Google
This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project
to make the world’s books discoverable online.
It has survived long enough for the copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to copyright or whose legal copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to {he past, representing a wealth of history, culture and knowledge that’s often difficult to discover.
Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book’s long journey from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken steps to
prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying.
‘We also ask that you:
+ Make non-commercial use of the files We designed Google Book Search for use by individual
personal, non-commercial purposes.
and we request that you use these files for
+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google’s system: If you are conducting research on machine
translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attribution The Google “watermark” you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in copyright varies from country to country, and we can’t offer guidance on whether any specific use of
any specific book is allowed. Please do not assume that a book’s appearance in Google Book Search means it can be used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liability can be quite severe.
About Google Book Search
Google’s mission is to organize the world’s information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers
discover the world’s books while helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the full text of this book on the web
alkttp: /7sooks. google. com/]
Google
Über dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei — eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nutzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|'http: //books .google.comldurchsuchen.
&
a
2
DEUTSCHE ΑἸΠΈΒΤΌΝΒΙ
DEUTSCHE
ALTERTUMSKUNDE
KARL MÜLLENHOFF
ZWEITER BAND
MIT VIER KARTEN VON HEINRICH KIEPERT
BERLIN
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG
1887
.,ι EL SE zn
VORWORT.
—
Der zweite band der Deutschen altertumskunde fand sich druck-
fertig in Müllenhoffs nachlass vor, nicht einmal die anweisungen
für den setzer fehlten. obgleich er das manuscript dem haupt-
inhalt nach in den jahren 1870 und 71 ausgearbeitet, hat Müllen-
hoff es doch auch später nicht aus seiner pflege entlassen, namentlich
1878 und 79 ältere entwürfe zum dritten buch erweitert und noch
1883, kurz bevor seiner tätigkeit ein ziel gesetzt wurde, den ersten
anhang hinzugefügt. auch mancherlei randnotizen und kleine besse-
rungen bezeugen seine andauernde beschäftigung mit dem werke.
Wohl wenige hätten die enthaltsamkeit besessen, was längst
vollendet schien für sich zu bewahren, zögernd in der stillen
hoffnung dass weiteres studium, erneute überlegung oder ein glück-
licher fund hie und da noch fördern könne. um so deutlicher spricht
dies zaudern für die selbstlosigkeit Müllenhoffs, dem es nie um per-
sönlichen ruhm und laute anerkennung, sondern rein um förderung
der wahrheit zu tun war. niemand kann strenger gegen sich selbst
und schwerer mit sich selbst zufrieden sein als er es war, und vor-
nehmlich die hohen forderungen, die er an die eigene arbeit stellte,
wurden ihm zum hemmnis für vorrücken und abschluss und legten
ihm harte worte in den mund, wo er auf leichtfertigkeit zu stolsen
meinte. war unsern vorvätern der krieg ein gottesdienst, so war
ihm das forschen eine heilige sache und mit ganzem herzen hat
er an seiner wissenschaft gehangen. und an seinem volke. ihm
vI M VORWORT.
bat sich die forschung nie vom lcben gelöst, um in ärmlicher,
dürrer genügsamkeit oder hochmütigkeit nur an sich zu denken:
wie er das würken des gelehrten, die bestimmung seiner Deutschen
altertumskunde sich dachte, das zeigt die vorrede zum ersten band.
selbsterkenntnis sollte sie unsere nation lehren und durch das
verständnis der vergangenheit uns den rechten weg der zukunft
weisen. Müllenhoff durfte sich an dies amt des führers wagen.
eine reiche und doch gezügelte phantasie, die bei dem ernsten,
ungelenken manne ferner stehende nicht ahnen konnten, hatte
seine mühsamen studien befruchtet und in ihm ein lebensvolles
bild entschwundener zeiten wiedererstehen lassen, deren gefühls-
und denkweise er ganz begriff. sie uns zu enthüllen, hätte man
ihm eine raschere und gewandtere feder gewünscht und im be-
wustsein dass diese ihm mangele hat er auch der hoffnung sein
lebenswerk zu vollenden von anbeginn entsagt. schon im vertrag
mit dem verleger wurde Wilhelm Scherer zum fortsetzer be-
stimmt, der freilich bald auf andern dunkleren pfaden sein nach-
folger werden sollte. so ist die arbeit den händen der meister
entglitten, und wenn ich mich an sie wage, geschieht es nicht
aus selbstüberhebung, sondern weil Müllenhoff es mir in seinem
letzten willen zur pflicht gemacht hat, mich seiner litterarischen
hinterlassenschaft, auch der Altertumskunde, anzunehmen. inwie-
weit eine fortführung möglich ist, wird ein überblick über das
vorhandene material ermessen lassen.
In der einleitung zur ersten abteilung des fünften bandes
schrieb Müllenhoff im december 1881 über den dritten, er sei in
den vorarbeiten so gut wie ganz, in der ausarbeitung nur zum
teil vollendet. leider nur zu einem geringen teil, doch sind sowol
beträchtliche ungedruckte samlungen und entwürfe als auch be-
reits gedruckte abhandlungen da welche, wie Scherer in seiner ge-
dächtnisrede auf Müllenhoff hervorhob, in den plan des dritten
bandes eingreifen. da er auch ‘auf grund der nachrichten der
Römer und Griechen die ausbreitung und verzweigung der Ger-
manen um den anfang unserer zeitrechnung darlegen sollte’ (V 1),
. VORWORT. ΥΠ
so müssen vor allem die Loci ad illustrandam veterem Germaniam
praecipui in Müllenhofis Germania antiqua und seine vorlesungen
über den besonderen teil von Tacitus Germania (cap. 28—46)
verwertet werden. daher sind wir selbst hier nicht ungünstig ge-
stellt, wo es sich um den schwierigsten der noch fehlenden bände
handelt, und zu den übrigen fliefsen die quellen sogar reich.
‘der vierte und fünfte teil’ fährt Müllenhoff aao. fort ‘hat dann
weiter aus dem zustande, den jene nachrichten (der Römer und
Griechen über die Germanen) uns vor augen stellen, den gang
den ihre älteste entwickelung überhaupt genommen hat nach allen
seiten hin aufzuzeigen‘. er praecisiert das I V dahin dass die
nachmaligen veränderungen im zustande der nation zu verfolgen
und die geschichte der sprache, des volksglaubens und der dich-
tung, der sitte und des rechts, der cultur und verfassung
der Germanen zu den berichten der Römer und Griechen ins
rechte verhältnis zu setzen seien. dass nicht alle diese dinge ein-
gehend behandelt werden sollten, ergibt sich schon aus der
zahl der dafür ausgesetzten bände. da der fünfte die mythologie
in angriff nimmt, der sechste und letzte die ausbildung und die
geschichte des deutschen volksepos bis zur zerstörung des alt-
germanischen wesens vorführen sollte (V 2. I Vff.), so blieb für
die übrigen seiten der nationalen entwickelung nur der vierte
frei und Müllenhoff kann keine andre absicht gehegt haben als
sie nur in grofsen zügen zu schildern. man wird seiner auffas- ᾿
sung nahe kommen, wenn man die vorlesung über den ersten,
allgemeinen teil der Germania, worin keiner der in betracht kom-
menden hauptpunkte fehlt, sich zum leitfaden dienen lässt, wieder
mit hinzunahme gedruckter und einer noch nicht veröffentlichten aber
im wesentlichen fertigen arbeit über die zeit- und himmelseinteilung
der Germanen. der fünfte band wird sich, was die betrachtung der
poetischen Edda anlangt, nach Müllenhoffs colleg über sie weiterführen
lassen, wie denn auch die in der ersten abteilung veröffentlichten
charakteristiken und kritiken über eddische gedichte die frucht oft
wiederholter vorlesungen sind. die composition des bandes hatte sich
vm VORWORT.
unter Müllenhoffs händen durch allerhand einschiebsel gelöst; "band-
wurmartig’ nannte er ihn halb im scherz halb ärgerlich. man
wird, soll nicht der umfang das mafs des ersten und zweiten
bandes erheblich überschreiten, die mythologie, deren grund-
mauern die erste abteilung nur legt, einer zweiten zuweisen müssen.
richtschnur für anordnung und ausführung des systems gewährt
ein Kieler collegienheft, welches nach späteren abhandlungen zu
corrigieren ist: für das heldenepos stehen gleichfalls bekannte
einzeluntersuchungen der wichtigsten sagen zu gebote, dazu die
tief eindringende vorlesung über die Nibelungen und die meister-
hafte übersicht der heldensage welche Müllenhoff in seinem colleg
über die älteste litteratur gab.
So brauchen wir die Altertumskunde und damit eines der
grolsartigsten werke auf dem gebiet der deutschen philologie keines-
wegs verloren zu geben. es ist unser glück dass Müllenhoffs
streben von seinen ersten anfängen an auf eine deutsche altertums-
kunde gerichtet war. alles was er schrieb ist deshalb vorarbeit
für sie und für sie verwertbar. freilich scheint mir, nachdem der
ausdrücklich mit der vollendung beauftragte uns entrissen, die
aufgabe so gestellt dass lediglich die punkte, über welche un-
zweideutige ansichten Müllenhoffs vorliegen, bearbeitet werden
dürfen. wird sich aber auch deswegen die Deutsche altertums-
kunde nicht als jener glänzende und harmonische bau erheben
den Scherer, welchem frei zu schaffen erlaubt und möglich war,
ohne zweifel geschaffen hätte, so kann doch mit den vom ersten
urheber hinterlassenen werkstücken immerhin ein wenngleich nicht
in allen räumen ausgestaltetes, so doch planvolles und festes haus
errichtet werden. es wird auf niemand seines eindrucks verfehlen
oder ihn innerlich ungeordnet dünken und die schüler und ver-
ehrer Müllenhofis in seiner schlichtheit vielleicht um so mehr an
das wesen ihres lehrers erinnern.
Die auf die Altertumskunde bezüglichen manuscripte sind mit
Müllenhoffis gesamtem litterarischem nachlass und seiner bibliothek
VORWORT. IX
aus allerhöchsten mitteln auf befürwortung des herrn ministers für
geistliche, unterrichts- und medicinal-angelegenheiten dr. von
Gossler excellenz und des herrn ministers der finanzen dr. von
Scholz excellenz für das neu errichtete germanische seminar an
der Berliner universität angekauft worden, ein act welcher den
deutschen studien und der verwertung der Müllenhoffschen arbeiten
ausnehmend förderlich sein wird und alle, denen diese dinge am
herzen liegen, zu tiefstem, ehrerbietigstem danke verpflichtet. Dbe-
sonderer dank gebürt auch den herren geheimräten drr. Beseler,
M. Duncker — der nun auch schon dahingegangen — und
A. Meitzen, die in warmer freundschaft für Müllenhoff noch in
seinen letzten tagen eine beihilfe des herrn cultusministers für
die vollendung der Deutschen altertumskunde erwürkt hatten,
welche dann auf Scherer übergieng und diesem bande zu gute
gekommen ist nachdem ich mit bewilligung des vorgesetzten hohen
ministeriums die verwertung des schriftlichen nachlasses über-
nommen. Scherer hatte sich als beistand herrn dr. Otto Pniower
gewählt und er hat mit hingebendem eifer und vollem ver-
ständnis die drucklegung gefördert und die hauptarbeit geleistet.
doch waren es fast nur handlangerdienste, die er und ich zu
verrichten hatten. denn unfertig waren von dem ganzen bande
nur anhang XIV und XV. der beginn des ersteren liegt in mehreren
fassungen vor und am schluss enthält die handschrift noch die worte
‘wie Trier, mhd. Triere’ ohne punkt dahinter. indessen der zweck
des anhangs ist erfüllt und der name Trier sollte — vielleicht mit
anderen — wohl nur noch zu einer exemplification dienen. an-
hang XV vollendete herr dr. Pniower, welcher auch zu anhang I
eine erörterung fügte. beide zusätze sind von Scherer veranlasst
und gebilligt und an den platz gewiesen worden, den sie jetzt
einnehmen. aufserdem habe ich s. 96 unten den verweis auf die
Deutsche litteraturzeitung hinzugefügt, weil die vorangehenden
worte Müllenhoffs recension zu citieren fast nötigten. im übrigen
habe ich alle zutaten, auch correcturen, für unerlaubt gehalten.
das werk war, abgesehen von den bezeichneten geringen lücken,
000 υτὐὐνὰτ οι ν- Mini Due mug: u m
Χ VORWORT.
vollendet und muste als ein fertig hinterlassenes so erscheinen
wie Müllenhoff es schon vor jahren hätte herausgeben können.
dass er noch hie und da geändert und gebessert hätte, ist nicht
zu bezweifeln, erhellt auch aus den randbemerkungen. wo sie sich
leicht in den text verarbeiten liefsen, ist es geschehen, namentlich
in anbang XIII, der nach notizen in Müllenhofis exemplar von
Jagic archiv verbessert werden konnte, unterblieben dagegen sobald
die noten gröfsere umgestaltungen des textes verlangt hätten oder
ihr ziel nicht klar erkenntlich war. ich stelle derartige bemerkungen,
soweit sie irgend von bedeutung, unten zusammen. wesentlich
fördern werden das verständnis des buches die karten welche herr
professor dr. H. Kiepert in gewohnter hilfsbereitschaft beisteuerte.
Als kern des bandes betrachtete Müllenhoff die geschichte der
Kimbern und Teutonen. mit der Gigantomachie vergleicht er die
Kimbernkriege und erinnert daran dass im jahre 1887 zwei jahr-
tausende seit dem ersten zusammentrefien der Kimbern und der
Germanen überhaupt mit einem römischen heere vergangen sein
werden. damals sind wir in die weltgeschichte eingetreten und
keine schönere gabe kann im jubeljahre dieses ereignisses uns ge-
reicht werden als die blätter durch welche der beste kenner unseres
altertums ursache und bedeutung dieser ‘folgenreichsten und grösten
wendung im ganzen leben der nation’ nach allen seiten aufklärt.
Berlin den 11. juli 1887.
Max Boediger.
MÜLLENHOFFS RANDBEMERKUNGEN.
S. 70 mitte bei ‘aus dem finnischen genetiv usw.’ ein fragezeichen. zu
dem s. 85 unten beginnenden absatz mehrere fragezeichen, welche, wie mich
mein college herr professor dr. Brückner freundlich belehrt, auch berechtigt
sind. zu 8. 90 ‘bei der niederlassung der Goten usw.’ lautet eine mit blei-
stift geschriebene anmerkung, die ich erst jetzt entziffern konnte, ‘Spanier in
Mittel- und Südamerica. 8. 97 ein fragezeichen neben der deutung von
Scoringa und der ihr zur seite stehenden bemerkung über Quidilingaburg.
worauf bezüglich? 8. 115 mitte bei Teutoni Teutones die notiz “Veturio
Teutomi f. Pannonio Monuments epigraphiques du musde national hongrois
Buda-Pest 1873 nr. 183°. man beachte dass der name Teutomus ein m, kein n
enthält, sodass der zweck des nachtrags minder deutlich ist als deszu 8. 196f.,
wo für Paemani die möglichkeit einer verschreibung aus Faemani Falmani
erörtert wird. hier hat Müllenhoff hinzugefügt ‘dea Poemana in Lugo in
Gallaecia CIL. 2 nr. 2573. obgleich der name stark an Pomona Poimunie er-
innert, ist er doch wohl ein barbarischer (Jordan in Prellers Röm. mythol.3 1,
455 anm. 2) und könnte nach der lage von Lucus Augusti im nordwestlichsten
Spanien ein keltischer sein (vgl. Kiepert Alte geogr. 481f. 489). ist das der
fall, so darf einerseits an eine änderung des bei Caesar überlieferten Paemani
nicht gedacht, anderseits die göttin als ein beweis für die gallische nationa-
lität der belgischen Germanen betrachtet werden. 8. 210 steht vor dem
letzten absatz ‘Gudacra cf. Ovacra und Warnow’. über die Gudacra oder
Warnow vgl. 8. 372. der name ist mit vacra gebildet wie Ovacra Ocker. über
die Ocker hätte bei der Weser 8. 215 ff. gehandelt werden können. ‘Gudacra’ ist
noch einmal s. 212 neben den letzten zeilen notiert. s. 213 zu beginn des ab-
satzes steht ‘Elster. Inster, litt. Isra’. über die Elster 8. 372, wo der name im
anschluss an Zeuls für deutsch erklärt wird. hieran ist bei Inster litt. Ysr& trotz
der übereinstimmung in der form nicht zu denken und Müllenhoff wollte wohl
nur darauf hinweisen dass aus Insra nach bereits germanischer weise (s. 208)
Instra Inster werden muste. auf anhang XIV ‘Brandenburg und Wien’ be-
zieht sich die im manuscript an anderem orte stehende notiz ‘Sgorzelica Görlitz’.
nach herrn professor dr. Brückner gebürt nemlich nur dieser stadt der sla-
wische, brandstätte bedeutende name und ist Brandenburg erst von dem inter-
polator des XIV jahrhunderts, welcher die so genannte Grofspolnische chronik
XI BERICHTIGUNGEN.
des XIII jahrhunderts um seine etymologien bereicherte und der des deutschen
mächtig war, als eigene übersetzung von Brennaburg (Widuk. 135. II 21) Bren-
danburg (originalurkunde Ottos I von 948) Brandanburg (Adam v. Br. H 14)
aufgenommen worden. ein älterer slawischer name ist nicht nachweisbar. bei
anhang XV ist auf “Tomaschek über die sümpfe zwischen Sau und Drau Zs.
für österreichische gymnasien 1867 s. 710’ verwiesen.
BERICHTIGUNGEN.
S. 10 gegen schluss der ersten anmerkung ist zu lesen Kaswini, 8. 18
mitte 550 breite, 8.75 oben imni-scaris, 8. 210 2. 10 Viadua, s. 249 gegen
ende der ersten anmerkung Durius, 8. 272 an der entsprechenden stelle
Apollonius von Aphrodisias. dass 8. 41 die lesarten gentes rerefennae — gentes
scretefennae über einander gesetzt würden, war nicht zu erreichen. 3.154
z.6 von oben ist hinter 177 ein punkt ausgefallen. s.216 mitte war im an-
schluss an eine notiz Müllenhoffs ätar und »dre (= στὸ nach heutigem brauch)
zu schreiben. einige schwankungen in der orthographie sind durch Müllenhoffs
manuscript veranlast. taf. II sind die Saboci versehentlich als Slawen be-
zeichnet.
INHALTSÜBERSICHT.
DRITTES BUCH
DIE NORD- UND OSTNACHBAREN DER GERMANEN.
ÜFRMANIENS GRENZEN 1—4. der erste satz von Tacitus Germania 1f. ostgrenze
unbestimmt 2—4. Weichsel als grenze 3. mangel einer unterscheidung
der völker 4.
Die nıcHT GERMANISCHEN STÄMME DES NORDENS UND OSTENS 4—103. sitz der Goten,
Rugier, Lemovier 4f. die Suiones 5f. Tacitus nachrichten über den
scadinavischen norden südgermanisch 6. 1l. das geronnene meer und
Scadinavien 6 f.
Die Sitones 6—11. umgestellt in der Germania 7—9. nordnachbarn der
Suiones 9. sind die Finnen 9. fabel vom Frauenreiche 10 f.
Die Aestii 11—34. gesamtname der Preufsen, Littauer und Letten 11.
zeugnisse für den namen, ihre sitze 12—16. Pruzzi ihr slawischer name
141. Eistenname auf die Finnen am finnischen meerbusen übertragen 15 f.
gliederung und ausdehnung der Eisten bei Ptolemaeus 16—26. die süd-
hälfte 16—23. grenze die sumpfregion des Pripjet 22. die nordhälfte
23—26. reichte bis zum finnischen meerbusen 25f. flüsse vom Pregel
bis finnischen meerbusen bei Ptolemaeus 25 f. Tacitus weitere nachrichten
über die Aestier römisch 27. sprache 27f. die Mater deum 28f. inter-
pretatio romana bei göttern 28. lebensweise und character der Aestier
29—31. name 30. glaesum 31. Tacitus rechnet die Aestier zu den Ger-
manen 32—34. ausdehnung der Germanen bei Tacitus 32—34.
Die Veneti (Slawen), älteste schilderungen 34—39. die des Tacitus nach ger-
manischen angaben 39. ebenso bei den
Fenni 39—54. die Finnen in Scadinavien 40—51. schrittschuhe und renn-
tier 44—49. 53. wundermenschen im nordosten 491. die bezeichnungen
Finnen und Qvenen 50—52. urzustand 52f. bedeutung von Finne 53.
ursprüngliche verbreitung der Finnen 54—61. vor den Germanen in
Scadinavien? 54—57. 67. Skadi 551. südgrenze der Finnen und Qvenen
37-61. könig Rodvulfs diathese von Scadinavien 57. 61—67. stellung
der Finnen zu den Slawen 67—77. westliches vordringen der jämischen
Finnen 67—69. gründung von Nowgorod 69f. nordgrenze der Slawen
gegen die Finnen 70 f. alter der stellung 71—77. die Wolga 75 f.
xiv INHALTSÜBERSICHT.
Die Slawen 77—103. grenze gegen die Germanen 77—90. Weichsel ost-
grenze der Germanen 77—79. Ptolemaeus völkernamen auf der rechten
seite der oberen Weichsel 79—81. jenseit der ostgrenze Germaniens im
Karpatenlande 81—85. keine Slawen in diesem während der ersten jahr-
hunderte nach Ch. 85—87. zuerst nördlich und nordöstlich von den
Bastarnen 87 f. eigentliche heimat 89. ausbreitung der Slawen 90. gegen
nordwesten 91--100. wegzug der Germanen aus Östgermanien 91f.
ältester beweis für ausbreitung der Slawen 92. germanische reste, ge-
mischte bevölkerung 921. Ostgermanien bis tief ins VIjh. von den Ger-
manen noch nicht als slawisch betrachtet 93. 99f. 1)nach der ansicht der
Goten 94f. 2)nach der tradition der Donau-Heruler 95—97. die Slawen
rücken zu beiden seiten der Karpaten vor 96. Maurungaland das ver-
lassene Ostland 97. 3) nach der sage der Langobarden 97 f. 4) nach der
überlieferung der Angeln und Sachsen 98—100. Slawen drangen nicht
als eroberer ein 100. erscheinen der Awaren 101. ihnen und den Slawen
der germanische osten überlassen 102 ἴ,
VIERTES BUCH
DIE GALLIER UND GERMANEN.
Die nastannen 104—112. ankunft an der Donaumündung 104. einbruch in
Dardanien 104f. verbündet mit Perseus von Macedonien 105. Polybius
schilderung des volkes 105f. rechnet sie zu den Kelten 106. nach
jüngeren angaben Germanen 107f. beweis aus der sprache 108—110.
‘die ersten Germanen die aus ihrer heimat aufbrachen und in den näheren
bereich der alten culturwelt eintraten’ 110. Ostgermanen von der
Weichsel 110. nach dem psephisma von Olbia verbündet mit den Skiren
von der untern Weichsel 110—112.
Die ΚΙΜΒΒΕΝ uno ΤΕΌΤΟΝΕΝ 112— 321. Kimbernkriege anfang unsrer geschichte,
anfang unsres kampfes mit Gallien und Rom 112. die teutonischen und
kimbrischen namen 113— 121. Teutonus gallisch 113—116. ebenso Cimber 116
—118. aber die personennamen deutsch 118—121. gallisierung der ältesten
deutschen namen 119f. herkunft der nachrichten über die Kimbern und
Teutonen 121—130. hauptquelle der lateinischen Livius 121 f. verhältnis
zu Plutarch 123—126. beide haben Posidonius benutzt 125 f. 129.
Posidonius der Rhodier 126—189. seine wissenschaftliche tätigkeit 126
—129. quellenuntersuchung für den Teutonenkrieg 130-137. für den
Kimbernkrieg 137—151. für das schicksal der Tiguriner 15] 1. auf-
kommen des namens Germanen 153—162. römische zeugnisse 154
—161. a. 73 v. Ch. vorhanden 157. nach altem sprachgebrauch noch
Gallier 157—161. Germanen aufgekommen um 80 oder 75 161. bei den
Griechen und Orientalen später 161 f. Posidonius fortsetzung des Polybius
noch fremd 162. Posidonius über herkunft und heimat der Nordleute
162—189. benutzt bei Strabo 163—-167. die gallische flutsage von Po-
sidonius verworfen, der die Kimbern für die Kimmerier von der Maeotis
INHALTSÜBERSICHT. ΧΥ͂
hält 163—169. zu ersehen aus Plutarch 167—176. sind ein teil der
Keltoskythen 169—171. züge der Kimmerier 171—173. ihr land 172—
176. Posidonius bei Diodor 177—189. er kannte den namen (Germanen
nicht 180. Diodors cap. 82 181—186. Posidonius ansicht von den
Kimbern 186189.
Der name Germanen 189—206. nicht lateinisch 189—191. meinung rö-
mischer gelehrter 191 f. 198—200. Germanen in Spanien 193 f. belgische
194—198. die hypothese über den namen bei Tacitus Germ. cap. 2 198
—200. der name gallisch, vom linken Rheinufer auf das rechte, von
Galliern auf Germanen übertragen 201—203. 206. bedeutung 203. zeit
und ursache der übertragung 203—206.
Die ältesten grenzen der Germanen nach den flussnamen 207—236.
die norddeutschen flüsse 207-227. Weichsel 207—209. Pregel 209.
Oder 209f. Elbe und nebenflüsse 210—215. Weser und nebenflüsse 215
—218. Rhein und nebenflüsse 218—227. orts- und flussnamen auf apa afa
affa im nordwestlichen Deutschland 227—235. bezeichnen die grenze
zwischen Germanen und Kelten 235 f. zurückweichen der Kelten 236.
Die Keltenzüge 236—282. zeitbestimmung 236f. der iberische zug
237—240. richtete sich nur gegen südwesten 238—240. südgrenze der
Kelten bis ins V jahrhundert 240. 243. 246f. die Arkynien und die
Alpen 240—247. kunde von ihnen in Griechenland 240—243. der name
Arkynien gallisch 241. 243. der name Alpen von Italien ausgegangen 241.
seit Hannibals zuge herschend 243. unsicher ob keltisch 243—246.
der italische Keltenzug 247—269. die vorrückenden Gallier ver-
schlingen die Ligurer 247—250. veranlassung, ausgangspunkt, zeit ihres
einbruchs in Italien 250—254. 2581. der bericht des Livius 254—
256. stammt von den Insubrern um Mailand 250. 255f. 258. zug
des Bellovesus über die Westalpen 255—26l. des Sigovesus über
die Ostalpen 261—269. resultat 265. die Boier 265—269. ihr land
am Mittelrhein ausgangspunkt beider züge 268. sitz der Helvetier
26Sf. der zug der Galater nach Griechenland und Kleinasien 269 ---
282. erste einfälle 269—272. herkunft 272—275. mittelpunkt die Volcae
Tectosages 275—279. von ihnen stammt die benennung Walh 279—282.
Der zug der Kimbern und Teutonen 282—303. eine fortsetzung der
Keltenzüge 282. heimat und herkunft 232—290. nach Pytheas 282 f. nach
Posidonius 283f. nach dem gewährsmann des Mela 284. nach Agrippa
284f. nach Augustus 285—287. nach Strabo und Plinius 287. nach
Ptolemaeus und Tacitus 287—289. brachen die Kimbern und Teutonen
gleichzeitig auf? 289f. geschichte des zuges bis zum eindringen
in Italien 290—300. Teutonen völker von der Nordsee, Kimbern
völker von der mittleren Elbe 289. 300. 302f. ursache und bedeutung
der wanderung 300—302.
Excurs zu 8. 177. Posidonius über Gallien und die Gallier 303—310. über
Iberien und seine bewohner 310-318. über die Ligyer 318-320. über
die Tyrrhener 320 f.
ΧΥ͂Ι INHALTSÜBERSICHT.
ANHÄNGE.
