigenartig, noh allzufhwer zu lernen; fie
befteht in einer Art von Stopfarbeit auf ftebender
Rette, in deren Barnfäden der mufterbildende farbige
Wollfaden bine und bergefübrt wird, bis er den be-
abfidtigten Farbenfled gebildet hat. Es ift Mar,
daß diefe farbenflede bei primitiverer Handhabung
der Technik „treppenartige‘‘ Umriffe zeigen müfjen.
€s ift Frl. Bulbranfon gelungen, gerundete Umriffe
ftatt der ausfhließlid „getreppten" zu erzielen, und
was fie in diefer Hinficht geleiftet und ausgeftellt
bat, Mufter mit Blumenmotiven und Landfchaftlides,
wie 3. B. den tiefblauen See mit weißen
Schwänen, ift ebenfo eigenartig wie anmuthig. Gn
demfelben Raume ift auh die bherrlide Sammlung
von Runftfdmiedearbeiten zur Schau geftellt worden,
deren vorldufige leihweife Ueberlaffung das Runft-
gewerbe-Mufeum dem freundliden Entgegenfommen
ibres Befikers Herren Georg Müller (Alwin Zfhiefche
Nadf.) verdankt. Sie umfaft, in feds Gruppen
eingetheilt, eine Runftepode der Schmiedefunft von
600 Gabren, vom 12. bis zum 18. Jahrhundert,
und bietet in iiberfidtlidfter Anordnung Thor,
Thür, Schrank, Truhen-, Raften- und Dorlege-
fhlöffer, weiter Schliiffel, Bänder für Thiiren,
Truben, Raften, Sdhrante, Thore und Fenfter,
dann Thürklopfer, Zuzieher, Zugringe, Schlüſſelſchllde —
und Thürdrücker. Endlich treten kleinere geſchmiedete
Oberlichtgitter, Treppengitter, Wandarme, Wert-
zeuge, geſchmiedete Vaſen, Aufſätze, Blumen, mit
einer einzig in ihrer Art daſtehenden Samm—
lung verzierter Nägel und Schraubenmuttern dazu.
£. K. Marburg,
Uhr mit bemaltem
Kerbſchnitt.
— ——— — —
RSs PE Pe pry E
Als befonderer Anziehungspunft für die Leipziger Runftfreunde erweifen
fih die öffentlihen Bejprehungen von Runftwerfen, die Profeffor
Dr. Th. Schreiber allwöhentlid in den Räumen des Runftvereins abbält.
Der legte Dortrag befddftigte fid) mit Ludwig Dettmann. Gn der Ein»
leitung hob Profeffor Schreiber hervor, daß es ihm befonders darum zu
thun fei, bei feinen Zuhörern die Empfindung für die neue Kunſt zu
färten und das Sebenlernen und fomit das Verftandnif für Runftwerfe
3u heben, da das derartiger Betrachten Werke auh eine Runt fei, die gelernt
jein will.
Erankfurt a. WM. Die nenen Ankänfe des Städel'fhen
Runftinftituts und die Schenkungen, die es im Fahre 1897 erhalten bat,
find eben zur Ausftellung gelangt. Trog der unglaubliden Unbeliebtheit,
deren fih das Gnftitut von Seiten der Bürgerfhaft, in Folge der wenig
fadfundigen und planlofen Verwaltung der legten Jahre, zu erfreuen hat,
find wieder einige Bilder gefhenkt worden. Ein Beweis, welh' frifch fprudelnder
Quell der Bemeinfinn des Frankfurter Biirgerthums ift, der, felbft wenn Un-
geſchicklichkeit und Leichtjinn ihn zugeworfen, dennoh bald wieder durd-
zuriefeln beginnt. Carl Oehler hat zwei grofe Aquarelle von Peter
Beter gejhenkt, Anjihten von Marburg, die fhöne Abendftimmungen geben
und des Rünftlers nicht jedem zufagende Eigenart von der beiten Seite zeigen.
Ein großes Seeftüd von Mesdag hat Leopold Sonnemann gegeben.
Die geniale Tednif des trefflidhen Meijters, die präctige Naturbeobahtung
bei aller ‚Freiheit des Schaffens und die überzeugende Araft, mit der uns die
Unendlichkeit des ftets beweglihen Meeres zur Anfhauung gebraht wird ver-
fehlen ihre Wirkung auf den Befhauer nidt. Geftiftet hat Theodor
Drerel ein Bild von Anton Burger, dem Altmeifter der Cronberger
Schule, „ein Blid auf Frankfurt‘ und Frau Gebetmrath Paffavant
eine Landfhaft „Motiv vom Albanerfee" von Fobann David Paffavant,
dem verdienftvollen Runftgelehrten, dem Derfafjer des peintre-graveur und
ehemaligen Jnfpeftor des Gnftituts, ein Bild, das, ein wenig an Schirmer
erinnernd, mebr wegen der Perfönlichkeit als wegen . feiner Fünftlerifchen
Qualitäten das ntereffe erregt. Angekauft wurde von der Adminiftration
ein großes Gemälde Brüßner's, datirt 1897, eine mufifalifhe Unterhaltung
in einem Dominifanerflofter darftellend, das mit feiner nicht gerade ſehr glüd-
lid erfundenen Rompofition auferordentih abfällt gegen die andere An-
Thaffung, eine Landfhaft von Peter Burnit. Burnit ift Frankfurter, ein
Rünftler, den man anderwärts wenig tennt und der gerade wie der frant-
furter Dictor Müller zu den Vorkämpfern’ einer neuen Richtung gehört.
Shlidtheit der Empfindung und echte Befühlspoefie ohne Sentimentalität
Deutfde Run ft.
195
zeichnen auch diefes Bild aus, das mit zu dem Beften gehört, was in den
legten Jahren angefauft wurde. Und wie viel mag jenes Bemälde Brützner's
mebr gefoftet haben als dasjenige von Burniz? Thoma it aud diefes Jahr
wieder nicht dabei, da fih die Adminiftration no immer nit von feiner
Bedeutung bat überzeugen können. Der arme Thoma, er muß fih tröften.
Hamburg. — Der zum Neujahr d. 5. in unferm Runfperein erfolgte
Wechfel in der Bejhäftsführung machte fih bereits in dem abgelaufenen
Monat in recht erfreulicher Weife bemerkbar. Aus den verfhiedenen Sonder-
«ugftellungen von Segantini, Thoma und Trübner, welhe im Januar ftatt-
gefunden haben, wurden von Seiten der Runfthalle 2 Bemälde von Segantini
„Blaubenstroft" und „Weide in Engadin‘, ferner das „Doppelportrait" von
Hans Thoma, ihn felbft und feine Gattin vorftellend, fowie ein fhönes land-
fhaftlihes Gemälde von Trübner für die ftaatlide Gemaldefammlung an-
getauft. Sonderausftellungen von Frau Wifinger- florian in Wien,
Ftiedr. Rallmorgen, Rud. Dammeier ftehen unmittelbar bevor, während
die Entwürfe zu dem von Johs. Behrts arrangirten biftorifhen Feftzug für
Hanndv. Münden augenblidlih ausgeftellt find und großes Gnterefje finden.
Statt der alljährlihen Grofen friihjabrsausftellung findet in diefem Fahre
vom 15. März bis 50. April dauernd, ausnahmeweife eine große Sonder-
ausftellung von Werfen Hamburger Rünftler, fowie von Runftwerfen aus
Hamburger Privatbefit in der Runfthalle ftatt. Anmeldungen von
Jolden auswärts lebenden Hamburger Rünftlern, melde eine Einladung nicht
erhalten haben follten, werden vom Kunftverein Hamburg, Runfthalle, gern
entgegengenommen. Die Einjendung der Bilder muß bis zum 1. März
erfolgen.
Bremen. — Don Herrn Carl Schütte ging dem Vorftande des Runft _
Dereins ein Schreiben zu, wonad derjelbe fi in hodherziger Weife bereit
erklärte, dem Vereine eine Summe von 200 000 Mark für einen Anbau der
Runjthalle zu fhenfen, unter der Dorausfegung, daß der Senat und die
Bürgerjhaft dem Dereine den dafür erforderlichen Plat hinter der Runfthalle
umfonft zur Derfügung ftellen möchten und unter den Bedingungen, daß der
Derein, um das Runftleben in unferer Stadt zu heben, an zwei Tagen in
der Wode zu beftimmten Zeiten feine Sammlungen unentgeltlich dem Publitum
öffne und der Anbau nad den bereite fertiggeftellten Plänen der Herren
Arditeften Bildemeifter & Sunfel ausgeführt werde. Ehe der Vorftand
Renntnif. von diefem Schreiben empfing, hatte er fih veranlaft gefeben,
feinerjeits die Frage des Erweiterungsbanes der Runfthalle zu erwägen und
war zu dem Refultate gefommen, daß eine Vergrößerung der Behangflade
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196
der Bilder um mindeftens das Zweifahe des jerigen Raumes, angefihts
der Schenkungen und der aus der Aulenfamp’fhen Stiftung zu erwerbenden
Runftwerfe, nothwendig fei, um den Bedürfnifien des Vereins für längere
Heit Recdnung zu tragen. Damit in Verbindung ftehend fei eine Vergrößerung
der für die Skulpturen, das Aupferftihfabinet und die Bibliothek, jowie eine
Veränderung der jekigen Runfthalle in Oberlichtjäle ins Auge zu faflen. Um
diefen größeren Plan ins Werk zu feken — der erfte fab nur eine Der-
doppelung der jebigen Räume vor — erklärten fich die Mitglieder des Vor-
ftandes, die Herren Hermann Melders und Jof. Hadez in freigiebigfter Weife
bereit, ibrerfeits jeder 100000 Mark dem Vereine zur Verfügung zu ftellen,
wobei Herer Melders nur die unentgeltlihe Hergabe dea Plages vorausjerte,
während Herr Hades aud) den Wunfch äußerte, es möge für den Umbau eine
Konkurrenz unter den in Bremen wobnbaften Architekten ausgefchrieben werden.
In folge der veränderten Sadhlage 3098 Herr Schütte bereitwillig die
Bedingung, feinen Plan durd die genannten Herren Arditelten ausführen zu
laffen, zu Bunften eines Wettbewerbes um den größeren Plan unter den in
Bremen wohnhaften Architekten zurüd, fo daß jet Dank der vereinten frei-
gebigfeit der vorerwähnten drei Herren der Kunftverein der Hoffnung auf
Benehmigung feitens Senats und Bürgerfhaft in der Lage fein wird, fih
elit feinen Wünfhen entfprehendes Heim zu fhaffen, um jo feinem Zwede,
das Gntereffe für die bildende Aunft in unferer Stadt zu beleben und 3u
fördern, in immer ausgiebigerer Weife geredht werden zu fönnen.
Der Dorftand des Kunftvereins.
Dr. 5. 5. Meier jr, Dorfigender.
Oldenburg. — Auf Anregung des greifen Mardhendidters Hermann
Allmers bildete fih cin Comité zur Errihtung eines Denkmals für Karl
den Broßen in Rebtenfleth, wo derjelbe während der Sadfentriege dic
Wefer überjgritten haben fol. Während dur öffentlibe Aufrufe in den
Heitungen fowie das Jntereffe des Oberprafidsenten v. Bennigfen, welder aus
dem Provinzialfonde 500 Mark bewilligte, mehrere nambafte Beiträge zur
Derwirklihung des Planes einliefen, wurde bereits ein Denfmalsentwurf
vom Baumeifter Hebl in Hannover, dem Erbauer der dortigen Barnijon-
Rirhe, angefertigt. Das Denkmal foll danad aus einem einen fapellen-
artigen Charakter tragenden Sandfteinbau mit einem Mofaikbilde Karls des
Großen beftehen und hart amı Weferdeihb neben dem Garten des Allmers-
ſchen Marſchenhofes errichtet werden. Die Bauleitung bat Bere Kreisban-
infpeftor Moormann übernommen. Mit dem Bau foll begonnen werden,
fobald die ndthigen Gelder eingegangen find.
Kiel. — Durch eine außeretatsmäßige Bewilligung des Provinzial-
Ausfhufles wurde für das Thaulow -Mufeum aus dem Nachlaß von
Chriftian Karl Magnuffen eine Sammlung von Vleiftiftffiszen und
Oelftudien mit fhleswig-holfteinifhen Volkstradhten erworben, welde in den
60er und 70er Jahren bei den häufigen Aufentbalten des Künftlers an der
Wejtfüfte entftanden. Unter den fünf Oelftudien ift am reifen durchgeführt
eine Oftenfelder Bauerndiele und die anf Holz gemalte Studie zu einem
jungen Mädchen auf Föhr. Die Erwerbnngen, welde aus etatsmäßigen
Mitteln gemadt werden, famen wieder vorwiegend der Abtheilung für
Möbel und Holzjhnigereien zu Gute. Aus einer Hamburger Sammlung
ftammt eine Truhe der Spätrenaiflance, die von den in fehleswig-bol-
fteinijhen Bauernhäufern üblihen Typen völlig abweiht. Die Truhe zeigt
die Derbindung der natürlihen Schniterei mit Jntara, Brandmalerei und
ausgefhnittenem aufgelegten Ornament. Tehnifh bezeihnend ift für diefe
Arbeiten, daß die plaftifhen Theiie mit verdübelt, jondern aufgeleimt find.
Die Stirnfeite der Trube ift duch vier Karpatiden aus Eihenholz in drei
‚Felder getheilt, in denen unter Rundbögen die aus Loffelhol; (Spillhols)
gejhnigten figuren von Glaube, Liebe, Hoffnung ftehen. Die beiden feit-
liden Rundbögen find mit Jntarfia verziert, der größere mittlere zeigt
Schwedische Granit-Industrie A. Schraep. Hoflieferant, Rostock i. M.
Werkstätten für Bau- und Monumental-Arbeiten in den besten polirten
schwedischen Graniten.
Eigene Brüche. — Prima Referenzen. — Billigste Preise.
Deutsch- Nordische Handels- und Industrie - Ausstellung Lübeck: Goldene Medaille.
Atelier Hellhoff _. Unterricht
in Seide-, Silber- und Goldstickerei
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für Kunststickerei.
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beim Kgl. Kunstgewerbe-Museum aus- |
gebildete Lehrerin, Lindenstr. 8 .
Damen-Malschule.
Portrait, Landschaft, Stillleben.
SW., Schönebergerstr. 5.
usw. Geschnitt. u. getrieb. Lederarbeiten.
WW Allin Hofbuchbin der
W. Collin, Sr. Maj. d. Kaisers,
Deutfde Run ft.
Quadern in Brandmalerei. Die Trube ftebt auf einem Unterjag, in deffen
drei Feldern ausgejhnittene Doppeladler und Ornament mit Anorpelbildung
auf gefhwärzten Grund aufgelegt ift. Gleihes Ornament findet fick an den
Seiten der vier Raryatiden.
Magdeburg. — Das in der legten Monatsansftellung des Runftvercins
ausgeftellte Gemälde von Leiftifow, „Abenddämmerung an einem Grune-
waldfee", wurde aus den Erträgnilfen der Porfe-Stiftung fiir unfer Mufeum
erworben. Der Kaufpreis belief fidh auf 3000 ME. Das farbenprädtige,
fimmungsvolle Bild erhielt feinen Plat im Porfefaal, unmittelbar über dem
Medzillonportrait des hodberzigen Stifters diefer Gemaldeyammlung. |
Krefeld. — Der Erfolg der erften Ansftellung von Gemälden, Bild-
werfen und Aunfttöpferarbeiten im Raifer Wilhelm-Mujeum war in jeder Hin-
ficht ein erfreuliher zu nennen. ‚Für die ftädtifhe Sammlung wurden an-
gekauft eine Saujagd von Chr. Aröner in Düffeldorf, Dämmerung in
Ofiftiesland von Walter Ceiftifow in Berlin, „Somebody’s darlings“
von Alfred Mobrbutter in Altona und eine Bebirgslandfhaft von Georg
Oeder in Düfjeldorf, ferner eine Bronze, Athlet von Franz Stud in Münden,
und eine Reihe von Erzeugnifen der feramifhen Angftellung. Gefdentt
wurden u. U. von jungen Damen ein Bemälde „Bewitter bei Sonnenunter-
gang von Georg Nicolai Aden in Kopenhagen, von der Bandelsfammer
eine große Rococo-Porzellanvaje der fönigl. Porzellanmanufaktur in Berlin
und von frau Worik von Brug in Eifenah zwei große Dafen und ein
plaftifhes Runftwert der Ropenhagener Manufaktur. — Der Eröffnungsaus-
ftellung folgte eine reihhaltige Ausftellung von Werken der Worpsweder Ro-
lonie (etwa 50 Oelgemdlde und GO Radirungen), fowie Sonderausitellungen
von Werfen Ludwig Dettmann’s in Berlin und Mar Röders in Nom.
Karlsruhe. — Die Generalverfammlung der Karlsruher Runftgenofjen-
fbaft (Lofalverein der Allgemeinen deutfhen Kunftgenoflenfhaft) wählte eine vor-
bereitende Lofalfommiffion fiir die
deutjche Runftabtheilung der Parifer
Weltausftellung 1900, beftebend
aus den Profefforen Reller, Rit-
ter, Dolz, Ranoldt und Maler
bellwag, woraufderjabresbericht
vom 1. Dorf. Arditeften Gu ftav
Bayer und der Redenfhaftsbericht
vom Maler RN. Schäfer erftattet
wurde. Bei der fodann erfol
genden Neuwahl des Dorftandes
für das Jahr ISIS wurden die
bisherigen Dorftandsmitglieder
wiedergewählt: Arditeft Buftav
Baver, I. Dorf.; Maler Rudolf
Hellwag, IL Dorf; Malet
Wilhelm Reuter, 1. Scriftf.;
Maler Theodor Dengler,
Il. Schriftf.; Maler Rudolf
Schäfer, Rajlirer.
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Der Kaifer - Wettbewerb
um die Ergänzung des
Knaben der Sammlung Sabourow.
Jm erften Jahrgange der „Deutjhen Runft‘
haben wir wiederholt Belegenheit genommen, auf
die Bedeutung der jabrlid vom Kaifer ausgefihrie-
benen Konfurrenzen um Ergänzungen antiker Statuen
binzuweifen. Wir haben es verfucht, den Künftlern jpeziell
° für die Reftaurirung des Anaben der Sammlung Sabou-
row arhäologifhe Fingerzeige zu geben, und find fomit
einer neuen Begründung unferer Anfiht überboben, dağ
es fdh bier feineswegs um antiquarifhe Spielereien,
jondern um Fünftlerifhde Sttlübungen handelt, die als
Regulativ moderner Originalitätsjuht garnicht ernſthaft
genug genommen werden fönnen. Wenn Thorwaldfen fih Fabre lang mit den
Wildwerfen des Aeginetifhen Tempelgiebels befhäftigt bat, wird es unjeren
jungen Michel Angelos fiher nichts [haden, wenn fie es gelegentlih einmal ver-
ſuchen, fich in die Haffifche Formengebung hinein zu verfegen. Die Ronfurren3 um
die Manade war ein Mägliher Mißerfolg. Inzwifhen jheinen dte Herren be-
griffen zu haben, daß es jih nit um die Wiederherftellung abhanden ge-
fommener Bliedmafen und Attribute, fondern um Nahjhöpfungen eines aus
dem Torfo zu beftimmenden Stils handelt. Daß Sie Ronfurrenten fih bei
dem Rnabey der Sammlung Sabourow in diefer Stilbeftimmung einen Spiel-
raum von einem balben Jabrtaufend geftatten würden — etwa von den
Perferfriegen bis in die Römifche Kaiferzeit — war
allerdings nit vorauszufeben. Jnzwifhen ift die
faiferlidhe Entfheidung in einem Erlaf an den Rultus-
minifter getroffen worden:
„Die bei der Generalverwaltung der Königlichen
Mufeen von 50 Riinftlern und einer Rünftlerin redt-
zeitig eingelieferten Ronkurrenzarbeiten zur Ergänzung
der aus der Sammlung Sabourow ftammenden
Brongeftatue eines Rnaben find von mir einer Bejich-
tigung unterzogen worden. Die Löfung der geftellten
Aufgabe ift jedoh Surd Feine diejer Arbeiten erreicht,
fo anerfennenswerth aud einzelne der Fünftlerifchen
Leiftungen find. Wenn id biernadh den in meinem
Erlaffe vom 27. Januar v. 5. ausgefezten Preis von
1000 Marf einer einzelnen Arbeit nicht zuerfennen Pann,
fo babe ih befchloffen, diefe Summe auf die von den
Bildhauern Werner Begas und Paul Peterih ge
lieferten, verbältnigmäßig beften Arbeiten zu vertheilen.
Meine Schatullverwaltung ift angewiefen worden, jedem
diefer Riinftler eine Summe von 500 Mark zu zahlen.
Sh wiinfde jedod, dağ die genannten beiden Rünftler
zu einer engeren Konkurrenz für diefelbe Aufgabe um
einen nenen Preis von 1000 Mark veranlaßt werden,
dejjen Zuerkennung id) mit an meinem nädftjäbrigen
Geburtstage vorbehalte.'
Da die Preisvertheilung nah dem Gefhmat des
Raifers erfolgt und die ausgefente Summe aus der
Schatullverwaltung gezahlt wird, bundelt es jih um |
eine Privatangelegenbeit, die mit der öffentliþen (
Rritif nidts zu thun bhat. Dor Allem ift die Befahr
ausgefdlofjen, dağ folde Reftaurationsverfude an
den Reften antifer Runft — aftuell werden. Die
Herren Begas und Peterih werden fih in diejem
falle damit begnügen müffen, „pour. le Roi de
Prusse“ gearbeitet 3u haben.
Zugleich erläßt der Kaiſer eine nene Konkurrenz,
Deutſche Kunſt.
Franke, Bacchusknabe in bemalter
Terrakotta.
Runjtbandlung von’ fri Burlitt, Berlin,
197
chiens
a
— — S
und zwar beſtimmt er für den nächſten allgemeinen Wettbewerb um einen
Preis von looo Mark als Aufgabe die Ergänzung des unteren, vermuthlich
von einem Gewande verhüllten Theils des in dem Heroenfaale der Muſeen
anfgeftellten Torjos der Aphrodite.
Wir werden and bei diefer Gelegenheit nit verfeblen, ein paar arhäo-
logijhe Fingerzeige zu geben, ohne einen dritten Mißerfolg zu kritifchen
Nörgeleien zu benuken. Stiliibungen find unter allen Umftanden förderlich,
wenn jie auch feine Meifterwerfe zeitigen. 6. m.
— Die Glasmofaifmalerei, welde erjt feit einigen Fahren mit
Erfolg auf deutihen Boden verpflanzt wurde, beginnt in der ansfdmiicenden
Runft, in Derbindung mit Außen- und Gnnenardhiteftur, eine widtige Rolle
zu fpielen, da das Material bejonders die Boldverzierung unter den ver-
[hiedenften Lidtbedingungen ganz eigenthümlihe Reize hervorbringt, aud
wegen feiner großen Haltbarkeit jeder Frestomalerei vorzuziehen ift. Die
Verwendung des Mofails zum Schmud der Bräber, wie fie in Jtalien häufig
gepflegt wurde, dürfte in Deutjchland no wenig befannt fein und zur Nadh-
abmung anregen. Aus dem Atelier der Deutfhen Blasmofaikanftalt
von Wilh. Wiegmann, Berlin, ging vor furzer Zeit ein folhes Bemälde
hervor, das in ‚Form einer länglihen Brabplatte mit abgerundeten Kanten
durd eine Tementfhicht und Blasfhladen eine Verbindnng mit der eigent-
liden Grabplatte eingehen Pann. Die Darftellung zeigt eine ftilificte Lilie
auf graugriinem Grunde, deren Stengel durd einen Rranz von mattröthlichen
wilden Rofen und das Monogramm des Verewigten unterbrodhen wird. Als
Umrahmung dienen ein Kranz von Ornamenten und goldigen Blättern.
Die Wirfung des Gemaldes ift eine außerordentlich
vornehme, da die feridfen fein abgeftimmten farben
durd das fparfam verwendete Gold zu größerer
Herefhaft gelangen, ohne indeß im geringften einen
naturaliftifhen Eindrud anzuftreben, der auf einem
Brabmonument in Verbindung mit lebenden Blumen
aud gewiß nidt am Plage wäre. Der gleihe fein-
gebildete Befhmad zeigt fih übrigens "in dem Neu
ban des Briftol-Hotels, wo Herr Wiegmann vere
fhiedene Supraporten und Lunetten des Konver-
Jationsfaales mit Mofaifen fdmiidte. Dargeftellt find
in freier romantifher Auffaffung die Figuren der
Brunbilde und Kriembilde mit reihen golddurcwirften
Gewandern, ferner die Madt, welche die Müden mit
jilbernem Schleier zudedt. Eine andere Seite des
Seales ift mit einem Sprudband in Mofail verziert,
weldes in Phantafiefdpfen endet und die Anfdhrift
trägt: „Auch Leben ift eine Runt“. Mit großem
Gefhid fnd Heine rectedige Mofait - Füllungen
in den mit dunflem Mahagonibolz befleideten Nifhen
angebradt. Die einheitlihe Farbe, Blau und Gold,
barmonirt trefflich mit den ftreng gegliederten Pflangen-
ornamenten, mit welhen fymmetrifche Thierdarftellungen
(Vögel und Eihhörnden) in Derbindung gebracht find.
— fm Rudolph Lepte'fhen Kunf-
anftionshaufe in Berlin fand die Derfteigerung
einer Antiquitätenfammlung aus befanntem reihs-
graflidem Befige ftatt, weldhe fih «außerordentlich
lebhaft geftaltete. Don nambafteften Preifen find
zu erwähnen die der folgenden fieben Gobelins
mit den Darftellungen: Antonius und Kleopatra
6000 Wart; Eberjagd nad Rubens 5550 Mark;
Grablegung des Darius 2950 Mark; Gothijher
Gobelin mit Rittern und Pagen (Nr. 267 des Rata-
loges) 9SO Mark; Uebergabe des Sdliiffelamts
— — — — — — — — —— —
198
an Petrus 500 Mark; Heroifhe Landfhaft (Nr. 468) 610 Mark; Sdhéafer-
fzene (Ar. 469) 1000 Mark. ferner wurden erzielt für zwei italienifche
Renaiffence-Lambreguins 1000 Mark, fiir ein Lambrequin Louis XIV.
620 Mark, für ein Cafel aus Ludwig XVI. Zeit, Brofat, 640
Mark, für eine Golde und Silberbrofatdede aus Ludwig XV. Feit
660 Mark. Der Befammterlös der Sammlung belief fih auf etwa 75 000
Mart. — Am 15. Februar gelangt eine Kleine gewählte Aolleftion meuerer
fowie einiger älter Bilder zur öffentlihen Derfteigerung, nämlih die nad-
gelaflene Sammlung des Apothefers Rarl Ludwig Rubs, welche, mit
feinem Derftändnif ausgewäblt, lange Zeit de Wohnung des im Fahre 1889
Verftorbenen jdmiidte. Ad. Menzel it durch fechs bedeutende Werke ver-
treten, Eduard Meyerheim duch vier Hauptbilder. Ande. Adhenbad,
A. Calame, €. Graeb, A. Tidemand, R. Jordan, C. Roqueplan,
J. W. Schirmer, C. Steffed, Chp. Hoguet, R. Girardet und
B. Dantier vervollftändigen die Serie hervorragender Gemälde, Letzterer
Surh ein Galeriebilð, die befannte, mehrfach reproduzirte Nähſchule. Den
Namen der beiden babnbredhenden Berliner Kiinftler Blechen und Elfaffer
begegnen wir nicht weniger als dreizehn mal im Kataloge und der Land-
fhafter Aug. Piepenhagen zeigt im zwei exakt durchgeführten Bildern
die Eigenart feines Rönnens. — Don Bedeutung find ferner die beiden Ge-
mälde von J. fr. de Troy: La declaration d’amour und La jarretiere
détachée, die fid in ibrer
Farbenfrifche vorzüglich ge-
balten haben und dem
Katalog in Farbendruden
beigefügt wurden. Don
den älteren Bemälden feien
nod ein fhönes Portrait
von franz Pourbus
fowie zwei Stillleben von
Jacob v. Walscapele
erwähnt. Dreizehn in den
Tert gedrudte Clidés er-
feihtern es den außerhalb
Berlins Wohnenden, Auf-
träge auf dte Bilder zu
geben.
— Meldior Ledter
in Berlin bat für die
Diele eines Landhaufes
im Harz ein grofes Glas-
fenfter gemalt und fi mit
diefem Werke aufs Neue
als einer unferer erften
Riinftler auf dem felde
der Blasmalerei bewährt.
Die Szeneftellt einen Fdeal-
garten dar, in dem fih
didtbelaubte Apfelbäume
erheben und aus deſſen
Boden Blumen in Fülle
emporfprießen; ein paar
weiblide Geftalten in
langen Bewändern treten
langfamen Sdrittes bervor,
die einen fingen ein Lied,
die andern pflüden Blütben
um fle zum Krange zu
winden. Einen fortfdritt
gegen früber ftellt das
Glasfenfter infofern dar,
als Ledter fih bier im
ganzen Stil der Rompo-
fition freier zeigt als bis-
ber. Er ftebt nicht mebr
unter dem Einfluß der alten
romanifden Runftepode
und entwidelt immer ftärfer
eine perjönlihe Eigenart.
I
Deutfhe Runft.
Das zeigt fih am Seutlidjten in den wundervollen Bäumen, in deren frühere,
ftarre Unbeweglidfeit ein frifher Wind bhineingefabren 3u fein feint, der
Blätter, Zweige und Früchte von einander löfte, fo daß fie nun viel freier,
ungezwungener erfcheinen.
— Die Derfteigerung des fünftlerifhen Nadlaffes von dem verftorbenen
Bildhauer Prof. Hirth in Münden, nahm einen febr animirten Verlauf.
Das Hauptwerf des Meijters die „Arethufa‘, in Marmor ausgeführt, ift für
die Rgl. Glyptothe® 3um Preife von 6580 Mark erworben worden. Es
brachten ferner „Efehard und Hadwig' SSO Mark; „Ladv Macbeth" 319 Mark;
„Ajchenbrödel‘‘ 429 Mark; „Kautenjhlägerin‘ 540 Mark; „Rind mit Frofh“
540 Mark; „Oberbaverifcher Jäger und fifherin 649 Mark 2c. — Einige
der Griginalgipswerfe gingen in den Befiz der Münchener Kunftgewerbe-
fule über.
— Jn Hamburg gelangte die Bemäldefammlung des befannten ver-
ftorbenen Theaterðireftors Polini, die in den Runftfalons von £L. Bod
u. Sohn ausgeftellt war, unter den Hammer. Diejelbe bejtand aus etwa
70 Werken, unter denen die Namen WU. Adhenbad, Ff. v. Defregger, H. Lofjow,
B. Piglbein und Math. Schmidt zu bemerken waren. Neben 25 Original-
zeihnungen erfter Miindener Riinftler erregten 15 Entwürfe f. Stud's zu
dem K. v. Boldjhmidt'ihen Mufifdranma „Baea' das größte Gntereffe. Es
Benjamin Dautier, Die Mähjchule, Sammlung Kuht, Berlin,
Derfteigerung Auktionshaus R, Lepte, Berlin,
Deutſche Runf.
199
find adt Rahmen mit dekorativen Entwürfen und fieben Tafeln mit zur
fammen 30 befonderen ‚figurenbildern. Namentlih den gewagten fzenifhen
Aufgaben des mpthifhen Feftfpiels gegenüber, das fih darnad als eine
Spnthefe von „Fauft‘' - Fdeen mit „Rheingold"- und „Bötterdämmerung"-
Stimmungen zu erfennen giebt, bat fih Stud's pbantaftifche Kraft hervor—
tagend bewährt, während der figurative Theil neben mand verblüffend Ein-
fadhem und unmitielbar Einleudhtendem doch mandes gejhraubt Unverftänd-
lie, verftiegen Merkwürdige bringt, aber auc) bier wieder, wie immer bei
den Mündener „Sezeffioniften‘, im Einzelnen apart, geiftreih und darakteri-
ftifh berührt.
— Am 24. und 25. februar wird im Wultionsfaadl für Runft-
fadhen in Frankfurt a. Main, Yene Mainzerftraße, eine werthvolle Samm-
lung von Rupferftihen, Radirungen und Holsfdnitten, darunter auh zahl-
reihe auf Jagd und Sport bezüglihe Blatter, fowie franzöfifhe und eng-
lifhe farbendrude und Scabkunftblätter, nebft Handzeihnungen und
Agquarellen älterer und neuerer Meifter duch Rudolf Bangel Zur Derfteigerung
gelangen. Um die Reidbaltigteit des vorhandenen Materials anzudeuten,
feien einige Yamen berausgegriffen, wie Midelangelo, Rembrandt,
Bebam, Bouder, Chodowiedi, Diirer, van Dyg, Hogarth, Rott-
mann, Cifdbein 2.
Preisbewerbungen
— Bei der zweiten anonymen Ausftellung für fünftlerifhe und
wiffenfhaftlide Photographie, welde von der freien photographifchen
Dereinigung zu Berlin veranftaltet wurde, gelangten verfhiedene Preife zur
Vertheilung und zwar erhielt in der Fünftlerifhen Abtheilung den erjten
Preis das Portrait einer Aaferin, eine Bäuerin im Nationalfoftim darjtellend,
von L. Brud. Als zweites prämiirt wurde eine Landfehaft, ein weiden-
beftandener Badh, von G. Heinle. Den dritten Preis errang eine andere
Landfhaft, einen Sandabhang mit Baumaruppen darftellend. Unter den
weiteren, lobend erwähnten Bildern ift cin Petrusfopf von Dr. Briefalsti
3u nennen, ferner eine Nonne mit Palmenwedel in der Hand von 5.
Schmidt. Den einzigen Preis für wiffenfchaftlide Abtheilung erhielt der
fhon in der vorigen Ausftellung prämiitte Premierlieutenant Kiefling,
von der photographifhen Abtheilung des Beneralftzbes, für „Fernaufnahmen‘.
Diefe Bilder find zum großen Theil in Potsdam aufgenommen worden,
einzelne auf zwölfhundert Meter Entfernung. Ein fhönes Bild hat die auf
fehshundert Meter aufgenommene Raifer Wilhelm - Gedadtniftirhe ergeben,
auf dem nod jedes Detail deutlih zu erfennen ift. Die Fernaufnahmen find
bejonders für militärifhe Zwede von Wichtigkeit.
— Bei der Jubiläums-Aunftausftellung in Wien, welde von der
Wiener Rünftlergenoffenfhaft veranftaltet, von Mitte April bis Ende Juni 189S
dauern wird, gelangen folgende Preife zur Vertheilung: a) der vom Raifer
geftiftete Aaiferpreis im Betrage von 400 Dufaten fiir einen öfterreihifchen
Riinftler, b) der von dem Proteftor Erzherzog Otto geftiftete Proteftorpreis
im Betrage von 2000 Rronen, c) drei goldene von weiland Erzherzog Rarl
Ludwig geftiftete Medaillen fiir ine und anuslandifche Riinftler, d) große und
fleine goldene Staatsmedaillen fiir ine und anslandifce Riinftler, c) ia Folge
bodberziger Widsmungen eine Reihe von Geldpreijen, weldhe als Auszeihnung
für befonders bervorragende Werfe des Jn- und Auslandes zur Verleihung
gelangen. Der Benoffenfhaft der bildenden Künftler Wiens find bisher zur
Derfügung geftellt: 1. von dem fiirften Johann Liechtenftein drei Preife im
Betrage von je 2000 Kronen; 2. von Freiherrn friedrih v. Leitenberger
zwei Preife im Betrage von je 4000 Kronen, ein Preis im Betrage von
2000 Kronen; 3. von freibertn Hermann v. Rönigewarter ein Preis von
2000 Kronen und ein Preis von I000 Kronen; 4. von Heren frih Dobner
v. Dobenau 2000 Rronen; 5. von Heren Heintih Freiherrn v. Draſche
2000 Rronen; 6. von Herren Anton Dreher 2000 Kronen; 7. von Gebeimrath
Nikolaus Dumba 2000 Kronen; S. von frau Gräfin Marie Hoyos-Amerling
2000 Rronen; 9. von Heren Philipp Ritter v. Scheller 2000 Kronen;
10. von Herrn Wolfgang v. Manner 1500 francs in Gold; I. von Geren
Alerander Befhorner 1200 Kronen; 12. von Herrn Karl Ritter v. Weffely
1200 Rronen; 15. der afademifche Reihel-Rünftlerpreis im Betrage von 1600 fl
für einen in den f. f. Erblanden wohnenden und wirkenden Rünftler. (Der
felbe fällt nah den Beftimmungen des Stifisbriefes in diefem Fabre an
einen Bildhauer). Es gelangen fomit im Banzen 20 Ebrenpreife im Gefammt
betrage von 44 900 Rronen zur Derleibung.
— Anläßlich der 500jährigen Gedenkfeier von Gutenbergs Geburtstay
wurde in Wien die Errichtung eines Butenberg-Denfmals befdloffen,
weldes anf dem Lüuged, vor dem modern umgebauten Regensburger Hofe
aufgeftellt werden foll. Bei der ausgefchriebenen Konkurrenz find niht
weniger als 42 Entwürfe eingelaufen. Die Guroren vermodten fid über die
Deutsche Glasmosaik-Anstalt
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H. Makart, Claus u. Edgar Meyer, Papperitz, B. Pallik, Pettenkofen, Piloty,
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Dertheilung Ses erften Preifes nicht zu einigen, legten daher den erften und
zweiten Preis zujammen und theilten dann die Summe in. zwei gleiche
Hälften, die fie den beiden Bildhauern, weldhe die beften Entwürfe vorgelegt
batten: Hans Bitterlid und Othmar Sdhimfowik, zuerfannten, den
dritten Preis erbielt faft einftimmig Fr. Seifert. Das dur die Guroren
verftärfte Dentmalcomite hat befchlojien, den Entwurf 37 vom Bildhauer
Hans Bitterlid und Architekten M. Fabiani zur Ausfahrung zu bringen.
Hans Bitterlih, ein Sohn des früh verftorbenen unvergeglihen Rabl-Schülers,
ift einer der tüchtigften unter den jüngeren Bildhbruern Wiens. Er bat zwei
Auffaffungen der Hauptfigur zur Beurtheilung gebradt, wovon die zweite,
für das Denkmal acceptirte, Gutenberg in Shaube und Miike darftellt, das
Haupt leicht gefentt. Er fügt die Linke auf eine Druderprejie. Den Sodel
{hmüdt ein frontrelief: Post nubila Phoebus, ein miide bingefunfener
Wanderer, weldhen beim Erwaden die aufgehende Sonne begriift.
— n Dresden ift der befannte Thiermaler und Zeichner Buido
Hammer, ein Bruder des 1862 aus dem Leben gefdiedenen Didters Julius
Hammer, geftorben. Er war am 4. februar ISYA in Dresden geboren, be-
fuchte die dortige Runjt- Whademie und ferte feit 1842 in Julius Hübner's
Atelier feine Studien fort. Als Fagdliebbaber wandte er fic bald der
Thiermalerei 3u und fand mit feinen frifden, naturwabren Thier- und Jagd-
bildern großen Beifall. Die Dresdner Galerie befikt von ihm die Gemälde
„Befledtes Windfpiel" (1852) und ,,Wildfau mit Stifhlingen von einem
Hunde geftellt (1860). Gn weiten Kreifen befannt wurde er als Zlluftrator
der „Bartenlaube* und Zeidner für de „jlufteirte Zeitung“; zu feinen
Illuſtrationen fdrich cr felbft anziehende Schilderungen. Selbftitändig er=
Idienen von ibm die Werke: ,,Hubertuabilder, Album für Jäger und Jagd-
freunde" (Blogau 1856, 2. Aufl. IS77); „pugdbilder und Gefhidten aus
Wald und Flur“ (dafelbft 1865, 2. Aufl. 1889); „Wild, Walde und Waid-
mannebilder* (Leipzig IS91).
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wie dem Kunstliebhaber einen sicheren und bequemen Führer durch die
Denkmäler im ganzen deutschen Sprachgebiet schaffen und damit vor allem auch das
Studium der vaterländischen Kunstschätze durch den Augenschein erleichtern. Die Ein-
teilung ist eine ausserordentlich übersichtliche: nach Stilepochen und innerhalb derselben
nach Landschaften. Neben den historischen und typographischen Notizen ist eine knappe
Beschreibung gegeben. Band I des Werkes umfasst die Architektur von ihren
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erreichten Vollständigke't. Band II behandelt die Architektur der Renaissance und der | fin ge unfl: ALS e ung
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Joseph Brogsitter & Cie.,
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Mosel- Weine eigener Kelterung von #0 Pfg. an. Nichtzusagendes wird unbean-
standet zurückgenommen. Preislisten und Proben gratis und franko.
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Deutfhe Runft.
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HOLLAND
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it ein l’abrikat, welches die Aufgabe,
diätetisches Nährmittel zu sein,
erfüllt.
Erreicht wird dies lediglich durch eine geeignete Fabrikation der
edelsten Cacaobohnen. — Als wirklich edel gilt aber nur circa
Is der Total-Cacaoernten.
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lediglich auf das ernste und unablassige Bestreben der Fabrik:
„Nur das Beste zu liefern.“
Diesem bewährten Grundsatz hat die Fabrik nicht nur ihre Grösse,
sondern auch die Thatsache zu verdanken, das die Pfaff-Nähmaschinen
die gesuchtesten und beliebtesten auf dem Markte sind.
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G. M. Pfaff, Kaiserslautern.
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Eigene Fabrikation. x x x 100 Angestellte.
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Derlag der „Deutjben Runft“, Berlin W. 57. — Derantwortlib für die Scriftleitung Dr. Georg Maltowsty, Berlin W., Steinmefitr. 26. — Drug don W. Biigenjtein, Berlin.
CFR LRE TEP EIE WORTEN!
Frits Steub, cin Seuticher MalersHumorift.
PPP PLR
An unfere Lefer!
Wir machen befonders darauf aufmerffam, daß eine Anzahl Ser Semnadchft erfcheinenden Nummern der
„Deutſchen Runft* in Tert und lluftration einzelnen in fih gefchloffenen
Ces KRünſtler Gruppen —
gewidmet ſein werden. Wir glauben ſo unſerem Ziele, ein anſchauliches Bild modernen Kunſtſchaffens zu
geben, am beſten nahe zu kommen. In Vorbereitung iſt zunächſt ein Heft
„Die Dachauer“,
ein Name, unter dem ſich die Maler Fritz von Uhde, Dill, König, Langhammer, Hölzel in verwandtem
Streben zuſammengefunden haben.
Ferner haben wir die Abſicht, den weniger bekannten
Privatgalerien dev Kunftcentren
befondere Aufmerkſamkeit zu fdenfen und ihre Schäße den Runftfreunden in Abbildungen zugänglih zu machen.
Wenn bier auch die ältere Runftübung in Frage fommt, fo gedenken wir doch nicht über die Grenze unferes
Jahrhunderts binauszugehen, um nicht in Sas von anderen Heitfchriften gepflegte Gebiet der KRunftbiftorie `
überzugreifen.
Aud an die Sammler Funftgewerblicher Arbeiten, die geeignet erfcheinen, auf Sas Runfthandwerf
anregenden Einfluß auszuüben, richten wir die Bitte, uns die Abbildung ihres Befikes zu ermöglichen, der fic
früher oder fpäter zu zerjtreuen pflegt und jo feinen inneren Zufammenbang verliert.
Berlin, im Februar 1898.
Die Redaktion der „Deutfihen Kunft“.
Dr. Georg Makowsky.
VA
Beiblatt: Pas Mtelier,
Slluftrirte Seitichrift für das gefammte deutfche Kunitichaffen.
Central-Organ deutſcher Kunſt und Rünftler-Dereine.
Herausgegeben von
Georg Malſitowsſin.
Agrifileifung und Verwaltung Berlin W.57, Sfeinmebltr. 26.
Alle 14 Tage erfcheint eine Nummer.
Inſerate: 40 Pfennige fiir die 4 ge-
fpaltene Nonpareille-Zeile.
Alle 14 Tage etfdeint eine Nummer.
Preis vierteljabrlid 2.80 Mart.
Poftzeitungslifte Ar. 1173.
Dublifationsorgan des Dentiden Runftvereins in Berlin, des Schleffhen Runftvereins in Breslau, des Runftvereins für das Brofiberzogthum Heffen in Darmftadt, des Anhaltifben Runfts
d.reins in Deffau, des Mürttembergifdhen Aunftvereins in Stuttgart, des Schleswig - Holfteinifdhen Runftvereins in Riel, der Runftvereine in Münden, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera,
Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Börlik, Danzig, Rönigsberg, Stettin u. a.
1. Mar; 1898.
Ar. 11. II. Jahrgang.
Stig Steub, ein deutfcher Waler-Humorift.
Pon Paul Thiem.
eine febnfiidtige Menge Durdhfdnittsmenfdhen fiir voll
nimmt, eitlen Prablern glaubt, fie feien Helden,
Tafchenfpielern, fie fönnten aus Rupfer Bold madhen, wohin
foll das führen? Es zeitigt eine greulihe Epidemie, den
Gröfenwahn. Junge mutbige Beifter zerfchlugen die alte Romantif
und boten uns fauere frühte vom Mutterboden Natur, nichts
Ausgereiftes. Wahrheit hieß es hinten und vorn und Wahrheit
wurde geboten immer fühner, immer dreifter. Wir zeigen, was
Ihr fut, wir ftürzen das Alte.
Aber das wirflid) Gefchaffene verging fihnell, viel zu
fcnell, es abhnelte einer Mode, von wenigen Stärkeren erfunden
und bald abgebraudt. fort damit, man wird darüber nad-
denken, wie es fhöner zu maden fei! Da wudfen Andere in die
Höhe, die verächtlid)
berabfhauten auf die
Yaturbieter, die
Pbhotographen. farbe
über Alles! © Wir
traten ein in das
phantaftifhe Land
der farbenfpmpho-
nieen in Blau, Roth,
Grün, Gelb. Träume-
riſche Lilien, ſchmach⸗
tende, furchtbar lange
Jungfrauen, weiße
ſänftigliche Birken⸗
ſtämme. Ein Schauer
ſüßlichſter, greiſenhaf⸗
teſter Romantik hleß
die Rleinften fic er-
heben, Sie bald feft
überzeugt waren, daß
aud fie zur Ldfung
des großen Gebeim-
niffes berufen feien.
Und fie fanden ges
waltige Streiter der
feder, welde mit
dem Unverftand des
Publifums barten
—
KA f leben in einer merfwürdigen Zeit. Der VerftandS Rampf fudten. Die Federn felbft waren neuromantifd, die
SN mht Runt. Wenn bei einem Mangel an Gewaltigen
Fritz Steub, Unterjuchungsrichter und Sträfling.
Tinte farbig und die Worte wie die Birken, die Jungfrauen und
die Lilien. Die Sage glihen abenddurdgliihten Glasfenftern.
Hur felben Feit jagte das Runftgewerbe faimmtlide erreichbare
Stilarten todt. Die Arditeften fhmüdten die Städte mit große
artigen Erfindungen. Sie fhufen in einer Straße ein Ragout
von Briehifh-Römifh, Romanifh-Bothifh, Renaiffance, Barot,
Roccoco, Zopf, Empire, Biedermannerfindungen. Und bier
wie bei den Anderen höhnte der Verftand die Runft und machte
fi) läderlih vor jedem einfahen, echt gothifhen Rlingelzug,
der richtig, gefeglid) und einfältig an einer befcheidenen
Thür bing.
ndeffen bildeten die Plaftifer riefige Standbilder. Sie
fhielten allerdings gleih den Architekten aud mal rüdwärte,
aber man nannte dody Diele bald Profefforen und that fih 3u-
fammen und dried
über fie, und gab
ihnen neue berrliche
Aufträge, die große
Runft zu zeigen, wie
man auf dffentliden
Plagen Reiter auf
erzene Pferde fegt
oder Springbrunnen
mit Bödlin’fhen. fi-
guren ausftattet. Daf
diefe Reiter fih febr
flein, unwürðig und
unwabr vorfommen,
fonnen fie unmöglid)
felbft erzäblen.
Aud die Literatur
war zu neuem Leben
erwacht, obgleidh es
gerade bei uns Leute
genug gab, die be-
fheiden ihren vor-
gefchriebenen Weg
gingen. Pofaunen-
jtöße, Hurrabrufen,
Trompetengefhmetter
fündeten alle Augen-
blide neue Weltum-
202
fhmeißer an, wie fonnte man da zurüdbleiben. Jola tand auf und
zeigte, wie man fagte, was einzig richtig ift. Jbfen erhob fidh
wie ein Gigant, nahm fein Secirmeffer und' zeigte, wie cs einzig
tidtig. Andere niht fo Broße zeigten, wie es einzig richtig.
Die Sprache wurde gedehnt, zufammengefchraubt, abgeriffen,
verdreht bis ein Bediht da war, fo edel wie ein aufiteigendes
Geftirn, fo erhaben, Saf Alles in banger Erwartung zitterte.
Man fihrieb Dramen in ganz neuer Art und ftülpte darüber
bin ganze Bücher oder jchlug mit wudtigen Hieben dem Publitum
auf den dummen Kopf, voll Raferei, daß man fo etwas nit
begriff, womit doc erft sie neue Heit begann.
Und das Publifum?
Und die draußen ftebenden Verftandigen?
Das Publifum fohüttelte die Köpfe, lachte, ftaunte, es
fhimpfte, es bewunderte, je nahdem die Mode am Anfang oder
am Ende war.
Die Derftändigen aber, die Ehrfurdht vor der Kunft hatten,
die fie liebten als reine Blütbe einer gefunden Naturentwidelung,
denen der Derftand geringwerthig erfchien neben edler Empfindung,
fie flüchteten zu ihren alten guten Meiftern, die befheiden an der
Wand hingen und fpraden fo:
„Yun fagt uns einmal, Jbr theuren, alten Herren, was
denkt Jhr über diefes wilde Herumfabren?
„Das Meifte ift Schwindel!” war die einftimmige Antwort.
nda, nun aber, warum ift es fo?“
„Unehrlichkeit, Unbefcheidenheit, tein flarer Kopf, tein
gefundes Obr, feine geraden Augen“, fügte Dürer und die
Andern nidten dazu. „Zuviel herangezüchtete Mittelmäßigkeit.“
„Er hat Redt, ftimmten die Andern fchnell ein.
„Man foll all’ denen die Finger zerbreden, deren Kopf
nicht gefund ift.“ j
„Sie fönnen ja nit einmal ridtig malen.“
Diefe zwei Stimmen unterbrady der ehrwürdige Holbein
und fagte: )
„Wenn Jhr uns liebt, fo laßt uns zufrieden mit foldem
Gelihter. Was denkt Zhr fo kurz? Es wird Alles weggewifcht, was
nit gut if. Gebt auf die Straßen, an die Zäune, in die
Winkel und hr werdet finden, was Euh freude madt, wenn
Ihr Ohren habt zu hören und Augen zu feben. Welde Thorheit,
welder Unverftand! Iſt niht das, was Jhr fuht, auh im
Rleinften lebendig, was gut ift, was rein it, was einfah und
wahr it. Seid Jhr aud fhon angeftedt vom Brößenwahn?
Gebt unô tradhtet, daß nicht die Unmiirdigen mit ihrem wüften
Gefdrei Ser Vögel Singen, er Bädhe Raufhen übertönen, daf
niht aufgepugte Dirnen höhnifh vor der fhüdternen, tüchtigen
Jungfrau Deutfhe Runft einhermarfhiren und bei albernem
Befchnatter mit plumpen Schleppen foviel Staub aufwirbeln,
daß die Jungfrau nicht mehr zu fennen ift. Gebet bin und
facet die Tüchtigen und nicht die Narren.“
„Bott ftärfe mid, Amen!“ rief Dürer, „und daß man Euch
das fagen muß, ift fhlimm. Habt Jhr denn garnichts Befundes?
müßt Ihr denn alle franzöfifhen, englifhen, fchottifden,
japanifhen Mätzchen nahmaden, armfeliges, Bleines Dolf? Geht
und laßt uns zufrieden.“
Da faßten fih die Verſtändigen fleinmiithig an die Stirn,
und es ging ihnen ein Licht auf. Sie gingen beim und fuchten
im Lande, was dort zu finden war.
Und fiehe, nad) einer gewiffen Zeit fam einer und brachte
eine Mappe, öffnete fie und zeigte den Gnbalt Sen Freunden.
Diefe waren nicht wenig erftaunt, lobten ihn und bewunderten
den Mleifter, der bief
frig Steub
und war ein guter Seutfcher Meifter, der befcheiden in einem
Winkel unferer fruchtbaren Heimath lebt, in Starnberg, faft un-
befannt. Draußen tobten die Gewaltigen und machten die Menge
fheu, und er faß fill und zufrieden in feiner fleinen Werfftatt
und wußte felbft nicht, daß er ein jo liebenswerther Künftler fei,
da es nur febr Wenige gab, die es ibm fagten. Er zeichnete
Deutfhe Runft.
emfig im Auftrage der Fliegenden Blatter, die ihn vielfad
befhäftigen, mit Foftlidem Humor, mit einem Stift, der immer
neue Variationen findet, die merfwürdigen Eigenthümlichfeiten der
Gattung Menfh zu beleudten, nit boshaft, fondern liebens-
würdig und wahr, nicht bart, fondern fo malerifh, daß viele
feiner, flüchtigen Skizzen vollftändig den Eindrud der gedadten
farbe wiedergeben. Und dod war er uns faft unbekannt, denn
feine Art, die Natur zu geben, ift jo feinfühlig und fo geiftreid,
daß der Holsfhnitt, dur den wir ihn kennen, den größten Reiz
tödten mußte. Wie weit dafür ihn felbft die Schuld trifft, laffen
wir uns von ihm erzählen, ebenfo wie feine Laufbahn fih
geftaltete.
„gm Jahre 1844 zu Lindau am Bodenfee als Sohn eines
Raufmannes geboren, verbradhte ic in diefem Städtchen meine
Jugend. Meine Cut am Feihnen wurde urh den an der
Dolfsfdule dortfelbft angeftellten Zeichnenlehrer lebhaft gefördert.
Meinem Wunfche, Maler zu werden, ftellten fi indeffen mehrfache
Hinderniffe entgegen, wobei befonders die damals noch in Pleineren
Orten berrfchende Anfidt, dağ Sie Runft nur in den feltenften
‚Fällen ihren Mann nähre, befonders zum Ausdrud fam. -
Auf den dringenden Wunfch meiner Familie bin verzichtete
id) auf die Ffünftlerifhe Laufbahn und bezog in Münden Ge-
werbefhule und Polytechnifum in Ser Abfiht, Ingenieur
zu werden.
gm Jahre 1862 und 1865 befuchte ih die tedhnifhe Hode-
fhule zu Rarleruhe zu gleihem Zwede.
Fortwährend fränklih und den Förperlihen Anftrengungen,
die der Beruf des Mafihineningenieurs mit fi) bringt, nicht
gewadfen, war ih darauf bedaht, mir meinen Lebensunterhalt
auf andere Weife zu befhaffen, und fand dabei die freundlichfte
Unterftügung meines nadmaligen Schmiegervaters, Verleger
Raspar Braun und defen Affocie f. Schneider, der befannten
Gründer und Herausgeber der ,,fliegenden Blätter‘, deren
Mitarbeiter ih nun feit 35 Jahren bin. Eine eigentlihe Aus-
bildung als Rünftler genoß ih nur Furze Zeit auf der Akademie
der Künfte in Münden. Zu firengem Studium fehlte mir die
Ausdauer.
Wenn ic) vielleiht troßdem einigen Erfolg mit meinen
Saden zu verzeichnen hatte, fo verdanfe ich denfelben nicht zum
Mindeften meinen Kollegen, die den Fünftlerifhen Ruf der
„fliegenden Blätter weiter begründen halfen und deren Leiftungen
wohl anregend wirken konnten. Jnzwifhen ift die Technik des
Holsfhnittes aud) 3u einer Höhe der Ausbildung gediehen, Saf
felbft Ser ftrengfte Rritifer an der Art, wie die Zeihnung durd
den Schnitt wiedergegeben wird, nichts mehr auszufetzen finden
wird. Dies il auh der Grund, warum ih auch heute nod
meine Zeihnungen Sirett auf Holz anfertige.
Sf. Steub.
Was wir hier von ihm bieten, find Skizzen zu ausgeführten
Heihnungen für die „fliegenden Blätter, welche bereitwilligft
ihre Zuftimmung gegeben haben, daß diefe in folder Weife der
Oeffentlichfeit zugänglid gemadht werden. Hier lernt das deutfche
Volt einen feiner beften Malerhumoriften kennen, und dankt es
der verftändigen frau diefes Riinftlers, daß fie diefe Blätter
thatfädhlih aus dem Papierkorb gerettet hat. Wir ftehen nicht
an, fr. Steub neben Wilhelm Bufh zu ftellen, der ihm übertrifft
in der Erfindung, den er aber überbietet dur” malerifhe An-
fhauung, durch farbige Behandlung des Stiftes. Wir bewundern
die Sicherheit, mit der er auf dem erften Entwurf feine Menfchen
binftellt, wo alles den gewollten Gedanfen fofort untadelig aus-
drückt mit einer Kraft und Lebendigkeit, mit einer Gefundbeit,
die an die alten niederlindifthen Meifter erinnert. Jeder Kopf
lebt, fpricht, und die Bewegungen des Leibes, der Hände und
füge geben dem Ausdrud fo richtige Hilfe, wie fie eben nur ein
wabrbafter Riinftler ohne Mühe findet. Wie fennt er feine
baverifhen Bauern?! Da giebt es feine Sentimentalität, das
find die Bauern, wie fie find, pfiffig, Serb, übermütbig und
taufluftig. Seltener greift er sur Rarrifatur. Da finden wir
unglaublid fomifhe Ritier und Edelfräulein, römifhe Senatoren,
en...
< AE ye
Dichter und andere Leuthen, bei denen Alles in Romi? fhwelgt
vom Kopf bis zu den Füßen, da finden wir Hunde, Pferde und
andere Thiere, die ihrer merfwürdigen Luftigfeit unbewußt uns
in Sie heiterfte Stimmung verfegen. Aber find aud diefe
Rarrifsturen vielleiht wirfungvoller, fo lieben wir Steub doch
mehr, wenn er mit feinem Humor feine Objefte behandelt, wenn
er zutraulich feinem Nahbarn auf die Schultern flopft und ibm
zeigt, wie drollig er ausfeben fann, obne daß er gewaltjame
Bewegungen madhen muĝ. Sehen wir dann weiter bin, fo
finden wir nidt uur diefen außergewöhnlich überrafhenden Sinn
Deutfhe Kunſt.
208
wundervoll malerifh wirken mit ihrer geiftreihen Vertheilung
von Licht und Dunkelheit. Er giebt Skizzen zu feinen luftigften
Bauernraufereien, die, fprübend von Kraft und Geift, wie farben-
ffizzen wirken. Er zeichnet Köpfe mit lebendigem Ausdrud, wie
fie ein Maler malt, mit tiefem Schatten und jearfem Seitenlicht!
Seine Zimmer und Winkel find farbig gefeben, und mit wenig
Strihen verfet er uns in eine Candfdaft, deren Luft im Ton
gedadt ift. Und wie paffen die Kleider zu feinen Menfden.
Was find das für wundervolle Hüte, Röde, Hofen und Stiefel!
Es ift Stil in diefen Heichnungen. Das Stiliftifhe ftellt fie über
Sri Steub, Sfizzen und Typen.
für Sas Schalfbafte bis zum Uebermiithigen, fondern nod) Por-
züge, die uns den Künftler als Maler zeigen. Er zaubert uns
nur urh den Bleiftift Bilder mit vollftändig farbigem Reiz.
Bier eine Tiefe voller Saft, Sort ein Licht, bier weich, dort
fharf und beftimmt, fo daß es Blätter giebt, bei denen man nicht
zu wiffen braudt, was fie darftellen, die doc in der Entfernung
das Mittelgut und es ift Gefundbeit sarin, Sarum fSnnen wir
fie immer mit neuem Genuß betracdten.
Doch genug von unferer Meinung. Wir begen die Hoffnung,
dem allzu befiyeidenen Künftler einen Freundeskreis zu verfhaffen,
den er verdient, der wieder ibm felbft mit feiner Anerkennung
den Benuß zurüdzeablt, weldhen er uns bereitet.
Anmerfung der Redaktion. Wir fehliefen uns den begeifterungs-
vollen Worten unjeres Mitarbeiters aus vollem Herzen an. Fri Steub
ift ein Riinftler erften Ranges, weil er die Natur mit gefunden Maleraugen
anfiebt und das, was fein Jeihenftift aufnimmt, empfindet und miterlebt.
Wie weit feine Rünftlerfhaft über das hinausgeht, was die Zlluftration der
„liegenden Blätter‘ von ibm verlangt, läßt fic) nidt aus den fertigen
Holzfhnitten, fondern nur aus den bier zum erten Mal veröffentlichten
Skizzen entnehmen. Auf dem Umwege über Schneidemefjer und Stiel muß
der malerifche Reiz verloren geben, den er mit feiner weihen Linienführung,
mit feiner unabjihtlich geiftvollen breiten Behandlung erzielt. Man tann fih
in diefe Blätthen ftundenlang vertiefen und wird immer neue Schönheiten in
ihnen entdeden.
Yur die Autotypie vermag das Wefen der Rünftlerfehaft Steub’s mit der
nöthigen Treue zu übermitteln, nur durd fie wird es deutlib, wie unendlich
(4 Deutfhe Runf.
malerifh all’
diefe Szenen des
tigliden Lebens
gefeben und
wiedergegeben
find. Aus dem
taufen Linien-
gewirr heraus
tauchen Glied⸗
magen undLeiber
auf, die zunädt
faum angedeutet
erfcheinen, bis
fie h zur vol.
len KRörperlid-
Feit entwideln.
Steubs Feichen-
ftift fchafft ein
clair obscur,
wie es jonft nur
der Pinfel des
Malers hervor-
zubringen ver-
mag. Seine
beften Stizzen
erinnern gerader
zu an die Hand-
zeichnungen und
flüchtigen Radi-
tungen Rem-
brandt's und
A. Menzel's.
Dur) Herein Paul Thiems Güte wurde uns eine ganze, mit Hunderten
folder Blattchen gefüllte Mappe zur Derfügung geftellt, aus der wir das zur
Reproduktion auswählten, was uns am beften für die „Deutfche Runi ge-
eignet erfcien. Gerade in einer Zeit, der das Unfertige vielfah als
Sri} Steub, Ein Ritter.
Manifeftation des Genies gilt, ift es angezeigt, auf diefe Blättchen binzuweifen,
in deren Bleinftem ein Stüd wirkliher Meifterfhaft ftedt.
Gleichzeitig it es uns gelungen, die Runftbandlung von
Reller & Reiner in Berlin zur Ansftellung einer Auswahl Steub'fcer
Skizzen zu veranlaflen und fo diefe Aunftwerfhen winzigen Formats dem
größeren Publifum zugänglih zu mahen. Den „fliegenden Blättern“ bleibt
der Ruhm, Riinftler vom Shlage Steub’s für ihre Publikationen in Thütigfeit
gejert zu haben, und ihre funjtfinnigen Verleger find gewiß die Lerten, die
es ung verdenfen, wenn wir darauf binweijen, daß einer ihrer Mitarbeiter
fidh in der Stille zu einem Sittenfchilderer erften Ranges berausgebildet bat.
gn wie hohem Grade das der fall ift, beweift der Umftand, daß Niemand
zu den von ung gebotenen Giluftrationen Sen Text vermiffen wird. Situationg-
und Wortwik find unndsthig, wo der Rünftler mit feinen Darftellungsmitteln .
fo überaus deutlich jpridt, ja fie tören, weil fie uns ein Abfihtlihes auf-
drängen, wo Steub ein Yxives gegeben bat.
Eben diefe Naivetät ift Steub's größte Stärke. Man würde ihm bittere®
Unredt thun, wenn man ibn in eine Reibe mit den Rarrifaturiften ftellte,
die uns durd Uebertreibungen cin Laden abzuloden fuhen. Selbjt wo er
parodirend biftorijhe Typen bringt, wie Ritter und Liftoren, entnimmt er
feine Modelle niht dem Schmierentheater, fondern der eigenen rüdwärts ge-
wandten Phantafie. Der treuberzige Gentleman der Landftrafe im Mittel-
alter, der bärbeifige Schugmann der antifen Roma gewinnen duch feinen
Stift fomifches Leben, ohne daß ihre Tradht uns als Verkleidung erjhiene.
Wenn Steub das lihtjhene Treiben der Armen und Elenden in den
Straßen der Broßftadt fildert, erhält fein Stift einen Zug: von fchlichtem
Pathos, der nidts mit abfihtliher Armeleutemalerei zu thun bat. Das
boffnungslofe Elend eines mit einem Rinde in der Bajlenede bodenden
Weibes, der Stumpfjinn des beimwatts fdwanfenden Trunfenboldes ift mit
einem Ernft dargeftellt, der gerade um feiner Tendenzlofigkeit willen auf das
tieffte ergreift.
Ob die Heihnung das volltommenfte Ausdrucsmittel des Rünftlers ijt,
vermögen wir nit zu fagen. Aber felbft wenn feinem eminent malerifden
Sehen die Farbenjprache verfagt fein follte, wäre es wünfdenswertb, daß
dem deutfhen Volte eine Sammlung feiner leiht vergängliden Skizzen er-
balten bliebe, werthvoller als mande Fulturgefhichtlide Schönfärberei.
6. m.
Berliner Ausjtellungen.
n der Shulte’jhen Bemäldeausftellung pflegt man fih Feine
Sfrupel zu maden bei der Auswahl und Anordnung der Runjt-
S~o werfe, und fo gejhieht es bisweilen, daß der beliebtefte Runfttempel
Berlins einem mit Bildern überfüllten Rafino ähnlich fieht, wo die elegante
Welt ih ein Stelldiein giebt und froh des angenehmen Plauderftiinddens
in bebaglibem Raume den Runftgenuß als amüfante Ferftreuung betradtet.
Es ift nicht jedem gegeben, den Werfen der modernen Runft Derftändniß ent-
gegen zu bringen und die Spreu vom Weizen zu unterfcheiden. Wud ijt eine
Runftbandlung wie die Schulte'fhe in gewiffer Hinfiht darauf angewiefen,
dem Durdhfdnittsbediirfnif der großen Menge Sorge zu tragen, aber felbft
der Bejhmad der Laien und Befhmadlofen bat feine Grenze und es dürfte
fic) empfehlen, obne der bewußten Befelligfeit Abbrah zu thun, ein wenig
mebr zu fihten unter der Fluth von Bildern, von denen faum zebn die Gury
einer großen internationalen Augftellung paffieren würden, vor Allem aber
nah gewiffen Gejidtspunften zu bängen, mebr Prinzip, mehr Leben, mehr
Abwedslung in die ganze Anordnung zu bringen. Gm Eingangsjaale hängt
gegenwärtig eine Portraitfammlung von Borhardt, nebenan bededen
mebrere große Bildnijje die Wände; beim Durchgang zum Oberlihtjaal ftoßen
wir auf eine Sammlung Allers’fher Röpfe und in dem großen Saale bliden
tebts und linfs Bildniffe in allen Größen von den Wänden und hängen
dicht neben- und übereinander, daß man die Unterfehrift faum zu erkennen
vermag. Man muß eine gute Natur beigen, um bei einer folhen Menge
gemalter Perfonen ein Fünftlerifh empfänglibes Auge zu behalten.
Walter Peterfen, der Liebling der Düfjeldorfer Ariftofratie, hat feinen
fhweren Stand in feiner Umgebung. Seine Bildnifje, denen ein ebrlides,
fleifiges Studium zu Grunde liegt, wirfen in ihrer fehlihten Malerei recht
anfpredhend, fofern diefe niht in afademifchen ‚Formeln fteden bleibt. Die
liebevolle Durdfiibrung entjhädigt binreihend für die zahme und allgemeine
Anfdhauung, welder etwas wie genialer Trog und heißblütige Begeifterung
abgeht. Am beten feint dte Charafteriftif in dem Bildniffe Wallot's er-
faßt zu fein, der fih gemüthlich in einen Seffel lehnt und in der Hand eine
furze Pfeife hält. Aud der von tiefen Stirnfurdhen durhzogene Kopf eines
Heren in jhwarzem Anzuge it lebendig aufgefaßt, während bei Fräftiger
Modellirung die Farbe wenig Leuchtkraft behalten hat. Größere koloriſtiſche
riş Steub, In der Weinjtube,
ro
Reize find in dem Bıldniß einer Dame in weißer Balltoilette angeftrebt. Die
Malerei ift einheitlib. Der hübfhe, von zwei Seien beleuchtete Ropf mit
den dunklen Augen und tiefbraunem Haar ftimmt gut mit den lichten Tönen
des Hintergrundes zufammen, und die graziöfe Stellung, die leihtgefrümmite
Haltung des Armes, welder die Schleppe des Rleidea ein wenig emporbebt,
erjcheint natürlich und dem Charakter der jugendlic-elaftifhen Beftalt angemefjen.
Warum cber mußte die Figur Raifer friedrichs in der ‘offiziellen Haltung
eines dienftihuenden, die Haden zufammennehmenden Offiziers aufgefaßt
werden? Diefes überhöbende militairifhe Moment, das vielleiht befonders
„beitellt‘* gemefen ijt, gereicht der Charakteriftif des Monarden nit zum
Vortheil. Spmpathifher berührt das Bruftbild Bismard’s mit der gut be-
obadteten, ultersfrifhen, rofigen Hautfarbe, und eine nad) dem Leben auf-
genommene Feidhuung, die den Altreihsfanzler in feinem Heim mit Pfeife,
Bud und Notirfift darftellt.
Der ungarifhe Portraitmaler LAZ16 macht uns faft cusfdlieflid) mit
erlandten PerfSnlidteiten befannt. Die Leiftungen find febr verfdiedenartig.
Die meiften Bildniffe find gut geseidnet und lebendig im Ausdrud, aber
ebenfo unwabe wie fiif im Ton. Die Rarnation erinnert öfters um jene
Portraits aus der Mitte diefes Jahrhunderte, welche nad einem beliebten
Rezept in's gelblid-rothe geftimmt find und dem fisnen Ton zu Liebe auf
feine feineren Unterjhiede in der Hautfarbe eingehen.
Was die Unffaffung des Malers betrifft, jo läßt idh die Babe nicht be-
ftreiten, vornebme Perfonen in vormehmer Haltung und Kleidung fo wieder-
zugeben, daß man aud obne die Dargeftellten zu fennen, von der Aehnlichfeit
überzeugt ift.
Am beiten gelingen dem Künftler flott angelegte Sfizzen, bei denen auch
die Farbe überzeugend wirkt, wie die der Pringefjin von Thurn nnd Taris
und das des Prinzen von Ratibor in Uniform. Eine bürgerlihe Dame,
deren Schönbeit noh durh den Schatten eines Schnurrbärthens einen pifanten
Reiz erhält, fei von den ausgeführteren Bildern hervorgehoben.
Ueber die Portraits und Studien von Bordhardt, der, einft ein viel
verjprebender Schüler Uhde's mit feinen fehr gefhidt gemalten nterieurs die
Aufmerkjamfeit auf fi lenkte, läßt fih beute wenig Gutes fagen. Das
Rolorit it nichts weniger «ls fein, zu den Eigenthümlichkeiten bei feinen Bilde
nifjen gebört ein [hwärzlider Selbftihatten, der gewiß nicht in der Natur zu
finden war; feine Malerei ift härter und nadläffiger geworden, Derzeihnungen
zählen nicht zu Sen Seltenheiten. Gn feiner guten Tonwirkung verdient dus
Portrait eines Herrn, der den Ropf vormüber neigt und die Hände in die
Tafche ftedt, hervorgehoben zu werden.
Es ift unglaublid, daß der Zeichner 5. Allers immer no Bewunderer
findet. Die Hoffnung, ibn aus der Aunftwelt in die Sphäre feichter Unter-
haltung verdrängt zu haben, durfte fic) nicht erfüllen. Seine neuefte Schöpfu”g
„ans dem deutfihen Zägerleben‘‘ reiht ih würdig den früheren an. Allers
ift Gefchaftamann und verftebt die Eitelkeit vieler Menjhen auszunugen, die
üh für's Leben gern „verewigt“ feben wollen. Mit merfwürdigem Befchtd
find in der nenen Serie nidtsfagende, gelodte Röpfe berausgegriffen, vom
Enzianbrenner mit dem unglaubliden Haarwuft bis zum frfirten Affeffor.
Daß die Jägertypen ohne einen ‚Funken fünftlerifhen Empfindens und völlig
witlos wiedergegeben find, wird Niemanden überrajchen.
Man wäre verfuht Waturphotographien vorzuziehen, wenn nicht
Fritz Steub, Im Wirthshaus,
Deutſche Kunſt. 205
die Allers'ſchen
Randgloſſen
und die Auto⸗
gramme der
dargeftellten
Perfonen einen
fulturbiftori-
fhen Werth be-
fäßen. Um die
zweifelhaften
Genüffe bei
Schulte hefden-
müthig durch⸗
koſten zu kön—
nen, ſei auf die
Rer’ihen Bil-
der aus dem
Lebea Napo-
leon I. binge-
wiejen, die als
Anſchauungs⸗
material | fiir
den — gefdicht-
lihenlinterrid;t
vielleiht am
Plate wären,
aber als Run!
wert betradtet,
den gewaltigen
Stoff nur bere
abwiirdigen
fönnen. Eine
gejhidte Bruppirung ift immerhin das Erträglichfte an den bilderbogenuctig Polo-
tirten Gemälden ; im Uebrigen drängen ih Uniformen, Roftüme und Ausftattunge-
fram in den Vordergrund. Zu den erfreuliceren Eindrüden der Ausftellung
gehören eine wilde Bebirgslandjhaft mit diifterem Himmel und fturmgepeitfehten
Bäumen von Calame und cin Genrebild von Haug, ein Gefedt in einem
Rornfeld; ferner die Skulpturen von A. Lewin „Verzweiflung“, ein
am Boden llegender, das Gefidt bedecender Frauenförper und „sulta cielo
Romano, ein ausgeftredter nadter Junge, der luftig emporblidend das linke
Rnie mit ftraffgefpannten Armen umfagt.
Ob in Berlin bei den maffenbafien Darbictungen der bildenden Runft
nod ein Bediirfnif nad einer neuen Ausftellung vorhanden war, erfdeint
zweifelhaft, jedenfalls aber darf man dem neuen Unternehmen des Herrn
€. Zaeslein, welder vor Rurzem auf der Leipsigerftrafe einen Bemäld:-
falon in Derbindung mit einer Runfthandlung zur unentgeltlihen Bejihticung
eröffnete, die beften Wiinfde entgegenbringen. Die Räume find den modernen
Anforderungen gemäß behaglih ausgeftattet und von gutem Lidte begünftigt.
Das Programm feint nit darauf berednet, in fhnellen Wedhjel die neueften
Erfheinungen der bildenden Kunft vorzuführen, aber die Auswahl zeugt von
einer zielbewußten und umfichtigen Leitung. Hans Thoma, der aud bier
das allgemeine Menfdlide mit deutjher Befühlwärme zu offenbaren verjtebt,
ift mit einer großen Anzabl Lithograpbien und einigen nod unbefannten Be-
mälsden vertreten. Unter den Letteren fei der Profilfopf feiner Fran hervor-
geboben, See mut in braun und roth gemalt, gegen einen Abendhimmel ge-
ftimmt, eine jebe lebendige, im der Farbe naturaliftifhe Wirfung hervorruft.
Fu den innigften Darftellungen gebört ein von ihm felbft bemalter Steindrud:
Jn einem eingefriedigten Garthen figt vr einem einjtödigen Schwarzwald-
bäushen eine Mutter mit einem ftrampelnden Rinde auf Sen Rnieen. Die
farbe ift bisweilen nur als ergänzender Abflug für die ftrenge Formen»
gebung gedacht, deren Befhloffenbeit alles Tednifihe vergeffen madt; fo in
dem weitausfchreitenden Säemann inmitten einer weitgedehnten Hügellandfhaft,
fo in dem Ritter vor dem Liebesgarten, Ser vollftändig gepanzert die ofenden
und mufizirenden Liebesleute vor jedem Eindringling bejbütt.
Eine fliichtige Rreideftudsie von Bödlin, die einen langauegefiredten
Chriftusförper darftellt, dürfte allgemeines nterejfe beanfpruden. Don den
Werfen namhafter Künftler feien ferner erwähnt eine in brauner Oelfarbe
angelegte Portraitzeihnung von Ff. Stud, eine ‚Farbenffizze zur Flucht
nad Aegypten von f. v. Uhde, eine ältere Marine mit ftürmifchem Himmel
von UA. Adhenbad. Rarl Rrummader.
Fig Steub, Ein Liftor.
206 Deutfhe Kuni.
Die Renten: und Penfionsanftalt für deutfche bildende Künftler.
er vierte Jahresbericht der Nenten- und Penfionsanftalt für deutfche
bildende Rünftler (Maler, Bildhauer, Architekten, Rupferfteher, Radirer,
Heichenlehrer, fünftlerifhe Mufterzeichner u. f. w.) mit Fentralfelle
in Weimar hat wieder erfrenlihe und bedeutfame Erfolge zu verzeichnen. Er-
freulich ift es zunädft, daß die Mitgliederzahl in ftetem Wadfen begriffen ift
— bet Abflug des Berichtes hatte die Anftalt 569 Mitglieder — ferner,
daß ihr Befammtvermögen füh im lebten Fabre von M. 66 161,64 auf
m. 95 071,87 erhöhte, fih alfo um nahezu die Hälfte vergrößerte, und an
Zuwendungen M. 2668,77 vereinnahmt wurden. Die Einnahme an Beiträgen
und Eintrittsgeldern beläuft fic) auf M. 55 659,95 gegen 16 802,77 im Vor-
jabre; auh fonnte von Erhebung des Ertrabeitrages abgefehen, foldes
aud für das fommende Gabe in Ausfidt geftellt werden. Nad den im Grof-
hergzogthum Sadfen beftehenden Beferen ergab fih für die Anftalt Steuer-
freiheit, ein Dortheil, der von Jabr zu Jahr an Bedeutung wadfen wird.
Ferner ergiebt der Bericht, daß immer weitere Areife dem ebenfo zeit-
gemäßen, wie humanen Beftreben ihr Fntereffe zuwenden, was für die gedeih-
liche fortentwidelung der Anftalt von ebenfo großer Bedeutung ift, wie die
3uerft genannten Refultate. Ein Freund der Anftalt, welder nist genannt
zu werden wünfht, benachridtigte das Direftorium, daß er die Anftalt
teftamentarifh bedenken werde, und fteht zu hoffen, daß diefer hodhberzige
Entjihluß Nahabmung findet. Die Jahl der Gönner und ‚freunde, welde
durch einmalige Gaben oder jährlihe Beiträge das fegensreihe Unternehmen
förderten und fördern, bat im Llegten Fabre ganz bedeutend zugenommen.
€s gingen im Ganzen bundert einmalige Spenden ein, während 74 fo-
‚genannte unterftügende Mitglieder jährlide Beiträge zahlen, theils an die
deutjhe Zentrale, theils an die Ortsverbände. Hieran betheiligten fih faft fämmtlihe
fürjten, viele Städte, Firmen, Privatperfonen und Pünftlerifhe Vereinigungen.
Die Betheiligung der Legteren muğ bejonders hervorgehoben werden, weil
diefe Dereine: der Stuttgarter und Sähfifhe Kunft-Derein, die Dresdener
Runfigenoffenfchaft, Arditeften- und Stizzen-Verein mit dem idealen Streben
aud den Jwet verbinden, das materielle Wohl der Künftler zu fördern,
alfo wohl mit Redt behauptet werden darf, da gerade diefe Vereinigungen
einen tieferen Einblid in die wirtbfhaftlihe Lage der Künftlerfhaft haben
und am beiten beurtheilen fnnen, was den Riinftlern am zwedmäßigften
dient. Die Rommiffion der internationalen Runftansftellung in Dresden bat
im vergangenen Jahre in ihren Ausftellungsräumen eine Sammelbüchfe zu
Bunften der Renten» und Penfionsanftalt aufgeftellt. Widt die Höhe des
eingegangenen Betrages allein maht den Werth diefes humanen Entgegen-
fommens aus, jondern aud der Umftand, daß eine Anzahl hervorragender
Rünftler, welde dem modernen Kunftleben am nachften fteben, ebenfalls die
Beftrebungen der Anftalt, als dem Bedürfnig der Künftler entfprehend, an-
erfennen. Wud von Allerhöcjter
Seite wurde dem wiederholt zu-
geftimmt, und fei darauf hinge-
wiefen, dap Se. Majeftät der
deutjche Kaifer anordnete, Safi in
der Schad-Balerie zu München
ebenfalls eine Sammelbücfe auf-
geftellt werde, dur welde der
Anftalt in wenigen Monaten bez
reits ein nambafter Betrag zufloß.
Mit dem wärmften ntereffe ver-
folgt auh Se. KRönigl. Hoheit
der Brofiherzog von Sachen, der
Proteftor der Anftalt, die Weiter:
entwidelung derfelben und bat in
vielen Fällen feinem hohen Inter—
effe durch die That Ausdrud ge
geben.
Ueber das Feitgemäße und
Hweddienlidhe Ser Renten- und
Penfionsanftalt Pann auh wohl
Niemand mehr im Zweifel fein.
Während für die meiften Berufs-
arten, vom General bis zur
Rodin, für die Tage des Alters
Rünftler in diefer Beziehung ganz auf fdh allein angewiefen. Das ift aud fein
Unglüd; möge der Rünftler nur einmal ernftlid an’s Werk geben, fid felber zu |
belfen. Hat er dod in ungezählten Fällen, und weit über feine Kräfte hinaus,
Anderen geholfen: fei es, daß er feine Zeit opferte für Arrangements von
SFeften und Bazaren oder werthvolle Arbeiten zur Derloofung für woblthatige
Swede, gang unbefiimmert darum, daß er fih gerade durch diefe Derloofungen
und Bazare in's eigene Fleifh fohnitt. Mit dem läderlihen Ammenmärden,
daß ein unpraktifcher Sinn gewiffermaßen mit zum Metier des Riinftlers ge-
höre, muß endlid einmal aufgeräumt und das Rind beim rechten Ylamen ge-
nannt werden. Es würde unter den Riinftlern mit mehr und nicht weniger
unpraftifhe Leute geben wie in jedem anderen Beruf, wenn die Mehrzahl der
Rünftler fih allen praftifh materiellen Fragen gegenüber nicht fo unglaublid
indolent verhielte. Jn den lekten Fabren webt, Gott fei Dank, ein frifcherer
Wind; man hat eingefehen, daß es mit dem ewigen Shimpfen und Stdhnen
iiber die fcbledten Zeiten nicht gethan fei, fondern aud) in rein materieller
Beziehung etwas gefdheben miiffe, was den Werth einer That babe. Aus
diefer Ueberzeugung ging die Begründung der Renten- und Penfionsanftalt
für dentfche bildende Riinftler hervor, ebenfo andere Unternehmungen, wenn
Legtere aud zum Theil nod im Stadium der Vorbereitung fih befinden,
3. 8. bezüglid des Ausftellungswefens, des Schuges geiftigen Cigenthums
u. ſ. w.
Eine That war es aud, daß der Dorftand des Orteverbandes Stutt-
gart der Renten= und Penfionsanftalt energifh vorging, um den eigenen Ver-
band zu fihern und ihm im die Lage zu verferen, jeinen Mitgliedern die
Zahlung der jäbrlihen Beiträge an die Zentralanftalt zu erleichtern rejp. zu
ermöglihen. Nadh heifer Arbeit hat er diejes Ziel in dem furzen Seit-
raum von faum zwei Jahren erreiht. Sunddit gab er ein wohl»
gelungenes feft, welhes einen Meberfhuß von M. 1200 bradte; dann warb
er unterftütende Mitglieder — es find jest 50, an der Spike Se. Majeftat
der Rönig von Württemberg, während 19 Bönner einmalige Gaben ftifteten —
und endlih gelang es den raftlofen Bemühungen des Dorftandes, die Ron-
zejfion für eine Beldlotterie zu erhalten. Legktere wurde an einen folventen
£otterieunternehmer feft verfauft und dadurch eine Einnabme von M. 10 000
für den Ortsverband gefihert. Don diefen beiden genannten Summen erhält
die Fentrale verfafjungsmäßig 25 pCt.; dod wurden von dem Reingewinn
des feftes Sanfenswerther Weife 50 pCt. an die Hauptanftalt abgefiibrt.
Das Vermögen des Stuttgarter Ortsverbandes beläuft fih jett auf rund
M. 12 000 und kommen die Zinfen fpeziell den Mitgiiedern des Ortsverbandes
Stuttgart zu Gute. Bleibe Anerfennung gebührt den Dorftänden der Orts-
verbände Dresden und Weimar, wenn fie augenblidlid aud nob niht fo
glänzende Refultate aufzuweifen haben wie die Stuttgarter Rollegen, und
und der Gnvaliditat ftactlidbe Für-
forge getroffen wird, ift der
Fri Steub, Bauernrauferei im Wirthshaus.
——— ——— — 00
Deutſche Kunſt.
207
5 4 in verfchiede-
. nen anderen
Ortsverbän-
den rüftetman
fi zu gleihem
Dorgeben. —
Aud in einer
derartigen
Seftigung der
einzelnen
Ortsverbände
muß für das
fernere Gedei-
ben der Ren-
ten- und Pen-
fionsanftalt
mit Redt eine
Garantie erb-
lidt werden.
Durd) eine
folde Rräfti-
gung wird es
aud dem mine
der Zablungs-
fähigen er
möglidt, der
Anftalt beizu-
treten und fi)
ein felbft-
erworbenes
Redt zu
fihern, was doc das Hauptziel ift, dem die Anftalt zufrebt. für diejenigen,
welde es nidt ndthig haben, ift die Nenten- und Penfionsanftalt freilid
§rig Steub, Bierphilijter.
niht in's Leben gerufen worden; aber gerade diefen vom Blüde Begünftigten
follte es Ebrenpflidt fein, die Beftrebungen der Anflalt durch ihren Eintritt
in diefelbe zu fördern, wie es in vielen fallen aud bereits gefchehen if.
Eo ift ja begreiflih, daß im Anfang fih Mander der Anftalt gegen-
über neutral verhielt, um abzuwarten, ob das Unternehmen aud durchführbar
fei — obgleih, wenn ein Jeder fo denken und handeln wollte, überhaupt
nie etwas Befcheidtes zu Stande fommen würde. Nun aber ift die Lebens-
fähigkeit der Anftalt gefihert, der weitere Ausbau hat begonnen und er-
freulihe Fortfchritte zu verzeihnen, da ift es nicht mehr gerechtfertigt, den
ungläubigen Thomas zu fpielen und der Sache bodbeinig gegenüber zu ftehen.
Jegt ift es Ehrenpflicht, für die Beftrebungen der Anftalt einzutreten: Einer
für Alle und Alle für Einen! Derbeffern wir unfere wirtbfehaftlihe Lage, fo
dienen wir aud) der Runft als folder, denn die Mifere des Lebens züchtet
unter ung die meiften und beflagenswertheften Proletarier. Gebt nur dem
Rünftler die Möglichkeit, die Zukunft für fih und die Seinen fiher zu ftellen,
und mit erhöhter Schaffensfreudigkeit wird er an die idealen Aufgaben des
Lebens herantreten.
Berthold Paul Förfter.
Anmerkung. Wir möchten an diefer Stelle darauf aufmerkfam
maden, daß den Künftlern ein wirffames Mittel zur Herbeifhaffung aufer-
ordentliher Einnahmen für die Renten- und Penfionsfaffe zur Verfiigung ftebt.
Was für den Schriftfteller der Nahdrud, das ift für den Rünftler das Llice.
Warum fdnnen fid die Herren nit entfhließen, ein Syndikat für die Per-
gebung ihrer Urheberredhte zu begründen, deren Erträgniffe einen Jahregumfar
von Millionen darftellen? Die faufmannifehe Handhabung eines folgen
Suftituts würde dem Autor einen bei weitem höheren Gewinn fidern, und
ein Meiner Prozentfat des Derwaltungsüberfhufles würde genügen, um die
Renten» und Penfionstaffe auf verfiherungstehnifh geficherte Grundlage zu
ftellen. Dor Allem würde mit der Feit Ser Appell an die Wohlthätigfeit
von Bönnern und Mäcenaten aufhören und die Rünftlerfhaft würde die
Benugthuung genießen, aus eigenen Kräften ihren Mitgliedern die Ausficht
auf ein forgenfreies Alter gewährleiften zu können.
Der Holzfdnitt unferer Zeit.
e Bon T. Todtenhaupf.
n einem im Jahre 1878 erfchienenen Bude, weldhes Anweifungen zur
Erlernung der Holsfhneidefunft giebt, wirft der DVerfafler, der
trefflide Holzfhneider der alten Schule, J. M. Rouget, die frage
auf, fiir weldhe Rlaffen der Gefellfhaft der Holzfchnitt wohl befonders geeignet
fei. Jn der Beantwortung fommt er zu dem Refultat, dağ Leute von guter
Bildung und die gewöhnlide Alafje der Bejellihaft — Handwerker, die nicht
verbildet find, Candleute — am meiften Sinn für einen guten Holzfhnitt
haben, während die fogenannte Mittelflaffe — die gebildete Welt — die
Schönheit eines Bildes nur nad feiner feinheit berednet. Dem Biirgerftande
gefällt das Aräftige des Holsfdnittes, er findet idh leichter darin zuredht und
fann die einzelnen Begenftände leichter unterfcheiden; die gebildete Alaffe,
ò. h. Leute, die Bildung haben, aber von Aunft nichts verftehen, werden eine
ordentliche Lithographie und namentlih den Stahlftih für ausgezeichnet halten,
während fie den gewöhnliden Holzfhnitt gering [hären, und hödhftens folde
Holzgravüren ihnen gefallen würden, welde mit Befhid und Blüd dem
Stehlftih nahgeahmt find. Die oberfte Rlaffe, d. b. diejenigen, welde die
einzelnen Aunftzweige voneinander zu unterfheiden vermögen, wird ganz
befonderes Gefallen am Holsfdnitt finden, und fih mit weit mehr Liebe auf
Erörterungen darüber einlaffen, als fie es in Bezug auf den Stablitid
thun würden.
Der gewöhnliche Holzfhnitt nun — der facfimileholzfhnitt — für den,
wie der Derfajfer der Meinen Schrift meint, die fogenannten Bebildeten feinen
Sinn haben, ift heute befanntlid noch viel feltener «ls vor zwanzig Fahren,
zum Leidwefen Aller, denen das Einfadhe, Kräftige des deutfchen Holzfhnittes
“fempathifh war. Aber aud jene Blätter, welhe mit Blüd und Befhid dem
Stablftid) nahgeahmt find — dem Stahlftih und der Radirung, und die oft
nicht mehr wie Holzfhnitte ausfehen — diefe oft fehr anfpruchevollen Blätter,
welde bis vor einigen Jahren — ehe auf dem Gebiete der mechanifd
teproduzirenden Riinfte, befonders der Photographie, epohemadende Er-
findungen gemadt worden waren — aud diefe Blätter, welde früher den
Hauptihmud der belletriftifhen Heitfhriften ausmachten, verfdwinden mehr
und mehr.
Dor Allem war es die Photographie, die dem Holzjhnitt verhängnißvoll,
ja, verderblih wurde, befonders in Deutjhland, wo die Maler bis vor wenigen
Fahren den vervielfältigenden Rünften gleihgiltig, ja, geringfhäßend gegen-
überftanden.
Männer wie
Ludwig Richter und
Adolph Menzel
batten nicht nur
Fühlung mit den
vervielfältigenden
Rünften, fie wußten
nidt nur, wie ein
Holzſchnitt ausſehen
mußte, wieeine Zeich⸗
nung, damit dem
Holzſchneider die
Arbeit erleichtert
werde, gemacht
werden mußte — ſie
waren ſelbſt ver-
vielfältigende
Rünftler, hatten das
Handwerlmapige
der Runft weg, und
bildeten fic) felbft
ihren eigenen Stil
und thre eigenen
Arbeiter. Und die
Holzjhneider ihrer-
feits, die Unzelmann
Oertel, Gaber
u. f. w., baiten, trog
ihrer Treue gegen
das Dorbild, dod
Srig Steub, Bauer mit Monocle.
— — — —
208
Jeder ſeine eigene Manier. Sie waren Künſtler in ihrer Art und hatten
künſtleriſche Aufgaben zu erfüllen, im Gegenſatz zu ihren Nachfolgern,
die man wie Maſchinen arbeiten ließ, und bei denen — je nach dem —
die Geſchicklichkeit oder das Nichtkönnen unter dem Gewirr charakterloſer
Striche verſchwand. Dieſe mit Hilfe der Photographie angefertigten Holz-
ſchnitte ſind — mit vielen Ausnahmen freilich — langweilig, werthlos,
unperſönlich, haben heute eigentlich gar keine Berechtigung mehr und ver—
ſchwinden daher. Die Phototypie, der Lichtdruck, die Autotypie haben ſie ver—
drängt. Viele deutſche Holzſchneider, die hier nichts leiſten konnten, eben
weil man ihnen keine würdigen Aufgaben ſtellte, gingen in den achtziger
Jahren ins Ausland und machten ſich bald einen Namen. Dort wußte
man ihr Talent, ihr Können zu verwerthen. Die engliſchen und franzöſiſchen
Rünſtler hatten niemals die Fühlung zu den vervielfältigenden Rünften ver-
loren, und die Erfindungen auf dem
Gebiete der mechaniſch reproduzirenden
Riinfle hatten eher dazu beigetragen,
das Gebiet des Holzfchnittes zu reini-
gen, zu präzifiren (für viele Dar-
ftellungen eignet ih die mehanifihe
Dervielfältigungsart ja viel beffer),
ftatt dasfelbe, wie bei uns, zu degra-
diren und verderben.
Bei uns in Deutfhland ift erft
in allernenefter Zeit eine Wendung
zum Beffern bemerkbar, die jüngern
Maler wenden fih befanntlid mit
Vorliebe dem Kunftgewerbe — der
angewandten ARunft befier gejagt —
und den vervielfältigenden Rünften zu.
Aber leider befhränft fin das Jnter-
efe für die oft febr intereffanten
Arbeiten Stiefer Gruppe nod auf
einen fehr Fleinen Kreis. Das große
Publifum fteht diefen Männern der
neuen Richtung nod vielfah nidt
nur miptranifh, fondern fogar feind-
felig gegenüber. Mit den Aus-
wiidfen und Tollbeiten der „uns
gent it man beffer vertraut,
als mit ihren wirklid werthvollen
Leitungen und Derjuhen. Der
Hauptgrund dafür, daß diefe neuen
Werte fih feiner allgemeinen Beliebt-
beit erfrenen, mag vielfah in der
Wahl des Sujets liegen. Es ift
einmal in der menfhliden Natur
begründet, in einer fünftlerifchen Darbie-
tung aud etwas wirflid Schönes er-
bliden zu wollen:
„licht Alles foll und fann nadgebildet werden. Denn fo wie nicht
jedes Urbild der Natur gefällt, fo gefällt nicht jedes Nahbild der Kunft. . .
Der Gefhmad ift eine taufendftimmige Perfon; die meiften Stimmen
Deutfhe Runft.
Eduard Meyerheim, Der Dorfprinz.
Tg
ae
oe
entjiheiden. Es ift leichter, das Befe der Natur zu befriedigen, als das Bejet
des Geſchmacks.“ Bürger.
Ein zweiter Vorwurf, den man den Modernen, wenigftens vielen von
ibnen, maden fann, ift der, daß fie troß ihrer Abfonderlidfeiten nicht wirklich
originell find, und nicht in der Weife, wie Richter und Menzel, die fi ihren
Stil felbft fhufen, ihre eigenen Pfade geben.
St es nötbig, um den Holzfchnitt zu regeneriren, auf die Vergangenheit
zurüdzugreifen, und etwa einen Lucas Cranad oder Dürer, ih möchte jagen
ſtlaviſch nachzuahmen? Oder it es wünfchenewertb, die japanifhen Bunt-
drude zu imitiren, und zwar fo gut, daß jeder Unbefangene das Gefühl
bat, etwas vor fih zu haben, das nicht aus modernen Runftanfhauungen
beraus gefhaffen ward?
Dielen diefer neuen Arbeiten, 3. B. in der Jeitfdrift Pan, die bald wie
altdeutfhe Drude, bald wie japanifhe
wiren, Pann man den Vorwurf der
Manirirtheit niht erfparen; und folde
Saļhen fönnen nie, im guten Sinne
des Wortes, volfsthiimltd werden.
fekt im Charakter, einfach, mit
wenigen Striden viel fagend, das
find immer die Hauptmerfmale des
deutfchen Holzfehnittes in feinen Blanz-
epoden gewefen, und es ift jhön, daß
man wieder anfängt, fih darauf zu
befinnen. An Zartbeit und Feinheit,
an malerifher Wirkung wird die Radi-
tung den Holzfhnitt immer übertreffen,
wenngleih mande ameritanifhe Holz-
fhneider, was eine glanzvolle Tehni?
anbetrifjt, geradezu Derbliiffendes ge-
leiftet haben.
Daf fie harakteriftifch bleiben und
_ fic) rein erhalten, darauf kommt es
bei der Ausübung der verfdiedenen
Zweige der graphifhen Riinfte an:
dag ein Holsfhnitt auh wie ein
Holsfhnitt wirkt, eine Radirung wie
eine Radirung u. f. w.
Das deutfhe Publitum ift fo
leicht geneigt, einen Zweig der verviel-
fältigenden Runft auf Roften cines
anderen — für den es gerade Mode
it Ach 3u interefjiren — gering zu
fhagen und zu mifadten. Derfuce
man, für alle ein Derftändniß zu ge-
winnen! Es ift fo thöridt, in diefer Be-
3ieþung modern zu fein, und weil
Alle den Stablftih oder die Litho»
graphie belächeln, mit einzuftimmen!
Daß alle Zweige zu allie Zeit geübt, geehrt und verftanden werden, das
it, was uns vor allem noth thut. Yur fo halt man fidh fret von Ueber-
oder Unterfhagung.
Die Galerie Kuhg.
Reutſchland iſt nun einmal nicht das Cand der großen
Privatgalerien, fondern das der befcheidenen Bilder-
jammlungen, die fid als Zeugniffe eines vorübergehenden
Gefhmads nad dem Tode des Befigers meift nach allen
Windrichtungen bin zerfireuen. Und dod liegt aud in diefen
Rolleftionen für die Entwidlung der Runftanfhauungen reih-
liches Material, defjen Werth fih fteigert, je enger Sie Be-
ziehbungen des Sammlers zur fohaffenden Runft feiner Zeit ge-
wejen find. Es gab bis zur Mitte unferes Jahrhunderts feinen
eigentlichen’ Bildermarkt im modernen Sinne des Wortes. Der
Hwifdhenbandler feblte oder fpielte Soc eine nebenfadlide Rolle.
Man befuchte dic Ateliers und faufte Sireft von Sem Künftler,
J.
en man ſchätzte. Das Ausſtellungsweſen hatte ſich noch nicht
nach dem Vorbilde einer großen Jahresmeſſe ausgeſtaltet. Der
Verkehr des Kunſtfreundes mit dem Künſtler war ein intimerer,
von der unberufenen Kritik unbeeinflußter, man ſammelte nicht
nach der augenblicklich herrſchenden Mode, ſondern nach eigenem
Geſchmack, der ſich damit begnügte, die Wände der bürgerlichen
Wohnung behaglich zu ſchmücken.
Da wirkt es denn überraſchend, wenn eine ſolche Samm—
lung einmal durch die Verſteigerung an die Oeffentlichkeit ge—
langt, und es iſt nicht unintereſſant, zu beobachten, wie ſich das
Publikum dem Ereigniß gegenüber verhält, wie ſich ſeine ver—
änderte Geſchmacksrichtung in den erzielten Preiſen ausdrückt.
Wer hatte bis zu der am 15. februar im Auftions-
haufe Cepfe in Berlin ftattgefundenen Derfteigerung von einer
Galerie Rubs gebdsrt. Die Gntimen des Kaufes, die Mitglieder
der Berliner. Runftvereine fannten den bejcheidenen Befiter und
fein ftilles Wirken, das fih faum über die Grenzen des Berliner
Weichbildes hinaus erftredte. Was er für die Runft der Reids-
bauptftudt bedeutete, liegt im Großen und Banzen vor der nenen
politifcben und fünftlerifhen Aera, im der Feit der Runftfreunde
vom Schlage des Ronful Wagner und des KRommerzienrath
Ravené.
Carl Ludwig Rub wäre felbjt beinahe cin Malersmann
geworden. Geb. am 12. Movember 1809 zu Riiftrin, ging er,
nachdem er feine wifjenfhaft-
lihe Ausbildung als Apo-
thefer in Berlin vollendet
hatte, 1834 nad Caufanne
und von dort nah Rom.
Er hatte diefe Reife längft
erfebnt und durfte in der
ewigen Stadt ein Jahr vere
weilen, wo er mit Thor-
waldfen, Trofhel, Wredow,
Adolf Henning und El-
faffer in engen Verkehr trat.
Durch die Einwirkung ita-
lienifher Yatur und Aunft
fteigerte fi) die ihm ange-
borene Neigung zur Malerei
3u Sem febnliden Wunfd,
diefelbe zu feinem Lebens-
beryf zu mahen. Der Wille
feines Vaters und die Er-
fenntnif, Saf fein Talent
den Anforderungen, welde
er an fic) felbft ftellte, nicht
ausreichte, ließen ihn darauf
verzichten. Die Liebe zur
Runft aber, die Freude an
ihr und das feine Verſtändniß
für fie blieben ihm bis an
fein Lebensende treu.
- Nadh Berlin zurüdge-
fehrt, trat er 1856 in den
Derein der Runfifreunde des
Preußifhen Staates, 1837
wurde er Mitglied und Mitbe-
gründer des älteren Rünftler-
vereins; er unterhielt außer-
dem einen regen Verkehr mic
der Rünftlerfchaft Berlins und
madte die erften Anfäufe für feine Pleine, aber gewählte Bilder-
fammlung. 1846 zum Sekretär des Vereins der Runfifreunde
gewäblt, wurde er ein treuer ‚Förderer und VBerather einheimifcher
wie ausmwärtiger Rünftler, deren viele ihm freunöfhaftlihd nahe
traten. 1870 ernannte ibn der Riinftlerverein zum Ehrenmitglied;
das Amt des Schriftführers des Vereins bekleidete ır bis zu
feinem Tode am 19. Oftober 1887.
Die von ihm binterlafjene Bemälde-Sammlung, welde nad)
dem Hinfheiðen feiner Gattin bei R. Cepe zum Verkauf ge-
langte, enthielt neben einzelnen Originalen alter Meifter die mit
Renntnif und Befhmad ausgewählten Werke feiner Heitgenoffen.
Seine Lieblingsmeifter, Blehen, Elfaffer, Carl Graeb, Ch.
Hoguet waren reid) vertreten. Ler Grofmeifter Adolf Menzel,
den er außerordentlich verehrte, war durc feds intereffante Werte,
Eduard Meyerheim urh vier Hauptbilder auf das befle re-
präfentirt. Don Dautier war nur ein Gemälde vorhanden, dic
befannte MWabfoule. Dazu famen A. Calame, Ed. Hildebrandt,
€. Steffed, A. Adhenbadh, Th. Hofemann, A. Tidemand,
R. Jordan, A. Piepenhagen, €. Roqueplan, R. Girardet und
J. W. Schirmer.
Deutſche Runf.
Eduard Meyerheim, Das kranke Kind.
209
Man hat ſich neuerdings daran gewöhnt, auf einen Theil
dieſer Namen mit einer Art Mißachtung herab zu ſehen, zu
der die auf der Auktion Lepke erzielten Preiſe denn doch in
einem gewiſſen der Regiſtrirung würdigen Gegenſatz ſtehen. Es
wurden gezahlt für eine Landſchaft von A. Achenbach 3450 M.,
für einen Calame 3650 M., für Vautier's Nähſchule 15405 M.,
für zwei Darſtellungen des Palmenhauſes auf der Pfaueninſel
von Rarl Bleden 2300 und 2100 M., für den Parë von Terni
desfelben Künftlers 2900 M. A. Menzel’s Friedrih der Große
und die Barbarini erzielte 15 100 M., zwei feiner Figurenftudien
210 und 1560 M. Das find beadtenswerthe Fablen, die
darauf binweifen, ‚daß die alte Düffeldorfer und Berliner Schule
Sent dod) nod nicht fo ganz
auf den Altentheil gefett ift,
wie man glauben maden
möchte.
Uns giebt die Auktion
Cepte Gelegenheit zur Cha-
rafterifirung einiger dort ver-
tretener Meifter, deren Können
der Beleuchtung zu bedürfen
fiheint, feitdem die neue blen-
dende ‚Farbenlehre es in den
Schatten zu ftellen fudht.
Wir beginnen aud bier mit
dem Derzeihnif der erzielten
Preife. Eduard Meyer-
beim’s „Aranfes Rind“
bracte 4300, fein „Buten
Morgen“ 4100, der „Dorf
prinz‘* 2455, die „Junge
Ziege“ 3400 M. Wir glauben
annehmen zu dürfen, daß
dieſe Summen die beim
Einkauf gezahlten nicht un—
erheblich überſteigen, d. h.
ins Ideelle umgewerthet,
Eduard Meyerheim'’s male-
rifches Rönnen findet nod
immer die ihm gebührende
Beadhtung, wenn aud) die
verblaßten Photograpbien der
„Strickſchule“ und des „Rät-
dens aus den Schaufenftern
` ôer Runfthandlungen ver—
fhwunden find.
Ob man nad Eduard
Meyerheim's idylliſchen Fa-
milienſzenen in der Provinz
noch ebenſo viele lebenden
Bilder ſtellt, wie vor drei Jahrzehnten, das entzieht ſich unſerer
Wahrnehmung. Es handelt ſich für uns auch nicht um den Reiz des
Gegenſtändlichen, ſondern um die Art der Auffaſſung und der
maleriſchen Behandlung. Die Wahrheitsfanatiker ſind gar leicht
mit dem Vorwurſ der ſchönen Lüge bei der Hand, ſie vergeſſen, daß
die Außendinge nicht an ſich ſchön oder häßlich ſind, ſondern erſt
als ſolche durch die Art der Anſchauung in die Empfindung
übergehen. Rein Geringerer, als Franz Kugler hat einmal im
„Runftblatt 1848 eine Beurtheilung der Künftlerfhaft Eduard
Meverbeim’s geliefert, die wir zu Nut und frommen aller derer
folgen lafjen, die mit oder ohne Tendenz nur die Schatten und
Sdhmubfeiten im Leben er unteren Volksfhichten als malerifd
verwerthbar anerfennen:
„Es find die fohlichteften Zuftände norddeutfhen, zumeift
bäuerlichen Volksleberis, die er uns in feinen Bildern vorführt
— beiteres ‚Familienleben, wo das Spiel der Rinder den Mittel
punft qusmadt, Ragden, Hunde oder Ziegen, Sie fich denjelben
traulih 3ugefellen, die Fleinen ‚Freuden, Sorgen und Rümmer-
niffe, die diefen einfach gezogenen Befichtsfreis bewegen — und
doh weiß er uns die innigfte, berzlidhfte Theilnahme abzu-
210
gewinnen. Es ift nidts, Surdhaus nidts in dSiefen Zuftänden
idealifirt, aber Meverbeim bat den Blid für das innerfte Herz
des Volfslebens, fiir die Sittlidfeit und Unfchuld, die dasfelbe
gefund und fdhdn machen. Er verfddnert nichts, aber er ift
überall fhön; er opfert feinen Baud der volfsthümlichen
Ylaivetät, aber er ift durch und durd von Anmuth und Grazie
erfüllt.“
An Ser Thatfadhe, daß wir die Natur nidt nur anders
feben, fondern aud) anders dSarftellen gelernt haben, ift nicht zu
rütteln, aber die Natur felbft ift darum diefelbe geblieben, und
die Frage, ob Auge und Hand ihr wirklid fo viel näher ges
fommen find, wie wir uns rübmen, bat eine fpätere unbefangenere
Heit zu entfcheiden. Daß uns über Ser ausgeflügelten Technif
ein gut Theil naiver Liebenswürdigkeit in der Darftellung ab-
handen gefommen ift, daß der Sinn für die Bedeutung des
Kleinen, für die Durd-
bildung des Einzelnen fidh
bedenflid) — abgeftumpft
bat, wird fidh faum leugnen
laffen. Heute ftreben wir
danad, die Befammtftim-
mung der Natur im Fluge
3u erbafden, vor einem
halben Jahrhundert haf-
tete das Rünftlerauge liebe-
voll an ihren Reizın und
fucdte fie emfig nadfor-
ſchend feſtzuhalten. Auch
hier mag uns Kugler's
Charakteriſtik zu Hilfe
kommen: „Meyerheim bil⸗
det ſeine Aufgaben mit
der hingebendſten, immer
raſtloſen Liebe durch, die
auch den geringſten Neben⸗
dingen einen vollkommenen
Antheil gewährt und er
erreicht es damit, daß auch
uns aus ſeinen Bildern
dieſelbe Liebe entgegentritt
und wir uns von ihnen
mit allem Zauber heimath⸗
licher Innigkeit gefeſſelt
fühlen. Er verſteht ſich
meifterhaft und ganz be-
fonders, wenn er das Innere der ländlihen Wohnungen malt,
auf jenen Reiz malerifcher Harmonie, dem dies Fleine Dafein
feine volle Befriedigung und Befhloffenheit verdantt.“*
Die vier Meverheim’fhen Bilder der Sammlung Rubs
mögen für fi felbft fprehen und daran mahnen, daß man die
Natur gewaltfam an fih reißen, aber auh mit liebevollem
Werben gewinnen tann.
Eduard Mleyerheim, Die junge Siege.
Deutfhe Runft.
Der „Dorfprinz** ift ficher fo gefeben, wie er gemalt wurde,
denn Meifter Meyerheim war mindenftens ebenfo ebrlid, wie
unfere lärmendften Wirklichleitsrenommiften. Daß er fih die
reinlidften und hübfcheften Modelle ausfudhte, wird ihm Niemand
verdenfen. Es giebt eine Manier des Schönen, die der Manier
des Häflihen immerhin ebenbürtig zur Seite fteht. Die ver-
triebene, die Spuren der Arbeit verwifchende Technik der guten alten
Zeit aber repräfentirt ein Stüd ernften Mühens, das man achten
muß, wenn man es aud nicht mehr als unumgänglich anerkennt.
Die Urfprünglichfeit im Empfinden der Candbewohner äußert
üh nicht allein in der Robbeit gegen Menfh und Thier, fie hat
aud ihre Sentiments, die am Gnnigfeit denen der oberen Sebn-
taufend faum etwas nadgeben. Wir erinnern uns eines Bildes
von Liebermann, auf dem ein foeben zum Wittwer gewordener
Fifcher fein verwaiftes Söhnen in feine Arme preft, das mehr
Empfindfamteit aufzumei-
fen bat, als Eduard Mepyer-
beim’s ,,Rranfes Rind“.
Jt dod die Düffeldorfer
Novelliftif in der Malerei
bei Weiten jüngeren Da-
tums, als Meperheim’s
Situationsinnigfeit. Die
Bäuerin, die dem Grof-
vater mit dem Enfelcen,
bevor fie zu Marfte gebt,
einen „Guten Morgen‘
zuruft, mag ein wenig
idealifirt erfcheinen, der
Alte mit den eingeboge-
nen Rnieen und der Zipfel-
müge läßt an „Edhtheit‘‘
nichts zu wünfdhen übrig.
Andreas Adenbad)
und Eduard Meyerheim
galten ihrer Seit niht
weniger als Wahrbeits-
fhilderer, wie etwa Graf
Raldreuth und War Lie-
bermann Ser — unferen.
Wenn dieLeutdhen von da-
zumal mehr Zeit für äu-
fere und innere Reinlichkeit
batten, fo follte man dicfe
Vorzüge dodh nicht ihren
Darftellern auy das Jdealijirungs-Ronto fegen. Die Runft hat
feither neue Bahnen eingefhlagen. Wenn fie zu Landftrafen
geworden find, wird man fid) vielleicht wieder der ftillen fußwege
erinnern, auf denen unfere Vorfahren wandelten. Webnlides foll
in der Befhichte der Runftentwidelung öfter paffirt fein, als
die junge Weisheit unferer jüngften Runftfchreiber in ihrer allzu
furzen Dorbereitungszeit in Erfahrung bringen fonnte. 6. Mm.
Don der Dresdener Sezeffion.
ahdem es in der Dresdener Rünftlerfhaft lange gefriefelt, ift die
Erplofion endlih erfolgt. Die Rommifjion für die „Deutfhe Runft-
ausftellung Dresden 1899" erläßt folgende Mittheilung: „õn der
aus 28 Mitgliedern beftehenden Rommiffion fiir die Deutjhe ARunftausftellung
Dresden 1899 traten leider von Anfang an Zwiftigfeiten hervor, weldhe ein
erfolgreihes Zufammenarbeiten für die Zukunft in Frage ftellten. Jn der
Sikgung vom 17. d. M. wurde ein Schreiben der dem Verein bildender
Riinftler Dresdens angebörenden Rommiffionsmitglieder verlefen, wonach diefe
ihre fernere Mitwirkung an den Rommifjionsarbeiten überhaupt in Frage ftellten
und erklärten, daß fie h für verpflichtet bielten, den Rommiffions-Situngen
bis auf Weiteres fern zu bleiben. Angefihts diefer Dorfommnifje verließ
der Regierungsfommiffar Herr Geh. Regierungsrath Dr. Rofher die Situng
mit der Erklärung, daß er eine gedeibliche Wirkfamkeit diejer Rommiffion für
ausgejhloffen halte und den Heren Staatsminifter des jnnern um Enthebung
von feinem Rommiffariat erfuden werde. Der Dorfitende der Rommiffion,
Herr Prof. Auehl, bemerkte hierzu, daß aud er ein erfolgreiches weiteres Ju-
fammenarbeiten der Rommiffion für ausgefchloffen und die Rommiffion fiir
aufgeldjt eradte. Die anwefenden Rommiffionsmitglieder gingen hierauf,
ohne daß ein Widerfprud laut geworden wäre, auseinander. Ju wiinfden
wäre, daß der gute und Erfolg verfprehende Bedankte einer I899 in Dresden
abzubaltenden Runftausftellung auh nad diefer Selbftauflöfung der Rommiffion
nicht fallen gelaffen würde." Zur Erklärung diefer Vorgänge fei hinzugefügt,
daß Ser Verein bildender Künftler, wie wir bereits zu erwähnen Gelegenheit
hatten, beabfichtigte, in diefem Fahre eine Lleinere gewählte Ausftellung mit
Hinzuziehung einiger auswärtiger Freunde im Ausftellungsgebäude auf der
Terrafje zu veranftalten, ein Vorhaben, weldes in jeder Beziehung Unter-
EEE aE T aE T - er rer
ftiigung verdiente. Gleidhwobl ift der Sähfifhe Aunftverein, der in dantens-
werthem Entgegenfommen den gefhäftlihen Theil der Angelegenheit hatte
übernehmen wollen, nidt in der Lage gewefen, die von ihm derzeit benußten
Räume — die einzigen, die hier in frage kommen können, für deren Be-
nußgung er der Akademie als Miether verantwortlih ift — den Rünftlern,
wie er beabfidtigte, zur Verfügung zu ftellen. Es it ipm nämlid
geftattet worden, für den Fall, daß die zu veranftaltende Auoftellung fid
durhaus im Rahmen der üblichen Runftvereins-Augftellung bewege; dağ fie
aber feine Werke auswärtiger Riinftler enthalten Lürfe und daß man ab-
zufehen habe von weitgehender Reklame, insbefondere aud von der ,, Anferti-
gung, Aufftellung und Verbreitung befonderer Plafate", Jn diefen Çin-
fhränftungen bat der Derein
bildender Rünftler eine wejent-
lide Schädigung feines Unter:
nebmens gefunden und ift mit
feinen förderern, der Aunftver-
verwaltung fowie den Pro-
fefforen Ruebl und Prell in
helle Fehde gerathen, die fchließ-
lid in den oben angeführten
Dorgängen innerhalb der Rom-
miffion 3um Bruce führte.
Eine Erwähnung diefer
Dorgänge war nothwendig zur
Beleuchtung der Thatfache, daß
in einer zur Zeit bei Burlitt-
Berlin veranftalteten Aus-
ftellung der Dresdener Se-
3efñon Namen fehlen, dte man
fonft offiziell oder offiziös zum
Derein bildender Riinftler zu
zählen pflegte. Aber auch ohne
diefe Bethelligung bietet die
Ausftellung ein interefjantes
Bild der modernen Runftent-
widelung in der Elbeftadt.
Paul Baum geht ganz
und gar in der impreffio-
niftifhen Empfindung und
Malweife Monet's auf, erreicht
aber in feinen Landfdhaften
eine ftarfe und vornehme fo-
loriftifhe Wirkung, die in den
fein abgefteiften Lihtbrehungen
zum vollen Ausdrud gelangt.
Hervorzuheben wäre eine im
Dufte des Dormittags liegende
ländlihe Flur mit berbftlid
gefärbtem Rafen und Baum-
gruppen, aus welhen freundlihe Banernhäuschen bervorbliden. Der Maler
unterfeidet genau die Qualität der Morgenfonne, weldhe den Yiebelfchleier
nod nidt geliiftet hat, von der der Madmittagsfonne, die in einem vlamifthen
Ranale ftarfere farbenfontrafte entwidelt. Gn der leihtbewegten tiefblauen
Fluth ftehen eingeln und gruppenweife faftig grüne Pappeln, darüber wölbt
fih ein ladhender Sommerhimmel mit flatternden fonnendurdfdienenen
Wölfhen. Die Baum'fden Winterlandfhaften zeidnen fih ebenfalls durch
leichte, aud auf die form liebevoll eingebende Behandlung aus. Hier liegt
ein Banerngehöft im Schnee vergraben. Die erftorbenen Bräfer und Heten
geben einen wirffamen Begenjat zu dem in der Sonne fhimmernden Schnee
und dem grünlih Maren Winterhimmel; dort herrfht auf einem unabfehbaren
Schneegefilde das unduchdringlihe Grau eines trüben Tages vor, das wie
ein Bewiht auf der Seele laftet. — A. Stremel ift in feiner Malweife
nit immer urfprünglih genug, um unbedingt zu überzeugen und dem Hand-
werfsmäßigen feiner Runft feinen Vorrang vor dem Inhalt einzuräumen.
Der paftofe farbenauftrag in einzelnen, ftrihweife nebeneinander gefetten
Sleddhen, die nah der Art Segantini's im der Nähe betrachtet ein Gewebe
darftellen und auf einige Entfernung hin ih zu einer Erfheinung verbinden,
wirft zuweilen etwas aufdringlih, wie in den Gnterieurs aus Weimar, dem
gelben Durhgangszimmer in Goethe's Wohnhaus und dem Sterbezimmer
Shiller's mit der von Lorbeerfränzen bededten grünen Tapıte. Befdlofjener
Deutfde Run ft.
Eduard Meyerheim, Guten Morgen! in
211
in feiner freieren und flotteren Malweife ift die Wirkung eines bürgerlih vor-
nehm ausgeftatteten Bemades, wo ein alter Gunggefelle vor einem mit einer
rothen Dede behangenen Tifhe in einen Seffel zurüdlehnt. Die woblige
Dämmer-Stimmung wird nod erhöht duch bas im Ramin fladernde Feuer.
Don den Landfhaften Stremel’s intereffirt hauptfähli eine belgifhe Dorf-
frage nad einem fommerliden Regen. Die unregelmäßigen weißen Käufer
mit ihren charakteriftifhen grünen Laden und den gelbrothen Dadern
ftimmen wundervoll zu dem diifteren Himmel, auf welden graublaue
Wolfenmaffen fih Surdheinander fcieben. Die Büfche beleben fit
an dem erquidenden Yaß, welches die gepflafterte Straße fptegelblant ge-
wafhen bat, gn einem Crndtebilddhen ift die verfengende Sonnengluth
eines Gommertags gefdildert.
Einige frauen in bunten Ropf-
tühern und blauen Land-
fleidern büden fh zur Erde,
um die Garben aufzuraffen
und fie in Pyramiden auf-
zufhichten, wie fie nad dem
Hintergrunde des Bildes eine
Gaffe bilden, wo ein leuchten-
der grüner Streifen einer Wiefe
aus der zitternd heißen Luft
bervorbligt. Neben den Jm-
preflioniften ift C. Banker
die bemerfenswerthefte Er-
fheinung. Das Portrait eines
bübfhen jungen Mäddens mit
reihen, aufgebundenem Haar,
das in Derbindung mit dem
grünen faltigen Aleide und
dem graugrünen Hintergrunde
einen wohlthuenden farben-
Hang bildet, feffelt durd den
frifen und liebenswiirdigen
Dortrag. Weniger kräftig in
der Wirkung, aber vielleicht
nod eigenartiger und "feiner
in der farbe ift eine heffifhe
Landfhaft, auf der die Sil-
houetten gradliniger Felder
und dunkler Baumgruppen
mit dem blaffen gelblichen
Lidte des legten Sonnen-
lichtes kontraſtiren. Ein
feifhes Talent fheint fid
in 5. Mieth zu entwideln,
der eine ariftofratifhe Dame
einer matt-violetten
Gefellfhaftstoilette vor einem
Spiegel ftehend gemalt bat. Mar Pietfhmann ift mit einem
Frühlinge-Föyll vertreten; das Motiv ift außerordentlih dankbar, läßt aber
bei mangelnder Charafterifirung der Figuren und füßliher Malerei weder
den poetifhen Gedanten nod die landfhaftlihe Stimmung zur Herrfdaft
gelangen. Die Darftellung zeigt eine fonnige Landfdhaft. Auf einer ge-
gabelten Birfe figt Pan, die Flöte blafend, ihm zu Füßen lauert eine Nymphe
an einem intenfiv blauen Wafler, dem Fldtenfpiele zuhorhend. Ebenfowenig
wie Pietfhmann verfteht R. Pepino mit feiner fharf umriffenen Malerei
eine Empfindung zu weden. Der Vorwurf feines Bildes ift eine Auffiht auf
die Stadt Meigen mit ihren engen Straßen und fpitglebeligen Käufern. Jn
W. Ritter’s „Dämmerung an der Elbe kommt das Träumerifhe einer
langfam daherziehenden von verfehiedenen Lichtrefleren umfpielten Flutb gut
zum Ausdrud. Don den ausgeftellten Bildniffen ware noh €. Shmidt's
außerordentlich forgfältig und liebevoll durhgeführtes Portrait einer Dame im
einfaden braunen Hausfleise hervorzuheben, zu weldem der dunfelblane
Hintergrund einen eigenthiimlid wirfungsvollen Begenfat bildet. Die einzige
Skulptur, ein fic wafdhendes Madden von P. Pöppelmann, madt den
Sezefjioniften alle Ere, ebenfo wie die theils ftilificten, theils naturaliftifcen,
leidt folorirten Blumengzeidhnungen, 3. B. Chryfanthemum, Lilien, Azaleen,
von €. H. Walther. Namentlih die einfahen ftrengen Ronturzeihnungen
deuten auf einen entwidelungsfähigen Formenfinn.
— —
ET TE ee
` men worden.
TELA E LEREN o p AEE
212
Ree Pe
Vermilchfes. Kuriofa aus
Afelier und Ierkflaff.
Gedanken üher hildende Kunf.
Der Dreifönigstag im Deutfchen
Künftlerverein in Rom.
Die Zufammenfeßng des Deutjhen Rünftlervereins
in der ewigen Roma giebt feit Jahrzehnten Gelegenheit
zu allerlei Spötteleien, da die Künftlerfhaft Frum nod
den vierten Theil der Mitgliederlifte einnimmt, wie denn
der Zug nah Rom überhaupt in Mißfredit gefommen
it. Der Heiligedreifsnigstag ift im Rünftlerverein
von jeher als eine Belegenheit zur bumorvollen Sclbjt-
erfenntniß betrachtet worden, und fo batten fih denn
aud heuer ein Düffeldorfer Maler, ein Königsberger as
Budbandler und ein NRömifcher Apotbefer zufammen- — =
gethan, um die fomifden Rollen eines von einem Gours
naliften verfaßten Gelegenbeitsftiides zu agiren. Es
traten die heiligen drei Könige auf, und erinnerten
daran, daß fie fhon vor einem Jahre erfchienen find, um
dem Deutfchen Rünftlerverein beizutreten. Sie feien auh
fagungsgemäß von der Beneralverfammlung ballotirt
und troß Abgabe einiger fhwarzer Augeln aufgenom-
Dann aber habe der Dereingfaffirer von
jedem 60 Lire Jahresbeitrag verlangt, und da die bl. drei Rdnige foviel Geld nidt
befaßen, fingen fie nad italieniijhem Brauch mit dem Rafjirer zu handeln an.
Das Ergebniß diefer Derhandlung war die Erfenntnif, daß man ordentliches
Mitglied aud für den halben Beitrag werden kann, wenn man das Blüd
hat, Rünftler zu fein. Natürlih erklärten die drei Weifen aus dem Morgen-
lande ih fofort für Rünftler, „Bildhauer, Arcchiteften und Pinfler‘‘, aber der
unerbittlide Raffirer verlangte Beweife dafür. So blieb ihnen nidts übrig,
als {rok ihres hoben Alters nod) auf eine Runftfhule zu geben. Nadh vll-
endetem Studienjahr febren fie zurüd, um duch Ablegung eines Meifter-
ftüdes die Anerkennung als Rünftler und die Ermäßigung des Fabresbeitrags
zu erlangen. Melchior, der die Malerei erlernt bat, beginnt vor aller Augen
ein Bildniß zu malen, deffen Aehnlihfeit er garantirt, „flott, energifh und
paftos" baut er mit einem diden Pinjel aus einem farbtopf die Farben hin,
und nah fünf Minuten fragt er felbftbewußt: „Yun jagen Cie unummwunden
und frei, ob's niht zum Schreien ähnlih fei.’ Ein allgemeiner Schrei der
Derwunderung ertönte allerdings, als Maler Melhior fein Bild von der
Staffelei nahm und den Zufhauern bhinbielt: es war ein Spiegel, der die
Hüge des angeblih Portraitirten völlig lebenswahr zurüdwarf. Nach ihm
wies Bildhauer Raspar zwei Büften vor, „eine männlich, die andere weiblich,
von einer Schönheit ganz unbefchreiblih", und da er in Ftalien ftudirt hatte,
fo war die männliche Biifte ein busto (Rorfet), und die weiblihe eine busta
(Briefumfdlag), welde angeblid in Papiergeld den Jahresbeitrag der drei
Rönige enthielt. Den Schluß machte der Urchiteft Balthafar mit dem Modell
für ein Deutfhes Rünftlerhpaus in Rom, weldes zugleih als Vereinshaus
dienen foll; es war ,nad Midelangelos Traditionen“ als Ruppelban ent-
worfen, hatte Luft und Licht genug und den befonders für den Riinftlerverein
nüßlihen Vorzug, daß einer, der einmal bereingegangen, nicht wieder heraus
fonnte, es war einfad eine Maufefalle aus Draht. Yad diefen Meifterftüden
traten die drei Könige ab in der Zuverfiht, daß jegt ihrer Mitgliedfhaft für
den halben Beitrag nichts mehr im Wege ftehe, denn: „Wir find ja nidts
als arme Rünftler, Bildhauer, Architekten und Pinſler.“
Auriofa aus Atelier und Werkftatt,
— Eine dentwürdigae Dafe. Die berühmte Maladit-Dafe, welde
der zum Lord erhobene Kondoner Bankier Eduard Baring antaflid des Ju-
ftandefommens der durh das Haus Baring vermittelten rufjifhen Staats»
anleibe vom Zar Alerander II. zum Befhent erhalten hatte, it nad Ungarn
gefommen. Baron Bela Abel hat diefelbe von den Erben des vor einigen
Monaten verftorbenen Bankiers für den Parfflub angefauft. Die auf einem
Porpbyrfodel ftehende riefige Dafe übertrifft an Bröße und Schönheit nicht
nur die im englifhen Rönigspalafte zu Windfor, fondern auh die im
vatifanifhen Mufeum aufbewahrten Maladitvafen, welde gleihfalls Bejhenfe
vom Czar find. Die Dafe wurde unter der Aufliht eines eigens zu dieſem
Swede aus London gekommenen Padmeifters ausgepadt und im Treppenhaufe
des Parkflubs aufgeftellt. Sie war auf 4000 Pfund Sterling (40 000 fl.)
verfichert.
— Aud cin Runftmäcen. Ein fonSerbarer Runjtliebhaber war der
fürzlih in New-V\orf verftorbene William H. Benart, eigentlih Gnbaber einer
Modehandlung. Auch feine Leidenfhaft für Gemälde war rein gejhäftlid.
Er kaufte unterfchiedslos Bilder des einen oder anderen Malers, wenn fie nur
tect viel Fofteten. Hatte er ein Bild über feinen Werth bezahlt, fo ftellte er
es mit Angabe des Preifes in feinem Schaufenfter inmitten von Handfduben
und Shawls aus und bald verfammelte fih die halbe Stadt vor dem Fenfter,
bis cin Sonderling fam und ibm das Bild zu einem -hdheren Preis abfaufte.
Auh nah feinem Tode nok madte er für fih Reklame; fein Leidnam
wurde nåmlih von Spigbuben geftoblen und die Polizei braudte mehrere
Monate, um ihn wieder zu finden. Bei der Derfteigerung feiner Bilder waren
alle Millionäre New-Vorks anwefend, natürlih mehr Surh die Hohe der
Preife, als duch Runftverftändniß angezogen.
Gedanken über bildende Runft.
Wer Wıllfür und Phantafie den fhönen Riinften entziehen will, ftellt
ihrer Ehre und ihrem Leben als ein Meudelmd-der nad.
$
Die Wuth, von fhönen Rünften zu reden, bat injonderheit Deutſchland
ergriffen, wie jene Bürger aus Abdera die tragifhe Manie. And wie lernen
wir die Begriffe des Schönen? wie als aus Büchern? Cine Theorie halb
durdgelefen, ein Viertel davon dem Budftaben nad verftanden und nichts
dem DVerftande nad begriffen, ift mehr als zuviel, um ein Renner der Runft
zu heißen, von der fie handelt: denn es giebt gar andere Renner, die ihre
Spradhe nur aus Rezenfionen der Journale und gar aus Feiner Theorie ein»
mal berhaben.
Hamann,
Herder.
*
Geb’ Gott Dir Liebe zu Deinem Pantoffel,
Ebr’ jede früpplige Rartoffel,
Erfenne jedes Dings Geftalt,
Sein Leid und Freud’, Rub’ und Gewalt
Und fühle, wie die ganze Welt
Der große Himmel zufammenbält:
Dann Du ein Heihner, Rolorift,
Haltungs und Ansdruds Meifter bift. Goethe.
Befanntmachung.
Seine Majeftät der Raifer und König haben gerubt- durd
Allerhsdften Erlaß vom 27. Januar d. J. als Aufgabe für den
nädhften Wettbewerb um den von Allerhsdftdemfelben zur
‚Förderung des Studiums der Flafjifhen Kunft unter den Aünftlern
Deutfhlands am 27. Januar 1894 geftifteten Jabrespreis von
Eintaufend Mark zu beftimmen.
Die Ergänzung des unteren, vermuthlih von einem Ge-
wande verhüllten Theils des in den KRöniglihen Mufeen neu
aufgeftellten Aphrodite-Torfos.
Eine Ergänzung von Ropf und Armen wird nicht verlangt.
Demgemäß werden auf Grund Allerhodfter Ermädhtigung
nachftebende nähere Beftimmungen über den Wettbewerb getroffen.
l.
Alle dem Deutfhen Reihe angehörigen Rünftler find be-
techtigt, an der Bewerbung Theil zu nehmen.
2,
Der Torfo it im Erögefhoß des Alten Mufeums im
Herrengefhoß (Abfehnitt XIX) aufgeftellt und mit 18a bezeichnet.
Lidtdrude nad einer pbotographifhen Abbildung können von
der General - Verwaltung Ser Mufeen gegen Einfendung von
75 Pfennig bezogen werden.
3.
Die Ergänzung des Torfos ift an einem Bipsabgufje des-
felben auszuführen. Don der ergänzten Figur ift ein Abguf
bis zum öl. Dezember d. J. Nachmittags pünktlid 3 Uhr an
die Beneral-Derwaltung der Röniglihen Mufeen in Berlin unter
Angabe des Namens und Wohnorts des Künftlers foftenfrei
einzuliefern. für auswärts wohnende Rünftler genügt der Nadh-
weis, daß fie bis zum 31. Dezember das Werk bebufs Bee
förderung am die genannte Behörde als Eilfradhtgut der Eifen-
bahn übergeben haben.
4.
An jeden deutfchen Rünftler, welder fics bis zum 31. Mai
ô. J. als Theilnehmer an dem Wettbewerb bei der Beneral-Der-
waltung der Röniglihen Mufeen in Berlin meldet, wird ein
Abguß Ses Torfos gegen Fablung des Vorzugspreifes von
5 Mar? geliefert. Später tritt der gewöhnliche Verkaufspreis
von 12 Mart ein. Die Perfendung nah Auswärts findet gegen
Yahnahme des Raufpreifes und der 5 Mark betragenden Per-
padungsfoften ftatt.
5
Die Entfiheidung über den Preis erfolat durd Seine Majeftät
den Raifer und Rönig unmittelbar und wird am Geburtstage
Allechsdftdeffelben, den 27. Januar 1899, befannt gemacht.
Die zum Wettbewerb zugelaffenen Cinfendungen werden
nad erfolgter Entfheidung zwei Wochen lang öffentlih aus-
geftellt.
6.
Ueber Sas mit Sem Preife ausgezeihnete Wer? un deffen
Dervielfältigung bleibt Seiner Majeftät Sem Raifer und König
die freie Derfügung vorbebalten.
}
——
D
N
oll
A
1.
Die nit prämiirten Werke fins nad Schluß der Aus-
ftellung, fpäteftens aber binnen 4 Woden nad Befanntmadhung
des Preifes wieder abzuholen. Nadh diefem Feitpuntte werden
fie Sen Eigenthümern auf deren Koften zugefandt werden.
Berlin, den 12. Febraar 1598.
Der Minifter
der geiftliden, Unterridts- und Medizinal-Angelegenbeiten.
: Boffe.
Barmonifche Zimmer-Einrichtungen.
Mit großem Erfolg hat fih eine in Berlin (Nollendorf-Straße 21a) lebende
Dame (O. J. von Halusfomwsfi), die urfprünglid nur für den eigenen Bedarf
Möbel gezeichnet hatte, der Aunft im Haufe angenommen und fhuf ih im Laufe
der Jahre, nahdem fie ihr Willen duch Studienreifen und eingeholte Fach-
fenntnifje erweitert, einen eigenen Beruf, der in Einrichten von Zimmern und
ganzen Wohnungen, fowie im Entwerfen von Möbeln befteht, welhe in einer
befonderen Werkftätte angefertigt werden. Gn den von ibe felbft bewobnten
Mufterzimmern, 3. B. dem Eßzimmer und dem daranftoßenden Befellfhafts-
raum, zeigt die Rünftlerin am beften, wie fie ihrer Aufgabe gewacjen ift und
trog der groen Vorliebe für den modernen englifhen Stil ihre Eigenart in
neuen, frei erfundenen Gdeen zu bethätigen vermag. Der leitende Bedante
bleibt überall die harmonifhe Einheit und Einfachheit, welke einerfeits durch
den feingeftimmten farbenflang, andrerfeits durd die edlen mit großem Ge-
fhmad abgewogenen DVerhältniffe hervorgebraht werden. Die dunfelroth
gebeizten Mahagonifhränte, Tifhhen und Stühle heben fi kräftig von der
ungemufterten, refedafarbenen Tapete ab, welhe Surh einen fries blaf-
gezeihneter Pflanzen-Ornamente abgefchloffen wird. Die Farbe der Thiiren
ftimmt mit denen der Tapete überein, während Briffe und Schlöffer in Schwarz
und Gold gehalten find. Jm Allgemeinen ift jeder Schnörkel, jede Zierat
vermieden, die nicht ihren praftifhen Sinn und Bedeutung hätten. Nur wo
der Eindrud der Flähe durch Farbenfontrafte belebt werden tann, ift ein
befonderer Schmud gefhaffen, wie in den zartfarbigen Majolikzeinlagen eines
Buffets. Die Seffel und Stühle find bei aller Grazie febr prattifh. Man
fann wirflih darin ausruben, obne fiir die Haltbarkeit des Möbels beforgt
zu fein. Die Linienwirtung behält aud bier ein fhönes Maß im Gegenfat
3u den modernften Engländern, die bisweilen nur einem neuen Effett zu
Liebe die konftruftive Einfachheit bis in’s Läcerlihe übertreiben. ©. v.
Halusfowsfi vermeidet dagegen in ibren Schränten und Tifchen melft die
sefhwungene Linie und bevorzugt redtedige formen. Zu ihren originellften
Schöpfungen, auf die wir nod zurüdtommen werden, gehört ein Ramin mit
reihen Füllungen und ein Ofenfhirm, in welhem fih oben eine Klappe zum
Aufftellen von Hleirieren Begenftänden befindet, während der untere Theil eine
unregelmäßig nah Art eines Spinngewebes abgetheilte Füllung von Eisglas
zeigt. Nicht minder eigenartig ift ein Silhouettenfries, eine leihtgetönte land-
ſchaftliche Ronturzeihnung, in deffen Rahmen (in der unteren Leifte) Kleider-
baten eingefügt find.
gwei Meifter des Sinnauffes.
urh die funftgewerblide Bewegung unferer Feit ift das lange ver-
adtete Zinn als Material für gefhmadvollen Hausrath wieder zu
AI Ehren gefommen. Die Charpentier, Battier, Ledou befhiden unferen
Markt und finden für ihre originellen Arbeiten zuhlreibe Abnehmer. Das
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§. Staffen, Sierleifte.
©. §Felfing, 100 Jahre im Dienfte der Kunjt.
Deutfhe Rung.
neu erwadte Gnterefje für das Edelzinn hat denn aud endgültig eine alte
funftgewerblide Frage zur Entfheidung gebradt. Don zinnernem Gebrauds-
gerätb früherer Heiten bat fih wenig erhalten. Aus dem uns überfommenen
Shak von fünftlerifhem Zinngeräth der Renaiffance find namentlid zwei
Hauptftüde befannt geworden, ja fie haben dur moderne Madbildungen all
gemeine Verbreitung gefunden. Es ift eine große, runde Schüffel und eine
dazu gehörige Ranne. Nadh dem in der Mitte der Schüfjel angebrachten
Bilde der „Temperantia (Mäßigkeit), einer frau mit Aanne und Schale in
der Hand, wird fle gewöhnlich „Temperantiafhüffel" genannt. Außer der
„Temperantia" find noch andere allegorifhe Figuren in querovalen Feldern
angebradt: um das Mittelftüd herum die vier Elemente und auf dem Rande
die fieben freien Riinfte mit ihrer führern Minerva. Dieje bildlihen Dar-
ftellungen find von einer Fülle liebevoll ausgeführter ornamentaler Motive
umgeben, die in finnreihen Beziehungen zu den Feldern ftehen, die fie um-
rahmen. Ranne und Schüfjel find urfpriinglid als Wafchgeräth fomponitt.
Später wurden die foftharen Sciiffeln und Rannen in die Rirdhen geftiftet,
wo fie als Taufgeräth Verwendung fanden. Auf der Rücdfeite der Schüffel,
von der fih ebenfo wie von er Ranne mehrere Eremplare in öffentlichen
und privaten Sammlungen erhalten baben, bat ibr Derfertiger fein
eigenes Bildnif in ein Rundmedaillon mit der Umfdrift: „Francois Briot
sculpebat" angebradt. Es finden fid aber auh ganz abnlidhe Schiiffeln
mit dem Bruftbild eines anderen Mannes und der Umfdrift: „Caspar
Enderlein sculpebat auf der Riidfeite, von denen mande außer der an
Stelle der Gnitialen F. B. angebradten Budftaben C. E. auf der Dorderfeite
aud nod die Jahreszahl JGJ] tragen. Lange ging nun der Streit, wer von
beiden der Yachahmer war, der franzofe Briot oder der Deutfhe Enderlein.
Eine endgültige Antwort auf diefe Frage haben wir duch ein Fürzli er-
fhienenes, werthvolles Bud von Dr. Hans Demiani erhalten, das den Titel
trägt: francois Briot, Caspar Enderlein und das Edelzinn. Briot it dem-
nad im lothringifhen Orte Damblain geboren als Mitglied einer weit-
verzweigten Riinftlerfamilie. Jn Montbéliard, der Hauptftast der deutfchen
Graffhaft Mömpelgard, trat er 1580 in dle Schmiedeinnung ein, zu der aud
die Zinngießer gehörten, und hat fih dort von 1580—1616 aufgehalten. Das
Dorhandenfein der in Meffing gefdnittenen Bießformen für die Schüffel ift
urkundlich feftgeftellt dadurdh, daf fie als Pfandobjeft in einem Prozeffe ge-
nannt werden, in den Briot finanzieller Derlegenheiten wegen verwidelt war.
Später war Briot für feinen Gönner, den Herzog frieðdrih von Mömpelgard
und Württemberg und deffen Sohn Johann Ftiedrih als Modelleur befhäftigt,
1616 wird er das legte Mal erwähnt. Enderlein ift 1560 in Bafel geboren;
1584 trat er in die Zunft der weltberühmten Rannengieğer in Nürnberg ein,
1556 verbeirathete er fic, wurde Meifter und Nürnberger Bürger; am
19. April 1695 ift er geftorben. Die Sciiffel Briot's ift nun, wie Demiant
nadgewiefen bat, zwifhen 1585 und 1590 entftanden und zwar hödhft
wabrfheinlid im Auftrage des obengenannten Bönners. Enderlein’s fpäter
gefertigte Schüffel, von der übrigens drei verfchiedene Modelle eriftiren, ift
alfo Nahabmung, aber Fein direkter Nahguß, wie man fih bei genauerem
Hufeben iiberzeugen fann. Die zu den Sdiiffeln gehörigen Rannen find nur
im Aufbau einander ähnlid, im Schmud aber völlig abweihend, die bildliden
Motive der Enderleinfanne find einer anderen Schiifjel franzöfifen Urfprungs ent-
lehnt. Während fih von Briot weitere beglaubigte Finnarbeiten nidt nadweijen
laffen, tennen wir von Enderlein mebrere bezeihnete Stiide, Sciiffeln, Teller,
Rriige.
Moderne Kunft in der Dolfsvertretung.
m fähfifhen Landtage hat der Abgeordnete Bontard-Leipzig bei
Gelegenheit der Berathung des Etats Ser Mufeen und Sammlungen
eine Nede gehalten, die fo- beherzigenswerthe Säte enthält, dağ
es uns angezeigt erfdeint, fie an dlefer Stelle im Wortlaut wieder-
zugeben:
ndó möģte es nicht unterlafjen, dem Berichte noh einige Bemerkungen
von meinem befonderen Standpunkte beizufügen im Hinblid auf die Be-
mängelung, die die Ankäufe für die Gemäldegalerie in der Vorberathung
über Rap. V gefunden haben. Jh darf eine gewiffe befheidene Qualifikation
dazu wohl aus dem Umftande entnehmen, dağ ih feit einer längeren Reihe
von Jahren der Verwaltung unferes ftädtifchen Mufeums in Leipzig angehöre
und daber weiß, wie unendlid fewer oder faft unmdglid es ift, mit folden
Ankäufen den allgemeinen Beifall des größeren Publitums zu erlangen.
Sind dod) fchon in der Rommijfjion bei jedem Dorfdlage die Anfidten ge-
l — — —⸗ — — —
| :
Runft. 215
§. Staffen, Sierleifte. ©. £elfing,
theilt, und wenn die Mittel vorhanden find, mebrere Runftwerfe anzufaufen,
fommt es jchließlih, wie fie häufig im politifhen Leben, auf ein Rompromif
heraus. Es heißt dann, wenn du bereit bift, meinem Dorfchlag zuzuftinmen,
fo flimme ih aud für deinen.
Die meiften Anfäufe einzelner Bilder find bei uns nur gegen den
Willen von mehr oder minder ftarfen Minderheiten in der Rommiffion be-
f&loffen worden.
Wer mit den Hiefigen Derhältniffen einigermaßen vertraut ift, weiß,
daß das bier nidt anders ift und es fann auh gar mit wohl
- anders fein.
Der Gefhmad und die Anfihten über die Grenzen und Aufgaben der
Runft find zu verfhieden und wandelbar. Seit Winkelmann vor 140 Jahren
nur in der MWadhabmung der Antite das Ziel der modernen Runft fab, bi
auf Leo Tolftoi, der vor wenig Woden die Runft definirte als die menfd-
lide Thatigteit, durch welche ein Menfh fraft feines eigenartigen Rdnnens
feine Gefühle anderen überträgt und fie zwingt, fie mit ihm zu fühlen, haben
die Anfhauungen vielerlei Phafen durhgemadt. Jedenfalls ftebt heute die
Unfidht Tolftoi’s unferem Empfinden näher als die Winfelmann's. Wer
wollte heute leugnen, daß die Runft eines Meunier Sen modernen Menfchen
ganz anders padt, als die glatten geledten Statuen eines Canova oder
Thorwaldfen. Wenn Winkelmann von jedem Bildwerf die hödfte Schönheit
in edler Einfalt und ftiller Grdfe verlanat, fo find wir heute zufrieden, daß
100 Jahre im Dienfte der Kunft.
die innere Bedeutung eines Runftwerfes Sasfelbe werth erfiheinen läßt, zu
dauernder Belradtung und Nahabmung bingeftellt zu werden. Gn Meunter's
Figuren fehen wir den Haud eines ernften lebendigen Dolfsthums. Die
Menfcen find freilih verfhieden veranlagt. Der eine if leihter empfänglid,
fremde Gefühle in fih aufzunehmen, als der andere, mande, vielleicht die
große Menge, drängen ihr eigenes Empfinden zurüd und warten auf das
Urtheil des Rritifers in ihrem Leiborgan, ehe fie in Runftfahen ein Urtheil
äußern.
Wie alles in der Welt, wechfeln aud die Anfhauungen der Aritifer, de
Tprannei der Mode aber beberriht den Aunftgefhmad der großen Menge und
im befonderen aud den Runftmarft.
Ein reht pragnantes Beifpiel, wie der Befhmad fih ändert, bietet ung
Arnold ‚Bödlin. m vergangenen Herbft hat die ganze Welt, die mit der
Runft im Konner ftebt, den 70. Geburtstag diefes größten Poeten unter den
Malern feftlih begangen. Es gab Feftvorftellungen aller Arten, Erinnerungs-
medaillen, Begrüßungstelegramme und alle Zeitungen waren, voll jeines
Lobes. Und id erinnere mich nod febr gut des allgemeinen Sturmes der
Entrüftung, als feine erften. Bilder in Münden und Berlin ausgeftellt wurden.
Die gefammte Rritif in den Sffentliden Blättern war einig, an den Bildern
nichts Butes zu laflen. Das Publifum und der Aladderadatih machten nod
viel ärgere Wige, als im legten Sommer hier vor dem Riemerfhmidt'fchen
Bilde. Heute gelten die Bödlin’fhen Bilder, die damals das allgemeine
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216
Mißfallen erregten, für den größten Schatz der Schad’fhen Galerie in
Münden. — Kommt eines auf den Runftmarkt, jo werden ganz unglaubliche
Preife gezahlt.
JH habe mid gewöhnt bei Runftwerfen, die mir zunädhft abfonderlid
und unverftandlid, aber aus irgend einem Grunde, fel es der Technik, der
farbe oder Stimmung beachtenswerth erfheinen, mit meinen Urtheile zurüd-
zubalten, bis ih mich in das Empfinden des Künftlers bineingefeben babe.
And bei dem Garten Eden ift mir das gelungen und id halte das Bild heute
für cine febr werthvolle Acquifition unferer Galerie.
Jh balte es für cin großes Derdienft einer WAnfaufsfommiffion, wenn
fie verfteht, aufftrebende Talente redtzeitig zu erkennen und eines
ihrer Werke zu erwerbın, ebe fie Mode geworden und die Preife durch
den Runfthandel in die Höhe getrieben worden find. Diefen wete foll
ja die Proell-Heuer-Stiftung in erfter Linie dienen. Mißgriffe Fönnen
natürlih vorfommen, aber die gute Abfiht des Stifters wird fdon
erreicht, wenn nur ein Theil der Anfaufe dazu beiträgt, Se wahre Runft zu
fördern und denjenigen, die der hohen Ehre fhadhaftig geworden find, in der
Dresdener Galerie vertreten zu fein, zu neuen größeren Thaten anzufpannen.
Die Proell-Hener-Stiftung it zum Ankauf von Werken lebender deutjcher
Riinftler beftimmt. Da im Binblid auf die große Dresdener Ausftellung
bedeutende Mittel zum Ankauf deutfcher Bilder aus diefer Stiftung ange-
fammelt waren, fo ift es ganz natürlid, daß man fudte, mit Staatsmitteln
Werke bervorragender Ausländer zu erwerben. Diefe Herren wären ohne die
Ausfidt auf Ankäufe durh Staatsmittel garnidt zu haben gewefen für die
legtjährige Ausftellung und dann ift es doh gewiß wünfhenswerth, den
internationalen Charakter der Runft aud fiir die neuere Feit in der Galerie
unð im Albertinum 3u wahren. é
Die Werke der belgijchen Bildhauer haben auf der natlonalen Dresdner
Ausftellung entjhieden den Blanzpunft gebildet. Es ift gelungen, davon
eine Anzahl für das Albertinum zu erwerben und zwar zu febr mäßigen
Preifen. Die Zukunft wird zeigen, wie fegensreich diefe Erwerbungen für die
Dresdener Bildhauerfhule wirken werden. Bereits macht fic im Albertinum
Platmangel bemerkbar.
Immerhin find die Erwerbungen der Bilder von Thomas Brown, Mennier,
Meldhers, David, Hithcod erfreuliche Bereicherungen der Galerie.
Meine Herren! Jh glaube, die WAnfaufefommiffion wird and in
Sufunft fortfabren miiffen, die neuen und eigenartigen Erfheinungen in der
bildenden Runft bei ibren Anfäufen in erfter Linie mit zu beachten. Es ift
beute wohl Fein Zweifel, daß die verfciedenen modernen Nidtungen in der
Malerei, Jmprejfonismus, Symbolismus, Yenidealismus und wie fih alle
nennen, die älteren Schulen unferes Jahrhunderts aus dem Felde gejhlagen
haben. Niemand würde es beute mehr verftehen, wenn man ein Bild eines
der früher bodhpberühmten Riinftler unter den Hiftorienmalern der Diiffeldorfer
Sdule anfaufen wollte. Ghre Figuren muthen uns heute an wie Roftüm-
puppen. Damit foll nidt gefagt jein, daß die neneften Bilder fammtlid
meinen Beifall hätten. -Fh lenne unzählige, die mir hédhlidft miffallen und
bei denen man vor lauter Stimmung nicht erkennt, was fie vorftellen. Daß
die Entjheidungen in der Ankaufsfommijjion per Majora gefaßt werden und
von manden Zufälligfeiten abhängen, ift nicht zu ändern; wenn irgendwo,
fo wäre es in Sachen der Runft erwünfcht, daß man die Stimmen wiegen
Fönnte, anftatt fie zu zählen.
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Knobelsdorff, Generalmajor 3. D, Dr. B. ». Mündbaufen, Kammerberr,
Dr. Reimers, Mufeumsdireftor, verfendet eine Zufchrift, der wir folgendes
entnehmen: ,,Unverfennbar befteht feit einer Reihe von Jahren auf dem Ge-
biete der monumentalen wie der Rleinfunft die fih fteigernde Neigung für
beraldifhe Ausfhmüdung, mit der das Derftändniß der Cigenthiimlidfeiten
diefer Aunftwiflenfhaft feineswegs Schritt hält. Wir erachten die daraus
bervorwadfenden Gebrecen fiir ebenfo tadelnswerth, als wenn .ein Denkmal
mit unorthographifher oder grammatitalifih untichtiger Infhrift verfehen wäre.
Unfere auf allen Gebieten Vollfommenftes erftrebende Feit hat die Pflicht,
diefen Uebelftänden absubelfen und das uns verloren gegangene Derftändnif
der Dorfabren wiederzugewinnen: für die Rorreftheit der Einzelheiten wie für
dte Stilifirung der Warpen, für die Anforderungen heraldifcher Courtoifie wie fiir
die mannigfaltigen Beziehungen, welden durh den Ort der Anbringung eines
Warpens wie der Art der Bruppirung von mehreren derfelben Ausdrud zu geben
ift. — Aus diefen oder ähnlihen Erwägungen hat im Oktober vorigen Jahres
der Runftgewerbeverein zu Halle a. S. eine wohlgelungene beraldifhe Aus-
ftellung veranftaltet, ein Dorfommniß, deflen Bedeutung nicht hod genug an-
zufhlagen ift, weil es wie fein anderes das im funftgewerblihen Rreifen
ftarf empfundene Bedürfnig der Ergänzung jener Kenntniffe darthut. Der
Heraldifhe Verein „um Kleeblatt in Hannover, von der moralifhen Ver-
flidtung zur Derbreitung jenes Wiffens und Ronnens auf niederfadfifdem
Boden getrieben, bat befdloffen, gleidfalls eine folhe Ausftellung ins Leben
zu rufen. — für die Sicherheit der auszuftellenden Begenftände wird nad
Möglichkeit geforgt werden, fowohl durch Shut gegen Staub und Berübrung,
gegebenenfalls dur Derjihluß, Surh Bewadhung, fowie durd DVerfiherung
gegen Feuersgefabr u. f. w. Die Anmeldung gefchieht mittelft Ausfüllung
des anliegenden Zettels unter Benugung beigegebenec Adrefie, worauf Ant-
wort mit Bezeihnung derjenigen Stüde erfolgt, welche unferfeits zur Aus«
ftellung gewiinfcht werden. Die Einfendung, welde bis zum I. Mai d. 5.
erbeten wird, it als Fradt- oder Poftfendung an das nod 3u bezeichnende
Bureau zu bewerfitelligen, worauf
eine Empfangsbejcheinigung gleich
nah Eingang der Sendungen
ausgeftellt werden wird. Fracht=
freie Rüdfendung nah Schluß
der Ausftellung ift in Wusfict
genommen. Diefelbe findet im
Provinzialmufeum ftatt. Die
Stadt Hannover wird nad Ju
fiderung des Herrn Stadtdireftors
die Sache nah Möglichkeit (viel-
leiht aud) refunidr) unterflügen.
Es ift zu boffen, daß der alte
Adel des Landes fic) durch den
Begenftand intereffirt fiebt und
die Sache kräftig fördert. Ein
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Deutfhe Runf.
Ein neuer Malgrund.
Die Malereien vieler alter Meifter
zeigen troß oft meh:hundertjährigen Alters, abge-
fehen vom Staub und Sdhmuk, ein farbenfrijdes
Ausfehen, und die Harmonie der Farben bat faum,
felbft in den feinften Lafuren und in den zarteften
Uebergängen, in ihrer urfprünglihen Schönheit gelitten.
Mit Recht fragen fih die erfahrenften Rünftler und Tednifer,
woran e3 wohl liegen könne, daß die großen Werth re-
prajentirenden Oelmalereien der Meifter der legten fünfzig
Sabre, vielfad fhon nad wenigen Jahren, ih im Rolgrit
und in der Stimmung wejentlih und zu ihrem Nadtheil
verändert haben. Wenn nun zwar etn Theil der Ur-
face diefer betrübenden Erfheinung in der Befdafien-
beit der Oele und Farben 3n fucen ift, fo ift es aber auh eine bereits
bewiefene und 3temlid) unangenebm fid) Fundgebende Erfcheinung, dah weniger
die Farbe, fondern der Untergrund, auf weldem man 3. B. mit Oelfarben
malt, die Schuld an dem Nahdunkeln und den fonftigen Veranderlidliten
der fertigen Malereien trägt. Aus diefer Beobachtung und Erfahrung heraus
bat ein alter Praftifer und Rünftler im deforativen Malfad, Herr Hofmaler
J. £L. Shudt in Frankfurt a. M., einen Malgrund fonftrnict, Ser auf Lein-
wand, Pappe, Derpuß, Holz 2c. in hervorragender Weife die vorerwähnten
iiblen Erfcheinungen der farben, namentlih aller mit Oel fomponirten Farben,
nit zeitigt. Zwei gleichzeitig im Jahre 1895 bergeftellte Delmalereien zeigen
den Dortbeil des Schust'fhen Malgrundes in fo auffälliger, frappanter Weife,
daß man von der Wirkung der Belfarbe geradezu verblüfft wird. Die eben
bezeichneten, an ih fehr einfah (al prima) gemalten landfhaftliden Kleinen
Sujets, welde mit Oelfarben von derfelben Palette gefertigt wurden, zeigen
beute nah drei Jahren ſchon folgende in der Hauptfahe feher ftarte
Unterfchiede. `
Auf Oelkreide— Auf Schudt'ſchen
grund. Patent-Malgrund.
Allgemeiner Eindrud: Dollftändige Derän- Die farben ftehen
derung aller farben- in großer Reinheit,
töne, allgemein [hmußi-
ges, trübes Ausfehen.
Leudtfraft und Rlar-
heit.
Lufttsne: Unbeftimmte, felbft Hell und Klar, und
in den hellen Parthien leuchtend wie Tempera-
vollftändig veränderte, oder Rafein- farben.
trübe Stimmung, troß
des fonnigen Sujets.
Mittelgrund: Unklar, im Rolorit Hell, rein, die Per-
fhmukig, obne richtige fpeftive nicht beein-
Lichtſtimmung. trächtigt.
vordergrund: Stark nachgedunkelt Nidt nadgeduntelt,
undin denLidtparthien rein, und in den
ſchmutzig. Schatten- und Licht⸗
parthien ohne Verän—
derung der Farben.
Der neue patentirte Malgrund ift aber nist nur für
Oelfarben von großem DVortheil, fondern ebenfo gut für die
Tempera, Aquarelle un Rafein-Tehnif zu verwerthen. Bei
Uebermalungen bat der Künftler immer einen feften Grund,
da aus ihm das überflüffige Oel von dem Malgrund auf-
gefogen wird. Gerade hierdurd und weil die öfter übereinander
fommenden Oelfarbenfcicdten fdneller zum Trodnen gelangen
fönnen, wird das Madhdunfeln der Oelfarben vermieden, aud
das Reifen der Bilder verbiitet. Die Dortheile des neuen
Malgrundes find fhon nad kurzem Gebrauch einleuchtend und
217
der Auftrag desfelben fehr einfah. Die gut umgeriibrte (weiße) Mal-
gtundmaffe wird auf die mit Mild) vorher eingeftrihene und balbtroden
gewordene (alfo nod halbfeuhte) Flähe der Leinwand cder Pappe anf-
geftrihen und, wenn faft getcodnet, geglättet. Sodann fann gemalt werden.
Die große Hauptyache in der Wirkung des Malgrundes alfo ift, daß er
die Weichheit, Reinkett und Leuchtkraft der Farben nicht beeinträchtigt und
daß jpeziell bei Belfarben ein Nahdunkeln ausgefihloffen ift, weil das über-
fliiffige Gel der Farben vom Grund aufgefogen wird.
Die Herftellung des patentirten Shudtjdhen Reform-Malgrundes Helios"
bat die firma f. Herz & Co. in Berlin SW. 15 (Alte Fafobftr. Ic)
übernommen.
Johannes Gg.
ob. GSk, einer der talentvollften Schüler Begas', welder mit der
von der Nationalgalerie erworbenen Waflerträgerin feinen Ruhm be-
gründete und. duch die Quadriga für das Raifer Wilhelm=Mational-
Denfmal in weiteften Areijen bekannt wurde, veranftaltete fürzlid in feinem
Atelier in Charlottenburg eine Ausftellung feiner beften Schöpjungen. Die
Dielfeitigkeit feines Schaffens muß Bewunderung erregen, aber fo febr man
aud in feinen monumentalen Arbeiten, der Unadriga, dem Entwurf zum
Bismard-Denfmal (der mit dem zweiten Preije ausgezeihnet wurde), den
barmonifhen Aufbau und die rhythmifhe Gliederung fdhagen mag, glüdlicher
offenbart fih fein Können in jenen Arbeiten, wo der Rünftler, dem Zuge des
Herzens folgend, eine liebgewonnene, genrebafte Beobadtung, einen vom
Hufall in die Hand gefpielten Eindrud verarbeitet, wo er aus dem eigenften
Empfinden heraus zu fhaffen und aus der Phantafie frei zu geftalten vermag.
Weldh fhlihtes ergreifendes Sinnbild ift die Figur für das Grabmal feines
Daters! Ein alter Mann, mit einem einfahen Bewande bekleidet, fett fic,
müde der forgenvollen Wanderung, an einer felswand nieder; und während
er fic mit Haupt und Schulter anlehnt und den Stab aus den welfen
Händen gleiten läßt, überfällt ihn der Schlummer, Gm Geftein ijt eine
Onfdrift angebradt, welde lautet: Des Lebens mühenolle Reife ift nun zu
Ende, feb’ wohl! Die andadtige Verehrung für den Todten, deffen Bildnif
bier übrigens nicht wiedergegeben ift, klingt in dem ganzen Werfe wie zu
einer weihevollen, fhwermüthigen Melodie, einer Todtenmeffe aus. Der Aus-
drud der Abfpannung, der endlich geftillten Sehnfuht nah Rube fommt in
dem ganzen Körper zur Geltung, in der zufammengefunfenen Bruft, dem
gefenkten Ropf, der fhlaff berabbangenden Hand und den willfiiclid) einwarts
gelegten Füßen. č
Einen anmuthigen Begenfat zu Sem Grabdenfmal bildet die Portrait-
Kamin-Dorjeger aus Schmiedeeijen.
T. pP. Krüger, Berlin.
figur eines arifto-
fratifhen Zungen.
Seine Kleidung be-
fteht in einem wei-
te ländlichen Rittel
und furzen Hofen,
aus welden nadte
Rniee und nod
wenig gerundete
Waden bervor-
guden. Die Bewe-
gung des Pnaben-
haften Junkers hat
etwas herausfor⸗
derndes, der rehte
Arm uht, balb
ausgeftredt, auf
einem Croquet-
hammer, der linfe
ift in die Seite ge-
ftiigt. Das Gndivi-
duelle des felbftbe-
wußten Charakters,
der bier mit einem
Anflug von Gronie
gefhildert ift, giebt
fih jogleih zu erfennen, und man glaubt es dem Riinftler ohne weite-
tes, daß die Pofe des Jungen der Wuhrbeit entjpriht. Das Talent, in
einer Rindesfeele zu lefen, fyeint dem Bildner angeboren zu fein. Ungemein
lebendig ift der Wusdrud in einem vierjabrigen Maddhenfopfe (einer Urenfelin
des feldmarfdhalls Moltfe), welder Klugheit und Schelmerei auf der Stirne
ftehen. Don anderer Sinnesart freint der Junge im Matrofenanzug zu fein,
der mit dem Reifenfpiel inne halt und naddenflid vor fih binblidt, Als
hervorragende Portraitleiftung fei nod das liebevoll ausgeführte Relief des
Paftors Hülle genannt. Gn mehreren Büften, die nur als Studien gedient
haben, it das Typifhe des Charakters zu fpredender Lebendigkeit heraus-
gearbeitet. Don den neueften Werken find nod die fhwah getönte Biifte
einer verlodenden Eva mit dem Apfel, und der Bitterfhmud für das National-
Dentmal zu erwähnen, weldes in länglihen Medaillons Männer- und Ffrauen-
geftalten, die Sinnbilder von Kraft, Schönheit und Weisheit darftellen.
— Der auf S. 217 abgebildete Ramin-Dorfeger aus Shmiedeeifen ift in
feiner Einfadpheit ein Meifterftüd der Runftfchlofferei. Er zeigt die phan-
taftifhen Formen des Uebergangaftile, der fpätgothifhe Verzierungen mit der
Linienführung der Ftührenaijlance vereinigt. Das eigentlihe Bitter, aus
verfhlungenen, in ihren Ausläufern flah gehbämmerten Eifenftäben gebildet,
wird an den Eden von in Eijen gefchnittenen, fein zifelirten Schlangen»
leibern flanfirt, deren Röpfe in de Ausgüffe gothifher Dactraufen erinnern
und mit der unteren Rinnlade flach aufliegend die Füße bilden.
Wandleuchter, Königlihe Porzellanmanufaftur
i in Berlin,
— Unter den Gaben, die dem aifer ‚Friedrich, dem damaligen Kron
prinzen, zur filbernen Hodzeit von den Städten der preußifchen Monarhie
dargebradt wurden, befanden fih zwei Wandleudter, die von Sumann-
Helborn entworfen und von der Berliner Porzellanmanufaktur auageführt
‚ wurden. Anmutbhige Malerei — bunte Blumen mit Schmetterlingen —
bededt die Schildflähe. Die im Rofofo-Bejhmad gehaltene Umrahmung ift
in gelb abgetönt, die Ränder vergoldet, die Leucterarme aus Bronze. Die
Malereien der Scildflähe der Hodzeitsleuchter rührten urfprünglih von
Paul Meverheim ber, bei jpäteren LBeftellungen wählte man als Motive
Blumenftüde, Jagdfzenen u. A. je nah dem Gefhmad des Beftellers.
Auch der gleihfalls von uns reproduzirte Wrmleudter weift die ein
wenig ins Naturaliftifhe umgebildeten Formen des Rokoko auf, der Fuß des
vom Bildhauer P. Shley mosellitten Randelabers befteht aus majolifaartig
bemaltem Porzellan, die Montirung aus Goldbronze. Befonders reih ift
der Sodel behandelt, auf defen Wbfask eine Putte figt, welche den Arm
nad der blumenbemalten Vorderfläde der in eine faunenartige Männergeftalt
auslanfenden Herme ausftredt. Das ganze Beräth baut fih frei und
leiht auf, ohne allzu ftarfe Betonung der Laft der grazids gewundenen
Metallarme.
Deutfhe RKunſt.
—
— Am 7. März I. J. gelangt in Frankfurt a. M. durch die E. A.
Fleiſchmann'ſche Hofkunſthandlung in München ſowie die J. P. Schneider'ſche
KRunſthandlung in Frankfurt a. M. die Galerie moderner Meiſter des Herrn
hans Weidenbuſch aus Wiesbaden zur Verſteigerung. Die Sammlung
enthält nur ca. 70 Nummern, ausſchließlich Werke hervorragender Künſtler
der Barbizon⸗Schule, ſowle der modernen deutſchen Richtung. Es genügt zu
ſagen, daß in der Kollektion 3 Böcklin, 6 Stuck, 5 Uhde, ſowie Gemälde von
Courbet, Conſtable, Diaz, Grützner, Klinger, Lier, Menzel, Liebermann, Schreyer
enthalten ſind, um das regſte Intereſſe der Runſtfreunde wachzurufen. Ein
reich illuſtrirter Katalog iſt in Vorbereitung und durch die beiden Firmen zu
beziehen.
— Bei Gelegenheit des großartig verlaufenen Münchener Künſtlerfeſtes
wurden eigene humoriſtiſche Poſtkarten ausgegeben, zu welchen die her—
vorragendften Riinfiler wie UA. Hengeler, Profeſſor Fritz Aug. von Kaulbach,
C. Kirchner, Profeſſor A. Oberländer, Profeſſor Frz. Stuck 2c. die Original-
entwürfe gellefert haben. Um dieſe in ihrer Art einzige Kollektion auch
weiteren Sammlerkreiſen zugänglich zu machen, hat das Feſtcomité be—
ſchloſſen, der bekannten Firma Meiſenbach, Riffarth & Co. in Münden,
welche mit der Reproduftion der Rarten betraut worden war, aud den Verlag
derfelben zu übergeben. Den Beneralvertrieb beforgt im Auftrage der
Legteren die firma Larl Reiselbab in Münden.
— Einen Portraittatalog, der 500 weiblihe und 1200 männliche
Bildniffe aufzählt, hat das Antiquariat von Z. Halle in Münden (Ottoftraße)
herausgegeben. Die genaue, mit einigen Lidtdruden gefhmüdte Befchreibung
der 1700 Nummern, die der Katalog umfaßt, giebt einen Begriff von dem
reihen und werthvollen Material, das bier fowobhl der Befhidhtsforjcher wie
befonders der Runfthiftorifer zu finden Gelegenheit bat. Wir wollen nament-
lid hinweifen auf die jest fo gefuhten und mit Neht hohgefhäzten englifchen
Shabkunftblätter des IS. Jahrhunderts. — Die Ueberfiht über den nad den
Namen der Portaitirten alphabe-
tifh geordneten Ratalog erletd-
tert ein am Schluß angehängtes
alphabetifhes Rünftlerregifter.
— Es erfdheint von Zeit zu
Heit angemejjen, darauf hinzu-
weifen, woher das uns zur Heit
fo mächtig anregende ausländifche
Runftgewerbe feine Anregungen
genommen bat. Die farbigen
Ueberfanggläfer von Emile
Galle in Nancy find die Wonne
jedes Renners und Sammlers, der
beifpielsweife vor einem Befäß
mit rothen Whornblattern, die fid
in das Yleß einer Rrenzfpinne ge-
fangen haben, in namenlofes
Entzüden geräth. Galle hat die
Anregung zu diefen Werfen aus
dem Studium altıhinefifiher Ueber-
fanggläfer gewonnen. Ebenfalls
auf afiatifche Anregungen, auf das
Studium japanifcher Töpferwaaren
mit gefloffenen Glafuren find die
fhönen farbigen Wirkungen zurüd-
zuführen, die wir an den Gefäßen
des franzofen Dalpeyrat be
wundern.
— Jm Hotel Drouot in Paris
bradte die Derfteigerung von
75 Wafferbildern und Zeid-
nungenvon Rops 25000 fr,
darunter: Juli 800; die Freun-
dinnen 2000; Wabrbeit 480; das
Rreuz 2880; frau mit einem
Hampelmann 1400; frau mit Armleuchter, Föniglihe Porzellan»
dem fernglas 950; Derebrerin manufaftur in Berlin.
— —
Chrifti 900; die Andacht des Herren Rod (weiland Parifer Sdharfridter) 545.
Die Preife beftätigen die Werthfhakung des Rünftlers der wir in einem be,
fonderen Artikel Ausdrud verliehen haben.
— Die Derfteigerung der Stewart'fhen Sammlung in YMew-Vork
hat eine Ueberrafhung gebracht, da gegen alle Erwartungen und alle bis-
berigen amerifanifhen Gepflogenbeiten die Werke fpanifher Maler höhere
Preife erzielten als diejenigen der Franzofen. Ein Bild von Baudry, Perle
und Woge, blieb mit S600 Dollars fogar hinter dem Anfaş zurüd, fommt
Deutfhe Runft.
219
aber deshalb auh zurüd nach Paris. Don deutfhen Werken erzielten: Letbl,
Dorfpolititer 15000 Doll.; ein Waflerbild von Menzel, der Satteltrunf,
5575; eine Zeihnung von Rnaus, der Baftwirth, 550; Fuhrwerk ungarifder
Bauern, von Pettenfofen, 2500 Doll. Der Held der Derfteigerung war
der Spanier fortuny, deffen Auswahl eines Modells (von den Mitgliedern
der St. Lukas - Akademie in einem Pradtgemadh des Palazzo Colonna zu
Rom) 42 000 Doll. erreihte. Die 128 Bilder der Stewart'jhen Sammlung
bradten 401 500 Dollar, alfo 1605 200 Mark. Eine ziemlihe Zahl der ver-
fauften Bilder lehrt nah Europa zurüd.
Preisbewerbungen
— Dem Maler Mar Liebermann in Berlin wards das Prädikat
Profeffor verliehen.
— Der Lehrer an der Königlichen atademifchen Hodfdule für die
bildenden Rünfte und an der Königlihen Runftfdhule in Berlin, Maler
Maximilian Schaefer, wurde zum Profeflor ernannt.
— Dem Lehrer an der Röniglihen Aunftfhule zu Berlin, Baumeifter
Hermann Guth, ift das Pradifat Profeilor beigelegt worden.
— Dem Maler Louis Douzette in Barth a. d. Oftfee ift das Prädikat
Profejfor verliehen. .
— Dem Marinemalee Hans Bohrdt in Friedenau
Profeffor ernannt.
— Der bisherige Befhäftsführer des Elberfelder Mufeums-dereins, Herr
franz Hauge, hat die gefhäftlidhe Leitung der Vereinigung bildender Rünftler
übernommen und wird feine neue Stellung bereits am 1. März d. 3. antreten.
— Herr Mar Mifcel ift für die Befhäftsführung des Elberfelder
Mufenmsvereins gewonnen und bat feine Funktionen bereits übernommen.
— Ueber den Befundheitszuftand Bödlin's wurde in der jüngften Zeit
von mehreren Seiten Ungünftiges gemeldet. Nah einem Privatbriefe, den
der Rünftler an den Züriher Freund Kleiner gerichtet hat, befindet er fidh
woblauf und arbeitet ftets rüftig. Bödlin hat ein neues Triptyhon ent-
worfen, dem folgende Derfe zu Grunde liegen: ,,Hordht! Der Hain erfdallt
von Liedern — Und die Quelle riefelt Mar — Raum ift in der fleinften
Hütte — fiir ein gliidlidh liebend Paar." Der Friihling, der fid in Florenz
bereits merklich geltend macht, bat einen günftigen Einfluß auf die arbeits-
freudige Stimmung des Meifters ausgeübt.
— Profeffor Alerander von Liezen-Mayer ift in Münden ge-
ftorben. Er mwar am 24. Januar 1859 in Raab (Ungarn) geboren. Er befuchte
die Wiener und Münchener Afademie und feit 1862 das Atelier Pilotys. Seine
erften größeren Arbeiten: „Krönung Karls von Durazzo im Dom 3u. Stuhl-
weifenburg und „Heiligfprehung Elifabetbs von Thüringen‘ zeigten ibn
zwar als tiidtigen Roloriften, madten indeffen nod fein fonderlides Blüd.
Erft fein 1867 entftandenes Bild „Maria Therefia ein armes Rind ftillend'
hatte einen durhfchlagenden Erfolg und fand nidt nur wegen feiner Tednif,
fondern aud wegen der tiefen Empfindung große Anerfennung. Sodann malte
ec den Vorhang des Bärtnerplattheaters in München, „Die Poefie von den Mufen
umgeben“, befhäftigte fih mit Portraitmalen und zeihnete au Illuſtrationen
zu Goethe und Schiller. Gm Jahre 1870 verlegte er feinen Wobnfi nad
Wien, wo er u. U. den Raifer portraitirte, Lehrte aber IS72 nah Münden
zurüd. Hier malte er einige Scenen aus Shafefpeares „Cymbeline und aus
Goethes ,, faut! und 1875 die „Unterzeihnung des Todesurtheils der Maria
Stuart durd Elifabeth‘‘, eines feiner Hauptwerfe, das im Befize des Mufeums
zu Köln fih befindet. Es folgten darauf drei Rartons zu Scheffel's „Eftehard",
50 Rartons zu Goethes „faut! und 52 Glluftrationen zu Schillers „Lied
von der Blode", die dur Holzfhnitt vervielfältigt worden find. Gm Fahre
1880 folgte er einem Ruf als Direktor der Runftfhule nah Stuttgart, kehrte
wurde zum
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und Perfönliches.
aber 1885 nah Münden zurüd, wo er als Profeflor der Hiftorienmalerei an
der Runftafademie thatig war. Don feinen neueren Werfen find nod zu
nennen „Philippine Welfer vor Raifer Ferdinand 1.4 und eine Roblenzeihnung
„Frühling“.
— Der Bildhauer Mihael Lod ift in Berlin geftorben. Gn Röln
a. Rhein im April 1848 geboren, batte er fhon in jungen Jahren eine be-
fondere Vorliebe für die Bildhanerei. Geine erften felbftandigen Derfude in
der Skulptur madhte Lot an dem berrlihften Bauwerk feiner Daterftadt, in-
dem er bei der Reftaurirung der figuren am Dom thätig war. Gn eifrigftem
Streben und auf ernften Studienreifen bildete er feine Fähigkeiten dann
weiter aus. Sein „Dädalas" trug ihm im Brüffel die große goldene Medaille
und ein Ehrendiplom ein, fein, Spartatus lenkte die Aufmerffamteit weiterer
Rreife auf ihn, und für feine foloffale Gruppe dır „Rreuzabnahme" wurde
ihm in Berlin die Pleine goldene Medaille zuerkannt. Das bervorragendfte,
aber aud) lete größere Meifterwerk Lod's war feine Darftellung des fterbenden
Raifers Wilhelm I., die unter dem Namen „Jh babe feine Zeit, müde zu
fein‘ mit der Berliner großen goldenen Medaille belohnt wurde. Leider ift
eo dem Rünftler niht mehr vergönnt gewefen, diefes Bildwerf in edlem
Material ausgeführt zu fehen.
— Profeffor frig Paulfen if plöglih in Berlin geftorben. Er
ftudicte in Diiffelborf und gleichzeitig mit Mafart unter Piloty in Münden,
ging dann nad Paris, das er 187] verließ, um nadh Berlin überzufiedeln,
wo er eine erjpriefliche künftlerifche THätigkeit entfaltet. Er malte u. A. die
Bildniffe des Oberbürgermeifters von fordenbed, des Prafidenten Simfon, des
Fürften Putbus, des Broßberzogs von Medlenburg u. A. Seine Benrebilder
find wabre Bilder der Zeit, fowohl dem Stoff wie der Tradht nad, wie 3. B.:
„Das Penfionat", „Zum Nadtifh, „Das Befindebureau‘, „Eingeregnet‘,
„Jagdpauſe“. Sein beriihmteftes Genrebild aus dem engeren Berlin „Die
Bauernfänger“ ift eine Zierde der Galerie des reihen WAmerifaners Danderbildt
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Bereits erschienen Band I u. II. Geheftet je 6 M. Gebunden je 6 M. 50 Pf.
Das Werk soll für Deutschland und die deutsche Kunst das leisten, was der
prächtige Cicerone Jakob Burckhardts für Italien ist. Es soll dem Künstler
wie dem Kunstliebhaber einen sicheren und bequemen Führer durch die
Denkmäler im ganzen deutschen Sprachgebiet schaffen und damit vor allem auch das
Studium der vaterländischen Kunstschätze durch den Augenschein erleichtern. Die Ein-
teilung ist eine ausserordentlich übersichtliche: nach Stilepochen und innerhalb derselben
nach Landschaften. Neben den historischen und typographischen Notizen ist eine knappe
Beschreibung gegeben. Band I des Werkes umfasst die Architektur von ihren
Anfängen bis zum Schlusse des Mittelalters in einer bisher von keiner andern Arbeit
erreichten Vollständigket. Band II behandelt die Architektur der Renaissance und der
Neuzeit. Ausserdem enthält der Band zwei vorzüglich ausgearbeitete Register, ein
Orts- und ein Künstlerregister für das Gesamtgebiet der Architektur. Die weiteren
Bände werden umfassen die dekorativen Kleinwerke der Architektur zusammen mit den
kunstgewerblichen Arbeiten, dann die Mal- und Skulpturwerke, wobei namentlich auch
die in deutschen Museen aufbewahrten Schätze Verlag von Otto Spamer in Leipzig.
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Die Dachauer,
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Mi Yr. 12 fehließt das zweite Quartal ISIS der „Deutfchen Kunſt“,
die inzwiſchen durch Ankauf des „Atelier“ ihren Abonnentenkreis bedeutend
erweitert hat und als
einzige illuſtrirte Kunſtzeitſchrift a a $ $
ete ee oe ote Dorie und Mittel- Deutichlands
fih allfeitiger Beachtung erfreut.
Wir machen befonders darauf aufmerffam, dah die unmittelbar bevorftehenðe
Eröffnung der großen Jahresausſtellungen
das Fntereffe an der regelmäßigen reich illuftrirten Berichterjtattung über
Sas deutfche Kunftfchaffen zu mehren und uns neue Gönner und Freunde
zuzuführen geeignet ift.
Wir beginnen das neue Quartal mit einer
Berkomer-Dummer
Seren illuftratives Material, uns von dem Meifter felbjt beveitwilligft zur
Verfügung geftellt, eine große Zahl bisher noh nicht veröffentlichter
Schöpfungen bringt, während der Tert einen intereffanten Einblid in das
fic) auf allen Gebieten bethätigende Geiftesleben des eigen-
artigen Riinftlers gewährt.
Nr. 15 der „Deutfchen Runft“ erjcheint
Mitte April,
h/
Berlin,
im März 1898. ~ N
Redaktion und Verlag
der
„Deuffchen Kun.“
Deutſche Kunſt.
Peiblatt: Das Helier.
Slluftrirte Seitichrift für das gefammte deutiche Kunitichaffen.
Eentral-Organ deutfcher Runft: und Rünftler:Dereine.
Alle 14 Tage erjheint eine Nummer. Herausgegeben von Alle 14 Tage erfheint eine Nummer.
Preis vierteljährlih 2.80 Mart. Ainferate: 40 Pfennige für die 4 ge-
Poftzeitungslifte Ar. 1174. Georg Malſtowsſin. fpaltene Nonpareille-Zeile. "
eee und Berwalfung Berlin W.57, Steinmehfir. 26.
— des — Runftoereino in Berlin, des — — in Breslau, des Runſtvereins für das PER Heffen in Darmftadt, des Anbaltifhen Runft-
vereins in Defau, des Württembergijchen Runftvereins in Stuttgart, des Schleswig - Holfteinifchen Runftvereins in Riel, ‚der Runftvereine in Münden, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera,
Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Börlik, Danzig, Rönigsberg, Stettin u. a.
Ar. 12. 24. März 1898. I. Jahrgang.
Die Dachauer.
>
7 ie Ausdrudsmittel Ser Malerfunft beruhen auf Gegenfagen; wenn man
‘ genau 3ufiebt, fogar nur auf zweien: heil, Sunfel und falt, warm. Der
ras Gegenfak zwifchen fpiker und breiter Behandlung oder ſcharfer und weicher
KS liegt nidt urfpriinglid) im Wefen der Malerei, fondern in der Hand des
jeweiligen Rünfilers.
Die fünf Maler, die jekt zum erften Male vereinigt als ,,Dadauer an die
Oeffentlidfeit treten, bedienen fic) fat ausfhlieglih des Mediums faltewarm; fie
haben die Endpunkte ihrer Daleurffala zwifhen bell und dunkel fehr nahe zufammen-
gerüdt, die Skala felbft auf ein Minimum eingefhräntt. Die Skala der Farbwerthe
zwifhen Palt und warm haben fie um fo reiher ausgebaut.
Das Refultat ift eine Malerei, Sie eminent viel Stil hat.
Es gehört augenblidlih Charakter dazu, in Deutfhland eine Arbeit heraus-
zuftellen, die fid) bewußt von jedem Liebäugeln mit „Aaivetät* fernhält. Es ift
‘ehr „modern“ und feines Erfolges beinahe gan3 fider, fic) den Anfhein zu geben,
als ob man eigentlid) faum zeichnen und malen gelernt habe. Niekfhe hat das
Wort vom „Bildungsphilifter* in die Welt gefekt; nun, es giebt aud Runft-
Bildungsphilifter (die ungefährlieren unter ihnen jchreiben wenigjtens nicht). Diefe
Spezies von homo sapiens urtheilt nun augenblidlid, daß, wenn ein Riinftler fo
recht ungefchidt fi) zeigt und dann gar nod anfprudslofe ländlihe Motive malt
—- ja, da muß das doch tief, tief drinnen bei ihm figen! Man giebt fih fo gern
den Anfıein, als ob man bis in die innerfte Seele erregt werde Surh ein- Runftwert.
Daher die heilige Verehrung, wo man diefe tief innerlihe Naivetät zu wittern glaubt,
die uns Allen abgeht, unferer geiftigen Entwidlung nad) abgehen muß. Bezeihnend
für die innerlihe Unwahrheit diefer Bewegung ift, dag ibre Anhänger kühnlichft die
großen fontainebleauer aud zu den Ylaiven rechnen, fie, die alle Schulen durdlaufen
batten, ebe fie dazu tamen, fih ibren Stil, voll Raffinement und fomplizirtem
Empfinden, bewußt zu bilden.
Die fünf „Dachauer“ find in ihrer Runft raffinirt bis zum Aeußerflen; echte
Söhne ihrer Feit, die nicht in Nirgendsheim ein befhaulihes Einfiedlerdafein führen,
fondern mit allen fafern im Rämpfen, in der Entwidlung ftehen. Bewußt ſuchen
fie Kunft, das beißt: Ausdrud ihres perfönliden Empfindens in einer Form, die
ihnen „õie foöne“ ift. Sie fuchen diefe form zu hddfter Vollendung zu fteigern
und fie fo zum prägnanteften Ausdrudsmittel für ihr Empfinden zu erheben. Sie
Alle haben die eben vorübergegangene Zeit des Ringens, den Naturalismus, jhon
als reife Arbeiter, nicht als Lehrlinge mitgemadt. Die Runftformel, die fie fic jetzt
bewußt zur Rihtfhnur gemacht haben, lag fhon vor in allen standard works der
Alten. Auf der Unterdriidung Ser Tonwerthe und der reihen Differenzirung der
Farbwerthe beruht die gewaltige. Deforationswirfung, die uns in allen Galerien
alter Runft in Bande fhlägt. Die Anwendung diefer ‚Formel auf modernes Aunft-
jhaffen gefhieht bei den Dachauern gleichzeitig mit den Führenden in allen Runft-
ländern (Wbiftler, die. Schotten, Brangwyn, Wmman-Fean, Carriere). Die Anwendung
der formel auf das durd den imprefjioniftifhen Naturalismus und sie Einflüffe
§. §. v. Uhde, Alter Mam., . . der japanifchen Aunft Errungene bringt den Stil der „Dadhauer* zu Stande.
Deutfde Runf.
Seit Jahrzehnten bildet Dahau den bequemen und ant-
baren Studienplag für die Mündyener Rünftlergemeinde. Schon
als die Cifenbabn es nod niht zu einem in einer Stunde
erreihbaren Ausflugsort madte, zogen feine einfahen flad-
landfhaftsmotive mit der in der ferne faum fihtbaren Gebirgs-
fette die Malersleute aus Münden herüber. Schleich hat viel
dort gemalt, auh Lier. Später, als die naturaliftifhe Be-
wegung einfegte, ging Ubde und die um ihn dorthin.
find es wieder die führenden, die dort finden, was ihnen zu-
jagt: Dill, Hölzel, Rönig, Canghammer. Hölzel wohnt
Winter wie Sommer
draußen.
Wenn man mit der
‚Eifenbahn durd das
„Dachauer Moos“
fährt, will es Einem
[hier verwunderlid
erfcheinen, daß eine
fo abmedslungslofe
Ebene die Maler an-
ziehen fann. Aber
Papa Schirmer fagte
fhon: „Die flein-
ften felfen geben die
größten Bilder.‘ Die
haftende Amper, die
oft morgen fih ein
ganz anderes Bett
macht wie heut, jetzt
taum fihtbar und
eben zollhoch über
den Boden rinnt,
dann wieder tiefe
Riesabftürze und
Locher auswiiblt; das
rothbbraune Moos,
unterbroden durch
fpärlihe Föhren- und
Birfengruppen, dazu
Dachau felbft, derda-
rakteriſtiſch bayeriſche
Flecken mit weiß—
geſtrichenen Häuslein
und ſchwarzen Schin⸗
deldächern; das Alles
überſpannt von dem
eigenen Dachauer
Himmel, an dem die
beſonderen Terrain⸗
verhältniſſe und das
nahe. Gebirge ganz
wunderfame Bewöl-
fungen und Beleud-
tungen fhaffen: Jedes
fleine Edlein giebt
ein Bild. Und nun gar, wenn befondere Ereigniffe eintreten, die
Schneefhmelze im Frühjahr, oder wenn die Amper toll wird und Alles
überfhwenmend der Landfhaft ein ganz neues Antlit giebt. Um-
geriffene Baume ftreden dann gefpenftig ibre fahlen Wurzeln in
die Luft; wo geftern nod weiche Moostiffen waren, liegen heute
Riese un Schutthalden, und tiefe Abftürze reißen dem fhwarzen
Moorboden fein braunes Pflanzenfleis ab. Dann neigt fih
die Sonne, Alles badet fih in gluthrotbem Schimmer, . die
Abendnebel lagern fich ziebend über die Ebene, dem Gegen-
ftändlihen ‚die Beftalt verjchleiernd. Plößlih, mit zauberifhem
Licht, fteigt der Mond auf. Ganz neue, heimlideftille, große,
einfame Stimmungen: befchleihen die Seele.
AU Sem find „Sie Dachauer‘ nahgegangen. Am meiften
Dill, Ser fih ausfhlieflih auf Landfhaftsfhilderungen be-
fhräntt. Bet ibm, wie bei all den Anderen, ift vielleicht die
Jetzt
Hugo König, Mondnacht.
intereffantefte Eigenfhaft der bier zur Schau gebrachten Werke,
die ftarfe Individualität, die fih trog der befhräntenden formel
in jeder der Arbeiten zeigt. Cigentlid) mufte ja diefe Formel
aud gerade dazu beitragen, die Individualität zu heben. Denn
mit den Valeurunterfhieden hebt fic ja aud die rein lineare
und zeihnerifh objektive Schilderung auf; bewußt gehen die
Dadauer dem nad, was Yloten in ihrer Mufit bedeutet; alles
in ihrem Sinne Unbrauhbare unterdrüden fie. €s muf fih
alfo gerade bierdurd zeigen, was für SLinienmelodien und
Farbharmonien ein Jeder im Herzen bat. Dill bat einft in
è feinen naturaliftifchen
Schilderungen aus
Denedig u. Chioggia
ein ganz perfönlicdhes
Bepräge gezeigt durch
die Kedbeit, das Un-
erwartete feiner Aus-
fhnitte aus der Yla-
tur, den Japonismus,
der ihn oft ein ganz
Ylabes riefengroß über
ein winzig fleines
Fernſtes als „Ueber-
fhneidung ziehen ließ.
Wir finden diefen Zug
bier wieder. Der
ftärft hat fic) mit der
freieren Anordnung
fein Sinn für den
Rhythmus der Linie
und die Dertheilung
der Mailen. Das
feinfte Empfinden für
Differenzirung febr
nahe liegender farb-
töne hatte er foon,
er bat es ausge
bildet zu einem felten
feinen Befhmad für
weide, leife Har-
monien.
Hölzel bat in
feinen Malereien
(Wilderer, Wald-
- inneres) die frühere
ſchlichte Ungezwun⸗
genheit bewahrt. Das
Intereſſanterevon ihm
auf dieſer Ausſtellung
find aber feine Zeich-
nungen: meift land-
fhaftliche Motive mit
graubrauner oder
grünbrauner Kreide
auf einem ftumpf-
farbigen Papier, leicht weiß gehöbt. Man fehe, wie Surh die
lodere Art des Auftrages der Farbfreide das Spiel der Luft
gegeben ift, wie reihe farbige Wirkungen mit dem Nidts an
Mitteln erreicht find, wie die Bewegung Ser Baume in diefer
leisverfdwommenen Silhouette fic) ausdriidt. Dabei it ftreng
der Charakter und das Wefen jedes Baumes gewabrt.
Don Arthur Langhammer feffelt namentlic die, Yaufitaa'.
€s ift eine ganz eigene Auffaffung Homer's, die Cangbammer
bier ausfpridt. Wir haben fhon einmal ein Bild voll des-
felben Humors von ibm gefehen: den braven alten Einfiedler,
der den Teufel bei der Gurgel batte und wader abfchüttelte,
Sieweil die lieben Engelein ihm indeffen fein Wafferfriiglein
berzutragen, damit der fromme Mann fih jtärfen tonne nad dem
heiligen Werte. Aud aus diefer „Naufitaa laht ser Schalt:
Wie der „göttlihe Dulder“, Ser febr abgeduldct ausschaut,
Arthur Sanghammer, Jm Wirthshaus.
hinter feinem Bufch bervorlugt und der Schwarm der Mägde
von der großen Wäfhe auffährt und auseinanderftiebt gleidy
ciner Schaar Bänfe, wenn es blitt, das ift föftlib. Man hört
förmli das Bekreifch der fhämigen Jungfräulein, die der nadte
Mann erfchredt. Es it wunderbar, dağ Langbammer, der
fo berb und ernft fonft ift, einen fo vollen Humor bat.
feinem ganzen Ernft zeigt ihm Sie „Heimkehr; Eine, die ine
zwifhen Stadtdame geworden ift, Febrt in ibr beimathlides
Deutfhe Runft.
Jt
223
Dorf zurüd. Unter den Handzeihnungen ragt die mit meifter-
lidhec Breite hingeftcichene Gruppe von Köpfen der „Trinker*
hervor.
Hugo König fikt nist gleich den Dorhergehenden fo un-
entwegt in Dadhau. Seine ,,Mondnacdht und das feine Rinder-
porträt zeigen es. Auf der Mondnacht figt eine weiß gefleidete
Dame in einem weißen Zimmer am Tifd, Surh das Fenfter
fpielt der Mond. Es liegt eine fchwermiithige Poefie in Sem
Bilde, ein banges Sehnen. Es ift malerifh faft eine Sym-
pbonie in einem griin-weifen Tone zu nennen. Rénig's land-
[bafilide Schilderungen find intime fleine Eden aus Dachau.
Der Altmeifter der „Dachauer“ und allen jungen Kunft-
fhaffens ift frig von Uhde. Er hat ein gewaltig harafterifirtes
„Bildnig eines alten Mannes eingefandt. Es ift mit der
maästra eines großen Malers bingeftrihen und von der tief
jeelifch.n Auffaffung eines großen Künftlers Öurhdrungen. Es
fpriht aus dem Bilde etwas, niht von der heruntergefommenen
Eleganz, die zum Spott reizt, fondern von der ins Elend ge-
fommenen Tiidtigfcit, die nie wieder fih aufraffen wird —
und das ergreift jo am dem Bilde. — Malerifch zeigt es,
namentlih mit der größeren Arbeit gn der Sommerftifche‘
verglichen, Sie erft wenige Jahre alt it, wie Uhde fih fort-
während wandelt. „gn der Sommerfrifhe“ ift eine Gruppe
junger Mädchen in einer Gartenlaube mit Sonnenfle#hen und
fpielenden Schatten: eine große Studie,
Ter gemeinfame Charafterzug, der „Die Dadhauer“ ver-
bindet, ift, daß fie als reife Riinftler ausgegangen find auf die
Suhe nad Stil: saber das reife Refultat, das fie wefentlid von
jungen Nidhtfönnern unterfdeidet. Carl Cangbammer.
100 Jahre im Dienfte der Kunft.
ie in jedem Berufe, jo fpielt aud in den Erwerbszweigen, die mit
der Runft zufammenhängen, die Familienteadition cine mädtige
d Rolle. Wir fehen bei den unabhängig fhaffenden Künftlern
häufig Siefelben Namen wiederfehren, der Beruf iibertragt fid vom Dater auf
Sohn und Enkel, ohne Rüdfiht auf perfönlihe Neigungen und Eigenfchaften,
als ob das Talent, defjen Vererbung ohne Weiteres angenommen wird, wie
Surh ein Privilegium in den dauernden Befiz der Familie mit eingejchlofjen
fei. Die Träger eines berühmten Namens find oft übel berathen, weil die
meiften Menfchen deren Schaffen nicht beurtheilen Fönnen, obne mit dem
bedeutenden Dorfabren einen Vergleich zu ziehen, der
meiftens zu Ungunften des Epigonen ausfällt. Uebrigens
find and genug Beifpiele befannt, daß fic die Fähigkeit,
die Natur nahzugeftalten, duch ganze Bejchledter hin-
durchzieht und als ein immer fhwäder werdendes Natur-
bedürfniß, fid irgendwie zu äußern, auftritt, das aus
fortfdreitendem Mangel an innerer Kraft ganz allmälig
abftirbt.
on den reproduzirenden Riinften, wo praftijche
Gründe mitjprehen. und tednifche Erfahrungen und
Erfindungen in den Vordergrund treten, läßt fib die
Ueberlieferung des Standes weit eber rechtfertigen, weil
bier die Gndividualitat des Einzelnen nidt die Grund-
bedingung if. Der Name Felfing ift mit den grapbi-
{chen Künften auf diefe Weife feit einem Jahrhundert
aufs innigfte verknüpft. Die männlichen Vertreter der
Familie, die fih durd vier Generationen hindurd theils
als Rupferdruder, teils als reprodusirende Rupferfteder
in den Dienft der Runft ftellten, verftanden es, das
Dermädtnig des Berufes in Ehren zu halten, ja, das
Anfeben des Haufes, das fic aus den befcheidenften
Anfängen entwidelt hatte, duch Pflichttreue und umfich-
tiges Streben in einer Weife zu fördern, welde für die
Runftpflege unferes Gabrhunderts die mannigfaltigften
Wedfelbeziebungen ergab. Mit Sem Anfbliiben des
Gefhaftes und feiner fteigenden Leiftungsfähigfeit war
der Zufammenhang mit den erften Riinftlern der Zeit
sefhaffen, welhe zum Theil mit dem Haufe feling in ein febr nabes
Freundfhaftsverhaltnif traten. Die familiendronit, Ste anläßlich der Feier
des J00jabrigen Beftebens der Firma in form eines reih ansgeftatteten
Pracdtwerles erfdhien, giebt uns an der Hand. der perfönlihen Erlebniffe einen
interefjanten Ueberblid über die Entwidelung der Schabkunft im J9. Jabr-
hundert. Als Beiträge zu derjelben find im Folgenden dem Werke einige
Hüge von allgemeinem Jntereffe entnommen.
Am Ende des 18. Jahrhunderts gelangte die Runft des Rupferftids in
Srantreih zu hoher tehnifher Vollendung. Das verfhwenderifhe Leben am
Ludwig Dill, Dachau,
224
Deutfhe Runft.
Hofe Ludwig XVI. 30g einen Rreis Riinftler in feine Nähe, die allerdings
in einer gewiffen Abhängigkeit vom Gefdmade des Hofes nidt iiber den
Inhalt lüfterner, Iasciver Darftellungen binausfamen. Unter den wenigen
Malern, die felber den Stidel in die Hand nahmen, zeihnete ih Michel
Moreau le Jeune mit feinen lebendigen Darftellungen aus dem Parifer
Tagesleben aus. Neben der Budilluftration, als welche dee Rupferftid fid
großer Beliebtheit erfreute und mandhe berzlih unbedeutende Dichtungen der
Dergeffenbeit entriß, gelangte der Bildnifftid in Franfreih zu großer Blüthe,
der befonders in der verjdiedenartigen Behandlung des Stoffes, wie Pelz,
Leinen, Sammet, Metall, vorzüglibe Leiftungen aufwies. Mit gleidem
Blätthen, den fatirifhen Schilderungen des Berliner Spießbürgerthbums fih
allgemeine Anerkennung errang, wie er aud) das Gebiet der Budilluftration
wefentlid förderte,
Da es in Deutfhland an eigentlihen Lehrern des Rupferftihes gebrad),
fo begte der junge Job, Conr. felfing, der fhon in feiner Kindheit
allerlei Handfertigkeit und Befhid im Zeihnen (3. B. im Ropiren
Chodowiedi'fher Blätter) befaß, den fehnlihiten Wunſch, ib in Paris bei
dem Aupferftecher Wille ausbilden zu laffen. Da jedod nad den eingezogenen
Erfundigungen eine Lehrzeit in Paris die väterlihen Mittel überftiegen hätte,
fo fab fic) der nit unbegabte Felfing genötbigt, in felner Heimath Darmftadt
A. Hölzel, Der Wilderer,
Erfolge befleifigten fih englifhe Aupferftehee des Portraitftiches, der mit
dem Auffhwung der dortigen Bildnifmalerei im Verhältniß ſtand. Im All—
gemeinen fchufen die Englander, wie aud die Franzofen wenig felbftftändige
Werke, fondern bejhäftigten fih insbefondere mit der Wiedergabe der
bolländifhen Meifter des 17. Jahrhunderts (D. Green und W. Pether).
Die neuerfundene Punftirmanier des in London lebenden Italieners
JS. Bartolozzi fand bald allgemeinen Beifall. Während man in Ftalien
duch Windelmann's Einfluß wieder Gefallen fand an dem Meifterwerfen der
Renaiffance, welde duch die allerdings verfladenden "Stihe des Giov.
Dolpato und feiner Schule die weitefte Verbreitung fanden, wurde in Deutfch-
land der Kupferftih nur ganz vereinzelt gepflegt. Am Hofe des kunftfinnigen
Rarl Theodor wirkte der Malerradirer Kobell; eines der glüdlichften Talente
entfaltete fh in dem eigenartigen D. Chodowtedi, der zunädft als
Dilettant verjhiedene Runftzweige ausübte, (pater aber mit jeinen fleinen
zu dem wenig fünftlerifh veranlagten Böpfert in die Lehre zu gehen. Hier
bejihränfte ih feine Thätigfeit hauptfählid auf Bildniffe in Punftirmanier,
auf topographifhe Arbeiten und Titelfupfer fiir Bücher, die feine Haupt-
einnahmequelle bildeten. Das Hauptwerk J. Felfing’s, die Artemifia, verräth
in der Wiedergabe des nicht befonders glüdlih gewählten Originals ein hohes
Maß tehnifihen Rönnens. Don den Söhnen Joh. C. Feljing's, weldhen eine
vorzüglibe Erziehung zu Theil wurde, befag der ältere Heinrich eine ans-
gefprodene Vorliebe für die Naturwiffenfhaften, die ihm im fpäteren Alter
febr 3u Statten fam. Mit feinem Schulfameraden 5. Liebig trieb er Spielereien
und Studien in der Chemie, welche nahmals auf feinen Beruf beftimmend
wirkten, fo daß er dem Aupferftih völlig entfagte und fic) lediglid auf den
Drut der Platten befdhrantte. Während er fih in Paris in der Rupferdruderei
von Chardon werthvolle praktifhe und theoretifche Renntnifje erwarb, lernte
er dort Riinftler erften Ranges wie Meifjonier Pennen. Nadh der Heimath
i ahd lin ee ee
3uriidgefebrt, trieb es ihn, wo er nur
eine Möglichkeit fab, Derbefferungen
anzubringen; das Papier wurde der
Drud-und Auffaugefäbigfeit angepaßt.
Tagelang befhäftigte er fih mit
Farbenproben, um die fhönfte und
harakteriftifchfte Wirkung eines Stiches
herauszufinden. Anftatt die Farben
aus der fabrit zu beziehen, betrieb
er felber deren Herftellung, um die
Neigung zur Zerfegung in den ver-
fhiedenartigen Zufammenfellungen
des Materials fonftatiren zu fönnen.
So fammelte er eine Zeit lang die
Rerne der Weinbeeren, um durch deren
Derbrennung einen möglihft vorzüg-
lihen Ruß zu gewinnen. Die Randbe-
merfungen an feinen Probedruden find
befonders werthvoll, da fie über das Verhältniß des angewandten Materials
und feiner Beftandtheile, wie über das Zerferen und Auswadfen der Farbe
genauen Auffhluß geben. Zuftus Liebig fonnte ihm in mander Beziehung
zur Hand geben; feine Briefe bezeugen das berzlihfte Verhältniß beider
Freunde,
Sorgfalt verwendet. H. felfing fonftrnirte ein eigenartig geformtes Meffer,
weldes die Sandfsrnden ang dem Papier entfernte. Cine technifche Erfindung,
die heutzutage noh niht übertroffen ift, beftand in einer befonderen Art, das
Papier zu bleihen, um die Wirfung zarter Fleifchtöne zu erhöhen. ndeffen
hatte fih and fein Blit für die fünftlerifche Seite des Berufes gefchärft, fo daf
er auh bier durch Erperimentiren zu neuen Ergebniffen gelangte und durch
das Stehenlafen des Tones an diefer, durd das Wegpußen an jener Stelle
ganz eigenthümlihe Wirkungen erzielte, die oft den Riinftler felbft überrafchten ;
bisweilen wurde ibm die Anerkennung zutbeil, mehr aus der Platte gemadt
zu haben, als urfprünglih hineingelegt war. Die ehrenvollen Aufträge von
Rünftlern, Derlegern und "Aunftvereinen häuften fid. Mit Künftlern wie
Raulbadh, Steinle, Brimm, Schirmer fnüpften ih freundfchaftlice
Beziehungen an; der Briefwechjel derfelben mit Felfing läßt diefen als den
allgemein gefhästen Freund und Berather erfennen. Unter den berühmteften
Blättern, die damals aus der Druderei hervorgingen, befanden h u. A.
die Stihe von Jakob Felfing (des Bruders von Heinrid f.) nadh der
Mater dolorosa von Leonardo da Vinci, ferner der Diolinfpieler nad
Rafael, Madchen am Brunnen nad Bendemann. Der beriihmtefte Stih ans
jener Zeit it Steinle's „Madonna des Biirgermeifters Mever“ nad
UA. Hölzel, Stizze. '
Auf die Subereitung des Chinapapiers wurde eine befondere,
Deutfhe Runf. 225
H. Holbein, der in der Ausftellung
im Louvre Epoche madte. Einer weiten
Verbreitung erfreuen Ah heute noh
die Stihe von Tofdhi, die Krenz-
tragung nad Rafael und die Rreuz=
abnabme nad Daniel di Volterra.
On wenigen Jahren hatte fid die
Druderei einen Weltruf erworben, als
die Erfindung der Photographie einen
großen Umfhwung in den graphifden
Rünften bervorrief. Infolge politifcher
Wirren begann auch der Unternehmungs-
geift der Derleger zu ftoden und die Un-
gunft der Zeit machte ih beim Druder
ebenfo wie beim Stedher bemerkbar.
Als der Sohn Heinr. Felfing’s Otto
aus der Gewerbefdhule entlajjen war,
wollte ihn der Vater trog feiner aus-
geſprochenen Neigung nicht zum Kupferſtecher beſtimmen, da die Photographie
dem Kupferſtich den Untergang zu prophezeien ſchien. Nachdem der Sohn
zwei Jahre in einer Kunſtſchloſſerei thätig war, kehrte er, von der Sorge um
den alternden Vater getrieben, dennoch in deſſen Werkſtätte zurück, um
den entſchieden ausgeſprochenen Wunſch, das Geſchäft fortzuführen, nun zu
verwirklichen. Die Thätigkeit der Druckerei kam ganz allmälig wieder in
Schwung. Die Kunſtvereinsblätter und die Drucke aus der Glanzzeit des
Klaſſtzismus lieferten ein reiches Erträgniß. Dazu geſellte ſich die Nutzbar—
madung der Galvanoplaftif, mit der ih Heinrih f. ſchon lange beſchäftigt
hatte. Die Erfindung der galvanoplaftifcben Derftählung der Platten übertraf
indeffen alle früheren Derfuce, die auf diefem Gebiete gemadt waren. Die
bisher weide und fcnell abgenugte Rupferplatte lieferte von nun an eine faft
unbegrenzte Anzahl von Abdrüden; mandhe Riinftler und Runftfeeande waren
indefien nict- fehr über die Erfindung erfreut, da man annahm, daß der
eigenthiimlide Schmelz der DBorzugsdrude verloren gehe. — Als Otto
Felfing auf Wunfd des Daters fünf Jahre in London in der Aupferdruderei
von Mac Queen zu feiner weiteren Ausbildung zugebradt hatte, wohin ihn
‘Profeffor W. Unger empfoblen, trat er wieder in das väterlihe Befhäft ein,
um dem Such Arankpeit gefhwächten Vater eine Stüge zu fein und fih fiir
die felbftftändige Befhäftsleitung, die im Fahre 1870 erfolgte, vorzubereiten.
Die Druderei war wieder im Aufblühen, als die Ariegserflärung erfolgte
und eine Stodung des Betriebes verurfadte. Mit dem Siege der Truppen
fehrten indeffen auch Unternehmungsgeift und gefhäftlihe Thätigkeit zurüd.
In der Wiedergabe der Madonna di San Sifto, welde Profefor Keller
Arthur Langhammer, Haufifaa.
226
felbft nad Darmftadt bradte, konnte felfing feine ganze Rraft einferen.
Das Gelingen diefes Blattes, deffen Dorzugsdrud ihm indeflen nur übertragen
war, brachte ihm weitere Aufträge ein, wie die Aunftvereinsblätter füc Dresden,
die Stihe von Eilers (der Zinsgrofhen nah Tizian) und Prof. Mandel
(Madonna Paushanger nah Rafael). Die Bründerzeit mit ihrem haftigen
Betriebe, mit dem fehnellen Wedel von Befiz und Firmen madte fh aud
in der Rupferdruderei bemerkbar. Jeder fuchte feine Waare fo fcnell wie
möglich umzufegen, und da das Hine und Herfenden der Platten viel Zeit
in Anfprudp nahm, fo entging der Firma Felfing mander Auftrag, der ihr
in Münden oder Berlin zu Theil geworden wäre. nfolge deffen fiedelte Felfing
mit Gefhaft und familie nah Berlin über. Wenige Tage, nahdem das neue
Heim bezogen war und fih Sie Befhäftsthätigkeit in der gehofften Weife
ausgedehnt hatte, erlag ©. feling einer unbeilbaren Rranfheit, von deren
Dorhandenfein er lange Feine Ahnung gehabt batte. Don den fünf Rindern,
welde er hinterließ, war
feines erwadfen, die
energifhe Battin verftand
indeffen das Geſchäft
fortzuführen, indem fie
dem langjährigen Mite
arbeiter ihres Mannes,
Cont. Belt, die Leitung
überteng, welde {pater
der Sohn Wilhelm,
nahdem er ebenfalls in
England feine Lehrzeit
zugebradt, übernahm.
Nadhdem alle größeren
Stürme, die dem Haufe
drobten, voriibergezogen,
fhien die Zukunft der
Anftalt gefihert, Sie viel-
leiht gerade dadurd, daß
fie in den Händen der
Familie blieb, deren be-
tedtigter Stolz und Ebr=
geiz Pein anderes Lebens-
ziel fannte, einem immer
größeren Auffhwung
nahm und das Voll-
fommenjte, was auf ted-
nifhem und fünftlerifchem
Gebiete zu erreichen war,
anftrebte. Es würde zu
weit führen, wollte man
alle die Beziehungen
anführen, die fih zwifhen Künftlern, Kunftvereinen, Malern, Radirern
und Radirvereinen anfniipften; die verjhiedenen neuen Verfahren, deren
fih felbftfhaffende und reproduzirende Runftthätigfeit bediente, gereichten
der Rupferdruderei zum Vortheil. Die Originalradirung als vornehmftes
Augdrudsmittel der Schwarzfunft Fam immer mehr in Aufnahme, wohingegen
die reproduftive Nadirung die Alare, aber zeitrsubende Technik des Brabftihels
faft ganz verdrängte. Unter den vielen Rünftlern von Namen und Bedeutung,
welche feling ihre Platten übergaben, foll nod eines gedacht werden, namlid
Mag Rlinger's. Seine erften größeren Radirungen nad Bödlin’s „Todteninfel“
Ludwig Dill, Sommerabend im Moofe.
Deutfhe Runt
und ,,ftiiblingstag", fowie feine fpäteren felbftfländigen Schöpfungen, wie
die Brabms-Phantafie, bezeichnen die Hdbe fünftlerifher Ausdrudsfähigfeit auf
der Aupferplatte, wie fie in diefem Jahrhundert nicht übertroffen wurde.
Aud auf dem Bebiete der fo lange vernadhläffigten Budilluftration und
Buchverzierung madte fid ein Auffhwung bemerkbar. Man hatte den Muth
gefunden, mit den unverftandenen Nahahmungen, dem gejhmadlofen und
übertriebenen Schnörkel der Renaiffance und Rococoperiode aufzuräumen, und
fuchte au in der inneren Ausftattung der Bücher, den Dignetten, Leiften und
fonftigen Derzierungen einem einfacheren und natürlideren fünftlerifhen Bes
dürfniffe Rehnung zu tragen, die veralteten Formen zu befeitigen und fic einer
lebenden Sprade zu bedienen, welhe zum Ausdrud des Empfindens wurde.
Während man nun einerfeits die Anregung dazu direft aus der Natur felber
fböpfte, und namentlic) die formen der Pflanzenwelt aufs intimfte ftudirte, fuchte
man andererfeits aud den Fleinften Verzierungen einen wirklihen Gnbalt 3u geben
der mit dem Tert im
Zuſammenhange ſtand
oder ohne Beziehung zu
demſelben eine ſelbſt—
ſtändige Kunſtleiſtung
darſtellte, als ein in ſich
abgerundetes Stim⸗
mungsbild. Das fel-
ſing'ſche Werk iſt beſon⸗
ders reich an Zierleiſten
der letzteren Art, die auch
in techniſcher Beziehung
ein beſonderes Intereſſe
beanſpruchen, inſofern ſie
die ſchlichte Manier des
älteren Holzfhnittes be-
vorzugen.
Die von uns repro-
duzirten Dierleiften von
J. Staffen — and in
der Ar. II bradten wir
zwei derfelben — ver-
förpern im Anjhluß an
den Text einen tieferen
Stimmmgs- oder Ge-
dantengehalt, bald -ein
naives Yaturempfinden,
bald eine bewußte fünft-
lerifche Naturbetrachtung.
Mit Märhenblumen bes
fränzt ftarrt großäugig
ein pbantaftifher Mäd-
denfopf in die ‚Felslandfhaft binans; lorbeerbefränzt zeigt die Poefie dem
Wanderer die Schönheit der bügeligen Ebene; mit eifrigem Bemühen mift
der Runftjünger mit dem Stift die Verhältnifje eines bingeftredten männ-
lien Körpers. Das ift im Begenfag zu dem leeren Linienfpiel der
unverftandenen Renaiffance ein redendes Ornament, das nad Mittheilung von
Empfindungen drängt.
Das Jubiläumswerf der felfing'fhen Runftötuderei ift reid) an folden
Anregungen und gewinnt jo eine Bedeutung, die weit über den Gelegenbeits-
awed binausreidt.
Die Dereinigung der XI. bei Schulte.
Die Ausftellung von Künftler-fithographieen im Kunftgewerbe-Mufeum.
ie arme Pfyche hat immer noh viel auf Erden zu leiden. Sie muğ
fidh mit der Prophezeiung eines feligen Endes im Olymp begnügen.
C.D Venus felbft bat im alten Mpthus die Qualen verhängt; der modernen
Seele erfteht aud) aus dem Reich der Schönheit eine Peinigerin. Jn unferen
Runftfalons wird vielfad unerbittlih gegen äfthetifhe Feinfühligkeit zu Felde
gezogen. Rettungsvorridtungen zum Schutze der Bürger feinen felbft bier
geboten. Yur der wirflid) Pringipienfefte vermag im allgemeinen Anftuem
feinen Standpunkt zu behaupten. Die Vereinigung der XI in Schulte's
Oberlidtfaat ftellt ftarke Fumuthungen an genuffudendve Befhauer. Da werden
von Landfhaftern, Portraitiften, Symboliften und Blumenmalern fhlimme
Ausfälle gegen äfthetifhe Bedürfnife gewagt. Mur Weniges entlaft in be-
friedigter Derfafjung. i
Dazu gehören Schnars- Alquift's liebevoll gemalte Seeftüde, aus
denen echtes Naturvertiefen jpriht. Sein Wafer ift gut bewegt, fiher im
fhieferblauen Ton getroffen, nur der Schein des Nafien niht glaubhaft
genug erreiht. Skarbina ift in einer ganzen Reihe theils vortrefflider
— EPHE" -
Deutfhe Runft. ;
Jnterieure und Straßenftudien vertreten. Jn Jeihnung und Rolorit find be-
fonders die Farmbilddhen aus der Picardie Fleine Meifterftiide. Der aus-
gefprodene Maturalift Diderot hat einmal betont, daß der Begriff des Wahren
mit dem des Schönen und Guten nahe zufammen gehört. Nadh diefem Maß-
ftabe würden des vielgepriefenen Mag Liebermann in der Auffaffung wohl
harakterifche, aber an Tönung und Detail fo jedes anmuthenden Seelenreizes
bare Portraits feiner Eltern und eines Dr. £. nit voll gelten. Sie
feinen mit gleicher Rälte des Verwandtſchaftsgefühls dargeftellt wie die
literarifchen Geftalten Beorg Hirfhfeld's.. An einer Oelffizze aus der felt-
famen, farbenreihen Amfterdamer Biebelwelt hat Liebermann’s Pinfel offenbar
mit größerer Zärtlichkeit ges
malt.
Hier wären wir fon
anfangs zugleih am Ende
der Tafelfreuden. Friedr.
Stabl’s forgfältiges Laub-
und Blumenbeiwerk entjhä=
digt niht für die Unzuläng-
liġteit der übrigen Spenden
feines Pinfels. Der einen
beftimmten Theil unferes mo-
dernen Publifums bypnoti-
firende Leiftifow hat fih
aufs Neue die incalculabel-
ften Leiftungen geftattet. Wer
in der maffigen Plumpbeit,
den breiten farbenflähen
feiner unmwabren „Herbft''-
oder „Weiden“ oder fonftigen
Naturftüde Gefallen findet,
erweift den Tufdfafteniibun-
gen der Kinderzeit allzu
pietatvolles Bedenken. Gn
dem großen „Waldbild am
See athmet allerdings
Didterftimmung in den teid-
umfäumenden, jonnendurd-
glähten. Kiefern. Einer nä-
peren Prüfung bält jedod
aub diefe Tedhnif nicht
Stand. Die reine Poeten-
feele fönnte den fanatifern
der Modethorheit keine fo
baufigenRonzeffionen maden.
£. von Hofmann fdwelgt
in feinem „Adam und Eva"
in füßliher Minnigkeit. Was
bilft es, daß der Rörper des
verführenden Weibes anga-
tomifh eraft gezeichnet, daf
ein gewiffer elegifher Hand
anziehend ausgegofjen ift. Die rofarothen Baume find ebenfo verlogen
und findifh wie das verwafhene Gelb und Blau des Bodens und Himmels.
Alimeifter Goethe hat fhon über die „gefhminkten Puppenideale"‘ gewiſſer
Pfendofünftler gehohnlädelt, wir find unferen Alajjifern gegenüber immer nod
nicht genug Epigonen! J. Albert's langweilige, farblofe Landfhaftstafeln,
G. Moffon’s zum Theil verblüffend ſchlaudrige Blumenftüde zeigten füh
beffer an verfhämten Atelierftellen. Dora Hit wandelt tapfer in einem
verſchmierten Mäddenportrait ihre Larriere'fhe Carrière bergab. M. Branden-
burg's fozialiftifhe Brandreden in fhmwarzeweiß entbehren in ihrer bis an
die Rarifatur ftreifenden Rrafbeit einer gewiffen Ueberzeugtheit nidt. Auf
feinem Bild ,, Die Todesnadt" dilettirt er in maiver Unfähigkeit. Das Portrait
einer jungen Dame ift eine ebenfo foloriftifd gefudte, whe ftofflid) unerfren-
lihe Arbeit. Als Zwölften haben fih die Elf Balutfhek zu Baft gebeten.
In feinen tühtig gezeihneten Arbeiten mit ihrer fejjelnden ‚farbengebung und
der pbhilifterhaftefatirifihen Auffaffung der Alltagsprofa ftellt er die meiften
feiner Gaftgeber in den Schatten. Fhm geftaltet fih das flachfte Alltagsleben
3u fpmbolifhen Perfpeftiven.
gn den übrigen Räumen ift aufs Neue für „breite Bettelfuppen“ geforgt.
Nur Weniges gewährt reinen Genuß. Hans Meier giebt fih in feinen
`
Hugo König, Birten,
227
feinfinnig und bdelifat gemalten Aqnarellen befonders reizvoll. C. Gehprts
Oelffiszen fiir die Runfthalle in Diiffeldorf find tiidtige, ziemlid) fonventionelle
Arbeiten. Ein neues Bismard » Portrait von Lenbad zeigt den Altreids-
fanzler in wenig fympatbifhem, verärgertem Ausdrud. M. von Studrad
entbehrt troß der Oblatenhaftigkeit Ihrer „Heiligen Nacht‘ oder einiger Genre-
bilder nicht des foloriftifhen Neizes und einer zarten Gnnigheit der feelifden
Belebung.
Niuntaczy’s Oelflizze „Vor der Derurtheilung‘ erzielt in ihrer düfteren
Charafteriftif und der energifhen Kraft breit hingefetzter Tonlichter tiefe
Wirkung. Don plafti~cdhen Arbeiten fällt eine Halbfigur Lö her's auf, die
Emanuel Reider als Dor-
lefer mit dem geiftretden
Aufleudten feines Blides
gut erfaßt hat.
* $ *
Jeder Freund eines fo-
liden, fünftlerifch [hönen Jim-
merfchmuds, jeder feind alles
Pfeudowejens wird die Aue-
ftellung von Rünftler-
Lithographieen im Lidt-
bof des Runftgewerbe-
mufeums mit hoher freude
begrüßen. Die fehr umfang-
reihe Sammlung ift ur
fprünglih für das Runft-
gewerbe-MufenminDüffeldorf
zufammengeftellt geweſen.
Die Räume des Berliner
Rupferftih-Rabinets erwiefen
fih als zu befthrantt für
ihre Aufnahme. Wir danken
der umfidtigen Dispofition
Direftor Jejjen's und der
neben ihm thätigen fad-
leute eine geradezu mufter-
bafte Umfhru im Gebiet
der modernen Lithographie.
Seit Senefelder im Fabre
1798 auf Brund des cin-
fahen Gefeges von der
Scheidung des Wafers vom
fett fein hemifhes Stein-
drudverfahren aufbante, hat
fi die Lithographie fhnell zu
allgemeiner Beliebtheit in
immer böberer — technifder
Dollendung entwidelt. Holz-
fhnitt, Radirung, Photo-
graphie madten ihr dann
den Rang ftreitig. Die freude
an einer Wiedergabe unmittelbaren Rünftlerihaffens ließ jedod die Lithographie
aufs Neue fieghaft die Herrfhaft aufnehmen. Ein hoher Reiz der großen
Ausftellung im Runftgewerbe-Mufeum ift das Studium malerifher Tedniken,
die fic) mit vollfommener Charakteriftit in der Lithographie wiederfpiegeln.
Da viele der Blätter verfäuflih find, ift jedem individuellen Befhmad Ge-
legenbeit geboten, mit einer Probe feiner bevorzugten Malmethode fein Heim
zu zieren. Don der Manier des altdeutjhen Holzfhnitts bis in die Pointillir-
art nenefter Mode ift die volle Skala zur Schau geftellt. Tie Meifter un-
ferer verfchiedenen deutfchen Malfchulen treten mit den Künftlern Böhmens,
Hollands, franfreihs, Belgiens und Englands in Wettbewerb und räumen
feinem das feld. Sharf betont ih aud auf fünftlerifhem Gebiet der Gegen-
fat franfreihs und Deutjhlande.
Die individuellen Vorzüge jeder Nation markiren h harakteriftifh, obne
daß ein Lebergewicht zugeitanden werden tann. Die geiftreihe Fußfpiten-
Grazie Chéret's, die für den Steindrud fehler fabelhafte Brillanz Lunois'
ftehen in ihrer Art ebenfo unecreicht, wie unferes Menzel Pinfel- und
Schabeijen-Thaten, wie des Dresdner Meifters Unger wuchtige Größe der
Charakteriftif. Gn der Auswahl der Blätter find die Runftzentren Deutfch-
lands, die hervorragenden Lithographen fernbecihs überfittlih zufanmen«
228
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F. Staſſen, Fierleiſte.
geftellt. Holland fpriht im Portrait und in der Landjhaft mit beredten
Dokumenten, Böhmen ift mäßig, Spanien, Belgien jehr fpärlid, befonders
England abfolut mangelhaft vertreten. Cigentlide Leiftungen der Plafat-
funft find diesmal ganz ausgefhieden. Nur vereinzelte, befonders in der
Mache geiftreihe Umfihläge, wie die Cheret's und die des foloriftifd un-
gemein pifanten Gbels, und einige deforativ hervorragend wirffame Arbeiten,
wie die mit meifterliher Dezenz getönten, in trefffiderer Charafterijif
gegebenen Blätter Dillon's und die großzügigen Werke von Rodegrojfe
und Steinlen find geboten.
Gn einem Mittelfhrank ift auf verfchiedenen Steinplatten ausgezeichnete
technifche Belehrung über Schab-, Aega, Asphaltir-Drudverfahren, über die
Anwendung lithographifher Materialien von dem Maler Geisler gegeben.
Profeffor Edmann bat die neuerdings beliebte Wlgraphie an einem un-
geätten Rreidebild auf Alumiumplatte veranfhaulidt. Eine Auswahl
muftergiltiger lithographifdher Gnftrumente der bewährten firma Hans Stein-
berg liegt zur Anfiht aus. Ein Rundgang durd den Lidthof führt uns
an einer Fülle glänzender, zum À
Theil befannter Arbeiten vorüber,
Ein fleifiges Studium diefer Aus-
ftellung würde eine wiinfdens-
werthe und bödft lobnende Be-
teiherung der fünftlerifhen Rennt-
niffe unferes Publiftums bedeuten.
Die Meifter der deutjben Städte
geben fih überwiegend in fhwarz-
weißen Werken. farbige Litho-
grapbien treten bei ibnen feltener
zur Erjheinung, am farbenfreu=
digften geben fih die fleigigften
aller Lithograpben, die Rarleruber.
Unfere Hauptftadt bat eine
würdige Dertretung durch Meifter
wie Menzel, frau Paczta-
Wagner, Liebermann, Star
bina, Ffedner, Geng gefunden.
Hier fheint die Lithographie mit
befonderer Freude in der Richtung
des harakteriftiihen Realismus
zu graviren. Stimmungen treten
zurüd. Die hervorragenden Schöp-
fungen der frau Paczfa wirken
aud in der Umgebung männlicher
Größen mit der ganzen Wucht
einer ftarf genialen Perfönlidfeit.
Ihre röthlich getönten Blätter find
auf Aluminium gezeihnet und
zeigen die Meifterin zugleih in
bober Vollendung ihrer Darftellung
des Rörperliden, wie als gedanten-
iefe Griiblerin. Unter den Münd-
€. Blehen, Palmenhaus auf der Pfaueninjel.
©, Felfing, 100 Jahre im Dienjte der Kunft.
nern dominirt das Portrait. Burger's elegant gezeichnete frauen fallen auf.
Siegmund Landfinger's neuerdings nad dem Leben aufgenommenes Brujt=
bild Bödlin's in fhwarz-weißer Rreidezeidnung mit leihtem Sepiabezug zeigt
das maffive Haupt des Künftlergroßmeifters in wudtiger Plaftif, mit dem
bellfeherifhen Blid des Dichterphilofophen. Leider verrath die Yadfpur eines
Schlaganfallse über dem linten Auge den Auserforenen bereits als den
Gefennzeidneten. Heider's Sonnenuntergang wirkt wie ein Aquarell und
Naager's mebrfarbige Blatter wie altdeutfhe Holzfhnitte. Bei den
Dresdnern gelangen dem neuentdedten Müller zwei charakteriftifhe Thier-
ftüde in fhwarz-weiß. Lührig's etwas fhwere Porträts und Bäume zeigen
Rlinger's Einfluß. frankfurt ftellt Hans Thoma's edt gemüthvolle, all
befannte Arbeiten in zahleeihen Proben aus. Auf feine grauen und braunen
Töne ift mit wundervoller Beftimmtheit fet gezeichnet. Seinen dominirenden
Einfluß zeigen Riinftler wie Süß und der edte deutfhe Steinbaufen.
Einige liebevolle Landfhaften aus Pirna und Bafel von La Rode laffen
die Blätter der Rünftlerin wie wirklich alte Arbeiten erfiheinen. `
Aus Düffeldorf interefjiren die
Gebrüder Rampf. Arthur
Rampf ift befonders fein in
einer lorbeerumfränzten Todten=
maste, die mit litbographifcher
Tinte gezeichnet if. €. Rampf
erfreut durch zwei delifate Blät-
ter flandrifher Landfihaften.
Alerander Frenz' theilweife
tüchtige Arbeiten zeigen thn in
feiner Anlehnung zwifhen ver-
fhiedenften Muftern fdwantend.
©. Jernberg arbeitet in vollen
Linien wie mit fdwerem Pinfel.
Die Rarlsrubec haben in vielen
ihrer Schöpfungen Surh farbige
Tönung den echten Zauber
poetifher Stimmung erreicht.
Dolfmann fefjelt mit delifatem
fluidum in feinem entzüdenden
„Weiher und einigen anderen
Blättern. Befonders reizvoll
it Otto in feiner „Abend.
ftimmung" in zweierlei Tönung.
Heyne wirft in feinem gelb-
röthlihen Dorfbild wie Holz-
fhnttt. Sn feinem „Hafenftüd'*
erreiht Grethe eine der voll-
endeiften Proben deutjcher tolo-
riftifher Lithographie.
Die Holländer haben in den zahl-
reiden Portraits Fan Deth's eine
Mufterreibe harakteriftifher Köpfe
gefendet. Storm van Brave
F H l. A Si
WZ J 4
ay! NN N
$. Staffen, Sierleifte.
fünde, čer jekt in Wiesbaden lebt, giebt in feinen andeutenden und dod feften
Linien feinfte Meerhilder, die an Mesdag erinnern. Er bhat Sirett auf
Aluminium gearbeitet und fonnte daher die echte Naturfrifhe übertragen.
Unter den Frangzofen zeigt h Carricre ebenfo ungefund verjdleiert als
Lithograph wie als Oelmaler. Signac pointillirt, Manet weif trok der
Robbeit fener Technik harakteriftifche Effette hervorzubringen. Besnard's
„Badende‘ wirft in ihren großzügigen Linien wie Bleiftiftffizze. Als
geradezu verblüffender Rönner aller Art lithographifiher Leiftungen giebt fidh
Lunois in feinen meift orientalifhen, fpanifhen Motiven. fantin-
Latour, einer der erften Lithographen Franfreidha, benugt die Rreide meifter-
r
©. Selfing, 100 Jahre im Dienfte der Kunft.
haft. England zeigt fih nur in einigen nah allen Richtungen fillernden
Blättern von Shannon. Whiftler ift and als Lithograph geiftreih und
harakteriftifch mit befcheidenften Mitteln.
Die wenigen Andeutungen aus der Fülle der 600 Blatter werden ge-
nügen, diefe Wusftellung als eine befonders genufßreihe und belehrende zu
harakterifiren. Rein befierer Dan? fdnnte den trefflihen Deranftaltern
lohnen, als ein im Publifum neu gewedtes Gntereffe an der Künftler-
lithograpbie, diefem Dornröschen unter den Runfttednifen. Jn einem Mar
und fleißig gefchriebenen Führer hat fid Dr. Georg Gronau um das
Derftändniß des Bebotenen erfolgreih bemüht. Jarno Geffen.
Kolleftivausftellungen in Gurlitt’s Kunftfalon.
s ift nicht immer leicht den Leiftungen der Modernen gerecht zu werden,
jener beftimmten Rlaffe von Modernen, welde in der Befchränfung
auf möglidft primitive Ausdrudsmittel ihre Meberlegenbeit Neht, bis-
weilen aud ihre Unzulänglidfeiten auf diefe Weife gefchidt Yzu bemänteln
fudt. Das große Publifum nimmt
fic) freilid nicht die Mühe, eine
geniale Skizze zu verftehen; es
bat feine Einwände gegen eine
apboriftifhe Sprade, bei der man
zwifhen den Zeilen lefen muß und
vermag nit den Reiz eines in
großen feften Rontouren und
ein paar farben niederge-
fhriebenen Eindrudse auf fih
wirfen zu laffen, fondern glaubt
in einem peinlih durchgeführten,
forgfältig verftrihenen Gemälde
mehr. Naturwahrheit mehr Leben zu
entdeden. Uber aud für den, der
fih in den „abfürzenden" Stil hin-
einfieht und die Stärke eines folden
Rünftlers verfteht, die im Jegten
Grunde immer auf die Antike
zurüdweift, ift es fhwer fi über
die Eigenart des Betreffenden,
wele nun einmal das Befte und
Bleibende in der Runft bedeutet,
ein Urtheil zu bilden. Der Pa-
tifer Maler Rippl Rongai, der
zur Zeit in Gurlitt's Aunftfalon
eine größere Rollektion feiner Werke
ausgeftellt bat, ift ohne Zweifel
ein hervorragendes Talent. Da
ibm jedod die Naivität der An-
fhauung abgeht, fo wird ein un-
befangenes Geniefen feiner Runft
fehr erfhwert. Der Rünftler fheint
duch alle Stile der modernen
C. Blehen, Palmenhaus auf der Pfaueninjel.
Runftiibung bindurdgegangen; Alles, was an fünftlerifhen Befrudtungs-
ftoffen in der Luft lag, hat in feinem Wefen Reime getrieben, ihm die direkte
Anregung zum Schaffen gegeben. Aber felbft, wenn man über die Einflüffe
der Japaner, der Schotten und vor allem des Franzofen Degas hinwegfieht,
bleibt nod eine energifhe Per-
fönlichkeit, die durdh den Reih-
thum des Geiftes beftiht, wab=
rend fie dem Gefiibl einen ge-
ringen Antheil übrig läßt. Es
it Dieles in feinen Werken, was
aufden erften Blid Bewunderung
einflößt, mehr nod, was ert nadh
längerem Befchauen feffelt. Aber
aud) manderlei, was vielleidht
durd) den modernen Plafatftil be-
fruchtet nur auffallend erfdeint
und fid, in der Nähe betrachtet,
wie eine müfßige Spielerei aus-
nimmt. Die Hauptmotive zu feinen
figiitliden Darftellungen bilden
ftarfe, ausgefprohene und fein
beobadtete Bewegungen, welde
nit felten aud den Portraits
einen febr haratteriftifhen, genres
haften Jug verleihen.
So in dem lebensgrofen
Bild einer Dame, die auf den
gleihmäßig vorgeftredten Armen
ein Bauer mit einem Ranarien-
vogel hält und unter deffen Be-
wiht den Oberkörper zurüdbeugt.
Die Malerei erfhöpft fih bier in
ein paar Lofaltönen, die fein
gegeneinander geftimmt find, jede
Härte vermeiden und eine luftige
Wirkung behalten. Bei einer
nod monumentaler aufgefaßten
weiblichen Figur in einem fblidten
230 Deutfhe Runft.
Schwarzen Rletde, die eine Schale über fih reiht und den Linienfluß ihrer fhlanten
Figur zum vollften Ausdrud bringt, ift der harakteriftifhe Blanz der Oelfarbe
abfihtlich vermieden, d. b. der Maler hat die farbe zum Theil von dem freidigen
Malgrund auffaugen laffen, wie bei einer Untermalung, um jo den gedämpften
Ton eines Paftells bervorzubringen. Man weiß daher mandhmal feine Oel-
bilder faum von den wirklihen Paftellen zu unterfheiden, die in dem weihen
Dämmerton der Schotten gehalten find, und in der geiftreihen und freien Be-
handlung, bei der Rohlenzeihnung und Paftelltönung oft ineinander übergeben,
zu dem eigenften Gebiete des Riinftlers gehören. Jn allen figürlihen Dar-
ftellungen, in dem Portrait eines Herrn, der fih auf einem Coaifelongue, den
Ellenbogen ftürend und in einem Bude lefend, ausftredt, in dem Croquet.
fpieler, der, mit gejpreizten Beinen ftehend, zum Schlage ausholt oder in jener
fomifchen Figur, die, in Riffen und
Degen vergraben, nur einen Arm aus
dem Bette heraushangen läßt, ift der
Eharakter, das fhöne und fpredende
Moment einer Bewegung mit großer
Lebendigkeit erfaßt und mit einer
graziöfen Leichtigkeit miedergefchrieben,
welde ein bedeutendes Rönnen verräth.
Was die landfhaftlihen Studien und
Bildchen betrifft, fo erfcheinen die-
felben, von einigen Ausnahmen abge-
feben, 3u launen- und rathfelbaft, um
über den Werth Fünftlerifcher Notizen
binauszugeben.
Mit einer zweiten Rolleftiv-Aus-
ftellung ftellt fid) die Berliner Rünft-
lerin G. Goldfdmist vor. Sie
bat einige Aehnlichkeit mit dem be-
fprodhenen Parifer Rollegen, infofern
fie die Frifthe der erften Auffaflung
niht gerne einer detaillirten Dar-
ftellung opfert. Es find bauptjädlid)
Gruppen von Rindern und einzelnen
Siguren, welde fie mit einem breiten,
auf: große Fledenwirkung zielenden
Dortrag fehildert. Gn den beiden
Rindern, die, in weiße Pelzmäntel
gebüllt, auf einem blau-rothen Teppich
fteben, fpriht fh eine große kolo—
tiftifhe Begabung aus.
Ein inniger Jug liegt in dem
Mädchen, das fih an feine an den
warmen Radelofen anlehnende Mutter
anfdmiegt, während hier die Farbe
einige branftige Stellen zeigt und noch
nit völlig ausgeglihen ift. Eine
bewundernswerthe Rraft und Tiefe
dea Tones erreidt die Riinftlerin in den
beiden Banernfindern, deren plumpe
Gefihter durchaus nicht idealifirt find;
das eine der beiden Mädchen fikt auf einem hoben andfeiten Stuhl, dem
Befhauer gerade zugewendet, das andere lehnt fih fehr natiirlid an die
Schwefter oder Freundin an, während ein greller Lichtftrom ihre Bade und
die herabbangende Hand jtreift.
Einem größeren Familtenportrait gereicht die ffiszenbafte Behandlung
nicht zum Dortheil, indem die Formlofigkeit der dargeftellten Figuren dem
Bilde ein unfertiges und verblajenes Ausfehen giebt. Die Einzelbildnifje der
Rünftlerin imponieren durch den fprehenden Ausdrud, fo das Portrait einer
fhwarzgefleideten Dame in Muff oder das des Fräulein H. in Reichenhall; ber-
vorzubeben ware nod) eine delifat gemalte Straßenfzene, die einem Blumen-
markt in Halle entlebnt if. Jn den Vordergrund fihreitet ein armlid ge-
Fleideter Mann, welder einen grofen Rorb mit rothen und gelben Chryfanthemen
auf den Schultern trägt, linke, vor einem Rorb mit Blumen, ftebt ein Junge,
der, im Bejchauen der Blüthenpracht vertieft, an einem Halm faut.
Ale ein Nahzügler der Dresdener Sezefloniften, welde no vor Kurzem
die Burlitt'fhen Ausftellungsräume beherrfhten, hat fih der jugendliche
Rid. Müller mit einer Sammlung von Original-Radirungen, Litho-
A. Menzel, Studie.
gtaphien und Feihnungen eingeftellt. Der 24 jabrige Riinftler, der mit feiner
Rompofition „Adam und Eva" den fähfifhen Staatspreis erwarb, verfügt
über ein hohes Maß tehnifcher Sicherheit, welde er fih auf dem Gebiete der
Griffelfunft lediglih durch eigenes Studium im Laufe eines Jahres angeeignet.
Die erften Cleineren Arbeiten, die vom Rommerszienrath Seeger in Berlin er:
worben und publizirt find, zeugen von einer eminenten Schärfe der Be
obadtung, von einer ftaunenswerthen Gabe unzweideutiger Charafteriftif in Der-
bindung ‚mit einer fehr malerifhen Anfhauung, welde mit fraftigen Ton-
maffen bildmäßig zu geftalten verfteht. Am vortbeilhafteften äußert fic fein
Talent in Th ierdarftellungen, fo in dem Marabupar, das ferzengerade hinter-
einanderftehend, duch den Schein einer Laterne aus dem Schlafe aufgefheucht
wird, und, verftoblen blinzelnd, in pbilofophifher Ruhe verharrt, ohne von der
Urfadhe der Störung Notiz zu nehmen.
Nidt minder lebendig ift das Bild
i eines Shimpanfen, der die Nafe feines
menfhenäbnliben Gefihtes an den
Stangen feines Rafigs plattdriidt und,
mit den Dorderpfoten die Stabe um-
Hlammernd, mit grofer Meugterde einen
fih draußen abjpielenden Dorgang
beobadtet. Don weiteren Thierzeidh-
nungen feien hervorgehoben die Ramele,
die theils am Boden fnieen und liegen
theils im Aufftehen begriffen find, ein
Affe, der mit einem Rorbe fpielt, eine
langbaariger Vad mit einem erzürnten
Gefidtsausdrud, Seevdgel mit fdim-
mernden Brüften und Elephanten. Die
Meifterfhaft feiner Technik zeigt fih
befonders in der fiheren, unterjchied-
lihen Behandlung des Stoffliden, in
der Wiedergabe von Wiilften, Falten,
Haarbüfheln und einer durhfurdten
Haut. Cin intereffantes Beleudhtungs-
problem ift in den Sfildufern gelöft,
welhe fih in fharfen dunklen Sil-
houetten von dem Halbton der Luft
und dem bell beleuchteten Schnee
abheben.
Einen fhlagenden Beweis feines
überlegenen Rönnens giebt der Rünftler
in der Radirung eines Babndammes.