I (zu 8.8) Über den südöstlichen winkel des alten Germaniens
322—345. grenze der Germanen gegen Jazygen und Daken nach Plinius
322—324. nach Ptolemaeus 324—333. seine verteilung der völker 324
—331. sein gewährsmann Marinus 331 f. ostgrenze Germaniens von der
Donau bis zur Weichsel 332 f. südostgrenze nach Tacitus 333 f. mit-
teilung des prof. Suels 334f. erörterung von dr. Pniower 335—345.
II (zu s.13) Widland 345—347.
III (zu 8.15) Pruzi 848 ἢ.
IV (zu 8.21) Jatwiagi 349 ἢ
V (zu 8.25) Hossii und Carbones 350 f.
VI (zu 8.25) Vom Pregel bis zur Düna 351f.
VII (zu s.40) Die kota 352f.
VIII (zu 8.45) Rohe kost 353.
IX (zu 8.49) Etiones. Hellusii. Hilleviones 354f.
X (zu s.53) Rind und ross 356.
XI (zu 8.55) Skadesi suolo. Scadinavia 357—361. Skadesi suolo lap-
pische benennung von Scadinavien 357 f. von den Germanen übernommen
und nachgebildet 858 ἢ, Scadinavien ohne n die richtige form 359 —361.
XI (zu 5.57) Gefjon und Gylfi 861 ἢ
XIH (zu 8.89) Donau. Dunavü. Dunaj 362—372. Danuvius mit v die
echte forın des namens, keltisch 362 f. von den Sueben übernommen und
umgewandelt 363 ἢ, zu den Goten, durch sie zu den Slawen gelangt 364 f.
bestätigt durch den so genannten Caesarius von Nazianz 365—369. bei
ihm das älteste zeugnis für den namen Slawen 367f. fabeln über die
völker jenseit der Donau 367—369. herkunft des schriftstellers 369 —
371. nachwort an herrn Kunik 371 ἢ,
XIV (zu 8.98) Brandenburg und Wien 372—374.
XIV® (zu 8.95) Ostgermanien beim cosmographus Ravennas 374f.
XV (zu 8.101) Slawen vor 527 375—383. ansiedelungen von Slawen auf
der Haemushalbinsel in der ersten hälfte des VI jahrhunderts nicht nach-
weisbar 375—379. selbst für ihr auftreten nach aufsen hin kein sicheres
zeugnis vor dem Bulgareneinfall 527 379. aber wahrscheinlich Slawen
schon an den früheren beteiligt 379—384.
Die Slawen von 527—559 384—394 (von dr. Pniower). zeugnisse
334—390. würdigung 390 — 394.
Recister (von dr. Pniower) 395—407.
II.
DIE NORD- UND OSTNACHBAREN DER
GERMANEN,
(fleich der erste satz der Germania gibt ein sehr characteristisches
beispiel von der stilweise des Tacitus. es war der umfang des
eigentlichen Germaniens zu beschreiben und daher anzugeben
dass der Rhein gegen Gallien, die Donau gegen Raetien, Noricum
und Pannonien die grenze bilde, dass diese aber jenseit des flusses
gegen die Sarmaten und Daken zuerst offen, dann durch gebirge
geschlossen sei. es lag dem Tacitus daran dies nicht nur in
einen satz unter ein gemeinsames verbum zusammenzudrängen,
sondern zugleich auch dem ausdruck manigfaltigkeit und energie
und dem satz ein möglichst kunstreiches, symmetrisches gefüge
zu geben, und er hat dies erreicht indem er zunächst dem landes-
namen Germania völkernamen entgegensetzte und dann, um das
individuelle gepräge und die lebendigkeit des ausdrucks noch zu
erhöhen, sich nicht scheute den toten geographischen begriff der
offenen grenze in der ebene mit einem ethischen zu vertauschen
und zwei so verschiedenartige begriffe, wie gegenseitige furcht
und gebirge, zusammen zu bringen*. genau besehen aber bringt
der scheinbar so leichte, blofs stilistische wechsel zwischen länder-
und völkernamen mehr als eine sachliche ungenauigkeit und selbst
widersprüche mit späteren angaben der schrift mit sich, die, so-
bald die blofs politischen benennungen der länder oder provinzen
einfach beibehalten wurden, vermieden worden wären. nach cap. 28.
29. 43 der Germania (vgl. Zeuls 120 -- 124) salsen Germanen auch
in Gallien jenseit und Gallier in Germanien diesseit des Rheines
* vgl. Ammian 17, 12, 12 ‘alter Sarmatis praeerat locorum confiniis et
feritate iunctissimis.’
DEUTSCHE ALTERTUMSKUNDE II. 1
2 GERMANIENS OSTGRENZE
und selbst der Donau, diesseit der Donau auch noch Pannonier
und am allerwenigsten reichten die Raeter, die bewohner der
Alpen, nur die nach ihnen benannte römische provinz bis an den
fluss. Tacitus aber setzte sich nicht allein über diese ungenauig-
keiten hinweg: er liefs sogar von drei provinzen im süden der
Donau eine, das sonst von ihm genannte Noricum (Germ. 5.
hist. 1, 11. 70. 3, 5) oder die provincia Norica (ann. 2, 63) gänz-
lich unberücksichtigt, und zwar geflissentlich und mit vollem be-
wustsein, blofs weil drei namen auf der seite der Donau neben
dem einen an den Rhein weisenden ein allzu unsymmetrisches ver-
hältnis innerhalb des satzes ergaben. die ergänzung der lücke
zwischen Raetern und Pannoniern überliefs er dem guten willen
aufmerksamer und kundiger leser und verlangte dagegen von jedem
das durch ein gleichstellendes ‘et’ gekennzeichnete, dem vorher-
gehenden einfachen ‘Gallis’ durch ‘que’ angeschlossene doppelglied,
entsprechend dem in der zweiten satzhälfte folgenden ‘Dacisque’,
gleich einem einfachen satzgliede aufzufassen. die unvermeidliche
fügsamkeit gegen die tatsachen gewann so den anschein einiger
freiheit in der behandlung des satzschemas, das gleichwohl hin-
länglich gewahrt blieb und deutlich genug hervortrat, insofern die
satzglieder zwischen subject und verbum parweise geordnet, in
jeder satzhälfte je zwei und zwei zusammen, und alle, einzeln und
parweise, abwechselnd zu einander in näherer beziehung stehen:
die pare in gegensätzen, die völker des ersten teiles innerhalb,
die völker des andern aulserhalb des römischen reiches, die beiden
ströme dort, gegenseitige furcht oder gebirge hier als grenze; die
einzelnen glieder aber, die Gallier und der Rhein, die Raeter und
Pannonier und die Donau, die Sarmaten in der ebene und die
gegenseitige furcht, die Daken in und um Siebenbürgen und das
gebirge, im engsten sachlichen zusammenhange.
Gleich der erste satz der Germania gibt also ein einleuchtendes
beispiel, dass Tacitus es mit der trockenen wahrheit und wirk-
lichkeit der dinge nicht eben genau nahm, wann oder soweit sie
nicht den gesteigerten ansprüchen und manieren seines stiles sich
fügte. aufser den mängeln von rein stilistischer herkunft aber hat
seine umgrenzung Germaniens noch eine lücke anderer art. denn
die Sarmaten, die nächst den Pannoniern im offenen felde diesseit
der Donau und vor den Daken im gebirgslande mit den Germanen
zusammengrenzen, können nur die Sarmatac lazuges sein, die
nach Plinius die Daken aus den ebenen bis zur Teis ins gebirge
BEI TACITUS. 3
zurückgedrängt hatten und an der Donau aufwärts mit den Ger-
manen zusammentrafen*. wenn daher Tacitus nach den Sarmaten
und Daken die umschreibung des gesammten Germaniens damit
abschliefst dass das übrige der ocean umgebe, so bleibt die ganze
ostgrenze von den Daken bis zum ocean oder der Ostsee bei ihm
offen und unbestimmt, und in der tat war es seine meinung dass
sich hier keine bestimmte grenze angeben lasse, wie man aus den
letzten capiteln seiner schrift ersieht.
Die früher und später allgemein herschende ansicht war dass,
wie im westen der Rhein gegen Gallien, so im osten die Weichsel
gegen Sarmatien die grenze Germaniens sei, und ungeachtet der
Goten auf der rechten seite des unteren flusses und der Bastarnen
auf der ostseite der Karpaten ist sie kaum weniger angemessen
und richtig als die begrenzung im westen durch den Rhein. wir
finden sie noch vor** dem beginne der augustischen kriege gegen
die Germanen bei Agrippa (dimens. prov. c. 19. 8, Plin. 4 $ 81)
und dürfen sie daher auch für die so zu sagen officiell im römischen
reich durch Augustus, in der Chorographie und auf der weltkarte,
anerkannte halten. sie wurde auch von andern geteilt (Mela 3, 3,
25. 33, Plinius 4 ὃ 97) und noch von Ptolemaeus (2, 11, 4. 6.
14. 15. 20. 3, 5, 2. 5. 20) und den späteren (Jordanes c. 3. 5)
festgehalten. den Weichselmündungen gegenüber setzte man die
grofse insel Scadinavia***, gewis weil man von dort aus zuerst
näher über sie unterrichtet ward. dieselbe vorstellung liegt auch,
wie wir sehen werden, c. 43. 44. 45 der darstellung des Tacitus zu
grunde, aber er nennt weder die insel noch den fluss. er hatte,
wie auch sein zeitgenosse Marinus von Tyrus, der vorgänger des
Ptolemaeus, ganz neue nachrichten über die völker des nordens
und namentlich die drei grofsen östlichen und nördlichen nach-
barstämme der Germanen, von denen selbst Plinius noch nichts
weiter als nach ziemlich unbestimmten, noch wenig verbürgt
scheinenden angaben einzelner 4 8 97 allein die Venedi oder
® s. anhang 1.
46. Weltkarte des Augustus s.25f. — sagt Caesar BG. 6, 25, dass der hereynische
wald im norden der Donau vom Rhein ‘ad fines Dacorum et Anartium’ sich
erstrecke, so liegt schon da dieselbe begrenzung Germaniens zu grunde, da die
Anarter oberhalb der Weichselquelle zu denken sind. s. unten.
φῶς Ptolemaeus 2, 11, 34, Jordanes c. 3; vgl. Plinius 4 $ 96. 97 und Mela
3, 6, 54 und 3, 31—33. der Cosmographus Ravenn. 1, 12. 4, 4. 5, 30 kennt
die insel Scanza nur aus dem Jordanes. ,
1
4 DIE SITONES.
Venedae mit namen zu nennen wuste. die neuen nachrichten
waren, wie schon die namen lehren, von Germanien aus zum teil
unter beihilfe, zum grölseren teile selbst aus dem munde von
Germanen gewonnen, offenbar auf dem wege des bernsteinhandels,
der direct mit der samländischen küste erst in der zweiten hälfte
des ersten jahrhunderts nach Ch. angeknüpft und stätiger betrieben
wurde (DA. 1, 215ff.). aber die neuheit der kunde, die zuerst
einen blick in bis dahin kaum geahnte fernen werfen liels, gestattete
den zweifel ob nicht Germanien nach dieser seite hin weiter reiche
als man bisher angenommen hatte, und ob nicht vorläufig besser
von der herkömmlichen begrenzung hier abzusehen sei. Tacitus
tat dies und gab um so eher dem zweifel nach, je mehr es dem
politischen zwecke seiner ‘schrift entsprach Germanien als gleich-
sam unbegrenzt und ins unendliche ausgedehnt darzustellen; was
er jedoch nur tun konnte so lange die kunde noch nicht durch
vieljährigen verkehr geklärt und gefestigt war. die ungewisheit
aber und der zweifel wurzeln hier schliefslich allein in einer un-
vollkommenen theoretischen oder wissenschaftlichen einsicht, in
dem mangel einer einfachen, festen norm für die unterscheidung
der völker, einem mangel an dem so viele ethnologische nach-
richten und meinungen der alten kranken, durch den auch über
das erste geschichtliche auftreten der Germanen selbst ‚eine so
arge verwirrung verbreitet ist. diese zu zerstreuen sollte unsere
nächste aufgabe sein. die lehrreiche analogie indes, die sich mit
den letzten capiteln der Germania darbietet, empfielt es schon
ihren inhalt näher ins auge zu fassen: die betrachtung wird end-
lich wie von selbst zu dem andern thema hinüber leiten. die
rücksicht aber auf eine reihe späterer untersuchungen macht es so-
gar notwendig im voraus über die stellung und art der grolsen,
nicht germanischen stämme des nordens und ostens ins klare zu
kommen.
Die Goten wohnten nach Tacitus Germ. 43 jenseit d. h. nach
dem bisherigen gange seiner aufstellung, im norden der Lygier
oder Lugier, jener zahlreichen, von dem Riesengebirge bis zur
Weichsel weithin ausgebreiteten völkermenge, aus der nachmals
die Vandalen und Burgunden hervorgiengen; unmittelbar darauf
aber vom ocean ab die Rugier und Lemovier. man kann schon
darnach die Goten nicht wohl anders als innerhalb der grofsen
DIE SITONES. 5
beugung der unteren Weichsel stellen, etwa bis zu ihrer mündung
und gegen das Frische haf, und dann die Rugier und Lemovier
westwärts von der Weichsel unter der Ostsee hin bis zur Oder.
und diesen ansatz bestätigt nicht nur Ptolemaeus, der die Zv-
ϑωνες auf der rechten seite der untersten Weichsel, den land-
schaftsnamen “Povyıov (Rugium) aber nur nach einer falschen com-
bination als ortsnamen zwischen Oder und Weichsel aufführt,
sondern auch die eigne überlieferung der Goten bei Jordanes
c. 4. 17, wonach sie bei ihrer angeblichen ankunft aus Scadinavia
zuerst die Inselrugen (Ulmerugi) von den Weichselinseln vertreiben,
dann deren nachbaren die Vandalen zurückdrängen, endlich später
bei ihrem aufbruch gegen das schwarze meer alsbald eine furcht-
bare, aber von fruchtbaren landstrichen umgebene sumpfregion,
offenbar die wolhynische, passieren und die hälfte ihres volkes
und ihrer habe dahinter zurücklassen musten, während ihre da-
mals noch in den Weichselniederungen daheim gebliebene abteilung
der Gepiden bei ihrem südlichen vordringen gegen die Karpaten
auf die Burgunden gestofsen sei. die stellung der Goten und
ihrer nachbarn und stammesgenossen an der unteren Weichsel
und auf der südküste der Ostsee kann darnach nicht zweifelhaft sein.
Auf diese lässt dann Tacitus c. 44 im ocean selbst, aber ohne,
wie gesagt, die von ihnen bewohnte grofse Scadinavia zu nennen,
die seemächtigen staaten der Suiones folgen. was er aulser der
seemacht und der einrichtung ihrer schiffe weiter von ihnen be-
richtet, trägt den stempel fabelnder übertreibung, die aber bald
sich daraus erklärt dass dem altschwedischen einvaldkönig ganz
Uppsala audr, der reiche Uppsalstempel mit allem zubehör und
allen gerechtsamen gehörte, in dessen umkreis unter seiner leitung
und obhut das höchste fest des landes zur bestimmten zeit be-
gangen wurde und einheimische und fremde von nah und fern zu-
gleich zu friedlichem markt- und handelsverkehr sich versammelten*.
für das alter des nordischen pelzhandels und des überseeischen
verkehrs des südlicheren festlandes mit Scadinavien zeugt Tacitus
Germ. 17 (vgl. Plinius 8 ὃ 39, Jordanes c. 3) in nicht füglich
miszuverstehender weise, und die übertriebene vorstellung von der
macht des schwedischen einvalds kann nur bei fremden Südmännern
entstanden sein, die ihn allein in seiner festlichen herlichkeit und
4. Olafs sag. helg. c. 76 (e. 75 Fiss. 4, 155f. c. 60 Munch) vgl. Yngl. sag
ὁ. 12. 42. Geijer gesch. Schwedens 1, 10, Schmidts 28. für gesch. 8, 234 anm.
6 DIE SITONES,
als verwalter und schirmer des festfriedens kennen lernten. aus
diesem alten festlichen, an grolse volksversammlungen gebundenen
verkehr ist ohne zweifel gleichfalls die meinung herzuleiten dass
der gröfse und ausdehnung Scadinaviens auch die menge seiner
bewohner und die vielheit der völker dort entspreche, die wir
schon bei Plinius 4 $ 96 trefien und auf die sich später die
wanderungssagen der südlichen stämme gründen, die nach ein-
ander von Scadinavien als einer officina und vagina gentium aus-
gegangen sein wollen. je näher beide vorstellungen, die von der
macht des Schwedenkönigs und die von der volksmenge des landes,
mit einander verwandt sind, um so weniger ist daran zu denken
dass, wenn diese letzte erwiesener malsen den Südgermanen ange-
hörte, die andre etwa von römischen händlern heimgebracht sei.
vielmehr dass die nachrichten des Tacitus über den scadinavischen
norden aus dem munde der Südgermanen geschöpft seien, be-
stätigt sich sogleich noch einmal.
Jenseit der Suiones, heifst es zunächst in dem uns über-
lieferten texte der Germania c. 45 weiter, ist ein anderes meer,
träge und beinahe unbeweglich, das den erdkreis umgürtet und
abschliefst. für das geronnene oder tote meer, das Pytheas am
polarkreise eine tagefahrt nördlich von Thule entdeckt, hatte nach
der meinung des Tacitus die flotte seines schwiegervaters im
sommer des j. 84 n. Ch. schon diesseit Thules im norden von
Britannien die ausreichendste bestätigung gefunden (DA. 1, 403 ἢ,
422), und die combination dieses ergebnisses mit den erkundigungen
über den germanischen norden kann nur sein werk sein, mag er
nun den norden von Britannien und Scadinavien auf gleicher
geographischer breite sich gedacht oder gemeint haben, die
römische flotte sei selbst schon ungefähr bis in den rücken der
germanischen insel gekommen; was bei der vorstellung, die die
alten sich von der lage und gröfse Britanniens gebildet hatten,
das wahrscheinlichste ist. dass wo die kunde aufhöre, auch die
welt zu ende sei, ward unbedenklich angenommen: darnach stellte
auch Ptolemaeus die gröste Sxavdi« als eine um 2° nördlich über
der Weichselmündung nach west und ost beinahe gleichmälsig aus-
gedehnte ‘citronenblattähnliche’ insel dar und darnach verfuhren
überhaupt die alten geographen gern, wenn nicht mythen und
fabeln oder ihre eigne phantasie und ahnung einen weiteren
spielraum verlangten. reichten die erkundigungen über die völker
des germanischen nordens nicht über die Suiones hinaus, so konnte
DIE SITONES. 7
Tacitus über ihnen mit gleichem rechte das träge oder tote meer
ansetzen. damit aber an der grenze der schöpfung angelangt
muste die schilderung sich zu dem südlichen festlande zurück-
wenden, und geschieht das mit den worten ‘ergo iam dextro
Suebici maris litore Aestiorum gentes adluuntur’, so ist klar, nicht
nur dass vorher den Rugiern und Lemoviern richtig ihre sitze
linkshin von der Weichsel längs der Ostsee angewiesen sind,
sondern dass überhaupt die schilderung, soweit wir sie bis her
weiter verfolgt haben, von der Weichselmündung ausgeht und
auch dahin zurückkehrt, da alsbald die hauptfundstätte des bern-
steins den Aestiern zugeschrieben wird.
Allein höchst befremdlich wird nach dem langen abschnitt
über die Aestier und den bernstein gleichsam in einer nachschrift
noch hinzugefügt, an die Suiones schlössen sich unmittelbar als
fortsetzung die stämme der Sitones und mit ihnen sei Suebien zu
ende, dessen beschreibung c. 38 mit den Semnonen an der mitt-
leren Elbe begonnen wurde. der gewählte ausdruck ‘Suionibus
Sitonum gentes continuantur’ erlaubt schlechterdings nicht die
beiden völker durch einen meerbusen wie den bottnischen ge-
trennt und die Sitones den Svien gegenüber auf der nördlichen
fortsetzung des rechten ufers des 'suebischen meeres’ neben oder
vielmehr über den Aestiern zu denken: davon dass die küste schon
von den Aestiern an sich in nördlicher richtung hinziehe, hatte
Tacitus offenbar noch keine vorstellung. er muss die beiden völker
für nachbaren und bewohner derselben insel gehalten haben, und
dachte er sich wie Ptolemaeus die insel von westen nach osten
ausgedehnt und die Sitones als ostnachbaren der Svien, so
konnte er allerdings jene den Aestiern auf dem südlichen fest-
lande gegenüber stellen, füglicher weise aber nicht so wie es in
dem überlieferten texte geschieht, dass nemlich die darstellung
zuerst von den Svien bis ans ende der welt vorschreitet, dann
auf das festland zurückkehrt und wieder auf die insel im ocean
überspringt ohne irgend eine andeutung dass ein gegensatz be-
absichtigt sei oder dass sonst ein grund ersichtlich würde warum
dieser seltsame gang befolgt wurde. Tacitus hat bei der auf-
stellung der germanischen ostvölker von den Donausueben c. 41, 42
an bis zu den Svien in verschiedenen absätzen durchaus die rich-
tung von süden nach norden inne gehalten und vertauscht erst mit
den Aestiern, wie das rechte ufer des suebischen meeres an-
deutet, diese richtung mit einer östlichen. der fragliche satz
8 DIE ΒΙΤΟΝΈΒ.
knüpft mit den Svien an jene aufstellung an, und setzen die
Sitones die Suiones fort, so kann er bei dem ‘continuantur’ auch
nur die nördliche richtung im sinne gehabt haben, ‘hic Suebise
finis’ aber bedeutet dann dass mit den Siten im norden das be-
wohnte land hier überhaupt zu ende gehe.
was man kürzlich zur verteidigung der überlieferten ordnung
vorgebracht hat*, beweist nur dass sie sich nicht als die echte
und ursprüngliche behaupten lässt. denn wer wird dem Tacitus
zutrauen, wenn er die Sitones für nördliche nachbaren der Suiones
und folglich auch für die nächsten nachbaren des trägen polar-
meeres hielt, dass er blols aus kindischem verlangen, seine nicht
einmal ganz neue kenntnis vom bernstein so bald als möglich
vorzubringen, jene an der rechten, ihnen dem zusammenhange nach
gebürenden stelle zu ende des c. 44 übersprungen habe, um sie dann
in sachlich und stilistisch gleich widersinniger weise in einer nach-
schrift zu dem c. 45 über die Aestier nachzubringen? nach Tacitus
fand bei den ostvölkern der richtung seiner aufstellung von süden
gegen norden gemäfs eine steigerung der königlichen gewalt statt:
alle wurden von königen beherscht, aber die Goten schon straffer
als die übrigen auf dem festen lande, dann sämtliche staaten
der Suiones nur von einem völlig unumschränkten alleinherscher,
die stämme der Sitones endlich sogar von einem weibe, so dass
sie nach seinem geistreich sein sollenden concetto nicht nur von
der freiheit, sondern selbst von der knechtschaft entartet waren.
niemand, der jemals beobachtet hat und. bedenkt welche berechnung
die ganze darstellung des Tacitus von abschnitt zu abschnitt, ja
selbst von satz zu satz und von wort zu wort durchdringt, wird
glauben dass er selbst sich diese wohl bedachte klimax mutwillig
zerstört und ihre spitze abgebrochen und verrückt habe, und ebenso
wenig jemand begreifen dass ‘die repräsentanten der extremsten
Sklaverei nicht wohl füglich vor den Aestiern besprochen werden
konnten’, da wenn etwas, das gegenteil davon sofort als das allein
schickliche einleuchtet. die klimax lässt nicht mehr daran zweifeln
dass der absatz über die Sitones bis zu ‘hic Suebiae finis’ seinem
ganzen inhalte nach zu der nordwärts vorschreitenden beschreibung
der ostvölker gehört und davon den letzten abschnitt bildet vor
* Baumstark Germania 1876 s. 143 gegen die umstellung, die zuerst von
KMeiser (Kritische studien 1871 s. 49) vorgeschlagen und kurz begründet
wurde.
DIE SITONES. 9
dem absatz über das nordische wendelmeer, und der vorschlag,
ihn vom ende des c. 45 ans ende des c. 44 zu stellen ist sach-
lich und stilistisch gleich gerechtfertigt. nur die notwendige folge
der umstellung, die abänderung von ‘Trans Suionas’ in ‘Trans
Sitonas im anfang des c. 45 mag dem methodisch denkenden
kritiker einige bedenken machen. denn was er herstellt, muss
selbst mit überlegung und durch absichtliche änderung einmal
aus dem texte beseitigt sein, nachdem der unmittelbar vorher-
gehende absatz an das ende des capitels geraten war, die uns
allein überlieferte und fest bezeugte lesart aber, wenn nicht aus
dem archetypus, dem original der im fünfzehnten jahrhundert in
Deutschland gefundenen, alten handschrift, so doch mindestens
aus dieser selbst, von der alle uns erhaltenen handschriften aus-
gehen, herstammen und die versetzung in jedem falle noch älter
sein. doch ein triftiger grund gegen die umstellung wird sich
daraus niemals entnehmen lassen.
Was wir hier zu erweisen suchten, dass nach der eignen, ur-
sprünglichen darstellung des Tacitus die Sitones die nordnachbaren
der Suiones waren, erweist sich nun auch als tatsächlich voll-
kommen begründet und richtig. freilich die benennung des volkes
kommt später nicht weiter vor. es Scheint fast in Sitones nur
ein appellativ misverständlich als name aufgefasst zu sein, als
berichtet wurde dass die jenseit der Suiones sitzenden von einer
frau beherscht würden. Sitones wäre got. sitans altn. setar ahd.
sezzon und aus den compositis ‘altn. atseti Forseti häseti büseti
(Aasen 91°) ahd. anasezzon darf man auf ein simplex schlielsen,
das dem begriff von altn. seta sitzung, sitz und besatzung als
personale und nomen agentis gegenüberstand, das auch das altn.
personale femininum seta, dienerin die unmittelbar neben der
herrin ihren sitz hat, hinlänglich belegt*. — allein wie es sich
auch mit dem namen verhalte, in den Sitones hat man längst die
ehedem nördlich von den Schweden um den bottnischen busen
ausgebreiteten Finnen erkannt**, die von karelischer abkunft wohl
mehr im gegensatz zu den im gebirge hausenden Lappen, als
zum unterschiede der östlicheren, nicht karelischen stämme der
8. es ist zweimal gut bezeugt, NGL. 1, 70. 234, und wird daher von
Fritzner 546b. 654b mit fug von s»ta unterschieden.
** Schlözer Nord. gesch. 8. 483 ff. 489, Zeuls 157. 6S6f. vgl. Dahlmanns
Forschungen s. 449ff. Thomsen Den gotiske sprogklasses indflydelse pä de
finske 8. 11. j
10 DIE SITONES.
Suomalaiset und Hämäläiset mit heimischem namen Kainulaiset
d. i. Nieder- oder Flachländer hiefsen, woraus die Germanen altn.
Kvenir oder Kvznir ags. Cvönas machten und weiter die fabel
von einem frauenlande oder frauenreiche sich entspann, da got.
ginö altn. (kvena) kona (gen. pl. kvenna) ags. cvene cvine (engl.
quean) ndd. quene femina, ahd. alts. quena mhd. kone uxor, got.
quöns altn. kvän kven alts. quän ags. cven uxor, ags. cven auch
femina und selbst regina bedeutete und composita wie ags. Cven-
land oder auch Cvönrice als feminarum terra oder feminarum regio
und regnum aufgefasst werden konnten*. die fabel bei Tacitus
setzt die umbildung des namens ins deutsche schon voraus und
wahrscheinlich ist diese auch in der gestalt eines schwachen, dem
einen femininum also völlig gleichförmigen masculinums gleich-
zeitig den alten bekannt und von Ptolemaeus bei Marinus vor-
gefunden worden”**. die fabel selbst aber, auch wenn sie in Sca-
* be nordan Sve6m ofer hä västen is Cvönland, Älfred Oros. 1, 1, 12
Bosworth; is tö emnes pem (Nordmanna) lande südeveardum on Ödre healfe
bäs möres Svedland öp pät land nordeveard, and tö emnes ham lande nordevear-
dum Cvöna land, das. 1, 1,17 = regnant Sueones usque ad terram feminarum,
Adam. Brem. 4, 14. Aestland — terrae feminarum proxima, 4, 17. circa haec littora
Baltici maris ferunt esse Amazonas, quod nunc terra feminarum dicitur. eas
aquae gustu dicunt aliqui concipere. sunt etiam qui referant eas fieri prae-
gnantes ab his qui praetereunt negociatoribus, vel ab his quos inter se
habent captivos, sive ab aliis monstris quae ibi non rara habentur. et hoc
credimus fide dignius. cumque pervenerint ad partum, si quid masculini ge-
neris est, fiunt cynocephali; si quid feminini, speciosissimae mulieres. hae
simul viventes spernunt consortia virorum; quos etiam, si advenerint, ἃ 80 re-
pellunt viriliter. cynocephali sunt qui in pectore caput habent; in Ruzzia
videntur saepe captivi et cum verbis latrant in voce Adam 4, 19. vgl. 3, 15.
schol. 119 und Paulus hist. Lang. 1, 15 ego referri a quibusdam audivi, usque
hodie in intimis Germaniae finibus gentem harum (Amazonum) existere femi-
narum. noch später fabeln die Araber, Edrisi im zwölften, Kaserini im drei-
zehnten jahrhundert von einem frauenvolke auf einer insel der Ostsee, das,
ähnlich wie die Amazonen der alten, durch sklaven sich fortpflanze. Mehren
in den Annaler for nordisk oldkyndighed 1857 s. 188.
** nach Jordanes c. 3 oder vielmehr des Cassiodors ausdrücklichem zeug-
nis hatte Ptolemaeus sieben und nicht, wie nach unsern ausgaben, nur sechs
völker auf Skandia genannt. es fehlt in dem vulgären texte ganz gegen die
sonst (3, 4, 11. 6, 18, 3. 20, 3 uö.) von Ptolemaeus beobachtete regel das
nördlichste volk. nur die alte, von JÄfsler 1508 in Strafsburg benutzte hs.
des Picus von Mirandola, die allein einen wenn auch nicht unverderbten,
doch unverfälschten text enthielt, überlieferte noch 2, 11, 35 χαεέχουσιν αὐτῆς
τὰ μὲν ἀρχτιχὰ “ευῶνοι, wo freilich der name nicht richtig sein kann, der
alsbald den bewohnern der mitte beigelegt wird. die Xasdswoi im westen ἃ, ἢ,
DIE AESTIL 11
dinavien aus einem scherz entstanden wäre, kann dort doch nicht
geglaubt und als historische, wohl begründete nachricht verbreitet
gewesen sein. sie weist uns noch einmal darauf hin (s. 6) dass
Tacitus nachrichten über den germanischen norden nicht auf un-
mittelbarer anschauung und erkundung von Römern, sondern auf
hörensagen bei den Südgermanen diesseit der Ostsee beruhen, und
daraus erklärt sich zugleich die abwesenheit jeglicher kenntnis
von der totalen nationalen verschiedenheit der Sitones und Suiones,
so dass Tacitus jene arglos mit zu den Sueben rechnete. in beiden
beziehungen aber steht es anders bei den Aestiern.
Dass der name, der bei Tacitus nach der best beglaubigten
überlieferung Aestii lautete*, einer der gesamtnamen war, mit
denen die Germanen ihre drei grofsen östlichen nachbarstämme
unterschieden, dass er folglich neben den weiterhin näher zu be-
sprechenden der Veneti und Fenni den ganzen, uns in drei haupt-
abteilungen bekannten, in sich aber seinem ursprunge nach ein-
heitlichen sprach- und volksstamm der alten Preufsen, Littauer
und Letten umfasste, ist zuerst von Zeufs mit gebürendem nach-
druck geltend gemacht, und die sprachforscher hätten seitdem den
Eistennamen längst wieder in sein altes recht einsetzen sollen,
statt nach einer neuen gesamtbenennung für den stamm zu suchen.
aber der stärkste beweis für den umfang des namens, wenn auch
von Zeufs nicht übersehen, ist doch von ihm keineswegs schon hin-
länglich ans licht gestellt, die bei Ptolemaeus vorliegende, älteste
innere gliederung und räumliche ausbreitung des stammes. unsrer
im südlichen Norwegen (Zeufs 159), die Tovras (l. Γαῦτοι) und Aavxiwves im
süden der insel zwingen die “ευῶνον der mitte und die Paworas χαὶ Φιραῖσοι
im osten für abteilungen der eigentlichen Svear zu halten, und dass Marinus
oder Ptolemaeus daneben noch den gesamtnamen als besonderes volk im norden
über ihnen angesetzt.habe, ist nicht wahrscheinlich und eher anzunehmen dass
er ihn, wie bei den Aestiern, übergangen und statt seiner die specialnamen
genannt hat. graphisch ebenso leicht, als etwa die verwandlung der hand-
schriftlich überlieferten, nördlichen .1evovos in Συέονες, ist die änderung in
Kvivovss, die ich in der Germ. antiq. 8. 134 dreist genug in den text gesetzt
habe; sie ergibt in der tat den dem zusammenhange nach wahrscheinlichsten
und passendsten namen. Kvevwres wäre got. Qinans altn. Kvenar ahd. alts.
Quenon ags. Cvenan.
* s. Germania antiq. s. 42 und Haupts 28. 9, 225.
12 DIE AESTN.
auseinandersetzung schicken wir die bekannten, oft besprochenen,
ältesten zeugnisse für den namen voraus, da auch für sie einiges
anders und schärfer zu bestimmen ist*.
Die Aestier des Tacitus waren keineswegs auf die samländische
bernsteinküste beschränkt: der ausdruck ‘Aestiorum gentes’ weist,
wie Sitonum gentes, Suionum civitates, Lygiorum nomen in plures
civitates diffusum, auf einen weiter verbreiteten, in kleinere völker
geteilten, besonderen volksstamm und über diesen hinaus war den
Römern kein andrer, auch nicht dem namen nach, längs ‘dem
rechten ufer des suebischen meeres’ bekannt geworden.
die Aesti oder Haesti, die Theodorich dem grofsen im sechsten
jahrhundert bernstein als ehrengabe übersandten, befanden sich
noch auf derselben stelle am ocean, wie die Aestii zur zeit des
Tacitus, aus dessen cap. 45 sie damals erst durch Cassiodor
(Var. 5, 2) über die natur ihres landes- oder meeresproducts
unterrichtet wurden. in seiner gotischen geschichte aber gab
Cassiodor (Jordanes c. 5. 17. 23) noch genauer an dass sie die
längste uferstrecke (longissimam ripam) des germanischen oceans
ostwärts von den Weichselinündungen inne hätten, auf deren
werdern jedoch, an der ehemaligen stelle der gotischen Gepiden,
die Vidivarier, ein besonderes mischvolk, sälsen.
im neunten jahrhundert, als die Slawen längst den weiten
raum zwischen Weichsel und Elbe erfüllten und nur den Nord-
germanen der verkehr mit dem volke über die see hin offen ver-
blieben war, kennt es des ungeachtet Einhart (vit. Car. c. 12)
noch unter seinem alten, echt germanischen namen und diesen in
derselben ausdehnung wie ehemals, Aisti neben Sclavi als gesamt-
benennung des einen teiles der südlich von der Ostsee wohnenden
völker ohne rücksicht auf die einzelnen, besonders benannten **.
und wesentlich ganz dieselbe unterscheidung trefien wir zu ende
desselben jahrhunderts noch zweimal bei könig Älfred von
England.
er folgte in seiner allgemeinen beschreibung von Germanien
(Oros. 1, 1, 12 Bosw ) zunächst den aussagen deutscher männer,
wie der name Östs® lehrt, den er nicht einmal in ags. Eästs&
umsetzte und der wahrscheinlich erst im laufe des jahrhunderts
* gelesen in der Berliner academie am 31. juli 1379.
ἘΦ dass ‘et aliae diversae nationes’ bei Einhart so gemeint sind, Sclavi et
Aisti aber die gesamtnamen, ergibt sich da er fortfährt “inter quos vel prae-
cipui sunt, quibus tunc a rege bellum inferebatur, Welatabi.’
DIE AESTI. 13
statt des unbeholfneren Östarsalt (bei Einhart annal. a. 808)
üblich geworden war. auf denselben nachbarlichen verkehr und
zusammenhang, wie diese altsächsische verdeutschung des altnor-
disch-dänischen Eystrasalt*, deutet auch wenn er berichtet dass
ostwärts von den Norddänen, d. h. den Dänen der inseln und des
schonischen festlandes, an dem meeresarm welcher die Östse heifse
die Östi säfsen, aber so dass sie ihn mit den Wenden und den
Burgunden auf Bornholm im norden hätten, während er den
Schweden im süden liege. offenbar ist hier die ganz regelrecht
älterem Aistjus — wie altn hendr got. handjus, altn. drynr got.
drunjus — oder auch got. Aisteis entsprechende altnordische namen-
form Eistr oder Eistir von deutscher seite wie δίῃ. Eystr, Eystir
aufgefasst und so in deutschem munde eine so genannte 'volks-
etymologie’, eine verdeutschung im anschluss an den namen der
Ostsee und in bedeutsamer übereinstimmung mit der östlichen
lage des volkes zu stande gebracht.
dann ist auf dieselbe weise noch einmal die nordische namen-
form misverstanden und statt regelrecht in ags. ste, vielmehr
ganz dem sächsisch-deutschen Östi entsprechend, in ags. fiste oder
Estas und ebenso altn. Eistland in ags. Eästland (Ostland) verwan-
delt in dem von Älfred (Oros. 1, 1, 20) mitgeteilten bericht des
seefahrers Vulfstan über das von ihm besuchte land und volk.
dieser hatte auf der ganzen fahrt von Schleswig zur rechten hand
auf steuerbordseite Wendenland (Veonodland) bis Weichselmünde
(δὰ Vislemüdan). so hiefs in der germanischen schifferwelt damals,
wie nachdrücklich hervorgehoben wird, allein diejenige mündung
durch die die Weichsel unmittelbar, und zwar ‘nordwestlich von
dem Eistmere’, in die offene see gelangte; und wenn es nie eine
andre der art gegeben hat** als die heutige bei Danzig und
Weichselmünde, so kann auch Vulfstan selbstverständlich nur diese
gemeint haben. meldet er dann weiter dass die Weichsel Vitland
und Veonodland trenne und von Veonodland heraus und ins
‘Estmere’ ströme, so ist dies das Frische haf und Vitland not-
wendig die insel, mit der ihr anhängenden, vor dem haf gela-
gerten nerung über der in einen westlichen und einen östlichen,
ins haf ausmündenden strom geteilten Weichsel. Vitland aber ge-
* eg ist der gewöhnliche name in der prosa, Fagrsk. c. 37. 83. 86. Fuss. 1,
100. 6, 23. 8, 30. 64. 11, 15; in der poesie bei Thiodolf von Hvin (Yngl.s
c. 36) findet sich auch Austmarr (Ostmeer).
ἘΦ 8, unten anhang 2.
14 DIE ΑΕΒΤΠ.
hörte den Xisten, und heifst es darauf noch weiter, aus dem Eäst-
lande von osten komme dann die Ilfing aus einem binnensee (mere)
an dessen gestade der von dem seefahrer besuchte handelsplatz
Truso liege, die Weichsel aber von süden aus dem Wendenlande
und nehme die Ilfing auf und beide flössen mit einander ins
fistmere, das Eästland aber sei sehr grofs, so meinte Vulfstan
den im allgemeinen auch 'schon Cassiodor (Jordan. c. 3. 5) be-
kannten dritten Weichselarm, die Nogat mit der Elbing und dem
Drausensee und dieser arm war, wenn auch vielleicht nicht in
seinem untersten laufe, doch weiter aufwärts die grenze des Eäst-
landes gegen das Wendenland. seit dem ersten jahrhundert und
nach dem abzuge der Goten waren also die Eisten weiter nach
westen hin gegen die Weichsel vorgerückt und ihre südgrenze hier
mag schon damals die Ossa bei Graudenz oder selbst die Drewenz bei
Thorn gewesen sein*. sie mögen auch einmal das ganze Weichsel-
delta inne gehabt haben, ehe sie von den Slawen bis auf die
äulserste insel zurückgedrängt wurden: das im sechsten jahrhun-
dert, wie Cassiodor berichtete, noch neben ihnen bestehende
‘mischvolk’ der Vidivarier war jedesfalls verschwunden und im
wesentlichen wohl in sie aufgegangen.
ungefähr hundert jahre später als Vulfstan, im frühling des
j. 997 kam der Ceche Adalbert von Polen her in dieselbe gegend,
ja vielleicht nach demselben handelsort, den jener besucht hatte**,
um den heidnischen ‘Pruzzi’ das evangelium zu predigen. hatte
die bevölkerung inzwischen nicht gewechselt, müssen die Pruzzi
die Esten des Vulfstan und mindestens ein teil der Aestii des
Tacitus sein. der bisher unbekannte, dem volke selbst ursprüng-
lich, wenigstens seinen ältern germanischen nachbaren gegenüber
gänzlich fremde name ist ohne zweifel von slawischer herkunft. er
wird zuerst von Polen aus bekannt und, wie der Eistenname in
fast allen zeugmissen seit Tacitus, scheint er sich vorzugsweise auf
den westlichsten, den Polen nächsten zweig des eistischen stammes
zu beziehen. allein dass ‘Pruci’ bei den Slawen, ebenso wie Aisti
* wenn nemlich das Kulmerland nebst der Löbau und Yem lande Sassen
wirklich einmal von Preufsen bevölkert war, was nach den ortsnamen bei
Töppen Geographie von Preulsen 8. 9f. — aufser Sassenpile in Löbau — und nach
dem ausdrücklichen zeugnisse des chronisten Dusburg (Zeufs 676 anm.), dass
in der Löbau die polnische sprache hersche, hier dahin gestellt bleiben mag.
ἘΣ LGiesebrecht, Wendische geschichten 1, 290f. — nach der von
WGiesebrecht gefundenen gleichzeitigen vita (Neue preuls. provinzialbl. 1860.
5, 55fl.) biefs die stadt freilich Cholinum.
DIE AESTIL. 15
nach unserer meinung bei den Germanen, einmal den gesamten
stamm umfasste, ist dennoch gewis genug*: erst mit dem drei-
zehnten jahrhundert durch die eroberungen der deutschen ritter er-
hält er eine engere territoriale, aber, wie wir sehen werden (s. 19f.),
keineswegs eine streng nationale, ethnische begrenzung dass er
dem begriffe entspräche, den wir jetzt vom wissenschaftlich sprach-
lichen standpunkte aus mit ihm verbinden. die slawische benen-
nung aber gelangte zur herschaft weil offenbar der Eistenname
mit dem zehnten jahrhundert bei den Deutschen gerade auf der
seite verschollen oder aufser gebrauch gekommen war, wo er uns
zuerst und in sämtlichen bisher besprochenen zeugnissen seit
Tacitus am bestimmtesten entgegen tritt.
allein schon seit dem neunten** oder doch wenig später sehen
wir ihn noch bei den Nordgermanen auf der ganz entgegenge-
setzten seite haften, Eistland an der landschaft im süden des
finnischen meerbusens und das ethnicum Eistir an ihren finnischen
bewohnern, denen er dann nicht ohne die mitwirkung deutscher an-
siedler bis auf den heutigen tag verblieben ist, ohne jedoch hier
* 5. unten anhang 3.
** wenn anders Thiodolf von Hvin der verfasser des Ynglingatals ist, wo
es heifst Yngl.s. c. 86 her Eistneskr at hilmi νᾶ, oder wenn der alte schwe-
dische lagmann Thorgnyr (c. 1015) nicht den sprachgebrauch seiner zeit in
die zeit seines grolsvaters überträgt, indem er sagt dass der Uppsalakönig
Eirik Eymundarson (} 885?) in seinen besten jahren lagdi undir sik Finnland
oc Kyriale, Eystland oc Cürland oc vida um Austrlönd, Snorra OSH. c. 8]
Holm. c. 65 8. 68 Munch, Fuss. 4, 162. früh ins zehnte jahrhundert führt mit
voller sicherheit Fagrsk. c. 28 ‘svä segir ok Glämr Geirasunr ἃ sinu kvedi at
Eirikr (Blödöx) herjadi, ἐγ en Haraldr konungr andadisk (c. 933), sudr viä
Halland ok Skäni ok vida um Danmörk, ok alt för hann um Kürland ok Eist-
land, ok mörg önnur lönd herjadi hann i Austrvegum.’ auch Harald Hhviti,
Eiriks bruder, fiel ἃ Eistlandi, Snorra HSHarf c. 33. 34 Holm. = Fıs. 1, 7.
4, 9. 10, 196. über Olafs Tryggvasons ({ 1000) jugend in Eistland 8. Ägrip
0.14. 15 (Fus. 10, 391), Odds OST. c. 6, Snorra OST. c. 5. 6 Holm. (ἔμ. 1, 77£.)
udglm. — Adam von Bremen 4, 17 über Aestland 8. oben 8. 10. dass die Dänen
Samland oder Preulsen auch noch in späteren jahrhunderten Eftland genannt
hätten (Voigt Gesch. Preufsens 1, 298. 299), wird durch stellen, wie diese
aus den annales Ryenses (Langebek 1, 159. MGSS. 16, 399) “Gamelaeknut —
Angliam subjugavit: Esthonicam etiam gentem subdidit’ oder aus Langebek
2, 427 ‘segja Danskir menn at Knütr konungr vann under sek Zistland’
udglm. nicht bewiesen, da Knut auch nach Saxo p. 565 Müll. ‘Sembicis atque
Esthonieis illustrem trophaeis adolescentiam egit’ und nach p. 573f. ‘Curorum
Sembonumque et Estonum regna delevit’, vgl Fus. 11, 216. 226. Saxos Hestia,
Estia, Estones sind nichts anderes als die Estonia und kstones Heinrichs des
Letten und das Eistlant und die Eisten der Livländischen reimchronik.
16 DIE AESTII.
im volke selbst, das sich Maarahvas, landvolk nennt, wurzel zu
fassen und seinen fremdartigen charakter zu verlieren. für jene
fortdauer und die anwendung des namens auf einen ganz andern
stamm als südwärts an der Weichsel und Memel gibt es schwer-
lich eine andre erklärung als dass die Scadinavier auf der ihnen
gegenüberliegenden küste der Ostsee auch am finnischen busen
wirklich einmal echte Eisten gekannt haben und den landesnamen
beibehielten, als die bevölkerung wechselte, dann auch das ethni-
cum allmählich auf die neuen bewohner übertrugen. in den süd-
licheren küstenlandschaften bis gegen die Memel und weiter nehmen
noch zu anfang des dreizehnten jahrhunderts bei Heinrich dem
Letten die finnischen Kuren und Liven, und selbst im norden die
Esten den Letten und übrigen Eisten gegenüber ganz die stellung
und haltung feindseliger, gewalttätiger eindringlinge ein*, und an
der folgerung die sich hieran knüpfen lässt, dass die Eisten zuerst
nur aus der nördlichen landschaft von den Finnen zurückgedrängt
seien, wird man um so eher festhalten, wenn sich aus Ptolemaeus
beweisen lässt dass ihr Gebiet wirklich ehemals bis an den fin-
nischen busen reichte.
Es ist hier noch nicht der ort auf die kritik der ptole-
maeischen thesis des europaeischen Sarmatiens näher einzugehen
und ausführlich darzulegen wie darin das verschiedenen und doch zum
teil gleichartigen, griechischen quellen entnommene material zu-
sammengehäuft und benutzt wurde um den zur verfügung stehen-
den raum bis zum 61° n. br. mit völkernamen auszufüllen. gerade
von den am weitesten nach nordwesten, bis gegen die Ostsee hin
vorgeschobenen ist es am wenigsten zweifelhaft dass sie vom
Kaukasus und Ural herstammen**, und es wird daher die notwen-
digkeit einleuchten von diesem hirngespinst gelehrter, aber unme-
thodischer, ja gewissenloser combination sich los zu machen, wenn
es gilt den umfang der nachrichten zu bestimmen, die Marinus
von Tyrus von westen her durch die Römer erhalten hatte und
die diese für ihn, ebenso wie für Tacitus, hauptsächlich auf dem
wege des bernsteinhandels erworben haben müssen. da die her-
kunft und verschiebung der östlicheren namenmassen an allen
* Koskinen Acta societ. scientiar. Fennicae (Helsingfors 1866) 8, 2, 398 ff;
nur sind die worte der livländischen reimchronik v. 1826f. ‘die Letten wolden
schande hän, si envahten umbe pris’ übel misverstanden.
** s, Monatsberichte der Berliner academie 1866 8. 9.
BEI PTOLEMAEUS, 17
entscheidenden hauptpunkten feststeht, so fällt die aussonderung
jener nicht schwer und glücklicher weise am wenigsten in dem be-
reiche, auf den es uns zunächst ankommt, in dem umkreise der
Goten und von ihnen abwärts an der Ostsee.
es springt aber sofort in die augen dass die gelehrten geo-
graphen mit einem teile dieser römisch-germanischen nachrichten
nicht gewissenhafter umgegangen sind, als mit denen aus dem ent-
legneren osten. die Οὐενέδαε werden bei Ptolemaeus als eins der
sieben oder, wenn man richtiger die pare als einheiten zählt, als
eins der vier ‘grösten’ völker aufgeführt, die so zu sagen die eck-
pfeiler seines Sarmatiens diesseit des Tanais bilden, und ihnen
wird als wohnsitz vor allem ein uferstrich angewiesen, der in
gerader richtung unter dem 56sten breitegrade rechts von der
Weichselmündung durch fünf längengrade bis zu einem flusse
Χρόνος — das wäre von Weichselmünde bei Danzig bis gegen die
mittlere Memel — ‘neben dem ganzen venedischen busen’ hin und
über einem einen breitegrad südlicheren, dem ‘busen’ vermutlich
parallel laufenden gebirge, ‘den venedischen bergen’ sich hinzieht.
unter ihnen sitzen dann erst die Goten (IvJwves) und darauf die
®ivvo, als eins der ‘kleineren völker’ an der Weichsel aufwärts.
hier ist ans osten westen gemacht, offenbar weil der aufbau des
eigentlichen Sarmatiens für die Οὐενέδαν und ®ivyvor im osten
keinen raum mehr übrig liels; die vertauschung aber von norden
und süden, durch die die beiden volksstämme schliefslich an stellen
geraten sind, wo nach menschlichem erinnern und ermessen weder
der eine noch der andre jemals gesessen hat, würde man nur
dann lediglich einem unglücklichen zufall schuld geben können,
wenn der irrtum nicht mit überlegung dem system der karte an-
gepasst, aus den Finnen mit bedacht eine ‘kleinere’, untergeordnete
völkerschaft gemacht und den Wenden mit unverantwortlich dreister
erfindung ein wohnsitz hergerichtet wäre, für den in der wirklich-
keit alle und jede bedingungen fehlen. es versteht sich von selbst
dass vom standpunkte des germanischen oder gotischen berichter-
statters aus, von dem zuletzt diese nachrichten herrühren, die
Ovsvsda: und ®iyvos wieder in dieselbe östliche und nordöstliche
lage wie bei Tacitus zu bringen sind. daraus ergibt sich aber
weiter dass, wenn derselbe berichterstatter die den Goten näher
wohnenden völker einzeln bei namen, die beiden entfernteren
grofsen oststämme dagegen nur summarisch unter ihrem gesamt-
namen aufführte und so von jenen unterschied, jene eben nur die
DEUTSCHE ALTEKTUMSKUNDE IL. 2
18 DIE AESTII
Aestii des Tacitus sein können, und wir dürfen ferner schliefsen
dass er mit seiner aufzählung den ganzen ihm bekannten umfang
und inbegriff des stammes angeben wollte.
Das ‘grofse volk’ der Veneden war nach Ptolemaeus meinung
keineswegs ganz auf den küstenstrich zwischen der Weichsel und
dem Chronos beschränkt. er liels die küste vom Chronos auf 56°
n. br. an allmählich bis zum 60° und weiter nordwärts aufsteigen
und das ‘neben dem ganzen’ (παρ᾽ ὅλον), dadurch gebildeten ‘vene-
dischen busen’ verbreitete volk nicht unbeträchtlich auch noch
über den fluss hinaus reichen. ohne das wäre ganz unverständlich
dass unterhalb der Veneden nicht nur die Goten, sondern auch
noch die Takivdas καὶ Zovdwoi καὶ Σταυανοὶ wohnen sollen, von
denen sich diese wieder an eins der ‘grösten völker’ im innern,
an die weither aus dem osten vorgeschobenen "Aiavvoi Σχύϑαι
anschliefsen, deren lage durch ein auf gleicher breite (55°) mit
dem venedischen, aber um sechszehn grade östlicher (auf 62° 80)
belegenes 'alaunisches’ gebirge näher bestimmt wird. die vier völker
erstrecken sich demnach von der Weichsel auf 45° l. ostwärts
gleichmäfsig durch etwa 16 längengrade, so dass nach der meinung
der geographen ohne zweifel auf jedes ungefähr deren viere
kommen und auf keinen fall die Zravavos willkürlich von der reihe
“ getrennt (Zeufs 271) und zu dem gefolge der ’AAavvoi gerechnet
werden dürfen. in der ganzen breite südlich unterhalb der drei
letzt genannten völker sollen dann die ᾿Ιγυλλίωνες sitzen, dagegen im
norden jenseit der Veneden die Οὐέλται und am weitesten gegen
norden die Ὅσσιοε und Kapßwves nur an der küste des oceans,
aber offenbar nur weil die masse der in ihrem rücken angehäuften,
östlichen völker sie dahin gedrängt hat. fallen diese hinweg, so
ist jenen selbstverständlich ungefähr dieselbe ausdehnung über den
drei völkern, wie den Igyllien unter ihnen beizumessen. die ge-
nauere bestimmung und fixierung der ganzen aufstellung bietet
überhaupt keine grofse schwierigkeit, sobald man von den zutaten
der systematiker, der stellung die sie den Veneden und Finnen
anweisen und ihren länge- und breitegraden absieht oder diese nur
neben den übrigen in betracht kommenden momenten in betracht
zieht.
Den ausgangspunkt für die aufstellung bilden die germa-
nischen Goten, die, wenn die Veneden ihren erträumten platz an
der Weichselmündung räumen, notwendig hier für sie ihrem
sonst (s. 4f.) auch wohl verbürgten rechte gemälfs eintreten
BEI PTOLEMAEUS. 19
und damit als herren längs der ganzen rechten seite des unteren
flusslaufes da stehen. das bernsteinland beherschten sie entschie-
den nicht. der Pregel jedoch führte bei ihnen, wie es scheint,
einen besondern deutschen namen, Guthalus bei Plinius 4 $ 100,
und dass sie dem flusse von westen her mindestens ziemlich nahe
kamen, muss man schon annehmen weil Ptolemaeus auch auf sie
eine länge von wenigstens vier graden rechnete und die mündung
des Chronos von der Weichsel fünf grade ab setzte, da die über-
treibung in beiden fällen auf gleiche weise zu berichtigen ist und
der Chronos der Pregel sein muss, falls die elemente seiner karte
nicht lediglich erfindungen sind. eine natürliche grenze, die Ger-
manen und Aestier scharf geschieden hätte, gab es zwischen
Weichsel und Pregel nicht, aber in dem gebiet der südlichen zu-
flüsse des Pregels und der letzten des Frischen hafs müssen beide
volksstämme wohl einmal zusammengetroffen sein.