Der an und fiir fic) unerquidlide Dor-
wurf ift durch die intime Anfhauung
des Riinftlers zu einem jehr malerifchen,
intereffanten Bilde erhoben. Die mit
Ries beftreute Schienenftrede löit fih
als ein leuchtender Streifen von dem
{harf abgegrenzten Geftrüpp, mächtige
Telegrapbenftangen ragen zu beiden
Seiten empor, binter dem Bahndamm
bewegen fih einige ährenleſende
frauen auf den Stoppelfeldern, während am Himmel düftere Gewitterwolfen
aufziehen.
om Broßen und Ganzen miiffen wir befennen, daß wir diefer fih
bäufenden Kollektiv - Ausftellungen ein wenig müde find. Dies maffenbafte
Zurfhaubringen einzelner Künftler hat eigentlid. nur einen Sinn, wenn es
fih um eine ausge/prodhene Gndividualitat handelt, deren Studium fih ver-
lohnt. gm Uebrigen fiheinen uns folde Ausftellungen einen übermäßigen
Anfpruhd an das Publifum zu erheben, das nah Abwedfelung verlangt.
für die Phafen Ser Entwidelung aufftrebender Riinftier fehlt das Gntereffe,
und, wenn man den materiellen Erfolg in's Auge faßt, die nöthige Raufluft.
Man muß um jeden Preis Einer werden wollen, oder längft Einer fein, um
fo viel Waare auf ein Mal mit der Ausfiht auf Derwerthung an den Markt
bringen zu Fönnen. Der Runjthandel lauft anf dlefem Wege Befahr, ein-
feitig 3u werden und fein Abfatgebiet zu Bunften eines Einzelnen zu be-
fhränfen. Selbft diefer Einzelne aber findet erfahrungsgemäß befer feine
Redhnung, wenn er die Konkurrenz nicht fhent und fein Rönnen an dem der
Mitftrebenden zu meffen Gelegenheit giebt. Gm Rampfe wadft die Kraft.
= = R. Rrumma der.
—
Deutfde Rune
231
Die Galerie Kuhg.
m
A eben Eduard Meperheim figurirten in Ser bei R. Cepte
verfteigerten Sammlung Rubk niht weniger als adt
Landfbhaften und Arditefturen von Karl Bleden,
die fammtlid hohe Preife erzielten, beifpielsweife die beiden von
uns abgebildeten Anfihten aus dem Palmenhaufe je 2809 und
2100 M. Aud das ift ein Zeichen der Zeit. Es bedurfte
einer Rolleftivausftellung der zahlreihen im Befike der Berliner
Nationalgalerie befindlihden Studien und Gemälde diefes
romantifden und Sod auf treu-
etem Yaturftudium paffenden
Candfdafters im Jahre 1881,
um feinen innerhalb eines Zeit-
raums von vier Jahrzehnten
vergeffenen Namen in die Er-
innerang zurüd zu rufen. Und
odh it Karl Blehen einer der
genialjten Vorläufer Arnold
Bédlin’s. Don der Schirmer’
fhen Ylaturauffaffung gebt er
aus, aber aud ibm genügt nicht
die ins Romantifde überhöhte
Wiedergabe der Wirklichkeit. Er
bevdlfert feine phantaftifchen
Landfdhaften mit fpufbaften
‚Fabelwefen, die den Panifden
Schred ins Nordifh-Braufige
überfegen. Dabei geht er über-
all von fleipigem MWaturftudium
aus, wie es fid ibm in der
nädften Umgebung Berlins oder
allenfalls in Oberitalien bietet,
das er im Jahre 1827 befuchte.
‚Friedrich Eggers fhrieb über ihn
im Jahre 1855 bei Gelegenheit
einer Ausftellung Blehen’ fher
Bilder aus Privatbefiß:
„Sein Streben (nad ro-
mantifher Auffaffung) bat ihn
sulegt in Regionen verlodt, wo
die Natur mit fputbaft geifter-
baftem Grauen uns die Seele
erftarren madt. Eins der
eminenteften Werke diefer Art ift Z
die große Felfenlandfhaft mit
feltfam fchauerliher Staffage,
offenbar einem nordifchen Yatur- ee
ftudium nacdgefiiblt. Die flare Heiterfeit Ses Südens? fonnte
ihn nicht in folhe gefpenftifhe Abgründe führen; ihre fonnen-
Surdftrablte Schönbeit mwedte in feiner Seele nur rübrende
- Rlage, fanft fhmerzlihe Wehmuth, und jede Schöpfung, die er
diefem Gebiet entlodt bat, ift durchweht von dem leijen Schauer
der Dergänglichkeit, die gerade zart organifirte Naturen in der
Mitte des Genuffes hödhfter Schönheit erbeben madt. Wie ganz
anders der Norden auf ihn wirkte, beweift außer der Felfen-
landfhaft das große Bild, das den Blid auf die Müggelsberge
bei Köpenid Sarftellt. Saftiges Wiefengrün, brauner Heide
grund, auf dem fid die Schatten hober FSbren und Fidten
fharf binzeihnen, dann der flare Himmel, an den die Sonne
nur ihr Licht, nicht ihre Wärme zu fpenden feeint, und in
Seffen Blau die mächtigen fichtenfronen mit tiefem Schwar:grün
bineingreifen — das find Gegenfake nordifher Natur, die der
Riinftler in fcneidender Schärfe, in rauber Bewaltigkeit dar-
geftellt bat. (Jm Befig von Herrn Ff. W. Bröfe in Berlin.)
Endlich jene Felfenlandjdhaft, wo die Natur in Sämonifchen
Grauen fih enthält. Sie bezeichnet vielleiht Sen Gipfelpuntt
von Derinnerlihung des duferen Lebens, den Bipfelpunft, der
“ar td
AN Menzel,’ Studie.
fhon umftarct it vom bodenlofen Abgrunde des Wahnfinns.
Wir feben ein dunkles Bewäffer, weldhes den wolfenfdweren
Himmel nod diifterer zurüdwirft. Ringsum Felfen in ftarren,
öden Formen, einfame Bergeshalden mit fhwarzen Branitblöden,
tiefdunfles Gebiif und Baumwerf. Die ganze graufame Un-
erbittlicFeit, wit weldher die Schauer der Natur die Menfchenfeele
pagen und zurüdjtoßen, liegt auf diefer Landfhaft. Und ganz
vorn niet ein Men, die todbringende Büchfe auf einen gee
fpenftifchen Robold anlegend, der
ruhig grinfend das obnmadtige
Beginnen verhöhnt. Unbemerft
binter dem Schüten fihleicht ein
grauenhaftes Berippe berum, bes
reit, ibm mit ausgeftredter Hand
den Schuß verderblih zu len-
fen. Drüben aber unter den
Bäumen des Waldes ringt ver-
3weiflungsvoll ein Madden in
langem, cufgeldftem Haar dic
Hände...“
Die beiðen von uns repro-
Suzirten Studien aus der Samm-
lung Rubg zeigen ailerdings
nod nichts von diefer wilden
Phantaftif, fie fteden nod) tief
in der Schirmer’ fen Schule, wie
fie fid) etwa in Bellermann ver-
nüchterte, aber die Einfügung der
orientalifhen Staffage weilt
doch ſchon auf die fpatere Ridh-
tung Rarl Blehens bin. Das
Palmenbaus auf der Pfaueninfel
wird ihm zum. Faubergarten
eines Harems, den er mit
Pafhas und Obalisten be-
völkert.
Die beiden Figurenſtudien
von A. Menzel, die auf der
Lepke'ſchen Auktion 1560 und
2110 Mark erzielten, find präd-
tige Beifpiele der Entwidelung
des treueften Wirklichkeitsfchilde-
rers von 1852—1888. Beinahe
vier Dezennien liegen zwifchen
den beiden Handzeihnungen. Der
Siebenunddreifigjährige und der
Dreiundfiebzigjährige! Weldhe Steigerung in der Kraft der Er-
faffung und der Wiedergabe des Befehenen! Der Akt wird zum
Charafterbilde, die Bewegung zum Ausdrud des inneren Seins.
of (Xx & J
Eine Sammlung Mengel'feher Handzeichnungen fann fdon heute
als Rapitalsanlage gelten, deren Werth von Jabr zu Jabr wählt.
Wenn das, was man jüngft dem Publitum als geniales
Erbafden der Natur aufijhwaten möchte, längft zu werthlofem
Trödel geworden ift, wird man folde Skizzen des Meifters als
unfhätbares Studienmaterial für den Renner wie für den Runft-
- jünger zu den Perlen unferer Sammlungen zäblen.
Fwei nicht einmal erfiklafjige Aquarelle Adolf Menzels’ er-
zielten bei der Verfteigerung der Sammlung Kuh 3110 und
1700 M. Das eine ftellt Rouffeau dar, wie er, an die Thür
eines Bartenbaufes gelehnt, eine Befellfchaft belaufcht, deren Gondel
foeben an den Stufen einer Treppe gelandet ift; das andere
f&ildert eine Mastengefellfhaft bei Ser Tafel, an Seren oberem
Ende fi ein Durhblid in den Ballfaal öffnet. Das bedeutendfte
Bild der Sammlung war das bekannte Meifterwerf Menzel's
‚stiedrih der Große und die Barbarini‘, das 15100 M. brachte.
G. M.
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27
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Die Zälfhung von Mumien-Portraits.
Schon furz nad der erften Entdedung. der Graf'fhen Mumien-
Portraits tanudten in Aegypten fälfhungen auf, die niht ungefhitt an-
gefertigt, mit etwa 70 Mark pro Stüd von arabifhen Händlern angeboten
wurden, und es find Anzeihen vorhanden, daß der Markt in näcjter Zeit mit
folden Machwerfen ebenfo überfhwemmt werden wird, wie mit unedten
Sfarabaeen und den befannten in Hanan gegoffenen Ofirisftatuetten. Wenn
aud der Renner fih nicht fo leicht täufchen laffen wird, fo fei bier dod ein
nah Georg Ebers’ Angabe untrüglihes Merkmal zur LUnterfheidung der
echten Bildniffe von den gefälfhten angegeben. Die echten Mumien-Portraits
find bald auf ftarfere bald auf dünnere Tafeln gemalt. Gene beftehen ge-
wöhnlid aus Syfomoren, diefe aus Cypreffenhol; und wurden nidt gefägt,
fondern mit einem hadenartigen Beile zugehauen, wie man ibm auf elt-
ägyptifhen Darftellungen begegnet und es beute noh von ägyptifhen Hand-
werfern gebraudhen fiebt. Gm Laufe der Jahrhunderte trodnete das Holz
völlig ein. Bebrauht man das Meffer, fo it die Schnittflähe ohne jede
Ausnahme von mehr oder weniger dunklem Braun. Der Fälfher bemalte
nur die Ränder des dünnen Täfelhens mit der nämlihen Farbe. Schneidet
man ein Stüdhen «b, fo leuchtet die Schnittflähe in hellem Weiß.
ITeue Paneelbilder von Fragonard.
Schon in einer unferer früheren Nummern fonnten wir von der Entdedung
Fstagonard’fher Wandbilder in einem Gartenpavillon in Nizza berichten.
Jüngft find wieder fünf Paneelbilder desfelben Meifters für den enormen
Preis von 1250000 frants in den Befit des englifhen Runfthandlers
Charles Werthheimer übergegangen. Sie werden augenblidlid in Lyon
fopirt und dann vorausfidtlid) nah Amerika überführt. Die Bilder befanden
fidh im Haufe des Herein de Blys zu Graffe in der Provence. Jean Honoré
fragonard 30g fih gegen Ende feines Lebens nadh feiner Heimathftadt zurüt.
Niemand wollte feine Erzeugnifie mehr Fanfen; die FJafobiner hatten für feine
Schäferinnen und feine Blumengemwinde feinen Sinn. Daß er feinen Frieden
mit der Revolution madte und fogar im Falt-Mafjifhen Stile zu malen ver-
fudte, fonnte ibm nichts helfen. Eines Tages alfo padte er feine Habfelig-
feiten 3ufammen, darunter vier Paneelbilder, welche die Dubarry bei ibm
beftellt, aber nicht abgenommen hatte, und 309 nah Graffe, wo er arm und
unbeadtet ISOG ftarb. Jene Paneelbilder bradte er in feinem Salon zu
Graffe an und malte dazu nod ein fiinftes. Einer bejonderen Befchreibung
bedürfen fie faum, d2 fie die befannten Fragonard'jhen Figuren, eine Pjyde,
eine Eros und verfchiedene glüdlihe Paare, enthalten, alle balbnadt, halb-
bekleidet, in paradiefifher Blüdfeligfelt. Jedenfalls ift es merfwicdig, dağ
‚Ftanfreih diefe Shake niht im Lande zu halten verfuchte.
Ruriofa aus Atelier und Werkſtatt.
— Anton v. Werner als Umftürzler und Naturalit. Jm
jahre des Heils 1875 war A. v. Werner ganz bheimlidh, fur3 vor feiner
Vermifchtes. Kuriofa aus Afelier und Glerkfatt.
Gedanken ühen hildende Kunf.
Abreife nah Venedig, wo er die Herftellung des Mofaikfriefes für die Sieges-
fäule überwachen follte, zum Akademiedireftor ernannt worden. Man wufte
nicht recht, was man von ihm zu erwarten hatte und begegnete ihm mit
einem gewiffen Miftrauen. Als er Profeffor Mommfen gelegentlid eines
Diners beim Gebeimrath Sdhoene zum erften Male fab, begrüßte ihn der
BGelebrte mit den freundliden Worten: „So, Sie find alfo der Mann, der
bier bei uns alles umftürzen will?" Profellor Pfannfhmidt fagte eindringlich
und wohlwollend: „Stürzen Sie niht um, bauen Sie auf! Als er die
Profefforen Buffow, Schaper, Thumann, Michael, Albert Hertel an die Hod-
fdule berufen hatte, erhob fih ein Sturm des Unmwillens über den herein-
bredenden Naturalismus. Und in der Akademie fagte Profeffor Daege:
„Nene Befen fehren gut, aber Sie werden fhon feben. Hente- nah zwei
Jahrzehnten gilt A. v. Werner als Et- und Prellftein der Akademie. Der
Umftürzler ift zum Stüßpunft geworden und halt allem Schiitteln und Riitteln
der „Jungen“ energiih Stand.
— Das Aufleben der äfthetifhen Bewegung in London. Seit
der von Osfar Wilde infzenirten „intenfen" Gefdmadsrevolution fdien
jenfeits des Ranals eine Periode der Gefundung eingetreten zu fein. Da
madt fid plößlih ein Rüdfall bemerkbar, der an die Prärafaeliten-Aus-
ftellung in der New-Gallery antniipft. Dante Gabriel Roffetti bat es
wieder einmal den Londoner modefiidtigen Weiblein und Gungfrdulein an-
gethan. Gn 3artfarbige, leit gemalte, lang herabwallende Stoffe gekleidet,
das Haar nadenfrei gefnotet, feben fie ans, als ob fie. aus den Gemälden
berausgetreten waren, die fie fcbmadtenden Blides, das Haupt glid einer
gefnidten Lilie feitwärts gewandt, finnig bettadten. Gn Sandalen wandeln
fie auf der Straße einher und führen der Sauberkeit halber ein paar reine
Strümpfe bei fih, die fie, bevor fie den Salon betreten, anziehen. „Rossettis
maiden“ bat fle der Dolfsmund getauft.
Gedanken über bildende Bunft.
Es ift thörig, von einem Rünftler zu fordern, er foll viel, er foll alle formen
umfaffen. Hatte dodh oft die Natur felbft für ganze Provinzen nur eine Befichts-
geftalt zu vergeben. Wer allgemein fein will, wird nidts; die Einfhränfung ift
dem Rünftler fo nothwendig als jedem, der aus fih was Bedeutendes bilden
will. Das Haften an ebendenfelben Begenftänden, an dem Schrank voll
alten Hausrathse und wunderbaren Lumpen bat Rembrandt zu dem Einzigen
gemadt, der er ift. Denn ic) will bier nur von Liht und Schatten reden,
ob fih gleih auf Zeihnung eben das anwenden läßt. Das Haften an eben
der Geftalt unter einer Lidtart mug nothwendig den, der Auge hat, endlich
in alle Beheimniffe leiten, wodurd fih das Ding ibm darftellt, wie es ift.
Nimm jego das Haften am einer form, unter allen Lidtern, fo wird dir
diefes Ding immer lebendiger, wahrer, runder, es wird endlid du felbft
werden. Uber bedenke, daß jeder Menfchenkraft ihre Grenzen gegeben find.
Wie viel Begenftände bit du im Stande, fo zu fallen, daß fie aus dir
wieder neu bervorgefihaffen werden mögen? Das frag’ dich, geh’ von
Häusliden aus und verbreite dich, jo du fannft, über alle Welt. Goethe.
CEERI ENS TE
Die Gruppen auf dem UAndreas:-Plag in Berlin.
€s ift für die fortjchreitende Bethätigung der öffentlihen Runftpflege von
Bedeutung, wenn Staat und Biirgerfhaft dem Bildhauer nit nur die Hand
reihen, um das Andenken politifher Ereigniffe und großer Männer zu ehren,
fondern aud lediglich, um öffentlihen Plägen und Anlagen eine Zierde zu
fhaffen, deren Herftellung niht an den fdwierigen Apparat großer Mo»
numentalbauten gebunden ift, und der genrebaften Erfindung den weiteften
Spielraum gewährt. Die Reidshauptftadt bereidert fid von Jahr zu Jahr
mit dem Schmude neuer Denkmäler. für den Andreas-Plat ift eine monu-
mentale Bartenbanf in Ausfiht genommen, die fhon im Laufe des nädften
Sommers enthüllt werden foll. Der Entwurf von Baurath Blanfenftein
zeigt drei miteinander verbundene Rondels. Un der durch Truppenftufen er-
böhten tiefer liegenden Niſche zieht ih eine Steinbanf entlang. Wo die
concaven Wände abfcliegen, erheben fih auf breitem Poftamente plafifche
Gruppen. Die Ausführung derfelben wurde den Bildhauern €. Bomansfy
und W. Haverkamp- übertragen, deren Arbeiten bei einem Preisausſchreiben
für die Statue der Sprea des Berliner Rathhaufes zu den preisgekrönten
gehörten — Bomansky’s Entwurf befand fih in der engeren Wahl — und
3u diefem Auftrag Deranlaffung gaben. Das Haverfamp'fhe Bildwerf
Eniipft dirett an die Umgebnng des Gnduftrieviertels an, es verberrlidt die
Schönheit, welhe aus Kraft und Arbeitsfleiß emporblübt. So blidt der
Junge voll Bewunderung zu feinem Vater
auf, den er mitten im feiner harten Arbeit
befudt, um ibm das Mittagefjen zu bringen.
Doll Verlangen ftredt er die Hand aus nad
dem Hammer, den die nervige fanft des
Sdmieds umfaft, wie wenn er feinen
fehnliheren Wunfch hätte, als „groß zu fein"
und ebenjo den Hammer zu fohwingen wie
der Dater. Die Ausführung der Figuren in
Tiroler Marmor wirkt insbefondere ans
fpredend duch das liebevolle Eingehen auf
jede Einzelheit, der fpredende Ausdrud des
Rnabenfopfes ift für den Vorwurf ehr be=
zeihnend, ebenfo die Haltung des aus-
geftredten Armes, welde der jugendlichen
Geftalt einen pathetifhen Ernft verleiht. Jn
der Gruppe Gomansly's offenbart fid große
Innigkeit der Auffafjung. Ohne Zweifel ift
der gentebafte Vorgang vom Rünftler mit=
erlebt und mitempfunden. Doll zärtlider
‚Freude. blidt die Mutter zu dem drangvollen
Sprößling herab, der fih auf ihrem Schooße
febr natürlich räfelt und aus findlider Ge-
wobnbeit die finger in den Mund ftedt.
Das durch das Lmberrutfhen verfhobene
Hemd läßt die befonders gelungenen quellenden
‚formen, die fettpolfter der Beinen fehen.
In der ausgefprohenen Beleuhtung treten
vielleiht einige Härten zu ftar? hervor,
während Partien, die im Halbton und
Schatten liegen, wie die linte Hand der
Mutter, alle Feinheiten der Modellicungen
erfennen laffen. Gomansfy war Schüler von
E. Gomansfy, Mutter und Kind.
Gruppe fiir den Andreasplak, Berlin,
Prof. Siemering und unterftügte den Rünftler.bei feinen großen Schöpfungen,
dem Siegesdenfmal in Leipzig, dem Wafyington-Monument in Philadelphia
und dem Lutherdenfmal in Wittenberg, indem er mehr und mebr felbftftändig
arbeitete. Haverfamp genoß feine Ausbildung bei Prof. Schaper, gewann
1889 den großen Staatspreis zu einer zweijährigen Studienreife nach Ftalien
und fhuf neben Reliefs und Skulpturen für den Altar der Lutherfiche in
Berlin dte Apoftelfiguren Petrus und Paulus für die Raifer Wilhelm - Ge-
dädhtnißfiche, ferner ein Biemarddenfmal für Plauen und eine Statue
SFriedrids des Großen für Rathenow.
Berlin. — Die große Alademifhe Jahresausftellung beginnt
ihre Schatten voraus zu werfen. Die Mißftimmung, die ob der geplanten
Beſchränkung des Raumes in der Rünftlerfhaft Plat zu greifen drohte, weicht
der ruhigeren Erwägung, daß fo eine Garantie gegen das Eindringen der
bloßen Marftwaare gefhaffen wird. Es werden die fehs großen Säle, die
tedts und linfs von den drei erten Salen der Mitte liegen, ferner die
äußeren Seitenfabinete im Hauptgebäude und alle Seitenfabinete des hinteren
Anbaues vollftändig gejchloffen bleiben. Mit diefer Verkleinerung der Aus-
ftellung hängt die Beftimmung zufammen, daß fein Riinftler, mit Ausnahme
befonders eingeladener Meifter, mehr als drei Werke zur Ausftellung bringen
darf. Gn der Organifation der Ausftellung ift eine Veränderung dahin vor-
genommen, daß die WAusftellungsfommiffion die Anordnung der Runftwerke
fic) felbft vorbehalten bat, daß fie, anders
ausgedriidt, als Hangefommiffion fungiren
wird.
ongwifhen fteht uns nod ein anderer
Runftgenuß bevor. Nah Schluß der Aus-
ftellung der Rünftlerinnen werden die Räume
der Röniglihen Akademie ih für eine neue
Schauftellung öffnen, für welde das Jnter-
ejle weiterer Kreife mit Beftimmtheit erwartet
werden darf. Es it die Schwarz-Weif-
Ausftellung des Derbandes Dent-
fher Glluftratoren, der, im vorigen
Jahre gegründet, heute fhon faft die ganze
im Slluftrationswefen thätige deutfche Rünftler-
[haft umfaßt. Der Derein ftrebt mit diefer
Ausftellung, deren hiftorifhe Abtheilung, an
Chodowiedi, Ramberg, Cornelius 2c. an-
Eniipfend, den Entwidelungsgang der deut-
fen Glluftration bis auf die moderne Zeit
vorführt, einen doppelten Zwed an; er will
3u praßtifhem Dortheil Zeichner und Der-
leger einander näher bringen, und nad der
ideellen Seite bin im großen Publitum das
Derftändniß und die freude an diejem Zweige
der Runft weden und vertiefen. Don deut-
(hen Glluftratoren wird faum ein befannter
Name unvertreten fein: Diez, Harburger,
Sdhlittgen, Woldemar Friederih, Rddling,
Aler. Zid, Thumann, A. von Werner, Menzel,
Döpler, Starbina, Bebrts, René Reinede,
Dogel-Plauen, Meyerheim, Jüttner, Rod,
Schönleber und viele Andere werden mit
Ihren Arbeiten üh einfinden.
— — a es tr
Für den künſtleriſchen Schmuck der ſtaatlichen Gebäude bekundet
der Kaiſer nach wie vor ein reges Intereſſe. So nahm er kürzlich die
plaſtiſchen Arbeiten für die Front des neuen Marſtalls in der Domwerkſtatt
des Profeſſor Leſſing in Augenſchein. Die Darſtellungen ſind durchweg im
Schlüterfhen Barodftil gehalten. Die Hauptaufgabe bildeten zwei Wand-
brunnen an der Front gegenüber dem Sclofje; der eine erhält bei der Rur-
fürftenbrüde, der andere nad der Breitenftrafe zu feinen Plak. Das große
Giebelfeld nah dem Schloffe zu wird ausgefüllt durch eine Darftellung des
preußifhen Wappens, dem fih Fahnengruppen und allerhand Embleme an-
gliedern. Das Meinere Biebelfeld nah der Spree erhält eine Rartoude mit
dem Yamenszuge des Raifers, flanfirt von Adlern, mit einer baroden
Dekoration. Redhts und links von den Giebelfeldern werden fat 4 Meter
hohe Pferdegruppen fteben. Ein jedes der Roffe wird von einer mannliden
und einer weibliden Figur begleitet. Zur weiteren Ausfhmüdung- der Attika
gehören noch drei Feldherrngruppen. Es find Jmperatoren in römifger Ge-
wandung, zu denen in baroder Art Figuren fomponirt find, die ih auf den
Marftall, auf Hufbefhlag und Aehnlihes beziehen.
Aus der Chronik der Aunftpflege durch Künftler- und Runft-
vereine ift zu bemerken, daß der feit ISSO beftebende Derein Pallas Ende
diefes Monats feine erte Sffentlide Ausftellung im Equitable-Haus veran-
fialtet, um fo ein Gefammtbild feiner Beftrebungen zu geben. — Der
Verein der Kunftfreunde im Preußifhen Staate hielt im Architeften-
baufe feine 71. Jabresverfammlung ab. Nad dem vom Landgerichtsdiceftor
Heffe erftatteten Jahresbericht ift die Fahl der Mitglieder von 712 auf Sil
angeftiegen. Eine größere Summe wurde zur Herftellung der DVereinsgabe,
des Stihes von Hans Meyer nah Anaus’ „Trogföpfhen‘, bewilligt. UAn-
geregt wurde, als Dereinsgabe auh einmal eine Bronze zu geben und zu
diefem Zwede die Aünftler zur Einreihung geeigneter Heiner Skizzen auf-
zufordern. Das Vermögen des Vereins beläuft fih zur Feit anf rund
S3 000 M. Aus der von Seydlig-Stiftung erbielten die Maler ©. Frenzel
und Profeffor von Gebhardt fowie die Bildhauer Profeflor Hundriefer und
der Rürzlih verftorbene Michael Lod Prämien von je 200 M. — Gm
Deutfhen Runftverein wurde der Geheime Oberregierungsrath Erid
Müller einftimmig zum Dorftandemitgliede und erften ftellvertretenden Vor-
kenden gewählt; er tritt am die Stelle des Geheimen Oberregierungsrathes
v. Moltfe, der in folge feiner Ernennung zum Negierungspräfidenten in
Oppeln ausfceidet und nur furze Zeit feines Amtes waltete.
Münden. — Die Jahres-
Ausftellung 1898 im Rgl. Blas-
palafte wird am I. Juni eröffnet und
Ende Oftober gejhloffen. Die An-
meldungen haben bis 50. April zu er-
folgen, die Einfendungen vom 10. bis
50. April. Anmeldung forporativer
Ausftellungen hat bis I. April zu er-
‚folgen. Eine rege Betheiligung be-
deutender Riinftlerforporationen fteht in
Ausfiht, unter Anderen haben die Bez
ſchickung der Ausſtellung mit geſchloſſenen
Kollektionen ſchon zugeſagt die Düſſel—
dorfer Sezeſſion, die Dresdener Sezeſſion
und der Rarlstuber Riinftlerbund. —
Inzwiſchen fudt fih die Luitpold-
gruppe auszudehnen. Sie bat ein-
ftimmig befchloffen, fi zu erweitern, in-
dem fie fiinftig aud) Riinftler ale Mit-
glieder aufnimmt, welde Ser Miindener
Rünftlergenoffenfhaft nit angebören.
Die Gruppe wird neben der Porpo-
tativen Bejhidung der Müncener Jah-
resausftellung in Berlin follektiv auf-
treten, da ihr Seitens der dortigen
Ausftellungsleitung forrefpondirend mit
denen der Münchener Sezefjion fehr gute
Säle, fowie Frachtfreiheit und eigene
Jury und Hängefommifjion zugeftanden
worden find,
234 Deutfhe Runft.
W. Haverfamp, Der Arbeiter und fein Sohn,
Gruppe für den Andreasplah, Berlin.
Dresden. — Der Streit innerhalb der Dresdener Künftlerfhaft
bat fi) jo zugefpigt, daß die Betheiligung der Sezejjion an der Augftellung IS99
vorläufig abgelehnt ift. Die Dermittelung zwifhen dem afademifhen Rathe
und den Vertretern der freien Rünftlerfhaft hatte Oberbiirgermeifter Beutler
übernommen. Die äufßerften Jugeftändnifie, die er erlangte, gingen dahin,
daß die Runftgenoffenfhaft und der Derein bildender Rünftler zu der vom
afademifden Rath eingeferten neuen Rommifjion von fehs Mitgliedern, die
wieder unter Profefjor Kuehl's Dorfi und unter Aufrechterhaltung der früheren
Bejhlüffe — eigene Gury und Hangefommifjion fiir die beiden Vereine —
arbeiten foll, ftatt wie früher je fiinf jegt je 3wei Dertreter entfenden dürfe.
Die Runftgenoffenfhaft gab Ah damit zufrieden; der Derein bildender Künftler,
an defjen Spike nad Rüdtritt Profeffor Banter's die Bildhauer Bröne und
Offermann ftehen, verfendet eine Erklärung, die feinen Befdlug, fid unter
obwaltenden Umftanden nidt an der Her Ausftellung zu betheiligen, be-
gründet. Sie fließt mit den Worten: „Wir geben diefe Abfage nicht leichten
Herzens, aber wir fönnen nit anders. Billige Dorjcläge werden ung immer
zum Entgegenfommen bereit finden, im Uebrigen überlafjen wir es ruhig der
Heit, darzuthun, wohin die Selbftherrlihkeit führt, die uns herausgefordert
hat.’ Gn3wifhen wurde vom Rathe der Stadt Dresden befhlojfen, der aus
der Mitte des akademifdhen Raths gebildeten Rommifjion Sie Ueberlafjung des
ftädtifhen Ausftellungspalaftes zu der 1899 er Runftausftellung zuzuſichern,
aud) fiir den fall, daß nicht die fammtliden biefigen Rünftlervereinigungen
fih daran betheiligen follten, nur mit der Vorausfegung, daß Oberbiirger-
meifter Beutler wie bisher der Ehrenvorfiß eingeräumt wür.e. Außerdem
wird der Rath der Stadt D.esden fein ganz befonderes Gntereffe an der
1899er Runftausftellung noh dadurd bethätigen, daß — mit Zuftimmung der
Stadtverordneten — eine Summe von 50000 Mark zum Ankauf der 1899
zur Ausftellung gelangenden Werke der Plaftif und Malerei bewilligt werden
foll. Auch hofft man, daß eine Heihnung des Garanticyonds diesmal für
die Stadt wegfällt, da die finanziellen Vorbesingungen für die „Deutfche
Runftausftellung‘ die denkbar günftigften find und alte überflüffigen Unfoften
vermieden werden.
Ueber das neue Dresdener Landtagsgebäude und die damit zu-
fammenhängende Umgeftaltung der Brühl'igen Terraffe, an welhe fih die
Anlage einer großartigen Uferfteage (dliefen foll, werden die Ständefammern
demnaddft endgiltige Entjheldung trefien, fobald Gebeimrath Wallot feine
neuen Baupläne fertiggefellt bat. Seine erfte Dorlage begegnete wegen zu
: geringer Rüdfihtnahme der maffig wir-
fenden fronten auf das unmittelbar
anliegende Refidenzfhloğ erheblichem
Widerfprud.
Die Hoftunfthandlung Ernft
Arnold (Gutbier) hat für Ende
März zwei intereffante Ausftellungen
vorbereitet. Jm Salon Schloßitraße
find moderne Skulpturen vereinigt,
deren Mittelpunft eine Elfenbeingruppe
„In hoc signo vinces" von C. van
der Stappen bilden wird. Diefelbe
figurirte im vorigen Jahr als Hauptftüd
der Ausftellung belgifher Elfenbein-
ftulpturen in Tervueren bei Brüffel und
wird bier wie dort beredtigtes Auf-
feben erregen. Um diefe Gruppe reiben
fih zehn andere Feine Skulpturen
von van der Stappen. Jofef Lambe-
aur - Brüffel, deffen Arbeiten im Vor-
jahre die Hauptzierden der Dresdener
internationalen Runft » Ausftellung ge-
wefen find, it mit zwölf nenen in
Deutfdhland nod unbetannten Bronzen
und zwei Beinen Marmor- figuren
vertreten. Alphonfe Legros hat zwan-
zig feiner fraftwollen Plafetten aus-
geftellt. Don Franzoſen iſt DY.
Samuel, J. Cheret, A. Charpentier,
fir Maffeau 2c. vertreten. Aus
Ugram ift Prof. Frangés, aus Kopen-
bagen Willumfen erfcienen. Die Aus-
wahl der deutfhen Arbeiten it nicht
a
7 RCS,
Dentfhe Runft.
235
minder mannigfach und intereffant. A. Hildebrand, B. Römer, €. M. Geyger,
P. Poppelmann, £. Manzel, Sf. Fadow, KR. Seffner u. A. haben der
Einladung Folge zu leiften verfprohen. Außer dem Anfgeführten gelangt
eine Sammlung von ca. 100 Tiffany-Bläfern zur Ausftellung, die ja in den
legten Jahren in ganz Europa größtes Aufjehen erregten und von faft
allen Scriftftellern des Jn- und Auslandes mit rühmenden Worten gefeiert
wurden. Das äußere Kleid der Ausftellung find moderne Teppiche, tbeils
aus Münden, Scherrebed, Brüffel u. f. w.
Jm Bemälde- Salon Wilsdrufferfir. II hat „die Liga des
Modernen in Berlin" auf befondere Einladung des Heren Butbier ihren
Einzug gehalten. R. Lepfius ift mit fechs feiner vornehmften Portraits,
€. Hermann mit ca. zebn hddft gefhmadvollen Stillleben vertreten und bat
außerdem das Portrait von Conftantin Meunier gefandt. Dora Hit bat
eines jener qualitätvollen Mädcenbildniffe, Ludwig von Hofmann eine ganze
Reihe nener Gemälde und zwölf In ihrer Art ganz entzüdende Feine Paftelle
direft aus Rom beigefteuert. Des weiteren ift M. Liebermann, Leffer Ury,
Philipp franz, W. Leiftitow vertreten. Otto Edmann mit einer Rolleftion
von Rupfer-Leuchtern, Buceinbänden 2c.
Zeipgig. — An der Pleiße häufen fih die Separatausftellungen,
ohne daß man allzuviel Gutes von ihnen fagen könnte. Befonders der
Derein der Riinftlerinnen dürfte auf’ feine bei Del Vechio gebotenen
£eiftingen nicht allzu ftolz fein. Wud Ser darauf in demfelben Salon feinen
Einzug haltende Verband Mündener Künftler fheint es mehr auf eine Aus-
dehnung des Abjakgebietes, als auf das Vórführen hervorragender Arbeiten
abgefehen zu haben. Dagegen erweift fih der Leipziger Rünftlerverein
ungemein rührig. Gn den Wontagezufammentiinfen werden fleinere Aug-
ftellungen mit erlduternden Vorträgen veranftaltet. Go hatte Anfang März
der Maler H. Neuber eine Rolleftion feiner Arbeiten zur Schau gebracht,
unter denen fih neben einer Reihe von Landfhafts, Aft- und RKoftiimftudien
befonders ein paar Entwürfe in. Schwarz und Weiß auszelhneten, der eine
für das Leipziger Ausftellungsdiplom und der andere für eine Neujahrefarte
der Runftanftalt Meifenbad, Riffarth u. Co., die Kunft darftellend, wie
fie aus, dunklem Waldesdidiht auf eine lieblihe Anenlandfhaft hinaustritt,
um zwei teizende Putten, mit Zeihenmappe und Blumen in den Händen, aus-
zufenden, den Freunden der firma einen Bruß zu bringen. An einem anderen
Dortragsabend lieferte der Maler Karl Römer eine Ueberfiht über die Ent-
widelung der Aünftlerlitpographie, der man neuerdings fo Iebhaftes Intereſſe
entgegenbringt.
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Frankfurt a. WM. — In den biefigen Bilderfalen drängt eine Aus-
ftellung die andere. frig Hausmann bat in einer im Runftvereim ver-
anftalteten Rollektivausftellung neben anmuthigen weibliden Portraitbiiften
ein Vronzerelief, den Kopf des befannten Runftgelehrten, des Prälaten
Schneider ausgeftellt, dejlen lebensvolle Wirkung durd den Verfuh hervor-
gebradt wird, nad dem Wahsausfchmelzen den Gu ohne Leberarbeitung
des Cifeleurs ftehen 3u laffen. Aud auf dem Gebiete der im Quattrocento
florirenden glafirten Thontednif hat der Riinftler vielverfpredende Derfude
ausgeftellt. — Gm Schneider'fhen Runftfalon drängt fih die Menge verblüfft
und bewundernd vor der großen Studausftellung, Feinſchmeder ſitzen
ftillgenießend in einem Yebenraum vor den neueften Schöpfungen Frankfurter
Da bat der unermüdlih jhaffende Hans Thoma auf feinem vom
Sauber Ser Romantif ummwehten Bilde „Zum Gral" einen ,, friiblingstag in
der Campagna von fo befreiend fhöner Wirklichkeit folgen lafen, dağ man
wiederholt, was man bei feinem Bralbilde gefagt: Es if fein fihönftes Werk.
Weit fi dehnende, frifhgrüne, bädleindurdriefelte Wiefen, zartblaner mit
filbernem Wolfenduft geftreifter Himmel, bläulihe Hügel, f[hlanfe Bäume mit
zartem Bezweig in zitterndem Ftüblingefhmud; auh allerlei Bethier- und
Menfhenftaffage, die man vielleicht nur deshalb nicht miffen möchte, weil fie
nun einmal da find. ©. W. Röderftein hat ihren herrlichen jüngft aus-
geftellten Temperabildern ein neues folgen laffen, drei Chorfnaben, der eine
in's Befangbud vertieft, der andere ernft und finnig mit auf fünfiige Be-
herrſchung deutenden Zügen, der dritte mit lebhaft befeeltem Gefidt forjdend
faft herausfordernd aus dem Rahmen fhauend; fie wandeln im freien, in
der Nähe eines Areuzganges, das Licht ift gedämpft, wie die Stimmung der
Wandelnden. — Jm Städel’fhen Jnfitut beanfpruchte die Ausftellung
eines Schwarz-Weiß-Rünftlers, Rarel Storm van's Bravefande das
onterefjfe. Lithographien und Radirungen, auf welden das Leben und
Weben von Liht und Waffer, Spiegelung und Brandung böchft poetifh und
fraftvoll wiedergegeben, die einfadjten Motive von malerifhem Reiz und
großer Wirkung. Unter den Rreidezeihnungen find Schnee- und Hafenland-
[haften hervorragend, au die Wiedergabe des Stofflihen in den behaglichen
Onterieurs. — Gm Bangel'fdhen Runftfalon ift Mar Rrufe mit einer Aus-
ftellung interefjanter Werke angelangt, worunter Sie bei dem Schweißtuch der
Deronifa angewandte Transparentplaftit von großer und im Rünftlerifchen
begründeten Wirkung ift. m Hermes’fhen Aunftfalon ift die Mündener
Runft durd erfte Namen und erfte Werke vertreten, auch die Belgifthe durch
den jungen Maler Victor Gilfaul, der auf etwa 20 Bildern einfade
Dinge und Dorgänge hödhft poetifh wiederzugeben verfteht; ftille Plake eines
weltfremden Oerthens, auf deren Brasflähe man Wäfche trodnet, längs
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deren verwitterten Mauern ftille Menfchen
fhleihen, freundliche Baffen mit freundlichen
Raufläden, windbewegte Bäume, die fi
melanholifh im irgend einem Gewäfler
‚Spiegeln — ein Maler-Poet. p. N.
Düſſeldorſ. — Eine große deutfa-
nationale Runftausftellung verbunden
mit einer Gewerbe- un Runftgewerbe-Aus-
ftellung im Fahre 1902 und in Derbindung
damit die Errihtung eines Ausftellungs
palaftes wird bier geplant. Jn einer im
„Maltaften“ tagenden Derfammlung wurde
eine Kommiffion - gewählt, beftebend aus
Dertretern der gefammten KRünftlerfhaft, mit
den Auftrage, die erforderlihen Dorarbeiten
in die Hand zu nehmen und inabejondere
fih mit Heren Rommerzienrath Lueg, dem
Dorfigenden des Central-Gewerbe-Dereins
und Leiter der Bewerbe- und Runftaues
ftellung vom Jahre 1880, in Verbindung
zu feren, um einer im Herbfte ò. J. ein-
zuberufenden Derfammlung ein Programm
der Ausftellung, fowie Brund- und Aufuß
des Ausftellungspalaftes auf dem Belände
der Bolzheimer Jnfel vorzulegen. So
wäre denn endlid) bier der Stein ins
Rollen gebracht, denn die Errihtung eines
würdigen und geräumigen Ausftellunge=
gebäudes ift für Düffeldorf und insbefon-
dere für die Diiffeldorfer Künſtlerſchaft
nachgerade eine Lebensfrage geworden.
i
N
Biel. — Der Schleswig - Hol-
fteinifdhe Aunftvereim giebt in feinem
Jahresbericht für 1897 befannt, dağ die feit
1890—1896 von 6J! auf 712 angewachſene
Mitgliederzahl im verfloffenen Jahre auf
702 zurüdgegangen if. Das Direktorium
hofft, daß die gegenwärtig von der fhpleswig-
Broncegiesserei
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holfteinifhen Runftgenoffenfhaft unternommenen Ausftellungen in Schleswig
und flensburg, welde aud in Hufum, Heide und Neumünfter arrangirt
werden, den Anftoß zu einer Organifation planmäßiger und regelmäßiger
Wanderausftellungen geben werden.
aufgenommene Neuerung hat ih die von der Stadt Riel mit einem Jahres-
beitrag von 5000 Marl. fubventionirte Einrihtung erwiefen, die Runfthalle
an den Sonntag-Mahmittagen von 2 bis 5 Uhr unentgeltlih offen 3u halten.
Der Beftand der Balerie wurde im Laufe des Jahres durd) zwei werthvolle
Gemälde aus dem Nachlaß der verftorbenen Frau Gebeimrath' Thaulow ver-
mebrt, von denen das eine angeblih von Murillo ftammt, Sas andere Jurian
Ovens zugefchrieben wird. Die Rupferftidfammlung des Aunftvereing ift auf
92 Mappen mit 4540 Rartons und 9258 Blättern angewadfen. Reider als
jemals zuvor haben fih im Berihtsjahre die Ausftellungen in der Runfthalle
geftaltet. Jm ganzen wurden im Berihtsjahr ausgeftellt 1295 Werke, darunter
784 Oelgemalde, 9) Aquarelle und Paftelle, 205 Zeihnungen, 59 Plaftiken,
99 Radirungen und Lithographien und 57 funftgewerblide Begenftände.
Den Mitgliedern wurden vier Dereinsblätter zur Auswahl geftellt, während
für die darauf Derzichtleiftenden eine
Derloofung werthvollerer. Rupferftide
mit 26 Gewinnen zum Werthe von
578 Mar? arrangirt wurde. Die Ders
loofung von Runftwerfen umfaßte zehn
Gewinne, darunter fünf Gemälde zu-
meift beimifcher Rünftler und fünf Re-
produftionen aus den amtlihen Publi-
Fationen der Nationalgalerie. Kunfts
hiftorifche Vorträge wurden auf Deranz
ftaltung des Dereins von Profefjor Dr.
Matthai-Riel, Profeffor Dr. Lidtwark- H. HIRSCHWALD |
Hamburg und Profeffor. Dr. Riehl- Nänlak Proves. u. Greesbert. Radiecher WoRiiterea} > Ti
Riel gehalten und, foweit thunlic) — —
durch Anſchauungsmaterial unterſtützt. J
Der Runftverein vermittelte im ver-
floffenen Jahre den Derfauf von 58
Runftwerfen im Werth von 7398 Mark,
fiir welche die Summe von 6272 Mark
erzielt wurde. Die Jahrestehnung
ergab bei einer Einnahme von
20950 Mar? und einer Ausgabe
von 16491 Mark einen Raffenbebalt
von 4459 Warf. Uns berührt in
diefem Jahresbericht befonders fym-
pathifh das Streben des Dereins, mit
der Schleswig-Holfteinifhen Rünftler-
fhaft beftindig Ffühlung zu halten
und fo zur Yenbelebung des in der
Provinz ftagnirenden Ausftellungs-
wejens nad Rräften beizutragen. Nur
fo erwadfen den Runftvereinen über
die Jahresverlofung hinausgehende
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Es iſt charalteriſtiſch für die Schwerfälligkeit der
Deutſchen, daß fie die großen Propheten ihres Dater-
bührenden Beachtung würdigen. Wie erftaunlid lange
dauerte es, bis der Genius Bödlin’s von den berufenen
Geiftern ,,entdect und feine Werthfhakung zu einer feft-
ftebenden Thatface
wurde, deren jich feiner
der Gebildeten ver-
fließen modte, wie-
wohl es zweifelhaft
blieb, ob das beifpiel-
lofe Intereffe der großen Maffe bei der
Berliner Bödlin-Ausftellung nidt zum
beftand.
Antipoden Bödlin’s, verfubr die Meinung
lange Zeit nicht glimpfliher. Das Auf-
feben weldes der Riinftler auf der Parifer
Weltaueftellung im Jahre 1878 mit feiner
fogar Sterne erfter Größe wie Menzel in
den Schatten zu ftellen fhien, blieb dennod
obne nadbaltige Wirkung auf dentjhe
Sammler und Staatsgalerien. In Deutſch⸗
land gerieth der Meifter von Aibling, dem
e3 in feiner weltabgejhiedenen Wirkjam-
keit am allerwenigften um Reklame zu
thin war, allmälig in Dergefjenheit,
während Engländer und. Amerikaner feine
Werte zu den Perlen ihrer Sammlungen
zählten und allerdings folbe Preife dafür
zablten, daß Seutfhe Runftfreunde von
vornherein auf folhe Erwerbungen ver-
zihteten. Man wundert fi indeflen heute,
wie wenig fid and die großen deutjchen
Ausftellungen um Beiträge aus Leibl’s
Hand bemühten, während dod feine
Meifterfhaft, wenn fie auh faum noh einer Steigerung fähig erfihien, fid
immer auf der abgeklärten Höhe erhielt. Ert in nenerer Feit bat man
angefangen fidh über die Bedeutung Leibl's, welde fih über jeden Moder
geihmad erhebt und in feiner von jeder Verbindung mit den Zeitgenofien
loegelöften Urfprünglichfeit ohne Zweifel Jahrhunderte überdauern wird, Far
zu werden, Der Ankauf eines feiner bedeutendften Werke feitens der National-
galerie ift ein fhönes Zeihen dafür. Unter den Liebhabern, die von porn-
berein Leibl’s Benialität erkannten, befindet fih der Rommerzienrath Seeger in
Berlin, der in feiner Privatgalerie eine Sammlung feiner Originalwerke befitty
welde iber 6O Nummern zählt. Derjelbe veröffentlicht nunmehr in der Wieder-
gabe von Photogravuren, deren Drud der Groğh. bad. und ſächſ. Hoflupfer-
druderei ©. felfing übergeben wurde, zwei feiner hervorragenden Schöpfungen.
€s find die Dadhauerinnen in der Schente aus der Mationalgallerie und
die Bäuerinnen in der Rirdhe. Beide Bemälde find bezeichnend für die
in die Tiefe dringende Charatteriftif Leibl’s, mit welder die beifpiellofe
tehnifhe Dollendung gleihen Schritt halt. Rei den Dachanerinnen, deren
merfwürdige Traht nadgerade hiftorifh geworden ijt, ift nichts binzugetban,
oder weggelafjen, was den Eindrud padender Naturwahrheit abſchwächen
könnte, ebenjowenig hat fih der Rünftler zu einer Lebertreibung, zur Karikatur
binteißen (affen, vielmehr fügt und ornet üh alles in die wundervolle
landes erjt in ihrem fpäteren Lebensalter einer ger
wW, Keibl, Dachauerinnen.
Mit Erlaubnif des Herren Rommersienrath Seejer,
ehre
ee O
Harmonie der Töne, die mit fpielender Leihtigteit hingeftrihen fheinen, obwohl
der Rünftler verhältnigmäßig langjam zu arbeiten pflegt. Das andere Bild gehört
nicht allein zu den umfangreidften Arbeiten des Meifters, fondern aud zu denen,
in welden der Meifter feine ideelle Lebensaufgabe vielleiht am durchgreifendften
gelöft hat, Die eingehenden Vorfiudien zu dem Bilde, Feder- und Bleiftift-
zeihnungen nad den -verfdiedenen Figuren und nach‘ gefalteten Händen
laffen den pfyhologifhen Scharfblid eines Holbein erkennen. Das Bild ift
geradezu ein Wunder der Darftellung in der unanfehtbaren Objeftivitat der
Charakteriftit, die fih in jede Nuance organifher und anorganifcer Stoffe ver-
tieft. Man fann die Malerei bis ins
Rleinfte, fogar mit der Lupe verfolgen,
jedes falthen behält Leben, jeder‘ Stoff
feint fih anfüblen zu Laffen, felbft die
Schrift auf dem Gebetbude ift genau zu
entziffern und Sod. bleibt die ganze
malerifche Bilderfheinung in der frifhe
des inneren organifhen Zufammenhangs
erhalten, wie man fie fonft nur bei flotten
temperamentvollen Skizzen zu feben ge-
wohnt ift.
Berliner und Meifener
Porzellan.
Auf dem Gebiete der Porzellanfabri-
fation fceinen die von Ropenbagen aus-
` gehenden Anregungen allmalig bemerfens-
werthe fortfcritte zu zeitigen, Gn der
Berliner Porzellanmanufattur ift
es gelungen, duch einen Zufat zur
Blafur zu bewirken, daß fi beim Brennen
aus ihr Aryftalle ausfheiden, die im ibrer
form an Eisblumen erinnern. Die Haupt-
wirfung berubt auf den wundervollen
‚Farbtönen. Die Gefäße find zum Theil
in ‚einem. Ton, filbergrau, ladsfarbig,
zum Theil in moosgrün, fmaragdgriin
und bellhimmelblau gehalten. Die farben
find nicht in befimmter Zeichnung, fondern
in frei fließenden fFleden und Strablen
angeordnet. Die Kryftalle 'bededen nicht
immer die ganze Fläche, fie fonnen an beliebigen Stellen hervorgebradt
werden. Die Formen der Gefäße, die nur in Meinen Maßftäben fid be-
wegen, find ganz einfad. Gleichzeitig mahen in Dresden die neneften
Erzeugnifje der Meifener Fabrik beredtigtes WAuffehen. Wud) bier bat
Kopenhagen anregend gewirkt. Die Hauptfortjchritte harakterifiren fic durch
Malen mit farbigen Porzellanmafjen (anftatt wie bisher mit blaffen Farben
unter Glafur) Verwendung farbiger Glafuren, verlaufende farben, einfache
Formen der. Gefäße, moderne Auffaflung in den Motiven, Pflanzenbilder mehr
ftilifirend als naturaliftifh. Befondere Hervorhebung verdienen zwei große
Dafen, die eine mit Magnolien bemalt, aus denen ein weiblicher Kopf Hervor-
fhaut, die andere mit einem bachijhen Frühlingszug in fiidlider Landfhaft,
beide im tehnifcher wie in künftlerifher Hinfiht Meifterwerke; ferner flache
dekorative Schalen mit Seeftüden und Wailerlandfhaften; Dedelvafen mit
theils ftilijirten Pflanzendarftellungen, theils in japanifcher Manier — aber
deutjch empfunden — mit Blumen und Vögeln gefhmükt.
— Die Sammlung feuhtwanger aus Münden, aus neueren Oel-
gemälden, Aquarellen und Zeihnungen von theilweife erften Meiftern beftehend,
fam im Rudolph Lepfe'fhen Runftauftionshaufe unter den Hammer,
Ein Portrait von Friedrich Auguft von Raulbad, Ses Riinftlers Vater dar-
a
5
7
|
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——
WERE re?
SF S —
238
ſtellend, ging für 405 Mark, Albert Keller's ſchönes Bildniß einer Dame in
ſinnender Betrachtung einer Büſte, für 366 Mark, Jaroslaw Vefn’s Un-
beimlide fahrt für 335 Mark und Alfred von Schrötter's kleines Bild
„Der Jäger in feinem Heim" fiir 500 Mart fort. Eine Waldlandfhaft von
Hermann Baifch erzielte 505 Mark, Bela Pallif's „Zunge ungarifhe Bäuerin
in einem Maulefelgefabrt’ 545 Mark und Heinrid) Ridard Reder's „Motiv
am Bodenfee 270 Marf. Die hidften Preife wurden fiir Cunow von Boden-
haufen's Genrebild „Hweierlei Lektüre und Endwig von Löffs' „Portrait des
heiligen Antonius von Padua“ gezahlt. Das erftere bradte 520 Mark, das
zweite 405 M.
— Die Derfteigerung der Sammlung Weidenbufh durh Fleifh-
mann-Münden und 3. P. Schneider - frankfurt a. M. brachte im Ganzen
185000 Mark. Die Kgl. Plmafothef erwarb
das fhöne Bild H.Thoma’'s: „Einfamkeit“ für
$0200 Marf und R. Bournier'’s „Auf der
Weide für 1250 Mark. — Pon anderen Ver-
fäufen nennen wit nog: Arn. Bödlin „Triton
und Yereide 12000 Mar, „francesca da
Rimini" 4100 Mark und ,, flora’ 9700 Mark;
G. Lourbet - „Strandlandjhaft" 2300 Mart;
Jobn Tonftable „Le pont' 4600 Mart; €. S.
Daubigny ,,Heuernte 1250 Mark; VW. Diaz „Be-
witterftimmung‘ 7100 Marf; Gules Dupré
plbendftimmung’ 4200 Mark; Ed. Griigner
„Kloſterſchäff lerei‘“ 13 800 Mark; H. Harpignie's
„Mondlandfhaft" 4100 Mark; Mag Klinger
wWajfernize’ 540 Mark und „Allegorie 400
Mart; G. Auehl „Das rotbe Zimmer 1500 Mark;
M. Liebermann „Biergarten in Roſenheim“
600 Mark; A. Lier „Bei Münden“ 47 00 Markt
A. Menzel „Woltenftudie‘ IS00 Mark und zwe
Heihnungen 590 und 450 Mark; J. f. Millet
„Vorfrübling‘ 2700 Mart; J. C. Shindler
„Waldlandfhaft 1230 Mart; U. Schreyer
„Brennenser Pojthof‘‘ 16 300 Mart; G. Segan-
tint. ,, Beimtrieb 510 Mark und „Raft am
Brunnen" 310 Mart; Alfr. Sisley „Am Ufer
der Seine’ 1170 Mark; Franz Stud Serpen-
tintänzerinnen“ 4500 Mark; „Tanz‘* 5900 Mart,
„Die Siinde 5700 Wark; ,,Liebespaac 760 Marf
und ,,Weiblider Ropf 1800 Mart; Hans Thoma
außer der ,,€infamfeit" eine „Sturmlandfhaft"
4000 Marl, ,, friiblingslandfhaft* 8200 Mart,
„Schwarzwaldlandfhaft"4500 Mark und,, falfen-
fein! 3000 Marl; frig v. Ubde,, Herr bleib' bei uns! 4300 Mark, „Rummer
voll 1250 Mark, „Flucht nadh Aegypten S20 Mark und „Mutterglüd*
2700 Mark; fr. Volt „Heimkebr 1100 Mart.
— Riürzlih hat Prof. Rohloff in Berlin zwei vorzüglibe Nahbildungen
der bekannten, 1562 datirten zinnernen Sunftfanne der Dittauer
Maurer-jnnung gearbeite, de — fon feit Langerem eine Fierde des
Kädtifhen Mujeums in Fittan — auf der vorjäbrigen Ausftellung von
Werfen alten Runftgewerbes aus fadfifdh-thiiringifthem Privatbefiz wieder die
Bewunderung aller Kenner erregte. Die Nachbildungen find für das Berliner
Runftgewerbe-Mufeum und für Herrn Regterungsrath Dr. Demiani bergeftellt
worden. Da die Fittauer Ranne unter den deutjhen Zinnarbeiten der Re-
naiffance faft einzig dafteht und jedenfalls die hervorragendjte derzeit befannte
Leiftung des fähfifben Finnguffes darftellt, ift es mit befonderer Freude zu
begrüßen, daß fie in einzelnen Ropien weiteren Kreifen befannt gemadt wird.
Die Eigenthimlichfeiten des Originals find bis in alle Einzelheiten wieder-
gegeben. Mur die Ormamentftreifen find auf galvanifhem Wege teprodusitt,
alle übrigen Theile find richtiger Zinnguß. Die Ornamente am Rande der
Ranne und am Dedel find mit eigens dazu gefchnittenen Eijen eingefdlagen,
die Derbindungsftreifen wie beim Original in Mefjing hergeftellt. Die
Hittauer Ranne ift mit der Jahreszahl 1562 fignirt und laut Stempel eine
Fittauer Arbeit, und zwar allem Anfhein nad eine Arbeit des hervor-
ragenden Sittauer Rannengiepers Paul Weife. Sie ijt 47 cm hod, in form
eines nad oben fhwah verjüngten Cylinders gehalten und mit zwei reiz-
vallen figurenfriefen geſchmückt.
Deutfdhde Runft.
W, Keibl, Jn der Kirche.
Mit Erlaubnifi des Herrn Commersienrath Seeger.
Preisbewerbungen und Perfdnliches.
Bekanntmadung.
— Der am 14. April 1894 zu Rom verftorbene Graf Adolph Friedrid
von Schad hat in befannter Begeifterung und Liebe zur Runft legtwillig die
Verfügung getroffen, dağ aus feinem Nadlaffe alljährlih auf die Dauer von
40 Jahren ein Reifeftipendium von 5000 Marf an junge deutfhe Maler zum
Awede ihrer weiteren fünftleriihen Ausbildung in Stalien oder Spanien ver-
liehen werde. Das Stipendium wird jeweilig auf die Dauner vgn 3 Fahren
verliehen. Für die Zuwendung des Stipendiums foll nicht fowohl Dürftigfelt,
als hervorragendes Talent und Fünftlerifhes Streben ausfchlaggebend fein.
Der t. Whademie der bildenden Rünfte in Münden ift die Auswahl des
geeignetften Bewerbers anbeimgegeben.
Demgemäß werden jüngere Maler, welhe Angehörige des Dentfden
Reides find und fih um diefes Stipendium bewerben wollen, aufgefordert,
Arbeiten, welde über ihre fünftlerifhe Thätigkeit
Ueberfiht gewähren, längftens -bis zum 15. Mai
1895 an die t. Akademie der bildenden Künſte
in Münden einzujenden.
Ein fohriftlihes Bewerbungsgefud, aus wel-
dem der Lebenslauf und Studiengang erfihtlich
ift, foll mit in Dorlage gebradt werden.
Die Roften der Einfendung und der Rüd-
fendung find von den Bewerbern zu tragen.
Münden, den 2. März 1898.
R. b. Alademie der bildenden Rünfte
in Münden.
— Die Entfdheidung in den großen Wett-
bewerben der Akademie der Riinfte in
Berlin ift gefällt. Um den großen Staate-
preis für Maler (5500 Mark zu einer einjährigen
Studienreife) bewarben fih neun Rünftler. Unter
ihnen trug der einer alten Hildesheimer Rünftler-
familie entftammende Maler Erwin Riihn=
bardt, der feine Studien auf der Diiffeldorfer
Afademie gemadt hat, den Sieg davon. Mit
einer ebrenvollen Anerfennung wurde der Maler
franz Triebfh aus Berlin bedadt. Der
große Staatspreis für Architekten (ebenfalls
3500 Mark) war von vier Baufünftleen um-
ftritten. Derlieben wurde er dem in jüngfter
Heit vielgenannten Architekten Wilhelm Kreis
aus Eltville, der als Studirender bei der Kon:
furren3 um das Dölkerfhladhtdenfmal in Leipzig
den erften Preis gewonnen halte; Kreis arbeitet
gegenwärtig bei Wallot in Dresden. Dem
Argireften Rihard Walter aus Magdeburg
wurde eine ebrenvolle Erwähnung zu Theil.
Um den Preis aus der Dr. Schulke - Stiftung
(3000 Mart) bewarben fih vier Bildhauer.
Der Sieger ift ein Berliner, der Bildhauer
Paul Schulz, welder feine Studien auf dem
Runftgewerbemufeum begonnen bat und fpater
ein Schüler von Nikolaus Beyger und der Runftbodfdule war; 1896 hatte
er für jeine Medailte zur großen internationalen Runftausftellung den erften
Preis erhalten. Mit einer ebrenvollen Anerkennung wurde der Bildhauer
Walter Shmarie ausgezeichnet.
— Aus dem Wettbewerb um den erften Michael Beer-Preis, der in einer
Summe von 2250 Mark beiteht, ift unter drei Bewerbern der von vielen
Ausftellungen ber befannte Maler David Mofe als Sieger hervorgegangen.
Mofe, der Sohn eines Runftlithographen, ftammt aus Wien und bat auf der
Miindener Akademie feine Studien gemaht. Auf der vorjäbrigen Runftaus-
ftellung in Münhen erhielt er für fein Bild „Begrabene Hoffnung‘ die Pleine
goldene Medaille,
— Der engere Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein
Bismard- Denkmal in Dresden ift wieder ergebniflos geblieben. Pro-
felfor Diez (Dresden) wurde beauftragt, einen neuen Entwurf anzufertigen.
r — Das Preisgeridt für dasKaifer Wilbelm-Reiterftandbildin Lübed
erfannte von 59 Entwürfen vier Preife von je 1500 Mark dem Bildhauer
Wedemever und Arditetten Benfer in Dresden, Profeffor Anders in Berlin,
Bildhauer Schott in Berlin und Bildhauer von Uedtrik in Berlin zu.
— Auf das vom Runftverein fiir die Rheinlande- und Weftfalen erlaffene
Preisausfdreiben zur Erlangung von Entwürfen für Aus-
[hmüdung des Ritterfaales im Schloffe Burg an der Wupper waren
12 Arbeiten eingeliefert worden. Der erfte Preis, beftehend in der Ueber-
tragung der Ausführung, für welde Seitens Sea Dereins ein Beitrag von
50 000 Mart bereit gejlellt worden ift, wurde dem von Profeffor Claus
Mever in Gemeinfhaft mit Herrmann Huislen eingereihten Entwurfe
mit dem Motto „Zingen und Sagen“ zuerfannt. Den zweiten Preis, eine
Prämie von 1500 Mark, erbielt Alb. Baur jr, den dritten, 1000 Mark,
Ludwig Wilbelm Heupel. für den vierten Preis war ein Betrag von
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8. Dogeler, Kopfleijte. Felfing, 100 Jahre im Dienfte der Kunit.
500 Mark ausgefegt worden, da aber zwei Arbeiten vorhanden waren, welde
wegen ihrer fünftlerifhen Qualitäten nad Meinung des Dereins - Ausfchuffes
Anfprud auf diefen Preis hatten, fo wurde jene Summe verdoppelt und beiden
Arbeiten je ein vierter Preis von 500 Mark bewilligt. Als Verfafjer ergaben
üh Theodor Rodoll und frig Neuhaus.
— Die girma Ernft Raps, lönigl. fädfifhe Hofpianefortefabrif fdhreibt
zwei Wettbewerbe für in Dresden wohnende Rünftler aus. Gn dem einen
falle handelt es fih um Zeihnungen zu einem Oberrahmen fiir Pianinos
für Holzbildhauerarbeit in englifhem Bejhmade; in dem anderen um eine
plaftifhe Dekoration, wobei über eine gewölbte fläche, weldhe als einfarbiger
Brund (möglihft himmelblau) zu behandeln ift, ein plaftifhes Neg- oder
Bitterwer? aus Zinfguß gelegt werden foll. Die Preife betragen im erften
Salle 100, 60 und 40 Marf, im zweiten 500, 200 und 100 Mart. Preis-
tidter find die Herren Arditeft Julius Bräbner, Prof. Paul Naumann,
Dr. Paul Schumann, Prof. Hugo Spieler und Ernft Eugen Raps. Ueber
alles Nähere geben die Programme Auskunft, die von der firma Ernit Raps
(Dresden- ftiedrihftudt, Seminarftraße 22) zu beziehen find.
— Ein Preisausfgreiben zur Erlangung eines vornehmen und wirkungs-
vollen Plafatentwurfes erlaft die Liqueurfabrif f. A. Schreiber in
Cöthen (Anhalt) und fordert alle Maler und Zeichner zur Betheiligung an
demfelben auf. fiir die drei beften Entwürfen betragen die. ausgejeten
Preife zufammen 500 Marf. Die firma behält fih vor, niht prämiirte
Entwürfe anzufaufen. Die Entwürfe müflen bis zum 12. Mai IS98 unter
Mottobezeihnung eingefandt werden. Alle näheren Bedingungen theilt die
obige firma den Gntereffenten foftenlos mit. Ueber den Ausgang des Preis-
ausfhreibens werden wir unfere Lefer zur Zeit in Kenntnis fergen.
— Dem Direftorial-Uffiftenten am Rupferftidfabinet der Königlichen
Mufeen in Berlin, Dr. Dalerian von Loga und dem Direftorial-Uffiftenten
bei den Sammlungen des KRöniglihen Runftgewerbe-Mufeums Ridhard
Borrmann ift das Prädikat „Profeflor beigelegt worden.
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O
— Der Rönig v. Württemberg bat Herrn Wilhelm felfing, dem
Inhaber der firma ©. Felfing, für ausgezeichnete Leiftungen auf dem Gebiete
des Runftfupferdrudes die goldene Medaille für Runft und Wiffenfhaft am
Bande der Württembergifhen Krone verliehen.
— Der in Wien geftorbene Maler JFofef Morgan war im Jahre 1859
in Trautenau geboren. Er war urfprünglih für die diplomatifhe Laufbahn
beftimmt, wurde aber aus Liebe zur Runft Maler und wendete ih vornehmlid
der Portraitmalerei zu. Er ging nad Paris und war dort der einzige Schüler
Bufav Ricards. RKRénigin Fjabella von Spanien verlieh ihm für ein ihr
gewidmet Bemälde den Adel. Ein im Jahre 1865 in Paris ausgeftelltes
Gemälde Morgans: Jeanne S’Arc“ erregte Uuffeben und wurde von Marquis
de Boithierry in Saint-Denis erworben. Später überfiedelte Morgan
nah Wien.
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spannen der Leinwand sicher und sorgfältiger selbst von ungeübten Leuten besorgt
werden kann.
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kum gebotenen Rahmen, die sich der vorerwähnten Vortheile nicht rühmen können. —
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II. 13.
Deuffche
Beiblatt: Bas Hielier,
Mluftrirte Heitichrift für das gefammte deutjche Kunitichaffen.
Central-Organ deuticher Runft: und Rünftler-Dereine.
Alle 14 Cage erfcheint eine Nummer.
Preis vierteljabrlid 2.80 Mart.
Poftzeitungslifte Ar. 1174.
Herausgegeben von
Georg Malſiowsſin.
Scriftleitung und Berwalfung Berlin W.57, Steinmehlir. 26.
Alle 14 Tage erfheint eine Nummer.
Inferate: 40 Pfennige für die 4 ge
fpaltene Nonpareille-Zeile.
Publifationsorgan des Deutfchen Runftvereins in Berlin, des Schlefiihen Runftvereins in Breslau, ses Runflvercine fiir das Broßberzogthum Heffen in Darmfladi, des Anhaltiſchen Kunſt-
vercing in Deffau, des Wiirttembergijden Runftvereins in Stuttgart, des Schleswig - Holfteinifhen Runftvereins in Riel, der Runftvereine in Münden, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera,
Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, GSrlik, Danzig, Rönigsberg, Stettin u. a.
Ar. 13.
15. April 1898,
II. Jahrgang.
Hubert Herfomer.
Pon Jarno Jeffen.
ede Individualität ift im Reim endgiltig ausgefproden.
Das Spiel der Umftände fhafft nur Umbildungen, feine
Yleuanlage. Der Engländer faßt diefe Jdee in dem Sak
> zufammen: „Das Rind ift des Mannes Vater. Es
wird viel Heit erfpart, wenn ein foharfblidender Erzieher in
richtiger Erkenntniß leitet. Weber Hubert Herfomer’s Gefhid hat
das günftige Geftirn einer verftänd- ;
nifvollen Erziehung geleudhtet. „Mein
Sohn muß Maler werden“, erklärte
der wadre Tifchler Lorenz Herfomer
in zäher Bebarrlichkeit. Er ließ feinen
Meberzeugungsmuth von feinem An-
prall des Schidfals beugen. Heute
find zwei Nationen ftolz auf den
Befig Hubert Herfomer’s. Er bat
in bedeutendem Maße englifhe Ein-
flüffe affimilirt, im Kern feines Wefens
ift er Deutfcher geblieben. Eingeboren
war feiner Anlage das Fünftlerifche
Temparament. Wenn er den roman-
tifhen Sinn, das Zielbewußtfein und
die Pflihttreue des Vaters erbte, fo
it ihm von der feingeiftigen, mufifa- A
lifhen Mutter das fenfible Nerven- AA
fvftem mitgegeben worden. Jede äfl-
betifche ‚Fähigkeit, jedes tehnifhe Ge-
[hie fceint auf den vielfeitigen Künft-
ler, den Praftifer aller Methoden,
fonzentrirt. Jn dem blendenden Uni-
verfalismus feiner Anlagen glauben
wir in Herfomer einen der mittelalter-
lihen Meifter in voller Blorie wieder-
erftanden. Salvator Rofa's, Leo-
nardo da Vinci's feltfam feffelnde Ge-
ftalten tauden aus dem Dunfel empor.
on der That fcheint Mutter Natur
zuweilen ihre Lieblinge unter den
Staubgeborenen zu wählen. Es ift,
als ob folden Wefen feine Anlage vor-
enthalten bliebe. Sie können in der
‚fülle des eigenen Reidthums fdwelgen. Sie dürfen mit Göthe,
dem Auserforenften aller Wuserforenen in das Belenntniß inten-
HD
fivfien Jchgefühls einftimmen:
it Sod die Perfönlichkeit.*
Diefe PerfSnlidfeit wurde auch Herfomer für den Lebens-
weg mitgegeben. Bliden wir in fein lebenfprühendes Antlit,
auf feine leihtbeweglihe Bejtalt, fo redet der Beift unabläfjiger
Rübrigfeit zu uns. Ja, ein Vergleich feines Befihtes im Lauf
der legten Jahre fceint die wunder-
bare Thatfadhe eines Derjiingungs-
prozeffes anzugeben. Ein edles, bär-
tiges, faft leidumflortes Rünftlerhaupt
aus dem Jahre 1879 bat fi in eine
glattrafirte, geiftreihe Schaufpielerphy-
fiognomie umgewandelt. Nicht Eitel-
feit hat diefe Aenderung diktirt. €s ift
dem Meifter ohne Bart bequemer, er
fpart Zeit. Er it gewöhnt, dem per-
fonliden Standpunft in Allem zu
folgen. Solche Transformationen er-
eignen fi) beftändig während Her-
fomer’s Leben, ftets neues Schaffen,
neue ntereffen, neue Methoden. Cha-
mäleonartig fhillert fein Wirken; aber
die Nüancen leuchten bei ihrem rapi-
den Werbhfel in fatten, tiefen Tönungen.
Obne Haft, obne Raft — bat er
über feinen Cebenstempel gefdrieben,
und diefem verdanten wir fhmadbafte
SFriihte voll verfchiedenfter Aromen.
Es wäre ungerecht, bei Herfomer's
univerfaler Bethätigung von Dilet-
tantismus zu reden. Jn feiner Viel-
beit ift immer viel Banzzeit. Doll
danfbarer Anertennung wollen wir
Deutfhen den Landsmann Ehren in
der zweiten Heimath ernten feben.
Noch beweiſt ſein Werk die tief innerlihde Antheilnabme an den
Stätten feiner Gugendseit.
Hier zu Lande hat fih uns Herfomer befonders als Maler
vorgeftellt. Die große internationale Runftausftellung vom
Jahre 1892 zeigte uns eine Reihe feiner bedeutendften Werke
de8 Pinfels und der Radirnadel. Abnungslos ftehen
wir jedod) bei diefen Proben feines großen Könnens der
„Hödftes Blüd der Erdenfinder
Hubert Herfomer,
Selbſtbildniß.
212
ete
eminenten fille an-
derer Anregungen
und Bethätigungen
gegenüber, die feinen
Namen zu einem
der meiftgenannten
unter dem ftattlihen
Rünftlerheer Eng-
landsmadten. Was
hören wir in
Deutfdland von den
geiftreihen Dorle-
fungen, die Herfo-
mer über feine ur-
eigenen jdeen in
Runft und Wiffen-
fhaft in feiner
Eigenfohaft als Pro-
feffor von Orford
vorträgt? Wie viel
wiffen wir von fei-
nem neuen Derfab-
ven in der Schwarz-
weiß- und Emaillir-
technif? Daß der
Meijter in vollfter
Antheilnabme mit der Entwidlung des Kunftgewerbes
bedarf ebenfalls befonderer Betonung. Herfomer bat die Erb-
{haft eines tüchtigen Mannesftammes gediegener, Fünftlerifch
begabter Handwerker anzutreten. Mit befcheidenem Stolz nennt
ex fic) Sen Gefammtausdrud er vielfeitigen Familienanlagen.
Auf einem dSreitheiligen OelbilS, das als einziges Wandgemälde
fein Atelier fchmüdt, find Srei feiner Vorfahren, Ser Vater und
zwei Onkel verewigt. „Die Erbauer meines Haufest nennt
Herfomer in pietätvollem Stolz drei fernfejie Männergeftalten,
einen Weber und zwei Schreiner. Ernjt und Tücdhtigkeit fpridt
aus den bärtigen Befihtern. Das Wappen gefunder Arbeit ift
lebt,
Bushey-house, Hubert Berfomer’s Wohnung.
Deutfde Runf. Aoa
das Adelspatent der
Herfomers. Die leß-
ten Jahre haben
Herfomer in feinen
Eigenfhaften als
Bühnenregiffeur
und Scaufpieler
glänzen laffen. Jum
Mufifer feint cr
von feiner frübeften
Jugend die hervor-
tragende Begabung
mitbefommen zu
baben. So ift die
Individualität die-
fes Mannes inter-
effant, wo immer
fie beleuchtet wird.
Herfomer’s gee
fammter Lebens-
gang ift ein Phä-
nomen an fid.
Das blutarme Rind
der Auswanderer
ift zum Schloßherrn
von Bufbey, der
Handwerferfobn zur internationalen Künftlergröße emporgewadfen.
gn Waal, bei Landsberg am Led) hat Hubert Herfomer das
Licht Ser Welt erblict.
„Die Herfomer's maden’s nicht wie andere Leute, haben dort
jbon die Nachbarn behauptet. Hat fic) Soc Herfomer’s Vater
bequemen miiffen, einen Thurm, sen er id) vermefjen an feinem
Haufe anbradte, auf den Widerfpruc der Dörfler wieder ab-
zutragen. Die Stürme der 1848er Revolution vertrieben den
waderen Schreinermeifter nad) er Neuen Welt. Kein Glüdsjtern
leuchtete ibm Sort in verfdiedenen Stadten. Jbn trieb es nad
Europa zurüd, und da die Wegzebrung nicht weiter reichte, murde
Hubert Herfomer, Wack den Miihen des Cages.
Deutfde
in Southampton der Kampf aufs Neue aufgenommen. Hier
arbeitete Ser Vater als Möbeltifchler, die Mutter als Rlavier-
lebrerin. Als der Sohn eines Tages das einzige Boldftüd der
Eltern bei einem Einfauf verloren hatte, zwang die Armuth den
Dater, das Rauden, altoholifhe Getrante und fleifhtot auf-
zugeben. Diefem Beifpiel ftoifher Entfagung ift Herfomer zeit
lebens gefolgt. Schon in diefen Rnabenjabren ift ihm die Pflicht
zur Arbeit aufgegangen. Nadh einer befhwerlihen Münchener
Reife erkrankte Herfomer; fein empfindlicher Körper madte fidh
früh bemerkbar. Ghm regten fic) die Lebensnerven, als ibn der
Dater auf die South Renfington Runftfdule gab. Hier ftrebte
fein chavafteriftifther Eifer den langen Lehrgang foviel wie mög”
ih zu fürzen. Man verweigerte dem Neuling den Eintritt in
die Aktklaffe, aber erjtaunlihe Kedheit und eine itberrafdende
Rreidezeihnung braten den fühnen Schüler an das Ziel feiner
Wünſche. Schnell fühlte Herfomer den tiefen Einfluß Frederic
Walter's auf feine Jndividualität. Er hatte den Helden gefunden,
dem er die Wege zum Olymp hinauf nadarbeiten wollte. Alle
bitteren Entäufchungen des Beginnens galt es jegt durdempfinden.
Zurüdgemiefene Arbeiten, harte Beurtheilungen faltherziger Kritiker
verwundeten feinen Jugendeifer. Wer fragte danad, ob der
bodbegabte, faum Neunzehnjäbrige fein täglihes Brod auf dem
Tifh batte. Diefen Erfahrungen dankt Herfomer das Befühl
echter Rameraderie gegen aufjtrebende Talente. Gn That und
Wort tritt er für gegenfeitige Nadhfiht und Hilfsbereitfhaft ein.
Som felbft ift Ser erfte Erfolg Surh den Graphic gefommen.
Schon hatte er auf alle Weife, als Baubandwerfer, als Zither-
fpieler einer Niggertruppe verfudt, feine Taſchen zu füllen, als
feine Zeihnungen dem neubegründeten Blatt zufagten. Ein hohes
Blüdsgefühl jhwellte ihm ‚die Bruft, als er von den erften Der-
dienften mit den Eltern fFerienreifen in die baverifden Heimath-
berge maden fonnte. Wie ihm das Herz aufging angefidts
all’ diefer Naturreize! Wie ihm die vollen, warmen farben-
töne feines Meifters Walter durch die Seele zogen.
So enftand fein erftes WAfademie-Oelbild ,,Nad den Mühen
des Tages“. Durd ein baverifthes Gebirgsdorf zieht fidh das
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NVME:
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Hubert Herfomer, Der Biirgermeijter von Landsberg a. £.
Run ft.
Hubert Herfomer, Profeffor Maz Miller,
fcdillernde Band eines fFliifdens, das blühende Obftbäume um-
ftehen. Dom Briinnlein am Ufer holt ein fclummerbefangenes
Mädchen ibren Wajferbedarf. Der Bänfehirt treibt Sie Heerde
über die Dorfitraße. Gn den vergliibenden Purpur der finfenden
Sonne hinein reden die Thiere verlangend die Hilfe. Eine Reihe
Giebelhdusdhen sieht fid zu den Bergen empor. Des Tages
Arbeit ift gethan, die Dörfler ruben auf den Hausbanfen. Der
Jäger ift fhon eingenidt; ein junges Weib träumt am Spinn-
roden. Wie Anmuth und leife Wehmuth ift gs über das Bild
des Abendfriedens ausgegofjen. Ein voller Erfolg in der Akademie
lohnte den jungen Meifter. Auch ein materieller Gewinn von
1000 Mart fam ihm Surh einen Zufall. Auf dem Omnibus
hörte ein Herr Herfomer’s Befpräd) 'mit feinem Rahmenmader und
führte ihm den Käufer zu. Ein neuer Auftrag von 5000 Marf
folgte fohnell. Herfomer fonnte fih den febnlidften Wunfd er-
füllen und den Eltern ein Heim einridten. Sein charafteriftifches
‚freilihtbedürfnig fand feinen Ausdrud in einem Landhäuschen
in Bufbev, eine gute Stunde von London entfernt. Hier ver-
lebte er jeden ‚Feiertag. Auf englifhem Boden ift Herfomer der
erfte Maler, der fih aus den Stadtmauern heraus auf dem
Lande feinen Wirkungsfreis gründete. Was die Barbizon-Schule
in frantreih, neuerdings auf deutfhem Boden die Dachauer
und Worpsweder beabfidtigen, bat Herfomer als einzelner Menfch
verwirklicht.
Eine Schüler- und Riinftlerfolonie von anderthalb hundert
Röpfen hat fih nah und nad um den Meifter in Bufhey an-
gefiedelt. Der Beift diefer Schule ftebt unvergleihlih da in der
Welt; denn bier berrfht in autofratifher Machtfülle das Alles
und Alle umfaffende Gefes Hubert Herfomer's. Ein Vorbild
raftlofen Strebens, humaner Empfindung, idealen Wollens waltet
er in patriachalifher Fürforge über feiner Schöpfung. Unfäg-
lihes Herzeleid hatte Herfomer duch feine Ehe, die ihm einen
Sohn und eine Tochter fehenkte, über jih und die Seinen herauf-
befhworen. Zu feinem unnennbaren Schmerz fabh er beide Eltern
nad dem deutfchen Daterlande zurüdkehren. Während tiefites
‘g ‘vd Basgsgung uy spoaglidogg sag Sunis somozas pagnu
Deutſche Runſt.
Dunkel auf ſeinem Gnnern lagerte, ging fein Riinftler-
geftirn immer ftrablender auf.
Ohne eine Ahnung von Sen Gefeken der Per-
fpeftive, der Rompofition und rechten Farbenbehandlung
fhuf Herfomer, einem inftinftiven Drange folgend, fein
berühmtes, großes Oeclbild „Die Chelfen Penfionäre*.
Don feinem Prinzip der Fresfomalerei verleitet, hatte
er die farben fo troen behandelt, dağ er das Wert
5—6 Mal von beiden Seiten mit Bindemitteln Surd-
tränfen mußte, um Riffe zu verhüten. Hier war in
fcblicytefter form ein Ausfihnitt des wirfliden Lebens-
ergreifens gegeben. Eine Anzahl rothrödiger Gnvaliden
it in fabler Kapelle zu ftillem Bottesdienft verfammelt.
Rein dekorativer Schmud der ‚farben oder des Beiwerke
erftrebten Effekt." Nur die ernfte Gdee Ser legten Mufte-
tung vor Sem Wlmadtigen follte den Befthauer in
ebrfurdtevolle Rührung verfenfen. Eine neue Note des
Rönnens war angefihlagen. Herfomer hatte bewiefen,
daß er den Menfchen wiedergeben fonnte wie die Land-
fhaft. GJbhn fhmerzte es, Sağ er fih aus den Bahnen
Walfer's berausfommen füblte, aber Ser Genius verlangte
ungebinderte Geftaltung. Einjtimmiges Händeklatfchen
der Prüfungsjurv empfing die bedeutende Ceiftung in der
Londoner Akademie. Die erfte Ebrenmedaille der Parifer
Ausftellung wurde Herfomer zu Theil.
gm Publifum vermeinte man nun nur nod neue
Penfiondrbilder ſehen zu follen; aber mit Ser ihm eigenen
Unabhängigkeit malte Herfomer, wozu er Stimmung
fühlte. Baverifthe Candfchaftsmotive mit Figurenftaffage
wie „Der Bittgang** folgten gegen Ende der fiebsiger
jahre. Diefer abfolute Geborfam gegen den eigenen
Impuls iſt heute noch Herkomer's fünftlerifhes Scyaffens-
geſetz. „Ich thue gerade das, wozu ich geftimmt bin“,
verfihert er, und da er Vieles liebt und übt, jtehen wir
einer unglaublichen Fülle feiner Leiflungen gegenüber.
Herfomer’s eminente Fähigkeit als Portraitmaler fand
damals Gelegenheit fih 3u beweifen. Sein glühender
Wunfh war es, Rihar Wagner bei deffen Londoner
Aufenthalt zu malen; aber der Meifter bemilligte feine
Situng. Ein Portrait aus dem Bedähtniß gelang fo
glänzend, dağ Wagner fih nun zu einer DViertelftunde
als Modell bereit erklärte. Nur an einem Obr fand
Herfomer eine Verbefferung ndthig, und er meinte bei
einem Vergleich feiner Arbeit mit dem Original, dap
er „feinen“ Wagner vorzöge.- Diefes Wert ift heut ein
Sdhmu der Dilla Wahnfried und gilt als beftes Bild
Wagner's.
Portraits und Candfdaftsbilder wechſelten jetzt in
rafter folge. Auf verfchiedenen Touren nad Wales
lebte fih Herfomer in feinem ‚Freilihtbedürfniß aus. Ein
Helt wurde aufgefdlagen, in dem er fchlief und fchuf.
Das ergreifende Bild „„Windverweht*, Sas Aquarell „Der
Erzdruide von Wales‘ entjtand damals. Gn dem feier-
lichen Antlig des greifen Naturpriefters fcheinen die
bimmelwärts gerichteten Augen einer Offenbarung zu
laufen. Wie gebeimnifvolles Raunen gebt es durd
die alten Eiden und die diifteren Wolfengebilde. Diefer
Propbet wird die Derfündigung erfaffen. Er ſcheint ſelbſt
ein Theil des mvftifchen Maturwebens.
Das Jabr 1879 madte Herfomer zum Mitglied der
Akademie und centri ihm Sie beißgeliebte Mutter. Er
faufte Sie Stätte ihres Todes und errichtete als Dent-
mal findlider Liebe den 100 Fuß hoben Mutterthurm
in Landsberg, Der vereinfamte Vater mußte zu dem
Sobne in England zurüdfehren. Es begann nun für
Herfomer die Zeit, wo cr als Portraitmaler modern
wurde. Er felbft ftellt diefen Kunftzweig befonders
bod, nennt ibn die wabre Chronif der Jeitgefhidte.
Yad dem Tode feiner Frau begann Herfomer fein Heim
in Bufbey in größerem Stvle anzulegen, Auf Bitten
feines YNahbarn, der Herfomer zum Lehrer für fein Miindel ge-
winnen wollte, wurde der Grund der beriihmten ,,Herfomer-
Schule mit einem Bau fiir fedh3zig Runftftudenten gelegt. Bis
auf Sen heutigen Tag bat Herfomer jedes Honorar fiir feinen
Unterricht verweigert. Eine Befellfhaft trägt die Roften, zieht
die Einnahmen und verzinft ihr Kapital bereits mit fünf Prozent.
Ohne Renntnif des Lateinifhen und Griedifchen wurde
Herfomer zum Profeffor von Orford ernannt. Man freute fid,
eine frifche, felbftgemadte Kraft neue Anregungen geben zu
hören. Und Herfomer fühlt fic immer in feinem Element, fo-
bald er feinen inne-
ren Ueberfluß mit
Dielen theilen darf.
Die aufopfernde Pfle-
gerin feiner Gattin,
Culu Griffith, war
indeffen Herfomer's
zweite frau gewor-
den, und mit ihr
war der ‚Friede in fein
Heim eingezogen. Auf
ihre befondere Bitte
malte Herfomer aud
Frauenportraits. Mig
Grant, die jüngjte
Tochter feines Freun-
des, trug feinen Ruhm
als Frauenmaler
durch Europa. Mit
Stolz erzählt Herko-
mer, daß der einzige
Stuhl der Berliner
Ausftellung damals
vor feinem Bilde ge-
ftanden babe. Neue
Wunden waren feiner
Seele durd) den Der-
luft zwei heißgeliebter
Wefen, feines Weibes
und feines Vaters,
bereitet. Nur raftlofe
‘Arbeit half ibm über
den Sufammenbrud.
gm Jahre 1886 bat
er nad eigener Un-
gabe 36 Portraits
gemalt, im folgenden
einen Cyflus von 40
Aquarellen aus feiner
Umgebung von
Buf hey vollendet. Oft
fans er fih von 4—7
morgens im freien
ffigziren, um 8 im
Sug nad London,
um drei Sigungen
abzuhalten, und bereits wieder für eine Abendftimmung in-Bufbey.
Neue Seelenruhe überfam ihn, als feine Schwägerin einwilligte,
fein Weib zu werden. Da das englifhe Befetz die Ehe mit der
Schwefter der verftorbenen frau verbietet, ließ fih Herfomer
aufs Neue als Deutfher naturalifiren. Er durfte fich jedoch fpäter
mit befonderer Bewilligung der englifhen Regierung aud Eng-
länder nennen, gehört alfo buchftäblid zwei Nationen an.
Ein neues Meifterwerf, feine „Kapelle des Charterhaufes,
war im Jahre 1889 einer der größten Erfolge der afademifden
Ausftellung. Das feingetönte, berrlihe Gruppenbild, ein echtes
Doelenftüd Ses 19. Jahrhunderts, it jegt eine Zierde der neu-
eröffneten Tate- Galerie. Durch eine zufällige Bitte feines
Söhndens für eine Weihnadtsaufführung ift Herfomer zur Bee
thatigung feiner fhaufpielerifhen Anlagen gefommen. Es fcheint
Deutfhe Runft.
Hubert Herfomer, Pringregent Luitpold von Bayern.
245
während feines Lebens, als erweife fidh feine Gndividualitat wie
jener Brunnen des Wardenlandes, der beftändig neue, töftlihe
Strahlen hervorfprudelt. Wo immer Herfomer in fih felbft an-
feblug, bat er quellende Fülle gewedt. Aus einer Fleinen Kapelle
in Bufhey entwidelte cr ein regelredtes Theater. Er zeigte eine
erftaunliche Leiftungsfähigkfeit als Architekt, Regifjeur, Bühnen-
dichter, Romponift, Rapellmeifter und Scaufpieler. Die Neu:
einridtungen, die fein erfinderifhes Genie in feiner Bühne traf,
waren derart überrafihend, daß Herfomer 1892 gebeten wurde,
einen Sffentliden Vortrag über feine „Vühnenkunft im Avenue-
Theater zu balten.
Er wollte fidh abfolut
als feinen Reforma-
tor aufipielen. Mit
dem Enthufiasmus
des felbftfchöpferi-
fhen Autodiftaten
trug er feine fühnen
Neuerungen vor. Je-
des Bühnenbild ver-
langte er von dem
Standpunft des Ma-
lers gefehen. Der
Vordergrund ſollte
natiirlid) behandelt,
der Hintergrund pers
fpeftivifeh modellirt,
die Atmofphäre durd)
Gaze gegeben fein.
Fubplidter waren ab»
gefhafft, Ser Vor-
bang rollte nad
den Seiten auf, das
Ordefter war unfidt-
bar wie in Bayreuth.
Der Mond in Bufbey
mit feinem Zinnrund
und den von innen
herausleuchtenden
elektriſchen Lichtern
hat einen beſonderen
Ruf erlangt. Bei Sen
Vorftellungen wirkte
Ser Profeffor, feine
Familie, die Schüler -
und einige profeffio-
nelle Sdhaufpieler
mit. BHerfomer wird
als Schaufpielec felbft
von Rennern hodge-
ftellt. Jm Fabre 1889
wurde ein „Jyll“
vor 1500 geladenen
Bäften zum Beften
der Dorfbewohner
aufgeführt; Hans
Richter hatte das Örchefter übernommen. So glänzende Triumpbe
aud) Herfomer’s biftrionifche Leiftungen fanden, ift er dod heut
diefer Mühen müde. Dorldufig, fagt er, und bhoffentlid auf
immer bleibt das Theater gefhlojfen. Er bat eben Stimmung
für etwas Anderes.
Dem verftändnigvollen Befucher zieht er in feinem Atelier
einen Vorhang zurüd und enthüllt das neue Werf feiner zu-
fünftigen Mühen. Es ift eine Wiederbelebung der Limoger
Emaillemalerei, die er voll unfägliher Beduld auf Rupferplatten
ausführt. „Die Fludt der Stunde nennt er einen Cyflus von
Emaillebildern in einem mädtigen, fhildförmigen Silberrahmen.
Alles hat an diefem Werk feinen tiefen Sinn. Die bingleitenden
Ornamentfurven der Riefenplafette, die eingefügten Emaille-
Seifenblafen, jedes Bildmotiv deuten allegorifch des Meisters”
246
Auffaffung der Dergänglidkeit an. Herfomer ift eben nicht mit
der einen Norm des Realiften abzuthun. Der Griibler, der
Träumer wurzelt tief in feiner Natur. Ein moderner, abjolut
origineller Todtentan; - Cyflus i unter feinen Händen in der
Entftehung begriffen. Man faßt die Fülle malerifher Arbeiten
nicht, die Herfomer trogdem während der letzten Jahre vollendete,
Sein beftes Werk, das er vor wenigen Monaten malte, ift nad)
feinem Ausfpruh „Die Begrüßung der Königin durd) die Rrim-
invaliden beim Diamantjubiläum‘. Die society of arts bat
das Meifterwerf bereits erworben. Es zeigt die Gruppe roth-
rodiger Rriegsveteranen am
Supe des bronzenen Rrieger-
dentmals voll Ehrfurdt und
Liebe die greife Monardin be-
willfommnend. Wie ein erwär-
mendes UAbendfonnenleudten
fpiegelt fid Ser Grug er Maje-
tät auf den Befichtern der alten
Soldaten.
Herfomer ift dod fhließ-
lih vor allem Maler und wie
zahlreihe Abzweigungen diefer
Dollftrom menfdlider Bega-
bung fih aud geftatten darf,
feine Hauptbahn liegt dort, wo
‚farben und formen finnbe-
ftridend im Rhythmus des Pinfels
zufammenklingen. fiir die nad
ften Monate hat Herfomer feine
erte Reife nad) dem Süden
Jtaliens geplant. Er will fleißig
ffizziren. Auf welde neue
Bahnen mögen ihn die Schön-
heitsoffenbarungen im Lande
der Schönheit binweifen?
Das gefammte Schaffen
des 49jährigen Meifters gipfelt
im Gebiet des Portraits. Als
glänzender Charakterkenner er-
faßt Herfomer feine Menfchen.
Obne jedes dekorative Bei-
wert, wie Gainsborough und
Reynolds, ohne die befonderen
Lidteffette Rembrandt's, ftellt
„ er die figuren einzeln oder in
ausdrudsvollen Gruppen bin.
€s geht ein großer Linienzug
duch feine fitrenden und ftehen-
den Beftalten. Sie geben fih
flar und ungefünftelt! Da habt
ihr uns, fo find wir. Herfomer
Da Bene,
der Wirklicyfeit Surh ein melandolifhes Temperament gefdaut.
Der Praftifer ift au voll humaner Gefühle. Es ift bezeichnend,
daß die Effaalwände feines neuen Heims mit einem ‚friesreigen
überlebensgroßer Jungfrauen gefhmüdt werden, die die Idee der
„Sympathie verfdrpern follen. Jn farbenfhimmernden Ge-
wdndern auf goldenem Hintergrunde fhweben die Beftalten dahin.
Zuweilen iſt aud die Phantafie in das weite Reih des Meifters
Gebiipft. Sie hat es verfucdt, ibm ihren Spuf vorzugaufeln.
Auf feinem feingetönten Aquarell „Jn der Dämmerung‘ find
Niren und Bnomen aus feinem Pinfel gefhmwebt; aber es fcheint
uns nur ein zerflattertes Gebilde
geworden. Der Meifter ftebt
am ficderften, wenn ihm aus
diefer Erde feine Freuden quillen.
Er ift abfolut unberührt ge-
blieben von den ungefunden
Derzerrtheiten der englifhen
Präraphaeliten. Zu franthaften
Baudelaire- Stimmungen im Erl-
fönigreih bat er feine Zeit. Er
liebt die Träume im Tannen-
wald, wo Sonnenlidter urh die
Wipfel fpielen, wo der Harz ge-
funde Düfte fpendet. Unermüd-
lid) thatig bat er fid) fein flop.
artiges Heim durd die Arbeit
feiner Hände erbaut. €s ift
fein Stolz, daß er aus fidh
heraus werden fonnte. Noh
barrt „Cululaund* in Bufbey
der Vollendung. Es wird der-
einft als Denkmal einer unver-
gleihlihen Perfönlihfeit zum
Wallfabrtsort aller werden, die
echte Individualität verehren.
Herfomer ift ftolz darauf, daß
bier der gefammte Plan, der
Holz- und Metallfdmud, die
Stoffe, die Teppiche, die Möbel,
jedes Stüd Sem eigenen Ropf
die Entftehung Sanften. Als
Handwerker wie als KRünitler
bat er an Allem raftlos mit-
gefhaffen. Eiferfühtig wadt
er über jede vorläufige Der-
öffentihung feines Milieus.
Innerhalb der nädften drei
Jahre denkt er felbft ein großes
Wert über diefes Heim und
fein Wollen und Wirken zu
fohreiben. Es wird dem beimi-
malt feine pathologifhen Räth-
fel wie Stud und Lenbad,
feine Raffinements wie Whiftler
oder Düran. Er malt weniger Poeffie, mehr Realität. Hat die
Ueberproduftion den Riinftler zuweilen zu Flüdhtigfeiten verleitet,
fo find ihm eine Reihe von Schöpfungen gelungen, die auf der
Höhe der Meifterwerfe aller Zeiten fteben. Ein Herfomer’fches
Portrait trägt den Stempel vornehmer Schlichtheit, natürlicher
Grazie mit einer Tönung gemüthvoller Wärme, die aus der ge-
dämpften Leuchtkraft feines blühenden Kolorits bervorftrömt.
Angefihts feiner Menfhen glauben wir des Meifters Verficherung
3u hören: „Jh liebe alle meine Modelle. Jh liebe fie wie fie
find, nicht wie id fie haben mödte. Und dennoch Flingt aus
diefem Realiften häufig genug eine träumerifche Mote. Sie fpriht
zu uns aus feinen ftimmungsvollen, weichröthlih durchhauchten
Landfcaften, aus den zablreihen Motiven, die Herkomer's tiefes
fühlen mit dem Ernft des Lebens fpiegeln. Seine ,,Chelfea-
und Krim-Jnvaliden*, fein ,,Charterhaus-Gottesdienft, das
„Streifebild*, die „Auswanderer“, „Befunden“, find Ausſchnitte
Hubert Herfomer, Der Erzdruide von Wales.
fhen Runftgewerbe viel zu
denten geben. Soviel mag ver-
raten fein, daß der deutfche
Wald als Grundidee des Ganzen geðadt it. Rein gothifthe
Motive find frei nad) des Künftlers Caune mit modernem Geift
Surdfegt. jeder Ausblid aus den eichengetäfelten Fenftern
zeigt einen Ausfchnitt der fihönften Waldlandfhaft. Das
Material des Baues ift baverifcher Tuffftein. Die Wand-
fhnißereien enden in fraufen Ornamenten zierliher Moosformen,
die der Natur auf das Liebevollfte abgelaufht wurden. So
arbeiten fonnen nur die Auserlefenften. Hier ift feltenes Rönnen
mit feltener Schaffensfreudigfeit gepaart. Aus dem ernften Begriff
der Dergänglichkeit der Zeit bat Herfomer den ebenfo ernften
ihres hoben Werthes abgeleitet. Sein Lieblingswort ift der
Ausjpruh Wark Aurels: „Lebe unentwegt dem göttlichen Genius
in Dir und diene ihm würdig.“ So führt er intenfiv durd,
wozu fein poetifher Genius ibn lenft. So bat fih Hubert
Herfomer im täglihen Ringen der Weisheit letzten Schluß „die
freiheit und das Leben“ erobert,
Deutfhe Runft.
247
Charlotte Wolter und die bildende Kunft.
m Montag, den 18. April, beginnt die DVerfteigerung der Runft-
fammlungen Charlotte Wolter's in Wien bei H. O. Miethfe. Es
handelt fih bier nit um das gewöhnlihe Bric a brac, mit dem
fid Bühnengrößen männlihen und weiblihen Bejhlehts zu umgeben wiffen.
„Charlotte Wolter befaß eine febr werthvolle Runftfammlung; es gab kaum
einen Runftzweig, mit dem fie Ah niht durch geheime Fäden verknüpft fühlte.
In ihrer Hieginger Villa, in ihrer Stadtwohnung, fo lange fie eine folde
bejaß, fogar in ihrem Bauernheim am Atterfee umaab fie fid mit taufenderlei
Unter den Malern ift Canon befonders gut vertreten. Don anderen
Meiftern feien WU. Stevens, T. Couture, G. Roller, Rudolf Huber, f. Ruben,
S. Jiem erwähnt.
Befonderen Kunftwerth befitt das Kapitel der Schmudfaden, ein Pleines
Mufeum für üd, von faft zweihundertundfünfzig Yummern, und bier fpürt
man wieder die fammelnde Hand der frau. Es ift erftaunlich, wie viel diefe
Hand, die wir bloß für eine Runft thätig glaubten, aus anderen Runftgebieten
zufammentrug, über zweitaufend Yummern, Alles natürlih nicht gleih hoben
Hubert Herfomer als Schaujpieler.
Gegenftinden der Runft, welche fie, zunädft unter Anleitung ihres Gatten,
dann felbftftindig mit fiderftem Bejhmade zu wählen vertand. hre große
Sdakglammer blieb natürlih die Hiekinger Dilla. Ein förmlihes Mufeum
batte fih bier im Laufe der Zeit um fle gebildet, das Wolter-Mufeam. Werte
der Malerei und Skulptur, foftbares Befchmeide, vornehmer Hausrath,
ſchimmernde Töpferei, buntfröhliches Porzellan, die Feine und die große Runft,
eine ganze Welt voll edler Augenweide umfing die Tragddin, und in diefer Welt
zu athmen, in ihr fih 3u erholen und für neue Arbeit zu färten, war ihr zum
geiftigen Bedürfniß geworden. Auh Braf O'Sullivan, ihr Gatte, war eine vor-
nehme Riinftlernatur, der eben nur die fhöpferifhe Kraft gebradh, obwohl er den
Pinfel gar niht ungefhidt führte. Als Runftfammler war er erften Ranges.
Er war es von Haus aus, von feinem väterlihen Haufe ber. Sein Vater,
-belgifher Gefandter in Wien, fammelte nod zur guten Zeit, gut fiir den
Sammler, denn es war eine Zeit, die felbft wenig Runft hervorbradte und
dabei die Runftwerthe der Vergangenheit unterfhätte. Die väterlihe Samm-
lung zu bewahren, fortzuführen, zu vervollfommnen, betradtete Graf
O'Sullivan als eine feiner Lebensaufgaben."
Werthes, aber jedes Stüd eine Erinnerung an fle, viel eigentlihe Wolter-
Reliquien darunter, Bejchente und Andenken aus ihrem Fubiläumsjahre —
und rüdjinnend fehen wir fie jelbft unter all den fhönen und foftbaren Dingen
walten, ihrer alltäglihen Atmofphäre, ihrer Lebensluft.
An diefer Stelle fommt es uns vorwiegend darauf an, zu zeigen, wie
die Perfon der Rünftlerin felbft wieder zum Objeft der Darftellung für die
bildende Runft wurde. Hans Mafart, H. von Angeli, Hans Canon, f.
Matfd haben gewetteifert, die edlen Züge, die ebenmäßige Geftalt der Tra-
gddin im Bilde feftzubalten, Victor Tilgner bat ihre lebensvolle Biifte
modellirt. Da ift es Senn von befonderem Jntereffe, ebe diefe Bildniffe in
alle Welt zerftreut werden, zu fehen, wie fi die verfdiedenen Riinftler-
individualitäten ihrer Eigenart entfprehend mit. einem Dorbilde von fo feltener
Dollfommenbeit abfanden.
Das Mafjifhe Profil der Wolter, die gerade aufftrebende Stirn, die fein-
Gefdnittene Yafe, der ausdrucdsvolle Mund, das energifthe Rinn haben fih fo
feft dem Gedadhtnif eingepragt, dağ uns das Portrait von Meifter Canon
mebr en face genommen, faft fremdartig berührt. Der feine Kenner und
248
Deutfhe Runft.
Nachahmer der alten Meifter ift
uns bier einmal als Peter Paul
Rubens gefommen. Es liegt in
diefem Frauenfopf ein Jug fön-
heitsftolzer Lebensfreude, fraftiger
Sinnenluft, der die fiharfgefchnittenen
£ippen fehürzt, die feinen Nafenflügel
zittern macht und die Mugen Augen
feucht fhimmern läßt. Canon bat
das matürlihe Temperament der
Wolter gemalt, Hans Mafart
das Ffünftlerifche, urh eine Rolle
beftimmte. Liebe heifhend als ihr
tyrannifches Redt dehnt Meifalina
die rofenbefränzten Blieder auf den
Polftern, das ftolz gehobene Haupt,
der berrifche Blid will den Geliebten
niederzwingen auf die Rniee zur
Anbetung fiegbaft prangender Schön-
beit. Auch für ein Plafondgemälde
auf Leinwand bat Meifter Mafart
die Züge der Wolter benugt.
Neben der Thyrjos jhwingenden Bachantin taudt fie auf, ftreng verbiillt,
in den ernften Mienen einen Zug kalter Braufamfkeit, die fih fehmerzenaftarr
auf ih felbft befinnt, Sie Derkörperung der Tragödie. Mit den einfachften
und gerade darum wirfungsvollften Mitteln arbeitet H. von Angeli in
feiner Darftellung der Rünftlerin als Rrimbilde. Das find die verfteinten,
medufenbaft fhönen und medufenbaft graujamen Züge der Gattin des Er-
Hans Mlafart, die Tragödie, Plafondgemälde,
fhlagenen, in der die Radhe jedes
andere weiblihe Empfinden getödtet
bat. Gefpenfterbaft blutleer taucht
das weiße Antlig aus den fhwarzen
Tranerfcleiern auf in ftarrer Linien-
ſchönheit. Das Knieſtück von
f. Matſch trägt den Charakter
des Jubiläumsbildniſſes. Die Rolle
der Sappho ſcheint nur gewählt, um
für die Anbringung der filberver-
goldeten Lyra mit dem Reliefbildniffe
der Rünftlerin, die von den Mit-
gliedern des Hofburgtheaters ge-
widmet wurde, einen angemeijenen
Vorwand zu finden. -Treu der Natur
nadgebildet erfheint die Bronzebifte
von Meifter Tilgner. Es liegt
etwas miides in diefen. Jügen, die
fo oft die nachempfundene Leiden-
fhaft fiinftlerifd wiedergefpiegelt
haben, eine Abfpannung, die fih
nad Rube fehnt.
Durdh all diefe verfihiedenen Auffajjungen aber geht als Brundzug die
freude der Rünftler, eine unendlich vielfeitige und doh immer fhöne Natur
nachbilden zu lönnen. Gedes Wolterbildnif iiberhdht füh über die Aehn-
lichkeit hinaus zum Runftwerf, weil e3 nie das Weib allein, fondern ftets
das durd die Runft zur Schönheit erzogene Weib darftellt, und fo iiber das
Gndivisuum fort in die Welt des Typus übergreift. 6. M.
Berliner Dereins-Ausftellungen.
ir ftehen derzeitig in der Reihshauptftadt im Zeichen der Vereins-
Ausftellungen. Die Anzahl der Starken, die allein am ftärkften
> find, war von jeher nit übermäßig groß, und wenn Bleid-
ftrebende fih zufammenthun, fo werden fie leiht den Eindrud erweden, als
feien ihre Ziele, von einer gefdlofjenen Maffe in äbnlihem Tempo verfolgt,
eher erreihbar. Aud) dedt in einer Vereinigung einer den anderen, und man
nimmt den Schwadhen um des Starken willen in Rauf.
Der Rünftler-Derein Pallas war bisher nur durch wohlgelungene
gefellige Deranftaltungen in die Oeffentlidfeit getreten und man erzählte fid)
in eingeweihten Rreifen, daß die Mitglieder fi gelegentlich äfthetifhe Vorträge
halten ließen und
in gemeinfdaft-
fen vorübergeführt, erhielt bier und dx eine pfeudofahmännifhe Erläuterung,
trug feinen Namen in ein Difitenbud ein und wurde am Schluffe mit der
böflihen Frage entlaffen, wie einem die ganze Deranftaltung gefallen babe.
Der Prejje erfcien eine folde intime Ausftellungsform ungewohnt und fie
glaubte fi) berufen, fie mit einer gewiflen Nondalance fo oben hin abzuthun.
Nur Ludwig Pietfy madte in der „Bojjifhen Zeitung‘ eine rühmlihe Aus-
nahme, und wir fdbliefen uns ibm mit voller Ueberzeugung an.
Der Verein Pallas hatte das Bedürfniß zu zeigen, wie er fih auf
forporativem Wege die Fünftlerifhe Arbeit zu erleihtern und zu verbilligen
fügt, und diefer Nachweis ift ihm in vollften Maße gelungen. Ja, man
fand Belegenbeit,
fih an mangem
lihen Ateliers
fleißig Aftmalten.
Die erfte Aus-
ftellung der zu-
meift aus jünge-
ten Riinftlern,
Arditekten, Bild»
bauern, Malern,
Photographen
beftehenden Der-
einigung wurde
in einem nicht be-
fonders günftig
beleuchteten Saale
des Cquitable⸗
Palaftes veran-
ftaltet und trug
einen wejentlic
familiären Cha-
rafter. Von einem
alten Modell em-
pfangen, wurde
man gewiffer-
frifchen, von keiner
„Richtung“ ange-
fränkelten Talent
zu erfreuen, das
die Natur mit ge-
funden Augen an-
fiebt und ſchlecht
und recht und ohne
Sdielen wieder-
giebt. Wenn wir
recht berichtet find,
it Emil Hen-
(hel das eifrigfte
Dereinsmitglied
und erfheint dem
entfpredend mit
der größten Zahl
von Arbeiten auf
dem Plage.
Seine Landfhaf-
ten, feine Ate
und Portraits zen-
gen von Bega-
maßenan den eine
zelnen Runftwer-
Í > O o — — — — —
Hans Makart, Charlotte Wolter als Meſſalina.
bung und Fleiß,
fein Frauenkopf
mit gefpigten Lippen, von denen in lüfternem Sinnesbehagen ein Tropfen
berabfließt, jogar von derbem, allerdings noh niht ganz über das Modell
binausgewadfenem Humor, wie denn die jungen Herren überhaupt ein gewilles
Dergnügen daran finden, fih gegenfeitig zu malen und zu modelliren, wie
man das eben in intimen Rünftlerfreifen zu thun pflegt. Gn diefem Darftellen
des Nddftliegenden, mag es üh nun um Landfhaft oder Bildnif handeln,
liegt ein liebenswürdig naiver Zug, der denn auc) meift der anfpruhelofen
Schilderei zugute fommt. A. Sturm, ©. Schafft und Wrage halten fih
an die Reize der märkifhen Natur und gewinnen dem „Lietenfee", Sem
„Tempelhofer Schloßpark", dem „Klofter Chorin’ hübfhe Veduten ab. Jn
Hugo Heine hat der Verein Pallas and feinen Malerphantaften und
Symboliften. Ans griinlich fehimmerndem Wafer taudt ein Frauenleib auf,
an dem fid frei nah Stud ein Schlangenleib bheraufwindet, der den Kopf
mit unheimlich leuchtenden Augen züngelnd, über der Stulter vorredt. Der
Rünftler nennt das Phantasma „Die Sünde". Unter den funftgewerbliden
Arbeitern fallen die Dorlagen für Teppihe und Stidereien von Martin
. Spieler, die NRandzeihnungen von Pii und die Ex libris von
€. Zellner angenehm auf. GnW. Facoby zählt der Derein einen tüchtigen
Bildhauer, der in Bildnifbüften ein fraftiges Charafterifirungevermdgen, in
einer „Weinernte‘ un) in einer „Römifhen Zirfusfzene ein beachtenswerthes
Rompofitionstalent zeigt. Der Arkitett Emil Shmidt- friedenau ftellt
Modell, Grund- und Auftiffe der von ihm in München erbauten Bayerifchen
Hypothefen- und Wedfelbant aus.
Handelte es fic) bei dem Derein Palles vorwiegend um eine Demonfteirung
des gemeinfamen Lernens und Arbeitens, fo hatte der Verband Deutfder
Hllufteatoren bei feiner Ausftellung im Wfademiegebaude, die am J. April
eröffnet wurde, die ausgefprodhene Abfiht, fih als fiinftlerif gleich beredtigt
zu legitimiren und die Schwarz - Weiffunft ebenbürtig neben die Farbenkunft
zu ftellen. Der anerfennenswerthe Derfuh fann natürlich nod feine vollendete
Löfung bringen, aber es ift jedenfalls ein rühmliher Anfang gemadt. Wenn
man den Gefammteindrud der Ausftellung zufammenfaßt, fommt man zu der
Ueberzeugung, daß der Art des modernen Glluftrirens ein Grundfebler an-
haftet, der Mangel an fiinftlerifcher Freiheit. Der fh von Jahe zu Fahr
fteigernde Clihe-Bedarf für illufteirte Zeitfihriften hat einerfeits ein fhablonen-
haftes Arbeiten für den Maffenvertrieb, andererfeits ein Ueberwiegen des
verlegerifhen Einfluffes gezeitigt, der nah Sem Befhmad des großen
Publifums fcielt und darüber den geraden fiinftlerifden Blit verliert. Da-
dur ift ein handwerkfsmäßiger Zug in die Fllufteationstednif gefommen, ge-
fördert durch de mehanifhe Reproduktion, die ihre Beziehungen zum Original
meift erft auf dem Umwege über die Photographie findet. Ob die Zeit, wo
Ñ. von Angeli, Charlotte Wolter als Kriemhilde.
Deutfhe Runft.
Hans Canon, Charlotte Wolter.
der Riinftler felbft auf den Stod zeichnete, zurüdzuwünfhen ift, mag dabin-
geftellt bleiben, jedenfalls behielt die Flluftration fo ein unmittelbares Ge-
präge, Erfindung und Ausführung nahmen von vorn herein Rüdfiht auf die
Bedingungen der Wadbildung.
Der retrofpeftive Theil der Ausftellung ift dazu geeignet, diefe Schäden
augenfällig zu machen, ja fie würden nod mehr bervortreten, wenn man neben
den Originalzeihnungen der modernen Glluftratoren die Reproduftionen aus-
geftellt hätte. Das Größerzeihnen für die photographifche Verkleinerung,
das Benugen der Tufthe, ja der Farbe für farblofe Nachbildung würde fidh
dann noch deutlicher als ein Nothbehelf erweiſen, deſſen künſtleriſche Nachtheile
fbhwer zu vermeiden find. Es wäre ungerecht, wenn man die Fortfdritte ver-
fennen wollte, die Hol3fdnitt, Farbendrud und Aebung in den legten Jahr
zehnten gemadt baben, aber uns will bedünfen, als fei über all! der Mechanik
ein Stüd fünftlerifcher ntimität verloren gegangen, deffen Zurüdgewinnung
828 Hauptftreben unferer Jlluftratoren fein follte. Hier ließe Ah einmal wirk-
lid vom Luslande lernen. Jn der Feitfcriften-Flluftration find uns die
Englänser, in der Bucdillufiration die franzofen überlegen. Die Errungen-
jhaften der Technit müljen überwunden und in den Dienft des freien
fünftlerifhen Schaffens gezwungen werden.
Unter dem Befihtepunfte des gemeinfamen Strebens nad den eben an-
gedenteten Zielen begrüßen wir die Begründung des Verbandes Deutfcher
Gllufteatoren mit Freuden und glauben feiner erften Ausftellung dur diefe
allgemeinen Ausführungen eher gereht zu werden, als durd eine Aufzählung
genugfam befannter Namen. Dis Ringen nah Fünftlerifcher Freiheit muß
über kurz oder lang unferer Heit,hriften» und Budilluftration zu gute fommen.
Wenn die forporativen Ausftellungen den Jwet haben, einen Ueberblic
über die Leiftungen auf einem beftimmten Runftgebiet zu geben, fo gewährt
die fiebente Ausftellung deutfher Aquarelliften bei Schulte recht
erfrenlihe Ausfihten. Die leihtflüfige Wafferfarbentehnif fommt Ser mo-
dernen Darftellungsweife bilfreih entgegen, fie erleichtert es gleihmäßig
ftimmungsvoll und geiftreih zu fein. Go wird Jedem fein Reht und feine
andere Malweife hat zur Zeit fo zablreihe Gudividualitdten aufzumeifen. Die
führung bat bier unftreitig Berlin übernommen. Liebermann und
Starbina fönnen bei aller Eigenart die Parifer Schule nit verleugnen,
ein Umftand, der um jo mehr bervortritt, als fie meift ältere Bilder aus-
ftellten. Sfarbina’s „Place de la Monnaie“ in Briiffel, fein ,, Weibnadts-
markt auf dem Schloßplat‘ ftammen ans den adtzigec Jabren, als ibn nob
die frende an der gewonnenen Herrjhaft über die Technik zu Erperimenten
voll bunter farbenwirfung verleitete. Am beften unter feinen neueren
Arbeiten will uns das „enter Thor zu Brügge gefallen. Gn lichten
250
Tönen gehalten, fühl und vornehm in der Färbung, zeugt es von vollendeter
Meifterfhaft. Liebermann's ,,Heimfehrender Arbeiter‘ und „Bleiche!““
zählen mit ihrem ſilbergrauen Kolorit zu den einheitlichſten Werken des viel-
geſtaltigen und doch immer eigenartigen Künſtlers. Ueber L. Dettmann's
neueſten Arbeiten liegt eine faſt übermüthige Luſt an der Wiedergabe farben⸗
freudiger Naturſtimmungen, die er ſich derzeit meit aus Tirol geholt hat. Der
Purpur und das ſatte Gelb, mit dem der Herbſt die Laubmaſſen überfluthet,
find ebenſo virtuos gemalt, wie ein ſtiller „Teich mit Seeroſen“ und ein in
zartes Moos- und Blättergrün gebettetes Dorf mit Strobdädhern, die ih be
fheiden gegen den nordifch Fühlen Himmel abheben. Hans Herrmann bat
fih mit feinem in Holland er-
worbenen Sinn für feine Luft-
ftimmungen in die Reize der Elb-
fadt Dresden vertieft, während
Frigg Stahl fein großes Parijer
Rorfobild von der vorjährigen
Runftausftellung inceiner fleineren,
bei weitem gefdloffener wirkenden
Wiederholung bringt. Hansvon
Bartel’s Strandfzenen und
Willy Hammader's ,,Stiir
mifche See beweifen, daß das
Aquarell den Dergleih mit dem
Oelbilde nicht zu fhenen bat und
gleich tiefe Farbenwirkungen erzielt.
Die Poeten unter den Aquarel-
liften aber find Ludwig Dill
mit feinen Dachauer Moorland-
[haften und Walther Leiftifow
mit feinen Stilificungen märkifcher
Naturfhönheiten. Durch die Ar-
beiten Dill’s weht ein Hand
Lenau'fher Melandholie, Leiftifow
wirft pathetifh ernft, wie eine Epopse. Der Süddeutfhe ift empfindfamer,
der Norddeutfche nahdenklier. Beiden gemeinfam ift das Streben, der Natur
ihre tiefften Beheimniffe zu entloden, die dem gewöhnlichen Auge verborgen bleiben.
Victor Tilgner,
Büfte der Ch. Wolter,
Die Photographifche Kunftausftellung
des Camera-Klub in Wien.
8 find erft wenige Jahre ber, daß fih von den Amateur-Photographen
eine fleine Gruppe abfonderte, die mit Hilfe der Camera etwas
Höheres erreihen wollte, als man es bisher in fchablonenbhafter
Manier darzuftellen bemüht war. Es genügte nicht
mehr, mit Hilfe des photographifhen Apparates —
und als Refultat eines phyfitalifden und dhemifden
Vorgangs in der Camera — eine Aufnahme nad)
der Matur 3u fcaffen, fondern in dem gewonnenen
Bilde follte auch Rünftlerifhes Empfinden zum Aus-
drud fommen und ein Werk von fünftlerifhem Werth
entftehen.
Während es früher als der Dorzug einer gut
gelungenen Photographie betradhtet wurde, wenn
diefelbe gleihmäßig fharf und möglihft glatt und
glänzend fih dem Auge des Bejchauers präfentirte,
während man demzufolge bemüht war, die Objektive
bis zu ihrer hödften Leiftungsfähigfeit zu vervoll-
fommnen, während man die pbotographifchen Pa-
piere derartig präparirte, daß fie jedes Detail haar-
fharf wiedergaben, ftrebte die neue Richtung danad,
diefe Schärfe, diefes Detail zu vernadläfjigen zu
Bunften des in dem Bilde ausgedrüdten Bedanfens:
Die Bilder diefer neuen Richtung verzichteten fortan
auf jede photographifhe Schärfe und Treue, ja nod
mebr, dur neue eigenartige Ropic-Derfabren wurde
die Unfhärfe noch vergrößert, durd Ton- und fürbs
wirfungen wurde dem gewonnenen Bilde noch das
Lette genommen, was an die Photographie im
altbergebradten Sinne erinnerte, jo daß diefelbe
$£. Matih, Ch. Wolter als Sappho.,
Deutſche Runf.
viel eher einer Tufch- oder Rreidezeihnung
äbnelte. Es lag ferner das Beftreben
vor, in ein foldes, auf diefem Wege
gewonnenes Bild fünftlerifhes Empfinden
bineinzulegen und demfelben den Cha-
rafter eines individuellen Runftwerfes
zu verleihen. Die Wirkung follte in der
Stimmung, im Totaleindrud liegen.
Die Gemeinde diefer Rünftler- Photo-
graphen ift verjhwindend Plein im Ver-
gleih zu der Legion von Amateur-Photo-
graphen, welhe die Photographie als eine
Spielerei, als einen luftigen Zeitvertreib
betrachtet, fie wird aud ftets nur Mein
bleiben, denn wie Wenigen bat die
Mutter Natur das Haupterfordernif für
eine fiinftlerifche Aufnahme mitgegeben
— den fünftlerifh veranlagten Blid, wie
Wenige können der Photographie der-
artige Opfer an Zeit und Geduld bringen,
ganz abgefehen von den materiellen
Opfern, die fie verlangt.
Jn Oefterreih, in Belgien und
Stanfreih, in England und Amerika
haben fic) aus den photographifhen Klubs derartige Meine Rünftlergenofjen-
fhaften gebildet, die dem Ziele muthig weiter entgegenftreben, die Photographie
zu einer Runft zu erheben und wenn aud die frage, ob die Photographie
eine Runft fei, ftets die größten Widerfprüce herausfordern wird, wenn aud,
unferes Erahtens nad, diefe Frage nie zu löfen ift, fo arbeiten fie un-
befümmert um diefen theoretifhen Streit weiter und ihre Leiftungen find von
Fahr zu Jahr sielbewupter.
Einer der bervorragenditen Rlube, der fhon feit den erften Jahren feines
Beftebens das Hauptgewidt auf die Auswahl des fünftlerifhen Motivs legte
und von Jahr zu Jahr glänzendere Proben feines großen Fünftlerifchen
Rönnens abgtebt, ift der Camera-Rlub in Wien, der in diefem Jahre anläßlich
des Regierungs-Gubildums des Raifers franz Jofeph eine Reihe von Elite-
Ausftellungen veranftaltete, an der fic) die bervorragendften internationalen
Klubs betheiligen. Auch die Mitglieder des TCamera-Klubs felbft ferten ihr größtes
Rönnen für diefe Ausftellung ein und zeigten das Hödfte, was wohl bisher
mit Hilfe der Photographie zu Stande gefommen — Werte, denen fiher
Niemand den Runftwerth wird abfprehen Fönnen.
Eine Reihe glüdliher Umftände fügte es, daß diefe Ausftellung für eine
kurze Zeit im Oberlihtfaal der Urania ausgeftellt werden konnte, um dadurd
aud den Berliner Amateur - Photographen die Gelegenheit zu geben, diefe
Bilder zu feben, denn gerade in Berlin ift die
fünftlerifhe Photographie nod in einem Werde-
Prozeß begriffen, auf den die Deranftaltung der-
artiger Ausftellungen nur den beften Einfluß haben
fann.
Man ift bemüht gewefen, der Ausftellung aud.
äuğerlih einen den Bildern würdigen Charakter zu
verleihen: Die Wände des in Weiß gehaltenen
Saales find mit mattgrünem fries befleidet, den
Abflug nad oben bilden Draperien in derfelben
oder tiefer im Ton gehaltenen farbe. Das Ober-
licht ift durch Velarien gedämpft. Auf diefe Weife
fommen die Bilder, welche meijt in dunklen Rahmen
ohne Umgebung von weißem Papier: gerahmt find,
zu vollfter Wirkung.
Scharf von allen anderen hebt ih ein Trium-
virat von Ausftellern ab, deren Namen auf dem
Gebiete der Fünftlerifhen Photographie den aller-
erften Plag einnehmen, deren Einfluß auf die ge—
jammte fiinftletifibe Photographie weit über die
Grenzen Oefterreihs hinausgeht: Henneberg,
Riibn, Wakel. Der Bummidrud mit all feinen
Dariationen, vor Allem der fombinirte Bummidrud
und der farbige Bummidrud, diefe fhwierigften der
photograpbifchen Prozeffe, die aber auh Reful-
tate von bödfter Fünftlerifher Wirkung erzeugen,
Silberne Syra mit dem Relief-
bildnif der Ch. Wolter.
252
— =.
ro
—
Pr
——
— —
See
&
Mi. Jacoby, Randleifte.
Deutfhe Runft.
malerifhen Reiz
eines lebendig nie-
dergeſchriebenen
Natureindruds hin-
auskommt und für
ein ſelbſtſtändiges
fertiges Runſtwerl
zu wenig Halt und
Gehalt beigt. Auf-
fallend an der gan-
3en Ausftellung,
die ihren Weg durch
ganz Deutjhland
maden foll, ift, daß
fo viele ältere Bilder
mit aufgenommen
find. Die Land»
ihaftsmalerei
fcheint immer mehr
an Boden zu ge-
winnen, vielleicht,
weil auf diefem Be-
biete ein ausge—
fprocen koloriſti⸗
{ches Talent leidter
zu feinem
Ziele, zur Selbft-
erfenntniß gelangt,
vielleicht auch, weil
das Handwerls-
mäßige leichter zu
erlernen ift und fei-
net fo fcharfen Ron-
trole unterfteht, wie
in der ftrengen Mo=
dellirung der run-
den form.
©. Ubbelohde
þat in feine Hü-
gellandfhaften aus
Mitteldeutfchland
viel Empfindung
hineingelegt. Die
Darftellung des
fanft gewellten
Terrains, wie fie
vor Jahrzehnten bei
den Modernen gera-
dezu verpönt war,
fommt jegt immer
mehr in Aufnahme.
Das leiht ftilifi-
rende Zufammen-
faffen oder Derein=
fahen der Formen
von Wäldern,
Aedern, Wegen und
Wollen feint uns
der rigtige
Schlüſſel, um die
idyelliſchen, typiſch
deutſchen Motive,
wie der Maler ſie
liebt, dem Empfin⸗
den zu vermitteln.
Bei Riemer—
ſchmid, deſſen Ver-
dienſte um die
Pflege nationalen
Runftgewerbes be-
fannt find, ift ein bedeutender Fortfchritt zu bemerken. Seine dekorative
Anfhauung hat fih wefentlih vertieft und durd feine Beobadhtung an
Intimität gewonnen. Den ftärfften perfönlihe Anteil erkennen wir in der
Burg und Rirdhe, die durch eine Stadtmauer verbunden, in metallifch-
gelblidem Scheine der Abendfonne fhimmern. Die beleuchtete Fläche
fhneidet grell ab gegen die elfig-falten Schattenpartien und das tiefer
liegende Geftriipp und Geftein. Jn anderen Bildern ift die Stimmung,
weniger poetifh gefaßt. Der Riinftler hält üh in den fonnenverbrannten
Wiefen mehr an die direfte Wiedergabe momentaner Naturerfheinungen. Eine
finnige Erfindung liegt in dem Woltengefpenftern, zwei weißen nebelhaften
Geftalten, die in tollem Jagen am Himmel und der Mondfdeibe voriiber=
fliegen. Die Landfhaften H. Eihfeld’s athmen majeftdtifhe Rube und
feffeln durch ihren fclidten Dortrag: Das Blau eines fröhlihen Sommertages
lichtet fid) nad) dem Horizonte, weit dehnt fih die grüne, halb befdattete,
halb fonnige Ebene aus und verfhwimmt in fernen, blauen Höhenzügen.
Don £. von Zumbufch wäre eine romantifhe „alte Burg hervorzuheben.
Die hodragenden Chiirme mit den dunklen Laubmafjen darunter bilden einen
ftimmungsvollen Gegenfag zu dem hellen Wolfenausfhnitt. Eins der um-
fangreidften Bilder, „Das Cypreffenthal’, von Ff. A. Krüger wirft nit
befonders glüdlih durch die ins Dekorative fic verflüchtigende Buntheit, in
Beineren Bemälden wie der Schafheerde an einem Feldabbang; der Anblid auf
das dunfelblaue Meer und das liefliegende Geftade von Anacapri, offenbart
eine entwidelte foloriftifhe Begabung. Ad. Niemeyer erzielt mit feiner
flüfigen, fpielenden Behandlung der Farbe eine kräftige Wirkung in einem
fonnigen italienifhen Gartenplak. Mit der gleihen pridelnden Eleganz ift
eine Front rother Biebelhäufer in Brügge wiedergegeben. Die Studien R.
Raifer's fteden zum Theil nod fehr in den Anfängen und fönnen troß
malerifcher Dorzüge nicht den Anfpruh auf Bilder erheben.
Unter den fpärlih vertretenen Figurenbildeen feffeln bauptfählid die
Werke des Hamburgers Paul Schröter. Der Rünftler zeichnet fi dur
ein ftarfes Temperament aus und verfteht es, denfelben feine durchaus naive,
von Vorbildern unbeeinflußte Anfhauung dienftbar zu maden und durd eine
glänzende Tehnif zu vermitteln. Gn der Auffaflung ift das ältere Selbft-
portrait am beiten gelungen, es ftellt den Riinftler in feiner Werkftatt dar,
wie er neben einem mit flafden und Taffen beftellten Fenftergefimfe ftebend,
mit einer gewiffen Derdroffenbeit fic) felber beobadtet, den Ropf vorbeugt
und die Eindrüde des Spiegelbildes fo ftarf und erfhöpfend wie möglih zu
übertragen bemüht ift. Neben der gentehaften Einzelfigur einer korbfledtenden
Altländerin ift eine hollandifche Bauernftube hervorzubeben. Auf den rothen
Steinfliefen des peinlich ordentlihen Bemades fiken fic) zwei figuren gegen-
über, ein «alter, behäbiger Mann, der die Zeitung lieft und ein halbwiidfiges,
ftridendes Mädchen. Der warme Ton des wohligen, gleihmäßig die ganze
Stube refleftirenden Sonnenlichtes giebt dem Rolorit feine Nuancen und
fließt die ftarfen Lofalidne der hellen Wand, des rothen Fußbodens und
des blaugrünen Blasfhranfes zu einem woblthuenden Afford zuſammen.
Wenn man heutzutage durchaus Studien zu Bildern ftempeln will, fo mag die
A. JFank' fhe Darftellung eines jungen, an einem weißen Bartentifhe firenden
Mädchens am erjten als Bild durchgehen, weil bier die rein malerifden
Qualitäten jhon ins Seelifthe übergreifen und uns der Perfönlicfeit des
Rünftlers nahe rüden. Der finnlihe Reiz von farbe und Form wird zum
Motio und madt die vor der Natur gemalte Studie des lidtumfloffenen
Rindes wirflih zum Begenftand fünftlerifhen Genuese. Die „Vanitas von
£L. Put dürfte von früheren Ausftellungen her ziemlih befannt fein. Der
gutgemalte Aft des am Boden liegenden Weibes entjhädigt niht für die
erfünftelte Ausdrudsform der Allegorie. Das ganze Beiwerf, die Seifen-
blafen, das Blüdsrad mit den frauentörpern bietet der Empfindung nichts
und giebt dem Beift Rätbfel auf.
Mit wenigen trefflihen Arbeiten meift intimen Genres ift die Plaftit
vertreten. Der bejchränfte Raum verbietet uns diesmal näher darauf ein=
zugeben. R. Rrummader.
Anmerkung. — Gerade im Anjhluß an die Ausftellung des Mündener
Ringes, der vorwiegend praftifhe Ziele verfolgt, möchten wir nohmals darauf
aufmerffam maden, wie wenig vortheilhaft es ift, das fauffähige Publikum
mit Studien und Skizzen zu überfättigen. Der Einblid in die Werkftatt des
Rünftlers mag für diefen und die Mitjtcebenden interejjant fein, dem fogenannten
Runftfreund fagt er meift zu viel oder zu wenig. für das Erkennen der Tate
des Löwen ift niht nur ein Renner, fondern aud eine Lowentake ndthig, und nur
wer über eine folde verfügt, darf es wagen, feine Spuren hinter fi zu Laffen.
Käufer für Studien von Malern zweiten und dritten Ranges find überaus felten.
‚ale in jenen großen, nne gefibmadlos aneinandergereihlen Abbildungen zur
fammengefehten Anfhanungstafeln, ‘fonder am feine, inliar and Hinfiterijih
durdgefiibrte Blätter, je als mufterailiige injtrationen gans befonders. gt
tigne find, ben Befdmat zu bilden ond dem Fünftlerifhen Begriffoverniögen.
einen ‚wlrftichen Anhaltspunft, zu ‘geben, Tor}, ln gleſchet Weiſe zu belehren
und zu atfrenen., Wie tonnen- de Sammlung, Ser $e t. t. Unterrichtaner-
9 ie
waltung thee. gange Hufmerffamfeit. guwendet, gerade unter. Stefen gaie pee Boffe agen J
der Blätter (10 Pf. der, fhmwarggedrutte unb Q PF. ber foloricte Bilder i Tirol, Diejelben fd
Die rfe Serle veftebt ans `
anjeres Mukturicbene wieder, Wie mir ‚alte Erbftiide gerne aufbewahren und, —
Re in unferen Wohnnigen fo anbringen, daß Ne Inmonifih In die modernen
—* Eiihlungen : pajen, wie wir getne antite Begenflände neben hen aller
“moderates Dingen plasleren nicht eos, um einen Kontrat zu fhaffen, fondern
Nſtungtn
‚ntlfernen“ Mistelatier Ma me Neuzeit.
\hritterliden Bergangenbeit im unfere Käufer, and geben ‚vor Altern den jent fo
beliebt ‚gewordenen Nababmungen mitleläkterlidyer. Eintihlungen den Stempel,
der CEchthen ‚ungefähr fo,
- Bilderbogen für Schule und Haus.
Die Geſellſchaft für ‚werpiehjältigende Roni iit. Wier KRE sat are J be anden;
ie filiae Piai. Gni
vorliegende neuerfhienene Sammlung, Biiverhogen fie dale und Baue, foll > ‚ber Wand vermag rins
vorzugmeife Ser beranwachjenden Jugend ie: Anfhsaungemsteriat ana den 2
Unternehmen bervor, das "mit bene‘ Eudgwnt. ser "allgemeinen. Volfsbitbung
In dantensweriker Wetfe | die Fünlitertfeje Mmfäymung gu Fördern fühl, Die
veeſchledenen Gebieten bes Wifi enamerthben am die Hand ‘geben und vet-
ſchledent Unterrihtazwelge, wie. Be[hishte, Geographie und Nasurfunde darch
‚Sildlihe Dorfleflung beleben. Man erkennt anf den erften Wit, dag re fid
pier nidi um. ekre: {dulmapig + prdantifde Vorführung des Gtoffes handelt,
tifchen Refidlapuntic anje wärme empfebien, $a Gherdiea der geringe, Preis
bogen) Me Anthaflung jedtm ermöglicht.
25 Bogen und enthall m. a. habelisvolle Ssenen aus der biblifgen Bejshidte,
Legenden, Marden (Hanfel und Gretel, dee Wolf und oie fleben Hldlein),
Darftellungen ans ber: Aulturgefihihle oon der Gell Ser Römer an bis sur
Epode Frins L cindrudevolle Bilder ans dee Peographte Gochgebirge und
Ebene, Danuo dei Wien), aus dem Berthe ter. Eihnograpbie in Bhatt mit.
“Cuter Erachten, awe See Naturlehre rin anderes antl Hundetopen und.
‘(elicit auf Sem Beblete der tedhmifchen Erfindungen, einen, Bogen ‘mat
$ Lifenbabohgaten. ‚Mus den angeführten Beifpielen erhellt die‘ Manntgfaltig-
keit dra iinternehmens, dem eine Antabl ‚herporzägender Künftler, mie
Benezwr, Erfler, Mofer ihre Aräfte gelleben baben,
der Bilder Ret an fänſtieriſchet Bediegenbeit SUR; mit sen An:
forderungen unferee “Feil im ———
Waffen: Trophäen.
Jh den alten Waren und Rüftungen fplegelt, jüh ein grofts Sin
wit, einen Ansgteta ‘becbelgufabren, swifhen ten Deridiedsnbetien Ser Kain hlery
Sie bringen ein gue Stig vow der
wie eine ste alle Trube Im einem neuen Speife-
Ammer, die übrigen Möbel ebemfalle ate alte erfpeinen lagi, ‘oder wenigitens
fy elmen folien Eindtad berportyft.
Eo im jeldftwerftändhieh, dab von der fünftlerifpen Anbringung der
Waffen-Erophden der ganze Efjeft abhängt, Ser mH ihnen erziell werben fott:
Wie +8 unfinnig wäre, ein Schlafzimmer mit fhmweren Shiden und Schweriern
zw deforiren, fo ft: die‘ Art und Waje Ser Monlirang Im Speife oder
Bertenzimmer gary von. ben Möbeln abhängig, die An Stn ‚Bereffenden
Adamen ftehen. Ja, es wir) finale ndtbia fein, de Trophäen mad dem
“
5 welche
wöhnten: Beine. be
betifhe Tekoralioner
bringt.
‚cc vollendet, fo bai
Stil, bitorhihe Wahe:
Die Ausführung ;
‚auf unfever Ubbildung
9 Rhtbaren ;
o Armbrajh, Jagdlaſche
epomben, in Senen defe Dinge gefhafen wurden, fo ſind die Waffen und
in ben Wobnungatinetdtangen dit Vermiltler geworben vom lmigrbinden. unter die
‚ Schuhe und ein Pulwers | >
porn geben dem ganzen.
and Sdienenriiftung,
“Bul: der. Möbel zu forınen und fit Ten fo anzubringen, daß jeber Hontraft ;
veim eden wird, Ei ‚am melfommtar AREER Unordnung ber Waffen,
mit dem.
Wirkung: u erzielen,
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feiedtgt und weldhe Se
Trophäen ale fünfte ©
gegenftände, ao und
gan; yir Belle:
In unferen obit
h dungen seigen mireinige Er:
i afen Trophäen aus
in feder Waje irite
fe allen Anforderan
gen entipreden, die
heit and Beihmat on .
je fitit ;
~D- „uRBdge*
rahe Mnd um einen os
Helin. ntuppkt, einen
Seutfchen Eifenhul aus
dem 16. Fabrhunder 0
MME Semmi überzogen
dienten Meje Deine
vorzugsiweile zur Jagd:
Tie Speere zu beiden,
Seiten waren unter
dem Nomen Saufedern
hefannt and die biyen
Berälbe,
"wel Stpneereifen zum
UrrangementdenStem-
pa der Jagdtrophar.
Der „Difirbeim -
mit Ramm nnd Ris
raf bilden Brih-
ibetle Seratien Platten:
melde unter Marimi-
lian unter dem Yanıen,
ber „Mahlindifchen" dir
Jagd Esophäs, ET Franz von Sippe
Beide, Schloß Magen, Tirol, 3
254
Deutfde Runf.
Hddfte Ausbildung erfuhr. Zu beiden Seiten des Helmes find Partifanen,
eine Abart der Hellebarden, angebracht, und ganz unten hängen zwei be-
fonders lange Schwerter, fogenannte Zweihänder, weil fie wegen ihrer Größe
nur mit beiden Händen geführt werden fonnten.
Die dritte Trophäe zeigt als befondere Spezialität einen zweihändigen
ndlamberg", ein Schlahtjhwert mit wellig ausgefeilter Alinge.
Eine „Pleine Trophäe“, die nichtsdeftoweniger gefdmatvoll anf-
gemadt ift, zeigt die vierte Abbildung. Ein Helm, zwei Schwerter und zwei
Streitfolben.
Alle Dekorationen (mit Ausnahme der 3ulekt befdhriebenen) find auf
Holzunterlagen befeftigt, welde der form der Trophäe angepaßt find, dadurd
wird ein leichteres Be-
feftigenfönnen an der
Wand erzielt und die ein-
zelnen Waffen werden
fefter zufammengebalten.
Neuerwer⸗
bungen der Ber:
liner Mufeen.
In dem Vierteljahr
vom J. Oftober bis
31. Dezember 1897 baben
die Bemälde-Balerie
und die Sammlung
der Skulpturen fol-
gende Dermebrungen
bezw. Veränderungen er-
fahren: Der Bemälde-
Galerie find duch
Ueberweifung feitens
des Raifer Friedrih-Mu-
feums-Dereins folgende
Gemälde zu danernder
Aufftellung — eingereibt
worden: 1. Eine Ma-
donna von Dirk Bouts.
Die fleine Halbfigue ift
von vortreffliher Erhal-
tung ; namentlich find die
Landfchaft und der frau-
entypus ungemein da-
rakteriftifch für den Meifter,
von dem bereits eine
Meine Reihe verwandter
Rompofitionen befannt ift.
Die Tafel ftammt aus
der Nähe von Arezzo.
2. Eine architektonische
Anfiht in der Art des
Piero della Francesca.
Mit der nahe verwandten,
demfelben Meifter zugefchriebenen WAnjidt eines Stadtplakes in der Galerie
3u Urbino vertritt diefe Tafel einen fonft faum nacweisbaren interefjanten
Typus der Deforationsmaleret des Quattrocento. Die über zwei Meter breite,
aus der Nähe von Florenz ftammende Tafel diente einft in gliidlider Weise
zum materiellen Abjfhluß und zur optifchen Erweiterung eines Raumes. —
für die Sammlung der antifen Original-Sfulpturen wurde im Runft-
handel eine bärtige männlihe Büfte mit Binde im Haar erworben, äbnlih
der Statue des fogenannten heroifchen Rönigs oder Zeus in der Münchener
Glyptothet (Nr. 160), intereffant durch die urfpriinglide Büftenform mit an-
gearbeitetem Fuß, urh die das Ganze mit Sicherheit als ein Werk römifcher
Deit fidh zu erkennen giebt. — Ferner wurden zwei fpätgriehifhe Grabreliefs
erworben; das eine zeigt die Thallufa, Tochter des Rallibios, mit einer
Dedelbüchfe neben einem brennenden Altar ftebend. Das andere, ungleich
bedeutendere, ift leider nur zum Theil erhalten; dargeftellt waren mindeftens
zwei Perfonen in Lebensgröße; vorhanden ift aber nur noh die Figur des
Polydamos, eines älteren Mannes mit madtigem Shadel und fehr dharafter-
Waffen-Trophäe, Freiherr Franz von
Sipperheide, Shlof Maken, Tirol.
vollem bartlofen Befiht, ganz in den Mantel gebiillt, defen Falten eine
ungewöhnlid fräftige und lebendige Modellirung zeigen. — Der Sammlung
der Bildwerke der Kriftlihen Epoche überwiefen die Erben des Heren
Martin Hedfher, die Abfihten des Derftorbenen ausführend, ein intereffantes
Thonmodell der heiligen Familie, das wohl mit Redht dem Jacopo Sanfo-
vino zZugefhrieben wird. Der Meifter, von defen reiher Produktivität im
Entwerfen von Modellen Dafari erzählt, bat diefe Gruppe gänzlid un-
befleideter Figuren anfheinend in feiner früheren Zeit zu Rom ausgeführt,
etwa als Studienarbeit oder als Hilfemodell, an dem er die Bewandung
verfuchte. Als Befhent des Herrn Murray Marks in London fam die aus
Buhsholz gefnittene Statuette einer lebhaft bewegten weiblihen Geftalt in
die Sammlung. Die Bez
deutung der Figur, die
mit bod aufgeftügtem
rechtem Bein ftehend, mit
beiden Armen etwas zu
halten feint, ift nicht
ganz Far; vielleihtift eine
blumenftreuende flora
dargeftellt. Die Aus-
führung fiheint auf fran-
36fifdhen Urfprung und
auf die zweite Hälfte des
XVI. Jahrhunderts hin-
zuweifen. Die flante
Grazie der Geftalt ent-
fpridt der auf franzöfi-
fhem Boden umgebilde-
ten Runft der italienifhen
Spat-Renaiffance. Durch
Ueberweifung zu dauern-
der Aufftellung feitens
des Raifer Friedrich-Muje-
ums-Dereins Pamen fer-
ner folgende Stüde in Sie
Abtbeilung: 1. Die Por-
trätbüfte eines Profejlors
des geiftlihen Redts,
von Sperandio. Diefe
lebensgrofe, in Thon
mosellirte und urjprüng-
lih bemalte Büfte ift
unter den wenigen monu«
mentalen Schöpfungen
des bauptjählid «ls
Medailleur befannten
Meifters wohl die impo-
fantefte. 2 Zwei Engel,
in einem Medaillon den
Namenszug Chrifti hal-
tend, aus der Schule des
Andrea del Derochio.
Das wohl von einem
Grabdentmal ftammende
Relief rührt im Entwurfe fiher von Derochio, dte Ausführung in Marmor, die
etwas glatt und mehanifh erfheint, von Sdiilerhand (francesco di Simone?)
ber. 3. Eine Porträtbüfte von einem franzöfifhen Meifter um 1650. . Die in
gebranntem Thon hödhft fharf durchgeführte Büfte läßt den franzöfifhen
Urfprung jehon im Porträttypus erfennen. 4. Eine Krönung Mariä urh
Gottvater und Chriftus aus der Werkftatt des Deit Stoß: eine bemalte und
ftart vergoldete Gruppe mit nahezu lebensgroßen Figuren, die hodreliefartig
in einen Raften eingefügt ift. — fiir das Rupferftih-Rabinet des
Rénigliden Mufeums wurden aus dem Landestunftfonds angefauft:
Radirungen bezw. Lithographien oder Schabfunftblätter von Mar Dafio,
Ernft Eitner, £. von Gleihen-Rufwurm, Otto Greiner, Peter Halm, Georg
Jahn, Peter Rampf, Marie Larodhe, Georg Liihrig, Rarl Mediz, €. Orlid,
Bernhard Pantof, Hans Thoma, Manuel Wielandt, Wilhelm Leibl, ferner
von Am Ende, Madenfen, Overbed und Dogeler (Radirungen vom Weyer.
berg und aus Worpswede), fowie endlih vom Verein für Originalradirung
in Karlsruhe herausgegebene Lithograpbien.
-
Deutfhe Runft.
Berlin. — Die Runftgefhidtlide Befellfhaft wird, wie bereits
in den Jahren IS90 und 1892, aud in diefem Jahre, in den Monaten Mai
und Suni, in den Salen der Akademie, Unter den Linden, eine Ausftellung
von Runftwerfen aus Berliner Privatbefit veranftalten. Es werden
diefes Mal Werke der Renaiffance und des Mittelalters ausgeftellt werden.
Es bat idh zu diefem Fwede ein Comité gebildet, defen Vorfiz Herr Ge-
heimrath Bode übernommen bat.
Nadhdem die Enthüllung der erften drei Standbilder der Sieges-
allee mehrere Male verjhoben werden mußte, weil fid die Fertigitellung der
Gruppen verzögert hatte, Fonnte endlich die Enthüllung der Denkmäler Otto
des Erften von Unger, Otto des Zweiten von Upbues und Albredt
des Zweiten von Böfe in
Gegenwart des Raiferpaares
ftattfinden. Die Standbilder,
welde wir feiner Zeit, wie
erinnerli fein dürfte, ausführ-
lih beferieben haben, wirken in
den tarusumbufchten halbkreis-
förmigen gärtnerifhen Anlagen
vorzüglid, wenn fih auh über
die dronologifhe Anordnung
vom fünftlerifhen Standpuntt
aus Bedenken geltend maden.
Die Reihenfolge der Denfmäler
ift nämlich derartig beftimmt,
daß bei der Siegesfäule auf der
teten Seite der Allee beginnend
und vom Wrangelbrunnen aus
auf der rechten Seite zurüdgehend
die fiirftenftandbilder nad den
Heiten der Regierung der Dar»
geftellten errichtet werden, fo
daß alfo gegenüber der Statue
Otto des Erften die Wilhelm
des Erften ihren Pla finden
würde. Nidt nur die Stilarten,
fonsern and) die ganze Zeit-
epode, die fh in dem Ab-
gebildeten wiederfpiegelt, fteben
nun in einem derartig auffälligen
Rontrafte, daß dadurch unbedingt
eine ungünftige Einwirkung auf
die Runftwerfe jelbft hervor-
gerufen werden muß. Diefer
fehler wäre zu vermeiden, wenn
man fi entjchliegen würde, die
Bildwerke in einander gegenüber-
liegende Gruppen zufammen-
zufaffen, fo dağ alfo die jemals
benadbarten Denkmäler gleid
im Stil und gleid) in der Runft-
und Zeitepode find und fo eine
tiinftlerifche Zufammengebörigfeit
gefhaffen wird, welhe die Wirkung der Werke nur heben tann.
Aud der Neubau des Dereinshaufes der Berliner Riinftler
(Bellevueftraße 3) fihreitet rüftig vorwärts und dürfte im Aeuferen bald
vollendet fein. Das Dorderhaus wird, unter Beibehaltung eines Theiles der
façade, in feinem Rellergefhoß zu Lagerräumen für die Ausftellung und zu
Wirthfhaftsräumen verwendet. Das Obergefhoß enthält einen fattlihen feft-
faal mit Bühne und Ankleideräumen, durch Oberliht beleudtet. Der nad
rüdwärts gelegene Erweiterungsbau ift in febr gejhidter und wirkungsvoller
Anordnung duch ein ftattlihes Treppenhaus mit dem Dorderbaufe verbunden.
Der Erweiterungsban enthält im Untergefhoß ARneipräume nebft Regelbahnen,
im darüberliegenden Befhofle die vom Treppenpodeft zugänglihen, in mehrere
Sale mit Ober- und Seitenliht zerfallenden Ausftellungsräume, ferner die
Bibliothe? und die Derwaltungsrdume. Jn einem anderen Befhofle des
Dorderhaufes ift die Roftiimfammer u. f. w. untergebradt. Hinter dem Er-
weiterungsbau ift nod ein etwa 10 Meter breiter und die ganze Tiefe des
Brundftüds einnebmender Garten übrig geblieben, jo daß der Künftlerverein
über Raummangel faum zu Magen haben dürfte.
Warfen-Tropbäe, Freiherr Franz von
Sipperheide, Schloß Maten, Tirol. Q
255
Dresden. — Zum zweiten Male binnen Fabresfrift genieft im Sa dfifden
Runftverein ein Cyklus von Napoleonsbildern Baftreht. Wereftfhagin
it Osfar Rer gefolgt, ein noch junger Prager Rünftler, der auf 19 Oel-
gemälden in meift Meinem format das Leben des großen Torfen in feinen
bedeutendften Momenten feftzuhalten fudt. Jn weld unendliden Variationen
it Ser Welteroberer nidt bis jegt fon gemalt worden; von Gérard und
David bis zu Wereftihagin und Rer — fie haben ihn alle verfdieben gejehen:
Jeder hat fein Thema anders behandelt und die Macht der großen Perfönlichkeit
in befonderer Weife auf fih einwirken laffen. Aber man verlangt von dem
Rünftler, der das Napoleong-Thema behandelt, von vornherein mehr; er muß
auf jeden fall paden, uns etwas mehr als bloße Thatfahen berichten, und
man fommt bei Rex bisweilen
auf den Gedanfen, daß er nur
darum das Allzumenfhlihe an
dem Auferordentliden betont
babe, weil er das Uebermenfd-
liche feines Genies niht darfellen
wollte oder konnte. Der Gefahr
der Anlehnung an berühmte
Mufter ift der Maler, dank feinem
nit fonderlid hohen Stand-
punkt, auf diefe Weife jo ziemlich
entgangen. — Gn den übrigen
Salen des Runftvereins find eine
Reihe neuer Sonderausftellungen
aufgeftellt worden, von denen
die von G. Guignard (Paris)
und die von Willy Wunder-
wald (Düffeldorf) das meifte
Intereffe gewinnen.
Sehr gut befudt ift aud
die Ausftellung der Gemälde
Berliner Rünftlerim Runft-
falon Ernft Arnold. Neuner-
dings find mehrere neue Stüde
eingetroffen, darunter eine große
Havellandfhaft von Philipp
Jtanf und drei Paftelle von
franz Sfarbina, die Motive
aus Berlin und Oftende beban-
deln. Jm weien Kabinet find
intereffante Radierungen von Ñ.
Hirzel, Ph. frant, W. Leiftitow
fowie eine Sammlung von neuen
Steindruden der Berliner Rünft-
lerin Cornelia Paczta ausgelegt.
— Eine zweite interefjante Aus-
ftellung bat die Hoffunfthand-
lung Ernft Arnold in ihrem Sa-
lon (Schloßftraße) veranftaltet.
Es find moderne Skulpturen
vereinigt, deren Mittelpunkt eine
Elfenbeingruppe „In hoc signo
vinces“ von C. van der Stappen ijt, wie denn die Belgifhe Skulptur
überhaupt in Dresden eifrige Anerkennung findet.
Münden. — Den Mittelpunkt der Ausftellung im Knnftverein bilden
die Landfhaften von Hermann Urban, der mit diefer Rolleftivausftellung
dem Münchener Publitum zum erften Male einen vollen Einblid in fein
Schaffen und Wollen giebt. Urban arbeitet mehr direft vor der Natur als
Böllin, den die abfolute Eigenart feiner fhöpferifhen Araft von diefem Theile
des malerifhen Schaffens entbindet; überhaupt fut der jüngere Maler den
großen Meifter nicht in den Dingen zu erreihen oder, nah Scülerart, gar
zu-überttumpfen in dem, worin er unerreihbar ift und geradezu eine Gefahr
für gedanfenlofe Vadtreter. Urban hat feine eigene Naturauffaflung und
‚Farbengebung, enger gewiß als die allumfaflende Bödlins, aber in ibrer
Begrenzung durhaus nicht einfeitig, immer ebrlid und darum feffelnd. Er
fehildert nicht fowohl die überftrömende Fülle des Lebens, des Lichtes und der
‚Farben, wie fie in der italtenifhen Natur ih offenbart — denn zu diefer
zieht es ihn mit angeborenem Drange — jondern ihre jhweigende Bröfe,
bo
or
a
der monumentale Jug ihrer
landfhaftlihen Linien, die
fhwermüthige Weichheit ihrer
Abende und ihrer ummwölften
Sciroccotage oder ihrer
„glanzvertieften" Mondnäd-
te. — Was der KRünftler
will, bat er am Flarften in
dem Gemälde Genzano"
ausgeſprochen. — Ausſchließ⸗
lich mit Portraits tritt ein
junger Rünftlee Carl Bauer
hervor. Den meiften diefer
Bildniffe glaubt man
anzufehen, daß fie „gut ges
troffen‘* find; viel ſchwerer
it es offenbar dem Maler zur Heit nod, ein malerifh gefchloflenes Ganzes
zu fhağen. — Jm gleihen Raum wie die Bauer’fhen Portraits hängen
nod einige anziehende Landfhaften, ein „Herbftanfang" von P. P. Müller,
€. Böffenrotb's ,,Hérfelberg", ein Bild voll fhwermüthig-romantifcher
Abendftimmung, wie fie zu dem ernten, fagenumwobenen Berggipfel vor-
trefilih paßt, und eine fhöne Marine von Zoff.
Diifeldorf. — Hier berrfht in letter Zeit große Bewegung im Kunft-
leben. Die rheinifhe Kunftftadt, die einft eine führende Rolle in Deutſchland
inne bitte, fie dann aber an Münden abtreten und es fic jehließlih gefallen
lafen mufte, daß man Rarlsruhe, Berlin und Dresden ihr voranftellte, ift
eifeig bemüht, fid) auf den verlorenen Rang wieder emporzufdwingen. Ju
diefem Zwede ift, wie wir bereits meldeten, eine große internationale Aus-
ftellung geplant worden, zu diefem Zwede bat die „freie Vereinigung" in
diefem Jahre ihre Runftausftellung in zwei Serien verainftaltet, um ibr ge-
fammtes Rönnen in's Treffen zu führen. Nachdem nunmehr die zweite Serie
ihre Pforten geöffnet bat, kann man wohl fagen, dağ das Befammtrefultat
ein recht befriedigende if. Das junge Düffeldorf fpielt in diefem Jahre einen
Trumpf aus mit dem jugenMiden Portraitmaler Funk, deffen Damenbildniffe
von wirflihem Verftändnifje für die Frauenfeele zeugen. Adolf Heller ift
ebenfalls Damenbildnigmaler, aber fein Befhmad bat faft ausfhließlih Ver-
ftändniß für den Neiz einer eleganten Toilette, die tiefe Empfindung fehlt
ihm, und das Tehnijche bei der Behandlung der Köpfe (aft nod zu wiinfden
übrig. Während er an den Parifer Boldini gemabnt, it Alfred Sohn-
Retbel einer jener intimen Heichner, defen Rothftifiblättern man die Parifer
Schule des Dagnan-Bouveret jofort anfiebt. Thierbilder ftellen vornehmlich
Bergmann, Lins und Pfannefuden aus. Die Landfhaft, die in Düffel-
dorf ftets ebenfo reichhaltig wie gut vertreten war, weift die alten Namen
auf. Neben Olaf Jernberg, dem Fräftigen Roloriften, der mit Vorliebe
den Kerbft und Dorfrühling malt, tritt fein talentooller Schüler Frißel auf
den Plan, der das jommerlihe Haidebild pflegt.
Rarisruhe, — Gn aller Stille hat fic die hiefige Rünftlerfhaft in
zwei feindlihe Lager gefpalten. Die Bährung datirt bereits vom Jahre 1896.
Damals erregte die von der biefigen Seftion der Deutfhen Künſtlergenoſſen—
fhaft gewählte Plat-Jurv für die Berliner Ausftellung wegen ihrer Befdhäfte-
führung bei einem Theil der KRünftlerfhaft großen Anftoß. Die Proteft-
bewegung fam in der Beneralverfammlung zum offenen Ausbrud, wo ein
befannter Rünftler die Gejhäftsfübrung einer fharfen Aritif unterzog. Die
nadfte Folge war, daß ein Theil der Guroren mit ihren Anhängern aus der
biefigen Sektion der Deutfchen Rünftlergenofenfhaft austrat und fih zu einem
„Rünftlerbund“ vereinigte. Die „Sezefllon" erfolgte alfo feineswegs aus
fünftlerifhen, jondern lediglih aus perfönlihen Motiven und der „Rünftler=
bund“ ftellt auch nicht, wie vielfah angenommen wird, eine befondere Runfte
tidtang dar. Die Spaltung iibertrug fic) felieflidh and aufs gefellfdhaftliche
Leben, indem der ,,Riinftlerbund' die traditionelle „Dienstags-Befellfchaft"
des Riinftlervereins nicht mehr frequentirte, fondern einen eigenen Abend ver-
anftaltete. Dadurch wurden die Gegenfage nod verjhärft. Der unvermetd-
lide Bruch, der im vorigen Fabre durd die Wahl eines neutralen Vorjtandes,
des Urchiteften Haufer, nod mübfelig bintangebalten wurde, ift nun endgiltig
eingetreten, indem der „Rünftlerbund“ in der Stärke von 58 Mann plößlich
aus dem Riinftlerverein ausirat. Den legten Anftoß zur definitiven Trennung
gab der von der ,,Riinftlergenoffenfdaft geftellte Antrag auf Statuten-
änderung, wonad die Stimmberehtigung nur urd l'/ jährige Dereins-
Waffen-Trophäe. Freiherr $. von Lipperheide, Schlof Magen, Tirol.
Deutfhe Runft.
j M— zugehörigkeit erworben wer—⸗
km den lann. Diefem Antrag
widerfetzte fih der ,,Riinft-
lerbund“, weil er durd die
Annahme desfelben an Ein-
fluß zu verlieren fürchtete.
Die eigenartige Seseffion
erhält dadurd einen pifanten
Anfteib, daß darin zugleidh
ein Stüd Begenfat zwifchen
Nord und Süd zum Aus-
drud kommt, infofern die
Sibrerfhaft des ,,Riinftler-
bundes durch die fogenannte
„bamburger Clique, wie
man fie in Riinftlerfreijen
nennt, tepräfentirt wird, nämlid durd die Profefforen Rallmorgen, Graf
Raldreuth, Grethe u. f. w., während an der Spike der „Benojlenfhaft‘ die
befannten füddentfhen Riinftler, Profeffor v. Reller, Ritter, Schurtb, Bolz
u. f.w. fteben. Der Rünftlerverein, der nah dem Austritt des ,,Riinftlerbundes
nod J48 Mitglieder zäblt, verfügt über ein bedeutendes Vermögen,
Riel. — Dis neue Rünftlerzimmer in der „Hoffnung“, in weldhem
der Verein der Riinftler und Kunftfreunde fortan feine Situngen abhalten
wird, it nunmehr fertig geftellt worden. Der Raum, den Arditelt Cauers,
felber cin reges Mitglied des Vereins, für diefen befimmt und eingerichtet
bat, gewährt der in den legten Fahren beträdtlih angewadjenen Mitglieder-
[haft binreihenden Plar und läßt fi, je nad der größeren oder geringeren
Zahl der Anwefenden, erweitern oder reduziren, indem man den mit dem
eigentlihen Saal ein Ganzes bildenden Vorraum ubfhließt oder hineinzieht.
Diefer Vorraum madt einen vornehmen Eindrud unter der Wirkung der in
wedfelndem Lidt cangirenden rothbraun und goldenen, prädtigen imitirten
Ledertapeten und unter der hellbraun gebeizten, mit dunfleren Ornamenten ge-
jhmüdten Täfelung der Deden.
`
> Crefeld. — Das Runftleben der emporbliibenden Gnduftrieftadt hat in
den legten Jabren einen mädtigen Aufjhwung genommen und zeigt wiederum,
wie Runft-nterefie und -Pflege auh abfeits von den großen Malerzentralen
im Dolte einen fruchtbaren Boden finden und die fhönften Früchte tragen
fann. Dies beftätigt uns der Beridt über die Thatighcit dea Crefelder
Mufeumvereing im verfloffenen Jahre. Nachdem das Raifer Wilhbelm-Mufeum,
zu defen Erridtung freiwillige Spenden bis zur Höhe von 400000 Mark
zufammengefloffen waren, am 6. November IS97 eröffnet, traf der Derein
mit dem Mufenm und der Stadt eine Vereinbarung, wonach den Mitgliedern
des Dereins der freie Befud des Mufeums zufteht und mindeftens 3/, von
den Mitgliedebeiträgen zu Ankäufın verwendet werden follen, während
auch durch freiwillige Zuwendungen die MMenerwerbungen Runft- und funft-
gewerbliher Begenftände unterftügt werden. Die Erfakwabl für die aus
dem Vorftande auafcheidenden Mitglieder ergab die Wiederwahl der Herren
Herm. von Bederatb, €E Brües, Sunitätsratb Dr. Bufdh, fr.
Camphaufen, A. fusban, R. von der Leyen, Landrath Dr. Lim-
bourg, UA. Molenaar, Gebeimrath Schauenburg, P. Schiffer, an
Stelle des verftorbenen Herrn C. Königs wurde Herr Peter Oediger ge-
wäblt. Die bisherigen Dorfigenden, Kaffirer und Schriftführer wurden im Amte
beftätigt. Am 1. Juli trat der bisherige Affiftent am Aunftgewerbe-Muftum in
Hamburg, Herr Dr. Denefen fein Amt als Direktor des Crefelser Mufeums
an und befundete neben feiner umfichtigen, auf fahmännifhem Wiffen und
Erfahrungen beruhenden Leitung fein lebhaftes Gntereffe für die Sache durch
die werthvollen Zuwendungen feiner Hamburger freunde. Unter den vielen
anfebnliden Schenkungen, die fer.er dem Vereine zu Gute Pamen, fei ins-
befondere der hochherzigen Stiftung des Herrn Albert Oetler gedadt.
Sie beftand in der reihen, von Aunftfreunden viel umworbenen Sammlung
von Erzeugniffen der Runft und des Runfthandwerfs von niederrheinifchen
Arbeiten früherer Jahrbunderte des Ronfervators und Bildhauers Conrad
Rramer in Rempen. Die Mitgliederzahl, welde einen Fuwads von 57 Per-
fonen erfahren, betrug am Ende des Jahres 1295 mit einem Beitrag von
7218 Mark, außerdem haben 151 Mitglieder ihren bisherigen Beitrag von
1145 Merk auf 3540 Mark für das Jahr 1898 erhöht und bie zum Jahres—
fhluß find 10S neue Anmeldnngen als Mitglieder vorgemerkt, jo daß fidh
überall ein erfreuliher Fortjibritt bemerkbar mad.
Neue Radirungen von
Richard Müller.
On der Heitfhrift „Vierteljabrshefte der Der-
einigung bildender Künftler Dresdens“ erfhienen vor
einiger Zeit mehrere Radirungen von Ridhard
Müller, einem jungen Dresdener Künftler, der durd
die Deröffentlihungen ein außergewöhnliches Talent bewies.
Das erfte Runftblatt fhon zeigte eine befonders ſtark aus—
geprägte Gndividualitit und nad dem Erfceinen des
zweiten hatte er fih einen ebrenvollen Plat unter den
Rünftlern, die den Briffel führen, gefidert.
Rihard Müller it in einem Meinen Orte bei Rarlabad
als Sohn eines Mafchinenmeifters geboren und er flebt
im. jugenslihen Alter von 24 uhren.
Nachdem er die Schule verlaffen hatte, ftand ibm die Wahl offen, entweder
als Lehrling in eine Mafchinenfabrif oder als Schüler in die Malfchule der
Meißener Porzellanmanufaktur einzutreten. Er entjcied fi für Meißen, da
von dort früher ein Befcheid auf feine Anfrage eingelaufen war, als von
der Mafchinenfabrif, und fo fam er
eigentlid duch Zufall zur Runft.
Auf der Malfchule machte Müller die
iiblidhen Rurfe durd, er zeichnete nad)
Gips und malte fhließlih Porzellan.
Als in ibm der Bedanfe aufftieg, zur
freien Aunft überzugeben, fandte er
Probezeihnungen an die Dresdener
Runftafademie, wo er fofort Auf:
nahme fand.
Jedoch auch die Hochſchule befriedig⸗
te ihn nicht und deshalb machte er
ſich mit 19 Jahren ſelbſtſtändig. Ohne
Mittel und ohne Unterſtützung von
irgend einer Seite zu erhalten, um
Modelle nehmen zu können, ging er
fleißig in die Verſorgungsanſtalten
in Dresden und machte dort Studien.
Dann befdidte er eine Ausftellung der
Dresdener Sezejjion und trat damit
zum erftenmale in die Oeffent-
lichkeit. Seine ausgeftellten
Thierftudien fanden bei den
Runfifreunden fowohl wie bei
der Kritik vollfte Anerkennung.
Nachdem er feiner Militärpfliht genügt halte, widmete fih Müller
ganz dem Zeihnen und Lithographiren. Die treue Charakteriftit und
Naturwabhrheit feiner Arbeiten erregte allgemeine Aufmerkfamkeit. An-
Geftacelt durd die Erfolge, betheiligte er fih am der Konkurrenz für das
große Reifeftipendium, weldes die Dresdener Runftafademie für die
befte Arbeit in der Griffellunft ausgejhrieben hatte und im November
1897 wurde ihm vom afademijden Senate einftimmig der Preis zu-
erfannt.
Durd die Bereitwilligheit Ses Herren Rommerzienrath Ernft Seeger
find wir in den Stand gefett, einige Reproduftionen Ser Arbeiten
Rihard Müller's zu verdffentliden. Da ift zuerft eine Ropfleifte
mit darafteriftifhen Schmetterlingsmotiv. Dann das Warabupaar.
Der Rünftler zeigt die Thiere im Lichte einer vorübergetragenen Laterne.
Grotesfe Schlagfhatten fallen auf die Wand und der Marabu im
Dordergrunde blidt regungslos auf die Urfache feines Beftörtwerdens.
Die gleihgiltige Ruhe, die ganze Lethargie diefer „philofophifhent Vögel
bat Müller vortrefflih Sarzuftellen gewußt. Ebenſo ſcharf in ter
Richard Müller, Das Marabupaar.
Deutfde Runf. 257
Charafterifiif und
gleid) gut beobad-
tet it der Man-
nestopf im Pro.
fil. Die Landſchaft
Meeresküſte“
zeigt ein Motiv aus
Capri. Der Rünft-
ler hat es bei die-
fem Blatte ver-
ftanden, durch fet-
ne Nüancirungen
Leben in das öde
Beftein zu bringen
und mit feinem
fünftlerifhen Em-
pfinden die leidt
bewegte See dur)
gejhidt aufgeferte
Lidter abzuftim-
men, fo Saf eine
vorzüglide Ge-
fammtwirfung er—
zielt wird.
Die firma ©.
Jelfing, Schöne -
bergerftraße 8, bat
es im Auftrage des
Rommersienrath
Seeger iibernommen, eine Ausgabe der neun bedeutendften Blätter Müller's
in einer Mappe zu veranftalten und wir fonnen nur diefes Unternehmen mit
Freuden begrüßen, da es wirkli Meifterwerke der deutjchen Aunft find, die
fo der Oeffentlidfeit zugänglid gemadt werden.
Die Ausgabe erfolgt in bejhränfter Anzahl von 12 nummerirten vom
Rünftler unterjchriebenen Exemplaren auf echtem bandgefhöpftem japanifchen
Papier zu 450 M. und 50 Eremplaren auf engliihem Rupferdrudpapier 3u
250 M. inkl. Mappe. Es bietet idh fo Gelegenheit, Schäße für den intimeren Runft-
genuß zu fammeln, die iiber den deforativen Zwed hinaus zu ftiller Betradtung
anregen und Runftempfinden weden, ftatt die Bewunderung bherauszufordern.
Richard Müller, Mannestopf im Profil.
Ricard Müller, Meeresfüjte.
Rer & Co., Berlin.
Chinefijhes Siergefäf.
Chinefifche Schmuckgefäße.
— Bei der Aufnahme, die zur Feit afiatifbe Kunftformen in jeder
Tednif bei uns finden, ift es von Jntereffe, auf ältere Produfte des Runft-
gewerbes hinzuweifen, wie fie Surh japanifhe Nahabmungen vielfah zu uns
þerüber fommen. So bringen wie umftehend zwei Shmutgefäğe, die fid
im Befik der Rer’fhen Runftbandlung in Berlin befinden.
Das höhere derfelben, eine getreue Ropie eines alten chinefifcen
Originals, etwa aus der Feit des 15. Jahrhunderts, läßt im feiner eigen-
tbümlichen für jene Zeit typifhen Form auf eine Bedeutung für den religidfen
Rultus fließen. Wahrfheinlih diente die nach oben ftehende jchnabelartige
Ausbudtung zur Aufnahme eines Dodtes für Räuderzwede. Ohne Zweifel
haben aud die feitlih angebradten Auffake in der Form von Pilzen ihre
befondere Beftimmung gebabt, über die wir jedod) heute feine gemügende
Erklärung wiffen. Bemerfenswerth in der Ausführung find die faft baroden
Derzierungen an den Henfeln und die ornamentale Ausfhmüdung am Baude
des Befäßes, welhe aus einem buntfarbigen Email befteht und duch Bruben-
fhmelz eine Derbindung mit der Bronze eingegangen ift. Das breitere,
urnenartige Gefäß von dem Künftler Vofhbi-Midhi ift als Jardiniere ge
dacht. Die Blumenzweige werden in den Spalt einer Leifte eingefügt, die
im Gnnern des Reffels angebradt ift. Die Dorzüge diefer Arbeit beftehen
fowobl in der fleifhig-glatten Palina, die der Hautfarbe eines Negers gleicht,
als aud in dem mit feinfter Yaturbeobadhtung ausgeführten bildnerifden
Schmude, den Rrebfen, die über die glatte Flähe laufen und aus dem
ftilifirten Wafjer emporflettern, das wie ein Band die füße des Gefafes
umfdlingt, um die Traglaft gleihmäßig zu vertheilen. Erftaunlid ift, daß
foldhe fubtilen Arbeiten, wie die Darftellungen der Rrebfe, nidt in der form
des Bujjes fertig geftellt fein miiffen, was ja allerdings aud große
Schwierigkeiten bätte, fondern fpäter, nahdem das Gefäß fertig gegoffen,
aus einem aufliegenden Rlumpen berausgemeißelt werden, eine Arbeit, die
den Europäern fat unmöglich jeheint, weil wir Feine entjprehend jharfen
Inftrumente befigen.
— Deforative Entwürfe für die Praris. Unter diefem Titel
bat Otto Edmann, der befannte Lehrer am Runftgewerbe - Mufeum, eine
Sammlung Entwürfe herausgegeben, die zu den beiten gehören, was die
deforative Runft in der neuen Bejhmadsrihtung überhaupt hervorgebracht
bat. Befonders dem weiten Kreife derer, die ih im dem Dienft der dekorativen
Runft geftellt baben, bieten fih diefe Blatter als eine Sammlung mujter-
giltiger und origineller, aus Thier- und Pflanzenbildungen abgeleiteter Motive
verfchiedenfter Art und Beftimmung dar, wie fie bisher vergeblid) gefucht
wurde.
Deutſche Runft
— In” der Hoffunfthandlung von Amsler & Ruthardt find Original-
Radirungen und Zeihnungen von Prof. Peter Halm-Miinden ausgeftellt.
Es find vornehmlid landfhaftlihe Motive, darunter einige Anfihten von
Hamburg und Blide auf Mainz und die Rheinebene bei Mainz. Einige febr
gefhidt "gezeichnete Arditelturftüde aus Rirhen und Schlöffern, fowie einige
Sigurenbilder find befonders hervorzuheben. Rect intereffant find aud die
ausgeftellten Zeihnungen, meiftens Studien des Rünftlers zu den Radirungen.
Ein außerordentlich feines Blätthen ift endlih die Nadbildung von Leibl's
„Dadaner Bäuerinnen in der Rirdhe’ Don den als Dereinsgabe an die
Mitglieder des Deutfhen Runft-Dereins vertheilten Arüger'fhen Stihe nad Dan
Eyd's „Singende und mufizierende Engel find 50 Paare auf unbefchnittenes
Hand - Japan - Papier gezogen worden, weldhe die Runfthandlung Amsler
& Ruthardt von dem Deutfhen Aunft-Derein Fäuflih erworben hat. Da nur
diefe befchränfte Anzabl von Druden eriftirt, fönnen diefelben nur paarweife
abgegeben werden und es ift anzunehmen, daß die Fleine Auflage diefer Vor-
zugsdrude bei dem Gnterefje, weldhes für die Dan Eyd’jhen Originale vor-
banden ift, bald vergriffen fein wird.
— Bei der Derfteigerung der Sammlung des verftorbenen Ptaniften
Warmontel in Rom famen 60 Bemälde der älteren Schule, meiftens
Aquarelle, Zeihnungen und Paftelle unter den Hammer. Don den Werfen
erzielten größere Preife: Zwei Bonahezeihnungen Baudonin’s 10000 und
11500, eine „Venus“ von Bouder 3600, „Portrait des Malers Badelier
von Chardin 5250, ein Paftell Peronneau’s 5700, “ein ,,frauenfopf von
Latour 6500, eine „Pfändung“ von Saint - Aubin 6200, „Portrait der
Raiferin Jofepbine’ von Prud'hon 9900, ,,Heilige Cäcilie! von Rubens
11000 und Srei Gemälde von Guardt 6000, 6500 und 10500 frants; diefe
letteren Preife erfcienen vielen Rennern ftar? übertrieben.
— Jn Wien warden bei der Derfteigerung der Rogge’fhen Kunft-
fanmlung bejonders für die Altwiener Meifter nambafte Preife erzielt; fo
für eine Anfiht aus Innsbrud von Rudolf Alt 1550 fl., für die Anfiht der
Rirhe Santa Maria Loretto in Rom von demfelben Meifter 1650 fl., für
Landfhaften von Ganermann 3110 fl, 5500 fl. und 3200 fl, Gude's
„Mondfee in Gberöfterreih" erzielte 2250 fl., Lews „hinterſee!“
1800 fl, Rarl Marfo's „Der Tod der Eurydife' 2160 fl., Pettenfofen's
„Ungarifcher Bauernhof“ 1300 fl., P. van Shendel's ,,Gemiifemarft in Rotter-
dam" 3700 fl., ft. Dolk’ ,,Chiere an der Tränte"* 3100 fl. und Waldmüller's
„Mütterlihe Ermahnung“* 3660 fl. Den hödften Preis erzielte Achenbad's
„Molo=-Anfiht“ 4100 fl. Don den Runftgegenftänden erftand die Stadt Wien
Gaffer's „Donauweibhent um 1550 fl. Die aus 77 Stüden beftebende
Sammlung bradte einen Befammterlös von 62 515 fl.
Chinefifhe Blumenvaje.
8er & Co., Berlin,
Deutfdhe Runf.
— Das Meifterftüd der Ausftellung kunftgewerbliher Arbeiten
des frauenbildungs - Dereins in frankfurt a. M. ift cine Wanddede,
die nah einem Original ans dem Berliner Runftzewerbe - Mufeum genau
fopirt ift, einer deutfhen Arbeit des 17. Jahrhunderts, weldhe wahrſcheinlich
als Wandbehang für ein fürftlihes Prunfbett angefertigt wurde. Der Grund
259
ift farmoifinrothe Moireé-<Seide, welde die Zeihnung in einem feinen Elfen-
beinton zeigt. Die großen Linien der wirfungevollen Band - Applikation
rahmen madtige Blunren und Ranfen ein, die aus weißer Seide aufgelegt
und mit Rordeln und einer wedjelvollen Auswahl von Zierftihen aus-
gearbeitet find.
Preisbewerbungen und Perfönliches.
— m Wettbewerb in Lübed um Entwürfe für den Ban ter St.
Matthaue-Rirhe wurde unter der Zahl von neun Entwürfen feiner des
erften Preifes von 1000 Mark für würdig eradtet. Den zweiten Preis von
600 Mark erbielt dec Entwurf des Herrn Ardh. Groothof, den dritten von
400 Marl der des Heren Arh. Lorenzen in Hamburg. Dierte Preife von
je 300 Mar? fielen an die Entwürfe der Herren Rlunf u. Lohr in Liibed
und Puttfarden, Janda u. Wurzbad in Hamburg; fünfte von je
200 Marf an die Herren C. Hahn in Lübed und Folaffe in Hamburg.
— Der Wettbewerb um Entwürfe für ein ftädtişhes Verwaltungs”
gebäude in Aadhen ftellt eine von den Löfungen der letten größeren Wett-
bewerbe um ftädtifhe Derwalungsgebdude infofern verfhiedene Aufgabe, als
dao neuc Gebäude lediglid Verwaltungsräume und nidt aud feftfale, die
im alten, in der Wiederberfteltung begriffenen Rathhaufe liegen, entyalten foll.
Bleihwohl aber tritt das fünftleriphe Element dadard) nicht zurüf, denm bei freier
Wahl des Stiles fell fih das Aeußere des Bebäudes harmonifh der Umgebung
des Ratphaufes anjhliegen, ih aber dem alten Rathhaufe unterordnen. Der
unregelmapig begrenzte Bauplatz Hegt nämlid an dem Chorusplatze, welder
einerfeits durd das Farolingifhe Münfter und die Dicartewohnungen, anderer
feits dur das im 14. Jahrhundert erriytete Ratbhaus, das frühere Rrönungs»
haus deutjher Kaifer begrenzt wird. Das NRaumprogramm fordert
neben einem 120 qm mefjenden Saal für Ausfhußigungen lediglih Ver-
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Richard Müller, ——
waltungsräume. Den Bewerbern wird anheimgeſtellt, zugleich mit dem Ent—
wurf des Gebäudes auch eine Aueſchmückung oder auch andere Ausbildung
des Chorusplatzes zu entwerfen. Bezüglich der Ausführung des Neubanes
behält die Stadt ſich freie Beftimmung vor.
— die Stadt Varna in Bulgarien erläßt einen öffentlichen Wettbewerb
um Entwürfe für ein ſtädtiſches Theater mit Kaſino und Tanzſaal, für
das eine Summe von nur 5300 0oo frcs. zur Verfügung ſteht. Es gelangen
drei Preife von 1500, 1000 und 500 frcs. zur Dertheilung. Bedingungen
und Unterlagen duch das tehnifhe Bureau der Mairie.
— Dem Bildhauer Mág Unger in Berlin ift das Prädikat Profeflor
beigelegt worden.
— Dem Feihenlehrer Maler Theodor Blätterbauer im Liegnig ift
das Prädifst Profejlor beigelegt worden.
— Der Maler Hermann Hanno in Berlin, welder fic) befonders durd
feine Erfindung einer gewiffen Malerei au grisaille bhervorgetban bat, welde
die Vervielfältigung der Bilder Surd die Photographie, Photograviire 2c.
außerordentlich erleichtert, ift zum „Ehrenmitglied der unter dem Proteftorate
des Rénigs und der Rénigin von talien ftchenden Akademie „La Stella
d'Italia“ ernannt worden unter Derleibung des ,,gdldenen Sterns J. Rlaffe'’.
— Hofrath Profeffor Pauwels an dec Dresdener Runftafademie bat
drei große Wandgemälde für das Rathhaus 3u Aachen vollendet.
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II. 14.
Deutſche Runſt.
Beiblatt: Das Htelier,
Slluftrirte Seitichrift für das gefammte deutfche Kunitfchaffen.
Eentral:Örgan deutfcher Runft: und Riinjtler-Dereine.
Alle 14 Tage erfheint eine Nummer.
Preis vierteljährlih 2.80 Mart.
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Georg Malkoiuskn.
Ariffleifung und Verwaltung Berlin W.57, Sfeinmehfir. 26.
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fpaltene Nonpareille-Zeile.
Publifationsorgan bes Deutfhen Runftvereins in Berlin, des Schleifen Runftvereins in Breslau, Les Runftvereins für das Broßberzogihum Heffen in Darmftadt, des WAnbaltifden Runfte
vereins in Deffan, des Würltembergijhen Runftvercins in Stuttgart, des Schleswig - Holfteinifhen Runftvereins in Riel, der Runftvereine in Münden, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera,
Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Börlik, Danzig, Rönigsberg, Stettin u. a.
Ar. 14.
1. Mai 1898.
Il. Jahrgang.
Dom Dom zu Magdeburg.
Ein Beitrag zur hriftlihen Symbolif.
Pon Bans Marffhall.
n Clemens Brentano's Chronifa bezeicnet der Schreiber
Johannes das Straßburger Münfter als „den Traum eines
tieffinnigen Werfmeifters, vor dem er wohl felbft erfchreden
würde, wenn er erwadhte und ihn fo fertig vor fidh in
den Himmel ragen fähe; es fei denn, daß er auf fein Antlit
niederfiele und ausricfe: Herr, dies Werk in feiner Dollfommenhbeit
ift nidt von mir, Du haft Did nur meiner Hände bedient.‘
Mit diefer poetifhen Wendung bat der gerade für den feelifchen
Gehalt der Gothi? bejonders empfindfame Romantifer den gee
waltigen, der Welt entrüdenden Eindrud der Arciteftur nicht
minder fhön und treffend gekennzeichnet wie Goethe, wenn er fie
„gefrorene Mufif* nennt. Der eigenartige Zauber der Gothit
liegt in ihrem transcendentalen Wefen, in ihrem Emporftreben,
ihrem vertifalen Cinienflug, in dem jede Gliederung mündet, nad)
dem fic) jede Geftalt ftredt, jedes Ornament bildet, jedes Blatt
friimmt, wie fortgeriffen von einem ftarfen Strome. Diefe Haupt-
tidtung in fteiler Derjüngung einem Gipfel zuftrebender Linien
mit ihrer wunderbaren Höhentäufhung ift ein dauernder Ausdrud
für das Zeitbewußtfein des firdhliden Weltalters, wie Kuno
Sifher die Feit von Gregor VII. bis zu den Anfängen der
deutfhen Reformation nennt. Es ift der Beift der Scholaftifer
und Spiritualiften, der in der Gothif Geftalt angenommen bat;
fo ändert fih aud der gothifhe Stil analog den Wandlungen
der Scholaftif. Aber nicht allein das Streben nad) Höhe, der
fhmwindelnde Bipfelflug bis zu den Wolfen verleiht der gotbifchen
Baufunft jenen über alles Frdifhe erhabenen Charakter, aud ein
merfwürdiges Streben nad Lit, das fie ganz mit göttlicher
Jdee durddringt, erhebt ihre Rirhen zu Stätten reinen himmlifchen
Segens. So gleidt denn das Innere folder Botteshäufer mit
feinen Pfeilern und vielgliedrigen Spigbogen, die im Kreuz.
gewölbe fic) oben zufammenfchließen, faft einem paradiefifchen
Palmenhaine. Jeder Stein follte harmonifd mittönen in diefer
ftummen Symphonie der Weihe und Andadt; wie jeder fic
organifh in das Ganze fügte, follte auch jeder für ih, würdig
der göttlihen Jdee, zeugen für das Wirken einer höheren Macht.
Darum waren de alten Meifter bemüht, aud den Fleinften Ge-
bilden den lebendigen Odem der Spmbolif einzuhauden, von
vornherein „der Abfiht und des Zieles ihres Werkes in abstracto**
fih bewußt. Die Gebilde der Gothif find feine rein äfthetifchen,
aus der naiven Anfhauung hervorgegangınen Arbeiten, fondern
figurale und ornamentale Begriffsvorftellungen. Jm Maßwerk,
im plaftifhen wie im fladhen Ornament wird die Dreitheilung
des Rleeblattes zum Symbol der Dreieinigkeit; das DVierblatt
zum Sinnbild des Areuzes, das felbft wieder den Glauben be-
deutet, der vier Evangelien, oder der Kardinaltugenden; bedeutet
die fünfblätterige Rofette die fünf Wundmale des Herrn, während
die Siebentheilung binweift auf die Worte Chrifti am Kreuze,
Jn den Radien der Rofetten erblidt ein für religiöfe Bedeutung
empfängliher Sinn die Nägel, mit denen der Heiland ans
Kreuz gefhlagen wurde. Von den Ranten der Thurmdädher und
Fialen wie den Scenkeln der Wimperge fteigen fvmbolifch
Flammen, die Krabben, auf und auf der Spite, das Ganze
befrönend, prangt endlih das Rofenkreuz, deffen Arme zu Rofen
erbliiben. Um an einem beftimmten gotbifhen Bauwerfe der
anregenden Spmbolif im Befonderen nachzugehen, ift der Magde-
burger Dom befonders geeignet, weil feine Steine von mehr als
drei Jahrhunderten redend zeugen. Sie bieten in Ermangelung
von Dokumenten wenigftens an den Thürmen Surd ihre Orna-
mente und die Form der Steinmeßzeihen, jener „Schutmarfen‘
und Kennzeihen der zur Steinmeginnung gehörigen Meifter und
Gefellen, den einzigen Anhalt für die Beftimmung der Bauzeit.
Dor dem jetigen Dome haben bereits zwei Botteshäufer
auf der nämlidhen Stätte Magdeburgs geftanden. An Stelle
des erften, des Benediftinerflofters St. Mautitii, ließ Raifer Otto
der Broße (956— 975) nad) dem Tode feiner von der Dichterin
Roswitha gefeierten Gemahlin Editha, als Stätte der letzten
Rube fiir die Derftorbene und fih, einen Dom erbauen. Das
romanifhe Bauwerf wurde im Jahre 963 vollendet und bat
240 Jahre geftanden. Eine feuersbrunft zerftörte es am
Charfreitage anno 1207. Schon im folgenden Jahre aber wurde
vom Erzbifhof Albert II. mit grofer feierlidhfeit der Grundftein
au einem neuen, dem jetzt nody ftehenden Dome gelegt. Erzbifhof
Albert war ein feingebildeter Rircenfiirft, der fic) namentlid) in
‚Frankreich die Formenfenntnis der nod jungen Gotbhif erworben
hatte und beim Aufitellen des Bauplanes, fowie dem Entwerfen
des Grund- und Aufriffes gewiß nit ohne Einfluß gewefen ift.
Aud der Name eines Baumeifters ift uns überliefert; er bieß
Bonenfad und fheint dem Laienftande angehört zu haben, aus
dem im 12. Jahrhundert fhon häufig tühtige Baumeifler bervor-
gingen, bis fih fhliefih im 13. Jahrhundert die Caien von
ihren Lehrmeiftern den Beiftlihen, in deren Händen die Rirchen-
baufunft bisher far ausfhlieglih gelegen hatte, losfagten und
262°
Deutfoe Runf.
felbftftändig zur Steinmekinnung zufammentraten. Wenigftens
fpriġt für die Annahme, dak Bonenfad fein Geiftlider gewefen
ift, feine eigene Geftalt, die als Denkmal in Stein nadgebildet -
wie ein Rragftein eine Dreiviertel-Säule am erten füdlichen
Pfeiler des Hauptfchiffes trägt. So fällt denn der Beginn des
großen Baues in die begeifterte Feit der Areuzzüge, der erjten
Blüthe Seutfder
Didttunft, aber and
in die fturmbewegten
Tage des Tlieder-
ganges deutfcher
Raifermadt, in denen
Geldmangel und po-
litiſche Unruhen ver—
ſchiedentlicheStockun⸗
gen in der Bauar-
beit verurfachten. Die
filen auf der Dad-
galerie des Domes,
das MaPwerf der
Fenfter und die an
den fenfterwanden
wie in der Mitte der
Oeffnungen ftehenden
Rundftäbe mit Rapi-
tellen ftatt Ser nad
1500 in der Gothit
üblichen Pleinen, Pa-
pitelllofen Pfeiler mit
vielfaden Bliederun-
gen fprechen beftimmt
dafür, ða niht lange
nad 1500 die ganze
Rirde fertig und die
Thürme bis zur Hälfte
bod geführt waren.
Der Grundig der
Rirde ift der einer
freuzförmigen, drei-
fciffigen Bafilifa mit
polygon gefdloffenem
Chor, zwei unvollen-
deten Oftthiirmen
neben dem Quer-
fhiffe und zwei mäh-
tigen Weſtthürmen.
An den füslichen
Arm des Qucfchiffes
ſchließt ſich der Kreuz—
gang des Domft:ftes,
an den nördlichen das
Ipäter angefiigte Pa-
radies. Bei der Ere
wäbnung des Para-
diefes fet einer Cere-
monie gedacht, die
wohl auch in Magde-
burg beftanden baben
mag. Aus der Parc-
diesthür wurde am WAfcermittwod ein findhafter Menfeh, cin frei-
williger „Adam“ gejagt, dem Ser Bifchof die Werte nadrief:
„Siebe, beute wirft Du binausgeworfen aus dem Schooße Deiner
Mutter, der heiligen Rirhe, wegen Deiner Sünden, jo wie Adam,
der erfte Menfch, ausgeftoßen wurde aus dem Paradiefe wegen
feiner Uebertretung. War die Bupzeit des Ausgeftoßenen, die
‚Faftenzeit, während der er barfus und im Bühergewande,
opdadlos und von Almofen lebend umbeılief, obne mit jemandem
zu fprecen, verfloffen, jo wurde er am Grünen Donnerftag mit
anderen Büßern und Biiferinnen, die fih ibm freiwillig beigefellt
und ibre Ablapfumme pränamerando an die Baufaffe der Kirche
Dom zu Magdeburg Wejtjeite.
Verlag von J. Neumann, Magdeburg.
— — —
entrichtet hatten, durch dieſelbe Thüre wieder in die Kirche ein-
geführt und abſolvirt. oy, ý
. Der ältefte Theil dcs Magdeburger Domes ift der hohe Chor
(Sanctuarium, Presbyterium), der, für den Gottesdienft der
Rapitularen bejtimmt, jid um 7 Stufen über das Yliveau des
Schiffes erhebt und von den übrigen Theilen der Rirhe durch
eine fteinerne, im
jahre: 1445 erbaute
und mit zwei Ein-
gängen verjebene
Wand, den Lettner
oder Lectorium, ab-
gefondert ift. Wie
der Chor, fhlieft
aud der Chorumgang
in fünf Seiten, an
die gegen Often Ra-
pellen vorgelegt find,
polygon ab. Jn ihm
bat auf Ser Mittelcre
des Gebäudes der
Steinfarfophag der
Raiferin Editha, eine
Arbeit des 16. Fabre
bunderts, Aufitellung
gefunden, rechts da-
von in der füdlihen
Chorkapelle ſteht ein
ſeltſames, polygones
Bauwerk, aus dün—
nen Steinplatten 3u-
fammengefügt, das
auf fohlihtem Altar
die febr -alterthiim-
lichen figenden Ge-
falten Otto’s und
Editha’s birgt. Die
Figuren find 51/, Fuß
hod) und verrathen
im faltenwurf und
in der Bemalung den
Stil des 15. Jabr-
bunderts. Das Gee
wölbe des Chorum-
gangs ift reid belebt
durd verzierte Rip-
pen und Scylufiteine,
die ebenfo wie der
‚formenreihtbum der
Pfeilerfapitelle fo
tartan Maulbronn
erinnern, daß die
Tätigkeit eines Mei-
ters, Ser aud dort
gearbeitet haben mag,
etwa um das Jabr
1220 mehr als wahr-
fheinlid if. Man
begegnet ‚aber neben
Frühgothifhem im öftlihen Theile des Domes auc einer auf-
fallend häufigen Verwendung antifer Formen, vor Allen dem
röm!fchen Afanthusblatte, und unverftandener Wiedergabe des
antifen Rompofitenfapitells, die mdgliderweife aus den Trümmern
der früher auf gleiher Stätte befindlidhen Baulichkeiten fih in
das Gefiige des neuen Domes mit eingefhliden baben.
Jm Jahre 1365 fonnte endlich die Kirche, ©. b. der Chor
und das mit allen Bewölben und Dächern vollendete Cangbaus
geweiht werden. Don den beiden Thürmen ift der nördliche mit
den unteren Theilen des Querfchiffes gleichzeitig begonnen worden,
der fiidliche erft 1310.
Deutfhe Runf.
Das zweite Thurmgefhoß, das im Begenfat zu der unteren
fhweren Lifenenarditettur fchon fpigbogige Blenden mit sierlidem
Leiftenmerf aufweift, ift in der zweiten Hälfte des 14. Jabr-
bunderts entftanden. Ueber dem vierten Befhoß geben die
Thürme aus der quardratifhen Form in das Adhtec über, ohne
daß darum der einheitlihe Aufbau beeinträdhtigt würde, da
zwifhen Sem vierten und fünften Befhoß eine eigenartige, fpät«
gothifhe Fialenbildung, weldhe die vier Ranten des auf
quadratifher Bafis aufgeführten Baues fortfegt, fhön ver-
mittel. Die Oftogonie, die aud als Grundrißform von
S. Vitale in Ravennna und der von Karl dem Broßen in Aadyen
erbauten Rirhe Anwendung gefunden bat, ift vielleicht auf die
adtedigen Thiirme der Gallier zurüdzuführen. Vielleicht liegt
aud ihr eine tiefere fymbolifhe Bedeutung zu Grunde. War
dod) die 8 als erfte fubifhe Zahl, als Bezeihnung der geeinten
Ordnung als aud der Weltordnung überhaupt fhon den Heiden
heilig. Die riftlihen Bnoftifer nahmen eine heilige Uradt als
Mutter der 7 hödften Weltkräfte an, und adtfah war nad
fpäterer chriftliher Dorftellung die Seligfeit. 1493 entftanden
nad einer Jnfdrift auf der oberften Thurmgalerie die ungewöhn-
lid niedrigen und gedrüdten Pyramiden und 1520 endlid ftand
der Dom in feiner Vollendung da. Es ift begreiflid,
daß die Länge der Bauzeit, in der der Bejhmad mehrfad
wedfelte und die Technif fic) verwollfommnete, die Durhführung
eines einbeitliden Planes nicht zuließ. Wenn nun aud in den
älteften Theilen des Baumerfes Strebepfeiler und Rippengewölbe
nod fehlen, fo tritt dod) überall das fräftige Streben zu Tage,
fidh los zu madhen von den feffeln Ser Tradition und mit den
fonventionellen formen des bisher üblihen, romanifhen Stils zu
breden. Diefelbe DVerfchiedenartigkeit wie der Dom felbit zeigt
übrigens aud der füslih von ihm gelegene, fhon er-
mwähnte Kreuzgang. Während der füdlihe Flügel ganz
tomanifch ift, erweifen fid Ofte und Ylordflügel ihrem Stil nad)
als gleichzeitig mit den älteften Theilen des Domes entftanden.
Bemerkenswert ift auf der Außenfeite des Kreuzganges ein
Sties figiirlidher Darftellungen aus der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
bunderts, der in ftarfen Ronturen in den Pug eingerigt und
vielleidht bemalt gewefen ift. Er führt die faum mebr erfennt-
lidhen Geftalten Otto’s des Broßen zwifchen feinen beiden Be-
mablinnen und einer Reihe von Magdeburger Erzbifhöfen bis
auf Ericus (1283—1295) vor Augen.
on den vollendeten Dom, Magdeburgs Stolz, bielt bald die
Reformation, die in der glaubenstreuen Stadt eine fefte Burg
fand, fiegreihen Einzug, mußte aber nod einmal, an jenem ver-
hängnifvollen 20. Mai des Jahres 1651, ða Tilly's Soldatesta
in die Stadt einfiel, wenn aud nur auf furze Zeit, dem
Katholizismus weihen. Damals lief Tilly, feines Sieges frob,
in dem Dome, der fchon in Befahr geftanden hatte, mit anderen
Häufern niederzubrennen, das Te deum anftimmen. Wenn
auh Ser Dom, vorzüglid auf der Südfeite, in jenem Rampfe
viel gelitten hatte und als „über die Maßen bausfellig‘
bezeichnet werden durfte, ift doch die Behauptung zurüdzuweifen,
die Rreuzblume des füdlihen Thurmes wäre in jener Zeit her-
untergefhoflen worden. Vielmehr haben Münzen, die der
Adminiftrator Chriftian Wilhelm in den Jahren 1614 und 1622
bat fchlagen laffen, in ihrem Bepräge bereits den Dom mit nur
einer Rrone. Billiger ift es wohl, dem zu glauben, was
D. Saccus im vierten Theile feiner Poftillen über dte Evangelia,
am Tage Mauiitii, vom Jahre 1540 jagt: „Es bat aug
das Wetter in den Thurm gefhlagen, die Rofen ab-
geworfen und merklihen Schaden gethan.“
Eine durchgängige Reftauration erfuhr bas fhöne Gottes-
haus, das nody während der Rriegsjahre 1811—1813 in feinem
Innern manden Schaden genommen hatte, in den Jahren 1826
bis 1854 durch die Huld Könige Friedrih Wilhelm II. So
ftebt es nun, gefäubert von gefhmadlofen Zuthaten fpäterer
Seiten und in fhadhaften Theilen ergänzt, da in reiner Schön-
beit und Dollfommenbeit als ein ebrwiirdiges beredtes Denkmal
mittelalterlihen Zeitgeiftes und eine ardhiteftonifhe Yierde Nord-
deutfchlands.
263
Namentlich die figiirliden Bilbwerfe, die den Dom fhmüden,
find von bedeutendem, funfthiftorifhem Jntereffe fowobl . ihrer
form als and ihrer Bedeutung nadh, als Beifptele chriftlicder
Runftfymbolif. Wenn an den älteren Theilen des Domes die
Symbolit unter dem Einfluffe der Geiftlidfeit durchweg nod
mit Derftindnif angewandt ift, fo zeigen namentlid fpätere
Ausgußfiguren, daß mit beginnender Firdlicher Decentralifation,
dur die die Baufunft und ibr Handwerf mehr und mehr in
die Hände des Laienftandes übergingen, aud der Sinn für die
fumbolijhe Bedeutung figürliher Bildwerfe fhwand. Der
Laienftand brachte durch feine mangelhafte Renntnif jener deut-
famen Begriffsvorftellungen unbewußt wieder Naivetät in die
Bautunft und bereitete das Bedirfnif vor nah den rein
äfthetifchen Gebilden der Renaiffance. fiir die oben- erwähnten
Wafferfpeier nun, die das Regenwaffer aus den Dadrinnen weit
über die Umfaffungsmauern hinaus fpeien, verwandte die Friih- .
gothif mit Dorliebe Thiergeftalten, in denen fie die außerhalb
der Rirche gefundenen fFeinde des Chriftenthums, die Juden, die
Heiden und den Teufel darftellen wollte. Da wir unter diefen
nun aud den heidnifchen Breif, das Attribut des Mars, finden,
fo dürfen wir der Auslegung Dante's, der in dem thierifchen
Doppelwefen das Sinnbild Chrifti nad feiner doppelten gött-
lihen und menfhlihen Yatur fah, faum allgemeinere Bedeutung
beimefjen.
Uebrigens muf bei einer Deutung fymbolifder Thiergeftalten
frets der Ort, an dem fie angebradt find, und ihre Beftimmung
berüdfihtigt werden. So bedeutet Ser Hund als Wafferfpeier
das Heidenthbum, während er auf den Reliefs von Grabplatten
zum Sinnbilde riftliher Tugend wird. Auf einem alten Bilde
in Braunfdhweig fehen wir die vier Rardinaltugenden als Hunde,
von Engeln als Jager am Halsbande geführt (Fiorillo II, 57).
Bern würde man wohl den Hirten und den Jäger oder Schäfer-
fnecht mit Hunden, die über der Paradieshalle des Magdeburger
Domes an der nordweftliden Ede des nördlihen Querfdhiffarmes
ftehen, nad) diefer Auffaffung deuten, wenn niht ein Hund zu
wenig wäre. Möglich ift, daß diefen der Jahn der Zeit, der
gerade an den beiden Statuen ftarf genagt bat, zerriffen hat,
dod) thut man wohl gut, ohne mit Eventualitäten zu rechnen,
den Schäfer als den guten Hirten aufzufaffen, der feine Heerde,
die Chriftengemeinde, bewadht und feinen neht beauftragt hat,
dur einen Horneuf die Herde zum Eintritt in dte Kirche ein-
zuladen. Daß der Schafer die Statue eines Georg Roppebel
oder Coppehle aus Bräfendorf bei GFiiterbogf fei, Ser eine be-
deutende Würde am Domftift bekleidet und ein großes Vermögen
für eine milde Stiftung binterlaffen haben foll, ift wenig wahr-
fheinlihd. Wohl geht aus Urkunden des Magdeburger Pro-
vinzial- Archivs hervor, daß ein Georg Coppeble, Vicarius in
summo und Canonicus bei dem Stifte St. Gangolphi sub
aula archiepiscopali in der zweiten Hälfte des 16. Jabr-
hunderts von feinem Vermögen eine nod beftebende milde
Stiftung errichtet hat, die Statuen aber find bereits viel früher
entitanden, und vor feinen Lebzeiten -ift befanntlid nod Niemand
ausgehauen worden.
Dod zurüd zu unferen Wafferfpeiern! Finden wir da aud
das Schwein als ftereotvpe Beftalt der unreinen Beifter und der
Derdammten, in der dem Grafen Raymund von Bascogne nad)
Sroiffard’s Berichte der Teufel erfchienen if. Das Schwein, in
deffen Geftalt das Mittelalter nicht felten auc feinem Anti-
femitismus verädtlid Ausdrud gab, ift alfo das Symbol der
Sünde und Verdgammnif, wie denn die Thiere überhaupt Sinn-
bilder der Leidenfhaften und auseinandergebenden Menfdenfinne
find. DVerwunderlic ift es, und jedenfalls auf die Unfenntnif
der fpäteren Innungsmeifter und Gefellen zurüdzuführen, Saf
fih jener fohlehten Gefellfhaft von Thiergebilden auc die
Attribute der Evangeliften als Wafjerfpeier am füslihen Thurme
beigefellt haben; der geflügelte Menfh für Matthäus, weil er
fein Evangelium mit der menfhlihen Geburt Chrifti beginnt;
der Löwe für Markus, weil er mit Johannes in der Wiifte an-
fängt; der Ochfe für Lukas, da er mit dem Priefter Zacharias,
der zum Opfer Ochfen fdladtete, beginnt, und für Jobannes
264
der Adler, weil aus ihm der géttlihe Geit am mädhtigften
fpridt. Später arteten die Wafjerfpeier jogar ins Scherzhafte
aus, wie die drolligen Menfchengeftalten an den fpäter erbauten
Theilen des Domes beweifen. Gn das Genre diefer oft Serben
Romi? fallt auc eine zufammengerolite Schlange zwifhen dem
gothifhen Blattwerf auf dem im 16. Jahrhundert vollendeten
Dadhe des nördlihen großen Thurmes nebft einer nad oben
fletternden Pleinen Menfchenfigur, zu Seren Erklärung es in einer
alten Befchreibung des Domes beißt: „Auf des Thurmes
Spige ift der Teufel, über welhem ein Menfh in Stein
gehauen zu feben, jo fih auf die Krone mit Pan-
toffeln zu fteigen bei Teufelholen vermeffen, welder
Deutfhe Runft
aber beruntergefallen und den Hals geftürzet.* Zwiſchen
den beiden Thürmen wird das Grundmauergefims der Weft-
facade urh as 15 Fuß tiefe Hauptportal unterbroden,
deffen Giebel mit dem fehönften, aus der beften Zeit der Bothik
ftammenden Mafwerf verziert if. Zwifchen den beiden Flügeln
der Thür fteht mit FHepter und Reidsapfel verfehen die als
„Otto magnus“ bezeihnete Figur eines Raifers, von der über
ihm aus Wolfen hervorragenden Hand Gottes gefegnet. Jn einer
Hobltehle der linten Seitenwand fteht der Baumeifter des Portals
nnd in der Rofette des Wimbergs wie Raifer Otto in einem
Tabernatulum die gewappnete Geftalt des heiligen Mauritius
mit Schild und Lanze.
Dom zu Magdeburg, Kanzel, Altar, Kettner und Chor,
Verlag von 5. Neumann, Magdeburg.
Dentfhe Runf.
Aus Schultes Kunftfalon.
er vieles bringt, wird Jedem etwas bringen. Die DVielfeitigteit
in den Schulte'fhen Bemäldeausftellungen wird zwar der Rritif
eines feineren Bejhmades faum nod Stand halten, aber wenn
es gilt, eine mdglidft viellSpfige Menge fiir die Kunft zu intereffiren oder
wie die zeitgemäße Forderung lautet, Runft ins Dolf hineinzutragen, fo er
fheint aud diefe form der Ausftellung beredhtigt und alle Zugeftändniffe
geheiligt, die zwar in diefem falle mehr der DVerfaufemdglicdfeit als der
fünftlerifhen Erziehung zu Liebe gemaht werden. Der Schulte'fhen Bilder-
[han fehlt in der Regel die einheitlihe Ordnung. Die Aunft treibt nad
allen Richtungen, Höhen und Tiefen auseinander und man gelangt niht zu
einem barmonifhen Befammteindrud und Ueberblid.
Wir begegnen diesmal einer Rünftlergruppe von ausgefprodhen älterer
und moderner Richtung und dazwifhen maden ib Halbfönner und Stümper
breit, von denen man nie ein Befenntniß verlangen wird.
Die ältere romantifhe Darftellung der Landfhaft tritt uns in einem
Bilde von Calame entgegen. Ein felfiger Abhang eröffnet einen Ausblid
auf ein üppiges wald- und wiefenbefränztes Thal. Gm Dordergrunde wird
eine dunkle Baumgruppe von dem abfdiiffigen Terrain iiberfdnitten, in der
‚ferne zeichnet ih die zadige Bebirgskette Mar ab gegen den blaßblauen
Himmel, an dem flodige Regenwolfen emporziehen. Die unverfennbare An-
zlebungstraft Ses Gemaldes berubt nidt in grellen Rontraften leudtender
arben, fondern in der liebenswürdigen Detaillirung des Begenftandes und
der einbeitliden Rompofition, bei der fih die intime und die ftilifiet-romantifche
Anfhanung glüdlih verfhmelzen.
Ein verwandtes Empfinden fpriht ih in einem Bilde von Ch. Hoguet
aus, weldes das burgartig am Meeresftrande fih aufbauende und In feuchten
Dunfte verfchleierte Schloß Dieppe darftellt. Der Thiermaler fr. Dolg ift
mit feinem beliebten Thema, einer Rinderheerde, vertreten, die an ein flaches
Seegeftade zur Träne geführt wird.
Ein neueres Bild von B. Dautier, die Weinprobe, ein Areis von vier
Männern, die in einem alterthiimliden, vornehm ausgeftatteten Bemade ihre
Weinfennerfhaft bethätigen, bereichert die Düffeldorfer Benremalerei nicht
gerade mit überrafhenden Momenten. Das ftarf abgenugte Motiv ift mit
ehrlicher, aber hauebadener Charakteriftit zur Ausführung gebracht. Diefer
ganzen fläftigen Art zu malen liegt eine Biederfeit und Selbftgenügjamteit
3u Grunde, welhe fhlehterdings nit mehr in unfere bewegtere Zeit hinein-
paßt, weil ihr das Mark eines berzhaften und fubjeftiven Humors abgeht,
welches den Novellenftil eines Anaus oder Hafenclever für alle Zeiten ge-
nießbar madt. Und in den Bildern Ff. A. v. Raulbah's gelangt die
Individualitst nicht zu volltommener Herrfhaft über die raffinierte Eleganz
der äußeren Erjheinung. Gn dem eigenften Gebiete, dem Frauenbildniß,
offenbart der Rünftler indefjen eine Bröße der Aufjaflung, mwelder fih die
Blanzentfaltung in den Roftümen und der etwas konventionelle Linienfluß
ohne Weiteres unterordnet. Die eigentlihe Seelenanalyfe bleibt uns Raulbad
fuldig, aber das Leben in Ausdrud und Mienenfpiel ergreift uns irog
mangelnder Charakteriftit mit unmittelbarer Gewalt, wie das plößlihe Auf-
leuten und Derlöfchen eines Eindruds im Leben, dem wir nicht nahzuforfchen
vermögen. Der Liebreiz einer erblühten Franengeftalt, nicht felten mit dem
Ausdrude verfchleierter Sinnlichkeit, entfaltet fih in feinen Bildniffen mit
glänzenden Mitteln. Das Portrait feiner Gattin im weißen Kleide und das
einer rotbhaarigen Schönen in fhwarzer, golddurchwirfter Robe find als die
beften Beifpiele hervorzuheben. Einer anderen, robufteren Tehni? bedient idh
der Maler in Mannerbildniffen. Das Bruftbild des Prinzregenten Luitpold
im Profil und das Portrait eines [hmwarzgelleidtten Herrn in ganzer figur
find in der Charakteriftit niht zu unterfchäten.
Die Thierftudien Toobg's (Elephant, Nashorn, Löwe, Tiger und Hund)
witfen bet guter Charafteriftif meift unerqaidlid) durd die Härte des Tones
und der Malweife. mn einer bolländifhen Strandfzene von H. v. Bartels
madt fid ein »ölliger Mangel an Tonempfindung bemerkbar. Die figuren
der beimfebrenden Fifher find indef lebensvoll geftaltet, ale Flluftration -
würde das Bild feine Wirkung nicht verfehlen. Zu den beften modernen
Bildern zählen einige Heine Landfhaften von dem Diiffeldorfer H. Hermanns,
welder alles Schulmäßige abgeftreift hat und zur ausgiebigen Bethatigung
feines Loloriftifhen Empfindens gelangt. Die Gluth der Yahmittags- und
Abendfonne auf Wiefen und Bäumen, der Ansgleih zwifhen Sonuenfleden
und Scattenmaffen, das Bligern der Sonne auf dem Wafferfpiegel des
Amfterdamer Hafens ift trefflih zur Erjheinung gebraht. Mit einer
großen Rolleftion Bilder jeden Genres führt fh der Dresdener Maler
€. O. Simonfon Caftelli ein. Dergeblih fuhen wir nad einer eigenen
Zdee, Anfhauung und Ausdrudsweife. Cine gewiffe Befhidlidkeit ift nicht
zu leugnen, weldhe diefem beifpiellofen Anpaflungsvermögen geradezu zum
Derderben wird,
Ein andere Kollektion von Kunftwerken bildet in ihrer vom modernen
Beifte durchwehten ftarfen Eigenart vielleiht die intereflantefte jetzige Er-
fheinung des Aunftfalons. Es find die von Dr. Hirth fiir die befannte
Wocenfhrift „Jugend! erworbenen und bereits reproduzirten Original-
z3eihnungen. Die getroffene Auswahl tft eine gefdidte und giebt uns ein
etwas A)ealifirtes Bild von der Jugend". Unter allen Umftänden wird
man dem Unternehmen felber beipflidten, durch weldes eine große. Anzahl
meift jiingerer Riinftler 3u einem edlen Wettfampfe angeregt und in Nahrung
gefegt werden. Die Proteftion der jiingeren Elemente ift ohne Hweifel an-
3uerfennen, da fic) feither gerade auf dem Gebiete der Schwarz. und Weif-
funft Sem modernen Riinftler uniiberwindlide Schwierigkeiten entgegenftellten
und ein Abweihen von der Schablone geradezu unmöglib madten. Die
fünftlerifhe Ausftatlung deutfcher Zeitfcriften bedurfte fhon längft einer
Befreiung, wie fle nun die „gugend" mit durhfhlagendem Erfolge unternahm.
Auf dem neuerfchloffenen Gebiete pulfirte bald ein fröhliches Leben; Alles,
was die ‚Freiheit Rünftlerifhen Ausdrudes behindern konnte, wurde mit einem
Male abgeftreift, jede Fndividualitat follte zu Wort kommen, jedes Mittel,
jede Tehnif war erlaubt, einer fünftlerifhen Laune Geftalt zu verleihen. Die
bald beraufbefhworene Entrüftung der Gegner, welde das Blatt ein fitten-
und religionslofes nannten, bewies die daratteriftifhe Haltung und den
auggefprochenen, jeden Zopf verabfheuenden Standpunkt der „Jugend, Der
frifhe fröhlihe Geit und Humor in all den Blättern, die, wir nor uns
feben, ift nicht zu verfennen, nur ganz vereinzelt madt fid dte Originalitats-
fucht und Abfihtlichkeit bemerkbar, obne welke die Modernen nun einmal
nit vollzählig erfheinen. Neben den jüngeren Rünftlern, die fih in großer
Anzahl dem Unternehmen zumwandten und durd die „Jugend“ zum Theil
ihre Berühmtheit erlangten, begegnen wir aud den Mangvollen Namen
älterer Meifter, ein Beweis, welder Beliebtheit fic) die Zeitfehrift in Rünftler-
freifen erfreut.
Die Jlluftrationen in der „jugend“ ftellen ih zum Theil als felbftftändige
Runftwerfe dar, wie die breit behandelte Rohlenzeihnung von Reller-Reut-
lingen, eine in Mondfchein liegende Häufergruppe des alterthiimliden
Städthens Fürftenfeldbrud, der Eihler’fhe Märhenwald oder der Todten-
tanz von ©. Seit, eine geiftreihe Darliirung Holbein’fher Motive. Die
Stoffgebiete wedfeln in der größten Mannigfaltigkeit; die unmittelbar aus
dem Leben gefhöpften Motive, wie die Darftellungen des genialen Ftanzofen
Steinlen, eine nmährende Mutter, die am Wege eingefdlafen ijt, und die
flotten Modiftinnen auf den Parifer Boulevards, wechfeln mit pbantaftifhen
Bildern aus Sage und fabelwelt. Hier begegnen wir auh Ff. Stud in
einem Umfchlagbilde, weldes antite Tänzerinnen in flatternden Bewändern
zeigt. Eine fhwungvolle Rompojfition find die im Sturm daberfaufenden
Walfpren und die den Stier niederzwingende Europa von U. Münzer.,
Die Heldengeftalten altdeutfher Mythe führt ung Erler in feinen bis 3u ein-
fadftem Umrif reduzirten Rontourzeihnungen vor. Das Gebiet der Marden-
didtung verfteht Rob. Engels durdh feine gewandten Federzeidnungen zu
beleben, in welden fic) die Gntimitat feiner Maturfrende verkörpert.
€s erübrigt nod, auf die Rarifatur einen Blid zu werfen, die unferes
Eradtens in der „Jugend“ zu wenig gepflegt wird. And bier äußert fi
feine Spur von Nachahmung von Vorbildern wie Oberländer und Steub,
die Rarikaturenzeihner R. Wilke und B. Paul haben ihre befondere Sprade.
Wilfe's Typen insbefondere zeugen von feinfter Beobadtung und fpriiben von
Wik und Geift. Die ungefiigige Technif macht die Bilder gerade erft intereffant,
da das Wefen der Charalteriftif nie durd elegante Linienwirlung beeintradtigt
wird. Als Beifpiel fet die Maftviehjury, eine Gruppe von wohlgenährten
Agrariern im Sonntagspug, angefiibrt. Die Rarifaturen Paul's find vielleidt
weniger unmittelbar in der Wirkung, etwas mehr mit Beredhnung gearbeitet,
aber aud diefer Riinftler verftebt dem Leben Seiten von zwingender Romil
abzugewinnen, wie in den Blättern „Beift und Gemiife ein Degetarierheim
mit bageren, langbärtigen Beftalten und „Araft und Stoff“, ein Mündener
Biergarten mit den im Benuß jehwelgender Hofbräuhaustypen beiderlei Be-
ſchlechts.
Deutfhe Runft.
267
Die Hamburger Srühjahrsausftellung in der Kunfthalle.
gs werden juft 50 Jahre ber fein, daß die heutige Runftausftellung
in der Hamburger Aunfthalle eine Vorgängerin hatte nad Seiten
ihrer Eigenart, daß diesmal nur Werke von Hamburger Riinftlern,
oder folden, die aus Hamburg ftammen oder dort ihre Haupt-
fhaffenszeit verlebten, 3ufammengetragen find. Jnternationale Runftaus-
ftellungen, die
aud recht hübſch
einerſelts an Zahl der Künſtler, welche ſich in Hamburg niedergelaſſen haben,
andererſeits an dem, was dieſer neu ſich ſchaffende Stamm junger Künſtler
in Hamburg zu leiſten im Stande iſt. Die Künſtler, welche ſich hier nieder⸗
laſſen, müſſen ſich mühſam in Hamburg, der Stadt der Kaufleute, ihre
Stellung erobern. Jeder Handelsbefliſſene ſchaut den Maler von oben herab
an; und in der
Geſellſchaft ſpielt
befhidt waren, \
haben wir feit |
mebreren Jahren.
Als aber auf
diefen Ausftellun-
gen fih deutlich
zeigte, daß hier in
Hamburg feit
etwa einem Jahr-
3ebnt ein neues
felbftftindiges
Runftftreben fih
anbabnt, weldes
die Reime der Le-
bensfähigfeit in
fih 3u tragen
fheint, ward de-
Gedante wad,
aud jegt wieder,
wie es por zwei
Menfdenaltern
gefhab, je eine
lofal Hambur-
gifhe Uusftel-
Lung mit der in-
ternationalen üb-
lihen Frühjahrs⸗
ausftellung jähr-
lid abwedfeln 3u
laffen. Die Aus-
ftellung, welche
feit Mitte vorigen
Monats die präd-
tigen Räume der
erten Etage der
Runfthalle füllt,
it eine lofal
Hamburgifde.
Don den etwa i :
900 Werten der He)
Malerei und Bild- — X >
bauerfunft find At
408 vondenRiinft- ea
lern felbft ein-
gefandt worden,
während die üb-
tigen 500, von
denen etwa ein
Drittel nidt von
Hamburger Rünft-
lern ftammen,
aus Hamburger
Privatfammlungen zur Verfügung geftellt wurden, um einerfeits die Meber-
fiht über die Hamburger Runt von heute zu einer recht vollftändigen aus-
zugeftalten, andererfeits duch die Beimifhung von Meifterwerfen der be-
deutendften modernen nichthamburgifhen KRünftler ein willfommenes Der-
gleihsobjeft zu fhaffen, an dem das Hamburger Runftleben gemeffen werden
tann. Wenn man da bedenkt, wie jung das Hamburgifche Runftleben ift,
und das vor fünf Jahren Gebotene mit dem heute Ausgeftellten vergleicht,
dann wird man einen erfreulihen, ungeahnten Fortfehritt onftatieren fonnen,
Dom zu Magdeburg. Sidoft-Anficht.
Derlag von %. Nenmann, Magdeburg.
id der Rünftler, ab-
gefeben von eini-
gen älteren Ma-
lern, die aus alt-
angefehenenham-
burger Patrizier-
familien ftammen,
wie Lutteroth 2c.,
und dadurdh die
hinefifhe Mauer
der gefellfhaft-
lichen Excluſtvi⸗
tät leichter über-
fhreiten konnten,
durhaus feine
bemerfenswerthe
Rolle, eben fo we-
nig wie der
Sähriftfteller, der
fat nod mehr
zurüdtreten muß.
Die Hamburger
Gefellfhaft hängt
3&b an ihren alten
Anfhauungen,
wonad, wie es
aud die Hambur-
get Derfaffung
andeutet, nur der
Jurit und der
Raufmann zur
vornehmen Bejell-
fhaft gehört. Eine
nidt ganz ge-
feftigte Riinftler-
eriften3 bat in
Hamburg einen
ungemein fchwie-
tigen Stand. Da
fagten und fagen
nod heute mance
Hamburger Rünft-
ler: es bungert
fh in Münden
oder Düffeldorf
weit gemiithlider.
Es fdeint ih
aber jetzt in diefer
Richtung infofern
fhon zu beffern,
nit zum Minde-
ften durch die Be-
miihungen des Hamburger Runftvereins, daß die jungen Rünftler beginnen, Räufer
für ihre Bilder zu finden. ft es freilih dem Rünftler erft gelungen, in die vor-
nehmen Kreife einzudringen, dann findet er reihlih Abnehmer und klingenden
Lohn, denn man ift bier nicht gewohnt, zu fargen. Ein Beifpiel erzählt
Rudolf Lehmann in feiner Selbftbiographie, daß er im Laufe von zwei
Jahren mehr als fünfzig Beftellungen auf Portraits erhielt, nahdem erft ein
Senator ih von ihm hatte malen laffen. So gab es vor nod etwa feds
Jahren in Hamburg feine Portraitmalerei, weil diefe ihren Mann mit
268
Deutſche Kunſt.
Peter Viſcher, Grabmal des Erzbiſchofs Ernſt von Sachſen.
Haaſe und Lübeck, Magdeburg.
erndbrte. Ein einziger auswärtiger Rünftler hielt fid einige Jahre des Por-
traitirens balber bier auf, und einige Rünftlerinnen batten ausfömmlide Be-
[häftigung. Was die leteren leifteten, war aber nicht derart, daß man fie als
bedeutende Schöpfungen harakterifiren fönnte. Gest ift fhon eine Reihe von
Portraitmalern vorhanden, die zum Theil recht gute Leiftungen aufweifen.
Die Landfhaftsmalerei, welde allerdings fdhon friiher hier hervorragende
Dertreter hatte, wie Astan Lutteroth, Valentin Ruths und Carl Rodet, hat
in ihren zur Zeit fon recht zahlreihen Dertretern und Vertreterinnen eine
eigenartige Richtung genommen. Beeinfluft von den Worpswedern fuchen
die Hamburger Landfhafter die Stoffe ihrer Bemälde auf dem Boden der
Heimath, in Hamburg felbft, auf feinem Strom, in den weiten Niederungen
des flahlandes mit ihren malerifhen Bauernhöfen und in den prächtigen
Laubwaldern. An diefe Landfhaftenalerei fnüpfte das Seeftüd an und die
Thiermalerei, die tiidtige Vertreter zählt; nur das Hiftorienbild und die
Sigurenmalerei hat in Hamburg nod feinen Boden gefaßt, obwohl dazu die
Hamburgifhe Gefdhidte reiden und dantbaren Stoff bietet. Es find hier die
Lente nod) nidt erftanden, welde folhe Stoffe aus-
drudsvoll genug fdildern lönnen. Wir befinden uns
aber mit der Hamburgifdhen Runt von heute in einer
Aufwärtsbewegung und find nod lange, lange
nidt auf dem Gipfel. :
Wenn man nun von der modernen Hamburgifhen
Runft fpridt, fo denft man zunädhft in weiteren Rreifen
der deutfhen Runftfreunde an die „Hamburger
Jüngſten“, die Mitglieder des „Hamburgifchen Rünft-
lerflub“, welde im vorigen Herbft bei Burlitt in Berlin
aud eine Separatausftellung veranftalteten, die bei
allem Widerfprud Auffehen erregte. leben diefer Gruppe,
deren Malweife etwa 30 Riinftler von den 70 in Ham-
burg wohnenden und ein Theil der auswärts wohnen-
den Riinftler huldigen, giebt es nod eine ganz ftatt-
lih? Reihe hervorragender tüchtiger Rünftler in Ham-
burg, derer weiter unten Erwähnung gefdieht. Bei den
Hamburger Giingften hat es den Anfchein, als ob der
eine oder andere fhon im gefunde Bahnen einlenten
wolle. Gd babe diefe Empfindung 3. B. bei Paul
Raifer, Arthur Siebelift und von Ehren, fowie bei
Thomas Herbft, der wohl als der reiffte der Bruppe
gelten fann. freilih fhwelgen auh diefe noh allzu-
febr theils in Grün, Gelb und Violett, theils in Nebel-
und Schummertönen, aber man bemerkt den fortfdritt
in einzelnen Bildern. Arthur Fllies und Ernft Eitner
[einen nit vom flete fommen zu fönnen. Bei Jllies
‚Rügen, von der Elbe und aus Holftein.
madt es den Eindrud, als ob er einın gewiffen ab-
Nhtlihen Widerftand gegen eine Weiterentwidlung zeige.
Er malt zum Theil unglaublide Farben, fo daß man
bedauerlid) den Ropf fhütteln muß über die Jrrwege
diefes zweifellos begabten Malers, der das Jeug
hatte, Gutes zu liefern. Don Friedrid) Schaper und
Julius Wohlers glaube ich ebenfalls, daß fie aus dem
Ueberfhwang der farbenphantafteret ihrer früheren
Zeit heraus fih auf gutem Wege befinden. Unter
denjenigen Hamburger Rünftlern, weldhe im legten Grunde
auf demfelben Boden fteben, wie diefe Fiingften, aber,
auf anderen Boden verpflanzt, draußen fih felbft-
ftandig glüdlih entwidelt haben, befinden fih Namen
von Rlang, fo Ludwig Dettmann in Charlottenburg,
Erwin Giinther in Diiffelborf und Hans von Bartels
in Münden. Heraus aus dem ärgften farbenihwärmer-
thum find aud Adolph Behrens, der fowohl in Land-
[haft wie in Portraitftudien hübfhe Saden fandte, und
Alfred Mohrbutter, der fi fhon zu einem ganz gefunden
Stil durchgearbeitet 3u haben fcheint. Bei zwei Rünftle-
tinnen, zwei Schweftern, Molly und Helene Cramer, die
längt als Blumenmalerinnen fehr gefhätgt waren,
vollzieht fih der umgekehrte Weg wie bei den „Jüngften‘,
Sie haben fih zu den Modernften gemaufert und fenden
nun neben in modernfter Manier gemalten Blumenftüden
auh Figurenbilder und Landfdhaften. Wie fid die
Wandlung vollzogen bat, ift nicht reht Far, au find
die Schweftern in ihre neue Richtung noch nicht vet bineingearbeitet.
Mag man nun das Streben unferer Jüngften anerfennen und würdigen
unter Berüdfihtigung des Momentes, daß ihr heutiges Schaffen nur als eine
Uebergangsperiode in der Entwidelung diefer Malergruppe angefehen werden
fann, all ibe Farbenglanz des Gmpreffionismus wirft nidt, wo eine reidlide
Hahl von ausgereiften Rünftlern zwifchen fie ihre Bilder gehängt bat.
Die Hamburger Alten — das ift ein hervorftedhender Zug in der Hamburger
Runftentwidelung — paben von den Jungen gelernt und fie verftanden es
trefflid, das Prinzip der Jungen, Klarheit und Luftigfeit des Tones, in ibre
Schaffensweife zu übernehmen. Auch bei den erften unjerer biejigen Land»
fhafter, die einen Namen in der Runftwelt haben, wie Astan Lutteroth,
Dalentin Ruths und Carl Roded, das Dreigeftirn am Hamburger Runft-
himmel, bemerft man diefes. Die Rünftler fandten nur ausgereifte Arbeiten,
an denen allen man feine Freude haben muß. GFhnen reiht fih würdig unter
den Landfhaftern an Karl Rathgen mit lebensfroben, frifhen Bildern aus
And fein Figurenbild „An der
Haale und Fübel, Magdeburg.
Deutfdhe Rung.
Waterkant" ift eine erfreulihe Erfheinung. Leo Leinweber, früher einer der
„güngften“, bat feinen Sit nad London verlegt. Er ift dort als Maler
völlig anglifiert worden und hat feine ‚Farbenfreudigkeit eingebüßt. Mir ge-
fallen folde anglifierten Lente nidt. Wladimir Linde fhwelgt in lebhaften
farben, obne auf die Füngften zu fehwören, feine Bilder find fleißig aus-
geführt und nicht ohne Effeft. Prof. Rallmorgen in Rarlsruhe, ein Hamburger,
hat nichts mit der Hamburger Farbenfreude gemein, aber feine Bilder wirken
duch Mare Naturauffaffung. Die beiden Düfleldorfer, Herrmann Grimm und
Erwin Bünther, find ganz verfhiedene Leute. Grimm liegt zum Theil noh
in den fefleln der alten Malkunft, aber er ift ein Meifter in der Technik,
während Erwin Giinther mit groberen Strihen aber mit lebendigen im-
prefioniftifhen Farben feine Bilder malt.
269
hierörtlih nod garnicht recht entwideln will. Don den in Hamburg wohnenden
Riinftlern find in der Hauptfadhe zu erwähnen: Herrmann Cornils, der eine
tüchtige Technik zeigt, Täfar Scharff, der zumeift in Relieftednif feine Kraft
verfudt, und vor allem der febr tüchtige Portraitift Walter Jehle. Don
auswärts fandten eine ganze Reihe von aus Hamburg gebiirtigen Riinftlern
Arbeiten ein, jedoch haben diefe mit Hamburger Runft nidts gemein. Eine
eigene Hamburger Aunft auf diefem Gebiete, die einen felbftändigen Charakter
triige, eriftirt eben nod nid.
Wenn ih nun nod ein Wort über die Hamburger Privatfamm-
Lungen fage, fo will ih dem nur Ausdrud geben, dah id verwundert war,
wie ftar? dte Arbeiten unferer Hamburger Maler, auh der Giingften, von
Sammlern in den legten Jahren gekauft: worden find. Eine einzelne, die
M. von Schwind, Meeresidpll, Aquarell,
Bejik von frau Marianne Perl, Berlin.
Wenn ih nun von den figuren- und Portraitmalern fprede, fo
muß ih Carl Oderidh's Erwähnung thun, deffen allbefannte Lowenfdhladt
eine Wand füllt. Die Dorgiige, welde der Künftler in diefer Riefentafel
offenbart, find bekannt, fie zeigen fih aud in den ausgeftellten Portraits.
Zu den Malern, bei welhen ih vor allem den Eindrud hatte, daß fie mit
der Seele ihre Portraits malen, niht nur mit den Augen, gehört von den in
in Hamburg wobhnbaften in erfter Linke Martin Rebders, der feine fähigkeit
zur Duchgeiftigung feiner Geftalten auh zu wirfungsvollen figurenbildern
paarartigen Charafters aber in grofen Dimenfionen verwandte. Seinen
Arbeiten reihen fih würdig an die Portraitftudien von Adolph Behrens, der
idh aud) in ftimmungsvollen Benrebildern mit Blüd verfuht bat, dann nenne
ih Elifabeth Büttner und einen mad Düfjeldorf gezogenen außerordentlich
tüchtigen Rünftler, Prof. Ferdinand. Brütt. Don den übrigen Portraitmalern
und Portraitmalerinnen find außer Anton Raulbah nicht mehr viele, bei
deren Bildern man fagen fönnte: Deines Geiftes habe ih einen Hand
verfpürt. s
Shwad wie auf allen modernen Aunftausftellungen ift and bier die
Bildhanerkunft vertreten. Nimmt man die Arbeiten der nicht in Hamburg
wobnenden Rünftler heraus, dann fiebt man, daß diefer Zweig Ser Runft üh
des Herrn Ernft Kaltmann, befigt ein halbes Hundert von den Arbeiten der
Hamburger Giingften.
Sh will zum Schluß nit verbeblen, daß im der Ausftellung reidlid
Mittelwert vorhanden ift. Dies ift nicht zu vermeiden, wenn jedem Rünftler
geftattet ift, bis zu feds Bemälden einzufenden, ohne daß eine Jury aus-
fondert. Das aber wird der vorurtellsfreie Beurtheiler eingeftehen müllen,
daß, nad diefer erften lofal-hamburgifhen Ausftellung zu fhägen, wir auf
eine erfreulihe Entwidelung der Hamburger Runft hoffen fönnen. Die Aus-
ftellung wird viel dazu beitragen, die Spreu von dem Weizen zu fondern.
Rarl Anhalt.
Anmerkung der Redaktion. Wir nehmen aud hier wieder Gelegen-
beit darauf binzuweifen, wie fehr die vom Erfcheinen der erften Nummer der
Deutfhen Runt an wets von Neuem betonten Beftrebungen für die Pflege
lofal begrenzten Runftfhaffens überall an Boden gewinnen. Yur von dem
engen Anfhluß an die genau gefannte und mit Liebe beobachtete Natur der
heimifchen Umgebung ift für den Rünftler die Zntimität zu erwarten, die einen
Hauptreiz des Aunftwerfes ausmadt. Nur die Pflege lokaler Eigenart durd)
das funftliebende Publitum bildet ein ausreihendes Begengewiht gegen den
heimathslofen, von allen Seiten wedfelnd berandrängenden Modegefhmad.
270
Deutfde Runft.
Corot und die moderne Kandfchaft.
Pon Georg Malkowshn.
SR
as Derhältnig des modernen Menfhen zur Yatur, wie
OF es fih in der bildenden Kunft, befonders in der Malerei
78 ausſpricht, iſt eines der intereſſanteſten kunſtgeſchichtlichen
Probleme. Dem Jahrhundert Ses nüdhternen Materialis-
mus, der alles in Medhanismen auflöfenden forfhung blieb es
vorbehalten, aus dem einfahen Candfhafts-UAusfdnitt den poeti-
fhen Stimmungsgebalt auszulöfen und durd Dermittelung der
Luft- und Lichtmalerei wiederzugeben. Was man beute „plein
air nennt, it ein halbes Jahrhundert alt, und felbft das
Stidwort der „neuen KRunftweife erfreut fih Feines jüngeren
Datums. Jules Breton erwähnt in feinem Bude: „la vie
d'un artiste“ einen jett vergeffenen Parifer Maler deutfchen
Urfprunges, Ernft Blüd. „Sein Sinnen richtete fih ftar? auf
gewiffe große Lofalitdten von
Ton, obne Schatten, die er
auf alten Tapeten, in gewiffen
»Bothifen und felbft nody bei
Paul Deronefe bemerkt hatte.
Aud hatte er die Wahrnehmung
gemadt, daß auf der Straße
die GBegenftände in diefer
breiten, einfahen und blonden
Weife belichtet find, desgleihen
wie febr diefe Beleuchtung das
„Spiel der Werthe begünftigt,
die dur Feinerlei läftige Zu-
fälligfeiten zerftört werden, und
auh wie viel Stil und Reiz
diefe Einheit dem Charakter der
Röpfe verleiht. Und das nannte
Blüd als der Erfte „plein air!“
Paul Deronefe und die
modernen freilidt-Maler, zwi-
fhen ihnen öffnet fid) eine
weite Rluft, deren Ueber-
brüdung duch die franzöfifche
Landfchaftsmalerei gebildet wird,
wie fie fid im Anfange und
in der Mitte unferes Jahr-
hunderts entwidelt hat. Das
vornehmfte Darftellungsobjeft
der Malerei des FBlaflifhen
‘Alterthums und der Ree
naiffance war der Menfh, dem feine natürlihe Umgebung als
folie diente. Das Streben der älteren Runft nad dem Broßen
und Bedeutenden beeinflußte naturgemäß aud) den geringen Aus-
feénitt aus der freien Natur, der, dekorativ behandelt und ftilifirt,
als Hintergrund unerläßlid war. Die Verfelbftändigung der
Landfhaft in ihrer lokalen Eigenthümlichkeit gebt von den Nieder-
ländern aus, ohne zunädft bei den fünftlerifch ftrebenden öft-
lihen und weftliben Yadhbarn befonderen Anklang und Nad-
abmung 3u finden.
Eine gefhloffene Entwidelung nimmt die Candfhaftsmalerei
bei den Franzofen, in nicht geringem Grade urh die Dichtung
beeinflußt. War die Naturfchilderung der Rococopoeten ver-
[hnörkelte Dekoration für das anmuthige Marionettenfpiel der
Götter und Yiymphen, fo predigte J. J. Rouffeau die Rüd-
fehr zum ftillen, in den einfachften ‚Formen lebendigen Zauber
der nächftliegenden Umgebung. St. Pierre übertrug die üh in's
Sentimentale verflüchtende Stimmung auf den üppigen Zauber
der Tropen, und Chateaubriand erfhloß feinen Candsleuten die
fonnig durhglühte Farbenpradht- des Morgenlandes.
Langfamer, unmerflicder in den Uebergängen, bier und da
vermittelnd und auf das Alte zurüdgreifend, vollzog fic) dic Um-
wandlung der künftlerifchen Darftellung der fogenannten todten
Natur. Noh lange Zeit nah der franzöfifhen Revolution
Stauffer-Bern.
Schlummerndes Kind, Aquarell auf Holz.
Bei von frau Marianne Perl, Berlin.
erfhien die „biftorifhe Landfhaft als die einzig berechtigte
malerifhe Auffaffung. Poufjin und Claude Lorrain hatten die
ihnen befannte Natur gewiffermafen iiberhdbt, fie mit fünftlihen
Mitteln in das Bebiet der verflärten Wirklichkeit erhoben, um fie
ihrer Bötter und Heroen würdig zu madhen. Aus Lofalftudien
mübfam fomponirt, baute fih eine Candfhaft auf, wie fie fein
menfdlides Auge je gefeben. Boden und Bäume, Licht und
Luft muften fic eine monumentale Wiedergabe gefallen laffen,
deren plaftifche formen fih in einem gleihmäßigen, nebenfädhlid
behandelten Farbenton verloren. Bouder, Lancret und Watteau
vermenfclicdten die Götter, faune und Mymphen zu arkadifchen
Prinzen, Schäfern und Schäferinnen. Dierlich verfdnittene
Bäume und Heden rahmten den forgfam gefhorenen Rafen ein,
und an Stelle der überhöhten
Natur trat die verfdndrfelte
Unnatur.
Die franzöfifhe Revolution
fonnte bier nur einen unmerf-
liden Wandel fcaffen, fie gra-
vitirte nad dem alten Rom und
fuchte ihren fünftlerifhen An-
fhluB in dem landfdhaftliden
Charakter GFtaliens. Die Rui-
nenmalerei Hubert Roberts
fand ihren äftbetifhen Herold
in Henri Dalenciennes, der den
Rünftlern allen Ernftes empfehlen
fonnte, Studien nad Homer,
Virgil, Theofrit und Congus zu
madhen. Jean Victor Bertin
und Adille Micdallon arbeiteten
nad) dem theoretifch feitgeitellten
Schema: Jm Vordergrunde ein
Thal, womdglid von einem
Flüßchen durchſchlängelt, rechts
und links couliſſenartig binein-
ragende Hügel und im Hinter—
grunde ein linienfhöner Höhen-
zug, Alles in Allem noh immer
eine woblgegliederte Theaterdefo-
ration, Õie zur Noth über den
Mangel der Wirflihteit fort-
täufchte.
Der erte Schritt zum Befferen ging feltfamer Weife von
den Engländern Bonnington und John Tonftable aus. Bon-
nington erfchloß im Begenfaß zu feinen Plaffizirenden Vorgängern
die Reize des romantifhen Mittelalters und gelangte auf dem
Umwege über venetianifhe Architekturen zu der malerifchen
Wiedergabe der fraufen und winkeligen Straßen flandrifcher
Städte. John Lonftable wagte es zuerft, einen Ausfohnitt der
fhlihten Natur, wie fie fih Sem Auge eines Jeden darbietet,
ohne ftilifirenden Zufat wiederzugeben. Das an fic uninter-
effante Detail belebt fi, von der Luft umfchleiert, vom Lichte
umwoben, und. tritt fo in eine eigenartige poetifhe Verklärung.
Nod immer aber ftand die Landfchaftsmalerei unter dem
Seiden der „Ihönen Gegend“. Luft und Licht dienten als
perfpeftivifche Medien, die der Linienfhönheit des Umeiffes, der
Schattenwirkung und allenfalls den Lotaltönen zu ihrem unum-
gängliden Redt verhalfen.
Da ermöglichte Ser wieder bhergeftellte Weltfriede und das
fleinbiirgerlide Regiment der Orleans jenes iöyllifhe Stillleben,
das eine intime Hingabe an die Reize der nädjftliegenden Natur
bedingt. Den Parifer Malern, vorwiegend Söhnen von Hand-
werfern und Kaufleuten, gingen plößlih Augen und Sinne auf
für das landfhaftlid Schöne, das ihnen die Umgebung der
Hauptftadt bot. Auf der Jnfel bei Croifiy, bei Bougival fanden
Deutfhe Runft.
271
fie die entzüdendften Motive. Was bier der Natur an großen
Linien und üppiger formenentfaltung abging, das erfebte fie
durch einen fic in zarten Umriffen ausfpredenden ftillen ‚Frieden,
den ein mildes Licht Surdsitterte und verklärte. Die ftumme
Natur gewann für den, er fidh liebevoll in ihr Wefen vertiefte,
im Wehen der Lüfte, in der wechfelnden Beleuchtung ein eigen-
artig vertrautes Leben. Der lange auf Umwegen gefudhte un-
mittelbare Anfhluß an die Natur war mit dem Augenblid
gefunden, wo man ihn in der nädhften, in ihren bejheidenen
Reizen leiht erfannten Umgebung fudte.