Der im neunten jahrhundert in Spanien bei den nachkommen
der Westgoten auftauchende name Galindus oder Galindo* be-
wahrte noch eine erinnerung an die alte nachbarschaft der Goten
und Galinden. im dreizehnten jahrhundert zur zeit der eroberun-
gen des deutschen ordens knüpfte er sich an eine nicht unbedeu-
tende landschaft in der umgebung des Spirdingsees, die sich etwa
von dem quellflüsschen der Alle ostwärts bis zum Lyck und von
der noch heute bestehenden polnischen grenze nordwärts bis zur
Goldapp hinzog**. allein diese späteren Galinden standen ebenso
wie ihre westlichen und nordwestlichen preufsischen stammesge-
nossen und ihre südlichen slawisch-ljechischen nachbaren in Maso-
vien ganz oder doch zum grösten teile unzweifelhaft auf ehemals
gotischem boden. für den ptolemaeischen berichterstatter existierten
selbstverständlich die Veneden am Pregel ebenso wenig als an der
untern Weichsel. seine Galinden als ostnachbaren der Goten be-
herschten daher vor allen dingen das bernsteinland und wohnten
vermutlich dann zu beiden seiten des Pregels aufwärts und in
südöstlicher richtung bis gegen die Sovdivoi. sie sind eben die
nachmaligen Preufsen in dem engern, eigentlichen sinne, den wir
* der bischof Prudentius von Troyes, der die reichsannalen von 835 bis
zu seinem tode im j. 861 fortführte, war von geburt ein vornehmer Spanier
mit namen Galindo (vgl. Zs. 21, 76. 83), und von der späteren fortdauer des
namens in Spanien kann jeder sich schon aus Jöchers Gelehrtenlexikon über-
zeugen.
** Töppen Geographie von Preulsen 8. 27ff. vgl. 76f.
9%
90 DIE AESTII
vom sprachlichen staidpunkt mit dem namen verbinden. wenn
diese Preufsen in ihrer verbreitung nach dem abzuge der Goten
geteilt unter besonderen landschaftlichen namen erscheinen und die
alte gemeinsame benennung Galinden nur auf eine zu einem
grofsen teile wohl erst neu gewonnene landschaft sich beschränkt,
so ist das nicht wesentlich anders als wenn wir seit dem achten
jahrhundert im süden der Lippe einen Borahtragau finden, das
alte volk der Bructerer aber auf der nordseite des flusses ver-
schwunden zu sein scheint. aufserdem aber hat sich nur ein ganz
gewöhnlicher vorgang wiederholt, wenn die masse des volkes gegen
die Weichsel und bis zur Ossa oder Drewenz (s. 14) vorrückend
ihre alten wohnsitze am Pregel hinter sich zum grösten teile nach-
rückenden stammesgenossen preis gab.
Wie die Galinden, so kehren auch die Σουδενοὺ in der spätern
‘preufsischen’ zeit wieder, nur unter einer etwas veränderten
namenform. das land Sudauen ward im westen durch den Lyck,
die Lepone und Szeszuppe, im norden und osten durch die Memel,
im süden durch die Narew begrenzt*. hier zeigt sich indes dass
der name Preufsen für den deutschen orden gar nicht die enge
ethnische bedeutung hatte wie für uns nach mafsgabe der sprache
oder des dialects (s. 15). die nördliche hälfte von Sudauen und
die nordwestlich anstofsenden preufsischen landschaften Nadrauen
und Schalauen an den zuflüssen des Pregels und an der Memel
abwärts bis zum kurischen haf sind seit jahrhunderten und nicht
erst unter der ordensherschaft (Töppen s. 34 ἢ) von Littauen be-
völkert und zwar herscht in den östlichen oder südöstlichen ge-
genden dieses gebiets nicht allein auf der preufsischen, sondern
auch auf der russisch-polnischen, eigentlich sudauischen seite**
jener altertümlich ‘hochlittauische’ dialect der die grundlage für
die kirchen- und schriftsprache der protestantischen Littauer
Preufsens hergegeben hat, während nach dem haf hin die sprache
mehr ihren altertümlichen character verliert. dies verhältnis und
dieser zusammenhang ist uns begreiflich wenn die nordwestlicheren
striche einmal von südosten her ihre littauische bevölkerung er-
halten haben, und war dies schon vor der ankunft der deutschen
ritter geschehen, so ist anzunehmen dass die Littauen hier nur
an die stelle der nach südwesten in die ehemals gotischen land-
* Töppen 880. 8. 291. vgl. 102.
ἘΦ Kurschat Gramm. 8. 9f. Schleicher Gramm. 8. 4 f.
BEI PTOLEMAEUS. 21
schaften abrückenden ‘Preufsen’ oder Galinden getreten sind, die
jenseit des Pregels nur das Samland für sich behielten. im
übrigen spricht nichts dagegen oder vielmehr alles dafür, die
ptolemaeischen Σουδενοὶ sich in derselben lage und stellung wie
die ‘preufsischen’ Sudauen zu denken.
Dies vorausgesetzt umfasst der späterhin unbekannte, aber völlig
unverdächtige und gewis unantastbare name Sravavoi* die öst-
licheren Littauen jenseit der mittleren Memel zwischen der Wilia
und oberen Memel etwa bis zu der gegen Weilsrussland sich hin-
ziehenden sumpfstrecke oder bis zur Beresina**. freilich soll
heutzutage die littauische sprachgrenze hier schon bis über Grodno
und Wilna zurückgedrängt sein, allein nach zeugnissen, deren
glaubwürdigkeit füglich nicht in abrede gestellt werden kann***,
* die weder geographisch noch lautlich gerechtfertigte combination mit
Schalauen Scalowia, Scalowitae wird von Zeufs 271 mit recht zurückgewiesen.
die scheinbar leichte änderung in Ziavavoi (= slaw. Slowene oder litt. Si6w-
uai die berühmten, vortrefflichen?) ist unzulässig weil ein Grieche niemals 24
im anlaute geschrieben hätte. graphisch nahe läge ZT44- statt ZT Avavoi,
aber die Griechen schrieben lieber Σϑλάβοι, Σϑλαβινοί oder Σχλάβοι, Σχλαβηνοί,
Σχλαυηνοί; sich für Zrlavevo, auf deutsche vermittelung zu berufen (Schafarik
Altertumsk. 1, 208f. 2, 88) ist ungereimt, da die Germanen kein anlautendes
stl kennen. man könnte endlich χαὶ cravaros aus χαὶ Asıavavos in scriptura
continua entstanden denken, wie zb. bei Ptolemaeus 2, 9, 11 οὗ δομάνδυες
aus οὗ ovspouavduss udglm. aber dass der name später unbekannt ist, kann
doch kein grund sein ihn für verderbt zu halten und mit änderungen zu ver-
folgen, von denen die eine sich so unzulänglich wie die andre erweist. kann
Zravavos zb. nicht ganz wohl die positur oder stand haltenden bedeuten?
ἘΦ wenn freilich Zeufs 680 die Beresina und andre punkte als grenzen von
Littauen angibt, so übersieht er dass Dlugoss nur die politischen grenzen des
grofsfürstentums seiner zeit im sinne hat.
**® nach Kurschat (Gramm. 8. 2 nebst der karte), der um sich über die
südöstliche ausbreitung des littauischen zu vergewissern im spätherbst 1874
von Kowno nach Wilna reiste, ‘lauteten die eingezogenen nachrichten durch-
weg übereinstimmend dahin dass über die angegebene östliche grenze hinaus
kein littauisch mehr gehört werde’. aber auch wenn Kurschats gewährsmänner
auf dieser reise andre waren als auf der früheren von Tilsit nach Riga (Litt.
wb. s. ıx), so ist ihre zulänglichkeit doch zu bezweifeln. nach statistischen
russischen ermittelungen vom j. 1834 (Töppen aao. s.41f.) war allerdings eine
littauische bevölkerung im kreise Oszmiana, bis wohin Bielenstein (Lett. spr.
1, 17) sie reichen lässt, ‘unbekannt’; dagegen war sie südlicher, wenn auch
nur schwach, im kreise Lida und sogar südlich vom Niemen noch im kreise
Grodno und Sslonim vertreten, und gewis sind damit doch nicht einzelne zer-
streute ansiedler und einwanderer gemeint. die Slonenses rechnet auch Diugoss
99 DIE AESTII
΄
wohnten Littauer bis auf unsre zeit vereinzelt und zerstreut selbst
noch in Schwarzrussland südlich von der oberen Memel, und auch
wenn dies nicht der fall wäre, müste man doch die Russen in
diesen strichen bis zur Beresina für spätere eindringlinge halten.
dieselbe mundartliche abstufung, die wir schon für das littauische
diesseit der Memel hervorgehoben haben, wiederholt sich inner-
halb des littauischen überhaupt und ebenso des lettischen in der
richtung von süden oder südosten gegen nordwesten (Bielenstein
Lett. spr. 1, 17) und spricht aufs deutlichste dafür dass die aus-
breitung des gesamten stammes von süden oder südosten her vor
sich gegangen ist. die folgerung ist daher unvermeidlich dass die
sumpfregion des Pripjet einmal seine natürliche südgrenze und die
erste basis seiner ausbreitung war, von der er nur durch die
Russen abgedrängt wurde.
Diesen ältesten bestand seiner verbreitung aber hatte der
ptolemaeische berichterstatter noch vor augen, wenn er unter die
Galinden, Sudinen und Stavanen, also in die landschaft südlich
von der obern Memel bis zu den sümpfen die ᾿Ιγυλλίωνες setzt.
auch ihr name ist später unbekannt, aber ganz gewis nicht (mit
Zeuls 677) mit einer graphisch allerdings nicht eben schwierigen
änderung* von ’ITYAA- in ’ITYITiwoves dem der in slawischen
jahrbüchern einst viel genannten und übel berüchtigten Jatwingen
anzunähern. die Jatwiazi, Jatwiagi der Russen, die JacwieZi -iegi
(Jadzwingowie) oder nach ihrer lage benannt die Podlaszanie
(Pollexiani) ἃ. i. Unterwaldener der Polen sind von ‘preufsischer’
seite angesehen und benannt eben keine andern als die Σουδινοὶ
oder Sudauen (Töppen 5. 818). der name Jatwingen reichte
allerdings weiter als die 1283 von den deutschen rittern unter-
worfene landschaft Sudauen, ja wie es scheint einmal auch über
(Zeufs 678) wie die Pruthenos und Jacuingos zu den Pruthenici tractus bar-
baris. und vgl. hiezu noch unten anhang 4 zu 5. 23.
* das schwanken zwischen y (r) und r in den hss. des Ptolemaeus,
z. Ὁ. in Βουγούντων Βουτούντων, Aovyıoı “ούτιοε (Germ. antiq. 8. 128) kommt
freilich nicht in betracht wo der fehler schon in der überlieferung feststeht
und leicht schon aus den wiederholten ausgaben der diorthose des Marinus
herrührt. ein solcher fehler aber ist bei Ptolemaeus 2, 11, 21 Kuyvos statt
Κώτνοι --- Cotini (Haupts 28. 9, 244) und so kann auch ’ITY— aus ἸΤῪ ---
und aufserdem 44 aus TT' oder NI' verlesen sein. 4.4 könnte auch möglicher
weise NT sein und 80 ᾿Ισυντίωνες den mittelalterlichen auffassungen des namens
Iacintiones (Jentuisiones) Getuinzitae (Zeufs aao.) gleich kommen.
BEI PTOLEMAEUS. 93
das ganze gebiet der Stavanen und Igyllien*. aber was berech-
tigte wohl diese spätere, vor allem bei den Slawen übliche gesamt-
benennung neben der ‘preufsischen’ bei Ptolemaeus anzusetzen?
bei ihm sind die Σουδενοὶ, Σταυανοὶ und ᾿]γυλλίωνες drei land-
schaftlich verschiedene völker oder abteilungen eines volksstammes
und "ZyvAlioves hebt vielleicht auch nur diese verschiedenheit her-
vor und ist wie so manche slawische, aber auch littauische und
preufsische ethnica blofs von einem landschaftsnamen herge-
nommen**”. wird den Jatwingen ein dem preufsischen und littau-
ischen zwar nahe verwandtes, aber doch von beiden mundarten
abweichendes idiom beigelegt (Zeufs 674. 678), so muss es sich
vor allen dingen durch gröfsere altertümlichkeit ausgezeichnet
haben und zwar in seinem südlichen bereiche gegen die Narew
und weiter noch mehr als das ‘hochlittauische® im nördlichen
Sudauen und preufsischen Nadrauen (s. 20), falls dies nicht erst von
süden dahin vorgeschoben ist. immerhin wird dies ‘hochlittauische’
als eine abzweigung des jatwingischen zu betrachten sein, wie das
samländisch ‘altpreufsische’ als eine galindische mundart. die wie
es scheint gänzlich verschollene sprache der südlichsten Jatwingen
oder alten Igyllien aber war jedesfalls von allen verwandten
mundarten einmal die aller altertümlichste, je weniger das volk
selbst sich noch von dem ursitze des stammes entfernt hatte.
Die ganze südhälfte desselben ist hiemit umschrieben und
festgestellt***. für die nordhälfte ist eine verlängerung der linie
* 8. unten anhang 4.
45 was Narbutt Dzjeje nar. lit. 1, 157f. aus einer hs. des xv/xvı jhs.
über die abstammung der ‘Jagelloniden’ von einem helden Gellon, dem sohne
einer priesterin Iglona und eines gottes, mitteilt, kann nicht für echte volks-
sage gelten und ist für die herleitung des volksnamens ganz ohne bedeutung.
an ᾿Ιγυλλίωνες erinnert einiger malsen der name des waldgottes Iwullis in Pier-
sons Praetorius (1871) 8. 17, von iwa—jöwa faulbaum ἢ
*#* nur eins kann noch in frage kommen. da von den ivvos südlich von
den Goten ebenso wie von den Veneden nördlich über ihnen abgesehen werden
muss, 80 kommen die nach Ptolemaeus angeblich unter den Finnen an der
Weichsel wohnenden Zovloves oder Σούλανες — Βούλανες ist eine handschrift-
lieh unbezeugte lesart, die noch Zeufs 695 ua. zu falschen combinationen ver-
leitete — notwendig an ihren platz als südnachbaren der Goten und westnach-
baren der Igyllien. und mit ihnen möchte vielleicht mancher die landschaft
‘Syllonis in Zudua’ (Sudauen) aus Waldemars Erdbuch 8. 81 Niels. und das
von den ordenerittern 1283 heimgesuchte sudauische gebiet ‘Selien’, das doch
wahrscheinlich am Selementsee mit dem ort Seliggen zu suchen ist, in ver-
bindung zu bringen bereit sein und nur ein geringes zurückweichen des völk-
94 DIE AESTII
der Beresina oder der westlicheren sumpfstrecke Weilsrusslands
(s. 21) nordwärts durch den Peipussee bis zum finnischen meer-
busen um so eher als die ehemalige natürliche ostgrenze anzu-
sehen, weil noch heute die Letten um Dünaburg und bei Ljuzin
und Marienhausen und selbst die nordöstlichsten Littauen sich nur
wenig davon entfernen. wenn daher die von Ptolemaeus aus dem
orient hieher verschobenen namen (s. 16. 18) nicht in betracht
kommen, so umfassten nach der meinung seines berichterstatters
die Οὐέλταε oberhalb der Galinden, Sudinen und Stavanen die
littauischen Nieder- und Oberländer, Samaite (Samogitae, Zemaficzei)
und Auxtote (Auksztoczei) zu beiden seiten der Dobese und oberen
Windau* von der seeküste bis zu der ostgrenze, und die ver-
mutung drängt sich auf und lässt sich nicht wohl abweisen dass
der einheimische landesname Leötuwä, der im gotischen munde
kaum anders als im slawischen, polnischen und russischen Litwa
lauten konnte, dem ethnicum zu grunde liege, dass also Οὐέλται
nur für “ετούαι verschrieben ist**. ist dies richtig, dann gehörte
der landesname, sowie auch der gegensatz des nieder- und ober-
landes ursprünglich allein der weiten strecke über der Memel und
Wilia an, und man sieht wie vollkommen es damit stimmen würde,
wenn auch noch in späterer zeit südlicher die Iatwingen die alten
Sudinen, Stavanen und Jgyllien unter sich begriffen.
Weiter nördlich jenseit der Οὐέλταν oder Asrova, auf beiden
seiten der Düna und des rigischen busens bis zum finnischen
folgen dann die "00010, und Κάρβωνες. denn ohne die von Ptole-
maeus angegebene ordnuug — ὑπὲρ οὖς (τοὺς Οὐέλτας) Ὅσσιοε,
εἶτα Καάρβωνες — zu misachten kann man sie nur als zwei blofs
räumlich geschiedene abteilungen der Letten betrachten und
chens gegen nordost annehmen. aber schade dass die übereinstimmung der
namen gerade aufhört in dem für ihre identität entscheidenden stammvocal
und daher die ehemalige verbreitung des eistischen stammes bis zur Weichsel
schwerlich beweisen kann, die anzunehmen uns sonst nichts berechtigt.
* 8. Baranowski in LGeitlers Littauischen studien 8. 55 und Töppen 880.
8. 40, Kurschat Wb. 8. vnı, vgl. Dlugoss bei Zeuls 680.
Ἐπ Zeuls 271f. 655 anm. 679 hat in Οὐέλται eine ‘deutsche gestaltung’ von
Litwa gefunden. aber was zu dieser umformung im deutschen munde geführt
haben könnte, ist nicht abzusehen. Dass Weletabi ahd. Uuilzi aus Lutici, Liu-
οἱ umgestaltet sei, ist: eine ganz unbegründete annahme (vgl. Schafarik 2, 555 ff.
565) und bei Adam von Bremen 4, 14. 19 ist Wizzi (Albani) und nicht Wilzi
der handschriftlich beglaubigte name für die von den Russen Wefi genannten
Finnen (Zeuf® 688. 690).
BEI PTOLEMAEUS, 25
dann ist bei der gegenwärtigen verbreitung. derselben jene ver-
teilung von der natur mit notwendigkeit geboten. den Letten,
die sich mit einem dem littauischen etymologisch gewis verwandten
namen Latwji (litt. Latwei, poln. Lotwini, russ. Latysi, lat. Letti)
benennen, sind beide alte sondernamen fremd. aber sie lauten
keineswegs uneistisch*, und dass sie später verschollen sind, ist
leicht erklärlich. denn da nicht nur die Ὅσσιοε und Kagßwves,
sondern auch die OvdAtas- Asıova, bis an die meeresküste reichten,
ja nach Ptolemaeus darstellung nur einen schmalen küstenstrich
inne hatten, so ist klar dass sein berichterstatter noch nichts von
finnischen eindringlingen (s. 16), weder von finnischen Esten, noch
von Liven und Kuren wuste, die nachmals die Letten und
zemaitischen Littauen bis zum kurischen haf und der nördlichen
Memelmündung, bis wohin die kurische landschaft Lamata reichte
(Zeufs 681f. Töppen s. 38), gänzlich von der küste abdrängten.
für die ehemalige verbreitung des Eistenstammes bis zum finnischen
meerbusen aber spricht dann noch folgendes.
Allerdings weder von der einsenkung des rigischen busens,
noch auch und zwar noch weniger von dem finnischen hatte
Ptolemaeus eine ahnung. er liefs wahrscheinlich sogar nur des-
halb die küste vom Chronos an (s. 18), mit der wirklichkeit selbst
sehr wenig in übereinstimmung, allmählich nach norden hin auf-
steigen weil seine übrigen, aus dem osten und vom Pontus her-
stammenden nachrichten ihn zwangen die grenze des "bekannten
landes’ für das europaeische wie das asiatische Sarmatien bis zum
61° n. br. hinaufzurücken, und nicht weil er über die nördliche
richtung der Ostseeküste jenseit des Pregels wirklich unterrichtet
war. allein er nennt in diesem striche noch mehrere flüsse und
in diesen abständen;
nach dem Χρόνος auf 50° 1. 56° br.
den ‘Povdwv „53 „ 97 „
Τούρουντος „ 56 „ ὅδ᾽, „
Χέσυνος » ὅδϑ'ς, ὅθ᾽ 4 5»
die namen klingen gerade nicht vertrauen erweckend, weder
deutsch noch eistisch. sie stimmen mit keinem der sonst in diesen
gegenden vorkommenden genau**, und je weniger dort aulser der
invasion der Finnen ein bedeutender wechsel in der bevölkerung
* s. unten anhang 5.
ἘΦ 5. unten anhang 6.
926 DIE AESTI BEI PTOLEMAEUS.
vorgegangen ist, um so bedenklicher scheint ihre echtheit. gleich-
wohl sehen sie nicht nach blofsen erfindungen aus, selbst der
Χρόνος neben den übrigen nur wie eine graecisierung eines an-
klingenden, fremden namens. sie sind auch nicht, wie die angeb-
lichen bernstein- und diamantflüsse des periegeten Dionysius
(DA. 1, 214), von süden her willkürlich nach dem norden verlegt
oder mit den östlichen völkern von der Maeotis und dem kaspischen
meere dahin verschoben. es stimmt auch nicht nur ihre zahl mit
der zahl der in wirklichkeit vorhandenen, bedeutenderen flüsse, die
vom Pregel bis zum finnischen busen das meer erreichen: selbst
ihre distanzen nähern sich so sehr der wirklichkeit an dass man
wohl einräumen muss, den alten geographen haben darüber an-
gaben in tagereisen zu wasser oder zu lande vorgelegen, die
Ptolemaeus nach seiner regel in die messung nach graden um-
setzte. nach unsern karten mündet
der Pregel . . . . . etwa auf 54° 35" n. br.
die Memel oder Rus . „ „ 55° 20"
das haf tritt ins meer
bei Memel . ... 9 »55° 40"
die Windau . . . .. 9 957° 20"
die erste entfernung bis Memel ist also nur 5", die andre gröfsere
bis zur Windau auch nur 10" gröfser als die abstände des
Povdov» vom Χρόνος und des Τούρουντος vom “Povdwov. ein
mafs für die strecke von der Windau bis zur Düna nach tagefahrten
längs der küste hätte dann, als gerade linie genommen und wie
die vorigen abstände berechnet, für die entfernung vom Tovgovv-
τος bis zum Xdovvos nicht einen grad, sondern mindestens eben-
so viel (1%°), wo nicht mehr als vom ἱῬούδων zu Τούρουντος
ergeben sollen. aber wer weils wie diese entfernung angegeben
war und ob nicht Ptolemaeus es geratener fand so nahe der grenze
seines ‘bekannten’ landes eine aufserordentliche verkürzung dafür
eintreten zu lassen? trotz dem rätselhaften character der namen
ist mit fug nicht daran zu zweifeln dass ihm die vier hauptflüsse
vom Pregel bis zur Düna bekannt geworden waren. reichte aber
so weit die kunde des wohl unterrichteten berichterstatters und
müssen nach seiner aussage die Kapßwvss als apxuıxwraro, noch
über den X&ovvos oder die Düna hinaus gewohnt haben, so ist es
auch gewis genug dass der finnische meerbusen damals die nord-
grenze des eistischen stammes war.
DIE AESTIER UND GERMANEN. 27
Nach diesem allerdings weiteren umschweif sehen wir wie
weit zur zeit des Tacitus die ‘Aestiorum gentes auf dem rechten
ufer des suebischen meeres bespült’ wurden, und wir können uns
jetzt zu der 8. 11 ἢ noch hinausgeschobenen betrachtung seiner
übrigen nachrichten über den volksstamm (Germ. c. 45) wenden.
da ergibt sich denn bald dass sie von Römern oder einem der-
selben herstammen, die zur zeit der ersten anknüpfung des directen
handelsverkehrs wegen des bernsteins Aestier und Germanen oder
‘Sueben’ neben einander in ihrer heimat gesehen und mit ein-
ander hatten vergleichen können. noch liegt der zeitpunkt ganz
nahe wo ‘römische üppigkeit’ dem producte erst ‘einen namen ge-
geben’, das bei den Aestiern vorher ‘lange unbeachtet unter dem
übrigen auswurfe des meeres da gelegen’ hatte: sie selbst sollen
sogar noch ‘mit verwunderung bezahlung dafür in empfang nehmen’.
mag dies auch rhetorische übertreibung sein, so wäre doch die
phrase unmöglich wenn der verkehr nicht erst seit kurzem be-
stand (DA. 1, 215 ἢ.
Zunächst gieng nun das urteil dahin dass die Aestier die
‘ritus’ und den ‘habitus’ der Sueben hätten, im allgemeinen also
in gebräuchen und lebensformen und im aussehen sich nicht wesent-
lich von den benachbarten Ostgermanen unterschieden, ihre sprache
jedoch stehe der britannischen näher. wer dies meinte, hatte aller-
dings wohl einmal ‘britannisch’ reden hören, urteilte aber nach
dem blofsen fremdartigen klange, nicht anders als jene Isländer
des x/xı jhs. (Eyrbyggja 8. ὁ. 64 8. 120 Vigf.), die nach Amerika
verschlagen, die eingeborenen dort glaubten irisch sprechen zu
hören. er kannte und verstand weder ‘britannisch’ noch gallisch,
weil er dann eben so gut wie andre Römer und gewährsmänner des
Tacitus (Agric. 11) gewust hätte, dass der ‘sermo’ zu beiden seiten
des Canals ‘haud multum diversus’ sei, und bei wirklicher ähnlich-
keit und näherer verwandtschaft beider sprachen nicht die unbe-
dingt näher liegende vergleichung des eistischen mit dem gal-
lischen übersprungen hätte. gleichwohl ist sein ausspruch von be-
deutung. da er nur so verstanden werden kann dass das eistische
eine grölsere ähnlichkeit mit dem britischen als mit dem suebischen
habe, so enthält er eine anerkennung der wesentlichen verschieden-
heit der beiden in der nachbarschaft des bernsteinlandes zusam-
mengrenzenden sprachen und er muss auf einer unmittelbaren, an
ort und stelle gemachten wahrnehmung beruhen, die von ihrem
werte nichts einbüfst, wenn auch der wahrnehmende vom suebischen
28 DIE AESTIER UND GERMANEN.
oder germanischen nicht mehr verstand als vom eistischen oder
‘britannischen’. |
Heifst es dann weiter ‘Matrem deum venerantur’, so kann
Tacitus selbst diesen cultus an und für sich gar nicht als etwas
für den volksstamm der Aestier im unterschied von den Sueben
besonders charakteristisches betrachtet haben, da er cap. 40 den
cultus der Terra mater bei den Sueben an der Nordsee beschreibt
und kein Römer die östliche Mater deum für eine von der westlichen
Terra mater wesentlich verschiedene gottheit und beide für etwas
anderes als die Magna mater Idaea gehalten haben kann. wir
sind aber auch durch nichts zu der annahme berechtigt dass der
östliche beobachter, der von dem westlichen sicherlich verschieden
war, im osten bei den Aestiern wesentlich denselben oder doch
einen ganz ähnlichen, vollkommen ausgebildeten cultus vorgefunden
hat, wie der westliche bei den Sueben. er kann auch bei seiner
interpretatio nicht anders verfahren sein als die alten, Griechen
und Römer, überhaupt verfuhren wenn sie fremde gottheiten ihren
einheimischen gleich setzten. es geschah das am aller wenigsten
nach namenähnlichkeiten oder nach der innern physikalischen be-
deutung der gottheiten, sondern nach den äufserlichkeiten ihres
cultus und der ähnlichkeit der gesamtvorstellung, die man von
ihnen hatte. ebenso wenig als Terra mater eine übersetzung des
namens oder eine mythologische erklärung der suebischen Nerthus
ist, darf auch die Mater deum gleich für eine mutter Erde und
weiter für die littauische Zemyna zedeklele (Erdgöttin blütenbrin-
gerin) oder für die lettische Semmes mäte genommen werden, zu-
mal da beide in den gebräuchen, anrufungen und liedgern, in denen
sie noch genannt werden, nur als einfache personificationen des
erdbodens erscheinen*, die durch den cultus keineswegs zu einer
nn m nn
* Schweizer-Sidler hat seit 1371 mindestens viermal, Baumstark 1876 aus
Schafarik Slaw. altertümer 1, 458 f. wiederholt, dass die aestische mater deum
‘die preufsische-littauische Seewa oder Zemmes mahti, eine der Ceres oder der
slawischen Ziwa entsprechende göttin’ sei. wer Schafarik benutzt und auf sla-
wische und littauische mytbologie sich einlässt, muss wenigstens ein gefühl und
eine ahnung davon haben mit wem und womit er sich zu schaffen macht. den
verheifsenen beweis für seine behauptung hat Schafarik wohl nie versucht, jedes-
falls nie geliefert, da von einer ‘preulfsisch-littauischen göttin Seewa’ die quellen
schlechterdings nichts wissen und von einer slawischen ‘Ziwa’ nichts weiter
bekannt ist als dass Siwa nach Helmold 1, 52 eine ‘des Polaborum’ war. falsch
ist es aufserdem die lettische ‘Zemmes mahti’ ohne weiteres für eine preufsisch-
DIE AESTIER UND GERMANEN. 29
ausgeprägten individualität gelangten, für die daher auch nicht
‚Mater deum, sondern allein Tellus oder Terra die interpretatio
romana gewesen wäre. den anhänger und verehrer der grolsen
göttermutter in Rom kennzeichneten bildliche anhängsel und amu-
lete (Preller Röm. myth.' 450f.). die Aestier pflegten eberbilder
— von teig oder holz, jedesfalls aus einem leichtvergänglichen
stoffe, da bis jetzt soviel bekannt noch kein überbleibsel davon
im eistischen boden gefunden ist, — als schutzmittel zu tragen,
das selbst im kriege statt der waffen und des schutzes aller
dem gläubigen sicherheit gewähren sollte, und ohne zweifel ledig-
lich diese abergläubische sitte hat sie in den augen der ersten,
flüchtigen römischen besucher zu verehrern der grofsen göttin ge-
stempelt. die sitte muss sehr allgemein verbreitet gewesen sein,
weil sie sonst schwerlich eher als irgend etwas anderes als ein
die Aestier von den Sueben unterscheidendes merkmal in die
augen gefallen wäre, und sie konnte mit recht als solches hervor-
gehoben werden, da nur mythologischer übereifer die gründliche
verschiedenheit der aestischen eberbilder von jenen hartmetallenen
übersehen konnte, die die Angelsachsen später auf ihre helme
setzten, um vor allem dadurch schwert- und beilhiebe aufzuhalten.