Und fo zogen fie denn hinaus, die Jünger der neuen Runft,
in den Wald von Fontainebleau, ohne den Ballaft der flafjifcen
und romantifhen Tradition, und belaufhten die Natur im
feufhen Reiz ihrer luft- und lihtumfloffenen Formen. Charles
de Laberge malt mit liebevollem Fleiß jedes Steinhen am Wege,
jedes Blätthen am Zweige, wie das Licht über feine Fläche
binftreift, und führt am Holzdady eines Haufes jede Schindel in
ihrem eigenen Lofalton aus,
Paul Huet erfaßt den Charakter
der Landfihaft, wie er fic) vers
fhiedenartig inden verfdiedenen
Jahreszeiten ausfpricht, und läßt
jedes feiner Bilder vom Hauch
feiner eigenen Schwermuth durd-
wehen. Camille flers ftellt die
Natur im feftliden Sonntags-
fleide Sar, fauber und sierlid, wie
eine Landfdhdne, die fid zum
Rirhgange gepubt bat. Louis
Cabat und Dupré geben die
plaftifhen formen des Bodens,
wie fie fic) binter- und ibereinan-
der verfcteben, in ibrer feucten,
feimfördernden Fülle wieder,
und Théodore Rouffeau faßt
alle diefe Beftrebungen zufam-
men in der Darftellung jener leben-
digen Wechſelwirkung zwiſchen
Luft und Erde, die fih in reiz-
vollen Licht- und Farbeneffetten
ausfpriht und als Stimmung
in das Empfinden des Be-
fhauers übergeht.
Ueber die Meifter der pay-
sage intime, wie man die oben-
genannten Maler bezeichnet, gebt
Camille Corot wefentlid hinaus.
€r ift der Poet unter den Künftlern. Er begnügt fic) nicht
damit, der Natur nahzufhaffen, er nimmt fie empfindend in
fidh auf, formt fie 3u einem neuen, eigenartigen Bebilde um
und fest fo an die Stelle der einfachen Wirklichkeit eine fiinft-
lerifd) verflarte Wabrfheinlidfeit. Camille Corot hat die ganze
Entwidelung der franzöfifchen Candfchafts-Malerei an feiner eigenen
Perfon erfahren. Gn den Ateliers von Midallon und Bertin
lernte er die Detail-Malerei und die fomponirte Candfhaft ver-
achten, auf einer Studienreife duch Gtalien ging thm der
Sinn für die Unterordnung der Lofaltöne unter die großen
Lichtmaffen auf, und im Walde von Fontainebleau erfehloß fih
ihm ôer intime Reiz er nordifhen Natur, der fih im ftillen
Wecdfelvertebr mit der Atmofphäre ausfpridt. Seine Land-
fhaften find ideale Geftaltungen auf realiftifher Grundlage.
Daß Bäume eriftiren, wie fie Corot malt, ift über jeden Zweifel
erhaben, über den Namen, über das Wo und Wie läßt fidh
ftreiten. Seine Halme und Sträuher wogen zu einer Ton-
maffe 3ufammen, in Ser die Umriffe verfhwimmen, aber ein
Windhaud bewegt fie, und fie leben. Seine Blätter raufchen
und durd all feine LCandfhaften geht ein märdenhaftes Singen
und Rlingen, das fic Surh Dermittelung des Auges beinahe
dem ©br vernehmlih madt. Ueber dem Ganzen aber breitet
fih ein eigenartiger, von Lidtftrablen Öurchzitterter, filbergrauer
Stauffer Bern,
Schlummerndes Kind, Aquarell auf Holz.
Bei con frau M. Perl, Berlin,
Schleier aus, hinter dem die verfhwimmenden Beftalten tanzender
Yıympben und Elfen ein unförperlides und gerade darum wahr-
fheinlihes Dafein führen. Was fih in ihnen zauberhaft ge-
ftaltet, ift eben wieder die fubjeftive Stimmung, die h in
ihrer Unfaßbarkeit fpymbolifh ausfpridt. Corot bat feine Auf-
faffung der Natur felbft charafterifirt: „Um richtig in meine
Landfchaften einzudringen, muß man wenigftens fo lange Geduld
haben, bis der Nebel fih hebt. Man fommt nur nad und
nadh hinein, aber wenn man darin it, wird man fon feine
Freude haben. Man wirft meinen Bemälden das Vage, Un-
beftimmte vor. Warum? Die Natur fhwebt und fhwimmt. Wir
fhwimmen und fhweben! Das Vage ift eben die Cigenthiimlicfeit
des Lebens!“ :
Diefes „Unbeftimmte** madt das charafteriftifthe Merfseiden
der Malweife Corot’s aus, auf diefes Unbeftimmte geht feiner
Natur-Anfhauung entfpredend auc feine Tehni. Wer ein
Bild, wie den NAymphentanz. im Lurembourg verfteben will,
muß fi zunädft mit den Ab-
fihten des Rünftlers befreunden.
Baumfdlag, Bodengeftaltung
und Staffage find ibm gleidh-
werthige Objefte, die, Surh Luft-
und Lichtwellen in geloderten
Umtiffen durhfhimmernd, als
Träger einer Stimmung erfchei-
nen. Corot’s „flüchtige* Technif
ift nicht das Refultat mangel-
haften Rönnens, fondern ein be-
wußtes Darftellungsmittel. Das
Laub der Baume fdiebt fidh
ibm 3u einer fein abgeftimmten
Farbenmaffe zufammen, aus
der bin und wieder ein vollerer
Grundton bhervorbridt. Seine
Stämme wurzeln nit in dem
nährfräftigen Erdreich, fie
[hießen mühelos aus ihm em-
por. Es erfcheint nicht fhwer
und laftend, fondern gelodert,
3u immer neuem Treiben bereit.
Der ferne Hintergrund aber
verliert fih völlig in Luft und
Liht, löt fih in Duft auf
und vermittelt fo die Iyrifche
Empfindung. Die Entwidelung
Corot's, inſoweit es ſich um die
Staffage handelt, weit aller-
dings auf Hafjizirende Vorbilder zurüd, nimmt aber ebenfalls
eine Surdaus eigenartige, an Arnold Bödlin erinnernde
Rihtung. Seine Waldgötter und -Böttinnen baben mit der
grichifh-römifhen Mpthe nichts zu thun. Sie fteigen fhattenhaft
aus dem Boden auf, fdweben leihtfüßig dahin und verlieren
fih als luftige Phantafie-Bebilde in den Büfhen. Die aus dem
Gefammtbilde hervorquellende Empfindung klingt in ihren, von
den Bedingungen eines feften Organismus freien Gejtalten
barmonifh aus. Sie tanzen einen Nymphenreigen, zu dem
ihre landfhaftlihe Umgebung gewiffermaßen die mufitalifhe Be-
gleitung liefert.
Corot’s fünftlerifche Eigenart hat fih fpät und nad langen
Kämpfen Bahn gebrodhen. Erft als fünfziger erhielt er eine
Medaille erfter Rlaffe und im Jahre 1874 unterlag er im der
Konkurrenz mit Gérôme um die Ehren - Medaille des Salons.
Als man ihm dann als Erfat für diefe Niederlage eine eigene
goldene Medaille mit feinem Bildnif ftiftete, fanden ihn feine
‚Freunde bereits auf dem Rranfenbette. Raum zwei Monate
fpäter ftarb er in feinem neunundfiebzigften Lebensjahre. Am
Ceiche von Ville $'Avray wurde ihm ein Denfmal errichtet.
Es it harafteriftife für die moderne Landfhafts- Malerei,
daß fie in ihren entfernteren Wurzel - Derzweigungen auf die
poetifhe Stimmungs-Malerei der Schule von Fontainebleau 3u-
272
Deutfhe Runft
riidgebt, in der felbft der ertremfte Jmpreffionismus fein Dorbild
findet. Die fo vielfah mifbraudten Stidworte Jdealismus und
Naturalismus verlieren im Gebiete der Aunft ihre prinzipielle
Bedeutung, fie laffen fih nur nod auf die Anfänge der Natur-
Auffaffung anwenden, von denen der Maler ausgeht. Aud)
Corot bat mit der Anfhauung, mit der Detail-Beobadtung be-
gonnen, aber er ift zum felbftthätigen Umfchaffen des Geſchehenen
und Beobadteten durdgedrungen. Er fomponirt nicht mofait-
artig das Einzeljhöne, er läßt es barmonifh unter dem Ein-
flug von Luft und Licht sufammenflieBen. Die Stimmung aber,
die das Banze durchweht, ift diefem nicht aufgezwungen, fondern
quillt natürlihd und überzeugend aus ihm heraus.
Man ging über Corot's Schaffen in Franfreidh gar fhnell
zur Tagesordnung über, und fthon Courbet war fih feines Un-
redhts bewupt, als er bei Erwähnung des Namens Corot äußerte:
„Ah ja! Der alte Maler mit den weißen Haaren, der feit
dreißig Jahren diefelben Mufen in derfelben idealen Landſchaft
tanzen läßt! Das ift ja der Hanswurft des Parnafjes!" Heute
denft man ganz anders über den Dichter unter den Malern von
‚Fontainebleau, man bat eben unterfheiden gelernt zwifchen
mangelhaften Können und abjihtlihem Zurüddrängen des Yleben-
fadliden. Wer die moderne Lufte und Lichtmalerei verfteben
will, darf an Corot nidt voriibergehen. Corot ift der Mafftab
für ihr ehrlihes Wollen, dem leider nicht immer die gleiche
poetifhe Geftaltungstraft zur Verfügung fteht, um das Befehene
mit eigenartigem Empfinden lebendig zu erfüllen.
wos Kunftliteratur Opa
G. Hirth. Der Stil in den bildenden Rünften und Bewerben
aller Zeiten. E. Hirth's Runftverlag, Münden und Leipzig.
Die Vorbereitungen zu dem ungeheueren Werke, das fhon vor längerer
Heit angefündigt wurde, feheinen nunmehr abgefhloffen und die Lieferungen
erfheinen in rafcher Folge. Einen ungefähren Begriff von dem Anhalt und
dem univerfellen Charakter diefes Punfthiftorifden Bilderatlaffes befommen
wir durch die im Umfchlag jedes Heftes abgedrudte Ueberfchrift über die in
Ausfiht genommenen großen Serien. Diefelben umfaffen alle Stoffgebiete,
auf welde Kunt und Gewerbe aller Zeiten und Dölfer einen Niederfchlag
übten und berühren Alles, was durd die Hand des Bildners in weiteftem
Sinne zum Denkmal einer in fih abgefchloffenen und fünftlerifh entwidelten
Rulturperiode wurde. Wir heben von den Haupt-Abtheilungen hervor: Der
fhöne Menfh in der Runft aller Zeiten. Thiere, Mythen und fFabelwelt. Die
Pflanze; allgemeine Ornamente. Aengfere Baukunſt. Innere Dekoration.
Wand- und Dedenmalerei. Stiderei und Weberei. Möbel, Gefäße,
Sdhmiedearbeit, Heraldif, Sdhmud 2c. Allegorien, Benre, Schrift, Bücher-
ornamente und die Landfhaft. Bei der Auswahl des Stoffes verfolgt
der Herausgeber neben allgemein äfthetifhen au praktifhe Zwede und bat
beifpielsweife die direfte Derwendung diesbezügliher Mufter für das moderne
Runftgewerbe im Auge; ähnlih wie in dem befannten Werke „Der formen-
fhag", follen auh hier, und zwar in einheitliher Ordnung und Reihenfolge,
die geeigneten Vorbilder zu neuem Schaffen Anregung geben.
Es erſcheint uns durhaus beredtigt und gegenüber der pietiftifchen ‚Fleifch-
abtödtung unferer Tage geradezu verdienftvoll auf die Derherrlihung des
nadten Menfchenleibes in der bildenden Runft ein befonderes Bewidht zu legen
und die Sammlung mit dem Rapitel „Der fhöne Menjh* zu eröffnen. Die
vorliegenden Lieferungen zeigen in ihren vorzüglihen Abbildungen, wte die
Runft des Alterthums ie Nachbildung des unbekleideten Menfhen zu ihrem
Ausgangs- und Anhaltspunkte nimmt und sie vollendete KAörperfhönheit
zum Gegenftande des religiöfen Rultus, zum göttlihen Attribute und Symbol
göttliher Eigenfhaften maht. Das Schönheitsideal ift indeflen mannigfahen
Schwankungen unterworfen, in welden fih, wie uns die angefangene
Publifation zeigen foll, der Beihmadstypus und die befonderen Sympathien
jeder Zeit wiederfpiegeln. Die vorgeführte ägpptifhe Aunft mit ihrem hoh-
entwidelten formenfinn, der indefjen nod mit der Arditeftur zufammen-
hangend die Symmetrie betont und teine Freiheit der Bewegung geftattet,
leitet zur belleniftifhen Periode über. Aus der Maflifhen und vorklafjifhen
Periode find überzeugende Beifpiele für die Entwidelung des monumentalen
Stiles und die unerreihte Größe antifer Formengebung gewählt. Don be-
fonderem Gntereffe für den forfher dürften die zum Dergleihe zufammen-
geftellten Abbildungen derfelben Körperteile, wie Ropf, Rumpf oder eines
ganzen Torfos im der verfhiedenen Auffaffung und Behandlung fein. Auf
die variirenden Darftellungen des weibliden und männliden Antlikes, ferner
der Bewegungen und Mlienen, fowie der „befeelten Stellungen‘, gedenft der
Derfaffer im Derlaufe der Publikation fein’Hauptaugenmerf zu richten. — Das
fhöne Werk ift Riinftlern und Runftfreunden eindringlihft zu empfehlen.
CLHA oc; unbekannte Bekannte. (ES
In der Shad’fhen Galerie zu Münden, in Ser fic) uns
markante Perfonlicfeiten wie Benelli, Feuerbah und Bödlin als
Typen verjchiedener Richtungen neuer Runt in ihrer ganzen
Eigenart offenbaren, fommt auh, um ein umfaffendes Bild vom
Entwidlungsgange der Runft im 19. Jahrhundert zu geben, die
eigentlihe romantifhe Schule in ihrem liebenswürdigften Dertreter
zu ihrem vollen Rehte. Morik von Schwind erquidt uns
mit fonnig beiterer Waldfrifche und dem Zauber deutfcher Sinnigfeit
und Anmuth. Wirkt der Künftler an diefer Sammelftätte deutfchen
Runftfhaffens auh niht in feinen Hauptwerfen, die wir auf
der Wartburg, im Mufeum zu Weimar und im Wiener Opern-
baufe zu fuchen haben, fo fpricht hier defür des Rünftlers ganzes
Wefen nod immer zum Herzen der Nation in einer Reihe
treffliher Bilder und zeigt uns den weiten Kreis von
Empfindungen, Bedanten und Beftalten, in dem fih Schwind's
Phantafie, doc immer einer Hauptridtung bebarrlid) folgend,
bewegte. Es find Stoffe darunter, die dem Meifter ans Herz gewachfen
waren; zum Theil greifen fie auf frühere Rompofitionen zurüd,
zum Theil haben fie den Künftler verlodt, fie lediglich für fi) zu
wiederholen. So liegt aud das Aquarell, deffen Nachbildung
die vorliegende Nummer [hmüdt, einem Delgemälde der Shad’fhen
Galerie „Tritonen und Yereiden* zu Grunde, Unfere Abbildung
gtebt mit Kleinen Abweihungen in den Bewegungen der figuren
das Motiv der Mittelgruppe wieder; das Aquarell entzüdt ebenjo
wie das um vier figuren vermehrte, breiter fomponirte Oel-
gemälde durch foftbaren Humor, Grazie und Ylaivetät und ift
trog feines mythologifhen Urfprungs durhaus romantifch gewendet.
Daß es nur in Wafferfarben gemalt ift, gereiht dem Bildchen
eher zum Vorzuge, weil die Aquarelltehnit ebenfo wie fresto
den Stoffen Sdhwind's wie denen aller Romantifer und
Klafficiften nun einmal .von Haus aus mehr zufagte als die
Oelmalerei. Die ftiliftifhe Gefinnung der romantifhen Schule
hieB aud) Schwind in der Erfaffung feiner Stoffe der form den
Dorzug vor der ‚farbe geben, die ihm nur Mittel war zur Er-
böhung zeichnerifcher, linealer Schönheit, Feineswegs fünftlerifcher
Selbftzwed; dem Charakter des Märhens und der Sage wider-
fpridht jeder Poloriftifhe Realismus; er verträgt feine Wabr-
ſcheinlichkeit.
Die beiden entzückenden Kinderköpfe, die hier ebenſo wie das
Schwind'ſche Aquarell zum erſten Male veröffentlicht ſind, hat
der geniale, unglückliche Stauffer-Bern in Sepia auf Holz-
teller gematt. Der mit Liebe und bei aller Schlichtheit der
Mittel fo reizvoll und lebendig wiedergegebene fdlummernde,
pausbädige Anabe, deffen Athemzüge man zu bören vermeint,
wird in feiner anfprudslofen form zum Ausdrud jenes Seelen-
friedens, der mit der Kindheit [hwindet, und fann für den, dem
Stauffer’s jelbquälerifhes, ewig ungenügfames, unftätes Wefen
und die Tragif feines Shidfals befannt geworden ift, tiefere
Bedeutung gewinnen als Aeußerung ungeftillten Sebnens.
Beide Runftwerfe befinden fic im Befit von frau’ Marianne
Perl, Berlin, die uns in liebenswürdigfter Weife Sie Re-
produftion geftattete.
Deutfhe Runft.
Eine Gefahr für den Heichenunterricht an den
Gymnafien.
Durd die Lehrpläne von 1892 find die Unterridtsziele fiir alle höheren
Schulen Preußens genau beftimmt worden. Die Anforderungen in den
Gymnafien tleinerer Stadte find mit Recht diefelben als in denen mit größerer
Schülerfrequenz. Auch die Lehrkräfte find an erfteren Anftalten durdaus
nicht minderwerthiger als an Schulen größerer Städte. Mur im Feidhenfad
fheint eine Ausnahme gemadt zu werden. — Bedenken wir, daß aus den
Gymnafien die Männer hervorgehen, welche fpäter an leitender Stelle Einfluß haben
auf die Befammtentwidelung nit nur der Wiffenfhaft, fondern aud der Runft
unferes deutfchen Dolfes, daß unfere ARünftler vielfah ihre Schulbildung auf
den Bymnafien genießen, fo ift diefe Erjcheinung im Gnterefje der allgemeinen
Runftpflege gewiß zu bedauern. — Der Bewohner der Rleinftadt fann ver-
langen, daß fein Sohn einen ebenfolh guten Feidenunterriht genießt, als
der Bymnaflaft größerer Städte. Dies ift zur Zeit unmöglid, da die meiften
Gymnafien unferer Provinzialftädte nicht geprüfte Heichenlehrer befigen. Die
Lehrer, welke die Aufgabe haben, an unfren Gymnafien duch einen
rationellen Zeihenunterriht den Sinn für Aunft, den Sinn für das Schöne
und Erhabene in den Herzen der Rinder zu weden und zu fördern, es find
das in der Negel Herren, denen jegliche fünftlerifhe Ausbildung fehlt. Es
find Elementarlehrer, welhe das Dolksjhullehrer-Seminar befuht haben und
bier einen Zeihenunterricht genoffen, der, von feinem fahmanne ertheilt, nicht
einmal für das Zeihnen in der Dolfefchule genügt, gefhweige denn für eine
höhere Schule. Daß bei folhen Zuftänden die Erfolge des Feicenunterridts
an den Gymnafien febr geringe fein miiffen, ift leicht erflarlid. Ueberall,
wo an Bymnaflen geprüfte Zeichenlehrer wirken, da zeigt fih ein reges
Schaffen zum Segen der Schule und der Runftpflege. Diefer erfreuliche Auf-
fhwung darf niht nur ein Privilegium der Bymnaflen größerer Städte fein,
fondern muß allen höheren Schulen zu gute fommen. —
Mit einem Schlage würde das anders, wenn alle geprüften Zeichenlehrer
im Gehalt gleihmäßig behandelt würden!
Das Beer macht einen Uinterfchied, ob die Zeihenlehrer 10 Jeihen-
ftunden oder mehr in der Woche zu ertheilen haben. Die erfteren erhalten
1500—3000 M., ðie anderen 1800—3600 M. jährlid. Rein Wunder, wenn
fih der geprüfte Zeihenlehrer von den Anftalten fern halt, die ihm ein ge-
tingeres Behalt zufihern. Da nun aber an allen Gymnafien, die feine
Parallelflajjfen haben (und das find die meiften in Preußen), wöhentlih nur
10 Heihenftunden zu ertheilen find, fo wird das Bymnaflum der Kleinftadt
felten oder nie einen geprüften Zeichenlehrer erhalten. Somit werden
alfo diefe Anftalten in Rüdfiht auf die fünftlerifhe Erziehung der Jugend
hinter ihren Schweftern in größeren Städten bedeutend zurüdbleiben. Das
3u verhindern, muß Aufgabe der Behörde und aller derer fein, die dazu bei-
tragen Pönnen, die Hinderniffe zu befeitigen, welde einer gedeibliden Ent-
widelung unferer höheren Schulen im Wege ftehen. — Entweder muß die
Id Stunden-Rlaufel gänzlih fallen, oder es muß dafür geforgt werden, daß
alle Gymnafien mindeftens 12 Zeihenftunden wöhentlih erhalten. Lekteres
wäre fehr gut zu erreichen, wenn die Schülerzahl im fatultativen Zeichen-
unterricht getheilt würde, jfodaß Secunda und Prima je zwei Feihenftunden
wöchentlich erhielten. Das wäre gleichzeitig ein großer Bewinn für die Erfolge
im fatultativen Feihenunterriht an unferen Gymnafien. R. Teste.
Neudeutſche Innendekoration.
Der in ſtetem Wachſen begriffenen Ueberſchwemmung des kunſtgewerblichen
Marktes mit ausländiſchen Erzeugniſſen gegenüber ſchließt man bei uns nod
immer die durch die Mode von geſtern geblendeten Augen. Bing, v. d. Velde
und wie die Herren ſonſt immer heißen mögen, erſcheinen als die ſelbſtloſen
Retter aus der Stilverknöcherung und bringen mit Unterſtützung der ſich
international gebärdenden Preſſe in Deutſchland die Waare unter, für die ſie
in der eigenen Heimath bei rapid wechſelnder Mode keinen rechten Abſatz mehr
finden. Statt vom Ausland zu lernen, kaufen wir ſeine Lagerbeſtände und
begnügen uns mit dem entſagungsvollen Stoßſeufzer: „Ja, das können wir
eben nicht!“
Die Stilbildung hat man endgiltig aufgegeben und durch die Zwangs—
erziehung zum fremdländiſchen Geſchmack erſetzt. Dabei iſt in Vergeſſenheit
gerathen; daß die heimiſche Induſtrie nur dann leiſtungsfähig zu erhalten iſt,
wenn ſie durch das Publikum die nöthige Unterſtützung findet. Statt der
dSeulfchen Fnnendeforation immer von neuem vorzubalten, wie febr fie binter
der franzöfifch-belgifhen und englifhen zurüdfteht, follte man fie durch Hervor=
hebung muftergiltiger Leiftungen, die fie in erfledliher Anzahl aufzuweifen
þat, ermuthigen.
Wir bringen umftehend einige im beften Sinne moderne Zimmereinridtungen,
die aus dem Atelier Carl Müller, Hofdelorateur, Berlin, hervor-
gegangen, in formen- und farbenzufammenklang durhaus eigenartig wirken,
ohne importirte Marktwsare nahzuahmen, die man uns als ftilbildend auf-
zufhwaren fudt.
Das mit Spiegel und Rleiderftinder, wie mit einigen orientalifden
Deforationsgegenftinden einfah vornehm ausgeftattete Dorzimmer zeichnet
fih durch feine lichte Farbenftimmung aus. Das weiß ladirte Holz der
Möbel, die fraifefarbenen, mit einem breiten, altbunten Fries unterhalb der
lihten Dede abfhließenden Wände, der mit hellem Linoleum belegte Fußboden
maden einen überaus beimlihen, jeden Prunt ausfhliegenden Eindrud.
Auh in dem geräumigen, die leidige Möbelüberfüllung glüdlih ver-
meidenden Salon bherrfht ein durchaus individueller, von Stil und Mode
gleih weit entfernter Befhmad. Die heliotropfarbenen Wände fteigen von
dem rothen Fußboden zu der weißen Dede auf. Die reich geftidten Lam-
brequins der Fenfter dienen einfach fallenden Bardinen als Ueberfhlag. Den
größeren Theil der Seitenwand nimmt ein buffetartiger Schrant aus Maha-
gonibols ein, deffen Pilafter mit getriebenen Silberreliefs und altgold ab-
getönten Einlagen gefhmüdt find, während die Profilitungen durd altgoldene
Metallftreifen hervorgehoben werden. Den Auffat bildet ein für diefen Jwet
befonders fomponirtes Landfhaftsbild von J. von Schennis, das dur
zwei Spiegelflähen flanfirt wird. Befonders bemerfenswerth ift ein Stubl
mit grazids gefhwungener Rüdlehne, deffen Formen, dem Robrgefledt nach—
geahmt, fih gefdidt dem andersartigen Material anbequemen.
Das Speifezimmer ift mit Eichenholzmöbeln ausgeftattet, die auf
grünem Grunde polyhrome, mit leichter Dergoldung ausgeftattete Ornamente
aufweifen. Originell wirfen vor Allem die Buffetfchränfe, über denen fih
ein romanifher Bogen auf gewundenen Säulen jpannt.
Gn allen diefen Einrihtungen zeigt fi ein überaus feines Stilgefübl,
das jede Nahahmung im Einzelnen vermeidet und heterogene formen durd
anmuthigen Linienflug und harmonische farbenftimmung zufammenzufcließen
weiß. 6. m.
Berlin. — Die Reihshauptftadt ftebt, foweit Fünftlerifhe Fntereffen in
‚stage tommen, unter dem Zeichen der Eröffnung der Jabresausftellung
am Lehrter Bahnhof. Wir möchten mit unter dem Eindrud einer
flüchtigen Dorbefidtigung bertdhten und begnügen uns daher mit einigen
wenigen Notizen. Da ift zunähft das von Rarl Rlimfd entworfene
Platat zu erwähnen. Man hatte als Hauptmotiv das Selbftportrait Dürer's
274
j
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F]
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*
Vorzimmer, Carl Müller, Hofdekorateur, Berlin.
in der Münchener Pinakothek gewählt.
Betracht zieht, hat Klimſch das Seinige gethan. Das Plakat erfüllt ſeinen
Zweck, ohne übermäßige künſtletiſche Anſprüche zu machen. Hoffentlich iſt
das viele Gold, das auf hintergrund, Lorbeerkranz und Locken verwendet
iſt, von guter Vorbedeutung. Beſondere Ueberraſchungen waren kaum zu
erwarten. Daß ſich unter den 1500 zurückgewieſenen Arbeiten ein Bild von
Walter Leiſtikow und das Modell eines vor Kurzem in einer Provinzial⸗
hauptſtadt enthüllten Denkmals befinden, wird den übrigen Refuſe's ein Croft
ſein, ohne die beiden zunächſt Betroffenen übermäßig aufzuregen. Einen Clou
der Ausftellung bilden die 28 Werke des Briiffeler Akademiedirektors van
der Stappen. Don den anderen Gonderausftellangen find hervorzuheben die
des Rarlsruher Landfhafters Hans v. Dolfmann, des zu früh verftorbenen
Bildhauers Nifolaus Geiger, des Bildhauers Mar Arnfe, von dem nener-
dings dle Stadt Berlin einen Abguß des Läufers von Marathon erworben
bat. Die funftgewerbliden Arbeiten find niht groß an Zahl, aber nur
erlefene, von Rünftlern gefhaffene Stüde umfaffend. So ftellt der Radirer
Hermann Hirzel eine Auswahl der von ihm entworfenen Bold- und
Silberfahen aus. Don Chriftianfen, einem deutfhen Rünftler, der in Paris
lebt, find Blasgemälde zu erwarten. Aus Münden gedentt die Vereinigung
„Runft und Handwerk" unfere Ausftellung zu befihiden,; der Tifchlerftreit
verzögerte jedoch die Herftellung der Arbeiten, fo daß fie bei Eröffnung der
Ausftellung nod nist zur Stelle waren.
Wenn fomit in der Ausftellung fo ziemlihd Alles beim Alten bleibt,
feinen fih in der Atademie der Rünfte Reformen vorzubereiten, die fih
zuerft in der Einfekung von Fadhfommiffionen und ftändigen Ausſchüſſen
ankündigen. Nah dem vom Mlinifter erlaffenen Ausführungsbeftimmungen
haben fie die Aufgabe, die ihnen zur Erörterung übertragenen Angelegen-
beiten auf das Bründlichfte zu prüfen und für dte Befhlußfaffung im Plenum
des Senats vorzubereiten. Zur Berathung allgemeiner Dinge bejtimmt find
die Fahlommiffionen für allgemeine und Derwaltungsangelegenbeiten, für
das Ausftellungswejen und für die Verleihung von Auszeichnungen; die
drei anderen ftändigen Ausfhüfle werden mehr internen Angelegenheiten,
den Wahlen, den Unterfiügungen und der Bibliothef fic) widmen. Bei der Ju-
Jammenfegung dtefer Rommiffionen find die Mitglieder beider Senatsabtheilungen
(bildende Rünfte und Mufif) berüdjihtigt. Die Derwaltungsbeamten der Akademie,
Präfident und ftändiger Seftetär, gehören eo ipso allen Rommiffionen an.
Da diefen Rommiffionen eine Art von nitiative eingeräumt ift, läßt fid
von ihnen mande fruchtbare Anregung und energifhe Arbeit erwarten.
Wenn man diefe Dorbedingung in
Deutfhe Runft.
für das neue Leben, das fih im
Deutfhen Aunftverein zu regen be-
ginnt, find die Ankäufe des neuen
Dorfigenden Herrn v. Tfdhudi ha-
rakteriftifh. Die Wahl bat folgende
Werke getroffen: die Gemälde Weib-
liber Ropf von W. Leibl, „Hof
einer Brauerei" von franz Star-
bina, „Somme von Walter
£eiftifow, ferner die Aquarellen „Moor-
grund“ von Ludwig Dill und „Rar-
toffelernte" von Arthur Rampf, end-
ih acht Dorzugsdrude nah dem Leibl-
[hen Gemälde „In der Kirche‘. Das
Rupferftidbildnif des Geigers Profeffors
Dr. Joachim, weldes der Deutfihe Runft-
verein duch Profeffor Forberg-Düffel-
dorf þat ausführen laffen, ift vollendet
und hat großen Beifall gefunden; es
wird in einer noh zu beftimmenden An-
zahl von Abdrüden zur Derloojung
tommen.
Münden. — Aud bier rührt man
fid, um von Menem zu beweifen, daß
Münden nad wie vor die Runfthaupt-
ftadt Deutfher Lande if. Jedenfalls
läßt fih von der Ronkurrenz des Haufes
am Rénigsplak, das fhon am J. Mai
für die Sommerausftellung der Sezejlion
eröffnet wird, mit dem Blaspalaft Er»
freulibes erwarten. Die Sezefjion ar=
beitet mit den bewährten Mitteln: Bejhmadvolle Ausftattung, Heranziehung
des Auslandes (Schottland, Belgien, Franfreih, Rußland, Finnland) und des
Runftgewerbee. Auf legterem Gebiete gedentt aud der Glaspalaft Hervorragnedes
zu bieten. Es überwiegt die Anfhanung, daß es am Plage fei, die ih dar-
bietende Belegenheit zur Ausftellung als Dorftufe für Paris zu benugen. Hierzu
fam nod) die Anregung Seitens des Dorfigenden der Mündyener Rünftler-Benoffen-
[haft, nad welcher der Baufunft Belegenbeit gegeben werden foll, Ah, wenn
aud in befcheidener Ausdehnung, fo dod in neuer, anregender Weife zu be-
theiligen. — Es hat fih zur Löfung diefer Aufgaben ein Comité gebildet,
weldes fid aus den Dertretern der drei Gruppen: des „Aunftgewerbe = Ver-
eins", des „Ausfhufles für Runt im Handwerk" und der „Arditektar-
abteilung" 3ufammenfegt. jede diefer drei Gruppen genießt vollfommene
Ultionsfreibeit, fo daß das freie Spiel der Kräfte auch hier die beften
Hoffnungen erwedt.
Indeffen erwädhft den Rünftleen ein neuer Wettbewerb in dem fräftig
aufblübenden Rünftlerinnenverein Münden. Mit dem projeftirten Neu-
ban des in der Barerftraße tritt die Aunftfchule des Dereins in eine neue
Phafe der Entwidelung. 1884 mit einem fond von 400 Marf und
10 Schülerinnen begründet, ift es im erften Quartal des laufenden Jahres
gelungen, eine Anleihe aufzubringen, die zum Abflug des Brundftüdtaufes
genügte und einen Einzug in das neue Heim am J. Oftober d. J. in be-
ftimmte WAusfidt ftellt.
Dresden, — Ein neuer Mitte April eröffneter Runftfalon, der
Emil Ridter’s Nahfolger (Inhaber H. Holft) firmirt, fheint der jüngeren
Runft und dem modernen Aunftgewerbe feine Räume öffnen zu wollen. Neben
Ruebl und Prell, den viel angefeindeten Difjidenten, ift der Sezefjion ein
befonderes Rabinett gewidmet, in dem Banker und Hans Unger der erfte
Plag gebührt. Mit Originalaquarellen, Lithographien und Radirungen find
Mesdag, Hellen, Liihrig und Rihard Müller vertreten. Die Rupferarbeiten von
zwei jungen Mündnern, Steinede und Lohr, beweifen, daß man nicht
mit gebundener Marfchroute dem Befhmade der Engländer, Belgier und
JStangzofen nahzulaufen braudt.
Leipzig. — Soeben ift der Bericht des Direktors der Rönigliden
Runftatademie und Runftgewerbefdule, Profeffor Dr. £. Nieper,
über die Thatigteit der Anftalt von Oftern 1896—1898 erfhienen, Sem wir
zu Nut und frommen ser Gntereffenten das Folgende entnehmen, um die
Deutfhe Runft.
275
Art der künftlerifhen Erziehung zu illuftriren: Die Rdniglide Runftatademie
und Runftgewerbefhule in Leipzig vermittelt die Ausbildung ihrer Schüler für
das Befammtgebiet der zeichnenden (graphifchen) Riinfte und für fämmtlidhe
Saher des Bud- und Runftgewerbes. Daher legt and die Leitung der
Anftalt den Schwerpunkt zur Erreihung diefes Zieles auf das Zeichnen für
die graphifhen Rünfte und für das Runftgewerbe. Don der Pflege der
lebendigen Beziehung zwifchen Lehre und Praris hängt die Eriftenzberehtigung
der Schule fowohl, als in nod erhöhterem Maße die Zukunft der Runft-
indufttie ab. An dte Leitungen der Runftgewerbefdule ift derfelbe Maßftab
3u legen, wie an die Leiftungen der Akademie! Dazu fommt, daß ein
prinzipieller Unterfchied zwifhen hoher Runft und Runftgewerbe nicht eriftirt
und daß die künftlerifhe Ausbildung an den Aunftgewerbefhulen genau
denfelben Weg geben muß, wie an den Akademien. Einen Unterfchied zwifchen
whober und „niederer‘ Kunft giebt es nicht — es giebt überhaupt nur Kunft,
oder nur Handwerf. Durd Regulativ find die neneintretenden Schüler aller
Berufsarten verpflichtet, in den erten beiden Jahren fic einerfeits an dem
Unterrihte in darftellender Geometrie, Projektiong-, fowie arciteftonifcer
‚Formen- und Stillehre zu betheiligen und andererfeits an den Uebungen in
der graphifhen Technik in den Unterklaffen. Hieran fchließt fih anfteigend
das Seidnen nad Gyps! Nad Abfolvirung diefes Unterrichts gelangen
die Schüler znm Zeihnen nah dem lebenden Modell (Kopf, Aft, Koftim,
Gewand). Diefe Uebungen leitet der Direktor, Dr. Nlieper, nah dem Brund-
fake: Höhfte Ehrfurht vor der Natur und befcheidenfte Unterordnung unter
diefelbe, wie fie uns aus den Dorbildern der größten Meifter und Flluftratoren
bis auf unfere Tage in den mit liebevoller Sorgfalt und tedhnifcher Meifter-
[haft gezeichneten Naturftudien voranleuhten. Mit Beginn des dritten
Unterridtsjahres treten die Schüler nad freier Wahl in folgende Fachkurfe
ein: Biicerornamentif, Diplom- und Plafatzeihnen, Modelliren in Wachs und
Thon, Aquarellmalen von Stillleben, architektoniſcher Perſpektiven, Exterrieurs
und Gnterieurs, Unterriht in der fonftruftiv malerifden Perfpeftive, land-
fhaftlihes Staffagezeihnen, Malen auf Glas und Porzellan, Aupferftechen
und Radiren, Holzfhneiden, Zeihnen auf Stein, photomehanifhes Derviel-
fältigungsverfahren, Ornamentit und Dekoration, praftifches Deforationsmalen
in Tempera- und Leimfarbe und Malen nad dem lebenden Modell.
Der Lötus befteht aus Tages- und Abendfhülern, und betrug in den
beiden Schuljahren Oftern 1896/98 436. Während die Tagesfchüler fi aus-
fhliegih dem Aunftftudium widmen, wird ihnen durd ihre Theilnahme an
den mannigfahen praftifhen Uebungen fürs Bewerbe und für die Aunftinduftrie
in den fahllaffen Belegenheit ge-
boten, fih mit einem Shag von
Renntniffen und fabigfeiten firs
Leben zu verfehen. Die Abend-
fhüler dagegen ftehen tagsüber
als Behilfen oder Lehrlinge in den
Werfftatten der biefigen Hand
werfer oder grapbifden Jnftitute,
oder in den Offizinen der Bud-
drndereien.
Hanau. — Die Röniglide
Feihenalademie, gegründet im
Jahre 1772 auf Anregung biefiger
Runftinduftrieller, „Aleinodienar-
beiter, Bolöftedher und Aunftöreher",
wie es im alten Stiftungsbrief
beißt, zur Hebung der einheimifchen
Juweliere und Edelmetall-Fndu-
ftrie, ift feit dem Jahre 1889 ihrer
urfptiingliden Beftimmung, aue=
ſchließlich Fachſchule für dtefe Runft-
handwerke zu ſein, zurückgegeben.
Ein vorbereitender Kurſus
bildet die Schüler gemeinſam im
Freihand⸗ und Körperzeichnen aus;
von ða ab erfolgt der Unter-
tidt im Zeichnen, Modelliren und
Entwerfen, je nah der Silber
oder Goldtedhnif in gefondertem
Lehrgange. Die Boldfchmiede,
Cifeleure und Silberfemiede finden
dann in den beftehenden, mit Effe und Schmelzofen verfehenen Werkftätten
für Bijouterie und Cifelirfunft ihre legte Ausbildung.
Außerdem giebt die Anftalt den Schülerinnen Gelegenheit, im Runft-
fticen fowie im Mufterzeihnen und ‚Malen für funfigewerblide Tednifen fid
auszubilden. EAS ;
3m Juni des verfloffenen Jahres beging die Akademie zugleih mit dem
300jährigen Jubiläum der Stadt Hanau die feier ihres .I25jährigen Be-
ftehens, an welde fic) eine interefiante Ausftellung von ‚Schülerarbeiten. aus
den legten 25 Jahren und eine Preisvertheilung anfhloß. Die geftellten
Aufgaben beftanden in der Herftellung eines Brillantfhmudes in Blumen
(Baarfhmud, Rollier, Brode und Armband), eines Feft-Pofals, eines Dedels
für eine Sammelmappe in Goldftiderei, Entwürfen für Schmudftüde und
einer Weinfanne.
Die Leitung der Anftalt fteht zunähft dem Bildhauer Profeflor
M.:Wiefe zu, während der Lehrkörper fih aus Fachleuten und Rünftlern
zufammenfegt und duch das wechfeljeitige Intereffe fachverftändiger Mitglieder
unterftügt wird, weldhe anläßlich der FJubelfeier von dem Vertreter der Rönigl.
Regierung, dem Regierungsprafisenten Grafen d’Hauffonville ernannt
wurden, um das Derhältnig der Akademie zu den Funftgewerbliden Be-
firebungen der Stadt noch enger und lebendiger 3u geftalten.
Die Sammlung gegenftändlier Vorbilder, wie Metallgeräthe, Schmud-
füde, Runftftidereien und tertile Mufter, erweiterte ih dur große Ankäufe
und Schenkungen in den legten Jahren zu einem Pleinen Mufeum. Sehr um-
faffend ift der Beftand an Bypsabgüffen der figuralen und ornamentalen
Plaftif, von Begenftänden der Kleinkunft, Medaillen, Münzen, Urkunden=
fiegeln u. f. w.
Die Befammtzahl der Schüler, welde die Anftalt im legten Shuljahre
befuhten, betrug 245 (gegen 239 des Dorjahree), die der Schülerinnen 36
(gegen 55 des Vorjahres).
Köln. — Der driftlihe Runftverein der Erzdidzefe Röln
giebt foeben feinen Berit über das Fahr 1897 (1. April 1897 bis dahin
1898) aus. Am 28. Juli 1896 ernannte der Kardinal und Erzbifhof den
Weibbifhof Sdhmik zum Präfidenten des Vorftandes des driftliden Runft-
vereins und des Erzbifhöflihen Mufeums. Unverzüglid wurde eine um-
fangreihe Wiederherftellung der fämmtlihen Ränme des Befigthumes des
Erzbifhöflihen Diözefan-Mufeums am Domhof Ar. 8 befdhloffen, um dasfelbe
feinem ganzen Umfange nad den Dereinszweden dienftbar mahen zu fönnen.
Salon, Simmereinrihtung von Carl Müller, Hofdekorateur, Berlin.
276
Die Benutung des Gebäudes follte in Ausführung des Statutes des Erz.
bifhöflihen Diözefan-Mufeums befteben und bdemgemäß eine permanente
Ausftellung von driftlihen Runfterzeugniffen der Gegenwart in den früher
von der Bürgergefellfhaft gemietheten, in letter Zeil aber unbenugten
Räumen veranftaltet werden, während die Thomas-Rapelle für die Auf-
bewahrung der Alterthümer, der chriftlihen Runfterzengniffe früherer Zeiten,
weiter benugt werden follte. Die Ausftellung criftlider Runflerzeugniffe der
Gegenwart, welde am 10. Dezember 1896 erdffnet wurde, ift dem Klerus
eine Stätte der Anleitung bei Yleuanfhaffung von Rirhengeräthen geworden.
Eine bedeutende Zahl von firhliden Beräthen und Utenfilien, nämlid Relde,
Nonftranzen, figuren, Meßgewänder u. f. w., ift thatfächlih dur die mit
dem Erzbifhöflihen Mufenm verbundene Runftausftellung verkauft worden.
Die Ausftellung erleihtert der Geiftlidfeit und den Rirdhenvorftinden die
ftilgerehte Ausftattung der Kirchen und fördert in bdemfelben Maße das
Ontereffe der Riinftler und des Runfthandwerfes. Der driftlihe Runftverein
der Erzdlözeſe
Röln ift unter
Leitung des Weih⸗
bifhofs Schmitz
im erften Jahre
von einer Mit-
gliederzahl von
593 auf 1013 ge-
fliegen; amOdlug
des jetzt abgelan-
fenenjabres zäblt
der Verein im gan-
3en 1555 Mitglie-
der. Auch der Be-
fud d. Erzbifchöf-
lihen Mufeums
hat fi bedeutend
gehoben; an ter
Raffe wurden in
runder Zahl 9000
Tagesfarten an
Nichtmitglieder
verausgabt, eine
Zahl, die in den
Vorjahren nie-
mals erreicht wor=
den if. Dem
Unwadfen des
Dereins und der
gefteigerten fre-
quenz entfprad
auh die Éin-
nahme. Wie der ausgegebene Rehnungs-Abfhluß nadweift, war es mög-
lich, die fammtliden duch den Umbau und nftandfezung der Bebäulid-
feiten des Erzbifhöflihen Mufeums entftandenen Unfoften im Betrage von
7280 Mark zu deden und nod einen Ueberfhuß von 7475 Mark zu
erzielen.
Crier. — Der unter dem Vorfike des Regierungspräfidenten v. Heppe
vor einigen Jahren gegründete Runftverein bat tn diefem Winter eine
recht rege Thätigkeit entwidelt und zur Belebung der geiftigen Intereſſen
nicht unwefentli beigetragen. Die freundlihe Aufnahme, die ein im ver-
gangenen Frühjahr abgebaltener. Dortrag des Mufeumsdireftors Dr. Alden-
hoven aus Röln über „Rembrandt und Rubens" gefunden hatte, veranlafte
den Runftverein, nad) dem Dorbilde anderer größerer Städte eine folge von
Dortragsabenden in diefem Winter zu veranftalten. Diefe wurde durch den
Direftor des Rölner Gewerbemufeums, Dr. v. falte, mit dem Thema
„Ortentalifhe Teppiche in glüdlichfter form eingeleitet.
Der zweite Dortrag, in welhem der Provinzial-Ronfervator Dr. Clemen
3u Bonn die „Einführung Ser Bothit im Rheinlande“ behandelte, fand fdon
Surh fein lofalhiftorijhes Rolorit und die glanzvollen Ausführungen über die
berrlihe Liebfrauenkirhe, die Perle frühgotbifher Baukunft, einen zahlreichen
und aufmertfamen Zubörerfreis aus allen Schichten der Bevölkerung. Der
Anregung diefes Dortrages ift erfreuliher Weife die Bildung eines Bau-
vereins für die Liebfrauenfirhe zu verdanken, ĉer unter dem DVorfike des
Speifezimmer, Carl Nüller, Hofdelorateur, Berlin.
Deutſche Runf.
Domfapitilars Aldenkichen die innere Ansgeftaltung des fhönen Gotteshaufes
zur Aufgabe hat. Den Schluß der Vorträge bildeten die Ausführungen
des Dozenten der Runftgefhidte, Dr. €. Sirmenid - Riharz zu Bonn über
die „Wandgemälde Rafaels in der Stanza della Segnatura im Vatican."
Weimar, — Eine ganze Anzahl von Malern wohnen und wirken gegen-
wärtig in Weimar, die, an der Heimathfcholle haftend, entweder die nähere Um-
gebung der Stadt oder ihr eigenes engere Stammland in fünftlerifhem Bepräge
in ihren Bildern wiederzugeben pflegen. Es liegt darin „die ftarfe Wurzel
ihrer Araft!" — Wie Th. Hagen, von dem lekthin ausführlid berichtet
wurde, fo haben nun aud Profeffor B. P. förfter und ein jüngerer
Hagen-Schüler, Haafenritter, eine Reihe von Landfhaften ausgeftellt, die in
ihren Motiven nit allzu weit ber genommen find und dod ein und diefelbe
Gegend bei aller Anlehnung an die Natur in durchaus eigenartiger Auffaflung
fhildern. Die meift beil gehaltenen Tafeln Förfters fprehen durd ihre feine
Luftperfpeftive
und die Fräftigen,
zugleich lihtum-
fptelten Dorder-
gründe befonders
an. Haafenritter’s
im format fleine-
ten Bilder befun-
den bei äbnlihen
Dorzügen dieDor-
liebe für eine et-
was tiefere Ton-
lage und reidheres
Rolorit.
Freihert
von Gleiden-
Rußwurm führ-
te wieder feine
geliebte Heimatb,
Bonland in
Stanten, in feds
großen Bildern
vor, — alle febr
farbig leudtend,
dod — mit ein
wenig leeren hell-
blauen Schatten.
Gleiden's groß
angelegte Rünft-
lernatur gefällt
fih in ftupender
Wudt des Vor-
trags, wenngleih die Dereinfahung der Mittel hier beinahe zu weit getrieben
fheint, —- ganz im Gegenfak zu der Art des bewährten Landfhafte-
fpilderers Mar Merfer, — der bei ebenfalls fraftiger Tehni? und aller-
dings verminderter Leuchtkraft der farbe — tiefere Töne und viele Feinheiten
in feinen Bemälden aus Thüringen und dem weftlihen Deutfchland fehen läßt.
Die Landfhaft feiner medlenburgifhen Heimath führte uns Bunte in
zwei großen und einigen Fleineren fürzlid ausgeftellten Bildern vor, welche,
in blühender Farbigfeit und großem Zuge gemalt, die früheren fehr gediegenen,
dod grauer geftimmten Arbeiten des Riinftlers nod weit in den Schatten
ftellen. Das febr carafteriftifhe Bildnif des Malers gab gleichzeitig der
biefige figurenmaler Starke in einem feintönigen. und vittuos gemalten
figenden Anteftüd mit runder Umrahmung, durdh welches der Autor fi wieder
neuerdings als Porträtift fehr vortheilhaft einführt. Es feblt aud fonft nicht
an diefer Spezies von Rünftlern bier, von der nur furz der bewährte Bildnif-
maler 5. Plübr, fein talentvoller jüngerer Rollege Shumadher und der
durd elegante Pinfelführung und treffende Charakteriftit bemerkenswerthe Maler
Urban genannt fein mögen.
Den kürzlid gegründeten Thüringifhen Ausftellungsverein
bildender Rünftler anlangend, fei erwähnt, daß derfelbe im Mai eine
Ausftellung bierfelbft, für Ende Juni eine folhe in Jena und anfdhließend
eine weitere in Gera plant. Derfihiedene andere Städte werden für die
Hwede des Vereins ausfihtsvoll bearbeitet, fo daß für fein Bedeihen die
beiten Ausfihten vorhanden find. AST:
Deutfhe Runft.
277
Der „Seldis"-Zeichentifch.
Ein neuer Zeihentifch, der fo-
eben patentirt worden ift, dürfte, für Ingenieure,
Arcitetten, Maler und Zeichner fi gleich praftifc
erweifen. Die Dortheile des einfad fonftruirten Ge-
rathes find augenfällig.
Der Zeichner ift jederzeit im Stande, in einer natür-
lihen Stellung zu arbeiten, unabhängig von der Größe
der Zeichnungen, oder dem Theile des Feichenbrettes, an
weldem er zu arbeiten wünjdht. Da Tifh und Brett von
einander getrennt find, fo fann eine beliebige Anzal
FZeichenbretter benugt werden. Wie der Zeichner aud) ftehen
mag, halten die beweglihen Schenkel immer den Schwer-
punft in der Mitte der Grundflade, fodap ein Wadeln oder
Rippen des Tifches unmöglih if. Ge ftärker der Drud ift, defto herer ge-
fhloffen — und daher defto feftftehender — erfceint der Apparat. jedes
Glied fließt fih von felbft. Wenn auger Gebraud, Pann das ganze Beräth
zufammengelegt werden. Werden die S hölzernen Reile berausgezogen, fo
fönnen die Theile derart direft an dem Heichenbrett befeftigt werden, daß fein
Theil derfelben die Lange des Brettes überragt. Der Tifh ift nad jedem
Winkel hin verftellbar und eignet fid daher fowohl für tehnifhes, als aud
für Fteipand-Zeihnen. Da die Höhe beliebig zu ftellen ift, fo fann derfelbe
für Perfonen jeder Bröße benußt werden und ift in dem niedrigften Stand,
mit dem Brett, ein ganz vorzüglihes Screibpult. Die in einer Stabldrabt-
Führung ftets parallel laufende Zeihenfhiene madht das Zeihnen bei fhräger
Stellung des Zeichenbrettes bequem, da die Schiene nicht feftgebalten zu
werden braudt. Die Schiene ift durch Löfung der rechten Schraube aud
fhräglaufend zu benugen und wird in folgender Weife geführt:
Der Drabt wird an der linfen Schraube der Schiene befeftigt, dann um
die untere Rolle linfs oben weiter geführt, geht dann über die obere Rolle
rechts oben, wird durch die rechte Schraube der Schiene gezogen und alsdann
über die Rolle rechts unten wieder zurüdgeleitet, fo dağ alfo die Drähte ih
oben an dem Seidenbrett freuzen. Das Drabtende wird zuletzt an derfelben
Schraube, von der der Draht ausging, befeftigt und der Draht durch Drehen
der Schraube gefpannt.
Jn den Märzfigungen des Deutjchen Ingenieur, des Arditelten- und
des Runftgewerbe-Dereins in Berlin wurde der Apparat vorgeführt und fand
allgemeinen Beifall. Der Tifch ift zum Preife von 60 M. mit Brett und Schiene
von Beorg Seldis, Berlin, Marfgrafenftr. 46, 3u beziehen.
— Meifter Herfomer, dem wir Nr. 13 der „Deutfchen Runft‘ gewidmet,
ift bekanntlich einer der bervorragendften praftifhen Vertreter der Einheit von
Runft und Handwerk. Er kennt und übt jede Punftgewerblide Tednif. So
bat er eine Ebrenfette für den Präfidenten der Royal Society
of Painters in Water Co-
lours entworfen, die im ihrer
Derbindung von Elfenbeinfdnigke-
rei, Edelmetall und Diamanten
ein Mufter eigenartiger Gold-
fhmiedearbeit darftellt. Rofetten
halten die Kette, an der duch ein
die Krone tragendes Mittelfchild
vermittelt die ovale Medaille herab-
hängt. Den Rand fhmüdt ein
Sinnfprud, dSeffen Worte durch
Brillanten getrennt find, wabrend
aus dem fond eine anmuthige
Franengeftalt, die Runft verkör-
pernd, in Elfenbeinfchniterei her-
vorfpringt.
f
eal
7
|
— Eine Ausftellung der modernen Aunfttöpferei im Lidhthofe des
Röniglihen Runftgewerbe = Mufeums wurde am Dienftag den 26. April er-
öffnet. Die Theilnahme ift fo rege gewejen, daß faft alle in diefer Richtung
arbeitenden Rünftler vertreten find. Die Berliner Röniglihe Porzellan-
manufattur bringt ihre geflammten Porzellane und als befondere Neuheit
die mit Arpftallen durchſetzten Glaſurgen.
Die Roniglide Ropenhagener Manufaktur: Malereien unter
der Glafur; Derwandtes bringen Bing & Bröndahl in Ropenhagen und
die Fabrit von Roerftrand in Schweden. Metallifhe Lüftre- Blafuren in
großer Dollendung von Clément Maffier (Golf Juan), Keller Guérin
in £uneville, Raebler in Waeftved (Danemarf), der bereits friiber einmal im
Runftgewerbe - Mufeum “ansgeftellt hatte, ferner die familie von Heider-
Münden, von Meblem - Bonn, Stahl- Berlin, Zfolnay - Budapeft.
Don den mit hödft intereffanten vielfarbigen Blafuren unter der Mitwirkung
ausgezeidneter Künftler
arbeitenden Käufern von
Paris find mit fehr reihen
Aufbauten vertreten Dal-
parapt & Lesbros,
Ladhenal, Miller,
Dammonfe und Bigot.
In weniger edlem
Material, aber mit eigen-
artiger Fünftlerifher Wir-
fung meift an ältere bauer-
lihe Techniken anfnüpfend
arbeiten Caenger &
Rornhas - Rarlsrube,
Shmuz3-Baudif- Mün-
chen und verfdiedene b ol-
ländifche und belgifde
Rünftler.
Zum Dergleih beran-
gezogen find ferner aus
dem Beg des Wufeums
ältere und neuere Stüde hinefifher und japanifher Herkunft, weldhe der Ans-
gangspuntt für viele der modernen europdifden Zierweifen gewefen find.
Da nabezu alle Ausfteller fih durch biefige Runfthandlungen vertreten
laffen, fo ift auh der Derfauf der Stüde, bei einer Ablieferung nah Schluß
der Ausftellung ermöglicht.
1 Seldis Seichentifh, aufgeflappt.
— 3m Hamburger Mufeum fiir Runft und Gewerbe, ift zur
Heit eine größere Anzahl von Vignetten, Titelblättern und Originalentwiirfen
des Berliner Rünftlers Hans Schulze ausgeftellt. Die glüdlihe Erfindung feiner
Rompofitionen zeigt fi bauptfählih in der bevorzugten Verwendung ganzer
Pflanzen und Bäume, die in harakteriftifher Stilifirung für dıs Ornament
umgebildet find, ohne daß die urfprünglihen Feinheiten der Naturformen ver-
3errt worden wären.
— Ein vereinfadhtes Verfahren farbige Photograpbien berzuftellen,
hat ein jüngerer in München lebender und geborener Photograph, Herr
BH. Reidel, erfunden. Das eigentlihe Prinzip der Erfindung ift ein
phyfitalifch-hemifcher Prozeß; die Farben werden entwidelt wie ein pboto-
grapbifches Negativ, und die Neuheit des Verfahrens befteht darin, dağ es
ermöglicht wird, die erzeugten Farben lidtedt, ©. h. dauerhaft zu madden.
Defregger, dem eine mit diefer Erfindung bergeftellte Reproduktion eines
feiner Bemälde vorgelegt wurde, bat fih anßerordentlih anertennend darüber
geäußert. Es bleibt abzuwarten, ob fic) die Erfindung bei der Herftellung
von Portraits bewährt und ob fie nicht 3u foftfpielig fein wird, um in die
photograpbifhe Praris aufgenommen zu werden.
278 Deutſche Runf.
Am 17. und 18. Mai findet in Antwerpen
ein für alle Runftfammler, Liebhaber und öffent-
lide Mufeen bedentfames Ereigniß ftatt. Der ge-
fammte Gnbalt des berühmten Musée Kums
gelangt Zur Derfteigerung. Es umfaßt moderne
und alte Gemälde aus verfchiedenen Schulen, alte
Runftwirfereien und pradtoolle Porzellanvafen.
Eduard Pierre Rambaut Rums, geboren zu
Antwerpen 1811, war ein Gnduftrieller und Grof-
faufmann, der Bemälde zu faufen und zu fammeln
begann.
Diefe £eidenfhaft ließ ihn zuerft nach dem
Befis von Gemälden der nationalen belgifdhen
Maelerfhule traten. Aber diefe Liebe für die
belgifhen Meifter erftredte idh auf feinen der
nad 1850 geborenen. Dann famen die franzofeu
der vierziger, fünfziger und fehfiger Jahre an
die Reihe, die Decamps, Delacroir, Diaz, Th.
Ronffeau, Dupré, Troyon, fromentin, Corot,
Meiffonier, Marilhat, Berösme, Mille. Aber aud
die zeitgenöflifhen Berühmtheiten anderer Malere ~
faulen, wie fortuny, Muntacfy, Alma - Tadema,
Boldini, Brozid, durften in Rum's Sammlung ae ven
nit unvertreten fein. Zulest landete er bei den ivory
alten niederländifhen Meiftern, Rembrandt, frans Booy o} BADGE
Hals de Repfer, Terborh, Jan Steen, Cuyp, Sein 6 0Ld
Oſtade, Brochem, Metſu, Ruysdael, van Goyen, DIAMONDS SEPARATING
van der Delde, Hobbema, van der Meer, du
Jardin und den großen beigifhen: Rubens, van
the words onfke Rim.
PRESIDENTS BADGE’
of the
‘RoyAL Society op PAINTERS
N
WATER COLOURS
DESIGNEDVExsCurep AY
Dyd, Teniers und Jordaens. Diefe Bemäldefhäte Hubert Repent Rk
waren in vier weiten Salen des mit altflandrifden :
Tapifferien und erlefenen echten Runftmdbeln des
18. Jahrhunderts ausgeftatteten Hotels des Beftkers Prafidentette der Ksnigl. Gefellfhajt der Wafferfarben-Maler.
vertheilt.
Die Befihtigung der zu verfteigernden Begen-
fände fteht am Montag 16. Mal (frei. Die Auktion beginnt am 17. Mit-
tags 2 Ubr.
Preisbewerbungen und Perfönliches.
Preisausfhreiben zur maleriſchen Ausſchmückung des Fefifnals im
Rathhaufe su Altona.
Es wird beabfidtigt, den Hauptfigungsfaal (Rollegienfaal) im nen-
erbauten Rathhaufe zu Altona durch Wandgemälde Fünftlerifch auszufhmüden.
Alle, Preugifhen und im Preußen lebenden anderen Deutfhen Rünftler
werden eingeladen, fih an dem Wettbewerb zur Gewinnung von Entwürfen
für die Wandgemälde zu betheiligen und ihre Arbeiten für diefen Zwed ein-
zureichen.
für diefe Konkurrenz werden folgende Bedingungen feſtgeſetzt:
l. Die Ausfhmüdung erftredt ih auf:
a) zwei an einer Langswand durd eine Chiir getrennte Bildflächen,
. je 4,79 Meter breit und 3,55 Meter bob — 16,05 Quadratmeter,
b) die Bildflähen von zwei Schmalwänden, etwa 5,75 Meter breit
und 3,55 Meter hoh, wovon je ein Thürausfhnitt von 2 Meter
Breite und 0,70 Meter Höhe abgeht — 19,02 Quadratmeter.
2. Es ift in Ausfidt genommen, auf beiden Seiten der legterwabnten
Bilder deforativen plaftifdhen Relieffhmud anzubringen. Dem Rünftler
bleibt jedoh überlaffen, ftatt deffen eventuell dekorativen malerifchen
Schmud in Vorfhlag zu bringen und auf diefe Weife die ganze Wand-
Näde bis zu den Säulen in die malerifche Behandlung bineinzuziehen.
5. Die Wahl des Begenftandes der Darftellungen wird den Bewerbern
überlaffen.
4. Die einzureihenden Entwürfe müfjen mindeftens ein Zehntel des
Flädeninhalts der Bilder haben.
5. Es werden für alle Bilder farbenftizzen in beliebiger Technik ge-
fordert. Farbe, form und Gedante miiffen aus den Entwürfen Mar
erfennbar fein.
Die Ausdehnung des Entwurfes auf die Dekoration des ganzen
Saales, jedoh unter Beibehaltung der vorhandenen bezw. zur Aus-
führung beftimmten Gnnen-irditettur, werden den Bewerbern anheim⸗
geſtellt.
Entworfen und ausgeführt von Hubert Herfomer.
Bewerber, unter Beifügung eines Rofteniiberfhlags über die Aus-
führung der Wandgemälde, fowie unter Angabe der in Dorfdlag
gebradten Technik bis zum „I. Dezember 1898, Nadmittags 5 Uhr‘,
an die Röniglihe Akademie der Riinfte in Berlin NW., Unter den
Linden 38, foftenfrei einzufenden.
. für die beften Entwürfe werden drei Preife von 4000 Mart, 2000 Mar?
unð 1000 Mart, zufammen 7000 Mar? ausgefegt.
. Die Entfheidung über die eingegangenen Arbeiten und die Preis-
ertheilung erfolgt durd die Landes-Runft-Rommiffion, welder fiir diefen
Swed drei Abgeordnete der Stadt Altona mit Stimmredt hinzu-
treten. 2
. Die preisgekrönten Entwürfe fönnen für den Befik des Preußifchen
Staates in Anfprud genommen werden, jedod verbleibt den Urhebern
das Dervtelfaltigungsredt.
Die übrigen Entwürfe werden den Bewerbern zurüdgegeben.
Auf Entjheidungen für Arbeit und Roften haben die Bewerber
feinen Anfprud.
. Eine öffentlihe Ausftellung der eingefandten Entwürfe wird in Aus-
fiht genommen.
. Ueber die Ausführung der Wandgemälde bleibt die Entfheidung vor-
behalten. Es wird jedod, foweit angdngig, der von den Preisridtern
an erfter Stelle als fiir die Ausführung gezeichnete Entwurf nah Ju-
ftimmung der zum Preisgeriht gehörigen Vertreter der Stadt Altona
berüdfihtigt werden.
. Bei der Ertheilung des Auftrages kommt der dem Rünftler gezablte
Preis auf das Befammthonorar für Ausführung der Wandgemälde
in Unrednung.
Eine Zeihnung von dem zur Ausfhmüdung beftimmten Raume
nebft einem Abdrud diefes Preisausfdreibens tann bei dem Bureau
der Ronigliden WAfademie der Riinfte in Berlin NW; Univerfitats-
ftrafe 6, fowie bei dem Bureau des Magiftrats in Altona unent-
geltlih in Empfang genommen werden.
Berlin, den 15. April 1898.
Der Minifter der geiftlihen, Unterrihts- und Medizinal-Angelegenbeiten.
Boffe.
— Der Berliner Ardhiteftenverein bat für den nächſtjährigen
6. Die Entwürfe und Skizzen ſind unter genauer Angabe von Namen Schinkelpreis auf dem Gebiete des Eifenbahnbaues die Anlage eines
und Wohnort des Urhebers, oder der etwa in Bemeinjhaft auftretenden Hauptbabnhofes für Leipzig als Aufgabe geftellt,
Deutfde Runf.
Bet der Preisfonkurrenz für das Dresdener Rünftlerhaus
waren 20 Entwürfe eingegangen, cie Preife wurden wie folgt zuerfennt:
I. Preis, 1000 M., dem Entwurf mit dem Kennwort „Endlid"; DYerfaffer:
Hr. Arh. O. Haenel. Il. Preis, 750 M., dem Entwurf mit den Renn-
wort ,,Cralleritrallera’; Derfaffer: Hr. Prof. Br. Seiller. III. Preis,
500 M., dem Entwurf mit dem Rennwort „In Deo omnia“; Derfaffer:
Hr. Ard. Heino Otto. Angekauft wurden die Entwürfe der Hrn. Lofjow
& Diebweger und des Hrn. Doregf ad.
— ğu dem Wetibewerb um das Berger-Denfmal bei Witten find
47 Entwürfe eingegangen, von weldem der I. Preis von 500 M. dem Ent-
wurf „Arbeit ift dea Bürgers Zierde" des Hrn. Paul Baumgarten in
Iferlohn, der II. Preis von 300 M. dem Entwurf „Berger“ der Hen.
Sdmidtmann & Klemp in Dortmund zuerkannt wurde. Die Entwürfe
mit den Kennworten „Trumpf“, „Dem Turner Berger‘, „Dem Iteben
Witten und „Bürgerfleiß‘‘ wurden einer befonderen Anerkennung werth gehalten.
— Die Vetlagsbudbandlung Seemann & Comp. in Leipzig hat
einen Wettbewerb um originale Werle graphifder Run ausgefchrieben,
für den drei Preife in Höhe von 500, 300 und 200 M. ausgej.&t waren.
Derlangt ‚waren originale Werke in beliebiger tehnifher Austührung (Holz-
[hnitt, Radirung, Lithographie, die lektere aud mit mehreren Steinen). Mit
dem erften Preis’ wurde die Radirung „Männlicher Studienkopf" von Fraulein
Marie Stein in Paris ausgezeichnet, mit dem zweiten Preis das Shab-
funftblatt „Männliher Studienfopf von Heinrid Wolff in Münden,
mit dem dritten Preis das vernis mou-Blatt „Landfhaft" von Otto
Bampert in Münden.
— Tie Entjdridung über die zum Wettbewerb fiir das fadtifde
Runftmufeum in Riga eingelanfenen Entwiirfe hatte folgendes Ergebniß:
Der I. Preis fiel dem WUreiteften M. Riittner in Petersburg zu.
Den II. Preis erhilt Regier.-Baufiihrer Carl Winter in Straßburg
und ven HI. Preis stud. arch. Corol. fantowstfy in Riga. Dem
Entwurf „Solne“ wurde cine lobende Anerkennung zuerkannt.
— gm Atelier Maz Rlinger's gebt die Statue eines in überirdifhen
Sphären fikend gedadten Beethoven ihrer Vollendung entgegen. Dec nit
Reliefs gefhmüdte Thronjeffel, auf dem die in ernftes Hinbriiten verfuntene
Sigur des Tonfiinfilers figt, foll in Bronze gegofjen werden. An der Lehne
follen Cherubimldpfe aus Elfenbein fihtbar fein, deren Flügel aus bunten
antifen Glasfliiffen gedadt find. Die Statue felbft beftebt aus griedifdem
Marmor, das Gewand aus Onyz, ein f[hwarzer Adler aber, der dh zu dem
Thron emporfdwingt, aus Ebenholz.
Ein bodintereffantes Selbfiportrait des Meiftere ging Fürzlih in den
Befiß der Berliner Runfthandlung Amsler u. Ruthard über. Die geniale
Arbeit aus sem Fahre 1894 ift cine auf braunes Papier leicht hingelegte
Roblenzeihnung mit aufgeferten Lidtern in Gouademaleret. Die Kraft und
Geiftige Charakter ftil dices Sptegelbildes, das den Künftler in Arbeitemüke
mit halb gewendetem Kopfe darftellt, insbefondere der Ausdrud in den ftrengen
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Lager-Katalug X. Klinger-Kataloz.
Kunst-Antiquariat.
279
düftren Augen hinter den Brillenaläfern übertrifft alle vorhandenen Rlinger-
bildniffe aus der Hand anderer Künftler.
— Tie Wandgemälde für den Palazzo Cafarelli (die deutfhe Botihafı)
zu Rom, im welden Profefior Hermann Prell in Dresden laut Raijer-
lihem Auftrag den Jahresmyihos der „Edda darftllt, gehen im Atelier des
Riinftlers nad faft dreijähriger Arbeit nunmehr ihrer Vollendung entgegen.
Das großartige Werk wird alsdann, bevor es nih Nom überführt wird, in
einem der großen Seitenfäle der Akademifhen Runftausftellung auf einige
Woden ausgeftellt werden.
— Der Raifer gab dem EC dhlichtenmaler Röhling zwei eigenhändig ar-
zeihn:te größere Skizzen von der Schlacht bei Leuthen, den Moment darftellend,
wo der Angriff auf den Rirhhof erfolgte. Die Skizzen enthalten genaue
biftorifhe Angaben über die betbeiligten Regimenter, Offiziere und Orte.
Rödling madte an Ort und Stelle felbft photographifdhe Aufnahmen und
außerdem ftehen ihm Originalpläne der Schladht aus dem Staatsarhiv zur
Verfügung. Der Riinftler hat feine eigenen Cfiszen bereits vollendet und
daraufhin wurde ihm vom Raifer der Auftrag für zwei Gemälde ertheilt.
— Am 8. April ftarb nad fdwerem Leiden der Hiftorienmaler Profeifor
Otto Rnille Am 10. September 1852 in Cenabriit geboren, erhielt er
feine erfte Lünftlerifhe Ausbildung auf der Düffeldorfer "Afademie bii Rarl
Sobn, Theod. Hildebrandt und W. von Shidow, bildete dh fodanm bei
Contare in Paris weiter aus und bradte mehrere Fahre in Münden und
Italien zu. Jm Fabre 1865 fdmiidte er das Schloß Marienburg mit Freefen,
weldhe Szenen aus den tbüringifhen Sagen darftellen und ſchuf in der folge-
zeit fein Oelbild, Fra Angelica malt im Klofter San Marco in Florenz.
Stine auagefprodene Vorliebe für die romantijdhe Richtung offenbart er in
dem von der Nationalgalerie er-
worbenen farbenprädtigen Ge-
mälde „Tannhäufer und Venus“.
Im Jahre 1875 wurde der Rünft- |
ler zum Lehrer an die Berliner
Runftafademie berufen und fo-
dann mit der Ausführung von
vier deforativen Frlesgemalden
für das Treppenhaus der Berliner
Univerjitätsbibliotbef betrant. Auf
Grund des umfangreihen [hwung- |
vollen und im großen Stil cons ` |
cipirten Werks wurde ibm auf der
Berliner Ausftellung die goldene
Medaille verlieben. Gm Fabre
1877 zum Profeflor ernannt, wurde
Rnille 1880 Senatsmitglied und
J8S5 Dorfteber cines Meifter-At.-
liers an der Roniglihen Akademie
der Riinfte.
Königliche Akademie der Künste
zu Berlin.
Wettbewerb
um den Preis der von Rohr’schen
Stiftung. für Architekten ‘im
Jahre 1898.
Ausführliche Programme, welche die
Bedingungen zur Zulassung zum Wett-
bewerbe enthalten, sowie die zugehörige
Aufgabe können von sämmtlichen
technischen Hochschulen Deutschlands
und der unterzeichneten Akademie der
Künste bezogen werden.
Berlin, den 16. April 1898.
Der Senat
der Königlichen Akademie der Künste,
Section für die bil lenden Künste,
i. V.:
Raschdorff.
Fernsprecher-AmtYI
N?214.
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Beiblatt: Das Hielier.
Slluftrirte Heitichrift für das gefammte deutiche Kunitichaffen.
Central-Organ deutfcher Runft: und Rünftler:Dereine.
Alle 14 Tage erfcheint eine Nummer.
Preis vierteljäbrlih 2.80 Mart.
Poftzeitungslifte Ar. 1174.
Herausgegeben von
Georg IBalkoluskn,
Alle 14 Tage erfheint eine Nummer.
änferate: 40 Pfennige für die 4 ge-
fpaltene Nonpareille-Zeile.
Schriftleitung und Perwalfung Berlin W.57, Sfeinmeblir. 26.
Publifationsorgan des LDentfden Runftvereins in Berlin, des Schlejifhen Runftvereins in Breslau, des Kunfivereins für dae Grofiberjogthum Hefjen in Darmftadt, des Anbaltifden Runjt-
vereins in Deifau, des Wiirttembergijdhen Runftvereins in Stuttgart, des Schleswig - Holfteinifdhen Runftvereins in Riel, der Runftvereine in Münden, Oldenburg, Mannbeim, Nürnberg, Berc,
Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Börlik, Danzig, Rönigsberg, Stettin u. a.
Hr. 15.
15. Mai 1898.
II. Jahrgang.
Dom Dom zu Magdeburg.
Ein Beitrag zur hriftliden Symbolik.
Pon Bans Marfhall.
II.
bon den übrigen vier Portalen if namentlid die in den
nördlihen Kreuzarm führende Paradiesthür mit großem
Fleiße ausgeſchmückt. Jhre allem Anfcheine nach erft nad-
traglid) angebaute Dorballe, die zum Aufenthalte der
Erfommunizirten während des Gottesdienftes beftimmt war, ent-
halt eine Reihe bemerfenswerther Statuen. Dorn zu beiden Seiten
des Eingangs ftellt eine im Mittelalter febr beliebte Symbolik,
die fid aud) am Straßburger Münfter vorfindet, die Perfonififa-
tion der driftlichen Rice dar, eine edle, rehts vom Eintretenden
ftehende Frau mit Krone und Keld, die der jüdifhen Synagoge
gegenüber eine frau mit verbundenen Augen, deren Aronftab
gebroden ift, und deren linker Hand die Bücher des alten
Bundes entgleiten. Maher der Paradiefesthiir ftehen die fünf
flugen und die fünf thörichten Jungfrauen, jene weinend mit
leeren Lampen, diefe freudig lahend mit brennenden Leudten.
Troß einiger anatomifcher und proportionaler Mängel find die
Figuren, die ihrem Stil und ihrer Bemalung nad dem 14. Jahr-
hundert angehören, aefhidt gearbeitet und ihre Gewdnder mit
Gefhmad drapirt. Weitere Darftellungen des befannten Bleidy-
nifjes (Matth. 24, 1—15), die man bereits in den Katafomben
findet, find zu feben am Portale des Domes zu Erfurt, der
Laurentiusfirhe zu Trier, des Münfters zu Straßburg, der Se-
baldusfirdhe zu Nürnberg u. a. m. Jn der Bogenfüllung über
der Thür ift eine ältere, in Sandftein zum Theil ganz erhaben
gearbeitete Skulptur angebradt, „õie Himmelfahrt Mariae".
Engel tragen auf einer Bahre den Leib der Jungfrau empor
dem verflärten Sohne zu, daß er ibn wieder vereine mit der
Seele, die als eine Fleine weibliche Geftalt mit betend zufammen-
gelegten Händen vom Heiland gehalten wird. Unten ftehen um
ein feuerbeden und ein Räuderfaß, das die Gebete der Heiligen
fymbolifirt (Off. Job. 5, 8), die Apoftel, von denen durd ibre
Attribute fenntlich gemadt find: linfs vom Anſchauer aus Petrus
mit zwei Schlüffeln, Andreas mit Sem Kreuz, Jakobus der
Aeltere mit einer Pilgermufchel als Mantelfpange, rechts Paulus
mit dem Schwerte, Johannes mit einem Palmenzweig, den er nad)
dem aus dem vierten Jahrhundert ftammenden Bude ,,Dom
Hingang Mariae bei der Grablegung der Mutter Jefu voran-
getragen bat, Bartholomäus mit dem Meffer und eine Geftalt,
vielleiht Judas Thaddäus, die in der einen Hand eine Cafe,
in der andern eine Reule trägt. Als Hauptperfon tritt aus diefer
Gruppe nad der Mitte zu etwas vor Thomas, der Sen Gürtel
. ihre leiblihe Auferftehung.
der unbefledten Jungfrau in Händen hält. Der Skeptiker be-
3weifelte nicht nur die Jungfraufbaft der Maria, fondern aud
Da fiel vom Himmel der Gürtel der
Jungfrau über feinen Arm und fortan glaubte er. Daher trägt
auf unferer Darftellung Thomas den Gürtel anftatt feiner
fonftigen Attribute, Canze oder Winlelmaf. Die auf der Nord-
feite in das Nebenfhiff führende Thür ift nur mit den figuren
der beiden Schußheiligen, Mauritius und Katharina, gefhmüdt,
während die ihr auf der Siidfeite entfpredende Fleinere Thür
überhaupt feinen figurenfhmud aufweift.
Reih und zuweilen von hohem, ja bödften Fünftlerifchen
Werthe ebenfo als von fulturellem Gntereffe ift die plaftifhe Aus-
fhmüdung des Dominnern. Junädhft haben zu ihrer finnbild-
lihen Dertiefung die Rapitelle, die in den älteren Bautheilen
die romanifchen Uebergangsformen aufweifen, einem grüblerifchen
Schaffenstrieb übergenug Gelegenheit gegeben, fo daß Säulen
und Pfeiler eine üppige VBlüthenlefe von religiös deutfamen
Bilderrathfeln und Hieroglvpben tragen. Menfchlidhe Röpfe und Be-
ftalten und Thierfiguren reden die gebeimnifvolle Bilderfprace des
hriftlihen Spiritualismus in einer Mannigfaltigkeit, die dafür
fpricdt, daß jedes Rapitell einen eigenen Meifter zum mehr oder we-
niger felbftitändigen Derfertiger gehabt babe. Es fprudelt bier der
lebendige Springquell der Phantafie in verfhiedenartigen Bebilden,
die fih, ohne von einem gemeinfamen Brundgedanten getragen zu
fein, nicht zu einem zufammenhängenden, allegorifhen Bilde zu ver-
einigen vermögen. Dort fämpfın Vögel, dort bringen phantaftifche
Draden, als Sinnbilder des mit fic) felbft zerfallenen, gegen fih
felbft wiithenden Reides der Finfternif, dem eigenen Leib tödtliche
Wunden bei; dort reitet der Leibhaftige felbft, der ein Menfchen-
haupt emporhält, auf einem monstrum informe, ingens,
cui lumen ademptum, und bier ftreitet ein Mann wider einem
Wolf, das Symbol der Reterei. Reineren Sinn als diefe Dar-
ftellungen des Unbeiligen hegen zwei Rapitellgebilde, von denen
das eine ein Bild der Verkündigung ift, das andere als Symbol
der hriftlihen Streiter, die fidh von der Rlugheit leiten laffen,
einen Elephanten zeigt, der auf feinem Rüden einen Thurm mit
geharnifchten Männern trägt. Am Hauptportale fieht man unter
dem Sturz Ser rechten Thür den Dogel Pelifan, der jhon den
Rirdenvätern als Symbol für den Opfertod des Heilandes am
Rreuze gegolten bat. Yad Epiphanias, Physiologus § tédtet
némlid das Pelifanweibden feine Jungen durd feine Lieb-
282
fofungen; das Männden kommt dazu, reißt fi mit dem Schnabel
die Bruft auf und läßt auf die todten Jungen fein Blut nieder-
fließen, das fie wieder belebt. Jm Dridantes Befdeidenbeit
S. 145 findet fic) folgende Stelle als flare, criftlic) fymbolifde
Mosififation jenes alten naturgefhidtliden Mardens:
„Ein vogel heizet pellicanus,
Der ziuhet sin jurgen sus:
Sin herzebluot er in git
Ezzen unz er tot gelit
Häufig, auh noh
in Darjtellungen der
Renaiffance und des
Baroditils wie über
einem Thore des
Dresdener Refisens-
fchlofjes, wird das
Yleft des Pelifans
identifizirt mit der
Dornenfrone des Ge-
freuzigten. Dem Pe-
lifane im Magdebur-
ger Dome gegenüber
erfiheint der Pbönir
in feinem 2efte, aus
welhem flammen
bervorbrecdben. Das
Symbol, weldes mit
dem Dogel, der aus
feiner Aſche ſchöner
erſtanden iſt, auf die
Auferſtehung hin—
weift, trägt die Ueber-
fġrift fenix unica.
Beide Dorftellungen
fehren wieder als Ra-
pitellverzierungen in
der Erneftinifhen Ra-
pelle des Domes; der
Pelifan allein ift
außerdem noch an-
gebradt auf dem
Epitapbium des
Domberen Johann
€. Bothmar, der zur
Erbauung der nod
ftebenden Rangel 500
Boldgulden vermadt
hat. —
Endlich feben wir
als drittes Symbol
an der Doppelthüre
die zweimalige Dar-
ftellung eines Löwen,
der drei unter ihm
liegende Junge zu be-
fhützen fcheint. Will
man den Ders aus
Dridantes Befchei-
Senbeit
Der selbe Vogel gelichtet ist
Uf den gnaedigen Krist,
Der ouch den bittern tot leit
Durch sinen kint, die kristenheit.“
Y FVN
I
AT
J a s
„Din lewen tot ir kint gebirt:
Von des vater galme ez lebende wirt.“
auf diefes Gebilde beziehen, fo hatte man unter dem Löwen
den Erlöfer zu verfteben, der die Seinen Surd fein Wort zur
Wiedergeburt erwedt. Die drei angeführten Sinnbilder, Pelikan,
Pbönir und Löwe, finden ih auh am Hauptportale der Lorenz-
fiche zu Nürnberg vor. Aud an den beiden füdlihen Halb-
pfeilern Ser vom Schiff durch ein fhmiedeeifernes Bitter getrennten
Dorballe felbft, in die man durch das Hauptportal zunädft tritt,
find die Rapitelle mit Bildwerfen verfehen, deren eines das
judenthum, das andere das Heidenthum mit feinen Laftern ver-
Der Chor des Domes zu Magdeburg.
Photographie von Baaje und Liibed, Magdeburg,
Deutſche Kunſt.
ſinnbildlicht. Auf erſterem ſtehen ein Jude und eine Jüdin neben
einer Sau, an deren Cuter ein kleinerer Iſraelit wie cin Ferkel
ſaugt, auf letzterem erblicken wir zwei Hunde, die einen Haſen
verfolgen (die Heiden als Chriſtenverfolger), einen Raubvogel,
der eine Taube in den Krallen trägt (die Todtſchläger), einen
Affen, der zur Fiedel ſingt (Sinnbild des Teufels, Verſuchers,
oder Zauberers), und endlich als Symbol der Hurerei ein
nacktes Frauenzimmer, welches auf einem Bocke reitet.
Wiederholungen finden wir unter den Skulpturen des Domes
nicht felten. So be-
gegnen wir dem Peli-
tan noh einmal auf
einem Schlußfleine
des nördlichen Seiten-
fchiffes, der beilige
Mauritius febrt in
zwei Darftellungen
binter dem Liturgie-
oder Jobannis-Altare
als fabnentrager in
Alabajter gemeißelt
und in der Apfis an
den Pfeilern des Bi-
fhofsganges als
Streiter mit gezüdtem
Schwert wieder. An
den fünf Seiten des
Chorſchluſſes endlich
fteben in kleinen Ni—
fhen nodmals die
fiinf Flugen und die
fünf thörichten Jung-
frauen. Neben dem
heiligen Mauritius
befinden fih im Bi-
fhofsgange nod fü-
lid von ihm der þei-
lige Gnnocentius, der
Fabnentrdger in der
thebdifden Legion
und Ylebenpatron der
Domfirde, nad) Nor-
den zu auf der öftlich
ausbudtenden ge-
brodenen Linie einer
Hebnedshälfte Jo-
bannes der Täufer,
der vor der Bruft
das Lamm Gottes
trägt, Petrus mit zwei
Soliiffeln, Paulus
mit dem Schwerte
un Andreas, deffen
Kreuz fait ganz feblt.
Don Marienbildern
find drei zu erwäh-
nen, von denen zwei
an den beiden Oft-
wänden des Quer-
fciffes, das dritte an dem Pfeiler der Kanzel ftebt. Das ältefte
von ihnen im füdlihen Arme des Qucrfchiffes ift diesmal aud
das befte und zudem eine mater miraculosa, d. b. eine
wunderthatige Mutter Gottes. Sie heilte nicht nur von Gidt
und Podagra, fondern auh von Dummheit. So befäbigte fie
den Domfchüler Udo, dem das Lernen recht fhwer fiel, auf fein
inftändiges Flehen, daß er bald feine Mitfchüler überflügelte und
es bis zum Erzbifhof von Magdeburg bradte. Udo foll fih
aber aud) Ser Gunft einer irdifhen Frau, Ser Aebtiffin des
Rlofters Lilienthal bei Budau, erfreut haben und darum als
Derbrecher gegen das Belübde der Reufchbeit im Chore des Domes
— =: — ana — —
in Gegenwart Chriſti, der Maria und der zwölf Apoſtel von
Mauritius in einer Nacht enthauptet worden ſein.
Der oben erwähnte Lettner, der mit fpåtgothifhen Ornamenten
überladen ſchon Anzeichen des Verfalls enthält, iſt mit einem
Schmuck von zwölf zwar fehlerhaften, aber für ihre Zeit immerhin
nicht ſchlechten Figuren verſehen, die von Süden nach Norden
gezählt nachſtehende Reihenfolge ergeben:
l. Die heilige Dorothea, Sie einem Rinde eine Blume reicht.
2. Der heilige Nikolaus, Biſchof von Myra, in der Hand ein
Buch, auf dem drei
Brode, als Lebens-
mittel aud) Mittel 3u
ewigem Leben und
Saber aud) Sinnbild
der Woblthatigheit,
liegen. 3. Petrus
mit zwei Schlüfjeln.
4. Die heilige Ratha-
tina mit Schwert und
Rad. 5. Unbekannter
Heiliger. 6. Maria
mit dem Jefusfnaben.
8. St. Beorg mit dem
Lindwurm. 9. Die
heilige Magdalena
mit Ser Salbenbiidfe.
10. Paulus mit dem
Schwerte. Il. Ein
Bifhof. 12. Bartho-
lomäus mit Mejjer
und Bud.
Nahdem wir nod
in der fhon erwähn-
ten Erneftinifchen Ra-
pelle vor dem auf
dem Altar ftehenden,
vergitterten Bilde des
auferftandenen Chri-
ftus mit Maria und
Jobannes vermweilt
baben, wollen wir
uns endlid zur Ran-
3el wenden, die von
Chriftoph Rapuk aus
Nordhaufen in den
Jahren 1595 bis 1597
aus Alabafter gear-
beitet und an den
zweiten nördlichen
Pfeiler des Haupt-
fdhiffes angebaut if.
Troß ihrer Ueber-
ladung, eine Jlluftra-
tion einer niederge-
benden Befhmads-
tidtung, ift fie doch
Deutfhe Runt.
383
Evangeliften mit ihren Attributen aufgeftellt find. Jm Lutas
bat Ser Riinftler fic) felbft porträtirt. Die Auswahl der Thiere
für Sie erften beiden Reliefs der Treppenwand, neben denen auf
Poftamenten die Statuen der beiden erften Propheten des Alten
Bundes, Jefaias und Jeremias, angebradt find, laffen fymbolifhe
Deutungen zu. Wir fehen im Paradiefe das Einhorn, den
Hirfh (die nad dem Heren dürftende Seele Pfalm 42,2), den
Pfau (das Sinnbild der Unfterbligkeit), das Rind (das Symbol
des Lebens) und das Schaf (in der criftliden Symbolit der
Heiland). Auf der
Darftellung des Sün-
denfalls hingegen find
verwandt: der Löwe
(1. Petri 5, 8), der
Igel, das Raninden
(Sinnbild des To-
des), der Affe (fiebe
oben) und als Thiere,
welche das Lichte
fheuen, fröfhe und
Eidedfen. Ueber Sem
Scalldedel befindet
fic) noc) ein fletnerer,
der als Dak einer
offenen Halle von
fieben Raryatiden, den
Rardinaltugenden,
getragen wird. In
diefer Halle figt auf
einem Thron Gott
Dater, auf effen
Schoße der Leichnam
des gekreuzigten Soh⸗
nes liegt; über der
Gruppe ſchwebt der
beilige Geit in Ge-
ftalt der Taube. Be-
tragen wird die ganze
Ranzel von Paulus,
effen Lehre von der
Redtfertigung durd
den Blauben das zur
Heit der Entftehung
der Ranzel bereits
proteftantifhe Dom-
ftift als fundament
der evangelifchen
Lehre anfab.
Auf der hölzer-
nen, mit fddnem
Schnigwerkverzierten
Ranzelthüre ift unten
die Transfiguration,
oben die Himmelfahrt
Chrifti dargeftellt, ir-
difche und bimmlifche
ein Runftwerf von Verklärung.
Die Kanzel im Dom ju Magdeburg.
hohem Werthe fowobl Photographie von Baafe und Ciibed, Magdeburg. AnStelle der heuti⸗
in der Darſtellung der gen Domorgel, welche
figuren als in der Gruppirung der Reliefs, die in chronologiſcher
Folge an der Treppenwand binauf bis zur eigentliden Rangel
den fechften Schöpfungstag, den Sündenfall, die Sintfluth und
in vier fleineren Bildern die Derfündigung, die Anbetung der
Engel, den zwölfjährigen Jefus im Tempel und die Taufe dar-
ftellen. Ueber letzteren ftehen an den vier Brüftungsfeiten in der
vorderften Nifhe Chriftus, mit der Redten fegnend und in der
Linten die Weltfugel haltend, zu feiner Rechten fein Vorläufer,
Johannes der Täufer, und in den Yifchen lints von ihm feine
Vladfolger, die beiden Patrone St. Mauritius und Ratharina.
Yieben diefen Yifchen treten Poftamente hervor, auf denen die vier
von dem Orgelbaumeifter A. Reubfe aus Haus-Neindorf bei
Quedlinburg in den Jahren 1856 bis 1861 ganz neu gebaut ift,
ftand früher eine andere, die in dem Jahre 1605 für eine Pleinere,
unzureichende als ein Meifterwer? des Orgelbauers Heinrid) Com-
penius aus Halle aufgeftellt worden ift. Jhr barodes Bebäufe
war als fhwahe Nahbildung der Orgel im Bralstempel darum
merkwürdig, weil ih an ihm eine Menge bölzerner figuren,
wie Engel, Menfchen, ein Adler, ein Hahn u. f. w., befanden,
die während der Mufit nicht duch den Mechanismus der Orgel
felbft, fondern von Menfdenhanden mittelft eines Diehwerfes in
Bewegung gefekt werden fonnten, fo daß Engel und Menfden
Fr.p)
Eduard Oeel, Studie,
die Köpfe verdrehten, ihre Inſtrumente an- und abfebten, Adler
und Hahn aber mit den Flügeln fdhlugen. Das Rraben des
Hahns, welhes das würdige finale diefes nicht eben weihevollen
Deutifde Ranft
Shaufpiels war, abmte der Stadtmufifus als Thierftimmen-
imitator auf dem Hautbois-Mundftüde nah. Jm Fabre 1850
wurde diefem Baudium des Landvolfes und der Jugend dadurd
ein Ende gemadt, daß das Behänfe abgebroden und dafür
ein neues, gefhmadvolleres in gothifhem Stile aufgeftellt
wurde.
Don den Grabdentmalen des Magdeburger Domes muß ich
als bedeutendes Runftwerf nod erwähnen das des Erzbifhofs
Ernft von Sacfen, ein Meifterftüd des Nürnberger Erzgießers
Peter Difcher, der es laut der Infhrift am Fußende im Fabre
1495 vollendet bat. Auf der Platte des Sarfophags liegt der
Erzbifhof in vollem Ornate, überdaht vom filigranwerf einer
Surdbrocenen, reih mit fialen, Blättern und Figuren ge-
fhmüdten Spitfäule, deren Ende nad oben gebogen ift. An
jeder Langsfeite des Grabmals find feds Apoftel angebract,
an der fchmalen Ropffeite fteht Mauritius, an Ser ‚Fußfeite
Stephanus. Als fymbolifche Gebilde haben an den vier Eden
der Platte auf Poftamenten die Attribute der Evangelijten Auf-
ftellung gefunden.
Erzbifhof Ernft hatte fih, wie aus der Infchrift erfichtlich,
diefes Grabmal fhon bei Lebzeiten feen lafjen, gewiß nit aus
Eitelkeit, fondern um Ser Förderung der fhönen KRünfte willen
zum Schmude des feiner Obhut anvertrauten Domes. Es war
zu jener Heit überhaupt nicht felten, fih felbft eine pruntvolle
Grabjtätte zu bereiten oder ein Maufoleum zu errihten. So ver-
fertigte gerade Peter Difcher die Dentmale des Bifhofs Johann von
Breslau, des Bifhofs Heintih von Bamberg und des Rardinals
Albreht von Mainz zu Afchaffenburg bei Lebzeiten diefer
Rirdenfürften. Die Budftaben und Zahlen, welde Alles, Dauer
der Regierung und Todesjahr angaben, wurden dann nah dem
Tode nahgetragen und verrathen diefen Umftand oft Surh Sen
abweichenden Charakter oder dur die verfchiedene Bröße der
Budftaben oder Zahlen.
Wenn, wie wir gefeben haben, Surd Sie Gebilde der
Gothif ein fo ftarfer fymboliftifher Zug gebt, Saf aud das
fleinfte Ornament 3ur Dorftellung eines Begriffes wird, fo ent-
fpriht er nur dem mittelalterliden Seitbewuftfein und bat als
Aeuferung diefes feine innere Nothwendigkeit. Ergehen ſich aber
heute wieder Nofenfreuzler und Fabulanten in tieffinnigen
Charaden, fo ift das eine unferer Zeit fremde, franthafte Be-
wegung, ie nur beweift, daß es den heutigen Riinftlern ebenfo-
wenig möglich ift, ihrer Zeit die äfthetifhe Seite abzulaufhen,
als den viel gefhmähten Rlaffizifien und Romantifern. Möchte
fommenden Seiten die Kunft wieder das werden, was fie dem
Mittelalter gemwefen ift, die fehönfte, dauernde Aeuferung ihres
‚Fühlens und Denkens in einem eigenen aus äfthetifhen Bedürf-
niffen bervorgegangenen Stile.
Keramifche Ausftellung im Berliner Kunftgewerbe:Mufeum.
us den Umwälzungen, die auf allen Gebieten des Runftgewerbes ftatt-
gefunden haben, ift bis jegt die Reramif am fiegreihften hervor-
gegangen. Das Bedürfnig nad fiinftlerifcher Umgeftaltung und Be-
lebung führte bier zu den überrafhendften Refultaten, nahdem berufsmäßige
Rünftler e8 unternommen, das Handswerfsmäßige der Runfttdpferet fid an-
zueignen, um felbftthätig in die Bewegung mit einzugreifen und aus den
verfchiedenen, zum Theil ganz aus der Mode gefommenen und brach liegenden
Herftellungsverfabren neue Derfuhe einzuleiten. Ohne ein Anknüpfen an
Dorbilder (hauptfählih orientalifhe) waren diefe Experimente nicht denkbar,
aber wo tehnifhe Erfahrung und fünftlerifhe Phantafle fic) befeudteten, da
fpielte jeder Zufall ein Rolle und es entjtanden thatfählih neue eigen-
artige Gebilde, wie beifpielsweife die Arbeiten mit den interefjanten Rriftall-
glafuren.
Die verheißungsvollen Anläufe und die handgreifliden Erfolge bei diefen
Neuerungen der Runft-Töpferei geben zu denken im Vergleih mit den relativ
geringen Errungenfhaften anderer Zweige des modernen Runftgewerbes. Die
Erfcheinung erklärt fih indejien aus dem Wefen der Erzeugniffe, die unter
mancherlei Beftalt, als Teller, Schüffel, Beten, Vafe, Krug dod größtentheils
nur als dekorative Prunkftüde, als Ziergefäße gedaht find, bei denen die
Hweddienlidfeit febr in den Hintergrund gedrängt wird und die Phantafie
des Herftellers in größter Umgebundenheit fhalten fann, während beifpiels-
weife in der Möbelinduftrie ganz beftimmte, der Architektur verwandte Bejete
vorherrfhen, wo jedes Mißverhältnig im Aufbau, jede Lebertreibung des
fhmüdenden Beiwerfs das Auge beleidigt, fo daß alle Erfindungen des
modernen Befhmades immer wieder auf die Ausgangsformen der Gothi? und
Renaiffance zurüdweifen. Es ift damit fhon angedeutet, daß fidh die moderne
Reramil, deren Bild fic reih und vollftändig in der Ausftellung des Runft-
gewerbe-Mufeums präfentirt, etwas von dem Charakter des Runftgewerbe-
produftes entfernt. Der JZufammenhang mit dem praftifchen Bediirfnif ift
häufig nur angedeutet. Die unumſchränkt herrſchende fünftlerifhe Willkür ge-
langt 3u einer beftimmten Grenze, deren Leberfóreiten (angenommenen falles)
troß allen individuellen Riinftlerthums zu finn- und ftillofen Auswücfen
führen würde.
Derlei Bedenken über die eingefehlagene Richtung vermögen jedoh den
ftarten und Impofanten Befammteindrud der Ausftellung nicht zu trüben, welche von
allen Dertretern bedeutenderer feramifher Werkftätten im Jn- und Auslande
Deutfde
befhidt wurde und eine folde Fülle urfprüngliher Schöpfungsfraft aufweift,
daß man an der Lebensfabigheit des weit veräftelten Aunftgewerbezweiges nit
zweifeln darf, in welhem Lichte man aud die durcgreifenden Reform-
beftrebungen betradten mag. Fn der völligen Derfhmelzung von Malerei
und Piafi? treten ungeahnte Reize zu Tage. Die mardhenhafte Pract der
malerifhen Erfcheinung, der ftille vornepme Glanz Ses halbdurdfihtigen
Porzellans mit den duftig zarten Malereien unter der Glafur, das feuer
des metallifhen, unftäten Lüfters, das Farbenfpiel in den vielfarbigen, ge
flammten, getigerten, geäderten Blafuren im unregelmäßigen Verlauf der er-
flarrenden, gebrannten Majfe, all’ diefe bewußten und raffinirten Zufälligkeiten
bringen neue fünftlerifhe Begenfäge und neue Werthe hervor, die auf den un-
befangenen Befhauer eine faschnirende Wirkung ausüben.
Die Röniglihe Porzellanmanufaktur in Ropenbagen entfandte einige
Roftbarfeiten, die für diefen Mafjifh-modernen Befhmad fehr bezeichnend find.
Die zabllofen aud in Deutfhland in Umlauf befindlihen Nahahmungen geben
nidt von ferne die Feinheiten des bemalten Porzellans aus der danifden
Manufaktur wieder. Die Reinheit des Stils giebt ih in jedem einzelnen
Stüd zu erkennen; von jeder Tradition losgelöft (obwohl zunädhft auf An-
regung der Japaner) bat fic) diefe Runft, deren Hauptmerfmale die größte,
Einfachheit in der Form und farbe bilden, zur hödften Vollendung entwidelt.
Die Unterglafurmalerei, die mit der Porzellanmafje eine innige Derbindung ein-
geht, fellt Ah die Aufgabe, die Natur, insbefondere die Landfchaft und die
beimifche Thier- und Pflanzenwelt möglihft treu und naiv nadyzubilden. Dabei
fann von einem Umarbeiten oder Stilifiren im Sinne des modernen Plakat,
file, ohne welde viele der modernen Deforateure fi nicht zu rathen willen,
feine Rede fein. Ge weniger, je wirffamer: in diefem Sage beruht aud) hier
das deforative Gebeimnif. Eine gemalte Blume, ein Schmetterling, eine
Cibelle oder ein Krebs genügen, einen Teller oder eine Tafle zu
einem Runftwerf zu ftempeln. Die vornehmfte Ronfequenz der früheren
Blaumalerei benugt nur wenige Töne: grün, blau und ein indifferentes grau;
der Auftrag mit verfließenden Farben erzielt eine wundervolle Weidhheit.
Die Bemälde feinen unter der Blafur zu jhwimmen, wie in einer Maren
Sluth. Bei größeren Darftellungen auf umfangreihen Dafen und Urnen ift
biewellen der Ton des Porzellans ausgefpart oder ausgefrakt, um die weiße
farbe darzuftellen. Auf folhen Gefäßen find weiße Raninden unter einem
Sties von Roblblättern, zwei Raben auf einer befdneiten Flur, eine Bebicgs-
landjhaft mit bellen Wolfen dargeftellt. Bei den landfhaftlihen Dekorationen
it die Schilderung des bewegten Waflers meifterhaft gelungen, in der Ab-
bildung des Meeres mit den regelmäßigen dunklen Wellenfämmen und dem
fernen blauen Woafferftreifen giebt fih die ganze Stimmung eines Yaturein-
druds wieder, wie fie ein naturaliftifhes Tafelbild nicht überzeugender bringen
tann. Während für die größeren bildmäßig deforirten Befäße einfache, edle
‚Formen mit glatter Flähe gewählt wurden, fhmüdte man Fleinere Gegen-
ftände mit plaftifhen Verzierungen: ein Mäusen, das an einer ausgezadten
Schale emporklettert, oder ein fifh, als Flachrelief modelliert und zart bemalt,
in feiner natürlihen Windung den Rand einer Schale bildend. Der Rönig-
lihen Manufaktur fhließt fi die Ropenhagener firma Bing & Bröndahl in
ihren Beftrebungen ziemlih eng an, offenbart aber in der freien Handhabe
der Technik ein feines Derftändniß und Empfinden für die geftellten Aufgaben.
Als Malerei erjcheinen am beadtenswertheften ein Zug fhwimmender Enten
auf einer Dafe und das auf einer brandenden Welle auslaufende Wilinger-
fhiff auf einem Zierteller. Die breite, umfippende Woge im Vordergrunde
it flachreliefartig behandelt, die ftrahlenförmigen Vertiefungen erhalten urh
feitwarts einfallendes Liht einen merkwürdigen, filbernen Glanz, der dem
einer lidtumfpielten Wafferflähe täufhend ähnlich fieht. Bei der Bemalung
einiger Befäße mit Blumen wird die Stilifirung mit Befhmad angewendet.
Rleine plaftifhe Arbeiten, wie Eihhörnhen und fife, zeugen von der den
Dänen eigenen Verehrung der Natur.
Die f[hwedifhe Firma Rérftrand geht nod einen Schritt weiter in der
fünftlerifhen Ausftattung ihrer Erzeugnifje. Die Farbenffala wird durd ein
3artes Roth erweitert, die Verbindungen mit blau, violet und violetgran er-
zielen in ihrer fparfamen Anwendung febr decente, eigenartige Wirkungen.
Don den plaftifhen Arbeiten ift befonders ein Blumenbeden hervorzuheben.
Auf dem einwärts gewölbten Rande, der als Welle gedaht und mit zer-
fließendem Schaum bemalt ift, fhwimmen mufchelblafende Tritonen. Gn
ähnliher freier Dekoration, wie fie die Franzofen zuerft bei ihren Jinn-
arbeiten anwandten, find verjchiedene Gefäße mit Fifhen und Seethieren
gearbeitet. Die Vorliebe der Standinavier für Alles, was mit der See zu-
fammenhängt, deutet darauf hin, daß die Eindrüde der fie umgebenden Natur
fih mit ihrem Empfinden verweben, aus dem heraus die fruchtbare nationale
285
Eduard Weel, Studie,
Runftübung entfteht. — Als intereffante Neuerung bemerken wir die fhon
an früherer Stelle erwähnten Däschen mit friftallifirter Glafur. Diefe Tednit,
die übrigens von der Ropenhagener Röniglihen Manufaktur erfunden wurde
und die fih lediglih für Meine Schmudgefäße eignet, zeigt am Rande und
In der Mitte unregelmäßig verftreut Meine Ariftalle, etwas größer wie die des
frifh gefallenen Schnees, mandmal aud in ftrahlenförmiger Zufammenfegung,
wie bei Eisblumen. Die Rriftalle werden durch einen metallifhen Zufat bei hoher
Temperatur des Scharffeuers ausgefhieden. Auch die Berliner Röniglihe Manu-
fattur bat fid) diefes Verfahren zu Nuke gemadt und bringt einige anmuthige
Schmudväschen diefer Art in blagelbliher und grauer Tönung, die leider im Verein
mit größeren impofanten Prunfftüden etwas an Wirkung einbüßen. Ju den
legteren gehören die fogenannten geflammten Befäße, bei denen man zwei
Hauptfarben: hinefifh roth und blaugrün unterfheiden kann; diefe fließen
nah allen Rihtungen auseinander und durcheinander, wodurd fehr intenfive
violete Tinten entitehen. Die Bemalung wird vollftändig dem Spiel des
Aufalles überlajfen und durch eine hemifche Reaktion auf Metalloryde während
des Bemalens erzielt. Als Beifpiele der nod wenig befannten pate sur
päte-Malerei find einige vergoldete Teller mit weißen Blumen auf gelbem
und grauem Grunde ausgeftellt. Die Malerei befteht darin, daß eine weiche
Porzellanmaffe auf das harte Porzellan mit dem Pinfel reliefartig auf,
getragen und durch einen nadtragliden, den fogenannten Muffel - Brand mit
der barten Maffe verfhmolzen wird.
Unter den Arbeiten mit metallifher Lüfterglafur verdienen die zum Theil
dem Mufeum angehörigen Steinzeuggefäße aus rothem Rupferliifter von den
Dänen Nevftedt die eingehendfte Betrahtung und Würdigung. Die
formen find breit und wudtig in ihrer großen Erfheinung; dem Gee
286
Deutfhe Runft
brauhszwede angemeffen. Perfönliher Befhmad und tünftlerifhes fein-
gefühl erreihen ihre hödfte Stufe in den dunklen felerlihen farbenafforden,
bei denen die verfehiedenen Schattirtungen von Roth und Gran mit dem
weißen Grunde des Unterglafur-Zinnfchmelzes fontraftiren. Die malerifde
Abtönung der Farben und die ftumpfe Wirkung des Grau verleiht den Ge-
fäßen ein ebrwiirdiges, alterthiimlides Ausfehen. Als Prunfftüde erften
Ranges feien Teller mit plaftifh aufliegenden Fifhen und zwei Skulpturen,
ein Adler mit vorgebeugtem Halfe (der übrigens ebenfalls als Gefäß gedacht
ift) und ein ausfchreitender Löwe hervorgehoben. Gn der Rraft der farben-
wirkung zeigen die fayencen von Reller und Guérin in Luneville nicht
minder intereffante Momente. Ein Bäschen mit durdhbrodenem Hals erinnert
in der fhwarzgelblihen Maferung an die Steinart Tigerauge, der opa-
leszirende Glanz in dunfelrothen, weitbaudigen Schüffeln und ampelartigen
Dasden erfcheint febr pifant und keineswegs aufdringlid, da fih das Lüfter
nur an fharfen Ranten und Biegungen fängt. Don großer Schönheit find
die gleihmäßig gerillten Bonbonnieren und Dafen. Das eigenartigfte Stüd
der Abtheilung befteht in einem großen blattförmig einwärts gebogenen Beden, bet
dem auf ftumpfgrauem Grunde im Metalllüfter fhimmernde Seethiere, See-
fterne, Rrebfe und Mufcheln eingebrannt find. Den Arbeiten Clément
Maffters wird man mehr Originalität als Schönhelt nahrühmen fönnen.
Die breiten Töpfe und hoben Rannengefafe befiken reht wunderlide
erfünftelte Formen, denen das ftarfe in allen Farben regenbogenartig
fptelende Lüfter ein phantaftifhes Ausfehen verleiht. Weniger berechtigt er-
fheint uns diefer violet-blaurothe Schiller bei einer flahen unregelmäßig
umgebogenen Schale mit einem Landfhaftsbilde, das eine Bebirgspartie mit
einem Diadufte Sarftellt.
Die deutfhen Fabrifanten Stahl in Berlin und Mehlem in Bonn
wetteifern mit den genannten Vertretern in der Gluth von farbe und Metall-
glanz. Die Arbeiten der Letzteren zeichnen fid durch goldrothes Liifter auf dunfel-
tothem Grunde von auferordentlidem feuer aus. Die familie Heider in
Münden ftellt Fayencen in Derbindung mit plaftifhen Derzierungen, wie
Eulenfdpfen und Eidechfen, aus. Die Dafen, meift in violetten Tönen ge-
balten, find mit regelmäßigen Ornamenten gefhmädt, ebenfo wie die leinen
reizvollen Gefäße von Ffolnay in fünffirhen (Ungarn), die mit einem Yleß
goldner Strahlen und Sternhen überzogen feinen.
Mit reihen Aufbauten und plaftiihen Steinzeugarbeiten in vielfarbigen
Glafuren haben mehrere Franzofen die BAusftellung befhidt. Bigot, Dal-
paprat und Lebros, Muller, Cahenal und Dammoufe. Die eben-
falls von den Japanern erlernte Herftellung, bei der übrigens Rünftler erften
Ranges mitwirken, gefhieht in der Weife, daß die farbigen Blafuren in den
verfchtedenartigften Bildungen einer didflüffigen Maffe neben und übereinander-
laufend an den Befäßen bezw. Skulpturen abträufeln, um in dem günftigen
Momente zu erftarren. Sehr vortheilhaft unterfcheidet fh das emaillirte
Steinzeug von anderem farbigen für Skulptur und Architektur verwendeten
Material. Die fatten farben in geringer Rompofition wirfen im Derein
mit der Blätte des Stoffes ungleich vornehmer als Terracotta und felbft
Porzellan mit bunter Ueberglafurmalerei. Don der firma Muller fei ein
Ramin mit reihem rothben und blauen Blattgewinde erwähnt, ferner die
graziöfen Figur der 3ufammengefanerten Eva, des Enieenden arabifden
Stiefelpugers und eine Benregruppe in blaugrauer Tönung: Die Heimkehr
aus der Schule: Ein Pleines Rind auf den Armen der Mutter ftredt feiner
berzutretenden mit Büchern bepadten Schwefter die Arme entgegen. Dal-
payrat und Lebros verftehen den bildnerifhen Shmud in zwanglofe und
origineller Weife anzuwenden. Hier fhmiegen fi Frauenleiber in ausdruds-
GET TIER Ne Fe ya
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Eduard Oel, Stier mit Hunden.
voller Bewegung an eine
Ranne an, die allerdings
faum nod als folde zu
erfennen ift, dort Klettern
zwei junge Lowen über den
Rand eines Bedens, oder
zwei Elephantentöpfe, mit
ihren einwärts gebogenen
Rüffeln die Hentel bildend,
fließen ih zu einem Ge-
fäß zufammen. Von Dam-
moufe in Sevres find erd-
farbige Porzellane und
Steinzeugarbeiten 3u feben,
Bigot bringt Befäße in
ftumpfen bolzähnlihen
farben zur Shau, Lahe-
nal wiederum Befäße mit
freier plaftifher Verzierung;
drei Yligen, in Waffer zer-
fließend, umfglingen den Hals einer grünen Dafe. Lange Sdhilfblatter bilden
ein Ziergefäß, das fid wie ein Blumenfeld zufammenlegt.
Auf dem Gebiete der Grdenwaare und dem Steingut mit der darakte-
riſtiſchen Bleiglaſur find mehrere bolländifhe und englifhe Firmen und der
Eduard
famteit am reihften, dem die Fülle der Erfcheinungen
zur Ceere wurde. Er fchwelgt, wo andere entbehren.
Jn feiner ftillen Riinftlerflaufe im vierten Stod der Rurfiirften-
frage in Berlin führt Eduard Odel ein foldes Leben.
Don feinen Skizzen und Bildern umgeben, die Seele er-
füllt von der Liebe für Sie Heimathnatur, ift ibm die Einfamteit
ein willfommener Befährte. Er bat hart unter des Schidfals
Prüfungen, SFamilienleid und Berufsbitterfeiten, gelitten. Ein
äßender Reft ift in dem Dereinfamten 3uriidgeblieben; aber die
Freudigkeit an feinem Wert und einiger Getreuen überdauernde
Fsteundfhaft ift die Sonne feines Alters.
Eduard Odel zählt zu unferen beften Thiermalern. Vor
wenigen Jabrzebenten war er modern. Gefrdnte Haupter und
Sinanzgrößen haben fic) beeifert, ihre Galerien mit einem Odel
zu bereihern. Der Bejhmad Ser Gegenwart geht andere
Bahnen. Heut ftebt Temperament und Handgelenf hod im
Rurfe. fiir Odel find die Preife gefallen. Da er jedod immer
nod Gemiith und Fleiß gleih hock einfhätt wie in befferen
Jahren, jo läßt ihn die Welt mit feinem Ueberfluf an Bildern
allein und gebt zu den Modernen faufen. Unter der Schaar
der Maler giebt es ftets nur wenige, die ihre Hingabe der Thier-
welt widmen. Meift wedt das Landleben diefen Sinn. So find
Potter, Troyon, Rofa Bonheur aus dem intimen Zufammen-
leben mit der Yatur 3u Pfydologen der Dierfüßler geworden.
Bei dem fonfequenten Realismus der Holländer it das Objekt
an fid der Bipfel des Gntereffes. Die foloffalen Gliedermaffen,
das intenfive Colorit, die wudhtige Silhouette des Thieres be-
geiftern fie in demfelben Maße zur Beftaltung, wie etwa ein
naturaliftifher Ausschnitt der Wirklichkeit den Dramatiker, ein
formengewaltiges Lebewefen den Bildhauer padt. Jedes Werk
des Rünftlers wird zum Jeugen feiner Gndividualitit. So
fommentiren die fattgeweideten, leidenfchaftslofen Heerden das
Wefen der Yliederländer ebenfo beredt, die geiftvollen Thier-
harakter-Typen Landfeers das Volt Shakefpeares, wie die
ftimmungbefeelten Dierfüßler Troyons und Jaques das Empfin-
dungsfluidum der Barbizon-Sdhule. Der deutfche Träumer liebt
es, die mufitalifhe Note der Landfhaft in der Thierftaffage
ausklingen zu laffen. Sonnenwittern liegt auf Rréners Hirfchen
bei den Schäßen der eigenen Seele ift des Viel-
erfahrenen höchfter Cebensgenuf. Der ift in der Ein-
Eduard Heel, Studie.
Deutfhe Rung. 287
Miindener MalerS h mu 3-
Baudiß vertreten. Diese
Runt bat etwas Ubfidt-
lies in der Nahahmung
der primitiven ländlichen
Töpferei, entbehrt aber
nidt ganz eigentbiimlider
Reize, die in den plumpen,
oft unregelmäßig verar-
beiteten formen und einer
mit dem Grundton des
Materials, meift gelb und
braun, fein 3ufammenge-
fimmten Bemalung be-
ftehen. Bisweilen find aud
ornamentale Verzierungen
in die Maffe eingerigt.
Endlid fei auf die
dem Mufeum entliehenen
JSayencen der modernen
japanifhen Jnduftrie hingewtefen, die 3um Dergleid herzugezogen find, weil
fie die Ausgangspunfte der europäifchen Fortfchritte bilden und die ver-
fhiedenen nun bei uns eingebürgerten QTechnifen in großer Vollendung
zeigen. Rarl Rrummader.
Ofel.
in der morgendämmernden Bebirgslandfchaft, verträumte Befhau-
lichkeit auf den Rüben Braiths in ihren gefunden Criften. Aud
Eduard Odel verfteht es, Natur und Thier in barmonifche Be-
3iehung 3u feben.
Als Sohn des fsnigliden Oefonomierath Odel ift er auf
den Lande groß geworden. Jn Schwante im Ofthavelland ift
er am J. Februar 1854 geboren. Er beobadtete fhon früb
von den Höhen aus die feinen Stimmungen Ses Oderbruds.
1847 fam er nad Berlin auf die Realfchule und malte feit 1849
in feinen freiftunden beim Landfhaftsmaler John, 1851 wurde
er auf Drängen feines Daters Landwirth, fam jedoch) fdon 1852
zum fpäteren Direktor der Rönigsberger Runftafademie Profeffor
€. Steffed. Hier blieb er bis 1857 und erhielt einen Auftrag
des landwirthfcdaftliden Minifteriums zum Malen verfchiedener
Rubraffen. Nebenaufträge brachten ihm bald foviel ein, daß er
1858 nad Paris geben fonnte. Dort malte er Dormittags im
Atelier Couture. Nachmittags ffizzirte er um Sen Montmartre
Menfhen, Thiere und Landfchaften. Ebenfo madte er fpäter
in der Normandie fleißig Naturaufnahmen. Der Beethoven der
modernen Landfhaft, Dupré, war von Odels Talent fo entzüdt,
daß er ihn auf eine Studienreife einlud. Ebenfo erbat Trovon,
als er Odels Bilder im Salon 1859 fab, feine Reifegefellfdaft.
gm Sommer mufte der Riinftler feine Studien unterbrechen, um
feine Mutter nod) vor einer gefährlihen Operation zu fehen. Er
malte in feiner Heimath das Bild „Rüde am feenteid) im
Walde von fontainebleau“, deffen Verkleinerung mit noch drei
anderen Bildern im Befig der Berliner Nationalgalerie if. Jm
Herbft 1860 fiedelte er nad) Berlin über. Er verließ die Stadt
nur auf Monate, um in der Scorfheide das Familienleben des
Rothwildes und die feinen Stimmungen der märkifhen Land-
[haft zu ftudiren. Blänzende Erfolge belohnten feinen Fleiß.
Das Bild „Heimkehr im Oderbrud“ erwarb Raifer Wilhelm I.,
den , Hirfhtampf' Fürft Pleß, vier lebensgroße Jagdbilder fürft
Lihnowsfvy und zahlreihe Werke gingen in Privatbefig über.
Auf der Weltausftellung in Melbourne erhielt der Künftler die
Große goldene Medaille. Mod heute wandert der Dierundfedhzig-
jährige Surh die Mark, um fie in ihren intimen Reizen 3u be-
laufhen. Eine märkifhe Kiefer, behauptet er, fei fhöner, als
die edelfte Pinie Jtaliens. Er wurzelt feft in feiner Scholle, wie
fein heimifcher Cieblingsbaum. Jarno Geffen.
288
Deutfhe Runft
Die Burne: Jones-Ausftellung bei Keller und Reiner.
achden Ser Norweger €. Mund mit feinem fomboliftifchen Firlefanz bei
Reller und Reiner das ‚Feld geräumt hat — außer vereinzelten, talent-
vollen Portraitf lizzen fhien diefe Sammlung Mund'fher Zeihnungen
und farbiger £itograpbien jede ernfthafte Rritif auszufchließen — haben wir Belegen-
heit, uns mit dem großen Prärafaeliten Burne= Jones zu befaffen. €s ift
bedauerlid, daß wir diefen Scharf geprägten Typus eines ganzen Rünftlers, der
in allen Stiiden fic) felber treu geblieben ift, was wir and als ein Zeichen
feines beifpiellofen Erfolges deuten, nit in feinen fertigen Bildern, fondern
lediglih in Studien und Skizzen würdigen fönnen. Die Beurtheilung diefer
vorbereitenden Arbeiten dürfte für ein großes Publitum, das mit Recht immer
ein abgefdloffenes Runftwerf verlangt und fic) nur mit dem Endziel und Er-
gebnig der Studien zufrieden ftellen läßt, micht leicht fein. Wer ohne das
Werf des Meifters wenigftens in großen Zügen nah Wiedergaben 3u fennen,
mit den Erwartungen eines hoben fünftlerifhen Genuffes an die Blatter here
antritt, der wird fih zweifellos enttäufcht fehen. Man glaubt es den Studien
anmerken zu fönnen, daß fie nit für irgend weldhe Wirkung, überhaupt nicht
für einen Zweiten und Dritten beredhnet find, fondern allein dem Rünftler einen
Anhalt geben follen, um fih über die Ronzeption im Allgemeinen und über
die Einzelheiten der form flar zu werden, ähnlih wie die Bildhauer ihre
Heihnungen rein jahlih und konftruftiv anlegen. Unter diefen 50 Bleiftift-
zeihnungen auf weißem oder getöntem Papier, den Notizen und Angaben
mit Boldftift auf farbigem Grunde, den Paftellen und Aquarellen befindet
fih faum ein Blatt, das auf den malerifhen Effekt gefehen und in der Ab-
G. Eilers, die lidhelnde Dame von Van Dyg.
JSriiberer Zuftand der Platte.
fiht einer Bilderfheinung mit Efprit und Temperament gejhaffen wäre. Die
Tonwirfung fiir die Malerei ift nur in einigen Rdthel- und Rreidezeihnungen
zum Ausdrud gebradht. Jm Allgemeinen dürfte man die Arbeiten als
Fundamente und Berüfte zu jenem gewaltigen Bau auffaffen, den der Rünftler
in feiner Dollendung fo Mar vor Augen fieht, daß er es für iiberfliiffig hält,
feine Schaffenskraft in technifchen Vorbereitungen zu erproben. Bleihwohl
interefiren diefe Studien im höcften Grade durch die Alarheit und Ehrlichkeit
det Ronzeption und die damit zufammenhängende Einfachheit der angewandten
Mittel; in den mit hartem Stift geftrihelten Röpfen, den Alten, Bewegungs-
und Bewandftudien, allenthalben offenbart fih die Stärke einer tief angelegten
Rünftlernatur, die feinen Augenblid ins Shwanfen geräth über die vorgeftedten
Diele und die geeigneiften Wege, die ihnen zuführen. Ueberall fühlt man
durch, worauf es dem KRünftler anfommt, nämlih auf die elegifhe Stimmung
in feinen zum Theil febr figurenreiden Bildern. €s ift feine Senti-
mentalität in diefer Stimmung, eher eine erhabene, weltflühtende Melandolie,
eine verhaltene Bangigfeit, der der Entfhluß zum Handeln fehlt. Diefe
Köpfe bliden einen tief und durhdringend an im ihrer feinen vergeiftigten
Schwermuth; jede grobe Sinnlichkeit ift ihnen unbefannt, felbft die Sirene mit
ihrem zwingenden Blid hat nichts Lüfternes in ihrer Verlodung. Die toben
Leidenfchaften find geadelt — man betradte die Studie „Furor" und „Dolor‘*
oder den Kopf des Bavein in „Morte H'Arthur‘‘ — nirgendwo ift der Aus-
drud bis zur Derzerrung übertrieben und dod ift das feelifhe Moment fharf
herausgehoben, das Mienenfpiel der Befihter mit einer bewundernswertben
Prägnanz feftgehalten. Das Padende aber in der
Anfhauung Burne-Jones, das fih von feinen größten
Schöpfungen bis in die unfheinbarften Studien ver-
folgen läßt, beruht in der einheitlihen Durhbildung
feiner dem realen Leben entrüdten Jdealgeftalten,
die aber fleifh und Blut beigen und für den eng-
lifhen Doltstppus ungemein bezeihnend find. Des-
balb fönnen wir uns nidt — und vielleiht nob
weniger die fiidliden Ddlfer — mit dem Schönheits-
typus befreunden, deffen Charakter der Maler be-
fonders in feinen zarten, überfchlanfen Frauengeftalten
mit dem vorfpringenden Rinn, der leidt einwärts
gebogenen Nafe fo meifterhaft getroffen und jeelifch
vertieft bat.
Etwas vom Kupferftich.
Aus der Werfftatt des Profeffor Eilers.
Bei der feier des einundadtzigften Geburtstages
Adolf Menzel’s wurde dem Jubilar eine Ehren-
gabe überreicht, welde die Föniglihe Runftverwaltung
für ihn hatte ausführen laffen, in der Hoffnung,
ihm damit „eine Peine Freude zu mahen“: Es war
der erfte Aetzörud der von Prof. Eilers gefdhaffenen
Platte nad des Meifters Bilde in der Ravené-
Balerie „Ftiedrih der Broße auf Reifen‘.
Menzel, ein tiefer Kenner aller grapbifden
Runftweifen, fprad dem Meifter der Platte feine hödjfte
Bewunderung für die vollendete Nahfhöpfung feines
Werkes aus. „Hätten Rafael Sanzio und Midel
Angelo foldhe Wiedergaben ihrer Werke erlebt, wie
glüdlih wären fie gewefen.“
Eilers bat feine damals in den Anfangsftadien
vorliegende Arbeit (etwa das Stadium unferer erften
Abbildung) nunmehr vollendet; es ift, wie es in un=
ferer zweiten Abbildung jest vorliegt, ein Werf ge-
worden, würdig des Schöpfers des Bildes und würdig
des Meifters der Platte.
Es dürfte interefjant fein, an der Hand unferer
beiden Abbildungen diefes Blattes und der beiden
nouftande der van Dyf’fhen „lähelnden Dame“
aus der Galerie in Caffel, einer früheren Arbeit
Deutfde Run ft.
von Eilers, die wir aud bringen, der Schaffensweife des Rünftlers und
der Technik des ARupferftihs nachzugehen.
Immer nob ift im großen Publitum die Anfhauung fehr verbreitet,
daß die Nahfhöpfung eines Werkes der bildenden Kunft duch einen Stid
etwas Mechanifches, eine Kopie, fei. Diefe Anfhauung ift völlig verfehlt.
Abgefehen davon, daß eine geiftlos ſtlaviſch ſchaffende Menſchenhand nimmer
fähig wäre, irgend ein Bild im peinlichften Sinne treu zu fopiren, zeigen die
medhanifden Reproduftionsarten, die auf der Photographie beruhen, wie wenig
zulängli gerade fie für die Wiedergabe des Geiftes eines Bildwerfes find.
Der Maler hat bei der Schöpfung feines Bildes ein Mittel zur Hand, mit
defen völligem Ausfallen der wiedergebende Rünftler rechnen muß: es ift die
farbe, die dur ihre Begenfäge bedingten Ausdrudsmittel. Auf jedem Bilde
giebt es Partien, die, in einem vollfommen gleihmäßigen Tonwerth
fhwebend, fih dodh in ein reihes Spiel von farben auflöfen, die aber nur
duch ihre „alten und warmen Begenfäte, nicht durch die hellen und dunklen
Rontrafte ih von einander abheben. Der nahbildende Stecher ift gezwungen,
diefe Farbgegenfätze durch die Derfchiedenheit feiner Stridlagen und Wegungen
zu harakterifiren. Er muß den Maler in feinen tief innerften Abfihten ver-
ftehen ; denn er fann ihn niht kopiren, er muß ihn überjegen.
Wodurh Eilers bei feiner Nahfhöpfung des Menzel’fhen Bildes,
der überaus fomplizirten und zur Wiedergabe der ftofflihen Begenfäre bis
ing Aleinfte berechneten Technik des Meifters fo vollendet gerecht werden Fonnte,
it die von ihm angewendete Verbindung von Grabftidhel und Radirnadel.
für die Schöpfung eines Aupferftihes wird eine duch Hämmern und Walzen
in ihrem molekularen Gefüge möglihft gleihmäßig bhergeftellte Rupferplatte
mit einem gegen Säuren widerftandsfabigen Harz-
überzug, dem fogenannten Aekgrund, überzogen.
Die Zeihnung wird nun nicht, wie beim Holzfhnitt,
erhaben berausgearbeitet, fondern vertieft eingegraben.
Beim Drut werden die vertieften Linien mit Shwärze
ausgefüllt und das leicht angefeudtete Papier dann
fo auf die Platte gequetfht, daß es fih in all diefe
Linien bineinpreßt, jo daß im Drud nachher die ein-
zelnen Linien eigentlid) erbaben über der Flade
des Papiers ftehen; daher aud die große Schonung,
die der Liebhaber feinen Blättern zu Theil werden
läßt. Er legt ftets eine Schicht von Seidenpapier auf
fie, damit dur den Drut in den Mappen die zarte
Arbeit niht verlegt werde. Zum Eingraben der
Linien in die Platte dient der Grabftihel, ein
fantiges, fdrag angefdliffenes Stablftäbhen mit
einem = fnopfartigen Griff, und die Radirnadeln,
Stablnadeln von verfchiedener Starke, die in bleiftift-
artigen Hiilfen fteden. fiir den fogenannten Linien-
ftih, den der Rupferftecher durc vor fic) Herfthieben
des Grabftichels mit parallelen und gefrenzten Strih-
lagen in die Platte gräbt, wird diefe meit niht erft
mit einem UAeggrund überzogen, fondern auf der
blanten Metallflähe gearbeitet. Der Wegrund wird
Bedingung, fobald die Radirnadel verwendet wird,
mit der man frei zeichnend, etwa wie mit der Feder
bei ‚federzeihnungen, arbeitet. Die mit dem Aeg-
grund verfehene Platte wird mit einer Wadsfadel
gleihmäßig angefhwärzt; nun ðurhfhneiðet der
Radirer mit feiner Nadel beim Zeichnen den Aet-
grund, fo daß nah Dollendung der Platte die Heidh-
nung in dem rothen Aupferton auf der fhwarzen
Slade erfcheint. Die Linien find nun fo bart, dag
fie bei mehrfahem Abdruden bald in dem weihen
Rupfer der Platte verdrüdt fein würden. Sie werden
deshalb geäßt, d. h. die Platte wird mit Scheide-
wafjer iibergoffen, das all’ die Stellen, die vom
Aergrund entblößt find, alfo die Zeihnung, angreift.
„Das Sceidewafjer ift entweder die Derzweiflung
oder das Entzüden des Rupferftehers‘, fagt fdon
Goethe, der fih in Leipzig eine Zeit lang viel,
aud felbftthatig, mit der Aupferftecherei bejhäftigte.
On der That gebört eine auf großer Erfabrung
gegründete Urtheilsfähigfeit dazu, um zu willen, wie
lange man in jedem einzelnen falle die Säure
289
wirken laffen muğ. Wenn die Aezung vollendet ift, wird der harzige
Grund mit Terpentin von der Platte abgewafhen und der Steher nimmt
nun in der Regel erft einen Probedrud, um das Refultat feiner Arbeit zu
beuttheilen. €r bat es in der Hand, an der Platte nod nacber mit der
fogenannten falten Nadel, ©. h. obne Aegung, weiter 3u radiren. Die Probe-
drude in den jeweiligen Entwidelungsftadien der Arbeit nennt man états
oder Zuftände. Sie find von Kennern fehr gefudt, da fie ermöglichen, dem
Rünftler bei den leifeften Regungen feines Schaffens zu folgen. Da die weide
Rupferplatte naturgemäß nur eine bejhränkte Anzahl von Druden hergiebt,
ohne zu leiden, fo bat man nach einem Mittel gefudt, die Platte zu bärten,
und hat dasfelbe in der galvanoplaftifhen Derftählung der Platte gefunden.
Die erjten Abzüge von jeder Platte werden als Vorzugsdrude (Drude vor
der Shrift) von den Liebhabern und Sammlern gefhätt. Man hat fogar
von befonders koftbaren Stihen nur Dorzugsdrude abgezogen und die Platte
dann in fo viele Theile zerfehnitten, als Drude waren. Jeder Käufer eines
Drudes erhielt dann einen folden Theil der Platte als Garantie.
Die beiden erats der „lädhelnden Dame" von Eilers, die wir bier
publiziren, find typifche Beifpiele des mit Grabftideltedbnif hergeftellten Linien-
ftihes; da hierbei jeder Strid, Ser einmal in die Platte gegraben ift, faft
irceparabel bleibt, fo muß der Stecher natürlihd mit der größten Dorfidt vor-
gehen. Wir fehen, wie der Riinftler fic in der erften Platte die Rontouren
eingefdnitten und dann mit punktirten Linien die Grenzen aller Schatticungen
in fleifh und Gewand leicht umriffen hat. Jm zweiten état hat er dann
an der Hand diefer Umriffe mit dem Brabftihel das Bewand durhmobellirt
In fpäteren Etats wird in derfelben vorfidtigen Weife die Platte bis zur
6. Eilers, Die lächelnde Dame von Van Dye.
Späterer Zuftand der Platte.
290
Dollendung weiter bearbeitet. Der Aetdrud des Blattes nah Menzel ift der
Juftand, wo zum erften Male der Aekgrund von der Platte entfernt ift.
Wir fehen, daß die Luft nod ganz ausgelaffen, die Gefidter sum großen
Theil nod gar nidt durhmobdellirt find. Die Hauptfadhen treten nod nicht
heraus, die Ylebenfahen drängen fih vor. Wie viel nadhber nod mit dem
Stihel und der falten Nadel gefchehen ift, zeigt das zweite vollendete Blatt.
Zum erften Mal wandte Eilers die Rombination von Radir- und Stichel-
‘tedni? an, ale er bei der Nahfhöpfung der Rubens'fhen „heiligen Cäcilie"
im Berliner Mufeum vor die Aufgabe geftellt war, die geiftreiche, fehillernde
Technik des großen Meifters zu interpretiren. Die Aufgabe wurde ihm da-
mals erfehwert dadurch, daß während feiner Arbeit, die fic) über die Fabre
Deutfde Runf.
1S90—JS9J ausdebnte, das Bild reftaurirt, fpätere häßlihe und unverftändige
Uebermalungen entfernt wurden. Er hat darauf bin die faft fhon vollendete
Platte nod einmal ganz überarbeitet. Das Blatt, wie es nun vorliegt, ift
eine geradezu Maffifch zu nennende Wiedergabe des Bildes. Augenblidlich
hat Eilers die Dorarbeiten zu einem Stih der „heiligen Naht‘ von Coreggio
in der Dresdener Galerie unter feinen Händen. Derartige Stihe nach
Haffifhen Bildern muß man als feine Lebensaufgabe betradten, er giebt
bierin das hödhft Erreihbare.
Anmerkung der Redattion. Die Frühdrude des Eilersfhen Stibes
nad A. Menzel „Ftiedrih der Große auf Reifen“ gelangen in der Kunft-
handlung von Amsler & Ruthardt, Berlin, Behrenftraße, zur Aushändigung.
Die Große Berliner Kunftausftellung 1898.
Dorbetradtungen.
an fann über die Bedeutung der Berliner Jahresausſtellungen
verſchiedener Anfidht fein, eins wird fid) nidt leugnen laffen, wir
find an einem Wendepuntte angelangt zum Befferen oder —
Schledhteren. Die fhwebenden Fragen drängen nad einer Lofiing, es fommt
darauf an, wer fie mit größerer Energie in die Hand nimmt, die ,,Gungen"
oder die „Alten“. —— EP
Der ganze Habitus der diesjährigen Ausftellung zeugt von einem
allgemein anerkannten Reformbedürfniß. Der Jury bat offenbar die Idee
einer nationalen Eliteausftellung vorgefhmwebt, fie ift befonders ftreng vor=
gegangen und bat etwa die Hälfte der eingefandten Runftwerfe zurüd-
gewiefen. Die Probe auf die Berehtigung diefer Strenge läßt fid nur an
der Hand des nad der Sichtung übrig gebliebenen Materials anftellen, und
man wird mit wehmüthiger Freude fonftatiren dürfen, daß fih das Durd-
f&nittsniveau ein wenig gehoben bat. Cine Eliteausftellung if nicht zu
Stande gefommen.
Die Jury befteht iher aus „ehrenwerthen Männern“ und wenn fie bei-
nahe die „Worpsweder in corpore von der Schwelle der Ausftellung
zurüdgemwiefen batten, fo find fie vermuthlih von der Ueberzeugung aus-
gegangen, die fih mit dem Bibelworte fenngzeidnen läßt: „Was fann aus
Worpswede Gutes fommen? Als Privatüberzeugung mag das gelten, als
Blaubensbefenntniß einer Jury ift es nicht unbedenklih und regt zu der frage
an, ob die genannte Rorporation im ihrer derzeitigen Sufammenfesung zu
einem vollgiltigen Ausdrud der fünftlerifhen Zdeen unferer Feit berufen ift.
Bei all! den Anfehtungen, denen eine Jury gewohnheitsgemäß ausgefegt
it, muß es wunderbar erfheinen, daß noch teins ihrer Mitglieder auf den
Gedanfen gefommen ift, zu fagen: „Wir haben dte Sade fatt, nun laft es
einmal „die Anderen‘ verfuhen! Wer auh „die Anderen“ fein mögen, fie
werden fid ihrer Miffion nicht entziehen fönnen und gezwungen fein, etwas
„2inderes", hoffentlih Befferes zu Stande zu bringen. Daß die ,, Refuses
dabei ihre Rednung finden, ift faum zu erwarten, ja, die „Anderen“ würden
G. Eilers, Friedrich der Grofe auf Reifen, von 4. Menzel.
früherer Zuftand der Platte.
Deutfhe Runft.
porausfidtlidd nod viel ftrenger vorgeben miiffen, um — eine Eliteausftellung
3u fcaffen, die dem modernen Befhmad in erhöhtem Maße Rednung trägt.
om Grofen und Banzen will uns bedünfen, daß die Majoritatsherrfdaft
überhaupt auf dem Gebiete der „freien Runft nidts 3u fagen hat. Die
Minorität muß zu Worte fommen, fobald es fih um neue Fdeen handelt.
Die Strenge der Gury hat der Hängefommiffion augenfcheinlich die Arbeit
erleichtert, nahdem ihr der für die Gubilaumsausftellung hergeftellte Umbau
die Wege geebnet. Heimlihe Räume, zum Verweilen auffordernde Winkel,
Rubepuntte fiir das bildermüde Auge find aud jert no nicht gefchaffen, aber
die Wendung zum Befferen ift überall erkennbar. Die vornehme Leere der
Stulpturenhalle ift dem früher regellos aufjchießenden Statuenwald unbedingt
vorzuziehen. Man hat von der Dresdener Ausftellung gelernt, um die Bild-
werke herum eine Art grüner Auliffe zu fchaffen, den gärtnerifhen Anlagen
ift fogar ein etwas größerer Raum zugewiefen worden als bisher, aber die
dichten Wände aus Fichtenzweigen, das mit faftigem Rafen umfränzte Wadfer-
bafjin in Dresden wirkten dodh ganz anders als die fpärlihen Blattpflanzen
und gelegentlid an den Wänden aufgehängten Rränze. Die Bruppirung der
Bildwerfe in den langen Umgängen, die den hinteren Theil des Ausftellungs-
gebäudes umgeben, ift ein entfhiedener fortfdritt, da fid) bier Gelegenheit zu
zwanglofem, in fih gefhloffenem Aufbau bietet und fo der fortfall der un-
fäglih gefhmadlofen Zwifhenwände möglih wird. Hat man fih erft einmal
entfdloffen, das Sonderarrangement der Bildwerke ganz aufzugeben und den
glänzenden Marmor, die matt fhimmernde Bronze mitten in die Welt der
Farben bineinzufegen, fo wird wohl endlih das zu Stande Inmmen, was fih
als ein dem Auge wohlthuendes Arrangement bezeichnen läßt.
Bei Gelegenheit der vorjährigen Ansftellung erlaubten wir uns den
unmaßgeblihen Dorfchlag, einzelnen Rünftlergruppen die Dekoration der ihnen
überwiefenen Säle und Compartiments zu überlaffen und fo zum Wetteifer
anzuregen. Statt deffen it man nah Schema f. mit uniformer Rorreftheit
vorgegangen und bat im freudigen Gefühle der glüdlih vermiedenen Bilder-
fülle die Wände mit einer einzigen fortlaufenden Reihe von Bemälden um-
291
zogen. Das ift bequem fiir die Hangefommiffion wie fiir den Befdauer,
aber fhön ift es nidt. Auch die Derftreuung der Werke einzelner Meifter
wie der Mehrzahl der lokalen Verbände über die Befammträume will uns
nit gefallen. Man muß fih feine Skarbina's, Leiftifow'’s, Herrmann’s,
feine Worpsweder und Rarlsruher mühfam zufammenjuden.
Einen wefentlihen fortfepritt bedeutet die gefhmadvoll arrangirte Sonder-
betheiligung der Architekten und die oft von uns befiirwortete Heranziehung
des Runftgewerbes. Mit der Lewteren ift man ein wenig angftlidh vorgegangen.
Das Ausland und die ert im Juni zu eröffnende Separatausftellung des
Miindhener Vereins für Runft und Handwerf miiffen bier die Hauptfoften
tragen. Berlin tritt befcheiden in den Hintergrund und läßt den Bäften den Dor-
tritt. Das ift vornehm, zeugt aber von zu viel oder zu wenig Klugheit. Aud
die Separirung des Runftgewerbes will ung nicht gefallen. Bildnerei, Malerei
und Runftgewerbe gehören nicht nur idcell zufammen, fondern find aud nur
vereint im Stande, wohnlihe, zum Derweilen einladende Räume zu fhaffen
und eine Stimmung berporzurufen, die für das Schöne in abwedfelungs-
reiher Form empfänglid erhält.
Auch in der diesjährigen Ausftellung fehlen die eigentliden Clous, ja,
man wird fagen fonnen, daß fih auf dem rechten wie auf dem linfen flügel
gewiffe Cüden bemerkbar mahen. Diele der alten bewährten Meifter haben
fih entfagungsvoll fern gehalten, und von den Jungen wird man die
Extremften vermiffen, ein Umftand, deffen Urfahen wohl nur zum Theil in
der Strenge der Jury zu fuden find.
Der Derminserung der Separatausftellungen einzelner Rünftler ftehen wir
ohne fonderlihes Bedanern gegenüber. Der Belgier Van der Stappen ver-
dient einen folden Vorzug und der Rarlsruher Doldmann ift intereffant ge-
nug, um ihn zu rechtfertigen. Gm Uebrigen mag die Sonderausftellung ein
Dorreht berühmter Todter, wie Mifolaus Geiger bleiben, die aus dem Wett.
bewerb ausgejhieden find und die gleidhe Vertheilung von Liht und Wind
nidt mebr ndthig haben.
6. M.
D UU AS üüüüü———
G. Eilers, Friedrich der Große auf Reifen, von UWA. Menzel,
Späterer Zuftand der Platte,
Deutfhe Runft.
Bermifchtes. y
— Ein verfdhollenes Bildnif von
Anton Graff. Das von Anton Graff ges
malte Bildniß des Naturforfhers Johann
Reinhold forfter, der Cool auf feiner Welts
reife in den Jahren 1772—1775 begleitete
und der zuerft den Dorjchlag machte, Auftralien als fünften
Welttheil anzuerkennen, war, wie R. Muther in feiner Mono-
graphie über den großen Bildnigmaler mittheilt, verfchollen. Diefes Porträt,
das durch den Rupferftid von
Johann Friedrich) Baufe befannt
if, wure vor Aurzem wieder
aufgefunden und ift gegenwärtig
im Befigke des Buchbandlers
Otto Schüße in Düffeldorf. Jo-
bann Reinhold forfter entftammte
dem Haufe der jchottifhen Lords
Sorefter, die wegen politifcher
Unruhen ihr Daterland verließen
und in Preußifh-Polen ibre
neue Heimath fanden. Er ift
der Dater Georg forfters, des
Meinzer Alubiften, der, in die
Reichsacht erklärt, 1794 in Paris
feinen Tod fand. Anton Graff
bat J. R. forfter im blühenden
Mannesalter dargeftellt und ift
im Ausdrud ungemein lebendig.
Wit Redht fagt Mar Gordan
von Anton Graff, daß feine
Geit und Leben fprübenden
Bildniffe feinen Namen unfterb-
lid maden. Das Bildnig Jo-
hann Reinhold Forfters gehört
zu den interejjanteften Arbeiten
Anton Graff's.
Auriofa ans Atelier und
MWerkftatt.
— Runft- und Sdhube
zoll. Das Jollamt in New-
Vort ift durd die Affaire Bol-
dini aktuell geworden. Befannt-
lid batte Giovanni Boldini eine
Anzahl feiner Bemälde behufs
einer fpäter wieder zu erportirenden Ausftellung zollfrei ausgeführt.
Die Gemaldefammlung, beftehend aus Porträts der fiirftin Poniatowsty,
der franzöfifhen Schaufpielerin Mille. Tonda, des amerifanifhen Malers
Whbiftler, des Grafen d’Efprit, des Komponiften Derdi und der frau Adolph
Ladenburg, wurde bei Bouffaud, Dalladon & Co. ansgeftellt. Bei der Ein-
führung hatte Boldini den Werth des Porträts Verdi's, angeblih des einzigen
vorhandenen Bildes des großen Tonfiinftlers, und das Porträt der frau
Adolph Ladenburg mit je 1000 francs angegeben. Folldeteftive Craitteur
ermittelte nun, daß Boldini dags Porträt Verdi's hier an eine Parijer Dame
fiir 5000 Doll. verfauft babe. ferner will der Beamte fchwerwiegende Bee
weife dafür erlangt haben, daß Boldini der fran Ladenburg ihr Porträt
bier fiir 3000 Doll. abliefern wollte. Daraufhin erfolgte die Konfiszirung
der Bilder.
Das Shakamts-Departement hat nun Traittenr's Derfahren gut gebeifen
und angeordnet, daß fammtlide Gemalde durch die Behörde der „Beneral
Apraijer auf ihren Werth zu tagiren find. Stellt fic) heraus, dağ Boldini
bei der Folldeflaration die Bilder um weniger als 50 Prozent angab, fo
bat er zur Strafe das Doppelte der auf diefelben entfallenden regulären
Hollgebühren zu entridten. Hat er aber den Werth der Bilder um mehr als
50 Prozent niedriger angegeben, wie bei den Porträts von Verdi und frau
Anton Graff, 3. R. Forjter.
Vermifchfes. Buriofa aus Alfelier und erkfaft.
Gedanken iiher hildende Kunſl.
Ladenburg behauptet wird, jo folgt die endgiltige und abjolute Konfiszirung
und der Verlauf der Bilder durch die Zollbehörde, deren Thätigkeit auf dem
Gebiete der Runft dem Staate nicht unerheblihe Einnahmen verfhaflt.
Durdhfednittlid tommen im Monat 150 Bemälde zur Zollabfhägung
oder 6 bis 7 pro Tag. Der Werth diefer Runfterzeugniffe variirt natürlich
ganz bedeutend. Das Loftfpieligfte Gemälde, das je den Hollabjhägern vor-
gelegen bat, war der berühmte „Angelus! von Millet, defen Werth mit
105 000 Dollars angegeben war. Als es befannt wurde, daß der frühere
Einfuhrzoll auf Bemälde wieder bergeftellt werden follte, wurde der Gmport
feitens Privater wie Händler
befhleunigt. Nicht Jedem gelang
es jedoch, rechtzeitig feine Ge-
mälde zu landen, eine große
Anzahl traf ert nadh Inkrafte
treten des neuen Tarifs ein.
Darunter befand fid eins im
Werthe von 100000 Dollars,
und das Derfäumen des Termins
bedeutete in diefem fall fiir
den Gmporteur einen Derluft von
20 000 Dollars, weldhen Betrag
er für Zoll zu erlegen batte.
Die theuerften Bemälde fommen
von England und Frantreid,
obgleih aud Deutfhland und
befonders Münden viele aus-
gezeichnete Aunfterzeugnifie
liefert. Schwierig ift die Joll-
bewerthung, fowie es fid um
das Erzeugniß eines verhält-
nigmäßig unbefannten Malers
handelt. Lerterer braudt den
Preis des Bemäldes niht zu
deflariren, fofern deffen Werth
nod nidt 100 Dollars beträgt,
und diefe Methode ift feitens
mandher Gmporteure eine be-
liebte, um die Zollzahlung zu
umgeben. ar
Gedanken über bildende
Zunft,
„Der Dilettant ift ein ge-
fteigerter Liebhaber. So wie
diefer, Pann auh er viele, ja
bedeutende Cinfidt in das Wefen einer Runft, ja felbft eigene FJdeen von
größerem oder geringerem poetifhen Gehalte haben, nur fehlt ibm bei
allem Streben dod) das Dermdgen einer geniigenden Darftellung. Golde
Leute fommen im Leben bäufig vor. Sie find, wenn ihre Auffaffungs-
gabe mit Selbjterfenntnif und Befcheidenheit gepaart ift, bodft lebens-
wiirdig und intereffant. Was fle hervorbringen, entzüdt ihre Freunde, weil
diefe im Stande und in der Stimmung find, das fFeblende der Darftellung -
aus ihrer Renntnif des Derfaffers 3u fuppliren, und eine gemifje Unbeholfen-
heit in der Anwendung der Mittel wird nicht
felten zu einem eigenen Reiz, wie das Lallen
des Rindes der Mutter entzüdender Flingt als
aller Wobllaut der Didhtfunft im Munde der
Mujif. Beim Dilettanten gilt immer der Wille
fürs Werk, indef ein Rünftler nur derjenige ge-
nannt werden kann, der aud ins Werk zu fetzen
vermag, was er will. Wer das Schöne weder weiß
nod fiiblt, ijt ein Tropf; wer es fiiblt, ein
Liebhaber; wer es weif, ein Runftphilofoph; wer,
was er davon fühlt und weiß, auszuführen ftrebt,
ein Dilettant; wer es ausfiibrt, ein Riinftler.“
Grillparzer,
— —
Deutfhe Runft.
293
Deutfche Kunft in Brüfjel.
Die Betheiligung der Deutfhen bei der internationalen Runftausftellung
der Société des Beaux-Arts in Brüffel ift in diefem Jahre eine
äußerft rege und vollgiltige. Nicht zum wenigſten diirfen die Belgier ihren
deutfchen Rollegen Dank wifjen, wenn fih das tünftlerifhe Niveau des Unter-
nehmens im Dergleih zu den Vorjahren bedeutend gehoben hat.
Blanzleiftungen deutjher Meifter erwähnen wir an erfter Stelle den ungemein
padenden Bildnifftihb Adolf Menzel’s, den Maler Stauffer- Bern dar-
ftellend, welder feinen Ebrenplag am Eingang des Hauptfanles gefunden
bat. Demnädft finden die Leibl’fhen Bilder und Studien ungetheilte Be-
wunderung: Das alte Weib mit dem Rofenfranz, die Wilddiebe, die
Bäuerin in oberbayerifher Tradt, ein Studienfopf, das Gebet, daß Bildnif
des befannten Runftfammlers Seeger (der eine große Anzahl feiner Gemalde
der Ausftellung leihweife zur Verfügung ftellte), die Hände, weldhe eine
Flöte umfaffen, und ein mit der ‚Feder gezeichnetes Spiegelbild des Meifters.
Die Delitateffe der fpielenden und doc in die Tiefe dringenden Behandlung
verleiht den Arbeiten, auh wenn fie nur zu Studienzweden gedient baben,
einen unvergänglihen Werth. jeder Pinfelzug, jeder Federftrih athmet Leben
und beweift das jouveräne in feiner Art einzig daftehende Rönnen Leibl's,
über deffen Bedeutung erft einer Pleinen Runftgemeinde die Angen auf-
gegangen find.
Cin Defregger'fher Studienfopf zeigt fih feiner Umgebung würdig.
Das Porträt Rihard Wagner's von f. v. Lenbad wirkt nit fo unmittelbar,
wie man es bei dem Seelenmaler erwartet; einer arakteriftifhen Studie
Bödlin's begegnen wir in der Jägerin mit den wallenden rötblihen Haaren.
Mar Liebermann erfcheint mit feinen fräftigen, von Stimmung durd-
drungenen holländifhen Studien, dem Armenhaus, den drei Waifenmadden,
einer Straßenanfiht aus Amfterdam und Denedig. Sehr überzeugend und
ftimmungsvoll wirft der unter der Traglaft feufzende Mann, der die Dünen
durdfhreitet. Das Porträt Meunier’s, eine Rohlezeihnung, ift im innigen
Ausdrud und der natürlihen, zwanglofen Bewegung nicht zu unterfdagen.
Unter den Miindhener Riinftlern feffelt vor allem f. v. Uhde mit feiner
Bergpredigt, ein Bild, das duch die Verfenfung in die Regungen der Volts-
feele dem Empfinden fo nahe tritt. Zu hervorragenden Leiftungen zählen
ferner Stud's weidende Pferde, Sperl's bayerifche Bebirgslandfdaft, Leffer-
Ury's Leipziger Plat in Berlin.
Die grapbifhe Runft it würdig vertreten duch John (Dresden) mit
feiner Radirung Sphinz, durch Müller mit feinen lebensvollen Lithographien.
Don M. Klinger bemerken wir eine interefjante Federzeihnung „Yarziß‘
betitelt.
Neudeutſche Innendekoration.
Im Anſchluß an Nr. J4 der ,,Deutfhen Runft fahren wir fort, unferen
Leſern Zimmereinrichtungen vorzuführen, die dem modernen Bedürfniß ent—
ſprechen, ohne in den fFormen abſichtlich modern und gekünſtelt eigen—
artig ſein zu wollen. Das an erſter Stelle abgebildete Herrenzimmer
zeichnet ſich durch vornehme Einfachheit aus und betont mit ſeinen gefüllten
Bücherſchränken und Regalen den der geiſtigen Arbeit zugewandten Charakter
des Befikers. Die Möbel find in braunem, italienifhem Nußbaumbolz ge-
halten und balbblant polirt. Gn den fonftruftiven Theilen herrjcht die ge-
wundene Säule des Barodftils vor, während die Füllungen gefrdpftes, fein
profilittes Rahmenwerf aufweifen. Sige und Sophas find mit grünem
Saffianleder unter Verwendung von Originalgobelins überzogen. Don der
mit einer braunen vergoldeten japanifden Ledertapele bededten Wand hebt
Unter den
A F * > N J
AÀ \) A WE >
fih mit mäßiger Ausladung ein Ramin aus rothem Marmor ab. Der
Teppich ift roth, die Dede weiß.
Befonders eigenartig erfheint das Schlafzimmer mit feinen an das
Empire anflingenden geradlinigen und leiht gejhwungenen ‚formen. Die
Möbel find ans Mahagoniholz mit echten LBronzeauflagen bergeftellt. Den
Sußboden bededt ein tiefrother Teppich, die Dede ift ganz weiß gehalten.
Originell in der Erfindung fällt die Bettriidwand ins Auge. Fn einen ein-
fahen Mahagonirabmen fpannt fih eine fenfterartige Stoffdeforation, über
der fih ein fäherförmiger Bogen erhebt. Der mehrfarbige Stoff ift gerad-
linig gefaltelt und fpannt fid leiht und gefällig.
Am meiften nähert ih dem anglifirenden Befhmad die Wohnzimmer-
eintidtung, in gefuppelten und einfahen Säulen das Ronftruftive be-
tonend, in der fladhendeforation iiberaus einfah gehalten. Wände, Stoff-
befleidung und Fußboden erfcheinen griin, die Dede weiß. Das Mobiliar ift
aus dunkel gefärbtem Mahagoniholz hergeftellt. Die Erferdede hat befondere
eleftrifhe Beleuhtung in englifher Derglafung.
Förderung des Kunftgewerbes in Breslau.
Die provinziellen Beftrebungen zur Förderung des Runftgewerbes
nehmen überall einen erfrenlihen Auffjhwung. Der Umbau des Sdlefifden
Mufeums für Runftgewerbe und Alterthiimer in, Breslau wird vor-
ausfihtlih im Oftober beendet fein. Inzwifhen bat die zu diefem Jwet
gewählte Deputation eine Derwaltungsordnung des Mufeums durdberathen
und genehmigt, die in ihrer Maren faflung ähnlihen Gnftituten als Dorbild
dienen mag. Wir bringen nadftehend ihren Hauptinhalt.
Laut § J ift das Mufeum dazu beftimmt, Sclefien die Hilfsmittel der
Runft und Runftwiflenfhaft zugänglih zu madhen, Befhmad und Derftändniß
für das Aunftgewerbe zu heben und die Erzeugniffe des Runftgewerbes
und Handwerkes, befonders foweit fie Beziehungen zu Schlefien haben, auf-
zuftellen.
$ 2. Diefen Zweden dienen: eine Sammlung von Anfhauungsmaterial,
ein offener Zeichenfaal, eine Vorbilder - Sammlung und Fachbibliothek, zeit-
weilige Ausftellungen von Runft- und Gewerbeerzeugniffen, Dortrage in Be-
ziehung auf das Runftgewerbe und event. Unterrichtskurfe.
§ 3. Das Mufeum it Cigenthum der Stadt Breslau. Fn der Ver-
waltung, welde der Magiftrat fiibrt, find zu beadten: 1. die Schenfungs=
urfunde iiber 500 000 Marf des Stadtalteften Heintid von Rorn, und 2. der
Dertrag der Stadt mit dem Verein für das Mufeum fclefifcher AWlterthiimer.
$ 4. Die Mufeums-Deputation befteht aus drei vom Oberbiirgermeifter
ernannten Magiftrats - Mitgliedern, worunter Dorfitender und Stellvertreter;
acht von der Stadtverordneten-Derfammlung gewählten Mitgliedern, worunter
mindeftens fünf Stadtverordnete;, dem Stadtälteften Heinrih von Rorn als
lebenslänglihes Mitglied; zwei vom Verein für das Mufeum Schlefifcher
Alterthümer gewählten Mitgliedern; einem vom Sclefifhen Fentral-Gewerbe=
verein gewählten Mitgliede; einem Vertreter der Staatsregierung, fo lange
der Staat die Unterftügung von 6000 Mark jährlid zahlt; einem Dertreter
der Schleffhen Provinzialverwaltung, nah Maßgabe der Dereinbarungen
zwifhen Provinz und Stadt; dem Direktor des Mufeums; dem Vorfteher
der Lehrmittel-Abtheilung, nur mit berathender Stimme. Kooperationen der
Deputation bleiben vorbehalten.
§ 5. Die Deputation leitet die gefammte Mufeumsverwaltung. Der
Jahresbericht fann mit demjenigen des Vereins für das Mufeum Schlefifher
Alterthümer verbunden werden.
§ 6. Ein ftandiger Ausfhuß von fünf Mitgliedern, worunter der
294
in
im)
Herrenzimmer, Carl Miller & Comp., Berlin.
Direftor und eines der vom Verein des Mufeums für Schlefifhbe Alter-
thümer gewählten Mitglieder fih befinden müffen, bildet den „Beirath‘ für
Erwerbungen und Deräußerungen; ferner wird ein „Hauskurator" und beffen
Stellvertreter beftellt.
$ 7. Der Direftor leitet die gejammte innere Thätigkeit und Der-
waltung des Mufeums. fiir die Lehrmittel-Abtheilung bedürfen feine An-
ordnungen der Zuftimmung des Dorftebers derfelben, eventuell der Deputation.
$ 8. Der Dorfteher der Lehrmittel-Abtheilung übernimmt den Zeidhen-
faai, die Dorbilder- Sammlung, die Fachbibliothek 2c. und ift in feinem Ge-
biet dem Publitum gegenüber felbftftändig.
§ 9. Der Direftorial-Uffiftent (Ruftos) dient als Gebilfe des Direktors
n der Derwaltung, Ordnung und Beauffihtigung der Sammlungen und des
Bureaus.
§ 10. Die Beamten des Mufeums find Gemeindebeamten der Stadt
Breslau.
§ Il. Die Hausverwaltung unterfteht dem Direktor.
8 12. Innerhalb des Etats verfügt der Direktor felbftftändig über An-
fäufe für die Sammlungen, die JOO Mark nicht überfteigen; darüber hinaus
beftimmt der Beirath (§ 6) bis I000 Mark, und jenfeits diefer Grenze die
Deputation. Deräußerungen find nur unter Genehmigung des Beirathes
zuläffig.
§ 13. Der Direftor bewirft die Dervollftändigung der fahbibliothet nnd
der Dorbilder-Sammlung.
§ 14. Die Sammlungen des Mufeums find in den beftimmten Seiten
‘jedermann unentgeltlih geöffnet, ebenfo ftebt der Zeihenfaal der öffentlihen
Beniigung frei.
$ 15 regelt das Derbaltnif des Dereins für das Mufeum fehlefifcher
Alterthümer zum Schlefifhen Kunftgewerbe- und Alterthums-Mufeum in
detaillirter form.
Nadh Erledigung diefer Derwaltungsform wurde aud nod der Etat des
Mufeums, mit dem J. April 1899 beginnend, durdberathen und feftgefest.
Die Einnahme wurde, einfchlieglih 6000 Mark Zufhuß vom Staat, 15000 Mark
von der Provinz und 22 S00 Mark von der Stadt, auf 46 000 Mark normirt.
Die ebenfo hohe Ausgabe bringt als Hauptpoften: Direftor-Behalt 5600 Marf
(von drei zu drei Jahren um 500 Mark fteigend bis 6800 Mark), Dorfteher-
Deutfde Runf.
Gehalt (Lebrmittel-Abtheilung) 5000 Mark (fteigend bis 6200 Mark), dem
Ruftos 2400 Mark, fonftige Gehalte 9078 Mart, Vermehrung der Sammlungen
9000 Mark, Inventarvermehrung 5000 Mark.
Daf man aud fonft in Breslau für die Unterftiikung lokaler Runft-
zweige Sinn hat, beweift eine Refolution, die der Runftgewerbeverein in feiner
legten Sigung fafte: „Der Breslauer Runftgewerbe-Derein erklärt feine
prinzipielle UWebereinftimmung mit dem Vorgehen des Sclefifhen Central-
Bewerbevereins, betreffend die Errihtung einer fahfhule für Holzinduftrie im
Breslau, worin er die Derwirklihung eines von ihm bereits im Fahre 1895
angeregten Bedankens erblidt. Er hält es für wichtig und erfprießlih, dağ
diefe Fahjchule befonders nah fünftlerifher Seite hin in fühlung mit der
an der biefigen Runft- und Runftgewerbefchule demnähft zu
ertidtenden Fadhllafje fir Runftifdlerei und Schniterei trete,
und fpridt die Hoffnung aus, daß feine diesbezüglichen
Wünſche bei der Berathung und endgiltigen Feftftellung des
Programms genannter Fadhfdhule von der Röniglihen Staats-
tegierung gehört werden mögen.“
Diefer Befhlußfaffung war eine längere Debatte vorange-
gangen, die urh einen Dortrag des Bildhauers Wilborn
eingeleitet wurde. Der Redner gab einen Ueberblid über den
gegenwärtigen Stand der Holzbildhauerei in Breslau. Die
Lage ift eine keineswegs erfreulide. Die ,,Dolfsbildhauerei'*
tefp. die gangbare Holzfdhnigeret fiir Ausftattung von Mö-
bein, Uhrgehäufen 2c. werde in der Oderftadt lebbaft betrieben,
dod trage fie den Charakter der Maffenfabrifation. Don
den etwa 90 Dolfsbildhauerwerfftellen fei die Hälfte von
der firma Gebr. Bauer in Anfpruh genommen, die andere
Hälfte wird von Kleinmeiftern innegehabt. Die Gebilfen und
Lehrlinge feien meift mehanifh „auf Schnigformen gedrillt‘*
und hätten feine Ahnung von Stilformen und vom Zeichnen.
Die Mafdinen, die man bei der Maffenfabrifation für den
Erport verwende, feien einfah Bohrmafchinen und geeignet,
die Vorzüge der bildenden Menfhenhand zu verdrängen. Die
materielle Lage der Holzbildhauer fei eine feineswegs be-
neidenswerthe; der Wodenlohn für den Einzelnen beträgt
durchſchnittlich 15 bis 18 Mark. Die Errihtung einer fahgemäßen fad-
ſchule ſei daher als ſegensreich zu begrüßen. Nachdem dann noch der Ver—
treter des Central⸗Gewerbevereins, Ingenieur Höffer, ſich in ähnlichem Sinne
ausgeſprochen hatte, wurde die oben angeführte Reſolution angenommen.
Hoffentlich finden dieſe lokalen Beſtrebungen die thatkräftige Unterſtützung der
Staatsregierung, die beiſpielsweiſe im Königreich Sachſen im Zuſammenwirken
mit Privatmiteln bemerkenswerthe Erfolge erzielt hat.
Der Chüringiſche Ausſtellungs-Verein
bildender Künſtler.
Einem Rundſchreiben des unter fteter Mitwirfung der „Deutfhen Kunſt'“
in der Stille begründeten Dereins „Thüringifher Rünftler in Weimar" ent-
nehmen wir die folgenden, fiir die Oeffentlidfeit beftimmten Mittheilungen:
„Es fehlt an einem Bliede in der Reihe der Runftdarbietungen, weldes
ebenfalls von ausübenden Riinftlern in Bemeinfhaft mit anderen öffentlichen
und privaten Organen duch unfer Unternehmen, den „Thüringifhen Aus-
ftellungsverein bildender Rünftler, gefhafien werden foll, weldes jedoch
dezentralifirend gedacht, die bildende Runft jo Zu fagen aufs Land bringen,
jedem leicht zugänglih und genußreih geftalten foll.
Wir denten uns alle Städte und Orte von 20000 Einwohnern und
darüber, fowie einige befonders für Aunft empfänglihe Meinere Orte, zunäcft
in Thüringen, mit Meineren ftändigen Ausftellungen unter fünftlerifher Ober-
auffiht und kommunaler Beihilfe verjehen und durch eine den günftigflen
Eifenbahnverbindungen angepaßte Turnuslinie verbunden, welke von wejent-
lihem Einfluß auf die Derbilligung der Fracdten der zu verfendenden Runjt-
werte ift. Jede Wode findet ein Wechfel der legteren in der Weife ftatt, dap
einige neue Sachen binzufommen und etwa eben fo viel an den nadften
Turnusort weiter geben, fo daß fhlielih die einzelnen Werke (beziebungs-
weife aud funftgewerbliden Arbeiten) in der Regel alle vier Woden nab
einer anderen Ausftellung gelangen, fofern fle nicht inzwifchen einen Lieb-
paber in der Perfon eines Räufers gefunden haben.
Die in Betradht fommenden Städte und Orte haben fiherlih ein be-
fonderes Gntereffe daran, Vorführungen der gedachten Art dauernd in ibren
Mauern mit verhältnigmäßig wenig eigenen Roften und Mühen gefbafien zu
Deutfhe Runft.
295
feben! — Freilih handelt es ih um je ein womöglich unentgeltlich zu ftellendes
und zu erhaltendes paffendes Ausftellungslofal, um die Gewinnung eines
oder einiger Herren aus der Zahl der Berufsfünftler oder Aunftfreunde, der
oder die Foftenlos die Auffiht über die Ausftellungen nah den Direftiven
unferes Dereins übernehmen, und um Ausfindigmahung einer geeigneten, be-
foldeten, gefhäftsführenden Perfon, welhe zugleih die ftändige Auffiht über
die Ausftellung in den Befudsftunden zu übernehmen hat.
Die Eintrittsgelder — und dies ift ebenfo widtig wie angenehm —
follen außerordentlich gering bemeffen fein, um die Aunfttempel jedem leicht
zugänglid zu maden, nämlih etwa 20 Pf. für gewöhnlid betragen, während
befondere Elitetage zu höherem Eintrittsgeld, dod) ohne Sonderdarbietung,
unter Umftänden eingerichtet werden fönnen.
Der Derkauf von Runftwerfen wird fidh in reeller Weife derartig geftalten,
daß von Haufe aus mäßige und fefte Preife angefett werden und die
Abfhlüffe nur dur die Zentralftelle in Weimar erfolgen follen, wodurd alle
Spefen für Zwifhenhändler fortfallen.
Was die Unterbaltungsfoften des Unternehmens anlangt, fo.werden die-
felben durd die Eintrittsgelder, die Derfaufsprozente, die Beiträge der Ver-
einsmitglieder und etwaige Zufhüffe der Gemeinden, fowie private Ju-
wendungen erbradt. fiir die Riinftler felbft ift von Wichtigkeit die verbefjerte
und vermehrte Ausftellungsgelegenheit, jodann die vereinsfeitig vorgefehene
Einheitlihkeit und fahgemäße Handhabung des Derpadens, Ausftellens und
Hängens der Runftwerfe.
St es dod in der That niht unfere Sade blof, die wir vertreten,
fondern eine durhaus gemeinniigige, das eigenfte Gntereffe jedes Bildung
beifhenden Menfhen anlangende, die ihn über die Alltäglichkeit des Dajeins
zu erheben, ihm edlen Benuß des Bemüthes und Beiftes, Belehrung und An-
regung 3u fhaffen beftimmt ift.
Der Dorftand des „Chüringifhen Ausftellungsvereins bildender Riinftler'
Schlafzimmer, Carl Müller & Co., Hofdeforateur, Berlin.
befteht aus folgenden Herren: Profeflor Th. Hagen, Maler und Lehrer an
der Broßherzoglihen Aunftfchule, I. Dorfigender; f. A. Shmidt, Maler, 2. Vor-
figender; €. Rriefdhe, Oberbaurath, 3. Vorfikender; €. Graf zu Schlik,
gen. v. Börk, Erlauht, Direktor der Broßherzogliden Runftfhule; H. Plühr,
Maler; M. Merter, Maler; TC. Anding, Raufmann, Befhäftsführer der
ftändigen Ausftellung für Runft und KAunftgewerbe zu Weimar; Profeffor
B. P. Förfter, Maler und Sefretair der Grofherzogliden Runftfdule,
Raffenführer des „Thüringifhen Ausftellungsvereins bildender Künſtler“;
£L. v. Jordan, Maler, Schriftführer des „„Thüringifhen Ausftellungsvereins
bildender Rünftler". ——
Berlin. — Wenn man den Tageszeitungen unbedingten Glauben
fhenfen fönnte, müßte man annehmen, daß wir unmittelbar vor einer fünft-
lerifhen Sezeffion ftänden, daß aud die Reihshauptftadt, die der Ruhm
von Münden und Dresden nicht fehlafen lief, Such eine Riinflertrifis ihre
Bleihberehtigung zu ermweifen im Begriffe wäre. Unfontrolirbare Gerüchte
werden in Reftaurants und Café's folportirt, ohne daß man fo redt erführe,
was eigentlih vorgeht. Runftreporter flingeln an allen Atelierthüren, und
Berlin geberdet fic, als ob fein Runftintereffe fic plöglih frankhaft gefteigert
hätte. Eine folhe Steigerung wäre an fih durdhans wünſchenswerth, in
diefem fpeziellen Falle bat fie einen ftarfen Stid in die Fünftlid genährte
Senfationsfuht. Man laffe die Rünftlerfhaft ihre Gntereffen vorläufig unter
fih erledigen. Man wird ihr damit einen größeren Dienft erweifen, als durd
Tartarennadrihten, die über die Hintertreppen in die Oeffentlidfeit dringen.
Befondere Ehren find dem Direktor der Brüffeler Akademie Charles
van der Stappen, der behufs Anordnung feiner Separatausftellung in
Berlin verweilte, von offizieller und privater Weife erwiefen worden. Der
Rultusminifter, die Union Belge, Profeffor Max Roner feierten ihn dur
Feftdiners, Profeffor Anton Werner madhte ihn mit den Einrihtungen der
Runftafademie befannt und Profeffor Dr. Jofeph führte ipn durd die öffent-
lien Sammlungen. Dan der Stappen fah, dağ „Alles gut wart und
verfpradh, das Befte in Briiffel nahzuahmen.
Anzwifhen bereiten wir uns vor, in Paris anf der Weltausftellung
entfprehende Ehren einzuheimfen, und die Dinge nehmen wirflih eine über
Erwarten günftige Wendung. Es ift eine Derftändigung erzielt worden, auf
Grund deren die Ausftellung urd ein befonderes Romitee von 10 Mit-
gliedern vorbereitet werden foll. Bn diefes Romitee follen Berlin und Münden
je drei, Weimar, Düfjeldorf, Karlsruhe und Dresden je ein Mitglied delegiren.
Jn den vier legtgenannten Aunftzentren foll nah Thunlichkeit je eine Perfon
gewählt werden, welhe der älteren Richtung und der Sezeffion genehm ift.
Jn Berlin und Münden follen je ein Sezefionift und je zwei Genoffen-
fhafter gewählt werden. Bezüglid der Auswahl der Bilder will man
traten, Aunftwerfe fernzuhalten, in welden franzöfifhe und englifhe Be=
fonderheiten nahgeahmt werden, oder dte aus einem unentwidelten Streben,
aus einer nicht ausgeflärten Manier hervorgegangen find. Man will mit
befter deutjcher Runft wirken, die durch einen gewiffen Rontraft mit den fpe-
zififh franzdfifchen Cigenthiimlidfeiten dann umfomehr in die Augen fallen
foll. Die Gnfgenirung foll den Mündenern überlaffen werden.
Su Heil und Ftommen der heimifhen Aunftpflege löft die nunmehr ge-
fhloffene Schwarz. und Weiß-Ausftellung in der Akademie eine Sammlung
von Runftwerfen der Renaiffance aus Berliner Privatbefit ab, die
fid) grofer Theilnabme von Seiten des Raiferhaufes und der Liebhaber er-
freut und am zwanzigften diefes Monats eröffnet wird. Gleidzeitig ver-
lautet, daß der Knifer der Ausfhmüdung der Siegesallee nad wie
vor thatfräftiges Gntereffe entgegenbringt und ih mit einer Reihe neuer
Pläne befdaftigt. An Stelle des fogenannten Wrangel-Brunnens auf dem
Remperplat foll ein großes, vorzugsweife aus Marmor herzuftellendes Bild»
wer? errichtet werden. Die Ausführung tft Reinhold Begas anvertraut. Die
vom Raifer bereits gebilligte Sfizze ftellt die Boruffia Iorbeerpflüdend auf
einem felfenthron dar. Auf dem Rand des unten vorfpringenden Waffer-
bedens figen rechts und links zwei Landsfnedte.
Münden. — Die Beneralverfammlung der Mündener Rünftler-
genoffenfhaft hat ihren programmmäßigen ruhigen Verlauf genommen.
Prafident $. v. Lenbah eröffnete diefelbe und beauftragte den zweiten
Präfidenten, Herrn Hans Peterfen, mit der gejhäftlihen Leitung der Der-
fammlung. Der Schriftführer, Herr Rihard Broß, verlas den Bericht über das
Derwaltungsjabr 1897, welder von der Verfammlung einftimmig genehmigt wurde.
Der Raffenberidt fowie der Bericht der Kaffen-Reviforen wurde von dem zweiten
Präfidenten verlefen. Der zweite Theil der Tagesordnung: Rünftlerhaus und
296
Befhaffung eines Bantfapitals zur Dollendung desfelben, veranlafte eine
längere Debatte. Die begeifterten Darlegungen des Heren v. Lenbad batten
den Erfolg, daß die Beneralverfammlung einftimmig befhloß, die Rapitalien
in einer folhen Höhe aufzunehmen, daß die glanzvolle und außerordentlich
reihe fünftlerifche Fertigftellung des Haufes gefihert wurde. — Bei Anfragen
bezüglih der Berichte über die Debatte in der Kammer der Abgeordneten,
die Ueberweifung des Kunft-Ausftellungsgebäudes am Rénigsplak an die
Sezeffion betreffend, verlas Herr Peterfen hierauf bezüglihe Stellen aus dem
offiziellen Stenogramm. Hternad fei das Bebäude, weldes allerdings Jahr-
zehnte lang im Befike der Mündener Künftler-Benofjenfhaft gewefen fei,
nah Befhlüffen der Dorftandsorgane und Beneralverfammlungen der Sezeffion
widerruflid iiberwiefen, und wenn Unzufriedenheit darüber berrfche, fo möchten
fih die Rünftler bei ihren «eigenen Rollegen beflagen; jedenfalls babe man,
wenn man einem Vereine angehörte, fih den Beihlüffen der Majorität des
Dereins zu fügen. Diefe legtere Wenferung des Heren Kultusminifters in der
Rammerfigung vom 22.
April wurde deshalb
mit befonderer Benug-
thuung aufgenommen,
weil hierin eine Bewähr
erblidt wurde für die
freie unbeeinflußte Ent-
widelung der Lünftle-
tifhen Derhältniffe in
Münden, welde noth-
wendig ift für die Auf-
tedterbaltung der Hege-
monte Mündens als
Runftftadt.
Zu froͤhlicherem
Thun hatte ſich die
Rünftlergefell-
[haft „Allotria“
zur feier ihres 25 jäh-
tigen Beftebens ver-
fammelt. franz v.
Lenbach ift der Vor-
fiende der „Allotria",
zu deren Begründern er
auch gehörte, und neben
ihm zählen die erften
Größen aus dem Reiche
der Runft zu ihren Mit-
gliedern. Sie waren
vollzählig zur Stelle.
Da fab man u. A.
franz v. Defreg-
ger, franz Stud,
Langhammer, das Ehrenmitglied Erzellenz Baron Perfall, Ober-
länder, firle, von Habermann, L. Corinth, Hubert v. Heyden,
Harburger, Hans v. Bartels. Dao fet, zu dem and Prinz Rupreht
von Bayern erfhienen war, begann mit einem Diner, defen Genuß
durch teine feierlihe Tifchrede geftört wurde. Dann ging das feftfpiel
vor fih, cine woblgelungene, rect übermüthige Darftellung der Ent-
widelungsgefhichte der „Allotria". Yamentlid Maler Permatb, der
Meifter Lenbad in Maske, Sprache und Haltung täufhend fopirte, erwedte
die lebhaftefte Heiterfeit. Das Spiel bloß mit einer Apotheofe: von einer
ſchönen Landfhaft in Bödlin’fher Art löfte fih eine Frauengeftalt in antiker
Gewandung, von nadten Rindern umgeben, um mit einer poetifhen Anfprade
den „Säulen“ der „Allotria" Lorbeerfränze zu überreihen. Auch die luftige
Rneipzeitung, zu der Hengeler, der befannte Feidner der fliegenden", febr
witige Bilder geliefert bat, fei nicht vergeffen.
Während die Sezefjion fhon mit dem gewohnten Erfolge ihre
Ausftellungsräume eröffnet bat, ftedt die Gabresausftellung im Blaspalajt
nod in den Vorbereitungen, die verheißungsvoll genug ausfeben. Die bis
jetzt eingetroffenen Anmeldungen lafjen erfehen, daß die Befhidung der Aus-
ftellung von allen Seiten eine fehr reihbaltige if. Deutjhland insbefondere
wird umfaffend vertreten fein. Neben den früher fhon gemeldeten Rolleftiv-
Ausftellungen von Rünftler-Dereinigungen haben nunmehr nod der Verein
Berliner Rünftler und die Rarlsruber Runft-Benofjenfhaft forporative Be-
Dentfhe Runft.
Wohnzimmer, Carl Müller & Comp., Hofdeforateur, Berlin,
theiligung zugefagt, von Münden der Verein für Original-Raditung. Da
alle Mitglieder der Münchener KRünftler-Benoffenfhaft bemüht find, ihre beften
Werke einzufhiden und zudem die tunftgewerblide Abtheilung in Verbindung
mit einer Arditeftur-Ausftellung unter Leitung des Bayerifhen Runftgewerbe-
Dereins Yenes und Gntereffantes bieten wird, fo fann mit Zuverfiht gefagt
werden, daß die kommende Ausftellung im Blaspalaft fih den vorhergehenden
würdig anfhliegen und den Ruf Mündens als Runftftadt bodbalten wird.
Dresden. — Auf dem Rünftlerfriegsfhauplak in Dresden ift eine
Woaffenruhe eingetreten. Die Rommiffion fiir die 1899er Nationale Ausftellung
bat fih mit dem früheren Präfidenten, G. Ruebl, neu fonftituirt. Die
jüngeren Dresdener Rünftler ftehen grollend zur Seite; die für diefes Jahr
von ihnen in den Räumen der Akademie geplante Ausftellung wird nicht
ftattfinden. Die Dresdener Sezefjioniften fenden ihre Werte nah Münden.
für die 1899er Dresdener Ausftellung bleiben ihnen umfangreihe Räume
tefervirt, und es bleibt
ihnen unbenommen,
duch fiinftlerifhe Tha-
ten ihre Gonderberech«
tigung 3u beweifen.
Aud der Rampf
um die Briibl'fde
Terraffe bat mit
einem Rompromifi _ge-
endet. Die frage des
Neubaues eines Stän-
dehaufes ift erledigt.
Die Stadt Dresden
bat ih für den Plan
erflart, der die Terraffe
in ihrer jegigen Beftalt
erhält und nur das
Niveau derfelben ein-
heitlidh geftaltet, d. b.
von dem vorderen Theil
der fteltreppe fieben
Stufen Höhe weg-
nimmt. Der Befhluß
des Landtages verkürzt
die Terraffe um ein Be=
ringes, ſo daß das Wahr⸗
zeichen Dresdens im Gro⸗
ßen und Ganzen ſeine
Vollgeſtalt bewahrt.
Liegnib. — Der
biefige Runftverein
veranftaltete im erften
Jahre feines Beftehens feds Ausftellungen und vier Vorträge, richtete für feine
Mitglieder ein Lefezimmer ein und erreihte erheblihe Dergünftigungen bei
den Deranftaltungen des Schlefifhen Runftvereins. Verkauft wurden 29 Bilder
(darunter eine Anzahl Pleinerer Aquarelle) im Befammtbetrage von 4650 Mar.
— Dom 31. März bis 30. April fand eine größere Ausftellung ftatt, die
von hervorragenden Müncyener, Berliner, Dresdener, Rarlsruber und Bres-
laner Riinftlern befhidt wurde.
— Am Dienftag den 17. Mai wird in Rudolph Lepfe's Kunft-Auftions-
Haus, Rodftrafe 28/29, die 87 Gemälde und WAquarelle umfajjende Rolleftion des
Heren Carl Peffl, Wien, meiftbietend verfteigert. Tie Sammlung befteht faft
nut aus Werken ganz hervorragender Rünftler, die mit feinem Bejhmade
ausgewählt den verwöhnteften Anfprühen genügen dürften. Go finden wir
niht weniger als fieben vorzüglihe Arbeiten von Eduard Brützner, wobei
zwei Bemälde erften Ranges, im Rataloge verzeichnet, vier feine Benrejzenen
von Hugo Rauffmann, vier Werke von Eugen von Blaas, drei Defregger
und zwei reizende, fein gemalte Bildchen von Jofef Gifela. Außerdem find
duch ganz bedeutende Werke repräfentirt: Mathias Schmid, C. Jut,
€. Harburger, Anton Müller, Andr. Ahenbah, €. v. Merode, Robert Schleich,
Antonio Rotta, Claus Meyer, Hans Temple, G. Jaquet, franz Ruß, Iſidor
Rauffmann, J. WAjoutiewics, fr. Aug. v. Raulbadh, Hubert Herfomer, f.v. Lenbach,
£. Douzette, J. Rinzel, Eug. Derboedhoven, H. Schwaiger und viele Andere.
Deutfde Rung. 297
Moderne Ziergefähe.
Das ecdhte Ginn ift bei uns wieder zu Ehren Ranne und ibr unterer Rand find glatt, immer aber matt gehalten. Nod
gefommen und hat die Ausbildung der Zierformen
entfchieden günftig beeinflußt. Wir bringen um-
ftebend ein paar Rannen aus Rapferzinn mit
überaus freier und doc ftilvoller Dekoration. Auf
dem gehämmerten, wie Stoff behandelten Grunde der
fleineren Ranne, deren baudige form durch willfürliche
Eindrüde fih intereffanter geftaltet, liegt ein kräftiger
Diftelzweig, theilweife emporgeboben von der fih nieder-
beugenden Hentelfigur. Diefe, wie der obere Theil der
Bekanntmadzung.
Das Preisausfdreiben vom 1. November 1897 für den Entwurf einer
Hodzeitsmedaille oder Plakette hat eine rege Betheiligung der Rünftler her-
vorgerufen.
Es find 87 Entwürfe eingegangen, von denen eine größere Anzahl für
eine Auszeihnung in Betraht gezogen werden konnte.
Die als Preisgeriht eingefegte Landes-Runft-Rommiffion hat zwar nad
eingehender Prüfung befdlofjen, von der Eriheilung des erften Preifes ab-
zufehen, da fie feinen der eingegangenen Entwürfe ols allen Anforderungen
entfprehend anzuerkennen vermochte.
Sie hat indejlen folgende Preife zuerkannt:
A. Un Stelle des erften Preifes von 2000 Mark zwei Preife
von je 1000 Mar? für die Entwürfe:
1. Ar. 5 mit dem Kennwort „Amen“
2 „Bun n „Frühling“.
B. Aht Preife von je 400 Marl fiir die Entwürfe:
1. Nr. 12 mit dem Rennwort „Aud Einer
Darm OR. 3 sf „Leben ift Arbeit"
5. n 5I u tt ” „95“
4. ” 70 n ” ” „Blüd"
5. ” 4 ” ” ” „Auf ewig"
Oor 89" Spe ag F „Einem Jeden das Seine"
Te o IO Fe A „Variatio delectat"
8. 68i in i „Rehte Ehe ift rehte Pflihterfüllung".
Bei Eröffnung der verfihloffen abgegebenen Adreffen der Einfender
ergaben fih als Urheber der vorgenannten Arbeiten:
zu A. 1. Herrmann Diirrih, Cifeleur, Fadlehrer an der Runftgewerbe- Schule
in Caffel;
n n 2 Wilh. Biefede, Bildhauer und Maler, Lehrer an der Runftgewerbe-
Schule in Barmen;
Dr. UA. Winkler und J. Eitenburger in Hanau;
Bruno Arufe, Bildhauer, Lehrer an der I. Handwerker - Schule in
Berlin;
C. Maaf, Bildhauer in Berlin;
str Schneider, Bildhauer in Berlin;
Paul Fliegner, Modelleur und Feihner in Hanau;
Emil Torff, Bildhauer in Berlin;
Eduard Raempffer, Profeffor, Maler, ordentliher Lehrer an der
Runftgewerbe-Schule in Breslau;
n n 8 Ernft Seger, Bildhauer in Wilmersdorf bei Berlin.
Die fämmtlihen Entwürfe werden demnddft in einem Saale des Landes»
Ausftellungs-Bebäudes in der Broßen Berliner Runft - Ausftellung für 1898
während der Dauer von etwa 4 Wochen zur Befihtigung ausgelegt werden.
Denjenigen nicht preisgefrönten Rünftlern, welde den Wunfch haben, daß die
von ihnen berrührenden Entwürfe mit ihrem Yamen bezeihnet werden, wird
anbeimgeftellt, fih dieferhalb an die Rommifjion für die Grofe Berliner
w
=
w
ro
ON ON
wie Preisbewerbungen.
origineller ift der Rrug, der eine leichte bewegte Wailerfläche darftellt, aus
dem von der Henkelfigur fife und ein mächtiger Hummer mit dem Nege
nit ohne Anftrengung berausgezogen werden, denn ein nedifcher Waffergetft
verfucht, das Net in der Tiefe feitzuhalten. Am Strande, als welder der
Hals des Befäßes gedacht ift, liegen zierlihe Mufcheln, und eine Schnede
zieht langfam ihre Bahn. Der eigentlihe Ausguß geftaltet idh zum Befiht
— wobl das des Waffergottes! Das fhöne, metallifhb glänzende und doch
bildfame Metall hat zu einer freien Behandlung der Flächen wie der Model-
lirung geführt und augenfcheinlich ftilbildend gewirkt.
Hm
Runft » Ausftellung (Berlin NW., Landes - Ausftellungspart Alt -Moabit) zu
wenden unter Angabe des Rennworts und einer kurzen Befchreibung des Ent-
wurfs.
Nadh Beendigung der Sffentliden Ausftellung find die nicht preisgefronten
Entwürfe von den Rünftlern abzuholen bezw. von der Ausftellungsfommiffion
3u erbitten. Ueber die Ausführung einiger der prämiirten Entwürfe bleibt
die Entfheidung vorbehalten.
Berlin, den 7. Mai 1898.
Der Minifter
der geiftliden, Untercidts- und Wedizinal-Angelegenbeiten.
Boffe.
Preisausfdreiben sur Grlangung eines Modells für einen Brunnen
in Bromberg.
Es wird beabfidtigt, in der Stadt Bromberg einen monumentalen
Brunnen mit figüclihen Darftellungen zu errichten.
Alle preußifhen und in Preußen lebenden anderen deutfhen Bildhauer
werden eingeladen, ih an dem Wettbewerb zur Gewinnung von Entwürfen
für den Srunnen 3u betheiligen und ihre Arbeiten für diefen Jwet ein-
zureichen.
Für dieſe Konkurrenz gelten folgende Bedingungen:
J. Der Brunnen ſoll auf dem Welkienplak hinter der Paulsfirde in
den entjprehend umzugeftaltenden gärtnerifhen Anlagen feine Auf-
ftellung finden. Die genaue Beftimmung der Stelle wird nah Der-
einbarung mit dem ausführenden Rünftler erfolgen.
Eine Dereinigung der Anlagen des Regierungsgartens mit den-
jenigen des Welgienplages und die Befeitigung des jett vors
handenen trennenden Bitters ift in Ausficht genommen.
2. Der Brunnen ift freiftehend von allen Seiten zu entwideln.
Bet den Abmeffungen desfelben ift auf ein angemefjenes Der-
hältniß 3u den Umgebungen bejonders zu achten.
€s ift bei den figürlihen Darftellungen darauf Rüdfiht zu nehmen,
daß In unmittelbarer Nähe des Plakes zwei öffentlihe Schulen
liegen.
3. Die Bildwerfe follen in Bronze ausgeführt werden.
für die Gefammtfoften der Ausführung der Brunnen-Anlage mit
Einfhluß aller Webenfoften ftehen SO 000 bis 100 000 Mark zur Der-
fügung.
4. Es find plaftifche Modelle in ein Achtel der Ausführungsgröße ein-
zureihen; für den arditeftonifhen Theil genügt die Beifügung einer
Anfihtszeihnung, eines Brundriffes und Aufriffes.
Den Rünftlern bleibt es überlaffen, fish bezüglid des baulichen
Teils der Hilfe eines namhaft zu madenden Arditeften zu bedienen.
Die Modelle find forgfältig durhzuarbeiten, fo daß diefelben ein
ficheres Urtheil über das fertige Werk ermöglichen.
5. Die Entwürfe und Zeichnungen find unter genauer Angabe von
298 Deutfhe Rung.
Namen und Wohnort des Urbebers, oder der in Bemeinfhaft auf-
tretenden Bewerber, unter Beifügung eines Erläuterungsberihts und
eines ausführlihen, auf die einzelnen Beftandtheile der Gefammt-
anlage mit Einfhluß der Aufftellung und fonftiger Nebenkoften be-
züglihen Roften-Anfhlags bis zum „I. Dezember 1898, Nachmittags
5 Uhr", in der Königlihen Akademie der Rünfte in Berlin, Unter den
Linden Ar. 38, foftenfret einzufenden.
Die Roften des Wafferbedens, der Fundamentirung und Auf-
ftellung des Brunnens, fowie Sie Roften der Wafferzufiibrung, der
Plagregulirung und fonftiger YWebenarbeiten find in der zu 3. ge-
nannten Summe mit enthalten und follen in dem Anfdlage von den
übrigen Roften getrennt aufgeführt werden.
6. Die Entfheidung über die eingegangenen Arbeiten erfolgt Surh die
Landes-Runft-Rommijfion, welder zu diefem Zwede zwei Dertreter der
Stadt Bromberg mit Stimmeredt bhingutreten.
7. für die beften Werke werden drei Preife von 5000 M., 2000 M.
undIO00 M., zufammen
6000 M., ausgefeßt.
Außerdem bleibt es dem
Beihluffe des Preisgeridts
vorbehalten, höchftens fünf wei-
teren Bewerbern für anerfen-
nenswerthe Arbeiten Entjhädi-
gungen von je 600 M. zuzu-
fpreden.
S. Die jämmtlihen Ent-
wöürfe, welche nicht zur
Ausführung gelangen,
werden den Bewerbern
wieder zur Derfügung
geftellt.
9. Ueber die Ausführung
des Brunnens bleibt die
Entfheisung vorbebal-
ten. Sofern ih feine
Anftände ergeben, wird
jedod) thunlicft der mit
dem erften Preife aus-
gezeichnete Entwurf zur
Ausführung beftimmt
werden.
10. Bei der Ertheilung des
Auftrages kommt der
dem Rünftler gezahlte
Preis auf das Gefammthonorar für Ausführung der Brunnenanlage
in Anrechnung.
11. Die Beftimmung über öffentlihe Ausftellung der eingelieferten Ent-
würfe bleibt vorbehalten.
Ein Lageplan von dem Welgienplak und feiner Umgebung, ferner ein
Abdrud diefes Preisansfchreibens Fönnen bei dem Bureau der Röniglichen
Atademie der Riinfte in Berlin, Univerjitätsftraße 6, in Empfang genommen
werden.
Berlin, den 25. April 1898.
Der Minifter der geiftlihen, Unterrichte- u. Medizinal-Angelegenbeiten. Bojfe.
Zweites Preisausfhreiben
für Anfidjts-Poptkarten aus dem Ronigreidje Sachfen.
Die zablreiche, faft 600 Nummern umfaffende Betheiligung an dem vor-
jabrigen Preisausfdreiben fiir Riinftler-Poftfarten aus dem Rönigreih Sadfen,
der ftarfe Befud der Ausftellung der Wettbewerbs-Entwürfe und der günftige
Erfolg, den auh nicht preisgefrönte Entwürfe bei diefer Belegenheit erzielt
haben, veranlaft das Minifterium des Innern zum Erlaf des folgenden zweiten
Preisausfhreibens diefer Art.
Das Ausfhreiben foll einen Zweig volfstiimlider Runft und die Liebe
zum Heimathlande fördern.
J) für die 24 beften Original-Entwürfe zu Riinftler-Poftfarten werden
Preife, und zwar J2 Preife von je 100 Mark und 12 Preife von je 50 Marf,
ausgeſetzt.
2) die Bilder dürfen nur darſtellen: Landſchaften oder Ortſchaften aus
dem Rönigreihe Sachſen, volksthümliche Bauten, Volkstrachten oder Volks—
bräuche aus dem Koͤnigreiche Sachſen in landſchaftlicher Umgebung. Viel-
beſuchte Ortſchaften und Lebensbilder aus den Haupterwerbszweigen einer
Gegend ſind zu bevorzugen.
Sierfannen aus Kayjerzinn.
3) a. Die einzureihenden Entwürfe miiffen die Geftalt der deutſchen
Poftfarten haben, aber 13 cm hod und 20 cm breit fein. Hodformat ift
ebenfo zuläffig, als Querformat. b. Sie dürfen niht den ganzen Raum ein-
nehmen, fondern müflen Plat zu fhriftlihen Mittheilungen (mindeftens ein
Viertel der Befammtfläche) laffen. c. Sie können einfarbig oder mebrfarbig
fein. Letteren falls foll die Farbengebung eine möglihft einfadhe, für die
Dervielfältigung in Buntdrud geeignete fein. d. Als Unterforift unter dem
Bilde ift lediglih deflen Begenftand anzugeben; dagegen find Zufäte wie
„Gruß aus... .* oder „Andenken an... t .* wegzulafien.
4) Die Entwürfe, welhe nicht mit dem Namen des Urhebers verjeben
fein dürfen, jedoch ein Kennwort tragen müfjen, find fpäteftens am Sonnabend,
den 29. Oftober 1898, Yladhmittags 2 Uhr, bei der Ranzlei des Minifteriums
des Innern (Seeftraße IS, III) einzureihen. Sämmtlihe Entwürfe dejjelben
Urhebers dürfen das gleihe Kennwort tragen.
5) Gn einem gleichzeitig einzureihenden verfdloffenen Umfdlage, welder
die Unterfohrift des eingereidhten Entwurfs (f. 5d), fowie das Kennwort (f. 4)
trägt, it Name und Wohnung des Urbhebers genau anzugeben. Urheber,
welde mehrere Entwürfe einreihen, fönnen auf dem verfchloffenen Umfhlage
dte Unterfchriften ihrer fämmtlihen Entwürfe angeben.
— Einen Wettbewerb um Entwürfe für eine Ebrenurkunmde erläßt der
Deutfhe Radfabrerbund
mit Termin zum 15. Juni 1898.
Zur Dertheilung gelangen drei
Preife von 1000, 500 und
300 Mark. Ein Ankauf nicht
preisgetronter Entwürfe für je
100 Mark ift in Ausfiht ge-
nommen. Gadverftindige
Preisridter find die Herren
Geh. Hof- und Baurath. Prof.
Wallot-Dresden, Prof. Mar
Rlinger- Leipzig und Prof.
Carl Banger- Dresden. Nä-
beres durch Herrn Theos.
Boedling in Effen (Rubr).
— Jur Erlangung von
Entwürfen für die faffaden
und das Haupttreppenhaus
eines am = Raiferplake in
Straßburg i. €. zu er
bauenden Dienftgebäudes
lungen, die Landeshaupt- und
die Depofitenfaffe, wird für
diejenigen Arditeften, welche
in Eljaß-Lothringen wohnen
oder zur Zeit dafelbft bei
— öffentlichen Bauten befhäftigt
x find, ein Wettbewerb ausge-
= fbrieben. Die Bedingungen
find gegen Zablung von 10
Marf von der Ranzlei des Mi-
nifteriums, Abtheilung für
finanzen, Gewerbe und Do-
mänen, Münzgaffe Yr. 2, zu
beziehen, an welde die Entwürfe bis zum 15. Juli IS9S einzufenden find.
Es werden zwei Preife im Gefammtbetrage von 5000 Mark vertbeilt.
— Ein Preisausfhreiben um eine Gedenfhalle, die in dem Rurpart
eines Baseortes geplant wird, hat der Wettbewerbausfhuß des Arditeftenvereing
erlafjen. Die Halle, die zugleihd den Rurgäften Schuß gegen das Wetter
gewähren foll, erhält als bejonderen Shmud ein größeres Bronzemedaillon
mit dem Portrait des Schöpfers der Ruranlage. Um einen bejjeren Ueber-
blid über einen kleinen See zu gewinnen, ift die Halle, fiir welde 4000 Mart
zur Verfügung fteben, auf Quaderftufen erhöht anzulegen. Der Einlieferungs-
tag ift der 10. Juni.
— Die f. t. Runfterzgießerei in Wien bat eine Konkurrenz aus-
gefchrieben, um geeignete Modelle für eine würdige Vertretung der öfter-
reihifhen Bronze + Gnduftrie auf der Parifer Weltausftellung im Fabre 1900
zu erhalten. Sie widmet für diefen Jwet den Betrag von 3500 fl. Als
Motiv wird „das fhwindende und fommende Jahrhundert" feftgefegt. Das
Modell foll ein fünftlerifh vollendeter, funftgewerblider Gegenftand fein,
welder zur Vervielfältigung in Bronzegué geeignet ift. Modelle find bis
10. Januar 1899 in der l. t. Runfterzgieferet in Wien, 4. Be3., Gupbaus-
ftrafe 25, abzuliefern. Die f. f. RunftergzgieBerei garantict, daß fie diejenige
Arbeit, welhe ibr die Gury als die befte und als geeignetfte bezeichnet,
acceptirt und um den Preis von 2500 fl. von dem Konkurrenten erwirbt.
Als Guroren werden fungiren: Profeffor Raspar Ritter von Zumbufad,
Direftor der l. f. Graveur-Ufademie Anton Scharff und Arthur Krupp.
— Zur Erlangung von Entwürfen für eine Wohnbausgruppe in
Bozen wählt ein dortiges Ronfortium den Weg des Sffentliden, auf
Architetten Oefterreihs und Deutfhlands erftredten Wettbewerbes. Für die
bis zum 1. Juli ð. 5. einzufendenden Entwurfsjfizzen ftehen zwei Preife von
800 und 400 Kronen zur Verfügung; ein Ankauf nit preisgefrönter Arbeiten
fiir je 200 Rronen ift vorbehalten. Das Preisrihteramt üben aus die Herren
Ach. franz Ludner, Pf. Min.» Ober - Ingenieur, Peter Tecini, ftädt.
Ingenieur, und f. P. Ober- Jngenieur Julius Greil, fämmtlih in Bozen.
Unterlagen durd den Obmann des Ronfortiums für Erbauung von Wohn-
häufern in Bozen, Herein Ober-Gngenieur Julius Greil.
für zwei Minifterial-Abthei-
Deuttge
Runf. 299
C Perfönlides. <>)
— An der Rönigl. Akademie der bildenden Riinfte in Münden wurde
die dur den Tod Liezenmaper's erledigte Profeffur für firdlihe Aunft dem
Maler Martin Feierftein übertragen. Gm Jahre 1856 zu Barr (Elfag)
geboren, madhte der Riinftler feine erften Studien im Atelier feines Daters,
eines Altarbauers und Bildhauers. Dom Jahre 1875—1879 war er Schüler
an der Akademie in Münden bei den Profefloren Strähuber, Löffg und
Dieg, fehte feine Studien in Paris fort und ließ fih nad) einer italienifchen
Studienreife im Jahre 1883 ftändig in München nieder, um fich faft ausfchließlich
der religiöfen Malerei zu widmen. Bier fhuf er zahlreihe Entwürfe zu
Glasgemälden, darunter einen größeren Cyflus für den Bremer Dom. 1887
entftanden die Wandbilder für die Magdalenenkirhe zu Straßburg. Eine große
Anzahl von Altarbildern des Riinftlers befindet fih im Elfaß. fiir die St.
Annaliche zu Münden fhuf der Meifter zehn Bilder aus dem Leben des
bl. Antonius von Padua.
— Zur Ehrung des Altmeifters unter den Züriher Malern Rudolf
Roller, welder am 21. Mai feinen 70. Geburtstag begeht, veranftaltet die
Züriher Aunftgenoffenfhaft eine Zublläumsausftellung, weldhe an 400 Nummern
zählt und Bemälde, Studien und Skizzen des Rünftlers von feinen frühen
Anfängen bis auf unfere Tage enthält und fomit einen intereffanten Ueber-
blid über das Befammtfhaffen Roller's gewährt.
— Am 24. April farb in Düffeldorf im Alter von 74 Jahren der
Landfhaftemaler Rarl Shweih, ein gejhägter Deteran der Düfjeldorfer
Rünftlerfhaft, welcher er 45 Jahre angehörte. Seine Bilder, deren Stoffe er
vorzugsmweife der Alpenwelt entlehnte, zeichneten fih durd gute Auffaflung
und gefchidte feinfinnige Durchführung aus.
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Berliner Gobelin-Weberei.
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II. 16.
Deuffche 1
unſt.
Beiblatt: Das Atelier,
Sluftrirte Seitichrift fiir das gefammte deutiche Kunitichaffen.
Central-Organ deutfdhher Runft- und Riinftler-Dereine.
Alle 14 Tage erfheint eine Nummer.
Preis vierteljährlid 2.80 Mart.
Poftzeitungslifte Nr. 1174.
Herausgegeben von
Genrg Malkoiuskn.
Scriftleitung und Perwalfung Berlin W.57, Steinmehfir. 26.
Alle 14 Tage erfcheint eine Nummer.
Inferate: 40 Pfennige fiir die 4ge-
fpaltene Nonpareilte-Zeile.
Publifationsorgan des Deutfhen Runfivereins in Berlin, des Sdlefifden Runftvereins in Breslau, des Runftvereins für das Brofberzogtbum Heffen in Darmftadt, des Anbaltifen Runfts
vereins in Deflan, des Wiirttembergijd@en Runftvereins in Stuttgart, des Schleswig» Holfteinifhen Runftvereins in Riel, der Runftvereine in Münden, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera,
Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Börlik, Danzig, Rönigsberg, Stettin u. a.
Ur. 16.
1. Juni 1898.
I. Jahrgang.
Hermann Rüdisühli,
Pon Rarl Rrummaer.
und Geiftesleben die Mehrzahl feiner Zeitgenoffen thurm-
hodh überragt, und nad dem Maßftab feiner Schaffens-
raft in die höchften Rulturaufgaben mit eingreift. Mag fih
ein foldes Lehr. und Abhängigkeitsverhältnig nod fo frei und
ideell geftalten, man wird meiftens die Thatfache beobadten, daf
ein wirflihes Benie auf ein Talent zweiten Ranges innerhalb
feines Wirfungsfreifes nicht befrudtend, fondern erftidend wirkt.
Die großen Einfamen, wie fie Nießfhe nennt, haben genug mit
fi felbft zu fhaffen, fie haben fein ntereffe, zu den fhwächeren
Ondividualitaten herab zu fteigen, die Erfüllung ihrer großen
Miffon läßt ihnen feine Zeit übrig, die Art jener verftehen zu
lernen, ihnen aus dem Schabe allgemein giltiger Erfahrungen
etwas mitzutheilen. Selten befigen folde Riinftlerheroen den Ehr-
geiz, junge Kräfte in ihrem Geifle heranzubilden; fie wiffen,
wie problematifh es überhaupt im KRünftlerberufe ift,
Andern etwas Pofitives beizubringen, es fei denn die große
Ebrfurdht vor der Natur, die ihnen allein als Rihtfhnur gedient
hat. Aber die Schaar abgöttifher Derehrer, Nahahmer und
Schüler, die jedes Wort aus dem Munde des Meifters wie eine
Offenbarung nehmen, ift niht fern zu halten. Es liegt etwas
Beraufhendes in dem Wefen jener Ausnahmemenfhen, das auf
die Dauer vergiftend wirft; an der Benialität des Stärferen
geben die meiſten dieſer ſchwächeren Nacheiferer thatfadlid zu
Grunde, nahdem fie in flavifhem Perfonenfultus ibr beftes
Eigenthum verfehleudert haben und felbft der Natur, die fie nur
duch Dermittelung fennen lernen, mit Beringfhätung begegnen.
Um fo mehr find jene Wenigen anzuerkennen, denen das Vorbild
ihres Meifters nur ein Sporn zur Arbeit it, um ihre Pulfe zu
befchleunigen und eine beftändige Anregung und Ermuthigung,
der Natur noch beberzter, freier entgegenzutreten.
Don einem Bödlinfhüler Rüdisühli haben wir in Deutfd-
land noch wenig gehört. Jn der Schweiz hat er Name des
Rünftlers, der feine Ausbildung in Deutfhland genof, fpäter
aber wieder nad feiner Heimath überfiedelte, einen guten Rlang.
Auf größeren deutfhen Ausftellungen war er, fo viel uns befannt,
niht vertreten; ausgenommen in der Münchener Internationalen
Ausftellung 1888, die er nod nidt als Anhänger Bödlin’s
befhidte. Zur Zeit ift ein ganzer Cyflus feiner Arbeiten in dem
Berliner Bemäldefalon von €. Zaeslein ausgeftellt. Das all-
gemeine Gntereffe, weldes Riinftler und Runftfreunde an den
Werfen Rüdisühlis nehmen, rechtfertigt es, wenn wir uns mit
fs bat feine eigene Bewandtnig mit den Schülern eines
großen Weifters, welder mit feinem reihen Gefiibls-
einem
den typifchen Schweizer und feinem Entwidelungsgang eingehend
befhäftigen.
Hermann Rüdisühli wurde 1862 in Lenzburg in der
Schweiz geboren. Seine erften fünftlerifhen Eindrüde empfing
er im Elternhaufe urh feinen Vater, den Landjhaftsmaler
Lorenz Rüdisübli, deffen intim behandelte fonnige Waldbilder in
allen Schweizer Mufeen Eingang gefunden, wandte fid) aber 3um
eigentlihen Studium nad Karlsruhe, wo er unter Leitung von
Ferd. Keller und Brünner arbeitete. Nachdem er 1888 zum erften
Male in Münden ausgeftellt und fid auf den verfdiedenften
Gebieten verfucht hatte, pflegte er ausfhlieglih die Landſchafts-
malerei und gründete 1889 in Stuttgart eine Malfchule, die all-
gemeinen Anklang fand. Nadh einigen Jahren trieb es ihn jedod)
wieder in feine Heimath, und er wählte Bafel zu feinem bleibenden
Aufenthalt, wo er mehr und mehr unter dem Einfluffe Bödlins
zu fhaffen begann, ©. 6. nidt als deffen eigentliher Schüler,
denn Bödlin hatte fon feinen Wohnfis nad) Züri verlegt,
fondern urh die vielen Original-Schöpfungen des Meijters in
Privatbefit und der Aunfthalle angeregt, zulegt aud von der
Bodlin-Begeifterung der dort anfäfligen früheren Schüler Sand-
reuter und Preiswerf mit fortgeriffen, welde in der Basler Riinftler-
[haft die führende Stellung einnabmen.
Die Gemälde, welche uns in Zaeslein’s Runftfalon vor-
geführt werden, ftammen aus den verfchiedenen Perioden feines
Schaffens und find ebenfo verfdieden in der Behandlung wie in
der Büte. Noch unberührt von dem Beifte feines großen Lands-
mannes, ſucht er in feinen früheren Bildern die fchlihte Natur-
erfheinung feftzubalten. Diefe Candfhaften, mit feiner Yatur-
beobadtung gefeben und wiedergegeben, wirken in ihren befcheidenen
vornehmen Reizen recht anfpredend. Eine blumige Wiefe mit
verfchleiertem Himmel, ein Buchenwald mit den fdlanfen, vom
Sonnenlidt geftreiften Baumftämmen, eine Sommerlandfchaft mit
einem reifenden Rornfelde und dunklem Bebüfch find für diefe
Anfhauung harafteriftife und laffen einen poetifchen, zartbefaiteten
Rünftler erfennen, der, durchaus felbftftändig in feinem Empfinden
fih dod in gewiffen Grenzen bewegt und nit nad gewagteren
himmeljtürmenden Problemen tradhtet. Anders in feinen fpäteren
Schöpfungen, wo der Genius Bödlin’s es thm angethan hat, wo
er von feiner Phantafie — und niht einer nadhfchreibenden,
nadhempfindenden — den ausgiebigften Bebrauh madt und feine
Mardhendidtungen und ftilifirten Natureindrüde, die im GBegenfak
zu Bodlin nidt auf italienifthem, fondern auf fhweizerifhem
Boden wurzeln, in gliihende, ja brennende farben taucht. Diefer
302
Reidthum an Tonwerthen, die Sättigung und Leuchtkraft der Farbe
mweifen überall auf Bödlin's Einfluß zurüd, feinen Rompofitionen
ift die monumentale Bröße des Meifters eigen, bei ihm find es
große unendliche Flähen mit raufhenden Eihwäldern, einzelne
Eihbäume mit ihrem titanenhaften, ftolzen Wudfe oder leicht
gewellte Triften mit einem riefelnden Bad und malerifchen
Baumgruppen, die bald im Vordergrund, bald meilenweit zurüd-
liegend durch den Reiz der Silhouette fprehen. Mandmal bat
fidh auc) Ser Maler Sirett an Bödlin’fhe Phantafielandfhaften
angelehnt, nicht zum Dortheil feiner Bilder, beifpielsweife in jener
aus dem Meere wie ein Klog aufragenden Jnfel, die unwillfürlid)
Deutfhe Runft.
des fchrantenlofen Himmels an Rouffeau'fhe Gréfe der Auf-
faffung erinnert, vorzüglih zum Ausdrud. Das funfeln der
Abendfonne in Sen rothen Baumtronen fnnte vielleiht noch feiner
nuancirt, bier und da von fühlen, urh fomplementäre Farben
wirkende Schlagfihatten begleitet fein, ohne dem Sonnenbrand
Eintrag zu thun. Sein reifftes Rönnen entfaltet der Künftler
in der Behandlung des Himmels und dem tropifch blauen Aether,
der durch die Sariiberlagernden verſchiedenen Wolkenſchichten erſt
feine koloriftifhe Bedeutung erhält. Wie die fonnendurdhfdienenen
Dunftgebilde fih zu Ballen zufammenfhließen, wie fie durch-
einanderfluthen und zu loderen Woltenfegen zerriffen werden, wie
zu einem DVergleih mit der Bödlin’fihen Todteninfel oder dem
Schloß am Meere auffordert. Don den Centauren und fabel-
wefen, die in den Erfindungen der Yleuromantiter die Hauptrolle
fpielen, wußte er fih aber glüdliherweife fern zu halten. Selten
bemerken wir überhaupt eine Staffage; mit Gefhid ift jedoch in
die weite blumenüberfäete Wiefenlandfhaft mit den nahen und
fernen Baumfompleren eine weitverftreute Rinderbheerde hinein-
fomponitt. Die Stimmung des Herbftabends kommt in diefem
Bilde, das in der Beherrfhung des unabfehbaren Terrains und
die naben fcdwarzvioletten Gewitterwolfen an den fernen lichten
Wolfenmaffen voriiberftiirmen, diefes ganze atmofphärifhe Leben
ift mit einer bewundernsmerthen dramatifhen Kraft gegeben.
Ueberall, wo uns der Rünftler aus feinem Befühlsauffhwung mit-
theilt, erfdeint das Ueberhöhen der Ylatur gerechtfertigt, die ftarfen
Farbenatfordse haben eine innere Wahrheit und die Anflange an
den großen Meifter beleidigen uns nidt, wabrend feine Schöp-
fungen, Sie mit weniger ftarfem oder flarem Empfinden ausgeführt
find, gerade in der farbe eine gewiffe Harmonie vermiffen laffen.
Die Ausftellung der Münchener Sezeffion.
it Stolz und Befriedigung darf die Mündener Sezeflion auf den
Erfolg ihres jahrelangen muthigen Ringens zurüdbliden. Wenn man
von einem Siege reden will in diefem ernften Rampfe der Ueber-
zeugungen, wo jede Eroberung die ganze Entwidelung des modernen Strebens
I.
freier und günftiger geftaltete, fo beftand er in dem langfamen Nadgeben der
offiziellen und prinzipiellen Gegner, in der vollfommenen Sanctionirung
der ſezeſſioniſtiſchen Körperſchaft, die fhon länger als gleihberehtigt mit Ser
Mündener Rünftlergenoffenfhaft anerkannt nun aud von Seiten des Staates
Deutfde Runf.
in ihren ntereffen befürwortet und unterftügt wurde, indem ihr ein eigenes
Runftausftellungsgebände zum dauernden Wohnfig überwiefen wurde.
Die Losldfung der Sezefioniften, die anfangs wie ein übermüthiger
Bewaltftreih aufgefaßt wurde und viel böjes Blut fegte, erfiheint uns heute wie
ein folgerehter Schluß der allgemeinen, unaufbalfam fortfchreitenden Aunft-
entwidelung. Diefes neue, mädtig feimende Leben ftellte ih Bedingungen,
die nur mit dem faft unmdglid) fcheinenden Durdbredhen gewiffer Sdhranten,
mit dem riidfidtslofen Hinwegräumen iiberlieferter Dorurtheile zu erfüllen
waren. Man blidt heut zu Tage zu den Stammbaltern der jungen
Rünftlergeneration mit Hohadtung empor; man weiß die Elemente der Se-
3effion, innerhalb der fic) freilid) nod) manhe Wandlung vollzog, genug zu
Ae? *
22 — f
— *
303
Deden, wie die in den fdmalen Derbindungsgängen, welde fih zur Auf-
nahme graphifher Runftwerfe empfablen, führten wefentlihe Derbefferungen
herbei. Die fehwierigfte Aufgabe beftand jedenfalls darin, fih mit dem be-
fhräntten Raume abzufinden; die Hängelommiffion mußte mit äußerfter Klugheit
und Strenge zu Werke gehen, um in den acht mittelgroßen Salen allen Theilen,
den einheimifhen Mündener, den übrigen deutfchen und ausländifhen Rünftlern
gerecht zu werden.
Derfuhen wir die mannigfaltigen und madtigen Eindrüde diefer Aus-
ftellung, wie fie in buntem Wedel an der Erinnerung vorüberfluthen, unter
einem gemeinfamen Befichtspunft zu betrachten, einen harakteriftifhen Unter-
fchted im Dergleiche mit zeitlich und örtlicd verfhiedenen Aunftausausftellungen feft-
H. Rüdisühli, Herbftabend,
fhägen, um ihre inneren und äußeren Erfolge zu begreifen. Gm legten
Grunde verdanken fie zwar die neuerdings getroffene Verfügung ihrem funft=
liebenden Landesherrn, dem bayerifhen Prinzregenten, der in warmer, perfön-
liher Antheilnahme fiir Runft und Riinftler die Ausfhlag gebende Ent-
fheldung traf. Ob allerdings mit diefem politifhen Siege, dem Einzug in
den Porinthifthen Runfttempel das goldene Zeitalter für die Sezeffion an-
Gebroden ift, wird noh ftar? bezweifelt. Das imponirende Bebäude im
„Klaffifhen Diertel am Rönigsplat, äußerlid fo ftilvoll und vornehm, wie
nur denkbar, entfpridt im Gnnern feineswegs den Anforderungen moderner
Ausftellungstednif, vor Allem nidt dem verwöhnten Befhmad der Sezeffioniften,
deren erftes jelbfterbautes, wenn aud proviforifches Heim fiir prattifde Fwede
nidts 3u wiinfdhen übrig lief. Hier mußte man jedod mit den gegebenen
Derbaltniffen rechnen; tünftlerifhes fFeingefiibl und Befhmad für Harmonie
und Anpaffung konnten fih im vollen Maße bewähren, um aus Wenigem
Etwas zu mahen und die vorhandenen Mißftände vergeffen 3u laffen. Dur
Wandbefpannungen und fußbodenbelag erzielte man überrafhende Wirkungen,
das Oberliht wurde durh Derblendungen gemildert und zu wohlthuender
Einheit gefammelt. Aud zwedtmäßige Umbauten, die Einziehung Meiner
zuftellen, mit anderen Worten das unklare Befühl eines neuen, mit aller
Kraft fih durchringenden, nad vorwärts drängenden Lebens in formeln aus-
zudrüden, fo gelangen wir nur zu den allgemeinen Merkmalen der modernen
Runftftrömung, wie fie vielleicht ebenfo deutlih zur Zeit in Paris oder Wien
wahrzunehmen find: Augenfheinlih ift in dem Derhältniß zur Natur das
fubjeftive Empfinden freier hervorgetreten. Nahdem die platte Yaturnad-
bildung, der äußere Realismus feinen . Höhepunkt erreicht hatte, tritt die
Phantafie des Riinftlers wieder in thre Rehte, der Znhalt überwiegt wieder
über die Made und aus den ftudienhaften Bildern, die vielleiht zum Bee
weife tednifcher fortfdhritte aud eine Exrtftenzberedtigung batten, entftehen
abgefhloffene inhaltreihe Runftwerfe. Auch die Sezeffion, weldhe in der
erften Zeit die malerifhen Naturausfchnitte fehr bevorzugte und nidt obne
Grund auf den heftigften Widerfpruch ftieß, hat diefe Shwenktung mitgemadt.
Der Zug zur Romantik, zum. Sinnbildlihen und Ueberjinnliden hat aud bier
die Beifter ergriffen. Obſchon es aud Modefiinftler gab, die die neue
Romantik nur als einen Dorwand auffaßten, mit anderen farben erperimentiren
3u fdnnen, fo 3eitigte doc die treibende Kraft in diefer Bewegung wirkliche
Erfolge. Die Sättigung der farbe, das Schwelgen in geheimnißvollen tiefen
804
Deutſche Kunſt.
Daͤmmertoönen, in ſtarken leidenſchaftlichen oder blaſſen, verklingenden Farben
blieb das vornehmſte Ausdrudsmittel der Neuromantiker, welches der alten
Schule der Romantiker gänzlich unbekannt war. Auch die landſchaftliche Licht⸗
malerei langte, vergeblich nach Steigerung ſuchend, bei den Farben⸗
problemen an. Trog der allgemeinen Neigung der realen Wirklichkeit zu ent⸗
fliehen, die Alltagswelt zu umſchreiben und zu überhöhen, ſind diesmal auf
dem Gebiete der Bildnißmalerel die ſtärkſten und gediegenſten Leiſtungen zu
verzeihnen. Die künſtleriſche Forderung, die das Bildniß ſtellt, den Charakter
eines Menſchen in Formen- und Farbenharmonien zu überſetzen, ohne ſich
einen Zoll von der Natur zu entfernen, bleibt für alle Zeiten den großen und
genialen Meiſtern vorbehalten, obwohl kein Kunſtgebiet häufiger verkannt und
durch Dilettanten in den Schmutz gezogen wurde.
Hugo v. habermann, der ſich in ſeiner Verehrung für alte Meiſter
häufig auf tehnifhe Aeußerlichkeiten caprizitte und eine nicht gerade erquid⸗
liche Alterthümelei zur Schau trug, überläßt ſich diesmal ganz ſeinem
Temperanient, weldes ihm die Malweife gleihfam in den Pinfel diftirt.
Das Bildnif einer von vorn gefehenen lahenden Dame mit [hwarzem Hut,
herabfallendem Pelztragen und breiter, fih an den Hals anfdmiegenden rofa
Shleife ift von einer pridelnden Lebendigkeit. Der töftlihe Uebermuth des un-
regelmäßigen, von reihem blonden Haar umgebenen Gefidtes fceint in die
ganze Arbeit mit übergefloffen zu fein. Das geiftteihe Lädeln bildet den
Dorwurf zu dem Bilde und die Malerei ift völlig eins mit dem Gegenftand,
luftig und geiftreid) und von beftehender Eleganz, aber frei von aufdringliden
Runfiftiidhen. BeiLeo Samberger beobachten wir, wie fih allmählih die
Individualität mit einer eigenen Spradhe Gehör ver-
fhafft.. Die für ipn typifh gewordene Webnlichfeit
mit Lenbad, die, zwar nur in Aeußerlidfeiten be-
tubend, aud dem oberflählihften Befchaner auffiel,
beginnt einem eigenen Stil Plaş zu maen. Seine
neueren Bilóniffe wirten dadurch unmittelbarer und
überzeugender, die fraftigen Tonwerthe verleihen der
malerifhen Erfheinung wunderbare Relze, jo in dem
Portrait einer Dame mit fhwarzem kurzgefnittenen
Haar und fein gebogener Yafe. Anetsberger lebt
fih wiederum mit moderner Farbenfreudigteit in alt-
meifterlihe Uuffaffung hinein, wie in dem von vorne
gefehenen Bildni des Barons von Wendelftadt, wo
die gegebenen koloriftifhen Momente mit feiner Bered-
nung in Einklang gebradt find. Das rofige Gefidt
der fräftigen Männergeftalt tritt lebensvoll aus dem
Hintergrunde einer braunroth gebaltenen Jdealland-
[haft heraus, der eigenthümlihe, an fic fiiplide Ton
des energifhen Gefichtes wird durd das brennende
Roth der Rravatte zu einem woblthuenden Alford
aufgelft. — fiir die Befhmadswandlung der Se-
zeflioniften ift es recht bezeichnend, wenn felbjt v. Ubde,
der fi bisher für die moderne Liht- und Sonnen-
malerei fo febr ins Zeug legte, bei alten Meiftern
Einkehr hält. Bei dem Bildnif des aufrecht ftehenden
alten Mannes mit den auf eine Stubllebne auf
gelegten Händen — die Reproduktion des Bildes
braten wir in Yr. 12 bei der Dachanergruppe —
haben ibm offenbar die Pbilofophen des Delasquez
vorgefchwebt. Bleihwohl Fönnen wir dem Uhte'jhen
Bilde unfere Bewunderung nicht verfagen. Die
Wucht des Dortrages, die Einfachheit und Tiefe des
Tones, nicht minder die feinem Zugeftändniß weihende
Charakteriftit beweifen dte reifite Meifterfhaft. —
Mit großem Befhmad ift Hierl-Deronco der
Aufgabe eines Nepräfentationsportraits geredht ge-
worden, indem er die Prinzefiin Leopold in der
Rleidung eines dunklen Reitanzuges durd eine berbit-
lihe Parflandfhaft fcreitend darftellte. Die ans
muthige fdlanfe Geftalt in der fdwarzen engan-
liegenden Traht mit dem liebenswiirdigen Gefidts-
ausdrud hebt fih im disfreter malerifcher Wirkung
von den imprefiloniftifch gemalten, bemooften Stämmen
und dem bunten Laubteppih ab. Das gleihe fiinft-
galt eine offizielle Perfönlichkeit in der offiziellen, vorgefhriebenen Tradıt, d. h-
der Uniform mit ihren fehreienden farben wiederzugeben. Die Charakterfhilderung
it in vollem Maße gelungen. Aus dem Mugen Antlige, den freundlihen Augen
blidt Energie und Sicherheit des Auftretens hervor. Die Buntheit und die
foloriftifchen Mißflänge im ganzen Anzuge, die bligenden Orden, den weißen
‚sederbufh auf dem in der Hand getragenen Beneralshut, das unerträgliche
nebeneinander ftehende Roth und Blau des bayerifhen Soldatenrodes hat der
Rünftler mit großem Befhid herabzuftimmen, gleihfam zu entwerthen ver-
fanden, indem er dem Bilde durch den Hintergrund eines ardhiteftonifhen
Aufbaues mit landfhaftlihen Durchbliden ein reiheres monumentales Ge-
präge verlieh. Eine Beziehung zu diefer Umgebung läßt fih hier natürlich
niht nadweifen, ebenfo wenig wie bei einigen alten Meiftern, die in ihren
Bildniffen folhe Architekturen als Rouliffen benugen, um in den ftarren,
“fommetrifhen Linien einen lebhaften Rontraft gegen die Figuren zu er-
zielen. Eine andere der Benremalerei fih nähernde Portraitauffafiung
befteht darin, gerade die Umgebung als darakteriftifhes Moment mitfpreden
zu laffen. Man befhäftigt fi hier weniger mit einem Zuftand, mit der Pfydhologie
im Allgemeinen, als mit einer Thätigfeit, die, für den Dargeftellten und feine
Gewohnheiten bezeichnend, auch zu den mannigfadhen unentbebrliden Gegen-
ftänden des täglichen Lebens in engftem Zufammenhange fteht. Gn diefer faft er-
zählenden form tritt uns ein älteres Bildniß Segantini’s aus dem Jahre 1883
einen italienifhen Rünftler und Schriftfteller darftellend, entgegen. Mit dem
rechten Arme auf den Tifh geftiigt und ein KHörrohr dem Ohr nähernd, in
der Linken eine dampfende Pfeife baltend, blidt er den Bejhauer freundlich
lerifche Feingefühl waltet in dem Burger'fhen Bild-
niffe des bayerifhen Rriegsminifters v. Afh, wo es
a
H. Rüdisühli, Herbſtſtimmung.
Deutfdhe Ranft ;
an; Woblwollen und
Bebagen fpridt aus
dem Blid diefes Schwer-
börigen, die ihn umge-
bende Unordnung, das
bunte Durcheinander
von den verfchledenften
Dingen des Ateliers
und der Studterftube
gehören offenbar zu
dem Elemente, in dem
er fih wohl fühlt. gn
der Malerei von leben-
diger und reicher far
benwirfung zeigt das
Bild noh niht die
impreffioniftifhe Ted-
nif mit den ftrihweife
nebeneinander lagern=
den reinen Lofaltönen.
Der Dane Viggo
dobanfen, der fih
wie teiner feiner Lands-
leute auf die Schilde
rung es bebagliden
Biirgerthums verftebt,
bringt ein lampen-
erhelltes Interieur, in
dem fi der Maler felber
und vier ‚freunde bei
Wein und Zigarre güt-
lid thun. Unrubiger
als diefes vortrefflihe Bruppenbild wirft ein familienportrait „Die
frau des Rünftlers mit ihren vier Töchtern". Ein dekorativ behandeltes
Gemälde von großem Umfang hat der Schwede Larsfon gefandt. Es
Dreh. —
u
2
305
Gobelin, entworfen von Prof. Ewald, gewebt bei W. Zieſch, Berlin.
ſtellt die Frau des Malers und die in ihrer Altersſtufe trefflich charak⸗
terſirten Kinder dar, wie ſie im Garten beim Scheine der Morgenſonne
luſtwandeln.
Berliner Gobelin⸗Weberei.
2 Is im Jahre 1686 der Große Rurfiirft dem franzöfifchen
a Gobelinweber Pierre Mercier das Privileg zur Er-
> richtung einer Bobelinweberei verlieh, that er dies in
der Erwartung, daß fh daraus mit der Zeit eine
blühende Fnduftrie entwideln werde. Er fowohl wie feine Nad-
folger unterftiigten die Manufaktur auf jede Weife. Trokdem
fonnte es nicht verhindert werden, daß fhon nad dem Tode
Sriedrids des Grofen die lekte Stunde fiir fie gefhlagen hatte.
Der Zeitgefhmad war eben ein anderer geworden und fo gerieth
nad und nad die funftvolle Gnduftrie in Dergeffenbeit.
Erft im Anfange der fiebziger Jahre fand fih ein Mann,
der die Bedeutung der Bobelin-Weberei erfannte und den Ge-
danken entfdloffen in die That umfeßte. Wilhelm Ziefh in
Berlin unternahm es, ohme geübtes Perfonal, ohne pafjendes
Material die alte in Deutfchland verlorene Technik gemiffermafen
neu zu entdeden und zu beleben. Die erfte Leitung feiner Aunft-
weberei war ein Bobelin in der Miniaturgröße von 40:40 Centi-
meter. Die Herftellungstoften Seffelben betrugen 255 Mart.
Langfam nahm die Entwidlung ihren Lauf, Der einfahe Haute-
liffe-Stubl war bald aufgeftellt, aber fhon wurde es befdwerlid,
mit paffendem Material eine gute Rette aufzuziehen oder geeignete
Wolle für den Einfhlag zu finden. Die elaftifhen Zephyrgarne,
die man für die Stiderei verwendet, find in der Weberei nicht
braudbar. Syftem und Giite der Färbung find die Hauptfaftoren
der Gnduftrie. So hat fic) die Chevreul’fhe Farbenffala mit
ihren 14420 Tönen in den Dienft der Manufattur ftellen müffen,
und an Stelle der Willfiirlichfeit ift eine geregelte Sicherheit ge-
treten, die auf die Feinheit und Präzifion der Abtönung einen
ausfhhlaggebenden Einfluß hat. Unfere deutfchen färbereien waren
nun zunähft niht im Stande, die ausgedehnte Farbentonleiter
3u befhaffen und fo mufte fih Wilheim Ziefh vorläufig an
Frankreich halten.: x
Langfam, aber fiher ermuds aus den fclidten Anfängen
ein fhönes Ganzes. Das nddfte Ergebnif waren zwei je
anderthalb Meter grofe Gobelins nad Bildern von Philips
Wouwermann und Carel Dujardin und weiter zwei große
deforativ wirffame Pilafterftreifen mit friidhten und Blumen nad
Ropien, die Profeffor Meurer im Jahre 1884 von den Originalen
von Diant im Palazzo ducale zu Mantua genommen bat. Diefe
Gobelins wurden 1888 auf der Jubiläumsausftellung in Münden
mit einem Ebrendiplom ausgezeihnet. Mehr und mehr regte fih
auh in der Künftlerfhaft das Intereffe an der wieder neu empor-
blühenden Manufaktur und erfte Meifter gaben Kartons zur
Arbeit an Wilhelm Ziefh her. Als befonders förderliches
Moment der Vervollfommnung ift eine Studienreife Ziefch's
nad) Jtalien hervorzuheben. Die alten bliihenden Manufattur-
betriebe Sort, die nad) Ser Zeit des Uuattro- und Cinquecento
entftanden, hatten nur fpärlihe Refte am Tiber zurüdgelaffen,
und Wenige, die die Siebenhügelftadt betreten, haben überhaupt
eine Ahnung von ihrem Beftehen. Das Ofpizio Si San Midele,
jene alte Wohlthätigkeitsftiftung des Rardinals Tommafo Odes-
caldhi, war der Ort, an dem zu Anfang des 18. Jahrhunderts
Papft Clemens XI. eine Teppid-Manufaktur errichten. ließ.
Unter Ser fraftigen Unterftüßung Ser Papfte entwidelte fid
das Jnftitut und wirflid) ausgezeidnete Produfte gingen aus ihm
hervor. Mit dem Untergange des Rirhenftaates fan? auh die
Weberei. Als im Jahre 1870 dem Papft Pius IX. die Madt
über das Ofpizio ði San Miele verloren ging, richtete er im
Datifan felbft eine neue, wenn aud nur fleine Werfftatt dafür
ein. Augenblidlih ift ein einziger Webftuhl darin im Betrieb.
306
Es ift nun befonders widtig, daß in
diefer Meinen Werkjtätte des Datifans und
im Hofpiz das Garn nad geheimen Re-
zepten gefärbt wird.
Jiefh bat damals in Gtalien fo
Manderlei auh bezüglid Ser dort üb-
lihen Ausbefjerungsmethode in Erfahrung
gebradt. Er erbielt auf bohe Empfeb-
lungen Einlaß in die Werkftatt im Vatikan
und durfte die Galerie der Arazzis genau
befichtigen. Zu dem großen Erfolge der
Reife gefellte fih bald ein anderer. Der
‚färbereivorfteher der Rönigl. Webfchule
in Crefeld, Dr. Lange, fing an, auf
Grund von Analyfen, die mit den fran-
zöfifhen Barnen und den aus dem Vatitan
mitgebradten Proben angeftellt wurden,
bald in vorziiglidfter und ausgedehntefter
Weife zu färben. Und nun wird fchon
feit geraumer Zeit das engliihe Robgarn
nicht mehr in Frankreich, fondern in Cre-
feld gefärbt.
Die Herftellung Ser Gobelins felbft
ift eine außerordentlih mühfame und muß
von hödjfter Sorgfalt begleitet fein. Das
Spannen der ftarfen baumwollenen Retten-
fäden, von denen bei Teppichen mittlerer
Größe etwa 60 Faden auf 10 Centimeter
geben, muß derartig gefchehen, daß zwifchen
den ‚fäden ein Raum bleibt, der ihrer
eigenen Starke entfpridt. Yad dem Auf-
bäumen der Rette werden die Liken befeftigt.
Sore Schlingen faffen nur jeden zweiten
Jaden. NRüdwärts reihen fie fih auf
einen herabhängenden Holsftab. Ober-
halb der Like find Kreuzftäbe eingefhoben.
Die Theilung der Rette in Ober- und Unter-
fad ermdglidt fo das Durhfchlüpfen der
Spule.
Der Schuffaden gebt felbftverftändlich
nur auf der Strede der Kette, für welde
die farbe nah Dorfchrift beftimmt ift.
Während die Weberin arbeitet, bat fie die
Rüdfeite vor fih und fie fann den ge-
malten Rarton nur fehen, wenn fie in
einen Spiegel blidt. Go wird in der
Werkitatt des Datifan und fo aud in der
Manufaktur von Wilhelm Ziefch gearbeitet.
Hier in Berlin ift allerdings noh ein
Dortheil dabei, Fief bat eine Verbefferung eingeführt, feine
GBobelins braudhen nicht genäht zu werden.
Die Herftellungstoften der Gobelins flellen fi natürlid recht
hod. Das Publitum hält meit gemalte Jmitationen fiir echte
Stüde und hat von Sen Roften der letzteren deshalb feinen
teten Begriff. Wenn man erwägt, daß eine tiichtige Weberin
bei adhtjtündiger Arbeitszeit am Tage etwa 25 Quadratcentimeter
fhafft und fo eine Jahresleiftung von hodftens 3—4 Quadrat-
meter hinter fih bringt, ergiebt ji), daß der Preis fhon durch
den Arbeitslohn arg in die Höhe getrieben wird. Gn Paris foftet
das Quadratmeter etwa 4500 frs. Jiefdh liefert jedoch jest
fhon billiger. Thöriht wäre es aber, um des Preifes willen
Gegner diefer Technik zu fein. Zwed des Runftgewerbes ift es
ja, materiellen Werth durch Runftfertigheit fo hod als möglich
zu fleigern.
Wir haben fhon darauf hingemwiefen, daß ein weiterer Theil
unferer Berliner Gobelin-Manufattur fic mit der Ausbefferung
von Gobelins befhäftigt. Wud) hierbei ift äußerfte Sorgfalt ge-
boten. Das unzuträglihe Stopfen ift natürlid vollftandig in
Deutfhde Runft.
Wegfall gefommen und mühfelig werden
neue Rettenfaden eingefpannt und die
Schußfäden ganz wie beim Weben neuer
Gobelins eingefügt.
on den legten Jahren wurden eine
Anzahl in hohem Befige befindliher Bobe-
lins Surdgreifenden Ausbefjerungen unter-
zogen. So beifpielsweife einige im Befige
des Raifers befindlide Gobelins aus der
berühmten Serie: „les amours des
dieux“. Jn einen Gobelin aus dem
Charlottenburger Schloffe mufte ein mehr
als ein Quadratmeter großes Stiid neu
bineingewebt werden, da man in der
Empire-Zeit wegen der Neuanlage einer
Thür mit Gemiithsrube jenen Quadrat-
meter aus dem Gobelin berausgefchnitten
hatte. Ferner find die Don Quidotte-
Gobelins nah Coypel, Sie ih im Berliner
Schloffe befinden, gereinigt und aus-
gebeffert worden. Mandes Befigthum
des Prinzregenten Albreht von Braun-
fhweig, des Broßherzogs von Medlenburg-
Schwerin und aus rheinifhen und weit-
fälifhen Richen ift auf diefe Weife vor
dem Verfall bewahrt. Seit einiger Heit
ift man mit einer Reftauration jener Bobe-
lins befhäftigt, weldhe Thaten des Broßen
Rurfürften darftellen, und die Friedrid) IIT.
nad) Rartons der Maler Bogeyn und
Gebrüder Cafteels in der Mercier’fchen
Manufaktur ausführen ließ. Wir wollen
diefe kurze Skizze damit fchliefen, daß
wir befonders binweifen auf die beige-
gebenen Reproduftionen {von Arbeiten
aus Wilhelm Ziefh's Meifterwerfftatt.
Das eine Bild ftellt einen vier Quadrat-
meter großen blaugrundigen Bobelin dar,
der in der Mitte eine Dafe mit natura-
liftife) bebandelten Blumen und an den
beiden Seiten gefhmadvolle Mufitembleme
enthält, die umranft werden von Ro-
fofo-Ornamenten aller Art. Prof. Ewald
bat dazu den Entwurf geliefert. Die
beiden anderen Bilder find die Wieder-
gabe von Sik und Lehne eines Sophas.
Der Bezug zeigt auf dem Sit gleidfalls
gefhloffen angeordnete Blumen und auf
der Riidlehne eine Liebesfzene à la
Watteau, flanfirt von Mufifemblemen im Rofofoftil. Die Rom-
pofition diefer Theile it nadh farbigen Kartons des artifti-
fhen Direktors der Kal. Porzellan-Manufaktur, Prof. Rips, ge-
webt worden.
Wilhelm Jiefdh ift es zu danken, daß nad mehr denn 100
Jahren ein vollftändig eingegangener Zweig einheimifher Runft
zu frifhem Leben neu erblühte und dafür gebührt ihm die unein-
gefhränkte Anerkennung aller Freunde des deutfhen Kunft-
gewerbes. Rommt es dod für die Gewinnung eines modernen
Stils vorwiegend darauf an, nit neue Techniken zu erfinden,
fondern die alten auf die ihnen angemeffenen Runftmittel zurüd-
zuführen, fie den billigen Surrogaten felbftbemuft gegenüber
zu ftellen und fo zu gedeihliher Fortentwidelung zu frdftigen.
Das Malen mit faden und Spule ift ein wefentlid anderes,
als das mit der Stidnadel und läft bei weitem feinere farben-
nuancen 3u,
Ein Zweig Ser Volfsfunft wird die Bobelinweberei um
ihrer Roftbarfeit willen niemals werden, aber fie fann anregend
witfen auf allen Gebieten des Kunftgewerbes.
Deutfhe Runft.
307
Sopharüdlehne in Gobelin-Weberei von W, Ziefch, Berlin.
Entworfen von Prof. Rips.
Büchermenfchen und bildende Kunft.
enft man den Urfaden nad, aus denen das innige
Mißverftehen der bildenden Runft, ihrer Ziele und Aus-
drudsmittel entfpringt, weldem wir auf Schritt und
Tritt auh bei denen begegnen, die fih ihrer eigenen
Ausfage nad auf das Lebhaftefte für Aunft interefjiren, fo tritt
als eine der entfchpeidendften das Verhältnig unferer Zeit zu dem
Bude hervor.
Wir Deutfchen pflegen uns der geringen Zahl von An-
alphabeten unter unferem Dolf zu rühmen. Man tann hinzu-
fügen, daß der Deutfhe niht nur 3u lefen verftebt, fondern dap
dies in den Kreifen, die fi) die gebildeten nennen, feine Haupt-
befhäftigung fei. Unfere ganze Bildung ift auf dem Bude
aufgebaut. Aber während die Schäden, welhe fid-daraus fiir
das praktifche Leben ergeben, allfeitige Beahtung erfahren haben,
glaubt man, daß diefe Einfeitigfeit geeignet fei, eine bobe
Shäbung alles Beiftigen und eine Befhmadsridtung groß zu
ziehen, die der Würdigung äfthetifcher Dinge zu gute fommt. Nun
ift aber grade das Begentheil der fall.
Alle Runft hängt mit ihren zarteften Wurzelfafern an dem
Boden der Wirklichkeit, und die Reife von dort in das Land
des Büdermenfchen, der die zarte Pflanze unter die Lupe feines
literarifch Pritifchen Urtheils zwingen möchte, it fo weit, dağ er
nur verwelfte Blätter und längft untenntli gewordene Blüthen
für feine Unterfuhung erhält. Yur dem naturfreundlichen
Wanderer, der fie an ihrem Standorte auffudt, wird fie das
Geheimniß ihres Duftes offenbaren. Wie wenig geeignet ift aber
die Ausrüftung, mit der wir für die Reife in das Land der
Runft ausgeftattet werden!
Schon in der Schule beginnt das Unheil. Der Blick des
Rindes, der fo dringend in der Umgebung 3u forfden verftand,
dem feine Einzelbeit entging, das Bedädhtnif, das fo treu den
einmal aufgenommenen Eindrud bewabrte, fie werden abgeftumpft
durh Sie Gewohnheit des ewigen Schwarz auf Weiß. Die
Phantafie, Sie höchſt merkwürdige Eigenfhaften an den fraufen
Zeichen zu entdeden wußte, als fie fih ihr zum erften Mal vor-
ftellten, fhläft allmälig ein und überläßt es dem Auge, mechantfd
die Form aufzunehmen, um fie weiter zu geben an die geheim-
nißvoll wirkenden Kräfte, die aus dem fonfreten Ding eine ab-
Sophafix in Gobelin-Weberei von W. Siefh, Berlin.