Tacitus aber hebt die sitte nicht ohne ironie hervor um zu andern
zügen der charakteristik hinüber zu leiten, die damit zusammen ge-
nommen die Aestier als ein wenig kriegerisches volk neben den
Germanen darstellen.
‘Selten gebrauchen sie eisen’ heifst es, ‘häufig knüttel’. das
eisen mag bei ihnen noch spärlicher vorhanden gewesen sein als
nach cap. 6 bei den Germanen; aber den knüttel wird doch der
Germane nie als eine ehrenvolle, vollkommen ordnungsmälsige wehr
und hauptwaffe angesehen haben. die Littauer jedoch führten
noch im vierzehnten jahrhundert* den krummstab oder das krumm-
littauische göttin zu erklären. neben der lettischen mäte (mutter) könnte nur die
littauische Zemyna als mater deum in frage kommen (Nesselmann Wb. Schleichers
Lituanica s. 25. Mannhardts Lasicius 8. 40. 47). um aus aller ungewisheit her-
aus zu einer klaren einsicht zu gelangen wandte ich mich an den besten
kenner dieser dinge, den es je gegeben hat, an meinen alten freund dr. Mann-
hardt in Danzig und seine ausführliche auseinandersetzung, die in unsre ΖΒ.
für deutsches altertum 24, 159 aufgenommen ward, erledigt hoffentlich für
immer alle zweifel wegen der aestischen mater deum.
* s. Wigand von Marburg bei Hirsch und Töppen SS. rer. Pruss. 2, 556.
581. 583. das wort cambuca oder cambuta, im mittelalter (s. Ducange) die ge-
wöhnliche benennung des bischöflichen hirten- und krummstabs, stammt ohne
80 DIE AESTIER UND GERMANEN.
holz als kriegswaffe und die kriwüle (von kriwas krumm benannt)
des littauischen und preulsischen dorfschulzen beweist noch heute
deren alte ehre. die Aestier bauten aufserdem ‘'korn und die übrigen
früchte mit mehr geduld als nach der gewöhnlichen trägheit der
Germanen’. aber diese trägheit der Germanen und ihre vernach-
lässigung des ackerbaus war nur die kehrseite des kriegerischen
sinnes (Germ. 15. Caesar Be. 6, 21), der sie mit dem &inen
ideale des heldentums erfüllt in ihre geschichtliche bahn hinaus-
trieb, während der stille, friedfertige Eiste daheim an der scholle
haftend niemals weiter strebte und am ende nun den abbruch und
die beschränkung seiner stammesart auf allen seiten zu betrauern
hat. geradezu bezeichnete sie Cassiodor (Jordan. c. 5) im sechsten
jahrhundert als ein ‘pacatum hominum genus omnino’ und in ähn-
lichem sinne nennt auch noch im eilften Adam von Bremen 4, 18
die Sembi vel Pruzzi ‘homines humanissimi’*. ich denke auch aus
keinem andern grunde als wegen ihres friedfertigen, jeder ge-
walttat abgeneigten charakters haben die Germanen ihre nach-
baren Aisteis oder Aistjus (s. 13) d. i. nach got. aistan aestimare,
revereri die achtbaren, ehrenwerten genannt, ähnlich etwa wie
Homer (Il. 13, 6) die milchtrinker und habelosen im norden von
Thrake die ‘gerechtesten’ menschen nennt oder Herodot 4, 93 die
Geten die δικαιότατοι der Thraker.
Aber aufser dem anbau von korn und früchten betrachtet
Tacitus auch noch das einsammeln des bernsteins als einen be-
weis des besonderen fleifses der Aestier und schliefst erst damit die
reihe der sie von den Germanen unterscheidenden merkmale. trotz-
dem aber dass diese mit der anerkennung der eigentümlichkeit
ihrer sprache beginnt, schliefst er sie selbst unläugbar schon mit
zweifel vom keltischen camb- curvus (Zeufs Gramm.? 64), ist also vollkommen
gleichbedeutend mit preufs.-litt. kriwüle, Nesselmann Wb. 229b. Thes. 81.
eine abbildung des krummstabs des ‘kriwen’ in Piersons Praetorius (1871) 8. 40.
ganz verschieden davon sind die ingentes clavae ambustae, die die Goten nach
Ammian 31, 7, 12 auf ihre feinde schleuderten.
* qui obviam tendunt his ad auxiliandum qui periclitantur in mari vel qui ἃ
piratis infestantur. aurum et argentum pro minimo ducunt. pellibus habundant
peregrinis, quarum odor letiferum nostro orbi propinavit superbiae venenum,
et illi quidem ut stercora haec habent, ad nostram credo dampnationem, qui
per fas et nefas ad vestem anhelamus marturinam quasi ad summam besati-
tudinem. itaque pro laneis indumentis illi afferunt tam preciosos martures.
multa possent dici ex illis populis laudabilia in moribus, si haberent solam
fidem Christi.
DIE AESTIER UND GERMANEN. 3]
den worten ‘pro solita Germanorum inertia’ mit unter die Ger-
manen ein und noch unzweideutiger, wenn es im nächsten satze
heifst ‘ac soli omnium sucinum — in ipso litore legunt’. hier ist
zu ‘omnium’ notwendig ‘Germanorum’ zu ergänzen. der bernstein-
fund bei den Germanen an der Nordsee war längst, wohl schon
seit dem ersten kriegsjahre des Drusus (a. 12 vor Ch.), den
Römern bekannt (DA. 1, 482) und Tacitus konnte die Aestier nur
durch ein lob auszeichnen wenn er glaubte dass ihre nachbaren
das einsammeln des auch an ihrer meeresküste vorhandenen mate-
rials blofs aus trägheit vernachlässigten, nicht aber wenn er
meinte oder wuste dass jene sich im besitz der einzigen, aus-
gibigen fundstätte befänden. in der einordnung der Aestier unter
die Germanen gieng Tacitus sogar noch weiter. was er über die
natur und den ursprung des products vorträgt, ist dem inhalte
nach und zum teil selbst wörtlich aus Plinius histor. nat. 37 ὃ 86.
42. 43. 46 entlehnt. von seinen gewährsmännern (s. 27) stammt
höchstens nur noch die versicherung dass die barbaren darüber
nichts anzugeben wüsten, unmöglich aber die dass die das sucinum
einsammelten, dasselbe ‘ipsi glaesum vocant’. die Aestier
nannten den bernstein ganz anders, preufs. gentars litt. gentäras
jentäras gintäras lett. dfintars dfihtars fihtars, woran sich durch
anlehnung russ. jantäri laus. böhm. jantar ungar. gyanta an-
schliefsen und vielleicht selbst schon die ‘scythische' benennung
(DA. 1, 480), wenn ‘sacrium’ bei Plinius 37 ὃ 40 für 'satrium’
verschrieben wäre. das wort ‘glaesum’ lernten die Römer schon
frühe an der Nordsee (DA. 1, 482) und ohne zweifel aus germa-
nischem munde kennen. auch erklärt Plinius 37 $ 42 ausdrück-
lich ‘certum est gigni in insulis septentrionalis Oceani et ab
Germanis appellari glaesum’, und da Tacitus diese stelle noch
weiter benutzt hat, so ist nicht anzunehmen dass’ er angesichts
derselben, wie ein neuerer gelehrter*, jene worte übersehen hat,
* LDiefenbach Origg. Europ. 8. 356. 357. — übrigens ist ‘glaesum’
noch keineswegs hinlänglich aufgeklärt. die lesart ist durch die besten hss.
bei Plinius 37 ὃ 42. 4 8 97. 108 und Solin (Germ. antiq. 8. 113. 92. 95) ge-
sichert und es war daher bei Tacitus ‘glaesum’ für ‘glesum’ herzustellen. da
aber lateinisches ae regelrecht in deutschen wörtern nur altgerm. ai entspricht
(Ze. 9, 242f. 23, 22), so würde ‘glaesum’ nur mit ags. ‘glaer vel smilting,
electrum’ in Älfrics vocab. 34b Wright stimmen, wenn hier & = ai wäre. allein
dagegen spricht nd. ‘glar, gummi vel klever van den bomen’ (Μπά. wb. 2, 1165)
nebst dem adjectiv glarig und dem verbum glaren (Brem. wb. 2, 515), in Hol-
39 DIE AESTIER UND GERMANEN.
sondern dass sie vielmehr den seinigen zu grunde liegen, dass er
aber in der überzeugung, die Aestier seien Germanen, das ger-
manische wort ohne viel bedenken auch als ein aestisches glaubte
hinstellen zu dürfen, obwohl die sprache sonst der 'britannischen
näher stehen’ sollte.
Wäre der im anhang zu cap. 45 überlieferte kleine abschnitt
über die Sitones nicht ans ende des cap. 44 zu stellen (oben s.
7fl.), so würden damit die Aestier ausdrücklich nochmals unter
die Sueben einbegriffen. aber auch nach der umstellung fehlt es
nicht an noch einem entschiedenen zeugnis dafür dass Tacitus sie
zu den Germanen rechnete, da erst cap. 46 bei den östlicheren
stämmen seine bedenken beginnen ob diese zu jenen oder nicht
vielmehr zu den Sarmaten zu zählen seien. über seine ansicht
hinsichtlich der Aestier besteht demnach keinerlei ungewisheit,
und wenn er diesen erst neu entdeckten, weit verbreiteten volks-
stamm mit unter die Germanen meint begreifen zu müssen, so
ist das etwas anderes als wenn er cap. 28 die mit den Germanen
in Mähren zusammen wohnenden Ösen eine ‘Germanorum natio’
nennt, in demselben augenblicke, wo er ihre pannonische abkunft
nachweist. die frage wegen der ausdehnung der germanischen
nationalität beschäftigt ihn auch ferner cap. 46. bei den Peucinen
oder Bastarnen ist sein bedenken gering: sie lebten ‘sermone,
cultu, sede ac domiciliis ut Germani’, aber durch ‘gemischte ehen’,
durch heiraten mit den Sarmaten hatten sie etwas von deren häss-
lichem aussehen bekommen und konnten daher immerhin nicht für
ganz reine Germanen gelten. die ‘Veneti’ dagegen hatten viel
von den sitten der Sarmaten angenommen, da sie was sich an
wäldern und bergen zwischen Peucinen und Fennen erhebe in
raubzügen durchstreiften; dennoch meint Tacitus wären sie eher
zu den Germanen zu rechnen, weil sie häuser bauten, schilde
führten und des gebrauchs und der hurtigkeit der fülse sich er-
freuten, was bei dem wagen- und reitervolk der Sarmaten alles
ganz anders sei (vgl. histor. 1, 79). die lebensweise endlich der
‘Fenni’ war in jeder beziehung so abweichend und verschieden-
artig, dass eine blofse schilderung genügte um den zweifel, ob sie
zu den Germanen oder den Sarmaten gehörten, zu rechtfertigen
stein auch glären (Schleswigh. sag. 8. 478), dem regelrecht allein lat. glösum
= altgerm. gläz got. glös gegenüberstünde. vielleicht ist also ‘glaesum’ nur
eine alte falsche schreibung für glesum.
DIE AESTIER UND GERMANEN. 83
und das urteil darüber jedem anheimzugeben. in beiden fällen,
bei beiden volksstämmen ist von der sprache gar nicht die rede.
gewis fehlten darüber die nachrichten, aber auch nur weil man
sie rechtzeitig einzuziehen versäumt und eine unmittelbare, längere
erfahrung darüber und über das verhältnis der völker zu einander
überhaupt nicht aufgeklärt hatte, wie etwa an der mittleren
Donau. hier bewies nach cap. 43 die ‘Gallica lingua’ für die
Cotinen, die ‘Pannonica’ für die Osen dass sie keine Germanen
waren. allein solche erfahrung hatte keineswegs schon zu der
theoretischen einsicht geführt dass die sprache das erste und
einzige zuerst in betracht kommende kriterium abgibt, um
über die verwandtschaft oder unverwandtschaft, die zusammen-
gehörigkeit oder die verschiedenheit der völker zu entscheiden.
wie weit Tacitus davon noch entfernt war, lehrt schon seine ab-
sicht, die Bastarnen sogar als weniger echte Germanen hinzu-
stellen als die Aestier, noch mehr seine entscheidung wegen der
‘Veneti’. er urteilte sogar noch oberflächlicher wenn er (Agric. 11)
den Caledoniern in Schottland blofs wegen ihrer roten haare und
grofsen gliedmafsen eine germanische, den Silurern an der Severn
wegen ihrer dunkeln gesichtsfarbe und ihres krausen haars eine
iberische abkunft beimals. jene einsicht in die entscheidende
bedeutung der sprache für die unterscheidung und bestimmung der
nationalitäten und ihrer verzweigungen und der daraus für die
forschung sich ergebende, methodische grundsatz sind erst ein
gewinn der neueren wissenschaft. sind doch selbst noch in
neuerer zeit hypothesen mehr oder weniger ausgesponnen, denen
lediglich ein zufälliger gleichklang von namen zum anhalt dient,
wie die schon im altertum verständiger weise (Appian Mithrid.
c. 101. vgl. Strabo p. 6. 499. Dionys. per. 697 f.) bestrittene com-
bination der hispanischen und kaukasischen Iberer oder die der
paphlagonischen und adriatischen ’Evszof, ‘Evsros Veneti und der
gallischen Veneti und slawischen Venedi oder Veneti bei Tacitus
udglm*. so lange die einsicht bis zu der klarheit und entschieden-
heit eines wissenschaftlichen grund- und lehrsatzes noch nicht
durchgedrungen war, konnte Tacitus die Aestier, wenn sie bis auf
geringe besonderheiten in allem sonst den Sueben glichen, auch
ungeachtet ihrer ‘der britannischen näheren’ sprache für Germanen
* vgl. zb. Schafarik 1, 251 ΠΗ͂,
DEUTSCHE ALTEBRTUMSKUNDE II. 3
34 DIE VENETI.
halten; so lange aber konnte auch das erste auftreten geschicht-
lich bis dahin unbekannter völker, wie das der Germanen (s. 4),
von irrigen meinungen und vermutungen nur zu leicht ver-
dunkelt werden.
Der aufgabe, die uns das auftreten der Germanen stellt, könnten
wir uns jetzt schon zuwenden, wenn nicht die letzten angaben
der Germania noch eine nähere erörterung verlangten und zu
einer gleich eindringlichen untersuchung, wie c. 45 für die Aestier,
auch für die beiden andern nordöstlichen nachbarstämme der Ger-
manen herausforderten, der sich die deutsche altertumskunde nicht
entziehen kann, wie Zeufs beweist.
Was für die ‘Fenni’ ohne weiteres sich von selbst versteht,
aufserdem auch noch sich belegen lässt, das macht die abwesen-
heit jeder bemerkung über ihre sprache auch für die ‘Veneti',
ebenso wie für die Sitones (s. 11), durchaus wahrscheinlich, dass
die nachrichten über sie gleichfalls nicht auf eigner beobachtung
der Römer, sondern allein auf der aussage kundiger Germanen
beruhen. dieselben lauten bei Tacitus zum teil auch ganz so als
wenn der nachforschende schon bei seiner erkundigung sich dar-
über vergewissern wollte ob das ihm von den Germanen Vinithös
oder Venäthäs genannte, östliche volk mit den über dem Pontus
hausenden Sarmaten eins oder von ihnen verschieden sei, und
dann erfuhr dass es keineswegs ein nomadisches reiter- und
wagenvolk wie diese sei, sondern häuser baue und zu fufs mit
schild (und sper) als leichtbewaffnete kämpfe. im gegensatz zu
den friedlichen, ‘gerechten’ Aestiern aber mochte es ihm auch als
ein arges räubervolk bezeichnet werden, und wie dies zu ver-
stehen ist, lehren die ältesten schilderungen der Slawen aus dem
sechsten jahrhundert.
Die erste die überhaupt die Σχλαυηνοὶ nennt* hebt, gerade
wie die schilderungen der älteren Griechen von den Thrakern
und deren verwandten, zwei starke gegensätze in dem leben und
character des volkstammes hervor, rohen tierischen frals und
* c. 110 (Biblioth. patrum 1654. 11, 614) des fälschlich dem Caesarius
von Nazianz zugeschriebenen dialogs in dem unten im anhang 13 aus Jagic
Archiv für slav. philologie 1, 290 ff. und der Zs. für deutsches altert. 20, 26 ff.
mit verbesserungen wieder abgedruckten aufsatz.
DIE VENETI. 35
übertriebene,, vollkommen 'vegetarianische’ enthaltsamkeit , die
vollständigste unbotmälsigkeit und zügellosigkeit und daneben
unterwürfigkeit und fügsamkeit gegen den ersten besten. in der
tat, eine kräftige, mit dem dasein und leben eines volkes fest ver-
wachsene und deren selbständigkeit sogar bedingende, fürstliche
oder königliche gewalt, wie die Germanen, müssen wohl die Slawen
und auch wohl die Eisten nicht gekannt haben, wenn sie insge-
samt schon in vorhistorischer zeit, wie es scheint, von jenen das
altgerm. kuningas, altsl. (künegti künezi knegü) knezi slow. serb.
knez russ. knjazi pol. ksiadz princeps, litt. kuningas lett. kungs
dominus und altgerm. kuningini(a), altsl. künegynji russ. knja-
ginja knjagnji fürstin, sich aneigneten*. aus jenem mangel er-
klärt sich dass die Slawen nicht wie die Germanen in einzelnen,
individuell abgeschlossenen völkerschaften, sondern in grolsen,
weit ausgedehnten massen auftreten, die sich landschaftlich in
einzelne teile sondern und erst dann allmählich etwas individueller
entwickeln. es erklärt sich daraus gleichfalls dass, eine wie grofse
verbreitung sie auch erlangen, diese doch weithin ganz unmerk-
lich sich vollzieht und schlechterdings nirgend bedeutende per-
sönlichkeiten an der spitze der bewegung erscheinen. der angel-
sächsische sänger Vidsid, durch dessen mund mindestens die nord-
deutsche heldendichtung und sage nach dem ablauf der heldenzeit
der so genannten völkerwanderung zu uns spricht, nennt v. 60
neben Gefden (Gepiden) und andern völkern wohl die Vinedas,
weils aber bei ihnen von keinem sagenberühmten könig, wie doch
v. 20 selbst bei den Finnen, deren Cxlic beinahe an den vater der
finnischen helden Kalewa denken lässt.
nach der älteren gotischen überlieferung bei Jordanes c. 23.
48 soll könig Ermanrich ehedem die ‘Veneti’, die ‘an volkszahl
zwar stark, in waffen aber gering zu achten’ seien, nach kurzem
widerstande und ebenso einige zeit später Ermanrichs grofsneffe
Vinitharius die östlichen Slawen oder Anten im ersten anlauf
unterworfen haben, die damals jedoch unter einem könige und
unter zahlreichen ‘primaten’ standen. aber ‘beide völker’ sagt
Prokop Be. 3, 14 p. 334 ff. Bonn. ᾿Σχλαβηγνοὶ und 4yras werden
nicht durch @inen mann beherscht, sondern leben von altersher in
demokratie, καὶ διὰ τοῦτο αὐτοῖς τῶν πραγμάτων ἀεὶ τά TE σύμ-
* das wort ist in der bedeutung rex auch ins estnische, russisch-karelische,
wotische, lappische aufgenommen, Thomsen Indilyd. s. 125 f. (Sievers s. 145f.).
3*
36 DIE VENETI.
φορα καὶ τά δύσχολα ἐς κοινὸν aysımı. sie wohnen in elenden
hütten, weit von einander zerstreut und jeder wechselt oft seinen
wohnsitz. in die schlacht zieht die menge zu fufs mit kleinen
schilden und wurfspiefsen, durchaus ohne panzer, einige selbst
ohne leibrock und mantel, nur mit einer bruch um hüfte und
lenden. sie haben ein und dieselbe überaus barbarische sprache,
auch dasselbe aussehen; alle sind von ansehnlicher länge und aus-
gezeichneter stärke und von farbe rötlich. ihre kost ist rauh und
schlecht bereitet und beständig stecken sie tief in schmutz, aber
sind nicht bösartig oder schurkisch, vielmehr arglos und einfältiger
sinne.’
der strategiker ‘Maurikios’*, der jedesfalls noch vor dem
verlust der reichsgrenze an der Donau wohl unter dem kaiser
Maurikios (582—602) und auch in seinem sinne schrieb, entwirft
folgendes bild. ‘die völker der >ZxA@ßos und "Avras sind von gleicher
art und lebensweise, frei und keineswegs leicht bewogen sich
knechten oder beherschen zu lassen, und besonders in ihrem lande
zahlreich und kummer gewohnt, gegen hitze, frost, nässe, nackt-
heit, hunger abgehärtet. gegen fremdlinge sind sie so wohl ge-
sinnt dass, wenn einer durch seines wirtes schuld schaden leidet,
dessen nachbar zu den waffen greift und es für seine pflicht er-
achtet jenem genugtuung zu verschaffen. gefangene lassen sie
nach einer bestimmten zeit gegen ein entgelt heimkehren oder frei
als freunde bei ihnen bleiben. sie sind reich an vieh verschiedener
art und an bodenerzeugnissen, die in haufen da liegen, besonders
hirse und fennich (panicum vgl. Herodot 4, 17. Aelian Var. hist.
3, 39. Plin. 18 8 101). von so strenger sitte sind selbst ihre
weiber dass viele beim tode ihrer männer sich erhängen. an
schwer zugänglichen stellen, wäldern, flüssen, sümpfen, seen ange-
siedelt versehen sie ihre wohnungen überdies noch mit mancher-
lei ausgängen, in rücksicht auf die leicht für sie eintretenden un-
fälle, und alles nicht gerade notwendige (l. τὰ ἀναναγκαζα)ὴ von
ihren sachen vergraben oder verschütten sie und behalten nichts
entbehrliches offen in besitz. ein räuberleben führend — βίον
ζῶντα ληστριεκόν — pflegen sie ihre feinde an bewachsenen, engen
oder von abhängen durchschnittenen orten anzugreifen und dabei
* Arriani Tactica et Mauricii Artis milit. libb. xır ed. J. Schefferus Up-
saliae 1664. xı, 5 p. 272—281; ein auszug bei Schafarik altert. 2, 662ff, wo
aber noch neue fehler zu den fehlern und verderbnissen bei Scheffer hinzuge-
kommen sind.
DIE VENETI. 37
mit vorliebe hinterhalte, überraschungen und schliche bei tage
und bei nacht auf die manigfaltigste weise anzuwenden*. sie
verstehen es auch mit einem rohr im munde sich lange unter.
wasser zu halten und verbergen sich darin bei plötzlichen über-
fällen. bewaffnet sind alle mit zwei kleinen wurfspiefsen**, ein-
zelne auch mit ganz tüchtigen, aber unhandlichen schilden; sie
gebrauchen auch hölzerne bogen und kleine vergiftete pfeile.
herscherlos und einander gegenseitig hassend — ἄναρχα δὲ καί
μισάλληλα ὄντα, ἄτακτοι καὶ ἄναρχοι ὥσπερ Σκλάβοι καὶ Ἄνται
ıx, 3 p. 212 — kennen sie keine schlachtordnung und denken
nicht daran in geschlossenen reihen zu kämpfen und auf offenem
und ebenem felde zu erscheinen. tun sie es einmal, so machen
sie wohl einen heftigen anlauf, eilen aber auch wieder den wal-
dungen zu, wo sie in der enge gut zu kämpfen wissen. in bezug
auf verträge sind sie durchaus unzuverlässig und schwer einhellig,
durch furcht mehr als geschenke nachgebend. bei verschieden-
heit der meinung unter ihnen kommt es entweder zu keinem über-
einkommen oder der beschluss der beistimmenden wird von den
andern sogleich übertreten, da bei entgegengesetzten ansichten
keiner dem andern sich fügen will. — da die häuptlinge zahlreich
und keineswegs unter einander im einvernehmen stehen — πολλῶν
δὲ ὄντων δηγῶν καὶ ἀσυμφώνως ἐχόντων πρὸς ἀλλήλους —, 80
ist es gut einige von ihnen, besonders die der grenze zunächst
wohnenden, mit worten oder geschenken zu bearbeiten und dass
diese dann zu den andern kommen, damit die feindseligkeit gegen
alle nicht eine einigung oder einherschaft (μοναρχίαν) zustande
bringe.’
Wie im ersten kämpften also noch im sechsten jahrhundert
die Slawen nur als leichtbewaffnete zu fuls und von reiterei ist
bei ihnen in diesen zeugnissen gar nicht die rede, wenn auch nach
* Prokop Ba. 2,26 p. 254. εἶναι γάρ τινας τῶν οἱ (τῷ Βαλεριανῷ) ἑπομένων
ἐκ τοῦ Σκχλαβηνῶν ἔϑνους, οὗ χρυπτεσϑαΐ τε ὑπὸ λίϑῳ βραχεῖ ἢ φυτῶν ἄλλῳ τῳ
παρατυχόντι εἰώϑασι καὶ ἀναρπάζειν ἄνϑρα πολέμιον" τοῦτό τε ἀεὶ παρὰ ποταμὸν
Ἴστρον, ἔνϑα δὴ ἵδρυνται, ἔς τε Ῥωμαίους χαὶ τοὺς ἄλλους βαρβάρους ἐνδείκνυνται.
** der Syrer Bar Johannes, bischof von Ephesus, der von 558—575 in
Constantinopel lebte und 584 seine kirchengeschichte schrieb, schliefst 6, 25
(übersetzt von Schönfelder, München 1862 8. 255) seine erzählung von dem
grofsen Slaweneinfall im j. 577 mit den worten ‘und doch sind es einfältige
leute die nicht wagen aufserhalb der wälder und in holzfreien gegenden sich
sehen zu lassen und nicht wissen was eine waffe sei, ausgenommen zwei oder
drei Ionchadien.’