Entworfen von Prof. Rips.
308
Deutfhe Runft.
ftratte Dorftellung bilden. Ein Triumph des Beiftes, der Ge-
danken für das Auge erfennbar madt, ein Triumpb, der fid
ftets wiederholt, wo ein findlicder Geift die erfte Schwierigkeit
bewältigt und das fihtbare Ding in einen Gedanten überfegen
lernt. Die Pforte zu den Hallen der Wiffenfhaft fteht nun
offen! Nur zu leicht fchließt fie fi hinter dem Eintretenden und
trennt ihn für immer von dem, was diesfeits derfelben lag, dem
ganzen, bunten Reid der Wirklichkeit. Denn mit der einmal
angenommenen Gewohnheit, das Befhaute niht mehr auf die
finnlihen Eigenfhaften, fondern auf den Gedanfeninbalt zu
prüfen, gleitet das Auge immer oberflähliher über die Um-
gebung hin. Was urfprünglid inftinftiv aufgenommen wurde,
das wird jet nur der abfictsvoll gelenften Aufmerkfamkeit auf
fällig, und wie wenig Mufe lafjen die Bücher zur Natur-
beobadtung!
Gefhichte, Geographie, ja felbft die Renntnif von Ser Natur,
die mehr als alles Andere nad unmittelbarem Erleben und Be-
freunden freit, fie finden ihren Weg zu dem jugendliden Per-
ftändnif in der Regel durd die Vermittlung von Druderfhwärze
und Papier.
Zu den Schulbüdern gefellt jih bald die Unterhaltungs-
leftiire. Neifebefhreibungen mit erzählten Abenteuern und Ro-
mane mit gedrudten Gefühlen, eine ganze papierene Welt, in der
man fih fohlieflih mie zu Haufe fühlt. So verfdlieft fih
der Bid für die Wirklichkeit immer mehr. Es folgt die Zeit
des Studiums, und mit Ausnahme der Medizin und zum Theil
der Naturwiffenfhaften find es aud bier Bücher, wenn aud zum
kleinen Theil gefprodene Bücher, weldhe die Zeit ausfüllen. Oder
es ift ein praßtifcher Beruf, der Sen Blid ebenfalls auf die
Seiten irgend eines Kafjenbudhs . oder eines Regifters feftnagelt.
Und dazwifhen flattert der Schwarm der Zeitungen, Befeh-
fammlungen, Befanntmadungen; die Lettern haben fih wie ein
Heufchredenvolf über den ganzen, grünen Baum des modernen
Lebens niedergelafjen.
Yun aber die Frauen! Jhr Beruf, ihr fogenannter natür-
licher Beruf, zwingt fie niht unter die Herefhaft des Budes.
Sie fteben mit den Dorfommniffen des praftifhen Lebens in
engerer füblung, und ihnen bleibt in den oberen Rlaffen, von
denen bier die Rede ift, noch vielfah Mufe, die fie anwenden
fönnten, Schäden auszugleihen, welche Surh jenes Heberhand-
nehmen einer rein literarifhen Bildung bei den Männern ent-
ftehen könnten. Aber unglüdlicerweife ift das erfte, womit die
intelligente frau (wenn ih von der Rünftlerin abfehe) diefe Muke
auszufüllen ftrebt, aud wieder nidts als Ceftüre, und die, welde
niht auf diefe Befhäftigung verfällt, pflegt für Bildungsfragen
nidt in Betracht zu tommen. Der literarifch-philofophifche
Charakter unferer ganzen Geiftesridtung ift fo ausgefproden,
daß er faft jede Kraft in feine Stromridtung bineinzieht. Darum
find neben dem Hausmütterden die Salonpuppe und der Blau-
ftrumpf die weitaus verbreitetften Frauentypen unter den foe
genannten Gebildeten.
Alfo aud die Frauenmufe thut wenig oder nidts dazu,
dem Ueberwudern einer einfeitig literarifchen Bildung entgegen
zu wirken,
Leiden alle Riinfte unter dem naturfremden Sinn derer,
an Sie fie fic) wenden, fo ergeht es Sod) feinem Zweige der-
felben fo fohlimm, als den bildenden Riinften. Die Ausdruds-
mittel, auf die fie angewiefen find, miiffen fie fo unmittelbar
aus der Natur entnehmen, daß fie ihre Wirfung da verfeblen,
wo diefe Natur nicht intim gefannt und geliebt wird. Seine
Renntniß von Ereigniffen und Gefühlen hat der Büchermenfch
Werten der Wiffenfhaft und der Dichtung entnommen, feine
Dorftellungen von den fihtbaren Erfcheinungsformen der Natur -
ift ibm im beiten fall urh Mufeen, im fchlimmeren Surh
mittelmäßige Glluftrationswerfe und fdledte Oeldrude vermittelt
worden. Was in den engen Rreis diejer Anfehauung nicht
bineinpaßt, das heißt ihm unnatürlid. Viel zu ungriindlid in
feinen Beobachtungen, um zu bemerken, daß die Autoritäten,
auf die er fi) beruft, die Werke alter Meifter in den Galerien,
famtlid) verfchiedene Abbilder der Wirklichkeit geben, alfo doch
wohl nicht alle gleichzeitig in feinem Sinn natürlich fein fönnen,
fährt er fort, auf das zu jhmwören, „was in verjährt gebeiligtem
Befit in der Gewohnheit feft begründet rubt.* So muß er jede
Runft verurtheilen, die ein neues, eigenes Verhältnig zur Natur
zu gewinnen fudt. Denn fein utoritdtsfinn vergleidht nicht
das Runftwerf mit der Wirklichfeit — diefe it ibm in der Un-
endlichkeit ihrer Nüancen und Offenbarungsformen fremd —,
fondern mit einer beftimmten Auffaflungsweife diefer Wirklichkeit,
wie fie ihm nun grade durch einen zufällig genauer bekannten
Meifter geläufig: ift.
Wir haben es vor Kurzem erlebt, ja wir ftehen nod mit
einem Fuße in diefer Bewegung, daß Fünftlerifche Leiftungen,
die von ihren Urhebern in gutem Glauben als realiftifhe be-
zeichnet wurden, als der Eindrud, den bei gewiffenbaftem Per-
tiefen in die Natur ibr Auge von derfelben empfangen batte —
daß folden Werken ein lautes Belächter oder ein Schrei der
Entrüftung entgegenfholl. Golde Farben feien unnatiirlich.
Daß der Maler, deffen Lebensberuf im Verkehr mit der Wirt-
lichkeit beftebt, gemiffermagen einen höheren Anfpruh an Urtheils-
fähigkeit habe, folhe Erwägung liegt dem Büchermenfhen ftets
fern. Daß aber Sod nidt leicht obne inneren Grund eine
ganze Anzahl von Augenpaaren fo gleiherweife in die Irre
geben fonnten, fintemal fie Surh ihren Eigenfinn ihren Trägern
weder Ehrentitel noch Boldesfhäte eintragen, jondern jie einfach
dem flud des Mifverftandenwerdens ausfeken, diefe Beobadtung
bätte zum Nachdenken veranlaffen follen. Statt deffen fuhr das
liebe Publitum fort, fih in Wehllagen über das fo „unnatür-
lide’ Lila und das „gefhmadlofe* Brün zu ergehen. Bonder-
bar, feine Dichter waren nie müde geworden, das Brün des
Frühlings zu befingen, und fo lange diefe farbe nur in [hwarze
Budftaben vermummt vor den Augen erfchien, hatte man nichts
dagegen einzuwenden. Yun es aber den Malern wie Schuppen
von den Augen fiel, nun fie inne wurden, daß es der Natur
im Sommer mit dem Begriff „grün ernft fei, und nun aud
ihre gelehrigen Schüler mit diefer wie mit allen anderen ‚Farben
Erni 3u machen fic) anfcidten, da bieß es nicht nur, diefe
Bilder feien revolutionär und unfhön, nein: fie feien unnatür-
lid. Eine Zeitlang tobte der Rampf. Aber das neue Beftreben
war ftar? und eht. Es war nit durd Enttäufhungen zu
unterdrüden. Und fiehe da, allmählich öffneten diefe Neuerer
aud Anderen die Augen und immer größer wurde das Feld-
lager derer, denen das natürlih fhien, was von aller früher
befannten Malerei jo bimmelweit abftad, und das Publitum
mit dem angeborenen Refpeft vor der Majorität wagte nicht
mehr jo unummwunden fein Verdammungsurtbeil auszufpreden.
Alp.
Wiener Kunftfrühling.
o ift denn and) das gemüthlihe Wien, das im Fünftlerifher und
literarifher Hinfiht eine ganze Feit lang den zweifelhaften Ruf
eines Scheria genoffen bat, vom leidigen Sezejlionsbazillus oder
Spaltpils bheimgefuht worden. Alfo 3u fereiben, dürfte fi ein
Anhänger der konjerativen Kunftpartei veranlaßt fühlen; mir aber liegt es
durdhans fern, den graffirenden Sezefjionismus als eine Arankheitserfcheinung
aufgufaffen; denn die Weben, die das Entftehen neuen Lebens begleiten, find
nur natürlih und Sarum aud nicht Frankhaft. Alles Bähren und Drängen,
alles aud) nod) fo abfurde Bebabren, worüber heute noh fo mander den
Kopf fehüttelt, bedeutet den gefunden Proteft moderner Jugend gegen ver-
brauchte Jdeale, ift in feinem geräuf—vollen Anfturm nur die natürliche
Brandung, mit der fih der Andrang veränderter Anfchanungen an der dines
ſiſchen Mauer der Tradition bridt. Die mene Feit, die fo viele Ummandlungen,
Neuerungen und fortfdritte auf den verfdiedenften Gebieten menfhlider
Onterefjen dharafterificen, verlangt aud) darnad, in der Runft in eine nene,
ihrem Wejen entfprehende Erfcheinung zu treten.
Deutfhe Rung.
Ebenfo natiirlich wie das jungfrijche Streben, ihr
folbe zu verleihen, it auh der Widerfprud, den eine
abfterbende Periode dagegen erhebt. Awei verfdiedene
Weltanfhauungen treten einander gegenüber, ohne dağ
zunäcjt die eine gewillt fei, der anderen Zugeftänd-
niffe 3u madhen; jo kommt cs zu Trennungen, die
häufig nur perfsnlider Derftiimmungen bedürfen, um
3u einem offen geführten Ronfurrenztampf zu führen,
der das Gute bat, auf beiden Seiten die Leiftungs-
fäbigfeit zu erhöhen und fehließlih doch zu einer Art
Rompromiß zu leiten.
Wie Münden, Dresden und neuerdings Berlin
þat alfo auh das in Runftdingen lange Feit jo
ftxgnirende Wien feine Sezejjion, die das verheißungs-
volle Wort „ver sacrum“ zu ihrer Parole gemadt
bat. Schon ihr erftes Auftreten, die von der Ver-
einigung bildender Künftler Befterreihs‘" am 25. März im Gebäude der Barten-
baugefellfhaft eröffnete fezefjioniftiihe Ausftellung, mag die guten Wiener
mit frühlingsahnung erfüllt haben. Daß diefe weit mehr von fremdlandifden
Riinftlern ausgeht, als von einbeimifchen, darf mit der Selbfterfenntniß der
Wiener Sezeffioniften entjhuldigt und begründet werden, für ihre noch jungen
Beftrebungen bedeutende Rünftler des Auslandes eindrüdliher und nadbaltiger
wirfen laffen zu fönnen als eigene Werke. Hore Zurüdhaltung ift einftweilen
nod der guten Sache nur dienlid.
Wirflih Neues enthält die Ausftellung eigentlih nur fiir den Vollblut-
wiener, dem die peripherijche Lage feiner Daterftadt Fonfervative Beharrlichkeit
und phäakenhafte Selbftgenügfamfeit erleihterte. Fhm war auch der draußen
bereits berühmte fernand Rbhnopff, der belgifhe Malerbildhauer, nod ebenfo
unbefannt, als fein großer Rollege und Landsmann Meunier. Der Myftiter
Das Derjacrum- Zimmer in der Wiener Sezejfion.
Entworfen von 9. Hoffmann,
309
Kbnopff bat allen Grund
mit den Wienern, denen er
in feinen jcheinbar in der
Hypnofe gefhauten, Papri-
ziöfen Phantafien mandes
Rätbjel aufgiebt, zufrieden
zu fein: ein großer Theil
feiner ausgeftellten Sfulp-
turen und Bemälde ift bes
reits angefauft. Spridt aus
Khnopff's Bildern düftres
Grauen, gebeimnifvolles
Seelenleben, mit dunklem
Ahnen das Gemiith be-
jhattend, jo paden Meunier's
Sfulpturen durd ibre ftrenge
Wahrheit und ibren lapidaren Styl, der fie in der Erinnerung weit hinaus
wadfen läßt über ihren Maßftab. Die Bronzen wirken aud hier durd) ihre
malerifhe Auffaflung und die faffimileartige Treue, mit der fie des Rünftlers
Handjrift reizvoll wiedergeben. Sieht man es Meunier's WArbeitergeftalten
auh an, dağ fie aufgewachen find in der Atmofphäre von Hola’s Germinal,
daf fie verwadfen find mit einer Scholle, die ausgedörrt ift von der rußigen
Gluth der Brofinduftrie, jo haben fie bei aller Wirklichkeit dod) einen idealen
Zug gemein mit den Heroengeftalten der Antike und werden durd ihre Arbeit zu
Helden im Rampfe mit elementarer Yaturgewalt. Gn Meunier'’s Runft ift die
Antife nidt nadhgeahmt, aber rictig begriffen; im Sinne der Brieden fhafit
der Riinftler feine Geftalten aus dem Leben heraus und berührt mit ihnen
gan3 als Sohn feiner Heit und feines Landes foziale Probleme, nicht um,
wie der tendenziöfe Millet einft wollte, aufzureizen, fondern nur um darzu-
310
ftellen. Der Plafit ift ein menes Feld erobert, auf dem fie fi zeitgemäß
und dod aud fhön bethätigen fann — die Arbeit. Es wäre zu wünfchen,
saß die Sezejfion Arbeitertage einführte, um eine wahre Runft, die dem
vierten Stande mit ihm verftändlihen Darftellungen entgegenfommt, zum
Segen des Dolkes wie hddfter, menfhliher Thätigfeit auf ihre Quelle zurüd-
3uleiten.
Soziale Runft geben aud Frederic in feinem fpmboliftifhen Triptyhon:
„Le peuple verra un jour le lever du soleil“, das weniger durd des
Malers individuelles Rönnen befriedigt als dur die finnige Auffaffung des
Dorwurfes, und Laermans in der ffizzenhaften, aber wirffamen Darftellung
eines Zuges ftrcifender Arbeiter, der dicht gedrängt h vorwärts wälzt wie
eine gewaltige Hodfluth. Den Mittelraum der Ausftellung beherrfhen unter
weißem, blumenfeldartig gerafftem Zeitdahe, umrahmt von helltönigen
Bildern des genialen, fhwedifhen Fmpreffioniften Liljefors; Jules Wengel's;
des vornehmen Lavery; des diftinguirten Robert Brough; des Landfdafters
Walton; des Sdhneemalers Billotte und des vollendeten Darftellers feuchter
Nebelftimmung Carriere, als Paradeftiide die Rartons — Puvis de Chavannes'
zu dem neuen Benoveva-Triptyhon im Parifer Pantheon. Neben hervor»
ragenden deutfhen Meiftern wie Dettmann, Erler, Erter, Hanif, Herterid,
Stfarbina, Stud, Thoma und Uhde glänzt Bödlin mit feiner elementar
jaudzenden, humorvollen Symphonie In Grün, Robaltblau und leuhtendem
Inkarnat „Im Spiele der Wellen“. Auch Segantini's Runft in ihrer frifhen,
ungefdmintten Naivetät iſt nieder-
geftiegen von den Alpen, um Runft-
feinfhmeder durch ihre eigenartige
Tehnit zu entzüden und ein für
des Meifters Rönnen weniger ver-
ftändnißvolles Publifum durd die
Poefievolle Auffaffung der Alpen-
welt loszulöfen vom Sake, vom
Grunde, und ganz in ein fosmifches
Befühl zu verfenten. — Was be-
darf es noh weiter als Namen zu
nennen, wle Alerander, Besnard,
Charpentier, W. Crane, Jean Dampt,
JSrampton, fowler, Graffet, Klinger,
Liebermann, Alph. Muda, Roll,
Sargent, van der Stappen, Dall-
gten, Walton, Whiftler, um als
Refume den Sieg der Perfönlichkeit
auf der ganzen Linie zu Ponftatiren ?
Die Bedeutung der Seseffioniften-
ausftellung für die Wiener liegt
Satin, daß fie ihnen markante Per-
Jonlidfeiten vor Augen führt und
deren unleugbaren Werth erkennen
lehrt. Man darf daher der Aus-
fiellung einen erzieherifhen Einfluf
fowobl auf das Publifum als and
auf die Riinftler Wiens riihmend
nadfagen, von dem man nur wiin-
[hen fann, daß er dauernd fet.
Aber auh fhon auf der erften
Ausftellung, die die Vereinigung
bildender Aünftler Oefterreihs in
felbftlofer Weife veranftaltet bet,
befteben die Wiener in anerfennens-
werther Weife neben den typifchen
Dertretern moderner Runftbewegung
aus dem Auslande.
Der alte Rudolph Alt, der
Ehrenpräjident der Sezeffion, deffen
Aquarelle aud Fernand Rbnopif
bei feinem Befud) der Ausftellung
die größte Hohadtung abforderten,
beweift eine unverfiegbare Jugend»
ftifhe. Man hält es faum für
moglid, daß ein Sehsundadtzig-
jähriger noh Soldes zu fhaffen
vermaa. Der Routinirtefte der
Deutfde Runf.
Wiener ift Klimt, der mit einer aparten, eigenartigen Rolleftion vertreten ift.
Namentlid feine Studie „Der Blinde‘ verdient als eine tednifd reife und freie
Arbeit hervorgehoben zu werden. Engelhart weiß Sonnenliht und Wiefen-
teflere mit dem blendenden Fleifhton nadter franenkörper wohlabgewogen in
einen harmonifhen Farbenakkord zu bringen und bewährt fih auh als er-
finderifher Ornamental-Rünftler in feinem fhönen Paravent. Aud) Rraemer's
Doppelbildniß feiner Eltern, Bader's Franenportrats, Jettel's feingetönte Land-
fchaften, Moll’s „Schlofferdiele, Ottenfeld’s „Vedette im Schnee‘, Ernft Stöhr's
„Auf der Brüde‘ und Leopold Bürger's zweitheiliges Aquarell „gröifhe und
himmlifhe Liebe find anfpredende Bilder, die fih feben laffen dürfen.
Das intereffantefte Werf der Oefterreicher ift ein Damenporträt, fein und
pridelnd gemalt verräth es franzöfifhen Einfluß.
Ein großer Dorzug, der die Ausftellung der Sezeffioniften vor gleich-
artigen Deranftaltungen befonders auszeichnet, ift ihre gefhmadvolle und
durhaus organifhe Anordnung. Nigt nur, daß durch Friefe, Ornamente
von ftilifirten Pflanzen, moderne Möbel, die keineswegs nah englifhem
Mufter bergeftellt find, und Nippfadhen im neuen Tehniten dem Befhauer
lehren, wie er fein eigenes Heim auszuftatten vermag, aud auf die Wirkung
der Ausftellungsobjefte ift Rüdfiht genommen. Jedes ift in mäßiger Höhe
angebracht und hebt ih von günftigem Hintergrunde ab, der durd eine nach
dem Tonwerth der Bilder abgeftimmte Wandbelleidung gefhafien ik. Ganz
modern durchgeführt ift das Ver Sacrum-Jimmer, mit deffen Eintihtung
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Centralraum in der Wiener Sezeffion.
Entworfen von J. M. Olbrid.
der Arditeft Jofeph Hoffmann die Aufgabe gelöft hat, das Zimmer gewiljer-
maßen wie ein Plakat reden zu laffen. Da und dort find in Verbindung
mit Möbelarrangementse, Blattpflanzen und böhmifhen Rniipfteppiden für
Statuen und Bilder laufhige Eden und Winlel eingerichtet, und fo ein
ftimmungsvolles Banze gefdhaffen, das anziehend wirkt und zum Verweilen
einlädt. Ein mädliger Rundbogen bildet den impofanten Eingang zu der
Deutfhe Ranft.
311
balbrunden Apfis, unter deren weißem, blumenfeldhartig gerafftem Heltdache
Puvis de Chavannes’ Rartons Aufftellung gefunden haben.
Die Wiener Sezeffioniften haben eine Ausftellurg gefdhaffen, die als
vorbildlidh hingeftellt werden darf und ebenfo überrafcht und erfreut, als die
vorjährige, internationale Runftausftellung, mit der fih Dresden als Runft-
ftadt endgiltig rebabilitirte.
Die Broße Berliner Kunftausftellung 1898.
Die Sonderausftellungen der Bildhauer.
enn wir dem Ausländer den Dortritt laffen, fo genügen wir
nidt allein einer Pfliht der Hdflidfeit. Der Belgier Dan der
> Stappen füllt mit dreißig Bildwerfen drei Rabinette des
redien Seitenfliigels im Ausftellungsgebäude, und wir wiffen ibm Dant fiir
diefe reihe Sendung. Gn feinen Statuen, Statuetten, Büften, Reliefs und
funfigewerbliden Arbeiten ftedt eine bemeifenswerthe Fülle vielgeftaltigen
Ronnens. Fehlt ihm and die padende Ueberzeugungsfraft eines Meunier,
fo übertrifft er diefen andererfeits durch eine eigene Art auf das Malerifche
gerichteten Schönheltsgefühls, die beftiht und gefangen nimmt. Meunier
fhafft ih feine eigenen tehnifhen Ausdrudsmittel, Dan der Stappen benugt
mit trefffiherem Befhid die gelernten und erprobten.
Seine verfhiedenen Manieren bequemen fih unge-
zwungen dem gewählten Stoffe an. Aud er fuct
bildnerifhe Ausdrudsmittel für die fozialen Gdeen
unferer Seit. Ein bezeihnendes Beifpiel für diefe
Seite feiner Thätigfeit bietet die Roloffal - Gruppe
„Städteerbauer". Wide bat fih ein “Arbeiter auf
ter Erde ausgeftredt, Ten Kopf dem Boden zuge-
wandt, während fein Genoffe an feinec Seite hogt,
in fid) 3ufammgengefauert. Es liegt ein ergreifendes
Pathos in diefen beiden fdlidten Geftalten, die von
ihrer Hände Werf ausruben, deffen Jwet fie nicht
lennen. ,,Stddteerbauer, die feine andere Stätte
finden, wo fie thr Haupt niederlegen fönnen, als den
Boden, aus dem fie ftolze Mauern emporwachjen laffen.
In gewiſſem Sinne ein Pendant zu diefer Gruppe
bildet die Bronzeftatuette eines alten „ARunftsrbeiters‘'
im Schurzfell. Wie er dafigt, dem fhönen formen-
fpiel nadfinnend, bodftirnig ernften Blids, ift er das
Dorbild zielbewußten Bildens und Geftaltens. Der
Welt der Arbeit gehören aud die Statuelten einer
„Waflerträgerin‘! und einer „Aehrenleferin‘ an, die
ibe Tagewerf verridten in ewig gleihen, nur dem
Broderwerb geltenden Mühen. Der Habitus diefer
einfahen ‚Figuren ift mit unvergleidlider Treue der
Wirklidleit abgelaufht, das fhwere Schreiten, die
edigen Bewegungen find ohne jesen Derfhönerungs-
verfuh wiedergegeben und wirken durd ihre Ge-
fhloffenpeit harmonifh. /
Der Reliefitil Dan der Stappen’s geht vom Male-
tifhen aus, er lodert die flähe des Hintergrunds
und läßt fie als folde unter perfpektivifh geordnetem
Beiwerf verfhwinden. Sie bededt ih, wie in feinen
„Wäfcherinnen" und in der „Quelle mit einem
Hintereinander von Stein- und Laubwerk, aus dem
die Figuren mehr oder weniger gerundet auftauchen,
ohne doch je willfürlih und unfhön herauszufpringen.
Die Gefege der Flidhenbehandlung werden nidt ge-
walifam durhbroden, fondern mit fünftlerifhem Maß:
gefühl erweitert.
Auf feinem anderen Bebiele feines Schaffens er-
fheint Dan der Stappen fo vielgeftaltig in feinen
Ausdrudsformen, wie auf dem der Portrait- und Fdeal-
biifte. Das ganze Arrangement feiner männliden
Bildnißköpfe weift auf das Studium der italienifhen
Renaiffance bin, bis im ihre naturaliftifhen Aus-
läufer. Riidfidtslos abhnlid, verrathen fie doc in der
I.
Behandlung der Befihtszüge wie des Bildwerfs das Streben nad) einem Ueber-
höhen des Darftellungsobjettes, wie denn beifpielsweife der fegnend das „Pax
vobiscum“ fpredende Bifhof ih zum Fdealtypus fteigert, ohne an Portrait-
wirkung zu verlieren. Unter den weiblihen Portraitbüften erfcheint uns als die
anmuthigfte das „junge Mädchen von Seeland“, das wir reproduziren. Das
Köpfchen in Haube und Schläfenfhmud erinnert in feiner naiven Lieblicpfeit direkt
an die befannte Raphaeli'jhe (?) Wachsbüfte. Ungemein wei in der Behand-
lung des Marmora, läßt es die Tertur der Haut erkennen und überwindet die harte
Slade des Materials bis zu warmer, beinahe farbiger Wirkung. Streng und
herb in der Auffaflung erfheint dagegen die ebenfalls von uns reproduzirte
Dan der Stappen, Junges Mädchen von Seeland.
312
„Geheimnißvolle Spbine" in Elfenbein und vergoldetem Silber. Ein
phantaftifher goldener Flügelhelm umfhließt fappenartig das jugendlich ernfte
Haupt, ein goldener Panzer die fnofpende Büfte. Mit mahnender, Schweigen
heifthender Bebärde ftredt fi die erhobene Hand den Lippen entgegen. Die
gerade aufftrebende Stirn, die fein gewölbte Braue, der ftreng gefchloffene
Mund vereinigen fih zu feltfam mpftifher Wirkung. Es ftedt in dem
Röpfhen etwas vom Jeanne d’Arc-Typus, eine Art modern nadhempfundener
Pallas Athene. Jedenfalls giebt das intereffante Kunftwerk wieder einmal
Gelegenheit, fih von der dekorativen Wirkung der Boldelfenbeintehnit zu
überzeugen. Der warme gelblide Ton des Elfenbeins fteht wundervoll zu
dem matten Bold von Helm und Rüftung und wird auf das glüdlihfte durch
die feine Maferung der Anodhenmaffe durhbroden. Gn der gleihen Technik
it die Triumpbfäule „In hoc signo vinces“ hergeftellt. Sieghaft hebt
eine Jungfrau das Schwert mit Areuzgriff einem Dämon entgegen, der befiegt
in fühner Bliederverfhlingung am Sodel hinabftürzt einem fic) aufbäumenden
Drachen entgegen. Der ganze Aufbau ift ungemein fühn erfunden mit feiner
Dan der Stappen, Geheimnifvolle Sphinr.
Dentfhe Runft.
fic) über den Sodel fortfegenden bewegten Handlung, die von der in rubigem
Rraftbewußtfein daftebenden Schwertjungfrau ausgeht.
Ein wenig unruhig in der Anordnung will uns der Tafelauffat der
Stadt Brüffel in verfilberter Bronze erfeinen. Um das Mittelftüd herum
gruppieren fi legendarifche Beftalten der heimifhen Sage, während fid um
die Seitenftüde die Repräfentanten der Gilden und Diinfte, Schwertfeger,
Bürtler, Gerber, Megger u. f. w. verfammeln. Die Gryndformen der Prunt-
geräthe find dem naturaliftifch behandelten Baume entlehnt, von dejlen Zweigen
Dotivtäfelhen mit Gnfcriften ftädtifher Gnftitutionen und Woblfabrtsein-
tihtungen berabhängen. Das ift originell gedacht, beeinträdhtigt aber durch
die Fülle des Beimwerks die einheitlihe Wirkung.
Ungetheilten Beifall verdient dagegen der jhalenartige, filberne Tafel-
auffag: „Die vier Tageszeiten". Morgen, Mittag, Abend und Naht werden
durd) vier prächtige weiblihe Zdealfiguren perfonifizirt, die am Rande der
Shale figen, während fih ihnen fymbolifhe Vögel, wie Hahn, Taube,
fafan und Eule anfhmiegen. Die durh die Bewegung diefer Beftalten an-
gedeuteten Stadien des Erwadens, Miibens, Raftens
und zur Ruhe Gebens, wie fle der täglihe Kreislauf
der Stunden mit fih bringt, find wundervoll dharafte-
riftifh wiedergegeben und die Thierfiguren zwanglos
der Befäßform angepaßt.
Wer die Arbeiten Dan der Stappens offenen, durch
feine Tradition getrübten Auges betradtet, wird in
ihnen überall die Anfäte einer dem modernen Empfinden
entfpringenden Stilbildung finden, die mit der Origi-
nalitätsfuht und dem Hafden nad Neuem um jeden
Preis nidts 3u thun bat. Daß der Kunft Dan der
Stappen's ein gewifjer efleftifher Zug anbaftet, ift nicht
zu leugnen, mag aber bei fo ftarfem und vielgeftaltigem
Können mit in den Kauf genommen werden. Seinen
Landsmann Meunier muß man bewundern, von Dan
der Stappen follte man lernen.
Mit der bloßen Nahahmung wäre uns allerdings
niht gedient. Auf diefem Wege würden wir es wohl
faum zu mehr als zu einer neuen Modemanier bringen.
Lehrreid nah diefer Richtung bin ift eine Meine
Sonderaugftellung Eberlein’s, die dag Thema vom
erften Wenfden behandelt. Die Roloffal-Bruppe „Bott
Dater bläft Adam den Lebenshaud ein ift ein echter
Eberlein, mit allen Dorzügen und Mängeln der Werke
des begabten Riinftlers behafiet. Sdhwungvoll fom-
ponirt, harmonifh 3ufammenfdliefend, zeigt die Gruppe
ein Pathos, das nidt ganz frei ift von theatralifcher
Pofe. Gott Dater fhwebt zu dem wie in der Hypnofe
aufgewedten erften Menfhen hernieder und nähert fih
feinen Lippen wie zum Ruffe. Man muß allerdings
die Genefis fennen, um den alten langbärtigen Herrn
zu verftehen, der ih da liebevoll zu dem jungen
Menfden herniederbeugt, und man muß die dasfelbe
Thema bebandelnde Schöpfung Michel Angelos ver-
gefen, um nit 3u unliebfamen DVergleihen angeregt
3u werden, aber unter diefen beiden Dorausfegungen
fann man mit dem Befammteindrud des Eberlein’fdhen
Werkes zufrieden fein. Inzwifhen bat fi) der Rünftler,
aber offenbar mehr als ihm gut that, mit der
malerifhen Plaftif der Belgier und Franzofen, mit
den Rodin und Maunier befgäftigt, und glaubt fih
aud fraftgenialifh gebärden zu müffen. Die Beinen
Gruppen feiner Separatausftellung „Adam mit der
Leibe Ubels", „Das erfte Menfchenpaar als Breije'*
u. f. w. find Mißerfolge, die Eberlein vermieden hatte,
wenn er er felbft geblicben wäre. Die malerifhe, in
Thon und Erz jlizzirende Art unferer weftlichen
Madbaren liegt ihm nicht, feine auf das Dekorative ge-
richtete Beobadhtung läßt eine Vertiefung der Charakteriftif,
eine andeutende Befeelung banaler Aörperformen nicht
zu. Sein Naturalismus bleibt feelenlos, weil er an
der Gberflähe des Körpers haftet, ohne ibn zu
durchdringen.
6. m.
Deutfde Runf.
313
Weibliche Jdealfigur von €. Bomansty.
Bei der Ausfhmüdung der modernen Gnnenrdume wird heutzutage die
Plaftif nod immer ftiefmütterlih behandelt. Der befdrintte Raum madt
in den meiften fallen das Aufftellen einer grdferen Stulptur ebenfo unmdglid
wie das Aufhängen eines fogenannten Galertebildes. Man begnügt ih mit
Büften, Reliefs und Meinen figürhen, die gleihfam als Nippes gedacht, faum
eine Ede zu füllen beanfpruden dürfen. Gn größeren Wohnhäufern und
Paläften eröffnen fi jedoch weit günftigere Perfpektiven für die bildnerifhe
Ausfhmüdung, wollte man fi überhaupt gewöhnen, der plaftifhen Runft in der
Ainnendeloration eine größere Herrfhaft zuzugeftehen. Die großen Lichthöfe, Dor-
räume und Rorridore, die man in neuerer Zeit befonders feierlih und ftimmungs-
voll ausftattet und ausftatten kann, weil hier das Fehlen gewiffer Gebrauds-
möbel wie Tifche, Schränke, Ronfolen, eine größere dekorative ‚Freiheit geftattet,
würden fih zur Aufnahme von monumentalen Bildwerken größeren Umfanges
ganz befonders eignen. Ein derartiges groß und dekorativ wirffames Runft-
werk bat der Bildhaner Edmund Bomansty (der Schöpfer der linfsfeitigen
Gruppe fiir die Anlage auf dem Andreasplage in Berlin) in der weibliden
Hdealfigue gefdhaffen. Cine nadte franengeftalt figt auf einem antif gedadten
Thronfeffel, den Ropf leit gewendet, den Ellenbogen anfgeftiigt, in der
Redten einen Palmenzweig niederhaltend, die Linke ein wenig emporgeboben,
mit Daumen und Zeigefinger einen Ring leicht umfaffend, und die Füße über
dem berabfallenden Bewande graztös übergefhlagen. Gn der majeftatifden
Rube diefer abfihtslofen Stellung lebt ein Hauch antifen Geiftes, aud der
edel geformte Kopf ift im Sinne der olympifhen Leidenfhaftslofigfeit be-
handelt. Es ift eigenthiimlid, wie in diefem mit feinfter Naturbeobadtung
bis ins Detail durchgebildeten Frauenkörper jede Sinnlichkeit ausgeſchloſſen
erfheint. Wenn wir diefer hobeitsvollen Beftalt eine fpmbolifhe Bedeutung
zufchreiben wollen, fo wäre es die Derkörperung der fieghaften Schönheit des
Weibes, welder ohne Zweifel ein ebrenvoller Plak gebührt in familie
und Haus.
Die Sammlung Georg Hirth in München.
Soeben erfchien: Deutjh-Tanagra. Porzellanwerte des adtzehnten Gabr-
bunderts, gefammelt von Georg Hirth. Münden und Leipzig, G. Hirth's
Derlag. 2 Bände 52 Boden gr. 4% mit SO Tegtilluftrationen und ca.
ISO Tafeln in Lichts und Buddeud. Preis Mark 50.—. Dr. Georg Hirth,
als Runfttenner und Sammler woblbefannt, hat die fünftlerifh werthvollften
Erzeugnifje der reih entwidelten Porzellanfunft des vorigen Jahrhundert zu
einer Rolleftion von feltener Dollftändigfeit vereinigt. Sein Hauptaugenmerk
tidtete er auf dem reizvollen Runftzweig der Porzellanfiguren und Gruppen,
eine der fhönften Blüthen der Aleintunft im vorigen Jahrhundert, von großem
tungt- und fulturgefchidtliden Gntereffe. Darum fonnte gerade er bei der
äußeren Deranlaffung der bevorftebenden Derfteigerung feiner Sammlung auf
Grund diefer Rolleftion in einer pradtvoll ausgeftatteten Publifation ein
Nadjhlage- und Abbildungswerk über einen wichtigen Zweig der Plaftif des
vorigen Jahrhunderts fhaffen, welhes ein nahezu vollftändiges Bild des-
felben eröffnet. Das Ungefähr des zufälligen Sammelns haftet demfelben
nit an. Das außergewöhnlihe Werk, mit ca. ISO Dolltafeln, auf denen
fat alle Werte der Sammlung wiedergegeben find (diefelbe umfaßt im tera-
mifhen Theile SOO Nummern), füllt geradezu eine Lüde aus; denn bisher
fonnte ein Ueberblid über diefes wichtige wie anziehende Bebiet wegen der
leidigen Jerftreuung des Materiales, das in fleineren Partieen bier und dort
in Mufeen und Privatfammlungen fi vertheilte, aud) wegen der tehnifchen
Schwierigkeiten, weldhe der photographifhen Wiedergabe von Porzellanwerken
ih entgegenftellten, fhlehterdings nicht gefhaffen werden.
Der Runftzweig, welder uns bier entgegentritt, wird für Viele ein neues,
nod unerfdloffenes, an Ueberrafdungen reiches Gebiet fein. Er ftellt einen
widtigen Theil der Plaftif des vorigen Jahrhunderts dar, für welhen nam-
bafte und bedeutende Riinftler die Modelle lieferten und welder neben den
Werken der monumentalen Runft hauptfählic wegen des bisherigen Mangels
an bequem erreihbarer Anfhauung vernadlafpgt wurde.
Ein hervorragender Renner des deutfhen Kunftgewerbes fagte vor
Rurzem voraus, daß diefes Lieblingsfeld feinfinniger Sammler bald aud
den ernften Aunftforfcher intereffiren werde. Zweifellos ift das Gntereffe an
diefen frifhen, urfpriingliden und grazidfen Shdpfungen im Steigen be-
griffen. Mufeen, Bibliothefen, Rünftler, Aunftforfher, Sammler und alle
Runftliebhaber, fowie Freunde der Rulturgefhidte; ferner Feramifche Anftalten
und Schulen werden diefes durch die Reicdbaltigfeit der Abbildungen
imponirende Werf froh willfommen heißen. Demfelben geht eine funft-
gefhihtlihe Einleitung (SO Seiten) voraus, welde über die Stellung der
Porzellanplaftit im vorigen Jahrhundert, fowie namentlih über die fiid-
deutfhen Manufakturen (Nymphenburg, Hddft, Frankenthal, Wien 2c.) und
ihre hauptfadliden Rünftler Auffhluß ertheilt. Neben der reihen Zlluftrirung
mit Lidtdrud- und Autotypietafeln in großem format wird die eigen-
artige Ausftattung mit Originalvignetten des vorigen Jahrhunderts Aufſehen
erregen.
Die Sammlung ift befonders reih an Schöpfungen der nambafteften
Bildhaner, welde ihre Aräfte der Porzellanfigurentunft weihten. Der liebens-
würdige J. P. Meldior (1742—1825), welder fiir die Hödfter Manufaktur
anmutbige, ländlihe Benregruppen von jchlihter, fentimentaler Stimmung
und delifatem Gefdmad fduf, ift faum irgendwo fo reich vertreten wie bier.
Die Ludswigsburger Abtheilung ift reih an Werten Wilhelm Beyer's, welder
fpäter taiferliher Hofftatuarius in Wien war und den Park von Schönbrunn
mit Statuen f[hmüdte. Don Frankenthal feien die höfifhen allegorifhen Gruppen
des Mannheimer Hofbildhauers Konrad Lind erwähnt, welder auh das Monu-
ment des Aurfürften Rarl Theodor auf der Heidelberger Brüde fhuf. Zumal
Ult-Nymphenburg, deffen Figuren in der Mehrzahl meifterhafte Offenbarungen
echter Rofofotunft find, ift in feiner anderen Sammlung fo vollftändig. Die
Sammlung wird befanntlid zugleih mit einer Rolleftion von Erzeugniffen
anderer funftgewerblider Gebiete aus dSemfelben Belize (zufammen über
zweitaufend Nummern) vom 13. Juni ð. Js. ab eine Wode lang in
Münden im Runftauftionshaufe Hugo Helbing, Theatinerftraße 15, verfteigert.
Berlin. — Eine der verdienftwollften Unternehmungen, die für die ideelle
Runftpflege in bobem Brade erzieherifh und vorbildlid wirfen muß und fi
ganz aus dem Rahmen der jhematifhen Maffenausftellungen mit ihrer une
vermeidlihen Wbfichtlidfeit heraushebt, erbliden wir in der neuerdings von
der Runftgefhihtiihen Bejellfhaft in den Räumen der fgl. Kunftafademie
arrangirten Renaiffanceausftellung. Wie fhon früher die Leiter diefes Der-
bandes es mit Glü unternommen, aus den werthvollen Stüden der Berliner
Privatfammlungen eine beftimmte abgefhloffene Runftepodhe darzuftellen —
-man erinnert fi der Ausftellung der vaterländifhen Runft des IT. Jahrhunderts
und de3 Rofofo in den Fahren IS90 und 1892 —, jo wird uns diesmal der
feltene Genuß geboten, eine Fülle malerifher, plaftifher und gewerblicher
Begenftände des Mittelalters und der Renaiffance zu einem barmonifchen
Ganzen vereinigt zu jehen. Der Effekt it im Ganzen wie im Einzelnen ein
überrafhend feiner und zeigt uns wiederum, daß das Gntereffe der zur Runjt-
314
pflege berufenen Rlaffe ftärkere Wurzeln gefhlagen hat, als man gemeinhin
annimmt. Die einfiedlerifhen Sammler, denen diefe Roftbarfeiten angehören,
feinen ganz in der großen Vergangenheit aufzugeben, und wie fie ih von
den lärmenden Agitationen für moderne Runftftrömungen greundfäglih fern
halten, in der von feinem Derftändniß getragenen Rultivirung einer beftimmten
Periode den reinften äfthetifhen Genuß zu finden. Eine derartige Sammel-
wuth“ ift gewiß nicht zu unterfhägen, und wenn wir nad einer direften An-
regung dafür fuhen, fo müflen wir der Perfon unferes gefhätten Direktors
der fgl. Mufeen, dem Beheimrat Bode in erfter Linie Dant willen, der zu-
gleih Forfher und Sammler, in der Befhmadsentwidelung ein felbft-
fhöpferifhes Genie genannt werden darf. So wirft and die Ausftellung,
deren Befprehung wir uns noch vorbehalten, wie die Schöpfung eines
Geiftes, wie ein organifch gegliedertes und gefdloffenes Runftwerf. Don
anderem trodenen Aneinanderreihen und Regiftriren hat man vollftändig ab-
gefehen, die Meifterwerke des 15. und 16. Jahrhunderts verbreiten in ihrer
barmonifden Zufammenftellung einen ähnlihen Stimmungszauber wie in den
alten Rirdhen und den nod in ihrer Urfprünglichkeit erhaltenen Paläften jener
Zeit. Jn dem großen Ubrenfaale, der in feiner ftilvollen Umgeftaltung taum
wiederzuerfennen ift, grüßen uns inmitten von Bronzen, Statuetten und Pofalen
die Tintorettos und Morettos aus der Pourtalcs'fhen Sammlung, fowie
San van Eyt und burgundifhe Meifter. Gn den anftofenden Rabineten, die
des bejchränkten Raumes halber nicht die gleihe Praht entfalten fdnnen,
ftoßen wir auf Handzeihnungen des Quattrocento (Rabinet v. Bederath) auf
reihe Möbel, niederländifhe und italienifhe Bilder aus der gleihen Zeit
(Babinet Hainauer), auf italienifhe und deutfche Bilder und Robbien
(Rabinet Simon). Gn der letzten Abtheilung hängt ein Bildnif von Lucas
Cranadh aus föniglihem Befis, die berrlihen Blasfenfter von 5. Baldung-
Grien und die darakteriftifhen Gemalde Memmling’s und Rog. van
der Weyden im Rabinet Raufmann feien aus der fülle des Schönen
hervorgehoben.
Münden. — für die Jahres Ausftellung 1898 im fönigl.
Glaspalaft find die verfhiedenen Ausftellungs - Rommiffionen in vollfter
Thatigteit, und es wird binnen furzem ein Ueberblid über die ganze Aus-
ftellung möglih fein. Shon jekt fann gefagt werden, daß der Befamtein-
dend der Ausftellung trok der verfhiedenartigften Runftridtungen, welde in
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Deutſche Kunſt.
derſelben vertreten ſind, ein harmoniſcher und farbenfreudiger iſt. Bedeut-
ſame Kollektiv-Ausſtellungen von Franz von Lenbach und von frig
Auguſt von Kaulbach ſtehen in Ausſicht. Das KoloſſalGemälde Max
Rlinger's „Ehriſtus im Olymp“ wird ebenfalls allgemeines Inter-
eſſe erregen.
Was die Betheiligung der Luitpoldgruppe betrifft, ſo ſind die in Um—
lauf geweſenen Gerüchte über die ausgebrochene Zwiſtigkeit durchaus über—
trieben, indem die von der Gruppe energiſch geſtellten Forderungen betreffs
günſtigerer Ausſtellungsverhältniſſe vollſtändig gewährleiſtet wurden, ohne daß
ſich zu Mißhelligkeiten ein Anlaß ergeben hätte. Ueberhaupt iſt in München,
ſeitdem man ſich gewöhnt, die verſchiedenſten Meinungen und Richtungen
nebeneinander beſtehen zu laſſen und alles Perſönliche aus dem Auge zu
laſſen, die freie Kunſtentwickelung weſentlich gefördert worden. Die Rivalen
der Genoſſenſchaft und Sezeſſion bekämpfen ſich nicht mehr bis aufs Blut,
beide unter der Proteltion des Staates ſtehend behaupten ihre Stellung und
können ihrer Erfolge ſicher ſein, die bei der Genoſſenſchaft noch in Ausſicht
ſtehen, während die Sezeſſion ſchon vor das Publikum getreten iſt, deſſen
reges Intereſſe u. A. durch die ſtattgehabten Ankäufe bewieſen wird. So
erwarb der Prinztegent Luitpold das Bild „Fütterung der Gänſe“ von Rudolf
Schramm-Zittau in München. Das Gemälde „Lilien“ von Friedr.
Stahl in Berlin ging in den Beſitz des Großherzogs von Heſſen über.
Das Oelgemälde „Sommer“ von Toni Stadler in Laim bei Münhen
wurde von dem laif. und fgl. öfterr.-ungar. Befandten Brafen Theodor
Hihy erworben; ferner wurden verfauft das Oelgemalde Sonnenaufgang"
und „Sumpfland‘ von C. Sherwood Calvert in Blasgow, „Che Empreß‘
von James Paterfon in Edinburgh, „Mühle bei Brud" von P. W. Keller:
Reutlingen in Brud bei Münden. Das Aquarell „Studie, von Erro Järn-
felt in Helfingfors. Die Radirung „Alter Quai von Albert Baertfoen in
Genf. Sodann die Bronze „Profil eines Bergmannes‘* von Tonftantin
Meunieur in Brüffel, das Oelgemälde ,,Herbft'' von Rarl Hermann
Müller in Münden, das Aquarell „Mein Haus" von James Paterfon
in Rillnieß, Ser Stih ,,Ganymed" von Otto Greiner in Rom und die
Dafe Soliflore von Emile Gallé in Nancy. Als nen binzugelommene
Runftwerfe bemerfen wir einige plaftifhe Arbeiten von Conftantin
Meunteur, ferner Bemälde der fhottifhen Rünftler Jofeph Crawhall,
David Hauld, A. Hornel, William Rennedy, Hartington
Mann, Moore Par? und
Edward Walton.
Stuttgart. — Jm Landes-
gewerbemufeum gelangten
zur Ausftellung eine Samm-
lung deforativer, als Tapeten
gedachter Malereien von Jofef
Rösl in Münden; die Arbeiten,
die in der Auffaflung nicht
ftilifict find, fondern fi direkt
an die Natur anfdliefen,
bringen neben figiitliden Mo-
tiven Darftellungen aus der
Pflanzen- und Thierwelt, in
deren deforativer Derwendung
fih eine außerordentlih glüd-
lihe Erfindung zeigt. Die
Ausftellung umfaßt Wand-
deforationen fiir Rinder-, Ef-
und Badezinmer, 'die Jnnen-
deforation fiir die Stiftstirde
in Landau, Betäfel mit Bold-
ornamenten, Tapetenmufter,
feramifche Dorlagen, den Ent-
wurf eines Bemäldes für die
Patrona Bavariae, Porzellan-
und fähermalereien. Mit vor-
nehmem Befhmad ausgeführt
find die verfchiedenen Rajtchen
und Truben, die eine trefflicde
Deforation für jedes altdeutche
Die Ruhmeshalle in Barmen.
Jimmer bilden. Es möge noch
erwähnt fein, cağ Rösl der
Deutfde Kunf.
Schöpfer der Malereien. im Mündener Rathsleller ift und daß er für feine
hervorragenden Porzellanoriginale in London mit dem 1. Preife ausgezeichnet
wurde.
Die Aufoedung mittelalterlider Wandmalereien in der Rirdhe zu
Poppenweiler verfpridt interefjante Ergebniffe. Gn der Thurmvorballe,
deren Eingang 1428 datirt ift, fiebt man an der Wand zur Redten eine
Reihe reifiger figuren. Gn der Cradt ähneln fie den Miniaturen in der
Heidelberger Liedechandfdrift, worauf der furze dreiedige Schild mit Wappen-
bild, die Lanze mit dem Banner, dec Wappenrod und der etwas fpätere
Spangenhelm hindeuten. Da unter den Reitthieren Einhorn, Bod, Schwein
zu erkennen find, eine Figur and nah Franenart reitet, fheint es fid um
allegorifhe Darftellung der Lafter zu handeln, denen die Tugenden gegen-
überftehen mußten. Hierüber werden die Jnfdriften Auffhluß geben. Jm
Schiff, das um 1601 erweitert wurde, ift wohl nur wenig von der alten
Malerei übrig geblieben. Eine Darftellung des Todes der Maria in Gegen-
wart der Zwölfboten und die Enthauptung eines Heiligen, etwa des Täufers,
find aufgededt.
Unweit von Poppenweiler in Ofweil und Nedarweibingen finden fih
weitere intereffante Denfmaler mittelalterlider Runft. Fn YVedarweihingen
enthält der frühgothifhe Chor der Rirhe Malereien aus dem 14. Jahrhundert,
von denen allerdings erft wenige Proben aufgededt find; vorzüglih ein
Marterbild in drei Dorgängen, worunter die Breuelfzene, wie einem Bifhof
— wohl Erasmus — die Geddrme aus dem Leib gewunden werden. Die
Henter tragen den geftreiften Rod und den Spigbut, die Krieger den Schienen»
panzer des 14. Jahrhunderts. Außerdem die infhriftlih bezeihneten Heiligen
Ludwig (von Touloufe) und Dionyfius. Außen am Chor gegen den Yedar
bin war der bl. Chriftophorus riefengroß gemalt, als ein Schugmiıtel gegen
fpnellen, böfen Tod.
Karlsruhe. — Der unter Leitung des Brafen Raldreuth ftehende „Derein für
Originalradirung™ veranftaltete fürzlih eine für Münden beftimmte Aus-
ftellung im biefigen Runftverein, die fih fhon vorher in Wien, Berlin, Düfjel-
dorf und Dresden die größte Anerkennung erworben hatte. Der riihrige
Derein pflegt neuerdings mit befonderer Vorliebe den Steindrud und daneben
die Radirung und den Farbenholzfhnitt. Auf dem Gebiete der Lithographie
zeichnen fi befonders Graf Raldreuth, fowie Rallmorgen und die Landfhafter
Hans v. Dolfmann, G. Rampmann, franz Hod, H. Daur durch pradtige
Blätter aus, denen fi als figurenmaler Alfred Schmidt, Franz Hein, H. Heyne
beftens anfdließen. Ein eigenartiges Talent offenbart ih in dem begabten
Raldrenthfhüler €. R. Weiß, der fih offenbar Hans Thoma zum Vorbild
genommen bat, namentlih auf dem Gebiete des Jarbenholzfhnitts, in dem
aud W. Lange und Jenny Sitentfher, die Gattin des trefflihen Thiermalers
Otto fitentfher, Tüchtiges leiten. Als Radirer verdienen der Schwabe
Walter Conz, ein Schüler Schönlebers, fowie der Schweizer Battifer die auf-
merffamfte Beadtung, denen fih Mar Roman, €. Wiemann und W. Lüntz
wiirdigft anreiben. Alles in Allem genommen, fann man getroft fagen, daß
aud auf diefem Bebiete die rüftig vorwärts ftrebenden Karlsruher in erfter
Reihe unter den deutfchen Runftfchülern marfchiren, und daß ihre hierher ge=
hörigen Leiftungen, felbft die der Franzofen, der erften Riinftler in dtefem
fahe, niht zu ſcheuen brauden.
Nürnberg. — Unter dem Vorſitze des J. Vereinsvorſtandes Bürgermeiſters
a. D. v. Seiler fand die Generalverſammlung des Albrecht-Dürer—
Vereins ſtatt. Aus dem vorgelegten Rechenſchaftsberichte war zu entnehmen,
daß im abgelaufenen Jahre die Ausſtellung des Vereins beſchickt war mit
715 Oelgemälden, 39 Aquarellen, 42 Zeichnungen, 12 plaſtiſchen Werken und
15 architektoniſchen Entwürfen. Die nicht unerhebliche Minderung gegen das
Vorjahr iſt die Folge der auf dem Delegirtentag des ſüddeutſchen Verbandes
vom Herbſte 1896 beſchloſſenen ſtrengeren Auswahl. Die Mitgliederzahl hat
fdh von 1113 auf 1101 gemindert. Die Einahmen beliefen fih auf 13 559 Mart,
die Ausgaben auf 15455 Mark, Unter den Ausgaben erfheinen 1470 Mart
für 70fahe Mitgliedfhaft bei dem Müncheuer Kunftverein, 5232 Mark für
Derloofungsanfäufe. Die Derfammlung bejchloß, die Betheiligung bei dem
Miindhener Runftverein auf eine 40 fahe Mitgliedfhaft zu vermindern. Ein
den Mitgliedern gewiß fehr willfommener Befhluß wurde ferner gefaßt, dahin
gehend, eine würdigere Ausftattung des Ausftellungslofales vorzunehmen und
hierdurd eine Derbefjerung der Lichtverhältniffe herbeizuführen, wodurch aud
die auswärtige Rünftlerfhaft dem Dereine giinftiger geftimmt wird und die
Ueberfendung bervorragenderer Runftwerfe in Ausfiht fteht. — Das Ger-
manifhe Yationalmufenm bat jiingft auf der Auktion Liphart zu
315
Leipzig drei Originalzeihnungen von Albrecht Dürer erworben,
welhe Studien zu deffen großem Bemälde Raifer Rarls des Broßen find, das
fidh in der Galerie des Bermanifhen Mufeums befindet. Die Bilder Raifer
Rarls des Broßen und Ralfer Sigismunds malte Dürer im Auftrage des
Nürnberger Rathes für die Heiligthumsfammer in dem Haufe am Martte,
von weldem aus dem Dolfe die Reidsfleinodien gezeigt wurden. Mit welder
Sorgfalt der große Meifter verfuhr, verrathen diefe Federzeihnungen, welde,
farbig lavirt, die Arone, das Schwert und den Reihsapfel wiedergeben.
Namentli die deutfhe Raiferfrone ift präzis und in frifchen Farbentönen
ausgearbeitet, doch find aus dem mittelalterliden Adler vom Anaufe des
Schwertes ein echt Dürer’fiher Adler und aus den Engeln der byzantinifden
Emails der Krone trefflihe Dürer'fhe Engel geworden. Dürer bat diefe
Jeihnungen nah den Originalen wohl in der Heiliggeifttirdhe, in welder die
Reidsfleinodien aufbewahrt wurden, gefertigt und fle, wie eine Jnfgrift auf
der Zeihnung des Schwertes befagt, zufammengerollt und mit einem faden
gebunden, nah Haufe getragen. Eine weitere Zeihnung, welde zu diefer
Serie gehört und den Rrdnungsornat darftellt, befindet fid in der Albertina
zu Wien. Wie lebhaft man fih in Nürnberg, dem vielhundertjährigen Auf-
bewahrungsort der vornehmften aller Aleinodien, der Reidsfleinodien, nod
für diefe intereffirt, befundet eine Reihe von Spenden, die dem Germanifden
Mufeum bebufs Erwerbung diefer Heihnungen gemadht wurden.
Düffeldorf. — Nadh dem jekt veröffentlihten Jahresbericht des Runft-
vereins für die Rheinlande und Weftfalen bat die günftige Ent-
widelung des Dereins im legten Derwaltungsjabre erfreulide weitere fort-
fhritte gemadt. Gnsbefondere fonnte wieder viel für Herftellung öffentlicher
Runftdentmäler gefhehen. So wurden von dem Kunftverein theils aus
eigenen Mitteln geftiftet, theils unter Zuwendung erheblider Summen als
Beihilfe in letzter Zeit wieder mehrere bedeutende monumentale Wandmalereien
gefhaffen. Jm vorigen Fabre wurden die neuen Wandgemälde im Chor
der Liebfrauenfirhe in Trier duch die Diiffeldorfer Hiftortenmaler
W.Döringer und Bruno Ehrich vollendet. Jn der Ausführung befinden
fih gegenwärtig ferner die Malereien zum Schmude der Aula des Alas
demiegebäudes zu Münfter, die Profeffor frig Röber übernahm, das
Wandgemälde im Ratbhausfuale zu Bodum, das frig Neuhaus
malt, die dem Profeffor Arthur Rampf übertragenen Wandmalereien
im Rreistagsgebäude zu Burtfheid-Aahen und das Wandgemälde
des fädtifhen Realgymnafinms zu Duisburg, mit welhem Ludwig
Reller betraut wurde, Für die Ausfhmüdung des Ritterfaales im Sdhloffe Burg
an der Wupper feuert der Runftverein 50 000 Mark bei. Gn Folge des
Ausfchreibens eines Wettbewerbes fiir diefe Ausfhmüdung, zu der die in
Diiffeldorf anfaffigen Rünftler eingeladen wurden, gelangten zwölf Arbeiten
zur Einlieferung. Gn der Ausfhußfigung fand die Entfheidung darüber
fatt, welhe den erften Preis und die Ausführung dem Profeffor Claus
Meyer in Bemeinfhaft mit Hermann Huisfen zuerkannt. Nach dem
Rehnungsabfhluß hatte der Runftverein im legten Derwaltungsjahre 6716
Mitglieder, aus Seren Fahresbeiträgen fih eine Einnahme von 100 740 Mart
ergiebt.
— Aus dem Jahresberiht des Vereins zur Errihtung einer
Bemäldegalerie in Düffeldorf entnehmen wir zunädft den Zugang
eines Bemäldes „Mondlandfhaft‘ von C. L. Ffabrbadh, das von einer
biefigen Rentnerin gefchenft wurde. Die Zahl der Gemälde beläuft ih dem-
nad 3. J. auf 156 mit einem Werth von 723590 M. Um die Reftauration
der Gemälde „Die Spieler von Anaus, ferner „Die beiden Leonoren" von
Sohn und „Das Hiftorienbild" von Cornelius hat Ah Maler P. Preyer
Derdienfte erworben. Die Mitgliederzahl betrug Ende 1896 285, es traten 1897
hinzu 22; dagegen betrug der Abgang 24, demnadh ift die Mitgliederzahl
Ende 1897 283. An Mitgliederbeiträgen gingen 2570 M. gegen 2544 M.
in 1896 ein. Der verftorbene Rentner Mihael Piel überwies der Stadt
Diiffelborf durch letztwillige Derfügung die Summe von 6000 M. zur Stiftung
eines Oelgemaldes fiir die ftadtifhe Galerie. Der Derwaltungsrath wählte
3u feinem Dorftande die feitherigen Mitglieder desfelben, und zwar die Herren
Oberbürgermeifter Lindemann als Dorfigenden, Affeffor a. D. Courth als
ftellvertretenden Dorfikenden, Prof. Sdill als Schriftfiihrer und Fabrifbefiger
Dr. Shbnfeld als Shagmeifter wieder. fiir 1897 ftellt üh das Red-
nungsergebniß wie folgt: A. Rednung des Galerte-Vereins. 1. Beftand
nad der vorjährigen Rehnung 24 561,22 M. 2. Laufende Einnahmen
12 485,52 M. Summe der Ausgabe 1358,56 M. Demnad Beftand am
31. Dezember 1897 35 687,98 M., welder bei der ftädtifhen Sparkaffe zu
Düffeldorf rentbar belegt ift. B. Spezial-Rehnung der Scheuerfhen Schenkung.
316
Deutfhe Runft.
Summe der Einnahme 288,58 M., der Ausgabe 15 M., bleibt Beftand am
51. Dezember 1897 273,58 M., welder ebenfalls bei der ftädtifhen Spar-
faffe belegt ift.
Raffel. — Das von den Brüdern Johann und Heinrid Wimmel
ihrer Daterftadt zur Erinnerung an die Vereinigung der deutfhen Stämme
im Sabre 1871 durch letwillige Dermahung eines Betrages von 50 000 M.
geftiftete Monument wurde im vorigen Monat feierlih enthüllt. Der Schöpfer
diefes feinfinnigen Aunftwerkes ift Profeffor Rarl Begas in Raffel. Die
Darftellung zeigt am Fuße eines Sandftein-Obelisten Rlio, die unvergdng-
liden Ruhmesthaten der deutfhen Waffen, weldhe die glüdlihe Einigung der
deutfhen Stämme berbeiführten, in ihr Buch eintragend, daneben ein Genius,
im Begriff, das in der Sodelftont befindlihe Reltefbildniß Raifer Wilhelms I.
mit Lorbeer zu fhmüden, Auf den Seiten rehts und links flieht man
gleihfalls Erzreliefs, die Paladine fürt Bismard und Graf Moltfe,
daneben Lowenfdpfe als Wafferausfliiffe
mit Beden. ` ‘
Barmen. — Die Thätigfeit des
Barmer Aunftvereins im verfloffenen
Dereinsjahre gewann eine befondere Be-
deutung durch die Derwirklihung eines
lange gebegten Wunfdes, durd die am
Tage der Centenarfeier erfolgte Grund-
fteinlegungder Ruhmeshalle, eines Dent-
mals fiir den dabingefdhiedenen Raifer, und
der zufünftigen Heimftätte des Vereins.
Nachdem fih die Hauptverfammlung im Ja-
nuar dahin entfchieden, den fonds für die
Bemäldefammlung dem Bau der Ruhmes=
halle zu überweifen, und die nod
fehlende Baufumme durch den Ertrag eines
furz darauf veranftalteten Bazars zu-
fammengefloffen war, wurde am 22. März
1897 zugleih mit der glänzenden Jubel-
feier unter allgemeiner Begeifterung der
Bürgerfhaft der Brundftein zu dem monu-
mentalen Bauwerke auf dem Rarlsplage
gelegt. Die Bauarbeiten find inzwifchen
fhon foweit fortgefchritten, daß man der
Dollendung am Ende diefes Jahres ent-
gegenfieht. Das Bediirfnif nad eigenen
Raumlidfeiten, das fih in den legten
Jahren im Dereine befonders geltend
madte, äußerte fic befonders auf der
vorjährigen Ausftellung, die wegen Ab-
brud der Concordia fon nah drei
Woden gefhloffen werden mußte und demgemäß nicht fo reih befhidt wurde
(es finden- hier während der Dauer der Ausftellung Ausfdhetdungen und
Ergänzungen von Runftwerfen ftatt) aud nicht den pefunidren Erfolg hatte
wie die früheren Unternehmungen. Die Qualität tünftlerifher Leiftungen
lief jedoh nidts zu wünfhen übrig, wofür allein fon die Namen der
vertretenen Rünftler bürgen, wie A. Rampf, €. Henfeler, fr. Roeber,
Willy v. Bederath, Rarl Sohn, Eugen Bradt, H. Poble,
5. Hermann, U. Ahenbad u. f. w.
Die finanzielle Lage des Dereins ift im Banzen als fehr günftig zu be-
zeichnen. Leider ift zwar die Anzahl der Aktien von 1266 auf 1240 gefunten,
der Betrag des Eintrittsgeldes zur Bemälde-Ausftellung, proportional der
fürzeren Dauer, von 2609 auf 1792 Mark, und aud der Derfauf der Loofe
i geringer ausgefallen.. Dagegen ftieg der Gefammtantauf von 21 327 auf
23 304 Marf, die Provifion von.den Ankäufen von 1069 anf 1124 Mark, der
Saldo nebft Zinfen von | 18-952: auf 25191 Mark. Die Befammteinnahme
des vorigen Jahres betrug 57,227 Mark gegen 51 554 im Dorjabre, alfo
5695 Mark mehr.
Der. fonds. fiir die Bemäldefammlung, welder im vorigen Jahre
16 886 Mark. betrug und auf ‚den Aunfthallenfonds übertragen wurde, ift in
diefem Jahre neu gebildet und beträgt jetzt 4331 Mark. Der fonds zum
Ban einer Runfthalle ift durd den fonds der Gemaldefammlung, durc den Ueber-
[huß aus'dem Ertrag des Bazars und durch die laufenden Zinfen um 30 274 Mark
vermehrt und hat jet einen Dermögensbeftand von 144 870 Mark erreicht.
5. Somansty, Weibliche Jdealfigur.
Mainz. — Die ftddtifhe Bemälde-Sammlung bat neuerdings
eine werthvolle Bereiherung durch ein Bemälde des in Münden 1895 ver-
ftorbenen Prof. Wilh. von Lindenfhmit erhalten, welhes Here Prof. Wd.
Schreyer der Daterftadt des Rünftlers ale Befhent übergab. Das Bild, welches
lebensgroße Figuren aufweift, ftellt den gefeflelten Prometheus dar, ein
Motiv aus der Tragödie des Aefchylos. Prometheus, auf Befehl des er-
zürnten Zeus an einen felfen gefettet, wird beklagt und getröftet von den
Meermadden, den Tddhtern des Oleanos. Der aud unter fdrperliden und
feelifhen Leiden nicht gebrochene Troß eines Helden gelangt in der Geftalt
des Prometheus voll zum Ausdrud; in der Ylereidengruppe ift das Weib als
Genius des Troftes des männlihen Helden verherrliht. Die wettergebräunte
Beftalt des Mannes, der beim Derfud, feine Ketten zu fprengen, alle Muskeln
feines ftählernen Körpers anftrengt, bildet den wirkfamften malerifhen Begen-
fag 3u den weihen Formen der Mäddhen am Fuße des fFelfens. Diefe
beranfhwebenden, aufftrebenden und zufammenfintenden Beftalten verkörpern
die am Fuße des Felfenufers auffteigende
und zurüdgeworfene Brandung. Die düftre
Gewitterftimmung entwidelt wirffame
Rontrafte in dem dunklen Himmel, dem
vom Wetterfhein grell beleudieten Pro-
metheus und den [hwärzlich braunen felfen.
Halle. — Aus dem Gabresberidt des
ftadtifden Mufeums fiir Runft und
Runftgewerbe entnehmen wir, daß im
vergangenen Jahre die Befuherzahl auf
9700, gegen 8500 im Dorjabre, geftiegen ift.
Der Befig des Mufeums mehrte fih
durh Ankauf, Schentungen und Ueber-
tragungen von anderen ftädtifhen Anftalten,
um 8 Gemalde, 9 plaftifhe Arbeiten, 48
Handzeihnungen, 55 Münzen und Medaillen,
61 kunftgewerblihe Arbeiten, 250 graphifche
Blätter und 10 ethnographifche Begenftände.
Don ftattgebabten Sonderausftellungen
find zu erwähnen: 107 Blatt Original-
radirungen deutfcher und anslandifder
Rünftler; 102 Blatt Lihtörnde nad Begen-
ftänden des Biamard-Mufeums in Schön-
haufen; eine Rolleftion von 18 Oelgemalden
des Malers Ludwig Dettmann, in
Berlin; 84 Photogravüren nah Gemälden
der Aatferlihen Gemäldegalerie der Ere-
mitage 3u Petersburg; eine Sammlung
von Budeinbinden; 96 Blatt japanische
farben - Holzfhnitte und 60 Original-
zeihnungen und Aquarellen japanifcher
Maler; 57 Gemälde und Studien von J. Monien in Königsberg.
Außerdem fanden vorübergehend Ausftellung: 150 Gemalde, 103 funft-
gewerblihe Begenftände, 10 plaftifhe Arbeiten und 148 Runftblatter.
Magdeburg. — Unter den zahlreihen in der Jabresausftellung des hiefigen
Runftvereins neu aufgenommenen Werfen ziehen zwei Bruppenmodelle in Bips
von der Meifterhand Prof. N. Siemerings, des genialen Schöpfers
unferes Raiferdenfmals, die Aufmerkfamkeit in befonderem Mafe auf fic.
Die Gruppen find gedadt als Abfhluß einer monumentalen Freitreppe fiir
ein National-Denfmal. Die eine Gruppe ftellt die Boruffia dar, wie fie dem
in der Geftalt Siegfrieds verförperten deutfhen Dolfe das Schwert reiht
und ibn mit erbobener Redhten zum Rampfe anfenert. Die zweite Gruppe
zeigt Siegfried (das deutfhe Dolk) nah glüdlihem Rampfe hinfchreitend über
den getddteten Lindwurm der Zwietraht und der Germania das Schwert und
die Raiferfrone als Siegespreis darbringend. - Der Ausführung diefer fraft-
vollen und poetifhen Skizzen fiebt man mit gefpanntem Gntereffe entgegen.
Züberk. — Jm September ò J. veranftaltet der Liibeder Runft-
gewerbeverein eine internationale Ausftellung von Plafaten und
modernem Buhfhmud. Anmeldungen und Auskünfte durch Arkitett Mar
Megger, Lübed, Sophienftraße 24, und Otto Brautof, Stettin, Bogislan-
ſtraße 7 II.
Deutfhe Runft.
Di Ada.
Dor einigen Monaten wurde im
Centrum Berlins, Leipzigerfttaße 129,
von €. Zaesleinein neuer Bemälde-
falon eröffnet, der fih troß der mafjenhaften Aunft:
darbietungen aller Art volllommen zu bewähren
fein. Es ift dem Befiger weniger darum zu
thun, in rafhem Wedfel der Bilder ertranagante
und epohemadhende Yleuigkeiten vorzuführen, als jene
guten, modernen und älteren Meifter zu bringen, die
von einem breiteren Publitum nicht nur verftanden und
anerkannt, fondern auh — zum Theil gerade der Namen
wegen — gefauft werden. Wenn fomit einerfeits der
Charakter einer mit giinftigem Umfak rednenden Aunft-
bandlung bervortritt, fo entfpridt andererfeits die ganze
freie und vornehme Ausftattung der Räume in jeder
Weife den modernen künftlerifhen Bedürfniffen. Eine nahahmenswerthe
Neuerung befteht zunädft in dem immerwährenden freien Eintritt. für
das Prinzip, einen Runftfalon wirflih wie einen Salon, d. h. mit gemeffener
Eleganz behaglih und wohnlih auszuftatten, finden wir aud bier eine vor-
817
theilhafte Anwendung. Zn weiten Zwifhenräumen, hödftens zwei Reihen
übereinander, fhräg an der Dede hängend, oder auf Staffeleien und Seffeln
ftehend, find die Bilder vertheilt, mit wirffamen Ueberfhneidungen der Eden
überall den Eindrud einer vollgepfropften Balerie vermeidend. Mit Teppiden
und Läufern ift der Fußboden belegt, bequeme Polfterftühle Iaden zum Der-
weilen; der ruhige Ton der Wandbelleidtung und der Blanz der prunfenden
Goldrahmen unterbricht das lebende Brün von emporragenden Blattergewmadfen.
Zum Scluffe fei nod bemerkt, daß augenblidlih der Durhfchnittswerth der
ausgeftellten Aunftwerke jeder größeren Ausftellung zur Ehre gereihen würde.
Um einige Einzelheiten anzuführen, feien die Zdeallandfchaften und eine vor-
züglihe Ropie des Bödlin’fhen Tentaurenfampfes von Rüdisühli angeführt.
Eine ältere, in disfretem Braubraun gehaltene Felslandfhaft von H. Thoma,
ein religidfes Sittenbild von f. v. Uhde, eine Derfion der Sünde (Kreide
3eidnung) von f. Stud, die Studie eines Meinen gepugten Mädchens von
Alb. Keller beanfprudhen allgemeines Gntereffe; 3u fehenswerthen, tiidtigen
Leiftungen gehören ferner Aallmorgen's holländifher Markt, 8. P. förfter's
Parklandfhaften, Herzog's Herbft im Hafen, Manthe’s fifhfang auf dem
Eife. Außerdem Bilder von Gabriel Mar, Hans von Bartels,
faber du Faur, Mauthe, Bredt.
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Der neue Kunftjfalon von E. Zaeslein, Berlin, Keipzigerftraße.
318
Deutſche Rung
— die polychrome Behandlung von Bildwerken iſt in den letzten
Jahren mehr und mehr in Aufnahme gekommen. Nicht nur die Kunſt, ſondern
auch das Kunſtgewerbe haben ſich daran verſucht, freilich nicht immer mit
günſtigem Erfolge. So ſei denn heut auf eine Kollektion großer Büſten und
kleiner Statuetten hingewieſen, deren Originale — Meiſterwerke der italieniſchen
Renaiſſance — ſich im Berliner Königl. Muſeum befinden. Wir finden in
der Kunſthandlung von Keller und Reiner die berühmte Prinzeſſin Urbino
von Deſiderio da Settignano; bier iſt die graue Sandſteintönung des Ori-
ginals mit außerordentlichem Geſchick wiedergegeben, ebenſo wie die zartgelbe
Färbung des Marmors der „Weiblichen Büſte“‘ deſſelben Meiſters. Gleich
vortrefflich in der farbigen Behandlung ſind auch die kleinen reizvollen
Statuetten „Aphrodite“, „Der Vogelſteller““ (deutſche Renaiſſance), „Satyr“,
„Tanzende Gaukler““ u. A., weldhe geeignet find, die Zierde aud des vor-
nebmften Salons zu bilden.
Preisbewerbungen
— Der ausgefhriebene Wettbewerb für ein Plakat der nädhftjährigen
deutfhen Aunftausftellung in Dresden hatte 110 Einfendungen zur
Folge, welde vorübergehend im Saale des. Ausftellungsgebäudes auf der
Brühl’fhen Terraffe ausgeftellt waren. Zwei davon find preisgefrönt worden,
und zwar haben den erften Preis die Arbeit des Malers Weinhold, den
zweiten die des Malers Pampel erhalten. Die Auszeihnung diefer beiden
in Münden lebenden Riinftler etfdheint vollfommen geredtfertigt, da fidh ihre
Arbeiten durh die richtige Erfaffung der Aufgabe bei Fünftlerifh gediegener
Ausführung unbedingt von den übrigen eingelaufenen Entwürfen hervorheben.
Auf dem Weinhold’fhen Plafat feben wir die drei Riinfte in Geftalt von
drei anmuthig gruppirten franengeftalten dargeftellt. Gn der dSetaillirten
Ausführung und dem großen einheitlihen Zuge wirft die Darftellung troß der
geringen foloriftifhen Qualitäten unmittelbarer, als der Pampel’fhe Entwurf,
der fih gleihwohl als eine felbftjtändige ftiliftifh vollendete Arbeit darbietet.
Hier fhwebt der Benius der Runft auf welligem Goldgrund herab und drüdt
füffend den Mund auf die Stirn einer Zünglingsgeftalt. Die Farbengebung
ift eine hödhft fompathifche, Fönnte jedoch für die Fernwirfung nod gefteigert fein.
om Uebrigen bemerken wir ftatt abgefdloffener Leiftungen nur interefjante
Anläufe, wie die Entwürfe „Deutfh", „Amato“, „Semper fidelis“. Die
Betonung des Gegenftindliden, die zu ftarte malerifche Yuancirung und
|
|
|
1
und Perſoönliches.
Buntheit laſſen das Verſtändniß für die rein dekorative Forderung der Plakat⸗
kunſt vermiſſen.
— Ein Preisausfhreiben um Entwürfe für ein Plakat erläßt die firma
Giinther Wagner in Hannover und Wien mit Termin zum 15. Gult. Es
gelangen drei Preife von 1000, 500 und 300 Mark zur Dertheilung. Unter
den Preisrichtern befinden fih die Herren Prof. €. Doepler d. Z.-Berlin,
Dir. MWarten- Oldenburg, Prof. Dr. Ulbr. Haupt und Prof. Herm. Shaper
in Hannover. Ein Ankauf nidt preisgefrdnter Entwiirfe für je 100 Mark
ift vorbehalten.
— Bei der Preisbewerbung um den figuralen Schmud des nordböhmifchen
Bewerbemufeums in Reihenberg wurde von der Zuerfennung eines
erften Preifes Abftand genommen, dagegen erhielten je einen zweiten Preis
die Bildhauer Theodor Charlemont in Wien, €. Berhart in Reihenberg
und Ernft Hegenbarth in Wien.
— Das Baucomite der Reichenberger Handelstammer bat befdlofjen,
bebufs Erlangung von Plänen für das neue Rammergebdude eine all-
gemeine Konkurrenz auszufchreiben, deren Termin am 15. Juni ablaufen wird.
Als Preije wurden ausgefetzt I200, 1000 und 600 Kronen und wurden außer
vier Mitgliedern des Baucomites in das Preisgeriht weiter berufen die Herren
Profefforen Rarl Rinig, Dictor Lung und Chriftian Ulrid in Wien.
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Der nene Kunftjalon von €, Sacslein, Berlin, Keipzigerjtraße.
Deutfhe Runft. 319
— Dor kurzer Zeit begab fih A. Menzel im Auftrage des Raifers zu faffung des großen Preufenfdnigs ift die pfohologifhe Schilderung mit
dem Bildhauer Jofef Upbues, um fein Uriheil über die Modelle zu dem großer Feinbeit durchgeführt. Die durdgeiftigte Dornebmbeit in dem jugend-
für die Siegesallee beftimmten Denfmal Friedrids des Broßen abzugeben. liden Pbhilofophen, die erdrüdende Bewalt der Perjönlifeit gelangt ebenfo
Don diefen und anderen Arbeiten in hohem Maße intereffirt, verweilte der in dem Ausdrude des vom Dreimafter befhatteten Befihtes wie in der
Altmeifter längere Zeit in dem Atelier des Bildners, fpendete ihm reihlihes ganzen Haltung duch die fharfe harakteriftifhe Silhouette zur Erfheinung.
Lob, indem er ih u. A. bezüglih einiger noch nicht endgiltig entfhiedenen Als Grundlage für das Studium Ftiedrihs des Großen diente dem Rünftler
Aufträge äußerte: Und mögen Sie noch fo reihlihe Aonkurrenzentwürfe bee die zeitgenöflifhen Bildniffe und die zahlreihen Menzel’fhen Bilder und
kommen, die Sahne haben Sie doc abgefhöpft. Wenige Tage darauf ere Zeichnungen.
fehlen der Raifer felber bei Uphues, um die beiden neueften Entwürfe zu be- Die Büften des Generals Schwerin und des Tondidters Gob. Seb.
fictigen, deren einer den König, begleitet von feinen Windfpielen zeigt, Bad, welhe ihren Pla zur Redhten und Linfen des Rönigs finden follen,
während der andere die jugendlid ftraffe Beftalt des Monarchen ausfdhreitend bat Uphues bis jet nur flüchtig modellirt.
darftellt, die Rechte leicht auf den Krüdftod geftüßt, die Linke auf dem Rüden — gn Genf ift der Maler Alfred Dan Muyden (geboren 22. Oftober ISIS
tubend. Yad kurzer Ueberlegung entjcied fdh der Kaifer, mit feiner An- in Laufanne) geftorben. Er war ein Schüler W. v. Raulbad's und hat fih
erfennung nicht zurüdhaltend, für die Legtere Sfizze, die er obne jede durch Darftellungen aus dem italienifhen Volksleben (Kleinkinderſchule zu
Aenderung für die Marmorausführuug im Broßen beftimmte. n diefer Auf- Albano"), fowie als Landfhaftsmaler hervorgethan.
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Central-Organ deutjcher Runft: und Rünftler- Dereine.
Herausgegeben von
Georg Malſtowsſin.
Schriftleitung und Berwalfung Berlin W.57, Steinmehſtr. 26.
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vereins in Dejjau, des Mürtiembergifdhen Runftvereins in Stuttgart, des Schleswig - Holfteinifhen Runftvereins in Riel, der Runftvereine in Münden, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera,
Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Görlig, Danzig, Rönigsberg, Stettin u. a.
Ar. 17.
20. Juni 1898.
IL. Yahraang.
Stanz Sfarbina.
Pon Georg Malkowwsky.
G er dereinftige Gefdhidtsfhreiber der Aunft unferer Zeit
fteht einer fohmwierigeren Aufgabe gegenüber als der
früherer Epoden. Die Gruppen innerhalb der Künftler-
[haft erfheinen nicht mehr fehulmäßig lofal begrenzt,
fie bilden fih im freier Wahl unabhängig von Ort und Zeit,
feine, faum erkennbare Fäden führen von der einen zur anderen
hinüber, und Perfönlicykeiten, die für den erften Blid allein und
ohne gegenfeitige Fühlung daftehen, rüden bei näherer Be-
ttahtung in gemeinfamem Streben nahe zufammen.
€s giebt Feine Menzelfhule, wie es feine Bödlinfchule
giebt, und beide Meifter würden fih gewiß mit der ihnen
eigenen Energie dagegen fträuben, wenn man ihnen aud nur
den geringften Theil modernen Runfifhaffens, wie etwa ein
Stüddhen Yiaturalismus oder Symbolismus in die Schuhe
fhieben wollte. Und doch ift der Einfluß überall bemerkbar.
Nicht ihre perfönlihe Einwirkung, fondern ihre Art zu fehen
und darzuftellen hat nahhaltig angeregt und gefördert.
Don den Berliner KRünftlern gehören Fri Werner und
franz Starbina in die malerifche Befolgfhaft Adolf Menzel’s.
Beide felbftftändig in ihrer Eigenart, fönnen fie dod in ihren
Anfängen wie in ihrer fpäteren Entwidelung die Herkunft einer
Rünftlerfhaft nit verleugnen, die fic) bei Werner norð-
deutfch-berlinerifh begrenzt, bei Sfarbina international ause
weitet.
Sfarbina’s Werdegang ift ein überaus intereffanter, weil
er als ein fteles Ringen nadh neuen Ausdrudsmitteln für die
Darftellung der gefammten Außenwelt erfheint. Hiftorie, Land-
fhaft, Architeftur, Genre, Rultur- und Sittenbild, alle Gebiete
malerifhen Schaffens hat er fih nad und nad erobert und auf
jedem eine eigene malerifhe Entwidelung durhgemadt.
Sfarbina’s Perfönlichkeit it von feinen Werfen nicht zu
trennen. Gn fic) gefeftet, nimmt fie Alles in fic auf, um es
eigenartig 3u verarbeiten. Man fann eine Menzelesfe, eine
niederländifche, eine franzöfifhe Epode in feinem Schaffen unter-
fheiden, und das ift um fo leichter, weil jede mit dem längeren
und wiederholten Aufenthalte in Berlin, Belgien-Holland und
Paris zufammenfällt, aber mit foldhen WAenferlicfeiten ift für
die Betradtung feines Rönnens wenig gewonnen, es fommt
darauf an, aus diefen Zufälligkeiten den ftabilen Kern feines
Wefens herauszufddlen.
Es ift für Sfarbina’s Runft harakteriftifh, daß fie inner-
halb dreier Dezennien trog aller Wandelungen des Befhmads
ftets modern geblieben ift, nicht bewuft fic) anbequemend und
den Modelaunen folgend, fondern immer im Werden begriffen,
von dem Neuen das Gute aufnehmend und verwerthend. Der
beinahe fünfzigjährige hat cs nod beute zu feiner „Manier**
gebradt und ringt mit gleicher Frifhe der Natur ihre malerifchen
Reize ab wie der Dreißigjährige, der Sem Publifum feinen erften
Erfolg mit dem fenfationellen Motiv „Das Erwaden in der
Anatomie* Ende der fiebziger Jahre abzwang. Das Bild war
fheuglih fhön. Fm falten Morgenlidt auf einer fih ab-
fhrägenden Fläche ausgeftredte Leihen, aus deren Mitte fic) mit
fhredhaft geöffneten Augen der Leib eines Scheintodten erhebt.
Das Bemälde war, wenn id) mich recht erinnere, bezeichnender
Weife in Caftan’s Panoptifum ausgeftellt, erregte angenehmes
Grufeln, fand den Beifall Guftav Ridter’s und wedte in mir,
der id nad) Beendigung meines Punjtwifjenfhaftlihen Studiums
nod ganz unter dem Einfluß afthetifirender Bilderbetradhtung
fand, aufridtiges Entfegen. Wie fonnte man fo etwas malen!
Schade um das fihöne Verftindnif des menfchlichen Körpers,
fhade um die funftvollen Derfiirzungen, fhade vor Allem um
die virtuofe Behandlung des Fühlen, gleihmäßig einfallenden
Lichtes! Starbina hatte fih als zukünftigen Lehrer der Akademie
in der Anatomie angekündigt.
Ein längerer Studienaufenthalt in England ließ mid den
Riinftler aus den Augen verlieren. Nadh meiner Rüdfehr im
Anfange der achtziger Jahre fand ih ihn als einen Anderen
wieder. Unter dem Einfluß Adolf Menzel's war er zum bifto-
rifchen Sittenfdildcrer des Endes des vorigen Jahrhunderts ge-
worden. Die Zeit Friedridy's des Großen, Directoire und Em-
pire bildeten fein Stoffgebiet. Mit den Motiven hatte er die Technik
gewedfelt. Noch ein wenig fohwer im Rolorit, wenn es fih um
die friederizianifhe Epoche handelte, wurde fein farbenauftrag unter
dem Einfluß der Motive aus dem Ende des 18. Jahrhunderts leichter
und fliiffiger. Die zart abgetönten Stoffe des Directoire und
Empire, die hellen Jnterieurtine Siefer Heitabfhnitte hatten es
ihm angethban. Aud fein Empfinden hatte unter dem Einfluffe
des neuen Stoffgebietes eine Wandlung erfahren. Der Maler
der „Anatomie hatte einen eigenthümlich finnigen, faft fentimentalen
Hug angenommen. Das Liebesleben unferer Grofeltern wurde
empfindfam gefchildert. Wie fie fidh in einer „Causerie intime“
tennen lernen, wie fie ih im „Seelenaustaufh finden, wie fie
ein ,,ernftes Wort der Entfcheidung fprechen, wie fie bei „Sonnen-
untergang von einander fceiden. Roloriftife genommen
322
Stimmungsbildhen in
Lidtgriin und Hellgelb,
fein abgetönt und gefällig
in der Zeichnung.
Damals lernte id
Sfarbina perfönlid fen-
nen. Es war im Haufe
des Derlegers der Leip.
ziger Jlluftrirten Zeitung,
I. Weber, der foeben nad)
Berlin übergefiedelt war
und in feinen Salons
eine bunt zufammenge-
würfelte Befellihaft von
Riinftlern, Gelehrten und
Sehriftftellern zu vereini-
gen pflegte. Frau Weber
ftellte uns einander vor,
um fih fofort einer ande-
ren Gruppe von Bäften
zu widmen. Wir fühlten
ung beide beengt in den
überfüllten Räumen, unter
Menfden, mit denen wir
wenig Beriihrungspuntte
fanden, und Famen überein,
uns unter Dorfdiigung
einer zweiten Derpfliditung
von der Dame des Haufes
3u verabfdieden, bevor
das Souper, das an
einzelnen Tifhchen fervirt
wurde, begann. frau
Weber lahte uns aus:
„Bitte, verfuhen Sie es
dod, 3u geben, meine
Herren! Es ift einfad
unmdglid. Gerade vor
der Barderobenthür ftehen
im Rorridor zwei Tifche.
Abräumen laffen fann ih
nidt. Aber Sie dürfen
an einem der befagten
Tifhe Plak nehmen.“
Damit war fie verfhwun-
den. Wir feßten uns refige
nirt vor der Barderoben-
thür, um uns ert am
Morgen nad einer über-
aus anregenden Unter-
haltung zu trennen. Jh
hatte einen Rünftler ten-
nen gelernt, der fic) felbft
an einem = Wendepuntte
feines Schaffens fühlte.
Er empfand, daß idh auf
allen Kunftgebieten ein
Neues anfündigte, ein
Bähren und Werden, zu
dem er Stellung nehmen
mußte. Aus dem Sitten-
fhilderer vergangener
Heiten fuchte fih der mo-
derne Menfh heraus zu
retten, er intime Bezie-
dungen fudt zu dem ihn
umgebenden, nad Beital-
tung ringenden Leben.
für Sfarbina wie
für viele deutfche Künftler
Deutfhe Runft:
it das Heil von Weften gefommen. Die belgifh-holländifche Küfte
und Paris haben ihm die fünftlerifhe Erlöfung gebradt, ohne feine
Eigenart zu [hädigen. Hier fand er die malerifhen Derflärungsmittel
für die fheinbar niidterne Wirklichkeitsfhilderung der Gegenwart,
durch Luft und Licht vermittelte Stimmung. Belgien und Holland
find nit nur um ihrer tünftlerifhen Vergangenheit willen neben
Italien das gelobte Land der Malerei. Die Nähe des Meeres,
die feuchte Atmofpbäre bedingen eine eigenartige gedämpfte Be-
leuhtung, die ‚Formen und farben zufammenbringt. Die Umtiffe
lodern, die farben ergänzen fi und verfchmelzen zu feinen
Abtönungen. Es geht ein gebrodenes Flimmern durd die Luft,
das Alles auf's Silbergraue ftimmt und die Cofaltöne auflöfend
wie mit einem Schleier umfpinnt. Auh die Typen der Bee
völferung find in ihrer unverfälfchten Sonderheit voll malerifhen
Reizes und nehmen das Rünftlerauge unwiderftehlih gefangen.
Seit Anfang der achtziger Jahre it Sfarbina ein ftändiger
Baft der holländifch-belgifhen Küfte geworden und bringt ftets
eine fille neuer Anregungen von dort heim.
Neben Hans Hermann ift er der berufenfte Schilderer Siefer
Gegenden und ihrer Bewohner. Aber auc bier läßt fih ein
ftetes fortfchreiten feiner Runft verfolgen. Es ift, als ftände
er zunähft unter dem Einfluffe des rothen niederländifchen
Siegelbaues, der blauen Delfter Porzellane und der grünen
‚senfterläden. Dann fohärft ih fein Blid und nimmt die
feineren Nüancen des herrfchenden Rolorits auf, bis er zu jenem
magiftralen, filbergrauen Ton Surddringt, Ser feine beften
Arbeiten arakterifirt. Seine bolländifhen nterieurs find
Meifterwerfe der Ubftufung des verfdiedenen einfallenden Lichtes,
das über den einfahen Hausrath bingleitet und die figuren
umfpielt, mie in den Werken der holländifhen Kleinmaler. Als
reiffte Früchte diefes Schaffens erfiheinen feine großen Gemälde
pdifhauttion in Blanfenberghe und „Amfterdamer fifhmartt.
In der Technik ift fir Sfarbina Paris ausfihlaggebend
geworden. Hier bat er die Fmpreffioniften ftudirt und aud von
ihnen gelernt, was feiner Gndividualitét angemeffen war, das
fouveräne Erfafjen der Augenblidserfheinung, das Zurüddrängen
des Ylebenfählihen, die Betonung der malerifhen Hauptaccente.
Hier wurde er aud zum Scilderer der modernen Befellfhaft in
allen ihren Schichten, vom vornehmen Galone und Bade-
publifum berunter bis in die Werkitätten Ser Arbeiter hinein.
Das Strandleben in Oftende, die alte Wiefe in Karlsbad bieten
ibm willfommene Belegenbeit zur Darftellung gefelligen Treibens,
fein Cumpenfammler auf der Treppe, der ,,Dater Jean Baptifte
muthet faft wie Armleutemalerei an und ift Sod) mit echter
fünftlerifher Naivität bingeftellt, wie ein zufällig erfaßter Augen-
blidstypus. Dor Allen bat Paris dem Rünftler jenen Befhmad
übermittelt, der ihn genau an der Grenze des Häßlihen Halt
Deutfde Rung.
323
machen läßt und ihn vor jeder Ertravaganz, vor jeder Rohheit
bewahrt.
Die farbenbehandlung Starbina’s fteht feit dem legten Jahr-
zehnt immer mehr unter dem Seiden der Aquarelltednit. Selbft
feine Oelgemälde erfceinen mit treffficherer Meifterfhaft leidt-
fliiffig bingeftriden. Sfarbina fegt die Töne nit taftend und
pagend 3ufammen, er bat fie auf der Palette, ehe fie auf die
Leinwand übertragen werden, Jm Aquarell fteht er heute in
der erften Reihe der deutfhen Wafjerfarbenmalerr. Er zeigt den
feinen Sinn für das dünnfliegende Material, für die „washes“,
wie fie der Engländer bezeihnet. Man fühlt in feinen Aquarellen
nicht mehr das Rörnige des farbmaterials, es bat fid) im Waffer
gelöft und breitet fih zwanglos über die Fläche.
Die von uns reproduzirten Arbeiten Sfarbinas find mit
Ausnahme des Leudtthurms von Blanfenberghe fammtlid nod
niemals veröffentliht worden und zeigen den Meifter auf der
Höhe feines Rönnens. Die in Wafferfarben ausgeführten Skizzen
und Studien, befonders die „Erinnerung an Capri, zwei vor
dem Hotel Pagano fitende italienifhe Maler darftellend, find
typifd für die padende Charakteriftif Ses Riinftlers. Jn dem
Bilde aus dem Orgeldhor der Hamburger Rirche, befonders in
der Behandlung der reidgefnigten und vergoldeten Ronfole
der Orgel, verrath fi) die Treffjicherheit eines Menzel, die ohne
Haudern den Pinfel an der rechten Stelle hinfeßt, während das
‘gtiinlic) einfallende Liht, fih zerftrenend und Reflege bildend,
die untere Partie des Bemäldes beberrfcht.
Mit befonderer Genugthuung erfüllt es uns, daß der häufige
Aufenthalt in der ‚Fremde Sfarbina’s Augen für die malerifhen
Reize der Heimath gefhärft hat. Auch die Jungfernhaide und
die leicht gefhwungene Baumallee der Raiferin Auguftaftraße
haben ihre Poefie, die der Riinftler durd das in feinen Dienft
gezwungene und mühelos beherrfhte Medium er Liht- und
Luftftimmung übermittelt.
In jüngfter Zeit ift Starbina durch die Befhäftigung mit
dem Broßen Kurfürften, zu der ihn er Herausgeber des Hohen-
zollern-Gabrbudes angeregt bat, wieder zur hiftorifhen Kunſt
zurüdgeführt worden. Aber der Schwerpunft feines Schaffens
wird immer in der treuen Schilderung modernen Lebens liegen.
Hier ift er vom ftofflich Intereffanten ausgegangen und allmälig
zum formal Malerifhen Surdhgedrungen. Das 1 arftellungs-
objeft ift ibm der Träger von Licht und ‚Farbe, nicht mehr und
nidt weniger. Er dichtet nicht, aber er regiftrirt aud nicht
mit dem Pinfel. Er nimmt aus der Wirklichkeit das feiner
Rünftlerindividualität Entfpredende, und weil er eine interejjante,
im Grunde ihres Wefens überaus ernfte Perfönlichkeit-ift, geftaltet
fid unberwuft das zufällig Befehene zu einem abfidtsvoll Be-
obachteten.
Büchermenſchen und bildende Kunſt.
II.
und man fann es heute zuverfichtlic vorausfagen, daß der
Tag erfcheinen wird, an dem die Farbenauslegung, welde
der jüngeren Malfdule in ihren großen Zügen gemeinfam ift,
aud offiziell als die mit der Wirklichkeit übereinftimmende an-
erfannt werden wird. Dann aber wird aud die Stunde niht
mehr fern fein, wo jeder felbftändige farbendeuter, der von
diefer orthodoren Palette abzuweihen für gut findet, ebenfo die
Adterklärung risfirt, wie fie vor Aurzem über die Freilicht-
malerei ausgefproden wurde.
Wie heute wird aud dann der alte Frrthum fih wieder
breit maden, daß Uebereinftimmung mit der Wirklichkeit der
Gradmeffer fiir die Abfhätung eines Runftwerfes fei. Sehr
erfldarlid), ftammen Sod) die meiften Theorien über bildende Runft
ftatt aus Beobadtung der Natur und dee Runftwerks lediglich
aus pbilofophifhen Erwägungen. Ein perfönlihes äfthetifches
Empfinden müßte großgezogen werden!
Hl: dem dreiften Lachen wurde ein befcheideneres Ropffhütteln,
Diefelbe Ueberfhätung der Bedantenwelt der des Befühls
gegenüber tritt aud in einer anderen Richtung hervor. Jah
meine das forfthen nad) dem Pofitiven im Runftwerf, das, was
fih als fein Inhalt in Worten ausdrüden läßt. Aud in diefer
Beziehung ift die Poefie mitleidend. Aud im ihr läßt die Auf-
merffamfeit fid) gar zu gern von der Fabel gefangen nehmen,
fatt daß fie fiy der Fünftlerifhen Behandlung zumendet. Aud
bier haben wir aus der Gewobhnbeit heraus nur eine beftimmte
Art von Stoffen als der Runft angemefjen bezeihnen hören.
Aber für die Dichtung waren dod) wenigftens bis zu einem
gewiffen Grade die Vorausfekungen ridtig, von denen die Be-
tradtung ausging. Don ihr war man dod wenigftens über-
haupt beredtigt, eine fabel 3u erwarten! Stellt man aber das-
felbe Verlangen an das Werk der bildenden Aunft, fo wird
man um fo ficherer enttäufcht werden, je mehr das Bild wirklich
Bild bleibt. Auf diefem Mißverftändnif, daß die Grenze
formenden Schaffens in das Gebiet des erzählenden Schaffens
324
verfchob, beruht ein großer Theil der falfhen Bewerthungen,
welden jenes ausgefeßt ift.
Zwar bat jeder Primaner feinen Laofoon gelefen, aber über
„die Grenzen der Poefie und Malerei ift er fih nur theoretifch
im Rlaren. Er weiß fehr wohl, daß die Poefie Handlungen und
Charattere, die bildende Aunft aber die förperlihen Erfdheinungen
der Wirklichkeit darzuftellen habe. Verftandesmäßig bat er feinem
GottholS Ephraim Recht gegeben, aber gefühlsmäßig fährt er
fort, aud) von der bildenden Runft das zu verlangen, was er
vor Allem fhäßt und liebt: einen Gedanfeninbalt. Und wie
fönnte es anders fein! Bewohnt, die Dinge der täglichen Um-
gebung mehr als Quelle philofophifcher oder praftifcher Erwägungen
denn als Augenweide und Anregung feiner Phantafie anzufhauen,
Deutſche Runſt.
kehrt man auch dem Kunſtwerk gegenüber dieſe zur Natur
gewordene Gewohnheit allzu ſehr heraus. Unempfänglich für
die Liebkoſungen des heiteren Spiels farbiger form, flüchtet der
Kunſtgenuß nur zu gern aus dem Schauen in das Denken, ſucht
nach dem Sinn, der hinter den Erſcheinungen ſteckt, und findet
dieſen Inhalt bald zu geringfügig, bald zu alltäglich. Es gab
eine Zeit, deren Kunſt dieſer Geiſtesrichtung entſprach. Die
religiös-philofopbifche, die Hiftoriene und Genremalerei, fie alle
wendeten fic) an den literarifc-fritife gebildeten Derftand, wie
fie denn nichts Anderes als der Ausdrud des üppigiten Wuderns
diefer Bildungs-Einfeitigkeit waren. Hier fpiirte der Buchverftand
feines Gleichen, und die geringen fünftlerifhen Derdienfte jener
Epode wurden über dem reihen Bedanfeninbalt gar nicht jtörend
—
SYA ãA —
EL AR |
on TT th
P ak:
$ranz Sfarbina, Der Keuchtthurm von Blanfenberghe.
Deutfde Runſt.
325
empfunden. Aber hier hat ſich ein Wandel vollzogen. Zuerſt
verſchwanden die hiſtoriſchen Spektakelſtücke und rührſeligen Komödien.
Dafür traten die Wirklichkeit und die Begenwart in ihr unbeftreit-
bares Recht. Das Riefenformat des Atelierbildes wurde durch
die befcheideneren Maße der Naturftudie erfegt. Die Einzelfigur
und das Alltagsleben forderten die liebevolle Aufmerkfamteit des
Künftlers, in der dürftigften landſchaftlichen Natur fanden fih
intime Reize, Wohnung und Leben der Aermften boten dem fuchenden
Auge neue Stimmungen, die fih in ungewohnten farben aus-
drüdten. Ram fihon bei diefen Vorwürfen das Spüren nad)
Gedanfeninhalt niht recht auf feine Roften, fo ftand es dem,
was nun folgte, noh rathlofer gegenüber. Gene erfte Zeit des
Realismus hatte Stoffe gewählt, die durch ihre Alltäglichkeit von
einem verzärtelten Befhmad abftoßend empfunden wurden, aber
immerhin war da dod) nod ein Inhalt gewefen, der fic) in
dürren Worten nacerzählen ließ. Naddem aber die moderne
Runft jene Lehrzeit überwunden hatte, nachdem das Freiheitsgefiihl
der Natur gegenüber fid) wieder durd fouveräne Willfür in der
Anfhauungsweife zu äußern beginnt, werden auh jene Stoffe
vom Künftlee nicht mehr befriedigend gefunden. Einerfeits ver-
liert fid) die Wirklichfeit ins Marden, andererfeits fommt eine
Runft herauf, die einen fo ätherifhen Inhalt umfchließt, daß er
nur für Augen erkennbar ift, die fein zu fehen verftehen. Eine
Bewegung, eine Miene, eine Farbenfiimmung — ein Nichte, der
fhärfite Begenfat zu dem, was leicht auffällt, fid) felbft erklärt. Hatte
man fih vor Rurzem durd) die Darftellung von Lumpen beleidigt
gefühlt, die man nur zu genau fannte und verftand, fo ftebt
man nun fopffdiittelnd vor Werken, denen man allerdings jede
Berehtigung abfprehen muß, wenn man im Bilde etwas fucht,
das einer Handlung ähnelt. So wird denn heute beim Zufammen-
treffen einer folhen Runft mit folden Anfpriidhen die Derftändigung
fat unmöglid. Nun fann es allerdings fein — die Anfänge
dazu find heute fhon da —, daß eine fommende Runftridtung
den Inhalt wieder ftärfer betont, immerhin wird fie aud dann
nit in den Weg einlenten, der zum Verftändniß des Literatur-
menfohen binführt — vorausgefeßt, daß die bildende Kunft nicht
wieder von ihren Brundgefegen abirren foll.
Nidht eher alfo fann es beffer werden mit dem Verbältniß
zur Runft, als bis das Derhdltnif zur Ylatur ein anderes geworden
fein wird, bis diefe neben und über dem Bude als vornehmfte,
unteiiglidfte und unverfieglide Quelle fir Bilbung und EEG
wieder zu Ehren gefommen fein wird, Alp
Wiener Kunftfrühling.
enn die Wiener Sezeffioniften fid an der von ihnen veranftalteten
Ausfellung nicht eben zahlreich beiheiligt haben, fo darf man
ihre Zurüdhaltung einmal mit dem prinzipiellen multum non
multa nit nur entfhuldigen, fondern fogar gutbeifen, zweitens aber aud
mit der Dorfiht begründen, für ihre den Wienern und an Wienern noh un-
gewohnten Beftcebungen anerfannte Autoritäten, deren Namen fchon be-
fhwidtigend wirfen, reden 3u laffen. Sie zeigen fomit einftweilen mehr, was
fie wollen, als was fie können; daß fie eines fönnen, haben fie aber doc)
glänzend bewiejen, nämlih aueftellen. Ghre Ausftellung fühlt niht ab, er-
nüchtert nicht, weil fie einen intimen Charakter trägt, nicht den einer Zentral-
Franz — Aus der Königin Augufta -Strafe in Berlin.
326
Deutfhe Runft.
markthalle; das Gefühl, daß Runftwerfe aufgefpeidert find, um verfanft 3u
werden, fommt niemals auf; die Runft ift bier einmal zu Haufe, wie eine
bürgerlihe Runft 3u Haufe fein fann, und wir find bei ibr zu Bafte, der
eine dort, der andere bier mit dem Befühl, zu Haufe zu fein. JH habe u. A.
von der Sezeffioniften-Wusftellung aud die Ueberzeugung profitirt, daß man
viel weniger das Bediirfnig fiihlt, fih 3u feben, wenn Stühle dazu einladen,
als wenn fih feine Siggelegenbeit bietet. Die laufdhigen, rubfamen Eden,
wo man ungeftraft unter Palmen träumen Fönnte, zurüdgelehnt in einen Seffel,
fhön und bequem zugleid, verloren in den Anblid einer wirkfam aufgeftellten
Skulptur oder eines Bemäldes, deffen Stimmung mit dem Ton der Wand-
bekleidung barmonifh zufammenklingt, erfüllen ihren Zwed bereits durch ihren
Anblid, als ftimmungsvolle Bilder. Die Teppiche, die den Schritt dämpfen,
fillern nicht in der orientalijhen Farbenpradt fmyrnaer Stils, fondern ent-
fpreden im Rolorit fowobl als im Mufter nordifherem Empfinden und find
als böhmifhe Anüpfarbeiten Erzeugniffe heimifder Gnduftrie. So ift wenigftens
durd) die Wahl der Ausftattungsgegenftände mit Blüd verfudt worden, der
$ranz Sfarbina, Nlodell-Studie,
Ausftellung den Reiz nationaler Eigenart zu verleihen, und duch das
Arrangement ein fpestell wienerifder Fug von Gemiithlidfeit und Chic an=
muthig zum Ausdrud gekommen.
Dom modernen Runftfihaffen giebt die Sezeffioniftenaueftellung ein nahezu
erfhöpfendes Bild, welches zugleih faft alle Stadien des Aunftfhaffens ver-
anfhauliht vom Nadbilden bis zum Umbilden. Der Unterfchied liegt nur
darin, ob fih der Rünftler feiner Beziehungen zur Natur bewußt ift oder
nit; fic) felbft giebt doh Feder in feinen Werfen, denn mit der objektiven
Treue des photographifhen Apparates vermag ein denfendes und fühlendes
Wefen niht einmal zu fehen, gejhmweige denn Befehenes darzuftellen. Gn
jedem Ropfe fpiegelt fh die Welt nun einmal etwas anders; ſchon
die finnlide Wahrnehmung ift individuell; gerade das Streben, nur die Natur
als Maßftab ihres Rönnens gelten zu laffen, ließ die Rünftler fi felbft finden,
gerade dem fogenannten Naturalismus — lucus a non lucendo
fönnte man bald diefes Wort gloffiren — verdanfen wir den Subjeftivis-
mus; denn es giebt in der Runft nur eine fubjeftive Objeftivetat, ein
Paradoron, das die verfhiedenartigen Sonderridtungen,
die der Naturalismus eingefdlagen bat und feine mannig-
faltige Erfheinung in den eingelnen Runftwerfen ent/dul-
digen mag.
Mir fällt da eine hiibfhe Anefdote vom feligen Ladner
ein. ls der Romponift einft gefragt wurde, zu welder
Fahne er ih eigentlich befenne, ob er etwa Mozartianer
fei, antwortete er felbfibewußt: „3 bin felber aner!" Don
den Künftlern, mit denen uns die Sezefjioniftenaueftellung
befannt madt, ift jeder „feiber aner. Zu diefer Selbft=
ftändigfeit konnte aber nur die Riidfebr vom künftlerifchen
Dorbild zum natiicliden führen, die ih in einem Bödlin
und Segantini bereits fhön und groß vollzogen bat.
Weiter als der Weg von Bödlin zu Segantini ift der zu
Ubde, aber er führt zu einem lohnenden Ziele. Uhde's
Werf „Chriftus predigt am See ergreift duch feine rüb-
rende Einfachheit, die auf jeden Effett verzidtet. Eine
tief innerlihe Runft wirft hier allein duch ihr Wefen, nicht
durd den Äußerlihen Reiz felbftgefälliger Manier. Frei
von Pathos, ohne Pofe figt der Erlöfer da; duch eine
beredte Handbewegung giebt er feinen milden Worten Nac-
drud. Die Hörer laufen feiner Offenbarung, deren Ein-
drud die Meine Schaar Armer mannigfaltig wiederfpiegelt.
Mit Ubde's religidfer Runft ift der wahre Sinn des Chrifien=
thums in der Malerei wieder bergeftellt.
Poet wie Bödlin, wenn and nicht von folder Kraft
der Einbildung und Geftaltung, ift dec ferndentfhe Hans
Thoma, ein liebenswürdiger fabulant, ein Melin, der
die Spradhe der ganzen Natur verftebt. Eine „Taunus-
landfhaft" erhebt er dur glüdlihe Offenbarung ihrer inti-
men Reize zu einem Zöpll, das die Seele gewinnt und in
jenes intereflelofe Anfhauen Rant's, in den Zuftand der
Weltverlorenheit verjenkt. Seine „Bogenfihägen‘ und feine
„Bardiniera" keweifen, daß Thoma auch wohl vertraut ift
mit der Schönheit der menfhlihen Geftalt.
Mag Rlinger, der Menfdhensarfteller comme il faut,
ift, obwohl fein Bild „Am Strande in der Dollfommen-
heit der Heihnung in einer liegenden, weiblihen Figur nicht
zu übertreffen ift, in der Sezeffion doch nit fo glänzend
vertreten wie im Riinftlerbaufe durd felne Plaftif und das
Rreuzigungsbild.
Da wie dort, in der Bartenbau - Befellfhaft wie im
Rünftlerhaufe, it manderlei vorhanden, was das Herz er-
freut, fel es nun modern oder nicht, und beide Wiener
Ausftellungen, die eine als mehr offizielle bunte, die andere
als freie, einheitliche, dürfen nebeneinander befteben, obne
daß man zu befürdten braucht, die eine könne der anderen
Abbruh thun. Der große Aufwand, mit dem diesmal die
„Rünftlergenoflenfhaft“ ihre Jubiläumsausftellung veran-
ftaltet hat, die Baftfreundfhaft gegen franzöfifche, englifche,
fpanifhe und reihsdeutfhe Riinftler, bedeutet fhlieflid aber
dod einen Erfolg der Sezefjion; die Alten haben von den
Jungen gelernt und mußten ihnen nadeifern. So zeigt fih
denn fhon der Segen der Konkurrenz.
Deutfde Runf.
327
Friedrich Gefelfchap.
Fi em 25. Mai waren es 100 Jahre, feit in Rom die
Tragödie eines kurzen aber bedeutungsvollen Künftler-
> lebens abfhloß. Atropos hatte den Lebensfaden des
Asmus Jafobus Carftens zerriffen, der die furchtbare
Schidfalsgöttin fo padend dargeftellt hat, wie fie am Ende der
Schöpfung mit ihren Schweftern die Schidfale der Menfden
fingt. Der ernften Zufammenfunft, mit der deutfche Künftler in
Rom des an der Pyramide des Ceftius in .freinder Erde ge-
betteten Babnbredhers des Rlaffizismus gedadten, follte am Abend
des 5. Juni eine Trauerfeier für einen deutfhen Maler folgen,
beffen Tod erfihütternd mahnte an den tragifhen Zwiefpalt
swifchen verfiegender Kraft und reichem, ungeniigfamem Schaffens-
trieb. Friedrih Befelfhap, der freiwillig aus
einem qualvollen Leben gefhieden war, wurde
am Abend auf dem deutfchen Friedhofe am
Teftaccio beerdigt. Schweres förperlihes Leiden
hatte den Entwürfen des genialen Meifters
ein Ziel gefeßt, und in der erdrüdenden Ein-
fiht feines Unvermögens entzog fih der
Rünftler den feelifhen und leiblihen Qualen
eines freudelofen Alters, deffen Laft ihm un-
erträglih wurde durd das troftlofe Bewuft-
fein, nidt auswirken, das ihm anvertraute, Pöjt-
lihe Pfund in grof geplanten Schöpfungen der
Nation, der Menfchheit nicht voll zurüderftatten
zu fönnen. furdtbares Schidfal, fic) mit
großen, ausgereiften Jdeen in beftändigem Han-
gen und Bangen tragen zu müffen und fid
mehr und mehr außer Stande zu fühlen, fie
auszuführen. Jhm it Befelfhap verzweifelnd
erlegen, ein Jahrhundert nad) dem Ableben
Asmus Jacobus Carftens, der entkräftet in ein
frühes Grab fant, ohne den Sonnenfchein anders
genoffen zu haben als in der feiner Kraft
nod lange nidt vollauf genügenden Be-
thätigung feiner Fünftlerifhen UWeberzeugung.
Friedrih Gefelfhap war am 5. Mei
1855 zu Wefel am Niederrhein als Sohn cines
Raufmanns geboren. Nad dem Verlufte feiner
Eltern fam er l5jährig zu Verwandten nad)
Neiffe und erwarb fic dort und auf dem
Gymnafium zu Breslau die Grundlagen all
gemeiner Bildung. Seine fiinftlerifde Be-
gabung wurde zuerft von dem Portraitmaler
Refd) erfannt, Ser aud) die Aufnahme Gefel-
fhap's in die Dresdener Akademie ver-
anlaBte. Don größerem Einfluß auf die
Entfaltung feines Talentes waren feine Studien
in Düffeldorf unter Shadows und Bende-
mann’s Leitung, namentlich aber fein intimerer
Derfebr mit Theodor Mintrop. Jm Jahre 1866
trieb es Sen jungen Riinftler nad Rom, wo
er in freunöfhaftlihen Umgang mit Sem
Hiftorienmaler fr. Overbed trat. Die Werke
des Datifan famen in- ihrer Erhabenheit dem
unbewußten Zuge des eigenen Genius entgegen
und wirkten überwältigend auf das empfängliche
Herz des Werdenden. Sie lehrten ihn, daß
die Hauptftärfe der drei Schwefterfiinfte in
ihrer Vereinigung liege, und überzeugten ihn
von der Nothwendigfeit monumentaler Runft.
Um fi für fie am Vorbilde unerreihter Bröße
3u fohulen, ftudierte er zunähft Michelangelo's
resten, Sie ihn mädtig anzogen, bis Raffael
und Mantegna ausfhließlic entfcheidenden Ein-
fluß auf feine Entwidelung gewannen. Da er
fih in Beider Werfe mit gleihem Eifer und
gleiher Liebe verfenkte, bildete fi Befelfhap's
©
Eigenart aus als eine Vereinigung von Anmuth uud Strenge,
die fih an allen feinen Hauptwerfen nadweifen läßt. Das
Wefen jener vorbildliden Runft ift Gefelfhap in Rom und
‚Florenz, wo er auf Deranlaffung des Dichters Müller von
Königswinter einige Bilder Raffael’s fopirte, aufgegangen und
3u eigen geworden; nicht Aeuferlichfeiten abmt er nad; Sarum
wire nidts ungeredter, als ibn einen Cfleftifer zu nennen.
für die Bröße feiner Auffaffung fpridt aud Sas Stoffgebiet,
das fic) Ser Riinftler gleich für feine erften Rompofitionea wählte;
biblifhe Hiftorien und Szenen aus Dante's. gdttlidher Romddie
waren es, die ihn zum Schaffen anregten. 1871 kehrte Befelfhap
nad Deutfhland zurüd und ließ fic) in Berlin nieder, um fid
Stanz Starbina, Derfäufer von Waldteufeln und Hampelmainnern,
328
nod lange Heit mit minderer Brot- Arbeit zu begnügen, ehe
Aufgaben an ibn berantraten, die feinem Rönnen entfpraden.
Jm Jahre 1877 beginnt für ihn die Periode des Aufjhwungs:
in Bemeinfhaft mit Bleibtreu erringt er in einer Ronkurrenz um
Entwürfe für die Ausmalung der Raiferpfalz in Boslar den
2, Preis und damit feinen erften größeren Erfolg, der wenigftens
das Gute hatte, Befelfhap's Namen in weiteren Rreifen befannt
zu madhen. Nur mühfam gelang es dem Rünftler, dem es
widerftrebte, für den Runftmarft zu fchaffen und in Staffelei-
bildern jeweiligen Befhmadsrihtungen Zugeftändniffe zu maden,
eine Eriftenz zu finden. Wn dekorativen Arbeiten, die er für
private und öffentliche Bebäude berzuftellen hatte, fhuf er zu-
nddft die Perfonififationen der Reicheftädte in 9 Lunetten für
den Sigungsfaal der Reihsbant, einen Raminfries und alle-
sorifhe Darftellungen der Mufit für Auguft Hedmann und
Malereien auf den Schlöffern Dwafieden auf Rügen und Klee
bei Dülfen. Das Vertrauen maßgebender Kreife follte er fid
endlih im Jahre 1879 Surh feine Entwürfe für fünf die „Runft-
epoden’® darftellende Mofaitbilder erwerben,
weldhe die Facade des Berliner Runftgewerbe-
Deutfhe Runft.
[hung der Farben und das Unvermdgen, in den farben
oder in der Beleuchtung eines Bildes einen tief empfundenen
idealen Inhalt anzudenten. Einem Todten wie Gefeljhap
gegenüber ift es geboten, die Arena Ser Polemif zu verlaffen;
wer fic von jedem Andrange veränderter Anfhauungen mit-
reißen läßt, thut gut, von den Männern zu fchweigen, die
unentwegt und unbefümmert um Modeftrömungen dem Ewig-
Schönen nadjftreben, das, durch die getrübte Parteibrille wechfelnder
Tageskritit betrachtet, freilich entftellt erfcheint. Wenn es überhaupt
angebradht und erfprießlid wäre, Perfönlikfeiten zu forrigiren, fo
dürfte bei Befelfihap die Stimme ausfhlieglihen Tadels füglic
fhweigen; denn er bleibt nicht nur fympathifch in der Erinnerung als
Mensch, fondern auc in fteter Lebendigkeit als Rünftler. Während
feines Lebens hat Befelfhap wohlverdiente Anerkennung manderlei
Art gefunden: 1882 wurde er Mitglied der Akademie, 1884 trat
er in den Senat ein, 1885 war er Mitglied der Akademie des
Baumefens und der Candestunftfommiffion, 1886 erbielt er auf
der Gnternationalen Jubildumsausitellung der Akademie für die
mufeums fhmüden. Yun endlid) traten größere
Arbeiten an den Künftler heran, Surd die
er fi als der erfte Monumentalmaler Deutfd-
lands erweifen follte. Gn den Jahren 1879
bis 1890 hatte er fein Haupte und Lebens:
werk auszuführen: die großartige, male-
tifhe Ausfhmüdung Ser Ruppel der
Rubmeshalle im Zeughaufe zu Berlin.
Mit den in Caféinfarben ausgeführten Male-
reicn Krieg, fFrieten, Wiedererftehung des
deutfchen Reicdhes und Walhalla bat er einen
vollgiltigen Beweis feines ungewöhnlichen
Rönnens abgelegt und fih zu einer idealen
Größe der Uuffaffung emporgefhwungen, die
bisher feit den Rompofitionen von Peter Corne-
lius für den Campo santo nod niht wieder
erreiht war. Wudt und Kraft des Ausdruds,
ernfte Bröße, feierliher Schwung, grandiofe
Phantafie und monumentale Hobeit fennzeidnen
diefe allegorifhen Rompofitionen als erhabene
Runftwerfe, die nicht nur wie die älteren ‚Fresken
unferes Jahrhunderts Surd den reinen Stil
linearer Schönheit, die Eurythmie der Bewegung,
den Adel und die Kraft Ser form erheben, fon-
dern auch durch die finngefälligere, einfhmeichelnde
Symbolit der farbe feffeln. Berlin ift mit Recht
ftolz auf fo he Schöpfungen, denen die Natio-
nal-Zeitung in einem nicht nur pietätlofen Nach—
ruf Popularität abfpricht. Der Rrititus der Natio-
nal-Zeitung glaubt, als Einziger der Wahrheit
die Ehre gegeben zu haben; nun er wäre nicht
weniger wahr gemwefen und da,u anftändiger,
wenn er die großen unleugbaren Vorzüge von
Gefelfhap’s Rompofitionen anerfannt und die
diefen gegenüber geringfügigen Mangel, welde
jedem menfchlihen Werke anhaften, mit dem
gebotenen Stillfyweigen übergangen hatte.
Gerade Künftlern von ftarfer Eigenart, von
einem eigenen Stil find Züge eigen, die häufig
befremden und dem oberflählihen Befcdauer
als Fehler erfcheinen; ohne folhe aber wäre
Michel Angelo nidt Mihel Angelo. Was
den betreffenden Heren zu feinen abfprehenden
leuferungen veranlagt bat, ift gerade das,
wis er dem DVerewigten abfpridt, die fiinft-
lerifche Selbftändigkeit; er dedt nidt nur
Fehler auf, er ftempelt aud) Vorzüge zu ‚Fehlern
und fieht in einer foloriftifhen Diskretion, wie
fie die monumentale Malereien einrahmende
Arditeftur bedingt, Hilflofigkeit in der Beherr-
$sranz Sfarbina, Eljäffiihe Stadt.
Deutfhe Runft.
Rartons 3u feinen monumentalen Schöpfungen im Feughaufe,
die die belgifhe Staatsregierung erwarb, die große goldene
Medaille; die Akademie der Rünfte in Münden zäblte ihn zu
ihren Ehrenmitgliedern.
Wenn es Befelfhap auh nit vergönnt war, nod ein
Wert von fo hober Bedeutung wie feine Fresfen im Heuge
haufe zu vollenden, jo bat er doc im letten Jahrzehnt feines
Lebens noh mandes Bedeutfame gefhaffen: Die Blasfenfter mit
den vier Evangeliften und der Auferftehung Chrifti in der
Gnabenfirdhe, Mofaifbilder in der Raiferin Auguftaficdhe, der
antififirende fries, welder 3um 90. Geburtstage Raifer Wilhelms I.
das Afademiegebaude fcmiidte, endlid) in der Raiferloge der
Raifer Wilhbelm-Gedadtniffirhe die Anbetung der Magier, ferner
329
eine in Privatbefik übergegangene thronende Maria mit dem
Rinde, eine herrlihe Rompofition für das Beethovenhaus u. a. m.
Um fih zu Präftigen für die Ausführung vortrefflidher Ent-
würfe für die Fricdensfirde in Potsdam und den Hauptfaal
des neuen Hamburger Rathhaufes 30g Befelfhap nod einmal
nad Rom, da umnadtete fein Leiden feinen Beift und fahnen-
flühtig fhied er von uns mitten heraus aus einer Welt von
Entwürfen und Jdeen, die ihn micht mehr erheben fonnten,
fondern niederdrüdten wie eine uneinlösbare Schuld. Mit ihm
ift ein edler felbftlofer Menfd, der allzeit bereit war, zu helfen
und zu lindern, wo er nur fonnte, und ein großer Künftler
Gefdieden, deffen Tod einen nationalen Verluft bedeutet.
‚Friede feiner Afche! Hans Marfball.
Das Rudolf Koller-Jubiläum in Zürich.
Im Künftlerhaufe und in der Börfe zu Züri ift eine Jubiläums-
Ausftellung veranftaltet worden, zu Ehren Rudolf Roller's, des be-
a
|
— —
Franz Skarbina, Aus der Jungfernhaide bei Berlin.
deutenden ſchwelzeriſchen Thiermalers, der am 21. Mai in aller Stille und
Huriidgezogenbeit feinen 70. Geburtetag gefeiert hat. Diefer befheiðenen feier
ift aber nod eine Sffentlide gefolgt, mit der die Diirider
Runftgefellfhaft es fih nicht wollte nehmen laffen, den
greifen Meifter zu ehren. Nachdem Roller von ihr bereits
als Meifter et fehweizerifch-nationaler Runft gefeiert,
nadem ibm in warmen Worten der Dant feiner Vater-
fadt Zürih ausgefprohen war, ergriff Bere Profeffor
Oedsli im Namen der Univerfität das Wort und ver-
fündete, daß die philofophifhe Fakultät Zürih Rudolf
Roller als „den Philoforhen der Welt- und Tafeins-
freude zum doctor honoris causa promoviert babe.
Die Runftgefellfhaft felbft ernannte den Jubilar zu
ihrem Ebhrenmitgliede.
Roller betrieb, nahdem er IS jährig in die Periode
der akademifhen Lehre und Wanderjahre getieten war,
feine fünftlerifhen Studien zunädft in Düfjeldorf zu-
gleih mit feinem Landesgenoffen und Freunde Bödlin,
mit dem er dann aud nad Antwerpen und Brüffel und
fpäter nad Paris aing. Nachdem er nod zwei Fabre
alo freier Maler in Münden gelebt batte, ließ er fid
dauernd in feiner Daterftadt nieder und erwarb dort
im Jahre 1860 feine ländlihe Befigung am Zürihhorn,
wo ein eigener Diebftand, den er in feiner „Freiheit
beobachten konnte, ihm die lebendigen Moselle zu feinen
naturwahren Bildern bot. Ein foldes, ,,Pfliigende
Odfen‘‘ (1867), wird vielen aus der Dresdener Galerie
befannt fein.
Eine Fülle von Arbeit enthält die Jubiläums
ausftellung; wenn fie aud trogdem nod nidt das ganze
Lebenswert des Meifters umfaßt, fo giebt fie doch ein
erfhöpfendes Bild von feiner zielbewußten Perfönlidh-
teit, die groß ift in weifer Befhräntung, fo führt fie
doh feine Bedeutung tlar vor Augen und läßt den
Befhauer an einer langen Reihe dronologifh ge-
ordneter Arbeiten, den lebendigen Daten feines Werdeng,
Roller's fünftlerifhen Entwitelungsgang in allen Stadien
durchlaufen.
Dod laffen wir über Roller's Bedeutung einen
Anderen fprehen, feinen Geringeren nämlid als
Ftiedrih Theodor Vifher. Die „Rritifhen Gänge" des
ehemaligen Profeffors der efthetif und deutjchen
Literatur in Züri enthalten folgende Würdigung.
ë wei Abwege liegen dem Thiermaler
nahe: Langweiligteit und Ueberfhraubung. Wer nur
immer das Dumpfe, Bähnente, Wiederfäuende, Schläfrige
malt, wie die meiften Niederländer: nun, der bringt
aud uns zum Gabnen; wer dagegen die Analoga
menfchlihen Seelenlebens im Thier aufjucht, hüte fih,
diefen Ausdrud dahin zu fteigern, daß fie zu empfind-
famen Wärtern, frommen alten Jungfern, gut erzogenen
Schülern, raffinieten Gatriguanten, erften Liebbabern und
330 Deutfde
Run ft
Helden werden. Wir haben franzöfifhe Sachen gefehen, zum Beifpiel Hunde,
die am Brabe des Herrn trauern, fo menfhlid fentimental, daß fie offenbar
fogleih ein Tafhentuh bervorziehen und fih die Thränen damit trodnen
werden. Das Thier muß Tbier bleiben und dod errathen laffen, daß in
feiner unbewußten Seele etwas vor fih gebt, was menjhlihem Affett,
menfhlider Stimmung verwandt ift, in Ernft und Romif. Gerade die Thier-
gefchlechter, die weniger hod, an innerem Leben dem Menf—en weniger nahe
ftehen, find ein befonders dankbarer Stoff, weil fic) gleihmäßig die weite
Rluft und die Brüde über
die Kluft an ihnen ðar- * — Zu —
Welt; der andere, geſetzter großer Schweißhund, ganz Amtskopf, ganz Ober-
forſtmeiſter, charaktervoll, Mann der Geſinnung, der nur mit ſtrenger Aus—
wahl ſich zum Mitwirken entſchließen wird, wenn es ans Anbellen geht.
Häufig aber treibt Landſeer die Beziehung zu weit und wird dann thieriſcher
Rarrikaturmaler. Koller bleibt immer mäßig und läßt die Anwendung wie
obne fein Zuthun hervorſpringen, wie in feinen drei Rüben, die in einen
Roblgarten eingebrochen find; die eine im griindliden Vollgenuſſe die faftigen
Blätter malmend, daß man meint, jenen dumpfen, bebagliden Ton der
arbeitenden Kiefer zu
bören, der den Wieder-
ftellen läßt. Das Rind
it daher für diefe Auf-
faflung günftiger als das
Pferd; diefes erinnert
durd fein affeftvolles,
feuriges Wefen eber zu
rafch, zu unmittelbar an
das Verwandte im Men-
fhben, und die fihönen
Rurven feiner Beftalt find
mebr nod plaftifh, als
maleifh; das träge,
fehwerfällige, dumpfe, ge-
nährige Wejen des Er-
fteren giebt dem. Spiele
ter Dorftellung, mit dem
wir uns in die dunkle
Thierfeele verfegen und
uns fragen, was darin
nun wohl eigentlih vor
fi) gehe, mehr Reiz Ser
Gemiithlichfeit, und Roller
verfteht es gründlid, ung
3u diefem Spiel 3u ndthi-
gen; namentlih führt er
uns gern den Pierro,
das balbgewachfene, täp”
pifhe Rind vor, mit den
abftehenden, von durd-
fidtigem Saum einge-
faßten Ohren, dem falti-
gen Meberfluß der Haut
am Hals und dem dumm-
ebrliden, neugierig
gloßenden, gutmiithigen
Blit. Die menjhenähn-
lihen Momente und Züge
rührender Art weiß er
ebenfo wahr als unge-
fugt in Szene 3u fegen;
fo in der Rub, die fid
mit ibrem Ralb bei Ge-
witterfturm hinter einen
Fels geflüchtet bat und
nun miitterlid beforgt
zugleih dem unfaßbaren
‚Feind mit fcheuem Blide
drohend, den Ropf über
diefes biegt; oder im jener andern, die fic) abfeits der Herde an einer fels-
wand auf blumenreiher Matte mit ihrem Jungen gelagert bat und es emfig
abledt; die Gruppe bat fic) wie in einem gemiithliden Stübdhen eingerichtet,
um fern von allem Betümmel in aller Stille Mutter- und Rindesfreuden
3u genießen.
Ein ander Mal dann ergeben fit) ebenfo ungefuht Ironifhe Parallelen.
Landfeer, der große englifhe Thiermaler, bat fie gern aufgefudt; man
fennt zum Beifpiel feine zwei Hunde, „Dignity and Impudence“ getauft,
die neben einander aus ihrem Häuschen fohauen, der eine ein nafeweifer,
lansbübifher, Pleiner Rattenfänger, ein Gamin der Hundewelt, dem man
anfiebt, er läßt Niemand und Nichts in Rube, Fläfft und zanft mit aller
= A, Alam
$ranz Starbina, Erinnerung an Capri, Aus dem Malerleben im Hotel Pagano.
tduern eigen ift; die an-
dere, eben erft fi büdend,
um recht ins volle Jeug
3u geben, die dritte aber
im erften Benuffe tragifch
unterbroden, denn die
Bauernfamilie bat das
Ungeheure diefes Ein-
bruds bemerft; binderin-
gende Weiber, fhreiende
Rinder find auf dem Al-
tan des naben Bauern-
baufes fidtbar, der Mann
ift herbeigeftürzt und reißt
dem lüfternen Thier mit
grober Fauft den Ropf
am Horn zurüd. Diefes
fendet einen wehmüthigen
Blid zum Himmel, wab-
tend ibm das eben ab-
gerupfte Roblblatt aus
dem Maul hängt; Alles
predigt bier: beftrafte
Vafdbaftigteit, oder: be-
lehrte mangelhafte Rennt-
nif des Privateigen-
thums, oder: ,,tlidt an
die Güter hänge dein
Herz, die das Leben ver-
gängli zieren; wer be-
fit, der lerne verlieren,
wer im @Blüd ift, der
lerne den Schmerz! Was
aber freilidh aud wieder
der Bauernfamilie gilt,
der ibe Roblgarten fo
widtig ift, wie ein Ab-
folutes, Unendlides, fo
daß hingegen die Rübe
in ibrem Rechte find, die
ibn als ein Endlices be-
handeln. Es haben man-
he andere Rünftler folhe
Einfälle gehabt, aber man
muß Roller's Liebe, Beift,
Fleiß, volle Leibbaftig-
feit in der Ausführung
feben. Bei idpllifcher
Zufammenftellung des Thieres mit dem Menfden wird der Maler im richtigen
Sinne gemüthlih wirken, wenn er uns am die Worte der Sennerin im „Der-
fpreden binterm Herd‘ zu erinnern weiß, die auf die Frage des Heren nadh
dem Befinden des Diebe erwidert: „Mer fein gottlob Alle g'fund."
Warum wir bei Gelegenbeit des Roller- Jubiläums den alten Difher fo
ausführlih zitirt haben? Weil wir zu Nut und frommen der Rünftler und
Runftfreunde einmal an einem Flafjifchen Beifpiel zeigen wollten, wie Runft-
fritif duch Aunftbetrahtung zu erjeren ift. Aus folhen Ausführungen lernt
man dem Willen des Riinftlers nadgeben, ftatt ohne tednifhe Dorfenntniffe
an feinem Rönnen herumzunörgeln. Einem durch folhe Vorfchule gebildeten
Publifum fann man getroft das endgiltige Urtheil überlaffen.
Othmar Briek
: t
Deutfhe Runft.
331
Die Renaiffance-Ausftelung im Wademiegebaude zu Berlin.
ah geheimem Wählen, ftrengem Sidten und rührigem Schaffen,
wobei die einzige Rihtfhnur das afthetifhe Gewiffen gab, ift die
Berliner Kunftgefhichtlihe Befellfhaft wieder einmal mit einer
Ausftellung an die Oeffentlihteit getreten, um nad dem Dorbilde des Londoner
Burlington Fine-Arts Club das Qntereffe fiir alte Runft zu weten und
ihre Renntniß zu fördern. Nachdem fie die niederländifhe Runft des 17. Jahr-
bunderts im Jahre 1890 und das Rococo 1892 durd ein emfiges und ge-
fcdidtes Zufammentragen
aller möglihen Runftge-
genftände aus dem Pri-
vatbefig in gefhmad-
vollen Enfembles mit dem
fulturellen Zeitharakter
hat wieder aufleben laffen,
erftebt in diefem Jahre
das Mittelalter und das
Heitalter der Renaiffance
in der blendenden Pradt
feines Aunftlebens und
reift zu neuer Bewunde-
tung bin, Gn ungetiiib-
tem Benießen ergeht fid
das Auge mit Bebagen
und erfreut fih, allen
Tagesftreitereien entrüdt,
der abgellärten Schönheit
einer großen Dergangen-
heit. Zu ihr aufzufteigen
aus der Arena der Pole-
mif, wie fie unfer moder-
nes Runftleben fennzeih-
net, tft dem Befucer der
Afasemte in fo reidem
Mafe vergönnt, daß er
fih verfegt wähnt in
einen jener Renciflance-
paläfte, die eine alles
adelnde Runft mit ver-
fhwenderifher Pradt
und fülle ausftattete.
Der ermiidende Mufeums-
eindruck iſt durchaus ver-
mieden; nidts Unorgani=
fhes, Unharmonifhes
ftört hier; feine Diffonanz
reit uns aus -unferer
Stimmung; Einheit
herrſcht überall, alles ftebt
in einem großen, micht
pedantifd ſchematiſchen
Sufammenbang. Wenn
Rihard Wagner über die
beziehungsloſe, unzuſam⸗
menhängende und ent—
ſtellende Uebereinander⸗
fhihtung in einem Bilderſpeicher ſpöttelt, ſo hat er leider ein Redt
dazu; denn unſere Muſeen ſind nun einmal mehr Belegſammlungen für
wiſſenſchaftliche Forſchung als Heimſtätten für die Kunſt. Solche Aus-
ſtellungen aber, wie fie die Kunſtgeſchichtliche Geſellſchaft veranſtaltet,
follten dazu ermuthigen, im Arrangement unferer Runftfammlungen wenig-
ftens bier und da einmal einen Bruh mit dem herfömmlihen Spftem
zu Nut und frommen der Runft und dabei feineswegs zum Schaden der
Wiffenfhaft zu wagen. Rann fie fic) nur beihätigen an den Mumien der
Vergangenheit? Hält ihr das Leben niht Stand? Hier fönnen wirs einmal
paden, zurüdgerufen aus der Fludt der Jahrhunderte und feftgehalten in
teifer Blüthe. Was bisher ein todter Begriff war, das Wort Renaiffance, bier
wird es lebendige Erfahrung, Erlebnii. Gemälde, Skulpturen, Möbel,
Teppide, Gobelins, Truben, Randelaber und Gefäße vereinigen fh zu
Stanz Sfarbina, Arbeiter Typus.
ftimmungsvollen Enfembles und bilden ganz von felbft Jnterieurs, durdwebt
von einem ariftofratifhen Duft, befeelt von dem feinen Befhmad mittel-
alterliden Patrizierthums. Das ift die intime Wirkung, der poetifhe Haud
von Runftwerfen an dem Orte, fiir den fie der alte Meifter gearbeitet hat,
der noch feine Ehre darin fudte, mit feinem Namen in einem Mufeum zu
glänzen, unter Preisgabe jener gemüthlihen Reize feiner Runft.
Wenn aud die Sale der Akademie niht ganz Wohngemäder bdarftellen
fénnen, fo laffen fie dod
duch ein feinfinniges
Arrangement der Aus-
flellungsgegenftande,
durd eine Dereinigung
aller fiinftlerifden und
funftgewerblihen Arbei-
ten, als friidte eines
Runfttriebes, den Sinn
der Zeit in gefällige Er-
fheinung treten. «Ein
wobhlthuender, ruhiger
Eindrud ift namentlid
dadurch erzielt, daß die
Wände mit einem tief-
tothen Stoff befpannt
find, der für Bilder und
Stulpturen den günftig-
ften Hintergrund abgiebt.
An der Spike der
Ausfteller, die in einer
Gefammtzahl von über
50 zum Theilganz hervor-
tragende, feltene Schäße
aus ihrem Privatbefit
bergeliehen haben, ftebt
der Raifer. Bleih neben
tem Eingang in den
Ubrenfaal fallen in einer
Vitrine zwei foftbare
Rleinode aus faiferlidem
Bek auf: ein reih ge-
budelter, bier und da
mit Perlen verzierter
Dianapofal aus der
Werkftatt des Nürnber-
gers Klaus Peboldt und
ein Raiferbedher von
Wenzel Gamniger (1508
bis 1588), von dem der
Dafart Yiirnbergs Jo-
bann Yenddrffer in feinen
wladridten von Nürn-
berger Rünftlern und
Werflenten (1547) fagt:
„Was er von Thierlein,
Würmlein, Rräutern und
Schneden von felber goß,
um die filbernen Befäße damit zu zieren, das ift vorhin niht crhöret worden."
Ein Lob aus dem Munde eines Zeitgenoffen, das unfer Aaiferbeder vollauf
beftätigt. Auf dem Dedel des Pofals ftehen Marimilian II. und der Pfalz-
graf Philipp Ludwig von Neuburg, die Bijhöfe von Bamberg, Salzburg und
Würzburg. Den Relcy felbft fchmüden vier cmailtirte Stadtewappen, und am fuĝ
ind allegorifhe Figuren angebracht. Weitere Runfifhätze, die der Raifer geliehen
bat, find die energifch und breit ausgeführte Bronzebüfte des Papftes Sirtus V.
in reich verzierter Cafula; zwei bronzene Raminböde, Herkules und Ompbale (?)
auf Sodeln mit Dradenleibern; das Profilbildnif eines bartlofen, jungen
Mannes von Bernardino de Conti; die Boldwägerin von Barend van
Orley (?), nach deffen Kartons auh die herrlihen alten flandrifhen Arazzi, vier
Darftellungen nad den Triumphen des Petrarca, gewirkt find. Sie befleiden
drei Wände des Treppenhaufes und die eine Wand des langen Saales
332
Deutfhe Runft.
Dom Raifer find ferner nod: das Bruftbild eines jungen Maddhens von
Hans Müclid, zwei männlide Bildniffe von Barthel Bruyn, den man
bier zum erften Wale in einer Beinen Rolleftion vollftändig tennen
lernen Bann, ein Lutger tom Ring, ein weiblidhes Bildnif von Lufas Cranadh
dem Aelteren und von Lulas Cranadh dem Jüngeren das Portrait
soadime II., Aurfürften von Brandenburg, dann ein vorzüglihes Bildnif
Eitel Friedrihs, Grafen von Zollern, von Hans Leonhard Schäufelein's
Meifterhand. Die Mutter des Raifers hat drei werthvolle Zinngefäße bei-
geftenert, unter denen bejonders auffällt eine Temperantia-Schüfjel mit Ranne
von Meifter françois Briot (um 1580 in Montbeliard und fpäter In Befangon),
an deffen Namen fih die hervorragendften Leiftungen auf diefem Gebiete
tniipfen. Zwifhen dem Raiferfelhe Jamniger'’s und Pegoldt's Dianapofal
enthält die Ditrine im Ubrenfaal nod den reid) mit farbigen Steinen ge-
fhmüdten Abendmabhlsfelh der Nikolaifirhe, den laut Jnferift der Broße
Rurfürft im Jahre 1642 der Kirche überwiefen hat. Sonft enthält der Ubren-
faal noh eine Anzahl vortreffliher Bilder wie das ausgezeichnete Porträt
eines Profurators von Jacopo Tintoretto; eine Madonna von Moretto; eine
Speztalausftellung des Porträtmeifters Antonis Mor, von der das befte
Stüd dem Fürften Llihnowəly gehört; ein Selbftbildnig Baflano's; einen
Chriftus am Kreuz von Jan van Eyt und eine dem Tizian zugefchriebene
Derlobung der heiligen Ratharina (Befigerin frau Johanna Reimer).
Hwifchen diefen werthvollen Bildern find die feltenen Bronzen der
Pourtales-Sammlung mit Befhmad vertheilt, von denen als das foftbarfte
Stüd wohl der vielfah für eine antife Arbeit gehaltene Kopf eines jungen
Sklaven mit eingefegten Perlmutteraugen gelten darf.
Während fo im Ubrenfaale vorzüglihe Reprafentationsftiide aus ver-
fhiedenen Sammlungen zu einem prädtigen Rulturbilde vereinigt find, find
in den Rorridoren den einzelnen Gammlern Gonderfabinete eingeräumt.
Ein Glanzpunft der Ausftellung ift das Rabinet Raufmann, in dem die
niederlänsifhe und deutfhe Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts durd ganz
vorzüglihe Arbeiten von Gerhard David, Lucas van Leyden, Patinier, Rogter
van der Weyden, Griinwald, Stefan Lodner und dem Meifter des Todes
der Maria vertreten ift. Das Rabinet Bederath enthält in vornehmer Aus-
wahl Handzeihnungen und Reliefs des italienifhen Quattrocento, unter denen
fh Originale von Paolo Deronefe, Botticelli und Luca Signorelli befinden.
Herrn Games Simon, defen Zimmer eine iiberreihe Sammlung von
Bronzeftatuetten, Plafetten und Medaillons enthält, darf man befonders
beneiden um das lieblidhe Madonnenbild von Raffaélino del Garbo, ein
Rnabenporträt von Angelo Bronzino, einen hervorragenden Barthel Bruyn
und eine Madonna von Mantegna. Ein ganz befonders jhönes plaftifhes
Runftwerf, das in jeder modernen Runftausftellung Aufjehen erregen dürfte,
ift der lefende heilige Bernhardin von Niccolo dell Arca.
€s würde zu weit führen, nod mehr der Shäke aufzuzählen, die bier
aus Privatbefig zufammengetragen und 3u einer vornehmen Ausftellung ver-
einigt find. Al die alten Runftwerfe, and die älteften Bilder, werden einem
in folder Umgebung erft recht lebendig, und verlieren in einem Milieu, für
das fie eigentlich gefhaffen find, als Beftandtheile eines häuslihen Lebens
ihre fonftige Bezwungenheit, und mandes Alterthiimlide, das anderen Ortes
befremden wiirde, erfdeint uns im Rahmen feiner Zeit nur natürlid. Was
die reibenweife Aufjpeiherung von Aunftgegenftänden in unferen Mufeen
faum auffommen läßt, wird uns bier offenbar: das Bewußtfein von den
Schaffensbedingungen jener Meifter einer großen Zeit, das sod) die Grund-
bedingung wahren DVerftändniffes und geredhter Würdigung, fowie hohen
äfthetifhen Benuffes ift.
Die Ansftellung der Runftgefhichtlihen Befellfhaft, für die man den
Deranftaltern und Arrangeuren fowohl, wie allen denen, die fih einem edlen
Swede zu Liebe auf einige Zeit von den foftbaren Schäßen ihrer Samm-
lungen trennen fonnten, nit genug Dank wiffen fann, ift, um ihren wiffen-
fhaftlihen, künftlerifhen und erzieherifhen Werth in bündigfter form zu-
fammenzufaffen, eine Renaiffance der Renaiffance.
+
=$
Foisca py.
— —
Franz Sfarbina, Strand⸗Studien.
Deutfde Rung.
Dom Deutfchen Kunftverein.
Wir haben fhon mehrfah Gelegenheit genommen, auf die riibrige
Thatigheit dea Deutfhen Runftvereins in Berlin: hinguweifen, der in
ridtiger Erfenntni§ feiner Ziele durh Vorführung alter Runft 3u belehren, durch
Förderung modernen Schaffens anzuregen fuht. Die mit Unterftiigung der
Runftverwaltung als Dereinsgabe zweier auf einander folgender Jahre aus-
gegebenen Stihe nah van Eyd's „Muflzirenden Engeln" von Krüger
haben wir feiner Zeit hervorgehoben und reproduzirt, wie wir denn aud er-
wäbhnten, daß je 50 Exemplare Dorzugsdrude der Stihe auf unbefchnittenem
Sapanpapier von Umsler & Ruthardt, Berlin Fäuflih zu erwerben find.
Wie febr das Gntereffe an diefer-Publifation rege bleibt, beweift der Um-
ftand, daß diefe Auflage beinahe vergriffen ift.
Anzwifchen hat die Aunfthandlung von Keller & Reiner, Berlin von dem
Dorftande des Deutfhen KAunftvereins den Auftrag erhalten, zu den Stiden
eine fiinftlerifde Cinrabmung berzuftellen. Die nunmehr vollendete Arbeit
it eine glänzende Löfung der geftellten Aufgabe. Die als Diptyhon ge-
dachte Umrahmung zeigt eine reizvolle Mifhung gothifirender Renaiffance-
formen. Ein leihtes Ronfol im Spitbogenftil bildet einen gefälligen unteren
Abſchluß, während die Belrönung einen gedrüdten Tudorbogen mit durd-
brodenem Ranfenwerk darftellt und in einen Pinienapfel auslauft. Ceitlid
einfad profilict werden die Bildflähen von einem Stuhtgewinde im
Renaiffanceftil umrahmt und durch eine jonifirende Säule getrennt, deren Bafis
fid in den unteren Rand einfügt, während das Kapitäl die Bekrönung fügt.
Das Ganze maht einen überaus gefälfigen Eindrud und zeigt einen im
modernen Sinne ausgeführten Mifchftil, der fih jeder Zimmereinrihtung
barmonifd einfügt. Der Rahmen wird zum Preife von 140 Mark nur an
Mitglieder des Deutfdien Runftvereins abgegeben.
Die Stellung folder Aufgaben an das deutfhe Runftgewerbe ift durd-
aus empfehlenswerib und follte anregend für andere Runfivereine wirken,
deren Thatigheit Nh darauf befhränft, aus minderwerthigen Lofalausftellungen
minderwerthige Bilder für Derloofungen anzufaufen, deren Gewinne eben fo
wenig freude bereiten, wie die billigft bergeftellten Nietenblätter.
Jüngft verfteigerte Kunftfammlungen.
on legter Zeit find in verfhiedenen Orten gewählte, ja zum Theil ganz
bedeutende Runftjammlungen unter den Hammer gefommen und unter lebhafter
Betheiligung verfteigert worden.
Ein über Erwarten günftiges Ergebnif hatte die Derfteigerung der
Runft- und Waffenfammlung aus dem Nadlaffe des Ronfuls Rarl Beder
3u frankfurt a. M. und f. R. v. Berthold zu Drezden durd die firma
5. M. Heberle (H. Lempert u. Söhne) in Köln. Den hödften Preis er=
zielte ein 120 X 500 großer Wandteppih aus dem 15. Jahrhundert mit
Darftellungen aus der Leidensgefhihte Chrifti, nämlih 17200 M. Ein febr
fhönes, mit Miniaturen und Gnitialen gefhmüdtes, handferiftlid auf
176 Pergamentblättern bergeftelltes Bebetbuh aus der Mitte des 15. Jabr-
bunderts wurde mit J590 M bezahlt; ein Iateinifhes aus derfelben Zeit fam
auf 3250 M.; eim anderes, ein livre d’heures, das aus der Sammlung
des Herzogs von Hamilton ftammt, wurde für 5250 M. erftanden. Ein
Humpen aus dem 16. Gubrhundert, gravirt mit den Thaten des Herkules nad
5. S. Beham und mit einer Statuette des bl. Martinus, der feinen
Mantel verfchentt, gefhmüdt, wurde für 3425 M. und ein Tafelzierftüd in
Form eines Schiffes aus dem Fabre 1609 für 5700 M. losgefhlagen. Das
Gefammtergebniß betrug 366 000 M., von denen 265 000 M. allein auf die
Sammlung Beder entfallen.
Unter einem weit größeren Andrange von Käufern aus allen Theilen
Europas — die auffällige [hwahe Betheiligung der Amerifaner hat jedenfalls
der Krieg verfchuldet — ift in Antwerpen eine der bedentendften Privat-
Galerien Belgiens, des Mufeum Rums verfteigert worden. Um einem Theil
der Runftjhäge dem Lande zu erhalten, find von der belgifhen Regierung
300,000 Ft. für Erwerbungen bereitgeftellt worden, die nichts bedeuten gegen
die Mittel, welhe die Vertreter der Mufeen des Auslandes, befonders Eng-
lands, bereit hielten. Don einem Frankfurter Bilderhändler war den
Rums'fhen Erben für die ganze Bemäldefammlung die Summe von 1500000 fr.
geboten worden. Diefe fhlugen aber das Anerbieten rundweg aus und
miiffen fid) nun mit 1200000 fr. begnügen, die ihnen von dem Befammt-
ergebnif der beiden erften nur den Gemälden gewidmeten Auftionstagen nad
Abzug von ca. 100 000 fr. für Annoncen übrig geblieben find. Den bödften
Preis, nämlih 60 000 fr., erzielte von den alten Bildern das „Porträt
von Martin Pepyn von van Dyd, das vom Mufeum in Antwerpen
erworben wurde. Don modernen Bildern wurden losgefhlagen: eine Magd mit
Eimer von Millet fiir 68000 Fr. und ein Delacroig für S4000 fr. Der
Erlös des dritten und letzten Tages der Derfteigerung, der den funftgewerbliden
Begenftänden, wie Porzellanen, Bronzen, Tapiflerien, Möbeln 2c., gehörte, betrug
67700 fr., fo daß die gefammte Derfteigerung 1!/, Millionen Fr. ergeben bat.
Die Derfteigerung der Boldfhmidt'fhen Sammlung in Paris bradte
im Ganzen 798 904 fr. ein.
Unter den vielen bemerfenswerthen Stüden find hervorzuheben: lebens-
große Büfte des Marfchalls Trivulzio, Ende des XV. cder Anfang des XVI.
Jahrhunderte, Bronze, Caradoffo zugefchrieben, 27500; Büfte des Marfhalls
von Sadfen, angeblid von Pajou, Thonbrand, 14 800; Frauenbüfte,
italienifche Renaiffance, Bronze, 3700; Meine runde Schüffel, fayence mit
Metallglanz, Gubio, mit der Jahreszahl 1519, 4200; Wafferflafhe aus
Urbino 1655; Biifte Ludwig's XV., weife Lothringer Fayence, 1320; Rlein-
bild einer Dame auf Elfenbein, Ludwigs XVI., 2520; reihverzierter Humpen
aus Bergiryftall, italienijdh, 16. Jabrh., 2550; ein ähnliber Humpen 2650;
Stugubr, Ludwig XVI, Rind auf einem Riffen darftellend, Bronze nad
Pigalle, 34000; zwei Dafen aus morgenlandifdem rothen Porpbyr, Faffung in
vergoldeter Bronze, Ludwig XVI., 6700; Rronleudter Ludwig XIV., adtzebn
Flammen, Kupfer und Bergtryftall 6100. Andreas Ahenbad Seeftüd 6100,
Corot Jm Baumgang 43 500, Decamps Ralabrefifder Hirt 7500, Halalt
5500, Die Schludten bei Ollion 5550, Detaille Dertheidigung eines Schlofles
7200, Preufifcher Proviantzug 6000, Diaz de la Pena Waldlidtung 37 J00,
Dertraulides 4800, Gules Dupré Hohe See 22900, Gerdme Gruppe arabifder
Angeworbener in der Wiifte 11100, Biricault Löwe 5500, Leys Einweihung
einer Briide 10120, Millet Köhler 54000, Th. Rouffeau Bei Fontainebleau
46000, Der Weiher 57 500, Troyon Rüdfehr vom Markt 39 500, Abend 5700,
Jiem Abgang einer Raravane in Ronftantinopel 10400, Menzel Tie Nadt
(Zeihnung) 1000. Alte Bemälde: Die Befibneidung 7100, Breughel Ueber-
fluß 7500, Die Schäte- der Aunft und Wiljenfhaft 7500, Coques Junge
Mufiferin 3100, Cupp Junges bolländifhes Mädchen 10200, Flint Männ-
lides Bildnif 4200, Dan Boyen Sdhlittfdhublaufer 4100, Dan der Heyden
Holländifhe Landfhaft 11000, Hobbema Baumgang 51000, Hoppnec Bildnif
einer jungen frau 4200, Roffermannt Männlihes und weiblides Bildnif
5500 und 8500, Ronind Männlihes Bildnif 3600, Lukas von Leyden An-
betung der Könige 5100, Dan der Yleer Mondfhein-Landfhaft 4000, Dan
Oftade Gnneres eines Wirthshaufes 9500, Rubens und Sammet - Breughel
Pan und Sprint 9200, Ruysdael Landfhaft mit Dieh 8000, Davið Teniers
Frühftüt 6000 fr. Die Aunftgegenftände der Boldfhmist'fhen Sammlung
bradten 204 004 fr.
N
334
Berlin. — Die „Dereinigten Werkfftätten für Aunft im Hand-
werf", eine aus einer Dereinigung Münchener Rünftler zu Bunften eines
volfsthiimliden Runftgewerbes hervorgegangene Aktiengefellfhaft eröffnet jett
in der großen Runftausftellung eine neue Abtheilung. Gn vier von vier
Rünftlern, R. Riemerfhmidt, Shulge-Naumburg, Obrift und Paul
Bruno eingerichteten Räumen ftellt fie ihrem lobenswerthen Programm
gemäß Möbel und Beräthe aus, die bei einem billigen Preife auch äfthetifchen
Anfprühen genügen. Man fann folde Beftrebungen nur freudig begrüßen,
beweifen fie doch, daß ein wohlthuender Umfhwung der Lebensanfhauung zu
einer fünftlerifchen bevorfteht und der Standard of life des Voltes aud in
äfthetifcher Hinfiht auf ein höheres Niveau gebrauht werden wird.
Don den ausgeftellten Runftwerfen find in letter Zeit fhon eine an-
febnlide Anzahl verkauft worden.
Aud in der Runftgewerbe-Abtheilung hat der Derkauf einen regen Derlauf
genommen, namentlih die Nachfrage nah den Schmudfahen von Rothmüller-
Münden, Chéret, Dernier, CharpentiersParis und Hirzel-Berlin ift eine be-
fonders ftarte.
Trog folher Anzeihen einer regen Theilnahme von Seiten des Publitums
feinen die Befiger unferer Runftfalons die Ronlurrenz des Glaspalaftes doh
nicht zu befürhten. Da fle am beften wiffen müffen, wie weit fie mit dem
Runftintereffe unferer Berliner rechnen dürfen, fann man aus ihrem muthigen
Aushalten aud
während des Som-
mers auf eine Ju-
nahme deffelben
fliegen und daran
Erwartungen fniip-
fen, nad denen der
frifhe Zug imRunft-
leben der Reido-
bauptftadt das An-
zeihen ift, daß Ber-
lin nod als Runft-
ftadt neben München
gelten wird.
Weder Schulte
nod Gurlitt nod
Reller & Reiner
haben die Pforten
gefdloffen, ja fie
erfreuen fih trok
der Ronkurrenz der
Ausftellung am
Lehrter Bahnhof
fogar eines verhält-
nißmäßig lebhaften
Beſuches.
Bei Schulte
hat im großen Dor-
derfaale Hoff-
manne fallers-
leben, der Sohn
des Dichters, eine
Reihe von Land-
fhaften, von denen
das „Weitfälifche
Schloß“ am meiften
anfpridt. Des Ma-
lers Bildern it allen
der Jug ftiller Welt-
abgeſchiedenheit,
deren Poeſie er
ſtimmungsvoll zum
Ausdruck zu bringen
weiß, gemeinſam.
Die gegenüberlle—
gende Wand ſchmük⸗
ken Zeichnungen des
Rünſtlers zu Liedern
ſeines Vaters, die
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Dereinsgabe des deutfchen Kunftvereins.
Umrabmung von Reller & Reiner, Berlin.
Deutfhe Runft.
Originalunterfriften des Dichters iragen. Jn reizvollen fleinen Bilbdhen bat
der Sohn die fhlihte Poefie des Daters mit liebevollem Derftändnig nad-
empfunden.
Ein großes Dedengemälde, Bruno Piglhein's „Ftühlingserwahen‘,
erfreut das Auge duch feine zarten, lichten farben. Aufmerkfamteit erregt
das Bildnif des Gouverneurs von Berlin, Grafen von Wedel, von Hans
Romwnapfi, ein fleifig gearbeitetes Gemälde mit den Dorziigen und
Schwächen Roner'fher Portraittunft. Ein Damen - Portrait f. Rlein-
Chevalier's entbehrt leider etwas des Lebens in Mund- und Wangen-
partien. Don anderen Bildern brauht man nur die Namen der Rünftler zu
nennen, um einen Befud) des Schulte'fchen Runftfalons wirffam zu empfehlen :
da finden fih Bilder der Gebrüder Ahenbad, ein Diez, ein Lieber-
mann (Jn Radwijf), ein Gabriel Maz, ein Menzel, ein Stud (Rämpfende
faune), eine „Ruhe auf der Fiudt von Uhde, ein Salinas und ein Ge-
mälde „Venedig‘ von Jiem.
Bei frig Burlitt tönnen wir uns in erdenflüchtige farbenträume
Ludwig von Hofmann's verfenfen, die man eben felbft auf ih muß wirken
laffen wie Muff; fie lafen h niht befhreiben. Aus feiner „Vertreibung
aus dem Paradiefe” fpricht eine feine, empfindfame Seele, teine romantifhe
Reflerion beeinträchtigt die tiefe Empfindung.
Muthet Hofmann gegenüber ein älteres Wert Anfelm Feuerbad's
‚ Bartengefellfhaft‘
koloriſtiſch auch et⸗
was niidtern an,
fo it es dafür
klaſſiſch vornehm in
der Zelchnung. Wir
müſſen bei einer
richtigen Beurthei⸗
lung des fener-
bad'fhen Wertes
Zeltumftände neben
rein perfönlichen
Neigungen mit gel-
ten laffen und dür-
fen wohl behaupten,
daß wer zeichnet
wie fenerbad, nicht
malen fann wie
Hofmann.
WilbelmLeibl
erfreut in einigen
Studienfdpfen
durch feinen ge-
mäßigten Realis-
mus, der an die
fhlihte Ehrlichkeit
und liebevolle Dar-
ftellungsweife alter,
deutfcher Meifter ge-
mahnt.
Sein wacerer
Schüler Linde fhil-
dert in feinen
„Raffeefhweitern‘*
mit Humor die
Poefle des Philifter-
thums.
wait Bruno An-
dreas Liljefors,
der geniale norwe-
giſche Impreſſioniſt,
erquickt auf ſeinen
Jagdbildern wie
immer durd eigen-
artige farbenfrifche.
E Die ftimmungs-
volle Landfhaft
Charles Welti's
‚ Aufder Lauer‘ mit
J
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athiti u
einem gegen eine mittelalterlide Stadt in fabler Morgendimmerung heran-
ziehenden Heere bedürfte der Staffage des auslugenden Todes gar nicht, um
düfteres Ahnen zu merken. Wenn aud auf feinem zweiten Bilde die heilige
Familie ruhig wegbleiben fönnte, ohne daG der feingeftimmten Herbftland-
[haft Eintrag gefhähe, fo empfinden wir fle dod) feineswegs als leere
Staffage oder als ein ftörendes, erzählendes Moment, fondern vielmehr als
Ausdrud fhlihter, deutfcher Sinnigfeit. Sehr modern, faft zu modern muthen
an Wilh. Jordan und R. Holled - Weitbmann.
Aud ein Befud der Runftbandlung von Reller & Reiner ift lohnend.
Eine Rollektivansftellung von Radirungen, Zeichnungen, Aqusrellen u. f. w.
von dem jungen Öfterreihifhen Riinftler Walter Ziegler bietet niht nur
einen fünftlerifhen Genuß, fondern belehrt auch durd eigens deshalb in ver-
fchiedenen Arten der Technik hergeflellte Platten den Laien über das Ent-
fteben eines graphifhen Runftwerkes.
Münden, — Am 7. Juni wurde durh den Prinzen Ruppredt die
Ausftellung reproduzirender Rünfte in den Raim-Galen feierlich eröffnet.
Ste führt fämmtlihe Techniken der reprodnzirenden Aunft vor Augen, die ja
gerade bei uns durch die Neuerungen und unermüdliche Derbefferung namhafter
Anftalten, wie Zof. Albert, Dr. Albert & Co., Meifenbadh, Riffarth & Co.,
J. 8. Obernetter 2c. 2c., einen fo erfreulihen und viel verheifenden Auf-
fhwung genommen hat. Die reproduzirende Runft, durch die Leiftungen
bedeutender Rünftler Allgemeingut des Volkes geworden, ift ein Hauptfattor
in der allgemeinen Befhmadsbildung und verdient es wohl, dağ ibre hohe
Bedeutung in einer Sonderausftellung veranfhaulidt wird.
Man fann wohl fagen, daß diefe ihren Zwed, im möglihft guten
Eremplaren die Befhichte der Cednif der graphifchen Rünfte darzuftellen, voll-
ftändig erfüllt.
Don dem älteften uns erbaltenen Holzfdnitte an, dem bl. Chriftophorus
von Burheim, der von 1423 datirt, bis auf vorzüglihe Arbeiten der heutigen
Reproduftionsfunft in ihren neueften Verfahren enthält die WAusftellung ein
teides und anfhaulides Material, 3u dem das Miindener Rupferftidfabinet
mit großer Liberalität eine Anzahl älterer und ältefter Drude zur Verfügung
geftellt bat.
Die Ausftellungen des Derbandes Münchener Rünftler fohließen für
den Turnus 1897/1898 im Juni diefes Jahres. Eine am 20. Maj
abgebaltene Beneralverfammlung gab den verfammelten Mitgliedern einen
tiaren MUeberblid über die Thatigfeit des Dorftandes, dem zufolge in
12 Städten etwa 180 Runflwerfe im Verlaufe der beiden gleichzeitigen Turnus-
ausftellungen zur Ausftellung gelangten. DVierzig Werke wurden davon ver-
kauft. Der Kaffeberiht wies, tro erhöhter Ausgaben für die Ziele des
Derbandes, einen erfrenlihen Zumadhs des Stammkapitals nad, fodaß damit
allen weiteren, den Gntereffen der Derbandsmitglieder dienenden gejhäftlichen
Deranftaltungen die fihere Bafis zu Erfolg verfprehender Durchführung ge-
währleiftet if. Das Prinzip der „feiten Preife‘‘, welches überall zuftimmend
begrüßt wurde, fab fidh gefährdet durch einen Antrag auf Abfhaffung diefer
Beftinmung. Eine hierfür eigens einberufene Generaloerfammlung des Ver-
bandes lehnte jedoh diefen Antrag mit erdrüdender Majorität ab und ent.
fhied fih für ferneres Fefthalten an den künftlerifh vornehmen und den
Mündener Verband vor allen Ausftellungsunternehmungen vortheilhaft aue-
zeihnenden Prinzip mäßiger, aber durhaus fefter Preife beim Derfaufe der
ansgeftellten Runftwerfe. Der Ausftellerverband Mündener Riinftler tann,
wenn aud) manderlei Erfahrungen und Gefährdungen feiner feitherigen Ent-
widelung nit erfpart geblieben find, dodh auf die Zeit feines Beftebens und
der bisherigen Thätigkeit mit Benugthuung zurüdbliten. Die feinen, ftets gut
arrangirten Ausftellungen Mündener Runft fanden ungetbeilten Beifall. Fn
der verhältnigmäßig furzen Feit der Derbandswirkjamkeit ift ein Verkaufg-
tefultat im Betrage von 70 000 —80 000 Mark erzielt worden, foda aud
der materielle Erfolg nicht ausgeblieben ift. Der neue Turnus beginnt im
Herbft diefes Jahres. Die Vereinbarungen mit den fiinftigen Ausftellungs-
Orten ind getroffen und werden den Mitgliedern des Verbandes in Balde
befunnt gegeben. Man darf hoffen, daß abermals eine rege und fünftlerijch
hodftebende Betheiligung der Ausfteller die kommende Saifon zu einer
überall willfommenen Aufnahme diefer Münchener Ausftellungspereinigung
geftalten möge.
Nürnberg. — Das Bermanifhe National-Mufeum bat eine hodft
foftbare Erwerbung zu verzeichnen, einen altgermanifchen Boldihmud. Das
Hauptftüd ift eine fibel von betraidtliher Grdfe in Geftalt eines Ad!ere, der
fh ein Obrgehänge und zwei Anhänger einer Halskette anreihen. Die
Deutfde Runf.
335
famtliden fdhwer in Gold ausgeführten Stüde find auf das reichfte mit
Almandinen befegt.. Der Shmud ftammt aus Ravenna, der fagenummobenen
Stadt des gewaltigen Dietrih von Bern, und da er mit den wenigen ere
haltenen oftgothifhen Stüden auffallend übereinftimmt, fo ift es hödft-
wabhrfcheinlid, daß er einft einen der Reten des großen Theoderih oder gar
einen der Herrfcher diefes Dolfes felbft geziert hat. Die prächtige Adlerfibel
ift ein außerordentlich feltenes Stüd, das im Bermanifhen Mufeum eine der
glänzendften Perioden unferer älteften Befhidhte würdig repräfentirt: die
Epode jenes Heldengefhledts der Oftgothen, das in dem vieljährigen Aampr
um Rom nad großen Siegen einen ebrenvollen Untergang gefunden hat.
Dresden. — Jm Ernft Arnold'jhen Aunftfalon (Wilsdrufferfte.), der
duch feine neuerdings duch eine ftattlihe Anzahl von Platindruden nad
Gemälden ergänzte Burne - Jones - Ausftellung nod immer eine ftarfe An-
ziehungsfraft befitt, werden jest Bemälde von Hans Thoma, frig von
Ubde, Dagnan-Bonveret und Alma Tadema ausgeftellt. Die
Tiffany - Bläfer wirken in neuer Aufitellnng jetzt no bedeutend anziehender
als vordem.
on Emil Ridtec’s Runfifalon im Europäifhen Hofe find zu den
Rolleftivausftellungen von franz Stud und Ridard Miiller- Dresden,
deren Termin auf Wunfh um einige Tage verlängert ift, als Neuheiten þin-
zugefommen Miniaturen, Oelgemdlde 2c. von Hedda Stoffregen, die
erft fiirzli in Paris die mention honorable erhalten hat, ferner
folgende Bemälde: frig Auguft Aaulbadh - Münden „Damenbildnie",
H. Leitner- Hamburg „Auf hoher See", Brabriel Mar - Münden „Studien-
fopf und Walter Sterl- Dresden, „Straße in Hamburg." Die graphifche
Abtheilung enthält Originalradirungen und Blätter nad Rembrandt 2c. von
Carl Roepping.
Leipzig. — Daß in Leipzig ale der Zentrale des Buchhandels und
des Bucdgewerbes der reproduzirenden Runft befonderes Gntereffe ent-
Gegengebradt wird, ift zu felbftverftandlid, um befonders hervorgehoben 3u
werden. Leipzig ift der Ort, von dem fic) aud eine iiberfidtlide Spezial-
ausftellung von Hol3fdnitten am eften erwarten ließ, weil dort eine folde
am leihteften zu erzielen tft. Die Holzfhnittausftellung, die in der Föniglichen
Afademie veranftaltet it, zählt weit über 500 Handabzüge von Aunftkolz-
fhnitten auf japanifhem und cinefifhem Papier. Ein vollftändiges Bild
von der Entwidelung des deutfhen Holzfehnittes giebt fie aber noch nicht, da
der Originalholsfhnitt und die Budilluftration nicht genügend vertreten find.
Dielleiht wird das hddft danfenswerthe Unternehmen nody einmal umfaflender
und 3ugleid) als retrofpeftive Aueftellung wiederholt, einftweilen hat es fi
damit begnügt, über den heutigen Stand des Holsfdnittes als Reproduftion
von Gemälden und Glluftration größerer Zeitfcriften zu belehren. Die
„Leipziger Glluftrirte Zeitung‘ mit ihren trefflihen Wiedergaben Bödlin'fcher
Gemälde und vieler Bilder anderer moderner Maler und die „fliegenden
Blätter‘ mit ihren Meifterwerfen der Holzfhneidefunft marfchiren unbedingt
an der Spike. Pradtftüde des Farbenholzfhnittes voller Leben find die
Arbeiten des Wieners Paar, gegen die andere Leiftungen auf diefem heute
por dem Halbduntelfanitt fo bevorzugten Gebiete ftar? abfallen.
Hu gleiher Zeit bat die Aunfthandlung P. H. Beyer & Sohn im
Runfverein neben einigen Aquarellen eine Ausftellung von Radirungen und
Lithographien ausländifher Rünftler veranftaltet. Yiamentlih unter den
Arbeiten der Parifer Steinzeichner finden Ah febr intereffante, eigenartige
Blätter, Lithographien von Beggarftorff, Berdmans, de Faure, Lunols,
Moreau-Meélaton, H. Paul und dem Meifter der Affide, Steinlen.
Zrankfurt a. M. — Die am 28. Mai im Runftgewerbe-Mujeum er-
öffnete Sonderaueftellung von Rünftler-Lithographien und Plafaten deutfcher,
öfterreihifher, franzöfifcher, englifcher, holländifher und fpanifher Riinftler
giebt einen interefjanten Ueberblid über den gegenwärtigen Stand des Stein-
drudverfahrene, das neuerdings in der Rünftlerwelt wieder zu Ehren gelangt
ift, nahdem die Lithographie mad ihrer Blütezeit in den Jahren 1830—60
fünftlerifh ftar? vernadlafjigt worden war. Schon Rünftlernamen, wie
Thoma, ©. Lührig, R. Mediz, B. Müller, Rothenftein, Storm
van Gravefande, J. Deth, €. Orlift, Whiftler, W. Crane, C. 5.
Shannon, D. Baireres, Chérét, Carriere, Hellen, Lautrec,
Lunois und Steinlen bieten für die Güte der ausgeftellten Arbeiten
Gewähr.
Die franzöfifhe Abtheilung interefirt überdies noh durh eine Auswahl
pradtiger Glafer von Daum frères u. Co., Nancy.
336
Deutfhe Runft.
Ein frifther Jug webt durd unfere Runftfalons, die idh dur anfehnliche
Ausftellungen gegenfeitig überbieten. Bel Bangel intereffirt der zum großen
Theil fjhon verkaufte Nadhlaf W. von Raulbad's aus dem Raulbad-
mufeum in Münden, fowie Sımmelausftellungen von Werken von Stein-
haufen und Cinderum.
In Schneider's Runftfalon haben fih drei berühmte Meifter ein Stell-
didein gegeben. Thoma mit feinem „Hüter des Thales, Triibner mit
Landfhaften, auf denen er die Weltenlegenheit einfamer Häufer und dunkler
Waldesgründe ftimmungsvoll fhildert, und Klinger mit einer großen Jahl
geift- und Eraftvoller Radirungen.
Sm Salon Hermes debutirt der Bödlinfhüler 5. Rüdisühli, im
Runftverein aber herrfcht der Berliner Marinemaler Hans Bobhrdt.
Stuttgart. — Der Aunftverein beherbergt einen nahmbhaften Gaff.
Gafton Guignard, einen Mitbegründer der Parifer Sezefjion. Man
fann nicht grade fagen, daß aus feinen 56 Arbeiten eine bejonders auf-
fällige Jndividnalität fpräde; die größeren Bilder find allgemein tüchtige
Leiftungen, die weder in den Motiven nod in der Behandlung einen perfön-
lihen Reiz enthalten; weit intereffanter, ja von größter malerifher Feinheit
find die Feineren Sadhen, wie „die Gnfel Marguerite bei Cannes",
„Morgennebel" und das virtuos gemalte Bilddhen ,,Waldesrand".
Gefallige Arbeiten find die Originalzeidnungen des
Sri Reif.
Jm Landesgewerbemufeum waren vor Rurzem Skulpturen kirchlicher
Runft von Gebh. Müller in Saalgau auegeftellt, die fiir den Hodaltar
der Stadtpfarcfirhe in fort Smith, Staat Arkanfas in Nordamerika,
beftimmt find. Befonders intereffant an den Holzfiguren war, daß die Spuren
der Schnik- nnd Meißelarbeit noch niht durd Rafpel und Glaspapier befeitigt
waren, jo daß die Technik der Holzbildhauerei nod In ihrer Urfpriinglidfeit
zur Geltung fam.
Illuſtrators
Breslau. — Daß das Hand in hand gehen eines Kunſtvereins mit
einer gedlegenen Runſthandlung nicht nur vortheilhaft iſt für den Abſatz von
Bildern, ſondern auf der anderen Seite unter der günſtigen Mitherrſchaft rein
künſtleriſcher Geſichtspunkte auch den Geſchmack zu bilden und Jntereſſe und
Verſtändniß für das Schöne zu wecken vermag, haben die Ausſtellungen bei
Lichtenberg ſchon zur Genüge bewieſen. Sie werden dank ihrer er—
zieherifhen Erfolge aud während der Sommerfaifon ihre Zugkraft nit ganz
verlieren, wenn fhon die fhöne Aunft in e.ner verminderten Antheilnahme des
Publifuns die Ronkurrenz der blühenden Natur verfpüren dürfıe. Trokdem
bietet die Ausftellung bei Lihtenberg ein reiches Material von Runftwerfen:
Landfhaften von Salgmann, Ludwig Willroider, €. Müller
Rurzwelly und ©. Günther- Naumburg, ein Hiftoriendild von
%. Scheurenberg und etwas langweilige „Defpernde Fifer von C. Rb dhe
ling. Das Befte der Ausftellung find zwei Fleine feine Handzeihnungen
Adolf Menzel’s und ein in Paftell ffizzirtes Portrait Bismard's von
franz von Lenbadh. Mit Mengzel's und Lenbach's treffliben Arbeiten find
für den armen Lazarus einmal ein paar Lederbifjen von des Reihen Tijche
gefallen. Hoffentlih wird fein Appetit nad mehr redt bald geftillt.
Damburg. — Der Runftverein plant für das Jahr 1899 eine Elite-
AUusftellung von befonders ausgewählten Werken erfter Rünftler, die in den
Salen der Runfthalle ftattfinden und vom 1. März bis 15. April 1899 dauern
foll. Die Aueftellungsprogramme und Formulare werden im Herbfte d. J.
zur Derfendung tommen.
gn dem Raiferfaal der Runfthalle, in dem man nun endlid aud einem
Bödlin die Stätte bereitet hat, haben drei wadere Meifter neuerdings ihren
Einzug gebalten, der Panteift it der Maler, Ser Ferndeutfche, fhlihte Hans
Thoma mit drei Bildern: „Sonntagsfrieden", „QTaunuslandfhaft" und
„Doppelportrait des Rünftlers und feiner frau“, der Poet der Alpen Gio-
vanni Segantini mit feinem tiefernften, ftimmungsvollen „Blaubenstroft‘
und der Meifter nordifcher Landfchaften, der Norweger Hans Gude.
Der Runftjalon M. Stettenbeim bat feine neuen Lofalitaten am Aljter-
thor 20 mit einer Meinen Ausftellung eröffnet, die Figurenbilder von Pro-
fefjor Henfeler - Berlin und E. Streder-Stein und gute Landfihaften von
©. Günther -Naumburg und G. M. Munthe bietet.
Altona, — In der Runfl- und Bewerbeballe ift das Modell eines
Bauernhaufes ausgeftellt, in defen eigenartiger Vereinigung von fähfifcher
und frienfher Bauart fih dte Entftehung des niederfähfifhen Dolfsftammes
arhiteftonifd ausprägt. Während die Lage der Wohnräume mit dem
Dordereingange und der Dordiele dem fähfifhen Bauernbaufe
ähnelt, find die Wirtbfhaftsräume nad der tm Friefenbanfe iibliden Ari an-
gelegt. Um den mittleren, durch gewaltige Balken geftügten Raum, der wie
das Dierfant des fog. Ciderftedter Hausberges dec Speicher fiir die feldfriidte
ift, liegen an drei Seiten die Ställe. An den beiden jhmalen Seiten die
Pferdeftälle, an der Langfeite der Stall für das Vieh, das die Stirn der
Mitte des Haufes zufehrt, fo daß zwifchen Betreidefpeiher und Diebftand noch
ein futtergang vorhanden fein muß. An der anderen Langfeite liegt die ge-
waltige Lobdiele mit zwei Einfahrten. Häufer diefer Art finden fih vor-
wiegend In Ylorder-Dithbmarfhen, und zwar nur in der Marfh. An den
Riiften erfcheint bier wieder der reine friefenbau, anf der Geeft fadfifde
Bauart, die durd zwei Photographien eines Haufes von Oftrobe, öftlib von
Heide, erläutert wird. Diefes mindeftens zwei Jahrhunderte alte Haus liegt
mit feinen Wohnräumen von der ebemaligen Straße abgewendet und bat
feinen Haupteingang durd das große Einfahrtsthor, vor dem der Bauer mit
dem Springftabe ftebt, der in Oftrobe hier und da nod zum Hausrath ge-
hört, während er im übrigen Ditbmarfhen fhon lange gefhwunden if. Durch
das Einfahrtsthor gelangt man auf die Diele, mit den Ställen zu beiden
Seiten; an dem Ende der Diele fteht der Herd, defien Raud über die Diele
in's Freie zieht. Auch das Haus aus Hafelau in der Hafeldorfer Marjch
zeigt den fähfifhen Typus, der rothe Hof aus Al.-Spvennedeih ift ein fogen.
Rreuzbau, der nördlich der Pinnau anfängt und in der Wilfter Marfh die
ausgebildetfte Form entwidelt. Das friefifhe Haus ift in Ublebüll in der
Gegend von Tondern aufgenommen.
Wiesbaden. — Ter Berliner Maler Hermann Hendrih hat bei
Banger eine Anzahl Aquarelle, die landfhaftlihe Motive aus der frän-
fifhen Jura und von der Gnfel Rügen behandeln, und Oelgemalde aus-
Geftellt. Bewegt fih in erfteren der Künftler auf realem Boden, jo verferen
uns die Oelbilder in Hendrid's eigentlihe Welt, die mit ihrem Zauberlicht
ganz eine Phantafiewelt ift, belebt von märdenhaften Wefen. Ob fid der
Rünftler num angeregt fühlt durh Ridard Wagner, oder ob er eigenen
Träumen Ausdrud verleiht, feine Bemälde vermögen durch ihren dekorativen
Schein das Publitum zu fefleln, objhon fie die fihere, bedeutungsvolle
Tehnif und die Beftaltungsfraft eines echten Phantafiefünftlers, wie Bödlin
einer ift, vermiffen lafien.
Mit interefjanten ferzmifchen Arbeiten find vertreten Shmuz3-Baudiß,
Profeffor Laenger und der Blasfünftler Diegel.
Wenn Wiesbaden „die Stadt der Denkmäler‘ genannt wird, jo mag fie
wohl auf diefes epitheton ornans einiges Anreht haben, darf aber aud
eine leife Gronie in ibm beberzigen. Für eines dec mädften Denkmäler foll
ein Mann wie Guftav Freytag, deffen Monument gewiß auch lofale Be-
deutung hätte, nicht in Betracht fommen, weil man in gewiffen Rreijen ane
nimmt, daß in der Bevdlferung Feine Stimmung dafür berrfhe. Sollte
Buftav Freytag, fiir den ein Denkmal fhlieflih überall, wo Deutfhe
leben, am Plate wäre, den Wiesbadenern fo wenig befannt fein, oder
glaubt man ernftlid, ihn durd das Derfagen einer Ehrung, die er nob eher
verdiente ale Bodenftedt, dafür ftrafen zu miifjen, dap er die befannte
Brofhüre über Raifer Friedrich veröffentliht hat? Armer Freytag,
du baft Feine Ausfidt, für Wiesbaden ausgebauen zu werden, und bift
damit gerichtet und — gerettet für eine andere Stadt, die weniger Ueberfluß
an dentmalswürdigen Perfönlidkeiten bat.
Barlsruhe. — Die Derbindung für biftorifhe Runft hat ihrem
Programm getreu den Rınjtverein mit zwei größeren Befhichtabildern bejchidt :
„Der lekte Staatsrath des großen Rurfiirften von frig Roeber und
„Fftiedrih der Grofe vor der Shladht bei Rofbadh von dem Berliner
Robert Warthmiiller. Leider ift unfere Feit den Darftellungen großer
Haupt) und Staatsaftionen fo abgeneigt, daß unfer Publitum den Bee
firebungen der Verbindung fein lebhafteres nterefje entgegenzubringen vermag.
YNamentlih Rocber's Bemälde ift wenig zeitgemäß. Man lann es Rindern
unferer Feit Laum verdenfen, wenn fie einer dereinft fo bob gejhärten, für
uns aber theatralifch-fonventionellen und fhematifhen Runft die Porirats
von Lenbad und Ferdinand Keller, fowie die vorzüglihen Stimmungs-
landfhaften des leider zu früh verftorbenen Mündeners £. Boller vorziebt.
Der biftoriihe Sinn muß dem Recht des Lebenden weichen.
Deutfdhe Runf.
Ein Meifter der Kleinfunft.
Die Skulptur wird bei uns leider
nod meift mit dem Wetermags gemeffen. Jm übrigen
fauft man franzöfiihe Bronzen oder minderwerthige
Omitationen. Da fei denn auf einen befdeidenen
Berliner Bildhauer hingewtefen, der jiingft mit be-
metfenswerthem Erfolg Werte der Rleinkunft gefhaffen
bat. A. Zahn ift aud der Monumentalbildnerei nicht
fremd, aber den Hauptfhmud feiner Werkftätte in der
v. d. Hepdtitraße in Berlin bilden neben einigen Porträt.
büften von Gelehrten Bronzeftatuetten von eigenartigem
fhlihtem Reiz in Aufbau und Silhouette. Sein „Nathan
der Weife, der augenfceinlih das Märchen von den drei
Ringen erzählt, ift eine der glüdlichften Derforperungen
des Flugen und geredten Juden, den die Schule des
Talmud das Denken, die des Lebens die Duldung gelehrt hat. Die Wafer-
trägerin“ wirft befonders durch eine gemilje herbe Anmuth, die Friesrod und
Slanelljade durhbriht. Das fefte und dod balanzirende Schreiten gelangt
zu natürlihem überzeugendem Ausdrud, die Ausführung des charafteriftifden
Ropfes wie die Behandlung der topen Stoffgewebe zeugen von gleich) liebe-
voller Sorgfalt. 6. M.
— für den Raifer und die Raiferin Friedrid find die beiden
Gedenktafeln in Silber fertiggeftellt, weldhe Profeffor Dr. Rudolf Siemering
im Auftrage der Afademie der Riinfte zum WAndenfen an ihre 2WOjabrige
Jubelfeier gefhaffen hat. Es find zwei rechtedförmige Platten. Auf der
einen treten die Hermenbiiften Friedrids I. und Wilhelm II. vor einem antiken,
ephenumrantten Säulenrundbau hervor. Der Gründer der Akademie erfdeint
barhäuptig, die Allongeperüde mit Lorbeer umwunden; unfer Kaifer trägt
zur Bardes du Torps-Uniform den Adlerhelm. Zu füğen der Hermen liegen
auf Riffen Rurhut und Rönigsfrone mit den weiteren Gnfignien. Den feit-
lihen Abjhluß hinter den Büften geben bodragende Palmen, die Symbole
des ‚Friedens. Die zweite Tafel zeigt einen Lorbeerhain am Meere, weldes
die Strahlen der Sonne beleudhten. Zwifdhen den Stämmen tritt [hüchtern
ein Reh hervor, während ein Vöglein munter in den Zweigen zwitjhert.
Dor dem Bebüfh aber fteht die weiblihe Fdealfigue der Runft, welde
huldigend auf die beiden fiirften biniiberblidt. Sie hat von den Bäumen
einen Lorbeerzweig abgebrohen und bietet ibn den Schirmberren der Riinfte
dar. Die Infhrift, die ih am Fuße der Tafeln entlang zieht, lautet: „Die
föniglihe Akademie der Rünfte zur Feier ihres 200 jährigen Beſtehens.“
— Don dem im Allerhöchften Auftrage des Raifers von William Pape
ausgeführten großen Bemälde, weldes den am IS. Januar 1896 zum
25jährigen Jubiläum des Deutjchen Reiches im Weißen Saale des Rönigliden
Sclofles zu Berlin abgehaltenen Fetaft verewigt, bat der Kunftverlag von
Rihard Bong, Berlin, eine forgfältig ausgeführte und vorzüglid gelungene
Heliograniire hergeftellt. Diefelbe führt, wie das Original, als Titel die bei
der feier von Seiner Majeftät gefprodenen denfwürdigen Worte „Ein Reid,
ein Doll, ein Gott!“ Das Runftblatt foftet bei 150X115 cm Papiergröße
und 93X65 cm Bildgröße in Rupferdrud auf dinefifhem Papier 50 Mark,
auf japanifhem Papier 150 Mark. für Liebhaber find vor der Schrift 20
Drude auf cinefifhem Papier für I00 Marf pro Blatt und 10 Drude auf
japanifhem Papier für 250 Mark pro Blatt angefertigt worden. jedem
Exemplar wired eine Erflärungstafel mit dem Namenverzeihniß der auf dem
Bilde dargeftellten Perfonen beigefügt.
— Jm Spreewalde wurde fürzlih ein Rünftlerheim eingeweiht, das auf
Anregung des Profeffors Hermann Cfdfe- Berlin der Gaftwirth Rihter
in Lehde in ftiller Lage mitten in der reizvollften Wiefenlandfhaft errichtet
as
337
keliörs-
bat. Das Heim befteht in einem in altwendifhem Bauftile ausgeführten
Blodhaufe und enthält insgefammt 23 Zimmer und ift mit Ausnahme der
Fundamentpfeiler und der Innenwände ganz aus Holz aufgeführt. Jedes
Jimmer ift als ein Meines Atelier ausgeftattet, worin an Negentagen gemalt
und, wenn's durchaus fein muß, gedichtet werden fann, denn ein Blit zum
Fenfter hinaus bietet das anmuthigfte Candfhaftebild.
— „Der Thüringifhe Ausftellungsverein bildender Rünftler“
veranftaltete in Weimar feine erfte Ausftellung. Cine zahlreihe Be-
theiligung an dem Turnus diefer Austellung, deren nädftes Ziel Jena ift,
wäre fehr erwünfcht, um die etle Beftrebung Ser Vereinigung zu fördern.
Es foll nod befonders darauf aufmertfam gemadt werden, daß die Aus-
ftellungsgegenftande mit einem Begleitfhreiben eingeliefert werden miiffen,
das wie der auf der Rüdfeite jedes Bildes aufzutlebende Zettel Titel, Größe
(Höhe und Breite), Preis des Bildes und Namen des Ausftellers enthalten
foll. Die Modelle zu den von einem Weimarer Tifhler eigens angefertigten
neuen Riften, in denen die für einen Turnus beftimmten Runftwerfe weiter-
gefandt werden, Fönnen im Ausftellungelofale ebenfalls befichtigt werden.
A. Jahn, Waflerträgerin, Bronzeftatuette.
338
Deutfde Runf.
Preisbewerbungen und Perfönliches.
— Das Comité zur Erridtung eines Denkmals fiir Raifer
Wilhelm I. in Hildesheim ladet die deutfhen Bildhauer unter folgenden
Bedingungen zum Wettbewerbe ein:
1. Das Denfmal foll aus einem Reiterftandbilde von Bronze auf ein-
fahem nidt 3u bobem Poftamente aus gefhliffenem farbigen Granit mit
Infchrifttafeln beftehen und an einem nod näber zu beftimmenden, durd ein
Rondel zu erweiternden, Punkte der Sedanftraße (Allee) in Hildesheim anf-
geftellt werden. Ein Plan diefer Straße wird auf Derlangen geliefert.
2. Die Bröße der Figur des Reiters foll mindeftens 2,80 m betragen.
3. Die Geſammtkoſten des Denkmals einfhließlih des Unterbaues und
der Aufftellung, aber ausfhlieglih der Fundamentirung bis zur Terrain-
oberflähe dürfen die Summe von SO 000 Mark nit überfreiten.
4. Die Modelle find im Maafftabe von 1/5 der Ausführungsgröße und
derart herzuftellen, daß die Fünftlerifhe Auffaffung deutlih erkennbar ift.
Sedem Entwurfe ift ein Roftenanfhlag beizugeben, in weldem die Roften der
Herftellung des Denkmals im Einzelnen unter Angabe der Materialien zu
berechnen find. Der zu verwendende Branit ift nad
Herkunft zu bezeihnen und von demfelben zur Be-
— Einen Wettbewerb zur Erlangung eines Umfhlag- Ent
wurfes für die Zeitfhrift „Alte und Neue Welt“ erläßt die Der-
lagsbuhhandlung Benziger & Co., A.-®. in Einfiedeln (Schweiz) mit Termin
zum 20. Gunt 1898 und unter Derheifung von 3 Preifen von 500, 500
und 150 M.
— Zu dem Wettbewerbe für den geplanten Neubau eines
Befhäftshaufes der Bremer Baummwollbörfe find dem Dernehmen nad
54 Entwürfe redtzeitig zum 16. Mai eingegangen. Das Preisgeridht, beftebend
aus den Herren Beh. Baurath Wallot - Dresden, Ober-Baudireftor Profeflor
Dr. Durm-Rarlsrube und Arciteft M. Haller-Hamburg mit je zwei Stimmen
und 6 Bremer Handelsherren mit je einer Stimme dürfte am 24. Juni zu-
fammentreten.
— Das Ergebniß des Wettbewerbes um Entwürfe für ein neues
Ratbhaus für die Stadt Stolp in Pommern ift folgendes: Der I. Preis fiel dem
Entwurf mit dem Rennwort „Alt-Badfteinformat" der Herren Jaar & Dabl,
der II. Preis dem Entwurf mit dem Rennwort ,,Anaftafia’ der Herren
Shulz & Shlidting und der III. Preis dem
Entwurf mit dem Rennwort „Plattdütfh‘ der
urtheilung der vorgefchlagenen farbe ein Probe-
ftüdhen dem Modelle beizufügen.
Der Rünftler hat am Sdhluffe des Unfdlages
die Erklärung abzugeben, daß er für die veran-
fhlagte Summe das Dentmal gemäß $ 4 diefes
Ausfhreibens auszuführen fih verpflichtet.
5. Die Einfendung der Modelle hat unter ge-
nauer Angabe von Namen und Wohnort der
Riinftler bis zum I. Oktober 1898 an das Roemer-
Mufeum in Hildesheim fradht- und foftenfrei zu er-
folgen. Später eingehende Sendungen find von der
Bewerbung ausgejhloffen und werden den Ein-
fendern auf deren Roften zurüdgefhidt.
6. Es follen jedenfalls drei gleihe Preife von
je 1000 Mark vertheilt werden. Die Entjheidung
über die Ausführung behält fih das Comité zwar
ausdrüdlih vor, dod) foll, wenn das Preisgericht
eines der Modelle als geeignet eradtet, mit dem
Urheber dejfelben über den Auftrag verhandelt werden.
Der mit dem Auftrage betraute Riinftler erhält feinen
Preis. Die Prämienwerden alsdann den drei nad-
ftbeften Arbeiten zuerkannt.
7. Die prämiirten Modelle gehen in den Befiz
des Comites über, jedoch behalten deren Urheber das
geiftige Eigenthbum an denjelben. Die nicht prä-
miitten Entwürfe werden den Rünftlern fradt- und
foftenfrei zurüdgefandt.
Das Comité übernimmt keinerlei Derantwort-
lidfeit für Befhadigungen oder Verlufte an Mo-
dellen und Entwiirfen.
8. Sämmtlihe Modelle follen nah erfolgtem
Spruce des Preisgeridts einige Feit in Hildesheim
Sffentlidh ausgeftellt werden.
9. Das Preisgeridt, weldhes fis durch Roop-
tation 3u ergänzen befugt ift, befteht aus folgenden
A. Jahn, Nathan der Weife,
| Herten Meier & Werle, fammtlid in Berlin, zu.
Diefe Entfheidung war das Ergebniß mehrfacher
Siebungen. Bei einer erften Siebung wurden
36 Entwürfe „als in der Befammtleiftung nicht ge=
nügend, -oder in der Brundrißgeftaltung unzwed-
mäßig, oder Fünftlerifh durchaus minderwertbig
für den weiteren Wettbewerb ausgefhloffen.‘ Aus
einer Sichtung der verbleibenden 51 Entwürfe gingen
diejenigen zur engeren Wabl hervor, welche fid
durd eine flare und praftifhe Grundrifgeftaltung
und eine fiinftlerifh hervorragende, fiir ein Rath-
haus charafteriftifhe Urditeftur auszeihneten. Diefe
Eigenfhaften wurden zuerfannt den Entwürfen mit
den Rennworten ,,Dolfsthiimlid’, ,,Stolp (aus
SFriedenan), „Ehemaligen Generalpoftmeifters Hei-
mathsſtadt“, „Zur Hierde", „Stephan“ (aus Berlin),
„Anaftafia‘, „Plattdütfh", Pommerania', „Roland“,
„fahr wohl“ (aus Berlin), „Reibswappen“, „Wert'
mag dei mag't", und „Alt-Badfteinformat". On
diefer Gruppe waren nad Anfiht des Preis-
geridtes die Entwürfe „Dolfstbümlih", „Pomme-
rania" und „Fahr wohl" „nit ohne jehr erhebliche
Ueberfhreitung der ausgeworfenen Mittel auszu-
führen“, fie fonnten daber nit zur engften Wahl
gelangen. Auf diefer blieben die übrigen 10 Ent-
wiirfe und unter ihnen wurde dem Entwurf „Alt-
Badfteinformat“ „unter befonderec Anerfennung der
für den bauliden Charafter der Stadt auferordent-
lih gelungenen Badfteinarditeftur einftimmig‘ der
erfte Preis zuerkannt.
— Mar Klinger hat an der Jubiläums-
Runftansftellung in Wien die große goldene Staats-
medaille erhalten.
— Dem Bildnifmaler Profeffor Mar Roner
ift auf der Gubildums-Runftanaftellung in Wien die
7 Herren: J. Freiherr v. Röffing, General der große goldene Staatsmedaille verlichen worden.
Infanterie 3. D.; 2. Dr. Scult, Regierungs- Bronjeftatuette. — Dem Rupferftecher Profeffor Louis Jacoby
Präfident; 3. Steudmann, Oberbiirgermeifter; widmete die Ronigl Afademie der Künfte in Berlin
4, Schwark, Stadtbaumeifter; fammtlidd in Hildesheim. 5. Dr. Jordan, © anlaflid feines 70. Geburtstages, den der greife Rünftler am 7. Juni in
Beheimer Ober-Regierungsrath, Berlin; 6. O. Lefling, Profeifor, Bildhauer,
Berlin; 7. H. Prell, Profeffor, Maler, Dresden.
10. Anfragen 2c. find zu richten an das unterzeihnete Comité.
Hildesheim, im Juni 1898.
Das Comité zur Errihtung eines Denkmals fiir Raifer Wilhelm I.
Sceibert v. RSffing, General der nfanterie 3. D.
— dur Erlangung eines Entwurfes für ein auf dem Paulsplake in
frankfurt a. M. zu errichtendes, den deutfchen Einheits-Beftrebungen in der
Zeit von 1815—1864 gewidmetes
Denfmal
wird biermit ein Wettbewerb ausgefdrieben, an weldem fid alle in frant-
a. M. geborenen oder ihren Wohnfik habenden Künftler betheiligen
nnen. ‘
Die Entwürfe müfjen bis zum J. Dezember d. J., Abends 6 Ubr, ein-
geliefert fein.
Das Preisridter-Amt haben übernommen die Herren:
Oberbürgermeifter Arides zu Franfurt a. M, Profeffor Dies zu Dresden,
Beheimer Baurath Stübben zu Röln, Profeflor von Thierjd zu Münden;
— iſt hett Profeſſor Siemering um ſeine Mitwirfung im Preisgeridt
gebeten.
Das Programm nebft Anlagen ift auf portofteie Anfrage von unferer
Stadtfanzlei zu beziehen.
Frankfurt a, M., den 1. Juni 1898.
Der Magiftrat.
Adides.
Charlottenburg feierte, eine Blüdwunfhadrefie.
Jacoby ift aus Havelberg gebürtig und genoß feine fünftlerifhe Aus-
bildung auf der Berliner Akademie, deren Mitglied er im Jahre 1874 wurde.
Außer feinen befannteften Stiden nad Raphael (Die Schule von Athen),
Pilippo Sippi (Madonna), Sodoma (Hochzeit Aleranders und der Rorane),
Raulbadh (Hunnenfdhladt) 2c. und nad Bildern Henneberg's jhuf er eine
ganze Reihe von Bildniffen berühmter Perfonen, wie: Maler Henneberg nad
Paffini, Peter von Cornelius nad einem Dagnerreotyp, Graf Vork für
Droyfen’s Gefchidte nad der Biifte von Randh, fowie nad eigenen Feidh-
nungen die Porträts von Rofitansfi, Rarl Ritter, Mommfen, Helmholt,
Henzen, Rarl Ludwig, Wilhelm Scherer 2c. Gm Auftrage des Raijers von
Oefterreih hat er die Bildniffe des Öfterreihifhen Herrfherpaares nah Winter»
balter's Porträts geftoden.
— Seine Majeftät der Rönig haben Allerznädigft gerubt: den bisherigen
Direftorial-Ajfiftenten Profeffor Dr. Julius Menadter zum Direktor des
Münzfabinets der Mufeen in Berlin zu ernennen.
— Gleihzeitig ift mit Wllerhodfter Ermächtigung dem Direftorial-
Afliftenten Profefior Dr. Heinrih Drejfel der Titel eines Direftors bei
den Mufeen in Berlin beigelegt worden.
— Don der Berliner Künftlerfhaft, welde die Gubildume-Runftaus=
ftellung in Wien befhidt bat, find, wie uns jetzt mitgetheilt wird, die
Herren Maler Willy Hamader und Rarl Langbammer mit der Fleinen
goldenen Medaille für Kunft ausgezeihnet worden. Erfterer erhielt bereits
die gleihe Auszeihnung in Münden und Berlin.
Edsuard von Gebhardt, der Grofmeifter der Düffeldorfer Runft, bat
am 13. Juni fein 60. Lebensjahr vollendet. Gebhardt ift geboren im
Paftorat zu St. Johannis in Efthland und madte feine erften Lünftlerifhen
Studien auf der Petersburger Akademie. J9 Gabre alt, fiedelte er nad
Deutfhland über und feste feine Studien in Karlsruhe, wo Schirmer und
£efing wirkten, fort. Gm Jahre IS60 ferte er fid) dauernd in Düfjeldorf
fet. Als religiöfer Maler wendete fid) Gebhardt gleih in feinem erften
Gemälde „Einzug Chrifti in Jerufalem" neufhöpferifh gegen die Ronvenienz
feiner Zeit, freilihd nod) nicht fo emergifh wie es fpäter friz von Uhde
gethan bat, dem es vorbehalten blieb, den wahren Sinn des Chriftenthums
in der Runft wieder berzuftellen. Bebhardt's religiöfe Malerei gebt von dem
proteftantifhen Dogma aus und ift in ihrem Wefen duch und durd deutjc.
Seine fhon in frühefter Jugend, die er dicht an dem Brenzwall der deutjchen
Rultur gegen den vordringenden Slaviemus verlebte, zu unerjhütterlicher
Deutſche Rung
339
Charaftereigenfhaft erftarfte deutfd-nationale Gefinnung wies ihn unwider-
fteblid auf die religidfen Darftellungen der alten Yiederlander und Wloredt
Diirer's þin, in deffen Beifte er für der feine proteftantifch-deutfhen Bilder fhuf.
So fann und darf es denn auch nicht mehr befremden, daß Bebhardt's
heilige Geftalten ganz gegen den bisher giltigen italienifhen Formenfoder
als realiftifh dargeftellte Menfchen mit eht germanifhem Typus im deutfhen
Roftiime des Mittelalters wandeln. Aud ein monumentaler Zug ift des
Meifters Aunft eigen, wie namentlid feine „Himmelfahrt“ und fein „Abend-
mabl* in čer National Galerie beweifen. Möge Eduard von Gebhardt, der
im legten Jahrzehnt von feinem früheren größeren Stil mehr und mehr zu
einer tief jeelifhen, vornehmen Ffeinmalerei gelangt ift, nod) lange fortfhaffen
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II. 18.
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Jlluftrirte Seitichrift für das gefammte deutfche Kunitichaffen.
Central-Organ deutfcher Runft: und Rünftler-Dereine.
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Schrifkleikung und Verwalkung Berlin W.57, Steinmekſtr. 26.
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Publifationsorgan des Deutfchen Runftvereins in Berlin, des Schlefifhen Runftvereins in Breslan, des Runftvereins für dae Grofiberzogtbum Hefjen in Darnıftadt, des Anpaltifben Runfts
vereins in Defjau, des Wiirttembergijden Runftvercins in Stuttgart, des Schleswig - Holfteinifden Runftvereins in Riel, der Runftvereine in Münden, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Bera,
Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Börlik, Danzig, Königsberg, Stettin u. a.
Ar. 18. II. Jahrgang.
30. Juni 1898.
Mar Klinger als Radirer.
Pon Georg Malkowskn.
; Das fünftlerifhe Ausdrudsmittel der Radirung drängt den auf dem Aekgrund verlangt nach Ser Augenblidsffizze und
Rünftler zwifhen die beiden Pole der Wirklichfeits- und der Gee ermöglicht zugleid die Fefthaltung jedes flüchtigen Einfalls, jeder
danfendarftellung. Die Leichtigkeit der Stichel- und Nadelführung Stimmung. Der Radirer muß wahr fein wie der Niederländer
Rembrandt oder geiftvoll wie der Spanier Goya. Die
Möglichkeit feinfter Liht- und Schattenwirfung durd
Abfiufung der Tonwerthe läßt die Heihnung hinter dem
Malerifcyen zurüdtreten.
Mar Rlinger nimmt beute unter den deutfchen
Radirern unbeftritten den erften Plaş ein urh Sie Ge-
dankenfülle wie durd die vollendete Tehni? feiner
Schöpfungen. Sein Werk umfaßt mehr als zweihundert
Blätter, Phantasmen und Theoreme, Träumereien und
FJdcenfolgen, Ernft und Scherz in ftetem Wedel. Es ift
viel an feinen Arbeiten herumgedeutet worden, und wir
würden Anftand nehmen, die Zahl Siefer Kommentare
zu vermehren, wenn es fi nicht darum handelte, gerade
jetzt bei dem Erfcheinen feiner Serie II „Dom Tode“ das
Derftändnig für die individuelle Art feines Schaffens
neu anzuregen und vorzubereiten. Eine Befprehung des
wunderbaren Werfes behalten wir uns vor.
Klinger gehört zu den Künftlern, in deren Gdeen-
gebalt und formenfprade man fih hineinarbeiten muß,
um zum vollen Genuß zu gelangen. Er hat die Hdben
und Tiefen ses Lebens Surdmeffen. Seine Seele ift
voll von Bildern, ic ih zu folgen zufammenfügen,
oder in der Vereinzelung wirken wie Traumerfheinungen
und Gedanfenblige. Seine Runft it naiv, aber nidt
leicht verfténdlid, weil fie frei aus einer inneren Ans
fhauung quillt, die das Weltganze individuell wieder-
fpiegelt. Wäre diefe Jndividualitat weniger reid, fo ware
ibr leichter beizufommen. Man bat dem Künftler in
feinen Anfängen das abfichtsvolle Hafhen nah Ab-
fonderlidfeiten vorgeworfen und ihm dabei unbewußt
das eigene Banaufenthum gegenübergeftellt, dem nur das
Alltäglihe angemeſſen iſt.
Der Malerdichter iſt aus der ſtrengen Schule des
Guſſowſchen Realismus hervorgegangen, den er 1870 in
Karlsruhe ſtudirte, um dem Meiſter 1875 nach Berlin zu
folgen. Wir erinnern uns aus jener Zeit der kleinen
Zeichnung einer Amazone auf ſich emporbäumendem Roſſe,
von einer Kühnheit der Auffaſſung, in der ſich der ſpätere
Rentaurenmaler ankündigte, und eines Oelgemäldes, das
Max Klinger, Widmung an Arnold Böcklin, aus „Eine Liebe.“ den Ueberfall eines mit einem Revolver bewaffneten Mannes
Deutfde Run ft.
Mar Klinger, Zeichner und Marabus.
Aus „Rettung opidifcher Opfer.‘
durch Rowdies darftellte. Dem Boden der Berliner Akademie,
die Rlinger damals befuchte, waren dSiefe Arbeiten fider nicht
entfproffen, dazu gaben fie fih zu felbfiftändig, zu wenig Porrett.
Eigene Erlebniffe, eine Herzens- und Sinnenaffaire, waren
es, die Rlinger zu feiner erften Schöpfung anregtın. Gm Jahre
1878 erfchien die Blätterfolge „Ein Handfhuh*. Tie Runft-
gelehrten rümpften die Yafe, die Banaufen ladhten verjtändniflos,
wie bei jeder Tragifomddie, ohne zu ahnen, wie bier fid
aus Thränen das befreiende Caden ausgelöft. Auf der Roll-
fhubbabn bat die fhöne Brafilianerin ihren Handfhub verloren,
der blöde Kunftjünger bat ibn gefunden und wie ein Heiligtum
nad Haufe getragen. Auf Ser Bettdede rubt fein fund, er
fügt das Haupt in die Hand und denft an die fdlanfen Finger
und den fihlankten Leib, ein blübender Liebesbaum fproßt vor
ihm empor und umöÖuftet ihn finnverwirrend. Vielleicht weilt ğe
fhon dSriibenjenfeitsdes Oceans, auf den Wellen wiegt fic Ser Hand-
fhub, er muß ihm nad) im Boote und ihn auffiihen. Aber er
Fann ibn nicht erreichen, Senn nun lenft er gar die Sonnenroffe
Apolls und flieht und flieht, bis er fi) auf den Klippen nieder-
läßt, von Opferflammen umloht, von den Wogen buldigend um«
fhäumt. Wenn er ibn nur faffen Fönnte, den unfelig feligen
Bandfhuh, oder ihn loslöfen von feinem heißen Begehren. Da
drängt er fhon wieder auf ihn ein auf den fhwarzen Wellen,
die bis in das Lager des Gequilten bineinfpülen, und nun er-
fheint er gar verdoppelt und verdreifacht. fort mit ihm! Da
auf dem Tifhchen liegt er unfhädlih, giebt es dod) nocd viele
andere Handfdube, ganze Reihen von Handbefleisungen, alle
gleih und intereffelos. Was nur das Rrofodil will, das da
beranfchleiht? Da, da bat es ihn gepadt und fauft flügelgemaltig
mit ihm aus dem fenfter hinaus. Nod einmal redt der Träumer
die Hand nah ihm und — erwacht. Kihernd fit Amor”neben
dem Handſchuh.
Und des Phantasmas Kern? Er hat ſie geliebt, der
gute Rlinger, damals, als er in der Hohenzollernſtraße Ar. 9
wohnte, vier Treppen hodh im Thurm. Den „Hungerthurm‘
bat er ibn fpäter genannt, denn er bat budftäblih ge-
bungert troß des ausfömmlichen väterlihen Wecfels um
der jhönen Brafilianerin willen, die fo viel Liebe braudte
und fo viel Geld, bis er einfab, da es ihr mehr um
Ceßteres zu thun war als um Erftere, und genas von der
blöden Jugendefelei, die er dann dod nod ein wenig
ernfthafter behandelt in dem Cyflus ,,€ine Liebe.
„Eine Ciebe ift Arnold Bödlin gewidmet. Auf dem
Hueignungsblatt feben wir Amor blind auf dem Schoofe
der Liebe, die Sen Bogen fpannt und zielt. Rund umber
boden nadte Weiber, die fangftride Ser Ceidenfchaft in den
Händen. Der Pfeil hat getroffen. Eine Rofe hat er ibr
zugeworfen, und fie bat ihn aufgenommen in leidenfchaft
lichem Sehnen und fic) ihm bingegeben, willenlos, bis
der Raufh verfliegt, und er fie verläßt. Dor ibrem
[hmerzensftarren Blid taudht das Pfand ihrer Liebe auf,
das Ungeborene, fie erblidt fi verhöhnt als Befallene, und
da er reuig zurüdkehrt, ift es zu fpät, er fniet an ihrem
Mar Klinger, Entführung des Prometheus,
Todtenbette, und au feiner barrt der, der allein ihm DVergefjen
bringt und Sühne. j
Der Schuld des Mannes gefellt fih die Schuld des Weibes.
„Ein Leben fteigt ohne Scheu in die Tiefen des Lafters hinab.
Auf dem Titelblatt fellt fih der Künftler gewappnet der Be-
fchidte, der „Moderne“, Ser religidfen Runft und dem antiken
Epos gegenüber, aber fie alle bleiben ftumm und wiffen ibm
nichts zu fagen. Da taudt vor feinen Augen Eva auf, der
die Schlange die Worte der Erfenntniß zuraunt, und ein Zauberer-
paar, das den Liebestran? mifht. Der Spuk verfhwindet, und
die Wirklichkeit tritt in ihre Rechte. Unrubig wälzt ji das
beranreifende Weib auf feinem Lager, vom Phantafiefpiel finn-
lider Mannerfdpfe umgautelt, bis es, von einem fifhungeheuer
getragen, in die Tiefe der Leidenfchaft verfinft. Einfam und
veradhtet irrt es auf einer wiiften Jnfel umber. Als ih ibm
ein lüfterner Alter naht, ftößt es ihn voll Ekel zurüd. Aber
allmälig finft es zur Dirne herab, um die Sie Männer raufen,
die fie im Cafe Chantant beflatfhen, bis die Jugend fcwindet
und fie durd die Noth gezwungen wird, auf der Straße Liebe
und Erwerb zu fuden. Man jagt fie von fih, die Weiber
fegen fie mit ihren Befen zu den Rebridthaufen, auf Sem Marte
der Sinnlichkeit geprüft und zurüdgemwiefen, verfinkt fie mit einem
letzten Angjtfchrei im Moraft des Elends.
Noh einmal läßt Rlinger das Thema vom Weibe als
Grundafford erflingen in „Eva und die Zukunft. Träumerifch,
ihrer Schönheit Madt nicht fennend, weilt die Menfchenmutter
im Paradiefe. Auf fdmalem Felfenpfads aber barıt ihrer
drobend der Tiger der Ceidenfhaft. Vom Baume Ser Erfenntnif
herab ringelt fih die Schlange und hält ihr den Spiegel ent-
gegen, in dem fie ihre Schönheit erfhaut. Durd) die Sinnlich-
feit vertbiert, feiner Bottähnlidykeit beinahe entkleidet, fhwimmt
der Mann auf einem Ungeheuer duch das Meer der Leidenfchaft.
Der Engel bat fie aus Eden verjagt, und furdhtbebend trägt Ser
Mann das Weib aus dem Paradiefe in die Wüfte binaus. Durch
die Sinnenfhuld ift der Tod in die Welt gefommen und zerftampft,
ein gewaltiger Pflafterer, Schädel auf Schädel, bis das Rreuz
fic) Erlöfung verheißend auf der Richtjtätte erhebt.
Mit den „Dramen“ verläßt Klinger das Gebiet der Phan-
taftif und bringt Augenblidsbilder aus Ser Wirklichkeit. Drei
Blätter aus den Berliner Märztagen, einen Todtfihlag mit der
ganzen Staffage von Schußleuten, jammernden Weibern und
Nengierigen, einen Rleiderhaufen und einen Brief auf einem Wald-
wege als Hinterlaffenfhaft Eines, dem des Elendes zu viel ge-
worden in der Weit, die Gefhichte einer Mutter, die fid und
ihr Rind vor den Mifhandlungen eines Säufers Surh den frei-
willigen Tod retten wollte und als Mörderin des Richterfprudhes
harrt, einen Ebebrud, den ein Schuß des Gatten aus dem
Fenfter räct, eine Dirne, um die die Rupplerin fiir den rubig
feine Cigarre rauhenden Wüftling auf der Strafe feilfeht.
Ra-
Aus der Brahms-Phantafie.
leidoffopifch verfchieben fic) die Darftellungen zu einem ergreifen-
den Bilde des Broßftadtelends.
Aber aud im Reihe des befreienden Humors herrſcht die
Phantafie Rlinger’s ale Rönigin. Cine fdlante Elfe tanzt fie
auf einem Silffolben und fieht lächelnd auf das Rrofodil herab,
das träge aus dem Sumpf den häßlidyen Kopf emporredt, auf
fhwanter Schaufel wiegt fie fic und fpottet des Geiers, der
auf der anderen Seite des Uuerftabes an fie beranfchleiht, um
hilflos flatternd emporzufchnellen, fobald das leichte Cufttind
fihernd entflieht. Zwiſchen Blüthenftengeln hodt ein pausbädiger
Malerpud und belaufht behaglid) die
Natur. Hummern verdauen mit fih
und der Welt zufrieden die Abfälle
vom Tifhe des Lebens. Eine Ja-
panerin hält ihre Siefta in der Hänge-
matte und träumt von der Sinnen-
freude des Dafeins nicht weniger
glüdlih, als der europäifhe Badfifch,
dem die unerfchloffene Blüthe in feiner
Hand die Zufunftswonnen bedeutet,
die feiner barren. Jn die leichten Me-
lodien hinein aber tönen dann wieder
ergreifende Disharmonien. Angftvoll
flieht ein Verbrecher, hinter Sem ein
Haus in flammen aufgeht, vor feinen
Derfolgern, und in der Einöde hodt
ein Beier über dem zudenden Leibe
eines Verſchmachtenden.
Niht durd) Gegenwart und Ju-
funft allein, duch Wirklichkeit und
Phantafieland fchweift die Ein-
bildungsfraft des Künftlers, Öar-
ftellend und erlöfend zugleih. Auh
in Ser flaffifthen Mythe der Vorzeit
giebt es mandes zu Porrigieren.
„Rettungen Ovidifcher Opfer“ nennt
Rlinger einen Cyflus, der mit der
griehifh-römifhen Sage gar ergöß-
lid) umfpringt. Wud) bier wird zu-
nadft das Thema fein fauberlid feft-
Geftellt. Auf dem Arbeitstifche find
die Hände des Rünftlers miipig ge-
faltet neben den erlofhenen Kerzen.
Aus ihrem Raud bilden fih Rofen-
gebüfche, über denen ein gewaltiger
antifer Dichterfopf auftaudt. Aber
nicht anbetend in feines Nichts urh-
bohrendem Gefühle finft der Künftler vor dem Poeten in die Rniee,
fampfbereit ftellt er fic) mit dem Stift als Gewaffen dem Scribler
gegenüber, und es handelt fih um einen ernften Streit, denn
des Befiegten harrtdas offene Grab und der Seelenfährmann Charon.
Allzu fhwer darf man es mit der Würde der Sage übrigens nidt
nehmen, die dem gravitätifhen, auf einem Bein ftehenden Marabu
gleicht, fomifh in all feiner Brandezza, mit wie heißem Bemühen
ihn aud) Ser Malersmann abfonterfeien mag. Und nun rettet
Rlinger die Opfer der Ovidifchen Miythe Fed darauf los. Pyramus
und Thisbe find nicht geftorben, fondern haben fic) nur bei ihrer
nädtlihen Zufammenkunft einen nadhaltigen Schnupfen geholt,
den fie mit Schwiten und Sitbad furiren. Narzif und Echo
finden fi nad langem Sehnen und Harren in einem genief-
liden Ruf, und find dod eigentlid nur im Winde bewegte
Shilfblatter, die fid) einander zuneigen.
Daphne wird nidt zum Lorbeerftraud, fondern äfft den
begehrlihen Sonnengott, fih hinter einem Stier verbergend.
Mit einem fibnen Sprunge will Apoll über die Hörner des
Thieres fortfegen, fommt aber auf deffen Rüden nieder und
wird von dem fhwer hinwandelnden Rinde davongetragen, während
der Begenftand feiner Neigung ihm halb betrübt, halb lachend
nahfhaut. Der Künftler hat dem Dichter gegenüber Redt be-
balten, denn in freiem Schwunge fhaufelt das Gétterfind
t
Deutſche Runf.
Mar Klinger, Bär und Elfe. Aus ‚„Intermezzi.'
343
Phantafie urh den Weltraum und geftaltet die Dinge um in
herriſch ſchaltender Willkür.
Immer von Neuem, ſuchend und fliehend, äfft ſie den ſchwer
nachhinkenden Gedanken. Da it fie in den „Intermezzi“ auf
einen ſchwanken Baumzweig geflüchtet. Der Bär iſt ihr lüſtern
ſchnüffelnd nachgeſtiegen, und ſie beugt ſich hernieder und kitzelt
mit dem Schilfſtengel ſeine plumpe Schnauze. Und nun folgt
eine bunte Reihe köſtlicher Blätter voll Humor und tiefſinnigem
Ernſt. Eine junge Schöne im Badekoſtüm, die in den Wellen
Erholung ſucht von den Anſtrengungen der Saiſon, drei Bilder
aus dem urwüchſigen Leben der Ken⸗
tauren, Sas fic) aus Liebe und Haß,
aus Wonne und Leid, aus Arbeit
und trägem Genuß miſcht, wie das
der von der Rultur beledten Menfchen-
finder, Szenen aus der urgermani-
fhen naiven Befhidhte des Simpli-
3iffimus, ein todter Reiter auf der
Waldblöße, deffen Leihe fih Wolf
und Rraben ftreitig machen, und end-
lid ein Schlußftüd von grandios-
fhauerliher Phantaftit erfüllt. Es
ift ein gar feltfames Gefpann, das
da über die Landftrafe binsiebt.
Doran Amor auf dem fahrrad mit
Pfeil und Bogen bewaffnet, dahinter
als Holzroß geftaltet ein Sarg, und
zum Schluß ein graufiges Ungeheuer,
das ,,denfeits, mit grotesfem feder-
aufpuß, in einen Mantel gebiillt, aus
dem Röpfe auftauden, eine Ausgeburt
der die Dernihtung fürdtenden Ein-
bildungsfraft.
Am mädtigften und ergreifend-
ften geftaltet Klinger, wo feine Rünjtler-
[haft in das Bebiet der Töne hin-
übergreift. Die „Brahms-Phantafie*
ift eine zeichnerifhe Paraphrafe der
Poefie und der Mufif. Gleichberedtigt
ftellt fih Ser Künftler neben den
Poeten und den Romponiften. Jn
die Noten vertieft fit der Mufifer
am nftrument, das im freien am
raufhenden Meere fteht, neben ihm
das Weib feiner Liebe. Aus den
Wellen tauht eine Harfe auf, von
einem pbantaftifhen Menfchenantlit
gekrönt. Traumverirrt gleiten feine Finger über die Taften. Da
fteigt die Harfe zu ihm herauf mit im Winde Flingenden Seiten und
das Weib an feiner Seite verklärt fi) zur begeifternden Mufe,
die ihm mit ausgebreiteten Armen entgegenfhwebt, und zum An-
flag gewaltiger herzbewegender Akkorde heben fih feine Hände.
Und nun folgt eine bunte Reihe von fünftlerifhen Phantafien,
die ih in freier Erfindung an Lieder und Rompofitionen an-
fließen, und in dem gewaltigen Schidjalsgefange ausklingen.
Troßig ftürmen die Titanen an gegen die feligen Götter des
Olymp, die ihnen in fieghafter Rube ihre Pfeile todtbringend
zufenden, bis die Erögeborenen unterlegen in der Unterwelt
fhmadten, während Pallas Athene mit Prometheus die Schaffung
des Menfhen nad dem Bilde der Götter plant. Heimlich raubt
der Heusfohn das Feuer und bringt es den in dunkler Sehn-
fudt harrenden Erdenfindern. froh der Himmelsgabe, umtanzen
fie den Altar im Opferbain. Prometheus aber wird von
Hermes und dem Adler zur Strafe für feine Dermefjenheit in
die ‚Felsöde des Rautafus getragen. Siegfroh thronen die Götter
im hoben Olymp, nicht adtend der Menfchheit, die mit leið-
erftarrtem Antlitz zu ihnen auffhaut. Randbilder umgeben
überall den Notentert, Variationen der menfdliden Paflion.
gm Gewande der fFlaffifchen Mythe giebt fid dann wieder das
Schlugblatt. Prometheus it von dem anderen Feusfobn, von
Nar Klinger, Evofation aus der Brahms-Phantafie.
Herafles, befreit. Das Haupt in die Hand geftüßt, finnt er
feiner Erlöfung nad, während die Töchter des Meeres Blüd
wünfhend aus den Fluten emporfchauen.
Das in einer erften Serie bereits erfchienene, Surh eine
zweite folge fortgefegte jüngte Wert Rlinger's, der „Cyflus
„vom Tode‘, bedarf einer befonderen Befprehung, die wir im
Herbjt Surh eine Reihe von Flluftationen veranfchaulihen werden.
Die eigenartige Runft Klinger's fymbolifirt fic) felbft in dem
Gedentblatt, das der Meifter zur Menzel- Beburtstagsfeler ge-
fhaffen. Gewaltige Arme langen aus dem firablendurdleudteten
Himmel hernieder und preffen den fünftlerifchen Felsblock „Menzel“
den Fraftitroßenden Rüden der dur gigantifhe Männer ver-
förperten Naturgewalten auf, die willig fih der Laft beugen.
Spielend und fcerzend umfhwimmen die Ofeaniðen die auf-
ftrebende Gruppe. Der Wellenfhaum aber verdichtet fih feit-
wärts zu Blumengewinden, aus denen feltfam phantaftifhe
Masten þervorlugen. Das ift die Rünftlerfhaft, die fih felbft-
berrli der Erjcheinungswelt aufzwingt, fie fidh dienſtbar macht,
und nach Laune und Willkür in ein Spiel der Einbildungskraft
umgeſtaltet.
Aber Klinger iſt nicht nur ein Meiſter des Griffels, er
beherrſcht auch das Wort und weiß uns ſelbſt von ſeiner Kunſt
tiefſinnige Gedanken zu übermitteln. Laffen wir ihm zum
Schluſſe ſelbſt ſprechen:
„In reicher Fülle ſtrömen dem Griffelkünſtler die Ideen zu,
denn ſein eigentlichſtes Gebiet ift das tieffte Seelenleben des
Menſchen — er hat den „Brundftoff“, „auf den die Religionen
fi gründen, wegen deffen Völker fidh vernichten, dem man fo
gern fic) verfchließt, den deshalb der Menfchengeift mit allen
Mitteln und Formen von der naivften Einfalt bis zur fragen-
haften Ungebeuerlichfeit zu verdeden fuct, den Selbftfuht und
Opferwilligteit in ewiger Gabrung halten. Ob in einzelnen
Blättern, ob in fonglomeratifchen Werken, wie bei Goya und
Holbein, ob in fich felbft fteigernder ‚Folge, wir feben die Werke
diefer Rünftler ftets in reicher Fülle entfteben. Und diefem Drange
wird allein die Handlichfeit des Materials geredt. om engften
Raum laffen fic) Sie ftärkften Empfindungen 3ufammenprefjen,
in der fhnellften Abwechslung die fidh widerftrebendften Em-
pfindungen geben. Wo die Malerei dem Befchauer 3u reinem
Genießen Mufe, neue Sammlung oder Ueberleitungen bieten
müßte, um von einem Zuftand zu einem widerftrebenden vor-
Zubereiten, entwidelt die Zeihnung in der gleihtönigen folge von
Bildern im fcnellen Wedfel ein Stüd Leben mit allen uns
zugänglihen Eindrüden. Sie mögen fid epifh ausbreiten,
dramatiſch ſich verſchärfen, mit trodener Ironie uns anblicken,
nur Schatten, ergreifen ſie ſelbſt das Ungeheuerliche, ohne an—
zuſtoßen“.
Deutfhe Runft
Rheinifches Steingut.
Im Frühjahr 1897 wurde bei Ausfhachtungsarbeiten für
einen Privatbau in der Mariminenftraße zu Aöln ein alter
Töpferofen fammt den Lagern der wegen Brandfihäden oder
Fehlglafuren verworfenen Rrüge aufgededt. Der ganze fund,
nah Ausfheiden der Dubletten rund 100 Rrüge, konnte bei dem
Entgegenfommen des Bauherrn für das Aunftgewerbe-Mufeum
geborgen werden, da diefes die Ausgrabung felbft in die Hand
genommen hatte. Das Mufeum befigt Sadurh einen Beftand
nahweislih Rölnifher Rrüge von folder Dielfeitigfeit, wie ihn
feine andere. öffentlihe oder private Sammlung aufzuweifen
bat. Aud in wifjenfhaftliher Hinfiht ift der fund in der
Mariminenftraße außerordentlich widtig, da die bisherige Auf-
faffung von der Entwidelungsgefhichte des rheinifhen Stein-
z3euges dadurd wefentlih geändert wird. Die Theilnahme der
Stadt Köln an diefer Fnduftrie, die im 16. und 17. Jabr=
hundert opne frage die tünftlerifh werthvollften und eigen-
artigften Denkmäler der deutfchen Reramit gefhaffen hat, ift
bisher fehr gering gefhägt worden. Den Löwenantheil der
alten Rrüge hatten Raeren und Siegburg und im 17. Jahr-
hundert das Rannebäderländden im Wefterwalde fiir fih in
Anfprud genommen. Daneben fpielte frehen bei Köln eine recht
befeidene Rolle als ein etwas bauerlider Betrieb, dem man nicht viel mebr
als die Herftellung der ziemlih plumpen braunen Bartmannsfrüge mit ein-
fader Derzierung von aufgelegten Ranfen, Masten und Pleinen Medaillons
Zutraute. Daß die Stadt Röln felbft, die fhon im Mittelalter in der Uelen-
Gaffe, heute Ulrihegafie genannt, ein Töpferquartier befaß, in der Renaiffance-
seit aud) Runftwaare in Steinzeng geliefert hatte, war zwar durd einige
funde, namentlih duch die Aufdedung eines Ofens mit feinem Aruginbalt
in der Comödienftraße im Jahre 1889 nahgewiefen, aber die fihere Scheidung
Rölnifher Erzeugniffe von Frechen, Raeren und Siegburg war nod faum
durdgefiibrt, wenn aud in den engen Kreifen theinifder Rrugfammler eine
tihtigere Anfhauung allmälig durhgedrungen war, Immerhin waren nur
feht wenige Rrüge Aöln zugewiefen worden, und das Bild der ftadtfölnifchen
Steinzeug - Töpferei war das eines wenig intenfiven und nur furze Zeit
andauerndes Betriebes, der Fünftlerifh von Siegburg und Raeren abhängig
erfhien. Diefe Auffaffung ift nun durh die Erzeugniffe des Töpfers aus
der Mariminenfttaße ganz gründlih verändert worden. Es ergiebt fid nun,
dağ der Uebergang vom handwerfsmäßigen zum Kunftbetrieb in der Stein-
Mar Klinger, Gerichtsverhandlung aus „Dramen.“
Deutfde Kunt.
zeug-Töpferei in Aöln ftatigefunden hat, daß fidh hier die Periode der früh.
tenaiffance in diefem Gewerbe abgefpielt hat. Die Leiftungen der Rölnifchen
Rrugbäder während der erften Hälfte des 16. Jahrhunderts ind die Grund-
lage, auf weldher nad 1560 die Töpfereien von Siegburg und Raeren fih
weiter entwideln fonnten. Ein ausführlicher Bericht über den fhönen Fund
wird in den Jabrbiicdern Ser Kgl. Mufeen zu Berlin erfheinen. Durd einen
weiteren Ausgrabungserfolg ift ferner erwiefen, dağ die beften jener mit
farbigen Glafuren auf Reliefs gefhmüdten deutfhen Fayencegefäße, welde
als Arbeiten des Nürnberger Rünftlers WAuguftin Hirfhvogel gelten, ebenfalls
Erzeugniffe Rölnifher Aunftfertigkeit find.
Diefe Funde find deshalb befonders widtig, weil fle geeignet erfcheinen,
der Iofalen Töpferei neue Anregungen zu geben. Auf den in den Rhein-
landen zerftreuten Ueberlieferungen fußend, hatte in den letzten Jahrzehnten
fih eine Steingut-Fnöuftrie zu entwideln begonnen, die es verfuchte, ih mit
dem modernen Gefhmat abzufinden. Diefe von wenig Erfolg begleiteten
Anftrengungen laffen fic vielleiht in eine andere Richtung überleiten, die an
eine überlieferte lofale Dolfstunft anfniipft und fo den Weg zu einem eigen-
artigen Stil findet. R. D.J.
Die große Berliner Kunftausftellung 1898.
Die Sonderausftellungen der Bildhauer.
u.
ine felbftftändigere Perfönlichkeit ift der zu früh verftorbene Nifolaus
Geiger, deffen Ausftellung von etwa 20 Arbeiten, Skulpturen und
Gemälden ein vielfeitiges, ernftes Streben befunden und zugleich eine
pietätvolle Ehrung feines Andentens bilden. Da Werte aus verfdiedenen
Perioven des Rünftlers vereinigt find, bietet die Sammlung einen voll-
fommenen Ueberblid über des Meifters Lebenswerk und ermöglicht uns, dem
Entwidelungsgange eines auf eigenen Wegen wandelnden tüctigen Talentes
auf feinen einzelnen Stufen zu
folgen. Wenn Beiger aud die
Dielfeitigfett eines van der
Stappen fehlt und es ihm,
namentlid wenn es fid) um defo-
tative Brotarbeiten handelte,
denen er, der die goldene Freiheit
eigenften Schaffens vollauf ver-
dient hätte, häufig genug nad-
geben mußte, nicht immer gelang,
für viel behandelte Vorwürfe
einen durchaus neuen Ausdrud
zu finden, verftand er es doc,
fatt allen feinen Werfen einen
individuellen Zug zu verleihen.
Zunädft feffelt ein großes
Werk des Rünftlers das Giebel-
feld für dle Hedwigsfirde
duch feine vorzüglihe Rompo-
filion, feine Lebendigkeit und
morgenländifhe Stimmung und
führt ein in den Rreis biblifder
Darftellungen, von denen Bei-
ger die altteftamentlide Alles
gorie von Adam und Eva immer
wieder anregt, ihren Empfin-
dungsgehalt zum Ausdrud zu
bringen. Gelingt es ihm in
der Broncegruppe „Nah dem
Sündenfall" die moralifhe De-
prejfion ergreifend darzuftellen,
fo weiß er in einer in Holz ge-
arbeiteten Eva die dämonifche
Madt der Derfuhung padend
witfen zu laffen. Jn die Aniee
gefunten, die Hände gegen die
Bruft gepreft, fo laufht das
Weib mit einem Ausdrud, der
das Bemwußtjein verzweifelnder
Mar Klinger, Traum aus
„Ein Handihuh‘.
345
May Klinger, Ertrintende aus „Ein Leben.“
Widerftandslofigfeit malt, den Einflüfterungen, welde ihr die Schlange ins
Ohr zifhelt. Schon erfhüttert finnlihe Erregtheit, der Ahnungsfhauer füßen
Genuffes, des Weibes ganzen Körper.
Nod entfhiedener und bewußter wie Geiger bringt Mar Arufe das
Holz als geeignetes, bildnerifhes Material zur Geltung. Während es fid
die Bildhauer lange Zeit mit einer mehanifchen Uebertragung der Modellictednif aud
auf Holz genug fein ließen, bringt Arufe in feinen direkt in Holz ausgeführten
Arbeiten das Material wieder in Einklang mit der form und erwedt eine
lange Feit vernadlaffigte Technit zu neuem, frifhem Leben. Dorzüglice,
lebenswahre Leiftungen, die des Menfchen ganze Gndividualitat erfaffen, find
feine Portraitbüften,; an den Bildniffen Leiftifows und Liebermanns
uberraſcht Treffliherbeit; der Kopf von des Rünftlers Mutter rührt durch feine
innige Sdlidtheit; Gerhardt Hauptmanns Portrait, fo anfpredend es
aud die feinen Züge des Dichters und Träumers wiedergiebt, vertrüge für die
getreue Charakterifirung des Menfhen noh etwas mehr Weidbeit. Eine
tehnifh glänzende Leiftung, ein Werk, befeelt von tiefer Empfindung, ift die
ıhöne Gruppe „Liebe. Riihrend ift die feufhe Anmuth in den natten Ge-
ftalten des Jiinglings und des Madden, die Ihre Hände gefaßt haben und
fih des im Jnnern foeben erwachten Triebes noch unbewußt in Bliden heilige Gefühle
fill geftehen. Jn einer Holzfigur mit dem elektrifch zu beleuhtenden Schweißtude
der Deronita aus Marmor und dem vertieften, transparenten Marmorrelief
eines Kindes läßt fih Krufe duch fein Rönnen zu Erperimenten verleiten,
die faf die Grenze unkünftlerifcher Spielereien ftreifen. Ein Werk, deffen
Vorzüge befannt und allgemein anerkannt find, ift fein Siegesbote von Ma-
tathon (Bronze), der den Oelzweig fhwingend beim Lesten, fdwantenden
Schritte feines Siegeslaufes erfhöpft und athemlos das Wort nod feudt:
verıznzauev|
Mit fo harakteriftifhen Werken wie Beiger und Arufe ift der verftorbene
Mihel Logt leider nicht vertreten; denn weder feine weinerlide aber fhöne
Gruppe „Jh babe keine Zeit müde zu fein“, — Kaifer Wilhelm entfchlummernd
im Seffel, an dem der Todesengel lehnt — nody die „Ferne leiden ohne zu
Magen“ betitelte Skizze des Franken Raifers Friedrih werden der Bedeutung
des Rünftlers gereht und laffen feine Eigenart erkennen.
Unfere Dentmalsbildhauer befriedigen diesmal fehr wenig. Don den drei
Roloffalftatuen Bismard's ift noh die befte die pofirende Beftalt des Alt-
teihefanzlers von Hugo Lauer; Ernft Herter's Standbild für Wiesbaden
it eine robe Arbeit und macht den Eindrud eines in monumentale Dimen-
fionen übertragenen Meinen Motells, das durch diefes Derfabren aber nod
feineswegs monumental geworden if. Ein eigenartiger Zug, der Herter's
Arbeit auh gänzlich abgeht, zeichnet dagegen die Moltfe Statue von Ern ft
Seeger aus, von dem aud die „Jugend“, die natte, natürlich bewegte Be-
ftalt eines feufhen Mädchens, dur ihre Anmuth erfrifht und erfreut.
So befhämend es ift, deutfche Rünftler auf einen Ausländer hinweifen
3u müffen, fann id, da das ferne diesmal fo wirffam nahe liegt und and
346
das Gute, es dod nidt unterlaffen, van der Stappen'’s Gypsfigur
Wilhelm der Eroberer als Mufter aufzuftellen. Sie fönnen daran lernen,
wie ein Standbild harakteriftifh und monumental zugleih fein tann.
Ein Werk großen Stile, daß einen graufigen Begenftand mit Rühnheit
behandelt, ift dte große Bypsgruppe „Achill mit der Leiche des Hektor' von
Hans Everding in Raffel. Ein fhönes Werk in demjelben Saale Hun-
driefer's Eva mit der Unterfrift: „Und fie fühlte, daß fe nadt war!“
Deutfhe Runft.
Einen Evatypus zu fhaffen ift Hundriefer freilid and nit gelungen; er
giebt wie alle anderen nicht das Weib, fondern ein Weib.
Don anderen Werfen der dieamal reichlih vertretenen Berliner Plaftif
feien noch erwähnt, die Portraitbüften von Werner Begas, der als Sohn
feines Vaters hoffentlid) foviel halt, als er verfpridt, die humorvollen, leinen
Thierftudien von Auguft Gaul und die Biiften und figuren von frit
Rlimfh und Walter Scott.
€. Burne-Jones.
2 m 17. Juni ift ploglid uud unerwartet der englifhe Maler
I Edward Burne-Jones im Alter von 65 Jahren
an den folgen der nfluenza in London verfcieden.
Sein fongenialer Freund
William Morris, der Deforations-
maler und Runftgewerbler der Prä-
raffaeliten, und John Millais, Ser
der reaftionadren Ridtung allerdings
fhon längft untreu geworden war, find
dem Meifter vorangegangen, und nun
lebt die Tradition des Quattrocento
nur nod weiter in dem letzten jenes
Rreifes, defen Tendenz man eine
reftaurirende nennen darf, dem Aelteften
der vier Watts, damit er als Ueber-
lebender durch feine große Popularität
den Ruhm des gefihiedenen Freundes
nod mehr verdunfele.
Ein Tadel, der fhon oft gegen
die Präraffaeliten erhoben worden ift,
trifft aud) Burne-Jones; er ging,
ähnlid wie die von literarifhen Be-
ftrebungen abhängigen Klafliziften
und Romantifer, nidt von rein male-
tifchen Gntereffen aus, fondern von
plilofopbifher Reflerion, der er in
Allegorien Ausdrud zu geben fuchte.
Es ift vorwiegend der Bedankte, der
bei jener Kunft intereflirt, nicht das
individuelle Rönnen, wenn man einer
nadbildenden, alle tünftlerifhen Er-
rungenfchaften von vier Jahrhunderten
verleugnenden Rihtung gegenüber von
einer folden fpreden darf, das Was,
nidt das Wie. Wenn Burne-Jones
unter den Prdraffaeliten aud nicht der größte gewefen ift, fo hat
er do durd einen erftaunlihen Einfluß auf feine Zeit für die
Popularifirung jener feltfamen Ridtung erfolgreih gewirft und
durd) fein vielfeitiges Wirken das englifhe Runftfhaffen, Fühlen
und Denken auf ein halbes Jahrhundert hinaus mit präraffaelitifchen
Ideen durchſetzt.
Edward Burne- Jones ift geboren am 28. Auguft 1833
als Sohn eines Lehrers in Birmingham und genoß feine Schul-
bildung auf der King Edward’s School. für den tbeologifchen
Beruf beftimmt, bezog er die Univerfität Oxford, ohne nur daran
zu denken, Rünftler zu werden. Seiner eigentliden Mifjion
wurde er fi ert bewußt, als Dante Gabriel Roffetti und
Holman Hunt nad Orford famen, um die Wandbilder in der
Union Society zu malen. Zugleid mit feinem Freunde
William Morris entfhloß er fic nun, das wiffenfchaftliche
Studium aufzugeben und Rünftler zu werden. Roffetti felbft, der
in den zeichnerifchen Derfuchen des jungen Studenten ein ungewöhn-
liches Talent und eine rege Phantafie erkannt hatte, beftärfte Burne-
Jones in feinem Entfhluß und nahm ihn als feinen Schüler auf.
In überrafhend furzer Zeit vollendete der junge Maler, der mit
Morris, dem fpäteren Regenerator des englifhen Kunftgewerbes,
in London lebte und lernte, feine eigentlichen Lehrjahre und
Mar Klinger, Seftblatt der Menzelfeier.
teifte im Anfang der 60 er Jahre mit John Rustin nad Ftalien.
Dort ftudirte er in Florenz die Rünftler des Quattrocento und
machte fih ihren Stil ganz zu eigen. Dem größeren Publitum
blieb Burne- Jones als Maler bis
zum Jahre 1877 unbefannt. Damals
erft trat in einer in des Grosvenor-
Galerie veranftalteten Ausftellung mit
einer ganzen Reibe von Werken, die
er im Derborgenen gefhaffen hatte,
vor die große Oeffentlichkeit, von der
er fih durh anfänglihen Mangel an
Erfolgen und Anerkennung zurüdge-
zogen hatte. Seine aht Gemälde, unter
denen fi) die „Tage der Schöpfung‘,
„Die Derzauberung Merlin's und
der „Spiegel der Venus“ befanden,
madten ihn mit einem Schlage zum
großen Manne, fo daß er mit Lord
Byron hatte fagen fonnen: id wadte
eines Morgens auf und war — be-
rühmt.
Große Summen wurden von
nun an für feine Bemälde bezahlt;
ein Burne-Jones - Rultus bildete
fih und eine Burne-Jones- Ge-
meinde entftand. Und wabrlid, was
Burne- Jones Jahr für Jahr aus-
ftellte, war das Eindrudvollfie, was
die englifhe Runft Ser legten zwanzig
Jahre hervorgebradt hatte. Seine
Hauptwerfe, wie „Die Waldnympben‘*,
„Pyramus und Thisbe*, „Perfeus
und Andromeda“, „Der Liebesfang‘*,
„Pygmalion“, „Circe“, „König
Rophetua und die Bettlerin‘‘, „Die
Derfündigung“*, „Die delphifhe Sybille‘ und viele andere find
Surh zabllofe Reproduftionen aud auf dem Kontinent befannt
geworden. Befonders Botticelli, jener große Träumer, der
weltflüchtig fih von feiner üppigen Phantafie in ein fünftlerifches
Reid der Schönheit tragen lief, war fein Vorbild. Obwohl
Burne- Jones ftets von ihm beeinflußt erfcheint, ftebt er doch
mit feiner ganzen Runt auf nationalem Boden. Ab-
gefeben davon, daß er feine Stoffe meiftens der Fabelwelt
englifher Märdhen und Legenden entnimmt, verrathen
aud) alle feine fohlanken, biegfamen Geftalten und die von
reihen blonden Haar umfäumten Befichter den englifhen Typus.