98 DIE VENETI.
Prokop nur die menge (οὗ πολλοὶ) zu fuls in den kampf zog. aber
das räuberwesen ist bei ihnen nicht minder alt und eingewurzelt,
so sehr dass nach der auf grund eigner anschauung entworfenen
schilderung des Maurikios* man sich vollständig darauf wie auf
einen dauernden, unabänderlichen zustand eingerichtet hatte. die-
selben ursachen, die ihn im sechsten jahrhundert hervorriefen und
damals klar genug zu tage traten, müssen daher auch schon im
ersten vorhanden und wirksam gewesen sein. allerdings über den
familien- und geschlechtsverbänden, den dorf- oder anderen ge-
meinden bestand wohl ein gröfserer landschaftlicher verband, eine
Zupa, vlasti oder wie man sie nannte, mit einem Zupan, vladyka
oder knezi an der spitze, und nichts andres als solche häuptlinge
waren die zahlreichen ö7yes des Maurikios und die siebzig ‘pri-
mates’ der Anten, die der Ostgote Vinithari nebst ihrem könige
oder grolsfürsten Boz henken liefs. solche häuptlinge mit ihren
hintersassen traten auch wohl mit andern und deren genossen zu
allgemeineren volksversammlungen zusammen; allein gieng die
‘demokratie’ oder ἀναρχία so weit dass was der eine teil be-
schlossen hatte, der andre für nichts achtete oder dass, wenn auch
die gemeine gefahr und not eine einigung herbeiführte, die menge
doch in völliger zersplitterung ohne feste ordnung und führung
dem feinde gegenüberstand und so gut wie niemals in offener
feldschlacht oder in geschlossenen haufen, nur im kleinen kriege
und zerstreuten gefecht ihr heil suchte, wenn die heerführer
selbst — nach dem zeugnis des oben s. 34 angeführten dialogs
— vor ihren leuten keinen augenblick des lebens sicher waren,
wenn im frieden selbst bei der grolsen zerstreutheit der wohnungen
es kaum nachbarschaften gab, der einzelne überdies oft seinen
wohnsitz wechselte und bald hier bald dort ihn aufschlug um, wo
es vorteilhafter schien, die wälder zu durchstreifen und für sich
und die seinigen den unterhalt zu gewinnen, so sieht man wohl
dass der trieb nach einer bürgerlichen oder staatlichen ordnung
bei den Slawen von jeher sehr schwach war und über das gefühl
der familie und des einzelnen kaum eine macht besafs. es fehlte
daher an edlen, altangesehenen geschlechtern, in denen das be-
* er schliefst p. 289 seine anweisungen für die kriegsführung gegen die
barbaren und speciell die Slawen mit den worten “ταῦτα μὲν οὖν χατὰ τὸ δυνα-
τὸν ἔχ τε τῆς πείρας αὐτῶν χαὶ ἐκ τῶν τοῖς ἀρχαίοις εἰρημένων κατανοήσαντες
ἀπεγραψάμεϑα᾽ χιλ. aber bei den ἀρχαίοις kann er am wenigsten etwas über die
kriegsführung gegen die Slawen gefunden haben.
DIE FENNI. 39
wustsein der gemeinschaft seinen festen, bleibenden halt hatte und
in krieg und frieden seine gebornen führer fand*. es fehlte da-
her auch über die familie und deren nächsten bereich hinaus der
friede und die folge, da die Slawen nicht ein so ‘pacatum omnino
hominum genus’ wie die Aestier, waren die raubzüge, d. h. willkürlich
nach zeit und umständen, aus not, rache oder blofser beutelust,
von einzelnen unternommene heerfahrten. wohl fehlte es daran
auch nicht bei den Germanen. aber die verschiedenheit der zu-
stände springt in die augen, wenn uns die Ostgermanen, die
nächsten nachbaren der Slawen, gleichfalls als leichter bewaffnete
mit runden schilden und kurzen schwertern geschildert werden
und unter ihnen die so genannten ‘Harier’ sogar ihre kriegsführung
nach dem muster von raubzügen gestaltet haben (Zs. 9, 247.
Grimm GDS. 714.), dennoch aber gerade bei ihnen das ‘erga
reges obsequium’ (Germ. 43) hervorgehoben wird. des königs
und jedes andern volkshäuptlings erste pflicht war gewalttat fern-
zuhalten und seiner gemeinde nach innen und aufsen den frieden
zu bewahren. es ist daher begreiflich dass die Slawen bei ihrer
herrenlosigkeit und ungebundenheit im krieg und im frieden und
der unsicherheit ihrer zustände selbst den Germanen ein räuber-
volk schienen und so von ihnen dem gewährsmanne des Tacitus
dargestellt wurden.
Bestätigt sich hiemit die germanische herkunft der taciteischen
characteristik der ‘Veneti’ noch einmal, so folgt dieselbe für die
schilderung der ‘Fenni’ schon daraus weil, wie wir sahen, die un-
mittelbare kunde der Römer zu der zeit nicht über das bernstein-
land hinaus reichte. ein weiterer beweis ergibt sich aus den
nachrichten selbst.
* vgl. Schlözers Nestor 2, 154f. über die berufung der Waräger durch
die Slawen: ‘es war kein recht unter ihnen, ein geschlecht stand gegen das
andre auf, zank und uneinigkeit war unter ihnen, sogar fiengen sie an sich
unter einander zu bekriegen. da versammelten sie sich, besprachen sich unter
einander und sagten ‘lasst uns einen knäs suchen, der uns regiere, ordnung
halte und uns gerecht richte.’ sie giengen über das meer zu den Russen-
Warägern. diesen sagten die Tschuden, Slowenen und Kriwitschen “unser land
ist grols, gut und mit allem gesegnet, aber keine ordnung ist darin: kommt
bei uns knäse zu sein und uns zu regieren’? und es wurden von ihnen drei
brüder mit ihren familien gewählt’ usw.
40 DIE FENNI
Dem Tacitus waren die Fenni als ein volk von aufserordent-
licher wildheit, unkultur und armut so geschildert worden dass
sie ihm zuletzt, wie die Brahmanen oder das volk der Xudraka —
freilich unter ganz andern verhältnissen — nach der Alexander-
sage, die von philosophen wohl als höchste weisheit und der
wahre weg zur glückseligkeit empfohlene, schwere kunst der be-
dürfnislosigkeit zu besitzen schienen*. sie kannten keinen acker-
bau, noch auch häuser, pferde und waffen, den stolz der Germanen.
pfeile, mit knochen statt mit eisen das ihnen mangelte zugespitzt,
waren ihr einziger trost. sie lebten von der jagd, die männer
und weiber gemeinschaftlich betrieben; auch gras und kräuter
dienten ihnen zur nahrung **, felle zur bekleidung, der erdboden
als lager. ‘die kinder’ heilst es ‘haben vor wilden tieren und
regengüssen keine andre zuflucht als dass sie durch ein geflecht
von ästen oder zweigen gedeckt werden; dahin kehren auch die
erwachsenen zurück und da ist der aufenthalt der alten’. hier
ist ohne zweifel eine einrichtung gemeint ähnlich wie die koten,
jurten und borkenzelte der nördlichen jäger- und fischervölker, ein
gezelt das hauptsächlich von flechtwerk hergestellt wurde. nur
hat Tacitus augenscheinlich nichts von dem winter-, blofs von dem
sommerleben des volks erfahren, während bei Herodot 4, 23 der
unterschied der jahrzeiten deutlich hervortritt, wo er von den
Argim- oder Orgiempaeern erzählt dass jeder unter einem baume
wohne, den er im winter mit einem dichten weilsen filz umhülle,
im sommer aber ohne denselben lasse ***,
Wiederum im sechsten jahrhundert und zwar zum teil bei den-
selben auctoren und an drei verschiedenen orten treffen wir auch auf
nachrichten die die Finnen ausführlicher schildern, aber in Scadina-
vien; und unverkennbar stammen sie eben daher, wohin es den Goten
und deren verwandten damals nicht an beziehungen fehlte. wie weit
die nachrichten reichten und wo für sie das gebiet des fabulosen be-
gann, erkennt man wenn Cassiodor (Jordan. c. 3) von vielen kleinen
inseln im norden der grofsen ‘insel Scandza’ gehört hatte, wo eine
* vgl. auch Adam Brem. 4, 35 über die Isländer.
** Miklosich Gramm. 2,6 erinnert an ‘victui herba’, weil altsl. trava
gramen zur wurzel tru τρέφεεν nutrire gehört (vgl. Radices 8. 95, Gramm. 2, 7).
aber sollten darum die Urslawen jemals gras und kraut als menschliche
nahrung betrachtet haben?
*** g. unten anhang 7.
DIE FENNI, 41
solche kälte hersche dass die wölfe, die über das eis dahin giengen,
erblindeten. die nächste behauptung dagegen, dass es auf der
ganzen insel Scandza wegen der kälte keine bienen mehr gäbe,
übertreibt nur eine bis zu einem gewissen grade ganz richtige
tatsache (DA. 1, 398 anm.) und die übertreibung ist vielleicht
erst durch die flüchtigkeit des Jordanes verschuldet. nahe an die
erste notiz schliefst sich an dass dort im nördlichen teile der
insel bei einem volke ‘Adogit’ —, in welcher abscheulichen ent-
stellung uns allein der name bei jenem überliefert ist, — um die
zeiten der sonnenwenden ein vierzigtägiger tag und eine gleich
lange nacht einträte, ‘so dass das volk bei einem solchen wechsel
von freude und trauer an vorteil und nachteil keinem andern
gleich komme’. das klima des vierzigtägigen tages fällt noch jen-
seit des 68° n. br. bis so weit, bis zu den Lofoden oder noch
weiter, muss man schliefsen, hatte sich schon, wohl durch den
fischfang und den reichen jagdgewinn (s. 5) angelockt, die ger-
manische bevölkerung ausgebreitet und dass hinter Adogit das
norwegische Hälogaland sich versteckt, wird wohl mancher wahr-
scheinlich finden, zumal wenn hier, wie in andern partien die aus
der mündlichen tradition der Goten stammen, die nächste quelle
des Cassiodor eine griechische aufzeichnung gewesen sein sollte,
A4AOT- also auf 4AOT- wiese. von den übrigen zahlreichen völkern
auf Scandza werden dann nächst der gens Adogit zuerst die
Skridifinnen* genannt, ‘die keinen kornbau zu ihrem unterhalt
* “gunt gentes rere fennae’ ist die lesart des Palatinus; die varianten der
andern hss. ‘refennae’ oder ‘crefennae’ belegen nur den fortschritt des ver-
derbnisses. die vulgata ‘tres Crefennae’ und die lesart des Fornerius ‘Screre-
fennae’ aber würden erst dann von wert und nutzen sein, wenn sie sich aus
alten handschriften belegen liefsen. vorläufig müssen wir es als möglich gelten
lassen dass der elende Jordanes selbst ‘rere fennae’ geschrieben hat, aber gewis ist
gentes rerefennae
aus gentes scretefennae ἃ, i. Scritifinnae, Scrithifinnae verlesen und ver-
schrieben. wie alt auf jeden fall der fehler bei Jordanes ist, beweist der
cosmograph von Ravenna mit 1, 11 Scirdifrinorum vel Rerefenorum patria,
4, 12 patria quae dicitur Rerefenorum et Sirdifenorum (rerifennorum et scerdi-
fennorum, Guido), 13 iuxta ipsos Serdefennos (scerdefennos, Guido), 46 Rere-
fennos et Serdefennos (refenos atque cerdefennos, Guido), 5, 28 Rereferos οἱ
Sisdefennos. denn da er den Jordanes öfter nebenher benutzt und namentlich
von ihm aus demselben capitel und dem ihm folgenden, wo von den ‘Rerefennis’
die rede ist, auch den namen Scanza für die ‘magna insula quae et antiqua
Scythia a plurimis cosmographis appellatur’ (1, 12. 4, 4. 5, 30) entlehnt und nur
in der bei Jordanes oder Cassiodor aus dem Zxavdi« des Ptolemaeus ent-
49 DIE FENNI.
betreiben, sondern von dem fleisch der wilden tiere und der vögel
leben, an denen die sümpfe ihrer gegend aufserordentlich reich
seien’; darauf auch noch auf der inneren, schwedischen seite von
Scadinavien ‘Finnaithae’ und ‘Finni mitissimi, Scandzae cultoribus
omnibus mitiores, nec non et pares eorum Vinoviloth’, worin man
die Qvenen (s. 10) wiederzuerkennen glaubt, auf die wir insge-
samt noch zurückkonımen müssen.
daran schliefst sich was der cosmograph von Ravenna 4, 12
berichtet und was sich ohne zweifel mit manchem andern bei
ihm aus einer dem zeitalter Theodorichs des grofsen angehören-
den quelle herschreibt, dass ‘die Scridi- oder Scredefenni am
nördlichen ocean in einem überaus kalten lande ein felsichtes
gebirge (rupes montium) bewohnen und von der jagd, so mann
als weib, leben, mit dem brot (cibo) und dem wein schlechter-
dings unbekannt. in ein merkwürdiges verhältnis aber zu
der jordanisch-cassiodorischen beschreibung von Scadinavien und
dieser notiz des cosmographen tritt der dritte zeuge Prokop
Be. 2, 15.
derselbe hat eine ungemessene vorstellung von der gröfse der
nordinsel, die er Thule nennt: sie soll mehr als zehnmal so grofs
als Britannien sein. auch Cassiodor beschrieb zuerst diese insel
ehe er zu Scadinavien übergieng, und gab ihre mafse nach Cassius _
Dio 76, 12 an, die keineswegs die kleinsten der bei den alten für
sie vorkommenden sind (DA. 1, 382 ff. 376 f.), als wenn er eben-
falls eine abschätzung des. umfangs von Scadinavien dagegen im
sinne gehabt hätte. nach Prokop war Thule zum grösten
teile wüst, aber zum andern teile bewohnt von dreizehn sehr
menschenreichen völkern unter ebenso vielen königen. Cassiodor
standenen form gebraucht, so ist es durchaus verkehrt der corruptel des volks-
namens eine andre herkunft zuzuschreiben und anzunehmen dass sie zweimal
in zwei verschiedenen und von einander unabhängigen schriften in ganz gleicher
weise sich eingestellt: habe, wie Zeufs 685 tut. seine ‘“Trefennae’, die er mit
hilfe von Ohtheres und Älfreds Terfinnas endlich zu stande bringt, beruhen
auf einer methodisch schlechterdings nicht zu rechtfertigenden voraussetzung;
die erfindung ist aber auch sonst recht unglücklich, da altn. tr& niemals wald,
in zusammensetzungen immer nur lignum bedeutet, altn. Tröfinnar also nur
wie tr&smidr, trötelgja von arbeitern in holz verstanden werden könnte, für
welche benennung jeder sachliche grund fehlte, und aufserdem das gemein-
germanische wort von Goten und Angelsachsen nicht verstanden sein müste,
wenn sie altn. tr& — tr&o nicht in got. triu (latinisiert tr&öu = trdo) ags. treov
umsetzten oder gar in ter- tör- verdrehten.
DIE FENNI. 43
machte fünfundzwanzig und mehr völker auf Scandza namhaft
und hatte von der menschenmenge dort die gröste vorstellung.
wie Cassiodor hatte dann auch Prokop gehört dass nacht und
tag um die sonnenwenden auf der insel vierzig tage dauerten,
und auch er hebt den gegensatz der trauer und freude, in den
diese ungleichheit des wechsels die landeseinwohner versetzte, her-
vor, doch in andrer weise als die phrase bei Jordanes. seinen
lebhaften wunsch von dem wunder des nordens mit eignen augen
sich zu überzeugen hatte er zwar nicht erfüllen können, aber von
leuten die von dort ins römische reich gekommen waren auf seine
nachfrage erfahren, wie sie die tage während der andauernden helle
und der finsternis berechneten, und daran schliefst sich dann weiter
bei ihm, dass sie die lange nacht in niedergeschlagenheit, abge-
schieden von allem verkehr, hinbrächten, dass aber, sobald die am
fünf und dreifsigsten tage auf die spitzen der berge ausgesandten
boten die wiederkehr der sonne als nahe bevorstehend verkündeten,
sie ihr höchstes volks- und freudenfest noch in der dunkelheit
begiengen*, weil ‚sie, wie es ihm wenigstens vorkam, zu fürchten
schienen dass die sonne einmal ganz für sie ausbleiben möchte.
darauf heilst es in näherer übereinstimmung mit dem cosmo-
graphen ‘von den in Thule wohnenden barbaren führt allein ein
volk, die Σχρεϑέφενοι ein einigermalsen tierisches leben. kleider und
schuhe, wein und bodenfrüchte haben sie nicht, da weder die
männer ackerbau, noch die weiber handarbeit, sondern beide mit ein-
ander allein die jagd betreiben. überaus grofse wälder und gebirge
gewähren ihnen überfluss an wild und andern tieren, von deren
fleische sie sich nähren und mit deren fellen, die sie mit sehnen
zusammenheften, sie den ganzen körper umhüllen. selbst die
säuglinge werden mit dem mark der tiere genährt und erhalten
nicht die mutterbrust. die mutter, nachdem sie geboren, schlägt
das kind in ein fell, tut ihm mark in den mund und hängt es an
einen baum um sich alsbald in gewohnter weise gemeinschaftlich
mit ihrem manne auf die jagd zu begeben’. das verhältnis
der drei berichterstatter sieht darnach beinahe so aus als
* Caströn Reisen 1, 104 ‘— den 18 januar wieder nach Enare (in Lapp-
land). auf dem Iskuras tunturi, einem der höchsten felsrücken die ich noch
passiert bin, zeigte sich sogar die sonne wenn auch nur ein wenig über dem
horizont. als wir nach einer tagereise am abende in Jorgastak anlangten,
konnten wir es nicht unterlassen wegen der wiederkunft der sonne einen kleinen
schmaus zu veranstalten’.
44 DIE FENNI.
hätten sie, abgesehen von den mündlichen erkundigungen Prokops,
aus einer gemeinschaftlichen, reicheren schriftlichen quelle, etwa
aus dem unverkürzten Cassiodor geschöpft; und doch war ihre
quelle schwerlich eine andre als die mündliche überlieferung der
zeit, die nur in betreff des entlegenen nordens von Germanien
wie durch überkommen eine gewisse festere gestalt gewonnen hatte,
was sich auch noch weiter ergibt, zunächst von der nega-
tiven seite.
Denn zweierlei fällt doch vor allem an diesen schilderungen
auf, dass von den schritt- oder schneeschuhen niemals die rede
ist, von deren anwendung die Skridifinnen allein ihren namen
haben*, und dass ebenso wenig des renntiers erwähnung geschieht.
aber beide, tier und gerät, waren den Rö’nern und Griechen un-
bekannte dinge, für die ein germanischer berichterstatter in ihrer
sprache keinen namen fand, von denen sich daher auch nicht ohne
umständliche beschreibung weiter erzählen liefs. der erste der dies
und zwar noch in recht ungeschickter weise tat war Paulus Diaconus
1, 5, mit dem eine neue reihe von zeugnissen über die Skridi-
finnen** anhebt, die ihrem gegenstande näher stehen als die
* die übersetzung ‘Kletterfinnen’, die Zeuls 684 aufgebracht hat und
andre ihm nachgesprochen haben, ist ganz verfehlt. das verbum *skreidan
skraid skridum skridans ward ursprünglich nur in dem sinne einer gleitenden
bewegung gebraucht, ähnlich wie etwa ahd. slifan mhd. slifen, nicht in dem
von gradi. daher altn. skrida vom kriechen des gewürms, von der fahrt des
schiffes und dem lauf auf schneeschuhen (skrida ἃ skidum, Fidr skriär), aber
niemals vom klettern. im dän. bei Molbech Dial. s. 497f. findet sich sogar ein
adj. ‘skred’ glatt, schlüpfrig neben ‘at skride’ glide paa iis og omkuld (kopf-
über). dieselbe bedeutung ist auch noch ganz wohl im deutschen sichtbar, in
ahd. scritiscuoh mhd. schriteschuo petasum (fliegschuh), in ‘schreiten’ vom
gleiten der schlange bei Schmeller 22, 612, in scridan vom schiff Helj. 69, 8,
vom verflielsen der zeit ags. alts. ahd. (Otfr. 1, 5, 1 und Graff 6, 577) und
sonst im sinne von lat. labi, delabi. zu vergleichen ist litt. skridü oder skrindu
skristi fliegen, schnell laufen, skraidau-yti im kreise umhertreiben, lett.
skräidiht viel laufen, rennen und poln. skrzydio flügel altsl. krilo. wie in litt.
skrindu und skrindüs fliegend, geflügelt, erscheint der nasal auch in ags. scipu
scridende scrinde fleötad ps. 103, 24.
ἘΣ ‘Seritobini’, was Waitz bei Paulus nach der hs. von Cividale im texte
hat, ist nur eine rohe romanische schreibung für ‘Sceritovini’. aber auch dies
gibt die deutschen laute, wenn man v nicht wie im ahd. für f nimmt, schlecht
genug wieder. die bessere schreibung ‘Scritofinni’ (neben Scriptofinni, Seridu-
winni, Scridowinni) findet sich nur in hss. der classe G d. ἢ, wohl nur in
solchen die seit dem neunten jh. in Deutschland angefertigt sind.
DIE FENNI. 45
älteren und daher neue züge an ihm hervortreten lassen, zugleich
aber ihren zusammenhang mit der früheren darstellung nicht ver-
läugnen und damit das ununterbrochene fortbestehen einer münd-
lichen tradition zu erkennen geben.
der Lombarde, der 1, 5 wie anders wo (1, 20) mit der ‘lingua
barbara’ die deutsche meint, aber nicht allzuviel davon verstand,
verwechselte bei seinem versuch den namen zu deuten '‘scritan’
mit ‘scrican’ oder schob jenem worte eine falsche bedeutung unter,
indem er behauptete, das volk sei ‘a saliendo’ benannt, weil ‘sie
in sprüngen, durch anwendung einer gewissen kunst und geschick-
lichkeit mit einem bogenähnlich gekrümmten holze, die wilden
tiere einholen. es sei bei ihnen auch ein dem hirsche nicht sehr
unähnliches tier, von dessen rauher, noch beharter haut er —
vermutlich am fränkischen hofe — einen bis zum knie reichenden
leibrock gesehen habe, wie ihn die leute dort trügen’. auch er
konnte sich für die insel Scadinavia auf solche berufen die sie
besucht hatten (1, 2). im übrigen aber weicht sein bericht nicht
wesentlich ab von denen der früheren: ‘in der gegend der Skridi-
finnen hersche um das sommersolstiz während etlicher tage auch
bei nacht die vollkommenste helle und die tage seien viel länger
als anders wo, umgekehrt um das wintersolstiz, wenn auch das
tageslicht nicht mangele, werde doch die sonne nicht sichtbar, der
tag sehr kurz und die nacht desto länger. ihnen fehle auch im
sommer der schnee nicht und von der weise wilder tiere nicht
gar verschieden genössen sie nichts anderes als das rohe fleisch
derselben*, von deren rauhen fellen wie gesagt sie sich ihre
kleidung verfertigten’.
könig Älfred schliefst seine allgemeine beschreibung von
Germanien (Oros. 1, 1, 12) damit dass den Schweden, die im
süden den seearm Osti, im norden Cvenland hätten, die Scride-
finnas im nordwesten, die Nordmenn im westen wären. gründet
sie sich im wesentlichen auf aussagen deutscher männer (s. 12f.),
so braucht man auch diesen satz nicht anders woher abzuleiten,
wenn auch Älfred sich denselben noch einmal (1, 1, 16. 17) durch
den Nordmann Ottar bestätigen liefs; auch die Angelsachsen
selbst (Vids. 79. 81) kannten ohne zweifel die Scridefinnas nebst
andern nordischen völkern dem namen nach schon von früher
her. der vornehme Halogaländer Ottar, der von allen Nord-
* 8. unten anhang 8.
46 DIE FENNI.
mannen am weitesten gegen norden wohnte und dort mit den
älteren landeseinwohnern nicht nur in verkehr stand, sondern
sogar an dem von ihnen entrichteten tribut einen anteil hatte,
nannte sie dem könige nicht anders als wie die Norweger und
Isländer bis auf den heutigen tag, nur mit dem einfachen namen
Finnas altn. Finnar* und unterschied von denen, die die ‘wilden
gebirge” zwischen Norwegen und Schweden und Cvena land be-
wohnten und an der nördlichen seeküste als jäger, fischer und
vogler, nicht als landbauer sich aufhielten, nur die weiter nach
osten gegen das weilse meer hin hausenden, also die heute im
gegensatz zu den Berglappen so genannten Fischerlappen mit dem
aus dem angelsächsischen und dem altnordischen gleich unver-
ständlichen compositum Terfinnas (1, 1, 12). er steht als autoptes
begreiflicher weise hier und auch sonst für sich und aufserhalb
der tradition. hervorzuheben ist nur noch ein satz des königs
(1, 1, 15), in dem es heifst ‘der gröste reichtum der Haloga-
länder bestehe in wildtieren, die sie hränas nennten’ ἃ. i. altn.
hreinar, weil er erkennen lässt wie wenig das haupttier des höheren
nordens selbst den Südgermanen näher bekannt war und weshalb
es so spät und nun erst zum ersten male mit genannt wird.
wenn dagegen dem erzbischof Adalbert von Bremen in den jahren
1053 und 1054 durch die päbste Leo IX und Victor II die rechte
seiner kirche bestätigt wurden ‘in omnibus gentibus Sueonum
seu Danorum Noruuechorum Islant Scrideuinnun Gronlant —
oder ‘Noruuegorum Islandon Scrideuinnun Gronlandon — et
universarum septentrionalium nationum’**, so beweist schon die un-
* auch das Finna land des Beowulf 580 ist dasselbe, Anzeiger für deutsches
altert. 3, 179f. dagegen müssen die Finnen, die im Vidsidliede 20. 76ff. zweimal
den Griechen gegenüber gestellt werden, im nordöstlichen Europa gedacht
werden.
** Lappenberg Hamb. urk. nr. 75. 77. daran schliefsen sich die gefälschten,
gleichlautenden confirmationen der päbste Anastasius III und Johannes X
vom j. 912 und 920 an, bei Lappenberg nr. 28. 29 “in omnibus gentibus Sue-
onum seu Danorum Noruuegorum Island Scrideuinnun Gronlandon et univer-
sarum septentrionalium nationum’, deren anfertigung man schwerlich bis nach
1148 (Schleswigholst. jahrb. 10, 302 vgl. 306) hinabrücken darf. die urkunden
Friedrichs I a. 1158 und Innozenz II a. 1133 bei Lappenberg nr. 208 und 144
setzen die durchaus gleichartigen und mit einander gleichzeitigen interpolationen
und fälschungen der urk. nr. 3 Ludwigs des frommen a. 834, nr. 9 Gregors IV
ἃ. 832, ur. 14 Nicolaus I a. 864 voraus, die nach ‘in gentibus videlicet’ oder
“in omnibus eircumquaque gentibus Danorum sive Sueonum’ die namen ‘Gron-
landon Islandon’ oder ‘Noruueorum (Noruuegorum -horum) Farriae Gronlondan
DIE FENNI. 47
veränderte fortdauer des alten namens dass bis dahin ohne unter-
brechung auch in Norddeutschland wenigstens eine gewisse be-
kanntschaft mit dem nördlichsten volke sich erhalten hatte, und
reichlich zwanzig jahre später bestätigt das auch Adam von Bremen,
der einmal (4, 24. 25) von Schweden, dann (4, 31) von Norwegen
aus auf die ‘in confinio’ beider länder gegen norden wohnenden
‘Scritefinni’ kommt und beidemale, von dem ihm wohlbekannten
Paulus höchstens in einem ausdruck abhängig, von ihnen be-
richtet dass sie das wild im laufe überholen*, aber dabei an der
zweiten stelle zu erkennen gibt dass sie zu dem ende des schnees
bedürfen und deshalb ohne schnee nicht leben können, weil ihnen
der fang des wildes, dessen ihre gebirge voll seien, zum grösten
teile ihre nahrung und auch ihre kleidung liefere. unter den
jagdtieren, die Adam zum teil auf gut glück nach Solin aus dem
alten Germanien in den norden versetzt, weils freilich auch er
das renntier nicht zu benennen oder von dem elch (elaces) nament-
lich zu unterscheiden**. für die unabhängigkeit seiner nachrichten
spricht dass ein seit Tacitus ganz vergessener zug erst bei ihm
wieder zum vorschein kommt (schol. 132), dass die leute dort
trotz der harten kälte nicht daran denken sich das obdach von
(Halsingolandon-galondan) Islondan Scrideuindan (- ὉΠ} einschieben und die
man mit vollem recht mit den erzbischöfen Friedrich (Ὁ 1123) und Adalbero
und dem namen des heil. Wizelin in verbindung gebracht hat, Delio Erzbis-
tum Hamburg-Bremen 2, anm. 8. 39ff.