Unterftügt von dem arhäolifchen Rönnen feines Freundes Morris
wandte ih Burne-Jones aud der Blasmalerei zu und malte
Blasfenfter der Martinsfirdhe und der Philippsfirhe in Birming-
bam, fpäter entwarf er die Mofaifen in der Apfis der amerita-
nifhen Rirhe in Rom und zuletzt befam er nod den Auftrag,
das Gedadhtniffenfter fiir Ersbifchof Benfon in der Kirche von
Hawarden zu malen. Wenn Burne- Jones’ Bilder aud) vielfach
zeihnerifhe Mängel haben, fo ift ihre deforative Wirtung dodh eine
viel ungezwungenere, ernftere als die der Watts’ fren Allegorien.
Alles in Allem war der Heimgegangene ein ganzer Rünftler, und
zwar ein Rünftler, der „Saw visions and dreamed dreams“.
Deutſche Runf.
347
Uymphenburger Sabrifmarfen.
oo Barerifdhhe Porzellane. Ge
Pon Bans Marfhall.
te Derfteigerung dec Sammlung G. Hirth in Münden war für den
einftigen Befiger der nunmehr in andere Hände übergegangenen
I Runftfhäge die äußere Deranlaffung, eine pradtvoll ausgeftattete
Publifation zu fhaffen, deren befonderer Werth nod darin befteht, daß fie ih
vorzugsmweife mit einem widtigen Zweige der Plaftif des vorigen Jahrhunderts
beihäfligt, der bisher von Runftgelehrten nur de haut en bas behandelt
worden if. Wenn man diefe Dernadlaffigung einer reizvollen Rleinfunft
von großem funft- und fulturgefhidtlidem Intereffe, nämlih der Porzellan-
plaftit, neben den Werken der monumentalen Runft darauf zurüdführen dürfte,
daß es bisher an bequem erreihbarem Anfhauungsmaterial gefehlt hätte, fo
wäre es doppelt zu bedauern, daß die reihhaltige Sammlung von Porzellan-
funftwerken nunmehr in alle Winde zerftreut ift, anftatt als ein in fih ab-
gefchloffenes Banzes, als ein zufammenhängendes Stüd Aultur in ein Mufeum
übergegangen zu fein, in dem aud die Räume zu einer würdigen Auf-
ftellung von mehr als 700 figu-
ten vorhanden gewefen wären,
wäre ihr nit in dem Pradt-
werfe „Deutfh Tanagra", Pors
z3ellan- figuren des 18. Jahrhun-
derts, gefammelt von Beorg
Hirth (Münden und Leipzig,
G. Hirth's Aunftverlag) mit
feiner fülle von lehrreihen An-
tegungen und Anleitungen ein
ebenbürtiges Dentmal verblieben.
Der durch feine politifchen und. volfswirthfhaftlihen Schriften fhonin den weiteften
Rreifen bekannte Gelehrte, Sammler und Verlagsbudbandler Dr. G. Hirth hat
mit feiner neneften Derdffentlidung den Shak, den feine Sammlung barg, felbfi
wiffenfhaftlih gehoben und auf Grund feiner umfaffenden Rolleftion ein Werk
von funftwiffenfhaftliher Bedeutung gefhaffen, weldes geradezu eine Lüde aus-
füllt. Es bietet eine eingehende, erfhöpfende Darftellung der Befhichte und Ent-
widelung des Porzellans und feiner eigenartigen Stellung in Runft und
Runftgewerbe und entkräftet durch diefe die „befcheidene‘ Aufftellung der
Ftanzofen, deren Ridtigfeit Baron Davillier im Beginn der achtziger
Fahre vergeblih wifjenfhaftlih nadhzuweifen fudte, dağ fie die eigentlichen
Erfinder des europäifhen Porzellans wären. Wenn aud fhon vor 17/0 in
St. Cloud eine glafige und transparente Maffe verarbeitet wurde, fo ift
diefe doh nur eines der vielen ungenügenden Refultate von Derfuden, die
allenthalben angeftellt wurden, um einen billigeren Erfag für das oftaftatifche
Porzellan zu fhaffen, der zugleih dem Monopol der Portugiefen, Hollander
und Denetianer die Möglichkeit eines willfürlihen Emporfhraubens der Markt-
preife zu Bunften eines blühenden Zwifhenhandels entziehen konnte. Es war
wohl nidt allein der Chemiker Tfhirnhauß in Dresden, der fh bei
feinen Experimenten von dem Wunfche leiten ließ, „den porzellanenen Schröpf-
föpfen ein Ende zu maden. Der Mame St. Cloud gehört nur der Por-
gefhidhte des Porzellans in Europa an, defjen Geburtsjabr das Jahr 1710
ift, in dem die erfte Porzellanfabrit auf deutfhem Boden in Meißen er-
richtet worden ift. Das Porzellan ift und bleibt ein Erfolg deutfher Araft
Marfe der Höcjter Fabrik.
und deutfdhen Wiffens. Die Erfindung des Sachfen Böttger wurde nad
Gründung der Meißener Fabrik fhnell Mode in der Welt. Der Ruhm der
Pöniglih fähfifhen Manufaktur ließ andere Höfe nicht fehlafen. Meißner
Arkaniften trugen das Beheimniß der Zubereitung mit ih außer Landes und
ermöglihten die Errihtung anderer Fabriken, bis
es fhlieglih für die Fürften zum guten Ton und
ftandesgemäßen Hofhalt gehörte, eine Porzellanfabrif zu
unterhalten. Es ift verftindlid und begreiflid, daß
man anfangs das neue Material wie ein Edelmetall
fhäßte, und dem Zuge zum Pathetifhen und Monumen-
talen, der das damals herrfhende Barod Fennzeihnete,
folgend, beftrebt war, aus Porzellan monumentale Werte
zu fhaffen. — Ert als im Rofofo das Rleine und
Zierlihe an Stelle des Broßen und Pompöfen trat, follte
das Porzellan in plaftiihen Runftwerken, die dem Zuge
der Zeit entfpradhen, als felbfifändiges, plaftifhes Material zur vollen
Geltung rommen; ert im Porzellan, meint Jufti, hat die Plaftit der
Rofofozeit das Material und die Dimenfionen erhalten, für die fie eigentlid
beftimmt war. Julius Leffing in feinem Auffage über Porzellanfiguren
des 18. Jahrhunderts in der Tertbeilage der Publikation „Mufeum‘,
I. Jahrg., S. 45, fpriht geradezu von einer Wechſelwirkung zwifhen Porzellan
und Rototo, das im Porzellan jedenfalls das geelgnetfte Ausdrudsmittel
für feine Befhmadsrihtung gefunden hatte. Aber auh anderer Anfchauung
follte es zu ihrer fünfllerifhen Geftaltung dienen, die Zeit fam, von der
G. Semper in feinem „Stil" fagt: „Aller Porzellanhumor hört auf. Apol,
Mufen und Brazien verdrängen die holden Schäfer und Schäferinnen im
fpigenbefegten Hoftoftiime’. Der RKlaffizismus in der
Porzellantunft wird bereits angebahnt duch den für
Ludwigsburg thätigen Statuaire Beyer und fand
ſeinen Abſchluß in den antikiſirenden Vaſen und Urnen
wedgwood's, jenen typiſchen Gebilden der „anti-
quariſchen Renaiſſance“, um einen bezeichnenden Aus-
drut Auguft Shmarfow's zu zitiren (Barod und
Rofofo. Leipzig, Hirzel. 1897. ©. 384).
Jn den Grenzen diefes nur flüchtig ffizzirten Ent-
widelungsganges der Porzellanplaftit, der für Deutfch-
land mit dem Ende des vorigen Jahrhunderts ab-
brah, giebt das Hirth’fhe Pradtwerl werthvolle Aufjhlüffe, namentlich
über füddeutfhe Manufakturen und ihre bedentendften Riinftler. Da die
Gefhichte der Plaftif in ihren Rompendien über Porzellanfiguren, denen wohl
eine Stelle, und zwar eine bevorzugte darin gebührte, vornehm ſchweigt, kann
man rtubig über diefe füddeutfchen Fabriten im engeren Sinne fohreiben,
obne befürchten zu müffen, man bringe Befanntes.
Die erfte bayerifhe und zugleih die dritte große deutihe Porzellan-
Manufaktur ift die, welhe im Jahre 1746 zu Hödhft bei Mainz mit lur-
fürftlihen Privilegien von den beiden Frantfurtern Johann Chriftoph
Bölk und Johann Felician Clarus in Verbindung mit dem Meißener
Arkaniften Adam Friedrih von Löwenfinden gegründet wurde; fie
Marte von Ans»
bach Brudberg.
Marte von Ans»
bady-Brudberg.
fann alfo ebenfo wie die
Wiener Manufaktur eine
Todter Meifens genannt
werden. Lowenfinden,
der ein unftäter, abenteuer-
liher Beift gewefen zu fein
fheint, gerteth bald mit
den beiden anderen Be-
fiern in Zwift, der bereits
1749 zu feiner Entlafjung
führte. Auch fein Nad-
folger, der Arfanift Jo—
bannes Bengraf oder
Bengraff bielt nicht
lange in Hödhft aus und
fiedelte 1753 nah fiirften-
berg über. Solde Miß-
belligfeiten waren zum
Tpeil fhuld, daß die fa-
brit nit emporfam und
Bölt 1756 falliren mußte.
Nahdem Gob. Heine.
Maag die Anftalt auf
eigene Rechnung aber eben-
falls obne fonderlides
Glüd weitergeführt hatte,
übernahm endlih im Jahre
1765 ein Ronfortium, deffen
Theilhaber und Direktor
der 1764 auf den kur
meinzifhen Stuhl ge-
fommene Erzbifhof Em-
merih Jofeph freiherr
von Breidbah zu
Bürresheim war, die fabrif. Aber aud in diefer Form gelang es nicht,
dle Anftalt wirtbfhaftlih zu heben.
Erft unter der Leitung des nädhften und legten Trägers der Mainzifchen
Rurwürde Friedrid Rarl Jofeph Freiberen von Erthal follte die
Fabrik, die 1778 ganz auf furfürftlihe Rehnung übernommen wurde, als
„Churfürflih-Meinzifhe Höchfter Porzellaine- fabrique* zu ihrer Blüthe ge-
langen, bis fie fhließlih in Folge der Ariegsdrangfale der neunziger Jahre,
die ein beträchtliches Defizit im Finanzftande der Manufaktur mit verfchuldet
batten, verfteigert murde.
Da im Gründungsjahre der Höchfter Manufaktur die Porzellanfunft fih
bereits entjhieden von den großen üppigen Barodformen zu der Zierlikeit
des Rofofo gewandt hatte, herrfcht in den erften zwanzig Fahren der Fabrik
ausfhließlih das Rokoko, wenn aud in den darakteriftiihften Erzeugniffen
mehr dem Zeitgefhmade in der Mitte des 18. Jahrhunderts entfprebend, jener
Nachklang des Rokoko, den fhon ein erfter leifer Ton der Antife zu einer
gemäßigteren Tonart überleitend begleitet. Darum find die Höchfter Arbeiten
aud vorzugsweife fatuarifh und ftrenger plaftiih als beifpielsweife die
Meißener figuren. Die Marke des Höcfter Porzellans ift das Rad aus
dem Mainzer Wappen mit oder ohne Aurhut. Als Modellmeifter werden vor
allen drei genannt: Laurentius Auffinger (erwähnt zwifhen 1762 bis
1766), Johann Peter Melhior (während der Fabre 1770 bis 1780) und
fpäter Rarl Rieg (1785 bis 1794). Der bedeutendfte der Bildhauer, die in
Höchft befhäftigt waren, ift Melchior, dem allein nad Jais die Modelle
von etwa 500 Figuren zu verdanken find.
Melchior, der am 14. Dezember 1742 zu Lintorf im ehemaligen
Herzogthum Berg geboren tft, war armer Leute Kind und bat fih vom
Hirten zum bedeutenden Rünftler emporgearbeitet. Den unauslöfhlihen Ein-
drüden der früheften Jugend ift des Riinftlers Vorliebe für ländlihe Szenen
zuzufreiben, au die bäuerlihen Benrefzenen der Holländer, die Meldior
in der Düffeldorfer Galerie zu fehen befam, mögen diefe Richtung feines
Gejhmades mit beftimmt haben. Annehmen darf man wohl auh, daß ihn
während feines Aufenthaltes in Paris neben Bildhauern wie Boudardon
und Clodion die fentimentale Annft eines Grenze ftart beeinflußt bat.
Ein novelliftifher Zug, der fih häufig in Meldior’s Gruppen findet, tenn-
zeihnet ihn als Rind jener fhöngeiftigen Zeit des Aufſchwunges deutſcher
Didttunft. Man fonnte faft fagen, dağ in ihm die Bentekunft: der erften
Nymphenburg. Römifcher Krieger. Biskuit.
Deutfhe Runf.
Hälfte unferes Jahrhunderts einen Dorläufer gehabt habe. Der Naturalismus
unferes Rünftlers tritt als befonderer Dorzug in feinen Portraitmedaillons zu
Tage, von denen mehr der dargeftellten Perfönlichkeiten halber uur erwähnt
feien die in Bisfuitmaffe ausgeführten Bildniffe von Goethe's Pater und
Mutter im Goethemufeum zu Weimar. Gn der Stätte des einftigen
Wirfens von Wieland als Prinzenlehrer, dem fletnen, fo durchaus
ftimmungsvollen Schlößhen Tiefurt bei Weimar, dem fpäteren Sommer-
aufenthalte der Herzogin Anna Amalie, fällt unter allerlei Raritäten, wie
24 Sädhern der Herzogin, einigen Wegdewood-Stiiden unter älteren Por-
zellanen aus Meißen, fiirftenberg, Bera, Sevres, China und
Japan, ein Gipsmedaillon mit dem Bildniffe Goethe's auf, defen Echtheit
die Auffchrift auf dem Rahmen beftätigt: „Der Derfafler der Leiden des
jungen Werther's durd feinen Freund Melchior 1775 nad dem Leben ge-
arbeitet." Das meifterlihe Bildnis, deffen Ausführung in Porzellan nicht
nadweisbar ift, wird feltfamer Weife in cen „Baus und Runftdenfmalern
Thüringens" (Heft XVIII S. 308 u. ff. — Jena, Verlag von Guftav fifher,
1893) von Profeffor Lehfeldt nit erwähnt. Schöne Arbeiten Meldhior's
befigt das fädtifhe Mufeum zu Frankfurt a. M. in den beiden Thonreliefs
Andromeda und Prometheus. Ein Pradtftüd der Hirth’fhen Sammlung
war eine berrlide fleine Denus vor dem Bade mit der Jahreszahl 1771, die
einzige mit Meldior's Namen bezeihnete Porzellanfigur. Die Venus ift eine
entzüdende Geftalt von J9 cm Höhe, de in ihrem Anfat zu fleifhiger Fülle
an die Niederländer erinnert, in ihrer ganzen Auffaffung aber den Einfluß
Bouhardon's verräth. Es ift als Charafteriftifum fiir die Zeit intereffant,
in einer feiner literarifchen Arbeiten „ARünftler am Altare der Grazien“, aus
dem Schaum von Melhior's eigenen fhwulftigen Worten feine Denus, fein
deal der Frauenfhönheit, auffteigen zu laffen: „O, wie alles fo edel, fo
gerundet, fo fhlanf und niedlid, fo voll und leiht ift! Leiber von der
bödhften lichtreinen Schönheit und dem ewigen Friiblinge entfprungen, von
feinen als fhwefterlihen Armen und Feufhen Blumen je umfhlungen; Bufen
erfüllt mit lieblihftem, jungfräulihem Reize, h aneinander zu herzen, zu
drüden, beftimmt, Fteundfhaft einzuflößen und Iautere Triebe! u. f. w.“
Bis 1779 verblieb Meldhior in Hödhft, von wo er dann nad
Frankenthal überſie—
delte. Seit 1797 iſt er in
Nympbenburgzunddft
als Modellmeifter und
von 1798 an als Gnfpet-
tor thätig. Als folder
ftarb er im Jahre 1825.
DieNympbhenbur-
ger Manufaktur war,
als Meldior dorthin be-
rufen wurde, in neuem
Auffhwung begriffen.
Ihrer Gründung zu
Nleudegg in der Por-
ftadt Au bei Münden
war bereits ein erfolg-
lofer Derfud, Porzellan
berzuftellen, durch den
Urfaniften Elias Pater
vorausgegangen. Erft
dem MWiindhener Töpfer-
meifterJohannllieder-
mayr gelang es mit
Hilfe des Wiener Bren=
ners Lippid beftiedi-
gende ARefultate zu er-
zielen, die den Rurfürften
Mar Jofeph IHI. be-
ftimmten, im Jahre 1754
die fabril einzurichten.
Anfangs ftand der
fabri Niedermayr als
tehnifher Leiter vor,
dann übernahm die Auf-
fiht der zugleich als Ober-
modellmeifter thätige ita-
lienifheBildhauer franz
Höchſt. Vaſe mit 2 Biskuitreliefs.
Deutfde Runſt.
349
Baſtelli. Mangel an ſicherer Kenntniß des Techniſchen ließ das Unter⸗
nehmen nicht recht reüſſtren, bis 1754 der Wiener Joſef Ringler
als Miſchungs-Arkaniſt angeſtellt wurde und die Oefen neu in Stand
ſetzte. Obwohl Ringler bald wieder ſeinen Abſchied nahm, um in Lud—
wigsburg als Direktor der Württembergiſchen Manufaktur erfolgreicher zu
wirken, verblieb doch ſeine Zuſammenſetzung der Glaſur Dank den mühſamen
Erperimenten des fpäteren Porzellanfabrif-Verwalters Hartel der Anftalt,
die mun fhnell emporblübte, fo daß ihr regerer Betrieb geeignetere Räume
erforderte, und die fabril 1761 nah Nymphenburg verlegt werden mußte.
Schon In diefem Jahre follte ih die Ropfzahl der Arbeiter, die 1759 nod
29 betragen hatte, auf 171 Perfonen vermehren, ja in den Jahren 1765 und
1766 ftieg fie fogar auf 300 Röpfe. Leider aber konnte fih die Manufaktur,
da bei ihrer Anlage wirtbfhaftlihe Brundfäre faum mitfprachen, nidt lange
auf diefer Höhe erhalten; ihre
Arbeiterzahl fant fdnell auf
80, und in den Theuerunge-
jabren 1771 und 1772 fogar
auf 30 berab. Yod in den
fehziger Jahren erwies fie fid
als fo wenig lebensfähig, daß
fe fih aus eigenen Einkünften
nicht zu erhalten vermodte und
einen wödentlihen Zufhuß
aus der Münzkaffe von 1000
Bulden erforderte. Einer im
Sabre 1773 eingefegten Rom-
miffion gelang eine Regelung
und Aufbefferung der finan-
ziellen Derhältniffe. DVerfhie-
dene günftige Nebenumftände
traten dann hinzu und er
moglidten einen neuen Auf
fhwung. Die Schidjale der
Manufaktur in unferem Jahr-
hundert find trog tüchtiger
Leiter wie Bärtner und Eugen
Neureuther und trog des leb-
baften Jntereffes König Lud-
wigs I. wieder weniger erfreus
lid. Der Gefhmad an der
Porzellanplaftit war dur den
Rlafizismus verloren gegan-
gen und durd die Romantik
nicht wieder gehoben worden,
fodaß 1850 die Rammern be
f&loffen, feinen Zufhuß mehr
zu gewähren und 1856 der
Runftbetrieb in Münden aufs
gelöft werden mußte. 1862 end-
lih übernahm ferdinand Scokniovsfy die Mpmphenburger fabrit auf
eigene Rehnung. Don den Marken der Ypmpbenburger Manufaktur gehören
mehrere nod der Neudegger Periode an. Die Budftaben um das Penta-
gramm und die danebenftehenden find vielleiht hemifhe Zeihen des Arkaniften
Ringler. Die Rautenwappen erfdheinen als Marlen feit der Ueberfiedelung
der fabri? nah Nymphenburg und find mit Metallftempeln in die
feudte Maffe eingedrüdt. Die Marke, mit der die Fabrik gegenwärtig ihre
Erzeugniffe ftempelt, ift das Rautenwappen mit Stern darüber.
Während in Höhft die Figuren faft vollftändig bemalt wurden, erfheint
die Npympbenburger Porzellanplaftit häufig vollftändig weiß, wodurd die
Feinheiten in der Modellitung und Bewegung erft rein zur Geltung tommen,
Dorzüge, die die Nymphenburger Arbeiten in die Reihe der erften plaftifchen
Meifterwerfe aller Zeiten ftellen. Fede Wendung, die man mit einem
foldem „Ffürwisftüdlein‘, um den treffenden Ausdrud in einem zeitgenöffifchen
Inventar anzuwenden, vornimmt, überrafht durch eine neue Schönheit der
Silhouette. Grazie in der Bewegung und feine Romif in der Behand-
lung zeihnen alle diefe Liebespaare und Shaferfzenen aus. Diele
von ihnen verblüffen duch geniale Kühnheit, die die Sprddigfeit des
Materials niht anerfennt und Bebilde aus ihm fhaflt von nod nie ða-
gewefener Freiheit und Ungebundenheit. Der Meifter folher Pradtftüde ift
Dominicus Auliczef, der fhon während feiner Studienzeit in Rom unter
Nymphenburg.
Gededeltes Tintenzeug.
56 Ronfurrenten in der ,,Pouffictunft den erften Preis an der Accademia
del San Luca errungen hatte und vom Papft Alemens XIII. mit dem
Ritterorden vom goldenen Sporen ausgezeichnet worden war. Einen großen
Einfluß auf Auliczet's fünflerifhe Entwidelung hatte in Rom der Barot-
arditet Tajetano Chiaveri, der Erbauer der Dresdener Hoffiche. Alle
feine früheren Tänzer und Tänzerinnen find durhdrungen von dem genialen
Schwunge jenes römifhen Barodftiles, der fi fundgiebt in ihrer malerifchen
Bewegtheit, in ihrem freiem Auseinandergehen über die Schranten des Stoffes.
Mit fühner Nihtahtung aller jener tehnifhen Schwierigkeiten, die andere
Rünftler zu einem Zufammenhalten der KRörpermaffen zwangen, fhuf fid
Auliczef einen eigenen Stil, in dem fi deutfche, franzöfifhe und italienifche
Einflüffe verrathen in felbftftandiger Dermwerthung. 1767 wird Auliczef an
Stelle des verftorbenen Baftelli nah Nymphenburg berufen, deren
Onfpeftor er nad feiner im
Jahre 1772 erfolgten C€rnen-
nung zum Hofbildbaner 1773
wurde. Trog mander Mif-
belligfeiten, die zum guten
Theil fein Stolz und feine
Empfindlichkeit verfchuldeten,
verblieb Auliczet bis zu feinem
Tode, der nad Lipowsfy
am 14. Oftober 1803, nad
Jel. Halm's Riinftlerlerifon
aber am 15. April 1804 und
nad Nagler erft 1807 erfolgte,
auf feinem Poflen in Nym-
phenburg.
Wie anderen Orts, ſo
folgte aud) in Nymphenburg
auf die fprudelnde Lebendigkeit,
die graziöfe Leichtigkeit und
den genialen Schwung, die den
plaftifhen Meifterwerfen des
Dominicus Auliczef eigen
find, eine MHaffizififhe Ernüch-
terung zu gradliniger Steifheit.
Die freude an der humorvollen
Spiegelung des Lebens als
launiges Puppenfpiel ging ver-
loren; an Stelle zierlicher
Tänzer, leihtgefhürzter Tänzer
tinnen, ladender Pierots und
Pieretten und Iuftiger Mufi-
tanten traten antififirende
Rriegergeftalten, Nahbildungen
der Raryatiden des Ered-
thetons und ernfte Spbinge.
Ein für das neue Empor-
blühen der Yymphenburger Anftalt bedeutfamer Umftand unter Mazimt-
lian IV. Jofef, der Meldior an feine Manufaktur berufen hat, war die
Aufhebung einer anderen bayerifhen Fabrit, der Frankenthaler, gewefen.
Die Bründung der Porzellanfabrit zu Frankenthal in der Pfalz
fällt in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. Sie wurde im Jahre 1753
duch den Straßburger Fabrifanten Paul Anton Hannong, der nah den
Privilegien von Vincennes und Sevres in feiner Heimathftadt fein
Porzellan herftellen durfte, mit Erlaubniß des Rurfürften Rarl Theodor von
der Pfalz errichtet und ging im Jahre 1762 gegen Zahlung von 50000 fl.
in furfiirftliden Befik über. Die Anftalt hatte unter wirtbfhaftlihden Schwierig-
keiten, Deruntreuungen und Ariegsfhäden fehr zu leiden: fhon im Juni 1780
beliefen idh die Dorfhüflfe aus der kurfürklihen Beneralfaffe auf 150000 fl.;
während des Ariegs in den neunziger Jahren wurden der fabri? von den
SFtanzofen wiederholt große Rontributionen auferlegt und 1795 wurde fle
franzöfifhes Nationaleigenthbum. 1800 fühlte fid der Aurfürft Mar Jofeph
duch andauernde Miferfolge veranlaft, die Fabrit aufzulöfen.
Don den Riinftlern, die für Frankenthal thätig waren, ift neben
Melhior noh der Mannheimer Hofbildhauer Ronrad Lind zu nennen
der aud das Monument des Rurfiirften Karl Theodor auf der Heidelberger
Bride fduf und namentlid Urheber allegorifher Darftellungen war, von
denen eine den Abfdhied RarlTheodor's von der Pfalz bei Verlegung feiner
350
Refiden;s von Mannbeim
nad Minden als Bilder-
rathfel von gefälliger Formen»
fhönheit und gefhidter Rom=
pofition behandelt.
Don den frantenthaler
Fabrifmarken gehören die Lö-
wenftempel und das einge-
drüdte Zeihen P. H. der
Periode Hannong (1755 bis
1762) an. Don 1762 wird
das Monogramm des Rurfürften
mit der Krone verwandt.
Die vierte bayerifhe Ma-
nufattur von Ansbah und
Bayreuth wurde 1760 in
Ansbach eingerichtet und 1764
(nad Shmit 1763) nad dem
markgräflichen Schloſſe Brud-
berg verlegt. 1797 fiel ſie
mit der Einverleibung der
Markgrafſchaft Ansbach an
Preufen, 1806 an Bayern und
1807 endlid wurde fie an
Private verfauft. 1860 madte
die Anftalt Bankerott, Surh
den aud der Philofoph Lud-
wig fenerbad, der als
Schwiegerfohn des derzeitigen Direftors Einkünfte aus der Fabrik bezog und
lange in dem Scloffe lebte, betroffen wurde.
Ansbader Figuren waren bisher nod feine befannt, fo daß die Venus
Höchſt. Nachtlichtſtänder.
Stilifirte
s war im Sabre 1887, als wir alle uns nod ganz bebaglid in dem
Stilgemifh fühlten, welhes als „Wiederbelebung des Runftgewerbes*
XS angepriefen worden war, und als erft wenige von der Möglichkeit
eines neuen Stiles traumten, da erfdhien eine Dorlagenfammlung, welde in
jenen Tagen nod taum nad Derdienft gewürdigt werden fonnte. Dafür
verlangt die Billigkeit, daß man fie heute an die Spike ftelle, wenn von
derartigen Sammlungen die Rede fein foll. Sch meine. das Werk: „Die
Pflanze in Runft und Gewerbe', herausgegeben von Gerlad.
Derfchiedene Künftler waren an den Zeihnungen betheiligt, aber der,
dem der Lowenantheil der Arbeit, befonders aber an dem Verdient um die
angewandte Runft zufiel, ift Profeffor A. Seder, nad dem denn aud diefe
Blätter in der Regel fo benannt werden. Weder dem Herausgeber, der das
Bud mit einer fehr lefenswerthen Dorrede einleitete, noh dem Künftler konnte
es damals einfallen, etwas zu geben, das fi als durchaus neu und nod
nie dagewefen fennzeidnete. Seder ftand durchaus auf dem Standpunkt des
damaligen Runftgewerbes, das die Formen aller früheren Stile mit dem
beten Gewiffen von der Welt für neue Zwede in Anfprud nahm. Diefe
Zeihnungen madhten gar kein Hehl daraus, daß fie nit nur einem feinen
Empfinden für die Schönheit der Naturformen, fondern zu gleiher Zeit dem
Wifjen von der Runft vergangener Zeiten ihren Urfprung dankten. Dieje
beiden faltoren find aber eine völlige harmonifhe Verbindung eingegangen.
Und dod) muğ eine Unterfheidung gemadt werden zwijhen den Entwürfen
für allerlei Ziergeräth und den Blättern, die Fladhornamente verjdiedenfter
Art bringen. Bei den letzteren werden wir heute die unbehaglihe Empfin-
dung nicht los, daß Stift und Pinfel mit gar zu parteilofer Bewandt-
beit durch die Jahrhunderte fpazieren und mit ihren Berichten von allem und
jedem der Befanntjhaft mit der Perfönlichkeit hindernd im Wege ftehen, die
uns in diefem Werf am meiften interefjiren würde. Wir fuden Seder, und
er masfirt fid bald als Renaiffancee bald als Rofofofiinftler, aud als
moderner Engländer ftellt er fic) ein (Ser Einfluß von Hulme ift hier und da
3u fpiiren), ja fogar dem Japanismus bleibt er nicht völlig fremd, obgleih ihm
diefe Stilart am fernften fteht. Und nod ein gewidtiger Einwand gegen diefe
namenlofen Ornamente muß von unferem heutigen Standpunkt aus erhoben
Deutfde Runf.
der Sammlung Hirth, die die Brudberger Marke trägt, eintweilen als die
einzige nadweishare Brudberger Figur angenommen werden muß.
Daf das Jntereffe für die Porzellanplaftit wieder anfängt rege zu
werden, mag die lebhafte Stimmung beweifen, die bei Gelegenheit der Per-
fteigerung der Hirth’fhen Sammlung für die glänzende Meine Porzellanwelt
berrfhte. Die hödften Preife erzielten Melhior's Meifterftüd „Die badende
Venust und groe frantenthaler Figuren „Neptun und Ampbitrite‘*,
Effettftiide von flotter Modellitung, fie gingen erftere für 4000 M., die lekteren
für 6400 M. in den Befit des Hamburgifhen Mufeums über. Auch die meifter-
haften Erzeugniffe Uymphenburgs famen zu verdienten Ehren; fie erzielten Preije
von 1300 und 4050 M. Der Erfolg der Derfteigerung zeugt dafür, daß Intereſſe
und Derftändniß für die fünftlerifche, kulturgefhichtlihe und nationale Bedeutung
der deutjchen Porzellanfigurenkunft beftändig fteigen. Wir Deutfhen haben allen
Grund, auf die deutfche Porzellantunft ftolz zu fein, da wir ung eigentlich
allein in diefem widtigen Gebiete der KAleinkunft des vorigen Jahrhunderts
unfere Eigenart bewahrt und uns frei gehalten haben von franzdfifdem
Gefhmad.
Da fih die bayerifhen Porzellane der Sammlung Hirth nunmebr leider
in alle Winde zerftrent haben, muß der Publikation G. Hirth's „Deutjch
Tanagra", in der fie erft ihre gebührende Würdigung erfahren und nod in
ihrem Zufammenbange überfichtlich regiftrirt find, umfomehr ardivalifher Werth
beigemeffen werden. „Deutfh Tanagra" ift ein Werf von wiflenfhaftlicher
Bedeutung, das über die bayerifhen Porzellanmanufatturen neue und wichtige
Auffhlüffe giebt, und darum für jeden Liebhaber und Sammler geradezu
unentbehrlich erfiheint.
Dem Certe, der bereits gute Jlluftrationen in Autotypie enthält, ift noch
eine Mappe mit vorzüglihen Lidtdrudtafeln, auf denen die werthvollen
Stüde der Sammlung nad photographifhen Aufnahmen wirkungsvoll
teproduzirt find, beigegeben. So empfiehlt fih die Publifation aud durd ein
teihhaltiges und gediegenes Anfhauungsmaterial, das den Text trefflich
ergänzt.
Dorlagen.
werden. Wofür find fie beftimmt? Ein Fußbodenteppih und eine Tapete
verlangen beide nad Flähendekoration, Holzeinlagen an Möbel und Glas-
fenftermofait ebenfalls, aber wir fträuben uns dagegen, dasfelbe Mufter für
fie alle zu verwenden. Der Jwet des Ornaments fpriht fein energifhes
Rommandowort und die Tedhnik fügt ihre Anfprühe ebenfo vernehmlid hinzu
— der deforative Rünftler, der ihrer niht achtete, würde ein jämmerlihes fiasto
maden. Darum fönnen die fhönften Mufter nidts belfen, wenn fie von un=
berufener Hand beliebig für einen fremden Zwed mifbraudt werden. So
fommt es, daß
wir heute gegen
die ohne Etiquette
einherlaufenden
Ornamente fehr
mißtrauifh ge-
worden find.
Daf fiir Seder
felbft diefe Gefahr
fhon damals nicht
vorhanden war,
als fie den meiften
nod gefährlider
werden fonnte
wie heute, diefe
Huverfidt fpridt
deutlih aus den
Dorfdlagen für
den plaftifchen
Shmud der Gee
braudsgegen-
ftände, mit denen
er uns fein werth-
vollftes Gefdhent
gemadt hat. Das
Nymphenburg. Ofenbefrönung.
Couis XVI.
Deutſche Runf.
351
Prinzip, weldes wir feit ein paar Jahren als abfolut nen predigen
bören, die realiftiifhe Anwendung der Naturbildungen als formgebendes wie
als fhmüdendes Element in der angewandten Runft, bier ift es ſchon fo
viel früher zur Ausführung gebragt. Da fehen wir Gefäße aus Mufchel-
formen gebildet, oder Bläfer die aus zufammengebogenen Blättern befteben,
ganze Pflanzen mit ihren Bliithen und Ranten, die beftimmt find, als Lidt-
träger zu dienen, oder Blumen und Schmetterlinge, die fih auf Shmudnadeln
fhaufeln. Das alles find Motive, die uns heute ganz geläufig feinen,
Röpping's Bläfer und Hirzel's Brofhen find nad feinem anderen Prinzip er-
daht. Um fo intereffanter ift es, daß Seder's Dorfhläge damals, als fie
ganz neu waren, nicht mit mehr Eifer aufgenommen wurden. Der Unters
fhied in der Wirkung liegt eben darin, dağ noh vor einem Jahrzehnt der
Riinftler, Ser einen fruchtbaren Gedanten hatte, ihn am Zeihentifh fünftlih
augbrütete, während er fic) heute frifch entfchloffen felbft an die Arbeit madt,
den Thon formt, das Glas felber bläft, fih mit einem Wort nicht zu vornehm
zum Handwerker dünkt. Uebrigens foll mit dem Vorftehenden natürlih nicht
gefagt fein, daß Seder's Feidnungen die dtreften Ahnen der angeführten
Rleinfunftwerfe waren. Nirgends ift die Möglichkeit der Neufhöpfungen fo
groß wie nah dem Prinzip des Naturalismus, wo jeder in der Natur etwas
Anderes fieht und etwas Neues bildet.
Don ‚geringerem Bewidht it ein Meines Dorlagenwerfhen, das 5.
Chriftianfen, Lehrer an der Maler- fahfchule in Hamburg, im Jahre I892
herausgab. Er beftimmte es zum direft nahahmenden Gebraud für Deto-
rationsmaler, tritt alfo von vornherein mit minderen Anfprühen auf. Aber
dod ift eine Dergleidung diefer Flachmufter mit denen von Seder intereffant,
infofern fie den grundfagliden Unterfchied der Auffaffung ins rehte Liht
rüdt, wie er fih in den fünf Jahren, die zwifchen beiden Veröffentlihungen
liegen, berausgebildet hat. 1887 ließ fogar ein Seder noc Einheitlichkeit des
Wollens vermifjfen — wenn das auh erft beute als ein Mangel auffällt —
1892 geht fchon durch die Entwürfe eines Chriftianfen eine ftraffe Tendenz.
on der Art des Stilifirens thut fih der Einfluß des modernen englifden
Sladhmufters fund. Freilih ift die gefällige Leichtigkeit eines Day niht er-
reiht. Uber die primitive Feidnung, die Yleigung Blatt und Blithe nur in
reiner Dorder- oder Profilftellung zu verwenden, felbft eine gewiffe Einfalt
der Phantafie, weldhe die Gefahr mit ih bringt, im großen Mafftab ans
Plumpe, im kleinen an das Spielerifche zu ftreifen, und dem allen gegenüber
der Dorzug, daß das Abgebraudte vermieden und neue Anleihen bei dem
Naturvorbild gemaht werden — das find Eigenfhaften, die für den englifden
Stil bezeihnend find. Da fle nit als Nahahmung auftreten, begegnen wir
ihnen mit Dergniigen jet aud in deutfchen Arbeiten.
Der Befhäftigung im Lehrfad verdanten aud die ,,Pflanzenformen" von
Meurer ihre Entftehung, und zwar wendet dies Werk fih dirett an die Aus-
bildung der Lernenden. Jeigten jene, wie ein Ornament ausfehen tann und
foll, fo will diefes lehren, wie man dazu fommt, es zu erfinden. An dem
Bau der Pflanze, die von jeher im der Ornamentit die wichtigfte Rolle ge-
fptelt bat, zeigt Meurer, wie man die Zufallsform der Erfheinung auf die
Naturabfiht unterfuht. Um diefe zu verftehen, ift ipm die Betrachtung vom
Standpunft des Malers nicht ausreichend, er wird zum Botaniker, um die
Runftform organifh aus dem Naturwefen abzuleiten. Er forfht nad
Berippung, Derzweigung, Blüthenftand. Er giebt in perfpeftivifder und
Projeftionsanfidht einen Begriff von dem Charakter einer Fülle von Planzen,
und er ftellt in dem theoretifchen Theil eine Reihe von Brundfären für den
Unterriht an Bewerbejhulen auf, foweit er das Naturftusium betrifft. Ju-
gleih unterläßt er nicht, feine Anfiht von dem auseinander zu feren, was
dem Charakter des Ornaments angemefjen fei. Befonders harafteriftifch für
ibn ift die Forderung: „Die Formgebung des Runftwerfs und feine Dekoration
darf nur foweit von der Nahahmung des Dorbildes beeinflußt werden, als
diefes durch feine Erfcheinung den beftimmten Zwed und die befondere Be-
deutung des Runftwerfs treffend zum Ausdrud bringt". Das fehmedt ein
wenig nad den „ewigen Befeen‘, die Theoretifer aus fehr aktuellen Einzel-
fällen ableiten, weldhe ihnen gerade befonders 3ufagenden Runftridtungen
entftammen. Meiftens ließen fie ih durch ebenfo thatfählihe Beifpiele aus
anderen Stilen widerlegen. So bat der Realismus in den meiften Runft-
perioden weit über jene ihm oben angewiefene Grenze hinaus ein fröhliches
Dafein geführt.
Abgefehen aber von foldhen Anfihten, über die fih ftreiten läßt, ift es
ein fehr hoch zu fehätendes Derdienft jenes Bucher, daß es mit fo viel Ernft
und Griindlidfeit auf ein Dertiefen in den inneren Bau des Naturorganismus
dringt, aus dem allein ein gefunder, deforativer Stil entfpringen fann. Diefe
Dorbereitung wird um fo nothwendiger fein, je weniger man fih an die
vorausgefhidten ftiliftifhen Bemerkungen glaubt halten 3u miiffen, und die
Heit dafür feheint jegt gefommen.
Don Japan tam die Bedrohung von Meurer's Runftprinzip. Der ent-
gegengefekte Brundfat 30g legreih in Europa ein. Direkte Naturnahahmung,
die aud Launen und Zufälligfeiten nit aus dem Wege geht, nahm Befit
von dem Ornament. Die lebendig wachfende Pflanze wird Vorbild des
gläfernen Siergefafes und aud die Schmudform gefällt ih darin, die
Symmetrie eher zu verbiillen als zu betonen, und wie die Wirklichkeit einen
täufhenden Schein der Willfür über die zu Grunde liegende Befezmäßigfeit
zu breiten.
Dies ift das Bebiet, auf dem Edmann feine Triumphe feiert, Aud er
hat begonnen, feine dekorativen Jdeen in einem Sammelwerk niederzulegen,
von dem im vorigen Jahre
die erfte Lieferung erfchienen
ift. „Neue Formen“ will er
geben, Dorfhläge für allerlei
Slahornament, 3.8. für Holz-
einlage oder Deforations-
malerei. Aud bier find es
vorzugsweife Blumen, aber
and Thierformen, welde die
Motive liefern. Dem fläden-
ftil ift durd vollftandigen Der-
ziht auf Ligte und Schatten-
wirfung Rednung getragen,
aber der Kontur fhwelgt förm-
lid in der Hingabe an alle
Abweihungen von der Regel.
Undererfeits ift aud das Na-
turbild mandmal in ein reines
Linienfpiel aufgeldft, das aber
in der freiheit der Bewegung
und im Dermeiden des auffällig
Regelmäßigen ebenfo weit gebt,
wie die naturaliftifden Orna-
mente. Alfo ausdriidlid) der
Nahahmung angeboten und
duch Präzifion und Energie
in Derfolgung einer beftimmten
Ridtung aud zur Nahahmung
leicht überredend, fönnen diefe
Blätter wohl dazu helfen, uns
von einer allmählih als uner-
traglid) empfundenen Ronven-
tion der Schmudformen zu er-
löfen. Andererfeits liegt die
Gefahr nahe, daß ftatt fpie-
lender Grazie, die das Befek
nit umgeht, fondern nur von
feiner Befolgung fein Auf-
bebens madt, Derwilderung
Plar greife und fih über jedem Befer dünke. Als Lehrer in perfSnlider
Einwirkung mag Profeffor Edmann foldhem Mißverftand leiht begegnen; wo
nur fein ftummes Beifpiel zum Führer gewählt wird, gehört fhon ein fiherer
Taft dazu, um vor dem Straudeln zu bewahren.
Endlid ift noh ein Dorlagenwerf zu nennen, das nicht für den
praftifhen Gebraud des Runfthandwerfers, fondern für Unterrihtszwede
beftimmt ift. Profeffor Harald Ridter in Dresden gab naturaliftifche
Ornamente in plaftifher Dorlage heraus, die im Zeihen- und Modellirunter-
tidt die Alleinherrfhaft des Gypsafanthus bredhen, beziehungsweife ergänzen
follen. Diefe Ornamente find von einem gefälligen Realismus im Detail und
zeigen fih dod für den ganzen Bau der Pflunze von einer weifen Befet-
mäßigkeit beherrfht. Sie fheinen wohl geeignet nah der Abfiht ihres Urhebers,
den angehenden Runfthandwerfer 3u fpäterer, felbftändiger Umgeftaltung
der lebenden Pflanzen für die Zwede der angewandten Runft anzuregen, und
da die Stilifirung fein fo ftar® perfönlihes Element enthält wie Edmanns
Jlahornamente, laffen fie der eigenen Phantafie des Studierenden freiere Bahn.
So hat die hronologifhe Betrachtung einer Reihe von Deröffentlihungen
eines Jahrzehnts unwillfiirlid ein Bild von dem Entwidlungsgang des
Ornaments in diefem Zeitraum gegeben. Alp.
Srankenthal, Dudelfadblafer.
Periode Hannong.
Deutfhe Runft.
Die Ausftellung der Münchener Sezeffion.
II.
tler's Portrait von Rihard Strauß ift eine erafte Arbeit und forreft
und fcharf gezeichnet und modellirt. Cin Bilbnif Slevogt's, das
irgend einen Herrn Doktor bei feiner Arbeit darftellt, wirft durch
die gefammte Situation als Wiedergabe einer ganzen Perfönlidkeit in gut
behandeltem Milieu. Das Modell figt da, ganz im Gefiible des Unbeobadtet-
feine und giebt fid ungezwungen, wie es ift; dabei bat das Bild nod den
Dorzug eines frdftigen, eigenartigen Dortrages. Neben folden Arbeiten
fommen die in zarten grauen und rofigen Tönen gehaltenen Damenportraits
der Engländer Neven-Dumont und Greifenbagen, deren farben-
gefhmad etwas verzärtelt erfcheint, freilih nit ihr zur Geltung. Ihre
Lebensatmofphare ift nun einmal das englifhe Fnterieur mit feiner weih-
liden Stimmung. Melville's „Mann in Aniderboders" ift mit virtuofer
Nondalance gemalt und fteht ftarf unter dem Einfluffe des Velasquez.
Wenn diefem das KRoftm feiner Zeit eine freiere
Dezenz im ’Rolorit niht nur geftatteten, fondern
zuweilen faft gebot, fo wirft eine folde Zurüd-
baltung bei dem bageren Sohne Albions in feinem
Sportsanzug mindeftens nüchtern.
Eine freudige Ueberrafhung bietet die ge-
fhloffene Kollektion der Ruffen und Finnen, deren
freie Technit und reife fünftlerifhe Anfhauung in
folder Auswahl fih nad der Senfation, die ein
Werefhtfhagin mit feiner Propaganda für Friedens-
freunde erregt hatte, allerdings nicht erwarten
ließen. Gerow hat es verftanden, aud in ein
Repräfentationsportrait, das Bildnifß eines Broß-
fürften, eine ungewöhnlide fünftlerifhe Bedeutung
zu legen. Bei aller tehnifhen Rühnheit, über die
Serow in hohem Mae verfügt, ift das Bild
dezent gemalt; Adlerhelm und Rüraf des in freiem
Selde vor feinem Pferde ftehenden GBroßfürften
find das malerifhe Bravourftüd der Ausftellung.
Auh in der Landfhaft bewährt fh Serow als
Meifter, doc reicht er auf diefem Gebiete noh niht
an die Bedeutung des Stimmungsmalers Iſaak
Levitan beran, der in feinen ernft geftimmten,
tief innerliden Gemälden „Ewige Ruhe", eine
Ebene mit einem Dorffirdbhofe im Dordergrunde,
und „Letter Schnee", das in einem aufthauenden
Bach das Erwachen der Natur im erften Dorfrühling
fcildert, nicht bloße Landfhaften fondern Stim-
mungserlebniffe giebt, elegifhe Farbendichtungen
voller Empfindung, mehr Seele als form, bei-
nahe zuviel Seele. Ihm fhließt ih würdig an mit feinen folid gearbeiteten
und ehrlich empfundenen Aquarellen Järnefelt. Durdh ein Raffinement, das
Abfihtlihfeiten als Zufälligkeiten erfheinen läßt und in der Entfaltung eigen-
artiger Reize Yaivetät zu heucheln weiß, wirten namentlih die Aquarelle von
Albert Benois, Ausfhnitte aus dem Park von Verfailles mit hiftorifcher
Staffage. Mod weiter in der Dereinfadhung des landfhaftlihen Bildes zu ftil-
voller Beftaltung geht Somom, der mit bewußter Primitivität doch recht wirkfame
Ligt- und Farbeneffefte zu erzielen weiß. Namentlich die Meine Landfhaft
mit dem Regenbogen darf als Beifpiel hierfür hervorgehoben werden. Mögen
aud) andere Arbeiten Somow's in ihrer findlih-einfahen Manier an Bilder-
bogen oder Abziehbilder erinnern, fo fpreden fie doh am dur einen perfön-
lihen Reiz und find dharakteriftifh für unfere Zeit.
Die Schotten find, um mit dem Auslande abzufchließen, diftinguirt und
fumpathifh, wie man es von ihnen gewohnt ift, entbehren aber nadgerade
zu febr des Reizes der Neuheit.
Die deutfhen Landfdaften beweifen, daß audh auf diefem Gebiete des
Runftfhaffens eine Wendung zu ftärkerer Subjeftivetat ftattgefunden hat.
Bezeihnen P. P. Müller mit feiner „Abendruhe‘ und der Weimaraner
Hagen mit den Bildern „Chauffee" und „Ernte den Ausgangepunft diefer
Bewegung in Arbeiten rein fahliher Art, fo geht Leiftifow als objeftiver
Naturjhilderer in feiner „Dämmerung“ den Schritt zum Hödften, was in
diefer Ridtung an Poefie und Gnnerlidfeit zu leiften ift, weiter. Jn feinem
Nymphenburg.
Jugendlicher Kavalier,
„Teih‘* folgt der Maler einem deforativ-ftilificenden Zug, der Manden be-
fremden mag. Was der Rünftler gewollt hat, Fladhenwirfung ohne Riidfidt
auf Einzelheiten, hat er erreiht. Rari Haider dagegen ift etwas minutiös
in der Ausführung; aber auh in feinen Landfhaften offenbart h als
inneres Erlebniß, was der Maler der Seele der Natur abgelaufht hat. Wenn
id feiner „Abendlandfhaft" vor feinen anderen Bildern den Vorzug gebe,
fann td nit unterlaffen, der Beobahtung Raum zu geben, daß fi die
abendlihe Stimmung bei unjeren Landfhaften jet einer großen Beliebtheit
zu erfreuen feint. Herabfintende Dämmerung oder Abendröthe fhildern
Paul Reller= Reutlingen, P. Shulge- Naumburg in feinem fommerlid)
flaren, regenfrifchen Bilde „Die Ruinen Rüdelsburg und Saaled", Riemer-
fhmid, A. 5. Müller, Doerner, Hänifh und B. Beder. Als gute
Arbeiten verdienen endlih noch genannt zu werden der in duftiger Rlarheit
gemalte ,,Herbftmorgen von Otto Ubbelobde
fowie Reiniger's in ernfter Stimmung gehaltene
„Eijad bei Bozen" und „Nedarlandfhaft".
Die plaftifhe Abtheilung beherrjht auch bier
Meifter Meunier. Wenn Diele, die fein Auge
baben für Meunier's flüfjige und große form-
behandlung, fi lediglih durch die aktuelle Tendenz
feiner Arbeitertypen, dur die fozialiftifhe Ver-
berrlihung der Arbeiterheroen zur Bewunderung
binreißen laffen, fo laffen fie nur einen Nebenreiz,
Indem der Rünftler lofe füblung mit den Tages-
intereffen des Publitums nimmt, auf fih wirken.
Der Hauptvorzug von Meunier's Arbeiten liegt,
wie bei allen edten Runftwerfen, lediglid in dem
individuellen Können, deffen Anerkennung dem
Rünftler der alleinige Maßftab feines Wertes ift;
denn er will nur duch feine Runt wirken,
weniger durd das Manifeftationsobjeft, weit mebr
durch das Wie als durd das Was.
Auh das Runftgewerbe ift endlidh mit den
foftbaren Bläfern von Emile Gallé (Nancy) und
den Pradtgefäßen von Philippe Wolfers
(Brüffel) in durhaus würdiger Weife vertreten.
Man fann auf diefe gefhmadvollen Erzeug-
niffe der Keramik nit eingehend genug bin-
weifen. Daß fie Anklang gefunden haben, be-
weift der Derfauf mehrerer Stüde, namentlich der
Gallé-Glafer, die ein unnahahmliher Reiz in
der form und im Ton zu einem Zimmerfhmud
von feltener Schönheit maden.
Wer die heurige Sezefjioniften » Ausftellung mit früheren vergleicht,
wird finden, dah der Moft anfängt fih zu Mären. Unleugbar hat bereits
eine Beihmadswandlung zu Bunften einer inbaltreideren Runt ftattge-
funden, die fih nicht mehr mit einer mdglidft objektiven Wiedergabe der Natur
begnügt, fondern auh die Phantafle zu ihrem alten Rehte tommen läßt. Mit
dem fanatismus fhwindet auch das polemifche einfeitige Betonen der Made. Die
Parteien ftehen fih nicht mehr feindlih gegenüber, fondern friedlih nebenein-
ander. Benoffenfhaft und Sezefion erfreuen fih der Proteltion des Staates,
jede behauptet ihre Stellung und fhafit obme parteilihe nterefien lediglich
aus fünftlerifcher Ueberzeugung. Die eine wie die andere darf bei jolhem
Dorgeben, das der freien Runftentwidelung nur förderlih ift, ihres Erfolges
fier fein. Die Sezeflion bat im diefem Jahre einen folden eber zu ver-
zeichnen, als die Benofjenfhaft, deren Ausftellung im Allgemeinen nicht
gerade als ein fünftlerifher Fortfhritt zu betrachten ift. Wenn dagegen die
Wiener Runftgenoffenfhaft ih durd das energifhe Dorgeben einer nod jungen
Sezeffion zu doppeltem Eifer hat anfpornen laffen, deffen Frucht die über-
rafhend gute Zubiläumsangftellung ift, fo darf man daran die Hoffnung
fnüpfen, daß fdh diefe Erfheinung aud in Berlin wiederholen möchte.
Sezeffion überall, und überall ftiftet fie nur Segen, den Segen der Kon-
furren3. Berlin feint diefen anderen Ortes erft abgewartet zu haben, um
nun endlich die lang geplante Scheidung, von der fhon fo viel geredet
worden ift, zur That werden zu laffen.
Deutfde Run ft.
353
Kederzeichnungen.
Unfere heutige hocdentwidelte Reproduktionstehnif, die es ermöglicht, in
Fflähen gehaltene Tufchzeihnungen oder farbige Dorbilder mit ftaunenswerther
objeftiver Treue wiederzugeben, hat das Derlangen nah malerifh gehaltenem
Bildermatertal fo gefteigert, daß unfere Maler einer Zeichentehnif, die in
früherer Zeit vorzugsweife geübt und gepflegt wurde, untreu werden: der
Fsederzeihnung. Obwohl fie als gute Dorfhule für die Radirkunft betrachtet
werden fann und and beim Stizziren von unleugbarem Dortheil ift, da fle
duch das Beftimmte und Unveränderlihe des Federftrihes von vornherein
zu fharfer Beobachtung und zeihnerifher Benauigkeit, zu unausgefetter Kontrolle
des Wahrnehmens und Ueberfegens eines Begenftandes in die Tehni? der Dar-
ftellung zwingt, wird fie von den heutigen Rünftlern faum noch geübt. Und doc
hat die Federzeichnung fo pifante Reize in der durch die darzuftellende Form
bedingten Strihlage, in den wie Zufälligkeiten wirkenden, als Rlere wieder-
gegebenen Tiefen, dodh erfreut fie fo durch den Eindrud der Unmittelbarfeit,
den das Ylebeneinanderftehen des falfchen und richtigen Strihes häufig nod zu
einem Bilde ihres allmabliden Werdens vervollfommnet, daß es begreiflid) er-
feinen fönnte, wenn fih Liebhaber fänden, die neben ihren Mappen mit
Radirungen, Lithographien und modernen Plakaten fih auh eine Sammel-
mappe für federzeihnungen, diefe primitiven und zuweilen dodh fo virtuofen
Malerautogramme, anlegen würden. Die beiden von uns reproduzirten Blätter
beweifen, daß fih durch richtige Vertheilung von Liht und Schatten und das
Breit- und Reinhalten des erfteren, fowie gefhidte Behandlung des im Hinter
grunde leicht angetönten Baumfdlages auh in der Federzeihnung eine
malerifhe Wirfung und Stimmung erreihen lajfen.
Die größere ideale Landfhaft, etwa im Stile Aodh’s und, Reinhardt's,
ift eine Arbeit eines bereits vergeffenen Berliner Riinftlers, Rarl Rriiger’s,
der zum Unterfdhiede von dem gleihnamigen Thiermaler der Tabals-Rriiger
genannt wnrde. Er pflegte mit Dorliebe die Federzeihnung, die erft durch
Menzel wieder in Aufnahme fommen follte. Sein Hauptwerk find die Stein-
zeihnungen zu Reinede Fuds, die fih mit Raulbady's geiftvollen Jlluftrationen
gar nit vergleihen laffen, da in ihnen die Dorgänge der Thierfabel nur zur
Staffage für Landfhaftsbilder, die die Stimmung der einzelnen Gefange
wiedergeben follen, dienen und nebenfählic behandelt find.
Die zweite, flottere und weniger ftilifirte Zeihnung, die weit unmittel-
barer wirft als erftere mit ihrem ftichartigen Bepräge, rührt her von dem
lange Zeit unterfhägten Rarl Bledhen, einem der genialften Dorlaufer
Arnold Bésdlin's, den feine Bemüthsart darauf hinwies, vor allem die
nordifhe Landfhaft durd Gebilde feiner Phantafie zu beleben. Unfere Meine
Heidhnung beftiht mamentlih Surdh die flotte Wiedergabe des hügeligen
Terrains, das wirffame Cinfeken der Tiefen und das Mare, filhouettenartige
Abheben der Staffage von der hellbeleuchteten Erde oder der leiht an-
getönten Luft.
Beide Jeihnungen befinden fih im Befige von Profeffor Paul Meyerheim.
5. M.
Don der Berliner Sezeffion.
Ueber die Sezefjion unter den Berliner Malern find allenthalben
Geriihte im Umlauf, die jedes beftimmten Anhaltes entbehren. Dermuthungen
und intime Mittheilungen, die unter dem Siegel der Derfehwiegenheit gemadt
werden, genügen zu Gndistretionen und Behauptungen in der Preffe, die durd
dte beiden nadftehenden Briefe von neuem beleuchtet werden.
Here Profeffor Mary Liebermann dementirt in der fraglichen, fo vor-
eilig als Ereigniß befprodenen und Ffritifirten Angelegenheit die Redaktion
die „Nation“: ‘4
„Berr Dr. Julius Elias fcreibt in Ar. 55 der „Nation“ in dem Artikel
„Die Berliner Jabresausftellung: , Liebermann, Sfarbina, Roepping maden
heute feine Sezeffion mehr mit. Das ift eine traurige Wahrheit."
Das ift eine Unridtigfeit. Jh habe in der vorberathenden Derfammlung
vor etwa 6 Woden den Entwurf zur Gründung einer Berliner Sezeffion
unterzeihnet und zwar an erfter Stelle.
Damit find die Folgerungen des Heren Dr. Elias hinfällig.
Mar Liebermann."
Hierauf erwidert Here Dr. Elias:
Der Erflärung des Herrn Prof. Mar Liebermann habe id) das folgende
entgegenzufegen. Als ih den zitirten Auffat fdrieb, habe ich fehr wohl
gewußt, daß in Berlin eine „Sezeflion‘ wieder auf dem Papier ftehe. And
der Inhalt des angeführten, von einer Reihe biefiger Maler unterzeidneten
SHriftftüdes war mir reht gut befannt. Die Berliner „Sezeflionsfrage war
darin dilatorifh behandelt derart, daß im nädjften Jahre die Ausftellungs-
mädte um befondere Räume angegangen werden follen, worin die unter-
zeihneten Rünftler nad eigenem Ermefjen, mit eigener Jury und eigener
Hängelommiffion fhalten und walten fönnen, widrigenfalls man an der Aus-
ftellung des Glaspalaftes fic) überhaupt nicht betheiligen, vielmehr eine
befondere Ausftellung in die Wege leiten werde. Nach den Erfahrungen, die
mit den Berliner Sezeffionsgeliiften feit Jahr und Tag gemacht werden, nad
den intimen Stimmungen, die ih Fannte, und endlih beftärft durd die
hiftorifhe Einficht, daß die wahrhaft fruchtbaren Scheidungen der Talente von
der majorifirenden Mittelmäßigkeit immer und überall temperamentvoller,
muthiger und durdgreifender vor ih Zu gehen pflegten, bin ih zu der Ueber-
zeugung gelangt, daß jenem Scriftftüde ein befonderer Werth zunädft nicht
beizumefien fei. Mit meiner Auffaffung von der neuen Agitation der jungen
Berliner Rünftler ftand id übrigens in der Kritik nicht allein.
Sollten aber die Herren aus ihren fhriftlid niedergelegten Abfihten mit
Entfhloffenheit die praftifden Ronfequenzen ziehen; follten fie die Sache
Weniger zu einer umfaffenden ,, Berliner Sezeffion ausbauen, die echt moderne,
gewählte, fünftlerifhe Ausftellungen veranftaltet, indem fie werbende Rraft
entfaltet und verwandte Talente des Jn- und Auslandes unter ihr Dad
zieht: fo wird fih gewiß niemand lebhafter freuen als id. Gern will id
dann zu Mar Liebermann und zu all den Anderen fprehen: „Belränkte Liebe
war mein ganzer Jorn“. ?
Wir fönnen es niht oft genug wiederholen, dağ auh die wohlwollende
Preffe am beften thäte, wenn fie fih vorläufig niht um ungelegte Eier be=
fümmerte. Jn dem Stadium, in dem fih die Angelegenheit zur Zeit befindet,
fann fie mehr fhaden als niigen.
Ein Willibald Aleris:Denfmal.
Don einem foeben gebildeten Comité geht uns der folgende Aufruf zu:
Am 29. Juni 1898 find hundert Jahre verfloffen, feitdem Willibald
Alexis in Breslau geboren wurde. Die Unterzeihneten wollen diefen feft-
tag dazu benugen, um die Erinnerung an den hervorragenden Dichter wieder
lebendig zu maden, und fordern daher alle Freunde feiner Mufe auf, zur
Errihtung eines Willibald Aleris-Dentmals in Arnftadt beizuftenern.
Willibald Aleris gebührt ein Denkmal!
Durd eine große Anzahl lebensvoller, feinfinniger und geiftreiher Er-
zählungen hat er fih Taufenden von Deutfhen zum Freunde gemadt. In
werthvollen Reife-Befdreibungen hat er eine Fülle von anziehenden Bes
354
Deutfhe Rung.
trahtungen über die Gegenden und die Menfchen, die er fennen gelernt,
niedergelegt. Als Herausgeber litterarifcher Feitfhriften und als angefehener
Rritifer hat ec mit beiligem Ernfte für eine gejunde Entwidelung der
deutſchen Dichtkunſt gefochten. Auch eine Reihe trefflicher Iyrifher Bedichte
bat er uns binterlaffen, von denen eines, „Friedericus Rex“, geradezu zum
Doltsliede geworden tft.
Vor allem aber läßt er in acht gewaltigen, vaterländifhen Romanen
unfere gefchichtlihe Vergangenheit fo lebendig vor unferen Augen etftehen,
wie das vor ihm noch feinem gelungen war. Hier führt er uns die Helden-
thaten der brandenburgifhen Markgrafen und Aurfürften, der preußifchen
Könige vor Augen und zeigt, was Brandenburg, was Preußen, was Deutfh-
land ihnen zu verdanken hat. Hier liefert er uns glänzende Charakter
Stunde ihres Dafeins verfhönt, befonders aber alle, denen er felbft in feinen
Dichtungen ein Denkmal gefegt bat, ihe Scherflein zu fpenden, um die Aus-
führung unferes Planes zu ermöglihen. Fede, aud die Fleinfte Gabe, wird
uns willfommen fein.
Ueber die eingegangenen Beiträge werden wir f. J. ebenfo, wie über
Ihre Derwendung, Beridt erftatten.
Geldfendungen nehmen entgegen die Herren:
Banquier Alerander Meyer-Cohn in Berlin, Unter den Linden Il,
Rommersienrath Elwin Paetel in Berlin W., Liikowftrafe 7, Banquier
Wilhelm v. Rülmer, Arnftadt.
Anfragen bitten wir an Dr. Mag Ewert, Arnftadt, zu richten.
Carl Krüger, Phantafie-Kandihaft, Federzeichnung.
(&ilderungen vieler Perjonen, die in der deutfhen Befhihte eine Rolle ge-
fpielt haben; bier führt er uns in wabhrheitsgetreuen, oft durch Föftliden
Humor gewiirzten Genrebildern die Leiden und Freuden des Volles vor
Augen; bier verfteht er es, wie nod niemand zuvor, der märfifhen Haide
ihre eigenthümlichen poetifhen Reize abzulaufden.
Einem folhen Dihter gebührt ein Denfmal!
Gn Arnftadt, dem lieblihen, von bewaldeten Höhenzügen umrahmten
thüringifhen Städthen, in dem Willibald Aleris das legte Viertel feines
Lebens zubradte, und auf defen Friedhofe feine Bebeine ruhen — in Arn-
ftadt, dicht am feinem Sterbehaufe, in einer ftillen, von den leife murmelnden
Wellen der Gera befpülten Gartenanlage, wollen wir diefem Didter ein
Dentmal errichten, das ung feine Geftalt immer lebendig erhalte, das uns
immer daran erinnere, welden Schat edler, echt vaterländifher Poefie wir
bm zu verdanten haben.
Daher bitten wir alle, die Sinn für die Derherrlihung unferer dentfchen
Dergangenbeit haben, alle, denen der Dichter dur feine Schöpfungen mande
Zur Dentmäler-Sabrifation.
Die gegenwärtige Ueberproduftion an Dentmälern zeitigt feltjame Er-
fheinungen, die im Gntereffe unferer monumentalen Runftpflege nit genug
gerügt werden können. So bat einmal die firma Gladenbed & Söhne
lediglid auf Grund eines bereits verftorbenen Riinftlers, des Bildhauers
Reil, die Ausführung des Raifer Wilhelm-Dentmals fir Bernburg
befommen. Serner begnügt fih der Bildhauer Herter, dem das Bismard-
Dentmal für Wiesbaden übertragen worden ift, damit, fein Ronfurren3-
Modell bei Bladenbed & Söhne einfah mehanifh vergrößern zu lajien,
anftatt, wie es fein fünftlerifhes Bewifen ihm gebieten follte, vorher ein
entfprehendes größeres Modell herzuftellen. Nur um médglidft fdnell ein
Dentmal fabriziren zu fönnen, wird dort das Modell eines Derftorbenen be-
nugt und bier ein für die allein richtige Geftaltung eines Standbildes
widtiges Stadium bequemer Weife übergangen. Goldhe Mifigriffe beweijen,
wie wenig bei der Befriedigung der graffirenden Denfmalsfudt künſtleriſche
Anfhauungen und Brundfäge mitfpreden.
— —
Dom Kölner Kunftgewerbe:Derein.
Der foeben erfhienene Jabresberidt des Runftgewerbevereins
bietet ein erfreulihes Bild von der Thitigheit der Dereinigung während
der Periode 1897/98. Der im Januar 1597 begonnene Yleubau des Runft-
gewerbe-Mufeums hat leider weniger rafhe Fortfiritte gemadt, als es
erwünfcht und möglid gewefen wäre. Die Vollendung des Banes fann
daher erft für das Frühjahr 1899 und die Eröffnung des Mufeums dem-
gemäß für den Herbft deffelben Jahres erwartet werden. Um fo erfreulicere
Erfolge find dagegen in der Dermehrung der Sammlung des Runftgewerbe-
Mufeums während des Berihtsjahres zu verzeihnen, welder der Verein
allzeit feine Hanptthätigkeit gewidmet bat. Die Anzahl aller Neuerwerbungen
des Mufeums aus Anfdufen, Ueberweifungen und Befhenten beträgt nad
dem Zuwachs-Verzeihnig 1897/98 209 Nummern im Befammtwertb von
49,627 M. (im Dorjabre 150 Nummern zu 27244 M.). Davon entfallen
auf die Mittel des Dereins, einfhließlih des 3000 M. betragenden Zuſchuſſes
der Provinzial-Derwaltung, 7840 M. (im Dorjahre 6408 M.). Serner ent-
fallen auf Gefchente von Dereinsmitgliedern und auf Ueberweifungen 25245 M.
(im Dorjabre 4886 M.) und auf ftädtifhe Mittel, einfhlieglih der Zuſchüſſe
von der lönigl. Staatsregierung und aus dem Dispofitionsfonds des Herrn
Oberbiirgermeifters 16407 M. (im Dorjabre 16150 M.). Der werthvollfte
Zuwads ift den Sammlungen der Blasgemälde zu Theil geworden. Gn die
erftere Abtheilung wurde durd Befhluß der Stadtverordneten-Derfammlung
aus der Rathefapelle iiberwiefen ein grofes Rircdenfenfter von 2,70 Meter
Höhe und 1,75 Meter Breite. Es ift eine Aölnifche. Arbeit aus dem 15. Jahr-
hundert und zeigt im Mittelfelde die Anbetung der bl. drei Rönige; in die
wohlerhaltene Mafwerfbefrsnung Ift in zweimaliger Wiederholung das von
wilden Männern gehaltene Wappen der Stadt Röln eingeordnet. Angekauft
wurde ferner das im Jahre 1818 aus der Tarmeliterfiche zu Boppard a. Rb.
mit zablreihen andern Bemälden verkaufte fogenannte Raiferfenfter, ein drei-
theiliges Blasgemälde aus dem Ende des 14. Jahrhunderts mit einer Marien-
darftellung und den 10 Geboten, von 4 Meter Höhe und 2,50 Meter Breite.
(Dergl. Dr. Oidstmann, Die Blasmalerei, Adln 1898.) Dadurd ift wenigftens
eines der Hauptwerfe aus der berühmten folge der Bopparder Fenfter wieder
für dag Rheinland dauernd zurüderworben worden. Scließlih erhielt das
Mufeum als Gefdhent eine der hervorragendften Blasmalereien aus der im
November 1897 in Köln verfteigerten Sammlung des Grafen Douglas. Es
ift ein dreitheiliges Dotivfenfter mit der Muttergoites in der Blorie, flanfirt
von Johannes dem Täufer und der bl. Margaretha mit den figuren des
EStifters aus Bafel und feiner frau. Es it im Jahre 1528 fiir St. Blafien
geftiftet, wahrfheinlih aber in Bafel ausgeführt. Das 1,45 Meter hohe und
1,60 Meter breite Fenfter zeigt die im Mufeum bisher faum vertretene, ober-
theinifch-chweizerifhe Blasmalerei auf der Höhe ihres Rönnens. Der Rauf-
preis von 21 780 M. wurde durch Befchente mehrerer Kölner Bürger und
einen Zufhuß des Runftgewerbe-Dereins aufgebracht.
Berlin. — Um über eine Ehrung für Friedrid Befelfhap zu
berathen, trat die Röniglihe Akademie der Künfte am 10. Juni zu einer
auferordentliden Sikung, an der fih der Befammtfenat und die Benoffen-
f&haft betheiligten, zufammen. Gn ergreifenden Worten fhilderte der Präfident
den unerfeglihen Derluft, den die Akademie und die deutfche Aunft durch
diefen Tod erlitten hat, und tief bewegt folgte die Derfammlung feinen Aus-
führungen. Bei Erwähnung der pietätlofen Auslaffungen, mit denen eine
fonft geachtete biefige Zeitung die erfte Wadridt von dem Todesfall begleitet
hatte, verbeblten die Anwefenden nidt ihren Unwillen und erklärten ein-
ftimmig, den fhon erfolgten Proteft dagegen and zu dem ihrigen zu machen.
Ueber die legten Tage Gejelfhap's gaben Briefe der Profefforen Hans
Meyer und Meurer in Rom, die der Präfident verlas, ausführlihde Nachricht.
Jm weiteren Derlauf der Sigung faßte die Derfammlung darauf folgende
Beihlüffe: J. Die Röniglihe Akademie der Rünfte wird für die Errichtung
eines würdigen Denkmals auf dem Brabe des Derftorbenen Sorge tragen;
2. fie nimmt eine Ausftellung feiner Werke im Atademiegebäude in Ausficht;
3. fie wird ih bemühen, die Erwerbung feines fünftlerifhen Yladlafies durch
die Röniglihe Staatsregierung herbeizuführen, die ja der bildenden Aunft ein
großes Gntereffe zumendet. Es entwidelt h tn Berlin mehr und mehr ein
teges Runftleben, das fih unter anderem in manderlei Zuwendungen zur
Förderung fiinftlerifher Beftrebungen tundgiebt.
So find aud, wie befannt, für die diesjährige Broße Berliner Runft-
ausftellung zur förderung der Beftrebungen deutfher Rünftler auf
dem Bebiete der Rleinplaftit JO 000 Mark aus öffentlihen Mitteln zur
Deutfhe Runft.
355
Derfügung geftellt worden. Es find bereits eine Anzabl von Bronzen aus
diefen Mitteln angefauft, und es befteht die Abficht, die gleihe Summe für
den genannten Zwed and für die nädftjährige Ausftellung flüffig zu maden.
Daraus foll wiederum der Ankauf figürliher Bronzen bewirkt oder die Aus»
führung ausgeftellter Modelle in Bronze ermögliht werden. Dorausfegung
ift, dah die Runftwerfe vorher noch nicht öffentlih ausgeftellt waren und aud
im Jahre 1899 weder anderswo ausgeftellt nod dem Handel übergeben
werden.
— Die Ausftellung von Werken der modernen Runfttöpferei
im Röniglihen Runftgewerbe-Mufeum ift bis zum 5. Juli verlängert worden,
da Ende Juni die Töpferei-Benoffenfhaft und der Derband der feramifchen
Gewerke ihre Sigungen in Berlin abhalten und das Gntereffe an der Aus-
ftellung in diefen Areifen erflärliher Weife ein befonders großes ift. Eine
Dereinigung fpezififd moderner Arbeiten und Derfahrungeweifen ift bisher
weder in Deutfdhland nod im Auslande in gleiher Dollftändigkeit vorgeführt
worden.
Münden. — Die Runftausftellung der „Sezeffion" ift nod um
ein zweites Oelgemälde „Sonniges Thal von dem fhottifhen Riinftler
James Paterfon bereihert worden. Die von Herrn Diaghilew in
St. Petersburg gefammelte Rolleftion von Werken moderner finifher und
rufifher Rünftler, die in folder Reihhaltigkeit und Bediegenheit zum erften
Male in Münden vertreten waren, muß leider fchon in den nadften Tagen
einem anderen LBeftimmungsorte zugeführt werden und wird daher neuen
Werten von Uhde, Zügel, A. Keller und anderen Münchener und auswärtigen
Meiftern Plag machen. Das Verlaufsrefultat ift bis jext ein verhältnismäßig
günftiges zu nennen. Der bayerifhe Staat hat für die f. Pinakothek die
Oelgemälde „Abendlandfhaft" von Karl Haider in Sclierfee und „Der
Steinbruh" von W. Y. Macgregor in Albyn Lodge angefauft und ebenfo
wurden von der Stadt Leipzig für das dortige FKädtifhe Mufeum die Oel-
gemälde „Abenddämmerung" von Paul Wilhelm Keller- Reutlingen in
Ffürftenfelöbrud, „Portrait des Runfttritifers und Malers Pittore Grubicy
de Dragon" von Giovanni Segantini in Maloja und „gm Stall“ von
Pierre Jacques Dierdr in Antwerpen erworben. ferner wurden verkauft
das Delgemälde „Die Here von Ludw. von Zumbufh in Münden, das
Aquarell ,,frauenfopf* von Fernand Rbhnopff in Briiffel und eine
Radirung „Alte Brüde* von Albert Baertfoen in Bent. Don den
Tiffany-Dafen gingen bereits drei in den Befig des belgifhen Riinjtlers
Philippe Wolfers über, der feinerfeits felbft and mit einer gediegenen
Rolleftion moderner funftgewerbliher Werke in der Ausftellung vertreten ift.
Eine Pafe von Gallé erwarb der Direktor des ftädtifhen Mufeums in
Magdeburg.
Weniger befriedigend lauten die Berichte über die Ausftellung im
Glaspalaft, die, um ohne weitere Auslafjungen kurz zu refjumiren, für die
Runft ein Mißjahr fonftatiren, dem bhoffentlid ein um fo erfreulicheres folgt.
Wenn man ih auh in die Enttäufhung, die diesmal der Blaspalaft im
großen Ganzen bietet, ruhig fügen muß, fo erfcheint es doch angebracht, einen
Mifftand zu betonen, um möglider Weife feiner Wiederholung zu fteuern.
Der Ratalog ift wieder fo unpraktifh wie im Dorjabre; man muß in
jedem Rabinet Dutendemal blättern, um das Bewollte zufammenzufinden ;
das ift für Werke, die obnebin wenig Reize haben, eine etwas ftarfe Ju-
muthung. Dielleiht bringt das nadfte Jahr hierin eine Befferung.
Dresden. — Die Dresdener Bemäldegalerie It fo reih an Ge
mälden alter Meijter und befigt eine ganze Reihe berrliher Schöpfungen des
farbenfreudigen Rubens, daß Herr Arno Wolffram vielleiht mit einem
anerzogenen Jntereffe des Dresdener Publitums rednen darf, wenn er in
feinem Runftfalon im Diktoriahaufe das bekannte Bild des großen Nieder-
landers , Cimon und Pefa ausftellt. Ob die Darbietung des Bemäldes,
fowie der drei Roloffalbilder „Thefeus und Ariadne, ,,Dec Triumph des
Helden im Leben“, „Die Jungfrau von Orleans im Kerker", von dem In
Rom in den fehziger Jahren geftorbenen Hermann Schlöffer aud fünft-
lerifches Bedürfniß ift, darf wohl bezweifelt werden. Zu zeitgemäßen Dar-
bietungen fehlt num aber einmal gegenwärtig das Material, das für den
Sommer die großen Aunftausftellungspaläfte aufgefogen haben.
€s berrfcht trog aller Ausdauer von Seiten ihrer Gnbhaber in unferen
Runftfalons dodh fommerlihe Stimmung, wie überhaupt mit der fddnen
Jahreszeit au im Runftleben Rube eingetreten ift, die dur eine Jubiläums-
feier faum merklih geftört wurde. Am 23. Juni feierte Johannes
356
Shilling feinen fiebzigften Geburtstag. Der Meifter ift auf der Höhe des
Lebens angelangt, wo er anh bet ftiller Cinfebr in fih felbft der Rube
pflegen Sarf, dte wir ihm vom Herzen gönnen.
Leipzig. — Jm Oberlidhtfaale des Runftvereins wurde im Juni
eine Rolleftivausftellung von Aquarellen der Befellfhaft deutjher Aquarelliften
eröffnet; nambafte Meifter, als Ludwig Dettmann, Walter Leiftifow, franz
Starbina, Hugo Vogel, Arthur Rampf, Julius Wengel, Alerander Schmidt-
Midelfen, Hans Herrmann, Hans von Bartels, Friedrih Wahle, Friedrich
Stahl haben fi am diefer Ausftellung betheiligt. — Jn demfelben Saale
find ferner ausgeftellt: Bemälde von Beorg Ludwig Meyn-Berlin, Paul von
Ravenftein- frankfurt a. M., Jacobus Leiften-Diiffeldorf, Gertrud Stehow-
Berlin, Anna Gamminus-Dresden, Mathilde Ropp-Stuttgart, Mag Merter-
Weimar, Rihard Cfcfe-Rarlsruhe, Werner Schud-Dresden, Oetar Starte-
Dresden, 19. Degode-Raiferewerth, Heinrih Bärtner-Leipzig.
on den übrigen Sälen befinden fih Gemalde von Paul Andorff-Hanan,
Ella Hagen, Hugo Gugg, Elifabeth Zucht, Marie Orthaus, fämmtlid in
Leipzig, Wilh. Hertling-Miindhen, Pauline Rell-Plauen i. V., Emil Henjcel-
Berlin, frig Waben-
bufen-Gr.Lidterfelde,
Deutfhe Runft.
ein ganz junger Riinftler, 3wei practige Winterftimmungen aus Neuß mit
wundervoller feinfiibligfeit in der Behandlung des Tones aus.
Ein willfommener Gaft ift Profefor Ludwig Dettmann (Berlin), der
fein Triptyhon „Das Dolfslied'' gefandt hat. Die drei Darftellungen
charafterifiren die drei volfsthiimlidften Arten des deutfhen Dolksliedes, das
Liebeslied („Rein Feuer, Pine Roble fann brennen fo heiß‘), das Soldaten-
lied („Rein fhönerer Tod it auf der Welt“) und das Burfdhen-Wanderlied
(„Es ziehet der Burfch' in die Weite).
Die Plaftit ift durch nur drei Arbeiten, einen gut modellirten „Raifer Wilhelm‘
von C. Bufder, einen „ARaifer friedrid von L. Miifd und eine allegorifche
Stauengeftalt ,,Die Gaftfreundfhaft von G. Rug vertreten.
Karlsruhe. Colleltivausftellungen find modern und aud be-
tedtigt, da fie vom Schaffen eines Rünftlers ein umfaffendes Bild geben und
feine Entwidelung in ihren verfhiedenen Stadien vor Augen führen. Sie
haben aljo unbedingt einen hoben fünftlerifhen und auch erzieherifhen Werth,
da fie beweifen fönnen, daß aud) Meifter wie Bödlin nidt vom Himmel ge-
fallen find. Gn Rarlsrube ift nun aud Safha Schneider eingefehrt, der
junge Rünftler, der
es mit bemunderns-
Emmi Rofe- Berlin,
Eugenie Dillmann-
Charlottenburg; fo-
wie ein Bronzerelief
von Kurt Störing-
Berlin, ein Bronze-
relief von Paul
Sturm-Leipsig und
Portraitzeihnungen
von Hans Solt-
mann-Münden.
Zwickau.
Dem Komponiſten
RobertShumann
will feine danfbare
Daterftadt ein Denf-
mal erridten, fiir das
35 000 M. verfügbar
find. Zur Aufftellung
hat der Rath der
Stadt den Haupt.
martt, wo Sdu-
werther Energie ge-
wagt bat, die lange
Zeit mißadtele Rare
tonfunft mit ibrer
ausgefprodenen Be-
vorzugung der form
vor der farbe zu
neuem Leben 3u er-
weten. „Es ift voll-
bradt‘‘, „Sein Shid-
falt, „Der Herr der
Erde” und „Der
Gram find Rompo-
fitionen von wud-
tiger Bröße, von
Monumentalität und
ernfter Bedantentiefe.
Sein „Männerge-
fangverein‘‘, ein Bild,
das der Natur bis
auf die feinften Züge
abgelanfdt ift, zeigt
uns den bedeutenden
|
mann's Geburtshaus Riinftler aud von
flebt, oder den Schu- einer liebenswiirdi-
mannplat einge- gen, bumorvollen
räumt. Das Stand-
bild foll im Fahre
1900 enthüllt werden.
Düffeldorf. — Die Ausftellung des „Runftvereing für die Rhein-
lande und Weftfalen‘, deffen Mitgliederzahl das fiebente Taufend bereits
fiberferitten hat, fann zwar ihren offiziellen Charafter niht verleugnen,
zeichnet fih aber do von früheren Deranftaltungen duch eine große Auswahl
guter, Fünftlerifher Arbeiten aus. Sicher bat eine reichlihere und beffere
Beihidung, an der die Sezejlion lebhaften Antheil genommen hat, wefentlid)
dazu beigetragen, das Niveau der Ausftellung über das einer bloßen Derfaufs-
ausftellung zu heben. Wiinfdenswerth ware es freilich, daß fünftig niht
allzu viele ältere Bilder zugelaflen würden. Namentlih unter den figuren-
bildern finden fih mange alte Bekannte, die man wohl von Zeit zu Zeit
ganz gerne fieht, aber gewiß nur dann, wenn fie einem lange nicht zu Beficht
gefommen find. Sehr viel Unzureihendes bietet neben Gutem die Landfdafe-
malerei.
Hu dem Beften gehören die Landfhaften von Eugen Rampf, deffen
fraftvolle Farbengebung in feinen niederrheinifchen und flandrifhen Stimmungs-
bildern die tiefiten Beheimnifje der Stimmung erfhließt. Auh H. Hermanns
ift als Landfchaftsmaler eine höhft willfommene Erjdeinung. Sein Amfter-
damer Marktbild ift von intimftem Farbenreiz. Zu den vornehmften Aus-
ftellern gehört H. Mühlig mit feinen ungemein fein abgeftimmten bejjifchen
Waldlandfhaften. ©. Fernberg ftellt einen Oftobermorgen, Mar Clarenbad,
Karl Bledhen, Kandjhaft, Federzeichnung.
Seite. Dah Chrifti-
an Wilhelm Al-
lev's unglüdlicher
Weife neben Safa
Schneider geraten ift, führt zu einem Dergleih, der zu Ungunften Allers
ausfallen muß. Der Rellerfhüler Otto Propheter dagegen weiß fih mit
feinen feds brillant gemalten, lebensvollen Bildniffen, unter denen das
Portrait feines Lehrers befonders hervorgehoben zu werden verdient, als
ein mit ausgefprodenem Farbengefühl begabter Schilderer der verfchieden-
artigen menfdliden Gndividualitét und würdiger Vertreter der Karlsruher
Runft zu behaupten, der es verftanden bat, fih unter der tüchtigen Leitung
feines Meifters feine Selbftftändigfeit zu bewahren.
Stultgart. Den Hauptinhalt der Ausftellung des „Württembergifhen
Runftvereins“ bildet die LCandfhaft in ihrer mannigfaltigen Beftalt und ihrem
Derhältniß zu dem Menjhen. Wenn felir Hollenberg in feinen Bildern
mehr perfönlihe Stimmungen zum Ausdrud bringt, fo leiftet Zoff (München)
als objeftiver Schilderer Tüchtiges, befonders in feinen Studien und Skizzen.
Anfprehende Arbeiten find aud Giefes (Münden) fonnige Straße, Remp-
ters (Münden) „Lette Ernte und „Sonniger Morgen" von W. Bartels
(Düffeldorf). W. f. Bredt (Ruhpolding) erfheint nad längerer Paufe auf
dem Gebiet, wo wir ihm am liebften begegnen, als Bildnifmaler. Brünn
(Rom) giebt eine Meine Näbhterin in der fubtilen und vornehmen Behandlung,
die Wefen und Werth derartiger Vorwürfe bilden muß.
Deutſche Runft.
Uhr und Dafe in Rokoko.
Wenn unfere Porzellanmanufatturen
nod immer am Rofofo fefthalten, fo liegt das daran,
daß noch fein Stil wieder erftanden ift, defen Ge-
bilde der Eigenart Se3 Materials beffer entfpräcen.
Blüdlihe Rompofitionen, zu denen die an Willkür
ftreifende „Freiheit, die nur liebevollem Verftändniß dte
Gejegmäßigkeit offenbart, genügenden Spielraum läßt,
führen gerade im Rofofo immer wieder zu reizvollen
Neubildungen.
Die Uhr und die Dafe aus der Röniglihen Porzellan-
mannfaftur find in jenem Uebergangeftil gearbeitet, der
die leiten Bildungen des Rofofo dem Rahmen einer
ftrengeren, in ji gefchloffenen Fformengebung anpaft. Die
Engelsgeftalten an den Eden der Uhr — befonders die Köpfe — zeigen nod
ganz den Charakter des Stiles Ludwigs XV., während die mäßig ge-
fhwungenen Umtiffe des Beräth-Rörpers und der füğe auf den feines Nad-
folgers hinweifen. Die fobaltblay unter der Blafur gemalten Ornamente
lehnen ih an japanifhe Vorbilder an. Die beiden Masfen unter den
Henfeln der Pafe zeigen im Profil den leife Farifirten Ausdrud, der den
legten Zeiten des Rokoko eigenthiimlich ift.
— Das alte Wabhrzeihen der Stadt Olmüß, die im Jahre 1420
errihtete Runftubr, ift am 22. Mai in neuer Bejtalt enthüllt worden. Sie
ift in einer 15 m hohen und 5 m breiten Nifhe des alten Rathhaufes unter=
gebradt und beftebt aus dret Gruppen. Gn der Mitte der untern Gruppe
it eine Scheibe, die in ihrem Zentrum die Sonne zeigt. Aus deren Mitte
ragen fehs fürzere und längere Zeiger hervor, die, an ihren Spiken Sterne
tragend, die Bewegung der Planeten Merkur, Denus, Erde, Mars, Jupiter
und Saturn zur Anfhauung bringen. Nur die Erde ift als eine Rugel dar-
geftellt, um die fih eine fleinere Rugel, der Erdmond, bewegt. Die Um-
drebungen diefer Zeiger entjprehen den Umlaufszeiten der Planeten, und da
am Rande der Scheibe die Seiden des Thierkreifes in Lünftlerifher Weife
dargeftellt find, fo laft ein Blit auf diefes Blatt erkennen, in weldhem
Sternbilde ein jeder diefer Planeten jeweilig zu fuden if. Zu beiden Seiten
diefer Planetenjheibe find vier Zifferblätter angebradt, die die Stunden und
dte Minuten der jegt gebraudliden Tageseintheilung zeigen; eines derfelben
zeigt die 24-Stundeneintheilung des Tages und das vierte giebt die Stern-
zeit an. Unterhalb der Planetenfceibe fiebt man das Ralendarium, das
Datum, Wodentag, Mamensangaben der Kalender u. f. w. enthält. Die
GSeitenwändr zieren Malereien von Bitterlih in Wien in Bel und Fresfo.
Der Plan zu diefem eigenartigen und hddft intereffanten Runftwerle wurde
von dem Arditeten Dammer in Wien entworfen, der feine Aufgabe, üh
foviel ale möglih an die biftorifhe Form zu halten, auf die glüdlichfte
Weife löfte. Die Roften von 25000 Gulden wurden von der deutfden
Bürgerfhaft von Olmüb, durch Beiträge der Olmüter Sparkaffe, fowie duch
Legate innerhalb eines zwölfjährigen Zeitraumes aufgebradt.
— Jn der Ausftellung des Miindhener Runftgewerbevereins
intereffirten neue Fierglafer aus der großen Blaswaarenfabrif in Dallerya-
thal in Deutfh-Lothringen. Man darf fie als Yachbildungen der Bläfer
von Gallé und Daum in Nancy bezeihnen, deren fünftlerifhen Werth fle
jedoh nicht erreiben. Gmmerbin befinden fih unter ihnen anmuthige und
zierlihe Schmudftüde, die bedeutend billiger find als die Galle'ſchen
Arbeiten.
— Gm Hamburger Mufeum für Runft und Bewerbe ift ein in
Rarl Engelbredt's Werkftatt vollendetes grofes Glasmofail-fFenfter ausgeftellt,
das zu den beften Leiftungen diefer aud außerhalb Hamburgs anerkannten
Werkftatt gehört. Durch eine von Rofen und Schwertlilien umwadjene
Baluftrade blidt man auf einen Teih, auf defen Spiegel Wafjerrofen blühen
as
leſſer⸗
und jenſeits deſſen über einem Wieſenplan Aecker mit Baumreihen an den
Wegen h in die Ferne ziehen. Ein Geäſt von Roßkaſtanlen breitet ſein
Laubdach über den Vordergrund, hell, wo die Blätter über dem Wieſengrund
ſtehen, dunkeler, wo ſie von dem gelbleuchtenden Abendhimmel ſich abheben.
In geſchickter Auswahl der farben, der Aederungen und Flammungen des
Glaſes ſind alle Einzelheiten aus dem von Engelbrecht verarbeiteten aus—
gezeichneten amerikaniſchen Rohſtoff geſchnitten und zu einer prachtooll deko⸗
rativen Geſammtwirkung vereinigt. Ein Vergleich dieſer Leiſtung mit einem
fürzlid von einer Müncener Firma für ein biefiges Privathaus, den Poft-
bof, gelieferten fenfter, das in gleiher Tednif aus demfelben Material ge=
arbeitet ift, Pann allen, die fih für das hamburgifhe Aunftgewerbe inter-
efiren, empfohlen werden. Es wird nicht zu Ungunften Hamburgs ausfallen.
— Der Ingenieur Weefer- Rrell aus Schloß Haus bei Linz hatte vor
einiger Zeit die Ehre, von dem Raifer empfangen zu werden und ihm feine
eigenartigen, auf einem neuen Herftellungsprinzip beruhenden perfpeftivifden
Heihnungen vorführen zu dürfen. Die Weefer-Krell'fhen Arbeiten find aus
früheren Ausftellungen nit unbekannt und beruhen darauf, daß die Bilder
von einem in der Höhe angenommenen, in beftimmter Entfernung und Höbe
gesahten Punkte nad den Bauplänen oder nad im Maßftabe gezeichneten
Skizzen zunähft in perjpektivifcher KAonftruftion gezeichnet und dann mit
Tufche ausgemalt find. Auf diefe Weife wird eine außerordentlihe Benauig-
keit erzielt, die bei den von Weejer-Rrell angewandten ungeheuren Brößen-
verhältniffen eine überrafhende Wirfung madt. Don größeren Arbeiten er-
wähnen wir ans dem Gebiete der Arditeftur die Petersfirhe mit Datifan
(im Befige des Papftes), die Hofburg in Ofen (im Befike des Raifers von
Oefterreih) und ein mehr landjhaftlihes panoramaartiges Bild des Seebades
Heringsdorf. Es fhweben jezt auh Verhandlungen, um eine Wiedergabe dir
Marienburg in gleicher Weife vornehmen zu laffen, und nad Befidtigung der
vorgelegten Arbeiten foll fid) der Raifer in hohem Grade dafür intereffiren.
Ganz eigenartig find diejenigen Arbeiten, die nicht nach der Natur entworfen,
fondern nad Bauplanen gezeidnet find, fo der Dulfan in Stettin und der
Llopdhafen in Bremerhafen. Auf beiden Bildern begegnen wir Schiffen, die
zur Zeit der Herftellung des Bildes nod gar nidt fertig waren, fondern bel
denen nut die fonftruftiven Baupline vorgelegen haben, dle aber in aufßer-
ordentliher Vollendung dargeftellt find. Sole der Entftehung vorauseilende,
mit mathematifcher Benauigfeit gezeichnete Bilder fönnen bei vielen Gelegen-
heiten erheblihe Bedeutung baben, und es wird durch fie 3. B. ermöglicht
werden, Ausflellungsbauten nit nur im Augenblid ihrer Eröffnung, fondern
fhon vorher künftlerifh und tehnifh vollendet in der Reproduktion befannt
3u maden. Zwijhen dem Riinftler und dem NReichsverfiherungsamte wird
jegt verhandelt wegen einer bildlihen Darftellung der von diefem Amte ger
planten Befhidung der Parifer Weltausftellung. In tednifhen Kreifen findet
das Weefer- Rrell'fhe Verfahren viel Beachtung, und in den Areifen unferer
großen Gnduftrie fheint man diefer Darftellungeweife befondere Beneigtheit
zuzumwenden, da außer dem Lloyd und dem Dulfan u. a, audh Krupp eine
Darftellung feines Efjener Etablifjements im Auftrag gegeben bat. Unter
den beendeten Arbeiten befindet fih aud eine vollendet ausgeführte Dar
ftellung der Stollwerd’jhen Fabrifen in Röln.
— Eine Ausftellung von Gemälden iad einem neuen Malvere
fahren (von f. R. Fleifher) findet zur Zeit in Charlottenburg, Ublands
ftrafe 124, II Tr., ftatt und ift taglid von 10 bis 5 Uhr geöffnet. Ueber
diefe neue Aquarelltednif wird uns gejchrieben: Ste befeitigt das ftumpfe
_ und Freidige Ausfehen der Aquarellgemälde und verleiht im Begenfatz zu
dem bisherigen Verfahren größere Rlarbeit, Zartheit, Tiefe und Leuchtkraft
aud) der dunkelften Töne und geftattet die zarteften Uebergänge und natur-
getrene Darftellung der Blanzerfheinungen der Luft. Die fdwierige Be-
handlung des Weiß ift vollftändig befeitigt. Die Bröße der Malflacde ift
bedeutungslos geworden. Die größten Wolfenmaflen können wie die Fleinften
Jsederwölthenfhwärme in allen Schattirungen und Modellirungen obne Ver.
358
wafhung, die fidh bei quadratzentimetergroßen Malobjeften iiberhaupt nicht
anwenden ließe.
— Der deutfhe Raifer bat dem Bildhamr Ludwig Cauer in
Berlin in defen Atelier einen Befuh abgeftattet, der den Arbeiten für die
Siegesallee galt. Heren Ludwig Caner ift die figur Raifer Rarls IV., des
Lugemburgers übertragen; beigegeben werden ibr die Büften von Dietrich
Portig, Erzbifhof von Magdeburg, und Alaus v. Bismard, martgraflidem
Hofmeifter. Der Raifer äußerte feine volle Anerfennung über die Arbeiten,
aud die in gothifchem Stil gehaltene Architektur gefiel ipm fehr. Karl IV.
ift dargeftellt mit dem Landbud für Brandenburg und mit einer Beldtafce,
anf die er die Hand hält, der Erzbifchof mit einer Urkunde und dem Schwert,
Rlaus v. Bismard mit dem Hofmeifterftab.
— Unter dem Titel Rünftlerbaus, „50 Jahre Sfterreihifder
Malerei“ findet von Anfang Oftober bis in die erften Tage des Monats
Dezember 1898 in Wien im Rünftlerhaufe der zweite Theil der Zubiläume-
Runftausftellung ftatt. Es foll hierdurd ein vollftändiges Bild des Schaffens
verftorbener Sfterreidhifcher Meifter in dem Heittaume von 1848 bis 1898 zur
Anfhanung gebracht werden.
Die P. T. Befiker einfhlägiger Werke
werden gebeten, diefe gefälligft für die
Ausftellungsdauer zur Verfügung zu
ftellen.
Die Benoffenfhaft der bildenden
Riinftler Wiens behält fih die Sichtung
des Materiales vor und tragt fammtlide
Transport: und Verfiderungsfoflen. An-
meldungen wollen an das Sefretartat des
Künftlerhaufes, Wien I, Lothringerftraße
Ar. 9, baldmöglihft gerichtet werden.
Einfendung Anfangs September.
— Die werthvolle Bemäldegalerie
des befannten Wiener Aunftjamm
lers Karl Peßl, die fürzlih im Ru-
dolph Lepte'fhen Aunftauftionshaufe zur
Derfteigerung fam, erzielte recht anfebn-
lide Preife. Das Hödftgebot von 2810
M. wurde für Antonio Rotta’s „Schufter-
junge" abgegeben. Eugen von Blaas’ - BREISE
„Blumenmädchen““ erzielte 1800 M.
Eduard Grükner's „Adlerjäger 1700 M.,
Robert Schleih's „Prozefion in Tirol‘
1500 M., €. v. Merode's „Brünzeughändlerin“ 1410 M., Mathias Schmidt's
„Geſtörte Andacht“‘ 1280 M., Hugo Rauffmann's „Dirndl mit Spiegel‘ 1200 M.,
Hubert Herfomer’s bumoriftifhes Genrebildden „Auf der Landftrage 1090 M.,
B. Faquet’s ,,Morgentoilette’ 1080 M., Anton Müllers „Alter Ubrmacer in
feiner Werkftatt‘‘ 1010 M. und eine Marine von Andreae Adhenbad, fo wie
ein intereffantes Wirthshaus-Gnterieur von Hugo Kauffmann je 1000 M.
Eduard Griigner's harakteriftifhes Bruftbild eines Rardinals ging für 970 M.,
Karl Schweninger's „Mufitftunde für 900 M. fort, die „vier Temperamente",
Bleiftiftzeihnungen von Eduard Griigner, wurden mit 860 M. bezahlt, den
gleih hohen Preis erzielte aud Rlaus Meyer's fleines Bild „Zn der Studir-
ftube‘, während ein Rinderfopf von friedr. Aug. von Raulbad auf 800 M.
au fteben fam. Anton Miller's „Sinnendes Mädchen“ bradte 650 M. und
Hugo Rauffmann’s „Rauchender Wirth, Gofef Bifela's „Balantuomo" und
Franz von Lenbad's „Damenbildniß“ erzielten je 600 M.
Uhr und Pafe.
— Da Muntacfy unbeilbar der Beiftesftörung verfailen ift und feiner
Auflöſung entgegengeht, iſt ſeine Wertftatt in Paris verfteigert worden. Der
böchfte Preis wurde für einen Ecce homo erzielt: 15100 st, Studie fiir
einen Gefrensigten 1050, Liszt 4980, der fterbende Mozart 5000, fhlafende
Frau (Studie) 960, Skizzen für die Dedengemälde im Mufeum zu Wien
270, 500, 800, 550, Frauenfopf 1500, Abgang zum Ball 520, Männer-
bildnig 1520. Außerdem: Charlemont, Ropf 1000, Daubigny, blühende Apfel-
bäume 4150, Ribot, Wandernde Sanger und Mufifanten, 4000, Bilbnif des
Erasmus, Holbein'{he Schule, 700 fr. — Ein ungenannter Befiger ließ eine
Kopie der Rrönung Napoleone I. von Louis Davið für 50000 ft. auebieten,
Sod wurden nur miibfam 32000 fr. erreicht.
3 — Deutſche Kunſt.
Königliche Porzellanmanufaktur Berlin.
— Die Verſteigerung der Gemäldeſammlung des verſtorbenen
Jofef Rufton (Monts Manor, Lincoln) 30g im Mai eine groge Menge Runft-
fenner Englands und des Feftlands in das Feftlofal Chriftie in London. Fn
weniger als drei Stunden waren die etwa 100 Stiide verfteigert und zwar
für die hohe Befammtfumme von 43007 Pfund Sterling. Von €. Burnes
Jones waren vier Bemälde da. Sein „Spiegel der Venue (1875), der
1892 in der Lepland-Derfteigerung 3400 Bu. einbrachte, wurde von fairfag
Murray für 5450 Bu. erfteigert. Das ift die hddfte Summe, die für ein
von diefem Meifter gemaltes Bild gezahlt worden if. Sein ‚Chant d'amour‘,
das 1886 für 350 Bu. verkauft wurde, flieg nur mäßig auf 3200 Bu. Am
meiften umworben waren Dante G. Rofetti's dret Bilder. Sein „Deronica
Deronefe, eine Frauengeftalt, die 1892 in Leylands Derfteigerung 1000 On.
foftete, würde für 1550 Bu. verkauft; fein „Dante an der Bahre Beatrice's'*
(1880 für W. Graham gemalt, nah deffen Tode 1886 fiir 1000 Bu. verkauft)
flieg auf 3000. Seine „Bhirlandata‘, 1877 gemalt und 1886 fiir 1000 Gu.
verkauft, ftieg ebenfalls auf 3000 Bu., d. b. 3 Bilder diefes Präraphaeliten,
für die 3000 Gu. vor wenigen Jahren als ein guter Preis galten, find mit
7550 Gu. bezahlt worden! Auh Watt's Bilder fteigen im Werthe. Sein
„Dorabend des Friedens" bradte 1865 in der Ridard'fhen Der-
fteigerung 950 Bu., am Sonnabend waren es 1350. Unter den 35
alten Meiftern find zwei bemerfenswerth: A. Dandyd, „Madonna
mit Rind“ aus der Sammlung des Blenheim-Palaftes, 1000 Bu.,
1886 wurden nur 500 Bu. erzielt. Am meiften Gntereffe erregte
das wohlbefannte Bildnif Nicholas Ruts von Rembrandt; diefes
Gemälde mit der Jahreszahl 163) wurde von der Königin von
Holland der Familie Rooms Winbel in Haag abgefauft und
brachte 1850, als die Sammlung Wilhelms II. von Holland unter
den Hammer fam, als ,,Bildnif eines
Rabbi 283 Pf. Sterl. ein. Gn der
Derfteigerung der Gemälde des Adrian
Hope 1894 wurden 4700 Gu. dafiir ge-
zahlt und als das Bild unter allgemeinen
Beifallorufen auf die Staffelei geftellt
wurde, erftand es Martin Colnaghi für
5000 Gu.
Jn Rrefeld fand fürzlih bei Eröff-
nung dernenen Stideretabtheilungder
Rönigl. höheren Webfchule eine Aus-
ftellung von Aunftftidereien ftatt, welche
auf Nähmafchinen der Singer Co. ber-
geftellt worden find. Dielen will es
nicht recht glaubhaft erfheinen, daß die fünftlerifh ausgeführten Arbeiten mit
der Nähmafchine geftidt find. Das Ausfhalten des Stofftransportenrs mittelft
einer fleinen Dedplatte und die Wegnahme des Preffußes genügt, um die
Mafchine zum Stiden fertig zu maden. Das Stiden felbft wird in der Weife
bewirkt, daß der in einem Stidrahmen eingefpannte Stoff in geeigneter Weile
unter der fih auf und ab bewegenden Nadel hin und her geführt wird; die
Stihe werden in derfelben Art wie bei jeder Stiderei gelegt. Betrachten wir
die verfchiedenen Arten von Stidereien, fo find zuerft in großer Zabl prächtige
Gardinen und Stores aus feiner Seidengaze, befidt mit reihen Blumen-
muftern in Plattftiftiderei, fünftlerifh abfhattirt; ferner mittelft Durchbrud-
arbeit und Schnurftiderei ornamentirte Stüde, bei welden befonders bewunderns=
werth die gleihfalls mit der Nähmafchine hergeftellten Spikenftide find, die
an feinfte Brüffeler Spigen erinnern. Neben diefen zarten Gebllden feben wir
fhwere Portieren und Behänge aus Seide, Sammet und Plüfh; felbft diefe
werden troß ihrer Schwere von der Mafchine tadellos beftidt. Weiter find
Auflegearbeiten, darunter ein im Ton und in der Zeihnung befonders guter
Behang, zu nennen. Tednifh hervorragend ift eine Dete, bei der vom ur-
fpriingliden Grundftoff nichts mehr zu fehen tft. Reidhes Blumene und Blätter-
gewinde in Plattftiderei bildet Rand und Mittelftüd, während größere JS laden,
auf welden der Grundftoff weggefdnitten ift, duch Spitenftiderei ausgefüllt
find. Einen breiten Raum nehmen die Bemälde ein, die mit der Nähmajchine
geftidt find. Sie geben jedenfalls den Beweis, bis zu welder fünftlerifchen
Höhe es eine technifch gebildete Stiderin bringen fann, mag man auh fonft
der Anfiht fein, daß folhe Werke befjer dem Pinfel des Malers vorbehalten
bleiben. ‚Freilih wird die Näbmafıhine niemals die freifhaffende Runjtftiderei
erfegen können.
Preisbewerbungen
— Der Derfhönerungsverein in Friedtidsbhagen bei Berlin
fhreibt für eine Poftfarte mit Anfiht aus der Umgegend Friedridshagens
einen Preis von 100 Marf aus. Die Entwürfe find bis J. Ortober 1898 an
Herrn Xylograph Mar Rutfdher, Friedridshagen, mit einem Kennwort ver»
fehen, einzufenden.
— Ein Preisausfhreiben um Entwürfe für ein Andenken an
Nürnberg erläßt das funftgewerblide Magazin Gg. Leykauf für die
Rünftlerfhaft Deutfhlands und Oeſterreichs. Cinfendungstermin ift der
20. September 1898. Es werden 3 Preife von 500, 500 und 200 Mark in
Ansfidt geftellt und außerdem den Preisträgern Hoffnungen auf weitere Auf
träge gemacht. Näheres ift dur die genannte Firma zu erfahren.
— Der Maler Profefior Ernft Rober zu Düfjeldorf ift zum ordentlichen
Lehrer an der Runftatademie dafelbft ernannt worden.
— ferdinand Harper feierte am 22. Junt feinen fehzigften Geburtstag.
on Celle geboren, hat er feine Studien in Münden, Nürnberg und Rom
Deutfhe Runft.
| Weber befdaftigt,
und Perfönliches.
vollendet. Schilling und Hähnel waren feine Lehrer. "Seit Jahrzehnten ge-
hört er der B.riiner Aunftgenoffenfhaft an. Schnell beliebt it Harker dur
zwei Amor-Darftellungen geworden, von denen die eine — Amor mit der
Masfe — in Marmor im Berliner Schloffe ftebt. Sonft befigt Berlin nod
eine Reihe ftattliher Shöpfungen Harger's, von denen bier die acht großen
Figuren für die Dorhalle des Treppenhaufes der National- ‘Galerie, die fizende
Figur der Gefhihte auf dem Belle-Alliance-Plag und die Reliefs der
Germania und Berolina auf der Mihaelfichbrüde hervorgehoben feien.
Dielleiht das bedeutendfte Werk Harker's ift das Denfmal des Bifhofs Bern-
ward in Hildesheim. Zebt ift er mit einem Doppelftandbild von Bauß und
defen Modell eine Fierde der diesjährigen Runftaus-
ftellung bildet.
— Auguf Hörter beging im vorigen Monat das eigenartige Jubiläum
feiner vierzigjährigen Fünftlerifhen THätigfeit in Rarlstube mit einer Aug»
ftellung älterer und neuer Bilder in feinen Atelier-Räumen.
Rarlerube, den 19. Juni 1898.
Großherzoglich VBadiſche Staatsanwaltſchaft. |
Am Sonntag, 19. Funi If. Js. Mittags, wurde in der Bildergalerie zu
Rarlstube ein Oclbild auf Rupferbleh von „Davið Teniers (16. Jabr-
hundert) in der Bröße von 10,12 cm Gefloblen, insem es aus dem Rabmen
herausgebroden wurde. Es ftellt zwei Bauern (Bruftbild) dar, von denen der
eine (vordere) einen Stot trägt und fih nad dem anderen (bintern) umfiebt.
Vor Ankauf wird mit der Bitte gewarnt, Anhaltspunkte über den Verbleib
des Bildes fofort der nächften Polizeibehörte bezw. mir direft, wenn möglid
telegraphifch, mitzutheilen.
Der Broßberzoglide Staatsanwalt.
Dr. Grofe.
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II. Jahrgang.
15. Inli 1898.
Anfelm Feuerbach.
Pon Jarno FJeffen.
wollen. Gn der Dielfeitigkeit menfhliher Beftrebungen
l liegt der Reiz Ser Völtergefhidhte. Die Einheit in der
Dielheit foll fih dem Blid des Philofophen erfihließen.
Jn Spencer's „Feenkönigin““ prunkt die Böttin der Wandelbarkeit
mit fo überzeugenden Beweifen ihrer Herrfhergewalt, daß der
Olymp felbft ihr die Uebermaht auf Erden zugeftehen will,
aber die ernfte Böttin der Beftändigkfeit gewinnt nad furzem
Plaidoyer den Streitfall. Das bunte Lebensfpiel der Menfchheit
wird von wenigen Brundprinzipien geregelt. Gn all unferen
Rulturphafen find wir immer nur Jdealiften oder Realiften ge-
wefen, und nur die Auserlefenen verftanden die Weisheit des
Rompromiffes. Unfere Moderne ift beredhtigt in dem Sinne,
daß die Runft ein Spiegelbild ihrer Zeit fein will und muß;
aber fie überfieht, daß der Flafjifhe Ranon. fhlieglih nur den
fünftlerifhen Gipfelpunft in der Darftellung des Realen be-
deuten will. Conftantin Meunier’s Arbeitertypen tragen einen
Derflärungszauber hellenifher Schönheit, Gerhart Hauptmahn’s
Schöpfungen beginnen uns mit dem Antlik poefievollen Lieb-
reizes anzulädeln. Niemals ift die Sonne Homer's dem dSeutfden
Dolfe untergegangen. Längft vor Winfelmann’s leidenfhaftlihem
Evangelium der Antife hatte der bezopfte Bottfheð mit franto-
deutſchem Rlaffizismus die Geifter beberrfdt. Leffing und Goethe
famen dann belleres Licht fpenden, und felbft unter den wilden
Emanzipationsgelüften der Romantit war für Friedrih Schlegel's
athenienfifhen Rultus Raum.
Jm Reih der bildenden Runft hat Anfangs diefes Jahr-
hunderts Carftens mit großer Befolgfhaft, und um die fünfziger
Jahre der einfame Anfelm Feuerbah „Das Land der Briechen
mit der Seele gefuht. Als Feuerbad) 1855 auf italienifdem
Boden feinen Einzug hielt, fam ihm das Gefühl einer Ver-
zauberung, für das ihm nod Sie ‚Formel fehlte. Mit 21 Jahren
hatte er geglaubt, in Paris die Offenbarung zu fhauen, aber
erft Gtalien wurde ihm zum gelobten Land. Diefe vornehme
Rünftlerfeele hat während eines raftlofen Schaffens von 31/, De-
cennien unwandelbar zu dem gleihen Dogma gefhmworen. Ein
eigenartiges Gemifh von Philofoph und Dichter, von Prinzipien-
menfh und Enthufiaft war ihm die erhabene Schönheit, das ab-
folut Große das deal. Bevor er feinem Volte die Früchte
folhen Strebens fchenfte, hatte er als erfter Bahnbrecher des
neu ermadenden Rolorismus gewirtt. Shien ihm aud urh
häuslihen Einfluß und die angeborene Babe des formalen der
plaftifhe Sinn in befonderer Stärke verliehen, fo regte fih doch
I: Rurzfichtigeres als dem Heitgeift Uniform aufzwingen
aG
bald die Sehnfuht nad ,,dem vergeiftigten Spiegelbild aller
Dinge“, dem Rolorit. Sein ganzes Leben ift ein fchweres
Ringen mit feinem Rönnen. fühlte er fih einen fhöpferifhen
Augenblid lang als Helios die Sonnenroffe bandigen, fo fab
ihn Sie nadfte Stunde als Phaëton in fein Yidts ftürzen.
‚Feuerbady's „Dermädtniß* ift der aufgerollte Vorhang vor der
Tragödie eines tropfenweis verblutenden Märtyrers. Es ift ein
fhwerer Frethum des Pfydlogen, ibn aus diefem document
humain als den Defadenten zu beurtheilen. Er rang und litt
für jede feiner Schöpfungen, und die zögernde Anerfennung der
Mitwelt rettete ihn jedesmal dicht vor totalem Zufammenbrud.
Der Rampf mit einem fhwahen Körper, mit den Sorgen für
das täglihe Brod hat ibn nie zum Böhendiener der Alltags-
mode herabgezerrt. Gmmer bat er fouverän die Pofe veradtet.
Wie dem unglüdlihen Platen und Rleift hat ihm der volle
Lorbeerfranz gefehlt; aber feine Runft bat thn zum Antäus
werden laffen, und das Bemußtfein feines idealen Wollens lieh
ihm die Rraft des Widerftandes fo lang er ftrebte. Jn den
Annalen der Runftgefhichte ftebt Anfelm Feuerbad)'s Name mit
goldenen Lettern eingezeichnet. €r ift Ser fonfequente Vertreter
des Rlaffizismus auf deutfhem Boden. Trog der Hamlet-Zer-
riffenbeit feines Innern, die aus dem Konflift des Wollens und
Rönnens entfprang, ift er eine völlig gefchloffene Perfönlidkeit.
Und je mehr er in fic litt, je musfelftarfer, eberner ftrebte er
fein Wert zu geftalten. Diefes Werf vermag der RKritif gewiffe
Blößen nicht zu verhüllen, aber oft ermadft hier dem Biographen
die Pfliht des pfydologifhen Rommentators. Bleibt trokdem
aud dann nod eine Lüde für die Dollfthakung, fo liegt diefe
in den Grenzen feines Rönnens. Sein Wollen ftand unfehlbar
auf der hödhften Höhe.
‚feuerbady's Leben trägt den Stempel der Raftlofigkeit. Sein
Genius ift ihm zum Dämon, niht zum Friedensengel geworden.
Es trieb ihn von Ort zu Ort, es drängte ihn rubelos zu neuem
Schaffen. Er fonnte ih nie genug thun. Die Rlaffizität bat
er im Elternhaufe „mit der Muttermilch‘ eingefogen. Sein Pater,
der Derfaffer des „Vatitanifhen Apollo“, erfchloß ihm früh die
Leidenfhaft für das Briehenthum. Eine ftolze Familiendronif,
die Atmofphäre des Feinfinns umgab feine Rindheit, aud als er
nad Sem Derluft der erften Mutter im Haufe feines Broßvaters,
des Appellations-Berichts-Präfidenten ‚Feuerbach, voll verzärtelnder
Aengftlichkeit gehütet wurde. Dann prägte ihm die liebevolle
Obhut einer Stiefmutter weiter den Haß gegen alle formlofigkeit
ein. Ein Feblgriff für die fünftlerifhe Entwidelung des Sechzehn-
362
jährigen war fein anderthalbjähriger Aufenthalt an der Düffel-
dorfer Afademie unter Shadow. Man verftand den hodbegabten
Anaben niht und thm fehlte der Refpeft vor der greifenhaften
Pedanterie diefer Schulung. Hier fhon kamen feiner Feuerfeele
Anwandlungen, als müffe er „die goldne, liebe Jugend wie
Thorheit belächeln“. Wir reproduziren zwei feiner Frühzeit
Skizzen, den „Alerander und Bucephalus und die „Meden‘*,
die den grandiofen Ernft, die herbe Tragit feiner jungen Mufe
andeuten.*) Zwei weitere Jahre verlor er in Münden, und
fernte darauf ein Jahr in Antwerpen unter Wappers den Begriff
Deutfhe Runfe.
fhon quälte ihn das Mißverftehen der deutfhen Kunſtgenoſſen.
Der grau-grünlihde Schleier, das Charakteriftitum des feuer-
bahfhen Rolorits, begann in damaliger Zeit feine Werte wie
mit einem müden Haud zu überziehen. Ein Stimmungsfymptom
des Malers überfliegt feine Schöpfung. Dem Plaftiter fhien es
ein willfommenes Mittel, das Auge des Befhauers den Voll-
werth Ser form genießen zu laffen.
Ein fFreudeniiberfhwmang erfdiitterte des KRünftlers Seele,
als ihn ein farg bezahlter Auftrag des Prinzregenten von Baden
zur Ropie Ser Affunta Tizian’s nach Venedig entfandte. Jetzt
A. Feuerbach.
Original im Beſiß der Firma Frig Gurlitt, Berlin, Kunſthandlung.
„Natur ſchätzen. 1851 glaubte er in Paris unter Coutüre den
Wendepunkt ſeiner Entwickelung zu fühlen, als er „von deutſcher
Spitzpinſelei zu breiter, paſtoſer Behandlung, von Schablone zur
Anſchauung“ geführt wurde. In das Elternhaus nach Karlsruhe
zurückgekehrt, begann eine leidenſchaftliche Produktion.
Denetianifhe Farbengluthen leuchteten aus feinem „Hafis in
Ser Schenfe und ,,Aretinos Tod. Der Geit Paul Deronefe’s
podte madtig an das Innere des deutfhen Riinftlers. Jetzt
*) Wir danken diefes Material, wie alle übrigen, bisher unpublizirten
Hluftrationen dem liebenswürdigen Entgegenfommen der Gurlitt'fdhen Runft-
handlung. Sie ift dur die Mutter Fenerbadh’s und durd emfiges Madforfden
in den Befik diefer Werke gelangt. Als Entdeder und Förderer von Rünftlern
wie Bödlin, Thoma, Feuerbach hat fih die firma frig Gurlitt ein bleibendes
Derdienft im deutfchen Runftleben gefidert.
Scanfpielfjene aus Hamlet, Oelgemilde.
follte er fhauen, was er längt anbetete. Mit dem liederfroben
Pictor Scheffel, der ihm eigenhändige Senfteige unterwegs auf-
legen mußte, begab er fih auf die Reife. Doll gegenfeitigen
Derftändniffes und feinfühliger Zurüdhaltung ift beiden echten
Rünftlern die Zeit ihres Zufammenlebens in beglüdender Gemein-
fhaft verftriden. Aud in Feuerbach's Bruft lebte der Poet und
feine Naturfhilderungen im „Dermädhtniß* lefen fic) wie flang-
reihe Profabymnen. Was die Affunta ihm in der Shagung
Ser Heimath müßte, verdarb fein Bild die „Poefie*, und gerade
bierin hatte er ein Symbol aller italienifhen Schönheit zu geben
erftrebt. Die geboffte Penfion wurde ihm abgefhlagen. Don
dem unerwarteten Schlage fat zu Boden gefchmettert, hebt fich
fein fünftlerifhes Bewuftfein in fonzentrirter Feftigkeit. Ein
fhöpferifher Trog padt ihn, und, hundert francs in der Tafche,
Deutfhe Runft,
fehrt er der Heimath den Rüden, um über Florenz weiter nad)
Rom zu pilgern. Schon in ‚Florenz fühlt er ih im Schauen
des Schönen derart ergriffen, daß er die Uffizien verlaffen muß.
Jn Rom vollzog fih trog feiner Eriftenzforgen die Seelen-
wandlung. Er fab in den Bildern der Galerien die Vertörpe-
rung der eigenen Lebensaufgabe. Don dem jungen Rünftler jener
Tage erhafhen wir flühtige Bilder. Wir fehen ihn wie ein
zartes Madchen von Bödlin und Begas zu Spaziergängen
energifch unter den Arm genommen, hören ihn zur Guitarre mit
tiefer, melodifher Stimme Lieder vortragen. Ein Liebesroman
863
feine ernften Riinftlerbetractungen nieder. Vornehme Einfachheit
bat er als einziges Runftideal erfannt, und ein Grimm erfaßt
ihn über alle Theaterlüge deutjcher Modemaler, ja die ihm früher
vorbildliden Franzofen finfen zu „Spadtelmalern‘ herab. Sein
luftwandelnder ,,Dante wird glei einem Mozart'jen Andante
auf die Leinwand gezaubert und ftrablt Palmas Goldton in
rubigem Sonnenfhimmer aus. Während fein zum Gelderwerb
gezwungener Pinfel Porträts, Madonnenbilder und Rindergruppen
malt, bannen bereits die Konzeption einer „Ipbigenie‘‘, des „Baft-
mabls Platos“ und eine „Amazonenfhladpt peine Fünftlerifche
A. Seuerbah. Dante und Francesca da Rimini, Oelgemälde,
Original im Befig det Runjtbandlung frig Gurlitt, Berlin,
mit Nana, jener ſchönen, römiſchen Schubmaderfrau, fniipfie fid
damals an. Sie zog es ſchließlich vor, mit einem Lord das
Weite zu fuden, aber ihr Antlig, ihre Beftalt blieb der Künftler-
feele eingeprägt, und feuerbad's Jpbigenie, Medea, feine Eurpdite
und Minerva tragen Nanas Züge. Aud) auf einem feingezeid-
neten, aber foloriftifh eintönigen Bruppenbild fpäterer Tage,
das er der Stiefmutter widmete, wiederholt er ihr Porträt im
Vordergrund. Er vereint die Römerin bier mit einigen feiner
weiblichen Lieblingsgeftalten, der fhönen Befangskünftlerin Or-
ganyi, einem Modell aus dem „Konzert, und läßt die anmuthige
Gefellfhaft träumerifh in den Garten der Villa Borghefe weilen.
Aber aud den reizbaren, einfamen Künftler finden wir in jenen
römifchen Tagen. Schwermüthige Schatten auf den dunfelblauen
Augen, die feine Hand in feine fhwarze LCodenfülle vergraben,
fhreibt er auf „ser gottbegnadeten Tafel des ftillen Denkens“
Seele. Jahre hindurd haben alle großen Rompofitionen an
feinem Fühlen gezehrt, und der Prüfftein eines Werkes war ihm
immer das Maß bingebender Liebe, das es ausfprad.
Ein bedeutfames Werk, die „Pietà“, das er zur Münchener
Ausftellung fandte, verfdaffte ihm die Bönnerfhaft des Brafen
Shad und damit eine forglofere Eriftenz. Jm- Auftrage diefes
Mäcens malte er genrehafte Szenen, während feine Seele „mit
fpredbarer Gluth nad großer Hiftorie dürftete. Er trennte fih
voller Dankbarkeit von dem hodberzigen Runftfreund, weil er
den gebieterifchen „Forderungen der eigenen Bruft folgen mußte.
fern von der Heimath, feine unfterblihe Sehnfuht im Herzen,
fühlte er die Geftalt der priefterlidhen Jphigenie in fih nadh Ge-
ftaltung drängen. Jm Jahre 1862 fhuf er ihre Bild in vollen
Farbenafforden, nod etwas romantifch-fentimental, um denfelben
Dorwurf zehn Jahre fpäter in der ftatuarifhen Bröße der antifen
364
Deutfdhde Runf.
Tragödie, in leidvoll angebaudten Halbténen nod einmal zu
wiederholen. Und mit der Feit fteigerte fid) die Sehnfudt des
fauftifhen Malers, dic Grenzen wurden iiberfdritten, iiberlebens-
groß, titanenbaft erwähft aus der taurifchen Priefterin die fol-
hifhe Damonin ,, Medea’.
In ihrer föniglihen Weibesfeele muß ein verftärkter Dollton
des Derlaffenfeins ausklingen. Gn allen Stadien vor und nad
ihrer graufigen That befhäftigt ibn Medea in einer Fülle von
Sfiszen und Studien. Den Gipfelpunft bezeihnet „Meder auf
der fluht in Ser Mündener Pinafothef. Die Summe aller
feiner Runftprinzipien 308 Anfelm fFeuerbad im „Baftmahl des
Plato“. Hier verfegt er uns auf die Höhe aller antifen Kultur,
die zugleih den Reim des Verfalls in fidh trägt. Jn das feier-
lide Sympofion edler Denker und Dichter läßt er die ungeftiime
Sinnenluft eines untergrabenen Spbaritismus eindringen, neben
Plato und Sokrates ftellt er Alfibiades und die Tänzerinnen.
Wie in Hamerling's Rünftlerroman „Aspajia* Liht- und Shatten-
fontrafte den Geift Ser alten und nenen Heit charafterifiren,
wählt der diefem Dichter verwandte feuerbad) denfelben ver-
bangnifvollen Rulturwendepunft zum Stoff feines bedeutfamen
Wertes. Was Hamerling jedod mit Matart'fhen farben-
A. Feuerbach, Im Garten.
Original im Bei der Runftbandlung friz Gurlitt, Berlin.
Oelgemälde,
fumphonien umraufcht, tönt der Maler astetifh ab. Er will durch
feinen Effekt beftehen. Er will monumentale Geftalten, rein ge-
zeihnet, tlar disponirt, wie ein antifes Basrelief binftellen.
Wieder ordnet fi der Maler dem Plaftifer unter. Es gefhiebt
dies aud) in diefem Werf, um in gefdhloffener Befammtwirtung
fein Geprage des bherben Heroismus feftzubalten. Die mord-
luftige Rriti? it damals verftändniflos mit dem Werte um-
gegangen, und nur die hannöverfche Malerin Fräulein Röhrs
rettete feuerbah durch ihren Ankauf vor verhängnißvoller
Seelenverfaffung. Gn der figurenreihen „Amazonenfhladht‘,
einem Bemälde von 24° Länge und 15° Höhe fuchte er die
plaftifhe Formenfhönheit unbefangener Nadtheit in mannig-
fadften Stellungen zum Ausdrud zu bringen. Das gefpenftifde
Grau des Rolorits erzielte die Wirkung einer Kartonfhöpfung,
trokdem Sie entfeffelte Wucht leidenfchaftlihen Anftürmens ein-
bertobt. Diefes Werf, das bemwegtefte Bild des Künftlers, ift
jetzt im Befie der Stadt Nürnberg und zeigt befonders in der
Vorarbeit feines Stizzenmaterials Rubens’fhe Riefenhaftigkeit.
Auf der Höhe feines fiinftlerifhen Schaffens folgte der
Meler 1873 dem Ruf als Profeffor der Hiftorienmalerei nach
Wien. Jm Sybaris der Beifter fhäumte die LCebensluft damals
duch die Zeit des Griinderthums in be-
fonderem Uebermaf. Der fpartanify em-
pfindende Feuerbah 309 fih auf fih felbit
zurüd, und nur wenige @etrene ahnten die
fille findlihen SLiebesreihthums in feiner
großen Seele. Wie gern hätten fid) Sem
berühmten Rünftler alle Salons geöffnet, wenn
er nur ein wenig den Rompromiß mit der
Trivialität verfucht bätte. Man mißverftand
feine Schöpfungen, eine Steuermifere ver-
bitterte fein Ceben, und wie Grillparzer
litt er unfägli unter bureaufratifhen Rlein-
licdfeiten. Als man nad mehreren be-
ftellten Dedengemälden für die Runft-
akademie den Auftrag bis auf das
Mittelbild, den „Titanenfturz*, zurüdnahm,
war das Leidensmaß für den inzwifhen
fhwer erfranften Riinftler voll. Nah einem
kurzen Urlaub auf italienifhem Boden wieder-
bergeftellt, verließ er tiefverlegt das Bereich
Mafart'fher Tropenfehwiile. Jn Nürnberg
erfrifchte ihn der Auftrag, den „Empfang
Ludwig des Bayern fiir den Juftizpalaft zu
malen, mit deffen Ausführung er hohe Ebren
erntete. Die Sehnfucht trieb ihn nad Ftalien,
wo er mit einer föniglihen Sicherheit obne
Bleiben aus voller Seele an feinem monu-
mentalen „Titanenfturz‘ weiterarbeitete. Ein
läbmender Pefjimismus batte fih mehi und
mehr über ihn gelagert. ,,Ueberzeugen fann
id) die Welt nicht, nod) weniger mid ibr
unterordnen war des Gllufionsberaubten
Glaubensfak geworden. Ein „Konzert, zu
dem ibn ein Madchen-Quartett auf dem Lido
anregte und deffen Ausführung der plößliche
tragifhe Ertrintungstod der Mufizirenden er-
fhwerte, bat die Berliner National-Balerie
als legte Pinfelthat Feuerbady's erworben.
Bittere Rlagen über die Harte und Theil-
nabmslofigfeit feiner Zeitgenoffen auf Sen
Lippen ftarb er einfam in einem Hotel Ser
Lagunenftadt am 4. Januar 1880.
ytliht im Leben, fondern am Leben“
ift er nad) eigenem Wort zu Brunde gegangen.
Bei dem Tode des foeben verftorbenen Burne-
Jones liegt ein Vergleich beider Rünftler nabe,
on der fnofpenbhaften Verfchloffenheit, dem
melandolifden Hinbriiten ihrer Geftalten ftromt
verwandtes Seelenfluidum.
Deutfhe Ranft
365
Das Landesmufeum in Zürich.
chon oft ift die Derwirflidung großer nationaler Jdeen
an fleinlider, partifulariftifher Mißgunft gefcheitert, das
gute Pbilifterthum ift nun einmal bei einfeitiger Auf-
faffung zu fehr von dem alten Sage Surdhdrungen, daß
der Theil mehr fei als Sas Ganze. So führten, als das
Landesmufeum gefhaffen werden follte, Züri und Bern
einen feindliden Kampf um feinen Sik. fiir Bern ftimmte
der Nationalrath, für Züri der Ständerathb, und ſchon
fhienen lofale und fantonale Eiferfühhteleien das große natio-
nale Werf als ewiges Phantom in die Luft zu rüden, da
gab der Rliigere nah, indem der Nationalrath indirekt
duch Stimmenenthaltung oder aud Sireft mit dem Ständerath
wählte und fomit die Sikftage für Zürich entfhied. Die fhöne
nationale Jdee hat alfo ihre fteinerne Derwirflidung . gefunden,
deren fi aud Bern neidlos erfreut. Jt doch das Landes-
mufeum eine Centralfammlung, die die ganze Schweiz repräfen-
tirt, ein Bemeingut und Wahrzeihen nationaler Einigkeit. Am
25. Juni wurde das Mufeum eröffnet, nachdem beinahe ein
Jahrhundert verfloffen ift, feit die Erhaltung vaterländifcher
Alterthümer von Staatswegen durd einen Erlaß der hödhften
Landesbehörde der Schweiz defretirt wurde. Gn den betreffenden
Befdliffen des „PVollziehungs-Direftoriums der einen
und untheilbaren helvetifhen Republif*, die vom 15. De-
zember 1798 und 16. April 1799 datiren, heißt es unter
anderem:
„on Erwägung, da die Sammlung diefer Art von
Nationalfhägen in einem gemeinfhaftlihen Mittelpunfte leicht,
wenig foftbar und für den fortgang der tehnifhen Kenntniffe
und der fhönen Rünfte in Helvetien fehr nütlic) ift und daß fie
das einzige Mittel ift zur Verhütung unmwiederbringliher Schädi-
gungen in diefem fade...“
So fprad fhon vor hundert Jahren der Minifter
der Rünfte und Wifjenfhaften Stapfer den grundlegenden
Gedanken aus, der heuer zur fteinernen Thatfache ge-
worden ift, naddem ihm, Profeffor Döglin im Jahre
1880 nochmals mit aller. Energie aufgenommen hatte, um
wenigftens die Gründung einer verdienftvollen Befellfhaft
mit einem febr langen Namen der „Schweizerifhen Ge-
fellfhaft zur Erhaltung biftorifher Aunftdentmäler* durd-
zufegen, deren Zwed und Nothwendigkeit Dögelin mit den
Worten ausfprad:
„Es giebt formen, in welhen der nationale Gedante
feinen unvergänglihen und monumentalen Ausdrud ge-
funden bat. Das find die gefhichtlihen Denkmäler eines
Doltes, die lebendiger als alles andere Zeugniß ablegen
von feinem Wollen und Rönnen, von feinen Thaten und
Gefhiden, von feinen Hoffnungen und feinen Jdealen.‘*
— — — — ,,Schamlofer,- zudringlicer ift die Plün-
derung der Schweiz Surd ausländifhe und inländifche
Antiquare nod niemals betrieben worden als jett. Laffen
Sie abermals zwanzig Jahre vorbeigehen und Sie werden
nur nod abgemweideten Boden finden !*
Der Menfch foll ftets mehr wollen, als fich erreichen
läßt, weil er gemwöhnli weniger erreiht, als er will.
Dögelin erreihte die Gründung jener Befellfhaft mit dem
langen Namen, er wollte aber bereits ein Mufeum als Shug-
ftätte nationalen Reihthums. Yun endlich fteht es da das
langerftrebte Denfmal in feiner fchweizerifhen Eigenart,
eine Zierde der ganzen Republif, und ift thatfadlid das,
was das Japanifhe Palais in Dresden feiner euphe-
miftifhen Firma nah einmal fein follte, ein museum
usui publico patens. d
€s macht niht den ernüdhternden Eindrud eines
Sammelfaftens und Raritätenfpeihers, in dem man wohl
Theile aller Zeiten in Händen bat, leider aber aud das
geiftige Band fehlt. Ein Stüd Schweizer-Stadt fteht da,
deren ‚formen in woblbefannten Typen zu uns fpreden,
bier als alter Bekannter der vierfantige Thorthurm, dort ragen
fpige Giebel; bier winfen traulide Erter, wie die freundlicy blinzeln-
den Augen des hohen Daches; iiberall gemiithlide Winkel und
laufhige Eden. Das ift fein Mufeum im fteifen Staatsfleide,
vor dem man einen heiligen Refpeft bat, das ift eine gut bürger-
lihe Stätte, das ift fein pompöfer Pradtbau im Palaftftile
italienifcher Renaiffance von Semper oder in der antififirenden
Art des RKlaffizismus eines Schinkel und Alenze; folde
arciteftonifden Wunderwerfe gönnen wir von Herzen den großen
deutfhen Runficentren Dresden, Berlin und Münden, unfer
Landesmufeum ift als Sammelftätte nationalen Schaffens ein gut
fhweizerifher Bau von Buftav Gull und gebietet in feinen
Dimenfionen Ebrfurdt, urd) feine ‚Formen aber erfüllt er mit
unfagbarem Bebagen.
Der Bewohner diefes Bebäudefompleres tann fie nur felbft
fein — die Schweiz, die alte und die junge, die ganze Schweiz.
Yun fällt es uns mit einem Male ein, zu wem wir bier
fommen; wir maden uns felber einen Befud) und werden von
uns felber empfangen und unferen Doreltern. An die Shau-
ftellung ihres fleifes fniipfte bei Ser Eröffnungsfeier Herr
Regierungspräfident Nägeli die aufmunternden und mahnenden
Worte an:
„Wir haben heute ein Werf eingeweiht, das niht nur der
Gegenwart beftimmt ift, das wie wir hoffen Generationen über-
dauern wird, zu deffen Ausbau nod viele fommende Gene-
rationen ihr Beftes beitragen follen. Die Beiträge einer
jeden Generation werden beredtes Zeugniß ablegen
von ihrem Wollen und Können und 3u Bradmeffern
der jeweiligen Rulturftufe werden. Darin liegt für
unfere Generation eine bodernfte Mahnung, dafür
U. Seuerbadh, Hana.
Original im Bejik der Runftbandlung frig Gurlitt, Berlin,
366 Deutfhe Runft
A. Feucrbad. Medea, Handzeichnung.
Original im Befi der Runftbandlung frig Gurlitt, Berlin.
Sorge zu tragen, daß wir den uns zufommenden Plaß
in der Entwidelungsgefhihte unferes Landes und
Dolfes ehrenvoll einnehmen, daß wir in unferen Dent-
mdlern aud würdige Zeugen unferes Dafeins binter-
laffen.“
Herr Stadtpräfident Peftalozzi fohilderte einen Gang
Surh die Räume, von denen jeder ganz im Charakter einer be-
ftimmten Epoche gehalten ift:
Wir feben das Leben unferer Vorfahren, fprad er,
unferer älteften Dorfabren, aus den Zeiten des „Schweizer-
bildes* und der Pfablbauten vor uns. Wir fämpfen mit
ihnen in Sen Hodblen von Schaffhaufen, an Sen Ufern
unferer Seen gegen eine undantbare, von gefährlichen
einden wimmelnde Natur. Und in diefen entfernten und
rauhen Zeiten ftoßen wir fhon auf Rudimente fünftlerifchen
Schaffens in ihren fhüchternen Ornamentationsverfudhen,
in ihren Zeihnungen, deren Naivetät ennoh nicht des
Reizes entbehrt. Es folgen die Spuren einer raffinirten
Civilifation, die die Römer zu uns bradten und von deren
Glanz die wiffenfhaftlid geleiteten Ausgrabungen in den
großen Städten Augufta Rauracorum, Vindoniffa und
Aventicum beredtes Zeugniß ablegen. Die alemannifd-
burgundifhe Periode wird uns zweifellos niht allzu lange
aufhalten, denn wir werden zu fehr durd das Erwaden
unferer Schweizer Runft gefeffelt, weldhes im Mittelalter be-
ginnt, um fi bis auf unfere Tage 3u erftreden. Fest
erft beginnen für uns die eigentlichen, fünftlerifhen Benüffe.
Und wie fönnte dies aud anders fein gegenüber diefer
berrlihen Sammlung von nterieurs, die uns nicht in der
gewöhnlichen Art eines Mufeums geboten werden, fondern
pietätvoll in das Banze des Baues mit allen ihren formen
und in ihren urfprüngliden Brößeverhältniffen eingereibt
worden find.
Wir verlaffen fo den Rathfaal von Mellingen aus
dem Jahre 1466 und begeben uns in die Säle der alten
Ftaumünfterabtei, die uns nad vier Jahrhunderten von
den Gebeimniffen der Aebtiffin KRatharine erzählen und
uns beweifen, daß Sie Nonnen aus dem Jahre 1500
deswegen, weil fie eingefhloffen waren, nod nidt auf
alle Erdenfreuden verzichteten. Aweifellos wiirden fick diefe
frommen Damen noh in ihrem Rlofter glauben, wenn fie
beute in diefe Säle zurüdtommen fönnten, welhe pietät-
volle Sorgfalt fo gut erhalten und fo refonftruirt bat,
wie fie verlaffen wurden. Gbre Ahnen, Herr Stadtprafi-
dent, baben 1585 niht übel in Chiavenna gewohnt, ebenfo
wenig wie jener Marfchall Lohmann, der aus fremden
Dienften heimfehrend, fic) in Züri) mit den Bildern her-
vorragender Perfonen, die er gekannt hatte, umgab, jeden-
falls um nod mit ihnen über feine feldzüge und Aben-
teuer plaudern zu fönnen. Und diefe Täfeleien, diefe
Holsfohnitereien, das ift fo recht unfere einheimifhe Runft;
das find unfere ureigenen Formen, die bei uns gefdhaffen
wurden, und die nidt von der Nahbarfhaft entlebnt
wurden. Und weiter bier, entfprehend dem genannten
Wand- und Plafondfhmud, als wollten fie ibm mebr
Wärme und Behaglichkeit verleihen, unfere Glasmalereien
aus dem 16. Jahrhundert, die unfere Nachbarn aus unfern
Fenftern nahmen, um fie zum fohönften Schmud ibrer
Sammlungen zu madhen! Wan betradhte den Glanz ihres
Roth und Bold, ihr fattes Blau, das heute nod nicht ge-
bleiht und niemals erreiht worden ift, und man wird
gefteben miiffen, daß die Riinftler, die fie gefhaffen, die
großen Meifter ihrer Runft find: und bleiben. Jhnen zur
Seite fteben unfere Bolöfhmiede und Cifeleure des
16. Jahrhunderts, mit ihren fo mannigfaden und fo
fhönen Prunffchalen, und unfere Schmiede mit ihren ebenfo
foliden leichten Gittern.
Dervollftändigt wird diefes Befammtbild durch die weib-
lihen Arbeiten: Spitzen?löppeleien, Tapeten- und Teppich-
arbeiten, deren Zeihnungen nicht gewoben, fondern im Wallis
oder in der Oftjchweiz geftidt wurden und von denen ein fihönes
Mufter uns den Beweis dafür leiftet, daß die Frauenemanzipation
niht von heute ftammt, indem fhon im 16. Jahrhundert die Königin
von Saba, Dalila, Bathfeba und Judith die Fähigkeiten der
Frau und ihre Ueberlegenbeit über den Mann offenbarten. Nicht
vergefjen will ih unfere Töpferfunft. Die großen Winterthurer
Radelöfen in Blau und abwedfelnd in Gelb und Blau; die
aro Nl
x I \
A. Feuerbach. Wlerander und Bufephalus, Handzeichnung,
Original im Befig der Runfthandlung frig Gurlitt, Berlin.
Deutfde Run ft.
367
einfahen Steingutarbeiten aus Langnau, Heimberg und dem
Simmenthal und die fünftlerifh ausgeführten aus Züri und
Winterthur, deren Farbe dem Delfterblau in nidts nachgiebt,
endlich Siejenigen von LBeromünfter in ihren ausgefprodenen
farben. Weldhe Mannigfaltigfeit in einer Runft, die große Tage
gefeben hat! Die reizendften Blumen diefes Rranzes bilden aber
die Porzellanarbeiten des legten Jahrhunderts. Unfer Jüriher
Porzellan, mit feinen in lebhaften Farben gebaltenen Blumen-
malereien, mit feinen ruhigen Candfdhaften und idyllifden ‚Figuren
wird der Schmud und das reizendfte Milieu unferes Wufeums
fein. Es entzüdt uns in dem Kleinen Rofofo-Salon und wird
alle frauen von Befhmad in dem Maße fasciniren, Saf fie
eine unauslöfhlihe Erinnerung an jenes feffelnde Milieu mit
beimnehmen und nur be-
dauern werden, daß fie
fonft nidts von all den
reizenden Dingen heim-
nehmen dürfen. — Und
ganz abjfeits, viel befchei-
dener, erbliden Sie das
reizende Nyon - Gefdirr
Louis XVI., mit feinen
in ihrer Einfachheit fo
feinen Schmetterlingen und
Rornblumenbeeten.
Der impofantefte Raum
des ganzen Mufeums ift
die die ganze Länge des
Mittelbaues einnehmende
zwei Stodmerfe hohe
Waffenballe, deren eberne
Waffen von dem blutigen
Ringen Ser Voreltern um
ihre ‚Freiheit erzählen.
Das Innere des Can-
desmufeums hat fih ge-
wifjermaßen fein Aeußeres
gebildet. Die verfdiede-
nen Rulturepoden, die in
der Gnnenarditeftur ibren
Ausdrud gefunden haben,
verlangten in der äußeren
Geftaltung eine Dermen-
gung der Bauftile, die fid
in gefhmadvoller Weife
vollzogen bat, jo daf
nirgends ein fihroffer
Uebergang vom romanifchen zum gothifhen oder vom gothi-
fhen zum Renaiffanceftil ftör. Der Eingang befindet fidh
unter dem großen Thurme. Die Hauptfafjade, die feinen Portal-
fhmud aufweilt, it nad der Straße gerichtet und zerfällt in
drei Theile, einen maffigen, gothifirten Mittelbau und zwei im
Stile der deutfchen Frührenaiffance gehaltenen Seitenbauten. An
diefe Seitenbauten feken nad rüdwärts laufende Flügel an, die
im redten Winkel abbredend den Hof mit umfihliegen. Thürme,
af ce. 2
A. Seuerbah. Panther, Studie zu einem Oecelgemilde.
Original im Bejike der Runfthandlung frig Gurlitt, Berlin.
die zwifhen den einzelnen Bebäudetheilen eingefügt find, erhöhen
die malerifhe Wirkung des Banzen und bringen in den fehweren
und gediegenen Befammtdharakter einen leichten, lebendigen Zug. `
In arditeftonifhen Einklang mit dem eigentlihen Mufeumsbau
ftebt das mit ihm verbundene Gebäude der Runftgewerbefdule.
Jwifhen beiden Bauten ragt der Thorthurm empor, die Nad-
bildung eines Thurmes in einem altfchweizerifhen Schloſſe des
Rantons freiburg.
Das Landesmufeum ift eine Derförperung des nationalen
Gedanfens, um Profeffor Ddgelin’s Worte zu wiederholen und
hat einen hoben pädagogifhen Werth als Kraftborn, aus dem
alle Schweizer ftets wieder von neuem ihr Nationalgefühl ftärten
fönnen, als Bildungsanftalt für beimifdhes Handwert und Ge-
werbe, das in ibm als Vorbild das Befte findet, was in der
Schweiz feit Jahrhunderten durd Handarbeit gefhaffen worden
it, als Erziehungsorgan für das gefammte Volf, auf daß es
nationales Runftgefühl und KRunftverftändniß babe und verbreite.
Hu diefem Ylationaldenfmal, in dem alte Seiten wieder lebendig
geworden find und neben neuen blühen, werden die Schweizer wall-
fabrten mit derfelben Liebe und Verehrung für [hweizerifhe Araft
wie zu dem Standbilde Tell’s, aber fie fonnen nod mebr da lernen.
Sonder-Ausftellung der „Dereinigten Werkflätten für Kunft im Bandwerf“
auf der Großen Berliner Kunft-Ausftellung.
ndlid madt fih die moderne dekorative Bewegung aud auf der
Großen Berliner Kunft-Ausftellung geltend und bringt einen
frifhen Zug in das herfömmlihe Ausftellungswefen. Durd thre
prattifhe Bedeutung zieht fie das Publitum an und dur ihren fünftlerifchen
Werth lenft fie den Sinn auf das Schöne und vermittelt fo als wirffame
Dereinigung die Aunft mit dem alltäglihen Leben, als Derfhmelzung von
Schönheit und Zweddienlichfeit zwifhen Künftler und Publitum. Auf dem
Wege veredelten Runftgewerbes fommt der Rünftler dem Publifum entgegen,
ohne darum Zugeftändniffe zu maden, und gewinnt es; nur durch das Runft-
gewerbe fann die moderne Runft gefunden und zur höchften KRunft der Volfs-
funft erblühen. Dabei aber find Ausftellungen wie die der „Vereinigten
Wertftätten" aud infofern Erziehungsmittel für das Dolf, als fie dem
Riidgange des Familtenlebens feuern, indem fie den Sinn für ein traulides
Heim und mit ihm die Liebe sur Hauslidfeit, die leider beim Volke tm
Shwinden find, wieder erweden. Golde Perfpeftive, deren Wufenpuntt immer
nod im Hortzonte realen Lebens und feineswegs im Blauen liegt, ift Deran-
lafjung genug, um im unferen Ausftellungen das Runftgewerbe in engfter
Dereinigung mit den Werken freien künftlerifhen Schaffens gelten zu laffen.
Diefe Dereinigung, wie ich fie mir denke, finde ih in der Berliner Ausftellung
nod nidt; Runft und Runftgewerbe treten getrennt auf; ihr Zufammenwirken
368
3u intimen Snterieurs ift faum angeftrebt. Wäre die Ausftellung der „Der-
einigten Werkftätten‘ Beine Sonderausftellung innerhalb einer großen Runft-
ausftellung, wäre fie mir lieber; fie felbft würde dann aud den Erwartungen,
die man an die Deranftaltung gefniipft bat, mehr entfpreden und weniger ver:
loren, weniger ärmlih wirfen. Daran ift freilih aud) der bedanerlihe Um-
ſtand ſchuld, daß der Verein in feinen vier Zimmern rehts von Saal 5 in-
folge des Mündener Tifchlerftreifs einftweilen weniger ausftellen fonnte, als
er wollte. Es find die Riemerfhmid’fhen Arbeiten, fiher gerade die
beiten, die ausgeblieben find. Jn einem Cedernholzcredenz mit fein ge-
zeihneten Befhlägen und einem Rupferleucter ermeift fih Riemerfhmid
vor der Hand als Meifter der graziöfen Linie. Hermann Obrift, der fon
vor Jahren durd feine Stidereien Wufjeben madte, hat nun and fefteres
Material vorgenommen. Seine Truhe ift ein fhönes Möbel mit ganz vor-
züglihen Befhlägen und überrafcht mehr als feine Riffen mit ihren gefhmad-
voll geftidten Pflanzenmuftern, die nur gerechten, aber allerdings fehr hohen
Erwartungen entjprehen. Dielen dürften fie übrigens ebenjo wie die Truhe
fhon aus illufteirten dekorativen Heitfchriften befannt fein. Arbeiten aller-
erten Ranges find au feine eigenartige Bettdede, die Tifhdete mit Appli-
fation von Leder auf Leder und eine Porticre mit funftvoll in weißer Seide
geftidten floden. Einen befremdenden, unorganifhen Eindrud in der An-
ordnung madt es, daß Riffen auf Tifchen liegen, und die Bettdede an der
Wand hängt; da gehören dod) beide faum bin.. Das ift Aaufhausarrangement.
Ein verunglüdtes Stüd ift ein Schranf aus graugrüner ungarifher Ejhe von
Alfred Petrafdh. Selbft armfelig und reizlos im Aufbau, imponirt er nur
duch feine Befhläge, die in der Zeihnung den Riemerfhmid'fhen und
Obrift'fhen mindeftens gleidfommen. Es fheint faft, als betonten die neuen
Deutfhe Runft.
funftgewerbliden Beftrebungen 3u febr YMebenfadlides und vernadlafjigten
dabei die Ronftruftion des Ganzen, als fame es unferen Rünftlern für das
Handwerk weniger auf einen neuen, eigenartigen Aufbau der Möbel felbft an,
als auf ihre Ausfhmüdung, die dann leiht zum glänzenden Dedmantel ftil-
lofer Aermlichkeit wird, anftatt natürliher Ausläufer der Schönheit des Banzen
in feine Yebentheile, organifh bedingte Aeußerung überfhüfjiger Kraft zu fein.
Einwandfreie Arbeiten von forgjfamer Tehnit und entzüdender farbiger
Wirkung find die Glasfenfter von Bruno Paul, die in einfach gefärbten,
mit flufglas gemifhtem Material leicht gezeihnete bachantifhe figuren dar-
ftellen. Befhmad und Zweddienlihfeit find vereint in den aus Rathedralglas
einfach bergeftellten Uble'fhen Fenftern mit fohlihten Linienornamenten
und Blumenmotiven. Beftridend durd eine wirkfame Verarbeitung des
Flußglas genannten, in verfhiedenartigen Strömen durdheinandergezogenen,
opalescenten Blafes find die freudig geftimmten Blumenfenfter von Chrifti-
anfen, deren Seidnung in fünftlerifh vollendeter form die Mitte halt
zwifhen Stilifirung und Natur. Das Zimmer mit den Uble'fhen
Fenftern zeihnet ih nod aus Surh einen praftifhen Schreibtifh von Shulße-
Naumburg, der bier aud nad den daneben hängenden Skizzen eine feiner
landfhaftlihen Wandmalereien in gobelinartiger Manier ausgeführt hat, und
vier Stühle von Bernbard Pankof, die wirklid zum Siten einladen, was
nit alle modernen Stühle tbun. Schulte: Naumburg hat übrigens auch
als Deforatenc der Ausftellungsräume einen fehr foliden Befhmad bewiefen.
Das Gefammtrejultat der Ausftellung der „Vereinigten Werkftätten‘* ift
leider fein durhaus befriedigendes. Jeder hat der lobenswerthen Der-
anftaltung mit großen Erwartungen entgegengefehben, und mander fühlt fic
nun dur ihren quantitativen und qualitativen Mangel enttäufcht.
Mittelalterliche und neuere Stilformen im Rahmen.
Der tünftlerifhe Befhmad Ses Laien erfhöpft fic nod
feineswegs mit Sem Ankauf guter Bilder, er bethatigt fic als
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Spiegelrahmen in Silber getrieben.
Sammlung Beorg Hirtb, Münden.
Ende 17. Jahrhundert,
eine häusliche Tugend recht eigentlich erft im Aufhängen malerifhen
Schmudes an den Wänden des Zimmers. Hierfür beftehen nun
beftimmte, funftgemäße Regeln, die fidh
von zwei Gefidtspuntten herleiten, vom
Bilde felbft und von der ‚Fläche, die es
beleben und fcmiiden ſoll. Zunächſt,
fhon ebe das Bild feinen Beftimmungsort
gefunden hat, führt das Bedürfniß nady
Bejchlofjenbeit zum Rahmen; momentane
Rubepunfte in der unaufbaltfam vorüber-
rauſchenden Bilderfludt des Dafeins, die
mit jedem Augenblide, mit dem Fleinften
Weiterfchweifen des Auges wechfelt, for-
dern als fünftlerifh wiedergegebene Aus-
fhnitte aus dem Leben eine Umgrenzung,
die cine Rube bes Vlies gebietet. Wir
finS gewobnt, folcde Wusfdnitte in Wirt-
licfeit Surh die Rahmen der Thüren
und Fenfter oder im Spiegel zu feben
und übertragen unbewußt diefe Bewohn-
beit auf das Bild, um gewiffermaßen feine
Unwandelbarkeit und feine Einfhräntung
des Auges zu erklären und logifh zu
begründen. Der Bilderrahmen ift eine
Gefühlsnothwendigkeit, als foldhe entfteht
er; er wird aber aud) durd Bedingun-
gen von außen und innen zu einem
äftbetifhen Bebilde und als foldes be-
fteht er. Abgejeben davon, daß er zum
"Ausdrudsmittel einer im Bilde enthaltenen
oder vom Befiger ins Bild bineingetra-
genen Stimmung werden fann, bat er
aud die Aufgabe eines Vermittler; er
foll das Bild in Zufammenbang fegen
mit feiner Umgebung. Darum müffen fic
Form und Farbe des Rahmens richten
nit nur nad) dem einzufchliegenden Bilde,
fondern aud nad Ton und Mufter der
Tapete fowie der Einrichtung des Zimmers,
in das er fih barmonifch einfügen foll.
un! —
TE EEE
ANAS
Deutfhe Runf.
Sum optifhen Täufhungsmittel darf der Rahmen dabei nie
werden; man muß aud) bet feiner Erhöhung über die Bild-
lähe den Sag von Helmbolk bedenken, daß ein Unter-
fied, den unfer Auge wahrnehmen fann, größer wirft als er
in der That if. So würde ein Bild durd) eine ftar? nadh auken
abgefhrägte Umrahmung aus der Wand berausgedrängt, in
einem nad) innen zu aber fhräg vertieften Rahmen in die Wand
bineinfinten. Wenn eine folde Umrahmung aud vortheilbaft
fein fann für die Wirfung des Bildes, fo hebt fie dod) den fldden-
haften Eindrud der Wand auf, der trog aller Deforation er-
balten bleiben muĝ.
Urfpriinglid waren die Rahmen, die man fon in den
älteften Zeiten fannte, tertilen Charaktere, den fie bis in die
Zeit des romanifhen Stils hinein bewahrt haben. Erft in der
Gothif, nadh der Erfindung der Oelmalerei durd die Brüder
van Evyd, bildete
fih der plaftifche
Rahmen aus und
zwar ausgehend
vom arditefto-
nifa gegliederten
Altarrabmenwerf,
das in der Re-
naiffance endlid
feine endgiltige
Profanation fin-
den follte in einem
Aufbau, der von
zwei Pilajtern,
auf denen ein be-
malter Architrav
lag, flanfirt und
von einem dreiedi-
gen Giebel befrönt
wurde. Als Dor-
bild für foldes
Rahmenwerf, das
wie ein Thürrah-
men wirkte, Fön-
nen die Umrah-
mungen der Terra-
cotten und Majo-
lifen der Rob-
bia’s und Dee
rochio’s gelten.
Der italienifche
Hausaltar aus er
Sammlung Hirth
ift fold ein Stüd in der Art der Robbia und ftammt als eine
hervorragende Arbeit aus dem Uuatrocento.
Eine feinere und zwedmäßigere Beftaltung fand es erft durch
Meifter des Baroditile wie Borromini, Alerander Colin
und Wendel Dieterlin (1514—1599), die den arditeftonifhen
Aufbau und das ftabile Wefen aufgaben und namentlidy die
Rartufhe aud als Umrahmung von Bemälden ausbildeten und
pflegten. Neben ihr it aber noch der gefegmäßigere farbige
Rahmen in Bebrauh. Er findet fi zuerft bei den Ftaliern
als weißer oder fhwarzer, reih mit Ornamenten, Schreiber-
zügen und Rofetten bemalter Rahmen und geht von óa
aus nah Franfreiid und Deutfhland über. Namentlich
Wilhelm Shredenfuds in Sadfen führt unter Rurfiirft
Auguft die italienifhe Rahmenbildung in feinem Rahmenwerf
um das Altarbild Lucas Rranad des Jüngeren in der Auguftus-
burg in fhöner Weife urh. Ein prädtiger Barodrahmen aus
der Sammlung Hirth, in üppigiter Weife gefhnigt und ver-
goldet, weift oben eine Rartufhe auf, zu deren Seiten Amoretten
liegen, die Sommer und Herbit darftellen. Unten ruben auf
Waffentrophden zwei von einer Amorette gebaltene Schilde;
an den Seitentheilen fdlingt ih über Frudtfeftons ein Afanthus-
tanfenwer? empor; zwifchen beiden find Thaten des Herkules,
Se
Gejfhnigzter Holjrahmen mit Herfulesfage und Amoretten.
Sammlung Georg Hirth, Münden.
über denen franzhaltende Putti fchweben, Sargeftellt. Auch
naturaliftifhe Bebilde, wie Blumenguirlanden auf dem breiten,
in Silber getriebenen Spiegelrabmen aus derfelben Sammlung |
find ale Rahmenfhmud in der Barodzeit nicht felten. Eine
Stätte, wo tiidtige Rabmenmeifter der Barodzeit ausgebildet
wurden, war Sdneeberg in Sadfen. Jn feiner Weiter-
entwidelung fdmeift er mehr und mehr aus im einer
weiten Entfaltung der ‚formen, die zu einer das Bild er-
drüdenden Breite führt. Zugleih mit feiner Ausartung aber
machte fih ein Streben nad größter Einfachheit geltend, Senn
neben dem reihjten Rahmen entwidelte fi in den Niederlanden
der fchlihtefte aus fdwarzen Leiften, die im Innern urh eine
fhmale Boldleifte geziert find.
Wenn bisher immer nod die gerade Linie und der vier-
edige Brundriß vorgeberrfht hatten, follte das Rofofo ungefähr
anf”, > x = en 3 a - = E27 -i
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1. Jahrhundert.
im Sinne der Rartufhe aud in der Rabhmenbildung etwas
durchaus Neues fhaffen. Es durhbriht das gradlinige Rahmen-
werk, rundet die Eden und zieht den ovalen oder Freisförmigen
Grundriß vor An Stelle feierliher, monumentaler Wirkung
tritt eine feine, zierlihe Ausarbeitung, mit pflanzenartigen, flüfjig
bewegten, lebendigen Formen, die mit weniger Arroganz auf-
treten als die des Barod und gefälliger find als die ernften der
Renaiffance. Zwei Begenftände verbindet das Rofofo zu einem
reizvollen Ganzen, etwas, was Ser Menfh aus fih heraus ge-
fhaffen bat, in Ser folie und formen der Natur in Föftlichftem
Blumenwerf und Mufhelgebilðen. Der vielfad Surdbrodene
und mit Spiegeln durdfegte Holzrahmen zu einem Spiegel aus
der Rolleftion Hirth, eine febr fhöne Arbeit des XVII. Jabr-
bunderts, veranfdaulidt das gefallige Wefen des Rofoforabmens
in einer eigenartigen leichten form. Bedeutende Meifter in
diefer Zeit find die Modellenre Auguft I. von Sadfen,
Mathäus Rugler (1692—1752) und Jofeph Deibel (1716
bis 1793), die zugleih da Prinzip vertraten, den Rabmen durd
die Wahl feines plaftifhen Schmudes für ein ganz beftimmtes
Bild zu Schaffen und nicht für jedes beliebige gleihen formates.
Die Dresdener Balerie enthält von beiden KRünftlern entzüdende
finnige Arbeiten wie den Maiblumenrahmen um eine Madonna
370
Guido Reni's, den Rahmen mit Scepter und Schwert um
das Porträt Rönig Auguft II. von Mengs, den Rahmen
um das Chofoladenmädden von Liotard, auf dem angebradt
it, was ein Mädcenherz erfreut und befhäftigt, wie: ein
Sträufhen, Shmud, ein fäder, ein Stridzeug und ein
Beuntelhen u. a. m. Alehnlidhe Stüde finden fih aud in
Lidtenmalde und Schloß Monbijou.
Heute geht man in diefer Richtung bereits zu weit und ift
in eine willfürlihe Stillofigkeit verfallen. Ganze Büfchel bron-
sierten Schilfes und dazwifhen plaftifhe SFröfhe und Sala-
Wandteppiche
on Morris, der Pionier einer tünftlerifhen Be-
handlung des Gebraudsgegenftandses, hat in einer
feiner zahlreichen theoretifhen Abhandlungen gefagt:
„Was Du aud zur Ausfhmüdung Deiner Wohnung
thun magft, denke zuerft an die Wand. Die Wand bezeichnet
die Stelle, wo der Raum aufhört. Sie gehört an üh niht zu
ihm, und dod) ift erft fie es, dic ihn fihtbar madt, die ihn
fhafft. Die Derhältniffe folder Raumgrenze find nidt gleidgiltig
für die Wirkung des Zimmers, und am widtigften ift die Be-
fchaffenbeit der Oberflähe in Bezug auf die farbe. Die Papier-
tapete ift man geneigt als ein Seiden von Aermlidfeit anzufehen
im Dergleih mit ihren foftbaren Vorgängern, den gemirkten
Stoff- und Cedertapeten, ganz zu fhweigen von den fünftlerifch
geftalteten Wandteppiden, mit denen frühere Jahrhunderte ihre
Paläfte und Rirhen ausftatteten. Und dod ift das farbige
Papier an unferen Wänden nur eine von den vielen Ausdruds-
Spiegelrahmen mit Rocaille-Werk, XVIII. Jahrhundert.
Sammlung Georg Hirth, Minden,
Deutfhe Runft
mander fleben um einen Weiher, um eine Rreuzigung winden
fid) Dornenranfen, ja unfere Blumenmalerinnen fheuen idh nicht
einmal, Zweige ihrer Rofen und Melfen nod auf den Rahmen
zu malen. Solden Ausfohreitungen gegenüber ift die vornehme
Einfachheit der polirten bödlinblauen, dunkelrothben und grünen
Holzrahmen freudig zu begrüßen. Wenn fie ganz im Einflange
mit dem Bilde ftehen, vermögen fie, ohne ein überflüfjiger
plaftifher Rommentar zu fein, deffen Stimmung noh zu er-
höhen und eine woblthuende Befammtwirfung herbeizuführen, die
dem Bilde zu gute fommt.
und Tapeten.
formen für die Thatfache, daß der Curus fih allmablid aus-
zubreiten fortfährt, und einen gemwifjen Schmud des Lebens als
felbftverftändlih anfehen läßt in Rreifen, Sie eint fic) mit Ser
Befriedigung der baren Yothöurft genügen laffen mußten. Rein
Arbeiter würde heute in eine Stube mit rohem Raltputz einziehen.
Die moderne form des Nomadenlebens, welde das Felt
durd die Miethswohnung erfett hat, bringt es mit idh, daß wir
die Wände, vor denen wir unfere Möbel aufftellen, als ein
Gegebenes anfehen, mit dem wir uns abzufinden haben. Der
Bedankte, daß nur die Uebereinftimmung ven form und farbe
in der Ausftattung eines Zimmers äfthetifh wirken fönne, bricht
fih langfam Bahn. Die Tapete fpriht in jeder Farbenverbindung
mit, und jede form muß fic erft gegen ihre Mufter behaupten,
ehe fie den gewünfchten Eindrud auf das Auge madhen fann.
Rlar ift, daß unfere jüngfte Befhmadsrihtung, welde fich
mit erneutem Eifer der Farbe zugewendet hat, viel mehr vor
feindliden Zufammenftößen widerfprechender Yluancen auf der
Hut fein muß, als die vorhergehende Epoche, deren landläufige
Farbenffala mit einem Dugend Bezeihnungen aufzählbar war.
Am leihteften geht man dem Unfrieden aus dem Wege, indem
man eine einfarbige Wandbekleidung wählt, der man nur durch
einen abftehenden Rand nad oben, urh Leiften an den Eden
oder in drittel Wandhöhe einen belebenden Gegenfak hinzu-
fügt. Solder Dorfdldge bat die Mündyener Rünftler- und
Handwerker-Befellfhaft, die unter dem Namen Vereinigte Wert-
ftätten für Runft im Handwerk" ihre Wohnungseinrihtungen in
die Welt fhidt, eine ganze Reihe zu madhen. Da feben wir
einen Sunfelgriinen, farkrippigen Hanfltoff durd fdmale Gold-
leiften gehoben, oder ein leichtes, graues Baumwollengewebe theils
glatt, theils gefaltet als Wandverkleidfung benugt, dazwifchen
läuft ein brauner Holzfties, in den weiß und gelbe Radeln ein-
gelegt find. Jn der That wirken diefe Anordnungen troß der
woblfeilen Stoffe, die verwendet wurden, außerordentlih ruhig
und vornehm und laffen jeden Gegenftand, den man davorftellt,
nad feiner Eigenart zu Worte fommen.
So fchiene es Senn, als wenn die Tapetenfrage gelöft wäre,
und nur die Erwägung mag ftukig madhen: Wie famen frühere
Jahrhunderte mit ihren hodentwidelten Runftbliitheseiten 3u ibrem
reihornamentirten Wandfhmud, wenn nun der einfarbige Stoff
als der Weisheit letzter Schluß erflärt werden foll? Ja unter
welden Bedingungen famen denn die Wandgemalde romanifder
Rirdhen, die maurifhen Wandfliefen, die BUrras-Ceppide, die
Rafael für Ceo X. entwarf, zur Verwendung? Bracdte man fie
in fleine Raume, gefüllt mit hundert Dingen, wie der Tages-
gebraud des neunzehnten Jahrhunderts fie verlangt? Nein, fie
erfchienen in weiten Hallen, an hohen Wänden, wo das wenig
zahlreiche Beräth nicht binaufreihte. Man konnte fie in richtigem
Abftand betradten, von wo aus fie für fi allein eine dekorative
Wirkung übten.
Die Stofftapeten, welde für Privaträume von mäßigerer
Ausdehnung beftimmt wurden, zeigten allerdings aud ein Mufter,
gegen das fi) die Möbel und Bilder behaupten mußten. Aber
diefes Mufter war gewebt und nicht gedrudt. Hier übte die
Technik ihre geheimnißvoll ftilbildende Macht aus. Das Rren3-
gewebe, indem es die Bildung fefter Rontouren erfchwert, giebt
jedem Mufter etwas diskret Verfhwimmendes, und das ver-
fhiedenartige Schimmern des Lichts auf den einander entgegen-
gefeßt verlaufenden Fäden verftärft nod diefen Effett. Etwas
dbnlides fann man beobachten, wenn man dafjelbe Mufter in
den gleihen Farben einmal auf ein glattes Papier, das andere
Mal auf ein ftarfrippiges Gewebe fhablonirt. Hier wirkt weih
und angenehm, was dort fih bart und brutal ausnimmt. So
aud die gedrudte Papiertapete, wenn der Entwurf nicht auf
diefe derb aufrichtige Eigenfhaft des Materials Rüdfiht nimmt,
das nidts von dem unterdrüdt, was ihm anvertraut wird,
Daher die Brellheit fo vieler Tapeten, an denen wir uns die
Augen müde und überdrüfjig gefehen haben, daß Sie Deutlichkeit
der ‚farben und Tonfontrafte jedes Detail des Ornaments fein
Einzeldafein führen läßt. Wer ift nicht fhon verfucht gewefen,
die Blumenfträuße an einer Wand zu zählen, immer bis zur
Dede hinauf, bis alles vor den Augen flimmerte, daß man fie
geblendet fchließen mußte.
All diefen Uebelftänden der Tapete fucten die Engländer
feit Morris Vorbild auszuweihen. Aber mit wenigen Aus-
nahmen wirken aud die modern englifhen Mufter Surh ein
woblgefalliges Verweilen bei großen Blumenmotiven noch immer
ftark bildartig. Sie mögen audh für des nfelreihes trüben
Himmel und feine dunfeln Tage günftiger wirken, als in hellem
deutfhem Sonnenfchein. Man wird dort von diefen Blüthen,
Vögeln und Menfchengeftalten weniger fehen, als wenn mir die-
felben Papiere bei uns der Probe ausfegen würden. Auch läßt
Deutfde Runft.
371
man fih bei der englifchen Sitte, ftets nur einen Theil der Wand
mit der Tapete zu befleben, das untere Drittel aber für eine
Holsbefleisung oder für ein einfacheres Papier freizulaffen, ein
reicheres Mufter auf dem oberen Theile der Wand gefallen, da
fo die Begenftände im Zimmer den ruhigeren Hintergrund finden.
Neuerdings fiebt man iibrigens aud vielfad) englifde ganz eine
farbige Tapeten, die nur oben in einem dann reihgemufterten
fries endigen.
Bei uns in Deutfhland wird man aber doc wohl in der
überwiegenden Mehrzahl der Fälle an der Tapete über die ganze
Wand und zwar an der Papiertapete fefthalten. Befonders wird
fie für lange Zeit das Kleid der Miethswohnung bleiben. Und
es ift gut fo, denn man fann fie fhlimmften Falls leiht durd
eine dem eigenen Befhmad zufagendere erfegen. Aber wie aus-
wählen, um Bewegungsfreiheit für die übrige Zimmerausftattung
zu gewinnen, um die fhhönen Formen eines Möbelftüdes nicht zu
beeinträchtigen, und um unfere Bilder mit Vortheil über die
Wände vertheilen zu fönnen? Seit Aurzem haben wir die
Tapeten, die wir fuden. Otto Edmann entwarf die Mufter und
er wußte feine Zeihnung fo zu geftalten, daß wir formen und
Farben feben und dod Feine falfhen Bemälde vor uns baben.
Die Zeihnung hält fih zurüd, die Farben treten befcheiden auf,
jedes Detail verfchwindet für den, der mitten im Simmer ftebt,
in einem anmuthig belebten, ruhigen Ton, dem wir wohl die
führung im farbenfonzert unferes Zimmers anvertrauen mögen,
ohne Disharmonieen zu fürdten. Alp.
Die Deutfchen im Salon de la societe des beaux-arts.
m Salon baben fih deutfhe Meifter ein Rendez-vous gegeben, die
zwar feinem, der fic) über die moderne Runftbewegung — denn eine
moderne Runftridtung giebt es niht — auf dem Laufenden erhält,
unbefannt find, aber dod nod felten genug zu ung tommen, um ein 3abl-
reihes Puhlitum zu finden, denen fie neu find. An ihrer Spike fteht Adolph
Menzel. Zeigt er ih auh niht in feiner erfiaunlihen Dielfeitigkeit, fo
treten in feinen allerdings meift fhon älteren Arbeiten dod genug bedeutende
Züge feiner markanten Perfönlichfeit hervor, die fih aud im Aleinften mit
derfelben Araft offenbart, wie in feinen größeren Gemälden. Eine vor-
züglihe Ucbeit, brett in der Ausführung und trefflih in der Charakterifirung
it der befannte Rabbiner, neben dem der Kopf eines Mannes als eine
Zeihnung von ftaunenswerther tehnifher Sicherheit und realiftifcher Treue
trog der einfacheren Mittel in Ehren befteht. Eine Zeihnung, „Die Schwieger-
mutter, verräthb nidt weniger die Hand des Meifters. Dem Befihtsaue-
drud nad hat Menzel in diefe Schwiegermutter zeitgemäße Anfichten dar-
fellen wollen, dte für diefe Abart von Elternfhaft nit gerade empfehlend
find. Als Rurtofitäten mitten die ebenfalls befannten Handftudien, die in
ihrer anatomifchen Richtigkeit genau beobadtet und ehrlih wiedergegeben find.
Allerdings muß Menzel die Hand, die er zweimal gezeichnet hat, aud febr
genau fennen, denn es ift feine eigene Rechte, die er mit der Linken feft-
gehalten hat. Das manus manum lavat darf der Meifter für fi felbft
dahin abändern, daß er mit beredhtigtem KRünftlerftolz fagt: eine Hand zeichnet
die andere. Wahrli Feder hätte Anfpruh darauf, als tüchtiger Rünftler
anerkannt 3u werden, der mit der rechten Hand leiften fönnte, was Menzel
mit der linken fhafft, denn er arbeitet mit beiden gleid gut. Don den
andern Studien gilt ein Pferdetopf allgemein als un vrai chef-d'oeuvre;
die Aritif ergeht fih im feltenen Lobfprühen, deren begeifterten Ton man
diesmal nicht allein auf Rehnung des franzöfifhen Temperaments zu fegen
braudt. „Wer das machen lann", heißt es, plann alles madhen! C'est
s la perfection de l'art du dessinateur.
Ein zweiter Berliner Maler, Max Liebermann, der in Paris beinahe
eber und mehr anerkannt worden ift als in Deutfchland, gilt hier eigentlich
nidt als ausfhließlih deutfher Riinftler. Das intereffante Enfemble
feiner Werke im Salon de la societ€ des beaux-arts zeigt alle jene Dor-
züge, die die franzöfifhe Aunft für fi beanfprudt. Das „Altmännerhaus‘,
„die zwei Fleinen Mädchen“, „der Mann in den Dünen“ und die „holländifche
Straße, ein Bild von intimem Reize, normalen koloriftifhen Eigenfhaften, die
man deutfhen Malern nicht zutraut und aud von ihnen nicht erwartet. Gewig
bat Liebermann in Paris viel gelernt, gewiß haben Courbet, Millet,
Baftien Lepage auf ibn eingewirft fo gut wie Jeraels und Frans
Gals; er verarbeitet internationale Ueberlieferungen 3u dem Produfte feiner
Eigenart, dem Stimmungsbild. Als Stimmungsmaler bedeutet er für
Deutfhland den Bahnbreder des realiftifhen Gmpreffionismus. Fyn von
Sstankreih ber in Deutfhland eingeführt zu haben, ift fein Derdienft. Und
dod fpridt aus Liebermann's Werken aud ein deutfher Zug; ein Haud
Menzel’fhen Beiftes durhweht fie, nur gemildert, aber er bat idh tehnifh
unabhängig gemacht und durdgearbeltet zu einer eigenen Malweife, fo daß
il boit dans son propre verre!
man von ihm fagen Fann: Es ift fein
deutfches, aber aud fein
direft franzöfifches, es ift
Liebermanniſch.
Neben Liebermann's
internationaler Kunſt ge⸗
fällt aber ſelbſt kerndeut⸗
ſches Weſen, dem man
Courbet's Einfluß aud
nicht mehr anmerkt. Die
Ausſtellung Wilhelm
Leibl's gilt als nom-
breuse et inter-
essante. Leibl wird ge-
ftempelt 3u elnem nouveau
Metsys. An erfter Stelle
muß von feinen Werken
das Bildnif eines Berliner
Runſtfreundes hervorge⸗
hoben werden. Es unter⸗
ſcheidet ſich von den ande-
ren bis ins Detail, mit
dem Fleiße alter Meiſter,
mit liebevoller Geduld und
Andacht vor der Natur
ausgeführten Arbeiten wie
„Die Unterhaltung‘, „Die
bayerifhe Bäuerin", „Die
Tyrolerin“ urh freiere
Mache und fiibnere Auf-
faffung. Trefflih beob-
Italienifher Reliefrahmen.
Quattrocento.
Sammlung Georg Hirth, Minden.
achtet find and feine „Wilderer auf Anftand". Es bewährt fih and) bier,
daß nur nationale Runft internationale Anerkennung findet.
Beringen Anklang findet Uhde's ,,Bergpredigt; man verzeiht Ubde
weniger, weil man ibn weniger verftebt; man findet feine Einführung des
Heilandes in moderne Verbaltniffe, mit der der Riinftler die Ubiquitat Chrifti
nidt ohne fozialiftifhe Tendenz betont und den wahren Sinn des Chriften-
thums in der Runft wieder herzuftellen fucht, ebenfo ungereimt, als wenn
man die homerifhen Helden als moderne Hufaren und Ulanen malen wollte.
für deutfhes und proteftantifhes Empfinden ift Uhse der große Bemüthsmaler,
den man lieben muß. Seine „Bergpredigt"' mag in den perjpeftivifhen Ver-
hältniffen nit gefhmadvoll fein, da Chriftus für feine Umgebung zu groß
ag e © GR Qe R & & GE
Gedanfen fiber bildende Kunft.
Die Rünfte der Hellenen fannten
Nicht den Erlöfer und fein Licht,
Drum fcherzten fie fo gern und nannten
Des Schmerzes tiejften Abgrund nicht.
Daß fie am Schmerz, den fie zu tröften
Nicht wußte, mild vorüberführt,
Erfenn’ id) als den Zauber größten,
Womit uns die Antike rührt.
Cenau.
gn der wahren Aunft giebt es feine Dorjhule, wohl aber Vorbereitungen ;
die befte jedoch ift die Teilnahme des Schülers am Befhäft des Meifters.
Goethe.
+
Was den Rünftler zum Riinftler madt, ift, dağ er fih in feiner Weife
über den Standpunkt der Empfindung erhebt. Wohl begleitet ihn die Em-
Deutfhe Runft
wirft, die gegen ihn zu ftarf verkürzt erfcheint, etwa wie die nur wenige Schritte
zurüdftehenden figuren auf einem photographifden Gruppenbilde. fein in der
‚feierabendftimmung, in der es liegt wie Defperglodenflang und goldener
friede, it es um fo mehr und ergreifend durch Iprifhe Gnnerlidfeit.
Don Lenbadh hat man hier fhon beffere Portraits gefehen als das
Bilbnig Ridard Wagner's, in dem es dem Münchener Meifter nidt ganz
gelungen ift, die Gndividualitat des Bapreuther Meifters zu erfajlen und in
ihrer geiftigen Bedentung sur Darftellung zu bringen.
Redhnet man zu den deutfhen Rünftleen nch Arnold Bödlin mit
feiner Diana, fo darf man wohl fagen, daß unfere deutjhen Landsleute in
ihren beften Rünftlern vertreten find.
pfindung in allen Phafen feines fünftlerifhen
Thuns, fie erhält ihn in beftändig naher Be-
ziehung zu den Dingen, fie ndbrt die Cebens-
wärme, in der er als ein Theil der Welt mit
diefer verbunden ift, fie führt ihm unaufhörlich
das Material zu, in deffen Verarbeitung fein
gelftiges Dafein befteht; aber fo gefteigert fie
ift, fo muĝ er fie dod immer nod mit der Rlar-
heit feines Beiftes beherrfhen Fönnen; und wenn
das Fünftlerifhe Refultat auh nur auf Brund
einer außerordentlihen Stärke des Gefiibla Senf-
bar it, fo wird es Sodh erft durh eine nod
außerordentlichere Stdife de Beiftee möglich,
die dem Rünftler felbft in den Momenten inten-
fiofter Empfindung die Rube objektiven Intereſſes
und die Energie dec Beftaltungefraft bewahrt.
Conrad fiedler.
& CG
+
Nur die innere Bedeutfamkeit gilt in der
Runft, die äußere gilt in Ser Gefhidte.
Schopenbaner.
y
Hu jeder Feit und in jeder Runft vertritt
Manier die Stelle des Beiftes, der ftets nue das
Eigenthum Einzelner ift. Lie Manier aber ift
das alte, abgelegte Rleið der zulegt dagewefenen
und erfannten Erfheinung des Geiftes.
Schopenhauer.
+
Eine Allegorie it ein Runftwerf, weldes
etwas anderes bedeutet, als es darftellt.
Schopenhauer.
*
Nicht der Rünftler bedarf der Natur, viel-
mehr bedarf die Natur des Rünjtlers. Nicht
was die Natur ihm fo gut wie jedem anderen
bietet, weiß der Riinftler nur anders als ein
anderer zu verweriben, vielmehr gewinnt die
Natur nad einer gewiffen Ridtung bin erft durch
die Thatigteit des Riinfilers fiir diefen und für
jeden, der ihm auf feinem Wege zu folgen
vermag, ein reicheres und höheres Dafein.
Conrad ‚fiedler.
+
Die fiinftlerifche Thätigteit ift eine ganz urfprünglide und durhaus felbft-
ftandige geiftige Thatigteit, Ste fetzt die hödfte Bejonnenheit voraus und
führt zum Flarften Bewuftfein. Wenn man die fiinftlerifthe Thatigheit fo
gern eine unbewußte nennt, fo beweift man damit nur, dağ man in die eigen-
thiimliche Art des künftlerifhen Bewußtfeins nicht einzugehen vermag.
Conrad ‚Fiedler.
5
Die Runft ift immer realiftifh, weil fie das hervorzubringen fuht, was
dem Menfcen allererft die Realität ift, und fie it immer idealiftifh, weil
alle Realität, die fie fchafft, ein Produft des Beiftes ift.
Conrad ‚fiedler.
$
Ein felbftändiges Redht hat die Tehnif im der fünftlerifhen Thätigkeit
nit; fie dient lediglih dem geiftigen Prozeß. Yur wo der Geit Feine
Herrfhaft auszuüben im Stande ift, gelangt fie zu felbtändiger Bedeutung,
Widtigteit, Ausbildung und wird fiinftlerifh wertblos. Conrad Fiedler.
Bildnerifche Derherrlichung der Hochjagd.
Auf der vorjährigen Dresdener “jabresaugftellung fiel eine Portraitbüfte
Norbert Pfregfhner's duch ihren teten Realismus auf. Den Spighut
mit Bemsbart und Spielhahnfeder im Naden, den Schnurrbart aufgezwirbelt,
blidte der fharf gefehnittene Kopf übermüthig in die Welt. Norbert Pfrekfhner
it niht nur Bildhauer, fondern aud Tiroler Schütenhauptmann und ein
gewaltiger Nimrod vor dem Herrn. Sein Atelier in der KRantftraße in
Charlottenburg ift ebenfo reih mit Bipsabgüffen wie mit Jagdtrophaen aller
Art gefhmüdt, ein Mittelding zwifhen Künftler- und Gagerbeim. Embleme
der Jagd find es denn aud, mit denen Pfregfchner jüngft den Edthurm zu
Schloß Moſchen im GOberfchlejien für den Grafen Tiele-Winkler aus-
geftattet hat. Ein Eberkopf mit madtigen Hauern und ein impofantes, von
zottigem Haar umwalltes Büffelbaupt bliden bod von der Wand, in Sand-
fein ausgeführt, dem Antömmling entgegen. Erfreulid an diefen Arbeiten
ift der dekorative Sinn in der das Wefentlihe in großen Zügen betonenden
Behandlung und das Maßhalten zwifhen Typus und Modellftudie.
Don feinem Stilgefühl und ausgebildetem Formenfinn zeugt eine Bronze-
RRatuette Pfreßfehner's auf der diesjährigen Berliner Ausftellung, welde die
„Hochjagd“ verfinnbildlidt. Eine dianenhaft ſchlanke Maddhengeftalt fteigt,
ein Hirfehfell um den Unterarm gefdlungen, den Speer in der Hand, auf
dem Ropfe den leidten Gagdhelm mit auffteigendem Federfhmud, beutefrob
den felfen hinab. Die ftart ausfcreitende Bewegung der jungfräulid
zarten Blieder, die zierlihe Beugung des Arms mit dem Speer, das fein
anf dem Halje firende Köpfchen erinnern ebenfo wie die glatte Behandlung
der flächen, unter deren Spannung die Muskellagen verfhwinden, an die
Arbeiten der Franzofen am Ende des vorigen Jahrhunderts. Es fhwebt
über dem Ganzen ein Hauch jener Anmuth, die den Uebergangsftil vom
Barot zum Rotolo harakterifirt. Bejonders glüdlih ift Pfregfhner in der
naturaliftifhen Behandlung der Sodel, auf die er Büften und Statuetten zu
ftellen pflegt. * G. M.
Berlin. — Ohne die illuſtrirte Poſtkarte geht es ſchon nicht mehr;
and ie Gefhäftəlettung der groen Runftausftellung hat ſolche heraus-
gegeben, die aber die Runft zu febr vermijjen laffen. Statt Neproduftionen
pbotograpbifher Aufnahmen von Interieurs und Theilen des Ausftellungs-
parfes zu geben, wäre es richtiger gewefen, fi die Poftfarten der vorjährigen
Dresdener Ausftellung zum Mufter zu nehmen. Sicher hätten ji wirkliche
Riinfilerfarten einer weit regeren Nachfrage erfreut und wären zu einer er=
giebigeren Quelle von Nebeneinnabmen geworden, die bei einer Ausftellung
nie fchaden fénnen, wen aud die bisherigen Verkäufe von Runftwerfen in
der großen Runftausftellung in Anbetracht ihrer erft zweimonatlihen Dauer
bereits ein recht erfreulihes Refultat ergeben haben. Allerdings darf man
daraus noch nicht auf einen befonders entwidelten Aunftjinn der Berliner
fließen, denn die Mehrzahl der 165 verkauften Runftwerke geht nad aufer-
halb. Mit dem Anfang alfo darf man zufrieden fein und wenn es fo weiter
geht, wird das Endrefultat hoffentlih zu dem Ausruf veranlafen: „Ende
gut, alles gut!" Aber dann folgen auh gleih wieder nene Runftaus-
ftellungen, die fein Ende mehr nehmen wollen; denn am J5. Oftober foll das
nene Riinftlerhaus in der Bellevueftrage mit einer ſolchen eingeweiht
werden. Einftweilen genügt dem fünftlerifhen Bedürfnig der Berliner neben
der Ausftellung am Lehrter Bahnhof noh Schulte, bei dem neben alten
bekannten und regelmäßigen Stammgäften wie A. Ahenbah und Conrad
Riefel diesmal ein vielverfprehender, bei uns nocd unbekannter Maler f.
Zmurfos mit einer Schönheitsgalerie interejiant aufgefaßter und virtuos
ausgeführter weibliher Köpfe debü titt.
Einen tiefen Eindrud madht Surh feinen poetifhen Fnhalt fein groß
aedadtes und tiefempfundenes Bemälde „Stern von Bethlehem". Der
Ausdrnd des Gnnenlebens in den fünf weiblihen und zwei männlichen jungen
Geftalten, die in Sammeriger Feljenlandfhaft emporjhauen zu dem ver-
beifungevollen Stern, läßt alle Seiten der menjhlihen Seele erklingen, die
eine Hoffnung auf Erlöfung anfchlagen tann.
Sehr reihhaltig ift die Ausftellung von €. ©. Simonfen- Laftelli,
der ih im verfchiedenen fiinftlerifchen Ridtungen und Tedniten als Virtuos
erprobt. Unter den Genrebilðern zeihnet ih C. M. Seyppel's ,,Das junge
Genie! Surh feine Malweife und „Stille Andaht“ von A. Bod, Münden
durch liebevolle Beobadtung der Natur aus. — Von Landfdaften feien nob
erwähnt A. Brothe's wirkfame, etwas derb behandelte „Alte Maas bei
Roermond", der ftimmungsvolle ,, Abend in der Haide' von G. Merveldt, und
Ñ. Deiter's „herbſtwald'“.
München. — Die Sezeſſion iſt in der glücklichen Lage, zu konſtatiren,
daß der Beſuch ihrer Ausſtellung im neubezogenen Königl. Runftausftellungs-
gebäude ein noch viel regerer geworden ift, als er in den Jahren 1893—1896
im proviforifhen Ausftellungsgebäude in der Prinzregenten- Strafe war, und
giebt fh im foönen Glauben an weitere Erfolge der trdftliden Hoffnung
bin, daß die Schuldenlaft des Dereins, die von 170000 Mark im Fabre 1893
anf 10000 Mark bis Ende Guni 1898 herabgemindert worden ift, nod in
diefem Fabre getilgt werden Fann, Dielleiht foll der Derfauf von Anfidts-
poftfarten mit dazu beitragen. Eine neue Zugkraft bat die Wusftellung
nod durd ein grofes Gemdlde von Prof. von Ubde erhalten, ein „Heiliges
Abendmahl“, das den Rünftler auf der Höhe feines eigenartigen Rönnens
zeigt. Das neue Abendmabl Uhde's zählt ohne Frage zu feinen reifiten und
ausgeglidenften Werken und ift als eine wichtige Bereicherung der Sezejjion
3u begrüßen. ~
Mödte fih in diefem Jahre noh ihre Hoffnung erfüllen, damit fie bald
auch finanziell mit der Runftgenoffenfhaft konkurriren kann, die in der Lage
it, zur Dollendung des KRünftlerhaufes auf dem Marimiliansplage aus
eigenem Vermögen 500 000 Mark zu bewilligen. Für zwei Fünftel diefer
Summe haben die erften Rünftler wie Lenbad und Andere Zinsgarantie
übernommen.
Aud die Fahresausftellung im Blaspalaft übt neue Anziehungskraft
aus, denn endlih fonnte aud die völlig neu infzenirte Abtheilung für
Architektur und Aunftgewerbe eröffnet werden. Jm großen Plaftikfaale
ift nachträglih mod die für den deutjhen Reidstagsbau beftimmte Roloffal-
ftatue „Raifer Otto I." von Prof. Rudolf Maifon in Originalbronzeguß
aufgeftellt.
Eine Kleintunftausftellung, die einer noch jungen Gnduftrie Gelegenbeit
giebt, ihre Erzeugniffe aud hier einer weiteren Defjentlidfeit vorzuführen,
it im Saale des großen Rollergarten in der Schwanthalerftraße vor einiger
Zeit eröffnet worden: Die Große internationale Aueftellung illufteirter und
von Riinfllerband gemalter Poftfarten. Wenn fie fih international beißt, jo
findet dies feine Berechtigung niht fo fehr in dem Urfprung der Rarten, als
vielmehr in den zur Anfhauung gebraten Landfhaften; denn die meiften
Karten tragen ein „importe“, das dem „made in Germany“ gleihfommen
dürfte. Das möchten wir als das Erfreulihe an der Ausftellung bezeichnen,
dağ fie den Vorrang der deutjchen Fnduftrie and auf diefem Gebiete dar-
thut. Go finden wir denn aud in dem Führer dur die Ausftellung fait
nur deutfche und öfterreihifhe Namen und Firmen.
374
Dresden. — Ernft Arnold's Runftfalon hatte in der legten Zeit
einen etwas größeren Zufpruh der Aktualität von Ausftellungsgegenftänden
zu verdanken. Die Jubiläumsfeterlikeiten, mit denen Dresden der Sängerin
Therefe Malten huldigte, find verraufgt; fie haben aber ein fhönes Er-
innerungszeihen in den filbernen Malten - Zubiläumsplafetten von Arnold
Rramer gefunden, die nur in 25 Eremplaren ausgegeben werden. Neben
ihnen beanfpruhen das Tagesintereffe die Handzeihnungen des jiingft ver-
forbenen englifhen Praeraffaeliten Burne-Jones. Gntereffante Gafte find
gegenwärtigbei €. Arnold: franz von Lenbad und die Belgier Rudolf
und Juliette Wytsmann. Reidbaltiger als ihre Kollektion ift die Sonder-
ausftellung von 45 Gemalden von Hans Peter Fedderfen in Victorias
haus, dle der Riinftler felbft eingerichtet
bat. Ohne den Inhabern unferer Kunft-
falons Gefhidlihleit im Arrangement
abfpreden zu wollen, darf man den
Rünftlern doch rathen, dem Beifpiele Peter
fedderfen's zu folgen, weil fo die in
den Bildern verftedten einzelnen Reize
der Perfonlidfeit zu einem Ganzen 3u-
fammengefaßt werden und die Eigenart
fih fofort aufdrängt.
Die im nadften Jahre ftattfindende
deutfhe Runftausftellung foll den
wiffenfhaftlihen YNebenzwed erhalten,
einige funftge(hidtlide Streitfragen, die
fidh mit Lutas Rranad dem Aelteren
befafjen, zu löfen. Der Direktor der Ge-
mälde-Balerie, Herr Profeflor Dr. Wör-
mann, wird eine Lutas Rranad-
Ausftellung veranftalten, die ein um-
faffendes Bild von dem Schaffen des
Hauptmeifters der altfähfijhen Schule
geben und darüber Aufklärung jhaffen
foll, ob werfchiedene Werte mit Redt
Rranad abgefproden und von den einen
dem Mathias Griinewald, von an-
deren dem Simon von Afdhaffen=
burg 3ugefdrieben werden.
Leipsig. — Gn dem Bericht, welhen
der geſchäftsführende Ausfhuß des
Runftgewerbe-Mufeums über das abr
gelaufene Derwaltungsjaht gegenwärtig
erftattet, nimmt in erfter Linie auf die
von ihm veranftaltete Ausftellung von
Werten alten Runftgewerbes aus fähfifch-
tbüringifhem Privatbeft Bezug, einmal
den funftwiffenfdaftlicdben und Fünftleci-
[hen Erfolg diefer retrofpeftiven Aus-
ftellung rühmend, dann wieder die Lau-
beit beflagend, mit welder das große
Publitum an diefelbe herangetreten ift.
für das Mufeum felbft ift diefe Aus-
ftellung von nicht geringem Vortheil ge-
wejen, indem fie in erfter Linie eine
Art Programm entwidelte, in welder Weife eine Sammlung von Werken
alten Runfigewerbes anzulegen und aufzuftellen fei. Denn wenn aud nicht
daran zu denfen ift, Saf in Leipzig in abfehbarer Zeit eine abhnlide
Sammlung gebildet werden tann, fo ift es doc eine nidt absuweifende
Pfliht des Mufeums, das im Rathefhatze doc hervorragende Stüde befitt,
bei ferneren Dermehrungen die gleihen Qualitatsanfpriihe im Einzelnen 3u
ftellen, die man bemüht gewefen ift, bei der Auswahl für die Privatfammlung
aufrecht zu erhalten. Dann kann das Mufeum es zu einer zwar nicht großen,
aber dod) guten und in ihrem vorbildliden Werthe wirklid nüßlihen
Sammlung von Werken alten Runftgewerbes bringen, dern troß der modernen
Emanzipationsbeftrebungen, die die hiftorifhen Stile als Vorbilder zu ent-
wertben fuden, bebalten fie doch ihre Aulturgefhichtlihe Bedeutung. Um
modernen Beftrebungen Rehnung zu tragen und fie zu fördern, genügen einft-
weilen Ausjtellungen, die den verjhiedenen Wnfpriidhen des Publifums und
der Handwerfer entgegenfommen. Beim Ankauf moderner Erzeugniffe ift, wie
Deutfhe Run ft.
allen Mufeen die Erfahrung gelehrt hat, die größte Dorfiht anzuwenden, um
nit Arbeiten zu erwerben, die den Befhmad der Mode niht überdauern und
nah wenigen Jahren in die Rumpelfammer, wenn nit zum Trödler wandern
miiffen.
Cin Mufeum vollends, das wie das Leipziger fiir feine jabrliden Er-
werbungen fo befheidene Mittel befigt, darf in diefen feinen Erwerbungen
nit jeder modifhen funftgewerbliden Laune folgen.
Soweit es die verfügbaren Mittel geftatteten, wurde eine Reihe Neu-
erwerbungen für die feramifhe Abtheilung, die Abtheilung der Edelmetall-
arbeiten, die Holzabtheilung, die Stofffammlung vorgenommen und der Ankauf
einer Anzahl moderner Erzeugnifje befhloffen.
Aud. in Siefem Jahre erfuhren die
Sammlungen wieder eine namhafte Bez
teiherung durch Befchente und Stiftungen.
Die werthvollften Stiftungen waren ein
aus zehn Stüden beftehendes Empire-
Meublement, weldes Herr Reihsgerichts-
rath a. D. Schwarz dem Mufenm legt-
willig vermadte, und ein großes dret-
theiliges, fhmiedeeifernes Gitterthor vom
Anfang des 18. Jahrhunderts, eine un-
gewöhnlihd reihe alte Leipziger Arbeit,
òðie von Herrn €. Herfurth dem Mufeum
überwiejen wurde.
Die Bibliothet, deren Vermehrung nur
langfam vorwärts fdreitet, wurde im
Jahre 1897 von 4425 Perfonen benugt.
Dann gefellten fi zu der großen Sonder-
ausftellung nicht weniger als 20 Meinere
Sonderausftellungen, in denen fi die
Mufeumsleitung bemühte, Proben mos
dernen Runftgewerbes in wedfelnden
Ausftellungen vor Augen zu fübren und
damit das Derftändniß für moderne band-
werflide Künftlerarbeiten wadzurufen.
Aud fonft fudte der Dorftand durd
vetfdiedene Deranftaltungen, wie Abhal-
tung von Dortragen, Cinridtung gefelliger
Dereinigungen, ein regeres Dereinsleben
und einen engeren Sufammenbalt der
Runftgewerbetreibenden herbeizuführen.
Wie in früheren Jahren bemübte h Ser
jet 727 Mitglieder zählende Derein durch
Deranftaltung von KRonkurrenzen der ein-
beimifhen fünftlerifhen und kunftgewerb=
lihen Produktion Anregung 3u bieten.
Seine Leitung gewährte in fehe Fallen
einheimifhen firmen Rath und praftifchen
Beiftand dur Ueberlaffung von Aus-
ftellungsräumen.
Würnberg. — Nadh Vollendung
der Reftauricungsarbeiten, welde einige
Woden in Unfprud genommen haben,
find die Räume des Wlbredt Diire re
Dereins dem funftliebenden Publitum wieder geöffnet worden. Diefelben
maden jegt einen duferft wohlthuenden Eindrud. Es wurden drei Aus-
ftellungsfäle gefhaffen, deren Oberlichter febr giinftig wirfen, wie aud die
Wandverkleidungen ridtig in der farbe gewablt find. Man muf es den be-
treffenden Arrangeuren Dank willen, daß fie in diefer Weife die Sache in Sie
Hand genommen haben.
Bei diefer Belegenheit fei dem Bedauern Ausdrud gegeben, daß der
Runftverein Nürnbergs nur ungefähr 1000 Mitglieder zählt, während 3. B.
Hannover 7000 bat. Oft das Feine Opfer von II Mark jährlid vielleicht
zu groß gegenüber dem Werthe der bildenden Runft als Erziehungs- und
Bildungsmittel? Dielleiht fühlen fih jest mehr Bürger Nürnbergs, das
vom alten Ruhme feiner großen Meifter zehrt, veranlaßt, dem Dürer-Derein
als Mitglieder beizutreten, damit man aud bier der Runft der Gegenwart
gegenüber feine Schuldigfeit thun tann.
Daf es an den Rünftlern nicht fehlt, um dem Kunftleben bier einen
Norbert Pfregidner, Viiffelfopf, Sandftein,
Graf Tiele-Winkler, Schloß Mofden, O.-S.
lebendigen Jmpuls zu geben, davon möge ein Schreiben Heugniß geben, das
Herr Direktor f. A. v. Raulbah in Münden jüngft einem Dorftands-
mitglied des Albrecht Dürer-Dereing überfandte, auf die Aufforderung bin, bier
wieder Werfe auszuftellen. Es beißt in dem Schreiben: „Für mein geliebtes
Nürnberg bin ih immer zu haben und bin mit größtem Vergnügen bereit,
mebrere Saden zu fenden. Jh freue mid febr, daß id dort niht ver-
gefen bin.“
Gewiffermaßen zur Einweihung haben einige hiefige Mitglieder des
Albreht Dürer-Dereins eine Anzahl trefflider Gemalde aus ihren Samm-
lungen der Ausftellung zur Derfügung geftellt, welden Werken die nenein-
getroffenen Bilder des Süddeutfhen Aunftvereins-Tyflus ih anreihen.
Düfeldorf. — Die weltberühmte Dereinigung „Der Maltaften‘
beging am 1., 2. und 3. Juli dus Jubiläum feines fünfzigjährigen Beftehens
in feinem Dereinshaufe und dem dazu gehörigen Part. Die Gründung des
Maltaftens meldet der Chronik alfo:
„Und war es dermalen zur Stund, da fie zu Rathes gingen, wie man,
nad dem fiirbild des eben gefeierten deutfhen Einheitsfesti, gleicherweife
fundiren und errichten mödt ein gut societatem „vor gefellig Rünftlerleben“,
derein allabendlid) bei einem guten Hiimpplin fid) zu treffen, item fih zu
verbinden, feftiglih und brüderlih und beyfammen zu ftehen in Treven wider
der Zeit Anfehtung und Störmens. Und famen iibereins, wie fie wollten
ausfdreiben am Il. ejusdem ein groß allgemein Concilium gefamter Diiffel-
dorfifh Mablerzunft und ward dazu invitiret Alles, fo den Penful geführt
oder fonften dem cultu derer Artium fih beflepffiget bat. Darnad ift unter
großen Zulauff der Befellen das alfo neugeboren Anäblein aus der Tauff
boben und, naddem ihrer allerband nomina projeftiret werden, auf des
Gefellen Caroli Hübner Dorjhlag cum omnium consensu mit dem
Namen ,,Maltaften’ benamfet worden."
Sm tollen Fabre 1848 iff der ,,Malfaften’ entftanden und bat auf
glänzende Antecedentien hinguweifen, abgefeben daß eine Reihe von Meiftern
bildender Runft erften Ranges fortlaufend eine Zierde des Dereins gewefen
ift, gehörte ihm einmal auch ein großer deutfcher Dichter an, deflen Beitritt
eine kurze aber merfwiirdige Epifode in der Befchichte des „Malkaftens‘ bildet.
Am 6. Juli 1850 war freiligratb zum anferordentliden Mitgliede
des Dereins gewählt worden, was eine Reihe erregter Verhandlungen zur
Folge hatte, denn die politifhen Gegner des Dichters konnten diefem die
Deutfhe Runft 375
Rolle nod nidt vergeffen, die er in den revolutionären Tagen des Geburts-
jabres des „Malkaftens‘ gefpielt hatte. Freiligrath erflarte damals frei-
willig feinen Austritt und bewabrte fo den ,,Maltaften' vor einer bedenfliden
Spaltung und Sdhwadung.
Dem fhönften fefte, das der Derein im Jahre IS5I gefeiert und das
Hadländer duch eine ausführlihe Schilderung in feinem Riinftlerrcoman
verewigt hat, reiht ih das fünfzigjährige Fubelfeft würdig an. :
Naddem fhon auf der Dorfeier des ,,Malfaftens im engern Rreife die
Wogen der Freude hochgefhlagen, nidt sum wenigften Dank den überaus
luftigen dramatifhen Darbietungen des Riinftler-Dereins Laetitia in Geftalt
einer dialeftifh und inbaltlid) lofal gefärbten Revue, feierte man an den
folgenden Tagen den Jubilar-Derein mit weiter fteigender Begeifterung. Die
Säfte aus der Nähe und ferne hatten fh inzwifhen bedeutend gemebrt;
die Berliner, Dresdener, Rarlsruber, -Mündener und Wiener Runft fandten
ihre Dertreter.
Die Feftftimmung wird wohl genügend charafterifict durd die Schluß-
verje einer Gubelhymne 3u Ehren des Humors, mit der das Feft(piel
von Eduard Daelen, das niht weniger als 700 Mitwirkende erforderte,
austlang: So braufe denn, Triumph-Parole,
Laut vom Aequator bis zum Pole,
Sowie vom Pol bis zum Aequator:
Heil dir, Humor, Welt-Fmperator!
Köln. — Jm Runftverein (Mufeum) find am 1. Juli mehrere Kollektionen
zu gleiher Zeit zur Ausftellung gelangt, von denen die Sonder-Ausftellung
von Prof. ferð. Brütt, der fürzlih von Diiffelborf nad Cronberg im
Taunus verzogen ift, am meiften interefliren dürfte. Don hervorragender
Bedeutung find die Bildniffe. Weniger können wir uns erwärmen für die
beiden religiöfen Bilder: Die Allegorie Christus victor und die Skizze
Golgatha. Dagegen fteht man bewundernd vor den mit flottem Wurf dar-
geftellten Szenen aus dem täglihen Leben und DVerfehr. Trefflih beobachtet
und mit Eleganz behandelt it das figurenreihe Gruppenbild „Am Bahn-
hof". Ergreifend die Berichtsfzene „Nah bangen Stunden“.
An die Brütt’fhe Kollektion fließt jih eine niederländifche, die tüdhtige
Landfhaften enthält von Rlinfenberg, Paul Rink, Marie ten Rate,
UApol, du Chatell, de Boel und Rololf.
Ein Unitum ift H. Smith's Holz-(Segel-)Schiff. Daß die Niederländer
aud heute nod befähigt find, bübjche Genrebilder mit den dazu gehörigen
ftilvollen Gnterieurs 3u malen, bezeugen Picter's anbeimelndes Bildchen
„Unfer Heim“, fowie ein größeres Gemalde ,,Am Sonntag, mit pradtigem
altniederlandifhem Gnterieur. Ferner M. Schildt mit feiner Näherin und
Raffeelöhin. Reizend iff Wuptier's Aquarell „Sonnenblumen“. Als
Stammverwandter fei hier auch der Antwerpener Berard Portilie genannt,
deffen grofes Bild ,, Gaufler etwas an das bekannte Anaus'fche Bild erinnert.
Norbert Pfregfchner, Eberfopf, Sandftein.
Graf Tiel»-Winkler, Schloß Moſchen, O.S.
376
Bei Schulte if ein neues Bismard-Bild von Lenbad ansgeftellt;
ferner Porträts von Biafini und C. Flamm; eine Dame im Jagdfoftiim
von Sidel und drei fhöne Aquarelle von B. Peister (Röln).
Die Ausftellung für hriftlide Aunft (Domhof 8) enthält als
Neuheit von Hiftorienmaler Friedr. Stummel (Kevelaer) einen Entwurf für
mufivifche Dekoration einer romanifchen Herz-Jefu-Rapelle. Die Rüdwand des
Altars ift mit Cipollin-Marmor bekleidet, deffen großadrige Platten, nad Art
der Alten, zu romanifher Mufterung zufammengefegt find. Die gerade Wand
der rundbogig gefihloffenen Niifhe ift mit einem reihen romanifhen Ranten-
werk bededt. Jn der Mitte fehen wir den Pelifan mit feinen Jungen, in
den Ranten eilen Tauben auf denfelben von allen Seiten zu. Nah unten wird
diefe Fläche durd ein goldenes Sprudhband abgefhloffen. Die umliegende
Laibung des Bogens ziert ein Mäander. Die hieran anfhließende Schild-
bogenwand ift in ihrem untern heile ebenfalls duch ein Spruhband ab-
gefhloffen. Auf der Fläche finden wir im runden grünblauen Nimbus die
Herz-Jefu-figur, zur Seite zwei Engel mit den Pafflons-Werkzengen. Die
fleine Laibung des Bogens hat ein Zid-Had-Ornament und auf der Stirn-
feite die Jnfhrift: „Vere languores nostros ispe tulit“ u. f. w. Diefer
Theil ift außer in der Sfizze auh in den Kartons in natürliher Bröße aus-
geftellt. Die Skizze zeigt in jeder Bewölbefappe zwei Engel. Den Hinter-
grund bildet überall der für die deutfche romanifche Aunft eigene blaue farben-
ton. Goldene Streifen mit Schrift umfäumen die flähen; nur in den
Laibungen ift auf goldenem Grunde farbiges Ornament angebradt. Die
arditeftonifhe Erfheinung der Ronftruttion ift auf folhe Weife tlar hervor-
gehoben und die Farbenwirkung eine fehr harmoniſche. Fräulein Chriftine
Beemelmanns bringt eine für einen biefigen Arbeiterinnen - Derein be-
ftimmte neue Fahne zur Ausftellung, welde einen redht lobenswerthen fort-
fhritt in der Technik aufweift. Muftergiltige Beifpiele Pirdhlider Fahnenfticeret
ftellen die drei Dortragfahnen der Revelaer'fhen Bruderfhaft hierfelbt dar,
welde auf grünem Sammetgrund in reiher Weife unfer bemährtes Dombild
mit feinen beiden Seitenflügeln zeigen. Die Fahnen, welde fhon bei der
legten Ftohnleihnams - Prozejlion berehtigtes Auffehen erregten, Fönnen bier
bequem betrachtet werden. Des weitern ftellt P. Oediger in Krefeld eine
nad dem Entwurfe des verftorbenen Rölner Ardhiteften Wiethafe angefertigte
fpätgotpifhe Monftranz von redht wirkungsvollem, f&hlanten Aufbau aus.
Die fpätgothifchen, gedrehten und gefhwungenen Seitenfialen und den recht
harakteriftifh ausgebildeten Mittel-Baldadhin befrönen Meine filberne Engel-
Statuetten. Der prächtig wirkende Befammtaufban, der 92 Centimeter Höhe
erreicht, dürfte bei feiner reihen Bliederung vortrefflih aud auf die ferne
wirfen. d i
frankfurt a. WM. — Die periodifhe Ausftellung der Rupferftid-
fammlung in der Baleriedes Städel'fhen Inftitutes enthält gegenwärtig
eine Reihe neuer Erwerbungen des Jnfiituts am Radirungen moderner Rünftler.
Darunter befinden fih Blätter von Mar Rlinger aus der foeben erfhienenen
neuen ‚folge „Dom Tode“, ferner Arbeiten von B. Mannfeld und feinen
Schülern, von H. Braun in Karlsruhe, von Herfomer und von Mitgliedern
des vor mehreren Jahren begründeten Radir-Dereins. Außerdem ift eine
umfangreihe Radirung von L. U. Brumet-Debaines nah John
CTonftable (Kathedrale von Salisbury) ausgeftellt, ein Gefhen? von Gg.
v. Heyder.
Wiesbaden. — Bei Banger und bei Deiters find fo viele neue
Werte ausgeftellt, daß ein Runftfreund, felbft bei mehrmaligem Bejuhe in der
Wore, für mehr als eine Wodhe Stoff zur Betrachtung findet. Bei Deiters
entzüct eine Meine gemalte Menagerie: Enten, Hafen und tämpfende Birt-
habne in weiter Landfhaft von Weinberger- Wiesbaden, Kühe auf der
Weide von O. Frenzel» Berlin und Rothwild von Rlingender, ein Bild,
das einen etwas trodenen und miibfeligen Eindrud macht.
Aus Banger's Runftfalon ift über eine Kollektion von Hans Dölder
zu berihten. Er hat febr viele Arbeiten gefandt, und es ift faft felbftver-
ftändlih, daß nicht alle gleihwerthig find, genug, daß Bilder vorhanden, die
ein ganz ernftes Aönnen, eine fräftige Art, üh mitzutheilen und lebhafte
Stimmung zeigen. Unter den Belgemälden nimmt wohl „Träumendes Dorf“
die erfte Stelle ein. Bei dem „Gebet find die Felfenmajjen und der auf-
fhäumende Bifht des Waflers fehr gut, während die im Motiv von Rops
entlehnte Staffage mehr bineingejegt Senn als innerlih nothwendig erfdeint.
Endlich fei noh „Morgen am Meere! erwähnt. Ein Stüdhen Waller und
ein Stüdhen Himmel, gewiß nichts Nenes und doc) neu wirfend, weil es
bübfh gemadht und aufgefaßt ift.
Deutfhe Runft.
Gm Mufeum find zwei Stillleben von Shoenrod-Münden und eine
Direltoire-Dame von Oerine Peel bemerfenswerth,
Aus der vor Rurzem abgebaltenen Generalverfammlung des
Naffauifhen Runftvereins theilen wir mit, daß nad dem Beriht des Dor-
figenden der Derein auch in dem abgelaufenen Befhäftsjahre ih in erfreu-
lihem Wadhsthum befunden hat; die Mitgliederzahl ift von 822 auf 860 ge-
fliegen. Die genannte Ausftellung war mit 309 Bildern im Befammtwertbe
von 97250 Mark befhidt. fiir die fönigl. Galerie wurden GBelbilder u. a.
von A. Dieffenbah und Rarl Cronberger fauflid) erworben. Zur
Derloofung gelangen 60 Gewinne, darunter 18 ODelbilder; zur Vertheilung
an die bei der Derloofung ausfallenden Mitglieder eine grofe Radirung von
einem der nambafteften Rünftlerradirer R. Feldmann, Berlin.
Die Mufeumsneubaufrage hat den Dorftand unausgejegt befhäftigt; ihre
Entwidelung ift leider nicht im dem erhofften Sinne vorgefhritten. Unfere
Stadt hätte Anlaß genug, der Runt und Wiffenfhaft ein würdiges
Heim zu bereiten. Hoffentlid verpaßt ie nicht den günftigen Moment.
Mannheim. — Als eine zwar Meine, aber immerhin der Anerfennung
wiirdige Apotheofe des vor einer Wode verftorbenen englifden Malers
Edward Burne-Jones kann die Ausftellung von drei Blättern aus der
Hand diefes Rünftlers aufgenommen werden.
Prof. S. v. Defregger hat einen „Srauentopf in Trauer‘ ausgeftellt,
der wie alle feine Rathi's und Nannei's und andere hübfche „Diandln* eben-
falls von teiner weiteren Bedeutung ift, als dağ er eben von Defregger her-
rührt. Das Bild ift bereits vom Runftverein angefauft. Es ift jegt müßig,
die Frage aufzumwerfen, ob man mit der Erwerbung diefes „Defteggers‘‘ einen
Repräfentanten der eigenften Runft des Meiftere gewonnen bat. — Unter
den übrigen Ausftellern feien diesmal noh befonders erwähnt: £. Dett=
mann mit der „Poefie hinterm Haufe und „Lebte Sonnenftrahlen‘*.
Aud die „Birken im Wald“ von A. KRöfter (Karlsruhe) erweifen fh
als vollempfundene und tüdtig wiedergegebeue Symphonie der farben-
herrlidfeit eines Herbftwaldes. Die „Engelalm in der Schweiz‘ von + Prof.
A. Leu wirft trotz überrafhend fhöner Einzelheiten in farbe und Durdy=
bildung doch ziemlih flau. Don den zahlreih ausgeftellten Skizzen und
Studien von f. X. von Riedmüller, A. Griitering, Gatob Gebrig,
S. Althaus läßt Adh nur fagen, dağ fie viel Talent in der Auffaflung
verrathen.
Mains. — Der in Cronberg anfäåfige Profeffor Schreyer, deffen
Gemalde ,,Heimfehrende Araber" fih im Befige der Stadt Mainz befindet,
bat der ftädtifhen Gemaldegalerie ein werthvolles Gefen? gemadt mit Sem
befannten Bemälde des verftorbenen Mündeners Wilhelm Lindenfhmit: „Der
gefeffelte Prometheus“. Lindenfhmit entftammte befanntlih der Mainzer
Familie gleihen Namens. Ludwig Lindenfhmit, der Begründer des Römifch-
Bermanijhen Zentralmufenms in Mainz, war ein Onkel des Malers, während
der jetige gleihnamige Direltor der Mainzer Runftfammlungen fein Neffe ift.
für die Herftellung von Photographien des ehemaligen Rurfürftlihen Schloffes,
das auf Staats- und Reidsfoften reftaurirt werden wird, wurde von
den Stadtverordneten ein Kredit von 1658 Mart bewilligt. Bleihzeitig
wurde in der Stadtwerordnetenverfammlung angeregt, ob nidt von hervor-
tragenden alten Gebdulidfeiten, welhe dem Abbrude verfallen feien, gute
Bilder angefertigt werden fönnten, und diefe dann in den ftädtifhen Samm-
lungen zur Aufftellung zu bringen, um auf diefe Weife ein Bild von Alt-
Mainz zu befommen. Die Bürgermeifterei will nad diefer Richtung bin einen
Plan ausarbeiten und fpäter zur Beihlußfaffung vorlegen.
Worms. — Rürzlih war der zur Wiederherftellung des Wormjer
Domes eingefegte Runftrath, dem von München die Herren Profefforen Seidl
und freiberr v. Schmidt angehören, in Worms erfhienen, um die Wieder=
berftellungsarbeiten in Augenfhein zu nehmen. Der Runftrath hat fih augers
ordentlid anerfennend über den Umfang und die ftilgeredhte Ausführung der
bereits vollendeten Arbeiten, fowie über die Zwedmäßigkeit und Solidität des
Geriiftes ausgefproden. Yad eingehender Beiihtigung der Vierungstuppel
und des Wefthors einigte man fid Sabin, erftere durch Zwedmäßig angebrachte
Anker zu erhalten zu fuchen, hingegen aber das Wefthor nur infoweit und
zwar feilförmig bis unter die Rofe abzutragen, als fein Mauerwerk nur all-
gufebr zerfliiftet ift. Bei der Erneuerung foll unbedingt die alte Form bei-
behalten und thunlihft das alte Material mit großer Pietät benugt werden,
fo daß das Wefthor von feinem funftvollen Bau und feiner malerifhen
Wirkung nichts verliere. Die im Gnnern befhädigten Theile follen aus-
gewedfelt werden.
Deutfhe Runft.
877
— Bei Gelegenheit der vom 23. bis
26. Auguft d. J. in Braunfdweig
tagenden IX. Allgemeinen £utherifhen
Ronferen3, 3u welder ein Befud von 500—600
auswattigen Gaften 3u erwarten ift, wird in dem
von den ftädtifchen Behörden freundlidft zur Der-
fügung geftellten feftfaale des Altftadt-Rathhaufes
eine Ausftellung von firdliden Begenftänden
ftattfinden. Umfaffen foll diefelbe Runft- und Ausftattungs-
gegenftände fiir evangelifhe Kirchen fowohl aus älterer
als neuerer Zeit: als Altäre, Ranzeln, Tauffteine, Beftühl,
vasa sacra, Paramente, Ultarbibeln, Rirdenfenfter, tirdh-
lide Malereien, Entwürfe zu Rirhenbauten und firhlichen
Einrihtungsgegenftänden, firdhlide Alterthümer u. f. w.
Es wird gewünfcht, daß die Ausftellung médglidft von
allen Fabriten, Ateliers und Befhäften für firdlihe Gegenftande befhidt
werde. Die Begenftände, für deren Aufftellung eine Platmiethe nicht erhoben
wird, find bis zum 15. Auguft an den Buh- und Aunfthändler 5. Woller-
mann, Braunfhweig, Bohlweg 15, einzuliefern. Bei demfelben find aud die
näheren Bedingungen zu erfahren. Man kann wohl annehmen, daß diefe
Ausftellung, zumal eine folche in jo großem Umfange nod nie ftattgefunden
bat, eine nicht unbedeutende Förderung der firhlihen Runft fein werde.
— Ein erfreulihes Seiden dafür, daß üh auh in den Reidslanden
felbftändige lofale Runftbeftrebungen wie allenthalben jetzt regen, war die
von 98 elfäflifihen Riinftlern und Runftfreunden befhidte Ausftellung in
Miilhaufen, die am Schluffe des vorigen Monats zu Ende ging.
Die Ehrlichkeit erfordert es, die Thatfache vor Allem anzuerkennen, daß
die Ausftellung völlig ausgereifte Werke ganz großer Talente nicht beherbergt
hat: großgedachte, mit vollendeter Meifterfhaft ausgeführte Werke, deren Lünft-
lerifhe Handfhrift fih dem Befhauer unvergeßlih in die Phantafie einprägt,
waren niht $a, wobl aber zahlreihe tüchtige, hervorragend .tüdhtige Arbeiten
bodbbegabter Leute, bei denen bei weiterem Ausreifen und weiterer fiinft-
lerifher Dertiefung nod fehr viel zu erwarten ift; daß daneben das Liebens-
wiürdige, aber wenig Bedeutende, das „Butgemeinte‘ einen bedenklih großen
Theil der Ausftellung beberrfchte, bat fie mit faft allen Ausftellungen gemein.
Auffallend ift die Dielfeitigkeit, deren fi weitaus die meiften der vertretenen
Riinftler und befonders Riinftlerinnen befleifigen.
— gm Miindener Runftgewerbe-Derein ift ein von f. X.
Weingterl in Neu-Paſing entworfenes und bergeftelltes Pradtalbum
zu fehen. Es ift auf Beftellung einer Reifegefellihaft ausgeführt, welke als
Theilnehmer (darunter von Münden Profeffor Dr. Oebbede) des
VI. Internationalen Geologen-Rongrefjes unter Führung des rufjifhen Pro-
feffors Dr. Loewinfon- Leffing einen Ausflug nad dem Ararat und dem
Raufafus unternommen, und dem fiibrer jener Erfurfion das Album als Er-
innerungszeihen darbringt. Das Gnnere ift in der üblihen Weife zur Auf-
nahme von Photograpbien beftimmt; der Goldfdnitt der Blatter weift ein
vertieft gearbeitetes, originelles Mufter auf, und die beide Dedel verbindende
Schließe ift gefhmadvoll aus dem braunen Leder verfertigt, aus dem der
Einband felbft beftebt. Während nun deffen Rüdfeite ganz einfach gehalten
ift und als Hauptzierde nur vier fräftige, fhön zifelirte Schugnägel enthält,
präfentirt fih die Dorderfeite prächtig und gefhmadvoll unter Bezugnahme
auf die Entftehungsveranlaffung des Albums. Auch bier vorne fhüten vier
mädtige Nägel das Banze, weldes fie zugleih einrabmen. Die fläche des
Dedels ift im zwei gleihe Hälften getheilt, deren obere, im Lederjchnittarbeit
und farbig, ganz vom großen ruflifhen Wappenadler eingenommen wird.
Der Adler führt im Bruftfhild den heiligen Georg und trägt um den Hals
die Rette des Ordens vom heiligen Andreas, während der Künftler auf beiden
Flügeln je vier Meine Wappen angebradt hat. Die untere Hälfte des Dedels
ift ganz bildmäßig behandelt. Wir feben auf das Klofter Etjhmixdfin, und
dahinter ragen die Schneegipfel der einftigen Sommerftifhe Noabs hod in
den Himmel. Der Raum ift glüdlih und febr gefhmadvoll vertheilt und er
wird rings durdh gefdnittene, perfifhe Ornamente abgefdhlofjen. Das Album
ftellt fid im Einzelnen wie im Ganzen als ein wohlgelungenes Werk feines
Schöpfers dar. Weiter ftebt in einem der Hallenfenfter als neues Stüd ein
Sdranf von Pöffenbader. Die Zeihnung ftammt offenbar wie bei dem
ähnlihen vor einigen Woden ausgeftellt gewefenen Schrant aus Apfelbaum-
holz von Heren Pöflenbader jun. Der im nneren zur Aufnahme von Quer-
brettern eingerichtete (Wäfhe-) Schrank ift aus Eihenholz gearbeitet, die
Thüren find theilweife einfach gefhnitt, von den Angeln erftreden ih blau
angelaufene Befhläge oben und unten quer über den Thürflügel bis zur
Mitte. Den oberen Abflug bildet eine mehr originelle als gerade ſchöne
Galerie, deffen Ober- und Unterleifte in gewiffen Zwifchenräumen durd runde
Scheiben verbunden ift. Die Thürfüllungen fhweifen fih in ihrer oberen Hälfte
anmuthig, während die untere mit Blumenornamenten, die aus der Maffe des
Holzes herausgearbeitet find, gefhmüdt ift. Originell und ganz in moderner
Manier gehalten find die Thürenbefhläge, welde wie jhon bei dem erwähnten,
fürzlih an derfelben Stelle ausgeftellt gewefenen Sdranf blau angelaufen
find, wodurd fie fidh Fraftig und wohlthuend in der farbe von dem fie um-
gebenden Holz abheben. Es ware gut, den jekt nidelfarbenen Sdliiffel in
der Thiir aud blan zu färben, das Ganze würde fodann fhön abgerundet
und wirkte einheitlicher als jest mit dem verfciedenfarbigen Metall. End-
lid fei neben einigen neu bingugefommenen febr fjhönen Gefäßen von
Wilhelm & Lind eine große Fahne erwähnt, dte das Rorps Mafaria von
der Hofftiderei von H. Dogel & Aldens in weißer Seide, mit reicher Eunft-
voller Stiderei verziert, hat herftellen laffen; gleidfalls ein fhönes Erzeugnif
Münchener Bewerbefleißes.
— Um Derleßung des Runffhurgeferes bandelte es fic in
einem Prozefie, welder Ende Juni vor der dritten Straffammer des Land-
geridts I in Berlin gegen den Buchhändler Mar Markus in der Pafjage ftatt-
fand. Nicht lange vor dem Tode Raifer Wilbelms I. fertigten die Hof-
photographen Selle und Runge zu Potsdam von dem Ralfer ein Bild an,
nah welhem ein vergrößertes Bruftbild im Fabre 1888 im photographifd
attiftifhen Derlage von fr. Albert erjhien. Das Bild erregte durch feinen
eigenthümlihen Charakter, namentlib durd den trog der vom Alter gebeugten
Haltung noh frifhen und freundlihen Gefidtsausdrud, viel Auffehen- und
fand viele Liebhaber. Da die geferlihe Shusfeift fiir Photographien nad
5 Jahren abläuft, hielt Markus fih im Jahre IS97 für beredtigt, das Bild
fopiren zu laflen und im eigenen Verlage zu verbreiten. Get trat der
Albert'fhe Verlag damit hervor, daß diefes Bild Fein photographifhes Ers
zeugniß, jondern die Reproduktion einer nad der urfpriingliden Momentanf-
nahme angefertigten Zeihnung des Malers Lokmann fei. Der Röniglide
Sadverftindigen - Verein erklärte auch diefe Zeihnung für ein Runftwerf,
welches den gejegliben Shug auf die Lebenszeit des Autors genieße. Fm
geftrigen Termin führte der Dertheidiger, R.-A. Steinjchneider aus, dağ die
Tätigkeit Cogmann's fic) nicht über die bei allen pbotograpbifhen Ver-
arößerungen erforderlide erhoben babe, daß es dem Angeklagten aber jeden-
falls niht befannt fein fonnte, daß es fih um ein Aunftwert handle, da das
Bild einer Photographie vollfommen glih, auh mit der bei Runftwerfen
überflüfigen Jahreszahl und obne Angabe des Namens des Autors erfhien.
— Da der gerihtlihe Sahverftändige fih diefen Ausführungen anfhloß, fo
fam der Gerichtshof zu einem freifprehendem Erfenntnif.
— In dem großen Situngsfaale des Dresdener Stadtratbes
it eine Anzahl Königsbildniffe aufgeftelt. Sum Jubiläum König
Alberts hatte der Rath bei Profeffor Prell ein Bildnif diefes Herrfchers für
den Sigungsfaal beftellt. Um für diefes Plat zu gewinnen, wurde eines
der anderen Bildniffe, nämlihb das des Rurfiirften Friedrich Auguft des
Geredten (den in der Rheinbundszeit Napoleon zum Aönig madte), an das
Stadtmufeum abgegeben. Die Mufeumsleitung unterfuchte das Bild und fand,
daß es eine Arbeit des berübmten Bildnifmalers Anton Graff ift; es trägt
378 Deutfhe Runft.
in der unteren rechten Ede die Bezeihnung A. Graff pinx. 1781, die aller-
dings nur bei febr guter Beleuchtung zu fehen if. Man wußte bisher nicht,
daß man einen folhen Shak auf dem Rathbanfe befaß. Nunmehr haben
ih im Kädtifhen Arhiv aud die Rednungen dafür gefunden. Graff bat
für das Bildniß am 25. März 1792 ein Honorar von 200 Thalern aus-
gezahlt erhalten. Das Gemälde, das nunmehr eine Zierde des Stadtmufeums
bildet, ift 2,22 Meter hod) und 1,64 Meter breit. Es zeigt den damals
31 Jahre alten Rurfirften in voller Rüftung, gefhmüdt mit dem blauen
Bande des polnifchen weißen Adlerordens, im Hermelinmantel, mit dem
Marfhallftzbe in der Redten, die fih auf einen Stuhl ftiigt; auf diefem liegt
der Rurhut. Zwei andere Bildniffe des Aurfürften aus dem Fahre 1780 be-
finden fih im l. Sdhloffe zu Dresden und im Rathhaufe zu Leipzig.
— Diele der koftbarften und jhönften aus früheren Jahrhunderten auf
uns gefommenen Silbergeräthe find entftanden, um bei feftliden Unlaffen die
Tafeln in den Ratbhäufern wohlhabender Städte zu zieren. Jn unferem
Sabrhundert adtete man diefen auh fon aus funftfördernden Rüdfihten fo
ſchönen Brauch niht mehr; an Neuanfhaffungen und Dervollftändigung des
alten Befizes dachte Niemand, ja man fheute ih nicht einmal, das von den
Dätern heilig gehaltene Cigenthum 3u verhandeln. Fn neuefter Zeit erft fieht
man die in diefem Sinne begangenen fehler ein, und ift nun beftrebt, dem
Reidthum der Bürgerfhaft entfprehend, nad und nad einen Rathefhat zu
erwerben, um wieder würdig die fünftlerifhe und materielle Leiftungsfähigkeit
des Gemeinwefens aud in diefer fheinbar fo nebenfählihen Aeußerlichkeit
zur Shau bringen 3u fonnen. Gm Mufeum für Runt und Runft-
gewerbe in Hamburg ift zur Zeit ein für das Rathhaus beftimmter Tafel-
auffag ansgeftellt, der dem übrigen in Hamburgs großartigftem Monumentalbau
gemachten fünftlerifhen Aufwande würdig zur Seite tritt. Das als ein
Ehrendentmal für den verewigten Bürgermeifter Rellinghufen gedadte und
aus der von diefem gemadten Stiftung angefhafite Shmudftüd ift im Ent-
wurf und Ausführung eine Arbeit des Hamburger Boldfhmieds Alerander
Schoeuaner. Das pradtige Runftwerf verleugnet nit die echte Riinftler-
band, es ift eine Arbeit von individnellem Gepräge, nidt angehaudt von
dem alles fhematifirenden Schaffen, wie es die aus den heute berrfchenden
Goldwaarenfabrifen hervorgehenden Leiftungen fennzeidnet. Der Riinftler hat
es verftanden, gefunde Gedanfen in glüdliher form zu geftalten. Das Prunt-
füg ift im Renaiffancedarafter gebalten, es war dem Meifter vorgefdrieben.
Wenn diefe Einfhränktung der fünftlerifhen Schaffensfreiheit in mander Be-
ziehung zu bedauern ift, wird fie doc gerade fiir diefen fall aus verfciedenen
Griinden leicht 3u rechtfertigen fein, die Frifche mangelt jedenfalls dem Runftwert
nicht. Auf einem Unterfag von fhwarzem Marmor erhebt fi der aus reih
vergoldetem Silber mit Anwendung von Email und Bergfryftall geftaltete
Aufbau. Auf den vier fodelartigen Füßen, zwifhen denen je eine mufchel-
förmige Schale eingefügt ift, figen allegorifhe weiblihe Geftalten, welde
verkörpern: Runft und Wifjenfhaft an der Hauptfeite, Mildthätigkeit und
Fstömmigfeit an der Rüdjeite. An den Seiten des mittleren Sodelgliedes
flieht man vorn das Reliefbildnif Rellinghufens mit Wappen, hinten das
Hamburger Staatswappen und zwifhen beiden Infcrifttafeln, deren Tert
lautet: „Einem bhoben Genate der freien und Hanfeftadt Hamburg für das
neue Rathhaus gewidmet von der Bürgermeifter Rellinghufen-Stiftung 1898."
Und „Zum Bedähtniß an Se. Magnifizenz Herrn Bürgermeifter Hetnrid
Rellingbufen j. u. d. in Hamburg, geb. den 16. April 1796, geft. den
20. April 1879." — Möchte das Aunftwerk allfeitig die verdiente Aneıfennung
finden, den Meifter ermuthigen 3u weiterem Schaffen mit Einferung feines
beften Rönnens und die Dertreter von Hamburgs Bürgerfhaft veranlaffen, nad
Möglichkeit dem befchriebenen gleihwerthige Runftwerfe zu erwerben.
. — Ruftos Ed. Berifch hat das erft jüngft entdedte Frestogemälde aus
dem Singerthore des St. Stephansdomes in Wien vorzüglih reftaurirt, auf
Leinwand übertragen und von rüdwärts mit einer ftarten Holzwand gefhütt.
Er hat nur die alten fragmentarifhen Partien aufgefrifcht, ohne etwas pinzu-
3umalen, um das Runftwerf in feiner Urfprünglichkeit zu erhalten, denn es ift
in mander Beziehung ein Unitum, weldes zu den feltenften Shaken der
Malerei diesfeits der Alpen gerechnet werden muß. Wie Ruftos Dr. Hermann
Dollmapr von der Raiferlihen Gemäldegalerie nad vorgenommener Unter-
fuhung fih äußert, gehört es der lombardifhen Schule (1490—1530) an.
Seine Bedeutung befteht darin, daß es ein Werk im norditalienifhen Stile
an der Wand eines nordifeh gothifhen Domes ift, wozu in Oefterreihb und
Deutfhland wohl faum ein Analogon zu finden if. Das Bild wird dem
Mufeum der Stadt Wien überlaffen werden.
— Qntereffant war die am 30. Zuni veranftaltete Derfteigerung
einer Privatfammlung bei dem Runfthändler Neuftadt in Münden, bei der
bedeutende Werke moderner Rünftler fowohl, auh auh hervorragender ver-
ftorbener Münchener Meifter zum Aufwurfe Pamen, die aus Privatbefiz wegen
Raummangels aufgegeben werden. Unter den modernen Rünftlern der
Sammlung ragen befonders E. Berninger, A. Bödlin, Guft. Schönleber,
€d. Schleih jun. und der Franzofe J. Moreaur hervor. Don Werfen þer-
porragender verftorbener Miindner Riinftler find befonders hervorzuheben
Karl Rottmann, U. Lier, R. Spikweg, Friedr. Volk, €d. Schleich fen.,
Aug. Löffler, Ludw. Neubert, Heine. -Dallwig, Alb. Zimmermann, Mar
Himmermann. Dazu gefellten fid) nod mebrere alte Bilder, von denen ein
febr fhön erhaltener Bolzins befonders zu nennen ift.
— Eine der großartigften Runftverfteigerungen ift diejenige
der Tabourier’fhen Sammlung in Paris, die eben 943 000 francs ein=
bradte. Sie umfaßte jo ziemlih alle Gebiete der Runft und bot auf jedem
erlefene Stüde. Don den Bemälden alter Meifter brachte der ländlihe Rund-
tanz von Lancret mit 112000 frants den hödjften Preis. Die Raft bei der
Jagd dSesfelben Meifters 6100; Bouder, Amor als Dogelfteller, 5100; Clonet,
zwei männlihe Bildniffe, 5600 und 2800; Fragonard, Belübde für Amor,
18 500; fiegender Amor, 6106; Amor als Thorheit, 6100; Bildnif der Du-
barry, 4700; Llaude Lorrain, italienifhe Candfhaft bei Sonnenuntergang,
6600; Grenze, Frauenbildniß, 3100; Largilliere, männlides Bildnif, 3500;
Nattier, Bildnif des Herzogs de Chaulnes, 4100; Frauenfopf, 7500; Pater,
Ankunft im Lager, 28000; Lager, 29000; Proudhon, Unfhuld, die Liebe
dem Reihthum vorziehend, 5000; Tugend im Rampfe mit dem Lafter, 5000;
Chriftus am Kreuz, 5000; Watteau, ländlihe Erholung, 6000. Don den
Gemälden auewärtiger Schulen find befonders hervorzuheben: von Hans
Holbein das Bildnig des Rardinals Fifher, I0 500; zwei Bildnifje von S.
Holbein, je 4000; befonders aber eine Areuzigung von einem ungenannten
Meifter der Rölnifhen Schule, 17 000. Dann: Berfheyde, Damm beim Haag,
5305; Canaletto, der Arno bei Florenz, 9250; Anfiht von Florenz, 7700;
die Hoffiche 3u Dresden, 10100; Anfidt von Dresden mit den alten Wallen,
6000; Cupp, mannlidhes Bildnif, 7000; Fyt, Riihenftiid, 3930.
C= Perfinlides. D
— Der Bildhauer Profeffor Ludwig Manzel zu Berlin ift zum
ordentlihen Lehrer an der Unterridts-Anftalt des Runftgewerbe-Mufeums er-
nannt und dem ordentlichen Lebrer an der Aunftfchule in Berlin Maler Philipp
frang ift das Prädikat „Profeffor' beigelegt worden.
— Zu Profefforen wurden ernannt die Maler Hans Thoma und
Wilhelm Trübner in frankfurt a. M. und Karl Jrmer und Hugo
Mühlig in Düffeldorf.
— gm Atelier des Prof. Joh. Pfubl in Charlottenburg, Fafanen-
ftraße JO, war vor einiger Zeit das vollendete Modell des Standbildes
gatob Böhme's ausgeftellt, das für Börlit befimmt if. Es liegt etwas
Hinreifendes in diefer fclidten Denfergeftalt, die mit den Attributen des
Sdhubmadherhandwerts ausgeftattet, im Schurzfell auf dem Schemel fitend
erfaßt ift. Das Roftiim ift getreu das des angehenden 17. Jabrhunderts.
Schwungvoll, das Haupt erhebend, als ftehe ter unter der Macht einer pldt-
liden Eingebung, blidt die no jugendlihe Geftalt des Denters wie in einer
Art von Derzüdung in die ferne. Die Züge geben die überlieferten Bildniffe
des Mannes wieder, leicht idealifirt, aber ganz individuell und caratteriftife.
Rüdwärts lehnt das Schufterbrett mit der Boehme'fhen Infhrift: „Liebe und
Deutfhe Runft.
879
Demuth unfer Schwert". Die rehte Hand, die den Griffel hält, it an die
Bruſt gepreßt; die linte hält die auf den Shentel getügte Bibel, den Quell
feines Glaubens. Die Statue foll in Bronze gegoflen werden, das Poftament
wird in Granit aufgebaut. Der Branitbau des Sodels trägt auf jeder der
vier Seiten eine filberne Lilie, von der vergoldete Strahlen ausgehen und
Wafferftrahlen in eine achtedige Branitfchale fallen. Das Banze beberrfht
ein edler Rhythmus, und von allen Seiten bietet es einen gleich erfreulihen
Eindrud.
— Sn Langebriid bet Dresden it Albert Richter, einer der viel-
feitigften Gport- und Jagdmaler und ein uniibertroffener Meifter auf dem
Gebiete der Shwarzweif-Flluftration, plsglid geftorben.
Albert Ridter wurde 1845 in Dresden geboren. Er befudte, da
fih feine Begabung für Malerei von feiner Jugend an zeigte, die Akademie
in Dresden, während er zugleich, feiner Neigung für Wild und Wald folgend,
im Thiergarten der Morigburg feinen Studien oblag. Dann folgte der
Befud der Afademien zu Münden und Wien. Der Anregung, die die
berrlihe Umgebung ihm bradte, entfprang eine Anzahl von Bildern, die ihm
bereits in jungen Jahren Anerkennung und Ehren einbradten. Studienreifen
in die öfterreihifchen Alpen, das Hochgebirge Bayerns und nah Ungarn
folgten. Stets jagend und aufs fleifigfte beobadhtend, fhuf er Bild auf Bild
ans dem Ihierleben diefer Gegenden. Ein zweijähriger Aufenthalt in Afrika,
in Algier und Tunis und fhließlih in der Sahara bradite ihm ein reiches
Material zu weiterem Schaffen. Dann folgte ein einjähriger Aufenthalt in
Nord-Ameritfa. Nah Deutfhland zurüdgelehrt, fiedelte er fih zunächſt in
Blafewit bei Dresden an, bis er fi fohließlih ein eigenes Heim in
Langenbriid am Rande der Dresdener Haide gründete, wo die fihönften
feiner Schöpfungen unter fortwährender fühlung mit der fhönen Natur feiner
Umgebung entftanden. Ein Schlaganfall madte feinem an Erfolgen reihen
Schaffen vor der Zeit ein Ende.
— gn Weiffenbad an der Criefting ik der Vater des Dorftandftell-
vertreters der Genoffenfchaft der bildenden Riinfller, Herrn Heinrid Lefler,
der Maler franz Lefler, geftorben. Franz Lefler, eines der älteften und
verdienftvollften Mitglieder der Künftlergenoffenfhaft, im Gabre 185!) in
eR@) Preisbewerbungen.
— Das Ruratorium der Adolf Menzel - Stiftung fohreibt für junge,
befabigte Rünftler deutfher Abkunft, ohne Linterfchied der Konfeſſion, welde
die Röniglihe afademifhe Hohfchule für die bildenden Rünfte oder die Meifter-
Ateliers der KRöniglihen Akademie der Rünfte in Berlin befuden, ibr
Stipendium aus.
Bei den Bewerbungen, welde an den Direktor der Hodfdule für bildende
Rünfte zu richten find, find folgende Scriftftüde einzureichen:
J. ein vom Bewerber verfaßter kurzer Lebenslauf;
2. amtlihe Zeugniffe über den Befuh der Röniglihen afademifden Hod-
fcule für die bildenden Rünfte oder der atademifhen Meifter - Ateliers und
über führung, Fleiß und Befähigung des Bewerbers;
5. Studien » Arbeiten und befonders ARompofitionen, weldhe über die
Befähigung des Bewerbers Auffhluß geben ($ 6 des Statuts).
Das Stipendium beträgt circa 700 Mark. Die Verleihung defjelben ge-
fhieht am 8. Dezember; die Ratenzahlungen erfolgen jeweils am 1. Januar,
J. April, J. Juli und I. Oktober gegen Quittungen, welde vorher dem Unter-
zeichneten zur Befcheinignng vorzulegen find. _
Geeignete Bewerber haben ihre Bejuhe mit den in DVorftehendem
geforderten Atteften und Arbeiten bis zum 15. Oftober d. J. an den Vor-
figenden des Ruratoriums, Hertn Afademiedireftor Profefjor A. von Werner,
einzureichen.
— für den Ratbhbausumbau in Emmerich (Edanbau mit Thurm an
da8 jerige Bebäude) follen geeignete Entwürfe zur façade eingezogen werden.