* in dem altnorwegischen Königsspiegel aus dem xıı. jh. sagt c. 9 8. 20
der vater zu seinem sohne, es möge wohl wunderbar und unglaublich dünken
überall wo man die kunst nicht verstehe, dass ein mann, sobald er sieben oder
acht ellen lange bretter unter seine fülse bindet, die vögel im fluge überholt
(sigrar) und die schnellsten windhunde im laufe, auch das renntier das ein
halb mal stärker läuft als ein hirsch; und doch gebe es viele männer, die so
gut mit schneeschuhen umzugehen wüsten, dass einer in &inem laufe neun
renntiere mit seinem spielse und darnach mehr steche. "wir wissen diese dinge
für gewis und haben gelegenheit, sobald im winter schnee da ist, männer ge-
nug zu sehen die auf diese künste und geschicklichkeiten sich verstehen.’
** für das angeblich mittellateinische ‘rangifer’ (Diez ὙΠ. u.rangifero)
hat der Ducange keinen älteren zeugen als den italienischen arzt Apollonius
Menabene, der Mailand 1584 eine ‘historia cervi rangiferi et gulonis’ nebst
einer ‘historia de magno animali quod Alcen vocant’ herausgab. ‘rangifer’ ist
also nur eine latinisierung von ital. rangifero und diesem liegt ohne zweifel
frz. ‘rangier’, der frz. benennung aber das veraltete πᾶ]. reinger ? oder nhd.
reinger, reingertier (Weigand wb. 23, 465) zu grunde und weiter altn. hreinn,
worüber unten s. 53. ein lapp. raingo aber existiert wahrscheinlich gar nicht,
Thomsen 8. 41.
48 DIE FENNI.
häusern zu schaffen, dass er ferner was er hier weiter von den
Skritefinnen erzählt, im zusammenhange einer unverstandenen,
namenlosen fabel noch einmal (4, 31) wiederholt, da er von
bärtigen weibern und von waldmännern auf den rauhsten bergen
des nordens gehört hat, die tierfelle als kleider gebrauchen und
eine selbst den nachbarvölkern kaum verständliche sprache in
tierischen lauten hervorbringen. überhaupt hat er von nordischen
berichterstattern noch mehr erfahren, was er nur deshalb nicht
auf die Skritefinnen bezog, weil er sie von jenen nicht mit dem
ihm geläufigen compositum, sondern entweder schon als Lappen
oder zufällig gar nicht mit namen nennen hörte; so erfuhr er
(4, 25) von dem dänischen könig Svend Estridson dass kleine,
aber starke und behende leute von zeit zu zeit plötzlich vom ge-
birge her in Schweden einbrächen und alles ausplünderten, wenn
ihnen nicht mit macht begegnet würde, oder auch von andrer
seite (4, 31) dass das volk im nördlichsten Norwegen am ocean
im stande sein solle sich durch zauberei von allen vorgängen in
der welt zu unterrichten, die grolsen seetiere zu sich auf den
strand zu ziehen und noch viel anderes der art mit leichtigkeit
zu vollbringen*. er hatte endlich wiederum auch (4, 37) zwar
nicht wie Cassiodor und Prokop von einer vierzig-, wohl aber
vierzehntägigen dauer der solstitialtage und nächte auf der ‘insel’
oder nach andern in der den Skritefinnen benachbarten, nörd-
lichsten, vor kälte und bergen unzugänglichen norwegischen land-
schaft *Halagland’ gehört, ehe der dänische könig nebst vielen
andern ihm die sache auch noch für andre gegenden des nordens
bestätigte.
das letzte in der reihe dieser zeugnisse und gleichsam nur noch
ein anhängsel dazu ist das des Saxo Grammaticus, der p. 18f.
(vgl. p. 248f.) erzählt dass die ‘Scricfinni’ im norden von Schweden
und Norwegen mit ‘ungewöhnlichen fahrzeugen’ durch allerlei um-
wege und windungen das wild auf fast unzugänglichen felshöhen zu
erreichen wüsten und die felle gewisser tiere als ware bei den be-
nachbarten völkern gebrauchten. von interesse ist hier fast nur
die namenform, weil Scricfinn, wie skrikksko im dalekarlischen
für skridsko (Rietz 5985), im anschluss an isl. norw. skrika,
schwedisch dial. skrikka für skridka = altn. skridna gleiten, wohl
im volksmunde für Skridfinnr eingetreten ist und daher beweist
* wegen des Finnenzaubers aufser Cleasby-Vigfusson 154b, Fritzner 145",
Grimms Myth. 606 insbesondere Uhlands Schriften 6, 398 ff.
DIE ἘΈΝΝΙ. 49
dass das sonst, wie schon erwähnt, im norden nicht mehr ge-
bräuchliche compositum dort ehemals auch, wenigstens in den
südlicheren gegenden durchaus nicht unbekannt war. ist damit
nach einer seite noch eine nähere bestimmung für die alte tra-
dition gewonnen, so trat diese bei Adam von Bremen noch ein-
mal fast in ihrem ganzen umfauge entgegen, ja @in zug erinnerte
selbst noch über Prokop und Cassiodor hinweg an die dar stellung
des Tacitus. und dabei bleibt es nicht allein.
im osten und nordosten jenseit der Skritefinnen beginnt nach
Adam 4, 25. 19 das gebiet der wundermenschen und menschenun-
geheuer, der Amazonen (s. 10) mit den Hundsköpfigen*, die den
kopf auf der brust tragen und ihre worte mit bellen kund geben,
der riesen (Cyclopes 4, 40) und der menschenfresser udglm. Sa-
mojedi aus dem slawischen gedeutet (Schafarik 1, 294f.) könnte
die fabel von den menschenfressern veranlasst haben. aber wie
bei Adam, beginnt auch bei Tacitus (Germ. 46) jenseit der Fenni
im hohen nordosten die fabelwelt. freilich die namen ‘Hellusii’
und ‘Etiones’ sind wenn auch verständlich **, dennoch rätselhaft,
weil sie, wenn sie riesische wesen anzeigen, beide nicht recht
zur fabel stimmen; denn was diese betrifit, so scheint lediglich
ein scherz und neckerei zuerst aus menschen, die bis auf das ge-
sicht tief in pelze und tierfelle gehüllt einhergiengen (DA. 1, 494f.),
leute ‘mit menschenangesichtern, aber leibern und gliedmalsen
wilder tiere’ gemacht zu haben. leicht aber wurden daraus auch
die schreckbilder hundsköpfiger popanze und blutsauger. was
daher immer die namen bedeuten, wenn damit zwei wundersame,
angeblich aber dem habitus nach ganz gleiche völker unterschieden
werden und beide benennungen, wie man annehmen muss, einmal
doch zur fabel stimmten, so muss Tacitus wohl mehr von jenen
und ihres gleichen erfahren haben, als er dem schlusse zu eilend
endlich mitzuteilen für gut findet. selbst der Halogaländer ÖOttar
hielt es für besser, das für sich zu behalten was ihm die Permier
am weilsen meere von ihren nachbarländern erzählten, da er sich
nicht mit eignen augen davon hatte überzeugen können. was
Tacitus mitteilt, genügt vollkommen um uns in den bereich der-
selben oder ganz gleichartiger märchen und vorstellungen zu ver-
setzen, wie wir sie bei Adam treffen und wie sie von ihm einge-
* vgl. Graff 4, 759 und die langobardische sage bei Paulus Diac. 1, 11.
δὲ sg. unten anhang 9.
DEUTSCHE ALTERTUMSKUNDE 11. 4
50 ᾿ DIE FENNI.
standener mafsen nicht einmal vollständig offenbart wurden. die-
selben aber grenzen nahe, ja treffen endlich gänzlich zusammen
mit jener der nordischen oder norwegischen mythologie, die das
heim aller unholde und riesen nach osten d.h. gleichfalls in den
nordosten verlegte (Vsp. 39. 47 Reg. Lokas. 59. 60. Harb. 23.
Gylfag. 42. 45. Skald. 17. uwö.), und dies zusammentreffen lässt
nicht zweifeln dass sie mit einander demselben system einer seit
unvordenklichen zeiten bei den Germanen ausgebildeten und be-
stehenden weltansicht angehören und dass daher die übereinstim-
mung zwischen Tacitus und Adam stammt. aber — dürfen wir
nun auch weiter die schilderung die jener von den Finnen entwarf
mit der überlieferung über die Skridefinnen zusammenbringen ?
Tacitus weils schlechterdings von keinen Fennis in Scadinavien.
bis zu den Skridefinnen in Lappland und Finnmarken reichten
seine nachrichten nicht hinauf und über die Qvenen oder Sitones
waren sie so unvollkommen dass er das volk unbedenklich noch
mit zu den Sueben und Germanen rechnete (s. 11). der Finnen-
name aber muss in Scadinavien weit älter sein. die Germanen,
᾿ς die dahin übersiedelten und dort jedesfalls zuerst mit dem fremden
stamm zusammentrafen, dort und von da aus auch allein mit ihm
in dauernder berührung blieben, müssen den namen entweder
selbst erst erfunden oder schon mitgebracht und in einem um-
fassenden sinne gebraucht haben. denn nur so erklärt es sich
dass er bei den Norwegern auf ihre landesgenossen und nächsten
nördlichen nachbaren, die später von Schweden aus so benannten
Lappen* sich einschränkte und an diesen bei ihnen haften blieb,
als sie für deren entfernter wohnende stammesgenossen besonderer
namen zu bedienen sich gewöhnten, wenn derselbe vorgang sich
wesentlich noch einmal auf einer andern seite von Schweden aus
wiederholte. Dänen und Götar benannten eine zwischen dem däni-
schen Halland und den götischen Smälanden belegene landschaft
altn. Finneidi ἃ. i. Finnheidi altschw. Finnh&d -hedi oder Finnvid,
Finnved, Finnwildnis oder Finnwald, gewis nicht nach der blofsen
ähnlichkeit mit den nördlicheren Finnöden, sondern wie die Schweden
* zuerst bei Saxo p. 241. 243 Lappia; in altnordischen quellen nach Vig-
fusson nur in der Orkneyinga saga ὁ 1 und in isländischen annalen des
xıv. 788. nach Caströn (Reisen und forschungen 5, 5lf.) stammt der name aus
dem finnischen; aber ohne zweifel ist er zuerst weiter bei den Schweden in
gebrauch gekommen um damit den nördlichsten stamm von den Finnen = Finn-
ländern zu unterscheiden.
DIE ΡΕΝΧΙ. 51
im eigentlichen Schweden, in Uppland selbst einen Finnskog und
Finnsiö, weil wirklich ehedem ‘Finnen’ in diesen gegenden hausten,
ehe dort die schon von Jordanes c. 3 Finnaithae, bei Adam von
Bremen 4, 24 Finnedi, bei Saxo Finnenses genannte, germanische
bevölkerung einzog*. sie kannten darnach jedesfalls frühzeitig
den einfachen volksnamen, müssen aber von den Lappen noch
andre Finnen unterschieden und die Südscadinavier überhaupt das
simplex in weiterer bedeutung als nachmals die Norweger gebraucht
haben, wenn ihnen auch das compositum Skridifinnos, Skridfinnar
einmal geläufig war (5. 48f.), ja aller wahrscheinlichkeit nach als
unterscheidende benennung der Lappen sogar von ihnen ausge-
gangen ist. auch die Qvenen sind nur durch die verwandlung
ihres einheimischen namens in einen scheinbar germanischen im
sprachgebrauch ihrer südlichen und westlichen nachbarn allmählich
aus der gesamtheit der Finnen ausgeschieden und waren gewis
noch darunter begriffen als die Schweden den namen auch auf die
nicht lappischen und nicht qvenischen, aber Lappen und Qvenen
nahe verwandten stämme jenseit des bottnischen und finnischen
busens anwandten**, zuerst natürlich in unbestimmter ausdehnung;
dann aber wiederholte sich hier dasselbe wie in Norwegen: das
ethnicum nebst dem landnamen Finnland und dessen derivatum
Finnlandingr ward eingeschränkt und verblieb endlich der nächst
belegenen landschaft und ihren bewohnern, dem Suomivolke, je
mehr der fortgesetzte verkehr und selbst ein stätiges zusammen-
wohnen die besondern, unterscheidenden benennungen der übrigen
stämme gebrauchen lehrte. die aussonderung der Qvenen aus der
gesamtheit der Finnen aber war im sprachgebrauch schon ent-
schieden als Marinus von Tyrus den neuen namen und Tacitus
die daran sich knüpfende fabel (s. 10) erfuhren. die lücke die
seine nachrichten hinsichtlich der Finnen auf Scadinavien lassen,
wird nach alledem durch das was sich aus der anwendung, die
* Zeufs 504, Rydgvist 2, 73, Collin und Schlyter zum Westgötalag s. 558.
Geijer Schwedens urgesch. s. 346. — auf ein wie faderni möderni ua. gebildetes
altn. finnerni = wildnis (Fus. 8, 432 anm.) hat Vigfusson zuerst aufmerksam
gemacht; vgl. dazu Ottars bericht. auf die Finneyjar in der bucht nördlich
von Stavanger wurde ich erst durch Fus. 12, 284 aufmerksam. verdanken sie
einem zufall ihren namen?
** von der insel ‘Aeningia’ im tiefsten innern der Ostsee, von der Plinius
4896 gehört hatte, die nicht kleiner sein sollte als Scadinavia, etwa auf
“Fenningia, Finningia’ zu raten wäre wohl noch verkehrter als darin (Eningiar,
bewohner von (Eland (Rydgvist 2, 268) zu suchen.
4*
52 DIE FENNI.
dort der name fand, entnehmen lässt vollständig ausgefüllt, und
wenn nun Tacitus von den Venetis sagt ‘quidquid inter Peucinos
Fennosque silvarum ac montium erigitur latrociniis pererrant’,
also den Peucinen oder Bastarnen auf der ostseite der Karpaten
die Fenni jenseit der Veneti gegenüberstellt, so ist klar dass der
name bei den alten Germanen den ganzen volksstamm umfasste,
der im norden und nordosten über ihnen, den Eisten und den
Slawen verbreitet war und bei den Slawen einmal wohl in gleicher
ausdehnung Cjudi hiefs.
Es versteht sich darnach so zu sagen von selbst dass auch die
erste characteristik, die die Römer von ihm erhielten, sich nur an
die allgemeinen, dem ganzen stamme, soweit der berichterstatter
ihn übersah oder von ihm wuste, gemeinsamen züge hielt. die
Fenni insgesamt wurden als ein armes, wildes, nomadisches volk
dargestellt, das allein von der jagd und nach dem begrifi, den
der Germane mit dem weidgang verband dürfen wir unbedenklich
hinzusetzen, auch von dem fischfang lebte, wo sich dafür gelegen-
heit fand; und sicherlich ist, wie der gründlichste kenner des
stammes anerkannte”, in dieser beschreibung nichts enthalten was
nicht zu der vorstellung passte, die man sich überhaupt von ihm
in der vorzeit zu machen hat. die Finnen werden uns in ihrem
urzustande geschildert, ehe für sie noch die einwirkung der süd-
lichen kultur begonnen hatte und sie aus dem unstäten weideleben
zur sesshaftigkeit, zum acker- und häuserbau übergiengen. der-
selbe hat sich bei ihnen im grunde bis auf den heutigen tag er-
halten, wo eine übermächtige natur ihrer entwickelung eine kaum
übersteigliche schranke entgegensetzte. es ist daher nicht zu
verwundern dass die schilderungen aus dem sechsten jahrhundert
und selbst noch den späteren in der beschränkung auf die Skride-
finnen im wesentlichen mit Tacitus übereinstimmen: die blofse
übereinstimmung in der auffassung, die sich gleichmälsig in allen
* Castren Reisen und forschungen 4, 142. vgl. Ahlgvist Kulturwörter
8. 101. — Castren 880. 6 (Ostjakische sprachlehre) 8. vı ‘diese asiatischen
Finnen (Wogulen und Ostjaken) stehen noch fast auf derselben niedrigen stufe
wie die europäischen zur zeit des Tacitus.. zwar sind in den letzten zeiten
viele familien, besonders der Wogulen ansäfsig geworden, die meisten irren
aber noch immer von wald zu wald, von fluss zu fluss umher. sie wohnen in
armseligen hütten oder so genannten jurten, die aus balken, torf, birkenrinde
und renntierfellen errichtet sind, und im winter ist die jagd, im sommer der
fischfang ihre hauptbeschäftigung.’
DIF FENNI. 58
auf dieselben gegensätze des lebens stützt, würde schon dafür
sprechen dass auch die älteste von ihnen bei Tacitus aus dem
munde der Germanen stammt (s. 39). es steht aber auch nichts
im wege diese als den ersten beleg der tradition oder traditionell
sich fortpflanzenden kunde zu betrachten, die uns später nur in
der beschränkung auf die Skridefinnen Scadinaviens entgegentritt,
weil sie dem fortschritte der kultur und dem übergange eines
grolsen teiles des volksstammes in eine neue lebensweise gefolgt
ist. renntier und schneeschuhe werden zwar erst von Paulus
Diaconus beschrieben, aber von den nachrichten aus dem sechsten
jahrhundert unläugbar vorausgesetzt. _ um so weniger ist daher aus
dem stillschweigen des Tacitus zu schliefsen dass diese nächst
dem hunde wie es scheint ersten und unerlässlichen lebensbedin-
gungen den nordbewohnern damals fehlten. ohne die zähmung des
jagdtieres und die erfindung des gerätes, das neben dem schlitten *,
diesem und dem kahne ähnlich, über den schnee des langen winters
hinweg ihnen zu ihrer nahrung verhalf, scheint eine existenz für
sie in ihren regionen kaum möglich und der urzustand der Finnen
undenkbar. das renntier, zur zeit des Tacitus wohl schon in ganz
Germanien aufser Scadinavien verschwunden**, war damals im nord-
osten Europas gewis noch sehr verbreitet und ward hier erst aus
dem dienste der menschen entlassen, wo ross und rind an seine
stelle traten; und das ross war nach dem zeugnis des Tacitus den
Finnen noch fremd und daher ohne zweifel auch das rind***, wie
aber wären diese bei den Germanen **** zu ihrem alle insgesamt
umfassenden namen gekommen, wenn sie nicht die schneeschuhe ge-
* über die benennungen beider geräte und ihrer teile und arten in den
finnischen sprachen, die ihre weite verbreitung und ihr hohes alter beweisen, s.
Ahlgvist 8. 125ff.
** altn. hreinn, nicht aus dem lappischen entlehnt (Thomsen s. 41), sondern
ein altgermanisches wort, gibt selbst kaum ein sicheres sprachliches zeugnis
für die ehemalige, weitere verbreitung des tieres ab, da man es wohl mit gr.
χριός (χάρνος) und ahd. hrind(-ir) fries. ags. hrider zu zd. crva horn, gehörnt
gr. χεραρός lat. cervus altgerm. hörutas hirsch stellen und als adjectiv mit der
grundform k,r,anias oder k,r,a-inas? = cervinus ansetzen muss.
4: g, unten anhang 10.
**s* ]itt, Pinnas lett. Pinnis Finne ist entlehnt wie pürmonas fuhrmann παρ]. —
die herkömmliche erklärung von F&nni, Finni aus got. fani altn. fen ahd. fenna
mnd. fries. fenne ndl. veen ags. fenn, die selbst Zeufs 272 wiederholt, ist
sprachlich ganz unmöglich, da &=ii nicht aus a, noch auch nn so früh durch
umlaut entstanden sein können, als der name bezeugt wird.
54 FINNEN UND GERMANEN.
habt und im winter bei der jagd damit ihre füfse beflügelt hätten?
das femininum ags. finn ndd. nhd. finne nd]. vin ist völlig dasselbe
wort mit lat. pinna und penna, gleichbedeutend auch mit 'feder’
(ags. fider πεερόν), wenn dies für flosse, flossfeder (Ds. IV, 4, 1 mit
anm.) oder altn. fiödr auch für fischschweif (Fus. 4, 56) steht,
oder nhd. finne vom schweif des schmiedehammers, ags. finta vom
vogelschweif gesagt wird. steht altgerm. (fönnä) finnä gleich
lat. penna (altlat. pesna) für p&ötn& (patnä&), so war altgerm. (Fen-
nas) Finnas (got. Finns) altn. Finnr ahd. alts. ags. Finn ohne
frage einmal ein adjectiv (pötnäs patnäs) und bedeutete, wie altir.
en altkymr. etn (für petna, petena) vogel oder das anders ge-
formte gr. rersnvoc nerseswvöc, der geflügelte; Skridifinn aber würde
nur dieselbe meinung zweimal ausgedrückt haben, wenn die im
slawischen und eistischen wohl durchblickende älteste bedeutung
des ersten wortteils (s. 44) im germanischen nicht schon einer
andern gewichen und nicht auch schon die bedeutung des zweiten
teiles einiger malsen verdunkelt gewesen wäre, als die unter-
scheidende zusammensetzung erfolgte. der einfache name ist un-
läugbar von sehr altem ursprung; dies wird sich später auch noch
von einer andern seite her ergeben. zunächst kommt es noch
darauf an, die älteste grenzlinie der Finnen gegen die Germanen,
Eisten und Slawen so viel als möglich fest zu stellen.
*Es ist öfter vermutet, ja auch behauptet worden dass die
Finnen einmal über den grösten teil von Europa im norden der
Alpen verbreitet gewesen seien. es liegt aber auf der hand dass
wenn sie hier in der mitte des weltteils durch die von osten her
vorrückenden Arier angetroffen wären, sie viel mehr nach westen
und nicht in den nordosten gedrängt sein würden. sie können
nur nach oder neben den Ariern her aus Asien herüber gekommen
und daher auch von den Germanen nicht schon im süden der
Östsee vorgefunden sein: diese annahme würde jegliches anhalts,
in der sprache und sonst, entbehren. es fragt sich nur ob die
Germanen bei ihrer übersiedelung nach Scadinavien dort schon
Finnen oder Lappen, den vortrab des stammes als ältere bevölke-
rung antrafen und zurückdrängten oder ob diese erst später kamen
* gelesen in der Berliner academie am 95 πον. 1880.
FINNEN UND GERMANEN. 55
und nur die einöden durchstreiften, die jene ihnen frei liefsen. ent-
schieden und, wie mir scheint, entscheidend für die erste annahme
spricht dass die landesbenennung ‘Scadinavia’ selbst sich im wesent-
lichen als von den Lappen entlehnt erweisen lässt*. doch möge
die bestätigung für ihre ehemalige verbreitung aus den landschafts-
insel- berg- fluss- und ortsnamen des südlichen Schwedens und
Norwegens und selbst Dänemarks noch abgewartet werden, ehe
das ergebnis der folgerung für eine ausgemachte tatsache gilt.
für die zweite annahme könnte man sich darauf berufen dass,
wie die untersuchungen Thomsens über den einfluss des germani-
schen auf das finnische ergeben haben, beide volksstämme erst
verhältnismäfsig spät in berührung gekommen sind, d. h. in einer
periode unserer sprache die bei den Nordgermanen, wie die äl-
testen runinschriften beweisen, noch während der ersten jahrhun-
derte unsrer zeitrechnung andauerte, wo allerdings die verschiebung
der stummen consonanten vollendet, auch das ursprüngliche m oder
n im auslaut, wenn ein vocal es nicht schützte, bereits abgefallen
war, das eigentümlich germanische betonungsgesetz, das den hoch-
ton auf der hauptsilbe jedes wortes verlangt, aber noch nicht den
ab- und ausfall von a und i in den endsilben bewürkt hatte. um
aber daraus mit sicherheit zu schliefsen dass die Lappen oder
Finnen erst nach den Germanen in Scadinavien eingedrungen seien,
müste zuvor feststehen dass die Nordgermanen abgetrennt von
den Südgermanen dennoch in völliger übereinstimmung mit ihnen
sich ursprünglich entwickeln konnten und entwickelt haben, weil
ohne das die entgegengesetzte ansicht dasselbe recht behielte
den nachweis Thomsens für sich und zu ihren gunsten zu ver-
wenden.
Der norwegische mythus lässt die als mannweib gedachte und
daher masculinisch, wohl in dem sinne wie alts. scatho ags. sceada
latro, hostis benannte göttin Skadi im alten reiche ihres vaters,
des riesen piazi, auf dem gebirge ganz nach Finnenart als jägerin
auf schneeschuhen hausen, auch nachdem sie zur sühne für den
tod des von den Asen erschlagenen vaters mit dem reichen Vanen,
dem als handels- und schiffahrtsgott am seestrande wohnenden
Niörd vermählt ist. als göttin des gebirges, das die gewaltigsten
wasserfälle entsendet, wird sie auch noch gekennzeichnet wenn es
von ihr heifst dass sie eine ewig geifernde schlange über dem
* s. unten anhang 11.
56 FINNEN UND GERMANEN.
haupte des gefesselten Loki, von dessen zucken die erde bebt, auf-
gehangen habe, und als vertreterin des Finnentums wird sie ange-
sehen wenn sie mit Odin ausser andern ahnen edler geschlechter
vor allen den Ssming, den ahnen der herscher von Halogaland*,
also derjenigen landschaft wo Lappen und Germanen zusammen
lebten wie nirgendwo sonst (5. 45f.), erzeugt haben soll. denn altn.
Sämr, das wie Finnr als name, als adjectiv in dem sinne 'schwärz-
lich von aussehen’ gebraucht wird, scheint durchaus dasselbe mit
lapp. Sabme, plur. Samek, wie die Lappen sich selbst und ihr
land Same-@dnam benennen, so dass das davon gebildete patrony-
micum Szmingr nur den aus der ehe eines Germanen mit einer
Lappin entsprossenen anzeigt. in diesen mythen tritt also unver-
kennbar, und nicht zu einer theorie künstlich ausgebildet wie im
späten Fundinn Noregr, die ansicht entgegen dass Lappen oder
Finnen die älteste bevölkerung des landes waren, die durch die im
dienst der Asen und Vanen stehende der Nordmannen zurückge-
drängt wurde, und sie könnte leicht einmal noch schärfer ausge-
prägt gewesen sein, falls man die tochter des riesen, die Skadi
mit dem ältesten landesnamen Skadn- oder Skapn-avi in verbindung
brachte, was sprachlich ganz wohl möglich war, zumal da skapan,
das alte thema von skadi scado sceada, in den leichten obliquen
casus einmal regelrecht zu skadn verkürzt werden muste und
dieser wechsel schwerer und leichter casus selbst zwiefache, neben
einander fort bestehende wortgestalten, wie (beri) bero und biörn
börn, ari aro und örn arn oder altn. vatn nafn neben got. vato
namo, erzeugte. indes ist zuzugeben dass die ansicht nicht auf
einer uralten historischen erinnerung zu beruhen braucht, sondern
ganz wohl erst der reflex eines zustandes sein kann, wie ihn noch
der Halogaländer Ottar im neunten jahrhundert schilderte, dass die
Finnen die ‘wilden wüsten’ und gebirge zwischen Norwegen und
Schweden, die Germanen die rings umher nach der see zu liegenden,
besseren landschaften inne hatten. sie kann daher zur entschei-
dung der frage, wie dieser zustand einmal herbeigeführt wurde,
wenig beitragen, derselbe zweifel aber nicht wohl aufkommen
wenn der landesname selbst von den Lappen entlehnt ward.
* vgl. PAMunch Det norske folks histor. 1 c. 11 übers. von Claufsen
s. 97f. — zum folgenden sei nur noch bemerkt dass wenn Sämr ein altn. eigen-
name und im grunde gleich Finnr ist (Rask Oprindels. s. 114), darum doch
Säms-ey im Kattegat ebenso wenig eine Finneninsel sein kann, als Borgundar-
holmr eine insula Burgundionum.