Auf die beiden anerfannt beften Entwürfe ift ein Preis von 600 und
3500 Mark ausgefett.
. Mit entfprehender Auffhrift verfebene Offerten find fpäteftens bis zum
20., Juli. d. J. dem Bürgermeifter von Emmerich, Heren Menzel, einzureiden
und werden alle etwa erforderlihen Auskünfte und Unterlagen von une
mündlih wie fhriftlih mitgetheilt.
— Auf das Preisausfohreiben des Magiftratse von Böttingen
vom 8. februar ò. J, das zu einem Wettbewerb um einen Marktbrunnen
einlud, find 46 Entwürfe eingelaufen, von denen 3 wegen Unvollftändigkeit
von der Ronkurrenz ausgefhloflen werde mußten und 12 zur engeren Wahl
famen. Das Preisgeridt hat folgenden Entwürfen die Preife zuerkannt: "den
Keller &Reiner
Kunsthandlung.
Permanente Ausstellung für
Kunst und Kunstgewerbe.
Berlin W., Potsdamerstr. 122.
kw
DIR AK floh, des Örssherzogs u Mechlenbg
Langenbrud in Böhmen geboren, war Schüler der Malerafademie in Prag
und der f. f. Akademie der bildenden Rünfte in Wien unter Direftor Ruben
und den Profefloren Job. Nep. Geiger und Wurzinger. Nahdem er
größere Runftreifen in Deutfhland und Stalien abfolvirt hatte, überfidelte er
1858 nad Wien, wofelbft er feit diefer Zeit unausgefegt fünftlerifh wirkte.
Neben der Benremalerei befhäftigte fih Lefler vorzüglid mit der Deforations-
malerei und viele Deden- und Wandgemälde in den Wiener Salons ftammen
von der Hand diefes Aünftlers. Er malte auh den Vorhang für das neue
Brünner Theater, die Dedengemälde für das neue Theater in Augsburg und
den Vorhang und die Dedengemälde für das Stadttheater in Odeffa, fowile
die Wandgemälde im Budapefter Riosf.
— Carlos de Haes, Mitglied der Runftatademie und ehemaliger Pro-
feffor der Landfhaftsmalerei der Madrider Runftfhule, ift in den Armen
feiner Schüler an einer Lungenentzündung geftorben. Don Geburt Belgier,
legte er in Brüffel den Grund zu feinen fünftlerifhen Studien; aber erft in
Spanien, wohin er früb überfiedelte, entwidelte er fih zu dem großen Riinftler,
der ganzen Befhlehtern als Lehrer und Vorbild gedient hat, dergeftalt, daß
von feinem Erfheinen ab erft von einer fpanifhen Candfhaftsmalerei in
modernem Sinne, ð. b. von einer Malerei, die fic die Natur felbft zum
Mufter nimmt, gefprohen werden tann. Don feinen Werken feien nur die
bedentendften erwähnt: „Der Ranal von Pancorbo in den Picos de Europa“,
„Der Hermidenfhlund", „Die Rüfte von Lequeitio und „Umgebung von
Urfeland", Seine Bilder find auf vielen fpanifhen und fremden Ausftellungen
mit erften Preifen ausgezeihnet worden, und ihm felbft wurde das Broß-
kreuz des Gfabellen-Ordens zutheil.
— gn den erften Tagen des juli verließ Petersburg der bekannte
franzöfifhe Maler Bervaiz, nachdem er fünf Monate dort zugebradt hatte.
Gervair arbeitet an einem großen Dioramagemälde für die Parifer Welt-
ausftellung I900, weldes die Hauptmomente aus den Moskauer Arönungs-
feierlihteiten des Jahres 1896 verlebendigen wird. Gervair hat and längere
Seit im Moskauer Kreml Aufnahmen und Studien gemadt, um das grof-
artige Bemälde biftorifh aufs Treuefte fehafien zu können. Ohne Zweifel
wird das Diorama eine Hauptfehenswürdigkeit der Ausftellung werden.
Pe
erften Preis von 600 Mark dem Entwurfe: „gm Geifle der Alten“ der
Herren Ardhtteft Claus Meß und Bildhauer Herm. Jeg in frankfurt
a. M.; den zweiten Preis von 400 Mark dem Entwurfe „Bänfemädel‘ der
Herren Arditet H. Stsdhardt in Berlin und Bildhauer Paul Niffe
in Charlottenburg; den dritten Preis von 200 Mark dem Entwurfe:
„Quelle des Heren Bildhauer H. Wedemeyerin Dresden. Außerdem wurden
zum Anfauf empfohlen die Entwürfe: „Mai-Regen‘ und „St. Jürgen".
Die Derfafler der nicht preisgefrönten Entwürfe werden erfucht, bis zum
50. d. Mts. die ndthigen Angaben zur Wiederzufendung ihrer Entwürfe zu
maden, andernfalls die Umfchläge der Wdreffe eröffnet werden.
— Das Preisgeriht in dem öffentlihen Wettbewerb für die Ent-
würfe zum Ban eines mit einem Roftenaufwand von I!/, Millionen Mark in
Bremen zu errihtenden Gefdhaftshaufes der Bremer Baumwoll-
börfe bat dem Arditetten Joh. Geo Poppe in Bremen den erften Preis
im Betrage von 4000 Mart juerfannt. Den zweiten Preis, 2000 Mark,
erhielt der Arditeft Hermann Schädtler in Hannover und den dritten,
1000 Mark, der Arditett Carl Bollmann in Bremen. Angefauft wurden
die Entwürfe der Arditeften C. Börnftein und C. Ropp in Berlin,
Emil Hagberg in Leipzig und Profeffor Hubert Stier in Hannover.
Don auswärtigen Autoritäten waren im Preisgeriht Oberbaudireftor Pro-
fefor Dr. 5. Durm - Rarlsrube, Arhitet Martin Haller-Hamburg
und Oberbaurath Profeffor P. Wallot- Dresden vertreten. — Jn der
diesjährigen Münchener Jabresausftellung wird die Abtheilung für
Architektur und Runftgewerbe, welde in völlig neuer und umfangreicher Weife
infzenirt werden foll, erft furze Zeit nach dem 1. Fuli eröffnet werden.
— Das Preisausfdreiben, das die Liqueurfabrif F. A. Schreiber
in Cöthen (Anhalt) vor einiger Zeit erließ, bat fowohl aus allen Theilen
Deutfhlands, als aud aus Oefterreih, Frankreih, Serbien 2c. eine überaus
zahleeihe Betheiligung erfahren, fo daß nicht weniger als 168 Entwürfe ein-
gereiht waren. Das Werthungsergebnif ift folgendes: J. Preis: Sophie
Louife Schlieder - Berlin (Motto: ,,Raft’ id, fo roft' iġ IL"). 2. Preis:
Willy Walter (J. B. Freiberg - Münden), (Motto: „Geile Dih felbft"‘).
5. Preis: Herm. Müller-Münden, (Motto: „Heilung I“.) — Weitere Entwürfe
find von der firma f. A. Schreiber erworben.
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Walter Ceiftifow.
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Beiblatt: Bas Htelier.
Illuſtrirte Seitichrift fiir das gefammte deutfche Kunitichaffen.
Eentral-Organ deutfcher Runft: und Künſtler Vereine.
Alle 14 Tage erjheint eine Nummer.
Preis vierteljährlih 2.80 Mart.
Poftzeitungslifte Ar. 1174.
Herausgegeben von
Georg Malkotuskn,
Schriftleitung und Berwalfung Berlin W.57, Steinmehfir. 26.
Alte 14 Tage erfheint eine Nummer.
Inferate: 40 Pfennige fiir die 4 ge-
fpaltene Nonpareille-Zeile.
Publifationsorgan des Dentfden Runftvereins in Berlin, des Schiefifhen Runftvereins in Breslau, des Runftvereins für das Grofherzogthum Heffen in Darmftadt, des Anbaltifhen Runfts
vereine in Defjau, des Wiirttembergijden Runftvereins in Stuttgart, des Schleswig - Kolfteinifhen Runftvereins in Riel, der Runftvereine in Münden, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera,
Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Börlik, Danzig, Rönigsberg, Stettin u. a.
Br. 20. a
1. Anguft 1898.
I. Jahrgang.
Zur Schägung Walter Leiftifow’s.
Bon Wilhelm Fabian.
der Empfindung und Technik auftreten, und wo bei dem
Derfud der einzelnen Künftler, die neue Ridtung in
individuelle Bahnen zu lenken, die Runftpringipien durdeinander-
gäbren, pflegt es für den mit den Rihtungsfhlagwörtern fpielenden
Rritifer von fad) eine freude und ein Leichtes zu fein, einen jegliden
Runftjünger einer beftimmten Richtung, einem der neuen —ismen
zuzumeifen, und feinen Werdegang an der Hand diefer Schlag-
wörter zu verfolgen. Schwerer bat es der funftliebende Laie,
der dem Urtheile der Fachleute nicht bloß nadbetet, wenn er
nad und nad vor verfdiedenartige Werke eines und desfelben
Rünftlers tritt, Sie Einheitlichkeit Ser Entwidelung und der
Perfönlichkeit zu erfennen. Denn die Schlagwörter, mit denen
fic) fo leicht urtheilen und verurtheilen läßt, fagen im Grunde
wenig genug, wo es gilt, die Eigenart eines Rünftlers in der
von ihm vertretenen Rihtung zu fennzeidnen, und was mit
ihrer Hilfe für das Verftändnif des Einzelnen erreicht wird, ift
meift mehr eine Ronftruftion als ein wirflides Eindringen in die
PerfSnlidfeit. Andererfeits wird gerade in den Epoden größerer
Ummälzungen das Talent nah verfchiedenen Richtungen hin-
gezerrt, bevor es feine eigene fünftlerifhe Individualität entdedt.
Den Einflüffen, die von den einzelnen Entdedern und Leitern
gleichzeitig oder furz nacheinander auftretender neuer Richtungen
ausgehen, unterliegt mehr oder minder unbewußt jeder werdende
Rünftler; in ihrer Nahahmung und Verfolgung thut er immer
mehr von dem Seinigen. hinzu, bis er zum Bemwußtfein der ihm
eigenthümlichen fünftlerifhen Formen durchgedrungen ift. Gelingt
ihm das nicht, fo bleibt er Heit feines Lebens ein Madhabmer,
und zwar der fremden Vorbilder, oder auch fein eigener. Denn
es giebt auf jedem Gebiete Entdeder, die -in ihrer erften form
fteden bleiben, und denen mehr das Derdienft babnbredender
Jnitiative, denn das eigentliher und fortfdreitender Entwidelung
zugefprohen werden muß. fiir Beides bietet niht nur die
Gefhihte der Malerei in den legten 30 Fahren mehr als ein
Beifpiel.
€s ift ein natürliches und erfreuliches Heihen der Feit, daß
neben unfern großen jäbrlihen KRunftausjtellungen mit ihren
Maffenanhdufungen von Bildern fih fleine Vereinigungen von
Riinftlern bilden, die, mehr oder weniger auf gewiffe Sdlag-
wörter und Runftpringipien eingefhworen, in gefdloffener Weise
dem Publifum ihre Werke vorführen und dadurd einen weit
T eiten einer fih neu geftaltenden Runft, wo im Rampf
gegen althergebradte formen und Shablonen nene Werthe
leichteren Ueberblid über die Entwidelung der einzelnen und der
gefammten Runftrihtungen geftatten, als dies fonft möglich wäre.
Sreilid ift es oft fdwer, die gemeinfame Bafis zu entdeden, auf
der die verfchiedenen Riinftler fic) 3ufammengefunden haben; allein
es darf umgefebrt als ein großer Vorzug angefeben werden,
wenn innerhalb folder, durd irgend ein gemeinfames Fünftlerifches
Band gefniipften Verbindung die fiinftlerifihen Jndividualitäten
3u ihrer vollen eigenartigen Entwidelung gelangen.
Unter den Malern, die 1831 die freie Vereinigung der XI
fonftituirt haben zu dem Zwede, durch jährlihe Ausftellungen in
Berlin die Arbeiten ihrer Mitglieder zu zeigen und dadurd
der modernen Ridtung in der Malerei, einem gefunden
Ompreffionismus, Boden zu gewinnen, ift nah Mar Liebermann,
defen Bedeutung nun endlid allgemein anerfannt ift, Walter
Leiftifow eines der eigenartigften Talente.
Wollte man ihn aber ausfhliegßlih zu den Fmpreffioniften
zählen, fo wäre er felbft und feine Entwidelung amit nur un-
genügend daratterifirt, Dies Schlagwort erfhöpft ihn nicht.
Es laffen fih, ohne genaue Renntniß der perfönlihen Erlebnifje
und des gefammten Milieus, aus den Werken eines Rünftlers
allein in den feltenften fallen die Elemente vollfommen bee
ftimmen, die feinen Werdegang beeinflußt und die verfchiedenen
Phafen feiner Entwidelung und feines Schaffens bedingt haben.
Und Walter Leiftifow zeigt uns, obwohl er erft das Mannes-
alter erreicht hat, [chon verſchiedene Geſichter.
€r it am 25. Oftober 1865 zu Bromberg geboren, wo er
das Bymnafium befudte und Flaffifdhe Bildung genof. Oftern
18835 fam er nad) Berlin auf die Akademie und ftudirte unter
Efhfe und Hans Gude. Seine weitere Entwidelung bat er ji
felbft zu danfen. Durd eine ihm befreundete dänifhe Serift-
ftellerin veranlaßt, machte er fpäter eine Reife nah dem Norden,
die wohl von beftimmendem Einfluß auf feine Malweife gewefen
it. €s fei erwähnt, dağ er aud fehrififtellerifeh thätig ift und
cinen Roman „Auf der Schwelle“ veröffentlicht hat. Er lebt
in Berlin und wirkt hier zugleich als Lehrer. In dieſer Hinſicht
und für ſein eigenes Schaffen beachtenswerth ſind die Worte,
die er gelegentlich der Berliner Gewerbeausſtellung geſchrieben
þat: „Ich ſehe in dem Dilettantismus eins der weſentlichſten
Mittel, das ſo darniederliegende Kunſtgefühl, den Geſchmack
unferes Publifums zu beben .. .. Es kommt wohl in erſter
Linie darauf an, die Liebe zur Runft, ©. Ņ. zur Natur zu
fördern, die Benußfähigfeit des Auges, des Obres zu fhärfen
382
Deutfdbe Runf.
und zu erweitern. Ein rechter Mallehrer follte vor Allem ein
rechter Erzieher fein.‘
Die Benußfäbigfeit des Auges zu fhärfen, das ift sugleid
die Aufgabe, die der Fmpreffionismus in der Malerei über-
nommen bat, und die Dorausfegung fiir feine Würdigung. Das
nod in unfern Mufeen in der Schule der Alten an die dunklen
Töne gewöhnte Auge muf erft zu der Erfenntnig und Schäßung
der neuen Tonwerthe erzogen werden, und deshalb die Natur
felbft im Sinne der Freilichtmalerei fehen lernen.. Biebt aber
der Künftler den durd) die Atmofphäre veränderten farbigen
Eindrud der Töne und Farben wieder, malt er Luft und Licht,
fo will er nit nur uns ein Stüd Natur, eine Candfadaft an fid
reproduziren; er will durch das Werk Eindrüde übermitteln, die zu-
gleih eine engere Beziehung zwifhen dem Maler und dem Bee
fhauer berftellen.
Die erften Arbeiten Leiftifow’s fonnen nod) nicht unter
diefem Gefichtspunft betradtet werden. Jn ihnen zeigt fic) der
Walter Leiftifow, Dorffird hof.
engfte Anfhluß an die Natur, eine ruhige, naivfreudige, objektive
Betradtungsweife, die jeden Eindrud willig aufnimmt, und Surd
einfache, nicht befonders auf die Stimmung pointirte Wiedergabe
dcnnod im Befhauer die Stimmung jener barmlofen Freude
am Dorhandenen wedt. Bleihviel, woher er feinen Begenftand
nimmt, ob er eine märfifhe Landfhaft oder die pommerfche
Rüfte, ein Motiv von Rügen, Sylt oder Helgoland malt, ob er
Frühling, Sommer, Abend und Mondfchein, Strandfee und
Stranddorf, das Flußufer, den See, den Waldesrand oder
friefifhe Fifherboote, die mitten in einem Friedhof gelegene Kirche
oder Diegeleien am Waffer Sarftellt — überall zeigt fid Sas
gleiche liebevolle Eingehen auf die Natur, ein ernftes, ebrliches
Studium, beitere, wenn au nicht lebhafte Farbengebung. Die
Bilder haben flare und fharfe Konturen, warme Tönung und
find fat alle Surh menfhlihe und thierifhe Staffage belebt;
einige erhalten fogar einen genrehaft intimen Reis dadurd, dap
die Sargeftellten Menfhen die Stimmung der Candfhaft erem-
plifiziren oder mitbeftimmen.
Jiemliġh unmerklic tritt zuerft bei Bildern
| Siefer Art, dann freilid in bervorragendem
Mafe bei ähnlihen Motiven der Jnprefjionis-
mus an den Tag. Die Linienführung wird
| einfacher, die Farben verändern den Ton und
wirken häufiger durch ftarfe und grelle Kontrafte.
Beftimmender dafür dürfte aber nicht
fowohl der Einfluß der imprefjioniftifhen Schule
in erfter Reihe gewefen fein, als die Eindrüde,
die er auf feiner Sänifhen Reife gewonnen.
Webhrfcheinlidy durch nordifthe Motive und durch
die dort erhaltenen Anregungen ift Ceiftifow
3u feiner primitiven Linienführung gefommen
und zu dem, was er als ftilifirte Candfchaft
gefhaffen hat.
Die Stilifirung erftredt fih zunähit auf
die Linienführung und ftellt eine bejtimmte,
gewollte Abweihung von der Natur Sar.
Der Botaniker, der die fihematifhe Dar-
ftellung einer Pflanze entwirft, um Seren Blatt-
und Blüthenftellung und Anderes ideal zu de-
monftriren und der die Bildchen dann etwa
nod malerifh ausführt, bat die Pflanze
ftilifict. Die alte, flaffifh ftilvolle, ftilifirte
Landfhaft, wie fie in Preller vertreten ift, be-
tubte auf dem Riinftliden der Rompofition.
Das Schwergewicht der flaffifhen Stilland-
fhaft lag. wefentlid im Anhalt und fie war
deshalb cine Romplifation der Natur. Die
Stilifirung Ceiftifow’s dagegen erftredt fic
ausſchließlich zunächſt auf die form und ftellt
eine Dereinfahung der natürlihen Linien dar,
eine Dereinfachung, deren Zwed in einer Er-
böhung der äfthetifchen Reize der Cinienfübrung
berubt. Darin liegt freilich oft auh ein ton-
ventionelles und zugleid fvmbolifhes Element,
indem das Dargeftellte feiner form nad für
etwas genommen werden muß, wie es an jich
in der Natur nicht gefehen wird.
Leijtitow's erftes ftilifirtes Gemälde find
wohl die „nordifhen Schiffe‘ in Ser Aus-
ftellung der XI im Jahre 1895 gewefen. Die zur
Stilifirung leitende Dereinfahung der Linien-
führung läßt fic) deutlih auf einem Dünen-
bilde Sarthun, wo zwei in bellen Tönen gee
baltene Abbänge fic) von linfs und rechte
fuliffenartig ineinanderfchieben und eine gefällig
sefhwungene Linie erzeugen, während der obere
Rand des rechten Abhanges von einer dunklen
Baumreihe und einem Felsblod abgefchlofjen
wird. Don dem am untern Rande des Bildes
aufſtrebenden Strandshafer abgefeben verlaufen
alle Linien des Bildes in einem gewiffen, fünftlerifh wohl-
berechneten, aber außerordentlid primitiven Parallelismus.
gn weit ftärferem Maße no tritt diefe Art in einigen See-
bildern, wie dem „Die legten Flügelfhläge* benannten, zu
Tage. Die Wellen verlaufen niht in geraden Rammen,
fondern in einzelnen von einander ziemlid gleihmäßig ent-
fernten, eigenartig gebrochenen Linien und fonvergiren in wir-
fungsvoller Weife mit dem Horizont, während dazwifhen, zum
Theil fenfreht zu ihnen, das feichtere Waffer fraufelnde Stride
zieht. Die Sonne ift zur Hälfte [don untergegangen, und über den
fi) aufrollenden Wellen thut ein Zug Kranige Sie legten Flügel-
fhläge zum nahen Ufer. Auch Sie Leiber der Vögel mit den
langgeftredten Hälfen find in einen gewiffen fdematifirten
Parallelismus zu den Wellenlinien gefekt. Das Stilifirte des
Bildes tritt gerade in der einfarbigen Reproduktion noh ftarfer
bervor, obgleih die Farben ihren Antheil an der ftilifirenden
Manier haben.
Wie fpäter bei den wefentlid in der farbe ftilifirten Bildern
bat Leiſtikow diefes und abhnlice ftilifirte Motive öfter
wiederholt, wohl aus Freude daran, der Linienführung immer
fhwungvollere oder einfadere Formen zu geben. Allerdings
fpielt, wie gefagt, auh die Farbe dabei ihre Rolle. Bald find
es weiße Dögel, die über ein dunkles Waller ziehen, bald
Corvi noctis, die fi von einer hellen Meeresflähe abheben.
€s muß zugegeben werden, daß überall das individuelle Moment
in diefer Stilifirung gewahrt und daß die Schablone glüdlid)
vermieden ift. Allein mandhe dSiefer Bilder wirken fchon,
theils duch die Linien, theils urh die farben, theils burd
Beides wie abfihtlihe, mit ftarfem Können erzwungene An-
ndberungen der Yatur an die Runft, die als gewaltfame Um-
bildnerin auftritt; mande, 3. B. das Bild der Nadtraben, als
ob es für eine Majolifadeforation oder ein Gobelin gemalt wäre.
In der That liegen in folder Stilifirung fowobl fiir die
Linien als aud fiir die Farben nicht nur die Reime des Sym-
bolifhen, fondern hauptfaclid) die Elemente des Deforativen. Wir
find nicht überrafcht, zu hören, daß Leiftifow neuerdings feine
fihtlih vorhandenen dekorativen Fähigkeiten in den Dienft der
Scherebeder Teppichinduftrie ftellt. Die ftilifirte Ornamenti?
freilih, die mandhe im Pan veröffentlichten Ropf- und Rand-
leiften und Rahmen zeigen, verrathen wenig Jnöividuelles, ob-
gleich fie breit und flott gezeichnet find, ebenfo wie das, was er
font in der Schwarzweißktunft des Holsfdnittes geleiftet hat.
Aud eine Originalradirung im Pan entbehrt trog ihrer Weih-
beit der inneren ftimmungsvollen und farbigen Wahrheit; die
breiten, beleuchteten Baumpartien find gar zu wenig modellirt
und wirken flädenhaft.
Wie fhon erwähnt, entipriht der Stilifirung der Linien
aud eine der farbe. Jn der Hinficht ftellen mandhe von Leiftifow's
erften Bildern derart Farbenercentrizitäten dar, die dur die
Steilidhtmalerei allein nicht gerechtfertigt werden fönnen: fchwefel-
gelben Himmel, [hwarzgrüne Baummaffen, hellgelbes Wajfer und
darin den grünen Schatten von Schiffen. Doc werden diefe
Ercentrizitäten reiclid) wett gemadht durd das, was fein Talent
weiterhin in der Stilifirung der Farbe geleiftet bat, Surh die
Stimmungslandfhaft, die zugleih die Blithe feines Realismus
und Jmpreffionalismus ift. Er fett möglichft breite, belle und
dunkle Töne hin, groe Liht- und Scattenmaffen, und weiß
Moderner
Si odern und Yen, das find zwei Begriffe, die man heute gerne ver-
N wedfelt oder gar identifizirt; fie find aber in Wahrheit gar nidt
* immer gleichartig und gleichwerthig, vlelmehr ſchließen ſie ſich oft
gegenſeltig aus. Das wirklich Neue würde zu ſehr althergebrachten, dem
Dolte in Fleiſch und Blut übergegangenen Satzungen widerſprechen, um ohne
Weiteres allgemein anerkannt, angewandt und gutgeheißen, um modern zu
werden, und das Moderne iſt ſchon nicht eben ſelten nur eine vom Staube
der Jahrhunderte gereinigte Antiquität gewefen.
Zugegeben, wir haben einen modernen Stil! Iſt er aber auch ein neuer
Deutſche Run ſt.
mit dieſem einfachen Mittel Wirkungen zu erzielen, die uns ganz
und gar gefangen nehmen.
Hier zeigt fic von Neuem feine edhte Naturliebe, eine herr-
lihe Wärme des Befühls, die auf den Befhauer übergeht, eine
temperamentvolle Jnnigteit der Empfindung, die Fünftlerifch mit
fih im Einklang ift, die ebenfo die Natur felbft wie den Riinftler
zu uns fpreden läßt. Wenn vorübergehend ein unbeftimmtes
Sehnen feiner Seele ihn zu ferner liegenden Motiven geführt
haben mocte und er Darftellungen aus dem Gebirge bot: einen
See, befdattet durch eine fteile Felswand, von der leife eine
Quelle berabriefelt, darüber der grüne Mond, wie er bei Herbft-
fonnenuntergang erfheint — fo wendet er fid) jekt faft aus-
ſchließlich der märkiſchen Landſchaft zu, deren intimfte Reize er
geradezu entdedt. Gt es dod) immer und überall der nädhfte
beimathlihe Boden, der zu den paysage intime führt. Es find
einfache, oft arme Motive, wie fie die märfifhe Landfıhaft mit
ihrer Haide, ihrem Sand, ihren Seen und Wäldern bietet, und
aus denen dod) feine Riinftlernatur eine unendlide Fülle von
Anregungen fhöpft und die fie zu immer neuen intimen Stimmungs-
bildern zu geftalten weiß. Ylirgends Effekthafcherei, nirgends
darin etwas Gemadtes und Gefudtes; ein rubiges, ficeres und
wahres Empfinden tritt uns bier, ebenfo wie in feinen Oel-
gemälden, aud in feinen Aquarellen entgegen. Er weiß die
verftedten Reize der fdeinbar armen Landfdaft zu enthüllen,
zwingt die Natur unter feine ihm zum fünftlerifhen Bemwußtfein
gefommene Eigenart und ftimmt ihre Töne nad einer Reihe
eigner Empfindungen, die er als Stimmgabel benugt. Bald
find es Havellandfhaften, ein Waldteih oder Waldinneres in
der Mark, bald trübe Weiden in der Umgegend Berlins, die er
in verfchiedenartigfter Beleuhtung am liebften bei Abendftimmung
oder mit ftarfer LCicht- und Schattengebung vorführt, überall eine
Ronzentration des jeweiligen Stimmungsgehalts und voll fünft-
lerifcher Ruhe. Ein in der legten Zeit häufig wiederholtes Motiv,
in dem er wohl das Befte feiner Stimmungslandfhaft geboten
bat, ift der Grunewaldfee und der Scladtenfee bei untergehender
Sonne. Unter den letzten Strahlen glänzen die ferzengraden
Riefernftimme in rothbraunem Lichte, während der See fhon in
tiefem Dunfel regungslos daliegt, ein Bild erhabenen und er-
hebenden Friedens, ftimmungsvollfter Harmonie. Charakteriftifch
it, daß dem meiften Bildern diefer Art jede, wenigitens menfch-
lihe Staffage feblt, wodurd der Stimmungsgehalt des Natur-
motivs um fo ftärfer hervorgehoben fiheint und der Maler in
innigere Beziehung zum Befhauer tritt,
In diefer Stimmungslandfdaft, die mit Sem Empfindungsid
des Riinftlers aufs Engfte verwebt und urh ihn bindurd-
gegangen ift, liegt neben einem gefunden Realismus und Jmprefjio-
nismus 3ugleid) ein Symbolismus, der, fofern er nidt in
modernem Sinne fohulgemäß gefaßt wird, als das hidfte Ziel
aller Runft bezeichnet werden muß. Leiftifow ift noh jung, nod
auf der aufiteigenden Linie des Lebens. Man beginnt ihn zu
würdigen, und eines feiner Bilder, die „Ziegeleien am Wafer,
find im Befite der Dresdener Galerie. Er fann von den vere
fhiedenartigen Rihtungen, die das heutige Runftleben beberrfden,
feiner ausfchlieglih zugezählt werden. Hoffen wir, daß er, ganz
auf fid) felbft und feine fünftlerifche Eigenart geftellt, feinen Weg
unbeirrt fortfeen und der Runft nod viele fhöne und bedeutende
Werte fcenfen wird.
Gobelinftil.
Stil? Nein! Yeubildungen wären wohl am erften und leidteften im Flidhen-
mufter möglid. Aber gerade bier tritt das bloß negative Vorgehen gegen das
Herkömmliche re.bt deutlich in Erfcheinung. Zah vermag wohl die Beftrebungen
Otto Edmann's auf diefem Geblete gut zu heißen, ih erfenne feine
hervorragende Begabung und feinen erfinderifhen Geift an, ja vor zwei feiner
in Gdherrebed gewebten Wundbehängen, das eine von einem von
Schilf umrandeten Weiher, in dem fih Mond und Sterne fpiegeln, das
andere, Schwäne in einem Fluß darftellend, überfah ih bizarre Einzelheiten
und verweilte mit Woblgefallen; Sas Lob aber, weldes ibm P. Jeffen in
384
Walter £eiftitow, 3m Hafen.
feinem Gdherrebed + Artifel im Runftgewerbeblatt fpendet, wenn er fagt:
„überall weiß er durd Mare und fräftige Feidnung und fidere Veriheilung
der breiten Flächen, durch muthige Farben und anfpredende Motive zu paten
und alle Elemente zu einer im beften Sinne deforativen Wirkung zu ver-
einigen, halte id) doc fiir überfhwänglih und übertrieben. Edmann
gehört fhließlih auch nur zu den für unfere Zeit typifchen Erjheinungen, von
denen es beißt:
Sie Alle find von Fdeen voll,
Zum Weinen oder zum Lachen;
Ein Feder wei, wie er's madhen foll,
Dod Reiner fann es maden.
Der „Muth“ feiner farben entfpriht nur einem allgemeinen Umfhwung
in der Farbenempfindung, der fic) beifpielsweife in der Kleidung unferer
frauen längft vollzogen hat. Ob nun ein befonderer Muth dazu gehört, der
Noth zu gebordhen und nicht ureigenem Triebe, laffe ih dabingeftellt fein.
Jn der Kunft, Bödlin's Rolorismus auf die Tertilinduftrie zu übertragen und
Surh Zufammenftellung fih fheinbar widerfprehender Töne, einer jefundären
Farbe mit ihren Grundfarben, doh eine höhere harmonifhe Wirkung von
großem Blanze zu erzielen, liegt eine tbatfächlih originelle Wirkung jener
Teppiche begründet. Jn der form aber fpridt fic) die Derlegenbeit aus, um
einen Erfat für die Gebilde, mit Senen man aufs
träumen zu müffen glaubt. Dem Polte lieb gewordene
Pflanzen, Thiere, die ihm zu Begtiffsvorjtellungen
geworden find, werden verdrängt duch Schmudformin,
die nichts fagen, die uns zum Theil ganz fremd find:
die Rofe durd die japanifhe Quitte, der Stern der
Lilie und ihre fclanten Blatter durh Seetang und
Seefterne, der Adler duch die Eule und den fla-
mingo. Eiche un‘ Lorbeer, die fnnige Myrthe find
in Migfredit gerathen, Ahorn, Löwenzahn, groteste
Ordideen und fteife Tulpen grünen und blühen am ihrer
Stelle. So zieht man als Shmud neue Naturformen
gewaltfam herbei, nur weil fie früher feine Anwen-
dung gefunden haben. Wenn fie lediglib als Delo-
tation eine Derbefferung waren, wollte man gewiß
gern auf eine fymbolifhe Bedeutung verzichten, die
jenen veralteten Gebilden nod einen befonderen Reiz
verlieh. Aber id fann aud, abgefeben davon, dem
modernen Formenfhate gegenüber das Gefühl der
Ernüchterung nicht unterdrüden. Dielleiht ift diefes
eine folge des Zurüdführens der organifden Form
anf die Linie, die als Umriĝ verfhiedenartiger farben-
flähen dient, welhe einen Begenftand bedeuten, aber
Deutfde Runft
der Naturformen gefliffentlih außer Acht gelajien ift,
um ja nidt in veralteter Darftellungsweife nur an-
näbernd verwandte formen zu verfallen. Beim Ne-
duziren auf die Linie muß man mit der organifcben
Form ganz breden und zur reinen Schönheitsform
übergehen, wie die Briehen im Anthemion, in der
Mäanderkante und dem laufenden Hunde gethan
baben. Neuerdings fheint Edmann den richtigen
Weg erfannt 3u haben; wenigftens bat mid fein
Teppih auf der großen Berliner Runftausftellung da-
durh überrafcht, daß ih in ibm der Rünftler frei von
aller Criginalitätsfuht begnügt, durh große Mailen
und zierlihe Linienfpiele eine wohlthuende Farbenver-
theilung zu Wege zu bringen.
Wie anders wirft diefer Teppih als der mit einer
Winterlandfhaft, auf dem natürlihe formen auf eine
quadratifhe Urform gebracht find. Jh babe an fih
gar nidts gegen die im fdarfen Winkel gebrodene
Linte, in der fic) die fchroffe Cigenart nordifcher DSlfer
von Alters þer befundet hat, wenn fie aber zu einer
unfhönen Wiedergabe der Lebensformen von geradezu
läderliher Primitivetät mißbraudt wird, dann ziebe
id mir die etwas mehr gerundeten Geftalten, wie
fie Rinder aus zwei Rreifen und vier Strichen zu-
fammenfegen, doc vor; wenigftens wirken fie plaftifher, als jene gradlinigen
Ausartungen und zeigen das Streben, der Natur näher zu lommen, fie zu
begreifen. Hier aber haben wir unentfhuldbare Unnatur. Während dort die
erfte Bethätigung fünftlerifhen Triebes durch ihre Naivetät interefjirt, baben
wir es bier und aud nod auf anderen Scherrebeder Wandteppiden, wie
„Die Rugelbade und „Der Marabut", mit Gebilden zu thun, die nicht mebr
naiv find, nicht findlid, fondern tindifd.
für einen Wandteppid Ed mann's, ,,friibling, der im November
vorigen Jahres mit einem Theil der Scherrebeder Gobelins im Berliner
Runftgewerbe-Mufeum ausgeftellt war, fehlt mir jedenfalls das Verſtändniß;
wohl ſind die präraphaelitiſch ſchlanken, Schneeglödden in den aufgefchürzten
Röcken tragenden, blumenſtreuenden Mädchengeſtalten lenzig in ihrem fnofpen-
den Zuſtande, deſſen bedenkliche Schmächtigkeit ihnen kaum geſtattet, Frühling
zu athmen, wie P. Jeſſen meint, auch das „anmuthige Beiwerk, das ſich
über die Gewander und durd den gefällig bewegten Rahmen binzieht‘‘, will
ih als Rennzeihen erften Frühlings in zweifahem Sinne gelten laflen, dem
aber fann id nidt beiftimmen, dah aud hier eine deforative Einheit berrjche,
neutral genug, um als Hintergrund zu wirfen, dağ der Teppid ein echter
Wandfhmud fei, dec nicht zu fhleht ift, um gefondert betrachtet zu werden,
aber nicht den Anfpruc erhebt, ein Bild zu fein, in tiefem Sinne čer Ab-
nicht immer anfhaulid darftellen, da, wie auf einem
Teppich mit Rofen von ©. Edmann, das Tppijche
Walter Keiftifow, Ebbe.
Deutfhe Rung.
385
fit der alten Bobelins verwandt. Die alten Gobelins, 3. B. die flandrifden
Teppidhe nah Raffael’s Gemalden, wollten allerdings als beweglicher
Erfak fiir dte feften Wandgemalde, die man nidt nad Gefallen von einem
Raum in den anderen, von einem Haus nah einem anderen verfegen
konnte, Bilder fein und konnten aud in den großen Bemädern, deren Wände
fie befleideten, als folhe wirken. Dort verfhwimmen die farbenfldden, die
der Weber nit vermitteln fonnte, zu einer harmonifchen, wohlthuenden Ge-
fammtwirktung; die Scherrebed- Teppihe aber haben mit modernen Raum-
verhältniffen zu rehnen; Edmann's „Frühling“ thut das nicht, aber freilich „er
erhebt ja nicht den Anfprud, ein Bild zu fein“. m diefem Sinne ift er demnach
nit mit den alten Gobelins verwandt, in deren Herftellung man es bereits
fo weit gebradt hatte, daß in Haute-lisse gewebte Porträts wie Paftelle
wirkten und, fo weit fle erhalten find, noch wirken. hre Eriftenzberehtigung
fprecde id darum
den modernen Bo-
Ob nun gerade die modern-deforative Runft, wie fie durch Profeffor Ed.
mann vertreten und der Teppichweberei zugeführt wird, aud zu einer neuen
Runft auf diefem Gebiete führen wird, darf menfhlihes Ermeffen weder in
Abrede noh in Ausficht ftellen; einzige Richterin, die über Sein oder Midt-
fein entfceidet, bleibt die Zeit. Das aber darf gefagt werden, was an
den Muftern der Scherrebeder Teppihe etwa als nener Stil gepriefen
wird, ift einmal ein Zurüdgeben auf die alten, primitiven Formen nordifcher
Darftellungsweife, die unfer beutiges duth die verfchiedenartigften Einflüffe
in Jahrhunderten verfeinertes Denfen und Empfinden nicht mebr ausdrüden
fönnen, zweitens die Willfür des Unvermögens, die fih unter falfher Etiquette
Anfeben verfhaffen möchte. Etwas anders machen, als es Leute vorher ger
madt haben, heißt noch Jange nidt es befjer maden. Bern folge ih dem
ebtliden Ringen, das Flutdum des Feitgeiftes in fefte, fünftlerifche Form zu
bringen, mit Jn-
terefe und fcho-
belins nod nidt
ab, fle entfprecen
dem nomadenbaf-
ten Suge in unfe-
rer Wohnweife, in
dem fie fidh überall
þin mitnehmen
laffen; aud gegen
die Tednif, die
fic dte Scherre-
beder Weberund
Weberinnen
fhnell genug zu
eigen gemacht ba-
ben, tft nidts ein-
zuwenden; in
ihren Darftellun-
gen aber find fie
nidt immer Ér-
zeugniffe der bo-
hen, wahren
Runft, fondern
nur lobenewertbe
Beftrebungen, die
ja immer Gere
thiimer zeitigen,
einer nen eingeführten Hausinduftrie fünftlerifhen Gehalt zu geben, nur An-
fage zu einer neuen Runft, die jhon Sarum Dolfsfunft genannt zu werden
verdient, weil fie dem Volle Antheil giebt an dem fünftlerifhen Schaffen.
Walter Keijtifow," Stilifirte Strandlandjhaft mit Schmwänen.
nender Geduld,
die mandes Miß-
lingen verftebt
und verzeiht.
Denen aber, die
alles loben und
gutheißen, die
dag Unzuläng-
liche zu einem Er-
eigni ftempeln,
alfo weniger den
Rünftlern felbft,
muß Porfiht
dringend gerathen
werden. Jhr über-
fhwänglides Lob
fadet mehr als
es nüßt, denn das
Gute lobt fh
felbft und braudt
nur Anerkennung;
das Mißlungene
loben aber heißt
das Schlechtere
fördern.
Die Tageslite⸗
ratur hat immer ſchon ihre eigenen Brößen gehabt, deren Thaten ſie dauern-
den Werth zufchrieb, den leider die Bejhichte nur felten anerkannt bat.
5. Marfball.
Ein Bilderftreit.
Ein Schmerzensfhrei an die
Ch) athias Griinewald, ,,Meifter Mathes von Afdaffen-
3 burg“, gehört zu den rätbfelhaften Exrfheinungen der
Runftgefhidte. Sandrart nennt ibn einen „hoch—
geftiegenen und verwunderlihen Meifter, ja den deutfchen
Correggio*, weiß aber fonft nichts weiter von ihm zu erzählen,
als daf er in Mainz überaus einfam gelebt und „übel verheirathet‘
gewefen fei. Er mag etwa zwifhen 14.0—1480 geboren fein
und läßt fih bis 1525 nadweifen. Au diefen fpärlihen Nad-
richten ftebt feine fünftlerifhe Bedeutung in feltfamem Mif-
verhältnig. Neben Dürer und Holbein hat er auf das deutfche
Runftfhaffen feiner Zeit den größten Einfluß ausgeübt. Sein
derber Naturalismus erfcheint in den wenigen uns erhaltenen
Altarwerfen von tiefem Empfinden durdtränft, von einer
phantaftifhen Behandlung der Farbe und der Belihtung verflart,
die den italienifhen Roloriften nadhgebildet, nur nod von
dem Meifter des Helldunfels, von Rembrandt wieder erreicht
worden ift.
Das „Wert Griinewald's umfaßt nur wenige beglaubigte
und ein paar ihm zugefchriebene Arbeiten, im Ganzen aht Ge-
Badifhe KRunft-Verwaltung.
mälde und einige Handzeihnungen, von denen bier befonders
erwähnt fein mögen: Der Ofenbeimer Altar im Mufeum zu
Colmar, der Hallenfer Mauritiusaltar in der Miindhener Pinafothek,
die H. Cyridcus und Laurentius im Städel’fchen Inftitut. Kugler
führt außerdem als wahrfcheinlid von der Hand Brünewald's
berriibrend auf: den Altar in der St. Annafirdhe zu Annaberg
mit dem Tode der Maria nah Schongauer und einzelnen Heiligen-
figuren, die Außenflügel eines Altarfchreins in der Rlofterfirdhe
zu Heilbronn, einen Altar in der Marienkirche zu LCübed, fowie
einige Theile des Altars in der frauenfirhe zu Halle, ein Rofen-
franzbild mit den Portraits Leo's X. und des Raifers Mar im
Dom von Bamberg, zwei Tafeln mit Heiligen im Mufeum in
Stuttgart und eine dem Schäuffelin zugefchriebene Rreuzabnahme
in der Galerie Efterhazy in Wien.
Hierzu fommt die Doppeltafel mit der Kreuzigung
und der Areuztragung vom Heilige Rreugaltar der
Pfarrlirhe St. Martinis in Tauberbifhofsheim, das
Hauptwer? Brünewald’s, mit dem wir uns hier im nterefje der
ftaatlihen Runftpflege zu befhäftigen haben. Die Entftehungs-
386
Deutfhe Rung.
geſchichte des Bildes ift fewer feftzuftellen. Jm Jahre 1504
überwies der Pfarrer Virenforn dem Kreuzaltar eine Stiftung,
die wohl mit dem Altarblatt des Mathias Grünewald in Der-
bindung zu bringen ift. Urfprünglid mwahrfiheinlih unter dem
Triumphbogen aufgeftellt, wurde der Altar fpäter in einer Rapelle
untergebracht. Die Geftaltung des malerifhen Schmudes als
zmweifeitige Doppeltafel war dadurd geboten, daß die Riidfeite
vom Chor aus fihtbar war. Um einen Zapfen drehbar konnten
die Bildflähen abmwedfelnd der Gemeinde vorgeführt werden.
An dem fpäteren Plage wurde die Drehung duch die Nähe der
Wand unmdglid, fo daß die Rüdfeite mit der Rreuztragung faft
in Dergeffenbeit gerieth.
Die fünftlerifhe Würdigung der beiden Bildtafeln ent-
nehmen wir dem von Profeffor A. von Gedelhäufer
bearbeiteten IV. Bande der Aunftdentmäler des Broßherzogthums
Baden (Verlag von J. C. B. Mohr (Paul Siebed), frei-
burg i. B.).
für die Areuztragung wirs man vergeblid) nad einem An-
baltspunft in den übrigen Werten Grünewald's fuden. An
dramatifder Rraft und Einbeitlihfeit bedeutet fie den Hdbepuntt
feines Ronnens; hödftens dap die früher dem Hans Baldung zu-
gefhriebene herrlihe Zeihnung Brünewald’s in der Albertina:
die drei Lebenden und die drei Todten, eine Äähnlih padende
Wirkung auszuüben vermag. Brünewald’s ganze Bröße zeigt fic hier:
fein bis an die äußerfte Grenze gefteigerter Realismus fomwohl, als
aud) feine Kraft im Jndividualifiren und Charafterifiren, die Aus-
drudsfähigkeit ebenfo, wie die Naturwahrheit feines Pinfels. Er-
greifenderes als das in unfagbarem Leid emporgerichtete Antlit
des Heilandes hat die dentfhe Runft nidt gefhaffen. Die
wunderbare Mifhung von feelifdhem und fSrperlidem Leiden,
die fih bier offenbart, wird man felbft bei Dürer vergeblid)
fuden. Das Spafimo, deffen Hauptfigur Rafael befanntlid dem
großen Nürnberger entlehnt bat, wirft nicht annähernd fo rein
menfchlid rührend und ergreifend, trogdem hier nod die Flagenden
Frauen zum Eindrud beifteuern. Und mit wie roher Henkerluft
die Anehte zupaden und zufhlagen! Dabei fehlt das ganze
üblihe Bepränge des Zuges; der Meifter befdrantte fic) auf die
eine Gruppe des Areuzträgers und feiner Peiniger.
Mit offenbarer Abfichtlichfeit ift zwifchen den beiden Thor-
bogen, Sie linfs und rechts die Szene begrenzen, das Baumerf
in Renaiffanceformen mit dem Sprudhe aus
Jefaias im Friefe eingefügt, eine KAonzeffion
des Meifters an den „‚antikifchen‘ Mode-
gefhmad, die vielleiht auf Recdnung feines
Bönners, des großen Renaiffance-Rardinals
Albrecht von Mainz, zu feßen if. Daß der
Stifter des Benefizium für den Rreuzaltar,
Direforn, auch der Auftraggeber für Sie Doppel-
tafel Sesfelben gewefen ift, wird dadurch ſehr
wahrfcheinlid, daß er zugleich Benefiziat an der
St. Agatafiche in Afchaffenburg war. Als
folder wird er häufig dort verkehrt und den
Rünftler wohl perjönlid gefannt haben. Sebr
3u bedauern ift, daß gerade dSiefes Bild fo febr
gelitten bat. Gliidliderweife ift Ser Kopf
Chrifti verfhont, der auch bei der Hauſer'ſchen
Reftauration feiner Zeit intakt geblieben war.
Die Farbengebung ift fräftig, ohne grell zu
fein, und mannigfaltig ohne Buntheit. Bei
der Rreuzigung fehlt es dagegen nidt an
jenen foloriftifhen Spielereien, wie auf dem
Iſenheimer Altar, die den deutfchen Correggio
(Sandrart) Pennzeihnen und von allen feinen
Heitgenoffen unfhwer unterfcheiden laſſen.
Der bödft raffiniert von bräunlichem Dunkel in
lichteres Grün und fhlieflih in gebrodenes
Roth abgetönte Hintergrund läßt den leicen-
farbigen Körper doppelt wirfungsvoll hervor-
treten, während einzelne weißlihe und rdthlice
Lichter die Bruft und Arme des Gefreusigten
umfpielen. Sonderbar aud der bräunlide Ton des Ant-
likes Ser Maria, wie refleftirt von dem braunrothen Ropf-
tude, während die Hände mit den frampfhaft verfdlun-
genen fingern fih grell weiß davon abheben. Redht bart
ftebt gegen das braune Ropftuh die blaue farbe des Kleides;
weit beffer geht der gelbgraue Mantel des Johannes mit dem
grünen Futter und rothen Rode zufammen. So meifterhaft und
ergreifend der Gegenfak zwifhen dem mwüthenden Schmerze des
Lieblingsjüngers und der ftumpfen Entfagung der Mutter, fo
abftofend der Realismus des Malers in der Darftellung des
Gefreuzigten, Ser aud) in diefer Beziehung mit dem des fen-
beimer Altars faft identifh ift. Scheint Brünewald in der Wieder-
gabe der Wunden, Beulen und fleden, mit denen der grünlihe, nadte
Körper überfäet ift, bis aufs Aeußerfte gegangen zu fein, den Haupt-
trumpf fpielt er aus, indem er das weit vornüber gefunfene und
duch den Todestampf entftellte Wntlik mit herabbangendem Unter-
tiefer darftellt, fo daß die Zähne und Zunge fihtbar werden
und man den Kopf nit ohne Braufen betradten fann. Auch
das gewaltfame Herüberzerren des über den rechten genagelten
linten Fußes ift bei aller Pirtuofität der Darftellung von ab-
ftoßender Wirkung. Troßdem gehört aud diefes Bild zu den
großartigften Leitungen feiner Zeit."
Dieje großartige Leiftung nun ift, wenn nidt bald Abhilfe
gefhaffen wird, dem langfamen Untergange geweiht. Die fpätere
Geſchichte des Bildes ift eine fortgefette Leiðensgefhihte, die Ser
dramatifhen Epifoden nicht entbehrt. Yadhdem der Kreuzaltar
etwa 100 Jahre an feiner Stelle geblieben war, wurde er, wie
bereits berichtet, in cine Seitenfapelle verwiefen, wo er zum
erten Male 1664 von dem Frangzisfaner-Guardian Johannes
Stravius erwähnt wird. Schon bier mag die nah der Wand
gefehrte Rüdfeite mit der Darftellung der Rreuztragung manden
Schaden gelitten haben. Ueber den beflagenswerthen Zuftand
der Rreuzigung beridtete der Besirfsbauinfpettor Mofbrugger in
den vierziger oder fünfziger Jahren. 1876 hielt es die Gemeinde-
verwaltung für angezeigt, ihren foftbaren Befig an die Habich’fche
Gemäldegalerie in Raffel zu veräußern. Die Doppeltafel wurde
auseinandergefägt und em Mündener Ronfervator Haufer zur
Reftaurirung übergeben. Da der Derfauf des Bildes fih als
ein unrehtmäßiger erwies, erzwang die Badifhe Regierung die
Rüderwerbung um 4000 Mark urh die Firhlihe Dermaltun ;
Walter Keiftitow, Dünen-Sandjchaft,
und übernahm fo eine Verantwortung, der
fie fic) unter dem Drud des Widerftandes
des Öberftiftungsrathes bisher niht gewadjen
gezeigt bat. Die Gemeinde braudt Geld
und ift nad wie vor bereit, zu verkaufen,
die Regierung mödte die Bilder für die
Runfthalle erwerben, der Landtag würde ficher
die nöthige Summe gern zur Derfügung jtellen,
aber die Rurie verfdleppt die Sache und
behandelt fie als ein Befchäft, bei dem fie
möglihft weitgehende Vortheile zu erzielen
ſucht. Inzwifhen nimmt die Zerftörung der
Bilder ihren langfamen aber fideren fort-
gang. Wer fie nadh der Haufer'fchen Reftan-
tirung in dem Suftande gefeben, den unfere
Reproduftionen nad Photographien von franz
Hanfftaengl wiedergeben, würde fie taum nod
erfennen. Don 1887—1893 hingen die beiden
Tafeln, dem Einfluß des Temperaturwecfels
und der Feuchtigkeit ausgefett, an Sen Chor-
mwänden der Martinifiche, dann wurden fie
in das Pfarrgebäude überführt, effen Trep-
penbaus fie gegenwärtig als wenig ange-
meffener Schmud dienen. Unter einer dichten Schimmeldede
fiebt man, wie fid) die Farbenfhiht von der Holztafel hebt,
trodnet und abblättert. Banze Partien es Bildes find fon
jetzt zerftört, und der Untergang eines der hervorragenditen
Meifterwerfe deutfchen Runftfhaffens fheint nur noch eine Frage
der Zeit.
Wir haben uns abfihtlih auf die Anführung von That-
fahen befhräntt, fönnen aber unfere Derwunderung nicht unter-
drüden, daß folhe Zuftände in einem Zeitalter möglich find, das
mit Recht ftolz ift auf feine Maßnahmen zur Erhaltung der
nationalen Runftdentmäler. Wir wollen nicht unterfuhen, wem
in diefer Angelegenheit die Hauptfehuld beizumefjen ift. Handelt
es fib um den pafliven Widerftand profitfüchtiger Gemeinde-
Deutfhe Runft.
387
Walter Keiftifow, Am Schlachtenfee.
behörden, die den zufälligen Befig eines Kunftwerfes erjten
Ranges für ihre Sonderzwede auszunugen fuden, fo muß diefer
Widerftand mit allen Mitteln gebrochen werden, die der Candes-
regierung fiherli zur Verfügung ftehen. Das Cigenthumsredt
bat hinter dem nationalen Anreht zurüdzuftehen, das die Gee
fammtbeit an der Schöpfung eines Riinftlers hat, Ser fic, wie
Meifter Matthes von WAfcaffenburg, gleid) beredtigt an einen
Dürer und Holbein anreiht. Runftwerke, wie feine Rreuzigung
und Kreuztragung gehören niht in ein abgelegenes Pfarrhaus,
wo fie dem Derderben ausgefest find, fie bedürfen, ihres Charakters
als religidfe Andadtsobjefte entfleidet, einer erhaltenden Pflege,
wie fie ihnen nur unter dem Schuge einer Staatsanftalt 3u Theil
werden tann. Georg Malfowsfy.
Die Große Berliner Kunftausftellung.
Die „Berliner“, X
I.
te Eindrüde, die man auf dem grofen Gabres-Bildermartt empfängt,
wiederholen fi und mit ihnen die Klagen, daß nicht alljährlih ein
Meifter oder dod) wenigftens ein Meifterwert vom Himmel fällt.
An das fidh langfam hebende Durhfhnittsmaß eines gemwillen Rönnens ge-
wöhnt man fih unmerklih und empfindet es wie eine perjönlihe Benad-
theiligung, daß aus der Flähe fo wenige unterbrehende Spiten bervor-
ragen. Je mehr die Anzahl der Anadfuß'jhen illuftrirten Rünftlermono-
grapbien anwadft, um fo Lauter werden die Schmerzensfohreie der zum
Tagesreferat „berufenen‘“ Kritiker, daß die Raffael, Michel Angelo, Tizian,
Dürer, Holbein und Rembrandt ohne Nadhwuds fortgeftorben find. Der aus
Einzeldarftellungen gefhöpften Rezenfentenweisheit fehlen die nivellirenden
Mittelglieder innerhalb der fünftlerifhen Vergangenheit. Es ift wirklich
fhade, daß es zur Zeit der alten Meifter nod feinen alljährlihen Bilder-
markt und feine Tageskritit gegeben hat. Es würde das wefentlih zur
Milderung des Urtheils über modernes Runftfchaffen beitragen.
Da der Prophet bekanntermaßen in feinem Daterlande am wenigften
gilt, fommt die Berliner Malerei natürlich allerwegen am fdledteften fort, als ob
die fünftlerifhe Fmpotens in der Reihshauptitadt erblih geworden ware. Don
den eben nicht zahlreihen Löwen verlangt man, daß fie alle zwölf Monate
ein Ihnen ähnlihes Junges zur Welt bringen, und wenn es die Daterjchaft
allzu deutlih verräth, Magt man über die ewig gleihe Manier und verlangt
von A. von Werner einen Menzel, von Menzel einen Liebermann und von
Liebermann — aus reinem Depit — fihließlih einen Paul Thumann. Paul
Thumann bat mit feinen Glluftrationen 3u deutfchen Lyrifern ungabligen
zart befaiteten Gemiithern inniges Behagen bereitet, es liegt fomit für ipn
fein zureihender Grund vor, eine Madonna im Stile f. von Ubde's zu
malen. Jedenfalls hat er fih duch die Arbeit eines Menfchenalters ein
Redt erworben, als Paul Thumann mit all’ feinen Dorzügen und Schwäden
beurtheilt zu werden. Wem feine forgfiltige Linienführung, feine fparfame
Sarbenffala, feine rofigen FSleifhtöne nicht gefallen, der mag an feiner ton-
ventionell fhönen Bottesmutter [hweigend voriibergeben. Ein Sacrilegium
hat Thumann fiber weder im firhlihen nod im Fünftlerifhen Sinne be-
geben wollen, und ein aufmerffamer Beobachter wird vor feiner Madonna
ebenfo viele Ausrufe des Entzüdens wie des Entfekens gehört haben. Zu
den Rünftlern, von denen man unmentwegt etwas anderes verlangt, als das,
was fie fönnen und gelernt haben, gehört auh A. von Werner. Wenn
es nad der „rinflußreihen‘ Tagesfritif ginge, müßte man einen befonderen
Schuszmann anftellen, der die fi vor feinem „Sterbelager Raifer Wilhelms"
anfammelnde Menjhenmenge zum Weitergeben auffordert, und wer vor feinen
„Lichterfelder Radetten nicht fhandernd jein Antlig verbüllt, müßte öffentlich
für einen Banaufen erflärt werden. A. von Werner ift ein treu befliffener
Chronitenfchreiber, fein Nibelungendihter. Er malt teine Gagenfaifer und
Paladine, fondern preußifhe Rönige, Minifter und Generale, denen Re-
präfentation und dienftlihe Haltung in Sleifh und Blut übergegangen find.
Derfuht er es dann einmal, wie in dem „Sterbelager", mit gedämpfter Be-
leuhtung, die bier ja zudem biftorifch ift, und mit dur aufrihtigen Schmerz
durdbrodhener Pofe, fo madt er es wieder nicht redt. Bismard bat nie-
mals ein Tafdhentud zum Weinen gehabt und den Arm niht um Moltfe’s
Schulter gefhlungen, felbft im trüben Lampenlidt bligen dte Uniformfndpfe
allzu aufdringlid, und daß die Uhr, die Herr von Lauer in der Hand halt,
die Todesftunde des alten Raifers anzeigt, ift zwar unzweifelhaft richtig, aber
durhaus unfiinftlerifh. Wenn die Beleuchtung aber nun dod einmal aus-
388
Walter Keiflifow, Am Teich.
reiht, um das Zifferblatt zu erfennen, warum foll denn die Uhr des Leib-
arztes durhaus falih geben? Ob fürt Bismart fih wirflihb auf Moltte’s
Sdhulter geftiikt bat, willen wir niht, aber gerade Here von Werner's
Chroniftentreue berehtigt zu der Annabme, dah es thatfadlid) dermalea ge-
fcheben ift. Und nun ert die dem Wagen RKaifer Wilbelm's nadrennenden
Radctten! Dağ fie die erte Garnitur anhaben, daß Radetten troß der all»
morgendliden Mebljuppe gefunde rothe Baden zur Schau tragen und fidh
vielfah zum Derwedfeln abhnlic) feben, ijt nun einmal eine nicht fortzumalende
Thatfadhe. Und wenn einem Krilifer der von den Rädern des Wagens auf
gewirbelte und auf den Uniformen abzulagernde Staub fehlt, fo fann man
vielleiht darauf aufmerffam maden, daß das Gefährt ja eben ert das An-
ftaltsthor hinter ih hat. Wie wäre es, wenn man den ewigen Rlagen über
A. von Werner's Meinlihe Detailmalerei einmal die Behauptung gegenüber
ftellte: A. von Werner fehildert mit dem Pinfel, wie Jola mit der feder.
Die Meine Zutbst von Poefie, die der franzöfifhe Dichter feinen Erzeugnijjen
beizumifchen pflegt, fehlt allerdings bei dem deutfhen Maler, aber dafür ift
er um fo „echter in der Wirklichkeitsdarftellung.
Paul Meyerbeim galt ebedem als farbenfreudiger Kolorift. Da in-
zwifchen die ftumpfen Töne Mode geworden find, wird ihm beute eine gewille
Buntheit zum Vorwurf gemadbt und man behandelt ihn, als fuche er unter
der gleihen Fabrifmarke fdledtere Waare an den Markt zu bringen.
Die Waare ift diefelbe, nur der Befhmad hat fih geändert. Don
dem Rünftler eine gleihe Wandlung verlangen, beißt ibm etwas zu-
muthen, was dem Aufgeben der durch miibfame Arbeit errungenen
Eigenart gleihfommt. Wenn uns die Blide hinter die Couliffen des
Cirkus nicht mebe in gleihem Maße interefjiren, wenn der Affe beim
Aufternfrühftüd uns nicht mebr ebenfo berzlih laden macht, jo ift das
nit etwa ein pofitiver Fortjehritt der fünftlerifhen Bildung, fondern
ein relativer Wedel der Beijhmadsrihtung, der früher oder (pater durch
einen anderen abgeldft wird. Paul Meyerheim war feiner Zeit and
ein Realift, und die Runftgefhidte, die als Quelle die heutige Tages-
freitit benugen wollte, würde zu einem redt fhiefen Urtheil über fein
Shaffen gelangen. Als der Schreiber diefer Zeilen vor ein paar Jahren
die „Moderne Runft‘ redigirte, wurde einmal aus Rönigeberg ange-
fragt, warum man dem erften Tbiermaler Deutjchlands nidt eine
Spezialnummer widmete. Dem Manne wurde jofort geholfen, und
der Decleger hatte vom ideellen wie vom materiellen Standpunfte
aus vollfommen redt.
Wir leben in einer merfwiirdig gedadtnipfdhhwaden Zeit. Carl
Guffow's Berufung an die Berliner Akademie durh A. von Werner,
die Wirkung feines ,,Rakdens, feines ,,Blumentopfs" war
tevolutionirend. Heute gebört er zu den „Alten“, und man vermag
cin gewiljes beleidigendes Staunen nicht zurüdzubalten, wenn er feit
Deutfhe Runft.
langer Zeitin Berlin „etwas Anderes" ausftellt. Sein
ein Champagnerglas haltendes junges Mädden ift aud
einmal gegen das rüdlings dur ein Fenfter einfallende
Licht gemalt, das die Umriffe des anmuthigen RSpf-
chens lodert, üh in die dichte Haarfülle bineinwüblt
und über den leichten Stoff der Taille die flächen be-
lebend fortfpielt. Seine „Dämmerung“ ift ein ge-
waltiges Stimmungsbild voll einfader, wirffam an
Sie rehte Stelle gefegter Accente. Ueber den in tief-
gelber Färbung gliibenden Abendhimmel ziehen fhwer-
geballte Wolfen und fpiegeln Ah unten in den Wegen-
laden der Straße. Hoch aufragende Stämme unterbrechen
dunkel die leuchtende Maffe der Atmofphäre, und ibre
fturmzerzauften Kronen löfen fid) wie pbantaftifch be-
lebte Bebilde vom Hintergrunde los. Als Guffow in
Berlin auf der Höhe feines Ruhmes als Maler tes
weiblihen Salonbildniffes ftand, fonnte man ibm feine
derbnaturaliftifhen Anfänge nicht vergeflen. Inzwifchen
febnte fid) der Riinftler nah der Löfung böberer
Aufgaben, nad einem „Bilde, wie es ihm vor der
Seele fhwebte, nad Fräftigem Erdgerub, der das
Salonparfiim iiberduftet. Nun fommt er mit einer licht-
umfloffenen Maddhengeftalt, mit einer fiimmungerfüllten
Landfhaft und? — „erinnert" an Dora Hit und
Ludwig Dill. Wenn einem Kunftfchreiber bei Be-
tradtung eines Bildes garnichts einfällt, fällt ibm
fher ein anderes Bild ein. Das „Erinnern ift ja
um fo vieles leichter, als das „Empfinden“. Wer den Maßftab eines
Runftwerfes nicht in fi felbft trägt, der nimmt ihn eben, wo er ihn findet
und binft mit dem Dergleih hinter dem Urtheil þer.
Aud Graf Harrah ift mit einem weiblihen Bildniß und mit einer
grandiofen Landfhaft vertreten. Das leiht aufgeftiigte Köpfen einer jungen
Dame bebt fid von einer Fülle dichten Weinlaubes ab. Sinnend bliden die
großen Augen in das Weite und bint r dec fhön gewölbten Stirn weben
weltferne Mädcenträume. Es liegt etwas ungemein Liebenswürdiges in
diefem Bildniß, das ih durch die Derinnerlibung des Ausdruds zum Genre-
haften überhöht. Der ,,bereinbrechende Gewitterfturm' fällt zunächft urh das
Ueberwiegen des Landfihaftliden üb,r das figürlihe auf. Madtige Wetter-
wolfen drängen zwifhen den felsmaffen bindurd nad dem Vordergrund.
Unter einem gewaltigen Steintiefen bat fih die Heerde angftvoll Shuß fuchend
zufammengedtängt, während die Hirten und einzelne Rinder durh den Berg-
fpalt herabflüchten. Die wilde Bewegung der relativ Meinen figürben ift
mit vollendeter Meifterfhaft wiedergegeben und durch das übermädtig ſich
durd die Feljen zwängensde Wetter überzeugend motivirt. Vielleicht ift bier
in der Detailmalerei des Guten ein wenig zu viel gethan, aber folen
Szenen gegenüber verfagt meift die viel geriihmte ,,Gmpreffion. - Ste find
eben nicht nur gefeben, fondern aud gemalt, und beim Malerifhärft ‘jib
Walter Keiftifow, Kandjchaft.
der Sinn für das Aleine und genügt fih erjt in fubtiler Ausführung.
€o liegt nabe, das von den oben genannten Riinftlern Gefagte als
yReltungsverfude aufzufaflen. Dagegen modten wir uns ausdriidlid ver-
wahren. Die Herren bedürfen der Netter nicht, denn fie haben nod immer
die Meajorität des Publifums für fih. Wogegen wir ftets von neuem Front
machen werden, das ift das urtheillofe Meffen des einen Rünftlers am andern,
das Berbolen des nur aus dem Zufammenhange der Runftentwidelung zu
gewinnenden Maßftabes aus dem wecfelnden Modegefhmad. So lange man
Der Croy:Teppich der
Ilenthalben madyen fih gegenwärtig Beftrebungen geltend,
i Runftfhäge 3u heben und Denfmale großer Der-
J gangenheit zu bewahren, die zum Theil in moðernder
& Derborgenheit ihrem
Verfall entgegengingen. Man
lernt Runftwerfe immer mehr
als Rulturdenfmale begreifen
und fuht nun in ihnen bedeut-
fame Entwidelungsperioden in
der Gefthidte des deutfchen
DVolfes lebendig zu erhalten. Die
Vergangenheit und namentlich
das 16. Jahrhundert bat uns
eine reiche ‚Fülle herrlicher Dent-
mäler binterlaffen, von der das
Wort des alten Sebaftian
frant gilt:
„Wo die Teutfchen ihren
eigenen NReihthum müßten und
fic) felbft verftünden, was fie
im Wappen führten: fie würden
feinem Dolfe weihen.“
Wie die einzelnen Gaue
unferes Vaterlandes urh Publi-
fationen ihrer Bau- und Runft-
denfmäler manden Schab aus
traditioneller Derfchlojfenbeit
herausheben, fo fuhen auch ein-
zelne Anftalten (Stifte, Rirhen
und Schulen) alles, was fie an
werthvollen Kunftgegenftänden
beiten, einem engeren Rreife von
freunden vaterländifcher Runft
und Befhichte zur. Renntniß zu
bringen und zum Studium dar-
zubieten. „Die Runftdenfmäler
der föniglichen Univerfität Breifs-
wald“ find beifpielsweife Surh
Profeffor Dr. Victor Schule in einem Bilderatlas mit be-
gleitendem Texte fo verdffentlidt worden. Jhr von der Witten-
berger Univerfität dargebradhter Hodzeitsbeher Luther's, die
Reftorinfignien und das große reformationsgefhidhtlihe Teppid-
bild, Ser fogenannte Croy-Teppid, bilden eine unvergleidlicde
Gruppe von Aunft- und Gefhichtsdentmälern, die Surh aufer-
gewöhnlihe Einzigartigkeit anziehen. Dor allem der Croy-
Teppich, der nur alle zehn Jahre bei Gelegenheit Ser Croy-
feier der umfchließenden Lade entnommen wird, ift ein inter-
effantes und foftbares Runftwerf, das umfomehr Beadtung
verdient, als es nidt ausgefdloffen ift, daß es ein feltenes Er-
zeugniß einheimifcher Arbeit ift.
Diefe Annahme liegt darum nahe, weil im XVI. Jahr-
hundert in Stettin die Teppichweberei betrieben worden ift.
Ob freilid ein Seutfher Teppichwirker Ser Derfertiger diefes
foftbaren Gobelins, mit dem eine hohe Vollendung der deutfchen
Teppidweberei landläufigen Anfihten entgegen erwiefen ware,
gewefen ift oder ein reifender Meifter aus den Niederlanden,
wohin die Kompofition und Ausführung weifen, fann nicht feft
2
a ©
Walter Keiftifow,
Deutfhe Runft.
Stilifirte Kandichaft.
für die Dinge nicht die richtige, durch eine gewiffe Entfernung bedingte
Perfpeftive gewonnen hat, foll man fie gleihwerthig als Einzelerfheinungen
betrabten. Die Tageskritif ift ein unverantwortlider und darum unguver-
läfjiger Richter. Sie verliert ihre Bedeutung gerade da, wo die Runft-
gefhichte anfängt. Wer die Probe auf Tiefe Formel machen will, der lefe
einmal die wenigen zeitgenöffifchen Urtheile, die gelegentlich in die fyftematifche
Darftellung irgend einer Runftepode als Citate übernommen worden find.
Sie wirken unendlih fomifc. Georg Malfow sty.
Univerfität Greifswald.
behauptet werden und wäre ert Curd die Beftimmung des
Wirferzeihens P. H. 3u entfdeiden. Ueber die Ausführung des
prächtigen angetephiche können wir Julius Leſſing zu Rathe
ziehen, der über die Gobelin—
technik folgenden Aufſchluß giebt
(Der Croy-Teppich, im Beſitz
der Königl. Univerſität Greifs—
wald. [Jabrbud der König—
lichen Preußiſchen RKunſtſamm—
lungen XII. Berlin 1892.]
S. 147 ff.):
„Man arbeitet auf einer
Rette von ftarfen, Sidt neben-
einander liegenden Fäden aus
Hanf oder Leinengarn, welde
völlig überdedt werden, aber
dem Ganzen ein kräftig ge-
ripptes Ausfehen geben. Die
Rette läuft wagereht durd das
Bild. Auf diefe Kette werden
entfprehend dem Karton, der
als Vorlage dient, die figuren
in ibren Umriffen aufgezeichnet
und fodann aus freier Hand
mit bunten Wollenfäden in
einem Derfabren ausgeführt,
weldes mit dem Stopfen die
meifte Aehnlichkeit bat; jeder
Farbenfled ift Surh Hine und
Zurückführen des faðens einzeln
dargeftellt. Hierzu bedarf es
als tedhnifches Hilfsmittel ledig-
lih zweier Webebiume (runder
Balten), auf welde die Kette
aufgefpannt ift, und eines
kleinen Lißenzuges für Sie hand-
große Stelle, an welder man
gerade arbeitet. Man braudt
einen gewiffen Dorrath von farbigem Wollengarn, aber in den
Ceppiden des XV. und XVI. Jahrhunderts it die Anzahl
der farben befchranft. Man gebt niht darauf aus, die
Wirkung der Oelmalerei zu erzielen, die Scaltirung ift fon-
ventionell in wenigen Tönen, zum Theil durd Komplementär-
farben ausgeführt. Was bierdurh an plaftiiher Wirkung ein-
gebüßt wird, fommt dem dekorativen Charakter des Ganzen zu
gute; der Teppid wirft nicht als unvollfommenes Bild, fondern
als bédft vollfommene Wirferei, welde nichts fein will als eine
Flächendeforation. Die Pradt der Erfheinung wird geftcigert
Surh Verwendung von Seide für glänzende Lichter, ferner durch
Bold- und Silberfäden. Gn unferem Teppich ift Seide nur an
ganz wenigen Stellen in den Bejihtern, Bold und Silber da-
gegen an den Bewändern reichlid verwendet; die Schmudjtüde,
die Befäbe, 3um Theil fogar die Grundmufter der Brofatitoffe,
find mit Metallfäden bhergeftellt.
Das eigentlidhe Bild, eine figurenreihe, würdevolle Rom-
pofition, ift umrabmt von ECidenguirlanden, Blumen- und Frudt-
fġnüren, Infchrifuntafeln und Wappen. Die obere Breitfeite
390
enthält Luther's Wappen, das befannte Symbol eines Rreuzes
im Herzen auf weißer Rofe, das der alte Reim erklärt:
„Das Chriftenherz auf Rofen gebt,
Wenn’s mitten unterm Kreuze jteht‘
einen Wappenfhild mit einem von einer Schlange ummwundenen
Kreuze und die drei Infchriften:
I. auf blauem Grunde:
Er . Ist. Den . Vbelthetern . Gleich
Gerechet . Vd. Hat. Vieler . Sunde
Getragen . Und . Hat. Fur . Die . Ub-
-Eltheter . Gebete . Esaie. Am. LIII
II. auf braunem Grunde:
_ A°:M.D.X. VII. Hat. Der . Ehrwirdig : Doctor.
Martini. Luther. Zu. ||
Wittemberg . Angefan-
en . Gottes . Wort.
‚auter . Und. || Rei.
Zu . Predige . Bis. Er.
A°.M.D.XLVI.
Den . XVIII . Febru :
Christli | cher . Beket-
nis. Vorschide.. ist. Im.
63 . Jar . Seins . Alters .
III. auf blauem
Grunde:
Im . Jar . Nach.
Christi . Geburt . M .
D.XXXV. Ist. In.
Pomerlandt . Das .
Leicht . Der . Gnade .
Das . Gottlich . Wort.
Agezudt . Und .Durch .
D. Johan . Bugnhagn .
Gepredigt .
In den Guirlanden
der auffteigenden Borden
find Spriiche auf blauem
Grund angebradt, linke
die Reformationsdevife der
fähfifhen fürften:
VERBWM.DOMINI.
MANET . IN. ETER-
NWM.
und linfs als Kennzeichen
der Pommerfchen fürften der
Wablfprud Philipps I.:
PRO . LEGE . ET.
GREGE .
und feines Sohnes Jo-
hann Friedrich:
. J.
(Was Gott
Nomina. Illustrioru. Ducum. Ac. Principum.
Saxoniae und Illustrisimorum. Ducum. Ac. Principum.
Pomeraniae. Nomina.
Alfo ein Yamensverzeihnig Ser auf dem cigentlicdhen Bilde
dargeftellten fadfifchen und pommerifden fiirften, Sie fih, jene
linfs, diefe rechts, angethan mit den reicen Roftiimen ihres
Standes, um die Kanzel Cuther’s gruppiren. Aus der Briiftung
der als Holsfonftruftion gedachten Rangel, die an einer ftarfen
Säule von geflammtem Marmor fhwebt und mit den Symbolen
der vier Evangeliften gefhmüdt iff, erhebt fic) die Geftalt des
großen Reformatore. Gn ibrer Cract, ibrer Pofe und ihrer
ganzen Auffaffung erinnert fie ftar? an Cufas Cranad den
Aclteren. Wie auf deffen Altarbilde in Ser Stadtfirde zu
Wittenberg weit Luther von der Ranzel aus auf den
Befreuzigten, während die Linke auf der aufgefohlagenen Bibel
tubt. Die Beziehungen zwifchen der Predigt und Chrifto am
Mathias Grünwald, Kreuztragung, Tauberbijchofsheim,
W. Pbotograpbie-Derlag von fıanz Hanfftaengl, Münden.
will.)
Die untere wageredte Borde giebt die
Deutfde Runf.
Kreuze verdeutliht eine Tafel in Renaiffanceumrahmung durch
die Auffhrift:
Sihe Das Jst Gottes Lam Das
Der Welt Sunde Tregt Dieser Jsts
Von Dem Jch Euch Gesagt Habe. Joh. I.
Und Wie Moses In Der Wvesten
Eine Schlange Erhoehet Hat Also Mus
Des Menschen Son Auch Erhoehet
Werden Auf Das Alle Die An In Glev-
Ben Nicht Verloren Werden Sondern
Das Ewige Leben Haben. Johan: III.
M. D. LI.
Wie die Beftalt Luthers verrathen aud die Portraits der
firften ftarf den Einfluß
der Cranad'fhen Schule,
einige ftimmen fogar mit
den durch Nadhbildungen
weit verbreiteten Bildnifjen
von der Hand der Cra-
nadh's auffällig überein.
Den ‚fürften, als förderern
der Reformation, find im
Hintergrunde als Mitar-
beiter Cutber’s beigefellt
auf fähfifher Seite Phi-
lipp Melandthon, deffen
Gefidhtsausdsrud wenig von
feiner geiftigen Bedeutung
verräth, auf pommerfcher
Seite der Rirhenorganifator
Johann Bugenhagen,
deffen Wappen, eine Leier,
aud am rechten Ende der
oberen Rahmenborte ange-
bradht ift. Redhts von
Bugenbagen ftebt in der
Reihe der pommerfchen für-
ften Philipp I., deffen Bild-
nif Sas befte von allen
it. Sein goldfarbener
Brofatmantel über dem ge-
ftidten Unterfleise it das
foftbarfte Prunfftüd auf
dem ganzen Reprafenta-
tionsbilde. Die GJdee der
Rompofition ergiebt fid aus
der Derfhwägerung des Fur-
fadfifehen und des pommer-
fhen Haufes durdy die Der-
mäblung Herzogs Philipp
mit Maria von Sad fen
und ift eine monumentale
Darftellung des reformatorifhen Zufammenwirfens von fürften
und Gelehrten in den fächfifhen und pommerfchen Ländern.
Befonders bemerfenswerth ift an dem Croyteppid) nok, daß
er in der Bobelinweberei von W. Ziefh in Berlin in vor-
zügliher Weife reftaurirt worden ift, fo Saf er nun als mafel-
lofes Runjtwerf in feiner alten Schönheit wirft.
Während man früher für folhe Ausbefferungen die robefte
Stopfarbeit verwendete, bequemt man fic) heute genau der alten
Webetehnif an und erreicht fo, daß man das Neue vom Alten
nicht unterfcheiden fann. Wollmaterial und farben werden forg-
fältig gewählt und nad dem fpeziellen Bobelinton geftimmt, der
fic) in der beiten Feit von jeder fhlieglih doch unmöglichen
Wiedergabe natürlihen Colorits fernzuhalten weiß. Die früber
vernadlaffigte fahmäßige Reftaurirung alter Wandteppiche ift
um fo bedauerlider, als es fih meit um funftgefhichtlih über-
aus werthvolle Darjtellungen handelt, für die bekanntlich Sie
erften Meifter Cartons geliefert baben.
Architeftonifche
an follte meinen, daß die Baukunft die populärfte Runft fei, a
fie als „Sdealifitung der organifhen Natur! am engften mit
dem täglihen Leben verknüpft ift. Leider wäre diefe Annahme
nidt ridtig, denn hödftens das Miiglidhe und Zwedmäßige der Baukunft
findet no im Volte Verftändniß, das fiir die Schönheit und Bedeutfamfeit
ihrer formen fehlt. Daher it es nut wiinfchenswerth, daß fih eine ein-
fhlägige Literatur mit allem Eifer an der wichtigen Aulturaufgabe betheiligt,
dahin zu wirken, daß die Runft 3u höherer Beftaltung des Dafeins ins Volt
eindringe. Es ift leider eben nod fein fo miifiges und iiberfliifjiges Unter-
nebmen, über Runft Betradhtungen, Reflecionen und Kommentare 3u fehreiben,
als namentlid von Riinftlern felbft vielfah angenommen wird. Häufig,
eigentli zu häufig haben aller-
dings and Rünftler fhon zur
Seder gegriffen, um durd das
gejhriebene Wort dem Publifum
entgegen zu fommen. Wenn
foldhe Publifationen pro domo
aud oft ihren eigentlihen, all-
gemeinen Jwet verfehlen, find
fle dod immer intereffant als per-
fönlihe Anfihten der Riinftler
über ihren eigenen Beruf. Das
wird jeder Lefer aud einem
Werke über Arditeftur aus der
Seder eines Arciteften nad-
fagen müffen, das außer fei-
nem perfönlihen Reiz and fo
viel allgemeine Wahrheit enthält,
daß es das Derftandnif der
Baufunft wefentlih zu fördern
und dem Lauten ihre Schönheit
und ihre formenfprahe näher
3u führen vermag.
Arhiteltonifhe Be
trahtungen eines deutfhen
Baumeifters mit befonderer
Beziehung auf deutfches Wefen in
deutfcher Baukunft von Robert
Neumann (Berlin 1896. Der-
lag von Wilhelm Ernft & Sohn),
haben ihre befondere Bedeutung
nit in einem gefcidtliden
Ueberblid und äfthetijhen Be-
lehrungen über das Wefen und
den Werth der Runft für's Leben,
fondern darin, daß fie das Be-
dürfniß einer nationalen Bau-
funft betonen. Der Derfaffer
glaubt an die Möglichkeit einer
folden und giebt als Elemente,
aus denen fie fih bilden wird, Züge deutfher Eigenart an:
Dorwiegen des Bedankeninhalts, Streben nah Wahrheit und Ehrlichkeit
in der Derwendung des Materials, Hervortreten des Perjönlihen, Sinn fürs
Malerifhe fowohl als aud das Monumentale. Dor einer hauviniftifchen
Mifadtung fremder Eigenart, duch die das Deutfhthum in einfeitige
Deutjohthüimelei ausarten würde, brauchte der Derfafler uns dabei faum zu
warnen, da es nidt 3u den ‚Fehlern der Deutjhen gehört, fih neuen
Anregungen von außen her zu verfchließen.
Die ftiliftifhe Neugeftaltung im Charakter der nationalen Baufunft der
Sutunft madht der Derfaffer ausfhlieglih abhängig vom Einfluffe des künftig
vorzugsmweife zur Derwendung kommenden Materials, des Eifens und Fements.
Die Benutzung älterer Stilbildungen verwirft er Feineswegs, vielmehr fieht er
in ibr nur eine matürliche, felbftverjtändlihe Derwerthung fünftlerifher Er-
tungenfdaften, mit denen Ah nad und nad der arhiteftonifhe Formenfhat
zu einem Ausdrudsmittel bereicerte, Surh das den verjhiedenartigften Runft-
aufgaben Rehnung getragen werden fann. „für neue Bangedanken‘, jagt
Neumann, „völlig neue fjpmbolifh bedeutfame Formen zu jhaffen, vermag
der einzelne Arhiteft ebenjo wenig, wie es möglich ift, für neue Begriffe
Cr
SERIEN SER
Mathias Grünwald, Kreuzigung, Tauberbifhofsheim,
Pbotographie-Derlag von ‚franz Hanfitaengl, München.
391
Betrachtungen.
völlig neue Worte zu finden. Auf folder Grundlage faßt er fohließlih
das Ergebniß feiner Belrahtungen in den beiden Regeln zufammen:
„Der neufhaffende Architekt foll nur folhe Formen in Anwendung bringen,
deren ftruftiver, formal-äfthetifher und fymbolifher Bedeutung er fid voll
und Far bewußt ift." 5
„Man halte fic in der Rompofition eines Werkes moglidft feft in den
Rahmen eines biftorifh feftgeftellten Bauftiles und ziehe nur dann andere,
aber möglihft verwandte Formen herbei, wenn die ftilgemäßen Formen für
den zu gewinnenden Ausdrud nidt hinreichen.“
Die Befolgung diefer Regeln foll eine willfürliche, verwirrende Stil-
mengerei verbiiten und eine allmablide Geftaltung des Yleuen vermitteln;
freilidh muß der Urchiteft felbft
Befhmad, lebhafıe Phantafieund
Geftaltungetraft befken, fonft
niiken aud die Regeln nichts.
Oft der Arditelt aber ein ganzer
Rünftler, find fie erft reġt über-
flüſſig.
Als kräftigſten Beweis da-
für, daß in der Architektur ein
neues Leben ſprießt und ein neuer
Weg zu dem ſchönen Endziel
einer nationalen Baukunſt ge-
funden ift, führt Neumann
Wallot's Reidhstagsgebaude an.
„Die erhabene Rube, fo fhlieft
er feine Betradhtungen, „die das
Banze duch die gefammte Er-
fcheinung bebherrihende Roloffal-,
Säulen- und Pilafterordnungen
erhält, die dadurh feineswegs
unterdrüdte lebhafte Bewegung
der Baugruppen, die dem Sinne
der deutfhen Renaiffance ent-
fpriht, die Formenfülle der
Einzelheiten, welhe vielfad an
die Auffaflung reiher Barod-
deforationen erinnert, die echt
deutfche, beziehungsreide, über-
quellende Gedanfenfiille, der
Phantafiereidhthum in der Er-
findung der Schmudbildungen,
endlih die reine Schönheit, von
der das Werk im Ganzen, wie
in allen einzelnen Theilen über-
baudt ift, das Zufammenwirken
der Schwefterfünfte, der Malerei
und der Bildtunft, die bier
der Bautunft zum harmonifchen
Bruderbunde die Hand gereicht
haben — all das zufammen genommen fennzeihnet diefes Monument als
ein hodbedeutfames Werk, aufgeftellt an die Eingangspforte einer neuen
Entwidelungsbahn der Baukunft in deutfch-nationaler Beftaltungsweife.'*
Ceterum censeo: Damit der Reihstagsban in feiner ganzen Macht
und Pract erft wirkt und frei als das erfcheinen fann, was er ift, muß vor
ihm der Rönigaplat, der einftweilen nur nominell vorhanden ift, als einer
der impofanteften Plage der Welt nah Wallot's befanntem, grandiofem
Entwurfe erft gefhaffen werden. Robert Neumann hatte fid die Gelegenbeit
nicht jollen entgehen Laffen, für diefe wichtige Aunftaufgabe und nationale
Pflicht, die anläßlich der vorjährigen Ronkurrenz um ein Bismardmonument
vor dem Reidstagsgebdude wieder nahdrüdlih aber leiter vergeblid betont
worden find, ein Fräftig Wörtlein mitzufprecen.
Uebrigens ware aud bei diefe Gelegenheit der Privatarditeftur ein
großer Raum zugemiefen gewefen. Uns will bedünfen, als regte ih auch
bier Manches, was auf nationale Stilbildung hinweit. Man muß diefe An-
fake allerdings nicht in den Broßftädten felbft fuden, fondern in den Villen
und familienhaus-Anlagen der Dororte, die ihre Formenfprade aus praktifhen
Bedürfnifien und aus der natürlichen Umgebung heraus entwideln.
392
Vermifchtes.
Dermifchtes.
— Eine Beridte-
entfheidung über
fünftlerifhes Ur-
beberredt. Zu einem
eigenartigen Redtsfall
haben die Lands.
buter Rathbaus-
gemälde, die den
Einzug der polnifden
Rbnigetodhter Hedwig
darftellen und von den
Riinftlern Spies, Seis,
Weigand, Löffs in
Münden ausgeführt
wurden, Deranlafjung gegeben. Der Landshut Stadimagiftrat ertheilte
namlid im Jahre 1897 dem Photographen Zattler in Landshut die Erlaubnif,
die. Gemälde zu photograpbiren und zu vervielfältigen. Hierin erblidte nun
Hofphotograph Dittmar in Landshut einen Eingriff in feine Rehte, indem er
behauptete, von den ausführensen Rünftlern das alleinige Redt der photo-
graphifchen “Abbildung und Vervielfältigung übertragen erhalten zu haben,
und fellte Klage auf Anerkennung feines ausfchließlihen NRedtes. Der
Beklagte, Photograph Zattler, erflarte, vom Stadtmagiftrat die Erlaubniß
erhalten zw haben, fo dah Ad die Rlage hätte gegen diefen richten follen.
Der Kläger wies nun nad, daß der Magiftrat auf das Recht der Verviel-
fältigung durch einen Befhluß verzichtet und den Rünftlern alle Rechte zurüd-
gegeben bat. Erft infolge diefes Derzichtes fet dem Kläger von den Münchner
Riinftlern das alleinige Recht übertragen worden. Das Landshuter Land-
gericht entfchied, dağ der Kläger Dittmar das ausfhließlihe Recht babe, die
Gemälde der Künftler Spieß und Weigand abzubilden und zu vervielfältigen
und verfügte die Einziehung und Vernidtung der widerredtlich angefertigten
Abbildungen und Platten. Die Anerkennung des gleihen Rechts bei den
Gemälden von Seiäind Lör madte das Geridt von der eidlihen Ausfage
des Dittmar abhängig, daß Seitz und Löffg von dem Derzihte des Magiftrats
Renntnip erhalten batten.
Ruxioſa.
— Das Nadte in der Japaniſchen Kunſt. Auf der Ausſtellung
in Rioto ſtellte im Jahre 1895 ein japaniſcher, in Paris ausgebildeter Maler,
Namens Ruroda, das lebensgroße Bild einer unbekleideten europäiſchen
Frau aus. Es war eine recht mäßige Darſtel'ung nach irgend einem fran-
zöſtſchen Modell, aber ſie wirbelte in japaniſchen Künſtlerkreiſen, ja im ganzen
Lande vlel Staub auf, und die japaniſche Ausſtellungskommiſſion mußte mehr
Angriffe aushalten als derartige Kommiſſionen ſelbſt in Curopa gewohnt
zu ſein pflegen. Aber trotz allem blieb das Bild hängen, und hetr Ruroda
wurde Profeſſor an der Kunſtſchule in Tokio, wo ſeine Schüler dem Zeichnen
nad dem lebenden Modell beſonderen Geſchmack abgewonnen haben ſollen.
Auf einer ſpäteren Ausſtellung in Tokio fand ſich eine ganze Anzahl von
Zeichnungen nackter Schönheiten, und mit regen Nachahmungsgefühl, das
Jung-Japan für die Auswüchſe europäiſcher Civiliſation zu befunden pflegt,
ftiegen derartige Bilder bald aus den Mappen der Rünftler und von den
Wänden der Runftausftellungen in die Blatter japanischer Illuftrirter Zeitungen
hinein.
Die Frage fchien zu Bunften der Nattheit entjhieden, aber der Minifter
des Jnnern im Minifterium to war anderer Anfiht, und auf feinen Befehl
wurde Strafantrag gegen den Verleger und Herausgeber einer der illuftrirten
Zeitungen geftellt, die eine der Auditäten dec Ausftellung gebracht hatte.
Der Staatsanwalt behauptete, daß Yladtheiten überhaupt und ganz bejonders
in Japan der guten Moral Abbruh thäten und verlangte die Beftrafung
der Angeklagten wegen Vergehens gegen das Prefgeles. Die Vertheidigung
befdranfte fid darauf, zu erflären, daß die Wiedergabe von Bildern, die in
einer faiferliden Runftjhule gemalt und in einer unter amtlicher Rontrole
ftebenden Uusftellung ausgeftellt gewejen jeien, unmöglih gegen die guten
Sitten verftoßen Fönne, und der Rihter fehlof fic diefer Auffaffung an,
indem er die Angeklagten freifprad.
Deutfde Runf.
Kurinfa aus Afelier und lerkflaft.
Gedanken ither hiltende K unf.
Meiffonnier und Rembrandt. Meifjonnier gab einmal feiner Ehrfurcht
vor Rembrandt folgenden beherzigenswertben Ausdrud: „Welhe Meifterfchaft
der Pinfelführung! Weldhe fouveraine Veradtung jeder form, von der Höhe
eines äſthetiſchen deals betradtet! Welde ungeheure Tragödie in feiner
Rreuzigung! Die Leidenfhaft Rembrandt's grenzt an Gewalt. Andere große
Maler haben Augenblide der Benialität, Rembrandt ift das Genie felbft!
Empfindung, Empfindung, das ift, was wir der Jugend immer von Neuem
wiederholen müjlen. Der Jwet jeses Runftwerfs ift, irgend ein Gefühl aus-
zuðrügen. Wie dann der Rünftler, welder diefes Befühl felbft nicht empfindet,
eg Anderen mittheilen? Habt alfo Herz, viel Herz, das Talent wird fid
fon finden.
Gedanken iiber bildende Runi.
Der Rünftler bat zur Natur ein zweifades Derhältnig: er ift ihr Herr
und ihr Sklave zugleih. Er ift ihr Sklave, infofern er mit irdifhen Mitteln
wirfen muß, um verftanden zu werden; ihr Herr aber, infofern er diefe
ivdifhen Mittel feinen höheren Zntentionen unterwirft und ihnen dienftbar
magt. Goethe.
*
Aufgenöthigte Angewöhnung, herkömmliche Gebräuche, beliebte Sitten
— — und ſo manche herrliche Kunſterzeugniſſe umzingeln den Menſchen
dergeſtalt, daß er nie zu unterſcheiden weiß, was urſprünglich und was ab—
geleitet iſt. Goethe.
5
Dem Auge das Aeußerfte zeigen, heißt der Phantafie die Flügel binden.
5 Leſſing.
Der Künſtler kommt mit der momentanen Beobachtung nicht aus. Er
braucht Vergangenheitsbilder, die in ſeinem Anſchauungsvermögen geſammelt
und in feiner Erfahrung befeftigt worden find. Die Erfahrung it das von
den Beobachtungen Abgezogene, das ftetig Wieder-
fehrende, das Bejermäßige, furz das Typifhe. Abfolute
Naturtreue, d. h. getreue Wiedergabe der einzelnen Fülle,
ift feineswegs Aufgabe der Aunft, fondern die Darftellung
des Typijhen. Das lettere ift fein Produft der reinen
Anfhauung, fondern des Urtheile, alfo eines Dent-
prozeffes, in weldem die gemeinfamen Wurzeln von
Runft und Wiffenfhaft zu erkennen find.
*
Bei dem Artiſten dünket
ſchwerer als die Erfindung.
*
Aus der ſchlechteſten Hand kann Wahrheit mächtig
noch wirken;
Bei dem Shönen allein macht das Gefäß den
Gehalt. Schillet.
Helmbolk.
uns die Ausführung
Leffing.
Das Schöne an fid ift der fpezififche Inhalt oder
das Dollfommenhbeitsziel des CEmpfindens ebenfo wie
das Wahre dasjenige des Denkens.
*
In der Kunſt und ſelbſt in vielen anderen Dingen
weiß man das am beſten, was man nicht gelernt hat.
š Chamfort.
Natur und Runft find Shweftern, drum zenfirt man
eine mit der andern unwillfürlich ;
Die frubt am Baum erjheint uns wie gemalt uns
die mit Kunft gemalte wie natürlich.
*
Es iſt perſönlich liebenswürdig an Uhde, daß
feine Frauen alle in erſter Linie „gute Mütter‘ find;
bei Lenbad find fie immer berzloa, bei Klinger
find fie Gefallene, bei Habermann „fii de siècle“.
€. Hermann,
Deutſche Run ft.
Kunftreproduftion und Prachtwerfe.
Darbietungen anfcdauliden Materials zum Studium arditeftonifher
Formenfprache und deforativer Runft im Zufammenhange mit dec Acditektur
werden unaufbörlic veröffentlicht. :
Zwei Pradtwerte aus dem Runftverlage Ser Hoffunfthandlung von
Jof. Albert in Münden „Die figurale Plaftif des KRönigliden
Swloffes Herrendhtemfee und die „Delorative Ornamentif des
Rönigliden Shlofjes Herrenhiemfee" enthalten auf treffliġen Lidt-
drudtafeln und Photograpbien — im Stile Louis XIV., Louis XV. und
Louis XVI. gebaltene — Arbeiten des Profeffors Ph. Perron, in denen fih bei
verftandnifvoller Beobadtung der darafteriftifihen Formen dod ein eigen-
artiger Zug ausprägt. Perron's Arbeiten find Feine Pflavifden Nadhahmungen,
fondern Gebilde eigenen Schaffens in vorgefhriebenen Stilen, mit denen der
Riinfller bewiefen bat, daß ein Meifter fih feine Freiheit und Eigenart aud
bewahren fann, wenn er gezwungen tft, fi in den Charakter einer beftimmten
Periode zu fügen, deren Formenfpradhe in einem reihen Shar von feft-
ftebenden Runftausdriiden vorliegt. Die in beiden Werken enthaitenen figür-
lien und namentlich ornamentalen Dekorationen baben and) Werth fiir die
Praxis und find duch ibren Reidhthum an Motiven in den Details von
hervorragender Bedeutung für Sas dentfhe Runftgewerbe.
Geradezu von der Wbfidt, den fiir das Kunfthandwerf thatigen Ardyitekten
und Seidnern gute Dorbilser an die Hand zu geben, bat ih Mar Riemdl
bei der Zufammenftellung feines Fadwertes leiten laffen: ,, formenfreis
der Möbelfchreinerei vom Mittelalter bis zur Neuzeit.“ Ein Lehr-
mittel für gewerblihe fad- und Fo:tbildungsfohnlen zur Einführung in das
Möbelzeihnen, jowie zum Selbftunterriht. (P.loty & Lodle, Münden 1598.)
Anden Kiendl den natürlihen Weg der Entwidelung einhält, giebt er Mare
Aufzeihnungen von Möbelformen der verfiedenen Stilperioden, vom Mittel-
alter bis zu den meueften Beftrebungen. Gleidseitig follen die Blätter,
erläutert Surh einen furzen Tert, in das Möbelzeihnen überhaupt einführen
und als Uebungsvorlagen für die perfpektivifhe Darftellung von Vorleg-
ffizzen dienen.
Ein anderes Dorlagenwerk befaßt ih nicht mit der Herftellung und Aus-
ftattung von nterieurs, fondern betont den guten Bejhmad im Aeußeren
des Familienheims, indem es eine Auslefe von anerfannten Mufterbauten, in
vorzüglihen Aufnahmen, mit allen dem fahmanne widtigen Berednungen
und fonftigen Details giebt.
€s heißt:
Ausgefübrte familienhäufer. Praktifche Vorbilder in billigen bis
mittleren Preislagen nebjt Grnndriffen, Befdreibungen und Roftenanfhlägen.
Herausgegeben von Erwin Broßmann. (10 Lieferungen a2 M. — Derlag
von Otto Maier in Ravensburg.)
Wenn man die einzelnen Blätter diefes neuen nmüßlihen Werkes be-
tradtet, fo muß man fagen, daß hier in der Auswahl der Motive mit gutem
Gefhmad und mit herem Blid für die baulihen Bediirfniffe ses Mittel-
tandes zu Werte gegangen ift. Es find dabei verjhiedene wichtige Momente
nidt aus den Augen gelaffen worden: die praftifche wie die äfthetifche Seite und
nidt minder die ölonomifhe Frage, der KRoftenpunft wollten berüdjichtigt
fein, follte das Werk feiner Aufgabe, als praftifh braudbares Hilfsmittel
für den fahmann zu dienen, ganz gerecht werden. Diefe Aufgabe it vor-
trefflid) geldft. An der Hand diefer Vorlagen ift der Baumeifter in der
angenehmen Lage, and bei einem Aufwand von verhältnigmäßig nur be-
fheidenen Mitteln, Gebäude aufzuführen, deren innere bebaglihe und zwet-
dienlidhe Einrichtung dem wohlanftändigen, jhmuden äußeren Bepräge, ent-
fpriht. Man fann behaupten, die in den „Kamilienhäufer‘ getroffene Aus»
wahl von Bauobjekten repräfentirt den modernen guten Befhmad in feinen
varlirenden Stilarten, unter denen jeder Bauluftige fiherlih etwas ihm Ju-
fagendes finden wird.
Berlin. — Spät fommt er, doh er fommt! Schon wiederholt ift eine
fiinftlerifhe Zuthat zur Broßen Runftausftellung als bevorftehend angefündigt
worden, die nun wirflid eingetroffen ift. Die madtigen Wandgemalde von
Profeffor Hermann Prell aug Dresden, die fiir den Thronfaal der
deutjihen Botjhaft (Palazzo Caffarelli) in Rom beftimmt find, find zwar
nun fon im großen Südoftfaale aufgeftellt, entziehen fic aber nod den
Bliden des Publifums, das fid nod geduldigen muß, bis die Rüdfehr des
Raifers, des Beftellers der Bilder die öffentlihe Darbietung der Riefengemälde
geftattet.
Zunächſt werden die Bemälde, befanntlid Darftellungen des germanifchen
Mythos der Jahreszeiten nah der Edda, vom Künftler nod einmal über-
gangen oder zufammengeftimmt. Die Dimenfionen der Bilder find fo uns
gewdhnlid, Saf Profeffor Prell bloß fiir die Herftellung des Hauptbildes
über dem Thronbaldahin einen der größten Säle Dresdens, den des Saͤchſiſchen
Runſtvereins miethen mußte, und daß der hieſige Ausſtellungsſaal zwar die
Gemälde in ihrer Breitenausdehnung faßt, aber nicht hoch genug iſt, um ſie
ſo aufhängen zu laſſen, wie ſie an Ort und Stelle in Rom hängen werden,
hoffentlich unbeſchadet ihrer künſtletriſchen Bedeutung. Für die große
Runſtausſtellung iſt das verſpätete Eintreffen der Prelhl'ſchen Rieſenleinwand⸗
flächen von niht geringem Vortheil, da Ah erwarten läßt, daß ſie die An—
theilnahme des Ppublikums von Neuem auffriſchen werden. Man könnte die
Zufuhr neuer Zugkraft und ihre Zurückhhaltung für einen Geſchäftskniff halten,
wären ſie nicht durch die ſpätere Fertigſtellung der Gemälde und eine ge—
bührliche Rücſſichtnahme bedingt.
Ein weiteres, für tie Steigerung des Ausſtellungsbeſuches ſehr günſtiges
Moment ift dte Dertheilung der goldenen Medaillen, der man, foweit es fih
um die Peine Medaille handelt, nicht durchaus zuftimmen fann. Mögen die
Zurüdgefegten, deren es thatfächlid) einige giebt, in ihrer Enttäufhung einen
feinen Troft in der Anerkennung finden, die Bödlin bisher in Berlin ge-
funden hat. Er mußte fid bis dato mit der Meinen Boldenen begnügen,
während Nathanael Sigel bereits im Blanze der Broßen dabinwandelt.
Es ift nit alles Gold, was gleiğt! Sapienti sat! Die beiden großen
Medaillen find von ihren Empfängern diesmal woblverdient. Es haben fie
erhalten der Brüffeler Bildhauer und Akademiedireftor — gewiß nit in
letter Linie gerade der — Pierre van der Stappen und der Berliner
Architett Profeffor Bruno Shmik, deffen genial gedachter, wuchtiger Ans-
führungsentwurf des Dölferfhlacht-Dentmals bei Leipzig ein Runftwerf von
außergewöhnlider Bedeutung ift. Unter all’ den großen National-Dentmälern,
weldhe die legten Jahre gezeitigt haben, it das DVölferfchladhtdentmal von
Schmit unftreitig das impofantefte, einfachfte und edelfte.
Don einer zweiten Preisvertheilung, der in der afademifchen Hodfchule
für Riinftler, foll befonders gejprodhen werden, weil der Direftor Profeffor
von Werner in feiner offiziellen Rede dabei einiges erwähnt hat, was aud
weitere Rreife intereffirt.
Riihmend gedadte er der Leiftungen der Bildhauer, früherer und jegiger
Schüler der Akademie, die bei den grofen Monumentalbauten und Denfmalern
ein tüchtiges Können bewiefen haben; eine Reihe von Riinftlern wurde mit
Namen hervorgehoben. Der Direktor betonte ferner, daß der Akademiker fich
niebr als bisher mit dem Ornamentalen und den gewerbliden Riinften
befhäftigen follte und berührte die fortjdritte auf graphifhem Gebiete.
394
Don Widtigkeit ift die Mittheilung, daB jegt an der Hohfchule unter Leitung
von Profeffor Ehrentraut und Hanns fehner aud die Lithographie
gelehrt wird. Sodann erwähnte der Direktor einen neuen tehnifchen fresto-
verfud, den ein dänifcher Maler angeftellt bat. Den verewigten Profeiloren
Rnille und Befelfhap wurden ehrenvolle Bedenfworte gewidmet. Jum
Schluß fonnte Herr von Werner den Studirenden die freudige Mittheilung
maden, daß zu Anfang des Winterhalbjahres die Brundfteinlegung der neuen
atademifdhen Hodfdulen vollzogen werden wird. Es ift jegt endgiltig das
Baumfchulenterrain zwifhen Hardenbergftraße und Hippodrom gewählt. Der
Neubau, dem ein Entwurf von Rapfer und von Groğheim zu Grunde
gelegt werden foll, wird fehr zwedentfprehend und würdig ausgeftattet. Be
merfenswerth ift, daß die Einweihung zur 200 jährigen Gubelfeier des Rdnig=
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Deutfde Runft.
Dresden. — Während fih über die letten Ausftellungen des Sähfifhen
Runftvereing, von Ernft Arnold und im Viftoriahaus nidts Befonderes
fagen läßt, interefjirte Emil Richter's Runftfalon im Europäifdhen Hof
durd verbaltnifmapig interefiante Darbietungen. Quantitativ überwiegt eine
Rolleftivausftellung des Frankfurter Malers Ernft Morgenftern dur eine
Menge von Oelgemdlden, Aquarellen und Handzeihnungen. Am meiften
fpriht Morgenjtern als Marinemaler an. Nur als folder hat er auf den
Gemälden „Abend auf ser Wordfee und „Bewegte See wirklid Einwand-
freies gefhaffen. Das Runterbunt feiner Aquarelle, die nahezu zwei Wände
füllen, maden tro fleifiger und jauberer Malerei feinen tieferen und nad-
baltigen Eindrud. Bünftiger wirken feine Zeihnungen und Skizzen. Cine
zweite Rolleftivausftellung enthält eine Anzahl meift größerer Bemälde von
SEHEN i
Ne 1 X°D’GDVX] -D°G:DVX | PHILIPPE FILIFPHIL PHILIIPFU.
POMERANIA RE DENE DA al
== wor
Der Croy-Teppich der Univerfitit Greifswald.
Heransgeg. von Prof. Dr. Dittor ShulkKe.
reihs Preugen, alfo im Januar 190), in Ausfiht genommen ift. Es folgte
dann der Jahresbericht, den der Direftorialaffiftent Maler Dr. Jäger
erftattete. Den. Schluß bildete die Preisvertheilung. Den Ropirpreis der
Malflaffe (400 Mart), weldher zur Ausführung einer Ropie der Dresdener
Galerie verpflichtet, errang Herr Thienhaus. Die übrigen Auszeihnungen
befteben in fleineren Geldpreifen, Medaillen, Pracdtwerfen und Anerkennungen.
Im Allgemeinen fonnten febr günftige Urtheile über die Leiftungen der
einzelnen Rlaffen während des legten Jahres gefällt werden,
Die ftädtifhe Bildergalerie ift wieder um drei Runftwerfe
bereichert worden, weldhe der Profeflor Shaner der Stadtgemeinde Berlin
zum Befhent madte. Es find die Bemälde „Berliner Stadtbild" (Alt-Berlin)
von Jacob, „Beipräh am Parkgitter‘ von Amberg und „Ländlide Regel-
bahn in Tirol" von Breitbad. Die Kunftwerke zieren das Lefezimmer des
Rathhaufes. Profefior Shauer bat fhon früher der Stadtgemeinde Berlin
das große Bild von Ernft Hildebrand „Tullia überfährt den Leichnam
ihres Daters! zum Befhent gemacht und foll die edle Abfiht haben, der
Stadt Berlin nod eine Reihe Bilder zu fchenfen und fo den Beundftod
3u einer ftädtifhen Gemäldegalerie von Werken Berliner Rünftler zu legen.
Damit foll vermieden werden, daß hervorragende Berliner Runftwerfe ins
Ausland wandern.
Br. Folio,
J. Abel, Greifswald 1898 (Pr. 4,50.M.)
Stan; Schrevper (Dresden-Blafewit), der auf jedem Bilde dem eigenartigen
Hauber der Märkifhen Haide mit ihren Mooren eine neue Seite abzugewinnen
weiß und mit ftar? perfönlihem Empfinden die intimen, der Natur abgelaufhten
Reize einer eintönig flachen Landſchaft liebevoll wiedergiebt. Von einzelnen
Gemälden feien erwähnt „Mutterliebe" von Feragutti, ein Damenbildnif
von f. U. Raulbadh, das Anfprühen eines durd Riinfiler wie Lepfius
verwöhnten Publifums kaum nod genügt, und eine trefflide Handzeihnung
von Knaus, eine Studie zu feinem „Hefliihen Begräbniß‘, jenem padenden
Gemälde, das fih in Dresdener Privatbefig befindet. Die Zeihnung ijt die
Perle des Runftfalons.
für die Freunde von Radirungen bietet die Sonder-Ausftellung von
Profeffor Röpping um fo mehr Augenweide, als neben bekannten Blättern,
wie feinem vielgerühmten Muntaczy'fhen Atelierbilde und dem in der
Wiedergabe der harakteriftifhen Technit Rembrandt's prächtigen Tonne-
table de Bourbon and fonft bei uns nur felten gefehene Arbeiten — da-
runter feine Landfdaften 2c. — vereinigt find. Don den größeren Stüden
verdient die „Sibylle und vor Allem die „Dryade‘ Hervorhebung; das durch
die dichten Blatter auf den fehlanfen Mädcenleib fallende Licht ift virtuos
behandelt und zu brillanten Effekten ausgeniigt. Alles in Allem fpridt aud
aus diefer Serie von Radirungen die intereffante RiinftlerperfSnlidfeit des
Berliner Profeffors. Reich, wie immer in dem Richter'fhen Aunftfalon, ift
die funftgewerblide Abtheilung befhidt. Don, Gallé find neue Bläfer da,
die die Dorzüge des Meifters von Yancy wieder im beften Lichte zeigen, von
Röftrand nah form und Bemalung gleih beadtenswerthe Porzellane —
entzüdend ift der Habnenfopf! — und von der familie Heider fieht man
Runfttöpfereien, die an Ausgefallenheit nichts zu wünfhen übrig laffen.
Schön modellirt if ein Thürklopfer von Morlet, während man fih für die
Blasabdrüde von Medaillen d'Fllzah’s und feine übrigen Nippes" nur
wenig erwärmen fann. Als ein „neuer Mann‘ von ebenfo origineller, wie
apatter Phyfiognomie präfentirt fih Louis Heftaur, deflen Holzarbeiten,
die theilweife aber aud) Metall, wie bei der eigenthiimliden Schale mit der
nad den Aepfeln greifenden Eva als Fond und der Schlange als Rand,
Leder, ja felbft Glas, wie auf dem freilih nicht ganz Maren Wandbild, mit
in das Reih der Verarbeitung ziehen, den Liebhabern modernften Runft-
gefhmades in die Augen ftehen werden; fhade, daß diefe aparten Stüde
etwas febr theuer und fomit nur Wenigen erreihbar find; ihnen gegenüber
fallen die hübfchen, aber nicht befonders originellen Lederbarbeiten mit ein-
gebrannten und aufgemalten Blumenftüden von Madame Thaulow eiwas ab.
Dem fo ftarf erwadten, hoffentlid andauernden Gntereffe für das
Runftgewerbe verfpricht die Deutfhe Runftausftellung zu Dresden im Jahre 1899
aud durd einen werthvollen biftorifhen Beitrag zu genügen. Es follen
nämlid in einer befonderen Abtheilung für Altmeißener Porzellan de Thätig-
feit der beiden Hauptmeifter des Meißener Porzellans im vorigen Jahrhundert,
Herold und Rändler, fowie die Erzeugniffe der Marcolini'fhen Periode
den Befhauern vorgeführt werden. Wie bereits zahlreih eingegangene Ju-
fagen von Befizern werthvoller Aunftgebilde aus jener Periode der Meißener
Porgellaninduftrie beweifen, hat das Unternehmen Anklang gefunden; bei
weiterer Betheiligung von Seiten eines funftfinnigen Publifums, das aus
Privatbefig beiftenert, verfpriht diefe Abtheilung ein Blanzftüd der
Deutfhen Aunftausftellung von 1899 zu werden. Gewiff entfpridt der fhöne
Plan weit mehr einer verftändnißvollen Pietät vor den fünftlerifhen Erzeug-
niffen einer Vergangenheit, von deren Derdienften die Gegenwart nod zehtt,
und einer liebevollen, beimifhen Runftpflege als das eigenthiimlide, finnlofe
Verfahren, welheo man zur Erhaltung des Dresdener Zwingers anwendet.
Es befteht darin, die Architefturtheile und Bildwerke nah Wiederherftellung
der befhädigten Stellen mehrfah mit Delfarbe zu überftreihen, was natürlich
zur folge þat, dağ das Banwerf in feinem Fünftlerifhen Charakter eine
fhwere Einbuße erleidet, denn abgefeben von einem unangenehmen Glanz
wird die feinbeit der ornamentalen und figürlihen Bearbeitung unter der
diden Farbfhiht völlig verfhwinden. Wie fharf hat man nicht die Zeiten
verurtheilt, weldhen es nidt barbarifd fcien, die feinften Werke ornamentaler
Runft did mit Tünde und Oelfarbe zu überftreihen, und wie hat man fid
nicht bemüht, diefe wieder zu entfernen, um das Wert in feinem alten Blanze
wiedererftehen zu laffen. Und nun im Fahre 1898 ein foldes „Der'fahren
und an einem unferer edelften Baudenkmäler! Gott fei Dant, es follen fdon
von verfhiedenen Seiten Schritte unternommen fein, um dem gegenwärtigen
Dorgehen bei der Wiederherftellung des Zwingers Einhalt zu thun.
Leipzig. — Jm Runftverein ift außer der erwähnten Rolleftivansftellung
von Uquarellen der Befellfhaft deutfher Aquarelliften der aus Oelgemalden,
Celftudien und Skizzen beftehende fiinftlerifhe Yadhlap des verftorbenen
Weimaraners Albert Brendel ausgeftellt, unter denen das daraktervolle
Thierftüd „Stromauf' als eine ganz vartrefflihe malerifhe Leiftung anzufehen
if. Don Wilhelm Leibl- Aibling fefelt ein „Männlihes Bildnig duch
feine kraftvolle Tonwirkung und treffende Charatteriftif. Zum Unterjhied von
Leibl's fonftigen mit einer ih bis auf die Durchführung der Details er-
firedenden Liebe zu feinem Dorwurf gemalten Genrebildern ift das Bildnif
breit und flüchtig behandelt und erfceint in wahrhaft lapidaren Zügen.
Philippine Wolff- Arndt hat ein anmuthiges Damenporträt und
Folfmar Alind- Leipzig eine feingeftimmte Marine „Sommertag‘ aus-
geftellt. Don den beiden Reliefporträts Yiekfhes von Turt Stöving-
Berlin und Arnold Aramer- Dresden giebt Störing's eines Bronze-
relief ein mwohlgelungenes Abbild von des Philofophen hoher geiftiger Be-
deutung, während Aramer über eine rein äufßerlihe Wiedergabe der mar-
fanten Züge des Denters nit hinausfommt.
Das RunftgewerbesMufeum bietet in feiner Abtheilung für moderne
Erzeugniffe eine trefflide Arbeit auf dem feramifchen Gebiete, eine aus den
Giefer-Werkftatten der Leipziger firma Fhleib & Bebel hervorgegangene,
in Boldbronze gegoffene Afchenurne, nah einem Entwurfe des heimifden
Arditelten Th. Röffer.
Deutfde Runf.
In Maren formen und in fhönen Linien gehalten, belebt von einer
3zarten und doc fhwungvollen Ornamentif, dabet im Gefammtaufbau wirfungs-
voll gegliedert, paßt fi diefes Stüd heimifhen Runftjleißes in allen feinen
Theilen feiner Beftimmung an. Auf kurzem breiten fuß rubend, wädhft der
fhlanfe Urnenfdrper, an den volle breite Henfelfchalen angelegt find, zu
einem fhönen Banzen heraus. Um feinen oberen Rand legt fih in leichten
Relief ein Stoffbehang, über dem Rofen erfheinen; damit wird eine tröft-
lihe Spmbolit von dem über die Trauer hinaus fih erhebenden Erblühen
ewigen Lebens gegeben. Den Abfhluß der Urne bildet eine in leichtem
Schwung durchgeführte Befrönung mit lodernden flammen auf der Spike.
Bleihartige Arbeiten in zarterem Material finden wit in Carl B.
Lord's (C. Oeblmann) Runftmagazin, namlid) meifterhafte Stüde der
Glasbildnerei von der Hand des Modelleurs Wilbert Wiegel, Raffel.
Als eine befondere Spezialität hat fih der Künftler die Wiedergabe von
Portraits auf Arpftall-Schalen, Pofalen u. f. w. angelegen fein laflen, die,
zumeift in finniger Umrahmung, fowohl vertieft gefhliffen, wie als zart-
modellirte Reliefs erfdheinen. Auf diefem Bebiete bat Wiegel im Auftrage
verfihiedener hober fiirftlidfeiten, u. A. des Broßherzogs von Baden und
des Aönigs von Württemberg, mehrfache Bildniffe ausgeführt. Zur Heit bes
finden fid in Carl B. Lord’s (C. Oehlmann) Ausftellung zwei Pokale,
die mit dem Portrait des Rönigs Albert und des fiirften Bismard ge
fhmüdt find. Ein bewundernswerthes Stüd diefer Glastunft ift die mit
reizvollen Ornamenten verzierte, in gefcliffenem Spiegelglas ausgeführte
Etagere anzufehen.
Stuttgart. — Dem vor adt Fahren verftorbenen Dichter und Prälaten
Rarl Berof ift ein Denkmal errichtet worden. Es befindet fih auf einem
vom Rönig dafür beftimmten Rafenftüd unmiltelbar am alten Schloß, neben
der Schloßkapelle, wo Bero? die legten 21 Fahre feines Lebens wirkte, und
zeigt als Krönung einer Nife die von Profeffor Donndorf in weißem
Marmor ausgeführte Rolofjalbüfte Berofs. Fn der Nifhe ift die allegorifhe
Geftalt der geiftliden Poefie mit Rolle, Palmenzweig und Harfe aufgeftellt.
Zu den Füßen diefes Genius liegt ein Rranz von Feldblumen.
Darmftadt. — Eine freie Dereinigung Darmftädter Rünftler
hat fic unter dem Dorfit Wilhelm Baders in Darmftadt fonftituirt. Die
Dereinigung wird im Herbft zum erften Male mit einer Ausftellung vor die
Oeffentlichkeit treten. Der Großherzog hat das Proteltorat übernommen.
Durch die Mitwirfung der auf funftgewerblidem Gebiete wobhlbefannten
biegen firma Alerander Rod und Anderer dürfte auch das Aunftgewerbe
zu feinem Rechte fommen. Diele außerhalb Hefiens wohnende hefjifhe Rünftler
werden fid an der Ausftellung betheiligen.
Düſſeldorf. — Die ſtädtiſche Kunſthalle umfhließt aus Anlaß des
Jubiläums des „Malfaftens" auf einige Woden eine feft-Ausftellung, die
einen intereffanten Rüdblid auf 50 Fabre Diiffeldorfer Runftlebens gewabrt.
Hauptfadlid find es Riinftlerbildniffe, grdftentheils dem „Malkaften‘‘ ge-
börend, zum Theil aus Privatbefik, die hier in einer fehr interefianten Zu-
fammenftellung vereinigt find. Diefe Rünftlerportraits haben einen bejonderen
funftgefhidtliden Werth und daneben einen eigenartigen Reiz. Midt alle
find gleidwerthige Runftwerfe, aber der frifhe Zug, den folhe aus perfön-
lihem ntereffe, aus freiem Antriebe gemalten Portraits im Begenfat zu
beftellten und ohne Liebhaberei gefhaffenen haben, ift den meiften eigen. Die
Bildniffe der Stifter des ,,Malfaftens find befonders zufammengeftellt.
Unter diefen find nicht weniger als vier von Ludwig Anaus, der diefelben
in feiner erften Schaffenszelt, zu Anfang der fünfziger Jahre, bier malte.
Jn einer befonders bemerfenswerthen Abtheilung befinden fih die Skizzen
von Oswald Ahenbah zu der Aufführung der Beethoven'ihen Paftoral-
fymphonie, die Mitte der fechziger Jahre hier ftattfand, eine Menge geiftreiher
Rarrifaturen, theils dem „Malkaften" gebdrend, theils aus Privatbefig, und
werthvolle Arbeiten von Caspar Sheuren, Adolf Sdhrsdter, Min-
trop, Rarl Hoff, Dautier und den beiden Ahenbad's. Ein Heiner
Saal enthält plaftifhe Werke, Portraitbüften von Maltaftnern, Widmungs-
tafeln und Medaillons. Aud die dem „Malkaften“ zu feinem 50 jährigen
ubelfefte gefhentte Büfte des rheinifhen Dichters Wolfgang Müller von
Rönigswinter von Otto Lefjing ift bier ausgeftellt.
Wiesbaden. — Sowohl im Runffalon von Banger, der zur Feit
einige recht ftimmungsvolle Landfhaften von H. 3. Jäger enthält, als and
bei Deiters fann man immer häufiger die Beobahtung maden, daß an
Gemälden Zettel angebraht find mit dem Vermerk „Verkauft. Diefe Zettel
396
find nit nur im Jntereffe der Künftler freudig zu begrüßen, fie find aud
ein unleuglider Mafftab fiir den zunehmenden Runftfinn unferes Publitums,
unter dem fih doch mehr opferwillige Aunftfreunde befinden, als allgemein
bebauptet wird. Eine wachfende Nahlommenfchaft diefer erfreulihen Der-
merte it um fo wünfchenswerther, als fie uns eine qualitative Zunahme
unferer Ausftellungen fiber. Wiesbaden könnte ebenfo fo gut wie frant.
furt und Röln ein Runftmarft werden, wenn unfere Runftgönner fi daran
gewöhnen wollten, am Orte zu Faufen, anftatt ihre Blide nad auswärts zu
lenken. Daß unfere Runftausftellungen beftrebt find, ihnen Bilder von Werth
darzubieten, beweift die Ausftellung bei Deiters mit Gemälden, wie: , Arbeits-
lofe von P. Héniger, Berlin, dem es allerdings fein fozinler Gehalt,
trog der lebenspollen Wiedergabe feiner Beftalten und der Stärke der
Stimmung, erjihwert, einen Liebhaber zu finden.
Raſſel. — Gn der Permanenten Aunftausftellung des biefigen
Runftvereihs ift eine Sammlung alter Meifterwerfe — 42 Nummern — auns-
Geftellt, welche der biefige befannte Porträt- und Genremaler Johannes Rlein-
fhmidt, einftmals Schüler von Prof. Seit (Münden), auf einer Studien-
teife in Spanien zufammengebradt. Gnnerhalb adt Monaten, wabrend er
fic) in Madrid, Sevilla 2c. aufhielt, if es ihm gelungen, in Privatbefizen
einzeln eine große Menge Erzeugnife älterer Meifter nicht nur der fpanifchen,
fondern aud der deutjchen, nmiederländifchen und italienifden Schule zu ent-
deden und in feinen Beg zu bringen. Es find darunter wahre Perlen
alter Malerel, welde gewiß die Aunftkreife, infonderheit die Runftgelehrten
von fad nod Iebhaftet bejhäftigen dürften. Wir finden da u. A. drei
Werte, welde Goya, dem Reformator der fpanifhen Aunft, zu Ende
vorigen und Anfangs diefes Jahrhunderts zugefchrieben werden, ferner zwei
Gemälde, welde die Merkmale Cufas Cranadh's des Aelteren tragen
(Madonna mit dem Fefusfnaben, dem der heil. Johannes Trauben reiht und
ein gentehaft bebandeltes Doppelbildniß), zwei auf Delasquez hinweifende
Arbeiten (Sfizze zu dem bekannten Bild „Die Teppihwirkerinnen‘ und ein
Bundeporträt). Prädtig find eine Darftellung der heiligen Familie auf dem
Wege nah Jerufalem und ein Möndebildnif, welde alle Merkmale
Rubens'fdher Originale zeigen. ferner fehen wir eine wundervolle Abend-
landfhaft, wildromantifh, in einem Rolorit, wie wit es nur von Rembrandt
fennen. Sodann giebt es eine ganze Reihe von Werken, deren Autorfchaft
bei Deronefe, Tintoretto, Murillo, Ribera, Snyders u. f. w.
gefuht wird. Alfo eine ftattlihe Reihe werthvoller und intereffanter Funde.
Halberfindt. — Den Schluß der diesjährigen Ausftellung des Runft-
vereins bildete im vorigen Monat die ordentliche Beneralverfammlung, in
welder zunähft der Schriftführer des Dereins einen Purzen Ueberblid über
die Entwidelung deffelben in den legten Jahren gab. Die übliche Derloofung
erftredte fih auf 64 Gewinne, nämlih auf 20 Oelgemälde und eine große
Anzahl von Farbenlidhtdruden, Fardendruden, Radirungen, Rupferftihen,
Photographieen, Photograviiren, Pradtwerfen u. f. w. Zu Anfang des
nädften Jahres wird den Mitgliedern des Vereins ein Prämienblatt über-
reiht werden, deffen Werth im Aunfthandel ungefähr den vierfahen Jahres-
beitrag beträgt.
Hannover. — Eine im ihrer Eigenart bedeutende und viel beachtete
Ausftellung beherbergt augenblidlih das Provinzialmufenm in zwei Sälen
des erjten Stodwerfes, zu denen der Eintritt jedermann unentgeltlich geftattet
it. Die befannte biefige Farbenfabrit von Bünther Wagner bat ein Preis-
ausfhreiben erlafjjen zur Erlangung von Entwürfen für ein Neklameplafat
ihrer Pelifanfarben, Riinftler-Wafferfarben, fiir weldes fie drei Preife von
1000, 500 und 300 Mark ausferte, und Ah den Ankauf einer Anzahl Ent-
wiirfe 3um Preife von je 100 Mark vorbebielt. Die Konkurrenz bat eine über
alles Erwarten reihe Betheiligung gefunden, mehrere Hundert Riinftler haben
fidh an die Lofung der Aufgabe gemacht und über 500 Entwürfe bededen die
Wände der beiden Säle. Es befinden fic unter den ausgeftellten Sachen
gewiß eine ganze Anzahl, die auf Aunftwerth keinen Anfpruch machen fönnen,
immerhin zeugen aber die meiften Arbeiten von Fünftlerifhem Befhmad und
find befonderer Beachtung werth.
In Richhorft bei Hannover wird nad den Plänen des Arditeften
Wendebourg die Kirche renovirt. Bei diefen Arbeiten und bei der Fn-
ventarifirung find unter der Wandtündhe alte Wandmalereien aufgefunden.
Einftweilen find an den völlig freigelegten Gewdlben und Wandflähen im
Chor und in einem Theil des Langjhiffes prächtige Darftellungen, figiirlide
und ormamentale Malereien, Apoftel- und Heiligenfiguren, Petrus, Paulus,
Andreas, St. Chriftophorus, Johannes, Antonius, die Rrönung der Maria
Deutfde Runfe
und andere figuren zu erkennen, ferner in einem Bewölbezwidel die Stifter
der Bilder, wahrjheinlih v. Cramm=Burgdorf, vor einem Bifdhof tnieend, fammt-
lide Bilder von flüffig gezeihnetem Ornamente umgeben. Alle diefe ver-
mutblih aus der Zeit um 1400 flammenden Malereien find fo vorzüglih er-
halten, daß ihre völlige Wiederherftellung für wünfhenswerth angejehen
werden muß.
Hamburg. — Erfreuliher Weife hat eine rege Agitation begonnen,
um Bohrdt’s Bemälde „Rapitän Rarpfanger's Sieg über fünf franzö-
fifhe Kaper'‘ durd die Bürgervereine Hamburgs anzufaufen und als Gefdent
dem Senat zum Schmud des Rathhaufes zu übergeben. Derberrlidt dod
diefes Gemälde einen bedentfamen Dorgang ans Hamburgs großer Dergangen-
heit, und es ift aufridtig 3u wünfchen, daß der Patriotismus der Bürger ih
foweit bethatigt, um jeden Einzelnen zu veranlaffen fi eine unbedeutende
Ausgabe aufzuerlegen, um den Ankauf zu ermöglichen, beträgt doc die Mit-
gliederzahl der dem Tentralausfhuß H. B.-D. angebörenden Vereine nahe
an 7000.
Der Runftfalon von Louis Bod & Sohn auf den Broßen Bleihen
bat eine Antonios fFabres- Ausftellung veranftaltet. Die Werke diefes
Rünftlers, der zu den hervorragendften Vertretern der fpanifhen Shule gehört,
find bisher noch nicht bierber gefommen. Die bier veranftaltete Ausftellung
ift ungeheuer reich und weift viele intereffante Arbeiten auf, in denen er, um
Muther zu zitiren, erftaunlic gefhidt fhildert. Darunter befindet fih das
befannte Bild „St. Therefa', das dem Riinftler in Paris die erfte Medaille
einbrachte. Vorausfihtlih wird aud in unferer Stadt das Gntereffe für die
Fabrés-Ausftellung ein ganz bedeutendes fein. — Don dem bekannten Pferde-
maler Rarl Dolfers find zwei Pferdeporträts, die jegt während der großen
Rennen von Antereffe fein dürften, ausgeftellt. Es find dies die Bildniffe
der Pferde „Charlevs Aunt* (©. Suermond), und „Silt Spider’ (Graf
3. Weftphalen). — Eine junge Bildhauerin, Namens Hedwig Huber, hat
eine Bronzebüfte eines febr befannten biefigen Handelsherrn zur Ausftellung
gebracht. — Von Asolf Behrens finden fih wiederum einige Paftelltdpfe vor.
Liiberk. — Im Salon Nöhring, defen Hauptanziehungspunft noch
das große Bemälde Rüfthardt's „Friede fei mit Euch“ bildet, ift eine
Rolleftivausftellung veranftaltet von 14 Bemälden Müller-Schönfeldt's,
Berlin, weldhe in theilweife an die Lebensgröße heranreihenden Formaten
mäcdenhafte und träumerifche Motive behandeln. Aber aud als Land/dafter,
Portraitift und Genrebildmaler zeigt der Riinftler fein beftes Können. Gute
ine und ausländifhe Meifter, vorzugsweife Landfdaftsmaler, ftellten in reicher
Anzahl aus. Fn erfter Linie it es ein großer Lutteroth „Am Golf von
Naja, der Aufjehen erregt. Die Meifter Rettih, Aafch-Weimar, Malfroy,
Mascart, Uyon, Angeloy, Stuart, Couland, Quinton, Terny, Raymond,
Terni, Stoiloff u. A. m. ftellen zufammen eine ftattlibe Anzahl guter Land-
[haften aus.
Pillau. — Gm Weftfliigel der grdftentheils verfallenen Burg Lochſtädt,
einem Denfmale ordensritterlider Baufunft, find durd zufälliges AbMopfen
der diten Ralftiinde eine Menge intereffanter Wandgemadlde bloßgelegt worden.
Der Erzengel Mihael ift dargeftellt als das fampfende Chriftenthum, be-
waffnet mit dem gewaltigen Ritterfhwerte und gededt durd den mit dem
Ritterfreuz verzierten Schild; den Fuß fett er auf den befiegten Draden, das
Sinnbild des Heidenthbums. Ein zweites Bild zeigt den Chriftusträger in der
Geftalt eines redenhaften Ritters. Diefem gegenüber verfluht Chriftus den
fruchtlofen Felgenbaum, während linfs die Areuzigung und redts das lichte
Auferftehungebild Chrifti die Wand ziert. Wad Siefem böh werthvollen
Sunde feste man in dem Pleinen Nebenzimmer, in weldem früher der Vogt
von Locftädt feinen Ausgud nah den Gefährten hielt, weldhe er auf Bern-
ftein zu unterfuchen hatte, die fortfeßung fort. Die linfe Wand enthielt die An-
betung des Gefustnaben durch die Weifen aus dem Morgenlande, während
die tete Mauer das Bild des St. Georg im Rampfe mit dem Lindwurm,
der die heilige Jungfrau gefangen hält, aufweift. Jn dem Dimmer, in weldem
der unglüdlibe Hocdmeifter Heintih von Plauen über die Falfdbeit des
Riidhenmeifters von Sternberg feufszte, find die Bilder der Hodmeifter in ur-
fomifch fteifer Brandezza fihtbar. Wie es feint, bat das Beftreben der
Jettzett, folhe fhon fehr feltene Runjtftüde der Nachwelt zu erhalten, endlich
feine Aufmerkfamteit auf diefe fagenreihe Burg gelenkt und follen die Wand-
gemälde, wie Roblentifje auf den Wänden chnen laffen, zum Theile ergänzt,
zum Theile mit Wandbildern, ähnlid den aufgefundenen, zu voller Geltung
gebracht werden.
Deutfde Runft.
Orientalifches Herren:
zimmer.
Die fpbaritifhe Eigenart morgenländifcher Jn-
terients genießt namentlid für die Ausftattung von
Herrenzimmern, die nicht ausfchließlih Studirzimmer
fein follen, nod immer einen unbeftrittenen Dore
3ug, defen fic Ah aud nod erfreuen wird, bis
es modernen Stilbeftrebungen gelungen ift, für die Be-
haglidfeit einen abendländifhen Erfar zu fhaffen. Uns
fehlt nod ein eigener, zeitgemäßer Ausdrud für die
Stimmung befhaulihen Dafeinsgenuffes, ein Romfort, der
zur Arbeit nit nur, aud zur Ruhe in erfter Linie ein-
ladet, in dem der narkotifhe Benuß ganz felbftverftänd-
lid wird als Uebertragung und folge angenehmer Um-
gebung. Ein Herrenzimmer foll aud den Eindrud
maden, als miiffe man in ihm nad der Arbeit der Rube pflegen bei einer
Cigarre oder dem duftigen Tfdibul, hödftens unterhaltender Leftüre hin-
gegeben, die uns Scheherezaden erfegt. Diefer Eindrud ift im einem
foldem Raume in maurifher Stilart aus dem Atelier der firma Hef & Rom,
von dem wir eine Abbildung bringen, erreicht, zunädhft durd feine Abtönung
der diskreten Farben vom Blau des Teppihe, der den ganzen Fußboden
bededt, bis zur hellen, lidten Färbung der Dede mit ihrer einfachen Per-
goldung. Zugleih ift Surh das Lihterwerden der Töne nad oben bewirkt,
daß das Zimmer höher erfheint, als es ift. Eine in den leichten Formen
der Architektur des Falam gehaltene Abfhlußwand theilt das Zimmer faft in
der Mitte. Fyr Gitterwerf tft mit farbiger, transparenter Seide befpannt,
durd die das Licht angenehm gedämpft in den Vorraum fällt, defen Ein-
gangsthür gegenüber ein großer, dreitheiliger
és "Meier:
CAS eS SSS >
find. Im feiner ganzen, farbenprädhtigen Ausftattung
betont da3 Zimmer weniger einen anftrengender, geifti-
ger Arbeit zugewandten Charakter feines Bewohners,
als Wohlhabenheit und das Bedürfnig nah befhau-
lider Rube, und diefem entjpriht der maurifde Stil,
wie gefagt, am ebeften.
Das Weltausftelungs Panorama.
paris 1900.
Ueber das Engadin - Panorama, das Gio-
vanni Segantini für die Parijer Weltausftellung
1900 auf einer Leinwandflähe von 36,54 Quadrat-
meter zu fhaffen berufen ift, äußerte fi der Rünftler
felbft etwa folgendermaßen, wie die „Runft für Alle"
berihtet: Das Panorama Engadin foll etwas bis jetzt
noh nidt Dagewefenes werden. Jh gedenfe die
foloffalen felsmaffen diefer Berge in ihrem vollen
Liht und in aller Rlarbeit der Luft auf die Leinwand
3u bringen, un dadurd den Befchauer in die voll-
fommene Gllufion 3u verfegen, auf hohen Bergen zu
fein, mit dem Gefühl der großen Stille, die nur duch
das Geldute in der ferne weiðender Heerden unter-
broden wird. Um die Zllufion noch zu erhöhen, wird
der Raum urd eleftrifhe Dentilation frifhe Luft zu-
geführt erhalten, wie man fie nur auf einer Höhe von
2000 Metern finden fann. Die Befuder fommen urd
eine urh Arwen und Tannen ih fhlängelnde Strafe
Spiegel ftebt. Die Ede der Thürwand und
der duchbrohenen Scheidewand füllt ein
Divan aus, über dem fih vom Eingange bis
zum Erferbau des abgefdloffenen fenfterraumes
eine eigenartige Paneelbildung mit Gntarfien
binzieht. Durch diefe wird die fonftige Stoff
befpannung der Wände furzweilig unterbroden.
Das Niveau der Abtheilung hinter der Ab-
fhlugwand ift dur ein Podium höher gelegt.
Hier ift namentlich der Eindrud der Rube und
Behaglichkeit an der linten Seite in vornehmer
Weife erreidht. Ueber einer Ottomane ift ein
Arrangement von orientalifhen Stoffen und
Waffen angebradt; neben ihr fteht ein Roran-
ftänder, den abendländifche Bediirfniffe zu einem
Albumbalter profaniren; and ein achtediger
Raudtifch fehlt nicht, um dem Bilde den legten
Zug der Echtheit zu verleihen. Ueber dem
Ganzen hängt lofe von der Studvoute aus
berabfallend ein auf Lanzen geftiiztes, reid
gearbeitetes Delarium und giebt dem wohligen
Rubewinfel das Geprage eines fhattige Rühle
fpendenden, dämmerigen Zeltes. Der laufhigen
Stätte der Raft gegenüber fteht die vornehm
komfortable der Arbeit, ein Schreibtiid mit
anfcliefendem, reid) mit funftvoller Derglafung
verfebenem Büherfchrant. Eine Arbeit von
feinem Geſchmack iſt die Fenfterdeforation.
Don dem Grunde aus dunkelrother Seide
heben fic olivfarbene Einfäre wirffam ab,
die durch jhöne, aus jhwerem Goldmatertal
mit der Hand geftidte Ornamente eingerabmt
Orientalijhes Herrenzimmer.
Entworfen und ausgeführt von Hef & Rom, Berlin.
397
398
und gelangen fo auf ein felsplateau, auf welhem felfen und Bäume Natur
fein werden. Ein Theil des felfens [haut gegen ein raubes, wildes Thal, das zu
den Bletfhern führt. Hier pfeifen die Murmelthiere und Rebe und Bemfen weiden
und fpringen von einer felsplatte zur anderen. Auch diefe Gefteine werden
natürlich fein. Der andere Theil des felfens fhaut wie von einer [hwindelnden
Höhe auf das Thal mit feinen lächelnden Seen, den fhmuden Dörfhen und
liebliden Umgebungen, ferner auf die Wälder und höher hinauf auf die graue
farbe der felfen bis zu den Kronen der weißen Bergfpigen, die das große
Panorama umrahmen. Das Ganze überwölbt von dunkelblauen, endlofen
Himmel. Auch große Stöde wohlriehenden Alpengrüns werden zur Charakteriftif
des Bildes beitragen. Unten im Thal fönnte man ja nah Belieben eine
Sennerei einrihten, wo der Zufhauer zu jeder Zeit feifch gemolfene Mild
trinten Pann. Wie gefagt, idm will ein vollfommenes Bild geben vom unend-
lihen Raum und der Grofartigfeit der Berge, den wilden feljen und dem
zarten Sammetgrün der ftillen Thaler mit ihren Badlein und dem rhythmifchen
Beläute der in der ‚Ferne weidenden Heerden, von den reinen, flaren Lüften,
ein Bild bis in die Fleinften Einzelheiten, Alles dargeftellt in getreuefter und
Deutfde Runft.
wabrbaftigfter fünftlerifher Nachbildung der Alpen. Das Berüft des ganzen
Gebäudes befteht aus Eifen. Die Befucher werden von einer Seite eintreten
und binauffteigen, um auf der anderen Seite hinunter zu gehen, und dabei
eine Strede von 610 Meter duchwandern und während diefer Zeit ih eines
immer abwedfelnden Anblids erfreuen. Die inneren Bänge werden beleuchtet
fein von Lidt, das wie duch natürliche Felfenöfinungen füllt, wobei die Aus-
fiht auf die intereffanteften Punkte geftattet ift. Hier und da wird die Straße
aud binausführen über einen Abgrund, bis fle fpäter auf der Höhe aus-
mündet, von wo man den Anblid über das ganze Panorama genießen wird.
Die Steigungen werden fanft angelegt fein. Beim Rüdweg durhwandert
man wieder, jedod in entgegenfegter Richtung, den Wald, um aud bier immer
wieder neue Ausfihtspunfte zu genießen. Die Befihtigung des Panaromas
nimmt eine balbe Stunde in Anfpruh. Die Breite der Wege ift I Meter und
auf jedem Quadratmeter können vier Perfonen geben. Vorausgefegt, daß in
jeder halben Stunde 2440 Perfonen ein- und ausgehen, fönnen während adt
Stunden 39040 Perfonen das Panorama befuden.
fomit ein glänzendes werden.
Das Gefhaft fann
— Die Derbindung für biftorifhe Aunft hat auf ihrer 27. Haupt-
verfainmlung zu München über eine Summe von 40 000 Mark zu verfügen
gehabt und den Ankauf folgender Werke befchloffen: Walter Firle „Die
heilige familie, Ferdinand Leefe „Rampfizene auf einer Brüde beim Rüdzuge
des Germanitus, Joh. Leonhardt „Sirene, Friedrih Reller-Stuttgart „Die
Grablegung Chrifti", Hermann Roh ,,Begrabnif einer Rlofterfrau bei den
Benediftinerinnen auf Frauendhiemfee’, Oberländer „Weinfhänfe Noahs",
Peterfen „Seefhlaht aus der Befhichte Danzigs", Röhling „Szene aus dem
Kriege des Jahres 1870, Chriftian Speyer „Heimkehr und A. Denffer-
Düffeldorf Sas Reiterbild aus der furbrandenburgifchen Gefchidte mit dem
Titel „Jodimke, Jochimfe, hiite Di, wenn wi di fange, dann bange wi Di."
Stig Auguft v. Raulbah wurde mit der Ausführung einer feiner Skizzen
betraut, die zur Zeit im Blaspalaft zu Münden fi befinden. Der Dorftand
bat ferner Mar Alingers Radirungswert „Dom Tode" erworben, von dem
jedes Mitglied ein vollftändiges Eremplar erhält. Gefhäftsführer der Der-
bindung für hiftorifche Runft ift der frühere Direftor der Nationalgalerie Geb.
Rath Dr. Mar Gordan. Die nade Hauptverfammlung foll in Barmen
ftattfinden.
— Profeffor Ehtermeier hat foeben die Modelle zweier nener Arbeiten
vollendet. Die eine ift das für einen Friedhof in Hannover beftimmte
Brabtenfmal einer älteren Dame in Geftalt einer Portraitftatue in
Lebensgröße. Die Derftorbene ift rend dargeftellt, dem leicht geneigten Kopf
auf die rehte Hand geftüßt, in ungezwungen-läffiger Haltung und mit dem
Ausdrud freundlid-ernften Sinnens in den fympathifhen Zügen. Die zweite
Arbeit ift das Modell des Jmmermann-Dentmals, mit deffen Ausführung
des Dichters Vaterftadt Magdeburg Prof. Echtermeier beauftragt hatte, und
das am 24. April 1899 enthüllt werden foll. Der Rünftler hat feine Auf-
gabe als die Äußerft glüdlihe Verbindung einer Zierbrunnen-Arditeltur mit
einem Büftendentmal geftalte. Gn der Mitte einer flahgerundeten Yifchen-
mand, die in Frankfurter rotbem Stein aufgeführt werden wird, baut ih in
drei nadh oben fih verjüngenden Stufen der Sodel, gleihfalls aus rothem
Stein, auf, der die überlebensgroße Büfte des Dichters trägt. Die Fliigel-
bogen tragen rechts und linfs des Sodels je zwei, wie au die Büfte felbft,
in Bronze auszufiibrende Reliefs, welche die Hauptmomente aus Fmmermann's
populärfter Schöpfung, dem „Oberhof“, darftellen. Aus der mittleren Sodel-
ftufe wähft der Kopf eines Meergethiers heraus, deifen Rachen einen Waffer-
ftrahl in das im Halbrund um den Sodelfuß gelegte granitene Beten hinab-
fpeit. Der obere Sodeltheil zeigt als Hinweis auf Jmmermann's dsramatifee
Schöpfungen und dramaturgifhe Derdienfte die antiten Masten der Tragödie
und der Komödie und darüber die Zahlen 1796—J840. Die Biifte felbft bat
der Rünftler mit einem togaartigen Bewande drapirt nad dem Mufter des
Shadow’fhen Fmmermann-Portraits. Die Dentmals-Gruppe wird in Magdes
burg ihre Aufftellung vor dem Stadttheater finden.
— On der Runftanftalt für Blasmalerei von G. ferftl in Münden
war ein fehenswerthes größeres Blasgemälde ausgeftellt, das fiir eine neue
katholiſche Kirche in Ylordamerifa beftimmt if. Es ftellt ðar, wie Chriftus
der Maria Magdalena am Grabe erfheint und gehört zu einem Cyflus von
neun Bildern, die der fhon früber mit Aufträgen aus Amerika betrauten
firma für die genannte Rirdhe zur Ausführung gegeben wurden. Das Be-
mälde ift von Örnamenten in englifher Bothif umrahmt, und die Ausführung
der figuren wie des landfhaftlihen Theiles ift mit Befhid dem heute in
England berrjhenden Stil angenähert, der die Mitte hält zwifchen archai-
firender Ausdrudsweife und modernem Empfinden.
— Belanntlid leiden weitaus die meiften Blasätereien, wiefle im Ban-
fad namentlid bei Blasthüren angewandt werden, an einer mangelhaften
Schärfe der Zeihnung; Ornamente wie Schriften befommen dadurch niht
felten etwas Unanjebnlides, wodurd der beabfidtigte Schmud in feiner Be-
deutung und feinem Werth herabgedriidt wird. Einem jungen Münchener
Runftbandwerfer — J. Bet, Sdhwindftr. 16 — ift es nun vor einiger Zeit
gelungen, ein Derfahren ausfindig zu machen, weldhes diefem Uebelftand
wirfjam entgegentritt. Die in dem eben genannten Atelier fürzlid zusgeftellten
Proben in einfarbigem oder iiberfangenem Glas, in verfchieden ftarfer
Mattirung oder fonftwie variirter Aekung zeigten durdgehends eine ganz
ungewöhnlide Schärfe und Sauberkeit der Zeihnung. Das neue Verfahren
it niġt auf ebene Blasflähen befhräntt, fondern es fann mit demfelben
Erfolg and auf gefriimmte Flächen (Trintgläfer u. ähnl.) angewandt werden.
Als befonderer Vorzug fei noh hervorgehoben, daß die Derfaufepreife fic
um 15—200/, billiger ftellen als die der bisher üblichen, weniger eraften
Arbeiten.
— Seit einigen Jahren läßt die franzöfifhe Regierung Nahforfhungen
über die Derbreitung der franzöfifhen Runftwerfe im Auslande an-
ftellen. Es handelt fih dabei hauptfählid um Werke des fiebzehnten und
nod mehr des adtzehnten Jahrhunderts, als Ste franzöfiihe Runft maßgebend
in Europa war, Man bat dabei dte Entdedung gemacht, daß einzelne
Deutfdhe Runft.
399
Riinftler im Auslande faft ftärfer vertreten find als in Frantreid) felbft. So
3. B. Peone in Berlin und Potsdam, fowte Oudry in Schwerin und Medlen-
burg. Ucherhaupt finden fih ungemein viele franzöfifhe Gemälde in Deutjch-
land. Antony Valabrégue reifte jekt wiederum im Auftrage der Kunft-
verwaltung nad Deutfhland. Er beginnt mit dem Mufeum zu Karlsruhe,
um dann nod einige Mufeen Ylorddeutfchlands zu befichtigen, fowie and
Holland zu durdftreifen. Die Ergebniffe diefer Nahforfhungen in allen
Ländern — Rußland, Oefterreih, Schweden 2c. find inbegriffen — follen in
einem größeren überfichtlihen Werke vereinigt werden. Sie werden befonders
zur Dervollftändigung der franzöfifhen Runftgefhichte dienlid fein.
Preisbewerbungen
— Ein Wettbewerb des Arditelten-Dereins zu Berlin für
feine Mitglieder betrifft den Entwurf zu einer ftädtifhen NRealfhule nebft
Turnhalle in Allenftein. Die Baufumme beträgt 250 000 Mark. Es gelangen
3 Preife von 1500, 1000 und 500 Mark zur Vertheilung; ein Ankauf nicht
preisgefrönter Entwürfe für je 250 Mart ift vorbehalten. Der Stil des in
Ziegelfugenbau zu errihtenden Bebäudes ift freigeftellt. Die Beurtheilung der
Entwürfe hat der bez. Ausfhuß des Vereins übernommen. Die Entwürfe find
zum J7. September d. 5. einzuliefern.
— Ein engerer Wettbewerb um Entwürfe für eine nene
proteftantifde Rirdhe fiir Lenben bei Dresden, zu welhem 6 Dresdener
Architeften aufgefordert und S Entwürfe eingegangen waren, erhielt den
I. Preis Herr Arkitett R. € Scherz in Blafewit, während der II. Preis an
die Herren Architekten Schilling & Bräbner verliehen wurde. Die Beurtheilung
der Pläne batte der „Verein für firdhlide Runft', welder die Herren Geb.
Hofeath Prof. Wallot und Stadtbaurath Prof. Liht als Sadverftändige er
wählte. Der Rirhenvorftand faßte den einftimmigen Befhluß, mit der Aus-
führung des neuen Botteshaufes Herrn Scherz zu beauftragen.
— Einen Wettbewerb um Entwürfe für ein neues Hötel in
Warfhau eröffnet die dortige Hötel-Baugefellihaft mit Termin zum 1. Nov.
d. 3. Es gelangen 2 Preife von 2000 und 1000 Rubel zur Vertheilung.
Das Preisgeriht wird nod genannt.
— Die Ausführung des Pring-Regenten+-Denfmals fiir Niirn-
berg wurde dem Bildhauer Profeffor v. Rueman in Münden übertragen.
— Auf das Preisausfhreiben der Stadt Nürnberg für ein
Reiterftandbild Aaifer Wilhelms I., das erfte im Königreih Bayern,
waren 34 Modelle eingefandt worden. Urfprünglid waren drei Preife, zu
5000, 3000 und 2000 Mark, ausgefeht; das Preisgeriht hat aber, da die
Konkurrenz nur ein mittelmäßiges fünftlerifhes Befammtergebnif hatte, feinen
erften Preis zuerkannt, fondern die Dertheilung eines Preijes von 4000 Mart
und eines folden von 2500 Mark befclofien. Erfterer wurde den Profefforen
Syrius Eberle und Bühlmann in Münden, der zweite dem Profeflor
Beintih Schwabe in Nürnberg zuerkannt. Der Entwurf der Profefforen
Eberle und Bühlmann, der nah dem Befhluß des Denkmalausfhufles zur
Ausführung fommen foll, zeigt den Raifer im Rrönungsornat in feierliher
Haltung auf einem madtigen Streitroffe. Das Poftament mit Dreiviertel-
fäulen im Befhmad der Spatrenatffance ift einfad durdgebildet. Bor dem
Dentmal erblidt man zwei allegorifhe Figuren, ferner einen Adler und ein
Medaillon-Relief des Raifers Friedrich. Diefer ganze Aufbau mit den
flanfirenden Figuren foll fortfallen. Wud foll an Stelle einer von den
Rünftlern vorgefehenen baroden Treppe ein vorderer Abfhluğ durd) cine
Briiftung gefhaffen werden. Durd diefe Aenderungen fann eine Erjparnif
von 50000 Mark an der verfügbaren Summe von 200 000 Mark erzielt
werden. Die übrig bleibenden 50000 Mark follen den Bruntftod für ein
Kaifer- ftiedrih-Denfmil bilden, weldes vor der Burg (in den Anlagen vor
dem Thiergärtnerthor) feinen Plat finden wird.
— Jn dem Wettbewerb betr. Entwürfe für ein Dedengemälde
und vier Lünetten bilder des Maria - Therejia-Saales der neuen
Hofburg in Wien erhielt den I. Preis von 2000 fl. der Entwurf des Heren
und Perfönliches.
€. Deith, den II. Preis von 1500 fl. Herr Charles Wilda und den
III. Preis von 1000 fl. Herr Julius Shmid, fämmtlih in Wien. Die
Ausführung des Dedengemäldes wurde Herrn Ed. Deith, die der vier Lünetten-
bilder Herrn Charles Wilda übertragen.
— für das Denkmal des Herzogs Friedrih von Schleswig-
Holftein find 48680 Mark gezeichnet. Dor der Entjheidung über die Wahl
des ausführenden Rünftlers follen die Bildhauer Brütt, Magnuffen und
Peterich aufgefordert werden, je eine Sfizze des Denkmals von einem Meter
Höhe in Gips zu fertigen und in Kiel auszuftellen. Der Herzog foll in
diefen Skizzen dargeftellt werden, wie er in Schleswig-Holftein in den Jahren
von 1865 bis 1866 allgemein gefehen worden ift und in der Erinnerung der
Schleswig-Holfteiner lebt, alfo in bürgerliher Kleidung. Das Denkmal wird
am Rande des Düfternbroofer Behölzes oder am Abhang des Marienhains
aufgeftellt. —
— As Auszeihnungen bei Belegenheit der Broßen Berliner
Runftausftellung find verliehen worden:
die große goldene Medaille für Runf:
1. dem Bildhauer Pierre Charles van der Stappen in Brüffel;
2. dem Arditekten Profeflor Bruno Shmik in Charlottenburg.
Die fleine goldene Medaille für Runft:
Maler Carl Ziegler in Berlin;
Maler Bernhard Winter in Oldenburg;
Bildhauer Martin Wolff in Weftend bei Berlin;
. dem Bildbaner Hans Everding in Caffel;
. dem Maler L. Marold in Prag.
— Die fiinftlerifhe Ausfhmüdung des neuen Domes in
Berlin liegt in den bewährten Händen einer Zahl der hervorragendften Bild-
bauer. Die Chriftusftatue wird von Profefor frig Shaper moðellirt.
Hu beiden Seiten des Heilandes werden je zwei Apoftel aufgeftellt, die von
Profeffor Ernft Herter und Ludwig Manzel ausgeführt werden. Es
find die Apoftel Paulus, Jakobus, Andreas und Petrus. Die Thiirme
erhalten dle Apoftel Bartholomäus und Philippus von Profeffor Calan-
drelli, Thomas und Jafobus den Jüngeren von Profeffor Adolf Brütt,
Toaddäus von Profeffor Mar Baumbad und Simon Zelotes von Friedr.
Pfannfhmidt. Außerdem erhält der Dom nod ein Standbild des Mofes
von Prof. Gerh. Janenfh. Für die Tauf- und Trau » Rirhe modellirte
Profeffor Otto Leffing tte Gruppen der Liebe und Hoffnung. Die act
Engelfiguren, die zur Umfränzung der madiigen DomEuppel beftimmt find,
werden nad dem Tode des Profeffor Wit. Geiger von dem Bildhauer
Walter Schott ausgeführt.
— Profeffor Adolf Schrever feierte in Baden- Baden feinen
fiebzigften Geburtstag. Zu Frankfurt a. M. geboren, hatte er idh an den
UAfademien zu Düffeldorf und Münden zum Thier- und Landſchaftsmaler aus—
g:bilðet, maļhte im Jahre 1854 mit der öfterriidifhen Armee den Einmarfh
in die Donaufiieftenthiimer mit und unternahm fpäter mit einigen höheren
öfterreihifhen Offizieren einen Ritt dur Aleinafien. Schreyer bat. große
Studienreifen durh Südrußland. Aegypten wıd Algier unternommen und ift
einer der glänzendften Scilderer orientalifhen Reiterlebens.
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unſt.
Beiblatt: Das Alelier.
Illuſtrirte Zeitſchrift für das geſammte deutſche Kunſtſchaffen.
Central⸗Organ deutſcher Kunſt und Künſtler Vereine.
Alle 14 Tage erfcheint eine Nummer.
Preis vierteljährlih 2.80 Mark.
Poftzeitungslifte Nr. 1174.
Herausgegeben von
Georg Malkoluskn,
Scriftleitung und Berwalfung Berlin W.57, Steinmehfir. 26.
Alle 14 Tage erfdheint eine Nummer.
änferate: 40 Pfennige für die 4 ge-
fpaltene Honpareille-Zeile.
Publifationsorgan des Deutfchen ARunftvereins in Berlin, des Schlefifhen Runftvereins in Breslau, des Runftvereins für das Großberzogthum Hefjen in Darmftadt, des Anbaltifben Runfts
vereins In Deffau, des Mürttembergijhen Runftvereins in Stuttgart, des Schleswig - Holfteinifhen Runftvereins in Riel, der Runftvereine in Münden, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera,
Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Börlik, Danzig, Rönigsberg, Stettin u. a.
Ar. 21.
15. Anguit 1898.
II. Jahrgang.
Jofef Rösli.
Pon Frik Stahl.
an fann die jungen Maler, die fic) feit einiger Zeit
auf das Runftgewerbe geftürzt haben, und das
= Publitum, das diefer modernen Bewegung verblüfft
und rathlos gegeniiberfteht, nicht beffer belehren als
wenn man ihnen von Jofef Rösl und frinem Schaffen fpridt.
Worauf es eigentlich bei diefen Dingen anfommt, welde Anlagen
und welche Vorbereitungen einen KRünftler befähigen, überhaupt
hier mitzuthbun, das wird da an dem beftimmten Beifpiel viel
flarer als durch jedes Theoretifiren.
Die Modernen rechnen - ihit nicht zu den Fhrigen. Und fie
haben recht, wenn aud in anderem Sinne als fie meinen. Sie
rechnen ihn nicht zu den Jhrigen, weil er fih in anderen formen
bewegt als denen, die. ihnen als die allein feligmadhenden gelten,
den anglifirenden. . Er gehört nicht zu ihnen, weil er in einem
ganz anderen Beifte fhafft: - Die Diskuffion über die Formen
hat Zeit; fie ift fchlieblic) fo-unfrudtbar. Daß fie in diefer
modernen Bewegung eine grofe-Rolle fpielt, erwedt für deren
Zukunft -Feine freundlichen Hoffnungen. Suden wir uns alfo
den Beift -feines Schaffens. far zu maden!
Am unmittelbarften fühlt man ihn, weyn man in dem
lieben Beinen Candhaufe weilt, das fic) der Riinftler auf der
Martinshöhe bei Ammerland erbaut bat, und in dem er feit
vielen Jahren den Sommer über verweilt. Für fic, und nicht
zur Repräfentation, fondern zum Gebraud, bat er diefes fein
erftes Werf gefchaffen.- Hier lebt er in fortwährender Fühlung
mit der Natur, in einem fortwährenden Studium ihrer Einzel-
formen bis in’s Mikroftopifhe hinein; Garten und Wald find
feine einzige Bibliothe?, fein einziger Motivenfhab.
Da find gleich zwei. hauptfädhlihe Vorzüge feines Schaffens
angedeutet.
Was find das für Leute, die heute, wenige Ausnahmen
zugegeben, uns eine neue Art zu wohnen geben wollen? Junge
Männer, meift aus Pleinbürgerlihen Kreifen, die erft in einem be-
fheidenen oder- gar. ärmlihen Haufe, dann als Akademiker in
dem üblichen möblirten Zimmer und in einem etwas gfdnas-
mäßig aufgepußten Atelier gelebt haben. Woher follen fie den
Begriff der fomfortablen Wohnlichkeit haben? So etwas fhöpft
man nicht aus der Tiefe des Bemüths. Befteller, die ihnen diefen
‚Mangel an Erfahrung, der fie ja durhaus nicht fhändet, erjegen
-fönnten, giebt es zunähft faum, und fie find gezwungen, für
die Ausitellung - zu arbeiten.. Jn diefem Jahr fand ih im
Ratalog der Miindener Sezefjion folgende Nummer: Wolfers,
Brüffel, Sonnenaufgang: „Ranne und Wafchbeden in Reyftall
und Silber“. Daraus .fpricht, freilih in's Abfurde gefteigert,
diefelbe Anfhauung, derjelbe Mangel an Sachlichkeit, der diefen
Riinftlern eigen ift. NRösl ift im Gegenfak dazu der Hausvater,
der durh gliidlide Derhaltniffe weiß, was ein bequemes und
traulihes Heim verlangt, dem das Ausgehen vom Bedirfnif
und das Streben nah Einfachheit, von denen die Anderen immer
reden und die ihnen Finftlic) fonftruirte Prinzipien find, deshalb
vom erften Anfang an felbftverftändlih und allein mdglid war.
Er fhuf zuerft für fih und die Seinen, er braudte auf nichts
zu finnen, was neu und auffällig fei und reizen fönne. Und
als er fpäter begann, für andere zu arbeiten, da war ihm diefe
Befinnung fhon in Fleifh und Blut übergegangen.
Wie von den eben erwähnten Prinzipien, fo fprechen die
Modernen gern von dem Studium der Natur. Wie fteht cs
aber in Wahrbeit damit? " Man muß fi nur zuerft Plar maden,
daß das Wort für den Runftgewerbler einen ganz anderen Sinn
hat als für den Maler, vielleiht gerade den entgegengefeßten.
Es ift fein Zufall, dap das Runfthandwerf, wie die. Gefdidte
lehrt, nur fo lange von der bohen Malerei befruchtet wurde, wie
diefe mehr auf das Einzelne ging, und nicht mehr, als fie mebr
die Befammterfheinung in's Auge faßte. Das Studium der
Natur, wie es unfere Maler treiben, befäbigt Surdhaus nidt 30
einer dekorativen Verwendung der Formen. Die Blume, die fie
als Farbenflet fehen, muß vom Runftgewerbler - ale Orga-
nismus, als Jndividuum gefeben werden. Und weil die Wenigiten
den Muth baben,, diefen langen Weg zu gehen, deshalb ift trog
des Äußeren Brudhs mit den alten Formen alles beim Alten ge-
blieben; es find nur andere Bände der Bibliothef, die die
Modernen benußen, ftatt der europäifchen die japanischen Vorbild-
fammlungen. Man muß dem gegenüber einmal Rösl’s Sfiizen-
biicher angefeben haben, die eine ftattlihe Sammlung ausmaden.
Es wäre richtiger, Studienbücher zu fagen, denn jedes Blatt ift
durchgeführt und fertig. Blumen und Blatter, Rafer und
Schmetterlinge, Vögel und Fifhe, alles ift bis in’s Fleinfte be-
obadtet, und gerade diefes Detail ift es ja, worin man die
Prinzipien der Natur, das Myfterium des Organifchen findet.
Jahr für Jahr, Tag für Tag zeichnet der Künftler jo, aud fein
bevorzugtes Motiv, sie Diftel, -ftudiert er an immer neuen
Eremplaren.” Erft wenn man diefes Material gefehen hat, be-
greift man, woher das immer Lebendige und freie feiner Orna-
mente ftammt und warum er niemals trogen if. Und man
402
fühlt zugleih, daß ohne diefes fortwabrende Beobadten, obne
diefes Auswendiglernen die Beherrfhung der formen für dekorative
Swede unmöglich ift, ohne diefes fällt man in die Scylla des
Naturalismus oder in die Charybdis des leeren Schnörkels.
Aber diefe beiden Vorzüge genügen nod niht. Zu der
Erfahrung des Bewohners muß die des Handwerfers, zu dem
Studium der Natur die angeborene Begabung für das Dekorative
fic) gefellen.
Sobald Ser Runftgewerbler über die fdmiidende Malerei
hinausgeht, muß er mit Material und Technik zu rednen wiffen.
Die Mehrzahl er Nenen ift wie die Mehrzahl der Alten Widts-
alszeihner. Erft in Sen legten Jahren haben Einzelne begriffen,
daß das niht angeht: Ledter hat ih an den Blasofen, Ed-
mann an den Webftuhl, Schmuz-Baudis an die Töpferfcheibe
geftellt, andere haben fic) wenigitens theoretifh gründlich unter-
ridtet. Roel war lange vorher diefen Weg gegangen. fiir den
Thurm feines Haufes hat er nicht nur jede Schindel, fondern
aud) die Füllungen felbft gefhnitt; und wer fehen fann, wird
erfennen, wie fi deshalb feine Schnitzereien von denen, die
Handwerker nah von Malern gezeichneten Entwürfen maden,
unterfcheiden. Sie haben jenes Lebendige, das wir an den
Deutfhe Runt.
Joſef Rösl, Landhaus in Ammerland,
Werfen aus der Renaiffance bewundern. Dor allem find fie frei
von jenem Formenübermaß, in das der Nurzeihner fo leicht
verfällt.
Daß Rösl jene Begabung, Naturformen in dekorative um-
zumerthen, in Form und farbe einen Raum zu füllen, in hohem
Grade befikt, das zeigt jedes der Bilder, Oie diefe Worte be-
gleiten, auf's deutlichfte.
So bat er die praftifhe Erfahrung; er weiß, was. fein
muß und was gemacht werden fann, fo hat er die fünftlerifche
Schulung, dte ihm den unerfhöpflihen Vorrath an formen giebt,
fo bat er die natürlihe Begabung, diefe ‚Formen als Schmud
3u verwenden. Wie felten ift Öiefe Vereinigung von Eigen-
fhaften! Oder fann jemand viele Rünftler nennen, die fie be-
ſitzen?
Daß dieſer Mann nicht zu den alterthümelnden Künſtlern
geſtellt werden kann, wie das bisweilen geſchieht, iſt nach dem
Geſagten wohl klar. Natürlich kennt er Gothik und Renaiffance,
natürlich hat er an den Werken der Väter gelernt, wie man
ftilifiren fann. Aber er ift niemals ein Nachahmer geweſen.
Und wo baben denn ie gerühmten Engländer ihre Weisheit
þer? ft ihr Aunftgewerbe wirklid etwas Neues?! Das tann
nur blöde Unwiffenheit behaupten, die fich
ja freilid) bei uns heute unverfhämt und
unbeftraft breit maden darf. Jofey Rösl
it der Mann, für Deutfhland dasfelbe
fhaffen zu helfen, was wir bei den Eng-
ländern beneiden und bewundern: ein
modernes nationales Runftgewerbe. Andere
ftreben ähnlihen Zielen zu, ohne daß diefe
Riinftler fic) deshalb in ihren formen be-
gegnen. Aud in Ser bunt zufammen-
gewiirfelten Schaar der fogenannten Modernen
finden fih folke. Aber andere drängen
fidh harlatanifh in den Dordergrund, und
es gelingt ihnen leider allzu gut, die öffent-
lide Aufmerffamfeit von diefen gefunden
Beitrebungen abzulenken. Deshalb thut es
noth, immer wieder von ihnen zu fprechen.
Als ih vor vier Jahren auf der Ber-
liner Runftausftellung Résls Rabinet fab,
wirkte es auf mid wie eine Offenbarung.
Und id) babe bis auf den heutigen Tag
nicht begriffen, daß es nidht in unferem
Runftgewerbe Epode gemadt hat. Da
war die Einfadbeit, Sie man lange dar-
auf ert aus England importirte, und da
war zugleich die reiche, phantafievolle Orna-
mentif, die man uns heute freilich als über-
flüfjig, ja ftörend binftellt, die aber in Wahr-
beit der deutfh Empfindende niemals ent-
behren fann. Dicfe Wandfüllungen, die in
goldenem Ranfenwerf Symbole und Uten-
filien aller Rünfte enthalten, diefe wunder-
vollen Befhläge wird man nie betradten
fönnen, obne daß fih Herz und Sinn daran
freuen. Und doc drängen fie idh niht vor,
und man fann in Sem Jimmer weilen
ohne etwas anderes zu empfinden als das
barmonifche Enfemble in Grün und Gold.
Seitdem bat Rösl vieles gefhaffen:
die gemüthlihe Trinkjtube im Münchener
Rathhaus, Entwürfe für Wandgemälde in
einer bayerifhen Rirche, gefhnigte Truben,
Ffäher, dekorative Füllungen, Tapeten. Der
Geift ift immer derfelbe geblieben, aud feine
Motive febren der Gade nad oft wieder,
und doch bat er fidh faum wiederholt. Don
der Fülle feiner Geftaltungsfraft wird ein
Blid auf die beigegebenen Abbildungen
belehren.
Deutfhe Runft
403
Seine legte Arbeit ift ie Umgeftaltung feiner Münchener
Stadtwohnung. Eine Abbildung zeigt das Speifezimmer mit
dem gemwölbten Plafond, der in Brün und Violett mit Diftel-
motiven bemalt ift. Neizend ift namentlid) aud) das Rinder-
zimmer. Ueber dem Betthen fdhmeben zwei Engel, an den
Wänden ringsum bängt in fhönem Ranfenwert allerlei Spiel-
zeug. Jm Badezimmer find fifhe und allerlei grotest-phan-
taftifches Seegethier angebradt. Jn der Wohnung als Banzem fieht
man das, was man in der Ausftellung der Modernen vergeblich)
fuct: eine neue Möglichkeit zu wohnen.
Rösls Erfolge find laut, aber nod nicht tief genug. Er
follte weniger gepriefen werden und ftatt deffen die Gelegenheit
erhalten, duch Schaffen und Lehren feine Runft und feine Kraft
im Dienfte des deutfhen Kunftgewerbes fo recht nugbar maden
3u dürfen. Das fann urh die Gnduftrie und die offiziellen
Reife, aber auh Surd das Publitum gefchehen.
Die diesjährige Preisaufgabe des Kaifers.
Is diesjährige Preisaufgabe für Bildhauer ift vom Raifer die Er-
gänzung des unteren, vermuthlih von einem Gewande verbiillten
Theiles des in den Röniglihen Mufeen aufgeftellten Aphroditetorfos
aus parifhem Marmor geftellt worden. Don einer Ergänzung der Arme,
für deren Funktionen der Torfo feinen Anhalt giebt, und des Kopfes ift
diesmal abgefeben, weil den Konkurrenten mehr Belegenheit gegeben werden
foll zu einer rein Fünftlerifhen Arbeit innerhalb ftiliftifh wie ſtofflich be-
fimmbarer Grenzen als zu arhäologifhen Hypo-
thefen.
Der Torfo befand fi früher in der Sammlung
Giuftintani in Denedig und ift im Jahre 1897
im Runfthandel erworben worden. Die neueren
Shhnittflähen an den mit Cinfaglddhern verfehenen
Armanfägen und am Halfe geben Anlaß zu der
Dermuthung, daß der Rumpf in neueren Zeiten bereits
einmal ergänzt worden ift. Diefe Annahme findet
neben ihrer augenfdeinliden Begründung nod ihre
gefhichtlihe Betätigung durch zwei in einem febr
feltenen Rupferftidwerfe von Giovanni Antonio
faldoni (1690—1765) und Carlo Orfolini
(1710—1780?) enthaltene Abbildungen, die den Torfo
vermuthlih nad) einer Zeihnung Pietro Rotari's
(1707—1762) nod in einem älteren, was namentlich
der Unfak des linten Armes anbetrifft, urfprüng-
lideren Zuftande zeigt. Diefelbe Rupfertafel ent-
hält anferdsem nod eine Ergänzung des Torfos
als Aphrodite, die den rechten Arm in ab-
webrender Bewegung emporhebt, während fie mit
der linfen Hand das herabfintende Gewand hält.
Diefe Herftellung der Statue, die wohl auf Der-
anlaffung des damaligen Befiters, des Denezianers
Francesco Crevifani ftattgefunden bat, erweift
fih als falf und willfürlid im Dergleid mit
beffer erhaltenen, antifen Bildwerfen, die das ndm-
libe Bewegungsmotiv wie unfer Torfo in einer
Weife behandeln, dağ fle als fpätere Nahbildun-
gen des verftümmelten Originals angefehen werden
fönnen. Die eine diefer Statuen, die alle drei
ziemlich übereinftimmend die Aphrodite bei der Toileite
wiedergeben, wie fle ihr Haar flicht, ift in griedi-
fhem Marmor ausgeführt und befindet fih im
Datifan im Gabinetto delle maschere.
Ihr Ropf ift zwar antif, aber als unzugebörig will-
fürlih aufgefegt. Neuere Zuthaten durch die
teftaurirende Hand des Bildhauers Carlo Al-
baccini, aus deffen Befize die Statue in den der
päpftlihen Mufeen übergegangen ift, find die fteifen
und gezierten Arme und Hände, fowie die von
legteren gefaßten Haarmaffen, Peine Bewandftüde,
die äußere Seite des rechten und die Fehenfpiken des
linten fuges.
Eine zweite augenfheinlihe Nachbildung befigt
das Mufeum von Neapel in einer in Pompeji
aufgefundenen antifen Marmorftatuette, die bis
auf ein Stüdhen der Bewandung an der rechten
Hüfte vollftändig erhalten ift und dur ihre
fhlihte und natürlide Bewegung als Vorbild den Vorzug verdient; wäh-
tend eine dritte Behandlung des gleichen Motives, eine Meine Bronzefigur
im Mufeum zu Neapel mit ihrer bewußten Pofe, fowie dem erft viel tiefer
anfegenden Gewand nur nod intereffict als Beifpiel der vielerlei Um-
bildungen und Derdnderungen eines Motives durd die Hand von Ropiften.
Dolle Blaubwürdigfeit verdienen alle drei Figuren nicht, denn es ift befannt,
mit welder Willfür antife Ropiften bei der Nahbildung ihrer Vorbilder und
Dofef Rssl, Detail vom Kandhaus in Ammerland,
. antifen
404
zwar gerade im Gewande verfubren. Gedenfalls aber unterrichten fie uns
über das Motiv, das der Rleidung feine Stiike giebt, wie fie eine folde bei
einer Ergänzung der Denus von Milo durd den auf den vorgeftredten
Schenkel aufgefügten Schild erhalten tann. Aud die Haltung des Aörpers
läßt feine Stelle fo weit bervortreten, daß an ihm die Rleidung haften
fönnte; fo ergiebt fih denn für dem Künftler die Aufgabe, der Bewandung
einen fünftlichen, feften Halt zu geben. Die Löfung, die auf den drei erwähnten
Bildwerfen im
Datifan und im Mufeum
zu Neapel zur Anwen-
dung gefommen ift, ein
wulftiges Zufammenraffen
des herabgefunfenen Ge-
wandtheiles, der gerade
in der Mittelare der Figur
zu einem großen Knoten
verſchlungen ift, ift nidt
gerade gefdmadvoll und
entfpricht nicht der Schön-
heit unferes Torfo, wie
überhaupt in den drei
Ropien die ganze Draperie
fhon den Charakter rö-
mifder Nadbildung trägt.
Die vollendete Wiedergabe
der ‚Formen, die gefchmei-
dig gefühlte Bewegung
des Befammtumrifjes, der
Eindrud des Ganzen in
anatomifher und tedni-
fher Hinfiht kennzeichnen
das Werk in feiner erften
Erfindung als ein Er
zeugniß der Periode direkt
nah Phidias. Das Mo-
tiv dea aus feiner Um-
büllung emporwadfenden
jungfräuliben Leibes, bei
: defen Behandlung es
Braud der griechiſchen
Bildhauer war, die Beftalt
aus zwei Stiiden zu ar-
beiten, verweift feiner Ent-
ftebung nad in das Ende
des vierten und feiner baupt-
fadliden Anwendung nad
in die erfte Hälfte des
dritten Jahrhunderts vor
Chrifti Geburt, fo daß
aud darum, wenn nicht
Sfopas, dem man gerne
die Dollendung des plafti-
fhen SFtauentypus _ jener
Periode in der Denus
von Capua zufchreibt,
£yfippos oder dod einer
feiner Schüler der eigent-
lihe Schöpfer der Apbro- `
diteftatuegewefen fein fann.
Als Stil fiir die Gewan-
Sung wäre alfo fhon ein
freierer, natürliherer anzu-
nebmen, als er fid nod
bei dem Schüler des Phi-
dias Alfamenes findet.
Der Eindrud eines durd-
näßten, fid) an den Körper
anfhmiegenden Rleides fo-
wohl, wie das fonventio-
nelle Mittel, breite flächen
Deutfhe Runft
zu beleben, indem man fie durch theils nad oben, theils nad unten
gerundete Uuerfalten gliedert, fallen demnad weg; der Rünftler darf üh
auf die Wiedergabe der tief einfchneidenden Längefalten, wie er fie in der
Wirflichkeit am lofe firenden Gewande beobadten fann, befhränten und bat
es aus ftiliftifhen Rüdfihten nicht nöthig, eine breite Fläche in der Bewandung |
3u vermeiden. Eine große, einfahe Anordnung ift allerdings fhon durch die
Wiedergabe des Körperlihen geboten, wenn nit die Ergänzung als Anadro-
Jojef Rösl, Kabinet,
Deutfde Runf.
nismns wirken foll. fiir einen Riinftler, der Stilgefühl hat, dürfte es dies-
mal nit allzu fhwer und angefihts einer Löfung, die Sinn für monumentale
Schönheit in rein plaftifcher Hinfiht vorausfert, auh ganz erjprießlich fein,
fih der Tradition einer großen Aunftperiode anzubequemen.
Dielleiht läßt fih dlefen Ergänzungsarbeiten noch die erzieherifhe Be-
405
deutung nachfagen, daß fie die Plaftif fih wieder auf fic felbft befinnen
ließ, und junge Rünftler anregte, in alter Größe und Monumentalität wieder
Gebilde zu fohaffen, die nicht urd) virtuofe Tedhnif das Material zu ver-
leugnen fuchen, fondern in der Erhaltung feiner Feftigfeit die eigene Würde
finden.
Karl Gehrts.
em Hamburger Rathhanfe follte es niht vergönnt fein, daß die
Meifter, die man zu feiner malerifhen Ausfhmüdung berufen hatte,
D in ihm große Werke ihrer Aunft, würdig des Namens ihrer Maler
zu Hamburgs Ehren fhufen. Raum hat ein tragifhes Ende Friedrid
Gefelfhap's Hand für immer jener fhönen Aufgabe entzogen, fo fommt
aus Düffeldorf die Trauerbotfhaft vom Ableben des Gefchidtsmalers
Rarl Behrts. Schon hatte auh er ih mit befonderer Liebe und Schaffens-
luft, galt es doch, der Daterftadt einen Beweis feines Ronnens in einem
dauernden Runft- und Gefdhidtsdenfmale zu geben, den Vorarbeiten zu feinen
Wandgemälden für das Hamburger Rathhaus zugewandt, da erlahmte feine
Rraft; den arbeitsfreudigen Rünftler führte der Ausbruh eines fcweren
Vlervenleidens von der Werfftatt in die Heilanftalt zu Endenid bei Bonn,
wo er am 19. Juli feiner Rrankheit erlegen ift. Die Diiffeldorfer Riinftler-
[haft hat in Rarl Behrts einen ihrer hervorragendften Meifter und haralter-
vollften Dertreter verloren, ein Jahr bald nad jener Feftlichkeit, mit der ihn
am 2. Auguft 1897 der „Malfaften‘ in neidlofer Anerkennung feiner Fresken
In der Düjfeldorfer Runfthalle ehrte. Sie find das Hauptwerk feines Lebens
geblieben, auf dejlen Befitz Düffeldorf ftolz fein fann. Sieben Jahre, von
1890 bis 1897, bat Gebrts an diefen Fresken gejhaffen, und mit ihnen
am 5). Juli vorigen Jahres der Stadt ein fhönes Werk der Monumental-
malerei größten Stiles übergeben, das durch feine finnreihe, reizvolle
Anordnung und harmonifche Befamtwirfung ungetheilten, begeifterten Beifall
fand. Die ganze Art von Gebhrts Ffünftlerifhenm Wefen fommt in diefen
ideenreihen, phantafievollen, duch farbigen Zauber fefelnden Fresken fräftig
und Far zum Ausdeud, und man fann fie wohl als erfte Stufe einer Bahn
bezeihnen, auf der der zu früh gefhiedene Rünftler zur Unfterblihfeit emporge-
fliegen wäre, Jn fechzehn Lünetten ftellen fie die Schidfale der Runft, den Wechfel
von Bliithe und Fall im Wandel der Zeiten dar. Yad der Darftellung der
Runftepochen des Alterthums, deffen Rulturwelt wir verfinfen feben, fit die
Runft als Bettelweib verachtet am Wege. Da fommt auf ihrer Flucht die
heilige familie vorbeigewandert, und voller Erbarmen ftredt der Fefustnabe
die Arme aus, um die Derfhmähte zu fih emporzuheben.
So leitet Gehrts in origineller und finniger Weife zur Schilderung der
Griftlihen Kunftepodhen über. Nachdem ihre Höhen und Tiefen durchmeilen
find, erfceint endlid Windelmann als Lehrer und Wegweifer von
Carftens, Thorwaldfen und Schinkel. Zwei Hauptbilder von großen
Dimenfionen, die fih an den beiden Längswänden des Treppenhaufes gegen-
überftehen, ftellen die Blithe der Runt im Alterthum und in der Re-
naiffance dar.
Rarl Gebhrts wurde am 11. März 1855 in der Dorftadt St. Pauli
zu Hamburg als Sohn eines Deforationsmalers geboren und befuchte zuerft
die Aunftgewerbefhule feiner Daterftadt. Auf Deranlaffung feines Lands-
mannes Ferdinand Brütt ging er im Jahre IS7I mit ibm nah Weimar,
um an der dortigen Runftfhule als Schüler der Profefforen Rarl Guffow
und Albert Baur und Jünger der hoben bildenden Runft feine Studien
fortzufegen. Als Baur 1876 nah Düffeldorf überfiedelte, folgte der
Schüler dem Meifter. Gn Düffeldorf baute Behrts fein eigenes Heim und
nahm feinen bleibenden Wohnfiz. Hier fhuf er aud, wie fhon erwähnt, das
Hauptwerk feines Lebens, in dem fidh feine Eigenart in dem ihm feheinbar
befonders zufagenden Stile monumentaler Malerei bethätigte. Staffeleibilder
bater nur wenige gemalt; ein großes Belgemälde aus dem Jahre ISSI, „Das
Gaftmahl des Markgrafen Gero", zählt niht zu feinen beften Arbeiten.
Dagegen find als vorzüglihe Werke in der Rompofition fowohl als in
der malerifhen. Behandlung anerkannt die großen Aquarelle „Petruhio's
Hochzeit“, „Die Einbringung des Geeräubere Claus Störtelbeder in
Hamburg" und „Ein orientalifher Händler auf der Wartburg“. Reiz-
volle Bilderwerfe, die von gefundem, Föftlihem Humor fprudeln, find das
„uagdleben der Bnomen“ und „Amor bet Gung und Alt“, fein empfunden
fein „Hodzeitsmärden für Jung und Alt" und „Der Weg in's Jenfeits".
Hablreid find die eigenartigen, phantafiereihen und humorvollen Zlluftrationen,
die der Derewigte gefhaffen hat. Seine Mardhenbilder, feine jovialen Bnomen=
geftalten, feine Zlluftrattonen zu Thomas a Rempi's „Nachfolge Chrifti",
zu „Reinede fuhs", zu Julius Wolff's „Tannhäufer" und die Zeichnungen
für die „fliegenden Blatter fpiegeln fein echt deutfches Empfinden wieder,
feine fonnige Heiterkeit und die liebenswürdige Anmuth feiner Perfönlichkeit
und erfreuen fih einer auferordentliden Doltsthiimlidfeit.
Als Menfh war Gebhrts frohfinnig bet allem Ernfte des Mordlanders
und ein liebenswürdiger Befellfehafter, dem der „Malkaften‘ manden prächtigen
Schmud und mance fünjtlerifh durhdadhte und ausgeführte Fdee für feine
jährlihen Redouten zu verdanken bat.
„Mit dem Malkaften ift der Name Bebrts", fo beift es in der ans
läßlih des 50 jährigen Malkaftenjubiläums von Eduard Daellen erft
fürzlih herausgegebenen Feftfohrift, „für alle Zeiten aufs Innigfte verknüpft.
Yamentlid dte Ausführungen der Malfaftenredouten der legten J5 Jahre
trugen in einer großen Anzahl die Signatur der Behrts'jhen echt fünftleri-
fhen Erfindungsgabe.'*
Dabei befeelte den Riinftler, faft als hätte er geahnt, daß ihm fein
"langes Leben bejdieden fei, um ruhig und bedädtig fhaffen zu fdnnen, ein
heißer Drang nadh unermiidlider Bethatigung feines Talentes, dem feine
förperlihen Kräfte auf die Dauer leider nidt gewadfen waren.
Hermann Prell’s Wandgemälde für den Chronfaal der deutfchen Botfchaft in Rom.
uf dem Rapitol in Rom fteht der Palazzo Taffarelli, der
"Sit der dentfhen Botfhaft. Die Schupftätte des Deutfhthums
nimmt in der Siebenhügelftadt einen erhabenen Standpuntt ein.
Wo der Gupitertempel fih einft erhob, fteht fie ftolz und fhaut hinüber zur
Ruppel von St. Peter. Mander gefhichtlihe Rüdblit in jene Zeiten, da
deutfhe Raiferwiirdse nod ihrer Sanftionirung in Rom bedurfte, läßt die
gegenwärtige Repräfentation allein ihrer lofalen Bevorzugung nad bedeutfam
genug erfdeinen, um den Gedanten verftändnißvoll nadhfühlen zu laffen, dem
niidternen Thronfaale im Palazzo Caffarelli eine der Würde des deutjchen
Reihes entjprehende Fünftlerifhe Ausfhmüdung zu geben. Hier, wo die
römifch »- griehifhe Bötterwelt in hereliden Runftgebilden dem Wandel der
Seiten trot, hier, wo in der Renaiffance griehifcher Beift in nener, mufter-
giltiger Form feine glänzende Wiedergeburt feierte, bier follten auch jene
Gottheiten Einzug halten, in denen das deutjche Voll in feinem Kindesalter
mit natvem Empfinden fih das elementare Woalten der Yatur verkörperte,
Das Grundmotiv aller germanifchen Mythen ift der Kampf zwifchen Licht und
Sinfternif. Er mufte alfo auh das Thema einer Bemäldefolge bilden, die
gemahnen follte an die ältefte dichterifhe Bethätigung germanifhen Wefens
in Ser Geftaltung feiner früheften Weltanfhauung. Deutfher und gehaltwoller
fonnte dae Deutfhthum in Rom fiinftlerifh nist zum Ausdrude tommen.
Eine fhöne, dichterifhe Fdee zu taltvoller Bethätigung des Nationalbewußt-
feins auf fremdem Boden! Der Rünftler, den der Kaifer mit der Ausführung
der Gemälde beauftragte, bat ihre Bedeutung und Tiefe erfaßt und den
gliidliden Gedanfen zu einer That in farben werden laffen, aus der deutjche
Rraft und Herrlichkeit leuchten. Was im Anfange des GFabrhunderts die
Sresfen in der Cafa Bartholdy noch niht vermodten, verwirklihen an
feinem Ausgange Prell's Gemälde, ein monumentales Dentmal deutfchen
Geiftes zu fein voll nationalen Schwunges.
Der Rünftler hat zu feinen Darftellungen den „Jahresmythos der
Erde nah der Edda gewählt, alfo den Wechfel der Fabreszeiten, und
damit ein Stoffgebiet betreten, das allgemein menfdlides Cigenthum der
alten Naturreligionen ift und überall Verftändnig und Gntereffe findet. Da
406
Deutfhe Runft.
nad Tacitus die Germanen das Jahr nur in Winter, Friihling und Sommer
eintheilten, des Herbftes Namen und Gaben aber niht fannten, durfte der
Rünftler von der herfömmlihen DVierzahl der Jahreszeiten abweihen und
behielt eine Wand übrig für eine zeitgemäße Aeußerung des Ylationalgefühls,
die er mit den anderen drei Gemälden gefhidt in inneren Zufammenhang
gebradt hat. Die aufßergewöhnlide Höhe des Raumes, für den die Bilder
beftimmt find, mußte bei ihrer Ausführung von vornherein beriidfidtigt
werden, jo daß man auffälligen Eigenthümlidpeiten in der Zeihnung und
Malweife gegenüber, die in der Runftausftellung als Uebertreibungen und
Scrofiheiten erfeinen, nit vergeffen darf, daß die Gemälde an Ort und
Stelle weit gemäßigter und günftiger wirken werden. Um feine Bilder mit
Jofef Rösl, Speifezimmer in der Wohnung in München.
der fie umgebenden üppigen Arditeftur der Spätrenaiffance, In der der ganze
Palaft gehalten ift, in Einklang zu bringen, hat fie Prell mit einem reidh-
gegliederten arditeftonifhen GBrifaillerahmenwert umgeben aus wudtigen
Säulen und bärtigen Raryatiden, die den oberen Sims fügen. Dieje üppige
Ornamenti? leitet von der wirflidhen Arditeftur zunädft über zu deforativ
behandelten Bronzegruppen, die als malerifch gefhaffene Plaftif wieder zwifhen
den eigentlihen Bemälden und ihrer Umrahmung wohltbuend vermitteln und
gugleid ih als einleitende und überleitende Blieder in den gefchloffenen
Rreis des Banzen einreihen.
Ueber der einfchneisenden Supraporte der Saaltbüre wird in einer treff lid
gemalten Brunnenarditeftur die eherne Geftalt der Saga mit ihrem Raben neben
Mimics Quell,aus
dem fid die darin
vetfunfene Licht-
madt neues Leben
trinft, figen. Sin-
nend laufcht fie den
Offenbarungen, die
ihr der Mund von
Mimirs - Riefen-
haupte, das von
feinem Rumpfe ge-
trennt noh weiter
lebt, zuraunt. Das
Reliefbild einer
vergoldeten Rar-
tufhe zu Häupten
der Saga zeigt
Heimdall, den
Himmelswadter ser
Regenbogenbrüde
und Spender des
Regens, deffen
Horntuf bier neuen
Lebens Ermaden,
den Frühling ver-
fünden foll. ‚Schon
webt er in den
Birken" auf dem
anſchließenden
großen Gemälde.
In einem friſchen
Bergthal grünt und
blüht es fon.
freir, derSonnen=
gott, eine fraftige
diinglingsgeftalt,
neben der Sfirnir
beritten hält, ift ab-
geftiegen und ftebt
an einem = Berg=
waffer, mit deffen
frifhem Naf fein
Rop den Durft
löfġt. Den Reitern
offenbart das Plät-
ſchern weißſchäu—
mender Wellen
wunderfame Mär.
Die Shwanenjung-
frauen find aufge-
taudt und verfiin-
den von Gerda,
die in verglet-
ſchertem Felſenge⸗
Müfte von den
Winterriefen in
eifiger Gefangen-
[haft gehalten wird.
Die blauverfcleierte Berda jelbft, eine Reminiscenz an Bödlin, rubt, no
von Halbfhlaf umfangen, in der feuchten Dämmerung einer felfenkluft. Auf
der fid anfdliefenden Wand zieht fid über dem goldfhimmernden Throne,
flanfict von den als Brongen wiedergegebenen Gruppen ,,freic und Gerda
und „Hödur tödtet den Sonnengott" eine Darftellung hin, die an
dramatifher Wuht und Vollendung in der Rompofition in der neueren
monumentalen Malerei ihres Gleichen fudt. Bier entfaltet Prell ein reiches
Leben und eine geftaltungsvolle Kraft. Auf fenrigem Falben fprengt freir
in goldener Rüftung, fein Flammenfdwert mit beiden Händen fhwingend,
dem wie Sturmwind daberfaufenden Heere der Walfiiren, den Sommerwolfen,
voran, zum Rampfe mit den ungefhladten Winterriefen, die ih auf raubem
Gebirge ihm entgegenftellen. Durd das hell leuchtende Heer der nadten
Weiber auf ibren wiebernden, fid wild aufbäumenden, zügellos aufwärts
tafenden Pferden geht ein grandiofer, padender Zug. Feffellos, unaufbalt-
fam ftürmt über die befreite Berda, die auf blumiger Au von ihren frauen
umlagert ihren fhönen Leib entjcyleiert, das erfte Bewitter dahin. Dergebens
wehren fih die Winterriefen mit Selsblöden und Schleudern; verzweifelnd
tanft fid hinter ihnen Thöff, Ste nicht grümende Erde, ihr ſchneeweißes
Haar, aus dem Sloden „ohnmädtige Schauer förnigen Eifes' dem Zuge
der Sieger entgegenftieben. Sie ftirbt unter den Schlägen des erften Ge-
witters. Die Sonne bat gefiegt; der Sommer 309 ins Land. freir und
Gersa vereinen fic zum ehelihen Bunde, den des Geliebten Tod Surh
Hddur’s Hand erbarmungslos wieder löft. Das folgende Gemälde zeigt
Berda verlaffen und weinend auf einer Klippe im Meere; mit ihr Magen
die Meeresjungfrauen; Senn im barten Ringfampf bat eben Gumer, der
winterlie Meeresgott, feinen wilden Gegner Oeger bezwungen und falte
Wogen ftürzen herbei, um den Reft fommerliden Lebens zu vereifen. Schnee
und Eis bededen fhon die Häupter finfterer Felfen, die dunkel aus den Fluthen
ragen. Blutroth finft die Sonne in's Meer. Am Geftade figt Bragi, der
Sänger, als letter der Erdgeborenen; feine Leyer hat nur noh Saiten für
ernjte Weifen, mit denen er feine Rlage über den Tod der fihönen Natur
Deutfde Runft.
407
begleitet. Hinter ihm aber trägt die ernfte, in Schwarz gefleidete
Norne lieblide Derheifung, Gerdga’s lidtftrablendes, blaudugiges Rind, den
holden, fiinftigen Lenz.
Ueber diefer tiefernften Darftellung des „Winters“, deren Trauer der
Ausblid auf das Heranwadfen neuen Lebens mildert, ift in die Schmalwand
des Saales eine Mufifloge eingefügt, die aud auf der Bildfläche markirt ift.
Das vierte Gemalde endlidh ift für den Mittelraum der Fenfterwand
bejtimmt, die in ihrem unteren Theile fechefach, im oberen vierfah von Lidt-
Sffnungen durdbroden ift. Auf diefem Bilde geht Prell vom Symbol zur
Allegorie über. Dem Throne in der Mitte der mit dem „Sommer ge-
fhmüdten Längswand gegenüber thront als geeignetfter Schußgeift des Hauſes
die herrlihe Beftalt der Germania — leider haben wir feinen deutfchen
Namen für die walfürenhafte Frauenfigur, im der wir das Deutfhe Reid
verförpern. Sie ift gekleidet in die Farben fehwarz-weiß-rotb, bat das
Schwert, das in der Scheide geborgen ift, über die Aniee gelegt und hält in
der Linfen einen Oelzweig. leben ihr redhts fikt wieder als Bronzeftatue
gedadt die redenhafte Geftalt des fieghaften Sonnengottes freir in friegerifher
Wehr, Ruhm und Glanz des Vaterlandes, die es mit Schwert und Schild
erworben und mit Schwert und Schild bewahrt; zur Linten lagert die Erd-
göttin „Berda', die Fruchtbarkeit des Friedens. So treten die beiden noch
einmal auf und verbinden das lebte Bild als erflärenden Schlußfar mit den
übrigen zu einer zufammenbängenden Dichtung.
Rurz und Mar fpridt fic) dte Doppelbedeutung der beiden zu den Füßen
der Germania lagernden figuren in den Iateinifchen Infchriften aus: „Gloria
Solis — Terrae Abundantia“. Sieghafte Sonnengluth und Frudtfiille
der Erde. — Strablender Rriegstubm und friedliher Wohlftänd. Das Banze
aber trägt die ftolz-befheidene Widmung: „Guilelmus I. Imperator Rex
Majorum Gloriae Memor Aedes Germaniae in Urbe Aeterna
Fabulis Patriae ornari jussit. Ein edt faiferliher Gedante ausgeführt
von verftändnißvoller Rünftlerband zu Ruhm und Ebr deutfher Runft an der
W iegenftätte einer älteren abgejchloffenen Rulturbliithe.
Hans Marfball
„Was it Kunt? — Gegen die Moderne Kunft.“
Ein offener Brief an Leo Tolftoi.
ehr verebrter Herr Graf! Jhrer vor Rurzem veröffent-
lihten Brofhüre „Was ift Runft?" fchlieft fi ein Bericht
des franzofen Andrée Bonnier an, Ser unter Anderem
darüber Ausfunft giebt, was Sie felbft von diefer Ihrer
Arbeit halten. „Jh dachte mehrere Jahre über das Werk nad,
aber das Werf wollte in meinem Gebirn nicht reif werden. Um
es niederzufdreiben, mufte id) grofe Studien madhen. Volle
11/, Jahre arbeitete ih an demfelben. €s ift cin großes Werk.
— €s thut mir nur febr leid, daß ich Siefes Buch nicht vor
55 Jahren niedergefdrieben habe; wäre ih damals fo von der
von mir jet ausgefprodenen Anfiht über Runft durchdrungen
gewefen, id hätte fiherli etwas anderes gefchrieben, als die
von mir zu jener Heit verfaßten Werke, mit denen ich fehr un-
zufrieden bin."
Sie werden es einem aufrichtigen Verehrer Ihres Genies
verzeihen, Herr Braf, wenn cr den Dichter von „Anna Rarenina'
und ,,Rrieg und Frieden“ gegen den Derfaffer polemifcher
Brofohüren vertheidigt, die er nur deshalb ernfthaft zu nehmen
vermag, weil fie von eben jenem Dichter herrühren. Sie wollen
bre fünftlerifche Dergangenbeit dementiren, Here Braf, das laffen
wir uns um fo weniger gefallen, als zwifchen diefer und Ihrer
äfthetifch-Pritifhen Gegenwart ein Gnterregnum des chriftlich-
fozialen Myftizismus liegt, aus deffen fterilem Boden das wunder-
lihe Unkraut Jhrer neueften Runftanfhauung emporgewuchert iſt.
96 Seiten erfiheinen zunädft als ein relativ geringes Refultat
einer Arbeit von 11/, Jahren, vor Allem wenn man bedenkt, dal
Sie fih auf diefem Raume mit der Theorie fammtlider Riinfte
abzufinden verfuhen. Die Hauptmühe dürfte allerdings in den
52 Seiten liegen, die mit Citaten aus Sen Aefthetifern von
11/3 Jahrhunderten gefüllt find und wahllos eine Reihe von
Definitionen defjen- zufammenftellen, was’ man gemeinhin Aunft
nennt.
Wir miiffen uns verfagen, auf diefe umfangreihe und doch
unvollftandige Rompilation mäher einzugehen, zumal unfere Aus-
fibrungen vorausfidtlid ebenfalls refultatlos verlaufen würden,
wie wir denn mit Jhnen, Herr Graf, von der Aefthetif im all-
gemeinen und von den Definitionen des Runftfhönen im be-
fonderen nicht allzuviel halten. Ga, wir wollen uns befdbeidentlid
nod weiter befdrainfen und uns nur infofern mit Gbrer Arbeit
befhäftigen, als die bildenden Riinfte in Frage tommen,
fintemalen wir von Mufit, Tanz, Literatur, Roh- und Shau-
fpielfunft weniger Renntnig baben, als Gbnen ein eineinhalb-
jähriges Studium befagter Materien zu verfchaffen vermochte.
Es ift im Hinblid auf jenes driftlich-foziale Gnterregnum
innerhalb Jhrer Schriftftellerentwidelung feineswegs überrafchend,
daß Sie Jhre Auseinanderfegungen mit fittlih-wirtbfhaftliden
Erwägungen beginnen. Sie behaupten, Oa „faum eine andere
menfhlihe Thätigfeit — die Rriegsfunft ausgenommen — fo
viel Rrafte verfclingt, wie gerade die Runft; Sie fragen, ob
„õie Runt ein fo wichtiges Ding ift, daß ibretwegen folde
Opfer gebradt werden miiffen;* und Sie ftellen ſchließlich das
Problem auf, „was unter Runft, insbefondere unter nützlicher,
guter Runft, überhaupt unter einer folhen Runft verftanden wird,
in deren Namen man jene Opfer bringen fann und darf.“
Mit Behauptung und Frage Tönnen wir uns leichter ab-
finden, als das fchwere Befhüt Ihrer Beweismittel vermutben
läßt. „Die Runft verfhlingt mehr Rrdfte, als irgend eine
andere menfhliche Thätigkeit*, das ift eine überaus gewagte
Thefe, vor Allem, fobald cs fih um Sie bildenden Künfte
bandelt. Rrdfte, die fic) in Werthe fdaffender Arbeit bethatigen
und fohlieflih abnugen und erfchdpfen, merden dod) nidt fo
ohne weiteres „verfchlungen*. Zur Herftellung eines monumentalen
Gebäudes gehören zunähft einmal Baumelfter, Maurer und
Himmerer, zur Schaffung einer Statue Bildhauer und Marmor-
408
arbeiter, zur Hervorbringung eines Bemäldes Maler, Leinen-
weber, ‚farbenreiber und Rahmer. Die Handlanger der genannten
Rünfte finden ihr gutes und fiheres Brod und vor Allem —
fie fchaffen im Verein mit Sem Meifter Werthe, an denen die
Robftoffe, die fie verarbeiten, gar wenig Untheil haben. Diel-
leiht lafjen Sie fih, Herr Braf, einmal von der Belgifhen
Runftverwaltung mittheilen, mwas fie die Briiffeler Akademie
foftet und wie viel der jährlihe Bemäldeerport beträgt. Das
find lebrreihe Zahlen, die Sie über den wirtbfhaftlihen Werth
der Runftübung befjer aufklären würden, als ein 11/, jähriges
Studium der Aejthetit. Ueber die nationalöfonomifche Bedeutung
der Lurusprodufte, zu denen Sie vorausfihtlid aud) die Runft-
werfe rechnen, fönnte ih mich erft nadh endgiltiger Ronftituirung
des jozialiftifhen Zukunftsftaates mit GJonen auseinanderfegen,
das würde uns aber Beiden zu lange dauern, fintemalen
inzwifhen aud unfere Kräfte „verſchlungen“ fein dürften.
Die Frage, ob denn „Õie Kunft ein fo widtiges Ding ift“
mödte ih am liebften mit einem Appell an Fhe eigenes Em-
pfinden beantworten. Sehen Sie, Herr Graf, in der Welt, wie
fie unfere Sinne in fih aufnehmen, giebt es Kartoffeln, Rohl,
Obſt und andere nüßliche Dinge, die Ses Leibes Nahrung und
Nothdurft dienen, daneben aber aud — Blumen, ganz zwed-
lofe Dinger, die nichts weiter thun, als farbenpradtig blühen
und duften. Möchten Sie in einer Welt ohne Blumen leben,
Herr Graf? Nun it dem Menfchen die Kraft verliehen,
nicht nur die Außendinge nah Willen und Vermögen zu wandeln
und fih nutzbar zu madhen, fondern auch nad ihrem Vorbilde
eine zweite Welt zu fcdaffen, felbftherrlid nad eigenen Gefeken,
losgeldft vom Zwedbegriff, eine Phantafiewelt voll formen- und
Farbenpradt, eine fiinftlerife verklärte Wirklichkeit. Möchten
Sie in einer Welt ohne Kunſt leben, Herr Graf? Seben Sie,
ih habe das Böttlihe im Menfchen niemals mit größerer An-
dacht verehrt, als beim Anblid des bimmelanragenden Domes
zu Röln, auffhauend zu Michel Angelo's in der Rube fraft-
bewußten Mofes, und vor der „Nahtwache* Rembrandt's, die
doch nur eine Amfterdamer Schütengilde darftellt, ift mir niemals
der Bedanfe gefommen, „ob die Runft ein fo wichtiges Ding ift,
Josef Rösl, Kabinet.
Deutſche Kunſt.
daß ihretwegen ſolche Opfer gebracht werden müſſen?“ Um es
kurz zu ſagen, ich bin nach dem Genuß eines Kunſtwerkes noch
ſtets als ein beſſerer Menſch von hinnen gegangen, und wenn
ich es nicht geblieben bin, ſo hat es ſicher daran gelegen, daß
ich nicht Kunſtwerke genug geſehen habe. Zudem glaube ich
beftimmt, daß an diefem meinem Empfinden felbft ein 11/,jäh-
riges Studium der Aefthetif nichts geändert haben würde,
weil es jedem empfänglichen Menfchen natürli if. Sich beffer
fühlen ift aber fhon der halbe Weg zum befjer werden. Vielleicht
ändern Sie Jhre Anfiht über die Wichtigkeit der Kunft, Herr
Graf, wenn Sie es einmal mit weniger Runft Lefen und mehr
Runft Sehen verfuchen.
Jn einem Punkte bin id ganz mit Jhnen einverftanden.
„Die Rritif, in der die Kunftfreunde nicht eine Stütze für ihre
Urtheile über die Runft fanden, ift in legter Feit fo wider-
fpreend geworden, daß, wenn man aus dem Gebiete der Runft
alles das herausftreihen würde, was die Rritifer der verfchiedenen
Schulen felbjit als nidt zur Runft gehörig ausfdliefen, fat
nidts mehr in der Kunft bliebe. Auf diefem Einverftändniß
fußend wollen wir denn aud gemeinfhaftlih zufehen, „was
unter Runft, insbefondere unter nüßlidyer, guter Runft, überhaupt
unter einer folden Runft verftanden wird, in eren Namen man
jene Opfer bringen Pann und darf“.
Sie haben ganz rect, Herr Graf, mit der Erklärung: „die
Runft ift eine Thätigkeit, die Schönheit in die Erfcheinung bringt“,
tann fih nit einmal Ser Durdfdnittsmenfd zufrieden geben,
fo lange der Begriff der Schönheit ihm niht in angemeffener
Begrenzung einen feften Anhalt für die Urtheilsbildung giebt.
Da diefe Begrenzung innerhalb eines Zeitraumes von faft zwei
Jahrhunderten — d. h. feit Beftehen einer fogenannten wifjen-
fhaftlihen Schsnbeitslehre — abfolut nicht gelungen ift, über-
fhlagen wir im Gefühl unferer Uebereinftimmung die nädften
50 Seiten Ihrer nad eineinbalbjabrigen Studien entftandene
Brofhüre und theilen furz und bündig das Refultat Jbrer
Mühen mit, die monumentale, unerfhütterlihe Definition des
Begriffs „Runft*, wie fie Ihnen nad) Ausmerzung des wandel-
baren Schönheitsbegriffes gelungen ift:
„In ih das
einmal empfun-
dene Befühl wie-
der hervorrufen
und, naddem
man es in fih
hervorgerufen
bat, es mit
Hilfe von Bee
wegungen, Li-
nien, farben,
Tönen oder in
Worten fo wie-
dergeben, daß
andere dasfelbe
Gefühl ebenfalls
erfahren, darin
beftebt die Tha-
tigfeit der Runft.
Die Runft if
eine Thätigfeit
des Menfchen, Sie
darin beftebt,
daß es durch ge-
wiffe äußere
Seiden den an-
deren bewußt die
von ihm erfab-
renen Gefühle
mittbeilt, wobei
die anderen
Menfhen von
diefen Befüblen
Deutfhe Runft. 409
‚ ongeftedt werden und fie ebenfalls empfinden.“
Wir müffen geftehen, daß uns nad diefer
etwas allgemein gehaltenen Definition
die Thatigheit der orientalifden Klage-
weiber, die ,,5as in fic) empfun-
deneßefühlwieder hervorrufen‘
und „bewußt mittheilen,
wobei die anderen Men-
fhen von diefen Befüh-
len angeftedt werden
und fie ebenfalls em-
pinden“, als der
Gipfel aller Runft-
übung erfhien. Bei
reifliher Heber-
legung aber fonn-
ten wir eine freu-
dige Genugthu-
ung ob diefer
bübfh generell
gehaltenen Be-
griffebeftim-
mung niht un- .
terdrüden. Sie Joſef Roͤsl, Facher.
machte tabula rasa mit allen bisherigen Wortklaubereien,
mit allen Deduktionen und Induktionen und ſchuf einen
unendlichen leeren Raum, in dem ſo ziemlich alle durch
den friedlichen Verkehr bedingten menſchlichen Beziehungen
Platz fanden, wo ſich ſomit auch wohl ein Winkelchen für
das individuelle, durch feinen überlieferten Schönheits—
begriff eingezwängte moderne Kunſtſchaffen reſerviren
laſſen würde. Die Vorſtudien, die Sie, Herr Graf, ein
und ein halbes Jahr lang in Anſpruch genommen hatten,
waren nicht fruchtlos geweſen, ſie hatten den Baugrund
freigelegt für ein äſthetiſches Wohnhaus, in dem Jeder
nad) feiner façon ſelig werden konnte, ſofern er nur
ein individuelles Gefühl oder Gefühlchen ſein eigen nannte,
das der Mitthellung in Linien oder Farben — wir be—
ſinnen uns hier rechtzeitig auf unſere Selbſtbeſchränkung,
auf bildende Kunſt — mehr oder minder werth war.
„Es lebe die freie Kunſt!“
Ad Herr Braf, es war eine fhmerzliche Enttäufhung,
als wir Ihre zweite Brofhüre zu Geficht befamen und
den Titel lafen: „Begen die moderne Kunſt.“ War-
um mußten Sie fi aud darauf befinnen, daß Sie uns
nod) die Ronfequenzen Jhrer Definition fhuldig geblieben
waren! Wir hätten Ihnen jeden Wechjel auf fothane
fuldig gebliebene Ronfequenzen disfontirt, und nun —
aber wir wollen die Empfindungen, die das Lefen Ihrer
neueften Brofchüre begleitet haben, der Reihe nad) fhildern.
Das Endrefultat hat uns eine freudige Ueberrafhung
gebracht, die auh Fhnen hoffentlih niht unangenehm
fein wird. Jm Anfange fieht es allerdings böfe aus.
Sie follten fi mehr auf das finden vielumfaffender in
Ihrer Einfachheit unwiderleglicher Difinitionen verlegen,
und das viele Lefen aufgeben, das die naiven weitum-
faffenden Gedanfenfreife ftdrt und den durd fein Por-
urtheil getrübten Horizont unnöthig einengt.
Das zweite „Werk“ beginnt wieder mit einer frage:
„Wie fommt es, daß die nicht religiöfe Runft, die in
alter Zeit faum geduldet wurde, jest für etwas Aus-
gezeichnetes gilt, wenn fie nur Vergnügen bereitet?“
Wenn wir Sie redt verfteben, Herr Graf, fucben
Sie nun, nahdem Sie den transcendenten fowohl wie den
transcendentalen Schönbeitsbegriff aus der Runftdefinition
glüdlid herausgemerzt haben, diefes Defizit irgendwie zu
erfeßen. Das fällt Ahnen aufßerordentlih leicht. Sie
referviren fic) aus der landläufigen, Dreieinigfeit des
Schönen, Wahren und Guten die Aweieinigfeit des
Wabren und Guten, und die Runft, die Kunft ijt gerettet. Josef Rösl, Thürfüllungen,
Deutſche Runſt.
Joſef Rösl, Friesdekoration.
Dem abſolut Wahren entſpricht das feſtgelegte Dogma, dem ab-
folut Guten die ebenfo feftgelegte Ethif. Da hätten wir denn
ftatt der fchönen eine wahre und gute Aunft. Mein Herz, was
willft Du nod mehr.
Werden Sie es mir verzeiben, Herr Graf, wenn id be-
baupte, daß die Runft ebenfo wenig mit dem Wabren und Guten
zu thun bat, als mit Sem von Ihnen ausgemerzten Schönen?
Sehen Sie, ih babe eine unbedingte Hochadhtung vor dem
Dogma als dem zeitweiligen Yiederfhlag des höheren Denkens
und Empfindens der Menfchheit. Aber aud bas Dogma ift
wandelbar, wie Sie felbft im Laufe Jhrer Erörterungen zugeben.
Sie haben unbedingt recht, wenn Sie das Wejen des Juden-
thums in der Unterwerfung unter das göttlihe Befet, das des
Griehenthums in der Vergöttlihung der Kraft und Schönbeit,
das des Romerthums in der Allmadt des nationalen Staates,
das des erften Chriftenthbums in der Entfagung erbliden und aus
diefen Wefensbeftimmungen den jeweiligen Runftcharakter ableiten.
Ihn darauf reduziren, ift der erfte Brundfehler Ihrer Ausein-
anderfegungen. Die Runft der Briehen und Römer bat fi
denn doh wohl früber und entfheidender, als Sie annehmen,
aus einer araifirend-religiöfen Richtung heraus zu einer lebens-
frohen Benußfunft entwidelt. Daß Sie diefes Stadium verfennen,
madt Ihnen eine vorurtheilslofe Beurtheilung der Renaiffance-
Runft unmöglid. An die Stelle des Fünftlerifh fterilen Ur-
chriſtenthums trat die Derherrlihung der triumphirenden Kirche,
gleidbberedtigt, weil im Wefen der Dinge begründet. Yleben der
dem Plaffifhen Heidenthum entlehnten und darum ein wenig un-
wahren Formenwelt aber macht fih ein Drittes bemerkbar, der
Rultus der madtvollen, in fih gefchloffenen Perfönlichkeit, fo
wahr und überzeugend, daß wir nod heute von der biftorifdh-
erfhöpfenden Darftellung des Jndividuums, wie fie die Renaif-
fancefunft zu Wege bradte, zu lernen haben.
Sie fonfiruiren fic, von der Renaiffancefunft beginnend,
eine erflufive, das allgemeine Derftdndnif, das Dolfsthimlice
ausfhließende Rihtung. Glauben Sie denn wirklich, Here Graf,
daß man die Madonnen eines Raffael, den Finsgrofden eines
Tizian, Sie Rreuzabnahme eines Rubens nit verftanden habe?
Oder ift es Fhnen bet Fhrer liidenvollen Renntnif Ser Runft
entwidelung fo ganz entgangen, daß es aud einmal eine große
und fleine Pafjion von Albreht Dürer gegeben hat? Gebt
Ihnen bei Ihrem Gnterefje fiir das Volfsthiimlide Senn fo ganz
die Empfindung ab für die derbe Lebensfreude eines Rembrandt,
frans Hals, Jan Steen, die doch wahrlich nicht für die begüterte
Minderheit gemalt haben, fondern als die Vorläufer einer naiven
tendenzfreien Armleute-Malerei gelten fonnen?
Mit Ihrer Behauptung, daß die Allgemeinverftändlichkeit
das Hauptkriterium für den wahren Werth eines Runftwertes fei,
kehren wir nunmehr zu dem Ausgangspunkt unferer gemeinfchaft-
lihen Auseinanderfeßungen, d. h.
zu Ihrer nur ein wenig allgemeinen
und eben darum annehmbaren
Definition der Runft als des Ver-
mögens der Befühlsübertragung zu-
rü. Aud den unendlichen Reidh-
thum des menfcbliden Empfindungs-
lebens, wie es durd) die Runft iiber-
mittelt wird, mdten Sie nivelliren
und reduziren. Daß es fic) nicht
in den hödften und einfachften
Schöpfungen der religiöfen Runft
erfchöpft, follte Jonen der Umftand
Joſef Rösl, Friesſtück.
beweifen, daß in der Dogmen- und Legendenverförperung das
Typifhe und fomit die Nahahmung vorherrfht. Wenn Sie
aber erft einmal anerfannt haben werden, daß die Beredhtigung
einer Profantunft fid) nicht fo ganz fortleugnen läßt, dann werden
Sie fih überzeugen müffen, daß die Schöpfungen eines Bödlin
und Rlinger nidt fo unbedingt in die Rumpelfammer der
„Ihlehten Kunft“‘ zu verweifen find, daß ihre fheinbare Unver-
ftändlichfeit nur in dem großen Empfindungsreihthum diefer Meifter
zu fucen ift.
Jn mehreren aufeinander folgenden Kapiteln ergeben Sie
fih dann in mehr oder weniger beredtigten Ausfällen gegen
einzelne Auswüchfe modernen Kunftfchaffens, wie die fi überall
breitmadende Sinnlicdfeit, die Originalitätsfucht, den geheim-
nißvoll thuenden Myfticismus und Symbolismus, den blöden
Nahahmungstrieb, die Benußfuht und den Profeffionalismus
der Rünftler, die Renntniflofigfeit Ser Rritif, die Züchtung der
Talentlofigfeit in den Akademien u. f. w., um dann fihlieglidy
bei der Begriffsbeftimmung der wahren Runft anzulangen.
Und da, Here Graf, paffirt Jhnen ein überrafhendes Qui
pro quo. Sie fehren ploglid) sur Maivetdt suriid, Sie werden
unbewuft zum glänzendften Cobredner der modernen Runft.
Was Sie da unter der idealen Forderung des religiöfen Be-
wuftfeins zufammenfaffen, bildet das Wefen des neuen Runft-
fhaffens. ,,Das wabre Runftwerf bat die Wirkung, den Unter-
fied zwifhen Sem Manne, an den es fih wendet, und zwifchen
dem Riinftler ... 3u unterdrüden. Und in diefer Unterdrüdung
jeder Trennung 3wifdhen Sem Menfden, in dSiefer Vereinigung
des Publifums mit dem Rünftler befteht Sie Haupttugend der
Runft. Bravo, Herr Graf, wir Modernen nennen das intime
Wirfung!! „Der Brad der Anftedung der Runft hängt von
drei Bedingungen ab: 1. von der mehr oder weniger großen
Eigenart der ausgedrüdten Gefühle, 2. von der mehr oder
weniger großen Klarheit im Ausdrud diefer Gefühle, 3. endlich
von der mehr oder weniger großen Gntenfitdt, mit der er felbft
die Befühle empfindet, die er ausdrüdt.* Herrlih, Herr Graf,
berrlih!! Das ift in unferer Sprache der fih energifh mit
voller Aufrichtigkeit geltend madhende FJndividualismus, Ser fic
unbeirrt durch Nahahmung früherer Runftideale nah Allgemein-
verftändlichfeit drängt. „Die Aufrichtigfeit it auf diefe Weife
die Hauptbedingung der Runft. Diefe Bedingung it in der
Doltstunft ftets vorhanden; fie fehlt fait ganz in der Runft
der höheren Klaffen, wo der Rünftler jtets Rüdfihten, auf den
Mugen, die Ronveniens, oder die perfönlihe Eigenliebe zu
wabren hat.“
Daß Sie Ihre „gute Runt die hriftlihe Runt nennen,
foll unfer gutes Einvernehmen nicht ftdren, Herr Graf. Wir
find fo vollfommen einer Meinung, daß ih gar nicht begreife,
warum wir uns eigentlich entzweit haben. „Es fann alfo heute
zwei Arten priftliher Kunjt geben:
1. die Runft, welche die aus unjerer
religidfen Auffaffung d. b. aus
der Auffaffung unferer Verwandt-
[haft mit Bott und allen Menfchen
entfpringenden Gefühle ausdrüdt
und 2. die Runft, welche die allen
Menfchen der ganzen Welt zugäng-
lihen Gefühle ausdrüdt.‘ Wm
diefer fhönen Theorien willen ver-
zeihen wir Jhnen fogar Fbre
praftifhe Ungzuldnglidfeit, Herr
Graf. ,,gn der modernen Malerei
Deutfde Runf.
Jofef Rösl, Friesdeforation.
eriftirt feltfamer Weife faum ein Runftwerf diefer Art, das das
driftliche Gefühl der Liebe zu Bott und zum Nädhften übermittelt;
oder was davon eriftirt, findet fi nur bei unbedeutenden Malern.
Es giebt allerdings und zwar in fehr großer Anzahl evangelifcde
Bilder; doc) fie find bifterifche, mit mehr oder weniger Details
ausgefhmüdte Darftellungen. Reines drüdt das religiöfe Gefühl
aus, das ihren Schöpfern fehlt.“ Aber, Herr Graf! Wenn
Sie fih niht fo einfiedlerifh innerhalb der Grenzen Halbafiens
bielten, würde fich vielleiht einmal Gelegenheit bieten, ein paar
Bemälde F. von Ubde's zu feben, wie das „Abendmahl, oder
„Faffet Sie Rindlein zu mir fommen oder „Komm, Herr Jefu,
fei unfer Baft‘‘ oder ein Dutzend anderer Bilder. Es giebt aud
eine große Anzahl von Bemälden, welde die perfönlidhen Befühle
großer Maler ausdrüden. Doc Gemälde, welde die Selbit-
verlengnung und die hriftlihe Barmherzigkeit verberrlihen, Fenne
id) niht. Aber Herr Graf! darf ih Sie mit FJeraels, van
Leemputten, L. Dettmann u. U. befannt madhen? Jh traue
übrigens meinen Augen niht. Da fteht ein paar Seiten weiter:
„Die Runft beginnt thatfählih das wirklihe Jdeal unferer Zeit
zu unterfcheiden und fih ihm zuzumwenden. Einerfeits drüden
die befferen Werke unferer modernen Rünftler Gefühle Ser Ver-
einigung und Verbrüderung zwifhen den Menfchen aus, anderer-
feits giebt es heute Künftler, die Gefühle auszusrüden verfuden,
welhe fo allgemein, fo univerfell wie möglih find. -—- Jab
muß hinzufügen, daß man in den leßten Zeiten die Derfuhe von
volfsthiimliden fiinftlerifthen Unternehmungen . . . häufiger ins
Werk gefegt hat. Das Alles ift von dem, was fein follte, weit
entfernt, dSodh man fann die Richtung bereits unterfdeiden, der
die Runft zufchreiten wird, um endlich den ihr gehörigen Weg zu
betreten.“
Ad, Herr Graf, id fann ein Gefühl des Bedauerns nicht
unterdrüden, daß nit nur ich Ihnen, fondern auch Sie fidh fo
oft und fo lange widerfprehen mußten, um fehlieglid einzufehen,
daß Sie mit fih und mit mir eigentli ganz einer Meinung find.
Da baben Sie fic, wie Sie felbft fagen, fünfzehn Jahre lang
mit dem ganzen NRüftzeug polemifirender Aefthetif verfeben und
find endlih ausgezogen in hbeiligem Zorn, um „Gegen die
moderne Runft* zu ftreiten, und nun fann id nidt umbin Jhnen
in überquellendem Gefühl Sie Hand zu drüden als einem der
eifrigften Kämpen „Für die moderne Kunft*. „Die Runft ift
fein Genuß, fein Dergniigen, aud fein Amufement; die Kunft
it etwas Großes, fie ift ein Organ der Menfchheit, welde die
Auffeffungen des DVerftandes in das Bebiet des Befühls über-
trägt. Das ift allerdings Feine Definition, Herr Graf, aber
ein Programm, das wie eine fanfare wirft zum Sammeln aller
Serer, Sie es ernft meinen mit dem modernen Runftfhaffen. Eine
Fanfare ift eine fanfare, Here Graf, auh wenn ein paar Töne
falfch geblafen find.
Gerade an der Naivität, Herr Graf, mit der Sie das
Gegentheil von dem beweifen, was Sie beweifen wollten, erfenne
ih den Künftler wieder, den Sie vergeblih verleugnen, und in
diefem Sinne, Herr Graf, bleibe id Ser aufridtige Verehrer
des Derfaffers von „Anna Rarenina’ und von ,,Rrieg und
Frieden", Georg Malfowsfy.
SS. Kunfiliterature —
Wenn ein Werk über die franzöfifhe Renaiffance aud nicht direft zur
Förderung einer ausgefprohen nationalen Baufunft beitragen wird, fo darf
man thm dod einen praktifhen Yußen zufpreden.
„Die Baufunft der Renaiffance in Franfreid. Don Dr.
Heincih Baron von Beymüller. I. Heft. Handbud der Architektur,
Zweiter Theil, 6. Band, Heft I. Mit 66 Abbildungen im Tert und I farben-
drud-Tafel. Stuttgart I898. Arnold Bergfträßer, Verlagsbudhandlung —
A. Kröner — verfpriht einen folden feiner ganzen Anlage nad. Don
einem Werke, weldhes die vollftändige Schilderung eines Bauftils nad dem
wirflihen Hergange feiner Entwidelung liefert und dabei die nod erhaltenen
fowobl, wie die untergegangenen Baudenkmäler, die epocemadenden, un-
ausgefiihtten Projefte und biftorifhe Nachrichten über die Denkmäler und ihre
Erbauer erforfcht und jo eingehend als nur möglich berüdfichtigt, darf man
wohl annehmen, daß es die lebendigen Gefeke, die jedem Bauftile inne-
wohnen, ergründen hilft und damit belebend und jegensreih wirkt. Soviel
laft fih von dem Beymüller’jhen
Buch fhon jet fagen: es erfdlieft in
überfichtliher Weife die genetifhe Er-
fenntnif der franzöfifhen Renaiffance
und unterfudt belebrend und anregend
die Schidfale diefes aus dem Biindnif der
franzöfifhen Bothif und italienifhen Re-
naiffance hervorgegangenen Stils, in dem
das gothifche Element ftets als nationaler
Antheil erkennbar bleibt, und feine ver-
fhiedenen Phafen.
Das urfpriinglide, nationale Ele-
ment diefes Rompromifjes, die Gothik,
Jojef Rösl, Friesftiid.
wird in der fünften Abtheilung der „Allgemeinen Runftgefhihte",
herausgegeben von H. Anadfuß und Mar G. Zimmermann (Biele-
feld und Leipzig, Derlag von Delhagen & Rlafing) im belehrender,
anregender und «allgemein verftändliher Form behandelt. Mit dem Er-
feinen diefer Lieferung ift nunmehr der zweite Band des Werkes: ,, Gothit
und Renaiffance" von H. Anadfuß begonnen worden.
Der Derfafjer erzählt darin zunähft das Hervorwadfen des gothifhen
Stile aus der romanifchen Baumweife und veranfhaulicht die unterfheidenden
Merkmale an ausführlid behandelten Beifpielen der früheften franzöfifchen
und deutjhen Gothif. Dann geht er auf eine Reihe der vorzüglichften
Meifterwerfe der Gothit in der Weife ein, daß mit der Befprehung der ein-
zelnen Bauten eine Ueberfiht über die ganze Weiterentwidelung der gothifchen
Baufunft verflodhten wird; auf diefe Darftellung des zeitlihen Entwidelungs-
ganges läßt er eine Schilderung der nationalen Befonderheiten folgen, mit
denen fidh die gothiihe Banfunft in den Ländern, welke neben Frankreich
und Deutjhland an der Bildung des Stils
theilgenommen haben, entfaltet hat. Da-
rauf wird das Wefen der Figurendar-
ftellung unter der Herrfchaft des gothifden
Bauftils gekennzeichnet, und meben den
Schöpfungen höherer Runft in Bildnerei
und Malerei wits aud die Runft im
Handwerk gebührend gewürdigt. Fm
folgenden Abjhnitt beginnt die Ge-
fhidte der Vorbereitungen der Renaiffance-
funft mit einem Ueberblid über die eigen-
thiimliden Bedingungen, unter Senen die
Bothit in Htalien Aufnahme fand.
Deutfhe Runft
Vermifchkes.
Gedanken iiher hildende
Kun.
Kunft und Medizin.
— In der Aunfthalle zu Bremen befindet üh eine Handzeidnung
Albredht Diirer’s, auf der er fi felbft nad dem Spiegel bis oberhalb der
Anieen — nur mit einem Schamtude bededt, gezeichnet bat. Die rehte Hand
deutet auf eine befonders marfirte Stelle des Aörpere. Diefe Bewegung
wird duch eine Zufhrift erklärt, die für einen auswärtigen Arzt oder einen
Freund des Rünftlers beftimmt gewefen zu fein fiheint und in freier An-
führung lautet: „Da, wo der gelbe flet it und worauf ih mit dem finger
deute, ift mir weh. Cine Tagebudnotiz Diirer's, In der er fagt: „Einft
überfam mid eine wunderlihe Rrankheit, von der id nie von reinem Manne
gehört, und diefe Arankheit habe ih noch‘, läßt zwar eine genaue Diagnofe
nit zu, bat aber vielleiht gerade ihrer Undentlichfeit wegen Anlaß gegeben zu
mancherlei rührenden Auslaffungen und Dermuthungen auf dem Bebiete funft-
hiftorifher und medizinifcher Wiffenfhaft, denen man immerhin einige Wichtigkeit
nadfagen darf, wenn man bedenkt, daß es in der Wiffenfhaft feine
Rleinigkeiten giebt. So nennt Springer den großen Maler „zur Schaube
ausgelrodnet, ein wahres Bild des Erbarmens“ und gedenft feines förper-
lihen Leidens mit Wehmuth in dem fhönen Sage: „Eine... . Phantafle,
die zuweilen an das Traum- und fieberhafte mahnt, mußte allmälig feine
förperlihe Befundheit gefährden. Der leidenfhaftlihe Thätigfeitebetrieb hinter-
ließ immer tiefere Spuren in.feiner phyfifhen Natur. Die Seele blieb un-
erfhöpflih in Entwürfen, aber der Leib zehrte ih durdy den übermäßigen
Rräfteverbrauh fhließlih auf."
Neuerdings hat fih nun die egafte medizinifhe Wiffenfchaft des fraglichen
Falles mit gewohntem Ernfte angenommen. Hert Ardhivrath Dr. Theodor
Diftel- Blafewig bringt Albreht Dürer's langes Leiden, das den
„oielfeitigften und frudtbarften deutfhen Rünftler‘ im fiebenundfünfzigften
Lebensjahre tabinraffte, in der „Deutfhen Medizinifhen Wodenfdrift zur
Sprade. Wenn er es auh niht wagt feftzuftellen, ob Dürer's Nieren oder
feine Milz Pran? gewefen, und aljo felbft feinen beftimmten Fall annimmt,
fo darf ihm Sod die Wiffenfdaft indirelt für die Dermuthung eines
Diagnoftifere, die die gewi5 Fompetente Redaktion des medizinijhen Fach=
blattes vermerkt, dankbar fein: Dürer's „mwunderlide Krankheit‘ fei „ein
Magencarcinom' gewefen.
Wir find alfo in der Dürerforfhung foweit fortgefdritten, daß wir
beinahe wiffen, woran der Unfterblihe geftorben ift, und zwar eigentlih auf
Grund einer „handzeihnerifhen Selbftunterfuhung‘.
Gedanken über bildende Runft.
Ein guter Maler ift inwendig voller Figur, und wenn es möglid wäre,
daß er ewig lebte, hätte er aus dem inneren Fdeen, von denen Plato fcreibt,
allewege etwas Nenes durh die Werke auszugießen. Dürer.
*
Die bloße anſchauliche Einbildung kann jetzt nicht mehr zur Auffindung
des an und für ſich Wahren auf dem Gebiete der Kunſt, des Stils und des
Ideals führen: Der Gedanke und die Kritik ſind gegenwärtig einmal und
überhaupt das Mächtigere und Entſcheidendere geworden über die bloße
Sehnſucht und hingebende Verſenkung in etwas Aeußerliches und Fremdes;
nur auf dieſer gegebenen Baſis kann auch die Wahrheit des neuen Kunſt-
ideals erwachſen. Conrad Hermann,
Das Handwerl fekt ein Volt voraus, dte Runft ein Volf und einen
Mann. Das Handwerk, und wenn es fih zur feinten Gefdidlidfelt fteigert,
ift erlernbar, die Runft, audh wo fie in den robeften formen auftritt, muß
angeboren fein, fie fann durch feine Anftrengung dem gegeben werden, der
fie niht von Anfang an befaß. Das Handwerf hängt am Stoffe, den es
formt, und fein hödfter Triumph ift, den Stoff fo in der Gewalt zu haben,
daß er den Meinften Wendungen des Geiftes, der fih mittheilen will, Zeichen
liefert, welde fie den andern offenbar maden. Die Runft fpridt vom Geifte
zum Beifte, der Stoff ift nur die Straße, die den Derfehr vermittelt.
Hermann Grimm.
+
Während die Wiffenfhaft, Sem raft- und beftandlofen Strom vierfadh
geftalteter Gründe nachgehend, bei jedem erreichten Ziel immer wieder weiter
gewiefen wird und nie ein legtes Ziel no völlige Befriedigung finden tann,
fo wenig als man durch Laufen den Punft erreiht, wo die Wolfen den
Horizont berühren; fo Ift dagegen die Runft überall am Ziel, denn fie reißt
das Objekt ihrer Rontemplation heraus aus dem Strome des Weltlaufs und
hat es ifolirt vor ih; und diefes Einzelne, was in jenem Strom ein ver-
fhwindend Meiner Theil war, wies Ihr ein Aepräfentent des Ganzen, ein
Aequivalent des in Raum und Zeit unendlih Dielen; fie bleibt daher bei
diefem Einzelnen ftehen; das Rad der Zeit hält fie an; die Relationen ver-
fhwinden ihr; nur daz Wefentliche, die dee, ift ihr Objekt.
Arthur Schopenbaner.
*
Wenn die Malerei das Lauffeuer der Augenblicke anhält zum Feftftehen
ſo blictt die Zauberlandſchaft, das Zauberauge, die Zaubermenge Dich unauf—
hörlich an, und jeden Tag kehren Deine höchſten Freuden um, und die Sonne
ſteht vor dem Maler (anders als vor dem tödtenden Josrah) nur ſtill, um
dem wärtmeren Leben fortzuleuchten. Jean Paul.
Um ein großer Maler zu fein, muß ein Mann -aud eine große Seele
haben. Er muß ein Träumer fein und fih feiner Träume niht fhämen; er
muß fie als Befigthum von bleibendem Werth anfehen, er muß fih auf
Bleihgiltigkeit, ja Feindfhaft gefaßt maden; er muß vom Blauben fo durdy-
drungen fein, daß er nicht das geringfte Stüd davon verfhadert, um werth-
lofen Beifall zu erlangen; er muß fo ftolz fein, daß er es unter feiner
Würde eradtet, fein Genie dem öffentlihen Nuten preiszugeben, er muß fo
einfältig von Herzen fein, daß er wie Sir Galahad nur einen heiligen Gral
“fennt — die Schönheit, und nur ein Ziel, das lebenslanglide, ununterbrodhene
Beftreben, in der Schönheit jene Lieblichfeit zu erfennen und darzuftellen, die
für ihn Eingebung, Traum, Verzweiflung und ewige Hoffnung ift.
Edward Burne-Jones.
*
Auf dem Klavier „C E thut roth, fo ſprach
Mein Rnabe in feinem vierten Jahr,
„CF thut gelb", als er im fünften war;
Dann fudten die finger weiter nad;
Don grün und blau bat er nidts gefagt;
Jh habe niht darum gefragt. —
Nur einmal fprad er: „Da thut's bleid",
Ein andermal: „So thut's rund,
Schon da ih als Bub’ an der Sonne lag,
That's Morgens „roth, doch „gelb am Nachmittag,
Das Himmelblau that „wie Gefang",
„Wie farbe was anf Erden Mang,
‚farbe und Ton zugleich.
Jet Maler, Pfeifer und Organift,
Erflart mir's, wenn ihr's wißt,
Und helft mir auf den Grund,
*
Der Plaſtiker uns ſehr ergetzt,
Weil er die großen Männer ſetzt,
Die ſchwärzlich, grünlich oder weißlich,
Und ift darum fehon löb- und preislich,
Weil, wenn 3. B. einer fremd
Soeben erft vom Bahnhof fömmt,
Er in der unbefannten Stadt
Bleih den bekannten Schiller hat.
J. G. Fiſcher.
Wilbelm Buje.
Deutfhe Runft.
418
Die Neuerwerbungen der Föniglichen Kunftfamm:
lungen in Berlin.
ie amtlihen Berihte aus den föniglihen Runftfammlungen
fönnen unter den Neuerwerbungen im erften Dierteljabre 1898 wieder
eine Reihe werthooller Befhente aufführen, deren Zahl und Be-
deutung nidt nur fiir das Gntereffe des Publitums an unferen Mufeen
fpridt, fondern aud bemweift, daß die Anfiht Anhänger findet, gute Runft-
werke, denen fein intimerer, perfönliher Charakter innewohnt, Seltenheiten
von fulturbiftorifdhem Werthe, die im der vornehmen Derborgenbeit von
Privatfalons ihren höheren Zwed verfehlen würden, müßten als Bildungs-
material für die Allgemeinheit in Staatsbeflg übergehen und im Mufeen
Jedermann zugänglid fein. Was für Beweggründe aud für die verfdiedenen
Zuwendungen beftimmend gewefen fein mögen, jedenfalls verdienen fie dant-
bare Anerfennung. frau von Sallet hat die Sammlung der Bild-
werte Ser driftlihben Epoche duch das Elfenbeinrelief einer ftehenden
Madonna aus dem Nadlafje ihres Gatten, des früheren Direftors des Münz-
fabinets, bereihert. Das werthvolle Stüd, eine franzöfifhe Arbeit aus der
erften Hälfte des 14. Jahrhunderts, theilt mit den beften Schöpfungen diefer
Art und diefer Feit den Reiz der Bewegung und des Ausdruds und inter-
efjirt befonders durch merklihe Refte alter Bemalung. Einen erwünften
Huwadhs hat die altbabylonifhe Sammlung duch eine Schenkung
erhalten: die Bronzefigur einer mit erhobenen Händen dargeftellten Göttin,
deren Befiht mit Bold überzogen if. Am Fufgeftell ift ein Nüpfhen an-
gebraht, wahrfheinlih zur Aufnahme der Spenden beftimmt, die man dem
Bötterbilde darbradhte. Staatsferetär Freiherr von Thielmann überwies
der Sammlung den Rumpf einer großen bemalten Thonfigur aus griechifcher
Zeit, die er bei Hilla in Babylonien erworben hat. Aud dte dgyptifden
Alterthümer wurden urh Gefhente vermehrt, von denen als fünftlerifh
werthvoll ein Salblöffel aus grünglafirtem Stein hervorzuheben ift; auf
feinem breiten Griff ift ein badendes Mädchen dargeftellt, das eine Ente er-
griffen hat. Die National-Balerie erhielt als Schenkung ein Bronze-
relief „Heimkehrende Bergleute von Conftantin Meunier.
Den Gefdenten entfpriht die Zahl Ser angefauften Begenftände, von
denen unter anderen für das Antiquarium als fiinftlerifh hervorragende
Arbeiten im Runfthandel erworben wurden: eine arhaifche weiblihe Bronze-
ftatuette im fogenannten Spes- Typus aus Athen und die Bronzeftatuette
eines bodsbeinigen Pan, die zu einem aus Briehenland ftammenden Be-
fammtfunde fleinerer Begenftände von Bronze, Silber und Rnoden gehört.
Der vorbderaftatifhe Theil der Sammlungen bat nod als einen widtigen Zu-
wads aus dem Dermadtniffe des Dr. Deibel drei vortrefflihde Proben alt-
babylonifher Runft erhalten und zwar zunächft die etwa 35 cm hohe Statue
eines Königs, aus fhiefrigem Stein. Er fteht in der bekannten Weife mit
zufammengelegten Händen, ift alfo wohl betend gedaht. Die Augen find
mit Elfenbein eingelegt. Die zweite Erwerbung, der Ropf einer Rönigsftatue
aus Ralfftein von etwa zwei Drittel Lebensgröße, Ift von vorzüglicher Arbeit
und zeigt aufs Befte alle darakteriftifhen Eigenthümlichkeiten der altbabylo-
nifhen Porträts, Das dritte Stüd ift ein Röpfchen von einer Meinen frauen-
ftatue aus dunklem Granit; das Haar wird durd ein grofes Ropftud bededt,
das durd ein Band gehalten wird. Beide Köpfe find tadellos erhalten.
für die National- Galerie wurden angefauft: das O4elgemalde
„Palmenhaus auf der Pfaueninfel von R. Ff. Bledhen, von dem die
„Deutſche Rung" in Nr. 12 des laufenden Jahrgangs eine Abbildung gebradt
bat, ein Aquarell von £. Dill und zwei Rreidezeihnungen von Gatlob Ulberts.
Ausftellung von Werken vlämifcher Künftler im
Kaifer Wilhelm-Mufeum zu Crefeld.
as moderne und gefunde Streben nad Decentralifation der Runft,
das für diefe eine ideelle und materielle förderung bedeutet, bat in
Trefeld zu Anfang diefes Jahres fhon einmal Surh eine inter-
nationale Runftausftellung einen geradezu vorbildlihen Ausdrud gefunden.
Ihm if nunmehr eine neue, widtige Bethatigung des Gntereffes, das unfere
Stadt an der Entwidelung der modernen Runft nimmt, gefolgt: „Die
Ausftellung von Werken vlämifher Rünftler im Raifer Wilbelm-
Mufeum. Da in ihr die vlämifhen Rünftler, von denen fih ja mange
bereits in Dresden und Berlin verdiente Lorbeeren errungen haben, zum
erften Male in größerer Befammtheit gefdlofjen vor das deutfhe Publitum
treten, darf Crefeld fi ftolz das Thor nennen, durch weldhes die junge
vlämifhe Aunft ihren Einzug in Dentfdhland halt. Gn diefer erften ges
fhloffenen Dorführung der modernen vlämifhen Runft auf deutfchem Boden
dürfen wir gewiß ein bedeutfames Anzeihen für die Runftbewegung der
Zukunft erbliden und eine neue Woge fünftlerifher Anregung aus dem
Diamenlande, unter deffen belebendem Einfluffe deutfhe Runft fhon öfters
geftanden hat, begrüßen. Dielleiht knüpft fih bei dtefer Gelegenheit das
alte Band von neuem und gefellen fih Deutfhland und Dlamenland zu
neuem Bunde auf dem idealen Bebiete der Aunft, die in unferen Tagen in
Belgien eine neue Blüthe erlebt. Fn der neueren Kunftbewegung treten die
Seevölter der Nord- und Gftfee immer mehr an die Spike und rufen auf
fünftlerifdem Gebiete eine Ummälzung hervor, wie fie fih im früherer Zeit
in einer Runft, deren Mittelpunkt das Mittelländifche Meer war, faum ftärker
vollzogen bat. Don Norden þer, aus Schottland und England, tam der
frifhe Zug neuen Lebens und der Same veränderter Anfhauungen füdwärts;
in Schweden, Norwegen und Dänemark fand er fruchtbaren Boden, nirgends .
aber ift er mehr aufgeblüht als in Belgien. Daß gerade dort die moderne
Bewegung volles Derftändniß gefunden und auf dem Gebiete der Malerei,
nod) mehr aber faft auf dem der Plaftif bedeutende Werte von fräftiger
Eigenart und natürliher Schönheit gezeitigt hat, dafür enthält die Ausftellung
eine Fülle von Belegen. Bildhauer wie Meunier und van der Stappen,
die Maler frans Courtens, Juliaan ðe Vriendt, Dubois, Eugeen
Laermans, Willem Linnig, Theofil Lybaert, Stevens, van
Leemputten, Wouters und Wytsmann find mit treff lihen Werten ver-
treten und laffen vermuthen, daf fene in den 50er Jahren von den Nieder-
landen ausgehende revolutionäre Strömung, die die Fdeale der Romantit
wegfhwemmte und am ihre Stelle den realiftifhen — wenigftens damals
tealiftifhen — Rolorismus der Mündener Schule einführte, niht der lekte
größere Einfluß der vlämifhen Runft auf die Entwidelung der Deutjchen
gewefen fein wird. 154 Bemälde und 46 Sfulpturen enthält die Aus-
ftellung.
om Treppenhaufe bat das Riefengemalde „De doode Zee“ von
Conftant Montald Aufitellung gefunden. Was nod befonders aufjallt
und fpeziell für den guten Befhmad der Crefelder, fiir deffen Ausbildung
der Lidtwark Crefelds, Here Direftor Denefen, fo erfolgreid) bemiibt ift,
ift die gefhmadvolle Anordnung des Banzen, in der jede Auffpeiherung von
Ausftellungsgegenftänden zu einem beunruhigenden Zuviel vermieden ift und
dem Auge überall Rubepuntte geboten find.
Arrangements von Blumen und Blattpflanzen und fprudelnde fontainen
bringen in das Bild eine erfrifhende, anmuthige Abwechslung, fo daß man
fid in den Ausjlellungsräumen bald beimifh füblt.
414
Deutfhe Kuni. ñ
Sresfen
von Safcha
Schneider.
Die neue Rice zu
-Cölln bei Meißen
foll ein großes Fresko⸗
gemälde erhalten, das
den Altarbogen aug-
füllen wits, Gafda
Schneider, dem. das
Bild übertragen ift,
wird demnächft mit der
Ausführung an Ort und
Stelle beginnen, nad
dem ex in feinem Atelier
die Entwürfe in der
Sfizze und drei Rartons
fertiggeftellt bat. Schon
jekt darf man fagen,
daß Schneider die Er-
wartungen feiner Anf-
traggeber niht ger
täufht und fdon im
Entwurf Döllendetes gefhaffen bat. Wenn es dem KRünftler gelingt, in der
Ausführung feines Bemäldes die feineswegs geringen tehnifhen Schwierig-
feiten 3u überwinden, jo läßt fh erwarten, dağ er Ah auf dem Gebiete der
religiöfen Monumentalmalerei als ein bedeutender Meifter bewährt. Kleine
Ausftellungen, die einige midelangeleste Uebertreibungen in der Behandlung
des Muskulöfen und die iiberreihe Ausfhmüdung einzelner Bewänder be-
treffen, werden durch die Bröße der Ronzeption des Banzen, die monumentale,
dekorative Wirkung und das fihere Beherrjchen der Formen und Fladhen zum
Schweigen gebradt.
Wenn Safha Schneider auh eine Heiligenmalerei im Sinne alt-
firhliher Runft bietet, fo wird feine vollendete Rompofition als ein Werf,
dem der Geift anferer Zeit innewohnt, dod niht weniger andadtig und
weihevoll wirken, als es jene im firdliden Feitalter gethan bat. Das
Gemälde bebandelt eine Szene aus dem jüngften Berihte nad einer
Schilderung der Apokalypfe. Gn der Mitte, von Himmelsglorie umftrabit,
duch die das Areuz in leichten Umtiffen vifionär fihimmert, fieht man den
Heiland, in tiefjter Erniedrigung über alle erhöht. Es ift ein fhöner, poelifch
deutjamer Bedankte, den gefreuzigten Chriftus als Richter der Welt auftceten
3u laffen, bei dejjen Anblid einem Gerhart Hauptmann's Worte einfallen:
„So aber treten alle wir ang Kreuz und, nod in Thränen, jubeln wir hinan,
wo endlid von der Sonne Strahl erlöft, der todte Heiland feine Glieder
tegt und ftrablend, lachend, ewiger Jugend voll, ein Giingling in den Maien
niederfteigt." Eine finnige Zuthat des Künftlers find aud die frifhen Kofen,
die an des Heilands Dornenfrone erbliiht find. Jur Linten von Gottes Sohne
fit ein Cherubim mit dem Schwerte des Berichtes, zur Redten ein anderer
der die Palme des Friedens trägt. Die breiten Flähen neben den beiden
Cherubim-Geftalten werden durd Engelfihauren ausgefüllt, auf der einen
Seite die Derfündiger der frohen Botfhaft der Auferftehung aller Berechten
als lihtvolle Gruppe mächtiger Pofaunenbläfer, auf der anderen die Poll-
ftreder der ewigen Derdammniß mit den apofalvptifchen Beftalten Tod, Krieg,
Peftilenz und Hungersnoth. Sie treiben als lebendige Gruppe, die Surd die
grandiofe Wiedergabe vehementer Bewegung padt, eine Schaar Ausgeftoßener
zum böllifhen Abgrund. Bis zur Einweihung der Rithe gedenkt Saſcha
Schneider wenigftens die Mittelgruppe, die Surd ihre feierlibe Rube
und ibe eindringlides Pathos vinen unvergeßlihen Eindrud macht, fertig
3u ftellen.
Iojef Rös', Füllung.
Berlin. — Don den Müblenbrud'jhen Gemälden für das Treppen-
baus des Rathbaufes ijt das dritte und legte vollendet, jo du das Treppen-
haus nah Iöjähriger Sperre in feiner Bejammtheit dem Verkehr wieder über-
geben werden konnte. Da auf Mühlenbrud's figurenreihem Bilde, dem man
feiner Kompofition und Auffaflung wegen nad einem berühmten Analogon die
fhöne Bezeihnung verliehen hat „Die Schule von Berlin“, über hundert Perfonen
dargeftellt find, wird fid Herr Mühlenbrud beeilen, als willfonmenen
Rommentar ein Derzeihniß der Derewigten aufzuftellen, das gedcudt und’ fiir
die Bejuder. auf der oberen Rathhaustreppe ausgelegt -wird. Man darf
wohl erwarten, daß die Mühlenbrud'fhen Treppenhausgemälde, wenn fie
auch nicht gerade großes Aufjehen erregen werden, doch eine günftige Auf-
nahme finden, die fonft der Berliner Runft nicht überall zu Theil wird. So
bat fle vor den Augen der Derbindung für biftorifhe Runft, die mit
ihren Erwerbungen diesmal mit einer einzigen Ausnahme Riinftler Ser
Müncener, Düfjeldorfer und Stuttgarter Schule beglüdt bat, reht wenig
Gnade gefunden. Dem ungeachtet bat die Derbindung, deren Mitglieder fic
aus allen Theilen Deutfhlands refrutiren, gerade in diefem Jahre eine fo
rege Thätigkeit entfaltet, daß man im der Art und Zahl ibrer Ankäufe, die
font Anlag zu manderlet Angriffen boten, eine Wendung zum GBünftigen
fonftatiren darf.
Die nenefte Ausftellung bei Schulte hat ein hochſommerliches Geprage.
Es hertſcht Ferienftimmung in ihr, die 3u Feinerlet intereffanten Distuffionen
anregt, fondern recht beruhigend wirft. Wenn die Ausftellung feinen fonder-
lihen Reiz für ein nur mach dem Neueften liiftermes Premierenpublifum
bietet, das gegenwärtig feine Unterhaltung und Ferftreuung dod anderswo
fudt und findet, fo erfreut fie dod) Surd) Meifterwerfe von Oswald
Adhenbadh, Georg Oeder, Lenbadh, Menzel, Pradilla, Piglhein,
Gabriel Maz, Paul Thumann und Eugen Fettel, lauter Riinftler,
über -Jeren Bedeutung üh nidt mebr ftreiten läßt. SelieBlid fonnen auc
Ahenbadh's Vefuymotiv, Pradilla's „Straße zum Heiligthum’, Mar's
„Büßende Magdalena" und vor Allem gerade feines Alters wegen Menzel's
„Masfenballfouper" aus dem Gabre 1855 dank der im Allgemeinen üblihen
Oberflidlidfeit im Fünjtlerifihen Geniefen immerhin als alte Neuigfeiten
gelten und interefjiren. ;
Münden. — Obwohl die beiden Mündener Ausftellungen in diefem
Sabre mebr als fonft in ftetem Wadfen begriffen find, fo daß ðurh ein
ununterbrodenes, fiir beide Deranftaltungen redht vortheilbajtes Hinzufommen
von Novitäten das Gntereffe des Publifums immer wieder aufgefrifdht wird,
darf man dod getroft refumiren, dah in feiner der beiden Ausftelluugen von
eigentliden ,,Sdhlagern die Rede fein fann. Das meift beachtete und meift
umftrittene Runftwerf ift und bleibt wobl Mar Rlinger's „Chriftus im
Olymp“. Fn der Ausftellung der Sezeffion find im Laufe ter legten Juli
wode von bedentenden neuen Werfen nod cingetroffen: von dem Parifer
Bildhauer Augufte Rodim die lebensgroße Figur des franzsfifhen Didters
Victor Hugo; von dem in Paris lebenden Finnländer V. Dallgreen
eine Marmorplafif „Iräumerei“, eine größere Bronze ,, Stolz und fünf
Fleinere Bronzen defjelben Künftlers; von Antonio de la Gandara in
Paris ein „Franenbildniß" in Bel, zwei Aquarelle ,,Cuilerienanfidten und
drei Zeihnungen „Fstauenflguren‘; von Peter Severin Krover in Ropen-
bagen zwei große Oelporträtse, das eine den dänifhen Didter Holger
Dradhmann, das andere den dänischen Scriftftellee Dr. S. Shaudorpb
darftellend; von Ernft Gerhard in Paris eine Landjhaft in Bel „Abend
auf dem flue". Don Mündener Künftlern bradten Leo Pus ein Oelbild
Das Marden vom
geftlefelten Kater‘
und Albert Ri-
hard Mayr ein
Bild „Rinder vom
Land gleichfalls
in Oel.
Wie der Ju-
wads nimmt auh
der Derfauf von
Runftgegenftänden,
deffen bisheriges
Refultat bereits ein
rect günftiges ge-
nannt werden fann,
nod immer feinen
fortgang. So
wurde vom bayeri-
fen Staate für
die Glyptothef er-
worben die Bronze
„Bogenfhüge* von
Emil Dittler
(Münden) und von
=)
74
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(90
Joſef Rösl, Füllung.
a LE TE ILO
Deutfde Run ft
415
Jofef Rösl, Freideforation.
der Sfulpturenfammlung Albertinum in Dresden die ,,Portratbiifte (Semper
idem)" in Gyps von Auguft Hudler (Münden). Alles in allem darf
man an der Hand von Runftberidten getroft behaupten, daß die Mindener
Ausftellungen immer noch über der Berliner Ausftellung fteben.
Dresden. — Zu fehen ift überall etwas und überall etwas Gutes,
fo daß man eine große, zufammenhängende Ausftellung nicht zu vermiffen
braudt. Bei der drüdenden Schwüle des Hohfommers, die in den Straßen
berrjcht, thut es fdlieBlid and viel wobler, wenn man an verfchiedenen
Stellen einmal erfrifhende Einkehr bei der Runft halten kann, als wenn
man fi in einer großen Markthalle erft müde läuft und fieht, ohne von
dem Allzuviel des Bebotenen auf leichte Weife zu einem eigentliden Genuk
zu fommen. Während eine Zeit lang hauptfählih der „Dresdener Runft-
falon" von Wolffram Surh die Rolleftivausftellungen von Peter
Jsedderfen, von dem unfere Galerie eines feiner beften Bilder, eine friefifche
Landfhaft, enthält, und dem Brüffeler Dictor Bilfoul, von dem fih fhon
mehrere größere Bemälde auf der vorjäbrigen internationalen Runft-
ausftellung befanden, das Gntereffe aller Runftfreunde beanfprudte, wird
diefes jet im der Hauptfahe urh die Bilder von der Wiener Jubiläums-
Ausftellung, die ihren Einzug in den Sädhfifhen Aunftverein gehalten
haben, abforbirt.
Eine fehenswerthe, wenn auh nicht fonderlih große Ausftellung birgt
aud der Saal der Neuerwerbungen im Rönigliben Rupferftihfabinet,
ndmlid) Meifterwerfe der Plafatfunft, von denen die quantitativ und qualitativ
zweifellos überwiegenden Arbeiten Dresdener Rünftler neben den beften
Blättern des Auslandes in Ehren befteben. Cin befferes Feugnif fiir die
großen Derdienfte, die Lie Dresdener Runft um die Entwidelung des Plafats
ih erworben hat, konnte man ih jedenfalls nicht wünfhen, als gerade diefe
Austellung. Georg Müller- Breslau, Hans Unger, Hermann,
Behrens, Otto fifdher, Fobann VW. Ciffar3z find mit beachtenswerthen,
oft ausgeseidneten Blättern vertreten, die namentlid) aud in techniſcher
Hinfidt außerordentlih befriedigen und den Beweis erbringen, daß aud in
diefer Hinficht Dresden im Platatwefen mit an der Spite marfehirt. Der
Gefammteindrud der Arbeiten ift um fo erfeeulider, als man faft aus allen
Blättern deutlih erkennt, daß das Wefen der Plakatfunft immer richtig
erfaßt und mit gutem Befhid duch Ausnügung Meiner technifher Trifs zur
Wirkung gebradht worden ift.
Düfeldorf. — Fn der ftädtifhen Tonhalle fand am 25. Juli die dies-
jährige ordentlihe Beneralverfammlung des Runftvereins für die Rhein-
lande und Weftfalen ftatt.
Im Derwaltungsberichte, der zur Derlefung fam, beißt es:
nom verfloffenen Derwaltungsjahre hat fih die Theilnabme an den Be-
ftrebungen unferes Dereins von allen Seiten ber abermals ganz erbeblid
vermehrt. Wejentlih größere Ankäufe von Runftwerfen für die Verloofung
und die in weiterem Umfange geübte Förderung Sffentlider Runftdenfmaler
dürfen diesmal befonders hervorgehoben werden, fie zeugen von der Be-
deutung, die der Derein für das öffentliche Leben, für die heimifche Runft
und die biefige Rünftlerfhaft in den leben Frbrzehnten feines Beftebens
erlangt hat. Das ftets fih mehrende Gntereffe am Kunftverein ift um fo
freudiger zu begrüßen, als ih damit zugleih ein wadfendes ntereffe an
der Runft überhaupt befnndet,
Die Einnahmen aus den Jahresbeiträgen, jowie den Zinfen der Depofiten
betrugen im verfloffenen Derwaltungsjahre 103 476,60 M., die allgemeinen
Ausgaben und die Derwaltungstoften 15 085,41 M., fo daß zur Vertheilung
auf die einzelnen fonds SS 391,19 M. verblieben. Mit dem 31. Oktober 1897
f&hloffen ab: Fonds A zur Befhaffung und Widmung von Runftwerfen
öffentlihen Charakters mit einem Beftande von 85 063,14 M., fonds B für
den Ankauf zur Derloofung mit 13 295,96 M., fonds C für die Dereins-
blätter mit 14 203,65 M., zufammen 112 562,75 M.
Jm laufenden Befhäftsjahre find aus den Mitteln des fonds A fiir
öffentlihe Zwede bis heute zur Zahlung angewiefen worden: 2225 M. als
legte Theilzahlung des Vereins für Ausmalung des Chores der Liebfrauen-
firhe zu Trier. 2000 M. als erfte Theilzahlung des Vereins für Herftellung
der Wandgemälde im Kreishausfaale zu Burtfheid-Aahen. 6500 M. für
das dem Raifer Wilhelm-Mufeum zu Crefeld geftiftete Bild von Julius
Roeting „Brablegung Chrifti. 1500 M. als erfte Theilzahlung des Vereins
für Herftellung eines Wandgemäldes in der Aula des ftädtifhen Neal
gymnafiums 3u Duisburg. 3500 M. als Prämien bei dem Weitbewerb um
die Ausfhmüdung des Ritterfaales im Schloffe Burg a. d. Wupper. 2500 M.
als weitere Theilzahlung des Vereins für Herftellung des Wandgemäldes im
Rathhausfaale 3u Bodum. 5000 M. als fünfte Tbeilzahlung des Vereins
für Ausfhmüdung Ses Diiffeldorfer Rathhausfaales. 6000 M. als erfte
Theilzahlung des Vereins für Ausmalung des Ritterfaales im Sdhloffe Burg
a. d. Wupper, zufammen 25 223 M.
Don den zum Ankauf von Kunftwerken für die Derloofung zur Ver-
fügung ftebenden Mitteln gelangten in der Sikung des Ausfhuffes am
26. Juni 50483 Mar? zur Derwendung. Die angefauften Runftwerfe:
70 Oelgemälde, 4 Aquarelle (darunter 2 als ein Gewinn), 5 plaftifhe Werke,
fowie eine Mappe mit 6 Blatt Radirungen von Maz Klinger (Prämiengabe
der Verbindung für biftorifhe Runft) und eine Mappe mit Photograpbieen
nad Werfen Guftav Rihters (Gewinn bei der Derloofung des Kölner Runft-
vereina) werden unter die Mitglieder des Vereins farungsgemäß verlooft. Don
Privaten wurden diesmal 17 Werke für insgefammt 24 400 Mark erworben.
Als Dereinsgabe wird im Herbfte diefes Jahres eine Stidradirung von
Profeffor Rrausfopf nah dem Gemalde frant Rirdbad's ,,Chriftus treibt
die Händler aus dem Tempel‘ zur Dertheilung gelangen. Die nädhftjährige
Dereinsgabe bildet ein Stih Fri Dingers nah dem Gemälde Hugo Beder's
„Sonntag Morgen".
Jm übrigen maht ih auh im biefigen Aunftleben der Hochjommer be=
merfbar; man verfhiebt viele nennenswertben Deranftaltungen auf den Beginn
der Winterfaifon, die in Siefem Fabre in der Runfthalle eine Ausftellung des
fünftlerifhen Yladlaffes von Benjamin Dautier eröffnen wird. Mit ihr
werden, um ein möglidft vollftändiges Bild von dem Schaffen des heim-
gegangenen Meiflers zu geben, Bilder, die fih im Privatbefize befinden, ver-
einigt werden. Als zweite Darbietung darf man wohl fhon jetzt eine Aus-
ftellung in Ausfiht ftellen, die den reihen Schatz an hinterlajfenen Runft-
werfen aus der Werkftatt Rarl Bebrts, einem größeren Publitum vor Augen
führt. Vielleicht ift diefes dann aud in der Lage, fic) an des Riinftlers Ent-
würfen für das Hamburger Rathhaus, die in der Skizze fhon das Befte
fein follen, was der zu früh dem Leben Entrifjene gefchaffen bat, eine richtige
Shätung feines ungewöhnliden Rönnens zu bilden.
Rarlsrube. — Fm Rupferftidlabinet ift cine Serie von Kopien der
Wandgemalde aus der Burgkapelle zu Zwingenberg a. MW. ausgeftellt. Diese
Nachbildungen eines Shakes mittelalterlider Runft, die Profeffor von Oedel-
bäufer geradezu muftergiltige nennt, geben ein Flares Bild von der fiinft-
lerifhen Ausftattung der Burgfapelle, deren Einweihung im Jahre 1424 er-
folgte, naddem fur3 vorber ihre Ausmalung vollendet war. Der Name des
Meifters ift nicht befannt, doh fann mit Sicherheit angenommen werden, dah
er der Ulmer Schule angehörte. Die Dede, ein Tonnengewölbe, ift mit einer
Rompofition, „Chriftus als Weltrichter‘, dekorirt. Am Abflug des Tonnen-
416
Deutfhe Rung.
gewölbes, über der Thiire, ift die Derfiindigung Marias; diefem Bild ent-
fprehend, an der gegeniiberliegenden Wand die Rreuzigung Chrifti. Unten
an der Rreuzigungsgruppe find rechts und Linfs die beiden Stifter des Bildes,
die Eigenthümer der Burg, Hans und Eberhard v. Hirfhhorn mit ihren
Gemablinnen dargeftellt. An den Langwänden find 5 Bilderreihen überein-
ander, wovon die unterfte leider zugeftrihen ift und bisher nicht bloßgelegt
werden fonnte. Während die beiden oberen Reihen in je 12 Felder eingetheilt
find und Einzeldarftellungen von heiligen Frauen und Männern enthalten,
fheint in der unteren Reihe die Tünde eine Rompofition, vielleiht ein Abend-
mabl, zu verdeden. Gn der Sftl. Langwand befindet fic eine Nijche, die
ebenfalls bemalt if. An diefer Langwand find Darftellungen von heiligen
Reiegern und von Heiligen fürftlihen Standes. Leider haben die Bilder im
Laufe der Jahrhunderte theils durch Witterungseinfliiffe, theils durd Menfden-
band fehr gelitten; die einft goldenen Heiligenfhreine, Riiftungen und Waffen
find braun geworden, ebenfo die im Hintergrunde angebradten goldenen
Sterne, die größtentheils abgefallen find und weiße fleden hinterlafen haben.
Trog ihrer Befhädigung und obgleich die figuren mehr oder. weniger zeichne-
tifhe Fehler aufweifen und in ihrer fteifen
Haltung nicht den beften Eindrud machen,
bildet die Rapelle ein harmonifhes Banzes,
deffen Zauber jedem empfänglihen Gemiih
unvergeßlid ift.
Die großberzoglide Runftgewerbe-
foule pielt am 29. Juli ihren üblichen
Schlußaftus. Dem bei diefem Anlag ver-
öffentlihten Jahresberichte der Anftalt ift
folgendes zu entnehmen: Die Schülerzahl
betrug im abgelaufenen Jahre 204. Der
Erweiterungsbau der Runftgewerbefchule ift
in der Ausfühung begriffen und es fonnte
3u dem verfügbaren Bauplaße noch der nad
der Riefftahlftraße gelegene Beländeftreifen
zugezogen werden. Lebterer ermöglicht eine
Derfdiebung des Yleubanes nad Weften;
der weiter verfügbare Plat foll zu einem
Studiengarten angelegt werden. für gut
gelöfte Konfurrenzaufgaben fonnten in
diefem Jahre 29 Schüler mit Preifen und
14 mit Diplomen bedacht werden. Bei dem
Preisausfdreiben der Refidenzftadt Rarle-
tube erhielten die Profefioren R. Eyth und
R. Gagel Preife, ebenfo Profeffor Rud.
Mayer bei einem Preisausfchreiben der
Stadt Dortmund den erften Preis und die
Ausführung. Das mit der Schule ver-
bundene Kunftgewerbemufeum bat einen
weiteren Zuwadhs von MS Nummern zu verzeichnen, ferner in zahlreichen
Gipsmodellen den Haupttheil des Fünftlerifhen Yadhlaffes von Profeffor
Heer. Unter diefen Zugängen, die namhafte Stiftungen des badifhen
Runftgewerbevereins, fowie folhe aus Privatkreifen enthalten, find die Gruppen
von Schmud, Bronze, Porzellan, favencen, Majolifen, Glas und Rtiftall
am ftärfften vertreten.
Köln. — Es ift befannt, daß Köln nod immer cin Hauptpla für
Hriftlide Runft ift, da gerade bier die alten romanifhen und gothifden
Stilüberlieferungen mit feftgewurzelter Sadfenntnif und gewiffenhafter Strenge
geübt werden. So ift es wohl erflärlih, daß die Erzthüren für den reftan-
tirten proteftantiihen Dom zu Bremen im fatholifden Rdln in Auftrag ge-
geben wurden. Dombildhauer Profefjor fuhs bat čie reid) mit Bildwerfen
geihmüdten Thüren entworfen und modellirt, Erzgießer Louis den Buß be-
werfftelligt. Das erfte Thiirpaar, mit Darftellungen aus dem Alten Teftament,
ift fcon feit längerer Zeit in Bremen. Jegt find zwei andere Flügel mit
Darftellungen des Nenen Teftaments von der Geburt Chrifti bis zum Pfingft-
fefte für die Ablieferung bereit.
Stuttgart. — Die hodfommerlidhe Ruhe wird im Württembergifhen
Runftverein im Begenjfat zu dem zunehmenden Fremdenverkehr anderer
Orte durd das Ausbleiben auswärtiger Gafte gekennzeichnet. Eine Aus-
ftellung, die der Saijonftimmung recht entfpricht, beherbergt die Halle Sea
Sandesgewerbemufeums, nämlich eine Reihe illufteirter Poftfarten. Wien mit
IJofef Rösl, Füllung,
feinen in Dreifarbendrud hergeftellten Künftlerfarten bat die führung und
läßt aud die Münchener „Jugend mit ihren Schnaden und Sdnurren in
mäßig guter Ausführung hinter ih. Berlin redet überhaupt faum mit,
Leipzig dagegen, das nod) iiber Dresden ftebt, umfomebr. Redt originelle
Saden in primitiver Holzfhnittmanier find aus Jena da. Die Entwidelung
der illuftrirten Poftfarte geht nadgerade etwas zu rapid vor ih; die Runft
maht fih 3umeift auf ihrem engen, neu eroberten Terrain zu breit und gönnt
der Schrift faum Raum zu einem Iatonifhen Bruß. Der eigentlihe Charakter
der Poftfarte als Mittel eines bündigen fhriftlihen Verkehrs gebt immer
mehr verloren und die Poftfarte dient, wenn man genan binfieht, immer
mehr Neflamezweden von Dereinen zur Ortsverfhönerung und Hebung des
Fstemdenverfehrs, Zeitfpriften, Dergnügungslofslen und Gafthäufern.
Hannov. - Münden. — Am 29. Juli hat die Cinweihungsfeierdes
ftddtifchen Mufeums ftattgefunden, das neben einer reihen Sammlung von
Alterthümern, die Bezug haben auf die Befchichte der Stadt Münden, in
dem größeren Theile feiner Räumlicpkeiten Entwürfe zu den Werken Profeffor
Eberlein's enthält. Profeffor Eberlein,
der in einem Dorfe bei Münden geboren
ift, hat feiner Heimath ein ganzes Mufeum
gefhentt. Es find in ihm faft fammtlicde
Schöpfungen des Riinftlers theils in
Originalen, theils in Modellen, theils in
Abbildungen zu finden, fo daß man feinen
ganzen Entwidelungsgang verfolgen fann.
Breslau. — Aus dem Verwaltungs=
beriht des Ruratoriums des Scle-
fifhen Provinzialmufeumsfür 1897/98
it Folgendes hervorzuheben: Die dem
Mufeum für Rechnung der Hauptverwaltung
überwiefene Dotation beträgt jabrlid
87000 Mark. Die Derwaltungsfoften be=
trugen 57 500 Mark, der Ueberfhuß von
29 700 Mark fowie die fonftigen Einnahmen
von 11950 Mark, o. i. 41 650 Mark, find
dem Refervefonds zugeführt worden, Hier=
von wurden verausgabt 9700 Mark für das
Gouadhebild „Die frau des fifhers‘" von
H. von Bartels, und für die Oelbilder
„Schimmel mit Birte" von Ch. Speyer
und „Sturm im Teufelsmoor von ©.
Moderfohn; ferner Jahresbeitrag zur
Verbindung für hiftorifhe Runft 150 Mark,
für die Vermehrung der Sammlung moderner
Runftwerfe und des funftwiffenfhaftliden
Apparats 10540 Marl, Gebalt und Reifefoften des Ronfervators Lutfd und
des Zeihners Ulbrid 6760 bezw. 4950 Mark, zur Herftellung des Bilder-
atlas fdlefifher Runftdenfmaler 4630 Mark, zufammen 36 750 Mark, Beftand
4920 Mark. frau Marie von Rramfta auf Mubhrau fihenkte fünf Oel—
bilder „„Frühlingsblumen“ von Alma Tadema, „Mandolinenfpielerin‘‘ von
Arnold Bödlin, Bödlins Bildnif von f. von Lenbadh, Pradsilla's
„ARömifhe Landfchaft mit Fiegenbirten und „Wäfcherinnen am Bade; Dr.
Franz Promnig die drei Belbilder Paul Braebsi, „Inneres der Kirche
zu Bamersleben“, f. Operbed's „Frühlingslandfhaft‘ und Julius
Scholtz's „Liebesorakel“. Der Befuh wurde an je zwei Sonntagen und
Wodentagen gezählt, als höchfte Zahl ergab fih der Befud) von 1400 Perfonen
am zweiten Welhnachtsfeiertzge, als niedrigfte die von 248 am 14. Dezember.
Die Sammlung der Bücher und Runjtdrude wurde von 2729 Perfonen be-
nußt. Zur Ausgabe gelangten 7052 Bande und 3230 Mappen. Jn der
Galerie fopirten 5 Herren und 37 Damen. Die Ausftellung von Bildern
moderner Meifter in Privatbefiz war von 28 Befigern mit 16] Bildern befdict.
Darmjadt. — Der Großherzog bat dem Rupferftidfabinet Ses
Mufeums Handzeihnungen älterer Meifter diefes Jahrhunderts wie Ludwig
Rihter, Ostar Pletfh, €. Neureuther, € von Steinle und R. von
Piloty, un einen Rupferftih von Alphonfe Lamott nah dem von der
Reiferin Friedrich gefhaffenen Bild einer Blumenverfauferin von San Remo
überwiefen. g
Deutfhe Runft.
417
Deutfche Aquarell:
ausftellung in Düfjeldorf.
Im Düffeldorfer Runftgewerbemufeum findet gegen
Mitte November diefes Jahres für die Dauer von
zwei Monaten eine große deutjhe Aquarell-
Ansftellung ftatt, zu der bereits die hervor-
ragendften Aquarelliften Deutjchlands ihre Theil.
nahme zugefagt baben. Durd fle wird ein intereffanter
Gefammtüberblid des gegenwärtigen Standes der deutjchen
Aquarellmalerei gegeben werden, deren Tehnit fid ja
bis zu einer folhen Dollfommenheit entwidelt hat, daß
fie in Ser Leuchtfraft der Farben und einer paftofen
Malweife, bei der im Gegenfak zur früheren lafirenden
und die Lichter ausfparenden Manier vorzugsweife Det-
farben zur Derwendung fommen, mit der Delmalerei Fonkurrirt. Bei Freilidt-
landfhaften it man fogar verfucht, dem ftumpferen Ton des Aquarells und
feiner durch Mifhung mit Dedweiß entftandenen kreidigen Wirfung den Vor-
3ug 3u geben.
Aud) die Malerei mit Wafferfarben hat fic) zu einer durchaus felbit-
fldndigen Runftart entwidelt und aufgehört lediglich, die Feidnung foloriftifh
3u beben; fie ift nicht mebr, wie fie es lange Zeit war und länger blieb als
die Delmalerei, Nebenzwed, fondern Selbftzwed geworden. Die ganze Per-
anfteltung geht von der Diiffeldorfer Hoftunfthandlung von Bismeyer
& Kraus aus. Das Jufammengeben eines Mufeums und einer Runft-
handlung, der häufig die geeigneten Räumlichkeiten fehlen, um eine größere
Austellung von längerer Dauer zu veranftalten, ift im vorliegenden Falle
nur gut zu beißen und wird gewiß eine Ausftellung von nicht geringer Be-
deutung zeitigen, um fo mehr, als ihre Fünftlerifhe Anordnung in den be-
wabrten Händen von Rünftlern liegt, wie: Profeffor €. Düder, H. Her-
manns, Profeffor A. Rampff, Profeffor Chr. Redner, Profeffor G.
Oeder, Profeifor Fri Roeber und Profeffor A. Schill. Hoffentlid
erfolgt auf die weiteren Einladungen, die Semnddft an die Künftlerfchaft
‚ergeben werden, nod eine lebhafte, dem guten Linternehmen würdige Be-
theiligung.
Gobelin-Weberei in Ftalien.
Dan? den Bemühungen einer hodberzigen Frau, Ser Grafin Cudino
del Mayno, ift in Umbrien nad faft vierzigjährigem Schlafe die Gnduftrie
Perugias, die Weberei der unter den Namen „Fiamme perugine“
befannten Stoffe wieder erftanden. Diefe „Fiamme peruginc‘‘ find eine
Art auf Handwebftüblen hergeftellter Gobelin, defen lange horizontale Fäden
— dem point de Hongerie ähnlid — prädtige, verjhiedenfarbig ge-
flammte Mufter zeigen. Die Gnduftrie erfreute fih im Zeitalter der Renaiffance
allgemeiner Beliebtheit, fo daß ihre Produfte Sie berühmteften Rirdhen und
Siirftenhsfe fhmüdten, wo fie verfdhiedenartigfte Verwendung fanden. Nod
beut zu Tage werden folde „Fiamme perugine“ in den Paläften von
Modena, denjenigen der S'Efte in Ferrara, fowie im Datifan be-
wundert. ls fid) jedoch Sem Welthandel neue Wege erfdloffen, febwand and
Perngias Reidthum, gleich demjenigen fo vieler italienifhen Städte. Die
erwähnte Weberei erhielt ih einzig im Frauenflofter der Derelitte, fümmerte
dort dur die Jahrhunderte weiter, bis endlid anlaplid der Befikergreifung
der Staliener im Gabre 1860 das Rlofter jelber aufgehoben wurde. Die
Nonnen und ihre Schülerinnen zerftreuten fid in alle Weltgegenden, während
die alten Webgeräthe der Ferftörung und dem Verfall anheimfielen; der einft
fo wichtigen Jnöuftrie fhien fomit der Todesftoß verfert zu fein. Ueberrefte
alter Peruginer Teppihe haben nun das nterefje der Grafin Ludino del
Mayno anf einer Reife durd Umbrien in fo hohem Grade erregt, dağ fie
befhloß, die verfhollene Jnduftrie wieder einzuführen und damit zugleich dem
verarmten Dolfe eine Erwerbsquelle zu erjhließen. Alte Bäuerinnen ver-
modten einige Andeutungen über die ehemalige Teppidfabrifation des
Rlofters zu geben; auh gelang es, noh die Leberrefte eines Webftuhls auf-
zufinden. Freilich Loftete es unendliche Mühe, die verdorbenen Geräthſchaften
zufammenzufügen, madzubilden und zugleich zu verbeffern, um fie den An-
forderungen der Neuzeit anzupaffen. Gndefjen das Beifpiel der Generalin
wedte die Nacheiferung, und bald hatte fle die Freude, zu fehen, wie ihr
Unternehmen von allen Seiten Theilnahme und Förderung erfuhr. So nahm
fic) ein hervorragender Maler der Sade aufs angelegentlidfte an, indem er feine
Hilfe bei der Zeihnung und Farbenzufammenftellung der Mufter lieh. Schließlich
fonnte eine Feine Weberei gegründet werden, in welder eine Schaar jugend-
lider Arbeiterinnen ihrem Werke mit derfelben Hingebung obliegt, wie früher
die Funftfertigen Nonnen. Die .‚„Fiamme perugine“, die in drei Qualitäten,
In Seide, Seide mit Wolle gemifht und bloger Wolle angefertigt werden,
fönnen als Vorhänge, Teppihe und Möbelbezüge zur Verwendung tommen
und erfreuen durd den Reidhthum und Schmelz ihrer farben, die orientalifchen
Urfprung verrathen. Fbre Mufter entftammen jener Zeit des 16. Jahrhunderte,
als Perugia lebhaften Handelsverfehr mit dem Hofe von Ronftantinopel
unterhielt und find auf die Einfuhr perfifcher und indifher Teppiche zurüdzuführen.
— Im Röniglihen Runftgewerbe - Mufeum in Berlin find von
der befannten firma Villeroy & Bod in Mettlah zwei Ornamentplatten
in farbigem Thon-Stiftmofait und gleichzeitig eine figürlihe Darftellung in
Glasmofaif ausgeftellt, als Probe von den Leiftungen Ser Fabrif aud auf
diefem erft in neuerer Zeit in Deutfchland gepflegten Runftgewerbe.
— Don einem neuen fresfoverfabren fprah neulid Direftor
Anton von Werner in Berlin in feiner Wfademierede. Es handelt ih
um wefentlide Derbefferungen, die man einem dänifchen Maler, Herrn Oskar
Matthiefen, verdantt. Der Erfinder hat in Berlin fein Verfahren einer
Anzahl hervorragender Künftler vorgeführt und erläutert, und Herr
von Werner bat von dem Rünftler zwei Proben, eine im geſchloſſenen
Raume, die andere im Hofe der Akademie ausführen laffen: der Erfolg war
bier vorläufig der, daß man die erft Tags zuvor entjtandenen Malereien felbft
mit Waffer und Bürfte nicht mehr herunterwafchen fonnte, Ueber das neue
Verfahren läft üh mittheilen, daß Herr Matthiefen anftatt des früheren
mebrfhihtigen Mauerpug nur eine dünne, freilich fehr forgfältig bergeridtete
Pusfhiht aus beftem Ralkmörtel verwendet. Als Bindemittel der Mineral-
farben dient eine Löfung von Aekkalt oder Ralfbpdrat in Waffer. Die innige,
abfolut baltbare Verbindung der Farben mit der erbärteten Mörteljhicht,
die die Luft nur langiam beforgte, bringt der Erfinder dadurch rafch
und fider zu Stande, daß er durd eine intenfive Einwirfung fomprimirter
Roblenfaure aus einem Apparat auf das eben getrodnete Gemälde den be-
fannten cdemifchen Prozeß befchleunigt, der durch Umfegung des in Waffer
leiht löelihen Ralkhydrats in unldsliden, foblenfauren Kalk den Ralktmörtel
in eine harte Sandfteinmaffe verwandelt und zugleih mit ihm die ‚Farben fo
innig und feit verbindet, daß fle gegen Regen und frot fid gleih un-
empfindlich verhalten. Bleichzeitig aber wird noch die bemalte raube Oberfläche der
Wand mit einer polirten Meinen Handrolte (aus Elfenbein) gepreft und geglättet, fo
daß fie and dem Staube der Luft minder ausgefegt ift. Das nene
Matthiefen'fhe Verfahren bat das Problem der modernen Freefotednif
überrafchend glüdlich gelöft. Es eignet ih überdies gleih gut für die Znnen-
und die Außenmalerei.
— Die Hope'fhe Gemaldeausftellung, beftehend aus 83 nieder-
ländifhen und flämifchen Meifterwerken, ift mit Zuftimmung des Ranglei-
gerichtshofes ihres Charakters ale unverduferlidhen Erbguts, von dem einem
zeitweiligen Befiger nur der Nießbrauh zufteht, entkleidet und von Lord
francis Hope an den Rélner Runfthändler Wertheimer fiir 121550 L.
verfanft worden. Der Verkäufer ift der Bruder des verftorbenen fedjten
Herzogs von Newcaftle, der einen fhlimmen Bermögensjhiffbrud erlitten
hatte, und Obeim des jeßigen Herzogs. Lord Francis hat zu dem familien-
namen Pelham Clinton den Namen feiner Mutter, der Erbtochter der aus
Holland eingewanderten familie Hope, angenommen. Don ibr und
ihrem Dater ftammt die Poftbare Bemäldefammlung und der Palazzo in
Picadilly, der das
Stammhaus der Her-
36ge von Newcaftle
werden follte, aber
jetzt fhon feit mebr
als 30 Jahren Sit
des Junior Athe-
näum Club ift.
Jofef Rösl, Füllung.
— Das Pren-
tenfabinet im Amfterdamer Reidhsmufenm befift bekanntlich
59 Rupferftihe eines Meifters aus dem 15. Fabrbundert, deffen Name
bis jekt unbekannt geblieben ift und der deshalb furzweg als „Meifter
des Amfterdamer Rabinets oder als „der Meifter von 1480" be-
zeihmet wurde. Schon verfihiedene Verfude find gemadt worden, um den
Schleier, der über der Perfönlichkeit und der Herkunft dtefes großen Rünftlers
liegt, zu lüften, aber man ift über Dermuthungen faum binansgefommen.
Die Anfiht, daß er niederländifcher Herkunft gewefen fei, weil er in gewiffer
Hinfiht als der Vorläufer der großen holländifhen und deutfhen Meifter des
16. Jahrhundert betrachtet werden fann, ift fo ziemlich aufgegeben worden, neuer-
dings neigte man der Anfiht zu, daß feine Heimath
in Siiddeutfhland gefuht werden müfje, wie dies
3. B. von Harzen und 1894 von Mar Lehrs
gefchehen ift, der für die Chalcographical Society
«usgezeihnete DVervielfältigungen diefes Meifters
herausgegeben bat. Einen Schritt weiter geht Dr.
Rarl Hadmeifter im der Fürzlih erfchienenen
Schrift „Der Meifter des Amfterdamer Aabinets und
fein Derhältniß zu Albrebt Dürer‘, wo verfuct
wird, den Nachweis zu liefern, wer der unbekannte
Rünfller gewefen fei. Die Beweisführung von Dr.
Hadmeifter ift folgende: Albreht Dürer muß
mit den Werken des Meifters von 1480 befannt gewefen
fein, da In den früheften Zeichnungen, Holzfdnitten und
Rupferftiben Dürer’s deffen Einfluß unverkennbar
ift, befonders ift dies bei einigen Feidnungen aus
dem Jahre 1489 zu feben. Da man nun weif, af
Dürer im Jahre 1490 eine große Reife madhte und
vor diefer Zeit in Nürnberg lebte, wo er feit 1486
Schüler von Midhel Wolgemut war, fo find diefe
Jahreszahlen infofern von Gewidt, als aus ihnen
bervorgebt, daß Dürer mit dem unbefannten Meifter
nicht während feiner Reife, fondern in Nürnberg Be-
fanntfhaft gemadt haben fann, woraus fidh die
weitere Schlußfolgerung ergiebt, daß entweder die
Stidhe des unbefannten Meifters bereits vor dem Fahre 1490 in weiten
Rreifen verbreitet waren, oder daß er felbftin Nürnberg wohnte und wirkte und
mit dem jungen Rünftler umging. Erftere Annahme ift nicht wabrfdheinlid,
weil man von diefen Stihen äußerft wenige Eremplare gefunden bat, fo daß
man wohl annehmen ann, daß nur einzelne Abdrude davon gemadt worden
find; es bleibt alfo nur übrig, den „Meifter von 1480" fiir einen Yiirn-
berger 3u halten. Yun hatte aber Michel Wolgemut einen Stiefjohn,
Wilhelm Pleydenwurf, einen hervorragenden Riinftler, der allge-
mein als ein Mitarbeiter an der befannten Nürnberger Welthronik gilt.
Eine Dergleihung der Stihe in letterer mit denjenigen des unbekannten
Meifters nöthigt nach der Heberzeugung Hahmeifter's zu der Sdhluffolgerung,
daß beide von einer und derfelben Hand herftammen, fo dag alfo Niemand
anders als Wilhelm Plepdenwurf der „Meifter von 1480" fein tann.
Wie man flieht, ift dies eine febr Fühne Beweisführung, deren objektive
Richtigkeit fhließlih von der zweifellofen Feftftellung der Thatfahe abhängen
wird, daß die Stihe im Amfterdamer Prentenfabinet und diejenigen in der
Weltdhronif von einer
und derjelben Hand
herrühren müſſen,
während aud die Mit-
arbeiterſchaft Pley⸗
denwurf's an der
Weltchronik ebenfalls
mit unanfechtbarer
Sicherheit erwieſen
werden müßte.
fa,
4
AR
g”
Jofef Rösl, Füllung,
Loewen ift eine in
künſtleriſcher Hinſicht
bedeutſame, auch für
das Berliner Mu—
ANTI
y
—
SP
Iofef Rösl, Füllung.
Deutfhe Runft.
— Gn der Stadt
feum werthvolle Ent-
dedung gemacht wor-
den. Die Petersfirhe
in Loewen bejaß das
berühmte Triptyhon „Das heilige Abendmahl", eins der herrlidften Werfe Ser
vlämifhen Malerfchule des 15. Jahrhunderts. Das mit der gefälfchten Unterfchrift
„Nemling‘ verfehene Mittelbild ift in der Petersfirche verblieben, während ein
Flügel (das Paflahmahl und Elias in der Wiifte) fid im Berliner Mufeum und
der andere Flügel (Abraham und Meldifedet und Mannafammeln) in Ser
Iofef Rösl, Füllung.
Mündener Pinatothef befinden. Man hatte diefes Meifterwerk der Reihe nad den
Malern Rogier Dan der Wepden, Joffe van Gent, Hans Memling,
Holbein und Cornelius Metjys zugefhrieben, erft im Fabre 1858 ftellte
der Arhivar der Stadt Loewen Van Even den wahren Derfertiger des
Gemäldes feft: es war Dierid Bouts aus Haarlem, in Loewen an-
faffig (1400 bis 1450). Ein Loewener Geiftlider,
der Difar Dan der Heyden, der mit der Ord-
nung der Archive der Petersfirhe beauftragt
worden war, bat nun jet den Rontraft auf-
gefunden, den die Brüderfhaft des heiligen Safra-
WE N mentes für die Ausführung des Triptyhons mit
Bouts abgefdhloffen hatte. Diejer Rontratt ftellt
feft, daß die Arbeit im März 1464 begonnen werden
follte; vollendet war die Arbeit im Februar 1468,
fo daß der damals 6S Jahre alte Meifter das
Triptvhon innerhalb vier Fahre vollendet bat.
Nod im februar 1468 wurde es in der Kirche
aufgeftellt. Auch die von Bouts eigenhändig und
mit fefter Hand gefdriebene Quittung ift jegt auf-
gefunden worden; fle it im Jahre 1468 ausgeftellt
und lautet: „Jh Thierry Bouts erkläre mich
befriedigt und vollftändig bezahlt für
das Werk, das ih für das heilige Safra-
ment ausgeführt babe. Als die Brüderfchaft
den Dertrag mit Bouts abjhloß, befag fie niht
das Geld für Bezahlung des Meifters, aber fie
wendete ih, da es ih um die Ausfhmüdung der
Haupttirhe der Gemeinde handelte, an die Ein-
wohnerfhaft. Gn den Redhnungen der Rirhe aus
dem Jahre 1466 findet man fromme Spenden für
diefe Arbeit. Go fpendete ein Bürger einen rheinifhen Gulden, eine frau
einen halben Goldthaler.
— Jn der „Chronique des arts et de la curiosité“ veröffentlicht
Eugen Münt einen Artikel über zwei bisher verborgen gebliebene Skizzen
von Leonardo ða Dinci zur Madonna in der felfengruppe. Die „Vierge
aux Rochers‘ gehört zu den foftbarften Bildern des Louvre in Paris und
die Runftgelehrten greifen mit Haft nad Allem, was mit dem berühmten Bilde
zufammenbängt. Die neu aufgefundenen Zeihnungen find nun, wie Münt mit-
theilt, vorbereitende Studien für diefes Wunderwerk itxlienifher Runft, die als
Stadien feiner Entwidlung zwar den Rartons zum heiligen Abendmable in
Weimar an Bedeutung machfteht, aber die Leonardoforfhung doh von un-
leugbarer Wichtigkeit find, und befinden fi in der Galerie Mancel zu Caen.
Dieje Balerie wird von den wenigften Runftfreunden befudt, und fo fommt ea,
daß die interefjanten Blätter bisher von den Büchern über Leonardo überfeben
worden find. Man fieht mit Spannung einer getreuen Abbildung der Blätter
entgegen, auf welde
Münt duch £.Mabil-
lean aufmerffan ge-
madt worden ift, ða-
mit man über ibre
funftgefhichtlibe Be-
deutung wenigjteng
eine einigermaßen an«
fhaulide Aufklärung
erhält.
Josef Rösl, Füllung,
Deutfde
Runft.
Preisbewerbungen und Perfdnliches.
— Zur Erlangung von Entwürfen für die zukünftige Ausgeftaltung
der Robleninfel in Münden, die jert der zweiten Kraft- und Arbeits-
mafchinen-Ausftellung überlafen ift, wird von der Stadtgemeinde Münden
ein öffentliher Wettbewerb unter den Architekten Deutfhlands ausgefdrieben.
Die Entwürfe, bei denen für die Wusgeftaltung und Bebauung der njel die
Erhaltung und Derfhönerung des landfhaftlihen Charakters befonders zu
beachten ift, find bis J. April 1899, Abends 6 Uhr, im alten Rathhausfaale
in Münden abzuliefern. Zur Dertheilung gelangen vier Preife von 1000,
750, 500 und 250 Mark; do bebält fih der Magiftrat eine Dertheilung der
Preife in anderer Abftufung fowie den Ankauf weiterer Entwürfe vor.
Jedenfalls ift die Aufgabe eine fehr dantbare und giebt einem phantaflevollen
Arditelten Gelegenheit zu einer eigenartigen, wirtungsvollen Schöpfung.
— Ein allgemeiner Wettbewerb unter den Arditeften Deutjclande,
Oefterreihs und der Schweiz wird zur Erlangung von Entwurfsffizzen für
ein in Köln zu errihtendes neues Stadttheater eröffnet. Die Skizzen
nebft deren Anlagen find, mit Merkzeihen oder Kennwort verjeben, bis zum
51. Oftober 1898, Abends 6 Uhr, an das Oberbiirgermeifteramt in
Röln portofrei einzufenden. Als Preife find ausgefert 5500, 2500 und
1000 Mark, die in jedem Falle zur Vertheilung tommen.
— Deutfhland wird auf der Weltzusftellung von 1900 feinen eigenen
Ausftellungspalaft haben. Don den neun Arditelten, die Pläne einfendeten,
wurden drei pramiirt und derjenige des Profeffors Thierfh in Münden
vom Reihsfommiffar Richter dem Weltangftellungstommiffar Picard vor-
gelegt, der ihn billigte. Der Plan it nah demjenigen des alten Rathhaufes
in Lindau am Bodenfee angefertigt. Die äußere Dekoration wird in deutfcher
mittelalterliher Gothi? ausgeführt.
Die Ronkurrenz um ein Amtsgebäude für die Handels- und Ge-
werbefammer in Reihenberg hat folgendes ARefultat ergeben: Der erite
Preis wurde dem Projekte mit dem Motto „Mikofh", das die Architekten Brankly
und Remges in Köln a. Rh. zu Verfaffern hat. Den zweiten Preis erhielt
Alfred Müller in Leipzig und den dritten Mar Freiherr von ferftel
in Wien. Angefauft wurde der Entwurf von Georg Dinllage in Berlin.
Den Projeften mit den Rennworten ,,Mercurins und „Handel und Gewerbe"
wurde eine lobende Anerkennung zu theil.
— Eine befondere Ehrung haben Berliner Riinfller dem Profeffor
Reinhold Begas zugedaht: die Widmung einer Handzeihnung Adolf
Menzels. Die Zeihnung weift verfchiedene Charakterköpfe auf, deren Jn-
baber das Nationaldenfmal betrachten.
aul Meyerheim bat drei große Bilder vollendet, die von der
frifchen Arbeitsfraft des Riinftlers zeugen. einen Papagei, der feinem
umgeworfenen futternapf zornig nadhjchreit, während fih Tauben der ihm
unzugängli gewordenen Nahrung erfreuen; den Umzug einer Bauflertruppe
duch ein Dorf und eine prädtige Szene aus dem „Familienleben eines-
Löwenpaares.
— Das Profefforenfollegium der l. f. Wlademie der bilden-
den Riinfte in Wien hat nad den „M. N. N.H dem Bildhauer Jacob Gruber
aus Hallein für fein Werk „Verſchüttete Bergknappen‘ den Rompreis,
verbunden mit einem Shwendenwein'fhen Reifeftipendinum zu 3600 fl. zu-
erkannt.
— Jofef Jsraäls, der Altmeifter der niederländifchen Maler, hat
die legte Hand an ein großes Gemälde gelegt: „David vor Saul, mit
welhem er [don vor fünfzig Jahren begonnen bat. Diejes Runftwer! madt
auf den Befhaner einen überwältigenden Eindrud. Rechts auf dem Bilde:
David, eine junge, lebensluftige, fvmpathifhe Figur; er fpielt die Harfe und
[haut finnend in die rofig leuchtende Ferne; vor ihm, flanfirt durd eine
SFtanenfigur mit tieftraurigem Gefidtsausdrud: Saul, eine imponirende Beftalt.
Schon häufig wollte der Rünftler fein Werk der Deffentlichkeit übergeben, doc
immer und immer wieder fand er, nad feiner Meinung, Mängel, welde ihn
davon zurüdhielten.
— Theodor Riek, der in der deutjchen Heilftätte zu LCofhwig ver-
ftorbene Bildhauer, war dadurh in weiten Rreifen befannt, dağ er die ähn-
lidfte aller Biiften von Raifer Wilhelm I. fhuf. Diefe Büfte bis zu einer
ftaunenswerthen Yaturtrene auszuarbeiten verdankte Rieg dem Umftand, daß
er mindeftens ein Eremplar einer Raiferbüfte in Marmor jtets fertig ftehen
haben mußte, damit fie nad den Weifungen des Berliner Hofmarfhallamtes
als Gefhent verfendet werden fonnte. Unanfhdrlid fonnte der Rünftler fo
Ueberarbeitungen und DVerbefferungen vornebmen. Riek ftand übrigens aud
in verwanttjhaftlihen Beziehungen zu Rihard Wagner, Rlara Shumann
und deren Halbfhwefter Marie Wied.
— Der berzoglid-braunfhweigifhe Hofmaler und Galerieinfpeftor a. D.
Adolf Barthel ift in Braunfdweig geftorben. Bejonders als Portrait.
maler genoß der im 80. Lebensjahre heimgegangene Riinftler einen hod-
geadteten Ruf.
— Jn Rheims ift vor Rurzem der Parifer Arkitett Pierre Jofeph
Edouard Deperthes im Alter von 65 Jahren geftorben. Der Rünftler,
welder im Fahre 1835 in Houdilcourt (Ardennes) geboren wurde, war der
Mitarbeiter Ballu's bei der Rirhe Saint-Ambroife in Paris und erhielt
mit Ballu zufammen für ihren Wettbewerbe-Entwurf für den Wieder-
aufbau des Stadthaufes in Paris den I. Preis. Gn der folge wurden die
beiden Architekten mit der Ausführung betraut. Mit Erfolg hatte fih
Deperthes an den Wettbewerben für die Bauwerke der Parijer Weltauss
ftellungen von 1878 und 1889 und für die Facade des Domes von Mailand
betheiligt.
— Charles Garnier, der berühmte franzöfifhe Architeft und Erbauer
der Parifer Broßen Oper, ift am 3. Auguft Abends an einer Aderverftopfung
pléglid in Paris geftorben. Den Bau der Oper vollendete der Derftorbene
nah zehnjähriger Bauzeit im Fabre 1867.
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II. 22.
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Deuffche Kunft.
Beiblatt: Das Hielier.
Jlhuftrirte Heitichrift für das gefammte deutiche Kunitichaffen.
Central-Organ deutfcher Runft: und Rünftler:Dereine.
Herausgegeben von
Georg Malkotuskn,
Schriftleifung und Berwalfung Berlin W.57, Sfeinmehftr. 26.
Alle 14 Tage erfheint eine Nummer.
Preis vierteljährlih 2.80 Mark.
Poftzeitungstifte Ar. 1174.
Alle 14 Tage erfcheint eine Nummer,
änferate: 40 Pfennige fiir die 4 ge-
fpaltene Nonpareille-Zeile.
Publifationsorgan des Deutfchen Runftvereins in Berlin, des Schleiifhen Runftvereins in Breslau, des Aunftvereins für das Broßberzogthum Heffen in Darmftadt, des Anhaltifhen Aunfts
vereins in Defjau, des Wiirttembergijden Runftvereins in Stuttgart, des Schleswig - Holfteinifchen Aunftvereins in Riel, der Runftvereine in Münden, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera,
Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Börlik, Danzig, Rönigsberg, Stettin u. a.
Ar. 22. 1. September 1898,
II. Jahrgang.
Das Germanifche Hationalmufeum in Nürnberg.
Pon Dr. M. Wingenroth.
DO‘ befannte Literaturhiflorifer Erid Schmidt hat einft
| willigteit wußte er feinen Plan zu verwirfliden. Er lieh
einen fleinen Auffat gefhrieben mit der Ueberfhrift:
der Anftalt zunädhft feine eigenen Sammlungen, die dann
„Die Entdedung Ylürnbergs“, worin er an einer Reihe
von merkwürdigen Beifpielen — u. U. Sulzer, Klop-
ftod, Semler, Nicolai u. f. w. — zeigt, mit welder Derftand-
niflofigfeit man lange Zeit Sen Denfmalern der alten Reids-
ftadt gegeniiberftand. Ert um die Wende des 18. Jahr-
hunderts begann fih der Sinn zu regen für Alt-Yürnberg. Und
je eifriger in unferem Jahrhundert das Studium der Befdhichte
gepflegt wurde, um fo mehr muds das DVerftändniß für das
fhöne Städtebild an der Pegnik, das von alten Seiten fo
deutlih zu uns redete. Gn der Stadt felbft war die Erinnerung
an die vergangene große Blüthe nie ganz verloren gegangen,
aber auch fie erftarfte immer mehr mit dem Ffortfchreiten des
19. Jahrhunderts. Um die Mitte desfelben begann dann ein
fränfifher Edelmann, Hans Freiherr von Auffeß, mit be-
mwunderungswürdigem Eifer die Ueberrefte alter Herrlichkeit zu
fammeln und dadurd viele vor drohender Dernihtung zu be-
wahren. Weit über den Rahmen eines engen Cofalpatriotismus
hinaus ging aber fein Streben. Seinem Geifte fcwebte der
Plan einer großen
Anftalt vor, die von
allen Epoden deut-
fher Runt un Rul-
tur beredt Zeugniß
ablegen follte, und
nad) langen, raftlofen
Bemühungen gelang
es ihm endlid, auf
einer 1852 zu Dres-
den unter Dorfiß des
Prinzen Johann,
fpäteren Rönigs von
Sadfen, tagenden
Derfammlung Seut-
fher Befhichts- und
Altertbumsforfcher
die Gründung eines
„Bermanifchen Na-
tionalmufeums**
Öurchzufegen. Unter
den fhwierigften Um-
ftänden und mit nie
verfagender Opfer-
Das Germanifhe Hationalmufeum von der Siidfeite.
fpäter gegen eine verhältnigmäßig geringe Entfhädigung in
den Befig Serfelben übergingen, und wußte das ntereffe
des deutſchen Volkes für diefelbe zu gewinnen — ein Jn-
tereffe, das feit jenen Zeiten immer mehr gewadfen und das
der finanzielle und moralifhe Halt des Mufeums geworden ift.
— Als dann Freiherr von Auffeg fih zurüdgezogen hatte,
trat Direftor Effenwein an die Spike Ser Anftalt, ein ganzer
Mann, der die Ausgeftaltung des Mufenms zu feiner Lebens-
aufgabe madte, welder er Zeit, Befundheit und Alles opferte,
der in fdwierigen Cagen üh niht foheute, die ganze Macht
feiner Perfönlichkeit in die Wagfchale zu werfen, und der mit
Redt alo zweiter Gründer der Anftalt genannt wird. Den ur-
fpriinglid etwas weiten und unfiheren Plan verwandelte er mit
Meifterhand in ein flares Programm, nad dem fic) arbeiten
ließ, und das er, wenn er es auch nicht zur endgiltigen Ausführung
brachte, weil das iiber Menfcenmiglidfeit ging, fo Sod fo
weit zu fördern vermodhte, daß man darauf weiter bauen fonnte
und daß jeder Tag die Anftalt dem großen Ziele näher bringt.
Diefes Ziel aber ift
fein anderes, als in
einem großen Mufeum
Denfmaler aller Epo-
hen und Ridtungen
deutfcher Runft und
Rultur 3u vereinigen
und fo ein unver-
gleihlihes Monu-
ment der Gefdicte
unferes Dolfes zu
fhaffen, das zugleich
neues Licht über leg-
tere verbreiten und
dem forfcher wie dem
Laien Belehrung und
Genuß verſchaffen
follte. Reine Rari-
täten -Rammer alfo,
fondern eine wiffen-
fhaftliche Anftalt mit
beftimmten Zielen —
vielleiht das erfte
Mufeum in Deutfd-
422
land, das auf Grund
derartiger Erwägungen
angelegt murde, und
das vorbildlih ge-
worden ift für eine
Anzahl feitdem neu
entftandener Samm-
lungen. Und wer jest
die Räume des Ber-
manifhen Mufeums
durchwandert, der
ftaunt darüber, was
bereits zufammenge-
bracht worden, der
ftaunt nod mebr, wenn
er hört, daß in faum
fünfzig Jahren diefe
große Anftalt gleid-
fam aus dem Yidts
gefhaffen wurde, die
jet neben den größten
Mufeen Europas ges
nannt wird. Denn ohne daß ein Anfangskapital vorhanden
war, it das Bermanifche Mufeum lediglih aus freiwilligen Bei-
trägen Deutfhlands entftanden. Nod) jet werden die Mittel
zum weiteren Ausbau aufgebraht — neben feften Beiträgen des
Reiches, Bayerns und Nürnbergs — urh die Opferwilligteit
deutfiher fürften, Gemeinden und Privaten, fei es Surh jährliche
Beiträge oder dur einmalige Gefthenfe. Mande edle Todten
endlih haben fih durh fhöne Dermädtniffe um die Anftalt
verdient gemacht, die fomit gewiffermafen vom deutfchen Volte
felbft taglid) neu gefhaffen wird. Deutfches Volf, hier felbft-
verftändlidy nicht nad den politifhen Brenzen, fondern im Sinne
der Spradenzufammengehörigkeit gemeint. Jhm gehört fie aud)
an, und fo prangen über dem Eingangsthor zu den Sammlungen
die Worte:
Wejtliher Hof.
„Eigenthbum der Deutfhen Yation*,
Sofort beim Eintritt in das Mufenm werden wir von be-
deutender Stimmung erfaßt. Reine einförmigen Ausftellungs-
räume liegen da vor uns — überrafht verliert fi der Blit in
einen langen Kreuzgang, einen der fchönften Deutfhlands, der
in einfahen formen gothifhen Styles erbaut ift und die Blüthe-
zeit unferer mittelalterlihen Baufunft würdig repräfentirt. Es
it der große Kreuzgang des ehemaligen Rarthäuferklofters von
Nürnberg. Urfprüngli im Thiergärtnerthor-Thurm ganz un-
zulänglid untergebradt, fonnte die Sammlung endlich in den
Räumen der alten Rarthaufe, die theils als Befchent der Stadt
Nürnberg, theils Surh Rauf in feinen Befig famen, eine würdige
Unterkunft finden. Das frühere Rlofter hatte feit dem Sieg der
Reformation in Nürnberg den verfchiedenften Zweden, aud den
profanften, gedient und befand fi zur Zeit der Uebernabme
durch das Mufeum in arg verwahrloftem Zuftande. Die naddfte
Sorge mufte alfo die Wiederherftellung des alten Gebäudes
fein, ĝas fih denn aud fehr geeignet erwies für die Aufftellung
der Sammlungen. Thätige Hilfe wurde dem Mufeum zu Theil
durd die Bunft des unvergeflihen Königs Ludwig I., welder
der Anftalt ein reges ntereffe entgegenbradhte und endlid) auch
das Proteftorat derfelben übernahm. — Bald aber wurden die
beftehenden Räume für die ftetig wahfenden Sammlungen zu
enge und fo fügte Direktor von Effenwein, felbft ein bedeutender
Arditekt, von dem Entgegenfommen der deutfchen Reihsregierung
unterftüßt, den alten Bebäuden neue hinzu, große Romplere mit
Höfen und Fleineren Rreuzgängen, im gleihen Bauftyle gehalten,
und man muĝ wohl fagen, es it ihm glänzend gelungen, die
Einheitlichkeit des Eindrudes zu wahren.
Als dann im Herzen der alten Reihsftadt ein neues Juftiz-
gebäude errichtet und zu diefem Zmwede das fhöne Auguftiner-
Rlofter niedergeriffen werden follte, gelang es, die nötigen Mittel
zufammenzubringen, das alte intereffante Bauwerf mit feinem
jhönen Kreuzgange an der Südfeite des Bermanifhen Mufeums
Deutfdhe Runf.
wieder aufzubauen und fo der Stadt und der Nahwelt zu
erhalten. — Meberbliden wir jetzt den Bebäudefompler, der eine
Art Meines Stadtviertel für fi) bildet, fo haben wir ein ab-
wedfelungsreidhes und ftets pittoresfes Bild vor uns. Aud Sem
Zauber des Innern mit feinen fhönen Areuzgängen, den Rirchen
und Rapellen, den Höfen und Hallen, die das Liht erhalten
durch fhöne alte und neue Blasfenfter, wird fic) fein empfindungs-
fähiges Bemüth entziehen fonnen. Obgleidh nidht zu leugnen
ift, daß mande Nadtheile damit verbunden find: eine fid) oft
ftörend bemerkbar madende Dunkelheit und eine gewiffe Unüber-
fihtlihfeit der Sammlungen. Das alles wird aber dody wohl
aufgewogen durch die eigenthümlidy poetifhe Stimmung, Sie
das Mufeum zum Liebling der deutfhen Nation gemadht bat.
Und man darf behaupten, daß diefe Stimmung faum anders
hätte erreicht werden fönnen: alles läßt fi eben nicht vereinigen,
und fcdlieBlid) ift gerade eine folhe Anftalt wie das Bermanifche
Mufeum nit nur für die Männer Ser Wiffenfhaft da, fondern
foll vielmehr im deutfhen Dolfe den Sinn für die große und
reihe Vergangenheit hervorrufen und fördern. Seltfam wird es
nun den Befucher, der über die Ausdehnung der Bebäulichfeiten
ftaunt, berühren, wenn er hört, daß diefe der Sammlung wieder
bedeutend zu enge geworden find. Und dod verhält es fih in
der That fo. gwei Neubauten find in Angriff genommen, auch
diefe nur das dringendfte Bedürfnif befriedigend; ob es in ab-
fehbarer Zeit gelingen wird, in größerer Ausdehnung Neues zu
fhaffen, läßt fid) nicht vorausfehen, aber hoffen darf man es
im ntereffe des Mufeums. Dann wird es wohl au möglich
fein, einzelne Abtheilungen wirkfamer aufzuftellen und das Studium
derfelben zu erleichtern.
Dod es ift Feit, endlid einen Fleinen Rundgang Surh das
Mufeum zu unternehmen. Wenn wir durd die Pleine Klofter-
pforte eingetreten, fo fteben wir zunädhft vor den uralten Denf-
mälern der vorgefhidtliden Seiten unferes Landes. Funde aus
allen Begenden Deutfehlands repräfentiren diefe dunkle Periode;
Steinwerkzeuge, fowie die vollendeteren Jnftrumente der Bronze-
zeit; alles in ftattliher Fülle vertreten. Nicht zum Geringften
gehören die Nefte uralter Gewebe; als folde für die meiften Be-
fucder allerdings nur durd die Auffhrift erfennbar. Ob und
welche Stiide diefer Abtheilung Erzeugniffe germanifher Race
find, wer vermag es zu fagen; nod find die Unterfuhungen
darüber nicht abgefdloffen.
Eine befcheidene, aber binreihend darakteriftifhe Gruppe
führt uns die Zeiten vor Augen, in denen die Römer über
Deutfhland herrfhten. Annäbernde Dollftändigkeit fann bier
nicht erftrebt werden; es muß dem römifch-germanifhen Zentral-
Mufeum in Mainz überlaffen bleiben, einegenauere Unfhauung diefer
Epoche zu geben. Weit reihlierfind die Heiten der Völkerwanderung,
der Mevoringer und Rarolinger vertreten, jene Seiten, in denen fic
eine originale Orna-
mentit 3u regen be-
gann, wabrend man:
zugleih, wenn aud
vielfah ungefhidt,
die von den Römern
übernommenen Ted-
nifen und formen
verwerthete. Dor
Allem fefjelt uns bier
eine der neueften Er-
werbungen des Mu-
feums: ein eiferner,
mit vergoldetem Sil-
berbled) überzogener
Helm, der vor furzem
in der Gegend von
Augsburg ausge-
graben wurde, vers
mutblih aus der
Völkerwanderung
ftammend, ein Zeuge
Oeftlidher Hof mit Auguftinerflofterbau,
Deutfhe Runft.
423
alfo jener gewaltigen
Kämpfe, in denen fid
die deutfchen Stämme
ihre endgiltigen
Wobnfige erjtritten.
ou dem großen
Kreuzgange, deſſen
Linien den Grundrif
des genannten Mu-
feums beberrfchen, hat
eine in ibrer Art
einzige Sammlung
angemefjene Auf-
ftellung gefunden: eine
große und wohl aus-
gewählte Anzahl von
Grabdenfmalern aus
allen Zeiten deutjcher
Gefhihte in” Ab-
güffen. Wir jehreiten
vorüber an den Be-
ftalten von Bermanen
die in römischen Dienften ftanden, Ronigen, Bifdhsfen, Wdligen
und Bürgern — id nenne vor Allem Heinrich den Löwen
und feine Gemahlin, Kaifer Mar, den legten Ritter, Luther
u. f. w. — bis an das Ende des fiebenzebnten Jahr-
bunderts; vorüber am einer Fleinen, bochintereffanten Gruppe
von Bronze-Epitapbien, wie fie Nürnbergs berühmte Ruhe-
ftätten den St. Jobannise und St. Rochus - Friedhof, die
Gräber der Dürer, Pirdheimer, Difcher und Jamniger zieren, und
finden endlid in dem fohönen Hofe bezw. Barten des Kreuz-
ganges unter dem Schatten mächtiger Bäume eine Reihe von
Originalgrabfteinen aus dem IS. Jahrhundert in den Formen
des Barot und Rofofo, die uns auc durch den Ort ihrer Aufitellung
an jene melandolifden, alten Friedhöfe erinnern, wie den von
Frankfurt, auf welchem Goethe's Eltern ihren legten Shlaf thun.
— Jn diefen treneften monumentalen Gllufirationen, wenn man
fo fagen darf, wird uns die deutfhe Befhichte vor Augen gee
führt und zugleih ein werthvolles Material geboten für die
Gefhichte des Roftüm- und Waffenwefens, ganz befonders aber
der deutfchen Plaftit, für deren Studium allerdings noch weiterhin
geforgt if. An der Oftfeite des Rreuzganges gruppiren fih um
einen Pleineren Kreuzgang, den Rolandshof — jo benannt nad)
einer Nachbildung der Statue Rolands des Riefen am Rathhaus
zu Bremen — eine Reihe von Räumen, die der Unterftügung
des damaligen Kronprinzen Ftiedrih und der Kronprinzeffin
Diftoria ihre Entftebung verdanfen, Sie tragen den Namen
ihrer hoben Stifter
und enthalten eine
große Anzahl von
Gypsabgiiffen nab
dentjher Skulptur,
von den Erxterjteinen
bis zu den Rrieger-
masten Sclüters.
Es ift ja heutzutage
faum mebr möglid,
Originale alter
Steinplaftit zu er-
werben, gefhweige
denn eine Original-
fammlung _berzu-
ftellen, an der die
Gefdhidte der deut-
fıhen Skulptur voll»
ftandig ftudict were
Sen fann. Und da
die. Anftalt alle
Epoden deutſcher
Runft illuftriren
Wittelsbacher Uhr.
Kreuzganggarten,
will, fo tritt bier Ser Bypsabguß bilfreih ein. Dielfady in Nlad-
ahmung ðes Originales heller oder dunkler getönt, dann, aber aud)
nur dann, im Stande, die Anfhauung der Originale einigermaßen zu
erfeßen. Man denke nad alledem nicht, daß das Mufeum nur Nad-
bildungen deutfher Bildhanerarbeit befitt; in den hellen, Iuftigen
Räumen der ehemaligen Rarthäuferfirhe ift eine Sammlung von
Holzftulpturen aufgeftellt, die ihresgleichen fucht. Hier findet fidh
aud) eine große Kollektion von Rirdengerdthen, Relden, Mon-
ftranzen, Reliquienfdreinen, Aquamanilien u. f. w., die neuerdings
durch ein duferft werthvolles Stüd, die in Silber getriebene,
mit Bold und Edelfteinen verzierte Reliquiarbüfte des hl. Jeno,
eine Stiftung des Probftes Ladislaus von Ahdorf an die Stifts-
fire zu Jfen in Oberbayern, vom Jahre 1467, vermehrt werden
fonnte. Jn dem Erdgefhoß haben ferner Plaş gefunden die
Möbel der Gothif und Renaiffance, die Goldarbeiten, Majolifen,
‚Favencen, Porzellane und Glafer und endlid) — eine der voll-
ftändigften Abtheilungen und in diefem Reidhthum wobl taum
mehr anderswo anzutreffen — die Oefen und Ofentadeln, mit
das Scönfte, was uns das Runflgewerbe unferer Vorfahren
hinterlaſſen.
Deutlicher noch als in den eben angeführten Hausgeräthen
tritt uns das häusliche Leben der früheren Jahrhunderte vor
Augen in den ſogenannten
„altdeutſchen Zimmern“,
welche, auf der Oſtſeite des
pittoresken Waſſerhofes an-
gelegt, bis in die Einzel-
beiten getreu, Tiroler,
Schweizer, Nürnberger und
Rheinifhe Stuben aus den
verfhiedenften Seiten in
durhaus originalen Stüden
darftellen. Diefe trauliden
alten Zimmer feffeln vor-
zugsweife die Aufmerkfam-
feit des Publifums, und
das bier gegebene Beifpiel
hat vielfach Nachfolge ge—
funden. — Hier an der Süd⸗
ſeite der ganzen Anlage, in
den Räumen des alten
Auguſtinerkloſters, finden
wir auch die Waffenfamm-
lung des Muſeums. Die
meiſten Stücke, darunter
einige Meifterwerfe der Nürnberger Platnerkunft, ftammten urfprüng-
lih aus dem Zeughaus der alten Reihsftadt, waren in den napo-
leonifhen Kriegen nad ©efterreih gekommen nnd dort vielfad
in Privatbefig übergegangen. Midt lange vor feinem leider allzu.
frühen Tode gelang es noch Direktor von Effenwein, einen großen
Theil der ehemaligen Feughausbeftinde aus dem Ffürftlih Sul-
fowsti’fhen Befig wieder zu erwerben und nad Nürnberg zurüd-
zubringen.
Steigen wir nun zum erften Stodwerf hinauf, fo treffen
wir zunähft auf das pharmazentifhe Hentralmufeum: eine alte
Apotheke „zum Hirfhen‘* in vollftindig erhaltener Einrichtung
erregt unfer hödftes Gntereffe, daneben eine pbarmazeutifche
Materialfammer und eine Kräuterfammer. Endlih das reid
ausgeftattete Laboratorium eines Chemifers oder Alchimiften
früherer Zeiten: „mit @läfern, Büdhfen rings umftellt, mit
nftenmenten vollgepfropft‘, das fiherlih in Jedem den Gee
danken an fanftens berühmtes Studierzimmer erweden wird.
An einer Abtheilung wiffenfhaftliher Jnjtrumente, Globen zc.
vorüber — bier denn aud) die Ubrenfammlung mit einer An-
zahl von Nürnberger Eiern — gelangen wir links in zwei nen
eingerichtete Räume von großer Anziehungskraft. Ein be-
fonderes Simmer bat die Denfmäler der alten Jünfte aufge-
nommen. Die oft rei) gefehnitten Zunftladen, die Hunftbecher
und Fahnen, Bilder und dergleihen mebr erinnern uns an die
ehemaligen Jnnungen und ihr ftreng geregeltes Erwerbsleben.
= a rere F
i Hag t,
FY, R
Becken mit Waſſerhof.
424
Deutfhe Runf.
Daran fchließt ſich der
Spielfadenfaal an. Zum
Theil febr fein ausge-
führte Puppen, Blei-
foldaten von den primi-
tivften formen an und
Anderes mehr Fönnen
faft in dem Erwadhfenen
den Spieltrieb wieder
wadrufen. Dor Allem
erregen aber unfere Auf-
merkfamtfeit fünf große
Puppenhäufer von 1 1/,
bis zu 21/, m BHöbe,
in fo ftattlider Anzahl
eine Seltenheit erften
Ranges; dabei von
böcftem funjt- und
kulturgeſchichtlichem In—
tereſſe, denn durch drei
Stockwerke hindurch
zeigen ſie uns die ge—
naue Cinrichtung der alten Nürnberger Häuſer in den verſchieden—
ſten Variationen bis ins Kleinſte, bis auf Schüſſeln und Ge-
ſchirre getreu.
Verlaſſen wir dieſe Räume, ſo treten wir in die Gemälde—
galerie ein, welche, wenn auch nicht reich an Meiſterwerken erſten
Ranges, in großer Vollſtändigkeit die Entwickelung der deutſchen
Malerei darlegt. Einige Hauptbilder der Nürnberger Schule,
ſo der aus der Werkſtatt Wohlgemut's, des Lehrers eines Dürer,
hervorgegangene Peringsdorfer Altar, von dem wir zwei Flügel
in der Abbildung wiedergeben, verdienen ganz beſondere Be—
achtung. In denſelben Sälen iſt eine ausgewählte Anzahl von
Medaillen und Plaquetten ausgelegt. — An einer langen Reihe
von Koſtümbildern, die eine Ergänzung bilden zu der Koſtüm—
ſammlung, und den ausgeſtellten Proben der Kollektion alter
Gewebe vorüber, gelangen wir zu der Abtheilung der Muſik—
inſtrumente. Blas- und Streichinſtrumente, Spinette, Klaviere,
legen beredtes, allerdings ſelten mehr wohltönendes Zeugniß ab
von der ſtetigen Entwickelung der Tonkunſt. Einige von ihnen
ſind künſtleriſch geſchmückt.
Mit dem Muſeum iſt noch eine Bibliothek verbunden, die
ſchon jetzt an 200 000 Bände zählt, worunter werthvolle Jn-
Friedrich Wilhelmbau.
kunabeln. Die neuere Literatur, durchaus Geſchenk der deutſchen
Autoren und Verleger, iſt ein ſchöner Beweis für die Freigebig—
keit derſelben; ferner ein Archiv, das manche werthvolle Schätze
vor der Verſchleuderung gerettet hat, und endlich ein Kupferſtich-
kabinet. Aus dieſen drei Abtheilungen liegen in zwei Sälen
charakteriſtiſche Proben aus, geeignet, die Entwickelung von
Schrift und Druck durch die Jahrhunderte anzuzeigen.
Der Leſer dieſer Zeilen, der Nürnberg nicht kennt, wird
überraſcht ſein von der Reichhaltigkeit der Sammlungen und
doch haben wir noch manche intereſſante Abtheilung mit Still—
fhweigen übergangen; fo die alten Bucheinbinde, das Handels-
mufeum ıc. Noch größer iff das Staunen des Befuchere, der
bäufig nicht darauf gefaßt ift, in Nürnberg eines der größten
und erften deutfchen Mufeen zu finden, ein Mufeum vor allem,
das fo eigenartig it in feinen Bebäulickeiten und in der Ju-
fammenfegung feiner
Sammlungen. So reid
legtere aber aud) er-
fheinen mögen, nod ift
man weit entfernt, das
erftrebte Ziel erreicht zu
baben: ein, aud) nur
in den großen Zügen,
vollftändiges Bild deut-
fher Runft- und Kulture
sefhichte zu geben. Aber
die Liebe des deutjchen
Dolfes wird der Anjtalt
erhalten bleiben und
man darf niht daran
zweifeln, daß die frei-
gebigfeit aller Keeije
der Nation es ermög-
lihen werde, immer mehr
dem großen Ziele nahe-
zufommen. Aud die
Stadt Nürnberg, Sie fo
viel für die Anftalt ge-
than und deren große
Sammlungen 3u den widtigften Beftänden des Mufeums gehören,
wird ja nie vergefjen, welh' werthvolles Beiden? ihr die deutfche
Nation gemadt hat und nod immer macht, indem fie dies Kleinod
der Rubmesfrone Ser alten Reichsftadt einfügte.
Großer Kreuzgang.
Moderne religiöfe Kunft.
Ein Blid auf das Schaffensgebiet der bildenden Runft vergangener
Heiten überzeugt uns, daß die Mehrzahl ihrer Dentmale religiöfen Charakter
trägt. Die Runft aller
Rulturpölfer ftand fo
lange in ihrer Blüthe, als
fie religiös war, und
ging nieder, fobald fie
Profanem den Vorzug
gab. Es ftände übel mit
der heutigen Runft, wollte
man aus diefer Beob-
adtung heraus einen
Schluß auf ihren inneren
Werth ziehen; denn ibr
Wefen ift überwiegend
profan, foweit es fih in
unferen großen Runftaus-
ftellungen erfaffen läßt.
Im Sinnenzauber ciner
intimeren farbengebung,
im Streben nah Wahr-
heit der Form ift die reli-
giöfe dee verblaßt. Die
Romanijhes Portal, Klofter Heilsbronn,
chriftlide Runft bat die führende Rolle verloren und die eines Afhenbrödels
übernommen. Warum? Die Runft als Quintejjenz fultureller Ergebniffe,
als stimulans ihrer Zeit ift aud dem fortwabrenden Wedfel im großen
Entwidelungsgange alles Menfcliden unterworfen; fie würde ihre Fulturelle
Bedeutung und Wirkfamkeit verlieren, wenn fie fi den Folgerungen jeweiliger
Geiftesrihtung verfhließen wollte, um in der Tradition zu erftarren. Diejes
fonfervative Derharren bei Stilarten früherer Heiten, ihre reftanrirende Tendenz
find es, die der religiöfen Runft ihren Einfluß genommen haben. Wir baben
aber neben diefer Fonventionellen Runft bereits Anfäte, und zwar ganz be-
deutende zu verzeihnen, in denen aud) die religidfe Aunft den Anforderungen
des modernen Zeitgeiftes zu entjpreben fucht, indem fie dem allgemeinen
Derlangen nah mehr Lebenswabrheit, mehr Fndividualitéat und Charakter
entgegenfommt, ohne darum jede metaphyfifhe Beziehung auszufchliefgen.
Wollte fih die Rirhe gegen eine foldhe Runft nicht länger ablehnend ver-
halten, wollte fie die Rünftler nicht länger zu Anlehnungen an die Dergangen-
beit zwingen, fie fönnte an ihnen Bundesgenoffen gewinnen, die es durch
Werfe des Pinfels und des Meifels vermögen, die ewigen Wahrheiten und
Geheimnifje des Chriftenthums dem gläubigen Bemüthe wirkfamer, rafher nabe
zu bringen als das begeiftertfte Wort des Predigers. Aber leider balten
aud) Manner, die von diefer Einficht erfüllt und von beftem Willen befeelt
find, diefe Runft, in der ein Uhde die Ubiquitäten Chrifti in seitgemafier
Form betont, für eine pfeudo-religiöfe. Wenn der Feftredner auf der am
S. und 9. Auguft in Ravensburg ftattgehabten 6. Beneralwerfjammlung
der Deutfhen Befellfhaft
für criftlide Runft, Pro-
feffor Dr. P. Albert
Rubn aus Einfiedeln in
dr Schweiz, an einer Erz
fleinung wie Ubdse vor-
übergegangen ift, fo ift das
erklärlich, da Uhde in aus-
geſprochen proteſtantiſchem
Sinne ſchafft; eine Prüfung
der in verſchwindend kleiner
Anzahl auf unferen Runft-
ausftellungen vorhandenen
religiöfen Runftwerfe jedoch
fonnte während der legten
zehn Fahre darüber be-
lehren, daß fih auh die
katholiſche Kunſt loszu—
löſen ſucht von der Ueber—
lieferung, um aus der
Gegenwart zu [höpfen und
im Anlehnen an beredtigte
Zeitftrömungen eine den Zeitgenoffen verftändlihe Sprade zu reden.
Es wäre zu wünfhen, wenn es fic) die Befellfhaften und Dereine für
Hriftlihe Runft, ob proteftantifh oder katholiſch, angelegen fein ließen,
folhe Beflrebungen zu unterftügen, und fih entjchließen Ponnten, bei der
Zufammenftellung ihrer Jahresmappen und Auswahl von Prämtenblättern
aud) die moderne chriftlihe Aunft zu berüdfihtigen und damit zunädft
als religiöfe und firdhlide anzuerkennen. Wenn fie alle das Programm der
„Deutjchen Befellfhaft für riftliche Runft“, wie es Profeffor Ruhn in feiner
Rede entwidelte, zu dem ibrigen madten und fih ohne Einfeitigfeit, Eng”
herzigfeit und Ausfchließlichkeit feft und beftimmt auf den Boden der Begen-
wart ftellten, erft dann dürfte man ihnen nadfagen, daß fie fih die Pflege
teligiöfer Runft und der Runft im Allgemeinen in verdienftvoller Weife zur
Aufgabe gemadt haben.
Dolle Anerkennung und Nahahmung verdient die Anregung, die im
sefhäftlihen Theil der Ravensburger Beneralverfanmlung vom zweiten Vor-
figenden ausgegangen ift, den vierteljährlich erfcheinenden, mehr gefhäftliden
Publifationen der Geſellſchaft Auffäge über aktuelle, tünftlerifhe Fragen
anzubhängen.
Als gleichzeitige Beftrebungen, das ntereffe für Firhlihe Runft wieder
3u weden und Rünftler und Runfthandwerfer anzuregen, ih in das Wefen
hriftliher Runft zu vertiefen, um jchöpferifh mitzuwirken für die Erhaltung
der Religion als einer feften Stütze des Dolfes gegen geijtigen Nihilismus,
find zwei Ausftellungen firdhlider Runft hervorzuheben, die Krefeld und
Münden veranftaltet haben. Um den Befuchern der Krefelder Ausftellung
Gelegenheit zu bieten, neben Werfen von Meiftern der firchliden Runft der
neueften Zeit, die im Hinblid «uf ältere, muftergiltige Vorbilder mit tieferem
Derftändniß niht auf dem breitgetre-
tenen Wege der fabrifmafigen Prage,
der Stange und des Buffes hergeitellt
find, vor Allem auh die altere Runft
in einer Reihe von muftergiltigen Vor-
lagen aus der Blüthezeit des deutjihen
Runftbandwerfes fennen zu lernen, find
in einer befonderen Abtheilung her-
vorragende KRunftfhöpfungen vergan-
gener Tage, insbefondere aus den Gee
bieten der Metallinduftrie und der mittel-
alterlihen Paramentif zur Anfbruung
gebraht. Wie es von dem Bauptorte
der Seiden- und Sammetfabrik.ition zu
erwarten war, find die Erzeuguijje der
Paramentenfabrifanten Krefelds neben
einer langen Reihe der practvolljten
tertilen Ornate des Mittelalters vom
11. bis zum 16. Jahrhundert und ferner
aud die Schule, die fic) unter der
Leitung des Hiftorienmalers Stummel
in Revelaer 3u hober Blithe ent=
Hof des Oftbaues mit Bremer Roland,
Deutfhe Runft.
Wittelsbaher Hof (Uugujtinerflojter).
425
widelt bat, mit vorzüglihen Leiftungen der Stiderei, Boldfhmiedekunft, Glas-
mofaifen, Skulptur und Malerei vertreten. Der Rardinal-Erzbifhof Dr.
Rremeng bat befonders ausgewählte Ornate der erzbifhöflihen Privatkapelle
zur Derfügung geftellt. Da die Maffenerzeugniffe der fabrif und unfünftlerifche
Halbwaare ausgefhloffen find, madht die reichhaltige Ausftellung einen
gediegenen und vornehmen Eindrud, .
Wenn in Krefeld, wo der Mangel an einem größeren feften Raume
eine lofale Einfhräntung gebot, in der Hauptfade der Pulturhiftorifche
und Funftgewerblihe Charakter gewahrt geblieben ift und in Riidfidt auf die
Rrefelder Gnduftrle vor Allem Bewidht auf Paramente gelegt worden ift,
fo ift in der Ausftellung in den Raimfälen zu Münden aud der modernen
Malerei dadurch Rechnung getragen worden, daß die befannten Chriftus-
darjtellungen moderner Meifter Aufnahme gefunden baben, die von Ronful
Bierd den Auftrag hatten, ein Bildnig Chrifti zu malen, das „aus der
Tiefe ihrer religiöfen Anfhauung entfprungen, der Dorftellung jedes gläubigen
Chriften verftändli fei. So intereffant diefer Theil der Ausftellung der
verfhiedenen perjönlihen Auffaffung wegen nod immer fein mag, im Jntereffe
firhliher Runft hatte man die erneute Zufammenftellung diefer mehr
fenfationellen als tief religiöfen Bilder, die an dem einmal wenig befriedigenden
Refultate nichts mehr ändern Pann, vermijfen fönnen.
Wenn ih fhließlih noch die Ausftellung für driftlide Runft am Dombof
zu Röln erwähne, die in der
legten Zeit eine ganze Reibe
von Begenftänden alter und
moderner Runft dargeboten
bat, wie eine große prädtige
bodgothifhe Monftranz von
Johann Dir in Bonn,
fön getriebene gothiſche,
fchmiedeeiferne Thürbejhläge
von dem Kölner Runft-
fhmiedemeifter G. Junge
bluth, eine Stola in mo-
derner formenreicher Arbeit,
welde von den funftfertigen
Bänden der Schweftern vom
Rinde Jefu in Aachen gefer-
tigt ift, u. a. m., fo Fnüpfe
ih daran den Wunjc, daß
in entfprehender, Weije aud
die Runft und vor Allem
die moderne Runft mehr und
mehr Einzug balte in die
proteftantifhe Aiche, damit
dort, wo das unauslöfhlihe metaphyfiihe Bedürfnig des Menfchen und feine
Sehnfuht nad Dollfommenheit Befriedigung fucht im der Lehre Chrifti, fie
diefe aud findet in der zeitgemäßen Erfheinung der Schönheit, in der die
bödhften menfhlihen Zdeen Geftalt gewinnen, jedem verftändlid und jeden er-
bebend vom Boden der Alltäglichkeit in
die höhere Sphäre eines reinen, fee-
lifhen Empfindens. _
Dağ übrigens auh auf lutherifder
Seite ih erfreulihe Beftrebungen zur He-
bung Ser Firhlihen Aunft bemerkbar
machen, dafür [pridt wenigjtens eine Aus-
ftellung firblider Runft- und Ausftate
tungsgegenftände im WAltftadtrathbanfe
zu Braunfdweig, die anläßlich der
IX. Allgemeinen lutberifhen Konferenz
veranjinltet worden ift. Befonders werth-
volle Stüdfe befinden fh in einer Rol-
leftion gottesdienftliher Gerdthe und
Reliquien. Viel nterefje erwedt eine
Sammlung alter Stoffrefte die aus der
Stifisfirbe zu Gandersheim ftammt
und Zrüde von Byffus und Purpur, per
file Seidenftoffe aus dem 6. bis 9. Jabr-
hundert, farazenifhe aus dem I. Jabrhuns
dert, byzantinifce (8. bis 10. Jahrhundert)
enthält. Hans Marfbatl,
Sriedrih Wilhelmbau,
426
Deutfhe Runft.
Accentvertheilung. *)
18 giebt Worte, die etwas Magifhes an fi) haben. Das
Wort, weldes id zum Titel der gegenwärtigen Unter-
fudung auserfeben, trägt ein fehr fhlichtes, unfdein-
bares Aeußere; ennoh bat es immer einen merf-
würdigen Zauber auf mich ausgeübt, fo oft id ihm begegnete.
€s erging mir dabei faft wie dem fauft, wenn er feinen
Mepbiftopbeles von „Müttern fprechen börte: „Trifft's midh
Sod) immer wie ein Schlag — mwar mir's dod immer, als
wenn etwas ganz Befonderes, Auferordentlides, Gebeimnif-
volles binter dem Wort fteden müffel Es ift fein neues
Wort. Jh weiß nit, wer es zuerft gebraudt. Wabrfdein-
lid ift's ein Findelfind, von deffen Urfprung Niemand Runde
geben fann, wie die meiften bedeutenden Worte. Sehen wir,
was darunter zu verfteben, und ob es fid) lobnte, dabei zu
verweilen.
Jn dem nachgelaffenen Werke „Erinnerungen an Rubens“
von Jatob Burdhardt finden wir folgende Worte diefes jüngft
verftorbenen Bafeler Runfthiftorifers: „Seitdem die alten Schulen
dahingegangen,
welde durch ernfte
fahlide Darftel-
lung des Einzel-
nen .. ihrer Pflicht»
übung fiher waren,
. war allmälig
ein freies Bemwuft-
fein der optifchen
Wirkungen mädhtig
und das Auge da-
für reizbar gewor-
den; wie 3. X. die
farben und ihre fo
verfchiedenen Ab-
tönungen als Rüb-
les, Warmes, Blü-
bendes einander be-
Singen, auf einan-
der wirkungsreich
im Bild, folgen
ſollen, konnte man
ſeit den Venetianern
der Hochblüthe ſehr
vollſtändig wiſſen.
Auch für die An—
ordnung im Raume
. gab es eine
Tradition von der
früheren Runft ber:
den Wunfd nad
einergleihmäßigen,
annähernd fymme-
teifhen Dertheilung
Ser Geftalten und
Hergänge, denn das
Bild begehrte nicht
bloß eine beliebige
Schilderung, fon-
dern eine Erfihei-
nung zu fein durd
anndberndes Bleid-
gewicht feiner Theile
*) Del. das im OF-
ober ò. 5. erfcheinende
Werf „Die plaftifche
Kraftin Runft, Wiffen-
fhaft und Leben von
Heinrich Driesmans
(Leipzig, C. 6. Nau-
mann), I, Rap. J5 u. 16.
St. Katharina und St. Barbara.
Slügel des Peringsdörfer Altars,
Diefe Symmetrie aber, bei ihrer Herrfhaft im Ganzen, mußte dem
Auge nah Kräften entzogen, im Einzelnen aufgehoben werden,
und fo gewiß nun aud Siefes fhon ein anerfanntes Lebens-
gefe der Malerei der Hocdblüthe gewefen war, fo fann Sod
erft Rubens als der vollftändige Herr auf diefem geweibten Ge-
biete gelten. Denn nur bei ihm verbindet fic) die reichlidhite
fvmmetrifhe Handhabung des Derfihiedenen, aber Webnlich-
Werthigen, der Aequivalente im Bilde mit dem lebendigften,
felbft mit dem allerbeftigiten Hergang zu jenen fiegreichen
Wirkungen, welde den äußeren Blid und den inneren Sinn
zugleich bezaubern. Die Roffe feines Sonnenwagens find feurige
Thiere, aber fie dürfen nit mit ihm durchgehen. Diefe Aequi-
valente treten natürlich nicht abgefondert auf, vielmehr Surh-
dringen fie fih gegenfeitig; wenn 3. B. eine lite und eine
dunkle Mafje fih fymmetrifh entfprehen oder wenn farben-
flähe gegen Farbenflähe wirkt, fo werden noh ganz andere
Begenfäße in ‚formen und Ausdrud binzufommen, und vor
Allem werden optifhe Werthe fid) aufwiegen fönnen mit Sen
idealen Werthen. Auch das Bewegte, wenn es das Ruhige
aufwiegt, fann hierher gehören, ganz befonders aber die
moralifthe und geiftige Bedeutung gegenüber der moralifhen und
geiftigen Unterordnung. Diefe Aufzählung könnte bier noch
viel weiter geführt werden; genug, daß Accente der ver-
f&iedenften Gattung und Würdigfeit in einem Bilde fih zu—
fammenfinden fönnen . Jn momentan febr mächtigen Rom-
pofitionen des Rubens genießt der Befhauer, zunädft unbewußt,
neben der ftärkften dramatifchen Bewegung eine geheimnigvolle
optifhe Beruhigung, bis er inne wird, daß die einzelnen
Elemente jener nad Kräften verheblten Symmetrie, ja einer
mathematifhen Figur unterthan find. *)
Was Jafob Burdhardt bier an Rubens heraushebt, fheint
uns als ein leuchtendes Dorbild unferen modernen Riinfilern
vorgehalten werden zu follen. Rembrandt wurde Sem gegen-
wartigen Gejdledt einmal als „Erzieher hingeftellt; viel werth-
voller diirfte in dSiefer Hinfiht fein Stammverwandter Rubens
fein, fo wie ihn Burdhardt uns vorführt. Gn der Bildung von
Aequivalentien, die in immer wechfelnden Rombinationen und
Nüancterungen auftreten, befteht eigentlib das Grundwefen alles
fünftlerifhen Schaffens. Cin Werf der Runft fann in einzelnen
Partien nod fo ,,funftvoll und vollfommen ausgeführt fein,
wenn es das barmonifthe Gefüge der Accentvertheilung nicht
aufzumweifen bat, wenn fein Gnbalt nicht fozufagen wie eine
mathematifhe Gleidhung aufgebt, dann bat es feinen Anfpruch
auf den Namen eines Runftwerfs. Wie in der Natur jede
‚Farbe ihre Komplementfarbe, jeder Pol feinen Gegenpol, jeder
eleftrifhe Strom feinen Begenftrom mit unerbittliher Noth-
wendigfeit herausfordert, jo muĝ fih in einem Gemälde, in
einem Werf der Runft für jede farbe eine fomplementire Ere
gänzung, für jeden fraftigen Dorfto§ die entfpredhende Gegen-
witfung, fiir jede Strömung eine Gegenftrsémung angedeutet
finden. Goethe fpricht einmal von dem „leifen Widerfpruch‘*,
der fi überall in der Natur bemerkbar made: wo fi ein
Helles aufthut, erfceint plöglid Sas Dunkle ringsum umfo
dunkler, wenn fic eine Kraft in einem Punfte fammelt und eine
pofitive Spannung erzeugt, tritt ihr unversiiglid eine negative
Spannung, eine Leere entgegen. Diefer ,,leife Widerfpruch*
zwifchen allen Erfheinungen, Ser das eigentlihe Wefen Ses
natirliden Lebens ausmacht, ift gleihfam als der mathematifche
Grundrif eines jeden Runftwerfs zu betradten. Die „Accent-
vertheilung’ ift fonad nichts weiter, als die jeweilige Sichtbar-
madung diefes fomplementären Widerfpruds. Wenn ein Aunft-
wert als ein organifhes Banzes gelten foll, dann bedarf jeder
Punft in ihm feiner Ergänzung, feines Gegengewidts durch
gegenfätlihe Accente. Diefe ausfindig zu madhen in ibren
wechfelnden Gruppirungen, im ibrer Vermifhung und Der-
taufhung von farben, Tönen und plaftifhen Bildungen, Sarin
*) Erinnerungen an Rubens, pag. 126/134. Bafel, ®. f. Lendorff, 189s.
befteht eigentlid) der
Reiz eines Runftwerfs.
Hu feben, wie fic fo-
zufagen überall die
Wage allmälig ins
Bleihgewicht fett, als
welhe 3. B. ein Gee
mälde mit feinem
Durdeinanderfhwan-
fen von farben und
Geftalten auf denerften
Blie erfcheint, je griind-
lider man es ins Auge
faBt, wie fic) das ge-
heimnifvolle Räthſel
löft, weldes es auf-
giebt, das Räthfel feiner
verborgenen, von dem
Riinftler oft abfichtlid
verfdleierten und durd
Gegeniiberftellung þe-
terogener Sinnesein-
drüde verfchobenen Ac-
centvertheilung — dar-
in beftehbt der wahre,
tiefe Zauber, den jedes
echte Kunſtwerk aus-
übt, von weldem frei-
lid nur die Wenigften
etwas verfpüren. Wer
3u dem Gebheimnif
diefes verborgenen
Bleihgewichtes aller
Ausdrudsmittel eines
Runftwerfs vorge-
drungen ift, der bat es in Wahrheit erft verftanden und feinen
tiefiten Sinn erfaßt: für ihn fommt dramatifches Leben aud in
das fchlichtefte Bild — er ruft entzüdt aus: das ift Leben vom
Leben! Denn es ift das balbe für und Wider, derfelbe Streit,
Serfelbe geheimnißvolle leife Widerfprud, wie er feine Bruft un-
aufhörlich bewegt, den er bier unter dem Schleier leuchtender
Sfarbenpradht, fehwellender Töne, raufhender Bewänder oder in
den Thaten leidenfhaftliher Menfchen erfannt bat.
Gleichviel, ob wir ein Drama, ein Tonwerf oder ein Ge-
mälde vor uns haben, wir werden uns weniger um die Qualität
der äußeren Darftellungsmittel fümmern müffen, als zu erforfcen,
ob das Werk einen geheimen Sinn habe, wie die „AUccente‘*
liegen, und ob fie in einerneuen, eigenartigen, reizvollen Weife
vertheilt find, obne die unerläßlihe Aequivalenz zu beeinträchtigen.
Diefer geheimnifvollen Mufif, die aus einem jeden folden Werke
dem Eingeweihten ans Obr oder Auge fihlägt, werden wir
laufen, und uns nicht Sadurd beirren [affen, wie und wo es
dem Rünftler gefallen, feine Stoffe und Ausdrudsmittel zu wählen.
Aud das nataraliftifhe Runftwerk erhält von diefem Standpunkt
aus feine fünftlerifhe Berechtigung, und das idenliftifche wird
hinfällig, wenn es den Zauber der äquivalenten Accentvertheilung
entbehrt. Wir feben, Saf fich hiermit eine neue Perfpeftive zur
Beurtheilung der Runftwerfe eröffnet. Ein „jüngftes Geridt'
über unfere gefammte Runft thut fic auf, vor dem gar viele
Werke nicht beftehen dürften. Daf die Ffordgerung der dquivalenten
Accentvertheilung eine begründete ift, gebt übrigens daraus hervor,
daß es fein Meifterwerf giebt, an dem wir jie vermißten. Bei
den Raffaelifhen Schöpfungen liegt fie fo offenbar zu Tage,
daß ihre Harmonie uns gleich einer vertrauten, lieblihen Mufik
umraufht. Andere Rünftler zogen es vor, fic errathen zu laffen,
wie denn Jakob Burdhardt von Rubens fagt, daß feine Werke
eine „verhehlte Symmetrie‘ enthielten. Ein Meifter in der Runft
der Seung von Aequivalentien, befonders moralifher Art, ift
Rembrandt, Jn feinem Bilde „der barmberzige Samariter‘ 3. B.
ift Ser Rontraft von Angft auf der einen und ruhiger Entjchloffen-
Prunfrüftung. Mürnberger Arbeit.
Anfang 17. Jahrh. Sammlung Sulfowsti,
Deutfhe Runft.
427
beit auf Ser anderen Seite bis ins Hodfomifche gefteigert. Auf
diefem Bilde ift jede Perfon die fomplementäre Ergänzung einer
anderen. Der zitternde Derwundete, der den Räuber am Fenfter
des Haufes erblidt, in das er gebradht werden foll, findet feinen
Gegenfak in dem furdtlofen Samariter, der ibn aus den Händen
der Räuber in die fihere Herberge geleitet; dem miirrifchen Rnedt,
der dem Derwundeten vom Pferde helfen muß, fteht der frifche
Junge gegenüber, der fi) freut, das Thier am Zügel halten zu
dürfen; ja felbft der gemeinblidende, trotige Kopf des Räubers,
den wir am redten fenfter des Haufes erbliden, hat — ein
feiner cynifher Zug! — fein Begenftüd in dem Hunde des
Dordergrundes, der eine unzweideutige Stellung einnimmt; und
gar in der Beftalt des Wirthes, der den Samariter unter der
Thüre empfängt, ift die Angft und Sie Rube in fo drolliger
Weife vereinigt, daß fein Oberkörper die gutmiithige, vertrauens-
volle Sicherheit des Herbergvaters verräth, der der unterjchied«
lidften, fonderbarften Bäfte gewohnt ift, während Rembrandt
feine Beine, wie Longhi fagt, „in folder Stellung gezeihnet hat,
wie fie demjenigen eigen ift, der gewöhnlich zittert, fo daß er
Surh Sie Derbindung der Erinnerungen wirklid zu zittern feheint*.
Sold) feiner ironifher Zug ift Rembrandt eigen und in faft
allen feinen Bildern zu entdeden. Rembrandt zeigt fih gerade
darin als einer der erften Riinftler, daß er die Äquivalenten
Beziehungen feiner Geftalten bis ins Feinfte ausfpinnt, fo daß
aus den ernfteften Motiven fohließlih eine Tragifomödie entfteht —
die hodfte Fünftlerifhe Form nad Friedrih Hebbel. Der
geheimnißvollfte Accentvertheiler dürfte indeffen Arnold Bödlin
fein. Seine Farbentompofitionen zu enträthfeln, die verborgene
Harmonie feiner Accentgebung herauszufinden, bildet eine der
fhwierigften, aber auch reizvollften Studien. Profeffor Konrad
Lange fagt in feinem Aufjag über „Primitivismus* (die Kunft
für Alle; März 1898) er ftrebe „offenbar bei allen feinen Bil-
dern in erfter Linie nad einer febr ftarfen mufifalifden Wir-
fung“. Diefer Wirfung ordne er „unbewußt die Naturformen
und Yaturfarben
unter. Er gebt
fo vollftändig auf
in der Herausar-
beitung eines be-
ftimmten mujifa-
lifhen Gebaltes,
daß er Linien und
Farben ganz une
bewußt in der
Ridtung dieſer
Stimmung ab-
wandelt. Eben
diefe Stimmung,
welde Bödlin in
alle feine Bilder
bineinzulegen
weiß und die den
Befhauer in fo
gebeimnißvoll-
mächtiger Weife
ergreift, daß er
fich überden Grund
keine Rechenſchaft
zu geben vermag,
iſt der Ausdruck
einer fo ſehr ver-
fchleierten harmo-
nifchen Accentver:
theilung, Saf man
fie nur unbewußt
aufnehmen fann,
ohne zugleich ihre
matbematifche
Rompofition zu
enträtbfeln. Es ift
Trambauer KA. Nèg
Prunfrüftung. Nürnberger Arbeit, Anfang
17. Jahrhundert. Sammlung Sulfowsti,
428
hier nicht der Ort, auch unfere Dihtungen unter die Loupe der Accent-
vertheilung zu nehmen; doch dürften nur wenige der modernen
Werke vor dem neuen Maßjtab beftehen. Jedenfalls ift es mert-
würdig, daß man nod nicht unternommen bat, eine Unterfudung
der Werke eines Rünftlers vom Standpunkt der Accentvertbeilung,
in welder doc, mie wir faben, das Wefen der Runft begründet
liegt, vorzunehmen, fondern fic) immer darauf befdranft, fie in
Deutfhe Runft.
ihrer hronologifchen Reihenfolge, der Entwidelung des Rünftlers
gemäß, oder auf ihre technifchen Dollfommenbeiten in einzelnen
Partien bin zu prüfen. Ein Zeihen, daß das Verftändnig für
Sas Wabre und Wefentliche der Aunft überhaupt nod nicht auf-
gegangen ift, ða man fih vorwiegend nur an das Acußerliche
und Nebenfädhliche, leichter zu Bewältigende hält.
Heinrid Driesmans.
Die Grofe Berliner Kunftausftellung.
Die Berliner.
II.
on den ca. 1200 Bemälden, Zeihnungen, Radirungen und Stiden
der Ausftellung ift etwa ein Diertheil reihehauptftädtifches Erzeugniß.
Münden mit feinen I50 Werfen des Pinfels und des Stiftes bleibt
binter diefer Summe um die Hälfte zurüd. Die Statiftit giebt auch den
Berlinern das Dorrecht, doppelt fo viel Mittelgut auf den Markt zu bringen,
als die füddeutfhe Ronfurrentin, ein Privileg, von dem zur Zeit ein wenig
teihlih Bebrauh gemadht worden ift, troß oder vielleicht gerade wegen der
außergewöhnlien Strenge der Gury. So wird fih denn der größere Theil
der Rünftler mit der Ehre der Zulaffung und der mention honorable in
der Tagespreffe zufrieden geben müffen. An dtefer Stelle mag es genügen,
das hervorzuheben, was über
das Yiveau der Marftwaare
mebr oder weniger binaus=
ragt. Daß die Bäume nicht
in den Himmel wadfen,
er aud) den Dent du Midi und das Stilffer Joh malen mag. Eine Ent-
täufhung fann er mir nur bereiten, wenn er einmal wie heuer reuig an die
beimifchen Beftade zurüdfehrt und der „Pommerfhen Küfte‘ geheime Reize
ablaufhen will. Das berührt unangenehm wie unvermdgende greifenbafte
Liifternbeit. Da ift Aarl Ludwig bei weitem fonfequenter. Als Terrain-
maler im großen Stil verfällt er bisweilen ins Panoramahafte, aber feine
Panoramen find ftets tüchtig gemalt und maden einen lebensgrofen Eindrud.
Der Typus des hohen Fraffen in Vorarlberg ift mit unverfennbarer Treue
getroffen, und wenn die Wolfenfchleier um die Bergfpigen herum diefen feinen
befonderen pbyfiognomifhen Ausdrud verleihen, jo liegt das vielleiht an der
Rolofjalitat der dargeftellten
Sladen, die das Gntime
ausfhließen.
Profeffor Ernft Roerner
gebührt das unbejtrittene
dafür ift geforgt.
Derdienft, unferer nordifchen
Die ältere Berliner
Anfbauung den Orient Land-
Landfdhaftsmalerei if
von jeher mit Vorliebe über
die Grenzen des engeren
Daterlandeshinausgegangen,
um das Schöne zu fuchen.
Die Reize der Märkifchen
Sandbiigel harrten nod der
Entdedung durd den Maler-
prinzen, der fih Surh Brom-
beerheden nicht geniren ließ.
Man fduf fih ohne befon-
dere fünftlerifche Unbequem-
lichfeit eine Domäne im Aug»
lande, deren Erträgniffe
man während des Winters
tubig im beimifhen Atelier
verdaute. Die ältere Berlis
ner Landfhaftsmalerei trägt
einen behäbig foliden Cha-
rafter zur Schau, der durdh
feine Sucht vor dem böfen
Nachbar ins Schwanken ge
bradt wurde, fintemalen
Jedes das Spezialgebiet des
Anderen refpeftirte. Dabei
gelangte man dur ftete
Uebung und weife Selbjtbe-
ſchränkung zu ganz adtbaren
Ergebniffen. Jh erinnere
mid, in meiner frübeften
Jugend an einem Alpen-
glühen von ©. von Ra-
IN IN
7
M
Pull
E
C
N
IN!
fhafılih näher” gebraht zu
haben. Er malt Beine
Ghafelen und feine Märchen
aus „Taufend und eine
Nadıt‘, fondern ebrlide Reife-
bef&hreibungen, auf die man
fih verlaffen fann, wie auf
einen malerifhen Bädeder.
Wenn er dann aus dem
Orient einen Theil der dort
erfhauten Farbenpradt und
Lidtflarheit auf den „belgi-
fhen Strand bei Nieuport‘*
überträgt, fo fann man ibm
nur dafür nur dankbar fein,
denn unfere noröwejtliche
Rüfte hat folhe Derflärung
mehrfach nöthig. Man müßte
dann auf das andere Aus-
funftsmittel verfallen, auf
die reizvolle Mondbeleuch-
tung, in der £L. Douzette
die nordöftlihen Dünen ver-
fhwimmen zu laffen pflegt.
Woblig löfen fid die Ffor-
men der Hügel, in deren
falten ih die Fifcherbiitten
fhmiegen, und die farben
tauden in einem matten
Glanz unter, der metallifch
wirkt, nidt aufdringlich
fhimmernd, faft wie orv-
\
i I
ii WA
mede in ©eldrud meine
herzlihe Freude gehabt zu
IM = IM
1 i i i Im mm mm
dirtes Silber. Aber der
Einfiedler von Barth bat
haben, und bewahre mir | 2 m 1 nm Q frå
ine Uebevolle pietăt für ben M NN) — De be eek E
* $
Rünftler, die ih mir nicht den Hohwald der Oftfee-
verfümmern laffe, fo oft Bucheinband, Deutfche Arbeit, 1558. füfte malt, hört man es
Dentfhe Runft.
wirflih raunen und raufden in den
ragenden Wipfeln, ein feltfames Ton-
gemifh aus heidnifher Edda und
hriftlicher Legende. Ein wenig weiter
hinauf nach Yorden fudt Hans
Gude feine Motive. Er ift wenig-
ftens Außerlih feiner norwegifchen
Heimath tren geblieben, wenn er aud
alles Berferkerhafte verloren bat und
düffeldorfifh zahm geworden ift.
Seine fjorde find ruhige fonnenbe-
firablte Buchten, und wenn er es in
den Schären einmal ftürmen läßt,
fo baben die Möven ihre Freude
daran, ohne Saf uns um den fewer
ftampfenden Dampfer befonders bange
wird,
Unter den Berliner älteren Candfhaf-
tern, die im Lande geblieben find und fi
redlid) nabren, ftebt P. Flidel mit
in erfter Reihe. Die fonnendurd-
fhimmerte ,,Lindenallee aus dem
Rheinsberger Part“, der „Märkifihe
Oftobermorgen" find Bilder, an deren
tüchtiger Arbeit aud) der enragirtefte
Stimmungsmaler feine Freude haben
~ fann. Die fraftig aufragenden Stamme
fhaden der Empfindung in feiner Weife,
und das Nobufte ihrer Erjcheinung
muthet mit gefunden Augen gefehen le-
bensfraftig an, weil fie mit dem Pinfel
und nit mit den Nerven gemalt find. Spezififch berlinerifh und auch faft
polizeiwidrig gefund fommt uns Julius Jafob. Er geht felten über das
Berliner Weihbild hinaus, ja er bewegt fih mit Vorliebe in Berlin C.,
defen äußerfte weftlihe Grenze für ihn am Rande des Thiergartens liegt.
Die „Sungfernbrüde und der „Boldfifchteih" finden an ihm nicht gerade
ihren malerifhen Homer, aber dodh ihren Befner, einen verftändigen
Höyllendicter, der dem Alltdgliden fdier unbewußt ein paar Gran Poefie
abzugewinnen weiß.
Dom Genre — die ‚Feder fträubt idh merflih gegen diefen antiquirten
Begriff — ift, foweit die älteren Berliner Ateliers in Frage kommen, der-
malen nit viel Neues zu berihten. Die Mode des XIX. Säfulums ift von
vorgeftern, und von der des XX. weiff man nod nichts Beftimmtes. Nur
Hans Dahl’s nordifhe Gungfrauen laden nod ebenfo „ftillvergnügt‘ auf
„fonnigen Wellen‘ und überlaffen die Löfung der fozialen Frage denen, die
eine Nacht dafür übrig haben, und wenn Pfannfhmidt und Plodhorft
zine alt- oder neuteftamentlihe Legende malen, fo ift in ihren fonventionell-
Schönen Bildern fiher nihts von driftlid-fozialen Deilletäten zu entdeden.
Dammeier’s „Feierabend“ halt vorfidtig die Mitte zwifhen einem Augen-
blidsbild aus einer malerifhen Zimmerwerkftatt und einer „heiligen familie"
und überläßt es dem Befihauer, Ah mit dem Motiv novelliftifd oder dogmatifch
abzufinden.
Ein fräftig Wörtlein ließe fih zum Schluß von dem althergebradten
Berliner Salon- und Butftuben-Bildnif fagen, das nod immer in einer
unberedtigten Zahl von Eremplaren die Wände der Fabresausiftellungen
bededt zur ‚Freude der Dargeftellten und zum Aerger der weniger Gntere/jirten,
die ihnen weder anverwandt nod zugelhan find. Zum Blüd füllen diefe
mit mehr oder weniger Befhid gemalten „Zeitgenoffen‘ männlihen und
weibliden Gefhledhts nicht mehr ungebiibrlid) den illuftrirten Ratalog, obwohl
ihrer in diefem Surrogat fiir eine gewiffe Publizität nod immer
zu viele find. Wir würden die Berliner Bildnifmalerei überhaupt
mit Stillfhweigen übergehen, fintemalen es nit in unferen Gewohnheiten
liegt, jemandem in ein Befhäft zu reden, das mit Runft wenig zu thun
bat. Yur gegen die N. Sichel und Dilma Parlaghy können wir uns
nidt verfügen, von Zeit zu Zeit energifh Proteft einzulegen, weil fie uns
eben jenes Gefhäft unter falfher Etikette als Runft aufreden möchten. Die
frauen und Jungfrauen aus dem Chiergartenviertel uns als ,,Madonnen'!
und ,,Lotosblumen vorftellen, heißt ein falfhes Nationale angeben, und das
it in der guten Bejellfhaft niht Sitte. Mögen fih die Damen malen
lajjen wie und von wem fie wollen, das ift ihre Sache, obwohl fie bedenken
Pokal der Stiftung v. Praun.
429
follten, daß es zwifchen einer Modell- und einer Porträtjigung einen Unter-
fied giebt. Jedenfalls wäre es wünfhenswerth, Titulaturen zu vermeiden,
die aus der Rommersienrathin dod feine Muttergottes und aus ihrer Tochter
fein ägyptifhes Rönigsfind mahen. Frau Dilma Parlaghy's fünftlerifhe
Unaufridtigfeit liegt auf dem Gebiete der Tecnif. Minifter malen ift ein
Bejhäft, fhleht oder recht, wie man’s eben tann. Aus Seiner Erzellenz
dem Herrn finangminifter Dr. von Miquel um der genialen (?) Technik willen
einen Räuberhauptmann aus den Abruzzen herauspinfeln, feine reine Wäfche in
gelblihes Weißbleh verwandeln, folhe Aunftftüde mahen aus frau Par-
lagby doc feine echte Lenbad-Sdiilerin, fiir die fie ja wohl noh immer
gelten möchte, trotdem der Meifter fie mebrfad verleugnet hat. Wer fih von
der Dame malen läft, thut es auf die Gefahr hin, daß man feine Perfon
als Unterlage für tehnifhe Mätchen benußt, und darf nicht einmal hoffen,
fein Conterfei durd) die Goldene Medaille ausgezeihnet zu fehen, in deren
Befik Frau Parlaghy bereits unvorgefhlagen gefommen ift.
Georg Malfowsly.
Das ftädtifche Mufeum zu Hann.-Münden.
as Schloß zu Münden, das Jabrhunderte hindurch Refidens der
Herzöge Braunfhweig- Lüneburg war, mahnte bisher an die
Derganglidfeit alles Zeöifhen im Wandel der Heiten, jüngft aber
bewabrheitet es Surh feine Wiedergeburt die Worte: „Und neues Leben
blüht aus den Ruinen". Jm Jahre I070 durch Otto von Northeim er-
baut, wurde es 1247 von Herzog Otto I. erweitert und zu einer fürftlicen
Refidenz eingerichtet. Spätere fiirften waren immer darauf bedacht, den
Bau zu vergrößern und zu verfhönern, jo daß es nah dem neuen Aufbau
eines J561 duch Feuer zerftörten Theiles im Fabre 1566 als ein Schloß von
fürftliher Ausftattung daftand. Seinen fürftlihen Charakter behielt es bis
zum Sabre 1736; von da ab aber datiert fein Niedergang; zunächft zur
Raferne und 1778 durh König Georg I. zu einem Rornfpeidher degradirt,
verfiel es immer mehr. Erft vor einem Jahrzehnt wurde dem gänzliden
Derfall Einhalt gethan und damit begonnen, die alte vergangene Pradt
neu zu fdaffen. Jet ift das Schloß wieder hergeftellt als ein würdiges
Heim des ftädtifhen Mufeums, dejjen Räume fih im Mittelbau des Haupt-
flügels befinden. Eine Wendeltreppe führt zu den Bemädern, den fhönften
des Schloffes, empor. Die eigentlihe Schloßfapelle enthält die Sammlung
der Werke des Bildhauers Eberlein, die hier zum Theil zu überrafhend
fhöner Geltung tommen. Hat dod) Eberlein die Anordnung und Gegen-
überftellung feiner Skulpturen
nad fünftlerifhen Brundfägen
felber geleitet. Bipsabgüjfe,
rein weiß und bronzirt oder
in zarter, disfreter Polpdhromie,
monumentale Werte, Statuetten
Gruppen, Entwiirfe, die bis in
die Studienzeit des Meifters
zurüdreihen, Bemälde, Photo»
graphien 2c. find zur Schau
geftellt und geben einen Achtung
gebietenden Beweis von der
fruchtbaren Thätigfeit des
vielfeitigen Rünftlers, der die
Werte feiner Daterftadt in
pietätvoller Anhänglichkeit ger
fhenft hat. Wenn auh das
Eberlein- Mufeum durd die
jedem für Schönheit empfäng-
lihen Gemiithe verftandlide
Sprache, die feine Schöpfungen
reden, in Laienfreifen bei
weitem mehr Gnterefje wert
als das Alterthümer-Mufeum,
deffen Begenftänden oft allein
das gefhichtlihe Moment
Werth verleiht, fo befigt es
dod and) fiir den Laien einen
großen Wertb, indem es ihm
Bilder aus längft entfdwun-
dener Zeit entrollt und vor
Apofteltrug.
430
feinem Auge die Dergangenbeit in ihrer ganzen Urfprünglihkeit wieder
aufleben läft. Zuerft wird ibn eine Zimmereinrihtung aus dem Oberamt
Münden, die aus dem 17. Jahrhundert ftammt, anheimeln mit ihrer
alten Sittruhe, dem von außen heisbaren, von Topftaheln überdachten Ofen,
dem alten mafjiven Tifh, der langen Sitbant dahinter, den Stein-
frügen und dem Lichtftänder, die auf dem fih an der Wand binztehenden
Bort fteben. Holzfchemel, alte Stühle mit Strohgefleht und die große
Bettfpanne vollenden das traulihe Bild eines fehlichten Bauernheims. Honig-
tudenformen und Thonformen 3u Tdpferarbeiten, von denen die vom Töpfer
Haharias Rramer in Oberode im 17. Jahrhundert gearbeiteten in form
und Ausführung vollendet erfheinen, find noch in demfelben Raume untergebracht.
om Hauptraume befinden fih die „Mündener Fayencen“, deren hervor»
ragendfte Stüde auf der vor einigen Jahren im Leibnigbaufe zu Han-
nover veranftalteten feramifhen Anugftellung beredtigtes Aufjehen erregten
und trog namhafter Angebote feitens hervorragender Sammler niht feil
waren. Neben ihnen find in Glasfäften präbiftorifhe Funde ausgelegt,
während andere Räften eine Münzfammlung enthalten. Eine reihe Samm-
lung von gußeifernen Ofenplatten, die bis zum Anfang des 16. Jahr-
bunderts zurüdreicht, ift rings im Saale aufgeftellt. Befonders werthvoll
find zwei reih gefihnitte Brauttruhen, die eine im gothifchen, die andere im
Renaiffanceftil gehalten. Außer den eigentlihen Mufeumsräumen befinden
—r ſich im nordöſtlichen
Flügel des Schloſſes
zwei Zimmer, die in
dem Bauinventarium
von 1699 als „Gemach
zum weißen Rof" und
als ,,Romergemad"' be-
3eidnet werden. Jn
beiden find nah Ent-
fernung der Wandtünde
SFresfomalereien freige-
legt worden, Bilderaus
der biblifhen und rö-
miſchen Geſchichte.
Don einem bedenten-
den fortlaufenden Sam-
melwerfe größeren Um-
fanges, den „Studien
aur Deutfden
Runſtgeſchichte.“
Straßburg. J. h. Ed.
Heitz (Heitz K Münde),
liegen Heft 10, 11 und
12 vor. Heft 10 bildet
einen willfommenen
Beitrag zur Befchichte
der deutfhen Plaftit
des 15. Jahrhunderts
von Arthur Weefe
und behandelt die Bamz
berger Domffulpturen.
Eine amüfante Un-
terfudung „Ueber
den Humor bei
den deutfhen Rup=
ferftehern und
Holzſchnittkünſtler
des 16. Jahrhunderts
von Reinhold frei-
herr von Lidten-
berg enthält das J.
Heft. Der DVerfaffer
gebt von dem ridtigen
Befihtspunfte aus, daß
es nöthig ift, um über
Flügel des Peringsdörfer Altares,
Deutfhe Runft
Moderner Vandalismus in Jtalien.
er Utilitarismus geht fhonungslos gegen die Runftdenfmaler Ser Per-
gangenbeit und Anlagen von gefdidtlider Bedeutung und ehrwürsigen
Alters in Ftaliens hiftorifhen Städten vor. Anftatt dem Derfall des
guten Alten Einhalt zu thun, fördert er ihn, um Boden zu gewinnen für feine
modernen Bauten. Aud das jhöne Denedig ift feinen pietätlofen Angriffen aus-
gefetzt, vor denen der Präfident der venetianifhen Akademie Moimentis
die Lagunenftadt leider vergeblid) 3u retten fucht. Die Randle und fammt-
lide Lagunen läßt man verfhwinden, moderne Waarenhäufer werden neben
den marmocnen Paläften errichtet, und poetifhe Winfelhen verwandelt man in
fhmugige Roblenplake. So wird an Stelle der märdenhaften „Braut des
Meeres" vielleiht bald eine alltäglihe Stadt mit Fabrifen, Bazaren, Werften
Elektrizitätsanlagen und allen modernen Einrichtungen ftehen. Es wird aber
aud nidts gethan, um Denedig andererfeits vor den Jerftörungen der Natur-
gewalten zu fhüten; die hohen Mauern, welhe die Stadt gegen die See
bin begrenzen, follen bereits feit längerer Zeit vom Waffer in gefabrorobender
Weife unterfpült fein. Wud aus anderen Städten Ftaliens fommen fenti-
mentale Rlagen über den böfen, modernen Vandalismus. Jn Rom follen
die berrlihen alten Paläfte Denezia und Torlonia niedergeriffen werden.
Der „Torre del Amadei“ it vom Erdboden verfhwunden, um einem
Reftaurant Plab zu maden, die „Ponte del Paradifo" wurde zerftdrt,
damit eine gufßeiferne Pontonbrüde an ihre Stelle treten konnte. In Pi ftoja
verwiiftete man faft ein ganzes Stadtviertel, um eine Sparkaffenbank er-
ridten zu fönnen. Die früher traumhaft ftillen, fonnenbeglänzten Buchten
des Tyrrhenifhen und Adriatifhen Meeres find jekt unintereffant ge-
madt duch die eintönig geraden Häuferreihen, welhe die Banfpefulanten
am Ende des 19. Jahrhunderts überall wie Pilze aus der Erde fieğen
laffen. Natürlich fehlen auh nirgends die gewöhnlihen Baftbäufer, Aneipen
und Radfahrerfafinos, deren Untuhe und Lärm verbreitende Befucher jedem
nah Frieden und Einfamteit [hmadhtenden Reifenden den Aufenthalt in jenen
Gegenden für immer verleiden können. „Der Handel it zum Fluch ge—
worden, und will man die Größe einer Nation allein nad ihrem Handel
bemefjen, fo hieße das, die Tugend eines Menfhen nur nad der Höhe feines
Einfommens beurtbeilen.'
Kunftlitteratur und Reproduftionen.
das Runftfhaffen einer Zeit, befonders einer folden, im der neue Fünftlerifche
Anfhauungen zum Duchbruhe kommen, einen Ueberblid zu gewinnen, neben
der KRünftlergefhichte diefer Epoche, aud die Entwidelung der einzelnen, nen
auftauhenden Gebilde für fih zu betradhten. Gndem er die humoriftifchen
Erjheinungen auf dem Gebiete des Rupferftides und Holzfhnittee vom An-
fange des 16. Jahrhunderts bis zu den letzten Rünftlern diefes Zeitabfihnittes
verfolgt, gelingt es ihm, ein heiteres Rulturbild zu entrollen und die gegen
früher fo fehr verfdiedene Lebensauffaffung des 16. Jahrhunderts zu
harakterificen. Die Abhandlung hat außerdem noh den Vorzug, die erfte zu
fein, die das intereffante Thema eingehend behandelt; denn während feit den
legten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts über den Humor in der Literatur
eine recht umfangreihe Anzabl von Büchern und Auffägen gefhrieben worden
iff, lag über den Humor bei den bildenden Rünften bisher nod feine zu-
fammenfaffende Arbeit vor.
Die „Studien zur Elfenbeinplaftif der Barodzeit" von Dr.
Chr. Sherer, die das 12. Heft der Studien zur deutfhen Runftgefihichte
bilden, befajfen fih mit einem wichtigen Zweige der Rleinplaftit des 17. und
JS. Jahrhunderts, der bisher von forfhern noh mehr als die Porzellan-
ftulptur vernadlaffigt worden war. Neuerdings ift das ontereffe für den
behandelten Runftzweig wieder erwacht, fo daß die Studien Sherer's
modernen Beftrebungen, die eine Veubelebung Ser Runft der Elfenbein-
fhnigerei herbeiführen wollen, entfprehen und darum gewiß «ud Anklang
finden.
Da die bedeutendften bis jekt erfehienenen Werke über Elfenbeinplaftit
„La sculpture en ivoire et les ivoiriers flamands“ von U. Fe
Wauters und „Histoire générale des arts appliqués à l'industrie.
Ivoires I.“ von €. Molinier für die in Rede ftehende Periode durhaus
ungenügend find, ja fih gegen die Elfenbeinftulptur, die im 17. Jahrhundert
do eine zweite Blithe erlebte, merfwiirdig ablebnend verhalten, füllt
Scherer's Schrift eine Lüde aus. Er hat es zum erften Male verfudt, in
einer Reihe von Monographien über die Elfenbeinfchniger Elhafen, Permofer,
Obertheil eines Altarjchreins.
Liide und Andere, deren Leben und Werke mit Hilfe arhivalifher Nachrichten
und Aufzeihnungen in den Rirhenbüdern, fowie unter fritifher Benugung
der fpärlih vorhandenen Literatur zu fhildern und erfüllt in der guten Ab-
fidt, aud jenen Riinftlern endlih zu ihrem Rechte zu verhelfen, eine Ehren-
pfliht der Runftgefhichtsfhreibung.
Sehr nürlih zur Förderung der Arditefturfenntnig fönnte gewiß ein
deutfher Cicerone fein, obne daß in ihm gerade Burdbhardtifdher Beift zu
walten braudt. Leider entfpridt , Der deutfde Cicerone" von G. Ebe
(Leipzig, Spamer), von dem der zweite Theil erfchienen ift, den Anforderungen
die man an einen „führer durch die Aunftfhäße der Länder deutfcher Zunge‘
ftellen muß, nicht Sdurhaus. Die beiden bis jegt erfihienenen Bände ver-
fpreden nidt einmal ein 3u-
verlaffiges Nachſchlagebuch,
denn das Material fheint aus
verfchiedenen, zufällig ange»
troffenen Quellen fritiflos zu
fammengetragen zu fein. Erft
wenn Ebe feine Arbeit einer
eingehenden Nadhprüfung unter
3öge, fönnte er fih als Cice-
rone, dem man immer glauben
darf, um die deutfhe Runft
verdient maden.
Ein Pradtwerf von ge-
diegener Ausftattung und
mufterhafter Ausführung der
NN Reproduftionen ift das Rö-
M niglich württembergiſche
BONNY
ADMIN] Landes -Bewerbemufeum
in Stuttgart. Herausge-
geben von S. Nedelmann,
Ardhiteften und Profeffor an
der Rénigliden Tednifden
Hodfdule in Stuttgart. Ber-
lin, Derlag von Ernft Was-
mutb, Marfgrafenftraße 35.
— Jn der [hönen Publikation
giebt der Ardhiteft des Landes-
Bewerbemufeums in Stuttgart
x eine furz gefaßte Befdreibung
dieſes Pradtbaues, welche
durh 24 Broftfolio-Tafeln in
Lidtdrud nah pbhotographi-
{hen Original - Aufnahmen
erläutert ift. Diefe veranjchau-
fihen zunähft das Aenfere:
Holzgefchnigter Stuhl,
16. Jahrhundert.
Holzſchnitzerei.
X.Aw. J.L. Trambauer:
Anfang des 16, Jahrhunderts.
die Hauptanfiht nah der Rangleiftrafe nebjt Details von diefer und den
Fronten nah der Schloß- und der Lindenftraße, ferner den Treppenthüren
(mit einem fhön deforirten Fries von Frudt- und Blumengehängen und
grotesfen Masken in Sandftein nah Entwürfen von Nedelmann) fowie das
Hauptportal. Dann folgen Aufnahmen des prächtigen Jnnern, fie zeigen die
Dorballe, die König Rarl-Halle (vier befonders fhöne Tafeln), den Eingang
zur Bibliothef, diefe felbft, mit ihrer ebenfo fplendiden wie praftifchen Ein-
tihtung, den Zapanifhen Saal und endlih das obere Treppenhaus. Den
Blanzpunft bildet die Rönig Rarl-Halle, welhe auf vier Tafeln dargeftellt
ift. Diefe zur Erinnerung an die für die Entwidelung der Gewerbe in
Württemberg jegensreihe Regierung des verftorbenen Rönigs (geftorben
6. Oftober I891) zu defen 25 jährigem Regierungsjubilaum (1889) geftiftete
Halle ruht auf 56 Marmorfäulen und 6 Pfeilern aus demfelben foftbaren
Material. Die fünftlerifhe Ausftattung wurde von den wiirttembergifdhen
Ständen zu diefem Jubiläum dem König gewidmet. Die von ‚Ferdinand
Reller ausgeführten Wandgemälde zeigen die fammtliden Herrfhergeftalten
des mwürttembergifhen Fürftenhaufes, umgeben von hervorragenden ZJeit-
genoffen aus dem Dolfe und in Verbindung mit reid belebten Gruppen
idealer Huldigungszüge. Gm Mittelbilde flieht man die imponirende Geftalt
des Rönigs Rarl, aufrecht ftehend und den Plan der ibm geweibten Halle in
der Hand haltend; zu feinen Füßen die allegorifhen Beftalten der Furcht»
lofigfeit und der Treue (nah dem Wappenfprud des KRönigshaufes). Die
Treppenwangen fhmüden allegorifhe Bronzegruppen von Eberlein: Das im
grieden ruhende fraftvolle Land; Reidhthum und Fruchtbarkeit des Landes;
und von Hundriefer (Bewerbe und Handel). Mehrere Tafeln endlih zeigen
die Brundrijfe der beiden Obergefchoffe, fowie verfhiedene Querjchnitte des
Prachtbaues.
Weniger erfreulih find Hans Sebaftian Shmid's Entwürfe für
modernes Runftbandwert (Münden, franz Lufafdil). Gn die Be
geifterung, die in einigen den Heften beigegebenen Befprehungen zum Ausdrud
fommt, vermag ein gewiffenbafter und ernfter Benrtheiler diefer Blüthen des
modernen Runfthandswerfs nicht einzuftimmen. Die „Derzierung‘ der Möbel ift
recht gefhmadlos, fo da von einer foldhen nicht gut mehr die Rede fein fann. Alles
ift überladen von fraufen formen und unnügen Schnörfeln, und mehr als einmal
begegnet man in den als Schmudformen angewandten Naturgebilden dem Wider-
finnigen. Was foll auf der Thür eines Wandfhränfhens am hellen Tage ein
Mond in einer Pappellandfhaft? Was haben auf einem Screibtifche Bäume mit
leuchtenden Aepfeln in weit fid debnender Landfchaft zu fjuhben? Das einzig
Gute von den Shmid’fhen Entwürfen it nod die fheinbar praktijche
Ronftruftion der Stühle, auf denen man wenigftens firen zu Fönnen glaubt.
Einen Dorzug baben Shmid's Möbel faft alle, fle find dank ihrer
Schnörkel und ihres Schnitwerts unausführbar. Noh Ffomifher als fie
felbjt ift ftellenweife der erflärende Tert. Wenn Shmid's Entwürfe den
Gejhmad des Publifums bilden follen, fo verfehlen fie ihren Jwet voll-
ftandig, follen fie zeigen, wie man's niht madhen foll, dann bhat ibr
„Schöpfer erreicht, was er wollte.
432
Deutfhe Runft.
Vermilchtes.
Kurinfa aus Atelier
und GIerkfaff.
Gedanken
üher
hiftente Kunft.
Ruriofa und Vermiſchtes.
— die Schicſale der Wiener Gemäldegalerie während der
Offupationszett 1805—1813. Beim Herannahen der Franzofen im
Fabre J805 wurden die hervorragendften Bilder der faiferlidhen Bemäldts
fammlung im Belvedere in 48 Riften verpadt und auf dem Wafferwege nad
Prefburg gebracht, kamen aber fhon am 17. Guli 1806 wieder nad Wien
zurüd, Am 1. April 1809 aber wurde der Befehl zu ihrer fortfhaffung ge-
geben, auf den hin Anfangs Mat die Bilder verwahrt wurden.
Größere Bemälde muften zurüdbleiben. Am 11. Mei Mittags erfdien
an dem oberen Belvedere ein franzöfiiher Offizier mit 2] Mann, der dem
Direktor den Befehl vorzeigte, das Schloß als Sauvegarde zu bewaden.
Anfangs Juni befihtigte Marfhball Duror das Schloß und am 7. Juni Ge-
neral-Gndendant Daru mit dem Generaldiceftor der Mufeen H. Denon das
obere Belvedere. Alle Einwendungen füger's, des damaligen Direktors der
Gemaldefammlung, blieben feudtlos. Denoc ließ das Himmelsfabrtsbild
von Rubens mit Sägen durchfchneiden und dann einpaden, und im Sdlojfe
wurden franzöfifhe Truppen einquartirt. Ert nadh dem Friedensfdluffe Fehrte
wieder Rube ein. Ein Theil der Bilder wurde zurüderftattet; am 30. No-
vember trafen 26 Riften mit Bildern aus Paris in Wien ein, darunter
auh die Himmelfahrt Mariä von Rubens. Diele Bilder aber famen nicht
wieder. Gm Banzen fdeinen von 401 geraubten Bildern 56 in Paris zu.
tiidgebalten worden zu fein. Mande famen in franzöfifhe Provinzgalerien,
andere find verfhollen. Am 30. Juli I8I0 famen die 54 Riften mit Bildern
aus Ungarn zurüd, aber fhon im Jahre 1815 wurden der drohenden Lage
wegen alle Bilder in 124 Riften verpadt. Gm Zabre 1825 wurde auf Befehl
das Raifers franz eine Yenaufftellung begonnen und bis 1829 durdy Direktor
Jofeph Rebell geleitet, defen Nahfolger Peter Krafft das Werk 1856
beendete.
— Der erfte Baumeifter des Ulmer Münfters. So genau man
aud fonft über die Baugefhichte des Ulmer Münftere, jenes bodhberühmten
Gotteshaufes, das den hödften Rirdhthurm der Welt befikt, unterrichtet
war, über die erten Anfänge des Baues und über den erften Baumeifter
it bislang ein völliges Dunkel gebreitet gewefen. Man weiß, daß die Brund-
fteinlegung am 30. Juni 1377 ftattfand. Als erfter Mame figurirte derjenige
des Ulrih aus Eufingen unter den Münfterbaumeiftern. Diefer Meifter
Ulrich, der 1419 ftarb, hat den Bau in größere Dimenfionen, als urfprüng-
lih geplant waren, übergeführt, um dabei feine Meifterfhaft in jhwierigen,
fühnen und großartigen Ronftruftionen ans Licht zu feren. Don 1446 bis
1480 find Ulrid'’s Sohn und Entel, die Meifter Matthäus und Morik,
an der langfamen Fortführung de3 Riefenbaues thatig. Dann war der be-
tibmte Matthdus Boblinger, der in Eflingen den Grund zu feiner
Unfterblichfeit gelegt, der Leiter des Münfterbaues. Er war vornehmlid mit
dem Ausbau des gigantifhen Weftthburms befhäftigt. Dabei paffirte 1492
das Unglüd, daß die Fundamente, fiir die Boblinger nicht verantwortlich
war, zu wanfen anfingen und den Thurmeinfturz befürchten ließen. Meifter
Matthäus mußte fhleunigft vor der Dolfswuth flühten und einer Der-
fammlung von 28 einberufenen Arciteften die Reparatur des Schadens über-
laffen. Später waren noch mehrere Ronftruftionsänderungen nothbwendig zur
Sidherung des allzu fühn angelegten Baues und 1545 inhibirte ein Raths-
befhluß - „zur Derbütung von Roftent die Vollendung des Baues
Der Thurm wurde denn auh ert in unferen Tagen vollendet. Nun ift
es einem Zufall zu verdanken, daß der Name des erften Baumeifters des
Ulmer Miinfters fid feftftellen läßt. Es ift der aud fonft befannte Heinrich
Arler oder Parler, das Haupt einer berühmten Arditeftenfamilie. Mleifter
Heinrich ift dem Anfhein nad aus der Rölner Dombauhütte hervorgegangen,
fein Hauptwerk ift die Rirdhe zum Heiligen Rreuz in Bmünd in
Schwaben. Danad wurde er offenbar Heinrih von Bmünd genannt und
eben diefer Name fommt aud unter den Baumeiftern des Mailänder Dome
vor. Sein Sohn war der Arditeft Rarls IV., Peter Parler, der den
St. Deit-Dom in Prag vollendete und aud die berühmte Moldau-
Brüde erbaute. Peter's drei Sohne febrten wieder nah Deutfhland zurüd,
wo fie u. A. 1404—1418 am Bau des Thurmes des Straßburger
Miinfters befhäftigt waren. Die Entdedung alfo, daß Heinrih Arler
den Münfterbau in Ulm begonnen, ift von hödfter Wichtigkeit. Bei Arbeiten
zur Münfterheizung fließ man im nördlihen Seitenfhiff auf einen Ralfftein-
blod, der ih durch ein Relief als Grabftein eines Münfterbaumeifters zu er-
fennen giebt. Der Stein trägt auf feiner Schaufeite ein gothifhes Areuz,
das am fuße fidh in einen Efelsrüdenbogen auflöft, zu beiden Seiten befinden
fih in natürlicher Bröße zwei Steinmeghammer. Das aber war das Wappen-
zeihen der Arler oder Parler, genau ein foldes trägt die Büfte des
Prager Dombaumeifters Peter, die weiteren Umftände laffen mit Sicherheit
darauf fließen, daß der gefundene Brabftein dem Bedädhtnig des Heinrich
von Bmünd gilt. Go find denn auh fpätere Mitglieder der Architeften-
Fantilie aus Gmünd mehrfah zu Arbeiten am Ulmer Münfterbau berange-
zogen, wie urkundlich feftftebt.
— Bemälde-Ausftellung für's Volt. Der „Verein St. Peters-
burger Rünftler" hat die febr fympathifhe Jdee gefaßt, Ausftellungen für's
Arbeitervolf mit einem Cintrittspreife von nur 5 Ropefen zu veranftalten.
Die Mufeen ftehen freilih zumeift unentgeltlid) zur Verfügung, aber man Sarf
fie nur im guter Aleidung betreten, und viele find zudem gerade am Sonntag
gefhlofien. Aber jo eine Austellung, wohin man dirett von der Arbeit fann,
die mann aud des Sonntags aufjuhen fann, wird zweifellos große Jug-
fraft haben, wie das der befannte Maler Werefhtfhagin bewiefen bat,
der wiederholt in St. Petersburg und Moskau feine Ausftellungen auc
dem Dolfe zu einem billigen Eintrittspreife zugänglid madte. Die in Ser
Manege der Garde zu Pferde untergebrahte Ausftellung enthält über 500 Be-
mälde, Studien, Aquarelle und Skulpturen. Biblifhe und biftorifhe Stoffe,
fowie das Benre herren vor.
Gedanken über bildende Ranft.
Die Erklärung, die Beurtheilung eines Runftwerfes als eines Erzeug-
niffes menfhlider Araft muß von ‚anderen Dorausfekungen ausgehen, als
die Erflärung, die Beurtheilung eines Yaturproduftes. Die Erklärung eines
Naturproduftes dürfen wir, ohne Gefabr, in Grethum zu verfallen, nidt in
einer beftimmten Eigenfhaft, in einer Abfiht feines Urhebers fucen; ein
Werf menfhlider Thatigteit aber fonnen wir vollftändig nur verftehen, wenn
wir feinen Urfprung bis zu einem in der menfhlihen Natur vorhandenen
Vermögen verfolgen und wenn wir nah dem Zwede fragen, den es der
Abfiht feines Lrhebers nach zu erfüllen bat. Conrad Fiedler.
*
Die Runft hat es nicht mit Geftalten 3u thun, die fie vor ihrer Thatig-
feit und unabhängig von derfelben vorfindet, fondern Anfang und Ende
ihrer Thatigfeit liegt in der Schaffung der Beftalten, die durch fie überhaupt
erft 3um Dajein gelangen. Was fie fhafft, ift nicht eine zweite Welt neben
einer anderen, die ohne fie eriftirt, fie bringt vielmehr überhaupt ert die
Welt durd und für das fünftlerifhe Bewußtfein hervor. Und fo hat fie es
auh niht mit einem Materiale 3u thun, das fon irgendwie zum geiftigen
Befite des Menjhen geworden wäre; was fihon irgend einem geiftigen Pro-
zeffe unterlegen bat, ift für fie verloren; denn fie felbft ift ein Prozeß, durch
den der geijtige Befit der Menfchen unmittelbar bereihert wird; das vom
menjhliden Geijte nod unberührte ift es, was ihm Thätigfeit erregt, für
das, was nod in feiner Weife für den menfdliden Geift eriftict, fchafft fie
die form, unter der es für den menfchlichen Beift zum formvollendeten Dafein
gelangt. Conrad Fiedler,
Deutfde Run ſt.
433
Die St. Beorgsfirche auf dem Hradcin.
ie Central-Rommifjion für Runft- und hiftorifhe Denfmale theilt aus
einem ihr zugefommenen febr wichtigen Berichte über die bei der De-
molitung des Bewölbes in der St. Beorgs-Riche auf dem Hradcin
erzielten Aufdedungen des alten Beftandes Nachftehendes mit: I. Bezüglich des
alten abgetragenen Bewölbes: 1. Die Wölbung ift aus flahem Opufa-Brud
ftein in Kalkmörtel mit Wafferfand als ein zufammenhängendes Tonnengewölbe
mit £unetten in Stärke von 45 Centimetern ausgeführt gewefen. — 2. Die
Gurten aus zugerihteten regelmäßigen Quadern von Gurfaftein waren
35 Centimeter hod jelbftftändig unter der Tonnenwölbung eingefpannt. Gn
der Tonnenwölbung waren Spuren vorhanden, daß diefelbe auf Unterfhalung
in Partien von Mitte zu Mitte der Gurten «ausgeführt wurde. Die Gurten
waren ftarf deformirt, mehr einem Rorbbogen dbnlid. — 3. An der Wölbung
beftand urfprünglih ein ganz glatter Stucco-Derpuß mit rothen Streifen an
den Rippenfanten. Auf diefen Stuccopuß ift fpäter ein verriebener Verpuß,
nad vorgebender Pddung des erfteren, aufgetragen und mit Bordiiren und
Palmetten fhwarz, gelb und zinnober an den Rändern in baroden Formen
geziert worden. — 4. Aehnlihe Malerei in leicht abftaubenden farben ift
unter der Tiindhe an den Wänden aufgededt worden. Speziell an der füd-
lihen Mauer des Hanptjhiffes in der Höhe der Emporen „zwei Aebtiffinnen
mit Paftorale in altarähnliher Einrabmung im Barodityl" ohne nähere Be-
zeihnung. Der Gefammteindrud des Gnneren der Kirche in diefer Ausmalung
muß ein grauenbafter gewefen fein und läßt erflaren, warum fpäter alles
„Ihön weiß“ übertünht wurde. Bemalte Bruchflüde der GBewölbverpuße
Fflähen wurden forgfältig abgenommen und im verfperrten Lofale der Kirche
deponirt. — II. Bezüglib des alten Rirhenbeftandes nah Abtragung des
Bewölbes: 5. Hinter den beftehenden Gurten find im oberen Theil der Mauern
des Mittelfchiffes die alten romanifden Fenfter in reiner urfprüngliher form
und Bearbeitung aufgededt worden, und zwar fünf an der Ylordfeite, drei an
der Siidfeite, dentlid vom Brande geröthet. — 6. Hinter dem abgetragenen
Gewölbe wurden Spuren der Dedentramlagerung aufgededt. Die Balten-
nefter mit Safernabdrud im Mörtel find 225 Millimeter bod, 175 Millimeter
breit, 670 Millimeter tief mit Spuren (ausgebranntes Lager) der Mauecbant.
Die Träme waren von Mitte zu Mitte 95 Tentimter entfernt ; die Unterfante
derfelben über dem Scheitel der Fenfterlaibung GO Centimeter hod gelegen.
— 7. Der aufgededte Triumphbogen zeigt eine ältere, von den Bewölbsgurten
im Richenfhiffe ganz verfchiedene Ausführung aus flahen regelmäßigen
Gurfafteinen. Die regelrehte alte Aufmanuerung über demfelben war durdh
Cinfhmakung des Tonnengewölbes durhbrohen worden. An den Flächen
diefer Aufmauerung zeigen fid lints Spuren einer alten Einfaffungsmalerei,
tehts Spuren von figuren, Köpfen, Händen, einem Lamme. — 8. An der
weitlihen Stirnfeite wurde nad Abfchlagen des Derpußes die ältere Ein-
wölbung der Fenfter von etwas überhöhtem Bogen, aus Opufaquadern aus-
geführt, aufgededt. — 9. Unter dem zweiten Felde des alten Bewölbes, vom
Weften an gerechnet, wurde an der nördlihen Wand des Mittelfchiffes in der
Höhe der Emporen nad Befeitigung der Nonnen-Chorftühle eine gut erhaltene
Stesfo-Malerei, „Rreuzigung Chrifti darftellend, aufgededt. Links ift das
Wappen des Erzbifhofs von Olmii und darunter die Aufjchrift: „Soffige
Albinka 3 belfenberfu 3 bozi Milofti Aniezna a Abatyjfe Klafftera Sv.
Gyr3y na hradte Prasfém. — 10. Untec dem Yonnendhor an der Weftfeite
der Rirhe wurden duch Abjchlagen des Verpukes an der fiidliden Mauer
des Mittelfchiffes Spuren von alten Wölbungen mit Rapitalreften aufgededt,
welche darauf fohließen laffen, dağ der Nonnendhor früher viel tiefer mit einer
Krypta, ähnlid wie an der Oftfeite, angelegt war. Dadurd fände der weft-
liche Theil der Kirche mit Rüdfiht auf das früher viel höhere Baflenniveau
dafelbft eine ganz unerwartete Aufklärung, welde erft bei weiteren Nad-
gtabungen ein genaues Bild des alten Betandes bieten wird. Spuren von
Säulen oder Pfeilern, analog den im Mitteltheile der Riche befindlichen, wurden
in den Rirhenmauern unter dem Yonnendhor nicht vorgefunden. — 11. An den
Rirhenmauern des Kanptjhiffes über dem Nonnendor und an der Südfeite wurde
durd partielle Aufdedung markanter Mörtelriffe das Vorbandenfein von Tri-
forien-fenftern fidergeftellt, welde theils vermauert, theils in den fpäter Surh-
brodenen Gurtbogen der Emporen an der Siidfeite aufgegangen find.
Berlin. — Der grofe Shak von Aufnahmen märkifher Städte aus
alter und neuer Zeit, den das Märfifhe Mufeum befikt, ift Sneh eine
Sammlung von Anfidten aus der alterthiimlidhen Huffitenftadst Bernau an
der Pante vermehrt worden, die im photographifhen Derlage von
€. Taubert in Bernau erfchienen find. Ein friedliches, behaglihes Bild bietet
die Befammtanfiht des altehrwürdigen Städthens, wie es um die Marien-
firhe herum aufragt aus dem Aranze grüner Bäume und dem Gürtel der
Mauern, deren cyklopifcher Bau aus Branitfindlingen bis in das 13. Jahr-
hundert zurüdreiht. An einigen Stellen diefes Bemäuers find noh Spuren
fpäterer Flickarbeit fihtbar, zu der man Badjleine verwandt hat, nachdem
der Ziegelbau in die Mark eingeführt war. Um die beiden Thürme des
Rönigsthores haben Befhidhte und Sage den Nimbus in der Erinnerung
lebendiger Der-
gangenbeit ge-
breitet; im vier»
etigen Thor-
thurm wird die
Huffitenbente
aufbewahrt, der
runde abertragt
ſeit Menſchenge⸗
denken das bi-
ſtoriſche Storch⸗
neſt. Auch aus
den mit Rüſtern
bepflanzten
Wallen, dem
St. Georgen-
Hofpital, feiner
Rapelle, die im
15. Jahrhundert
an Stelle einer
älteren, von den
Huffiten zer-
ftörten erbaut
worden ift, den
„Buden‘* der
Kirche ſpricht die
gute alte Zeit
in ihrer Ur
ſprünglichkeit.
Die Sammlung
enthält Abbil-
dungen von
Baudenfmälern
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Buntpapier. 18. Jahrhundert.
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bin herab Zu Ser Nippes tines modern emehe zu ring zeitgemäßen
Enfemble ‚pereindät weden folen, Dir _ pereinigten Wertfiatten. für Kurt im.
Handwerk in Mänden, deren ET Deriretung. für Berlin Helle
& Meiner übernommen baben, werden bier hoffentlich Hug mit dines Ana
‘matt ghee: Arbeiten in. Gefehatrdpollecent Attangement.. ‚als in ber aioli
Bunflaupfeliiing ; an bbe: Deifenichfeik Irrien, Aelinliche aan dar
miao von rare far Yer leben. geplanten dentſchen Piatatansfellung.
begen, Mur rotin fie ‘fotche erfüllt, ‚bat. fie tent, naectem, ew du Penifdiand
hergils cine eigenartige piatat gebt, nad eu naht mehr ng in, ert
fünftterifhe Kräfte für fie beramsteben, nody Bins. Ihre Hufgabe wäre,
der neuen Kune der Mffiche enlik den Weg tne Leben. zu bahnen und
‚Ranflente md. indufteiehle für itie. Arbeiten zu gewinnen, banal der de
ſchmag imi Beftmadlofin verdorben merde und Ste fihlehten. Bundörude,. die.
troy bea Befebena: einer ‚gefunden Piafattunft, uoch immer : unjere Mfaki
— Berungteren, gansligy virfe: Da Tene, wae de “a
lea: und : See ve =
SBinnenedume 3 S Suntpapier. Ende des 1. Iatrhunderts
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md ben were ined beungien einer ſchuchten Wertlichfeit zu Ihe heiste Wrigeintic-
fteseniten. tell, in ber ein tiefes Votiremppioden fh auafpriät im Beſtalten
Faeton. bienen des Intimen, Inneriten Deine des sinfamen: Moorlandes aus Mm Inneren
: und. äer ble heriua, erfreuen ound ‚erfehfihen Ammer: wieder. Suri den edi beuifhen Bug,
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Buin flverin etn Jateteſſe aufgensumenen Eihwarz+- Weif + “Kuni, ans bel’ det Decihia Regs
| "grüßen wit nia patter Charakterhdifen, Als Shllderer Me Rssiihen, des fostalen uns
.mwllfenmene' - Nommerziehlen Zitlenbildes, in dem fh feine Rünftlerifäre. befiognomie. an.
Bälle. die. flachen entfaltet Dat, wendet fit Brat ‘Milf ‚Dostiehr. den. Nihtjeten des
Worpswesrt. menfarlihen Erben. su und entroble mit ein tmf and etgreifenses. Bir-
‚Farbenpetten, Aritgefchlihle, nigh ohne das verjähnende, Moment Kogiſcher Cduterung,
‚wenn fit nd. Seine Studie p@olgatha", in der er mit den gerima tert Mitten BOR) umd
(figs gnauiferen © srateifend. 50. aplefere: weil, ptigh, dag Britia Tin ilesifibe Diwflegirorie
guten Sanin EN idt abgefbloffen,. “fonder no der ae —— 34 Antes
i Brite fug Wies N ; —
anftanafels Difelberf, ~ ag mebreren. Sum pia ne Art —
Glasgemälde wilt ew: Wappen his Mendel, lung Ar ae. a iſich stedwifhen, Adıpefiaften Rheinlanda und Weftfalena: die Hordiweft-
Anfang des Its Sabrhunderts, ye hören. sabe ee epee den DEN, una Etien and BR der Verein
fh ane jeki im ihrer ‚ganzen Eigenart, die eine Holleftien
geteheh find, ber Dhlfetsorfer Henrenisiee Ferdinand Brätte sla din. brefflicher and yeah. :
Deutfdhe Runft.
435
deutſcher Ciſenhüttenleute
und der Derein zur Wah-
tung der gemeinfamen
wirthſchaftichen Intereſſen
in Rheinland und Weft-
phalen, den Bejhluß ge-
faßt, fh für eine im
‚Jahre 1902 in Düffel-
dorf abzuhaltenden Jn«-
duftries undGewerbe-
ausftellung von
Rheinland und Weft-
pbalen und benad-
barten Bezirken, mit
der eine aus Diiffeldorfer
Riinftlerfreifen angeregte
Allgemeine dseutfhe
Runftausftellung ver-
bunden werden foll, aus»
3ufpreden. Wenn man
damit rechnet, daß feit
S der legten Diiffeldorfer
Runftausftellung 1880, die iiberall in befter Erinnerung fteht, Die Bevölferung
der Provingen Rheinland und Weftphalen eine Steigerung von 5 710 078
Einwohnern auf 7,807,422 Einwohner aufzuweifen bat, die fidh bis 1902
auf rund 9 Millionen Seelen vermehren dürften, und in Betracht zieht, dağ
dle genannten Landftrihe von den Provinzen Deutjchlands induftriell und ge-
werblib am hddften entwidelt find, fo darf man die geplante Ausftellung
wohl für lebenefähig halten, um fo eher, als fie durch große Fortfehritte und
Neuerungen auf allen Produftionsgebieten ein Bediirfnif fiir alle Jnduftrie-
und Bewerbezweige ift.
Madonna, bemalte Thonbiifte
Anfang des 16. Jahrhunderts,
Wiesbaden. — Jn die Deiters'fhen Aunftfäle ift die alte Münchener
Romantik eingezogen; aber auh ihr eint fo hodverebrter, populärfter Ver-
treter Wilhelm von Raulbad ift nit mehr im Stande, für die alte
Ridtung ein mehr als biftorifches Fntereffe wach zu rufen. Fremd fteht uns
der Meifter gegenüber, für dejien Schätzung bei der Mitwelt die Nachwelt
fein Derftändniß mehr bat. Es find Skizzen und Entwürfe, in denen wir
Raulbad's Entwidelungsgang und fomit ein bedeutfames Stüd der Runft-
gefchichte unferes Jahrhunderts verfolgen können. Diefer gefhidhtlihen Be-
deutung wegen wäre vielleiht der Ankauf der Raulbadh'fhen Kartons zu
erörtern.
Straßburg. — Die Ausftellung der Runftfreunde erfreut fih fort-
gejett eines lebhaften Befuches. Unter ihren 474 Yummern ift die Plaftit numerifch
verhältnigmäßig f[hwah vertreten, dafür aber mit guten Arbeiten, von denen
nur das Stadtwappen von Charles Müller - Straßburg, eine zierliche
ntlymphe von Albert Mufh werk, die genrehafte Statuette „Bäuerin
mit Gans von Albert Shulg »- Straßburg und tiidhlige Arbeiten von
Henri Waderd - Münden erwähnt feien.
Das zunehmende Runftintereffe unferer Bürgerfhaft hat ih auh in ver-
fhiedenen Zuwendungen an ftädtifhe Anftalten bethatigt. So erhielt das
Runftmufeum von 20 Dotatoren, die in der überwiegenden Mehrzahl Be-
wohner Straßburgs find, am 130 verfchledene Gefdhente.
Halle a. S. — Das Städtifhe Mufeum bat aud für die tote
Saifon eine Anregung auf ünftlerifhem Gebiete in 3zwet intereffanten
Rolleftivansftellungen gebradht; die eine befteht aus einer Sammlung von
Originalradirungen, Lithograpbien, Algraphien und Feidnungen des Malers
osmael Geng in Berlin, dejlen Stärke in der Wiedergabe harakteriftijcher
Röpfe liegt, unter denen die Portraits von Paul Meverbeim, fr. Aröner,
Mar Liebermann und Mar Klinger befonders intereffieren, Sie andere
umfaßt 15 Gemälde des Profeffors Ludwig Dettmann in Berlin.
Namentlih fein dreitheiliges Bild „Die Arbeit“, auf dem der Künftler den
Werth der Arbeit und die Würde des Arbeiterftandes zur Erfheinung bringt,
obne in tendenzidfe Armeleutmalerei zu verfallen, fefjelt durch feine Be-
obadtung aller Spiele des freien Lichtes’ und feiner Reflexe, deren Wiegergabe
nur einem Meifter fo überzeugend und Jrinimungsvoll gelingen fonnte, dem
eine virtuofe Beberrfhung jeder Tehni? eigen ift.
Gern. — Am 17. Auguft hielt der Aunftverein feine ordentlihe Haupt-
verfammlung ab. Der GBefchäftsberiht für die Jahre 1896 und 1897, der
gedrudt vorlag, ergiebt nachftehendes, zum Theil recht erfreulides Refultat,
das für die Lebensfähigkeit des Vereins fpriht: Gm Jahre 1896 wurde die
Ausftellung am 26. April eröffnet und dauerte bis zum 26. Mei. Sie war
mit 202 Bemälden befhidt und wurde von 6Il Perfonen befudt, von denen
175 Nichtmitglieder waren. Der Derfauf von Gemälden war recht wenig
befriedigend. Es wurden Bilder im Wertbe von nur 1230 Mark verkauft.
Zwei von diefen Gemälden erwarb der Derein zur Vermehrung feiner nicht
unbedeutenden Sammlung, und zwar die Gemälde von v. Ejhwege „Thüringer
Botenfubrmert für 500 Mark und Profeffor Mali „Heranziehendes Ge-
witter“ für 560 Mark. Der Verein zäblte im Fabre 1896 151 Mitglieder
mit 206 Untheilen, gegen 132 Mitglieder mit 186 WAntheilen dea Dorjahres. Am
18. Oftober wurde die vom Verein veranftaltete Dilettanten-Ausftellung eröffnet.
Die Jahres - Ausftellung 1897 nabm ihren Anfang am I. April und endete
am 9. Mai. Sie war mit 210 Bemälden befhidt und wurde von 557 Per-
fonen befudt, Savon 168 MWidtmitgliedern. Gemälde wurden für 2544 Mark
verfauft. Der Verein erwarb fieben Bilder, die unter den Mitgliedern ver-
loft wurden. Jm Fabre 1897 wies das Mitgliederverzeihnif einen Beftand
von 148 Mitgliedern mit J97 Antheilen auf. Die Bibliothef erfuhr eine
wefentlide Bereiherung durh Subffription auf die von Profellor Anadfuß
herausgegebenen Riinftler - Monographien. Die Jahrgänge 1896/97 der
Publifationen der Gefellfhaft für vervielfältigende Kunft in Wien, fowie die
Jahrgänge 1894/1897 der Lützow'ſchen Zeitfehrift für bildende Kunft und
das Runftgewerbeblatt wurden der Bibliothef einverleibt. Die Raflenver-
haltniffe geftalteten ih im Fabre 1895 wie folgt: Einnahmen 4821,12 Mark,
Ausgaben 3450,60 Mark, Beftand 1590,52 Mark. Fm Jahre 1896 betrugen
die Einnahmen 3952,45 Mark, Ausgaben 3078,21 Mark, Beftand 874,22 Mark,
und im Jahre 1897 beliefen fih die Einnahmen auf 4656,06 Mark, Ausgaben
auf 3588,02 Mark, Befland 1048,04 Mark. Ueber neue mit dem Thüringer
Ausftellungsverein bildender Rünftler zu Weimar abzufhließende
Derträge berichtete Profeffor Shmager. Diefe Verträge werden eine voll-
fändige Umwälzung innerhalb des Aunftvereins herbeiführen, die fiie unfere
Stadt von nit zu unterfhätender Bedeutung zu werden verjpridht. Be-
Panntlih hat der „Thüringer Ausftellungsverein bildender Rünjtler"
die Abfiht, in allen größeren Städten Thüringens ftändige Ausftellungen
zu errichten, die, mit ihrem Inhalte in gewiſſen Zeiträumen wedfelnd, Jeder-
mann zugänglid find.
Der Umfang diefer
Ausftellungen ift niht
grok, damit ift die Mög-
lidfeit fiir eine vertie-
fende, bildende Betrach⸗
tung geboten ; das Ein-
trittsgeld foll ganz
niedrig fein (20 Pf);
datin liegt die Bedin-
gung für zablreihen
Befuh und für einen,
im wahren Sinne volfs-
bildenden Einfluß.
Braunfdweig. —
Am 14. Auguft ift in
der Aegidienballe die
35. Runftausftel-
lung des Runftver-
eins eröffnet worden.
Sie ift für die Räum-
lichkeiten faft zu reidh-
haltig und enthält feinen
fogenannten Clou, der
ja zu häufig mehr dur
fenfationellen Stoff |
oder Raffinement der
Tehnik als duch echten
künſtleriſchen Gehalt
wirkt, dafür aber eine
Reihe wirklich guter
Bilder, an denen auch
Maria mit dem Kind,
Tiroler Holzſchnitzerei 1520 - 1550.
436
Deutfdhe Runft.
ein anfprudsvoller und ftreng gefdulter Befhmad feine Freude haben
fann. Neben Braunfdhweiger Riinftleen, unter denen fh der junge,
hodbegabte Bildnifmaler Eris Rdrner urh feine Separat » Portraitaus-
ftellung befonders hervorhebt, find and viele auswärtige namhafte Maler
wie Arthur Rampf, Eugen Bradt, Dahl, Dettmann, Edenbreder,
Walter firle, Mar Roner, Yormann, Raupp, Pietfhmann und
Plodhorft vertreten. Der Gefammteindrud der Austellung ift ohne Frage
ein guter. Erwähnt fei noh, daß das Paterländifhe Mufenm eine große
Zahl von Aquarellen Braunfhweiger Soldaten und Uniformen zur Verfügung
geftellt hat, die ein Münchener Maler im Auftrage des genannten Mufeums
in den letzten Jahren ausgeführt hat.
Göttingen. — Am 1. Auguft fhloß die dritte Ausftellung der Ver-
einigten Göttinger Aunftfreunde, die wiederum in den Räumen des
Univerfitätsinfituts für Runftgefdhidte
ftattgefunden bat. Sie gab haupt-
fählih Gelegenheit, Originallithogra-
phien Düffeldorfer Rünftler tennen zu
lernen, die ein getreues Bild des jest
in der rheinifchen Malerftadt herrfchenden
Geſchmacks geben.
Außer diefen Lithographien waren
noh funftgewerblihe Begenftände
ausgeftellt. Die erfte Gruppe der-
felben wurde gebildet durch eingerahmte
Roblephotographien nah berühmten
Originalen, bergeftellt im Atelier von
Hanfffängl - Münden, und um-
faßte Repruduftionen von Werken von
Giorgione, Botticelli, van Dyt,
franz Hals, Holbein, Raffael,
Rembrandt, Rubens, Tizian,
Murillo, Jan van der Meer u. A.
Die Photographien gewannen no außer-
ordentlich duch Fünftlerifh empfundene
Einrabmungen, die im Atelier von
Nidel-Münden angefertigt find. Die
3weite Gruppe der funftgewerbliden
Gegenftände waren fünftlerifch hergefteltte
Blasgefäße, die den Ateliers von
Bigot-Paris, Cloutha-London,
Daum- Nancy und Galle- Nancy
entftammten, mit Thongefäßen vertreten
waren M. von Heider- Münden und
Th. Shmuz - Baudiß - Münden.
Don den ausgeflellten Runftgegenftänden
wurde eine große Anzahl zu guten
Preifen verkauft, und das wird wohl
manden Rünftler fernerhin anregen, der
biefigen Dereinigung der Runftfreunde
feine Werke für die WAnsftellungen
anzuvertranen.
Magdeburg. — Alb. Rathke’s Runfthandlung machte uns mit einem
dänifhen Marinemaler Diggo Hoff bekannt, deffen in Aquarelltedhnif ge-
malte Motive aus den Gegenden am Sund, Abendftimmungen von der
fhwedifhen oder dänifhen Rüfte, durh ihre intime Stimmung und die Jart-
beit in der Wiedergabe des Dunftee, wie er oft nah Sonnenuntergang über
der ruhigen Meeresflähe jhwebt und den Horizont faft unmerflid in die See
übergehen läßt, einen eigenartigen Reiz ausiibten.
Hamburg. — Nahdem die Kollektion des Münchener Malers H. Tairati
im Runjtfalon von Louis Bod & Sohn anderen Darbietungen wieder
Platz gemacht hat, erfreuen fih des Beifalls der Befuher außer Werken von
Profeffor W. Lutteroth, Hans Dahl, Rari Müller 2c, Hand-
zeihnungen des Berliner Malers f. Hoffmann» Fallersleben, eines
Sohnes des Diters.
Der vielfah an den Runftverein gerichtete Wunfch, eine Bismardbilder
Ausftellung zu veranftalten, fheint bis jetzt noch nicht in Erwägung gezogen
zu fein. Abgefehen davon, daß die Ausftellung felbft eine eigenartige und
Mittelalterliches Gewebe.
interefjante Ehrung des großen Todten wäre, foll fe auh nod als Mittel zu
einem befonderem Zwede dienen. Man will die Einnahme an Eintrittsgeldern
mit zur Errichtung des Bismard-Denfmals verwenden.
Zübek. — Die vom Aunftgewerbe-Derein veranftaltete
Plakatausftellung führt die Plafatkunft fämmtliher Länder vor, ins-
befondere, neben Deutfhland, Frantreih, Belgien, England und Amerika.
Dur‘ Begenüberftellung ‚der alten Plafatkunft und der modernen wird es
dem Laien leiht gemadt, die Dorzüge diefer zu jener zu erkennen. Wir feben,
daß in vielen Ländern, 3. B. in frankreih, in der That eine „Runft auf
der Straße entftanden ift, die wohl ein Fünftlerifhes Derftändniß in den
breiten Dolfsmajlen erweden Pann. Yatiirlidh konnte bei der foloffalen fille
der tagtäglih allerorts neu entftebenden Plafate nur ein verhältnigmäßig
fleiner Theil für die Ausftellung in Betracht fommen, der die großen Fladen
der Abtheilungswände in der Ratha-
tinenfirhe dicht bededt und aus mebreren
hunderten von prädtigen Plafaten
beftebt.
Biel, — Gn den beiden vorderen
Nebenfabinetten unferer Runftballe find
die von, der Derbindung für bifto-
tifhe Runft ihren Mitgliedern über-
teidten jehs Blätter des Hyflus „Dom
Tode (2. Theil) von Mar Rlinger
ausgeftellt. Neben ihnen nebmen jich
die in fauberer Tehnif ausgeführten
Originalradirungen des Dresdeners $ e-
org Jahn nod ftarf afademifh aus.
Ronventionell if aud die Radirung
„Mondnadt" von Julius Lüders-
Weimar, während feine „Thüringifche
Landfhaft" von guter Charafterijtif
zeugt und Eigenart verräth. Tehnijch her-
vorragend find die Lithograpbien und
Radirungen, weldhe zum Dierteljabrsbefte
des Runftvereins gehören. Es find
folgende Rünftler, von denen einige
aud dur Gelbilder hier vertreten find,
zu nennen: W. Unger, €. Banker,
Paul Baum, €. Müller- Bres-
lau, Robert Sterl, Pietfhmann,
© Sifher E H. Walther uns
W. Ritter. Die Blätter ftellen’zumeift
landfhaftlihe Sujets oder folthe in Der-
bindung mit figuren oder legtere allein
dar und machen vermöge ibrer großen,
fräftigen Linien eine gute Wirkung.
Nideggen. — Vor einigen Wochen
wurden an einem Pfeiler derin der Re-
ftauration bejindliden altebrwürdigen
Rirhe in Nidseggen mebrere fleinere
Wandgemalde aufgefunden, die nach ihrer Freilegung und Unterfudung durch
einen fahmann die Dermuthung nabelegten, daß in dem Chore der Kirche
werthvolle alte Gemälde fih befinden müßten. Dieje Dermuthung bat fic
jegt beftätigt: im Chore und den Fenfternifhen der Kirche find feds lebens-
große Figuren freigelegt worden, die edel aufgefaßt und vollendet durch-
geführt find. Anfcheinend ftellen vier Figuren die großen Propheten des
Alten Bundes dar. Der Abjhluß zu diefen Figuren it durch ein Teppich-
mufter bergeftellt, worin man noh ganz deutlih die alten Farben und
Sdatticungen erfennen fann. Die Bemälde ftammen böhftwahrfiheinlib aus
dem 13. Gabrhundert, wo das Jüliher Ffürftenhaus feine Refidenz Nideggen
in jeder Weife bob und verfhönerte. Jn Folge diefer Entdedung bat Herr
Oberpfarrer Ernft fofort fiirforge getroffen, daß nah Erbauung eines Ge-
rüftes befonders der obere Theil des Chores freigelegt und unterfudt wird,
da nah Anfiht von Fachleuten dort nod ein Shak an alten Gemälden
vorhanden fein foll. Hoffentlid bleiben die entdedten Runftwerfe von unge-
fchicten Reftaurirungaverfuden verfhont, wie fie beifpielsweife viele alte
Medlenburgifhe Kirchen verunzieren.
Deutfhe Runft.
‚ Deutfhland beweifen.
Bilder-Reftaurirung.
Um ältere Belgemälde, deren
Schatten im Laufe der Zeit nahduufelten, oder in
denen Riffe oder Sprünge und Brüche der Malfchicht
oder fonftige ungünftige Veränderungen des firnif-
überzuges auftraten, wieder berzuftellen und ihnen
thunlihft die frühere Schönheit wieder zu geben,
wurden in den letzten Jahrzehnten die verfihiedenartigften
Derfahren verfuht und angewendet. für das Gelingen
folder Arbeit fommt es zunähft allerdings fehr viel auf
das Fünftlerifhe Derftändniß und die Fertigkeit des Neftau-
rators felbft an, der in jedem Einzelfalle vor Beginn der
Tpätigkeit den malerifhen Charakter, insbefondere die ur-
fprünglide Färbung des wieder herzuftellenden Bildes fritifch
unterfuhen und feftitellen muß. Aber fchlieglich giebt doch
die angewendete Technik den Hauptausfdlag für das Belingen der Arbeit. Von
den Derfahrungsweifen, die theilweife mehr oder weniger von Erfolg begleitet
waren, hat namentlih das Pettenkofer'fhe die weitaus größte Verbreitung
gefunden. Befanntlih befteht es darin, daß die alten und blind gewordenen
Bilder nach Befreiung vom Schmuße durd Altoholdunft regenerirt, das beißt,
der Lad wieder durhfihtig gemacht wird, wodurd das Bild, obne berührt
3u werden, das Ausfehen der Neuheit wieder gewinnt. Jedoch erfordert die
Anwendung dtefes Derfahrens eine fehr geübte Hand, um das Durdeinander-
laufen des nicht entfernten firniffes und der Farbe zu verhindern. Ein
anderes beliebtes Verfahren ift das nah Lufanus, wobei eine Mifhung des
Spiritus, Terpentin- und Leindls zur Entfernung des firniffes dient, bier-
durd die ‚Farbe blosgelegt und dann ein neuer Firnif aufgetragen, in hart-
nädigen fällen fogar Goda gebraudt wird. Aber folhe fharfe Mittel
bilden häufig eine Gefahr für die Bilder, weil felbft bei größter Dorficht die
Farben angegriffen werden, namentlid leiht aufgetragene Lafuren, und damit
die Feinheit, der Duft des Bildes jhwinden. Ein Bremer Porträtmaler,
Ernft v. Heymann, bat nunmehr ein Derfabren erfunden, wodurd der auf
den alten Gemalden befindlihe, verfhmugte, harte und trübe Firnif gelöft
wird, obne den SFarbenftoff felbft zu erweihen und dadurch die Original-
malerei zu befhädigen. Dielmehr wird die Farbe gehärtet, jo dağ fie, fo-
weit fie gegeben oder noh vorhanden ift, erhalten bleibt. Damit wird die
Serftdrung der feinften Nuancen und Lafuren des Bemäldes vermieden. Fn-
deffen hat je nad dem Alter und der Befchaffenbeit Sesfelben eine Abs
ftimmung des Löfemittels zu gefheben. Durd öfters frifhes Auflegen einer
damit imprägnirten Leinwand wird der firni nad und nah gänzlich auf-
gefogen und abgehoben, ohne die Malerei, felbft deren dünnften Theil, anzu=
greifen. Vielmehr tritt diefelbe nad Anwendung and bei den ganz ftumpf
und trübe ausfehenden Bildern in dem urfpriingliden Glanze wieder zu Tage.
Riffe und Sprünge, wenngleih fie bis auf die Unterlage, das Holz oder die
Leinwand gehen, lafen ih durch dies Verfahren in den meiften fallen
leiht und gut befeitigen. Die Zufammenfegung des Mittels felbft bildet zur
Heit nod ein Gebeimnif des Erfinders. Don ihm felbft, der als Porträt-
maler die oben berührte, bei Benutzung feines Mittels recht wefentlihe Babe
befigt, fic) der Maltehnit des jeweiligen Meifters des wiederherzuftellenden
Bemäldes leicht und gehörig anzupaflen, wurde eine Reihe von Werten nam-
hafter alter Meifter beftens reftautirt. Davon wollen wir aus der jüngften
Het nur erwähnen die theilweife jehr werthvollen Bemälde der Bremer Loge
naum Oelzweig", ferner eine bedeutende Anzahl von Sammlungen aus
Bremer fFamilienbefik, worunter fi Werke von Rembrandt, Rubens, Tizian,
van Dyd, Ruysdael, Wouwermann, Netfher, Weynants, Rarl du Jardin,
Tenniers, Terburg, Rugendas, Roos, Michelangelo, Tiepolo, Claudse Lorrain
und vielen anderen nambaften Meiftern befinden.
— Ueber den Erport von deutfhen Farbendrudbildern und
Rupferftiden, in denen bei ung die Produktion immer eine anfehnliche gewesen
ift, laffen fih Zahlen mittheilen, die eine hohe Entwidelung des Runftzweiges in
437
Im Jahre 1889 belief fih die deutfhe Ausfuhr in
Bildern auf 54 940 dz im Werthe von 34,9 Millionen Mark, 1897 war der
Erport auf 48 060 dz im Werthe von 55,5 Millionen Mark gewadhfen. Die
Steigerung im Derfand ift eine von Jahr zu Jahr ftar? bemerfbare. Größter
Abnehmer deutfcher Bilder ift England, weldes im verfloffenen Fahre für
20,5 Millionen Mark bezog. Ein guter Markt find aud die Vereinigten
Staaten von Amerika, denen es trog Dingley- Bill glüdlicherweife nicht
gelang, die deutfhe Waare vom amerifanifhen Markt zu verdrängen. Die
deutjhe Ausfuhr im Farbendrudbildern, Rupferftihen nach den Vereinigten
Staaten von Amerifa betrug 1897 8,6 Millionen Mark, Oefterreih-Ungarn
bezog an Bildern aus Deutfhland für 7,4 Millionen Mark, Holland für
2,7 Millionen Mart, Rußland für 2,1 Millionen Mark, Belgien für
2 Millionen Mark, Frankreih für 2,7 Millionen Mart, Stalten, Dänemark,
Schweden, die Schweiz, Spanien, Brafilien find gute Abnehmer deutjcher
Bilder. Bemerfenswerth ift dabei, daß der Jmport gleichfalls ftart gewadfen
ift, er werthete ISS9 auf 3,6 Millionen Mark, 1897 aber auf 10,9 Millionen
Mart.
— Einige befonders intereffante Begenftände find im Müngener Runft-
gewerbeverein ausgeftellt; jo ein neues Eremplar eines fhon vor zwei Jahren
bier gewefenen Ofens von Hausleiter. Dem weißen, in holländifher Art
blau deforirten Ofen verleibt feine dreiedige Grundform große Dierlichfeit, die
urh den ganzen Aufbau von den gefhweiften Füßen bis hinauf zu der be-
frénenden fleinen Dafe nod gehoben wird. Das intereffantefte Stüt ift
diesmal eine Schreinerarbeit aus der Werkftatt von Otto frisfhe Zu
dem doppelten Zwed: pradhtvolle alte getriebene Silberplatten, zwölf an der Zahl,
welde die zwölf Arbeiten des Herkules fehildern — zu verwenden, und
offenbar zur Aufnahme irgendwelder Sammelobjefte ein geeignetes Behältnif
zu fhaffen, ift diefes Möbel nah einem Auftrag ausgeführt worden, und
zwar in Cidenhols mit einer reich gefchnigten Belleidung von f[hwarzgebeiztem
Birnbaumbolz. Es ift ein ziemlich breiter Raften von etwa 11/, Meter Höhe,
deffen beide Thiüren die ge-
nannten getriebenen Silber-
reliefs als füllung enthalten,
während ein feinerer Auffat,
um den rings ein breiter Rand
der oberen Platte des Haupt-
fhranfes frei bleibt, gleichfalls
zwei diefer Reliefs alo Thür-
füllung enthält. — franz
Rneiß bat einen gefehnttten
Spiegelrahbmen und ein eben-
ſolches Tiſchchen ausgeſtellt;
an beiden hilft die wirklich
gute Schnitzarbeit über die
nicht wegzuleugnende Nüch—
ternheit hinweg. Namentlich
der Rahmen, der nicht allzu
groß, oval und mit Orna—
menten, ſowie oben mit Lorbeer⸗
zweigen und großen weißen
Bliithen gefdmiict ift, zeichnet
fic) hinfichtlic der Ausführung
befonders des Blattwerfs aus.
— Om Glaspalaft fteht ein
Beleudtungstérper von Et-
mann auf fhönem und prat-
tifhem Geftell; ein ziemlich
gleides von Zimmermann
gefchmiedetes Exemplar befine =
det fic) unter den Neuheiten im
Runftgewerbehaufe. Der Träger
Trinfglas mit Emailfarben 171.
438
Deutfde Runf.
der Glühlampen hat Pflanzenform; aus einem Büfchel Aleeblätter wachen
fünf lange Stengel gerade in die Höhe, die in der üblihen Weife in Blumen
enden. Wir ftehen da vor einer garnicht neuen Zdee, die nur bin und wieder
duch irgend eine neu erdachte Derfion etwas Abwedelung findet. Sodann
finden wir in einem der ‚Fenfter Stidereien, beffer gejagt: weiblihe Hand-
arbeiten. Zunähft fallen da die UApplifationsarbeiten von Vogel und
Altens in's Auge, Saden, dte in Zeihnung und Farbenzufammenftellung
viel Gefhit verrathen. Kiffenbezüge find es; Pfauen mit prädtig entfaltetem
Rad füllen den Raum auf den einen fehr gut, während auf anderen figuren
in der Art modernen Plafatftils fidtbar find. Diel läßt fic) nicht darüber
fagen, als daß die beabfihtigte Wirkung gut berednet und glüdlih erzielt
worden ift. Leinentiider, -Beziige und ähnliche in Areuzftih roth auf weiß
geftidt von Fränlein Weißhaupt find daneben auegeftellt, während fchließlich
einige fehr niedlide Käfthen binzutommen, deren Bold- und Silberfiligran-
verzierungen theils eigens zum Schmud diefer Yläh- oder Shmudfäfthen her-
geftellt find (von Frau Maler Loffom), tbeils aus gefhmadvoll verwendeter
alter Rlofterarbeit befteben, wie bei Fraulein Weibraud. Don hervorragenden
Apntereffe für Federmann wird ein Ramin im Stile Ludwig XVI. fein, den
die firma Doret & Dentant ausgeftellt hat. Das verarbeitete Material
it afritanifher Onpr, weldher namentlih an den fannelirten Säulen wunder-
bare farbenfpiele hervorbringt. Nicht überfehen feien einige neue, fehr fhön
gearbeitete, zierlihe Beleuhtungskörper von Hoppenthaler in Holzkirchen,
fowie eine umfangreihe Rolleftion neuer Befäße von Wilhelm & Lind,
— Die im Deutfhen Budgewerbe- Mufeum in Leipzig zur Aug-
ftellung gelangten dekorativen Panneaur von Eugene Braffet zeigen den
beliebten Plafatfiinftler als fitengen Stiliften im Anflug an das Mittelalter
und an die englifhen Präraffaeliten. Er ift gleihmäßiger in feinen linearen
Umtiffen, gemäßigter in den farben und gemeffener in Ser Schrift als der
graziöfe, glänzende, fiihne Wuda und feufcher im Befhmad und in der
Gefinnung als der leidtlebige Jofeph Chéret. Gewig ift Manches in
Graffet’s Runft troden, aber in allen feinen Entwürfen für Jnnendeforation,
Wandbelleidungen, Stoffe, Möbel, Blasgemälde, Budeinband u. f. w. be-
Pundet fih eine reihe Erfindungsgabe, berrfht Gefmad und deforatives
Gefühl. In erfter Linie maht fih in allen feinen Arbeiten das Studium
Ser Pflanze, als deffen Ftudht fein Werf „La Plante et son application
ornamentale“ befannt ift, geltend, in forgfältig gezeichneten, ftilifirten
Blumen, die er weit über das natürlihe Derhältnig zum Ffigürlihen hinaus-
wadfen läßt. Ein trefflihes Blatt ift das, auf dem eine fhöne Mädchen-
geftalt mit aufgeldftem, [hwarzem Haar inmitten goldgelber, großer Rönigs-
ferzen erfcheint. Alle feine verjhieden individuclifirten weibliden Mädden-
geftalten verrathen im Stil den Anflug an mittelalterlihe Runft und tragen
einen Hafiifhen Zug. Wie Grajjet in der Stilifirung an Walter Crane
erinnert, fo bat er aud) mit ibm und Hubert Herfomer eine feltene Viel-
feitigfeit gemein, die ihn befähigt für alle Tehnifen zu zeichnen.
— Seitdem im Jahre 1875 auf der Wiener Welt-Ausftellung die
damals neue Erfindung des Sandgebläfes weiten Kreijen befannt wurde,
Preisbewerbungen
— €in neues Preisausfdreiben auf dem Gebiete des Städte
baues ergeht joeben an die deutfhen Architekten. Es ift erfreulih, daß fih
jet allerorts die Anfhaunng Bahn gebroden hat, daß Umänderungen und
Erweiterungen der deutjhen Städtebilder niht mehr aufs Berathewohl am
grünen Tifch, fondern unter möglichft ergiebiger Mitwirkung der berufenen
Rünftler zu geftalten find. Das neue Preisausfchreiben gebt von Raffel aus.
Dort werden Sfizzen für die Bebauung des neuen Raifer-Plates verlangt.
für die drei beften Entwürfe find Preife im Betrage von 5000, 2000 und
1000 Warf ausgeworfen. Die Einlieferungsfrift der Entwürfe ift auf den
31. Januar 1899 feftgefert und die erforderliben Programme und Unterlagen
find von der Afdhrott fhen Brundftüds-Derwaltung zu beziehen.
— Jm Wettbewerb für den Entwurf zum Neubau eines ftädtifhen
Mufeums zu Magdeburg hat fih das Preisgeriht wie folgt entfdteden
und zuerfannt: den I. Preis dem Entwurf mit dem Motto: „Rief in de
Roefen der Herren Ach. Ruder und Müller, Straßburg i. Elj.; einen
II. Preis: Motto ,,Wordlidt’, stud. arch. Georg Rudolf Riffe, Dresden-
Radebeul; einen II. Preis: Motto „Tilly, Arh. Joh. Shmidt und frit
Hejjemer, Münden; einen II. Preis: Motto „Schönheit ziere ihn“, Ard.
Meier und Werle, Berlin; einen III. Preis: Motto „Feihen eines rothen
Sterns, Arch. Fran; Thyriot, Südende b. Berlin. Außerdem wurden
drei Entwürfe zum Ankauf empfoblen, namlid 1. Motto: „U. UA. w. g",
Arh. Paul Burghardt, Leipzig; 2. Motto: | Parthenopolis, Reg.Bfhr.
Hans Riefe und franz Schend zu Frankfurt a. M.; 5. Motto: „Magdes
burgifhe Halbfugeln’, Ach. £. Pfaffendorf, Köln. Die für fofort in
find unzählige neue Anwendungen des jener Erfindung zu Brunde liegenden
Derfahrens verfudt worden. Aürzlih ift wieder ein neues Derfabren
erfunden, defen Mugbarmadung Herr A. Frifoni in Hamburg unternommen
bat. Eine Auswahl von Marmorplatten, die im Hamburger Mufeum für
Runft und Gewerbe ausgeftellt find, veranfhauliht die mannigfache Der-
wendbarfeit der Erfindung. Unter Anderem find auf Platten [hwarzen
Marmors pbotograpbifhe Bildniffe befannter Perfönlichkeiten in den weichen
Tönen der photographifhen Aufnahmen unter Zubilfenahme eines geätßten
Zinfflihes übertragen und mittelft des Sandgebläfes in den Litern und
Halbtdnen zart marfirt, während die Schatten in dem glänzenden Schwarz
des Steines erfcheinen. Auf Platten weißen Marmors find farbige Einlagen
mit gleihem Verfahren nadgeabmt Da aud Drudfgriften fih leiht und
dauerhaft übertragen laffen, bietet das Verfahren Frifoni's befondere Dor=
theile für die Herftellung von Reflamen, fowobl auf Wandplatten, wie auf
Marmortifchen.
— Die elfäffifgen Rünftler, weldhe auf der Straßburger Runft-
ausftellung im Ylovember 1897 zum erften Male als gefhloffener Rünftler-
freis auftraten, haben ih zur Herausgabe eines neuen Runftwerkes vereinigt,
das als eine Frucht eben jener Runftansftellung angufeben it und eine auf
breitere Grundlage geftellte Fortfegung der 1895 von Rarl Spindler und
Fofef Sattler begründeten „Eljäjler Bilderbogen‘. In erhöhtem Maße wird
das Gntereffe der Aunftfreunde ih dem neuen Unternehmen zuwenden, der
nöllufteirten Elfaffifhen Rundfhau", herausgegeben von Rarl Spindler
(Verlag von Sdhlefier & Schweifhardst, Strafburg). Wie das feinfinnig
empfundene und von ftarfem Runftverftändniß getragene Dorwort zur erften
Nummer fagt, ‚will die neue Zeitfhrift in erfter Linie die mannigfaltigen
fünftlerifhen und literarifhen Kräfte des Elfaß um fh fhaaren und dadurch
ein Bild von dem mädtig aufblühenden Leben elfäjifher Beifteskultur geben.
Aber and Ser an intereffanten Epodhen fo überreihen früheren Gefchichte
elfaffifher Kultur foll die befondere Aufmerffamkeit des Herausgebers ge-
widmet werden, um dadurch bei dem Lebenden Gefhlehte das Gntereffe an
Elfaffer Runft zu beben, den Sinn für heimifhe Gefhihte, Sage und
Didhtung, Einrichtungen, Sitten und Bebräude zu beleben und überbanpt die
Liebe zum engeren Heimatbland zu weden und zu ftärken‘.
— Die Ateliers der Akademien und Runftfhulen werden häufig von
Händlern aufgefuht, die photographifhe Aktftudien feilbieten. Nicht immer
entfprehen folhe Blätter fünftlerifhen Anfprüden und nur felten find fie
für fünftlerifhe Zwede verwendbar. Den im Runftwerlage von S. Rednagel
Nadf. in Münden erjihienenen Studien läßt fih dagegen falt durchweg
fünftlerifher Werth und Braudbarfeit nadfagen. Sie enthalten weibliche
Geftalten mit fhönen Rörperformen, die in gefhmadvoller Pofe zur Geltung
fommen, fo daß fie als Studienblatter Malern empfohlen werden können.
Einige Blätter find darum befonders werthvoll, weil auf ihnen jhwierige
Stellungen feitgehalten find, die ein Riinjtler am lebenden Modell nur
flüchtig und niht im Detail beobadten fann, da fie aud das befte Modell nur
immer auf ganz furze Zeit einnehmen Cénnte.
und Perfönliches.
Ausfiht genommene Ausftellung der Entwürfe hat nur drei Tage geöffnet
bleiben fönnen, da über den Saal des Ratbhaufes anderweit verfügt werden
mußte. DVorausfihtlid wird die Ausftellung aber vom J. September ab
auf 14 Tage wieder zur Befihtigung bereit fteben.
— Ein Wettbewerb betr. Entwürfe für den Neubau eines Be-
fhaftshaufes der firma Weddy-Pönide in Halle a. S., der zum
25. Oftober ò. J. fällig iff, verheißt drei Preife von 1800, 1200 und
600 Mark und ftellt den Ankauf nit preisgefrönter Entwürfe für je 300
Mark in Ausfidt.
— Jur Befhaffung dreier Wandgemälde, mit denen die Flächen
über dem Altar der Domkiche zu Freiberg gejhmüdt werden follen, erläßt
der Afademifche Rath auf Anordnung des Rönigl. Minifteriums des Innern
für fähfifhe oder dod in Schfen lebende Rünftler ein Bewerbungsausfchreiben.
Die Entwürfe find bis 5. Dezember d. 5. einzureichen.
— Ein Preisausfcreiben zur Erlangung von Entwürfen für ein
Plakat erläßt die Rafao-Rompagnie Theodor Reidardt in Halle a. S.
an die deutjchen Rünftler mit Termin zum 25. September d. J. Ueber die
Verleihung von drei Preifen von 1000, 500 und 200 Mark, fowie über den
Ankauf nicht preisgefrönter Entwürfe entjcheidet ein Preisgericht, dem unter
Anderen die Herren Prof. L. Dettmann, €. Doepler . J. Hans
dFedner und Bruno Shmik tn Berlin angebsren.
— Vor einigen Woden eröffnete die firma Benziger & Co. einen
Wettbewerb um ein Titelblatt für ihre Heitfehrift „Alte und Nene Welt‘.
Don den 42 Bewerbern Fonnte feiner den erften Preis erhalten, auch Ser
Deutfhe Runf.
zweite Preis mußte getheilt werden und zwar zwifhen J. A. Seiler
(Münden) und Loofe (Leipzig). Den dritten Preis erhielt H. Bef-Gran
(Münden).
— 3m Hamburger Mufeum fiir Aunft und Gewerbe ift das vor
Rurzem eine reihe RKolleftion von Fünftlerifhen Entwürfen fiir Pelifan-
farben-Plafate ausgeftellt, weldhe wohl geeignet ift, das Interefje weiterer
Rreife in Anfpruh zu nehmen. Diefe Entwürfe verdanken ihre Entftehung
einem Preisausfdreiben, weldhes die firma Günther Wagner, Hannover
und Wien, fabrifen fiir Pelifanfarben (Riinftler-Wafferfarben), erlaffen hatte
für die beften Plafatentwürfe. Jnagefammt gingen 550 Entwürfe ein, welde
dem aus folgenden Herren beftehenden Preisgericht vorgelegen haben: Prof.
€. Doeplec- Berlin, fabrifant Otto Edler-Hannover, Prof. Albr.
Haupt-Hannover, Maler €. Jordan-Hannover, Direftor €. H. Marten-
Oldenburg und Fabrifant frig Beindorff-Hannover. Der erfte Preis
von 1000 Marf wurde dem Entwurfe des Heren Julius Diez-Müncen zu-
efannt, deffen Entwurf einen fünftlerifh ausgeführten Pelifan zeigt, mit
einer farbentube im Schnabel, den zweiten Preis von 500 Mark erhielt Herr
Hans Müller-Dahau bei Münden und den dritten Preis von 300 Mart
erhielt Herr Oskar Zwintfher-Meißen. Außer diefen drei Entwürfen,
von denen der mit dem zweiten Preife bedadhte Entwurf des Herein Hans
Müller zur Ausführung beftimmt ift, ind noh weitere nene Entwürfe von
dem Preisgeriht als hervorragende Arbeiten bezeihnet worden und zum
eventuellen Ankauf empfohlen. Die Ausftellung befindet fih glei rechts im
Rorridor des Mufeums und nimmt bier einen ziemlih großen Raum ein.
Durhweg trifft man bier auf Arbeiten, welde den Derfertigern alle Ehre
madhen. Riinftlerifhe Ausführung originelle Zdeen zeichnen die Entwürfe
aus, deren Befidtigung denjenigen warm empfohlen werden tann, die fdh
für Entwürfe diefer Art intereffiren. Die Entwürfe bleiben einige Zeit in
Hamburg ausgeftellt, fpater it die Ausftellung derfelben in Berlin,
Dresden, Düffeldorf, Köln, Münden, Nürnberg und Wien
geplant.
— Der Raifer bat die Wahl des‘ Geheimen Regierungsraths
Profeffors Hermann Ende zum Präfidenten der Akademie der KRünfte
in Berlin für die Zeit vom J. Oftober 1898 bis dahin 1899 beftätigt.
Ebenfo ift die Wahl des Profeffors Dr. Martin Blumner zum Stell-
vertreter des Präfidenten der Akademie der Riinfle in Berlin für die
Zeit vom J. Oftober 1898 bis dahin 1899 beflätigt worden.
439
— Don dem Rultusminifter find in Beftätigung der ftatutenmäßig von
der Benoffenfhaft der ordentlihen Mitglieder der Berliner Akademie der
Rünfte vollzogenen Wahlen der Bildhauer Profeflor Dr. Rudolf Sieme-
ting, der Arditeft Bauratb Adolf Heyden, der Romponift Profeffor
Sriedrid Gernsheim und der Gefhidtemaler Profeffor Jofef Sheu-
tenberg — diefer als Nachfolger des Ende September auf feinen Wunfd
ausfheldenden Senatsmitgliedes, Wirklihen Beheimen Raths, Prof. Adolf
Menzel — zu Mitgliedern des Senats der Akademie der Rünfte für den
Heitraum vom |. Oftober 1898 bis Ende September 1901 berufen bezw.
weiter berufen worden.
— Einer der Senioren der Deutfhen Aunft, der alte Landfhafts-
maler Prof. Mar Schmidt, Mitglied der Berliner Akademie der Künfte,
feierte am 13. Auguft 3u Rdnigsberg i. Pr. den adtzigften Geburtstag.
Seine Daterftadt ift Berlin, und bier erhielt er aud anf der Akademie feine
fünftlerifhe Ausbildung, namentlih in den Ateliers von Rarl Begas und
Wilhelm Schirmer. Er felbft brachte feinen Namen durch eine Reihe von
Landfhaftsbildern zu Ehren, die ihm 1859 die Meine, 1868 die große goldene
Medaille eintrugen. Da find in der Nationalgalerie feine Hauptwerke „Wald
und Berg" und die „Spreelandfhaft bei trübem Wetter. ferner it an
zablreihe befannte Wandbilder Schmidt's zu erinnern, an die Odpflee-Land-
fhaften, an die Serie „Dom Fels zum Meer‘, an die mehr dekorativen
Bilder im Griehifhen Saal und im Egpptifhen Säulenhof des Neuen
Mufeums. Gm Jahre 1872 wurde Mar Schmidt als Profeffor an die
Rénigsberger Ufademie berufen. Der Berliner Akademie gehört er feit 1869
als ordentlides Mitglied an; fie bat, wie wir hören, dem greifen Rünftler
ihre Blüdwünfhe in Form einer WAdreffe gefandt.
— Am 19. Auguft ift in Görlig der Direftor der dortigen Rgl. Bau-
gewerffhule, Reg.-Baumftr. Dr. Ridard Bohn, verfhieden. Als lang-
jähriger verdienftvoller Baugewerkfchul = Direftor ift Bohn weniger in die
Oeffentlichfeit getreten, denn als Arhäologe. An den großen arhäologifhen
Errungenfchaften Deutfhlands in dem erften Jahrzehnt nad ſeiner Neu-
geftaltung war Bohn in umfaffender Weife betheiligt. Sein Name ift neben
dem von Carl Humann mit der Wiederauffindung des pergamenifhen Altars
und feiner gewaltigen Bigantomadie, welhe den Mittelpunkt des Gntereffes
der Antifenfammlung des Berliner Mufeums bildet, auf das engfte verknüpft.
— Der englifhe Maler Walter Crane ift zum Dorfteher der Rönig-
lihen Aunfifhule in South Renfington ernannt worden.
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Deuffche 1
Beiblatt: Dax telier.
Slluftrirte Seitichrift fiir das gefammte deutjche Kunitfchaffen.
Central-Organ deutfcher Runft: und Rünftler-Dereine.
Alle 14 Tage erfcheint eine Nummer.
Preis vierteljährlih 2.80 Mart.
Poftzeitungstifte Ar. 1171.
Dublitationsorgen des Deutfhen Runftvereins in Berlin, des Scleflfen —— in Breslan,
Herausgegeben von
Georg Malſiowsſin.
Schriftleitung und Perwaltung Berlin W.57, Aieinmehfk, 26.
Alle 14 Cage erfheint eine Nummer,
nferate: 40 Pfennige für die 4 ge
fpaltene Nonpareille-Zeile.
ies —— für das Grofberzogthum Defien in Darmftadt, des Anpaltifben Runfts
vereine in Defjau, des IWiirttembergijden Runftvereins in Stuttgart, des Schleswig - Holfteinifhen Runftvereins in Riel, der Runftvereine in Münden, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera
Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Börlik, Danzig, Rönigsberg, Stettin n, a.
Ar. 23.
15. September 1898.
II. | Jahrgang.
£udwig Mangel.
Pon Georg MalKowshy.
ie Sfulptur, die Monumentalfunft im eigentliden Sinne
des Wortes, trägt ein fonfervatives Element in fidh,
ESS das die Entwidelung ihrer formengebung wefentlih be-
einflußt. Der Alltäglicfeit Surd ihre Stoffe entrüdt,
auf die Derfhönerung und Ueberhdhung der wirklihen Erfheinung
angewiefen, verfällt fie um der lieben Derftändlichfeit willen leicht
ciner fonventionellen formenfprade, deren Wortfhat in fteter
Ueberlieferung erftarrt. Dergeblid) fudt die moderne Bildhaner-
funft einerfeits die Verbindung mit der griehifh-römifchen Antike
aufreht zu erhalten und andererfeits an die fpärlihen Ueberrefte
einer bis über die Völkerwanderung zurüdgreifenden nationalen
Dergangenheit anzufnüpfen.
Es wird fih faum leugnen laffen, daß die romanifden
Völler, die Franzofen und Ftaltener, zur Feit die führung in
der Bildhauerkunft übernommen haben. Jhren finnlich realiftifchen
Neigungen entfprehend haben fie früher als wir den Anfchluf
an die moderne Wirklichkeit gefunden. fiir das Anmuthige des
Benrehaften, wie für das Erhabene des Monumentalen find ihnen
allgemein verftändlihe Ausdrudsformen geläufig geworden, an
die wir uns wohl oder übel gewöhnen müffen. Die Belgier
find ihnen gefolgt, ein Gran germanifden Geiftes hinzuthuend,
die form mit Denken und Empfinden füllend. Den Meunier
und Dan der Stappen haben wir zur Zeit wenig Bleid-
werthiges gegenüberzuftellen. Meuniers ,,Denfmal der Arbeit
verfpridt ein gewaltiger Markftein zu werden in der Entwidelung
der modernen Skulptur.
Wer die für die Skulptur refervirten Räume der Berliner
Ausftellung 1896 betrat, fah aus der Maffe der Bildwerfe einen
fühnen Aufbau emporragen, der die Aufmerkfamkeit zwingend
feffelte. Ein gewaltig Weib in fhlichter germanifher Bewandung,
den rechten Urm auf einen Anker geftügt, über der linfen Schulter
eine Rae, deren Segel einen wirkffamen Hintergrund für die
fräftigen Körperformen bildete, ftand ftolz aufgerichtet weit aus-
fhauend auf dem Hinterded eines Schiffes, auf deffen Vordertheil
ein Merkur mit Fliigelhut und Sdhlangenftab faß, über den als
Adler geftalteten Dorderbug in die Ferne fpähend. Ein nadtes
Meerweib fhob den auf felfen rubenden Riel bilfreih im die
Wellen. Selten war „õie Rube in der Bewegung, diefes un-
trüglihe Merkmal echter Bildnerkunft, zu fo padendem Ausdrud
gelangt. Noh laftet der Riel auf dem Riff, aber der weit aus-
geredte Hals des adlerartigen Ungethüms, der vorgebeugte Rörper
des Hermes, das leichte Nadhfchieben des Meerweibes laffen ibn
im nädften Moment binausgleiten in die Wellen, fhon ift der
Anker gelöft, die Segel find fchnell gefett, und zielfiher fhwebt
das Schiff mit feiner fräftig-[hönen Laft über die Fluthen dahin.
Die Rompofition war ungemein zwanglos und natürlid, linienfhön
in der Seiten- wie in der Vorderanfiht. Es handelte fih um
den preisgekrönten Entwurf für einen Monumentalbrunnen an
den Hafenanlagen von Stettin. Das geplante Denkmal bat
eine an Wechfelfällen reihe Vorgefhichte. Die Verwaltung des
Preufifhen Runftfonds hatte einmal etwas für die Runft in
Pommern thun wollen. Die Eröffnung des Stettiner Freibafens
ftand in einigen Jahren bevor. Es wurden zunädhft 75 000 M.
bewilligt. Die unzureihende Summe bedurfte der Ergänzung.
Die Stettiner Stadtverwaltung fetzte Alles in Bewegung, um in
den Befiß eines würdigen Runftwerkes zu gelangen. Sie fihrieb
eine Aonfurrenz aus, übernahm die Roften des Unterbaues und
der Baffinanlagen und fucdte die Ausführung des Denkmals den
vorhandenen Mitteln anzupaffen. Um die Herftellung des Modells
in natirlider Größe zu erfparen, entfhloß man fi, die Roloffal-
gruppe von der firma Martin & Pilking, Berlin, in Kupfer
treiben zu laffen.
Der Meifter des Denftmals war über Naht zu einem be-
rühmten Manne geworden, auf deffen Haupt fih die mwohlver-
dienten Ehren häuften. Die Ausftellung feines Modells bradte
ihm die große goldene Medaille und den Ehrenpreis der Stadt
Berlin. Er wurde Mitglied der Runftafademic und des Senats.
Man mufte fih an den Namen Ludwig Mangzel’s als eines
der bervorragendften Vertreter moderner deutfcher Bildnerfunft
gewöhnen.
Ludwig Manzel ift in Anklam 1858 geboren, befuhte das
Gymnafium und bezog dann die Berliner Runjtafademie, deren
Reorganifation foeben Anton von Werner übernommen hatte.
Nadhdem er bei Paul Thumann zeichnen gelernt hatte, fhloß er
fih enger an frig Shaper an. Der junge Rünftler war mittel-
los und fah fih daher gezwungen, fi) durch Fleinere Belegenbeite-
arbeiten einen Nebenerwerb zu verfhaffen. Er hatte einmal ent-
dedt, daß er ein gemwilfes Talent zum Rarifaturenzeihnen babe,
und ward ein gefhägter Mitarbeiter humoriftifcher Blätter, wie
des „Dorfbarbier. „Jh habe midh in diefer Runft eifrig aus-
gebildet und brauchte es nicht zu bereuen, denn id fonnte in den
vielen Jahren, wo mir die Bildhauerei eine brodlofe Runft war,
meinen Lebensunterhalt erwerben“, erzählt der Riinftler.
Das Jahr 1886 bracdte den erften Erfolg. Die Gruppe
„Am Wege* erregte durdy Tiefe der Empfindung und maßvollen
Realismus der Auffaffung Auffehen. Eine blinde Frau fitt in
ärmlicher Aleidung, einen Rorb am Arm, an der Landftrape. An
ihrem Schooße lehnt ein Fleines Madden, erwartungsvoll nad
den Dorübergehenden ausfpähend, eine Rofe in dem ausgeftredten
Handdhen. Die Gruppe wirkte in ihrer Sclidtheit ungemein
442
Deutfhe Runft
ergreifend. Sie brachte dem Riinftler ein Reifeftipendium, das
ibn nadh feinem urfpriingliden Plan nad Jtalien führen follte.
„Ich blieb aber in Paris fiken, weil ich dort alles fand, was
ich ſuchte.“ €s it barakteriftifh für den Riinftler, daß er es
für nothwendig hielt, in der hohen Schule des Realismus ge-
wiffermaßen umzulernen. Er ftudirte bei dem feinen Zeichner
Collin drei Jahre lang eifrig nad dem Modell.
Nah Berlin zurüdgelehrt, brachte er als erfte ‚Frucht feiner
Studien die Roloffalgruppe „Der Friede duch Waffen gefhütt*.
Hod aufgeredt fteht eine mächtige breitbruftige Jünglingsgeftalt,
den energifchen Kopf Fühn -ausblidend erhoben, die faut um
den Speerfhaft geframpft. Der Lederriemen, der die bugel-
sefhmüdte Bruftbinde halt, it von der Schulter geglitten, der
Shildarm erhebt ih fhürend über einer jugendlichen Mädcen-
geftalt, die fi, einen Palmzweig in der Linken, mit der Rechten
das Gewand zur Bruft emporziehend, mit innig vertrauendem
Auffhauen an feine Seite fhmiegt. Die fonzentrirte Energie
der Bewegung, die den männlichen Körper bis in die gefpannten
Sehnen des fraftvoll vorgeftredten linfen Fußes hinein erfüllt,
die fchmiegfame Jartheit des mäschenhaft fnofpenden frauen-
leibes vereinigte fic) mit Sem zwanglofen Linienfhwung der
Rompofition zu einer prächtigen Befammtwirfung. Die Pleine
goldene Medaille in Berlin, der Ankauf der Gruppe durch den
Staat, eine Medaille erfter Klaffe in Münden waren der Lohn
des zum Meiftee bherangereiften Riinftlers. Jm Oftober diefes
Jahres gelangt die Gruppe in Quedlinburg zur Aufftellung.
Der ftaatlihen Anerkennung folgten die Aufträge aus den
Rreifen des funftliebenden Publifuns: ie Gruppe der Bud-
druderfunft in Bronze für Rudolf Moffe, die Alte und die
Neue Wiffenfhaft in Marmor und Bronze, eine Jubiläumsgabe
für den Berliner Verleger Dr. Parey.
Derfelben Feit gehört eine Einzelfigur von mwunderbarem
Stimmungsreiz an, die für die Nationalgalerie in Bronze aus-
geführt wurde. Fn ländlicher Tradt, den Rechen, an dem der
Wafferfrug hängt, mit der Rechten hinter dem Rüden haltend,
die Linke in die Hüfte geftemmt, fihreitet eine jugendliche
Sdnitterin der untergebenden Sonne entgegen. Das Rdpfden
mit dem fchliht gefnoteten Haar ift leife aufgerichtet und über
Sie leicht geöffneten Lippen gleiten die Töne des ,, Abendliedes*.
Ein eigenartiger Rhythmus bewegt die zarten Blieder und über
dem Gefidtdhen mit den halb gefdloffenen Augen liegt es wie
Rubefebnen nad mühevollem Tagewert.
gmmer reicher bat fid) in den legten Jahren die bildnerifche
Tätigkeit Cudwig Manzel’s entfaltet. Jn unermüdlihem Streben
[hält fh aus der Formenbeherrfhung heraus fein eigener
deforativer Stil. Seiner Daterftadt Anklam ftiftet er ein
Raiferdentmal voll ftrenger Schönheit. Der Begründer des
neuen Deutfchen Reiches ift in Federbelm und Mantel dargeftellt.
Ueber der Bruft zurüdgefhlagen, fallen die falten in ruhiger
Ordnung an der hoben Beftalt hinunter. Die Rechte halt das
Feldglas, die Linke ruht auf dem Degengriff. Haltung und
Befihtsausdrud find überaus ruhig und edel. Der alte Raifer
ift fo Sargeftellt, wie er bei Paraden und Manövern den Be-
wegungen Ser Truppen zu folgen pflegte, wie ibn fein Volf
in Waffen oft während der „Friedensjahre die Schladhten vor-
bereitend gefeben.
Don dem gleichen formenficheren Realismus ift das Relief-
medaillon erfüllt, das Ser Kultusminifteer Dr. Boffe Sem
militärärztlichen Friedrich Wilhelmes-Inftitut zu feiner Jubiläums-
feier geitiftet. Jn dem Schooß einer geflügelten mit Panzer
und Adlerbelm gefhmüdten Hygiea rubt mit gefchloffenen Augen
das Haupt eines verwundeten Rriegers. Die linte Hand der
Böttin hält den Schlangenftab, die rechte reicht Sem Arzte eine
Shale hinüber. Jm Hintergrunde erblidt man die Front des
Unterrihtsgebäudes in der ‚Friedrichftraße. Die überaus fhwierige
Aufgabe, Porträtäbnlichfeit — der Arzt trägt die Züge des
ehemaligen Direktors der Akademie Dr, Brimm — mit Feal-
tvpus, moderne Uniform mit antififirender Bewandung zu ver-
einigen, das Ganze malerifh zu geftalten, obne die Befetze des
Reliefs zu verlegen und die Gruppe zwanglos in die ger
gebene Rundform bineinzupaffen, ift mit fhönem Gelingen
gelöft. Der dekorative Stil Ludwig Manzel’s geht auf die
ruhige rbythmifh gegliederte Bewegung. Ein glänzendes Wei-
fpiel für diefe Seite feiner Begabung ift die für das Reihs-
tagsgebäude beflimmte Statue Raifer Heinrihs III. Der berrjch-
füdtige Salier ift im vollen Krönungsornate dargeftellt, den
Goldreif um das Haupt, den reich gejtidten Raifermantel auf
der rechten Schulter von einer Spange zufammengebalten, Panier
und Reihsfhwert in der energifch geballten fauft. Geradrauf
ragt der Canzenfhaft neben der Präftig ausfchreitenden Beitalt,
während das mädhtige Schwert fih im fpitzen Winkel gegen den
Fuß des Standbeins lehnt. Ueberall fliet as Begenfätgliche
der Bliederbewegung in der einheitlihen Ruhe der Körperhaltung
zufammen. Diefelben Vorzüge weifen die dSeforativen Fdeal-
figuren auf, die Manzel für den Neubau des Inhabers der Erport-
firma Staudt in der Thiergartenftraße in Berlin gefhaffen.
Es handelte fih um Verförperungen der alten und der neuen
Welt. Die Krone auf dem mit einem Ropftuh bededten Haupt,
gepanzert und vom fewer fallenden Mantel umwallt, ftebt
die alte Welt da. Zu ihren füßen rubt das Modell
eines Domes, die Linke hält eine Scriftrolle, die Rehte erhebt
ein Schwert, deffen Areuzgriff von Lorbeer ummunden if. Ihm
wendet fih Fraftbewußt Ser Blid des hoheitsvollen Auges zu.
In leichterem Rüftzeug ftellt fic) Sie neue Welt dar. Adlerfedern
fhmüden das in Flehten an den Wangen berabhängende Haar.
Um den Unterförper, die Bruft frei laffend, ift ein leichtes ge-
franztes Tuch gefchlungen, ein Band aus Bärenklauen ziert den
Hals, ein dreifacher Metallting den Oberam. Die erhobene Cinfe
trägt eine fic) windende Schlange, in der Rechten hängt ein
Büffelfell herab. Die leicht andeutende Symbolif giebt fic
durhaus verftandlidh. Die alte Welt hat die Naturgewalten
ihrem materiellen Bediirfnif Sienftbar gemacht, die neue fie unter-
worfen und höheren ideellen Zweden untergeordnet.
für das Waarenhaus Wertheim in Berlin hat Manzel die
Roloffalftatue der Arbeit und große Pilafterreliefs, Marden Sar-
ftellend, gefhaffen, für den Dom find ihm die Apoftel Petrus
und Andreas, für die Siegesallee der Rurfürft Friedrih I. in
Auftrag gegeben.
Neben diefer überaus reihen Thätigkeit für die Monumental-
funft laufen fleinere ltebenswürdige Atelierarbeiten, Porträtbüften
und genrehafte Aleinbildnerei. Go entitand die Statuette Ses
Ruhmes mit Sem Medaillonportrat des alten Raifers im Auf-
trage des Deutfchen Runftvereins, die wir in Nr. 1 des laufenden
Jabrganges reproduzirt haben, fo die Halbfigur des Pfeife
ftopfenden Bauern, deren Urbild wir wohl in der engeren
Heimath des Künftlers zu fuchen haben.
Die Bildniffiguren Manzel’s zeihnen fih durch flotte Technik
und das Wefentlihe betonende Charakteriftit aus. Wir bringen die
Biifte des Bildhauers Norbert Pfrekfdner, in Ser fic) der ebe-
malige Rorpsftudent und eiftige Jäger auf den erften Blid verräth.
Die fünftlerifhe PerfSnlicdfeit des Bildners des Stettiner
Brunnens trägt fpezififh norddeutfche Züge. Jn fih gefeftigt,
zielbewußt in fteter Arbeit ringend, macht er fid) fremde Vorzüge
3u eigen, ohne jemals in Nahabhmung zu verfallen. Don
Thumann und frig Schaper ausgehend, arbeitet er fick
zu einem eigenartigen, robuften Realimus urh, der die
Geſetze der Schönheit anerkennt, aber fih niht von ihnen
beengen läßt. Nirgends zeigen jih bei Manzel augenfällige
Anlehnungen an die Antike, er erfcheint in Erfindung und Aus-
führung losgelöft von der Tradition, verliert aber niemals Sen
Boden des Stils, feines Stils, unter den Füßen. Diefer Stil
felbft aber bat fic) auf nationaldeutfcher Unterfhicdht entwicelt.
Die Männer- und Frauengeftalten Ludwig Manzel's tragen ftets
den unverkennbar germanifhen Typus, fein fünftlerifches
Empfinden ift fo unbedingt deutfeh, daß felbft die unvermeidliden
antifen Jdealtypen, wie der Ruhm, die Hygiea, der Hermes,
eine unbewußte Umbildung nad diefer Richtung bin erfabren.
Dor allem aber fei eines zum Scluffe hervorgehoben: Die
moderne Bildnerfunft, wie fie Cudwig Manzel vertritt, it von
fraftftrogender Gefundbeit bis ins Mar? hinein.
Deutfde Runft. 448
£udwig Manzel, Monumentalbrunnen für Stettin,
Jn Rupfer getrieben.
444 Deutfde Runf.
Redhtsfchuß für und gegen die Photographie.
uf der am 24. Auguft in Magdeburg abgehaltenen Wander-
verfammlung des „Deutfhen Pbotographen-Dereins‘ fand nah dem
Dortrage des Profeffors Dr. Bruno Meyer über den „Stand des
pbotographifhen Schußgefeges" eine längere und lebhafte Debatte ftatt, die
fhließlih zu der einfimmig angenommenen Refolution führte: „Es ift das
in der photographifhen Aufnahme liegende pofitive Bild zu fhüßen. Der
Schuß ift zu ertheilen fowohl gegen Abdrud und Nahdrud, wie auh gegen
jede Nadhbildung, niht nur gegen medanifche.‘ Cinftweilen ift in dem
Reihsgefeß vom JO. Januar IS76 nur die Nachahmung auf „mehanifhem
Wege‘ verboten, fo daß immer noch eine Möglichkeit beftehen bleibt zu einem
unlauteren Wettbewerb, gegen den fein Gefek Schuß verleiht. Der Ron-
furrent umgeht nämlidh einfah das Verbot, indem er nad der Photographie
eine Zeihnung anfertigen läßt, die dann als Vorbild zu weiteren, für den
Handel beftimmten Aufnahmen dient. Der Wunfch des Photographen-Dereins
ift nur beredtigt, wenn man bedenkt, daß bei der rapiden Entwidelung,
urh die der junge Schaffenszweig
in faum zwanzig Jahren zu fo
ungeabnter Blüthe gediehen ift,
ihm fein redtliher Shug niht
mebr genügen fann. Als fälle,
auf die ih das Verbot nikt er-
ftreden foll, führte der Derein auf:
„freie Benugung einer Photo»
graphie bei der Hervorbringung
eines neuen Werkes, eine Einzel-
fopie und die Benugung zur Jllu-
ftrirung von Scriftwerfen. Wenn
man den Beihluß des Photo-
graphen-Dereins auh begreifen
fann, fo bat doc aud das Publi-
fum ein mebr paffives Gntereffe
am Redtsfdhuge der Photographie,
fpeziell des Porträts, und darf
als Ergänzung zu der obigen
Refolution die Frage ——
ob und inwieweit der Einzelne
vor und gegen Mißbrauch photo⸗
graphiſcher Bildniſſe und ins-
beſondere gegen die Taktloſigkeit
und Gndistretion der Woment-
photographie rechtlih gefhüst it.
Daß diefe fogar den Ruf einer
Perfon fhadigen fann, beweift ein
Fall, der jiingft vor der Rénigs-
berger Straffammer verhandelt
worden ift. Jn einem offenen Laden-
gefhäfte in Cranz wurden als Er-
innerungen an Cranz Briefbefhwerer und Poftfarten feilgebalten mit der
Abbildung eines jungen Mädchens im Badefoftüm, in dem ih ein Fräulein
Schmidt wiedererfannte. Die dentität der Abbildung mit der jungen
Dame wurde nadgewiefen und von Seiten des ohne ihr Wiffen aufgenommenen
Fstänleins, da trog ihrer Einwendungen der Händler die Photograpbien
weiter verkaufte, der Prozeß angeftrengt, der feinen Abfhluß in der Der-
urtheilung des Angellagten zu fehs Monaten Befängniß gefunden hat. Eine
gtiindlide Reform in diefem Punkte, wie überhaupt bei dem fogenannten
Urheberrechte, erjcheint dringend geboten. Schon einige Male ging man
daran, ein ,,Derfiigungsredt über das eigene Porträt" zu fchaffen, das
bis in die fehziger Jahre unferes Jahrhunderts hinein überhaupt niht be»
ftanden bat.
Nad damaliger zivilrehtliher Auffaffung war jedes gemalte Porträt oder
jede Büfte ausfhließlid Cigenthum des betreffenden Rünftlers. Auf den Gedanken,
daß bei einem Portrat eigentlid) dod) aud der Dargeftellte etwas mitzureden
babe, fam ert im Jahre 1863 eine von der deutjhen Bundesverfammlung
zur Ausarbeitung eines Entwurfes zur einheitlihen Regelung des fogenannten
Urheberrechtes beftellte Rommiffion. Sie formulirte diefen Bedanten in der Be-
ftimmung, daß bei Porträts das Recht der Vervielfältigung von felbft auf
den Befteller iibergebe. Eine andere Rommiffion des jahres 1865 ere
weiterte den Redhtsfhug des Befteilers dahin, daß fein Bildniß nicht ohne
Cudwig Manzel, Medaillon für das Friedrich Wilhelm- Jnftitut.
Bronze.
oder fogar gegen feinen Willen in die Oeffentlidfeit gelangen fönne, und
war beftrebt, ein „unbedingtes Derfügungsreht über das eigene Porträt‘ zu
fhaffen. Durd die Stellungnahme der Regierung aber tam es fhließlih nur
zu folgendem Redtezuftande: Bei gemalten oder gezeihneten Porträts und
bei Porträtbüften hat der „Befteller" das unbejhränfte Ylahbildungseredht bis
zu 30 Jahren nah dem Tode des betreffenden Rünftlers (Befez vom 9. Ja-
nuar 1867, §§ S und 9). Pbotographifche Bildnifje aber find, wieder in der
Perfon des „Beftellers‘‘, nur dann gefhügt, wenn fie Namen oder firma
des Derfertigers, Wohnort deffelben und das Kalenderjahr, in dem die
Photographie „erfhienen" ift, auf dem Bild oder dem Karton enthalten (Be-
feg vom 10. Januar 1876, §§ 7 und 5); fle find aber nur gefhügt gegen
„mechanifche* Nadbildung (§ 1), alfo niht gegen irgendwelde freihändige
fünftlerifhe Nachbildung, und find nur gefhüst auf 5 Jahre vom Jahre der
Aufnahme oder des „Erfheinens" ab ($ 6); endlich fällt jeder Schuß bin-
weg, wenn es fih um Nahbildungen handelt, dte fih an Werfen der Jn-
duftrie, des Handwerks, der fa-
briten befinden ($ 4), bei Nadh-
bildungen photograpbifher Bild-
nife alfo, die 3. B. für Brief:
befhwerer, Anfihtspoftfarten und
dergleihen verwendet werden!
Hierzu fommt nod die Be-
ftimmung de3 § 7 des Gefekes,
daß lediglih Ser Befteller das
Redt hat, zu beftimmen, wie viel
Abzüge feines Bildes gefertigt
werden follen, und dağ der Photo-
graph foon allein dadurh, dağ
er mehr Bilder, als beftellt find,
anfertigt, ih eine Beldftrafe bis
3u 5000 Mark event. fteiheits-
ftrafe bis zu fehs Monaten zu-
3iebt, falls er dies in der Ab-
ficht thut, diefelben zu verbreiten.
In einer Entfheidung des Reihs-
gerihts vom 21. September I8SO
beißt es hierzu: „Die entjhiedene
Regel bildet, daß der Befteller
das Bild zum intimen Gebrauch
verlangt und es jedenfalle von
feiner Willensbefimmmung ab-
bängig gemadt feben will, ob
daffelbe aud) anderen Perfonen,
wenn aud nur zur Anfiht, zu-
ganglid fein fol. Es ift dies
die menfhlih vollftandig ver-
ftandlide und geredhtfertigte Ab-
neigung, fid) oder eine andere Perfon wider Willen vor die Oeffentlidfeit
gezogen und zum Begenftand der WAufmerffamfett und Kritit des Publitums
gemadt zu feben, welde die Ausnahmevorfhrift hervorgerufen bat.‘
Wenn fih fo der gefetlih gewährte Schuß des Porträts nur auf be-
ftellte Bildniffe befhräntt, fo ift diefer Nechtszuftand für unfere Zeit zwar
viel zu eng bemefjen, läßt ih aber verftehen und damit entfhuldigen, wenn
man bedenkt, daß es vor 22 Jahren nur das fogenannte ,,naffe Derfahren‘
gab, nad dem die Platten im Bedarfsfalle jedesmal unmittelbar vor der Auf-
nahme erft präparirt werden mußten. Nachdem aber durch die Er-
findung der fogenannten „Trodenplatten“, die auf Monate hinaus auf-
bewahrt und in jedem beliebigen Augenblide verwendet werden können,
die Momentphotographie auffommen und fih 3u folder Dollfommen-
beit entwideln fonnte, ift eine Gefekgebung, in deren Mittelpunkt
der Befteller fteht, felbjtverftändlih nicht mehr ausreihend. Wenn ein ge-
wiffer Sdhuk dem Momentphotographen gegenüber aud fhon infofern beitebt,
als auf eine heimlih gemadte Aufnahme, durd die eine Perfon bloßgefteltt
wird, die Beleidigungsparagraphen oder die bekannte Debnbarfeit des
Paragraphen über „Groben Unfug" in Anwendung gebradht werden tann,
fo it doch gefeglih no nit genug mit der Scheu der meiften Menfjben vor
Preisgabe ihrer Bildniffe an die Oeffentlidfeit, auc ohne befondere, unangenehme
Nebenumftände, gerechnet. Dor der Gefahr, duch Momentaufnahmen ode
Deutfhe Rung.
£udwig Manzel, Kaifer Heinrich III.
‚für das Neihstagsgebäude in Bronze ausgeführt.
finetographifche Dorftellungen in unerquidlide Situationen zu tommen, ift
Niemand fiher,; cs giebt weder ein gefezlihes Propbylaktitum dagegen, noch
ein Sühnemittel. Der bekannte Spezialift Dr. Stolze fhlägt zu einer end-
lihen zeitgemäßen Regelung des für photographifhe Aufnahmen beftehenden
Redtszuftandes, der in der Praris von völliger Nedhtslofigkeit nicht allzu weit
entfernt ift, folgenden Paragraphen vor: „Auf öffentlihen Straßen, Pläßen,
Wegen, in öffentliben Parks u. f. w. ift das Photographiren geftattet, foweit
daffelbe keinerlei Beläftigung des Verkehrs zur Folge hat. Don den fo ge-
wonnenen Bildern dürfen jedod) foldhe, welde den Charakter der Portraits
haben, nur mit der Einwilligung der Photographirten veröffentlicht werden.
Bei feftzügen, großen Menfhenanfammlungen und überall, wo die Perfonen nur
als Staffage der Landfhaft dienen, ift eine folhe Erlaubnig nicht erforderlich.‘
Dielleiht ließe fih dabei auh, um eine Unterbindung der weiteren Ent-
widelung der Photographie, die für die Herftellung untrüglicher Flluftrationen
von wiffenfhaftlidem, fünftlerifhem oder kulturgefchichtlihem Werthe fo un-
entbehrlid geworden ift, unter allen Umftänden zu verhüten, der Rehtsfhut
der Portraits noch bejhränfen, indem man der Anficht eines der geiftvollften
Dorfämpfer des Shukes geiftigen Eigenthbums, des Profeffor Dr. J. Robler
in Berlin, beitritt. Er äußert ih: „Hier gilt der Sak, Saf Perfonen, die
der Gefhihte angehören, die fih im öffentlichen Betriebe bewegen, die Aus-
ftellung der Portraits fih gefallen laffen miiffen, nicht aber aud die Aus-
ftellung einer Rarifatue — abgefehen von einer Rarifatur-Zeitfehrift, in welder
niht die einzelne Perfon allein, fondern eine ganze Reihe von Zeitgenoffen
[herzhaft behandelt werden; denn foldes nimmt der Rarifatur den hodft
perfönlihen Charafter — es liegt dann eben eine fherzhafte Behandlung
der ganzen Zeitgefhihte vor. Aud) die (nicht Farifirte) Ausftellung von
Deutfche Kunft in Paris 1900.
ie Deutfhe Runftausftellung auf der Parifer Weltaus-
ftellung darf nur etwa 400 Bilder umfaffen. Sie wird alfo eine
D fleine Ausftellung werden, fo daß man umfomehr darauf be-
dacht fein muß, fie zu einer Elitenusftellung zu geftalten. Daß Deutjhland
mit dem Auslande fonfurriren fann, unterliegt feinem Zweifel, ob es aud
wirfli leiften wird, was es leiften fann, liegt im der Hauptfade an der
Jury, die mit der Auswahl der Augftellungsgegenftände betraut if. Wenn
fih bei ihrer endgiltigen Zufammenftellung der deutfhe Rommiffar für die
445
Perfonen, welde zwar nicht im öffentlihen Leben thätig find, aber als
Scriftfteller oder Rünftler fih Namen verfhafft haben, fo daß ein allgemein
beredtigtes Gntereffe nad perfSnlider Renntnignabme vorhanden ift, darf
nidt als unbefugt betrachtet werden."
Eine Perfon, die der Befhihte angehört, ift der verewigte fürft Bis-
mard unbedingt, und doc bat fic) aud) an ihm die Taftlofigteit eines Pho-
tographen in einer ftrafbaren Handlung vergehen fdnnen, die auf der
Wanderverfammlung des Deutfhen Pbotographen-Dereins auh zur Sprache
gefommen ift. Nikt einmal des Todes ernfte Heiligkeit mar gefhüßt vor
frefulativer Zudringligkeit; ohne Erlaubniß drang ein Photograph in den
Raum ein, der die Leiche des großen Kanzlers barg, um fih mit einer Auf»
nahme des Todten feine Priorität zu fihern und damit die Möglihkeit, ein
gutes Befhäft zu maden, ehbe ein Ronkurtenzunternehmen auftauchen konnte.
Eine beabfihtigte gefhäftlihe Schädigung hätte in beftimmter form zunädhft
nur angenommen werden fönnen gegen die familie von Bismard und
Profeffor von Lenbad; nit eines unlauteren Wettbewerbes wegen ift aber
der Eindringling ftrafbar und nicht, weil er den Redhtsfhuß der Perfönlidkeit,
der für gefhidtlide Perfonen ja nad Dr. Robler'’s Anfidt nicht beftehen
foll, verlegt bat, fondern wegen Hausfriedensbruds; denn das Vorgehen tann
gefegli nicht feinem eigentlihen Charakter nad und im Sinne einer Noth-
webr gegen die Photographie gefühnt werden.
Was durch folhe Beftimmungen, wie fie von Dr. Stolze, Profeflor
R obler und dem Deutfhen Photographen-Derein getroffen worden find, erfterftrebt
wird, ift die Erweiterung des Redtsfhuges der Photographie gegen unbefugte
Nadbildung und eines gleiden der Perfönlichkeit. Sie wird eine Aufgabe der
Jurisprudenz der nädften Jahrzehnte fein. Vielleicht gelingt es ihr, einen Redts-
zuftand zu fhaffen, mit dem die beiden interefjitten Theile zufrieden fein Fönnen,
der Sem Publifum den nöthigen Shut gewährt und zugleih auc die bered-
tigten Wünfche der Photo-
grapben berüdfichtigt. Freilich
wird es fih faum vermeiden
laffen, daß im einzelnen
Falle die Entfheidung dod
nod dem Richter überlajjen
bleibt, namentlid wenn es
fih um abfolut niht aus-
geſchloſſene Vorkommniſſe
handelt, in denen das Geſetz
keine rechte Handhabe bietet,
um Recht und Unrecht klar zu
unterſcheiden. Eine Erweite⸗
rung und Feſtſtellung des
Rechtsſchutzes für und gegen
die Photographie aber iſt
eine dringende zeitgemäße
Forderung, deren Erfüllung
nit allzulange mehr auf-
gefhoben werden darf, wenn
fih das Material an Por-
fallen, fiir die feine direften
Gefebliden Beftimmungen be-
fteben, nicht foweit baufen
foll, dağ man fdlieflid
feinen Paragraphen mehr
zur Hand bat, der zur ge-
febliden Entfheidung beran-
gezogen werden tann.
Parifer Weltausftellung, Herr
Gebeimrath Dr. Ridter,
mit Zuratbeziehen geeigneter,
fadverftindiger und vor-
urtheilsfreier Männer feine
Machtvollkommenheit wirklich
bat wahren fönnen, fo darf
man wohl erwarten, daß
Ludwig Manzel, Abendlied.
Berliner Natlonalgaler!e.
446
fein löbliher Brundfaß, eine einheitlihe Ausftellung zu fhaffen, in der die
beiden fich gegenüberftehenden Runftridtungen der Modernen und Ronfervativen,
oder, was ziemlich dasfelbe bedeutet, der Sezeffionen und der Runftgenoffen=
[haft in gleiher Stärke vertreten fein follen, auh zur That wird. Wenn
Herr Gebeimrath Ridter aud Ludwig Dill’s als Anhalt vorgelegte
Jurorenlifte, auf der jede Aunftftadt mit zwei Riinftlern, einem modernen
und einem fonfervativen, vertreten war, verworfen hat, fo ift Dill's Plan
bod anfänglih fhon der eigene unferes Rommiffars gewefen. Die Gefabr lag
nabe, daß er ihn mit Dill’s Lifte begrub und den Rünftlern felbft die Wahl
der Jury überließ. Das bequemfte und einzigfte Werkzeug hierzu wäre die
Deutfhe Runftgenoffenfdhaft gewefen. Da diefe nun ziemlich identifch
ift mit der fonfervativen Runftpartel, weil die überwiegende Mehrzahl ihrer
Mitglieder der alten Richtung angehört, fo konnte man von einer Wahl der
Fury durd die Rünftler felbft nicht allzuviel erwarten, durfte fi vielmehr die
fhöne Ausfiht nicht vorenthalten, daß fi die deutfhe Runft auf der Parifer
Weltausftellung etwa ausnehmen würde wie Ser Mond von Heifterbadh. Jn
folder Geftalt aber fdnnte die deutfhe Runft nidt in den großen Wetllampf
eintreten, 3u dem eine Weltausftellung berausfordert, und würde ih von
vornherein hors de concours ftellen. Es blieb aljo das rathjamfte, daf
Here Geheimrath Ridter die Guroren felbft berief auf die Gefahr hin, daf
man ihm in gewiffen Rreifen vielleiht ein eigenmadtiges, bureaufratifdes
Vorgehen vorwerfen wird. Nur diefe Handhabung biirgt bet abfoluter
Gleihftellung der Aunftgenoffenfhaft und der Sezeflionen für eine geniigende
Betheiligung fonkurrenzfähiger, ausgefprohener Zndtvidualitäten, die die teh-
nifhe Entwidelung der bildenden Aunft nit verfchlafen haben.
Ein erfreulihes Anfehen genießt in Paris das deutfhe Runft-
gewerbe; wenigftens ift ihm in der allgemeinen Runftgewerbeballe anf der
Gnvaliden-Esplanade ein größerer Raum zuerfannt worden als dem der
anderen Länder. für die dekorative Ausftellung diefer Wbtheilung ift die
Leitung eines tüchtigen Architekten, des Herrn Hoffader- Berlin, bereits
anerkannt. Die Brundideen des Hoffader'fhen Planes, zu dem fih der
Reihstommiffar hoffentlih redht bald die Zuftimmung der franzöfifhen Aus-
ftellungsleitung — fowelt eine folde überhaupt erforderlih it — fichert,
haben auf der am 27. Auguft in Berlin ftattgehabten Sigung des Arbeits-
ausfdufjes der funftgewerbliden Rommiffion einftimmige Anerkennung ge-
Dentfhe Runft.
funden. Here Gebeimrath Ridter felbft fonnte der Ueberzengung Ausdruck
geben, daß auf den gewonnenen Grundlagen, danf dem einmiithigen und
vertrauensvollen Zufammenarbeiten der funftgewerbliden Kräfte aus allen
Theilen des Reiches, ein erfolgreihes Auftreten Deutfhlands in Paris zu-
verfihtlih erhofft werden Fönne.
Es hat den Anfchein, als hätten die franzofen von dem deutfhen Runft-
gewerbe fhon eine ziemlih hohe Meinung, die uns aber zu größter Dorficht
mahnt. Nicht felten ftellt man hohe Erwartungen und verbreitet Berüchte,
Sie folhe erzeugen und nähren, um fih von vornherein eine Enttäufhung 3u
fihern. Wer die moderne Funftgewerblihe Bewegung und die zunehmenden
Annäherungsverfuhe der hoben Aunft an fle verfolgt, muĝ idh fagen, dağ
auf der nädften Weltausftellung nit die hohe und monumentale Runft im
Dordergrunde des Jntereffes ehen wird, fondern die Rleinfunft. Sie wird
das entfcheidende Moment bilden im Wettfampfe der romanifhen und ger-
manifchen Raffen um die Oberhand auf dem Weltmarkte der Runft, fo daß
gerade hier für eim förderndes Eingreifen des Staates das punctum saliens
zu fuhen wäre. Was in erfter Linte berüdjihtigt werden müßte, ift die
große Vorliebe fiir Rleinplaftif, die zu einer überaus lebhaften Aonfurrenz
der Völler gerade anf diefem Runftgeblete führen wird. Fn Deutfhland wird
es erft feit furger Zeit gepflegt und wir fteben nod hinter den franzofen
guriid. Es muğ alfo noh viel gefheben, um uns duch das Auftreten der
deutfhen Kleinplaftit auf der Parifer Weltausftellung vor einem Beftande
diefes Eingeftändniffes zu bewahren.
Der preußifhe Staat bat fih der Pflege und Förderung des neuen,
bedeutungsvollen Aunftzweiges wenigftens fo weit zugewandt, daß er all-
jährlich 10 000 Mark zum Ankauf von Rleinfkulpturen, die fonft no nirgends
verkauft oder ausgeftellt gewefen find, auswirft. Das wirffame pädagogifche
Mittel ,,Geld wird gewiß and diesmal feinen Zwed nit verfehlen und
die Rünftler verloden, ih mit allem Eifer einem Gebiete zuzuwenden, von
deffen Beftand das Anfehen des deutfchen Runftgewerbes auf lange Zeit
hinaus zunächft abhängt. Wenn erft mehr bedeutende fünftlerifhe Kräfte für
die Aleinplaftif, der aftuellften Erfheinung des Fünftlerifhen fin de siècle,
gewonnen find, darf man wohl hoffen, bis zum Jahre 1900 werde unfer
Runftgewerbe in dem ausjhlaggebenden Genre nod fo weit erftarfen und
erblühen, daß es neben Franfreidhs Erzeugniffen in Ebren befteht.
Eine „Eunftgefchichtliche” Streitfchrift.
a Guffow und der Naturalismus in Deutfdh-
land, funftgefdhidtlide Streitfhrift von Dr.
Rarl Pietfdfer P. Ein Profpeft Ser Verlagshandlung,
an deffen Kopf vorftehender Titel ftebt, bebt fo an:
„Auf der vorjährigen Runftausftellung in Berlin 30g eine trefflid
gemalte Satire auf den modernen Naturalismus: „Die neue
Mufe* von Hermann Clemenk, die Aufmerkffamkeit aller Befucher
auf ih. Eine freche, nadte Dirne mit rothen Haaren, Palette
und Pinfel in der Hand, fitt auf einem fteinernen Poftament
und fohmiegt fih an ein fideles Schwein, das neben der „neuen
Mufe vergnüglih thront. Das Poftament zeigt an feiner
Dorderfeite zertrümmerte Relief- figuren, die an den Parthenon-
Fries erinnern, und aus der Mitte fpendet eine Röhre eine [hwärzlicye
Sliiffigteit, die man in anftändiger Befellfhaft nit mit dem
rechten Namen bezeihnen darf. Die Flüfjigkeit ergießt fih, um
das Maß voll zu maden, auf zertrümmerte antife Bildwerfe.
Taufende freuten fih über das Bild...“
Da ih über Herren Paftor Pietfhfer fhon mandes gehört
hatte, aber noch nichts, das mid) beredtigt hätte, ihm zuzutrauen,
daß er fih mit diefem „Bilde“ identifizire, fo Faufte ic) mir feine
Streitfehrift. Witze über die gegenwärtige Runftbewegung werden
ja zu hunderten gemadht und wahrfcheinlid die beften im eigenen
Lager; wenn obiges Bild als gezeihnete Karikatur irgendwo er-
fhienen wäre, hätte man wohl einen Spaß daran haben Fönnen.
on der vorliegenden form mußte es jeden, dem der Begriff
„Runft“ etwas Heiliges it (und zu diefen zählte id bis dahin
Heren P. Pietjchker), mit dem Gefühl erfüllen, das ein anjtändiger
Menfh bat, wenn er von Strafenjungen mit Schmuß bes
worfen wird.
Was dem „Maler der „Neuen Mufe die „Runt ift, das
hat er auf einer vorbergebenden Runftausftellung bewieſen, als
er ein „Berliner Nahtcafe‘* mit all’ feinen Reizen gemalt hatte.
Nun, viel beffer it die kunſtgeſchichtliche Streitſchrift auch nicht
Was daran Streitfhrift ift, athmet denfelben Duft wie die „‚Ylene
Mufe* und was daran funftgefhichtlic ift, die Stellung, Sie er
Bujfow, als dem unglüdlihen Vater der mißratbenen Rinder,
der Modernen, anweift, ift falfh. Darüber wird ihn der Meifter
felbft wohl belehren. Jh fliege das aus einem Briefe Buffow's
an P. Pietfdfer, auf den ic nod zurüdfommen werde.
Man muß Pietffer’s Budh farf trennen in die Rapitel I
bis V und VII, die Guffow gewidmet find und VI und VII, die die
Moderne todtfhlagen follen.
Die erfteren athmen eine mandmal ein wenig exaltirte Be-
geifterung und wenn aud fie nidt fron durch Ausfälle in
wiifter Tonart befledt wären, Fönnte jeder, der den großen
Rönner Buffow verehrt — und wer, aud unter Sen Modernen,
thut das nit — eine ‚Freude beim Lefen haben. Aber
Rapitel VII und VII! „Naturalismus und Sesefjioniften und
„Die Mündener Sezeffion und die neue Runt. Der DVerfaffer
zeigt mehrfach in feinem Budh, wie ibn die franquet'fhe Be-
zeihnung von Leuten feines Geiftes mit „Schaupöbel* verlegt
bat. Yun die Qualififation für die legten beiden Silben dSiefes
Wortes hat er fic) entfchieden mit der Tonart diefer beiden
Rapitel erworben. Hier ein paar Stilproben: „Aud io sono
pittore — fagt heutzutage jeder Anftreiher, wenn er ......
ein fo wiiftes Leben geführt bat, daß feine fablen Befihtszüge
„etwas Surdgeiftigt fins. —* 7
yodstaels ... der nun fcon feit 25 Jahren auf fteter
eiftiger Sude nad allem Hafliden und Gemeinen ift.*
Don Liebermann: „Bei ibm fdeint die Sonne bddfiens im
Frühling, weil er dann recht fparfam mit dem Lichte umgeben
und bei diefer geizigen Beleuchtung nod obenein hobnladend
Deutfhe Runft.
Ludwig Manzel, Der Fricde durd das Dolf in Waffen gefdhiigft.
Eigentbum des Preufifhen Staates; zur Aufftellung in Quedlinburg beftimmt.
447
Deutfde Runft.
eine fable, arm-
felige Natur zei-
gen fann“; er
it ibm eine
„galliger Pefii-
mit“, „felbft-
berrlihe und
robe Runftan-
fhauung der
Modernen’. .
„Ihre auf den
erprobten Ge-
fhäftsgrundfag
der Begenfeitig-
feit begründete
Unfterblicfeits-
Derfiherungs-
anftalt arbeitet
gefhidt und un-
| verfroren in ein-
| flußreihen poli-
e tifchen undRunft-
zeitſchriften
weiter.“ Was
heißt das, Herr
Paſtor? Wenn Sie ein ehrlicher Mann ſind und nicht nur vage
Verleumdungen kolportiren, dann belegen Sie dieſen Satz mit
Thatſachen.
Die Vertreter moderner Kunſt ſind Pietſchker nur ein „Kreis
von excentriſchen Köpfen“.
„Takt und äſthetiſche Bildung hat der Rünftler au fin de
siecle nicht mehr nöthig, nur ein unerſchütterliches Selbſtbewußt⸗
ſein und ein unverſchämtes Mundwerk.“
„Das wüſte Geſchrei der jungen Himmelsſtürmer.“
„Solcher nüchterner, um nicht zu fagen ftumpfjinniger Mift-
finken .... giebt es aber nicht bloß im Bauern- und Arbeiter⸗
ſtande, ſondern auch unter den ſogenannten Gebildeten der Stadt,
nur daß man fie ĝa, canis a non canendo, „Naturaliften“
nennt.“
„All' die naturaliftifhen Verrüdtheiten werden als Atelier-
ſchwarten verſchwinden.“
Die gegenwärtige Kunſtbewegung iſt von ihren erſten An—
fängen an, wie jede hohe Sache, mit Schmutz beworfen worden.
Manch kerniges Wort der Abwehr iſt gefallen. Aber ich glaube,
gegen Paftor Pietfchfer wird Feiner anfönnen; das muß man
nur niedriger hängen. Jd) bedauere, nie eine feiner Predigten
als Bomftädter Landpaftor gehört zu haben: wenn die auf den-
felben Ton geftimmt waren, miiffen fie ähnlide Rernworte bieten,
wie die feines feligen Amtsbruders Abraham a Santa Clara.
„Miftfinfen* — um das Wort ift nun die deutfche Schriftfprache
reicher!
Sh babe aus der Streit-
febrift Sen pofitiven Standpuntt
des Derfaffers herauszuſchälen
verfudt. Es ift niht ganz leichte
Arbeit, Senn die vorgebradten
Anſichten bilden ein ziemliches
Chaos. Jn einem Athem wird
nidt nur auf diefelbe Eigen-
[haft bei einem Meifter ge-
fhimpft, beim andern fie als
Stärke empfunden, fondern der-
felbe Meifter wird bald verpönt,
bald gelobt, jenadh Bedürfnif.
Der Verfaffer fdhimpft auf alles,
was Sezefjion ift — nein, was
er Sezeflion nennt und das
ift etwas anderes. Bei ihm ge-
hört fogar der Berliner Riinftler-
Weft-Rlub zu den Sezefjioniften,
£udwig Manzel, Weibliher Akt.
die „in all’ ihren Werken diefelben Phyfiognomien wieder zeigen**.
Er befhuldigt diefe „Sezefjioniften“, dağ fie ñh gewöhnt haben,
wftatt von der Antife die Ideale der Schönheit zu lernen, lieber
bei der japanifchen Runft in die Schule zu geben“. — Und
Stud und Tuaillon und Rlinger und Greiner, Here Paftor? —
„Man bat mit der organifthen Entwidelung einer mebr-
taufendjährigen Runft und ihren Regeln und Prinzipien ge-
broden.* Und 3. B. Liebermann’s begeiftertes Studium
Rembrandt's und Velasquez’? Und die Anknüpfungen, die
überall bloß liegen und auf die aud die berufene Runjtwiffen-
[haft ftets bingewiefen bat?
Jh muĝ bier auf eine Pleine DVerfhiebung der Begriffe
binweifen, die der Derfaffer der Streitfhrift vorgenommen bat.
Er fpriht immer von „alter Kunft. SLandläufig verfteht man
darunter die Runft bis zum Ende des 18. Jahrhunderts fpäteftens.
Pietfchker bezeihnet damit aber die Kunft der dreißiger bis fieb-
ziger Jahre unferes Jahrhunderts. Die berufene Kunftwiffenfhaft
bat zur Benüge dargethban, wie gerade diefe mit wirklicher
„alter‘* Runft grundwenig zu thun bat, fondern in Auffaffung
und Tehnif in engfter Verbindung mit dem ftebt, was zur
felben Zeit ad usum publici in franfreih produzitt worden
ift. Die Runftwiffenfhaft bat darauf hingewiefen, daß gerade
die gegenwärtige Bewegung im Geifte der großen Alten zu
fhaffen fuce, ohne ihre Ausdrudsmittel zu fopiren. Allerdings
befteht für den Derfaffer augenblidlih die berufene Vertretung
der deutjchen Kunftwifjenfchaft in der Praxis aus — „fenfations-
lüfternen Galerie-Direftoren*.
Eine Wonne find ihm die Angriffe, die in den Landtagen
von den Herren, die fo trefflihe Reden über alles zu ſchwingen
wiffen, gegen die Balerieleiter, die es wagten, moderne Gemälde
aufzubängen, ergangen jind. Sollte wirflid fein Gedadtnif
ihn feinen Augenblid erinnert haben an Sie nterpellation im
Preußifhen Abgeordnetenhaus, als eint Bödlin’s „Befilde der
Seligen“ der National-Balerie einverleibt wurde. - Jn den
Reihen der Pietfihfer's von damals ertönten diefelben Entrüftungs-
rufe gegen Bödlin, wie jegt gegen Klinger, Uhde und Lieber-
mann und alles, was fie mit dem jchredlihen Sammelnamen
„moderne Sezefjioniften‘ bezeichnen.
Pietfäfer weiß nun aber genau, daß es aud in Sen
Reihen, in denen er fteht, eine ganze Anzahl von Leuten giebt,
die nicht gänzlid blind find und fo nimmt er bei feinen großen
Saladten in den Reihen der Moderne hübfch auf fie Rüdficht
und gewährt ihnen ein Konzefliönhen. Beim Allgemeinen fängt
er an: „Niemand wird allen forderungen, allen Beftrebungen des
modernen Sozialismus die Berechtigung abfprecen fonnen** — jeder
fann fic da feine forderungen und Beftrebungen ausfuhen. Dann
aber: „Die heilige Gefthichte (v. Ubde’s „Beburt Chrifti und
Aehnliches) wird ins Sozialdemotratifche iiberfekt, fo daß nichts
Lieblidhes und Heiliges, nichts Erhabenes mehr übrig war,
fondern nur Elend, Schmuß und Bemeinheit.“ Die Bezeihnung
„Sozialdemotrat‘ kommt öfter wieder, wenn er von Uhde fpricht.
Dielleiht ruft Derfaffer in feiner nädften Brofchüre direft den
Staatsanwalt auf gegen die modernen Riinftler. Er bat nicht
das geringjte Empfinden für das durd und durch Ariftofratifche,
das in dem tiefen Mitleid für die Enterbten liegt. Er giebt die
£udwig Manzel, Weiblicher Akt,
Deutfhe Runft.
449
„tiefe Gnnerlidfeit von Uhde's Charafterfdhilderung zu, „melde
den Stoff mit dem Gefühlsleben unferer Zeit wirkflid zu durd-
dringen wufte; aber dann: „es bleiben nur nod die Neigung
für das Niedrige, Häßlihe und Gemeine übrig.“
Dann über Stud: „Eine fhöpferifhe Phantafie, ein groß-
artiger Wurf, meift aud ein energifher Ausdrud läßt fi feinen
neueren Schöpfungen nicht abfpreden. Aber die Eva „wirkt
unfittlid und wedt im Befhauer unfeufhe Gedanfen. „Ohne
Hweifel find die Stud’fhen Gemälde bemerfenswerthe Kunft-
werfe; aber trog einer ftetig wachfenden Tücdhtigfeit in der Aus-
führung gewährt feins derfelben jene völlige Befriedigung, welde
jedes wahre Kunftwerf uns verfhaffen foll und auf den meiften
fommen Derftöße gegen Zeihnung und Modellierung oder Ge-
fhmadlofigfeiten vor. Warum ftören Sie denn diefe Derftöße
bei dem von Jhnen fo verehrten
Cornelius niht? Da wimmelt
es Sod) Savon. Und dann der
Dorwurf der Anlehnung, des
verftedten Plagiats: Beben Sie
dod ein einziges Wert an, das
bei alledem nicht ein echter Stud
wäre. Anlehnungsreihen tann
man beim felben Motiv durch die
ganze Runftgefhichte bis zu den
Affyrern. hinauf verfolgen, das
weiß jeder, der fi je eingehend
damit befhäftigt hat.
Doll der merkfwürdigiten
Widerſprüche iſt Pietſchker's Be-
urtheilung Klinger's. Das Genie
kann er ihm nicht abſprechen.
Aber er kann aus der Ge—
ſchichte eines Handſchuhs „abſolut
nichts Vernünftiges und halb—
wegs Derftindlides herausflii-
geln“*. — Bitte, Herr Paftor,
wollen Sie ein Plein bischen die
darüber erfchienene Literatur zu
Rathe ziehen, 3. 8. Heft 18,
Jahrg. 1898 diefer Zeitfehrift! —
€s giebt eben doc eine ganze
Rlaffe Leute, denen die Sache fehr
Mar erfcheint.
Aber nun: in einer Fußnote
bemerft der Derfaffer, daß der
„Sammler Pietffer eine Suite
diefer ,,Parapbrafe über einen
verlorenen Handfhuh* erworben
hat, die der „Runftfenner“ Pietfd-
fer eben fo veradtete. Wo bleibt
denn da die fonfequente Ehrlich-
teit der Heberzeugung? Diefe Art Sammelns von Runftwerken
fteht Sod) wirflid) faum über der Briefmarfen- oder Liebig-
bilderfammlung!
Sogar das fhwere Befhüß der „Moral fährt er gegen
Klinger auf. — Worte wie: (Klinger’s) ,,fonfufe und zotige
Blätter folgen. Und ein Sak wie: ,,Die Möglichkeit, fich mit
folder, bei aller Benialität Rlinger’s doc Surd und durd ver-
robeten Ridtung zu verftändigen, ja aud) nur fdweigend, obne
Proteft fie noh länger gewähren zu laffen, ift Seshalb ganz und
gar ausgefhloffen, fo lange man fid nod als Menfd und
Chrift mit verantwortlich fühlt für die fittlihe Anfhauung feiner
Heit freit, wenn aud nur verftedt, nad Sem Cenfor und
Polizei.
Daf Pietfchfer fic) iiber Leiftifow's Brunewaldfhilderungen
aufregt, ift ja nur zu erwarten. Wem eben der Grunewald
nur eine Stätte it wohin man Rremferlandparthien madt, wo
die populace endimanchee „Natur fneipen“* fann, dem wird
wohl von der herben Melandolie des märfifchen Föhrenwaldes
nidts aufgehen.
Ludwig Manzel, Am Wege,
Ueber £. v. Hofmann fagt Pietfhler Folgendes: „Ein
erfhredender Mangel der nothwendigiten Formenkenntniß: weder
Anatomie noch Perfpektive, [hwindfühtig magere oder aber ge-
dunfene Leiber, linfifhe Bewegungen, verdrehte Gliedmaßen,
dazu nod ein Hang zum Phantaftifhen, der ohne jedes Per-
bindungsglied? das Wilde und Frakenhafte mit einer ton-
ventionellen, ans Schemenhafte ftreifenden Jdealifirung des Körpers
gleihgiltig zufammenfügt: Das ift die Runft Hofmann’s und
feiner Benofjen.* „Wir halten es daher für unmöglid, daß
felbft die findlichfte Anfhauung eine äftbetifhe Befriedigung
duch folhe Runft haben fann.* — Seien Sie unbeforgt, meine
Herrfdaften, er fauft fid) dodh noh einen Hofmann, wie er fih
die Klinger'fhe Handfhubferie gekauft hat.
„Dill, Albert Keller, Blof, Habermann, Olde, Erter, Sle-
vogt* und „wie fonft die Münde-
ner Himmelsftürmer heißen mögen“
— madt der funftftreitende Paftor
en bloc’ab: „Was an ihren
Werfen gut ift, ift nicht neu, und
was neu ift, ift nidt gut“ Yun,
wenn das „Bute* nit „Neu
ift, Herr Paftor, dann fann es
dod) nur auf der „Tradition der
alten Meijter‘‘ beruhen, was Sie
doc) fo energifch ableugnen? Und
wenn das Neue nicht „Gut“ ift,
wie fommt es, daß fih die be-
tufene Kunftwiffenfhaft, Sas fih
eine folde Anzahl von Rünftlern,
denen Sie felbft die Genialitat
und das höhhfte Talent nicht ab-
ftreiten fönnen, für diefes Neue
erflären? Sind das alles ur-
theilslofe Laien? Wo nehmen
Sie den Muth ber, folhe Leute
mit „fenfationslüfterne Galerie-
direftoren“ und „junge Himmels-
ftürmer‘* als „ein Kreis von
ercentrifchen Röpfen‘* abthun und
um ibre Achtung bringen zu
wollen? Sie, der Sie Ihre Auf-
tidtigteit mit Sem Ankauf von
Werfen belegen, die Sie angeben
zu verahten? Ganz wundervoll
find die Worte Meifter Buffom’s
in dem oben erwähnten Brief:
„Der allem Andern verlange id
von den Alten, daß fie fi jung
erhalten und nicht aus Senilismus
und Aerger über die Erfolge der
Jungen diefen den Krieg erklären,
der früher oder fpäter zu ihren Ungunften ausfallen muĝ.
Leben und leben laffen follten beide Parteien auf ihre Fahne
ſchreiben. Wer's dann mit dem Leben ebrlid) meint, der wird
aud für fpätere Zeit niht umfonft gelebt haben. — Man
ftaunt, wo Sie den beifpiellofen Muth hernehmen, den ganz
flaren und undentelbaren Worten Meifter Guffow’s entgegen-
zuantworten: Das läßt ibn nur fein alter Oppofitionsgeift
fagen. Diefe Art ann man mit einem milden Ausdrud nur
mit „niht echt bezeihnen. Wenn A. von Werner und Pro-
feſſor Knille die Feder fo gewandt wie den Pinfel führen, fo
finden Sie das fehr in der Ordnung, aber die Leute, die aus
dem anderen Lager ihre Anfichten mit der Feder verfedten, find
Ihnen „unter Modellen und in Nadhtcafes mit Damenbedienung
ausgebildete und verfannte Maler, die den Pinfel mit der Feder
vertauſchten“.
Seinen geiſtigen Gegner perſönlich zu beſchimpfen, galt bis
jetzt immer für nicht gentlemanlißke. Wenn man aber ſagt:
„Uhde überſetze die heilige Geſchichte ins Sozialdemokratiſche“,
wenn man ſagt: „die ungebürſtete Genialthuerei der jungen
450
Deutfhe Runft.
Yaturaliften perhorrescire jeden, der es wage aud anmuthige
und liebenswürdige Erfcheinungen darzuftellen‘, jo verbreitet man
bewußt oder unbewußt Unmabhrbeiten — oder kennen Sie
Rinftler wie f. Stahl, René Reinide, Otto H. Engel niht?
Und was fegt diefer Mann nun Pofitives ein? Ab-
gefehen davon, daß die Gedanten über Runft in dem Bud von
einer feltenen Ronfufion find, daß immer einer den andern auf-
hebt, daß meift ein fleines Hinterthiirdhen offenbleibt — ,,aller-
dings und „zwar — find fie nit einmal neu, fondern das
ganze alte Arfenal der längt widerlegten Vorwürfe wird
wieder ausgeframt. Das fängt an mit der Mahnung nad
Leffings Laofoon 3u arbeiten und diefen zu ftudiren: ih tann
Ihnen verfihern, Herr Paftor, daß vom Laofoon an die ges
fammte tunftphilofophifhe Literatur den modernen Riinftlern
geläufiger ift, als mandem der auf Runftauftionen, die Sie ja
für eine hervorragende Stätte der Derfammlung funftverftandiger
Leute zu halten feinen, fein äfthetifches Rößlein tummelt. Erft
die Erfenntnif, wie die ganze Kunftphilofophie nit fähig ge-
wefen ift, etwas Pofitives zu fhaffen, und die Erfenntniß, wie
gewaltige ewige Runftwerfe entftanden find entgegen den von
äfthetifirenden Theoretifern aufgeftellten Regeln, hat die Runft
frei gemadt und reih an fühn im eigenen individuellen Sinne
[haffenden Talenten. Jhnen, Herr Paftor, mödhte id aber em-
pfehlen, Anfelm feuerbady's „Dermädtniß* und die ,,Apho-
tismen** darin zu lefen und Taine. Dielleiht werden Sie
Sod) ein bischen befcheidener, wenn Sie fehen, von welder Herzens-
befcheidenheit
folche Riefer-
befeelt find.
Das Wort
von der wah-
ren Runft,auf
dem aud) Sie
ja wieder ein-
mal herum-
reiten, ift in
den Kreifen
Senfender
Menfden
Sod) ſchon
recht anrüchig
geworden.
Daß Pietſch-
ker einige
kunſthiſtori⸗
ſche Schnitzer
paſſiren,
ſollte einen
eigentlich bei
einem fo „tie-
fen Kenner“
wundern —
fo 3iebt er
Courbet
und feine, ‚Yie-
gation des
Jdeals* an,
weiß aber
nicht, daß das
deal, das
Courbet be-
fämpfte, ge-
nau Siefelbe
‚Formendufe-
lei war, die
er felbft auf
Seite 18 und
— — — 19 feiner Bro-
£udwig Manzel, Die neue Welt. ſchüre ver-
Idealfigut füt den Reubau Staudt, Betlin. höhnt.
Dann verlangt Pietſchker: Ein Kunſtwerk, das nicht durch
ſich ſelbſt redet und aus ſich ſelbſt verſtändlich iſt, iſt überhaupt
fein Runftwerf. Das flingt ganz barmlos, wenn man nicht
weiß, Saf fir ibn ,,verfteben heißt: in deutſche Satzgefüge
umfegen fonnen. Jo mödhte wohl wiffen, wie Derfajjer der
Brofhüre die Disputa, die Dürer'fhen Holzfhnitte obne
Rommentar verfteht, oder was er mit Titian’s „Jröifher und
himmlifcher Liebe anfängt? Oder it das fein Runftwerf?
Es ift auch ein grober Zeichenfehler darauf, Here Paftor!
Wie nun Jemand, der fo thut, als ob er das Runftfhaffen
der Gegenwart zu beurtheilen berufen fei, der doh alfo Zügel
und Frenzel mindeftens fennen muß, behaupten fann, daß Sie
Meifter der vierziger bis fechziger Jahre „Pferde, Kühe, Schafe,
Ziegen, Rehe u. f. w. mit einer Vollendung malten, die unfern
Modernen unerreihbar ift“, das werden wohl außer mir all’ die
andern Leute auh niht verfteben, die, wo fie nidts wiſſen,
wenigftens anftändig genug find, den Mund zu halten.
Was Pietfhter nun als Runft erfceint, it hödhft inter-
effant: Werefhagin und Villegas, Benlliure, Gallegos, fr. Vinea,
Tito, Ricci. Er findet es höhft gerechtfertigt, daß dafür von
den deutfchen „„Runfttennern* und „Sammlern* Millionen aus-
gegeben werden und ins Ausland wandern.
Befonders „auf dem Strih“, wie Sie Berliner fagen, hat
Pietfhter Segantini. Guffow bat ihm einen begeifterten Brief
über diefen gefdhrieben und wie Pietfhler fid nun in Sem
Bericht hierüber herumdriidt, ift höhft amüfant. Jn Theologen-
freifen, Herr Paftor, nennt man das „Eiertänze*. Sehr fpakig
it, daß Segantini den „groben, paftofen farbenauftrag ,,mit Ser
Maurerfelle wabrfdeinlid von Dupre (!) und Trojou (!) gelernt
paben foll! — Und id wollte fo gern ernft bleiben!
Sudt man den Beift zu faffen, Ser Surh das Banze zieht,
fo läßt fi furs fagen: Ein Mann, der fid ein hübfhes Ver-
mögen erworben, ererbt oder erbeirathet hat — Pietjchker läßt
im Profpeft fogar verbreiten, daß er durch feine Gattin Mit-
befiger eines befannten fhönen Palagzos in Rom ift und fic
in folge deffen „civis romanus“ nenne — ein folder Mann
bef&pließt, Mäcen zu werden; er fängt an, Bilder zu taufen —
was gewiß fehr löblih if. Da entdedt er, daß es Maler giebt,
die ganz was anderes als er und feine Befinnungsgenofjen für
fhön halten. Selbft, daß man ihnen droht, fie verhungern zu
laffen, daß man fie für verrüdt erklärt, maht fie niht firre.
Sie [hüten „Ueberzeugung“ vor. „Meberzeugung“*, na, das
it Sod wirklih albern! — Sie feben gar auf diefe Sorte
Runftfreunde von oben herunter. Und all’ das fhöne Geld,
was man fdon fiir Runft ausgegeben hat! — Sogar für foldye
„verrüdten‘ Werke, denn wer kann wifjen, vielleidt fteigen fie
im Rurs! — Ja, da muß man dodh wirflid gleih eine Bro-
fhüre fhreiben! —
Blof um Guffow ift's fhade! Er -fteht uns allen zu hoch,
u daß ihm gegönnt würde, für fo etwas als Dedmantel zu
ienen! —
Da Herr Dr. Pietfehfer P. ein vorfihtiger Mann ift, bat
er fic) in Ser Dorrede zu feinem Bud ein Hintertbürden auf-
gemadt, falls er's für vortheilhafter hält, auf einen Angriff auf-
fein Buh niht zu antworten. Jh boffe aber, dağ, falls er
das aud in diefem Falle vorziehen follte, er wenigftens einen
fonfreten fall vom Wirken der nad) ihm fo eifrig funktionirenden
Derfiherungsanftalt auf gegenfeitigen Ruhm verdffentliden wird
— im ntereffe feines guten Namens.
Dor vier Jahrhunderten fehrieb Dürer aus Venedig an
feinen Freund Pirfbeimer: „O wie wird mid nad der Sonne
frieren! bier bin id) ein Herr, daheim ein Schmaroger!* Er
fannte die Pietjchkergefinnung auh. it's viel anders geworden
feitdem im deutfchen Vaterland? Wie wenig Leute giebt es doch
and beute noc bei uns, die es wirklich ernft meinen mit Ser
Runft und berzenswarme Begeifterung verftandestaltem Brofdiiren-
fhreiben vorziehen!
Carl Canghammer.
Deutfhe Runft.
451
Ausftellung ruffifcher Werke im Salon Schulte in Berlin.
ie Mündener Sezeffion glaubte mit einer Sonderabtheilung ruffifher
ay Runftwerfe ihrer Ausftellung den Reiz eines Ereignifjes verliehen
a zu baben, fenfationell genug, um größeres Auffehen zu erregen,
als jonft die Deranftaltung gemadt haben würde. Gegt find die Ruffen in
Berlin eingetroffen, wo fie Eduard Schulte für einige Zeit auf ihrer
Rüdreife fefthalt. Gewig ift die Ausftellung intereffant und lehrreih, leider
aber fehlt ihr recht eigentlih der nationale Charakter, die jlapifhe Eigenart,
um ein getreues Spiegelbild zu fein vom Empfindungsleben unferer öftlihen
Nadbarn, die für die Zuneigung unferer weftlihen fid mit einem Aneignen
franzöfifher Aunftfprahe erfenntlih zu erweifen fcheinen. So tritt das
Ruffenthum nur ganz vereinzelt in Erfheinung, in den meiften Bildern ift
es untergegangen in fremder Manier, die fo ftarf vorherrfcht, daß das Wefen
nicht mehr zum Ausdrude gelangen fann. Die ruffifhe Malerei feheint nicht
berufen zu fein, für den Panflavismus zu wirken, in ihr befennen fic) die
Ruffen viel mehr zu einer Selbftverleugnung, für die wir das Seitenftüd
nidt allzuweit zu fuhen brauden. Wirklich Yleues und Auffälliges bietet die
Ausftellung faum; zum großen Theile gehören ihre Bilder einer modernen
Ridtung an, die wir bereits überwunden haben, dem Jmpreffionismus, der
nur duch die Farbe hervorgerufene Stimmung fefthalten will auf Rednung
der Maren form. Das fafbare ift vielfad ganz aufgelöft im Elementaren,
in Lidt und Farbeneffeften; der Totaleindrud wiedergegeben ohne jede Rüd-
fiht auf das Einzelne. Am weiteften in diefer Richtung geht Conftantin
Rorovine (Moskau), defen ,,Amerifanifches Cafe’, „Straße von Paris",
„Bach“ und „Waldlandfhaft" für unferen Befhmad faum mehr find als fühn
bingeworfene Farbenftizzen, flühtige Ylotizen, über deren genaue Bedeutung
nur der Auskunft geben tann, der fie niedergefchrieben. für Andere bleibt
manches unleferlih und läßt fih nur aus dem Zufammenhang errathen. Aud
Théodore Botfine (Paris) mit feinen tapetenartigen Capricen, feinen ab-
fonderlihen Schattenfpielen, die im mißverftandenem, deforativem Parifer
Stil gehalten find, Alerander Benois, deffen Derfailler Motive mit ihrer
fteif farificten, bumoriftifh behandelten hiftorifhen Staffage einen etwas
dürftigen Eindrud maden, und Conftantin Somoff, der feine zierlihen Land-
[haften mit nit minder witig darafterifirten, mit graziöfem Humor ge=
zeichneten Geftalten aus dem galanten Jahrzehnt des Neifrods belebt, find
nur mehr oder weniger gefdidte Anempfinder. Ruffifder find die Landfchafter
Cztonglinsfy, Marie Jatountfhitow (Mostau), Pereplethifow
(Mosfau) und Pourvit, die die ruffifhe Natur fehildern. Weite, öde
Steppenländer mit fpärlihem Baummwude, ertem Schnee, den Pourvit virtuos
malt, triibe Yebeltage und. die fdarfe Alarheit der Luft geben fie mit
netürlihem Empfinden für das Charakteriftifhe wieder; mit nod größerer
Runft und ftärferer Eigenart weif Levitan, deffen Mame fdon feit fünf-
zehn Jahren auh bei uns befannt ift, den berben Reiz der ruflifhen Land-
[haft auszudrüden. Seine Dorfrühlingslandfhaft, auf der noh der blau be-
fhattete, letzte Schnee der Sonne troßend in Graben und furdhen lagert,
und feine Herbftlandfhaft mit ihrer Maren Luft und dem vergilbten Laub
der Birken, vor allem aber „Die ewige Ruhe" zeigen ibn als tiidtigen
Stimmungemaler. Wenn aud Midel Nefterow mit zu den echten Ruffen
zu zählen ift, fheint ihn dod) in dem großen Bemälde „aus der Legende der
heiligen Barbara der Franzofe Guftave Moreau beeinflußt zu haben.
Reizvoll, voller Stimmung und Gedanfengebalt find feine beiden „Mönde‘
und die „Einfamkeit‘‘, die fogar ein fosmifches Gefühl, ein leifes Ahnen von
der Weite des Weltenraums im Befhauer erregt. Das ehtefte Talent, ein
Maler von antohthoner Kraft it Valentin Seroff, ein Bildnißmaler,
der nur unter wenigen feines Bleihen findet. Sein Porträt des Broßfürften
Paul, der in der Uniform des Barderegiments zu Pferde neben feinem
Rappen fteht, ift das befte Bild der Ausftellung und fteht weit über den
üblichen, offiziellen Reprafentationsbildniffen von Fürftlihfeiten als ein Ge-
mälde von fdlidter Natürlichkeit. Der Rüraß ift ein blendendes Stüd
malerifhen Rönnens. Auch zwei weitere Bildniffe, ein junges Mädchen in
rofafarbener Bloufe und eine alte Dame in Schwarz, find Leiftungen, in denen
eine im Auslande amgeeignete breite, überaus malerifhe Tehnit ganz zum
Ausdrude der eigenen, Fräftigen Perfönlikeit geworden ift. Golde aus-
gefprodenen Gndividualitéten wie Levitan und Seroff haben die Aeußerlid-
teiten der Parifer Schule überwunden und bürgen für das Aufblühen einer
tuffifhen Runft; find ihre Bemälde dod) bereits eigenartige Anfätze zu
einem nationalen Ausdrud, nah dem and die ruffifche Runt mehr und mehr
ftrebt, obfdon der internationale Zug noh niht aus ihr verfhwunden ift.
Man bemerkt in der Ausftellung bereits ganz gefunde Emanzipationsbeftres
bungen und ebrlides Ringen nah Selbftftändigkeit, die mit der blinden
Nahahmung verföhnen. Kräftiger und virtuofer in der Technik, mehr befähigt
für dekorative Farbenwirkung und weniger Iyrifh und pefjimiftifch in der Natur-
auffaffung als die Ruffen find die finen. Wenn man aud ihnen anmerkt,
daß fie bei den Frangofen in die Schule gegangen find, haben fie ih ihre
taube contemplative nordifhe Art, ihren myftifhen Zug, ihre bizarre, fhauer-
lide Phantaftif dod bewahrt. Der edhtefte Dertreter feiner Raffe und -dabei
der Gefchictefte und Dielfeitigfte der finen ift Arel Ballen. Meifterhaft
in ihrer Art find feine Gemälde „Die Dertheidigung des Shakes Sampo",
eine deforative, gobelinartige Geftaltung dex Rune XXXVI. bis XLIX. des
finifhen Heldengedidtes ,Ralevala’, das im hellen Sonnenfdeine, im
Dünenfande fpielende, fi wirffam vom gelben Hintergrunde der Meeresfluth
abbebende, nadte Kind, „Nach dem Regen, „Eine helle Sommernadt und
„Der Spedt". Ero Järnefelt's Aquarell „Die grünen Inſeln“ hängt
leider 3ú ungünftig, um in feiner fräftigen Eigenart zu voller Geltung zu
tommen. Seine anderen Landfhaften freilih zeigen ibn aud als ein
frifches, naturwiidfiges Talent. Derfhwommen gehalten wie im Dunfte
trüben Ylebels find die Sunfeln Landfhaften von Daino Blomfted,
unter denen „Der Kirhfchof und „Winterlandfhaft‘ die beten find.
Poetifh reizvoll ift feine Epifode aus „Aalevala. Dagegen maden
Lagerftram's Landfhaften den Eindrud der fliihtigteit. Schauerlih ift
die Spmbolifitung des Todes als fhwarz gefleidetes Proletarierweib, das
über ein weites,
ödes Schnee- A ea
feld fchreitet,
von Magnus
Endell. Der
abgeflarte
Rünftler in fei-
ner Bruppe, der
befannte Maler
feiner Lidt-
probleme A.
Edelfelt tft
mit einer uns
bedeutenden
Landfhaft und
einem an fig
guten, weih ge-
malten, fein-
geiftigen Por-
trät eines jun-
gen Mannes in
wenig baratte-
riſtiſcher Weiſe
vertreten. Zu
erwähnen wå-
ten nod als
Arbeiten auf
anderen Bebie-
ten der Malerei
die vier meifter-
baften Defora-
tionsffizzen für
die Oper, Chon-
wangdtina" von
Apolinarij
Wasnetzoff
(Mostau) und
dié gelungenen,
in Aquarell ge-
malten Jlluftra-
tionen von
Serge Ma-
liontine
(Mostan).
Kudwig Manzel, Die alte Welt.
Pealfigur für den Neubau Staudt, Berlin,
452
Deutfde Runft.
Vermilchfes.
— Wie ein Denkmal 3u
Stande fommt. Die Dent-
mäler-Comites bilden fih wie die
Wabhlcomites Der Rentier A.
träumt davon, einen Orden zu er-
balten und fragt fih, welden
großen Mann, gleidviel ob er
aud bloß mittelgroß oder Plein
war, er wohl auf einem öffent-
Und ich kenne einen Bildhauer B., der Herrn A.
liden Plage anfftellen könnte.
3u einer Wuszeichnung verbolfen hat und der heute nod die Mehrkoften der
Modelle und Ausführungsarbeiten für ein fehr deforatives Denfmal 3u zahlen hat.
Die Sade trägt fih fo zu: Herr A. hat die dee zu einem Standbild.
Er geht natürlich zu dem Bildbauer B. und fragt:
„Würden Sie niht einen... . (bier der Mame des großen Mannes)
für 8000 M. machen? Bedenfen Sie, daß dadurd eines ihrer Werke auf
einem öfjentliben Plate zur Aufftellung gelangte."
„Wenn id das haben kann, fo made ih es für 6000 M."
„Bravo! Alfo abgemadt, fiir 6000 M.“
A. gebt direft ins Minifterium der Schönen Rünfte. Er verlangt vom
Staate die Roften des Marmors. Der Staat gewährt gewöhnlid für den
Marmor die Hälfte deffen, was das Dentmal foften foll. Das ift einmal fo
Gitte. WU. erfldrt alfo dem Staate, dağ das Standbild wohl 12 000. M.
foften wird, und der Staat giebt ihm 6000 M., alfo genau den Preis, den
der Bildhauer verlangt hat. Diefer ift im Voraus bezahlt. Die Subffribenten
find Reingewinn. Nun kauft A. Papier und läßt den offiziellen Brieffopf
darauf druden: Comité des Standbildes für A. B.
Präfident: Herr A.
Dize-Präfidenten: Herren C. und D.
Schriftführer: Herr €. G
Das Standbild wird eingeweiht. Der Präfident A. erhält einen Orden
III. &laffe, die Dizepräfidenten befommen einen folden IV. Rlaffe, der Sdrift-
führer einen Titel. Und der Bildhauer? ... Der bat ein mit feinem
Namen gezeihnetes Werk auf einem öffentlihen Plage. Das Standbild hat
ihn mehr Mühe und Zeit geloftet, als er erwartet, die 6000 M. und darüber find
ausgegeben. Der Bildhauer hat aus eigener Tafche zugefegt und fagt philofophifch :
Kariofa aus Afelier und erkflaff.
Gedanken ither hiltenbe Kunfl.
„Ih habe fogar Wedfel unterzeidnet, um die 3000 M. Mehrkoften zu
bezahlen. Jh babe 9000 M. ausgegeben und 6000 erhalten. Wenn aber
mein Rnopflod gabnt und mein Geldbeutel leer ift, fo habe id wenigftens
dem Prafidenten zu einem Orden verholfen. Meine Mühe war alfo nidt
umfonft."'
Toujours Meiffonter. Die verftorbene Wittwe Meiffonier's, die
der berühmte Maler wenige Jahre vor feinem Tode gebeirathet hatte, bat
dem Louvre-Mufeum die in ihrem Befike befindlihen Bemälde, Aquarellen
und Seidnungen teftamentarifh vermadt. Die gute frau war eine be-
geifterte Bewunderin des Talents ihres Batten und bütete niht nur deffen
fünftlerifhen Nachlaß mit der pietätvollften fiirforge, fondern faufte über-
dies alle unter den Hammer gelangenden Werke Meiffonier's auf. Mit weld"
felbftlofer und uneigenniikiger Hingebung fie dem Andenfen an den Der-
ftorbenen huldigte, fann man aus der Thatfache erfehen, daß fie noch vor
ganz kurzer Zeit ein Angebot von 800000 frcs., das ihr für die „Be
lagerung von Paris‘ geboten wurde, ausfhlug, um das Bild dem Louvre-
Mufeum zu erhalten. Go lange Frau Meiffonier aus ihren eigenen Mitteln
ihre Privatgalerie um eine Reihe von Bemälden ihres unvergeflihen Gatten
bereiherte, konnte felbftredend Niemand dagegen etwas einzuwenden haben,
zumal die Dame perjönlihes Vermögen genug befaß, um fih diefen Lugus
3u gönnen. Anders verhalten fih aber die Dinge, wenn die ganze Der-
laffenfhaft — abgefeben von einigen Skulpturen nad Meiffonier’s Ent-
wiitfen, die an die Mufeen von Grenoble und Lyon vermaht wurden —
dem Loupre-Mufeum einverleibt werden foll. Das Lurembourg - Mufeum
befikt bereits zwei der bedeutendften Werke Meiffonier's, „Solferino“ und
den Lefer’, die nad der vorgefcriebenen frit von zehn Jahren
nad dem Tode des Riinftlers nad dem Loupre-Mufeum gebracht werden
follen, fo daß bei aller Achtung für das große Talent des Malers fein
zwingender Grund vorliegt, einige Wände des Louvre- Mufeums mit
Meiffonier'fhen Bildern zu behängen. Cine ftrenge Auswabl wäre da
um fo dringender geboten, als zwei Bilder Meiffonier's einander an ted-
nifher Durchführung und fünftlerifher Auffaffung fo gleihen wie ein Ei dem
anderen. Don Gntereffe für den Runfttenner, der fih an den Schägen des
Loupre-Mufeims nicht fatt feben fann, wäre alfo ein Maflenaufgebot
Meiffonier'fcher Bilder keineswegs.
Gedanken über bildende Aunft.
Die Natur feint um ihrer felbft willen zu wirken, der Rünftler wirkt
als Menfh, um des Menfhen willen. Aus dem, was uns die Natur dar-
bietet, lefen wir uns im Leben das Wünfdhenswerthe, das Beniegbare nur
fümmerlih aus: was der Riinftler dem Menfhen entgegenbringt, foll alles
faBlid und angenehm, alles aufreizend und anlodend, alles geniefbar und
befriedigend, alles für den Beift nährend, bildend und erhebend fein: und fo
giebt Ser Rünftler, dankbar gegen die Natur, die aud ihn bervorbradte, ihr
eine zweite Natur, aber eine gefühlte, eine gedachte, eine menjchlid vollendete
zurüd. Soll diefes aber gefiheben, fo muß das Benie, der berufene Rünftler
nad Gefeken, nad Regeln handeln, die ihm die Natur felbft vorfdrieb, die
ihr nicht widerfpredhen, die fein größter
Reihthum find, weil er dadurch fo-
wohl den großen Reihthbum der Natur
als den Reihthum feines Gemiiths beberr-
fhen und brauden lernt. Diderot,
+
Der heilige fit it das Chaos felbft,
das verwidelte, üppige, h felbft ver-
fhlingende Schlangengewirr, aus weldem
alle ornamentalen Formen, die „ftruftiv
thätigen“, Shervorgingen, in weldes fle,
nad vollendetem Kreislauf, unabanderlid
zurückehrten. Sempet.
*
Alle menfhlihen Werke find unvollfommen, und wenn wir etwas als
volltommen preifen, fo, gefhieht es, weil wir die Fehler nicht erkennen.
So find alle Dollfommenbeiten der Menfhen und alle Menfdhenwerfe nur
Bleihniffe einer wahren Dollfommenbeit. Deswegen hat man das Wort
Gefhmad auh in der Malerei eingeführt und gebraudt, um damit zu be-
deuten, daß ein Werk einen Befhmad der Vollfommenbeit haben tann, obne
felbft vollfommen zu fein; fo it der Befhmad der Malerei gewiffermaßen dem
Gefhmad des Baumens äbnlih; nämlihd wie diefer die Zunge und den
Baumen rührt, fo rührt jener die Augen und den Derftand: in beiden Ge-
fhmaden find viele Grade, die fih unter einem Namen begreifen, denn fo
wie viele Saden fauer, füß oder bitter
fhmeden, ohne daß alle füße oder bittere
von einer Stärke find, ebenfo giebt es
and im Befhmade der Malerei das Grofe,
Harte, Starke, und zwar jedes in unter
fhiedenen Graden. Raphael Mengs.
*
Der Menſch geht in der Kunſt einen
Rampf mit der Natur ein, niht um feine
phyfifhe Eritenz, fondern um feine geiftige;
denn aud die Befriedigung feiner geiftigen
Bedürfniffe wird ihm nur als Lohn des
Strebens und der Arbeit zu theil.
Conrad Fiedler.
| Deutfde Runf.
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$ PERR 9
— a
XXVII. Hauptverfammlung
der „Derbindung für hiftorifche Kunft“.
m 27. und 28. Juni bielt die „Verbindung fiir hiftorifde
Runt“ in Münhen ibre XXVII. Hauptverfammlung ab. Yad
dem Berichte über die Verhandlungen zählt die Verbindung zur Zeit
151 Mitglieder mit 145 WAntheilfcheinen. Erworben wurden vom Runft-
verein und im Umlauf befinden fi die Bilder von Wd. Edtler, ,Rondolenz-
bejfuh", G. Hadel, ,,St. Borromens bei den Peftfranfen“, R. Eichftaedt,
„Diktoria, A. von Bederath „Beweinung Chrifti, Fr. Roeber, ,,Der
legte Staatsrat des großen Au fürften" und B. fugel, „Petri Pfingftpredigt".
Als Dereinsblätter wurden im Januar 1897 die Photograviiren nad den
Gemälden von A. Rampf ,,Dolfsopfer 18/3" und R. Eihftaedt „FZwifchen
Ligny und Belle-Alliance vertheilt. Demnädft follen Nachbildungen der
Bilder von Echtler „Rondolenzbefuh" und fugel „Petti Pfingftpredigt‘‘,
erfteres in farbigem Lidtdrud der Vereinigung der Runftfreunde — Berlin,
legteres in Photograviire von Rudolf Schufter - Berlin, den Mitgliedern
zugehen. Binfihtlih der vom Dorftande nah Umfrage bei den Mitgliedern
bewirkten Beftellung des Alinger'fhen NRadirwerkes „Dom Tode (zweiter
Theil) bemerkte in der Sigung vom 27. Juni der Befhäftsführer, daß diefer
Schritt von mander Seite als eine Abweihung von den eigentlihen Auf-
gaben der Verbindung angefehen worden fei. Zur Rechtfertigung wird auf
die echeblihen inneren Bründe bingewiefen, weldhe die Erwerbung des Wertes
tathlid erfcheinen ließen. Der Dorftand erachtete es als Pflicht, die fih dar-
bietende Gelegenheit zu ergreifen, um den Mitgliedern den Befig eines Werkes
3u fihern, weldes den hodhgefhätten Meifter auf feinem eigenften Runft-
gebiet, in dem er unübertroffen dafteht, in hervorragender Weife repräfentirt.
Ueberdies fomme den Darftellungen Rlinger's der Charakter idealer Kunft
in höchftem Sinne zu.
Nah dem Berichte des Raffenfiihrers, der am folgenden Tage fiir ridtig
befunden wurde, fommen 3u dem Baarbeftande von etwa 18 500 Mark nod Riid-
ftände von 2200 Mark, die Beiträge für 1899 und 1900 mit etwa 43.000 Mart
fowie eine Zahlung der Runfthandlung von Amsler & Ruthardt für
Rlinger'fhe Radirungen mit 15 000 Mark, fo daß rund 78 700 Mark zur
Derfügung ftehen.
für Derwaltung, eine nod zu leiflende Zahlung an Profeffor Rlinger,
für Reproduktion und für einen eifernen Beftand von etwa 6100 Marl geben
hiervon ab etwa 58 700 Mark. Es würden daher angenblidlid 40 000 Mart
für Antäufe und Beftellungen von Dereinsbildern verwendet werden können.
Nah dem Protokoll über die Derloofung war das Bemälde von ferd.
Reller „Raifer Friedrih‘ dem Röniglih Preußifhen Rultusminifterium, das
Bild von A. Kampf „Einfegnung freiwilliger 1815" dem Aunftverein zu
Rarlsruhe und die Skizze zum Reller'fhen Gemälde dem deutjhen Raifer
3ugefallen.
Den Bericht der Priifungsfommiffion erftattete Geb. Rath Dr. Jordan:
Ungewöhnlid viele Rünftler haben fih diesmal durch direfte Cinfendungen
an der Ronfurrens betheiligt, was mit um fo größerer ‚Freude fonftatirt
werden müjle, weil ea beweift, daß die Beftrebungen” der Verbindung trot
der vielfahen abweihenden Strömungen unferer Tage immer wadfenden An-
flang gewinnen. Dementjprehend fand ih die Derfanmlung gern bereit, in
der Aufwendung von Mitteln bis an die Äußerfte Grenze zu geben. Wenn
troßdem nur ein Theil der Bewerber habe Berüdfihtigung finden können, fo
fühle fih die Verbindung doch den zahlreihen Einfendern werthvoller Bemälde
und Entwürfe gegenüber zu lebhafiem Danke verpflichtet.
Nahdem dann nod der Befhäftsführer die von der Rommiffion em-
pfoblenen Werke, foweit fie fidd im Runftverein, in der Ausftellung im Glas-
palaft und in der Ausftellung Ser Sezeffion befanden, daratterifirt hatte,
und fodann in der Distuffion das für und Wider ausfiibrlid zur Geltung
gebraht worden war, einigte man fih nadh längerer, oft ziemlich lebhafter
Debatte auf Dorfhlag des Heren Profeffors von Lenbad dahin, mit Hilfe
eines Befammtaufwandes von etwa 40 000 Mark thunlihft alle nahbenannten
Bilder und Entwürfe zu erwerben bezw. zur Ausführung bringen zu laffen.
Bei der endgiltigen Abftimmung ergab fih hierfür nadftehende Reihenfolge:
A. Deußer (Düffeldorf), „Derfhwörung der Ritterfhaft in der Mark gegen
Joahim I." Fr. Keller (Stuttgart), „Brablegung Chrifti". Joh. Leon-
hard (Münden), „Sirene. Ferd. Leete (Münden), „Kampf beim Rüdzuge
des Bermanitus". Chr. Speyer (Münden), „Heimkehr“. A. Ober-
länder (Münden), „Uoab's Weinfchente’. H. Roh (Münden), „Begräbniß
einer Rlofterfrau auf Stauendiemfee. 5. Peterfen (Münden), „Angriff
der englifhen Flotte durd die Danziger Rapitäne Gebr. Benede 1468".
€. Rödhling (Berlin), „Die Batterie Bnügge bei Bravelotte".
Don dem Antaufe einiger vorzügliher Entwürfe des Profeflors f. A.
von Raulbad, welde die ungetheilte Berwunderuug der Derfammlung
fanden, mußte leider Abftand genommen werden, da der Rünftler erklärte, fie
nit entbehren zu fönnen. — Ebenfo ift zu bedauern, daß eine Derftändigung
mit Heren Profeffor Walther Firle über Erwerbung feines noh zu
vollendenden Bemäldes Heilige Naht! niht herbeigeführt werden konnte.
Auf Einladung der Herren aus Barmen wurde fdlieflid nod befdhloffen,
die nähfte Hauptverfammlung im Jabre 1900 dort ftattfinden zu laffen, weil
3u diefer Zeit das Mufeum in Barmen mit einer großen Ausftellung erdffnet
werden folle.
Rüdbli des Vereins der Kunftfreunde im
Preukifhen Staate” auf das Befchäftsjahr 1897.
adh dem Gefdäftsberihte des Vorftandes des „Vereins der Runft-
freunde im Preugifhen Staate" über das Gefhäftsjahr 1897
bleibt der Derein vorausfihtlih aud in dem Haufe Bellenueftraße 3
Mietber des Dereins Berliner Rünftler unter den alten Bedingungen.
Sehr günftig lautet der Bericht über die Mitgliederbewegung im Jahre 1897.
Während bei Beginn des Befhäftsjahtes 712 Mitglieder, weldhe Beiträge in
einer Befammtfumme von 12420 Mark zahlten, vorhanden waren, zählte der
Derein am Jahresfhluffe Sil Mitglieder mit einer Beitragsfumme von
13.905 Mark. Der Beftand und die Einnahmen, eingefhloflen die der Seyd-
Lig’fhen Stiftung und der Rabn’fhen Raution, betrugen in Dokumenten bezw.
Wertbpapieren 81 000 Mark, in baar 22 210,70 Mark. Don letteren geben
an Ausgaben, von denen auf die zur lettjährigen Derloofung angefanften
Runftwerfe einfhlieglih der erforderliden Einrahmungen 10859 Mark und
auf Prämien aus der von Seydlig'fhen Stiftung an die Maler ©. frengel
und Profeffor von Gebhardt und dte Bildhauer Profeffor Hundriefer
und Midael Lod 820,20 Marl fallen, im Ganzen 18 522,55 Mart ab, fo
daß, eine Summe von GO Mart von im Voraus für das Jabr 1898 entridteten
Mitgliederbeiträgen eingerechnet, beim Kafjenabfhluffe vorhanden waren
SI000 Marf in Dofumenten bezw. Wertbpapieren und 3748,15 Mart baar.
Jm Voranfhlag für das Jahr 189S find für Anfäufe von Aunftwerken ein-
fhließlih der Einrahmungen 10557,50 Mark und für die Dereinsgaben 2400 Mark
454
ausgeworfen. Ein wichtiges Dereingereigniß des behandelten Befhäftsjahres
ift die am 8. März 1897 erfolgte Allerhöchfte Benehmigung der von der General-
verfammlung am 29. April 1896 befdloffenen neuen Sakungen, durd die der
Derein feine feit Langem gewünfhte, für feine fortentwidelung vielverheißende,
neue Örganifation erhielt.
Berlin. — Am erften Tage nad feiner Heimkehr befudte der Kaifer
das Atelier von J. Uphues, in dem die Denkmalsgruppe Friedridh's des
Großen fiir dte Sieges-Allee aufgeftellt war, und das Profeffor Herter's, wo
der Raifer das Standbild des Markgrafen Cudwig's des Aelteren, eine
weitere Schöpfung für die Sieges-Allee, befichtigte. Auch in der Werkftatt
des Marmorbildhauers Cafal galt das Hauptaugenmerf des Raifers einer
der fiir den Thiergarten beftimmten Denfmalsgruppen, die dort «ausgeführt
wird, dem von den Büften des Berliner Biirgermeifters Friedridh Saffel-
mann und des Bifdhofs von Brandenburg Wilfar Blanfenfelde flanticten
Standbilde Friedrids Il, des Eifernen, von Talandrelli. Dann über-
zeugte fih der Kaifer noh von dem fFortgange der Arbeiten am Dome.
And die Modelle zu den Wandbrunnen am neuen Marftallgebäude von Pro-
feffor Otto Leffing haben die lebhafte Anerkennung des Raifers gefunden.
Mit ihrer Ausführung für zwei Nifhen am der Yordfacade gegenüber dem
Sdhloffe wird demnähft an Ort und Stelle begonnen. Der eine Brunnen
behandelt das Prometheus-Motiv.
Der Adler hat feine Schwingen ausgebreitet und holt mit den fången
beutegierig aus; der an den Felfen gefhmiedete Prometheus wendet fih ab,
das kraftvolle Untlig von Jorn und bitterer Derzweiflung erfüllt. Zu feinen
Füßen erblidt man Seeroffe, welde die bewegten Wellen verkörpern, und
Ofeaniden, von denen eine mitleidig den Felfen umklammert, die andere mit
Thranen fh fortwendet. Den Schlußftein der Yiifche bildet der Feusfopf,
dem die Bligftrahlen beigegeben find. Der zweite Brunnen ftellt den Rampf
des Perfeus mit dem Draden dar, welder fih unterhalb des fFelfens abfpielt.
Der Held bat in der Linfen den Schild mit dem Borgonenhaupt und holt,
in der Rechten das furze Schwert, zu dem entjheidenden Schlage aus. Auf
dem Felfen folgt Andromeda in bewegter Spannung dem verbheifungsvollen
Rampfe, neben ihr erblidt man den gefliigelten Pegafus, auf weldem ihr
Befreter herbeigeeilt it. Als Schlußftein der Nifhe dient bier ein Medufen-
haupt. Fn der Ausführung erhalten die Figuren mehr als doppelte Lebens-
größe. Als Material bat der Raifer Sandftein beftimmt. Der eine Brunnen
wird bereits punftiert. Aud die Ausführung eines dritten Brunnens, des
Liikowbrunnens, ift Profeffor LCeffing übertragen. Nachdem der erfte Ent-
wurf, dem eine dee des Stadtbaurathbs Hoffmann zu Grunde lag, bereits
von der fädtifhen Aunftdeputation genehmigt war, hat der Bildhauer, dem
feine Arbeit felbft nicht genügte, neuerdings eine veränderte Skizze gejhaffen,
die den maßgebenden ftädtifhen Kreifen zur Begutadtung vorgelegt
werden foll. Ueber die Geftaltung des Brunnens verlautet, daß derfelbe von
Gruppen umgeben und von einer Figur gekrönt wird. Als Material ift rotber
Mainfandftein gewählt. Aus Sparfamfeitsgriinden foll von der Ausführung
der Figuren in. Bronze abgefehen werden. Ueberall herrfdt ein reges Aunft-
fhaffen: König und Rarener haben zu thun, und werfen wit nod einen
Blid auf das Winterprogramm unferer Runftfalons, fo fönnen wir auf
Darbietungen rednen, die das ftetig im Wadfen begriffene Gntereffe fiir Runft
und Runftgewirbe nod fördern werden. Nah der Rolleftivausftellung erfter
deutfiher Meifter, mit der Keller & Reiner die Saifon eröffnen, treten in
dem Runftfalon bolländifhe Maler auf, de im November von
franzöfifhen Meiftern abgelöft werden, nad der Ausftellung „der An-
fäufe des Deutfhen Runftvereins im Dezember febren im Januar 1899
die Dahaner wieder, die dann den von Schulte übergefiedelten Berliner „XI“
Plak maden.
Der März gehört Mar Klinger, von sem wir den „Chriftus im
Olymp‘ und neue Skulpturen fehen werden, und den Schluß der Saifon
wird im April der Münchener „Ring“ bilden. Die funftgewerbliden Aus-
ftellungen werden internationalen Charakter tragen. Außer dem Engländer
Aſhbee, den franzofen Chéret und Charpentier, dem Hollander van
der Stappen und dem Belgier van der Delde werden Edmann, Röpping
und Hirzel mit neuen Arbeiten vertreten fein. Befonderes Gntereffe darf
man einer Ausftellung norwegifcher Webereien und rufjifher Bauernkunft ent-
gegenbringen, Jm Salon Schulte wird im Oftober eine Ausftellung
franzöfifher Bilder aus den diesjährigen Parifer Salons und im
November eine große Lenbadh- Ausftellung ftattfinden. Sonderaus-
ftellungen find außerdem dort noch zu erwarten von f. Zmurko- Warfhau,
Jof. v. Brandt- Münhen, Hans Gude- Berlin, Rari Moll- Wien
Deutfhe Runft.
Gugo Kaufmann- Münhen u. A. m. Bei Burlitt werden folde ver-
anftalten: R. Schufter- Woldau-Münden, Dilma Parlagbi nnd
Leffer Ury. Die alten, berühmten Bäfte des Salons Bödlin, Len-
bad, Leibl, Liebermann, Thoma, £L. von Hofmann febren fon
in der Erdffnungsausftellung wieder. Cine Wusftellung von fünfzehn zum
Theil unbefannten Werten Anfelm Seuerbah's wird den großen Toten
vielleicht bei der Nachwelt ein Scerflein jener Anerkennung und jenes Jnter-
efes finden laffen, die ipm dte Mitwelt fehnöde verfagt bat. Dağ fie heute
etwas danfbarer ift, beweift der Derfauf in der Grofen Berliner Run ft-
ausftellung, Ser in der legten Zeit einen bedeutenden Auffhwung ge-
nommen. Dem Suge der Zeit entfpricht, daß hauptfählid die Funftgewerb-
lihe Abtheilung ih großer Beliebtheit beim faufenden Publitum erfreut.
Münden. — Chriftlide Aunftausftellung in den Raimfalen
nennt fih eine Deranftaltung, die gerade in Münden als folke nidt nur
möglid, fondern auch erwünfcht wäre. Eine Vereinigung von Religion und
Runft ift aber diesmal nicht geglüdt; die eine fdlieft hier die andere aus;
was Runft ift, entbebrt des chriftlihen Elements, und was man driftlich
nennen tann, ift unfiinftlerifh. Die neun auf Beftellung des Ronfuls Bierf
gefhaffenen Chriftusdarftellungen von neun Rünftlern find zwar funft- und
fulturgefhichtlich fehr intereffant, belehren aber alle darüber, daß der, dem
es an dem fundament hriftliher Ueberzeugung fehlt, bei aller Genialitat
fein chriftlihes Aunftwerf zu Stande bringen fann. Der bejte aller Derfuche
it jedenfalls der Meifter Thoma's, der den Friedensmann innig, edel
und ergreifend gemalt bat. Ghm it es wenigftens gelungen, eine Seite im
Wefen des Heilandes zu erfafen nnd würdig zum Ausdrud zu bringen.
Don den fonftigen Bildern it faum nod etwas erwähnenswert. Die fo-
genannte ,,biftorifde Abtheilung der Ausftellung ift nur eine Rumpel-
.fammer, vollgeftopft mit Antiquitäten von oft redt zweifelhaftem Wertbe.
Diefer ganze Theil der Ausftellung dürfte feine verdiente Beadtung vollauf
gefunden haben mit der Erwähnung des fid im Belize des Schlahtenmalers
Profeffors £. Braun befindlihen, aus der Liikener Rirhe ftammenden alten
Alters, unter den die Leihe Guftav Adolf's nah der Schlaht gelegt
worden fein foll, und eines noch gut erhaltenen Bemäldes Albreht Alt-
dorfer's (1485— 15358) „Chriftus am Rreuz'* aus der fleinen Sammlung
des Herrn Dr. W. Schmidt.
Don franz von Lenbad war in der Fleifhmann’fhen Hof-
Runfthandlung ein neues Rinderportrat, ein Eleines Madchen in hollandifder
Tracht, zu fehen. Don einem von dem Meifter im Gabre 1897 gemalten
Bildniffe des Franken Fürften Bismard, das bisher noh niht in die
Oeffentlidfeit gefommen ift, verlautet, daß es den Fürften in der Ermüdung
nah dem Diner im Halbfhlummer darftelle und ein Gegenftiid zu dem be-
fannten Bilde Raifer Wilhelm's I. im Leipziger Mufeum bilde.
Düfeldorf. — Profeffor Heinrih Lauenftetn, als Lebrer der
fatholifden firdhliden Hiftorienmalerei an der Runftatademie der Nachfolger
Rarl Müller's, þat für die von Profeflor Jofeph Rleefattel in Vierfen
erbaute St. Jofephsfirhe ein großes Altargemälde, die beilige familie
darftellend, vollendet. Das Bild ftellt die thronende Madonna mit dem
oejustinde dar; zur Redten vom Befchauer den beiligen Jofeph, zur
Linfen die heilige Elifabeth und Johannes, der, das Antlit dem Be-
fhauer zuwendend, auf den Welterlöfer hinweift: Ecce agnus dei. Ein
durch echt empfundene religiöfe Begeifterung verklärter Ylaturfinn läßt
Lanenftein fid frei halten von der Asfetif der Nazarener wie von dem
Eflettizismus anderer Hiftorienmaler aus der Bendemann'fhen Schule.
Die Madonna, eine blonde, jungfrdulidhe Erfcheinung von fenfcher Anmuth
und fdlidter Hobeit, iff Surchaus individuell und im Ausdrud vorzüglich
gelungen. Auh die Darftellung des Gefusfindes, des Nabrvaters
Jofeph, der beiligen Elifabeth und ganz befonders des Jobannes-
Enaben ift dem Rünjtler fehr geglüdt. Gn dem Stile der Gewandung und
in der Farbengebung ih an die Ueberlieferung baltend, ift das Bild von
[höner, kräftiger und barmonifher Wirkung.
Frankfurt n. W. — Die Renovation des Stadtverordneten=
faales fcreitet rüftig vorwärts. Das Aeufere des Römers ftebt fon
gerüftfeei vor Aller Augen. Innen nd die Arbeiten noh eifrig im Bange.
Beim Eintritt in die Saulenballe des NRömers fällt zuerft die fdon feit
längerer Zeit renovirte berrlihe Römertreppe auf, die zum Saal der Stadt.
verordneten führt. Der Brunnen in ihre wird wieder Eimer und Rolle und
fo feinen alten Charakter erhalten. Den Aufgang zur Zufchanergalerie des
Stadtverordnetenfaales, der früher durch die Dorhalle erfolgte, bildet eine
Meine fteinerne Wendeltreppe mit gothifhen Spitbogen, cie urh eifernes
Schmiedewerk verfhloffen find. Der Saal felber ift um einen Meter länger
geworden, wodurdh adt Plage gewonnen find. Er wird durch die einfade, in
Tiroler Gothit vertafelte Dede und durd den vier Meter hohen Holzbelag
der Wände zu einem traulich-vornehmen Raum umgefdhaffen, in dem die ge-
müthlide Stimmung alter deutfcher Heime durch die Blasmalereien, die die
Oberlichter der zwölf Fenfter jhmüden follen, noh gehoben wird. Die
Säulenföpfe, die die Querbalfen der Dede tragen, darakterifiren die ver-
fhiedenen Stände und Gewerbe. Es find Porträts aus der Mitte unferer
Stadtväter. Der Sit des DVorfikenden foll durd einen reihen Baldadin
mit Uhr und vier Figuren (den Rardinaltugenden) gekrönt werden.
Breslau. — Seit 50. Auguft ift das Mufeum felefifcer WAlterthiimer
im Erdgefhoß dee Mufeums der bildenden Riinfte gefchloflen, wegen der
Vorarbeiten für Ueberfiihrung und Neuaufftellung im Breslauer Runftgewerbe-
mufeum. Die dazu gehörende v. Falkenhauſen'ſche AUlterthiimerfammlung
bleibt noh im Gewerbefaal des Mufeums, I. Etage, zur Befihtigung aus-
geftellt. Jm daranftofenden Saal für ARupferftihe und KRunftdrude ift die
Rolleftion von Abbildungen nadh der Gemäldegalerie des Mufeo del Prado
ausgeftellt, außerdem das IV. der Diertel-Fahreshefte des Vereins bildender
Riinftler in Dresden. Gn den Sälen des Sadlefifhen Runftvereins
Lidtenberg befindet fi feit geftern, nur auf Furze Zeit, die Porträtbüfte
eines Breslauer hervorragenden Schulmannes, lebensgroß in Bronze, ein
Werf des Mentors der Breslauer Bildhauer, Albert
Radner, der aud die leider von den Witterungsver=
bältniffen arg derangirte Biifte Linnés von Carraras
Marmor im Botanifhen Garten gejhaffen bat. Die
Bronzebüfte bleibt nur wenige Tage im Mufeum. Her-
mine v. Preufhen, die talentvolle Rünjtlerin, bat fid
leider nod) mebr als friiber Sem modernen
unfhönen Symbolismus bingegeben.
Hans Sdulze- Berlin ftellt feder-
zeihnungen ornamentalen Charakters aus
mit der Gnbaltsvignette „Deutjche
Runſt“.
Baden-Baden. — Mit der Höhe der
Saifon bat fid aud das Niveau der
Runftausftellung im Ronverfationshaufe
bedeutend gehoben. Während man fih
bei Eröffnung der Ausftellung im Frühling
fagen mufte, daß fie weit pinter den
Deranftaltungen der frühe-
ten Jahre zurüdftand, enthält
fie jejt Runftwerfe von ber=
vorragender Bedeutung und
[hließt den Dilettantismus
vollftändig aus. A. Bödlin,
St. von Lenbad, Baifd,
Shönleber und der Meifter
des Aquarelle Simoni find
mit Bemälden von vollendeter
Schönheit vertreten.
Heilbronn. — Gn der
vor furzem wieder eröffneten
Ausftellung des Runftver-
eins ift dlesmal vorberrfchende
beimifhe Runft vertreten in
einem Cyflus virtuos gemalter
Aquarelle unferes Landsmanns
Otto Rautb, die fhon darum
befonderes Gntereffe verdienen,
ale fie meift der engeren
Heimath entftammen. Ein
Bild Rauth's, „Die Schul-
gaffe mit dem Riliansthurm“,
Deutfde Run ft.
455
Straßburg. — Nadh längerer Paufe hat die „Befellfhaft der Runft-
freunde" in Straßburg, die im Jahre 1852 gegründet wurde, jetzt alfo auf eine
66 jährige Wirkfamkeit zurüdbliden kann, wieder eine große Ausftellung veran=
ftaltet, in der nicht weniger als 225 Rünftler und Rünftlerinnen mit nahezu
500 Arbeiten vertreten find. Die diesmalige Ausftellung ift alfo die reichte
unter allen, die bisher ftattgefunden haben. Jm Gabre 1883 waren 180 Riinftler
mit 305 Arbeiten vertreten, im Jahre 1884 betheiligten fic) 170 Riinftler mit
500 Arbeiten, 1885 zählten wir 150 Riinftler mit 266 Arbeiten, 1886 be-
fhidten 167 Riinftler die Ausftellung mit 300 Arbeiten, ISSS waren
16] Riinftlee mit 303 Arbeiten, 891 fhon 217 Riinftler mit 420 Arbeiten
vertreten. Uber nicht nur der Zabl, fondern aud dem Werthe der aus-
geftellten Aunftgegenftände nad läßt die diesjährige Ausftellung alle ihre
Dorgängerinnen weit hinter fh zurüd. Ueberaus angenehm berührt das
Hereinziehen des Runftgewerbes. Die Bronzen, Ziergläfer, Urnen, Dafen, Schalen,
die Möbel, Stidereien, Füllungen, Shmudfadhen, Holzfhnigereien, fayencen,
Rrüge, Platten haben mehr als den bloßen Werth äußerliher Ausfhmüdung.
Sie maden Stimmung, fie wollen dSarthun, wie unabweislid für das
moderne Aunftbedürfnig die innige Derfhmelzung von Runft und Runft-
gewerbe, das ganze lünftlerifhe Milieu, erfheint. Jm Dienfte diefes Prinzips
fteht die ganze Ausftellung, deshalb erwedt fie von vornherein eine höchſt behag⸗
lihe Stimmung, und je länger man darin verweilt, defto wohliger fühlt man fi.
Mek. — Zu den im Runftverein ausgeftellten Bildern langten in den
legten Tagen des Auguft, in 42 großen Riften verpadt, mehr als SO Bilder
Sa)
bat Ser Runftverein zu feiner
Derloofung erworben.
Ludwig Manzel, Kaifer Wilhelm-Denfmal in Anklam.
456
verfhiedenen Umfangs, ferner Mappen mit Handzeihnungen, Malftizzen 2c.,
endlih Skulpturen an. Wegen Unzulänglidkeit der Räume kann diefe Un-
mafie nur allmälig in JOtägiger Reihenfolge zur Ausftellung tommen.
Barmen. — Der Runftverein bat am 4. September feine diesjährige
Gemaldeausftellung in der Aunftgewerbefhule eröffnet. Die Ausftellung ent-
halt eine große Anzahl hervorragender Bilder und überrafcht durh ihre an-
genehme Befammtwirkung.
Braunfhweig. — Die 35. Runftausftellung des Aunftvereins in der
Aegidienhalle maht einen weniger anziehenden GBefammteindrud als ihre
Dorgängerin im Jahre 1896. Nicht als ob die 1896er Ausftellung lauter
oder bedeutend mehr Meifterwerke aufzumweifen gehabt hätte — das ift durd-
ans nicht der fall; and die gegenwärtige Ausftellung ift feineswegs arm
an febe tiidhtigen und fogar ausgezeichneten Leiftungen. Aber einmal giebt
fle nicht wie jene Gelegenheit, einige befonders ftarfe und intereffante Indi—
vidnalitäten und Tendenzen des zeitge-
nöffifhen Runftfhafiens an harakteriftifchen
Beifpielen tennen 3u lernen (damals
Stud, £.v. Hofmann, Mund, fidus,
die Worpsmweder), und zweitens treten
— was nod mebr ins Bewidt fällt —
die guten und beften Werke diesmal des-
halb mehr in den Hintergrund, weil die
Ausftellung für unfere örtlichen Derbält-
niffe viel zu umfänglid if. Die 1896er
Ausftellung wies ca. 600 Nummern auf,
und das war eigentlih fhon zu viel; die
jeige zählt aber gar über flebenhundert.
Gerade wer es mit dem Gedeihen der þei-
mifhen Kunft- und Befhmadspflege ebrlid
meint, fann in folder Ausdehnung der
Ausftellungen nur eine Befahr fehen und
muß warnend feine Stimme dagegen er=
heben. Ulnfere Aegidienhalle ift binficht-
lid ihrer Lichtverhältniffe gar fein übler
Raum für Bilderausftellungen, «aber ihre
Dorzüge laffen fih nicht ausnugen, wenn
fo viele hundert Bilder placirt werden follen.
Dollgewidtige Arbeiten unter den fieben-
hundert Bildern find eigentlih nur: Lud-
wig Dettmann’s „Ueberführung der
Leihe Wilhelms I. zum Berliner Dome,
12. März 1888", Arthur Rampf's
„Doltsopfer 1815", Raupp's „Ankunft
der Aebtifjiin Frmingard vor dem Rlofter
Ftauenwörth" und Mar Pietfhmann's
„Adam und Eva". Anerkennung verdient
die plaftifhe WAbthetlung der Aupftellung, die fat ausfhlieflih von Braun-
[hweigern ftammt.
Stralfund. — Die 29. Ausftellung des Runftvereins im Rathbaufe ift
zahlreich befhidt und weift neben Werken tüchtiger älterer Meifter aud moderne
Bilder von ftarker Eigenart auf, fo daß man vom Entwidelungsgange der
Malerei der legten Jahrzehnte in den einzelnen Phafen fowie von ihrem heutigen
Standpunkte ein ziemlih Flares und anjhaulides Bild erhält. Namentlich
gilt das in Bezug auf die Candfhaft, die wie überall am reidlidften ver-
treten ift.
Züberk. — Am J. September ift im der Ratbarinenfirhe eine vom
Runftgewerbeverein veranftaltete Plafatausftellung eröffnet worden, die zu-
nädhft ein getreues Bild der heutigen Plafatkunft Deutjhlands giebt,
aber aud das Ausland ift gut vertreten. Neben Amerika, England, Oefterreich-
Ungarn und Gtalien ift es befonders Frantreidh, weldhes Surh die Fünftlerifche
Ausführung feiner Plafate die Aufmerkfamkeit der Befuder in hohem
Mafe auf fidh lenkt. Die Betheiligung an der Ausftellung Seitens der
Runftanftalten und Fabriten ift eine fo große, daß die zur Verfügung
ftebenden Räume faum ausreihen,; es wird jedoh durch Aufftellen neuer
proviforifher Wände weiterer Plar gefchaffen, fo daß auh nod die
fpäter eingetroffenen Plafate jämmtlih untergebraht werden können.
Deutfde Runft.
Ludwig Manzel, Pfeifenftopfer.
Riel. — Die Rolleftiv-Ausftellung des Mündener Malers 5. Cairati,
welde die Räume unferer Runfthalle feit leftem Sonntag beherbergen, bildet
für unfere Runftausftellung ein Ereigniß. Gn ihren 68 Bemälden und Studien
madt fie uns mit dem Schaffen eines ebenfo genialen als felbftändigen
Riinftlers befannt. Cairati ift auf jedem Gebiete der Malerei zu Haufe.
Der Blit aufs Große, das geniale Erfaffen einer Naturftimmung in ihren
Hauptzügen, Wahrheit und Prägnanz des Ausdruds in feinen figürlichen
Darftellungen find ibm eigen. Modern durd fein intimes Yaturftudium, bat
et fic doch frei gehalten von Schule und fic nicht beirren laffen durch irgend
weldhe Richtungen, fondern mit einem feinen Gefühl fiir foloriftifhe Reize
und malerifhe Darftellungsweife feine Technit den jeweiligen Sujets und
Stimmungen angepaßt.
Raffel. — Wenn in den Räumen des Runftbaufes aud eine Fleine Ebbe
eingetreten ift, fo beherbergen fle doc immer nod eine Anzahl von Runft-
werfen, deren Befihtigung fidh lohnt. Befondere Erwähnung verdienen die
Landfdaften des Berliners Ernft, von
denen der „Sonnenuntergang nad dem
Sturm febr effeftvoll gemalt if, und
zwölf Aquarelle, Landfhafeen und Archi—
tefiuren aus Baden und dem Shwarzwalde
des Profeffors Stieber, Rarlsrube.
Zwickau. — Der Runfiverein bat fein
54. Dereinsjabr vollendet und feine dies-
jährige ordentlibe Hauptverfammlung ab-
gehalten. Don den unverzinslihen Schuls-
feinen, welche der Runftverein im Jahre 1878
anläßlih der Erbauung des Runftvereins-
gebäudes in der Anzahl von eintaufend
Stüd über je 20 Mark unter feine Mit-
glieder ausgegeben hatte, find in dem Seit-
raume von J88) bis einfhlieflid 1897
578 Stüd ausgelooft und bis auf 55 Stüd,
für weldhe die Befiger den Schuldbetrag
nod nicht erhoben haben, bezahlt worden;
es beträgt biernach diefe Dereinsfhuld noch
9100 Mark. Während des abgelaufenen
Gefhäftsjahres find 25 neue Mitglieder auf-
genommen worden, dagegen 22 ausgetreten;
es beziffert ih demnah am Schluſſe des
54. Dereinsjahres die Mitgliederzabl auf 360.
Die Erneftinen-Stiftung, welbe vom
Rathe -der Stadt Zwidau verwaltet wird
und die Begründung einer ftädtifhen Ge-
mäldefammlung bezwedt, hat Ende 1897
ein Dermögen von 5750 Mark, darunter
4800 Mark in 240 Stüd der oben erwabn-
ten, aber nod) nid ausgelooften Schulöfheine des Runftvereins befeilen.
Die Ausftellung des Runftvereins, welhe im legten Vereinsjabre von
überhaupt 4615 Perfonen befudt worden war, ift wieder eine fehr ftattliche
und vielfeitige gewefen, denn es find im Banzen 449 Runftwerfe, und zwar
565 Oelgemälde, 56 Aquarelle, 5 Sepiazeihnungen, I Roblezeihnung und
22 Werke der Plaftik, fowie eine größere Anzahl Radirungen, Photograviiren
und Holzfdnitte ansgeftellt worden. Der Gefammtwerth aller diefer Aus-
ftellungsobjefte bat fid) auf die Summe von 187 986 Mark beziffert. Diefer
im Derhältniffe zu den früheren Gefhaftsjabren auffällig hohe Betrag bat
feinen Grund in der gefteigerten Bilderzufuhr, und zwar vor allem durd die
größeren Rollektivausftellungen.
Hur Verloofung unter feine Mitglieder hat der Verein angefauft: 9 Oel-
gemalde im Werthe von je 17 bis ISO Mark, eine Mappe mit Radirungen
von Medit „Aus der Refidenz Dresden“, ein Bud „Den Deutfhen Oefter-
reidbs, 100 Studienblatter dentfcher Riinftler und zwei Buntdrude von der
„Dereinigung der Runftfreunde in Berlin; dabingegen wurden von Der-
einsmitgliedern Oelgemalde im Gefammtpreife von 1016 Mark gekauft.
Nad der Gabresrechnung betrugen die Einnabmen 4755 Warf 94 Pf.
und die Ausgaben 4178 Mark 19 Pf., worunter 1020 Mark für angekaufte
Runftgegenftände. Außer dem Raffenbeftand von 575 Mark 75 Pf. befigt
der Derein nod) 7000 Mark in 3!/, prozentiger Fwidauer Stadtanteibe.
— —— —
Deutſche Run ft.
457
— Jm Derlage der Dieterih’fhen
Derlagsbuhhandlung, Theodor Wei-
her, Leipzig, erfcheint ein „Handbuch
der Anatomie der Thiere fiir Riinftler von Prof.
Dr. W. Ellenberger, Prof. Dr. H. Baum
und Maler Hermann Dittrid, von dem Liefe-
tung | und 2 vorliegen. DVerfchiedene mehr oder
weniger gute Bücher über die Anatomie des
Menfchen befigt unfere Literatur fhon jeit geraumer Zeit,
eine plaftifhe Anatomie der Thiere aber, die fünftlerifchen
Anfprühen gereht wird, fehlte bisher. Die in dem
Werte eingefhlagene Lehrmethode ift Mar und praktifch.
Wie beim Lefen der plaftifhen Anatomie für Rünftler
der Hauptwerth auf die Anfhauung zu legen, der Vortrag
aber erft in zweite Linie zu ftellen ift, fo treten an Stelje
der Präparate und lebenden Thiere im Unterridt in dem
Handbude naturgetreue, tünftlerifh bergeftellte und gut reproduzirte Ab-
bildungen der lebenden Thiere und guter anatomifher Präparate und bilden
die Brundlage des ganzen Werkes. Bei ihrer Herftellung ift ftets ausge-
gangen vom lebenden Thiere, an das fi in gleicher Stellung oder Bewegung
eine Zeihnung der präparirten Muskulatur und dann eine folde des Stelettes
fließt. Die bildlihe Darftellung, die fih in Lieferung I und 2 auf Pferd
und Rind befchräntt, foll fid in den weiteren Heften auh auf die anderen
Hausthiere, fowie Dögel, Amphibien, Reptilien, fife 2c. erftreden und be-
rüdfihtigt nicht nur das ruhende, fondern aud das in Bewegung begriffene
Thier mit fontrabierten und angefpannten Wusfeln, mit Obrenfptel u. dergl.
Aud der Certband, Ser mit der 4. Lieferung erfcheinen foll, wird in erfter
Linie darauf zugefihnitten fein, daß der Rünftler, für dem eine Kenntniß der
anatomifhen Theile, wie fie uns die todten Thiere zeigen, nicht genügt, einen
Theil der Thierphyfiologie fennen lerne. Paul Meyerheim und Profeffor
H. Prell haben den bis jetzt erfchienenen Lieferungen ihren vollen Beifall
gezollt, und der Dresdener Bildhauer Profeffor Robert Diez fagt in einem
Geleitswort fiir das Werk: ,,Die gefammte deutfche Rünftlerwelt wird das
Erfcheinen des hier im erften Hefte vorliegenden Werkes, von dem man wirklich
einmal fagen kann, daß es eine große, bisher ftets febr empfundene Liide
ausfüllt, mit wirkliher Freude und größter Dankbarkeit begrüßen. Gd glaube,
jeder, der es mit der Runft ernft meint, wünfdht mit mir dem begonnenen
Werte weiteres Bedeihen und Blüd auf den Weg."
— Die mit einem Antiquariat verbundene Runfthandlung von
5. Schmals, Berlin O., Blumenftraße 5la I, hat von der Derlagshandlung
Reimer die duch jahrelanges Lagern in feuchten, dumpfen Räumen verftodte
und ganz unbraudbar gewordene AReftauflage von Adolf Schrödter's
Don Quizote, 18354, lithographirt von Gille, Drut vom Kol. lithographifhen
Onftitut, erworben und fih der Aufgabe unterzogen, die fhönen Blätter durch)
ein eigenes hemifhes Reinigungsverfahren wiederherzuftellen. Diefes ift abfolut
fider und obne jeden Nachtheil für die behandelten Blätter, Rupferftiche,
Radirungen, Stablftihe, Lithographien, Zeihnungen, Aquarelle, farben-
drude 2c., die hlorfrei und frei von Natron aus dem legten Bade hervorgehen
und dann wieder geleimt werden. Gewandte Reftauratoren ftehen der An-
ftalt, die alle Stodfleden, Wafferrdnder und Tintenfleden durd ihr Verfahren
vollftändig entfernen tann, 3ur Derfiigung. Yur alte braune Oelflede find
nicht 3u befeitigen, werden aber wenigftens ftarf in der farbe gemildert.
— Auf dem Werlplak des Granitwerles Reffel & Rshlam Elifabeth-
ufer in Berlin it das fiir Darmftadt beftimmte Reiterdenfmal des Grof-
þerzogs Ludwig IV. von Heffen ausgeftellt. Das von Prof. Shaper
ausgeführte, in Bladenbeds Lronzegießerei gegoffene Reiterftandbild mift
4 m. €s ftellt den Broßherzog in der nterimsuniform feines befifhen
Leibregiments, mit etwas zur Seite gewendetem Haupt dar. Als Ropf-
bededung ift die Müge gewählt. Mit der einen Hand halt der Grofherzog
"Di Acer
die Zügel des Pferdes, das in ruhiger Haltung dargeftellt if. Das von
Reffel & Röhl in rothem polirten £yfelil-Branit ausgeführte Poftament
it 4 m hod und madt in feiner Einfachheit mit feinen fhön gefhwungenen
Linien einen vornehmen, impofanten Eindrud. Gn Darmftadt wird unter
dem Poftament nod eine 54 cm hohe Stufe gelegt werden. Die verfdiedene
Bearbeitung des Lyfetil-Granits, der für die Stufe nur geftodt, für das
Quadergefüge des Sodels mit gefdliffenen Rändern verfehen, am eigent-
lihen Poftament aber polirt ift, ergtebt eine wirkfame Steigerung aus
elementaree Robeit zu technifher Verfeinerung. So fteigt das Poftament
des Runftwerfes nicht unmittelbar aus dem Boden empor, fondern entwidelt
fih gewiffermaßen organifh als ein Produkt des Grundes erft in der Höhe
zur reinen, arditeftonifhen Runftform. Gn anderer Weife bat die Anftalt
von Reffel & Röhl fhon am Berliner Luther-Denfmal eine fhöne Wirkung
erzielt, nämlich durch Verarbeitung zweier Branitforten, des bellrothen Lyfetil-
fteines und des Sunfleren, grdber gefiigten Wirbogranits, der aud für das
Siegesdentmal in Berlin verwandt worden if. Aud die Granitarbeiten
für das Begas'fhe Nationaldentmal find von Reffel & Röhl angefertigt
worden, die fhon über 160 Denkmäler mit Poftamenten verfehen haben.
Sämmtlihe Granitforten entftammen fhwedifhen und norwegifhen Stein.
brühen, wo die Anftalt verfhiedene Betrichaftätten befist. Die Granit-
induftrie. ift zurüdzuführen bis in die Blüthezeit ägyptifher Runft. Theilweife
in ganz unverändertem Zuftande erhaltene Werke aus altefter Feit bürgen
für die Ungzerftörbarkeit des Rohmateriale, die heute mehrfah Anlaß giebt,
die Steinarbeiten an älteren Dentmälern, die aus Marmor und Sandftein
bergeftellt find, nadträglih durh Branit zu erfegen. Allgemein befannt ift,
daß die älteren Branitarbeiten nur mit dem großartigften Aufwand von
Menfchenträften und Arbeitszeit hergeftellt werden konnten. Aud die
Aleranderfäule und der Felfenfodel unter der Statue Peters des Grofen in
St. Petersburg gehören 3ur miihevollen Sflavenarbeit. Während in der
Folgezeit die Herftellung folher Arbeiten im Allgemeinen ganzlid rubte,
wurden in der erften Hälfte diefes Jahrhunderts ganz hervorragende Werke
— u. A. das Maufoleum in Charlottenburg, die Schale im Luftgarten, die
Säule vor dem Königlihen Schloffe
in Berlin — von Berliner Steinmeß-
meiftern bergeftellt und zwar aus
erratifhen Blöden, welde in der Mark
und in Pommern gefunden wurden.
Da legtere aber febr felten, fpäter faft
gar nicht mehr gefunden wurden, fo
gab die Herftellung des Berliner
Siegesdentmals Deranlaffung, den
Urfprungsort diefer findlinge, Schwe-
den, aufzufuchen, um von dort das
Robmaterial 3u beziehen. Die 16
Monolythe zu dem Siegesdenfmal
und deren Bafen find in der Dampf-
granitfchleiferei von Reffel & Röhl
angefertigt, während die anderen Werk⸗
feine nod in alter Weife duch Hand-
arbeit hergeftellt wurden.
— Zur förderung des Unter-
tidtsinder Runftgefdhidte wer-
den die Aufnahmen der Fönige
liden Mefbildanftalt in Berlin
an höhere Schulen und Mufeen feit
einiger Zeit fhon abgegeben. Don den
geometrifhen Refonftruftionen nad
Meßbildaufnahmen find hervorzuheben
die großen Blätter über den Dom zu
Freiburg, die gegenwärtig von befonde-
£udwig Manzel, Portaitbüfte.
458
rem Gntereffe find. Ste umfaffen neben dem genauen Brundriß dte an drei Meter
hobe Darftellung der Weftfeite des Thurmes, an welder alle Feinheiten der Orna-
mente und des figurenfhmuds genau zu erfennen find. Diefe Wiedergabe, auf
der aud die Rurvatur der durdhbrodenen Pyramide fih gut verfolgen läßt,
it aus Anlaß der geplanten Wiederherftellung des Münfters aud dem Broß-
berzog von Baden unterbreitet worden. Gn dem neneften Derzeihniß der für
das Denfmalarhiv aufgenommenen Bilder findet man u. UA. den Dom und
das Rathhaus zu Breslau, den Croy-Teppid) 3u Greifswald, die Ratharinen-
firhe in Brandenburg, das Piaftenfhloß in Brieg, das Rathhaus zu Tanger-
münde, die Dome und Miünfter zu Köln, Meg, Trier, Straßburg, Magdeburg
u. f. w. Die Meßbilder, die vorwiegend wifjenfhaftlihen Zweden dienen,
haben die Grdfe von 4040 Zentimeter, während die für den Anfhanunge-
unterricht ausgeführten Dergrößerungen bei S6 Zentimeter Länge 68 Zentimeter
breit find.
— Jm Atelier des Heren Jean Bed in Münden waren vor
Kurzem gedgte Bläfer zu fehen, welhe nah einem neuen Verfahren bergeftellt
waren und an Schärfe der Zeihnung und an feinem Tone die bisherigen
£eiftungen auf diefem Gebiete weit übertreffen. Die Wegungen waren theils
auf reinem, überfangenem oder Tonglafe ausgeführt und zeigten neben ele-
ganter baarfharfer Heihnung nodh als befonderen Dorzug eine malerifche
Wirkung, welhe bei diefem fpröden Material und der einfahen Technik nicht
für möglich gehalten werden follte. Als befonders reizvoll an den Bed'jhen
Arbeiten find die Aegungen anf Tonglas hervorzuheben, weil diefelben außer
dem milden Lichte des In allen Tönen zu erhaltenden Blafes fih ganz be-
fonders für die neuere dekorative Aunftrihtung eignen dürften.
— Gn der recht reihhaltigen Stiderei-Ausftellung aus alter und neuer
Heit im Erzbifhsfliden Diözefan - Mufeum verdient eine Fahne be-
fondere UWufmertfamfeit. Sie ift von den Schweftern des St. Urfala-Rlofters
3u Dorften ausgeführt, nad einem Entwurf des Malers friedr. Stummel
in Revelaer, welder für die Geftalt der bl. Urfula das berühmte Bild diefer
Heiligen von H. Memling am St. Urfula-Schrein zu Brügge zu Grunde legte
und die Einfaffung der Fahne ahnlid) geftaltete, wie die Randbildungen,
die flandrifhe Gobelins im Beginne des 16. Jahrhunderts aufweifen. Die
Fahne ift etwa zwei Meter lang un entfpredhend breit, der ganzen f lähe
nah auf Leinen, ohne Verwendung von Stoff als Grund oder fonftiger
Ausfhmüdung, mit feinen Seidenfäden vielfarbig geftidt. Das Mittelfeld
zeigt die bl. Urfula in rothem, mit Hermelin verbrämten Bewande, weldes
in weihen falten zur Erde fällt. Fn der redten Hand hält fie das Heiden
ihrer Marter, den Pfeil, während die Linfe fhüzend den Mantel über einige
Gefährtinnen breitet. Einen fein abgeftimmten Hintergrund bildet die Stadt
Deutfhe Run ft.
Köln und der mit Sdhiffen belebte Rhein. Die Umrahmung des Mittelfeldes
beftebt aus reid) gegliederten und verzierten Säulen auf Boldgrund, während
prädtige Blumenguirlanden das Ganze umfdliefen. Die Farbenbarmonie
ift bet aller Pracht der Wirkung eine fein abgeftimmte und wohlgelungene
und legt Zeugniß ab von der fünftlerifhen Auffaffung und dem Fleiße der
ausführenden Ordensfhweftern. Ein Liborium-Mäntelden und ein Sculter-
Delum find ebenfalls im Dorftener Urfulaflofter gearbeit und lehnen fib an
alte Dorbilder an, weldhe fid) im Rlofter Wienhaufen befinden. Diefe Arbeiten,
fowie eine angefangene Stola, welhe in romanifher Zeihnung ganz in
Meberfangtehnit gearbeitet ift, bringen die glüdlih gewählten farben febr
gut zur Wirkung.
— Der fiinftlerifhe Ylahlaß des berühmten franzöffhen Schladten-
malers Alphonfe de Neuville an Bemälden, Zeichnungen, Aquarellen 2c.
gelangte fürzlih in Paris zur Derfteigerung, bei der aud Bilder von Detaille
und Julien Duprap, fowie Aquarelle und Paftelle von Duez, Ternier,
Rapin uw. U. verkauft wurden. Einzelne, faum bandgroße Skizzen bradten
es auf 1200 franfs, ,,Die Wille von St. Omer erreichten fogar 1670 frants.
Don den größeren Runftwerfen erzielten 2 Aquarelle, „Stabsoffizier und
„Preußifher Offizier, je 6900 frants; der „Parlamentär“, der fo oft durch
Stiche vervielfältigt if, 41 200 frants; „Héricourt in flammen“ 28 000 frants;
„Trompeter der Fußjäger in feldausrüftung‘ 7000 frants; Auf Dorpoften“
7000 franfs; ,,Ueberall bei Tagesanbrud 5000 frants; „ein Rüraffier“
von Detaille 5150 franfs; 2 Studien dejlelben Meifters 2300 bezw.
1800 franfs und ,,Das Duell von le Blant 2000 frants.
— £. Tailletet in Paris hat auf Deranlaffung des fürften Albert
von Monaco einen pbhotographifhen Apparat ausgeführt, der zum erften
Male bei der internationalen Ballonfahrt am 8. Juni in Anwendung gebracht
wurde und jowohl von der Erde als von den oberen Regionen alle 41/3
Minuten automatifh eine Aufnahme madte. Don den oberen Wolfen erhielt
man febr fchdne Bilder, auf denen aud die Zahlen des Barometers deutlich
zu lefen find. Dadurd ift es möglid, wenn der Ballon zerftört wird, dennoch
die erreichte Höhe zu konftatiren. Ebenfo werden auf diefe Weife auch alle
fonftigen Dorgänge während der Luftreife feftgebalten und zur Aenntnig ge-
bradt. Der Parifer unbemannte Ballon hat 23 Photogramme mitgebracht,
woraus zu erjeben ift, daß der Ballon nah 56 Minuten eine Höhe von
15 700 Meter erreicht hatte, während die Temperatur — 65 Grad war, aud
weiß man nun, daß er nad Suriidlegung von 420 Rilometern zu finfen be=
gann. Ein folder Apparat fann natürlih überall mitgenommen werden,
und von Reifen oder Landpartien laffen fih auf diefem Wege die fhönften
Anfihten mitbringen, ohne daß man des Photographirens Fundig zu fein braucht.
Preisbewerbungen und Perfönliches.
— Dier Berliner Bildhauer arbeiten gegenwärtig an Entwürfen für
das Denkmal des Herzogs Friedrid von Schleswig -Holftein, des
Daters der Raiferin. Es ift eim befchränkter Wettbewerb unter den Herren
Profeffor Brütt, Chriftenfen, Magnuffen und Peterid. Die Dar-
ftellung des Herzogs foll in Civilfleisung erfolgen. Als Standort ijt ein
Punft am Rande des Düfterbroofer Holzes bei Riel, auf oder am Abhange
des Marienheims in Ausfiht genommen. Die Arbeiten fommen in den
Räumen der proviforifben Aunfthalle in Riel zur Ausftellung. Dem Sieger
wird die Ausführung des Denkmals übertragen, er erhält ale Gefammt-
honorar 45 000 Mart. Den anderen Wettbewerbern ift eine Entjhädigung
von je 1000 Mark 3zugefidert.
— Zwei Standbilder der Raifer Wilhelm I. und Friedrid
für die Ruhmeshalle in Barmen werden zum Begenftande eines öffentlihen
Wettbewerbes unter den deutjchen Bildhauern gemadt. Die Werte follen in
Marmor ausgeführt werden. Derlangt werden Modelle der Standbilder und
einer allegorifhen Figur in !/, Lebensgröße. Es werden je zwei Preife zu
2000 beziehungsweife 1500 und 1000 Mark in Auefidt geftellt; bei der Er-
theilung des Auftrages werden fie jedoh in Abzug gebradt. Die Entwürfe
find bis zum 23. Dezember d. 5. an die Direktion der Aunftgewerbefhule in
Barmen einzureichen.
— Ein Wettbewerb für Entwürfe zu einem Denkmal Raifer
Friedrids Il. in Röln wird von einem Verbande dortiger Vereine, Ge-
fellfhaften und Jnnungen zum 15. Februar 1899 ausgefdrieben. Bei dem
Wettbewerb, der auf in der preußifchen Rbheinproving lebende oder dafelbit
geborene Bildhauer bejhränft ift, werden 5 Preife im Betrage von 3000,
2000 und 1000 Mart zur Vertheilung tommen.
— Ju dem engeren Wettbewerb um das Raifer Wilhelm-Denfmal,
weldes das Land Walded in Aroljen errichten wird, find die Bildhauer
Paul Dreften aus Adorf und Volfe, Riinne wid v. Woedtfe aus
Berlin zugelaffen worden. Die Entbüllung es Denfmals foll im früh-
jahre 1900 erfolgen.
— Das große Jntereffe, welhes ih der Jlluftrirten Poftkarte in
allen Schichten der Bevölkerung zugewendet bat, und die fiinftlerifde Durd-
bildung, welde insbefondere in Süd- und Weftdeutjhland der Ausführung
der Bildfarte zu Theil wurde, veranlaft den Dorftand des Allgemeinen Ge-
werbevereins zu Danzig zum Erlaß eines Preisausfhreibens für Riinftler-
Pofttarten. fiir die 10 beiten Originalentwiirfe werden 2 Preife von je
50 Mark, 4 Preife von je 30 Mark und 4 Preife von je 20 Marf ausgefert.
Die Entwürfe, welde nidt mit dem Namen des Urhebers verfehen fein dürfen,
jedodh ein Rennwort tragen miiffen, find bis 1. Movember 1898, Abends 6 Ubr,
an den Dorfigenden des Allgemeinen Bewerbevereins Herren Julius Mom ber,
Langgaffe 60/61, einzureihen, von dem aud Abdrüde der näheren Rons
furrenzbeftimmungen foftenlos zu erlangen find.
— Eine Preisbewerbung des Arhiteften-Dereins zu Berlin
für feine Mitglieder betrifjt den Entwurf eines Bebauungsplanes für den
weftliden Theil der Stadt Schöneberg. Termin ift der J. November d. 5.
für die beiden beften Entwürfe ftehen zwei Preife von 500 und 300 Mark
zur Verfügung.
— Profeffor Reinhold Begas läßt für die Parifer Weltausftellung
ein Werk ausführen, weldes bisher durd die Ungunft der Derhältniffe nur
Modell geblieben war. Als in den fiebziger Jahren der jüngere Sohn des
Dr. Stronsberg nad kurzer Ehe ftarb, betraute der berühmte finanzmann
unferen Rünftler mit der Kerftellung eines Grabdenfmals, Es entftand eines
der jhönften Werke feiner Art, weldes 1874 öffentlih ausgeftellt wurde. Das
Denkmal blieb jedoh Entwurf, da der finanzielle Zufammenbruh des Auf-
traggebers fhon 1575 begann. So unterblieb die Ausführung und öffent-
lihe Aufftellung eines der beften Werke der deutfchen Sepufralplaftif, über
weldes Profefjor Dr. Alfred Gotthold Meyer in feiner Begas-Mono-
graphie fic) folgendermaßen ausfpridt: „Der Derftorbene hatte ein junges
Weib und zwei Rinder zurüdgelaffen. Ganz leife klingt dies in den Fdeal-
figuren an, die bier feine Bahre umgeben. Auch der auf diefer Gelagerte
felbft ift fein realiftifches Porträt eines Todten. Es fheint, ale entfliebe ibm
dev legte Athem3ug, als jinfe in diefem Augenblid fein Haupt, vom irdifchen
Schmerz erlöft, zur ewigen Rube zurüd. Und es ift hold gebettet im Arm
und auf dem Schoß der jungen Frauengeftalt, die bewegt auf feine ge
fhloffenen Augen blidt und feine herabgefuntene Rechte fanft emporhebt. Die
Deutfde Runſt.
Jugendſchönheit des Lebens neigt ſich über den Tod, und zwei relzende
Rnaben ſchleppen Roſen und Kränze herbei.“ Profeſſor Begas läßt nun
dieſes Werk bei Martin und Piltzing in Bronze gießen. Die meiſterliche
Arbeit wird ſeine Kunſt auf der Pariſer Weltausſtellung beſtens vertreten.
— Der trefflihe Radirer Profeffor € M. Beyger bat eine in großem
Maßftabe ausgeführte Originalradirung vollendet, die in dem Berliner Ver-
lage von Paul Sonntag erfheint. Sie ftellt Raifer Wilbelm I. und
Bismard in vertrauliher Berathung dar. m der technifhen Durchführung
der Radirung zeigt fid Geyger wieder einmal als der Meifter. An einigen
Stellen, befonders bei den bellen Lidhtftellen, ift die „falte Nadel, aud die
Roulette, 3u Hilfe genommen. Don trefflider malerifher Wirkung ift be-
fonders das Sonnenlidt, weldhes von der Seite auf dle Gruppe fällt.
— Der ungarifhe Maler Arthur Ferraris, der an einem Bilde des
deutfhen Kaiſers arbeitet, begab fih diefer Tage zur Vollendung des Bildes
nah Potsdam, wo ihm der Raifer in der Zeit vom 11. bis 17. 8. M. nod
einige Male fist. Das nahezu ferlige Bild ftellt den Raifer in rother unga-
tifcher Reitergeneralsuniform dar, ein großes Anieftüd, den Ralpaf in der
linfen Hand, die Mente von einer prachtvollen Edelfteinfpange gehalten, die
einft Cortez trug, und ein Bejhent tes St. Stefanordens ift.
— Am 24. Auguft ift der berühmte Maler-Radirer Felicien Rops im
im Alter von 55 Jahren in Paris geftorben. 14 Tage vorher war der
459
Maler Eugène Glug, ein geborener Elfaffer, aus dem Leben gefihieden.
Glut gehörte zu jener berübmten Gruppe von Riinfilern wie Brion,
Théophile Sannler, Haffner, Lik, Jundt, Shiigenberger 2c.,
die fid) um die Mitte unferes Fabrhunderts unter der Leitung Gabriel
Buerin's in Straßburg gebildet hatte.
— Qn Profeffor Gude's Ausftellung von Aunftwerfen in Chriftiana
erregen gegen 60 Originalzeihnungen zu cen Bildern, die für Profeflor
£. Dietridhfons große biographifhe Arbeit „Hans Bude's Leben und Werke‘
beftimmt find, befondere Aufmerkjamkeit. Tiefe Arbeit foll zu Weihnachten
im Ylordifhen Aktienverlag in Chriftianta erfdeinen.
— Einer der beften fpanifhen Landfhaftsmaler, Cafimiro
Sainz, ift vor Kurzem in einem Madrider Frrenbaufe geftorben, in weldem
er zehn Jahre feines Lebens verbradt hatte. Seine Gemälde „Ebroquellen“,
„Der Wafhplag am Manzanares“, „Auszug aus dem Schafftall u. a. find
wahre Perlen der Malerei. Sainz, der im Fahre 1845 in Matamöron ge-
boren wurde, begann feine fünftlerifhe Laufbahn fhon im 17. Lebensjahre
und errang auf verfhiedenen nationalen uud ausländifhen Augftellungen erfte
Preife. Ein vorzügliger Zeihner und Rolorift, widmete er fih anfangs aus-
fchlieBlid) Ser Genremalerei, bis er fein Talent für die Landfhaft entdedte.
Bewundernswerth ift befonders das Feingefühl, mit weldhem er die tiefiten
Geheimnifje der Lihtwirfungen und der Perfpeltive ergründete. Seine Haupt-
werte befinden ih im Aunftmufeum zu Madrid.
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462
(24 Rompofitionen, in Kupfer geflohen von U. Burger,
R. von GBonzenbad, 5. Merz und H. Shik, Leipzig.
Verlag von Alphons Dürr) zeigt uns den ftrebfamen Akade-
mifer, wie er bis tief in die Nadt hinein an der Leihe eines
Selbfimörders anatomifhe Studien betreibt. Da zaubert die er-
bitte Phantafie den Schatten des Verftorbenen vor das finnliche
Auge des Riinftlers. Aus tiefer Herzenswunde blutend, ift ôte
Beftalt des ruhelofen Sünders herbeigefdwebt und beflagt reue-
voll felbjtbereitetes Befhid. Ueberaus förderlih für Buona-
ventura war fein Derfebr im Haufe der Gräfin Raroline
von finfenftein, die ein platonifhes Verhältnig mit dem
Obeim Hans Chriftian in romantischer Seelenharmonie pflegte,
und im Salon der Nabel Levi, wo der junge Rünftler mit
allen Celebritäten Berlins in Berührung trat. Jm Jahre 1822
30g Benelli, nahdem er feiner Militärpfliht als freiwilliger
bei den Barde-Schügen genügt hatte, unterftügt von der Königin
von Holland, einer preußifhen Prinzeß, nah Rom, um es erft
nad 12jährigem Aufenthalte wieder zu verlaffen. Hier lernte er
Reinhard, Jofeph Rod, den alten Rarlefdiiler, den Nazarener
Overbed, den phantafievollen Dichter und Maler Müller, mit
dem ihn eine gemeinfame Derebrung des Asmus Jacobus
Carftens verband, und andere Riinftler von Namen tennen.
Yad) der Aeußerung Reinhard’s über die unter Rodh’s Namen
herausgegebene Streitfeprift gegen die verhaßte „„Runftfchreiberei‘,
„die Rumford'fhe Suppe‘: „eigentlid follte es heißen: Rod
und Rompagnie, da es die Revue fo vieler erft paffiert bat, ja
ganze Stüde von mir und Genelli find, fcheint Ser junge
Heißfporn fhon damals feinen angeborenen Berliner Wi und
feine unnadhfihtige Spottluft, die fih fpäter in Rarrifaturen von
Ariftopbanifher Schärfe und vernichtender Satyre namentlid
über Wilhelm von Raulbadh ergoffen, fräftig bethätigt zu
haben. Ueber Benelli's Verkehr und feine Arbeiten fchreibt
Friedrich Preller, zu dem er bereits in Rom in Beziehung
trat, in feinen Aufzeihnungen aus Rom: „Banz in feine Dar-
ftellungen der griehifchen Bötter- und Heroenwelt verfentt, hielt
er fih von der herefhenden Schule der criftlidhen Runft fern
und befhränkte Umgang und Neigung auf wenige jüngere Leute.
für Cornelius empfand er nie eine rechte Sympathie. Benelli's
berrlihe Kompojfitionen wurden fdon damals von Jung und
Alt bewundert.‘ Obwohl aus Preller’s Bemerfung hervor-
geht, daß Benelli in Rom nicht faul gewefen ift, hatte er doc
einmal Anlaß, fic) gegen Sen Vorwurf der Unthatigteit in
folgender Briefitelle an feinen Bruder Chriftopb zu verwahren:
„Jh bin nicht bergefommen, um die Kunftmode zu ftudiren,
wozu man freilich nicht viel mehr denn abt Tage Zeit braudt,
nod) um eines dünnen Renommés wegen. GFemebr id) jene
großen Werke fennen lerne, die wabrlid dazu geeignet find,
einen bedenflid) 3u machen, je mebr muß ic alles leere, eitle
Blänzen verächtli finden. Wenn ih fhon fo arm gewefen
wäre, bier drei Bilder malen 3u fSnnen, eg wéire ein Zeichen,
daß id) nichts an dem zu fehen vermag, was hier zu feben ift,
und mein ganzes Hierfein wäre nur das Spiel „Pfählden ver-
wedjeln im größeren Stile. Jh werde mic in meinem einmal
vorgezeichneten Wege nicht irre machen laffen, Senn ich bin taub
für allen blinden Ruhm, der angenommen mid vielleicht je
treffen fönnte, und follte felbft jene Königin, wenn fie fi durch
falfhe, fleinlautende Berichte über mih betrogen fühlen wird,
ihre mich bis jetzt baltende Hand zurüdziehen, immerhin, mein
guter LCeihnam wird’s ertragen, die nicht frante, nur mit fünft-
lerifhen Betrachtungen erfüllte Seele mit freudigem Bewußtfein
aud allenfalls hinter einem Pflug zu fchleppen! Glaube aber
nicht, ich fei wirflih faul, wenn ich nicht glei etwas auf die
Berliner Ausftellung jhide; Senn alle diejenigen, die in jegiger
Deit noh etwas Bedeutendes machen, haben anfangs ebenfalls
faullenzen müffen, als da find die Bebrüder Riepenbaufen und
der Bildhauer Stolz, Thorwaldfen, der, was freilich etwas zu
lange it, © Jahre lang nur umbergetrödelt it. — Man enfe
zu Haufe, was man will, id thue bier, was ich will, ô. b. was
fih mit meinem Bewiffen verträgt. Mein einziger Richter bleibt
unfer theurer Onkel.“ Der Unterftüßung der Königin von Holland
Deutfde Runf.
f
follte Benelli infolge eines mißlihen Zufalls leiser wirflid bald
verluftig geben. Da er im Befike eines großen Spiegels fich
die Modellfoften erfparen konnte, wenn er als Rünjtler und
Modell zugleih thätig war, ibn aber aud an römijchen
Sommertagen am eigenen Leibe wie immer an den Be-
fhöpfen feiner Kunft „die Lumpen genierten“, um ein Soppel-
finniges Wort des Künftlers über Sie routinirte Stoff-
malerei zu citiren, pflegte Benelli in Bajlifher Nadtbeit in
feinem Atelier umberzuwandeln, ohne Sağ Jemand Anjtof
aran genommen bätte. Da wollte es das Unglüd, daß eines
Tages feine hohe Bönnerin unangemeldet bei ihrem Schüßling
vorfprad. Auf ihr Rlopfen rief der abnungslofe Rünftler, Ser
den Befud eines ‚Freundes erwartete, unbefangen „Herein. Die
fürftin eilte, empört über den Anblid einer nadten Mannes-
geftalt, hinweg und 309 ihre milde Hand von dem unwürdigen
Mufenfohne zurüd, der feinerfeits die ergößlihe Szene im Bilde
verewigte (Aus dem Leben eines Künftlers), nur dag er an
Stelle der Rönigin einen Fatholifchen Beiftlihen in fomifdem
Entfegen zur Thür berein fhauen läßt. Bezeihnenð für G e-
nelli’s fdroffes Wefen ift der Dank, den er dem Direftor Ser
Berliner Akademie Shadow für ein feiner Meinung nad) er-
bärmlihes Honorar für eine Zeihnung mit den Worten der Ent-
rüftung abjtattete, er wolle die zwanzig Thaler, um fich Sie
Mühe des Zurüdfendens zu erfparen, feinem Bartkrater [henfen.
„Der Fifh gebört ins Waffer, der Künftler nah Rom! lautete
ein für damalige Anfchauung charakteriftifhes Befenninif Ge-
nelli’s. Die Erinnerungen an die römifche Zeit verklärten fein
jpäteres Leben, und die Sehnfuht nad der Siebenhügelftadt
blieb immer in ihm lebendig. ‚Jh wünfhe nad Gtalien, dem
geliebten Daterlande bequemerer Runftübung zurüdzufehren, und
wenn id aud Sort mit dem Leben fämpfen muß, fo erinnere
id) mic) doc, Saf mih Sie Anerfennung, die id von tiidtigen
KRünftlern dort erfahren, für vieles äußere Entbehren ftets reich
entfhädigt bat. So fihrieb der Riinftler am 20. September
1835 von Leipzig aus in einem Briefe an den Rönig Ludwig I.
von Bayern. Das Schreiben war eine Bittfchrift, die Cor-
nelius glüdlicher Weife nicht befördert hat; Benelli bat Sarin
um ein Darlehn von 600 Chalern, die er Surh Arbeiten nach
und nad abtragen wollte; er war namlid in fehr bedrängte
Lage gerathen, ða er durd ein Ferwiirfnif mit dem reihen Buch-
händler Dr. ©. H. Hartel, der den Riinftler 1831 nach
Leipzig berufen hatte, damit er fein römifches Haus mit ‚Fresken
fhmüde, Derdtenft und Gelegenheit, feine monumental gedachten
Entwürfe in größeren Verhältniffen auszuführen, plößlih ver-
loren batte. fiir den Theil der Schuld, der Benelli an der
Löfung des Vertrages zuzufchreiben ift, bat der ftolze Mann
reihlih gebüßt. Außer der Derftimmung Dr. Hartel’s, die
fhon im Anfange Sadurch hervorgerufen war, daß Benelli
dem Plane des Beftellers, einen Raum mit Darftellungen aus
der Böyfjee zu fhmüden, entgegen Thaten Ser Olympier mit
leifer Anlehnung an Raffael’s Fresten in der Farnefina
wählte, und fortwäbrendes Drängen und Mabnen mag Sem
KRünftler bei Mangel an technifher Hebung die Luft verdorben
haben; gewiß hat aud fein Liebesverbaltnif mit einem fdhdnen
Madden, das ibm trog der geringen Ausfidten auf eine fidere
Zukunft in Zeiten bitterer Yoth treue Befährtin fürs Leben
wurde, Benelli von einer regelmäßigen Arbeit abgehalten und
fomit Anlag zu mißlihen Auseinanderfegungen zwifchen ibm
und dem Befteller gegeben. Auh als er mit feinem forgfamen,
trefflihen Weibe 18536 nah Münden übergefiedelt war, fand
fein Martyrium nod fein Ende; dort, wo Könige und Rarrner
vollauf 3u thun batten, war für Benelli nichts mehr übrig.
Seine Armuth ging fo weit, daß er oft fein Geld batte, fih
Bleiftift und Papier 3u faufen. Trokdem bielt er mit feltener
Meberzeugungstreue feit an feinem Jdeal, wenn auch feine Runft
feinen Anklang fand; fie war zu feufh und edel, um Mode
werden zu fönnen, war zu fremdartig in der Erfiheinung, zu
cüdjichtslos perfönlihd und zu frei ideal in ihrem Wefen, um
voltsthümlih zu fein. Popularität um den Preis, ärmer an
Geit zu erfcheinen als er war, verfchmäbte Genelli now
upang plus wand sag Shog m, Sunuppfiigharg “pmS 290g Imv syn mouog vanzuoavuong
el
464
Dentfhe Runft.
Buonaventura Genelli, Braut und Wahrfagerin, Bleiftiftzeihnung, U, Flinfh, Berlin.
immer. Trog alledem würde ihn Soc eine von edlen Runft-
interefjen erfüllte Umgebung und die Anerfennung eines Fleinen,
auserlefenen Rreifes, dem Emanuel Geibel, Paul Hevfe,
Julius Broffe, Pedht, Rahl, Ser Bildhauer Brugger,
Yeureuther und die Rupferfteher Merz und Shüt angehörten,
aufgerihtet und ermuthigt haben, wenn feine farfe Seele Ser
Ermuthigung bedurft hätte. Sein beriihmtes Hoflager, Sem
Paul Heyfe ein bleibendes Denfmal in feiner geiftvollen Novelle
„Der legte Centaur’, Julius Groffe aber ein nicht minder
wiirdiges im „Sympofion“* (Bud III) feines „Volframsliedes*
gefegt bat, hielt Benelli in der Fleinen Weinftube von Shi-
mon. Der Geift der Unterhaltung war dort beffer als der des
Weines, Seffen Wirkung Geibel in flaffifhem Latein der Nad-
welt getreulic) verrathen bat:
Sed post Schimonense vinum
Malum venit matutinum.
Alle Bemühungen feiner Freunde, Genelli’s Cage beffer
zu geftalten und bobe Perfsnlicfeiten fiir ibn zu interefliren,
waren vergeblid. Aud Shwind's Verfud, dem genialen
Freunde die 1845 frei gewordene Profeffur an der Dresdener
Afademie zu erwirten, blieb erfolglos; in warmer Begeifterung
fhriedb Shwind damals in der Angelegenheit an Eunft Riet-
fhel: „Es ift eine Schande für ganz Deutfchland, daß ein
Mann von fo unglaublidem Talente an Ser Grenze Ser äußerften
Noth binleben muß. Hat das follen fein angeborenes Uebermaf
von Kraft, das fic) oft wie Unbändigfeit mag ausgenommen
haben, in die Grenzen der Friedlichfeit und Liebenswiirdigheit
zurüdführen, fo könnte es jetzt immerhin ein Ende finden; Senn
von feiner fprudelnden Jugend fprudelt nur mehr fein Talent
und das in der fhönen Begrenzung des Studiums und der
Bildung.“ Eine günftige Wendung in Genelli's Verhaltnijjen
trat endlid ein Surh das hohe Gntereffe, das Graf Sdhac fiir
feine Rompofitionen gewann und das zu einer Reihe von Bee
jtellungen führte. Die fhönften für Shad ausgeführten Bilder,
deren Entwürfe zum großen Theil bis in Genelli’s vömifihe
Heit zurüdreihen, find: „Die Difion des Ezediel*, ein Bild,
das einen Dergleih mit Raffael's Meinem Gemälde im Pa-
la330 Pitti zu Florens nicht zu fceuen braucht, der 1858
vollendete „Raub der Europa“, zu dem ihn eine Jövlle des
griehifhen Dichters Mofhus angeregt hat, und der in Kolorit
und Kompofition an Giulio Romano erinnert, und ,,Herafles
Mufagetes bei Omphale. Rarl Rabl fdried 1862 über das
in den jahren 1860—1862 entftandene bedeutendfte Bemälde
Genelli’s für die Shad-GBalerie an den Rünftler felbft: „Seit
der „„Farnefina* ift wohl fhwerlid fo etwas Originelles gemacht
worden“, und nad Mar Jordan ift diefes Bild „voll feierlich
gefättigter Pracht, beberrfht von gelbbrauner Cofalftimmung, ein
Hymnus rubevollen Geniefens; der grau in grau gemalte Fries
darunter, die Heimbolung Ariadne's, wohl das Vollendetite an
Modellirung, was wir von Genelli befigen. Der Bachus.
fries Genelli's ift vorbildlich gewefen für den plaftifhen, Sen
Ernft Habnel fix das alte Dresdener Hoftheater gefchaffen þat.
Rälter im Rolorit, aber die dramatifch bewegtefte Rompofition
des Meifters, ein gruppenreiches Bild, Mar im der Anordnung
iſt die „Lykurgosſchlacht“‘ (Jlias VI, 130 ff.). Lyturgos.,
der Rönig Ser Edoner, der Repräfentant reaktionären Abjolu-
tismus’, überfällt den Dionyfos und feine Schaaren, die vor-
dringende Rultur, und drängt den Bott, dem die Mufen flüchtig
folgen, ins Meer, wo Thetis ibn aufnimmt. Mifglidt Surch
ein in fpateren Jahren eingetretenes Verfennen feiner Eigenart
it die ,,Derbeifung der Engel an Abraham“, deren Rolorit
den Vorgang mit Leifer Melandolie iiberfchattet. Benelli if
über den fonftigen Maßftab feiner figuren binausgegangen und
hat verſucht, den monumentalen Charakter feiner Rompofitionen
in lebensgroßen Geſtalten voll zum Ausdruck zu bringen. Beweiſt
dieſes Bild, Saf die altteftamentliche Sprache Genelli tein ge-
läufiges Jdiom war, fo ift ihm die des nenen Tejtamentes erjt
vet fremd geblieben. Namentlich der Typus der Engel will
ihm weder im jidifchen nod im criftlichen Sinne gelingen, fie
find entweder berkulifche Bejtalten oder, wie auf der Zeichnung
„Ruhe der heiligen Familie auf der fluht* (im Befike des
Hern A. Flinfd, Berlin), kindliche Eroten, nie aber die tradi-
tionellen Zwitterwefen des Jenfeits. Voller Anmuth und an-
ziehend Surd) die gebeimnifvolle Macht orphifher Ruhe ift das
Gemälde für Shad „Bachus unter den Mufen, das ur-
fpriinglid) als Dedengemälde für das römifhe Haus des
Dr. Hartel in Leipzig beftimmt war. Umrahmt ift es urh
vier Hwidelftüde mit laufendem Ornamente, die die Derberr-
lihung des Dionyfos vervollftändigen als Shüger, „Bachus,
eine Nymphe vor der Vergewaltigung Surd einen Tritonen
fhütend“, als Derföhner, „Bachus geleitet den Hepbäftos
zum Olymp zurüd*, als Tröfter, „Bachus und Ariadne,
und als Rader, ,, Bacchus befiegt den Lyfurgos,
Die Rompofition „Bachus geleitet den Hephaftos zum
Olymp suriid’ bat Genelli nod einmal als felbftändiges Bild
ausgeführt (Seidnung im Befike des Herrn A. Flinfd, Berlin).
Dionyfos, mit Weinlaub gefhmüdt, fhwebt Sem auf Sem
Riiden des Pegafos Heimfehrenden vorauf, den Sie Mufe ge-
leitet, während Eros auf luftigem Wege graziös tanzend ihm
folgt. Mag aud Niemand fo reiten Fönnen, wie Hephäftos
es thut, die Haltlofigkeit feiner Stellung ift fo fhön, dağ man
um folden Preis gern eine Abweihung von der Wirklichkeit in
Rauf nimmt. Die Anordnung des Ganzen ift harmonifh, der
Linienflug rhythmifch reizvoll, die Bewegungen der Geftalten
voller Anmuth und Grazie. Das fonderbare Reitmotiv auf
Dulcan’s Ritt 3um Olymp, das bier weniger auffällig ift,
weil der Bott nur auf dem Rüden des Maulthieres von feinem
SFluge auszuruben fdeint, wie ein Sterblider auf einem Divan,
febrt häufig bei Benelli wieder. Am wenigften wabrfdheinlid
wird die malerifhe Stellung in Darftellungen menfdlicden
Dafeins, wie auf einem Blatte aus dem „Leben eines Künftlers‘,
das den Maler felbft wiedergiebt, wie er, von Romus geleitet,
angemait von römifcher Lenzesluft, auf einem luftig wiehernden
Ejelein binausreitet in die Rampagna, am ungezwungenften
it fie bei reitenden Eroten, die neben dem Freudenfpender
Lyaeos Genelli’s Lieblinge find. Häufig fıhildert er ihr find-
tides Leben in Verbindung mit Thieren. Eine Zeichnung (im
Deutfde Runf.
Befige des Herrn A. Flinfh) führt fie vor Augen im Spiele
mit den Panthern des Bachus, eine andere, wie fie, von einer
Dryase lidelnd belaufht, als Säuglinge an den Briiften gee
waltiger Cöwinnen liegen oder, von den riefigen Thieren gelieb-
ftoft, ruhig fhlummern. Den fihlafenden Eros im Walde zeigt
eine dritte Rompofition; eine madtige Lowin fihleiht leife an
dem Schlummernden vorbei und fhaut ih fheu nah ihm um,
als fürchte fie, die Fraftftrogende Königin der Thiere, den gee
fiederten Pfeil des zarten Anaben. Auf einem Entwurf für
einen Brieffaften fteben lintfs und rehts von einer in üppigem
Afanthusgeranf lodernden Fadel zwei Amoretten, von denen
die eine eine Rofe in der Hand hält, das Sinnbild Ser Liebe
und DVerfchwiegenheit, die andere einer Taube einen Brief in
den Schnabel giebt. Lied, Liebe und Wein, auf sen bar-
monifden Dreiflang ift Genelli’s bheitere Runft als Vergött-
lidung des Sinnlihen geftimmt; zuweilen freilih Klingt es
daneben auch wie ftille Wehmuth des Vielerfahrenen.
Deforativ tertilen Charakter in feiner Beftimmung, feiner
Rompofitionsweife und feinem Rolorit wie „Bachus unter den
Mufen trägt auch der „Cheatervorhang“, deffen Grundgedante
das in der Mitte auf einem Sprudband ftebende Epigramm
enthält:
Der Leidenfhaften wüftes Heer,
Dem Shoof der alten Macht entitammt,
Die ftille Schaar der Tugenden,
Dom Licht geboren, lihtumflammt,
Der Nemefis, des fatums Walten
Ihr fhaut es hier in Traumgeftalten.
Der Romponift Peter Cornelius, der Schöpfer des
„Barbier von Bagdad“, ein Neffe des Malers, fdrieb über
diefes Bemälde (Belbild in der Galerie Shad in Münden,
Aquarell im Mufeum zu Weimar): „Der „Cheatervorhang‘*
it Genelli’s Grabfcrift, er ift fein jüngftes Gericht, er ift
feine göttlihe Romddic. Hier fchießen alle Strahlen diefes
Genius in einem Brennpunkt zufammen. Die Schönheit der
Linie, die ibm angeboren, Sie Peufthe Poefie der Farben, die
feinfte Stilempfindung der Anordnung trifft bier zufammen mit
Frisch.ph
Buonaventura Genelli, Amoretten auf Panthern, U. Flinfh, Berlin.
466
einem erhabenen Beifte, mit einer allen Gipfeln und Untiefen
des Lebens abgezwungenen Macht der Charafteriftif, mit einer
Reinheit der Seele und einer weihevollen poetifhen Bercdhtigkeit,
welde allem Schönen und Großen, was je gedidtet worden,
die Hand reiht. Nacht und Lidt als Mittelpunkt, Todfünden
und göttlihe Tugenden als ihre Sproffen und darunter in
bunten Geftalten die Welt der Bretter, welde Sen Rampf
zwifchen beiden in poetifche Verklärung der Welt der Wirklichkeit
zur Selbftertenntnig und Läuterung als Spiegel vorhält: Das
ift Ser Gubalt eines Bildes, deffen Dichter das tieffte Mart
feines Genius mit dem vollen Leben des Dramas durchdringen
mußte, ebe er diefes Werf zu fihaffen vermodte. Jm An-
[hauen diefes einzigen Bildes löfen fih dann aud alle bangen
Fragen und das irdifche Dafein diefes Genius in dem lauten
Rufe des Enthufiasmus, welde feinem unvergänglichen fort-
leben gilt." Die legte Beftellung des Grafen Shat, „Bachus
unter den tyrrbenifthen Geerdubern, blieb leider unvollendet;
der Karton befindet ih im Broßberzoglihen Mufeum zu Weimar
im gleidhen Saale wie die für Baron Sina in Wien in
Aquarell ausgeführten Rompofitionen „Homer unter feinen
jonifhen Hörern*, ein Bild, das zu einem intereffanten Der-
gleihe herausfordert mit dem ganz in der Nähe hängenden
„Homer“ von Asmus Jakobus Carftens, ,,Aefop fabeln
erzäblend“ und „Apoll bei den Hirten durch feine Runft den
Gram befhwörend*, drei Zeichnungen, die harakteriftifhe Belege
find für die lineare Eurbythmie in Benelli's Rompofitionen,
feine gefhmadvolle Anordnung der Gruppen und die Feinheit,
mit der er den Bleiftift gehandhabt hat. Ein entzüdendes
mythologifhes Benrebild voller Humor ift „Die Centaurenfamilie**
nad Lucian’s Befdreibung eines Bemäldes von Prari-
teles (Aquarell im fSniglidhen Rupferftidfabinet 3u Dresden).
Der alte, langbärtige, raube Centaurenvater ift von der Jagd
beimgefehrt und halt der reizenden Gruppe, der Centaurin mit
Sohn und Todter, die fic) fchalfhaft laufend hinter der
Mutter Rüden verftedt, lachend einen jungen Löwen als Beute-
tüd þin. Der Sohn fohreit erfhroden auf und fährt furdhtjam
von der Mutterbruft zurüd; Eltern und Sdwefter weiden fih
an feinem Entfeßen. Die Zeihnung „Homer unter feinen
jonifhen Hörern* fann als nahträglid gefhaffene Ouverture
bezeichnet werden zu einer folge von Umriffen zu Homer’s
Bejängen (zuerft erfchienen 1844, Neue Ausgabe von
€. förfter. Stuttgart 1866), die ebenfowenig wie die zu
Dante's „Böttlihe Romddie’ (1847—52; in neuer Ausgabe
bei Alphbons Dürr in Leipzig 1865 erfcienen) Jlluftrationen
im gewöhnlichen Sinne find.
Einem fo eigenartigen und felbftftändigen Rünftler war das
Mak von Affimilationsvermdgen verfagt, um das in anderer
Runftform fchon vollendet Vorhandene bloß bildnerifh zu über-
fegen. Vielmehr zeigte fi bei Benelli die Fähigkeit am hödhiten
entwidelt, in unabhängigem Schaffen den Gebilden des Dichters
etwas Eigenes gegenüberzuftellen. Recht frei und unbebindert
fühlte Benelli fic nur, wenn er fih feine Stoffe felbft ge-
ftaltete, wie er es getban hat in den Darftellungen „Aus dem
Leben eines Wiiftlings (lithographirt von G. Rod, Verlag von
Jf. U. Brodbaus) und „Aus dem Leben einer Here (gee
ftohen von Merz und Gonszenbad, Verlag von Buddeus
& Weigel). Das erftere diefer cyflifcden Bildergedidte, die in
der dee erinnern an Hogarth’s und Rlinger's realiftifche
Heitnovellen, behandelt in völlig origineller Form die Don Juan-
Deutfdhe Runft.
Fabel, das zweite, das von Julius Broffe in feiner ,, fauftina’
in poetifhe form ift umgegoffen worden, ift eine fauftifch ver-
tiefte, flaffife) gelduterte und in riftliher Humanität barmonifch
ausflingende Derwerthung eines romantifdhes Dorwurfs aus der
ungeſchlachten Geftaltenwelt mittelalterlider Dolfamythologie. Jn
beiden Werten hat Genelli die Poefie Ser Siinde zu einer
tragifhen Erhabenheit gefteigert, die Sen Malerpoeten jenen
großen Meiftern böchfter Runft zugefellt, die im lebendigen Worte
der metapbyfifchen und fozialen Diffonanz Ses Menfdenlebens
ewig berrlihen und ergreifenden Ausdrud aus der Tiefe der
eigenen Seele heraus verliehen haben. Aud er it wie Dante
durh die Holle begangen und aud für ihn gilt, um feine im
„Leben eines Wüftlings‘ ausgefprodenen, poetifhen Selbit-
befenntniffe zu rechtfertigen, das Dichterwort: „wer das erfubr,
giebt feinem Irdiſchen Rechenſchaft‘“. Jene Ronfeffionen finden
ihre Ergänzung nad außen in der malerifhen Wutobiographie
Genelli’s ,,%Aus dem Leben eines Riinftlers (24 Rompofitionen,
in Rupfer geftohen von A. Burger, R. von Bonzenbad,
H. Merz und H. Shüß. Leipzig, Verlag von Alfons
Dürr). Die feds legten Oelbilder fir Graf Shad
vollendete Benelli in Weimar, wohin ihn im Jahre 1859
der funftfinnige Grogberrzog Carl Alerander auf Preller's
Hinweis berufen hatte. Obmobl Genelli nun von Münden
weit glänzendere Anerbietungen gemaht wurden, flug er fie
Sod mit den ftolzen Worten aus: „Sie haben 22 Jahre Feit
gehabt, etwas für mid zu thun; jebt it es zu fpät!* und
verblieb in dem Kleinen Jlmathen, um bier erft ein barmonifches
Dafein fennen zu lernen. Aller Sorgen enthoben durch Sie
felbftlofe Gunft eines verftändnißvollen firften und die Opfer-
willigfeit eines feinfinnigen, taftvollen Mäcens, fand er volles
Benügen an feiner Arbeit und dem geiftig anregenden Derkebr
mit friedrid Preller, franz Liszt, Hoffmann- fallers-
leben, Genaft und anderen, die zu dem auserlefenen Rreife
gehörten, den die Fürftin Wittgenftein auf der Altenburg um
fid) verfammelte.
Hier war es, wo Benelli’s Kompofition „Braut und
Wabrfagerin’ (Feihnung im Befike von A. Flinfh, Berlin)
bei der Dermablung einer Prinzeß als lebendes Bild geftellt
worden ijt. Hart und jäh ftörte das neidifhe Schidjal noh am
Cebensabende die Muße des Prytanen; der Tod entrif Sem
greifen Künftler feinen einzigen, talentvollen Sohn Camillo.
Der Wudt diefes Schlages war auc die Rraft des nervigen
Mannes, der fo viel ertragen batte, nicht gewadfen; er verfiel
in Siechthum, dem er am 15. Movember 1868 erlag.
Mit Buonaventura Genelli bat in Deutfohland der
eigentlide Rlaffizismus feinen Abfhluß gefunden; während er
in frankreih in der antifen Welt Parallelen fand für das fühlen
und Denken der Nation und duch feine aktuelle Tendenz Ser
Wirkfamkeit eines David nachhaltige Lebenskraft verlieh, während
für England der Niederfhlag von Flarman’s Runft im Wed-
gewoodeporzellan von dauerndem Werthe war, fand die formen-
fprache dSiefer antififirenden Rihtung beim Seutfchen Dolfe fein
Verſtändniß und in feinem Leben feinen nennenswerthen, eigen-
artigen Madflang. Selbjt als der Rlafjizismus in der foloriftifchen
Richtung feines legten Ausläufers Anfelm Feuerbad zeit-
gemäßen Anfhauungen HZugeftändniffe madte, ward ihm feine
Aufnahme; er ift ein jhöner Derfudy geblieben, aus germanifchem
Beifte heraus dem Schönheitsideal griehifcher Kunft neues Leben
einzuflößen, ein le&tes Auffladern der großen Renaiffance.
Die Rembrandt-Ausftelung in Amfterdam.
er Bedanfe, den großen Rembrandt unter Betheiligung auswärtiger
amtliher und privater Bildergalerien durch eine Ausftellung feiner
“ D hervorragendften Meifterwerfe zu verberrliden, tauchte in nieder-
ländifhen Runfttreifen bereits im Jahre 1895 auf und fand auh allgemeine
Suftimmung. Man verfhob die WAusfiibrung des fchdnen Planes jedod bis
auf eine günftige Gelegenheit, die dem Unternehmen nod mebr den Charafter
einer nationalen Rundgebung verleiben follte. Die Thronbefteigung der
Rönigin Wilhelmine war der geeignetfte Anlaß dazu; fo fiel die Derberr-
lidung Rembrandt's mit einer Huldigung des Haufes Oranien zufammen,
deffen Glangperiode unter Morik von Oranien, friedrid Heinric und
dem Erbftatthalter Wilhelm IT. aud die Zeit ewig fhöner Blithe nieder-
ländifher Runft war, gebildet und gepflegt durd Rembrandt's zanber-
kräftige Hand. Der mit dem Vollzug betraute Ausfhuß dse Aunftvereins „Arti
et Amicitiae“ aber follte es nit leicht haben. Derfchiedene Mufeen erflärten fih
offiziell außer Stande, Aunftwerfe leibweife iiberlafjen zu fönnen; andere
fciigten feuersgefahr vor; Privatbefiger ftellten unannehmbare Bedingungen
und hobe Perfsnlicdfeiten, wie die Königin von England, vermodten es nicht,
fid von ihren Aunftfhägen zu trennen. Ert der ntervention der
jungen Rönigin, die üh mit jugendlider Empfanglicfeit für die glüdlihe
‚dee begeifterte, gelang es, aud das Ausland zu einer regen Betheiligung
zu gewinnen und die Derwirklihung eines von ftolzer nationaler Gefinnung
getragenen Planes herbeizuführen. Am S. September konnte die Ausftellung
von der Rönigin felbft eröffnet werden. Sie umfaßte 124 große Bemälde
und 250 Aupferftihe des Meifters, eine verbaltnifmapig Meine Zahl, wenn
man bedenkt, daß Rembrandt niht weniger als 350 Gemälde binterlafjen
bat. Rann fie aud einen Anfprud auf Dollftändigfeit maden, fo bietet fie
dod mit Arbeiten aus allen Lebensepochen des Rünftlers anfhanlihes Material
genug, um daraus ein genaues Bild von feinem ganzen Entwidlungsgange
Deutfde Runf.
467
vornehmften Bedingung der Schönheit, abgewogen. Eines der fhönften
Sugendwerfe Rembrandt's hat Raifer Wilhelm II. aus der Privatgalerie
zu Sansfouci bergeliehen, „Die Gefangennabme Simfon's durd die Philifter‘.
Rembrandt zählte nod Feine 25 Jahre, als er das Bild malte, verräth
in ihm aber fhon die Eigenfhaften des Meifters, die prächtige Detaillirung
der Befihtszüge und den warmen Boldton im Rolorit. Die Königin von
England hat aus ihrer Sammlung im Budingham-Palace die berühmte „Dame
mit dem fader und das Doppelbildnig „Rembrandt und feine Bemahlin
Sastia van Uylenburgh" überlafien, .eines jener zahlreihen Porträts, in
denen der Rünftler fein von fhwärmerifcher Liebe zu der fhönen Gattin er-
fülltes Herz ausftrömt. Das Doppelbildniß leitet eine Reihe von Selbftportrats
Rembrandt's ein, an deren Sammlung Deutfhland in hervorragender Weife
betheiligt ift. Sie vereinigen dh zu einer malerifhen Autobiographie des
Riinftlers und behandeln im Einzelnen die Hauptkapitel feines Lebens mit auf-
Buonaventura Genelli, Theatervorhang, Aquarell, Mufeum in Weimar.
zu gewinnen. Das Hauptintereffe der Ausftellungsbefuder wendet ih natürlich
den drei Schöpfungen zu, im denen nach Sem Uebereinfommen der fictenden
Nadhwelt Rembrandt's fünftlerifhe Thätigfeit gipfelt, den „Bildemeiftern‘‘
(Syndics des Drapiers), dem ,,Anatomievortrag und jenem Bemälde, das
man fälfhlih als „Nadhtwache bezeihnet. Da die dunkle Kleidung des
Hauptmanns Banning die anderen Geftalten des Bildes befchattet, glaubte
man früher, es mit dem Rundgange einer Nadhtwadhe zu thun zu haben, bis
man gerade aus dem Schatten die Tageszeit ridtigftellte. Er giebt dem
gründlichen Befchaner, der über Zeit und Stunde genau unterrichtet fein will,
die Auskunft, daß es 4 Uhr Nachmittags ift. Die Hand des Rapitäns wirft
ihren Schatten ebenjo glaubwürdig und eraft wie der Zeiger einer Sonnen-
uhr. Leider find von diefem Roloffalgemälde, um es einer Wand anzupaffen,
In früherer Zeit auf der linken Seite zwei Figuren weggefchnitten worden,
Eine nod fdlimmere Derftümmelung Ift aus ähnlihem Grunde am Anatomie-
vortrag‘* verübt worden. Um das Bild in einen Rahmen zu bringen, hat
ndmlid der Profeffor Dr. Johannes Deyman — eine andere ähnliche
Darftellung mit der Perfon des Univerfitdteprofeffors Mifolaus Tulp,
wie er mehreren Amfterdamer Aerzten die Armmusfulatur einer Leiche erflart,
ift befannter — feinen Ropf laflen miiffen. Don den „Bildemeiftern" tann
man fagen, nicht einer fit Modell, fie leben. Was könnte man zu ihrem
Lobe mehr fagen als Wiederholungen? Auf dem prächtigen Bemälde mit
feinen fünf hellbeleuchteten Charafterfdpfen find der Bleihmuth, die Ruhe der
Reife und feuer und Rraft der Leidenfhaft zu Ebenmaß und Harmonie, der
tihtiger Treue als Spiegelbilder der aus den jeweiligen Derbaltnifjen
refultirenden feelifhen Stimmung. Das fhönfte Bemälde diefer rein perfön-
lihen Abtheilung it „Rembrandt mit der rothen Müge“ aus dem Belize _
des Broßherzogs von Weimar. für den freilih, der Rembrandt's Lebene-
weg nidt fennt, it das Gemälde, das aus dem Jahre 1645 ftammt, fein
aufridtiges Zeitbild. Gn fcharladrothen Tdnen gehalten, ift es eine Fanfare
der Lebensluft und Gugendfraft. Der Meifter erfheint ale fhmuder Don
Yuan, nicht aber als der, dejjen Herz durch den Derluft der geliebten Saskia
für immer gebroden war. Wer aber über Rembrandt's Schidjal unter-
richtet ift, wird die Unaufridtigfeit in dem trefflihen Bilde entfchuldigen
und es entweder als rührende Reminiscenz, als ein Aufleben vergangenen
Gliids in der Erinnerung, die das Entjhwundene wieder zu geftalten fudt, oder
als eine tiefe Parodie von ergreifender Tragik auffaflen. Wie anders erjcheint
der Maler auf dem im gleihen Jahre entftandenen, roth geftimmten Porträt
von Rarlsrube! Hier ift das Roth zum Ausdrud für Traurigkeit geworden.
Beröthet ift das Geficht, gerdthet von Thränen find die Augen. Ein Bild
äußerlihen Derfalls ift das Porträt aus dem Habre 1650, das dem
Leipziger Mufeum gehört. Tieftraurig, mit ungepflegtem Bart und jhmugigem
Rragen giebt der Asjährige Rembrandt das Bild eines brummigen Alten
ab, mißtranifh und hen durh Dereinfamung und Un geredtigfeit feiner Zeit-
genofjfen. Jm Begenfatze zu dem Weimarer Bildnif, auf dem der Rünftler
träumend in vergangenem Blüde fhwelgen mag oder, erhaben über fein
Sdidjal, es ironifirt, feint er hier übler Laune gewefen zu fein. Gm
468
folgenden Jahre (Bildnif aus dem Befike des Herrn Mendelsjohn- Berlin)
hat er fein kräftiges Selbftbewußtfein, die innere Meberzeugung von feinem
Genie wiedergewonnen, um fie nie wieder zu verlieren. Majeftätifc blitt er auf
den Befchauer; ein goldenes Rollier [hmüdt fein rothes Gewand, und würdevoll
und vornehm hebt fih fein fhmwarzes Barett vom dunkelgrünen Hintergrunde
ab. Aebnlid wie in feinem Selbftporträt fpielt fid Rembrandt's Leben
ab in feiner Chriftus-Darftellung. Wie er mit Dürer den harafteriftifhen Zug
der Huldigurig der eigenen Perfonlidfeit in der Häufigkeit von Selbftbildniffen
gemein bat, fo ähnelt er dem deutjchen Meifter aud darin, daß er in der
Geftalt des Heilandes die Paffion des eigenen Lebens zum Ausdrude bringt,
wenn er and nicht fo weit geht, daß er wie Dürer fih feinen befonderen
Chriftustypus mit Benukung eigener Befihtszüge fhaflt.: Von den feds
Chriftusbildern, unter denen „Chriftus in Emmaus (Mme. Jacquemart»
Paris) und „Chriftus und die Ebebrederin (MM. Weber- Hamburg) die mert-
wiirdigiten find, ift die Darftellung eines Begeißelten das legte, 1668S gemalte
Chriftusbild Rembrandt's (Mufeum in Darmftadt). Rembrandt's Jugend
Deutſche Runf.
erträumt fih, wie ein Dergleih der Bilder ergiebt, einen ftreitenden Heiland
als entjprehendes Abbild eigenen Denkens und fiblens. Das Ungeftiim feiner
mittleren Lebensperiode fommt zum Ausdrud in einem Chriftus aus dem
Jahre 1661 von weibifh leichtfertiger, äußerliber Auffaffung und im Alter
endlid) bat er den Dulder in Chriftus entdedt. Get giebt er in ibm nicht
Gott, nit einen Menfhen, fondern den Menfchen, der ða it wie jeder
Menfch, wie Turgenjeff ihn in einem fohönen Bediht in Proja fih vor-
ftellt, das heißt den Inbegriff aller Menfchenliebe und allen Menfhenleides,
den, in dem alle Menfchen fid wiederfinden und fid verehrten. Einen inter-
effanten Beitrag zu der Ausftellung hat Herr Georg Rath in Budapeft
geftiftet, zwei der wenigen Bilder todter Natur, die der niederländifhe Rünftler
hinterlaffen bat. Ste find, da Rembrandt's Jndividualität nicht febr zu
Bemälden diefer Art neigte, wie feine einzelnen Landfhaften als Brotarbeiten
anzufehen, beweifen aber, daß der große Maler aud auf diefem Gebiete
Meifterwerfe gefhaffen bat, aud dann nod feinem Genius treu als ganzer
Rünftler, wenn er ihm wenig zufagende Arbeiten auf Beftellung ausführte.
Zu der Denfmal-Konkurrenz in Nürnberg.
A
eber die Preisverthellung beim Wettbewerb um das Nürnberger
Raifer Wilbelm-Denfmal gehen uns feltfame Mittheilungen zu, denen
OOo wit im Jnter-
effe der betheiligten
noh Schwabe den erften Preis zuerfannt hat. Er ift, obwohl ihn mander
der abgelehnten Entwürfe vollauf verdient hatte, überhaupt nit zur Per-
theilung gefommen, fon-
dern geftrihen worden,
Riinftler gern Raum ge
ben. Die dabel vorge-
Fommenen Unregelmapig=
teiten müffen im Gntereffe f
des gefammten Ronfur- y S
tenzwefens gerügt wer- p 8
den. Ueber die kritiſch Run *
wichtigſten Punkte iſt das
Preisgericht eine Auf lä-
rung ſchuldig. Wenn es
zunaͤchſt auffällig erſcheint,
daß die mit den lau—
fenden Yummern 14 und
15 verſehenen beiden
preisgekroͤnten Entwürfe
in der Längsachſe des
Ausſtellungsſaales an
bevorzugten Plätzen auf⸗
geſtellt worden ſind, ſo
bleibt der dadurch ge—
zelligte Derdacht, das Ur-
theil fei bereits vor der
Aufftellung gefällt ge-
wefen, dod nureine Dermuthung und bedarf weniger einer Rlarftellung als eine
nachträgliche, unftatthafte Abweihung von den Bedingungen des Ronkurrenz-
programms. Mit ihr Scheint man wirklich nur einen Modus gefudt 3u haben, um
die beiden preisgekrönten Arbeiten für die ihnen zugewiefene Auszeihnung zu
qualifiziren; denn beide meihen darin von den Forderungen des Programms
ab, daß fie der Perfon des Raifers Friedrich nicht nur teine hervorragende
Stellung im Dentmal, die doh ausdrüdlih vorgefchrieben war, einräumen,
fondern die Bedingung überhaupt ganz unbeadtet laffen. Sowohl Eberle's
Entwurf, der zur Ausführung vorgefhlagen ift, als aud Profeffor Shwabe's
Modell find Einzelftatuen Raifer Wilhelm’s zu Pferde, wie fie vielleicht in
gewijjen KRreifen für opportun gehalten werden, und fteben auh im arhi-
teftonifhen Aufbau und an monumentaler Wirtung weit hinter anderen
Arbeiten zurüd, deren Derfafier für die programmmäßige, zum Theil geradezu
geniale Löfung der fhwierigen Aufgabe fih eine offizielle Zurechtweifung 3u-
gezogen baben. Don der Schule des Meifters moderner Monumental-
arditeftur, Bruno Shmit, findet ih an den beiden ausgezeichneten Reiter-
dentmälern, von denen das von Eberle wenigftens no eine plaftifch
tüchtige Arbeit nah berühmten Muftern fein foll, feine Spur; das ift um fo mehr
zu bedauern, als der für das Denkmal beftimmte Platz geradezu laut nad
einem der Umgebung angepaften arhiteftonifhen Ausdrud einer großen na-
tionalen dee verlangt. Man fcheint einmal wieder als entfcheidende Eigen-
[haft weniger den fünftlerifhen Werth der Arbeiten haben gelten laffen als
die Billigfeit. Soweit war man wenigftens gerecht, daß man weder Eberle
Fr. ph
Buonaventura Genelli, Hephacftos RiikFehr zum Olymp.
Bleiftiftzeihnung. A. flinfh, Berlin,
— und damit hat ſich das
Preisrihter-Rollegium
ein weiteres Vergehen zu
Schulden fommen Iaffen,
das Enttäufhung und
Erbitterung unter den
Ausftellern bervorrufen
mußte. Es hat zwar den
zweiten Preis (Entwurf
Eberle) um 1000 und
den dritten (Profeflor
Schwabe) um 500 M.
erhöht, weilibm ſchließ⸗
lid der ausgefihriebene
Lobn felbft 3u farg er-
fhien, aber dafür andere,
die mehr Redt batten,
| prämiitt 3u werden, cin-
fadh leer ausgehen laffen,
È obne nadftebende, noch
vor der endgiltigen Be-
ftätigung des Preisrichter-
fprudes an den Dor-
fienden gelangte ernftlihe Verwarnung eines Mitbewerbers zu berüdfichtigen:
„Bei derartigen Ronfurrenzen pflegt man, fobald die Dorenthaltung des
erften Preijes geboten erjcheint, den zugeftandenen Werth deffelben auf weitere,
in diefem Falle etwa auf die drei bis fünf nädftbeften Entwürfe durch Zuweifung
fleiner fogenannter Antaufspreife zu vertheilen, darum médte id im Namen
mitbetheiligter Rollegen gebeten haben, unbefiimmert, ob diefe geringe Ent-
fhadigung fiir eine gewaltige Arbeitsfumme auf meine Leiftung trifft oder
nidt. Jedenfalls trifft diefe Vergütung Sole, die ihre Hilfetrafte aus
eigener Tafche zu bezahlen pflegen, die mit großen Fdeen an ibre Aufgabe
berangetreten find und diefe In großen Zügen zu löfen wußten.‘
Wenn das Preisridter-Rollegium alfo niht gewußt haben follte, wie es
ih zu verhalten babe, ift von berufener Seite dod) der Derfuch gemacht
worden, ibm aus feiner Verlegenheit zu verhelfen. €s hat aber die warnende
Stimme nit gehört und nad eigenem Ermeffen eine ungebräuhlihe Ent-
3iehung des Betrages von 3500 Mark, den es unter Streihung des erften
Preifes nod zurüdbehalten hat, in Anwendung gebracht. Hoffentlich findet
das Dorgeben der Nürnberger nicht noh Nachahmung. Sie miiffen fi
den Dorwurf gefallen laffen, durch eine nachträgliche, unftatthafte Ab-
änderung ihres Ronfurrenzprogramms eine Summe von Arbeit, welhe nicht
mit dem zehnfahen Betrage der ausgejerten Preife aufzuwiegen wäre, um-
jonft hervorgerufen und für einen Derluft an Kraft und Zeit die be-
theiligten Rünftler nicht fo entjhädigt zu haben, wie es recht und billig ge-
wefen ware.
Deutfhe Rung.
469
Neue Glasmalereien im Berliner Kunftgewerbe: Me —
Muſeum.
m Runftgewerbe-Mufeum find über hundert Arbeiten des Malers
Hans Chriftianfen ansgeftellt, fämmtlih Entwürfe, theils Skizzen,
theils ausgeführte Kartons, für farbige Fenfter in Runftverglafung.
Chriftianfen, aus Flensburg gebiirtig, ift in Hamburg «ausgebildet und
lebt feit mehreren Jahren in Paris, wo feine Arbeiten, wie fhon früher in
Deutfchland, lebhaften Anklang finden. Jn feinen Fenftern ift febr wenig
gemalt, die Wirfung beruht auf der Yebeneinanderftellung farbiger Blasftüde
von zumeift amerifanifhem fabrifat. Die fdhimmernde Farbengluth diefer
Glafer beftimmt ibn 3u Rompofitionen in Beer, durchaus moderner Richtung.
Während früher Fenfter mit Glasmalereien faft ausfdlieflid fiir öffent-
lihe Räume, wie Rirhen, Rathhäufer und zuweilen aud Reftaurationen be-
ftimmt waren, follen fie jekt die Privatwohnung mit ihrer Farbenpracht
fhmüden und den Befhmad an den gefhmadlofen Diaphanien mit ihrer
Trompetenlprif verderben.
Die alten Meifter wählten, um eine disfrete Wirkung zu erzielen, für
ihre Blasmalereien einfarbige Bläjer und bei großem Mafftabe matte Farben,
die amerifanifhen Fabrifate aber, aus denen Chriftianfen feine Bilder zu-
fammenfegt, hangiren in der Färbung, es find Blasflüfle von fehr mannig=
faher Farbenfhattirung ; die gebrodenen, fhillernden Töne opalifirender, ge-
wellter und gerippter Platten von wechfelnder Stärke find mit Routine und
großem Erfolg verwendet. Meifter ift der Künftler in der Rompofitionsweife,
durd die die Schwarzen Bleiftege genau mit den Ronturen der Zeichnung zu—
fammenfallen. Gm Allgemeinen bringt Chriftianfen bödftens vier farben
zur Anwendung, erzielt aber trokdem die ftärffte Wirfung. Eigentlih malen
thut er nur bei Darftellungen mit Figuren, unter denen man dem Mädcen-
fopfe in Blüthenhainen häufig begegnet, die Befihter. Die ganze figur giebt
er nur auenahmsmeife, fehredt aber font vor feiner Darftellung zurüd und
behandelt Stimmungslandfhaften, Blumen= und Fruchtftüde, Ornamente und
Allegorien mit gleicher Melfterfhaft, wenn er auh manchmal über die Brenzen
feiner Runftart hinausgeht. Ganz ansgeseidnet find die maturaliftifch be-
handelten Landfhaften. Das rothe Felfengeftade von Helgoland tauht aus
dem Meere auf, durch dejlen fhäumende Fluth majeftätifhe Widingerfchiffe,
von ſchlanken Waflertöchtern begrüßt, herangleiten. Don hoher Schönbeit ift
ein ftiller Waldfee im Abendfhein, aus dem zwei mädtige Brabanter Bäule
trinfen. Das Motiv auf blauer Fluth unter Raftanienzweigen feierlich heran-
raufhende Schwäne, hat Chrijtianfen zu einem Teppichentwurf benußt, der
duch weiche farben der Qualität des Materials wirfungsvoll entfpriht. Schön
ausgeführte Scheiben entftammen den Anftalten von Liebert in Dresden
und Schell in Offenburg; eine große Fahl Ser Rartons ift für die
firma Engelbreht- Hamburg beftimmt. Gn den drei Fabrifen bat
Chriftianfen willige Helfer zu immer nenen DVerjuchen gefunden. Die
transparenten Gemälde bedeuten eine Meubelebung des Blasfenfterfhmudes,
teht danadı angethan, durch das farbig und gedämpft einbrehende Tageslicht
A. flinfh, Berlin.
Frph
Buonaventura Genelli, Gewandftudic, aus dem Leben eines Wüjtlings.
Buonaventura Genelli, Gewandftudic zum Theatervorhang.
A. flinfh, Berlin.
bunte Märhenftimmung in einem Wobnraume þervorzuzaubern, von deffen
Heimlifeit fie zugleih den neugierigen Blid der friedlofen Außenwelt fern-
balten.
` Ausftellung bei Eduard Schulte in Berlin.
u der Rolleltiv-UAusftellung rufüfher Werte find nod eine Reihe von
Oelgemälden, Aquarellen und Studien gefommen, unter denen das
@F große, figurenreihe Bild „Der Stern von Bethlehem‘ von franz
Hmurko, Warfchau, den Anfprüchen folder geredht wird, die fih mit modernen
fünftlerifhen Beftrebungen nicht recht befreunden können. Zmurko findet
fider ein größeres Publifum als etwa Conftantin Rorovine Sein füß-
lihes Rolorit, feine forrefte Zeichnung, feine gefhloffene Rompofltion bewegen
ih in den Grenzen des Herfömmlihen und Gefalligen, Wem daher eine
glatte Technik Lieber ift als ein eigenartiger, fraftiger Dortrag, eine fhöne
Pofe lieber als eine Bewegung, die ein wahrer, im Leben beobadteter indi-
vidueller Ausdrud des Empfindens ift, wem eine gefällige, aber leere Made
mehr anfpriht als inneres Wefen in fremdartiger Erfhelnung, der wird an
Zmurko's „Stern von Bethlehem fein Gefallen haben. Frauen auf dem
‚Felde In traditioneller Monsfeheinftimmung haben den Stern erblidt, der die
Geburt des Mefjias verfündet und find fheinbar ergriffen von der frohen
Derheifung in ftillem Gebete und im Gefühle der Erlöfung nieder-
gefunfen. Das große Gemälde umgeben nod verfhiedene Oelbilder
und Paftelle von franz Zmurko als eine Sonderausftellung, frei
von jedem modernen Zuge. Die ©elbilder, Aquarelle und Studien aus
Kairo und Oberegypten von Mar Rabes- Berlin find tehnifh maf-
voll gehalten und bieten einen erfreulihen Anblid. Das orientalifde
Milieu ift überzeugend wiedergegeben. Der Vortrag ift elegant
und gefhmadvoll. Die Dolkstypen, die Rabes mit Dorliebe behandelt,
find wahr und et. Jn romantifher Stimmung gehalten ift das Ge-
mälde „Die Sphinz bei den Pyramiden von Gizeh". Durd die weiche,
granblane Morgendämmerung breden die erten Strahlen der Sonne,
die mit rofigem Scheine die ftarren Züge des riefigen Steingebildes
warm beleben. Weitausfhauend beherrfht die ungeheure Rätbfelgeftalt
die Wiifte, in wirkfames Verhaltnif gefeRt zu den zwerghaften Figuren
einer Karawane, die um ein feuer lagert. „ISI5" Scene aus der
SHhlaht von Belle-Alliance von R. Taton=Woodville ift ein
Shlachtenbild, das niht gerade befonders erregt und fejjelt. Die
wirflih padenden Vorgänge der Schlaht find fhon fo oft behandelt
worden, daß der Künftler, um dem Vorwurf eine neue Seite abzu-
gewinnen, Napoleon vor der Entjheidung darftellt, wie er der Garde
den Befehl ertheilt, in die Schlacht einzugreifen. Die Landfdaft vertritt
Albert Hertel, Berlin, mit 12 Agquarellen. Es find Deduten, UAn-
fidten aus der alten Raiferftadt Boslar, ohne befondere Eigenart.
470
Deutſche Runf.
Die große Berliner Kunftausftellung.
Die Berliner.
e as im Teide ein Sturm ift, bewirtt im weiteren Beden ein leichtes
Wellengefraufel. Münhen hatte feine Sezeffion, Berlin bat es
> bödftens zu einer Bruppenbildung gebradt. Gn der Reihs-
hauptftadt war man von jeher zu Rompromifjen geneigt. Der größere Markt,
der Maffengefhmad, die Stantsaufträge, die Medaillen, die Profefluren, dies
Alles bildet ein Begengewiht gegen leiht emporjchnellende Beftrebungen.
Man fann die ganze Runftausftellung durhwandern, ohne der gefürchteten
„Moderne zu begegnen. Nur an den äußerften Flügeln der Alten und
dex Jungen ift jo etwas wie ein unausgeglihener Begenfat erkennbar. Der
durh Ausmerzung dea ,,Gefabrliden Frieden ftiftende Einfluß der Jury hat
gewirkt: Es ift Alles ruhig. Wenn die Ausftellung in Moabit gejchloffen
ift, fann die in der Bellevueftraße eröffnet werden.
Es ift bezeihnend für die Entftehung
und Entwidlung effen, was man in Berlin
allenfalls „neue Runft nennen fönnte, daß
fle mit der Menfchendarftellung begann.
Man bat den Einfluß Carl Guffow's
beinahe vergeffen, weil man fih der Jugend-
fhwarmerei fiir Guftav Rihter niht mehr
erinnert. Guffow hatte entdedt, daß aud AG
die Haut ein lebendiger Organismus, feine £
todte Porzellanflähe ift; das überrafchte
zunädft, und als man dann no gar fand,
daB die Romplerion, wie fie der Eng-
länder nennt, aus einer Sfala von Lofal- j
tönen üh zufammenfegt, die durd Reflexe int
Wandlungen erfahren, Sa hätte die neue Aers |
der Bildnifmalerei ruhig beginnen können. |
Steilih durfte man fih jagen, daß alle |
diefe Entdedungen eigentlih jhon vor etwa
zwei und einem bulben Säkulum von den "f
großen Niederländern gemadt worden, aber
im Grunde genommen ift es gleidgiltig, ob i yi
man etwas findel oder wiederfindet, wenn
es nur da ift und Minderwerthiges vers
drängt. Es ift eine gewiffe erfrifchende ~
UAufrihtigteit über die Bildnifmalerei ge-
fommen, foweit fie als Runftübung und
nicht als bloßes Geſchäft zu betrachten
ift. Die frende an dem eigenen, ziel-
bewußten Rönnen bat wohl ein wenig
nadgelaffen, man ift aud bier zahmer geworden, aber die abfidtlicde
Schönmalerei in Kopf, Figur und Gewand ift verfhwunden, man giebt
wieder was man fieht und womöglih noch ein wenig mehr, ein Gnnerlides,
Charaftervolles. Mar Roner's jugendliher Frauenfopf will uns beffer ge-
fallen als fein lebensgroßer Herbert Bismard, der nur um der Aehnlid-
feit willen mit dem Dater abfonterfeit 3u fein fdeint, aber fhon in feinem
Berliner Millionär ftedt ein Stüd fozialer Charakterfhilderung. Ghm_ ftebt
in der fräftig zufaffenden Tehnif G. Ludwig Meyn nahe mit feiner duntfel-
haarigen jungen Dame in pelzbefertem weißen Atlas. Ludwig fahren-
frog bat mit dem Portrait feiner Batlin cin Genrebild von eigenartigem,
fenell voriiberbujhendem Reiz gefhaffen. Zn tiefblauem Kleide lehnt fie am
offenen Klavier und läßt, rüdwärts greifend, die Hand leicht über die Taften
gleiten. Wunderbar entwidelt hat h Reinhold Lepfius. Seine drei
Damen in Weiß, Grau und Roth muthen an wie Darftellungen dreier mo-
derner frauentemperamente. Das junge Wadden in Roth ift ganz träu-
merifches, pafjives Empfinden, die Blondine in Weiß boffinungsfrohes Wollen,
die Dame in Grau feftes, frafıbewußtes Rönnen. Reinhold Lepfius malt nicht
gelegentlid auf Beftellung Frauen, fondern die Frau jeiner Feit, er fiebt
im Einzelwefen den Typus und mifcht ihn mit foviel Flug erfpäbter Eigenart,
daß man es immer nod mit einem Gndividuum zu thun bat, deffen Aebn-
lichFeit nicht anzuzweifeln ift.
Was die Berliner moderne Landfbaft Meifter Eugen Bradt zu danten
bat, bedarf einmal einer befonderen Beleudtung. Aus feiner Schule ijt cine
Reihe junger Rünftler hervorgegangen, die mut bet ihm gelernt haben, wie
ftimmungsvoll die einfadjte FKlahlandfhaft fein fann. Ghm ift die Poefie
Buonaventura Genelli, Aftjtudie zu Apo unter den Hirten.,
A. flinfh, Berlin.
der Heide aufgegangen mit ihren Erifabüfheln, den welligen Hügeln und dem
weiten Horizont. Er malt fie, wo er fie findet, in den Ardennen, in den
Marfchen, in den feegrasbeftandenen Dünen der Nord- und Oftfee, bisweilen
treu, wie er fie gefeben, dann wieder fie überhöhend zur fagenbaften, zur
biftorifhen Landfhaft. Abfihtavoller in den Mitteln giebt ih Müller- Rurz-
welly mit feinem aufziehenden Gewitter, während 5. Hendrid mit feiner
„Nordifhen Sommernadt" eine Fdeallandfhaft bietet, redenhaft wie die Edda
in der Zeihnung und märdenhaft blau wie die Blume der Romantif in der
farbe. Diefe geträumten Landfhaften wollen empfunden und dann geglaubt
fein, man darf ihnen nicht geograpbifh zu nabe treten.
Start geworden tft die empfindfam angeregte moderne Berliner Candfdaft
duch die ftete Berührung mit dem beimathlihen Boden. Noh Hans Herr-
mann mußte an die weftliden Rüften der
Niederlande ziehen, um zu lernen, daß die
Luftftimmung die fimpelften Umtiffe ver-
edelt und den gebrodhenen ‚Farben zu
überaus feinen Abtönungen verbilft. Er
findet in A. Norman feinen geograpbifdb-
fünftlerifhen Begenfat, der uns gelebrt bat,
da auh Sec Norden feine fräftig anein-
andeiftofenden Lefalténe bat, die der Per-
mittelung nicht bedürfen, um zu einem leud-
tenden Gefammtfolorit zufammen zu [hießen
in einer Sonnenglutb, die man als das
Dorredt des Südens zu betradten gewohnt
war. Seither ift eine Rünftlergeneration
erwadfen, die fid bejcpeiden innerhalb der
märfifhen Heimath hielt und ihr Reize ab-
laufchen lernte, von denen man bisber nod
wenig geabnt. Der Maler dea wendifden
Spreewaldes, Hagemeifter, ift verfchollen,
af ik aber ibm ift eine Befolgfhaft erftanden.
y Die frand, freudemann, feldmann
7 tennen die märkifhe Lansfhaft und lehren
fe uns lieben in all’ ihrer Schlichtbeit.
Daf wir ingwifhen aud ein feefahrend Volt
geworden, zeigen Salgmann und W. Ha-
mader, der erftere als offiziöfer Bericht-
erftatter, der lettere als freier Poet. Treu
und ehrlihd wie Immer, erfheint Rihard
Frieſe mit feiner „Rominter Heide‘.
©. Frenzel bietet mit feiner „Ocdhfenwäfche‘ ein landlides Fdyll voll Rube
und Sonnenfdhein. Was Walter Leiftifow fiir die Stilifirung der macfifden
Landfhaft getban, ift in einer befonderen Yummer der „Deutjhen Runfi*
gewürdigt worden. Seine Candfhaften „Abend“ und „Sommer“ auf der
diesjährigen Ausftellung haben felbft feine wenig verftändnißvollen Gegner
einwandsfrei gefunden.
Wenn man von dem modernen Berliner Sittenbild fpridt, fteben natur=
gemäß Liebermann, Sfarbina und Dettmann in erfter Reibe. Lieber-
mann ift, nahdem ec im vergangenen Jahre mit einer Separatausftellung
erjchienen war, duch eine ffizzenhafte Wiederholung eines größeren Bildes „Sonn-
tagnadmittag in Laren vertreten. Das formen und farben umfcließende
Spiel Ses Sonnenlidtes ift mit befannter Dirtuofität wiedergegeben. Auch
Dettmann fcildert einen dörflihen Feierabend, robufter in Rolorit und
Zeihnung, größeres Gewicht auf die Durhbildung im Einzelnen legend. Jn
feiner Einfachheit an Millet erinnernd, läßt Sfarbina einen „Schnitter“ nad
gethaner Arbeit über den Feldweg nad) feinem Gehöft zurüdfehren. H. Loofden
bringt nah dänish-fhwedifhen Muftern den Kopf eines Fifcherfindes vom Sund.
gn die Mittelftände führt uns ©. Engel mit feiner „Nenen freundin",
die wir in der der Vereinigung „freie Runt" gewidmeten Nummer unferes
Blattes abgebildet und gewürdigt haben. Gofef Blod’s Genrebild aus
dem Dorzimmer „Nach Mitternacht" wirkt in Auffaffung und Rolorit ungemein
fife. Die an den Wänden gäbnend ihrer Herrfhaft barrenden Diener
find fein beobadtet und obne farrifirende Zutbaten treu nad dem Leben
abfonterfeit.
Georg Malfowsfy.
Deutſche Runf.
471
SS. Kunftliteratur. —
Nachdem in den legten zwanzig Jahren die Runftwiffenfhaft mit
Ameifenfleiß funftgefhichtlihes Material ziemlih wabllos zufammengetragen
bat, beginnt jetzt eine Periode ftrenger Sichtung. Größere Befihtspunfte als
die tabellarifhen und fhematifhen werden aufgeftellt und kennzeichnen eine
nene Spftemathif, die feine Rubrif mehr fennt für das im Werthe Ver-
gänglide. Der forfcher fudt wieder nah Gründen für die verjhiedenen Er-
fheinungen der Fünftlerifhen Thätigteit, ftellt fie unter den Bann mächtiger
Rulturfattoren und bildet aus ihnen die Phyfiognomie der Zeit. Die Runft-
wiffenfhaft fängt wieder an philofophifh zu werden. Diefer rein wiffen-
fchaftliden Erfenntnif wollen fördernd dienen:
Beiträge zur Aefthetif der bildenden Riinfte. Don Auguft
Schmarfow. II. Barod und Rokoko. Leipzig. S. Hirzel.
Der Derfaffer felbft giebt fein Programm in den Worten: „Das Hanpt-
anliegen des Runftbiftorifers, der
bier redet, ift die Derbindung
äfthetifher und biftorifher Er-
fenntniß der Aunft.* Im erſten
Theile hat er es durchgeführt in
einer Unterfuhung des Malerifhen
in der Malerei jelbjt und im vor-
liegenden zweiten in einer folden
des Derhältniffes der Malerei und
der Skulptur zur Architektur.
Schmarjow's Sprade hat didte-
rifhen Schwuna und ift reid an
poetifhen Wendungen.
Neue Malereien. Erjte
folge. Sammlung — praltifder
Dorbilder fiir die Werkftatt und
Schule, ausgeführt
von hervorragenden
Meiftern unferer
Tage. Herausge-
geben von Ernft
Wasmuth. Ber-
lin 1898. Ernſt
Wasmuth. Preis
der Lieferung 10 M.
(Befammtpreis 100
Mart).
Dies in zehn
Lieferungen von je S Tafeln erfcheinende Gammelwerf fegt die in den
Jahren 1890 bis 1894 bei Ernft Wasmuth erfhienenen „Neue Male-
teten" in Meinerem Maßftabe, nämlih in Folioformat, fort. Sie follen
fowohl Arbeiten in überlieferten Stilformen bieten, als aud folde in neu-
gefhaffenen, in denen unfere Runft nad einem zeitgemäßen eigenartigen Aus»
drude ringt. Das erfte Heft enthält in guten Farbendruden Arbeiten der
Deforationsmaler Senft (M. JF. Bodenftein), Sobotta, Neubaus,
f. W. Mayer und Roberftein, zumeift aus Berliner Bauten. Hervor-
gehoben feien eine dreitheilige Rappendede von Sobotta aus der Pommer-
fhen Bant in Berlin, bei der die Eifenträger, und eine von Neuhaus ent-
worfene Dielendede des Herrenhaufes Neuhagen bei Berlin, bei der die
Balken gefhidt zum Ausgangspunfte der Bemalung gemadt find; ferner
eine fein gegliederte felderdede von Senft aus dem Erfrifhungsraume des
Ranfhaufes Leipzigerftraße 132/153 fowie das in fhwarzer Umrißmalerei
gehaltene GOberliht im Situngsfaale des neuen Landtagsgebäudes von
Mayer.
Der Urfprung der Gothif und der altgermanifdhe Runftharalter.
Don Rarl Limpredt. Elberfeld, Hoffamp 16. Selbftverlag des
Derfafjers
befaßt fidh zunähft damit, den Funftphilofopbifhen Beweis zu führen,
daß die Bothif, obwohl fie fih zunähft auf franzöfifhem Boden entwidelt
hat, doch ihrem Wefen und ihrem eigentlihen Urjprung nah germanijher
Natur fei. Damit bat ih der Derfaffer nur überflüffige Arbeit gemacht, da
dle Anfiht bereits ganz allgemein berrfht und faum mehr beftritten wird.
Wenn er fic) alfo gegen ,,gelabrte deutfche Profefforen, die dem deutjchen Dolfe
Buonaventura Genelli, Aktjiudie.
A. Slinib, Berlin,
die Befhämung nidt erfparen wollen, die Bothit als franzöfifhes Runft-
eigenthbum zu ftempeln“, wendet, fo fampft er nur mit Windmiiblen. Mande
in dem Sdrifthen, das von einer tiidtigen nationalen Gefinnung 3eugt, ause
gefprodhene Gedanfen können zur Beherzigung empfohlen werden. Jn der
Tendenz erinnert Lim predht's Arbeit an das Bud ,, Rembrandt als Er-
3ieber“. Der Autor it ein fanatifcer Gothifer und behauptet als folder
wohl etwas zu entfhieden: „Wo in der deutfhen Runft ein Auffhwung zum
Nationalen bin ftattgefunden bat, ift dies ftets mit einem Zurüdfchlagen auf
Geift, Wefen, Charakter und Formgebung der Bothit verbunden gewefen“.
Wenigftens diirfte aud fo Mander von echt nationaler Befinnung fih niht
von der abfoluten Wahrheit diefes Sates überzeugen laffen.
Runftgewerblide Stilproben, ein Leitfaden zur Unterfheidung der
Runftftile
mit Erläuterungen von Prof. Dr. A. Berling. für
Runftgewerbefchulen, gewerbliche
Fortbildungs- und Fahfhulen
fowie zum Selbftunterriht für
Laien, Kunftfreunde und Ge-
werbetreibende. Mit 240 Ab-
bildungen auf 50 Tafeln. Auf
Deranlafjung des Rönigl. Sädjf.
Minifteriums des nnern heraus»
gegeben von der Direktion der
Rönigl. Bewerbejdule zu Dres-
den. Verlag von Rarl W.
Hierfemann, Leipzig. 1898.
Preis 2 Matt.
Ein Hilfsmittel zur Unter=
(heidung der Runftftile zu beftimm-
ten Selten und bei beftimmten
Dölfern, wie es Prof. Berling's
Bud bietet, if ein überall gefühl-
tes Bedürfniß. Denn diefe Rennt-
niĝ wird beute nidt nur von
Jedem, der im Runfthandwerf oder
in der Runftinduftrie thatig ift,
verlangt, fondern auh vom Ge-
fdhaftemanne auf diefem Gebiete,
ja von jedem Bebildeten, der Gn-
tereffe für die ibn taglid um-
gebenden Gerathe befigen mug.
Mehr und mehr madt fih
die Forderung geltend, daß jeder funjtgewerblidhe Gegenftand in erfter Linie
dem Zwed, dem er zu dienen bat, dann aber aud) dem Stoffe und der
Tedhnif, die man bei ihm verwenden will, entjprehend gebildet fein foll.
Die Zeit der unfelbftftändigen Nachbildung früherer Stilepohen, die wabllofe
Nadhahmung aus ganz anderen Anfprüdhen entftandener Beräthe ift vorüber.
Selbftfhaffen verlangen wir von der heutigen Beneration. Nicht nahgeahmt
alfo, aber ernft ftudirt follen die trefflihen Arbeiten unferer Vorfahren
werden, es läßt fi jehr viel aus ihnen lernen.
Der vorliegende Leitfaden aus berufenfter Quelle will das Derftändniß
für die Eigenart der einzelnen Stile weden, er giebt Mittel an die Hand, die
Unterfheidungen in den verfchiedenen Stil - Wandlungen Pennen zu lernen.
Der Tert ift einfah und fnapp gehalten, die Eintheilung kurz und über-
fidtlid. Gegen 40 eigens für den Zwed ausgewählte und gezeichnete Ab-
bildungen auf 50 Tafeln geben typifche Beifpiele für jede Periode der Runft
im Abend- und Morgenlande an den Erzeugniffen der verfchledenften Bewerbe.
Die Bebandlung des Stoffes nimmt Rüdfiht aud auf ein weniger ent-
wideltes faflungsvermögen, indem fie rein wiflenfhaftlihe und tedhnifhe Be-
zeihnungen thunlidft vermeidet; die Anordnung des Ganzen weiht auh, obne
daß der Derfafler fih auf zeitlihe und nationale Bedingungen einläßt, in
die Entwidelung der einzelnen Stilarten ein, die ein überfihtlih zufammen-
geftelltes Zlluftrationsmaterial veranfhauliht. So tann das Buh niht nur
Runftgewerbefchulen, gewerblihen Fortbildungs- und Fahfhulen, für die es
beftimmt ift, als Leitfaden empfohlen werden, fondern ift and trefflid dazu
geeignet, dem Laien, der fid) felbft unterrichten will, die Stile unterfdeiden
zu lehren.
472
Vermifchkes.
Kuriofa ans Alfelien und Cerkflaft.
Gedanken iiher bildende Kun.
— Ein Jahrhundert Parifer Ausftellungen. Es ift von Gntereffe,
jegt einen Rüdblid auf die Entwidelung der Ausftellungen zu werfen, die
die franzöfifhe Hauptftadt feit einem Gabrhundert gefeben bat. Die erfte
Ausftellung fand in Paris im Jahre 1798 ftatt mit der befheidenen Zahl
von lO Ausftelleen und einem Aufwande von nur 60000 francs. Ste
ftand auf dem Marsfelde, ihre Gebäude waren aus Holz mit Malereien und
Drapirungen; die Zahl der vertheilten Medaillen belief fih auf 25. Die
zweite Ansftellung fand fhon drei Jahre darauf ftatt, und zwar innerhalb
des Louvre; fie hatte fhon 220 Ausfteller aufzuweifen und war ihrer Vor-
gängerin an Pradht weit überlegen. Fhe Erfolg war fo groß, daß im
nädften Fahre 1802 auf demfelben Plage wiederum eine Ausftellung von
540 Theilnehmern abgehalten wurde. Der Raifer Napoleon veranlaßte dann
eine vierte Ausftellung im Jahre 1806 auf der Gnvalidsenefplanade; der
Biang des Raiferreihes 309 eine große Zahl von Ausftellern herbei, von
denen’ J42] zufammenfamen. Yun fand bis zum Jahre 1819 feine Aus-
ftellung wieder ftatt; die in diefem Fahre abgebaltene wurde aud im Louvre
untergebracht und hatte wenigftens feinen Rüdgang gegen die lehte aufzu-
weifen; fie zählte 1622 Ausfteller. Von wenig Erfolg waren die Louvre-
Augftellungen von 1822 und die von 1827 unter Rarl X. Die adte Aus-
ftellung unter Louis Philippe auf dem Place de Carouffel bedentete wieder
einen erheblihen fortfdritt, denn fie zählte 2447 Wusfteller. Ebenfo hatten
die beiden folgenden Ausftellungen auf den Elyfäifhen Feldern 1859 und 1844
einen bedeutenden Erfolg. Die Ausftellung von 1849 (ebenfalls auf den
Deutfhe Runft.
= AN,
a
* az
— ,y
Buonaventura Genelli, Halbakt. ER
A. flinfb, Berlin. 8*
Champs Elyfées) erftredte fic) bereits
iiber eine Fladhe von 2200 qm und
foftete 600000 francs. 1855 fand dann
die erte Weltausftellung ftatt. Sie
nabm 168 000 qm ein, dle Ausgaben
beliefen fih auf I11/, Millionen. Die Zahl der Ausfteller be-
trug 23954 und die der Befucher über 5 Millionen. Dann
olgten die befannten Weltausftellungen von 1867 (687 000 qm, 52 000 Aus-
fteller), 1878 (62835 Ausfteller und 15 Millionen Befuder), ISS9 (55 486
Ansfteller und 32!/, Millionen Befuder).
— Eine gute Rapitalsanlage. Aus dem Nadlak des verftorbenen
Parifer Notars Segond wurden im Hotel Drouot vier Gemälde verfteigert,
die ganz anfehnlihe Preife erzielten: „Der Tümpel‘ von Roufjean 10! 100 Francs,
„Die Lefe'’ von Corot 53.000 Francs, „Denedig" von Ziem 20 000 Francs
und „Weide von Rofa Bonheur 15 900 Francs, 3ufammen alfo 190 000 francs.
Das Gntereffantefte an dem Verkauf ift aber die Dorgefthidte: Dor einigen
Jahren erzielte Segond bei einem Unternehmen einen Gewinn von 10 000 Francs,
die er auf irgend eine Weife fruchtbringend anlegen wollte. Ein Bilder-
händler, dem er feinen Wunfh mittheilte, empfahl ihm, einige Bilder zu
faufen, und Segond folgte feinem Rath. Er Paufte den Corot fiir 5000,
den Rouffeau für 2600 und den diem für 1800 francs.
Gedanken über bildende unfit.
Meifter, die ih an italienifhe Beftalt gewöhnt haben, fönnen niht be-
greifen, wie Rubens den tiefen Eindrud in aller Herzen zu feiner Zeit ge-
madt habe und nod bei Men-
[hen macht, denen fie warmes,
inniges Gefühl der Schönheit
nicht abfprehen fönnen, da er
nicht ein einziges Mädchen ge-
malt, a3 nur mit einer biib-
fen, rdmifdhen Dirne in einen
Wettftreit der Schönheit h
einzulaffen imStande fei. Lieben
Leute, Waffer thut's freilich
nit! Rubens hat zum Bei-
fpiel nur, in feine beften Stüde
meiftens, eine feiner Frauen zu
einer Ser weibliden Haupt-
figuren genommen, und an die-
fen fannte er jeden Ausdrud
der freude und des Schmerzes,
der Wehmuthb und des Ent-
| \ * zückens; eine Donna von
— Denedig war ihm nie fo zum
7 € : \ Gefühl geworden, noh weniger
M í \ Lais und Phryne, dte er
/ nie mit Augen geſehen. Und
/ * wer will außerdem verlangen,
dağ er an die Ge-
\ * neralſtaaten hol⸗
\ ländifh mit grie-
= ‘ \ chiſchen Lettern hätte
= [reiben follen?
Sa \ 3 LER Windelmann
N „a vielleiht in feiner
x Nee j Schwärmerei; aber
WI gewiß nicht, wenn
er fonft bei guter
Buonaventura Genelli, Aftjtudie,
Laune gewefen.
A, Flinfh, Berlin,
Jeder arbeite für das Volf, worunter thn fein Schidfal geworfen und er
die Jugend verlebt hat, fude defen Herz zu erfchüttern und mit Wol-
luft und mit Entzüden zu fdwellen, fude defen Luft und Wohl zu verftärfen
und zu veredeln und helfe ihm weinen, wenn es weinet! Jedes Volk, jedes
Rlima hat feine eigenthümlihe Schönheit, feine Koft und feine Getränke; und
wenn echter milder Rüdesheimer nidt fo reizend, fo öl-, mark- und feuerfü
ift wie der feltene Klazomener, fo ift er doh wahrlih auh niht zum Fenfter
hinauszuſchütten“.
Wilbelm Heinfe (Briefe über die Düffeldorfer Galerie. Mertur 1776).
Die Runft wird mir wie eine zweite Natur, die gleih der Minerva aus
dem Haupte Jupiters, fo aus dem Haupte der größten Menfchen geboren worden.
Goethe.
*
Die Kunſt gleicht einer empfindſamen Silberplatte in der DunfeleCamera
der Geſchichte, ohne Vorurtheil verzeichnet ſie das geiſtige und phyſiſche Leben
der Menſchheit, ſobald ein Strahl deſſelben auf ſie fäͤllt.
*
Der Begriff des Schönen in der Natur fällt mit dem des Zwedmäßigen
zuſammen oder leitet ſich unmittelbar aus dieſem ab, und ſo iſt auch in der
Lebenskunſt nur das wirklich ſchön, was dem hdberen fittliden Swed des
Lebens entſpricht. Ja ſelbſt in der bildenden Kunſt läßt ſich dieſelbe Grund—
bezlehung nachweiſen, nur daß hier als „Zweckmäßigkeit“‘ diejenige Beſchaffen-
heit eines Aunftwerkes empfunden wird, vermöge deren es irgend eine Eigen-
art feines Urhebers, wenn aud vielleiht nur eine momentane Stimmung
deffelben, auszudrüden im Stande ift, vermdge deren es dem Befehauer
wirllid etwas fagt.
Walter Crane,
Benjamin Detter.
*
Ueber die unerläßliche Bedingung des Erfreuens kommt keine äſthetiſche
Definition hinweg. Die bildende Kunſt, welche man gleich der Liebe auf
den Luftreiz zurüdführen darf, hat ihren Schlüffel in der Benußfähigkeit und
ihr äußerer Beftand hängt von dem alten Worte ab: „Es gefällt mir, es
gefällt mir micht."* Otto Rnille.
£
Das Bild ift mir das liebfte, weldes id) mit den Augen, nit mit den
Obren verftehe, wo ich feben fann, obne wiffen zu müffen.
š Cornelius Gurlitt.
Deutfde Runft
Neuerwerbungen der Berliner Kunftfammlungen.
ie foeben erfcienenen amtliden Quartal-Beridte aus den Ronigliden
Runftfammlungen über das Dierteljaht vom I. April bis 50. Juni 1898
melden 3unddft die Ausgabe der neuen Auflage des Ratalogs der
Gemäldegalerie. Sie hat die lerte Auflage zur Grundlage, ift aber nah
allen Ridtungen durhgearbeitet und beridtigt. Die Madbildungen der
Rünftlerinfohriften find wieder in den Tert aufgenommen, ein kurzes Derzeihniß
der in den Magazinen befindlihen wie der an Provinzialfammlungen leih-
weije abgegebenen Gemälde ift hinzugefügt worden. Eigenthbum der Gemälde-
galerie it durch Zahlung der Auslagen an den Raifer Friedrich - Mufeums-
Verein Fouquet’s lebensgrofes Porträt des Etienne Chevalier mit
feinem Schußheiligen geworden. Einige wichtige Stüde find für die Sammlung
antifer Originalftulpturen im Runfthandel erworben worden. Ein unbärtiger
Ropf aus Ralltuff ift, obgleid) ftarf befhädigt, eine gute Probe der in den
Sammlungen außerhalb Griehenlands faum vertretenen alterthümlihen Plaftit
in weihem Stein, deren tehnifhe und ftiliftifce Cigenthiimlidfeiten fid an
ihm in lehrreicher Weife erfennen und aufzeigen laffen. Cin iiberlebensgrofer, nod
mit Shmuß überzogener, im übrigen vorzüglidh erhaltener weibliher Marmor-
fopf vertritt eine jüngere Stufe der arhaifchen Runft. Die Zahl der Grab-
reliefs wurde durd das nur unten unvollftandige Relief einer DıAnyvic Muloxov
Bowria bereidhert, das die Derftorbene von langem Sdleier umwmallt, und
ihre Meine Dienerin zeigt, die ihr ein Räfthen halt. Eo ift gute Arbeit des
beginnenden 4. Jahrhunderts. fiir die Sammlung der Bipsabgüffe wurde
ein Abguß eines der Löwen vom Ylereidenmonument von Xanthos erworben;
als Befhent erhielt die Sammlung vom Ralf. Ottomanifhen Mufeum in
Ronftantinopel den Abguß eines neuerdings in Pergamon gefundenen Reliefs,
das eine Tänzerin darftellt, offenbar zufammengehörig mit dem Berliner
Bruhftüd einer folhen Darftellung Ar. 954; vom Reihsmufeunm das Relief-
bild eines Mithrasdieners (Original im Landesmufeum zu Agram).
Einen befonders reihen Zuwachs erhielten die Bilbwerfe aus der drift-
liden Epode. Rauflidh erworben wurden:
Lünette aus Marmor, zwei Putten, die einen Aranz mit Wappen zwifchen
fih halten, von Benedetto ða Maiano. Das Wappen ift das der
Gherardi. An Marmorwerfen des Meifters befaß die Sammlung bisher nur
den Sodel zu einer Rirhenfahne und eine Pleinere Bafis mit Engelstdpfen.
Das Tympanon ift eine befonders feine Arbeit aus des Meifters fpäter Zeit.
Die Putten erinnern an die anf dem Marmoraltar der Rirche von Montoliveto
in Neapel vom Jahre 1489.
Rleines bemaltes Studrelief der Madonna mit dem Rinde, von guir-
landentragenden Engeln umgeben, von einem Nachfolger Donatello's, in der
Erfindung von befonderem Gnterefje.
Großes bemaltes Studrelief, darftellend die Anbetung des Rindes, von
einem florentiner Schüler des Donatello. Ein nah verwandtes Werf, an-
fcheinend von derfelben Hand, befand fi bereits in der Sammlung.
Denezianifches Bronzerelief um 1500, vermuthlid) die Begegnung des
Theodofins mit dem hl. Ambrofius am Portal der Rirde darftellend, von
vortrefflider Patina. Gntereffant die Mifdhung antifer und der Zeit entlehnter
Elemente in der Tradt.
Tabernafeltbür in vergoldeter Bronze, Chriftus als Schmerzensmann
zwifchen zwei Engeln mit den. Ceidenswerkzeugen, vermuthlid von der Hand
des Tullio Lombardo.
~ Gruppe von drei fämpfenden nadten Männern, in Bronze, angeblid von
Giovanni $a Bologna.
Thonmodell zu einem Tabernafel von Matteo Civitale, den Tod
Mari darftellend. Das nur fragmentifd erhaltene Werf des außerhalb feiner
Daterftadt Cucca felten vertretenen Meifters zeigt Chriftus, der mit der Seele
Mariä im Arme von Engeln emporgettagen wird.‘ Der untere Theil mit dem
Lager der Sterbenden und den Apofteln ift zerftört.
Als Gefdhente gingen Ser Abtheilung zu:
Don Herein Geheimen Guftizrath Leffing (aus der von Sallet'fdhen
Sammlung) fünf Elfenbeine und eine Evaftatuette in Bronze, deutjche Arbeit,
um 1520. Unter den Elfenbeinen befinden fih zwei aus Ser Sammlung
Poffente in Fabriano ftammende werthvolle byzantinifhe Tafeln des XI. Jahr-
bunderts, eine Areuzigung und die bereits im Madtragsband zu Boris The-
faurns abgebildete Tafel mit dem Bruftbilde der Mutter Gottes im sierlid
gefhnigtem, medaillonartigem Rahmen. Die übrigen Stiide find franzdfifden
Urfprungs.
Don einem ungenannten Bönner ein nod dem frühen Mittelalter an-
gehörender Schadhftein (Thurm), vermuthlih deutfche Arbeit des X. Jahr-
hunderte.
Ein Relief in Lederpreffung, die Madonna mit dem Rinde zwifchen zwei
Engeln nah Luca della Robbia, als Gabe eines ungenannten Freundes
der Sammlung. Ein übereinfiimmender Stucco mit der Jahreszahl 1428 be-
findet fih in Orford.
Niiederländifches Relief in Eihenholz, die Alage um den Leihnam Chrifti
darftellend, vom Ende des XV. Jahrhunderts; Fragment eines größeren
Ultarwerfes. Gefdenf des Heren Buftav Salomon
` Don Heren Hans Sdhwarz in Wien eine bemalte Thonftatuette Jo-
hannes des Evangeliften, aus einer Gruppe der Areuzigung ftammend; gute
füddeutfhe Arbeit des beginnenden XVIII. Jahrhunderts.
Endlih an Meineren Arbeiten in Bronze:
eine altdriftlide Lampe in Geftalt eines Pfaus, angeblidh im Tiberfande ge-
funden, gefhenft von Herrn A. frowein in Elberfeld,
ein Windhund, italtenifhe Arbeit des X VI. Jahrhunderts,
fünf Platetten, Sarunter das Stidblatt eines Schwertes mit David als
Sieger, bisher unbekanntes, befonders fhönes Wert des Andrea
Riccio, von ungenannten Bönnern; ferner als Gefdhent des Herrn
A. Zeiß fehs Bleiplafetten, unter diefen eine Arbeit des „Meifters
der Orpheusfage‘‘, eine runde, vergoldete Bronzeplafette, deutfche Arbeit
des XVI. Jahrhunderts, Befhent des Herrn James Simon, ein
Bronzeplafette von Quellinus (Silen mit Satyrn und Rindern),
Gefdhenf des Herrn W. Bode, endlidh ein ovales Täfelhen mit der
Anbetung des Rindes, anfcheinend vlämifh um 1600, Gefchenf des
Herrn G. Salomon.
Don den zahlreihen Erwerbungen des Aupferflihfabinets, deren Haupt-
theil die auf den Derfteigerungen der Sammlungen von Sallet im April
und Sträter im Mei ð. J. gemachten Ankäufe bilden, felen nur bhervor-
gehoben die Aupferftihe: Meifter €. S. (1466). Der Marr und die Lauten-
fhlägerin, Abzug vor der Schrift; Zerael von Medenem. Der heilige
Lutas. — Der Arzt und der Apotheker. — Das Liebespaar; Martin
Schongauer. Anbetung der Könige. — Der heilige Antonius; Albrecht
Dürer. Das Schweißtuh der Deronika, von zwei Engeln gehalten. — Die
Rupferftidpaffion, 16 Blatt; Heinridh Aldegrever. Bildnif des Albert
von der Helle; Hans Sebald Beham. Hodzeitstänzer; Nicolaes
Berghem. 19 Thierdarftellungen; Ferdinand Bol. Bruftbild eines alten
Mannes; Hendrif Goltzius. Maria mit dem Leihnam Chrifti. — Sitende
alte frau. — Der Maler Jan Bol. — Jan Arnold Beerefteyn und fein
Wappen; Jan Hadaert. Der fih fhlängelnde Weg. — Die Gruppe von
vier Bäumen. — Der große felfen am fluß; Paul Potter. Die folge der
Odfen und Rühe. — Der flötende Hirt. — Der Ruhlopf; Rembrandt van
Ryn. Rembrandt mit dem Säbel. — Abraham verläßt Hagar. — Abraham
474 Deutfde Runft.
und Sfaat in Unterredung. — David im Bebet. — Die Anbetung der Hirten.
— Maria mit dem Rinde auf Wolfen, vor den diagonalen Striden am
Himmel. — Chriftus predigend. — Die Meine Auferwedung des Lazarus. —
Jefus in Gethfemane. — Chriftus am Arenz. — Chriftus erfcheint den
Jüngern. — Der bl. Hieronymus in Dürers Befhmad. — Der Stern der
Rönige. — Der Boldfhmied. — Die alte Bettlerin, vor Ueberarbeitung der
Haube. — Lazarus. — Sigender Bettler. — Männliher Alt. — Jan Sylvius,
vor den Retouden im Befiht. — Nachdenklier junger Mann. — Menajfeh
ben erael, vor der Retoude. — Rablfdpfiger Alter.
— Rembrandt's Mutter; Jacob Ruisdael. Die
Hütte auf dem Hügel, vor der Aufäßung. — Die
2 Reifenden, mit leichter Luft oben redhts, vor der
$ Pi Wolfe. — Das Rornfeld. Die drei Ciden; Lucas
EGA, van Uden. Die folge von Landfhaften; Adriaan
X van de Velde. Die Folge der Thiere. — Stehendes
g Í \ N Schaf. — Liegender Widder; Marcantonio
| $ ‘3 Raimondi. Gofeph und Potiphar. — Der bl.
j Sebaftian. — Der Rindertanz; 7 Stidhe von Claude
; \ war Lorrain, und „Die Marter des heiligen Bartho-
| . lomaus von Ginfeppe Ribera.
| Ferner Holsfdhnitte von Albredht Diirer und
i Lucas Cranad und 10 werthvolle Biidher mit
\ Ar Holzfdnitten und Rupferftihen aus dem J5., 16.,
TRS 17. und 19. Jahrhundert. Außerdem erhielt die
| Sammlung an Werken älterer Runft nod die feder-
zeihnung Rembrandt's „Eliefer am Brunnen‘ und
das „Buch der heiligen Dreypaldefeit". Eine Papier-
handſchrift alhymiftifhen Inhalts mit zahlreihen,
Buonaventura Benelli, merfwürdigen, fünftlerifh werthvollen Malereien, ge-
Akt. ſchrieben zu Konſtanz in den Jahren 1416—1419.
A. Minſch, Berlin. Un Werfen neuerer Runt wurden erworben Radi-
tungen von feliz Bracquemond, Paul Hellen
Pierre Georges JFeanniot und Lithographien von UA. Besnard, J. €.
Blande, €. Dinet, H. fantin-Latour, A. Lepère, Alerandre
Lunois, Edouard Manet und Jan Veth. Aus dem Landeskunftfonds
wurden Lithographien von Guftav Federt, Alerander frenz, Otto
Greiner, Arthur und Eugen Rampf, Cornelia Paczha-Wagnet
und Hans von Dolfmann u. a. m. angelauft und aus den in der
Röniglihen tehnifhen Hochfehule zu Charlottenburg bewahren Runflfammlungen
des Beuthb- Schintel- Mufeums Aupferftihe mit den Zeihen €. ©. und L.
und von Albreht Altdorfer und Lucas Cranad fowie die dem
Albreht Dürer zugefhriebene Tufhzeihnung ,,Simfon, die Philifter
tddtend", dem Aupferftihfabinet leihweife für fünf Jahre überlaffen.
Unter den in dem behandelten Vierteljahr erworbenen egytifhen Alter-
thümern bilden zwei Stüde aus der Sammlung des Heren Grafen Protefh
von Often den Mittelpuntt. Es find dies:
Eine etwa 30 cm hohe Holzfigue eines ftehenden Mannes aus dem
neuen Reih, die fih den beften Holzfiguren diefer Zeit an die Seite ftellen
fann. Der Dargeftellte ift ahltöpfig wie die Priefter und trägt eine Geifel
und einen furzen Schurz, wie ihn Soldaten trugen. Er war alfo vielleicht
Offizier im Dienfte einer der großen Tempelverwaltungen. Befonders hübjch
ift das Befiht wiedergegeben
Ein hdlzerner Lowenfopf, der wohl den Abflug der Seitenlehne eines
Thrones gebildet hat. Arbeit und Erhaltung find glei vorzüglid.
Don anderen Erwerbungen find vor allem zu nennen zwei vortrefflich
gearbeitete große elfenbeinerne Rinderfüße, etwa von einem Bett. Ganz
gleihe find in den Königsgräbern aus den erften Dynaftien in Abydos und
Negade gefunden worden. Derfelben Zeit gehören ein großer Rupfernapf
. und mehrere Steinfhalen an.
wichtig find ferner zwei Beräthe, die fic) durch ihre Gnfdriften als
nftrumente zur Beobadtung der Sterne erweifen. Yur das eine von
ihnen war bisher, und aud dies nur aus Bildern fpäter Tempel, bekannt.
Ein Gefen? des Heren Profeffors Shweinfurth ergänzt deffen legte
Gabe in erwünfchter Weife, denn es enthält zum größten Theil wieder Bei-
gaben aus Gräbern der erften Dynaftien, befonders Töpfe. Gutereffant find
vor allem zwei Steingefäße in form eines Elefanten und eines Wilpferdes
fowie robe Figuren von Frauen, fogenannte Puppen.
Die Sammlung von Bötterbronzen wurde durh den großen Kopf
eines Gbis, des Thieres des Gottes Thoth, mit der Géstterfrone, vermehrt.
Auch eine Reihe von Antäufen wichtiger vorderafiatifher WAlterthiimer
konnte gefhäftlih abgefchloffen werden.
Die Neuerwerbungen für das Aunftgewerbe-Mufeum umfa ffen
84 arditeftonifhe und keramifhe Begenftände, die Befchente fehe Porzellane,
fleinafiatifhe fayencefliefen aus dem 16. Jahrhundert, eine Silbermünze ven
©. Roty und fleben Arbeiten neuerer Gnduftrie. Ueberwiefen wurden Sem
Mufeum von der Beneral-Derwaltung der Röniglihen Mufeen: zwei Schlüffel,
Schmiedeeifen, und der Röniglihen Regierung in Aurih: Theil einer Leder-
tapete aus Leer; holländifhe Arbeit 17. Jahrhundert.
für die Nationalgalerie endlid wurden angekauft die Oelgemalde
ylbend im Dorfe von f. Starbina, „Die Siinderin’ von N. Geiger,
beide auf der Grofen Berliner Runftausftellung; ferner die „Madenna im
Schnee" von KR. f. Bledhen, fowie zwei Bleiftiftzeihnungen von J. von
Führi „Eliefer und Rebeffa am Brunnen“ und „Ifaat fegnet Jakob‘.
Das bei Hans fehner beftellte Bildnig des Generals Grafen von
Rirhbad wurde abgeliefert.
Als Gefen? erhielt die National-Balerie von Herrn Rittergutsbefiger
R. Israel das Bemälde „Brunewaldfee bei Abenddämmerung" von
W. Leiftifow.
Berlin. — Das neue Riinftlerhaus, dem die „Deutfhe Runft eine be-
fondere Nummer zu widmen gedentt, geht unter Profeffor Hoffader's
Leitung feiner Vollendung entgegen. Die Fertigftellung des malerifchen
SFacadenfhmuces, eines Mofaitgemäldes, das als Apotheofe Dürer’s endlich
einmal nationalen Charakter hat, verzögerte fich, weil einige Farben, die die
Harmonie des Banzen ftörten, durch befjer wirkende erfegt werden mußten.
Auch im großen Feftfaal wird dsurd die monumentale Malerei des Profeflors
Mar Rod das Deutfhthum ftar? betont. Am 15. Oftober foll das würdige
Gebäude mit einer Ausftellung eröffnet werden. Wenn fih an ibe auch
fämmtlihe Berliner Riinftlergruppen einmiithig betheiligen, fo ift doc der
bie und da fhon laut gewordene Jubel über eine dauernde Vereinigung ver-
früht und nimmt fi in feiner Beftimmtheit aus wie ein verkleideter Wunjch.
Annehmen darf man wohl, daß die Aueftellung ein reihes und erfreulihes
Gefammtbild vom Stande der Berliner Runft geben wird. Ein künftlerifches
Ereigniß von großer Bedeutung plant die Akademie, eine Rembrandt-
Ausftellung. Sie will verfuhen, die Sammlung der Werle Rembrandt's,
die bei Gelegenbeit der Rrénungefeierlidfeiten fic Amfterdam zujammen-
gebradt worden find, für Berlin zu gewinnen. Auh Gefelfdhap gedentt
fie mit einer Ausftellung feines fiinftlerifhen Yladhlaffes zu ehren. Das
Runftfhaffen ift ein ungemein reges; eine große Zahl von Künftlern,
namentlich Bildhauer, find mit öffentlihen Arbeiten
betraut, die zum Theil nur nod ihrer Ausführung EN
in dauerbaftem Material barren. Bildhauer Bör- £ d
mel hat das große Modell des Raifer Sieges- *
mund-Dentmals für die Siegesallee vollendet und s + j
and das der im Charalter der Frühgothit ge- — 4
haltenen Banfwangen fertiggeftellt. Die beiden
Büften (Landeshauptmann Lippold v. Bredow
und Biirgermeifter Bernd Ryle) find vorläufig erft j
im Hilfemodell dargeftellt. Was die Ausführung
in Marmor anlangt, fo beabfidtigt der Riinftler, i
die Statue und die betden Nebenfiguren in Carrara i
nur punftiren zu laffen und dann in feinem Atelier i
auszuführen.
Muth hat eine Bruppe für die Rapelle des Paul
Gerhardt-Stiftes „Chriftus und der Gidt- suonaventura Genelli.
brüchige“ gefhaffen. Es ift ein gutes Werk fird- Att.
lider Runft, gegen das fih boffentlid) aud Feine A. flinfe, Berlin.
nadtragliden fonfeffionellen Einwendungen erheben,
wie fle in Berlin nicht gerade men find. Die jüngften haben h gegen
die foeben vollendete plaftifhe Darftellung der Anbetung Chrifti Surh
die drei Rönige, die der verftorbene Wifolaus Geiger fiir das Giebel-
feld über der Eingangspforte der fatholifhen Hedwigstirdhe gejhaffen
hat, gerichtet. Die figuren der Maria und des Jofeph follen in einer
Weife dargeftellt fein, die der Fatholifhen Ueberlieferung nicht entfpricht.
Der Dorwurf erinnert einigermaßen an eine wenn auh niht öffentliche, jo
doh ſehr lebhafte Erörterung, die unter Theologen und Rünftlen nadh
Sertigftellung der Heiligkreuzfiche ftattfand über das Rruszifir auf dem
Altar der Rirde. Die Füße des Aruzifizes find jeder befonders mit einem
Nagel an dem Kreuz befeftigt. Das aber follte eine fpezififch katholiſche
Form des Rrusifires fein, während das evangelifhe Kruzifir beide Füße
übereinander mit nur einem Nagel durdftohen zeigt. Der Streit verlief
damals ergebnißlos, die Rirhe hat heute nod das Kruzifix. Gerichtlich aber
entfehieden wurde der Streit darüber, ob die auf den beiden Blodenthürmen
der Thomasfirhe angebrachten geflügelten Figuren fiinftlerifd als dpriftliche
Engelsfiguren aufzufaffen fein. Das Beriht bat nah langen Derhandlungen
und auf Grund ausfiibrlider Butachten fünftlerifcher Autoritäten diefe Frage
bejaht. Es war von der verflagten Rirhenzemeinde eingewendet worden,
daß diefe beiden Figuren leine Engelsdarftellungen, fondern das Mafliihe
Bild der Nite feien, wofür namentlih die Fliigelbaltung der Figuren fpräde.
Don den als Sachverftindigen vernommenen Riinftlecn wurden dagegen
zahlreihe Fälle angeführt, wo in driftliden
Richen Engelsfiguren mit der gleihen Flügel-
baltung dargeftellt feien wie bier auf den A
Blodenthürmen. f J—
Solche nicht eben ſeltenen Einwände F à hy
find leider geeignet, die freie Entwidlung f
der firhlihen Runft aufzuhalten und fie in
leblofer Tradition Zu einer unabanderliden, x
byzantinifch-fitengen Typenfompofition er- „eräifg” map man ò
ftarren zu laffen. Der Boden für eine zeit- -0h Niemand jagen fann, wei
gemäße religiöfe Runft ift einftweilen nod Vor allen Dingen wäre es mehr als
außerhalb der Kirche zu fuchen. 1, daß num die Zahl der Aufträge für
Nicht beifer ftand es bisher mit der Hädt mag ja wohl zablungsfähige Ge-
fhen Runftpflege. Sie war einer Rommiffionfmal vorzogen; aber im Grofen
anvertraut, deren guter Wille mit dem Bevefen fein, die eben die Summen
ftreben an anderer Stelle, Berlin zur-sen fonnten. Solde werden eben fiinftig
Stadt zu machen, fo opferfreudio-od, fiebt man einmal von den Fntereffen der
daß die Reihshauptftadt baf‘ es denn wirklich fo jhlimm it, wenn in Stendal
fätte der Befhmadlofigkeit Kaiferdentmal fteht. Wahrjheinlid befommt nie
Mag es der emfigen Rommifjion aiaPenfmal der anderen zu feben. Und anderer-
fein, durd die fiinftlidhe Beleuctuniit wenigen Ausnahmen, unfere Rünftler
Dictoria-Wafferfallse anfprudslofen einander, fo individuell? Herrfht nidt
berzen einen Hocdgenuß bereitet zu bÅ die Duchfchnittsdentmäler alle aus-
durch die Potsdamer Brüde und ihren Figuren Grofen Außen werden Aunft und
fhmud hat fie alles Andere bewiefen, nur‘ Gemeinden, die, aus Moth ober
fein Kunftverftändniß und feinen Befhmad. "mer eine Bießerei oder einen
Wenn Berlin nod immer in dem Rufe ftebt, “‘efer Werfe nod) finfen.
an beiden ftar? Mangel zu leiden, fo
bat es dieje Nachrede der ftädtifchen Runft- rlin ift nad einer
fommiffion zu verðanten. Als ein ver- f sen, die wieder
nünftiger Entfhlug der Stadtverordneten if > ist der
it es 3u begrüßen, die beiden Gelehrten “
Helmbolg und Siemens von ihren Sig- £
punkten wieder zu entfernen und irgendwo Zeh
im fohattigen Brünen unterzubringen, damit
fie abfeits ein befhaulides Stillleben führen
und fih den Kopf darüber zerbrechen fönnen,
welhem Vergeben in ihrem Leben fie es
3u verdanken baben, in folder Beftalt auf die Nachwelt zu tommen.
Die Demiithiguig mag für die fladtifehe Runftfommiffion redt beilfam
gewefen fein und fie fiinftig von abnliden Streihen abhalten. Dafür
bürgt ein Mann wie der Baurath Hoffmann, der Schöpfer des
Reihsgerihtsgebäudes in Leipzig, der befanntlih in den Dienft der Stadt
Berlin getreten it und fider mit dahin wirken wird, einen befjeren fünftlerifchen
Geift in der Reihshauptftadt großzuziehen.
Münden. — jm Runftausftellungsgebäude am Rönigsplag, in
dem feit dem Frühjahr die ,,Sezeffon ihre Dauerausftellung bat, wird vom
19. November bis Ende Dezember eine internationale Ausftellung fünftlerifher
Pbotographien ftattfinden. Zur Betheiligung werden nur perjönlihe Ein-
ladungen ergehen. Die ,,Sezeffion hat vier Säle zu diefem Zwede zur Der-
fügung geftellt, in denen hddftens 150 Werke der hervorragendften Runft-
photographen untergebeacht werden follen. Entfpredend dem bei der Sezejjion
aud geltenden Bebraud werden feine Ehrendiplome oder Medaillen verliehen.
Letter Tag der Einfendung ift der 5. November. Das Arrangement der
Sonderausftellung liegt in den Händen des Malers f. Matthies=Mafuren,
Redakteur des Photographifhen Tentralblattes. — Damit eröffnet alfo die
„Sezefion“ die von ihr angekündigte Reihe von Deranftaltungen, mit denen
ein neuer wichtiger Faktor ins Münchener Runftleben eingeführt wirs.
é —
Deutſche Runſt.
Buonaventura Genelli, Aktſtudie zu
„Aus dem Leben eines Wüſtlings“.
A. Flinſch, Berlin.
475
Der „Internationalen Kunſtausſtellung der Sezeſſion“‘ wurde noch kurz
vor ihrem Schluß ein Werk der dekorativen Runft einverleibt, ein in Seiden-
ftiderei nad einem Entwurfe ihres Mannes ausgeführtes Panneau der Madame
De Rudder in Brüffel, die drei Schidfalsgöttinnen Rlotho, Ladhefis und
Atropos darftellend. Aurz vorher waren zu den Gemälden im Ausftellungs-
gebäude am Rönigsplage nod binzugelommen das Porträt des Beneralmufit-
direftors Levi von franz Stud und „Eine Sommernadht mit Lampions-
beleuhtung" von frig Thaulow in Dieppe. Der Verkauf von Runftwerten
it in beiden Ausftellungen nod immer ein lebbafter. Jm Glaspalaft wurden
aus der Gruppe fiir Arditeftuc und Runfthandwerk zwei Buffets nah Entwürfen
des Arditeften Martin Dilfer, ausgeführt von U. Pöffenbader,
Münden, für den Raifer von Rufland an-
gekauft. Ein angefehner Broßfaufmann in
St. Petersburg bat das figurenreihe Ge-
mälde „Die Nuffen vor Aare‘ von Profeffor
franz Roubaud, Münden, erworben. Es
ift das erfte Werk für eine Balerie für fhöne
Rünfte, die der Raufer als eine freie Bil-
dungsanftalt für das Volt gegründet hat.
Sein Mufeum wird Jedermann unentgeltlich
— j offen ftehen und die bisher nod euphe-
vorberrf. miftifhe Bezeihnung über dem Eingange des
grund. japanifhen Palais zu Dresden „museum
und drei i
fiir die Erleug,
gemalter Bobeli, I)
ftände entftammer \ |
Gebrüder Bauer en, \|
Guftaw Trelenberd/
Wandfpiegel mit Fay
der Hand der Breslauer
SF Shulge Nadf. (Junter
Pendelfheibe mit Stange
entzüden.
usui publico patens“ aud wirflidy verdienen.
gm Gnterefjfe der deutfhen Runft und zur
fittlihen Hebung des Seutfden Dolfes ift es
dringend zu wünfchen, daß die in den Der-
einigten Staaten von Yordamerifa und Ruß-
land gegebenen Beifpiele von wirflidem
Woblthun aud einen unferer Millionäre an-
tegen, dem Sthaffensdrange der deutfden
Rünftler zeitgemäße belebende Fdeen zu-
3ufiibren. Yur durdh folde Beftrebungen wird
der Wunfdh des Proletariats, der in veredel-
tem Sinne noh immer beißt „panem et
— m Beige eines betar Circenses!“ in richtiger Weife erfüllt.
eine in der Bronzegießer '
Eremplaren gegoffene Bre
Bildhauers Wilh. Wattler
ausgezeichneten Eigenfhe”
aus dem Hunnent-
ryendig und F
—
Nürnberg. — In der Kirche der
nahen Ortſchaft Kalchreuth befindet ſich
ein werthvolles Runſtwerk: ein von Adam
Kraft gefertigtes fteinernes Saframents-
bäuschen, weldes jedoh im Laufe der Jabr-
bunderte f[hadhaft und ruinos wurde. Das
Staatsminifterium bat nad Einvernehmen
dea Generalfonfervatoriums in Münden und
auf Grund des von demfelben erftatteten
eingehenden Gutadtens genehmigt, daß eine
Reftauritung des ARunftwerfes vorgenommen
wird, mit welder der Steinmer Jobann
Böfcel hier unter Leitung des Arditeten Shmit (weldem die Leitung
der Reftaurirung der biefigen Sebaldusfirhe übertragen ift) betraut wird.
Das bayerifhe Bewerbe-Mufeum bat eine Ausftellung von Runftlitho-
graphien veranftaltet, die nahezu 700 Blätter umfaßt, obwohl mit Rüdfict
auf die erft kürzlich ftattgebabte Plafatausftellung das Plafat, ein Haupt-
zweig des litbographifhen Schaffens, ganz ansgefdloffen if. Tie Haupt-
abtheilung Deutfdland füllt fat den ganzen „Goldenen Saal". Stark
vertreten ift Berlin namentlih duch Meifter Menzel: „Chriftus als Rnabe
im Tempel" (lith 1852), ,,Reiffpiel auf der Terrajfe in Potsdam“, „Inter
ejfante Lektüre, .,Raubritter mit Beute‘ und andere im den Jahren 1849
bis 1851 in den fehönften Frühdruden, zum Theil mit Randeinfällen her-
geftellte Runftblätter. Don H. fehner (Berlin) find befannte Porträtlitho-
graphien wie Profeffor Dirhow, Herm. Sudsermann, Gerhart Haupt-
Mann, Pring-Regent Luitpold, der jüngft verftorbene Theodor fontane
u. A. in meifterhafter Ausführung vorhanden. Diefen fließen fih an
Porträts von J. Geng und M. Liebermann „Bei der Lektüre", „Strand
von Scheveningen“, „Theodor fontane und pgm Spiel der Wellen", von
denen ganz befonders das erftere des Riinftlers darakteriftiihe Eigenart
wiedergiebt. Don den Miindner Riinftlern zeihnet fid frig Burger dsurh
feine Rreidelithograpbien, Otto Greiner durch feine forgfaltigen, minutiss
durchgeführten Porträts, Gelegenbeitsblatter und mytbologifhen Darftellungen
476 Deutide Aunf. /
aus. Einen Blanzpunft der Ausftellung bildet Rarlerube. Hier hat die
Lithographie ein forgfältiges Studium erfahren und geftaltet fih zum farben-
drud. Die Landfhaften von Ñ. Daur, der Schloßpart in Sdhwekingen
von W. Tonz find fiinftlerifche Leiftungen. Eine fhöne Abendftimmung
bringt 5. v. Dolkmann. Dresden hat eine trefflihe Künftlerin in Marianne
Fiedler aufzuweiſen. „Landſchaft“, „Bacchantin“ und ein Herrenportrat
find gut gezeichnet. ©. Fifher bringt Landjhaften. Gg. Lührig's Dar-
ftellungen find, wie die fifder's, gut erfaßt und trefflic durchgeführt. Unter
den Diiffeldorfer Riinftlern verdient befondere Erwähnung der phantaflereide
Alerander frenz. Frankfurt a. M. ift vertreten Such W. Steinbaufen
und Hans Thoma. An englifhen Lithographien enthält die Ausftellung
trefflidhe Blatter von C. H. Shannon, Whiftler, Crane, Holloway,
Midolfon und Penell. Die lithographifche Produftion Frankreichs fteht
mit an erfter Stelle. fat den ganzen Mebenfaal fiillen die Blatter von
Lunois, der insbefondere Motive aus Spanien mit fraftigen Farbenwirtungen
wablte, von E. Carrière, N., Luce, Fantin-Latour, €. Moreau-
Nélaton, Dulac, Helleu, Manet, Deber u. A. Der Holländer
J. Deth it ausfhlieğliġh Poiträtit. Orlif in Prag ift der einzige Re-
präſentant Oefterreihs. Spanien it durd zwei Rünftler, Baireras und
Stimona, und Belgien duch Brehmann, Meunier und Nibdrig
vertreten.
= zer mit
B:,.18:;
Aelt die
Dresden. — Die Geburtsftadt Cudswig
Ricter’s ehrt den unvergeBliden Meifter an secs
feinem Geburtstage, dem 28. September, mit der = ed =
Enthüllung feines Denkmals auf der Brühl'fhen Ai ag =
Terraffe, gegeniiber dem Denfmale Semper's. i ai nt avi
Jur Ehrung eines anderen großen Todten, Bis- te m =. gen,
mard’s, bat der Rath der Stadt bejchloffen, Fabien pia
für das Stadtmufenm duch Franz von Len. EN a x
badh ein Bismardsbild (Anieftüd) anfertigen — p ate PR t-
3u laffen. Lenbah bat den Auftrag ange ” PARSE EN,
von A. Besnard, J. €.
nommen. Unfere Ausftellungen haben fammtlid Gepde Au 5
die Winterfaifon mit Darbietungen von größerem > * porki ——
Aus dem Landeskunſtfonds
Umfange oder geſteigecter künſtlerlſcher Quali’ Alegander f ©
eröffnet. Unter der Fluth von Landfhafte=! ë tenz, Otto
z a g ornelia Paczta- Wagnet
„Sähfifhen Kunftverein‘‘, der übrigens vo ~ Anal cues hea ta 8
1. Oftober bis 26. November wegen der afadee ' DER IB HER
/
ê
von Rlingeg' Hand zu [hmüden, it feineswegs aufgehoben; nur über den
Umfang der) bier in Frage fommenden Arbeit ijt bis jegt noch Feine feft-
ftellung geirgofien. Leipzig weiß es febr wohl, was es an Rlinger bat,
und bat ru fon bewiefen, daß es des Riinftlers Bedeutung zu [hägen
weiß. Ds Leipziger Mufeum befigt von Rlinger's plaftifben Werfen
„Salongne“ und „Kaſſſandra“, im Kupferſtich-Kabinet ſeine ſämmtlichen
— zahlreiche Handzeichnungen. Ebenſo gut ift Rlinger in Dresden
veriro#sten, wabrend man in der Berliner Nationalgalerie ein größeres Werk
von ihm vergebens fudt. Es ift alfo gar tein Grund vorhanden, daß fic
“ Derfechter Rlinger'jher Aunft über das Verhalten von Rlinger's Dater-
fs, at Sem Rünftler gegenüber entrüften.
ys Düfeldorf. — Der Runftverein fiir Rheinland-Weftfalen bat mit
der SDerfendung feines diesjährigen Prämien-Blattes begonnen. Nodh mehr als
font Y bat der Verein bei der Wahl des Kupferftihes eine glüdlibe Hand be-
funds t Das Gemälde franf Rirhbadh'e, „Chriftus verjagt dsie Mafler
aug Jom Tempel", ift Surh die Runft des Karlsruher Rupferftehers Araus-
toph; in feiner ganzen charafteriftifhen Gejtalt und Eigenart wiedergegeben.
"armen Di Ansftellung des Barmer Aunftvereins ift von
+ Berlin. — Das neue Ru -srtreffliden Kiinftlern befdidt und bat friiberen
wondere Nummer zu widmen gy tellungen gegenüber dadurh auh nad der
feitung feiner Vollendung entgeg atriotifhen Seite hin gewonnen, daf fie
Faradenfchmudes, eines Mofaifgem& nz3einen fünftlerifchen Kräften unferer Runft-
einmal nationalen Charatter hat, v-pefdule Gelegenheit giebt, dem Publikum
Harmonie des Ganzen ftörten, dure Eigenart vorzuflellen. Ludwig fahren-
Aud im großen Feftfaal wird durd om mit Werken der hoben Runft, unter
Mar Rod das Deutfchthum ftark betont. aFalgemdlde ,Rrenzigung Chrifti“
Gebäude mit einer Ausftellung eröffnet werds imenflonen befonders auffällt
fämmtlihe Berliner Riinfilergruppen einmiithig + Gute Bilder haben auch
bie und da fon laut gewordene Jubel über €g Dettmann- Berlin , Jo-
früpt und nimmt fih in feiner Beftimmt' cenberg- Berlin, Werner Shud-
Annehmen darf man wohl, daß die Anz Henfeler-Berlin, Buftav Marr-
Gefammtbild vom Stande der Berliner y, a. m. =
Ereignif. von großer Bedeutung ple ;
Uusftellung. Sie will verfuden, Hamburg, — Unfere Runftausftellungen
die bei Belegenheit der Kroͤnutzeherbergen jetzt intereſſante Gäſte, der Kunſtverein
Gebradt worden find, fir ~ in der Börfe den Malerradirer Walter Siegler
mifhen Schülerarbeiten - Ausftellung und wegen er Pora fie mit einer Ausftr aus Berlin und der Salon von Louis Bod
Reinigung gefdlofen bleibt, verdienen die Ge ~- í gen €. S. und L. Runſtſchaffen iſt e— & Sohn die in Seidenftiderei ausgeführte Ropie
mälde Alfred Zoff’s befondere Erwähnung. ach fomie die dem namentlich Bildha— A der Girtinifhen Madonna von Clara Rip=
Bei einer ganzen Reihe anderer Bilder aber be- ya Philifer betraut, die ~ N berger-Dresden, aud cine Arbeit der Nadel-
greift man wirflich nicht, wie fie vor den Augen fen. z Funft'', die fon den größten Beifall von
der Aufnahme-Jury haben Gnade finden können. f 3 Riinftlecn, Fadhlenten und Scriftftellern gefunden
Der Runftfalon von Ernft Arnold (Wilsdruffer- ER Genceli, iti bat. Am 17. September ift in der Runftballe
ftraße) hat eine umfangreihe Sammelausftellung m een ie =e die fecfte internationale Ausjtellung von Aunft-
des Rürzlihd in Langebrüd verftorbenen Jagd-
malers Albert Richter veranftaltet; fie umfaßt 210 Zeichnungen und
IS Gemälde. Außerdem franz Stud, Arthur Rampf u. U. m. jowie
adt Intereffante Zeihnungen aus dem 15. Jahrhundert. Sie ftammen aus frant-
reih und ftellen auf Brund einer mittelalterlihen Erzählung die Gedichte des
trojanifchen Arieges dar. Charles Simon berichtet darüber: „Get ouvrage
marque la date d'un événement dans l’histoire d'art français“. Die
Runfthandlung von Emil Rihter auf der Pragerftraße bringt drei Sonder-
ausftellungen auf einmal, ðie des Spaniers fabré, des Jtalieners Sar-
torio und feines Schülers, des Weimaraners R. A. Brendel. Ein neuer
Runftfalon ift nod im der Pragerftraße eröffnet worden. Ueber die Bediirfnifi-
frage nad) einem folden fann man bierbei zum Mindeften getheilter Meinung
fein, und ein „Eile mit Weile"! dürfte derartigen Unternehmungen gegenüber
nunmebr vielleidt am Plage fein. Giebt es dod) in unferer Stadt neben
drei hervorragenden Runfthandlungen, die zugleih periodifhe Ausftellungen
atrangiren und von denen jede eine bejondere Spezialität pflegt, nod unferen
„Sähfifhen Runfiverein’, und das ift für Dresden bis jett fhon gerade
genug gewefen.
Leipzig. — Es verlantete in letter Zeit, Mar Alinger wolle feine
Daterftadt verlajien, da die Unterhandlungen besiiglid) der Ausführung der
Wandmalereien im Treppenbanfe des ftädtifhen Mufenms als gefceitert 3u
betrachten wären. Man bat damit Leipzig eins auswifdhen wollen, was bloß
nicht gelungen ift; denn der Plan, die betreffenden Wandflähen mit Malereien
pbotograpbien eröffnet worden. Sie beweift im
Dergleih mit früheren Ausftellungen in überrafhender Weife, Saf fic) Sie
Photographie 3u einer erftaunlihen Höhe entwidelt hat, und bietet unter den
692 ausgeftellten Bildern viele von febr hohem Fünftlerifhen und tednifchen
Werthe. Broße Bewunderung erregt auh der fön ausgeftattete Ratalog,
der Seite um Seite mit den zierlichften Arbeiten der Ramera und Proben
der beten Aufnahmen gefhmüdt ift.
Zübeck,. — Mitte September ift in der Plafataugftellung eine Sonder-
abtheilung für Buhfhmud und Buhausftattung eröffnet worden,
welde über 250 moderne deutfhe Buhumfdläge, eine große Anzahl von Dig-
nettenproben und Rünftlerifh ausgeführter Profpelte und Buchanzeigen enthält.
Sie find alle von erften Riinftlern, wie Thoma, Theodor Heine, Otta
Edmann, fidus, J.R. Wigel n. A. entworfen und von den bedeutendften
Runftanftalten ausgeführt. Hödft intereffant ift die Bruppe der Wiener Der-
lagsbuchhandlung ron Berlah & Schenf, wie die Sammlung moderner
Budzeihen. Der Ausftellungs-Ratalog, der ih in Ihmudem Gewande febr
hübſch präſentirt, iſt in überfihtliber Weife von Herrn Architert Mar
Megger jZufammengeftellt. Er enthält die biftorifche Abtheilung der Aus-
ftellung und die Buhumfhläge in der Sonderausftellung, bei denen der
Rünjtler genannt ift. Durd eine treffende und furze Einleitung vor jeder
neuen Ländergruppe fann fih der Laie vollfommen orientiren über die Ent-
widlung und den Standpunkt der Plafattunft in sen verfciedenen Ländern,
fo dai der Ratalog fchon dadurd einen bleibenden Werth befikt.
478
— „Bei Hans Thoma in Frankfurt“, fo erzählt Lidtwark im Sep=
temberheft des „Runftwart“, „bewunderte id eines Abends ein pradtiges
Theefervice, das mit den Blumen unfres Feldes und Barteng geziert war.
SH hielt es für ein modernes englifhes Erzeugniß, deffen zartes Naturgefühl
dem feiniinnigen Rünftler fympathifch gewefen wäre. Aber lächelnd bedeutete
er mir, daß dies moderne Service vor vielen Jahren von feiner Frau (einer
ausgezeihneten Blumenmalerin nebenbet) fiir eine Weibnadtsmeffe gemalt fei.
Man babe es aber von der Augftellung zurüdgemwiefen, weil fein natura:
Hiftifher Charakter mit den Gejegen des Stils in Widerfprud fände. Das
it ein typifches Ereignif. Ein deutfcher Rünftler geht feiner Zeit durch die
Schöpfung eines neuen Befhmads voran und wird in folge deffen von den
Theoretifern zurüdgewiefen. Zwanzig Fabre pater werden diefelben Jeen,
wenn fie vom Auslande lommen, mit offenen Armen aufgenommen. Wir
pflegen mit Stolz zu betonen, daß die erflen Jdeen fo oft in Deutfchland
auftauchen und daß die Ausführung vom Auslande beforgt wird. Sollten
wir nidt endlih lernen, zur rechten Zeit für die deutjchen Fdeen ein-
3utreten ?'
— In Antwerpen if die von der Föniglihen Befellfhaft für die
Ermuthigung der jhönen Rünfte alle vier Jahre mit der Unterftüßung des
Staates ftattfindende internationale Ausftellung der fhönen Rünfte eröffnet
worden. Die Ausftellung ift aus Belgien, Deutfhland, Gefterreih-Ungarn,
Holland, Frankreih, Ztalien, Dänemark, Norwegen und Spanien befchidt
und zählt 715 Runftwerfe, und zwar 628 Gemälde und 87 Bildhauerwerfe.
Der diesjährige Salon enthält mande fhöne Leiftungen, aber die Sieges-
palme in diefem fünftlerifhen Wetiftreite gebührt unftreitig einem Werke der
beigifhen Bildhauerkunft, dem „Schiffsentlader" des berühmten Bildhauers
Conftantin Meunier, der mit feiner genialen Rraft in diefer urwiidfigen
und padenden Geftalt den ganzen Charakter der Handelsmetropole und ihre
Hauptarbeit wunderbar verherrliht. Die Stadt Antwerpen hat fofort diefes
Meijterwert erworben.
— Eine eigenartig intereffante Bemälde-Ausftellung, die
aus den Kopien fämmtliher Porträts beftehen foll, weldhe einft die Wände
der Tuilerten [hmüdten und vor dem Verbrennen gerettet wurden, wird von
einigen enthufiaftifhen Bewunderern des franzöfffhen Hofes zur Zeit des
„Second Empire‘ mit Genehmigung der Extaiferin Eugenie gegenwärtig
auf deren Befigthum in farnborough mit Eifer vorbereitet. Ein junger
fpanifher Maler ift mit der Organifatton der Austellung und der Wahl der
Riinftler, von denen die Kopien ausgeführt werden follen, betraut worden.
Ein Bild nah den andern wird nun aus den Sälen des Schloffes geholt
und mit größter Dorfiht in dem hödhft genial bergerichteten Treibhaufe zum
Ropieren aufgeftellt. est ift man damit befhäftigt, ein Facfimile von
dem Porträt der mit 55 Jahren geftorbenen Herzogin von Alba, der an-
Preisbewerbungen
— Aus einer engeren Ronfurren3 3wifdhen einigen namhaften
deutfchen Porträtmalern zur Erlangung eines würdigen Repräfentationsbild-
niffes Raijer Friedrid III. in Altona ift der befannte Bildnigmaler Herr
Paul Bedert in Berlin als Sieger hervorgegangen. Sein nad der Stizze
ausgeführtes lebensgroßes Bild in ganzer figur ziert den Prunfjaal des
Ratbhaufes in Altona feit dem 18. Juni, dem Tage, da Raifer Wilhelm II.
das Reiterftandbild feines Broßvaters enthüllte.
— du einem befhränften Wettbewerb um den Entwurf eines
Repräfentations - Bebäudes für das Deutfhe Reih auf der Parifer Welt-
ausftellung des Jahres 1900 waren, wie erft jet befannt wird, feitens des
Herrn Reidhsfommiffars I Sseutfche Acditeften aufgefordert worden. Es find
neun Arbeiten (darunter zwei von demfelben Verfafjer) eingegangen, von
denen das Preisgeriht drei als zur Ausführung geeignet in Dorfehlag
bradte — und zwar an erfter Stelle einen Entwurf von Profeffor fr. von
Thierfh in Münden, an zweiter und dritter Stelle zwei Entwürfe des Re-
gierungs-Baumeifters Radfe in Berlin-Lichterfelde. Die letteren zeigen mo-
derne, fhloßähnlihde Bauten mit hohen Thürmen in den Stilformen der
Gothif und der deutjhen Renaiffance, während der Entwurf von Thierfh
mebr an füddeutfhe Rathhausbauten der Frührenaiffance fih anlehnt und
Insbefondere Motive von den Rathhaufern in Lindau und Ulm verwerthet.
Nahdem die franzöfifhen Ausftellungs : Behörden die ihnen vorbehaltene Zu-
ftimmung zur Ausführung eines diefer Entwürfe ertbeilt hatten, haben die-
felben St. Majeftät dem Raifer vorgelegen, der fih für einen der Radke-
fhen Pläne entjhieden bat. Herr Radke hat befanntlih auh das „Deutjde
Haus‘ auf der legten Weltausftellung in Chicago entworfen und ausgeführt.
— Der Wettbewerb um den Entwurf einer neuen Börfe für Mann-
beim, der, wie es fheint, ein engerer war, ift dahin entjchieden worden, daf
den drei Arbeiten der Arditelten Köhler & Rarh in Mannheim, Ritter
& Hefler in ‚frankfurt a. M. und Profeffor Nedelmann in Stuttgart je
ein gleihwertbiger Preis zugefprohen wurde.
Deutfhe Runft.
gebeteten Schwefter Eugeniens, anzufertigen. Auf diefem Bilde ift die
bolde Spanierin, die nur wenig Achnlidfeit mit ihrer blonden faiferlichen
Schwefter hat, als ganz in belle duftige Gaze gehüllte Böttin dargeftellt.
Sie war tief brünett, ihr Befiht hatte nit das feine, edelgejchnittene Profil,
ihre Figur ließ Mandes zu wünſchen übrig, troßdem aber war fie eine
bezaubernde Schönheit, die nue nicht neben der unvergleidliden Romtefje
de Teba zur Beltung fommen fonnte. Don diefer felbft ift eine An-
zahl vorzügliher Porträta vorhanden, von denen jene von Winterbalter
gemalten, die man ganz befonders forgfältig zu foptren gedenkt, das größte
Intereffe der zuünftigen Ausftellungsbefucher erregen werden. Das befte
diefer Gemälde ift entjehleden eine Studie, auf der man die Raiferin im
Profil erblidt. Sie ift in einen weißen Burnus gehüllt, und ibt pradtiges
blondes Haar, das in lofen Loden auf den Naden fallt, ift mit neun Reiben
herrlich fhimmernder Perlen durhflohten. Von diefem feinem Bilde fertigte
Winterbalter eigenhändig eine Kopie an und gab fie dem unglüdlihen
Prinzen Bonaparte bet feiner Abreife nah dem Sululande. Nad deffen
Tode fhenkte die verzweifelte Mutter das im Befik ibres Sohnes gewejene
Bd Monfieur Rouber; zu gleiher Zeit erhielt der Herzog von Bajfano
ein anderes Porträt Eugeniens, auf dem fie in einem einfahen weißen
Rleide mit einer Coiffüre von mattlila Frisblüthen gemalt if. Außer den
Ropien diefer Gemälde wird man auf der Meinen Ausftellung aud verfchiedene
Biiften der Gemablin Napoleons II. vorfinden, von denen jedoh nur eine
in Wahrheit bewundernswerth fein dürfte, und das ift die von dem Grafen
Niewerferne gemeifelte Büfte, die Louis Bonaparte vor feiner Heirath
mit dem Original von dem Rünftler als Befhent erbielt. Grofe Anziehung
werden aud die Ropien einer Anzahl Bildniffe ausüben, auf denen man
jene egquifiten Bexutees erkennen Bann, die einft die reizende Raiferin der
Franzoſen in ihrer Blanzperiode zu umgeben pflegten. Die fhönen Damen
des zweiten Raiferreihs baben idh fämmtlih in allerlei phantaſtiſchen Bühnen⸗
koſtümen malen laſſen. Prinzeſſin Anna Murat, die Confine Napoleons
und jpätere Herzogin von Moudy, prafentict fih als „Olivia im „Dicar
of Wakefield’. Die Herzogin von Malatoff, eine liebreizende Brünette,
bat die Tract einer fpanifhen Edeldame mit der tlaffifhen Mantilla und
den fharlachrothen Branatblüthen im Haar angelegt. Die Herzogin von
Morny, jene zarte Blume des Nordens, lebt in einem ruffifhen Roftiim mit
dem Rafodint auf dem filberblonden Haar zum Entzüden aus. Herzogin
von Cadore ift eine ideale Heldin, die fhöne Bräfin Walewsfa eine
Florentinerin und die berühmte de Perfigny, die gleih einer Ninon
de l'Enclos mit ewiger Jugend ausgeftattet zu fein fhien, fann man als
lieblihfte Gulia bewundern. Das von Cabanel gemalte Porträt
Napoleons II. wird mit Eugeniens Erlaubnifß im Original ausgeftellt
werden. Es repräfentirt den Aaifer im eleganten Gefellfhaftsanzug mit
dem Bande der Ehrenlegion über der Bruft.
und Perfönliches.
— Die Betheiligung an dem Wettbewerb um Sen Bau einer Patho-
liſchen Kirche in Lodz fheint eine ungemein rege zu fein. €s find von diefer
Ronturren3 156 Programme von Architekten verfhiedener Lander verlangt
worden und zwar: 112 aus Deutfhland (meiftens Berlin - Charlottenburg),
17 aus Oefterreih, 13 aus Rufiih - Polen, 7 aus Rußland, 2 aus Holland,
J aus Paris, I aus Luremburg, 1 aus der Schweiz, I aus Schweden und
I aus Bulgarien.
— Don frantreih aus wird auf einen deutfhen Künftler auf-
merffam gemacht, von dem man in Deutfdland bis jekt nod gefdwiegen bat,
während er es verftanden hat, in Paris felt mehr als einem Jahre Alle in
Staunen zu verferen. Es ift Morik Roebbede, ein Virtuos in der Re-
produftion alter Meifter. Herrlihe Werte Römifher und Florentiner Galerien
bat Roebbede fhon trefflih nahgefchaffen. 1893 fopirte er für den Prinzen
Georg von Preußen, der fih duch eine Sammlung von Ropien nad Meifter-
werfen dec Renaiffance eine auserlefene Privatgalerie zu jhaffen wünfchte,
den Raffael der Münchener Pinafothet fo glänzend, daß Prinz Beorg be-
fhloß, dem Rünftler die ganze Ausführung feiner Sammlung zu übertragen.
Seit mehr als einem Fahre arbeitet unfer Rünftler im Louvre. Er bat in
dtefer Feit Arbeiten vollendet, die im ihrer Art einzig daftehen dürften und
den Augenblid, da Prinz Georg ihn zu fih heranzog, als einen gleih glüdlihen
für den Auftraggeber und den Betrauten erfcheinen laffen. Raum jemals bat
ein fhöner Bedanfe eine fhönere Derwirklihung erfahren, als der des Prinzen
Georg durch Roebbede. Diefer topirte in vollendeter Weife zunähft „Johanna
von Arragon und den „Jüngling“ von Raffael. Ihnen folgte die Wieder-
gabe zweier hodberühmter Werke, die in Art und Inhalt, Zwet und Tebnif
nit nur von jenen beiden, fondern aud unter fib weit verjchieden find: des
Porträts franz I. von Tizian und desjenigen der Mona Lifa von Lionardo
da Dinci. Die ungebenerlidjte Aufgabe aber wartete noh Roebbete's. Er
follte das unter dem Namen „die beilige familie Stanz I. befannte große
Deutfde Runf.
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Werk Raffael's fopiren. Soeben ift diefe Arbeit beendigt worden und damit
eine Leiftung geboten, der fih wenig an die Seite ftellen läßt. Das im Ge-
danfen fo erbabene Werk des großen Santi geiftig zu beberrfhen, ift fhon
etwas Enormes. Hinzu kommt aber, daß an ihm niht nur zu feiner Ente
ftlebungszeit von febr verfdiedenen Händen malerifh ausgeführt worden ift,
— fo verjhiedenen, daß man ftellenweife geneigt ift, die von dem Engel über
das Chriftfind geftreuten Blumen als von einem Niederländer herrübrend zu
bezeidnen — fondern aud, daß es, duch Nentoilitung befhädigt, die Ueber-
malung wejentlicher Theile mußte über fih ergehen laffen. Lnbegreiflih bleibt
dabei die unzerjtörbare Leuchtkraft der Farbe. Roebbede hat das Werk in
allen Theilen fo vollendet wiedergegeben, daß die alte Redensart Aber das
Original" ihre Beredhtigung verloren hat.
— Monfieur falguiere ift augenblidli der gefuchtefte und am meiften
mit Arbeit überhäufte franzöfifhe Bildhauer. Gn feneller Reihenfolge hat
er die Statuen von Pafteur, Lapigerie, Charcot und Larrey, dem
berühmten napeleonifchen Armee-Chirurg, vollendet, und nun wird er von den
Bürgern von Nimes beftürmt, ein Denfmal von Alphonfe Daudet an-
zufertigen. Da falguiere aber noh an der Balzac- Statue, die unter
fo merkwürdigen Umftänden von Rodin übernommen wurde, zu thun bat,
fab er fic) gendthigt, das ungeduldige Ylimes um einen Fleinen Aufjhub zu
erjuhen. Der fleißige Künftler beabfihtigt, ih nah Beendigung feiner jegigen
Arbeit erft eine Furze Erbolungspaufe zu gönnen und dann mit frifden
Kräften an die Ausführung des Daudet- Monumentes zu geben.
— Mar Rlinger Ift gegenwärtig ausfchließlih als Bildhauer thätig.
Die Ausführung des figenden Beethoven fihreitet langfam vorwärts. Fertig
ift eine fauernde weiblide figur in Marmor, eine zweite ftebende weiblide
Beftalt gebt ihrer Vollendung entgegen. Sie it flant, der ©berkörper ift
nadt und bleibt — ohne Arme. Rlinger bat nämlih diefen Oberförper aus
einer antifen marmornen Treppenftufe gehauen, die er in Briehenland er-
worben bat. An den Schultern, wo die Oberarme anfeken, wird man die
bräunliche Dermwitterung des Marmors fehen. Aud an einer Lampe arbeitet
Rlinger. Der fug ijt ein fohweres Stüd rothbraunen Steine. An ihm
wird ein Relief, Leda mit dem Schwan, aus Marmor angebradt.
— Wilhelm Volz, defen großes Bild ,,Singende Mufen im ver-
gangenen Jahre die Broße Berliner Runftausftellung fdmiidte und wegen
feiner poetifhen Farbenfhönheit allgemein gefiel, ift gegenwärtig mit der
Dollendung eines Werkes befhäftigt, welches einer felten in einer Perfönlid-
feit vereinigten mufitalifhen und bildneriihen Runftbegabung feinen Urfprung
verdankt. Zu einer „faunstomödie", deren Dihtung Albreht M. Bartholdy
nad einer alten Maler Müller'fchen Fdylle fehr glüdlih gefhafien bat,
fomponirte Dolz eine wirkungsvolle Mufif und führte eine Reihe von
Heihnungen als Lithographien aus, von denen ein Theil in der diesjährigen
Miindener ,,Sezeffion ausgeftellt ift. Der Klavierauszug des Singfpiels
wird in vornehmer Fünftlerifher Wusftattung unter dem Titel ,,Mopfus im
Herbft dtefes Jahres bei J. A. Pet in Ronftanz erfcheinen.
— Profefjor Hermann Prell fiebt fid nach Vollendung feiner Wand-
gemälde für den Palazzo Caffarelli fofort wieder einer neuen Aufgabe
auf dem Gebiete der Monumentalmalerei gegeniibergeftellt. Diesmal geht der
Auftrag von Dresden aus, der engeren Heimath des Rünftlers. Das auf der
Brühljen Terraffe belegene Albertinum, die für die bhercliden Stulpturen-
Sammlungen neuerbaute Glyptothe?, befigt ein Treppenhaus, für weldes eine
Ausfhmüdung mit Monumentalmalereien erforderlih erfdeint. Die Rartons
für diefe Fresten bat Prell nod nit begonnen. Soweit bis jegt feftftebt,
wird der Cyflus in einem mädtigen Dedengemälde, den Starz der Titanen
darjtellend, Fulminiren. Prell wird fürs erfte nod niht an die neue Arbeit
berantreten fönnen. Den Winter wird der Künftler in Rom zubringen und
vermuthlidh nod mit der Aufbringung der Edda-Bilder im Palaft der deutfchen
Borjhaft befhäftigt fein. Nah Schluß der Berliner Runftausftellung werden
die Prell'fhen Riefentableaus gerollt und nah Rom überführt. Dort
werden fie in die Wandrahmen eingejpannt und der Riinftler wird now
Mandes zu thun haben, um die bet einem Transport unvermeidliden fleinen
Schäden auszubeſſern. Bei diefer Gelegenheit möge nod eine andere Frage
berührt werden. Man þat vielfadh bedauert und mit Befremden bemerkt, daß
Prell die Edda-Bilder nicht in der Fresfotednif ausgeführt hat. Als Grund
hat man angegeben, daß Dresden den Rünftler zu Gunften des faiferliden
Auftrags nicht hat beurlauben wollen. Gewig hatte Dresden’ nur fdweren
Herzens den gefeierten Monumentalmaler auf drei Jahre — fo lange hätten
eben die Edda-Bilder erfordert — vermift. Aber das war dod niht der
ausfhlaggebende Grund, daß die Faiferligen Wandgemälde in Tempera gemalt
wurden. Das verbot ſich durch die im Palazzo Caffarelli obwaltenden Um—
ſtände. Dieſer Palaſt iſt nämlich auf die Grundmauer des berühmten
kapitoliniſchen Jupiter-⸗Tempels aufgeſetzt. Der alte Jupiter ſträubt ſich gegen
das ihm aufgedrungene profane Epigonenwerk, die antiken Fundamente haben
ihre Tüden, trotz aller Vorkehtungsmaßregeln wanken und weichen fie ge-
legentlich aus der Richtſchnur und kleine Riſſe in den Wänden ſind die Folge
davon. Bei ſolcher Unzuverläſſigkeit der Wände mußte man daher zu einem
Surrogatmittel greifen, denn es ſteht zu befürchten, daß die Cdda-Bilder, wenn
ſie in Fresko ausgeführt würden, über kurz oder lang gründlichſt verunſtaltet
werden müßten.
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