FINNEN UND GERMANEN. 57
Auch die unläugbar eigentlich schwedische sage von der
Gefion und dem urkönige Gylfi sprach einmal wohl dieselbe an-
sicht aus, wenn gleich die vorliegende überlieferung den Gylfi
nicht mehr als könig eines fremden urvolks hervortreten lässt *.
den besten beleg für die frühere, weit nach süden reichende ver-
breitung der Finnen gibt immer die Finnheidi oder der Finnvidr
zwischen Halland und Smäland (s. 50f.), so lange es nicht glaub-
lich ist dass der name blofs nach art eines poetischen gleichnisses
von anders woher übertragen ward.
das seiner herkunft nach älteste der aus dem sechsten jahr-
hundert stammenden, historischen zeugnisse, das nach Ptolemaeus
die Finnen in Scadinavien mit namen nennt, rückt ihre südgrenze
schon beträchtlich nördlicher, bis jenseit des Wienersees auf die
grenze von Norwegen und Schweden. denn dahin, in den Eida
skog und bis in die südlicheren, von norwegischer seite oft ge-
nannten ‘markir’ (grenzwaldungen) kommen strenggenommen die
‘Finni mitissimi’ (8. 42), die Jordanes unmittelbar mit den Rauma-
riciis und Ragnariciis verbindet d. h. mit den bewohnern der beiden
landschaften Raumariki und Ränriki, die zusammen mit der zwischen
ihnen belegenen Vingulmörk den südöstlichsten teil des alten Nor-
wegens ausmachten. die zunächst in betracht kommenden worte
und namen sind glücklicher weise frei geblieben von den verderb-
nissen durch die Jordanes sonst selbst viel mehr als seine ab-
schreiber einen so grofsen teil der vortrefflichen von Cassiodor
über Scadinavien aufgezeichneten nachrichten gründlich zu schanden
gemacht hat. diese enthielten ein wohl geordnetes und zusammen-
hangendes bild der gesamten völkerwelt der halbinsel und rührten
ohne zweifel mit einander von keinem andern her als dem nor-
wegischen könige Rodvulf, der ‘vor nicht vielen jahren’ (Jord. c. 3)
zum Theodorich nach Italien gekommen war. jede einzelne darf
für best beglaubigt gelten und nur das kann fraglich sein ob nicht
Jordanes ein oder das andre glied der cassiodorischen darstellung
übersprungen hat. an der in rede stehenden stelle c. 3 fällt es
auf dass die schon dem Ptolemaeus als Xasdsıvol bekannten Heidnir
(Heinir), der mittelpunkt des thingverbandes im südöstlichen Nor-
wegen am Miösen ungenannt bleiben. um das stillschweigen zu
rechtfertigen muss man Raumarike eine weitere ausdehnung bei-
legen oder die lücke auf eine andre weise ergänzen. die ‘Finni
* 5. unten anhang 12.
58 FINNEN UND GERMANEN.
mitissimi’ behalten darum immer ihre angewiesene stelle, die auch
Ottar im neunten jahrhundert anzunehmen erlaubt und Adam von
Bremen (4, 24. 25) im elften, ja selbst noch die spätere nordische
geschichtsklitterung * mit hinlänglicher deutlichkeit zu erkennen gibt,
dass ‘in confinio’ beider reiche Schweden und Norwegen von Werme-
land an die region der Finnen begann. darüber konnte Adam
durch einen seiner gewährsmänner, den bischof Adalward von Skara
in Westgötland, den bekehrer der Wermeländer (3, 15. 4, 23. vgl.
schol. 119) aufs beste sich unterrichten und über die verbreitung
des volksstammes überhaupt muste sein erzbischof Adalbert wohl
unterrichtet sein, als er schon in den ersten jahren seines regi-
ments (s. 46) an die bekehrung der ‘Skritefinnen’ dachte und zu
dem ende einen bischof ‘Stenphi’ d. i. Steinfinn nördlich in Hel-
singeland einsetzte (4, 24).
Wermeland im norden des Weenersees ist, wie die funde in
seinem boden ausgewiesen haben, ein altes culturland und weit
eher bewohnt und bebaut gewesen, als die norwegischen genea-
logischen dichter (Yngl. s. c. 46) annahmen, die seine urbarmachung
durch den Göten oder vermeintlichen letzten Yngling von Uppsala
Olaf Holzaxt sechs generationen vor Harald Harfager ansetzten.
ungefähr gleichzeitig** soll weiter nordwärts auch Jämteland von
Norwegen aus und zwei generationen später Helsingeland am bott-
nischen meerbusen seine erste bevölkerung erhalten haben (OH.
c. 147. HGod. c. 14. HHarf. c. 20). aber auch hier haben die
* Fundinn Noregr c. 1 (Fas. 2, 6f.) Raumr konungr ätti samdrykkju um
jöl vid Bergfinn, son Pryms iötuns af Vermä ok gekk hä i rekkju Berg-
disar, systur hans, ok eptir bat gat hün 3 sonu, Biörn Brand ok Alf. hann
föstradi Bergfinnr ok var kalladr Finnalfr. Biörn var med mödur sinni ok
var kalladr Iötunbiöorn. Brand sendi hün Rauma födur hans, en hann gaf
hann gudunum ok var hann kalladr Guäbrandr. honum gaf Raumr konungr
dali μὰ er Gudbrandsdalir heita, Iötunbirni gaf hann Raumsdal, en Alfi Ey-
stradali ok allt fyri nordan Vaeni ok frä Gautelfi ok norär til Raumelfar: Pat
voru hä kalladir Alfheimar.
** über Olaf und Eystein illrädi als seinen zeitgenossen PAMunch Hist.
übers. von Claufsen 1, 95. 2, 74f. 105ff. 152. — über den archaeologischen
bestand und augenblicklichen befund in den einzelnen schwedischen land-
schaften s. HHildebrands Heidnisches zeitalter in Schweden, übers. von JMestorf,
s. 161 wegen Wermeland, s. 153f. wegen Gestrike-, Westmannland und Dalarne,
s. 170f. über Jämte- und Helsingland und insbesondere desselben abhandlung
über ‘Das ältere eisenalter in Norrland’ in der Antiqvarisk tidskrift för Sverige
2, 222ff., im auszuge im Correspondenzblatt der deutschen anthropologischen
gesellschaft 1870 nr. 7. 8.
FINNEN UND GERMANEN. 59
funde gelehrt dass germanische niederlassungen aus dem süd-
licheren Schweden namentlich im nördlichen Helsingland und
Medelpad beträchtlich älter sind und schon in die ersten jahr-
hunderte unserer zeitrechnung hinauf reichen. das ergebnis ist
um so merkwürdiger weil sich zugleich herausstellte dass wenn
auch spuren einer frühzeitigen verbindung mit Norwegen durch
Jämteland nicht mangeln, doch im übrigen die alte niederlassung
der Helsingjar nach allen seiten hin, auch gegen süden nach dem
schwedischen Uppland hin lange zeit völlig isoliert dagestanden
hat. nimmt man dazu dass Dalarne zwischen Wermeland und
Jämteland, nördlich über Westmannland, zu ende des zwölften
jahrhunderts, als könig Sverrir 1177 es mit seinen Birkibeinen
durchzog (Fus. 8, 30ff.), nur noch ein grofses waldland mit ein-
zelnen eingestreuten menschlichen ansiedlungen war, so wird deut-
lich welch ungeheures revier von Wermeland und den grenzwäldern
Norwegens an bis nach Helsingeland einmal den schweifenden
Finnen offen stand und wie sie wohl auch in Uppland erscheinen
und hier einem wald und see den namen geben konnten (8. 51).
man begreift darnach auch vollkommen dass Cassiodor oder sein
gewährsmann mit den ‘Finnis mitissimis® auf der grenze von
Wermeland und des südlichen Norwegens sehr wohl die Qvenen
am bottnischen busen hätte verbinden und von diesen südwärts
auf die eigentlichen Svear hätte kommen können. aber ob er
würklich diesen weg genommen und überhaupt der Qvenen er-
wähnt hat?
Ottar bei könig Älfred (Oros. 1,1, 16.17) scheint noch das
ganze weite gebirgs- und waldland zwischen den bebauten gegenden
von Norwegen und Schweden als einen tummelplatz der Finnen
zu betrachten und von norwegischen oder schwedischen nieder-
lassungen darin ebenso wenig etwas zu wissen oder sie doch eben-
so wenig in rechnung zu bringen, als der erste, vermutlich deutsche
gewährsmann des königs (s. 12f. 45f.), der (Oros. 1, 1, 11. 12) den
nördlichsten teil der Ostsee Cv&ns® nannte und Cv&nland über den
Schweden ‘jenseit der wüste’ ansetzte. Ottar jedoch sagte, Cvena
land liege dem nördlichen Norwegen, da wo es am schmalsten sei,
also von Naumudal und prondheim an, gegenüber auf der andern
seite des gebirges und die Cvenen kämen von dort zuweilen her-
über, indem sie ihre sehr leichten schiffe mitnähmen und auf den
gebirgsseen gebrauchten, um bei den Nordmannen zu heeren, wie
umgekehrt diese auch zu jenen hinübergiengen. man kommt da-
60 FINNEN UND GERMANEN.
mit für Qvenland im wesentlichen auf die geographische breite von
Halogaland und wird es südwärts nicht weiter ausdehnen können
als bis gegen Helsingeland, womit die Egilssaga c. 14 völlig stimmt,
die Kvenland südlich von Helsingjaland, nördlich von Finnmörk
begrenzt sein lässt. freilich wenn erzbischof Adalbert bei der
einsetzung des bischofs ‘Stenphi’ in ‘Halsingland’ zur bekehrung
der Skritefinnen auf das ‘Frauenland’ gar keine rücksicht nimmt
und Adam (s. 10) diesem sogar eine solche ausdehnung gibt dass
es Finnland mit einschliefst, so scheint es fast dass im eilften
jahrhundert die Qvenen bereits aus der nachbarschaft der Helsinge
sich zurück und mehr nach osten hinübergezogen hatten. indes
folgt Adam nur einem sprachgebrauch der, wie der norwegische
noch heute, Qvenen und Finnländer gleichsetzte; er weils auch
(4, 14) dass das schwedische königreich sich weithin bis zu dem
Frauenlande erstreckte, und die ‘erweiterung seiner herschaft’, die
könig Emund nach 3, 15. schol. 119 durch die aussendung einer
flotte zur unterwerfung Qvenlands anstrebte, ist leicht eher auf
der westlichen, schwedischen als auf der östlichen, finnischen seite
des bottnischen busens zu suchen. reichte nun die cultur von Hel-
singeland bis in die ersten jahrhunderte unsrer zeitrechnung zu-
rück, so ist vielleicht schon die grenze der Sitones des Taeitus
gegen die Svien nicht südlicher zu setzen als die späteren zeug-
nisse für die Qvenen erlauben; noch viel weniger aber erstrecken
sich die ‘Vinoviloth’ des Jordanes, die er mit den Finnis mitis-
simis verbindet (s. 42), südlicher wenn sie, wie man meint, keine
andere als die Qvenen sind.
für diese meinung spricht allerdings dass sie ‘pares’ der
‘Finni mitissimi, Scandzae cultoribus omnibus mitiores’ heifsen.
aber ungeheuerlich und kaum glaublich ist die entstellung des
namens und die annahme von Zeufls 687, dass eine zweite, von
Kvenir Kvanir Cvönas Quenones (8. 10) verschiedene umbildung
des finn. Kainulaiset, etwa ‘Qvinvilos’ in Vinoviloth stecke, sehr
unwahrscheinlich, schon deshalb weil mindestens ein schwach-
formiges deminutiv und nicht ein starkes nomen agentis zu er-
warten wäre. aufserdem die möglichkeit dass dem auf Vino-
viloth unmittelbar und ohne jede verbindung folgenden ‘Suetidt’
ebenso wie dem bei Jordanes früher erwähnten ‘Liothida’ ein
compositum gleich altn. Svibiod, Goppiod got. Gutpiuda zu grunde
liege, kann man zugeben. allein wer begreift dass die Schweden
zuerst, nachdem von der gens Adogit und den Rere- oder
KÖNIG RODVULFS SCADINAVIA. 61
Scretefennis (s. 41) die rede gewesen ist, als ‘Suehans’ d. i.
Sveans, also mit der echten, vollen grundform von altschwed.
Svear altn. Sviar ags. Sveon lat. Suiones Sueones eingeführt
werden und dann noch einmal stillschweigend, ohne ein wort zur
aufklärung, mit einer andern, der unform ‘Suetidi’? wer begreift
ferner dass, nachdem zuerst zwischen den Skretefennis und Sue-
hans die Qvenen übergangen sind, diese als “Vinoviloth’ nachher
anhangsweise zu den Finnis mitissimis südlich im innern des landes
und nach ihnen die Schweden als Suetidi nebst den Dänen, die
die Heruler vertrieben hätten, blofs um ihrer körpergrölse willen
noch einmal und zwar so erwähnt werden dass die festgeschlos-
sene reihe der längs der see wohnenden norwegischen völker,
deren aufzählung eben mit den Raumariciis und Ragnariciis be-
gonnen hat und mit den Finnis mitissimis nur ein wenig ablenkte,
dadurch vollständig unterbrochen wird? man muss schliefsen, ent-
weder dass Jordanes früher übergangenes aus der darstellung Cas-
siodors am unrechten orte nachholte, als die Finni ihn wieder
daran erinnerten, oder aber Cassiodor handelte an der stelle gar
nicht von Qvenen und Schweden, sondern von völkern des süd-
lichen Norwegens, so dass bei ihm die vorhin (s. 57) in der dar-
stellung des Jordanes bemerkte lücke gar nicht vorkam. diese
annahme ist mindestens ebenso berechtigt als die andre, und eine
entscheidung zwischen beiden auch noch ganz wohl möglich, trotz
der greulichen entstellung in der die cassiodorische diathese bei
Jordanes c. 3 vorliegt und die sich niemals wird beseitigen lassen.
es kommt nur auf eine strengmethodische betrachtung des zu-
sammenhanges an, da selbst Zeufs 503ff. nicht, geschweige denn
andre sich von willkürlicher und regelloser behandlung des ‚ein-
zelnen frei gehalten haben. das ergebnis ist überraschend und zu
wichtig um nicht gleich hier am platze zu sein.
*Die diathese beginnt wie gesagt im höchsten norden bei den
merkwürdigen völkern innerhalb des polarkreises, der gens Adogit
und den Rere- oder vielmehr Scretefennis und wendet sich dann
südwärts zu denen auf der seite der Ostsee. erwähnte sie der
* gelesen in der philosophisch-historischen classe der Berliner academie
am 21 juni 1880.
62 KÖNIG RODVULFS SCADINAVITA.
Qvenen, so geschah es jedesfalls in andrer weise als nach der
gewöhnlichen meinung bei Jordanes, oder sie begriff sie mit unter
den gesamtbegriff Finnen ein. sie gelangte dann zu den Sveans,
dem mächtigen volke in der umgebung des Mälars und Hjelmars
und aufser ihrer pferdezucht und ihrem pelzhandel hätte gewis
auch ihre und der Dänen leibesgröfse hier gelobt werden können,
aber nicht wie man meint bei Jordanes nachträglich als einleitung
zur schilderung der Norweger. auf die Sveans sollten die Ost-
götar folgen. aber wohl weil ihre stärke mehr im innern gegen
den Wettersee als an der seeküste sals, so wurden sie vorläufig
übergangen. in dem ersten namen der nächsten reihe, wenn die
lesart “Theustes’ eines Vindobonensis bei Zeuls 506 und der vul-
gata neben “Theutes’ des Palatinus ua. als wohl begründet gelten
darf, erkennt man sofort bewohner der südlich an Ostgötaland
stofsenden küstenlandschaft Tjust (altschw. piust vgl. altn. piostr),
von der aus um die übrigen namen der reihe unterzubringen zwei
wege offen stehen, westwärts ins innere oder weiter abwärts an
der küste. in der ersten richtung liefse sich der letzte name der
reihe ‘Liothida’ allesfalls an den alten königshof Livini in der
Wistharde am Wettersee unterhalb von Ostgötaland anknüpfen,
da die schwedischen Asvavo, des Ptolemaeus (8. 10 anm. **), sowie
die Lionas des ags. Wandererliedes v. 80 und noch entschiedener
der Liungaköpungr der Ostgötar an der Ljunga gänzlich aus dem
spiele bleiben müssen*. aber was wäre mit ‘uagoth bergio hallin’
auf der schmalen strecke zwischen der Wistharde und Tjust anzu-
‘ fangen? die namen sind sämtlich längs der küste südwärts von
Tjust zu suchen und zwar bis Blekingen und Schonen. die ab-
weichung von dieser richtung wäre nicht so schlimm wenn ‘uagoth’,
in Augoth, Avigothi hergestellt, Eygautar (ahd. pers. Auuigaoz)
oder Eygotar, Eygutar anzeigte und nach Öland altn. Eyland
(ahd. pers. Auuilant) oder Gotland hinüberspränge. aber die namen
sind heillos verderbt, vielleicht auch längst verschollen und nicht
einmal in orts- oder bezirksnamen erhalten; wenigstens muss ich
es andern überlassen ‘bergio hallin liothida’ in der angegebenen
richtung wieder zu entdecken. am meisten fällt auf dass zuletzt
die Dänen ungenannt bleiben: hielt Jordanes sich etwa berechtigt
* wegen Livini s. Collin und Schlyter Westgötal. 8, 562, vgl. Rydgvist
8SI. 2, 283; wegen Linköping (Liungaköpungr) l.effler V-omljudet 8. 73ff., wo-
nach die combination in Haupts zs. 11, 290 hinfällig wird.
KÖNIG RODVULFS SCADINAVIA. 63
sie hier zu übergehen, wenn er später die notiz über sie und die
vertreibung der Heruler durch sie bei den ‘Suetidi’ mitteilte? die
schilderung schreitet unläugbar in jener angegebenen richtung
fort. denn das land das die völkchen der reihe nach inne haben
ist ein flacher küstenstrich, gerade so wie die augenzeugen des
Paulus 1, 2 die insel Scadinavia fanden als ‘non tam in mari po-
sita quam marinis fluctibus propter planitiem marginum
terras ambientibus ceircumfusa’. bei Jordanes lese ich ‘quorum
omnium sedes supina, plana ac fertilis — statt des unsinns
unsrer ausgaben und hss. ‘sub humo plana ac fertili, sub uno
plani ac fertilis, sub una planicie ac fertiles’ — et propterea inibi
alilarum gentium incursionibus infestantur’; wozu es dann im
gegensatze von den völkern der nächsten reihe heifst ‘hi omnes
exesis (excelsis?) rupibus quasi castellis inhabitant, ritu beluino’.
natürlich kommen diese ‘post hos’ d.h. die hinter denjenigen an
der küste weiter ins innere.
aus dem ersten hier genannten namen ‘Athelnil’ kann man
durch buchstabenumstellung und muss man schon der ordnung
gemäfs ‘Hellanti? Hallanthi?’ — die Halländer herauslesen. die
‘Finnaithae’ in Finnweden (8. 51) schliefsen sich darauf richtig an.
in dem dritten namen ‘Fervir’ — wo das auslautende r auf keine
weise in betracht kommt — vermutete Zeufs 505 ansprechend
eine ältere benennung der Smäländer, gleich altn. fäir got. favai
pauci, ‘die wenig zahlreichen’, und der stabreim mit Finnaithae
scheint die annahme einer buchstabenversetzung und vertauschung
zu verbieten. dennoch weils ich nicht ob nicht ‘Fervi’ auf ‘Verti’
d. i. Verthi zurückzuführen ist, so dass die altschwedischen Virdar,
die bewohner der an Finnweden ostwärts anstolsenden landschaft
Wärend herauskommen. der vierte name ‘Gautigoth’ mit Zeuls
als Gautigös aufgefasst verlangte neben got. Gauts Gautös, altn.
Gautr Gautar die unerhörte und kaum glaubliche nebenform got.
Gauteis Gautjös, altn. Geytir Geytar. entweder steht Gautigoth
für Gautpiod (Gautpiuda ?) oder für Gautgothi, oder es ist geradezu
ein ungeschickt erfundenes und wegen des innern i falsch gebil-
detes compositum aus derselben fabrik wie Gothiscandza (Jord. c. 4),
erfunden lediglich um das volk des südlichen Scadinaviens von
den Goten des südlichen festlandes und der inseln, den Hreid-
gotum und Eygotum zu unterscheiden. das ‘acre hominum genus
et ad bella promptissimum’ sind unzweifelhaft die Ostgötar, ver-
bunden oder, wie einige hss. überliefern, ‘dehinc mixti Evagreo-
64 KÖNIG RODVULFS SCADINAVIA.
tingis’. diese worte von den vorhergehenden zu trennen und gar
den namen in zwei zu zerhacken, wie die ausgaben tun, heilst
nur unsinn erzeugen. was freilich ‘Eva’ bedeutet, erraten wir
nicht; es können damit nur diese Greotingi von andern desselben
namens unterschieden oder vor andern völkern ausgezeichnet
worden sein, wie die Here-, Sigescildingas, Headoscilfingas udgl.
im Beovulf. der einfache name ist ja derselbe mit Greutungi,
wie die Ostgoten am schwarzen meere hielsen. er umfasst hier
die kleinen volkschaften in den bergichten gegenden südlich vom
Wettersee, im rücken und zur seite (dehince mixti) der nächst
vorher genannten, und auf sie vor allen ist der vorhin (s. 63)
ausgehobene satz zu beziehen, der alle insgesamt als felsbewohner
darstellt, da der name selbst nichts anderes aussagt (Grimm
GDS. 448).
die aufstellung der südöstlichen, der Ostsee zugewandten
völker ist hiemit beendigt. es folgen nun die ‘his exteriores’, die
gegen nordwest und das äulsere meer gekehrten. nennt aber
Jordanes an deren spitze 'Ostrogothae’ statt der Uestrogothae
westlich vom Wettersee, so muss er entweder einfach Uestro-
gothae als Ostrogothae verlesen oder dies getrost nach wahr-
scheinlichkeit dafür gesetzt haben, weil ihm wohl Ostro- und
Vesegothae oder Visigothi, nicht aber Vestrogothae geläufig waren.
den unterschied der Tavzos Gautar Götar und der Gutones Gothi
Gotar muss schon Cassiodor selbst verwischt haben, zumal wenn
von ihm das compositum Gautigoth herrührte. die stelle der
Raumariciae, Ragnaricii und Finni mitissimi neben den Westgöten
und Wermen ist schon angegeben (8. 57). Ragnaricii steht für
Rahnaricii und dies verhält sich zu altn. Ränriki, wie ahd. (ra-
hana) rahanen zu altn. rän rena, ahd. stahal zu altn. stäl usw.
aber seltsam, wenn auch verständlich, und anstölsig bei näherem
besehen ist doch ‘Finni mitissimi, Scandzae cultoribus omnibus
mitiores,’ da ‘mitissimi Scandzae cultorum omnium’ vollkommen
genügt hätte. ich vermute dass Jordanes hier doch wie an an-
dern in den hss. feststehenden fehlern seines textes unschuldig
ist und statt ‘mitiores’ vielmehr minores schrieb. dann konnte
die aufzählung ohne anstols von den Finnen noch einmal auf die
einwohner der zwischen Raumariki und Ranriki belegenen land-
schaft Vingulmörk zurückgreifen, wenn diese als ‘pares eorum’-
als gleich kleine leute wie die Finnen oder ihnen gleich geartete
bezeichnet werden sollten, und jedermann wird das ethnicum Vin,
KÖNIG RODVULFS SCADINAVIA. 65
guli (oder Vingvili?) eher aus den ersten sieben buchstaben von
‘Vinoviloth’ herauslesen als Qvenii Qvenones odgl. dann würde
auch das asyndeton des nächsten satzes sofort verständlich durch
den gegensatz, weil hier die ‘Suetidi’ oder, wäre das neben Vin-
guli überschüssige ‘oth’ noch damit zu verbinden, die ‘oth suetidi’
als ‘cogniti in hac gente reliquis corpore eminentiores’ her-
vorgehoben werden und darauf auch noch weiter allen übrigen
norwegischen völkern dieselbe ‘positura’ beigelegt wird, was Jor-
danes blofs um der anknüpfung willen frei erfunden haben müste,
wenn er die vorauf gehenden sätze von den Vinoviloth und Suetidi
früher übergangen und hier nur nachgeholt hätte. behielt er also
die cassiodorische ordnung unverändert bei, so sind die 'Suetidi’
und norwegischen Heidnir, Χαιδεινοί, die ‘Othsuetidi’ und das nor-
wegische Heids&visping, in etwas älterer schreibung Haipssvis-
Haipsaivisping, zusamınen zu halten und man wird einräumen dass in
beiden fällen das verderbnis aus den norwegischen namen wohl ent-
stehen konnte. nur machen im letzten falle die endsilben -tidi
schwierigkeit, da man das durch die besten hss. geschützte, nächste
wort ‘cogniti’ nicht mehr, wie etwa das corrupte ‘cogeni’ der älteren
ausgaben, zur erklärung oder wiederherstellung herbeiziehen und
ohnehin nicht füglich daran denken darf dass das ethnicum aus dem
decompositum gebildet ward. die jüngere, entstellte benennung ‘Eid-
sivaping’ scheint noch das ethnicum Heids&vir vorauszusetzen, das
sich zu dem orts- oder landschaftsnamen Heids&vi ebenso verhielt
wie norw. Morir zu Meeri, Firdir Firda zu Firdir Fiarda, Filir zu
Fialir, Sygnir zu Sogn, Egdir zu Agdir, schwed. Vermir zu Vermä usw.
wie es sich daher auch mit dem -tidi verhalte, Ptolemaeus
hatte allein von Xasdsıvors im südöstlichen Norwegen gehört (8. 10),
Cassiodors gewährsmann unterschied von den südlich um die Vik
und die untere Raumelf in Ranrike, Vingulmörk und Raumarike
wohnenden wahrscheinlich die nördlicheren fylken des thingver-
bandes um den Miörssee in der Heidmörk oder dem seedistriet —
denn nichts anderes wird Heids&vi bedeuten —: so kann von
einer lücke in seiner darstellung des innern landes nicht mehr
die rede sein.
Die weitere aufzählung schliefst sich hier westwärts ohne
unterbrechung an. die ‘Grannii’, besser ‘Granii’ geschrieben, sind
die Grenir des Grenafylkis mit den landschaften Grenmar an der
küste, Grenland im innern* auf der westseite der Vik, im heutigen
* PAMunch in den Annaler for nordisk oldkyndighed 1836. 37 8. 62 ff.
DEUTSCHE ALTERTUMSKUNDE U, 5
68 KÖNIG RODVULFS SCADINAVIA.
Brattbergsamt, so dass man sich zur zeit der diathese Raumariki
zu beiden seiten im norden des busens ausgedehnt denken muss.
unmittelbar westlich von dem Grenafylki auf der südküste von
Norwegen folgte die landschaft Agdir oder das Egda fylki, und wie
zuerst Zeufs erkannte, steckt der name in dem zweiten bei Jor-
danes genannten: das ‘Augandzi’ des Pal. muss aus Agadii oder,
wenn das ethnicum aus dem latinisierten landesnamen gebildet
war, das ‘Augandziae’ andrer hss. oder der vulgata aus Agadiae
verderbt sein. was dem dritten, offenbar nicht weniger verderbten
namen, ‘Eunixi’ im Palatinus, ‘Unixi’ in der vulgata ua. zu grunde
liegt, errate ich nicht; aber der name wird wahrscheinlich in einer
zweiten reihe hinter den Grenir zu suchen sein. denn in dem
vierten, dem ‘taetel’ des Pal. sind Telae, Thelae d. i. die pilir
in pelamörk im rücken von Agdir und Grenland nicht zu ver-
kennen (vgl. Zeufs 507). beruhte die vulgata 'ethel’, die durch
einige hss. unterstützt wird, wirklich auf alter überlieferung, so
wäre hier noch der echte anlautende consonant erhalten, im
übrigen aber der name durch dieselbe buchstabenversetzung wie
in ‘taetel’ entstellt. ‘ethel’ für altn. adal δι. adal zu erklären
und dadurch die vulgata zu rechtfertigen kann nur einem ein-
fallen der von der grammatik nichts weils oder sie misachtet.
jenseit Agdir zuerst auf der westseite von Norwegen salsen die
Rygir in Rogaland, und bei Jordanes ist ‘'Rugi’ der fünfte name;
dann jenseit von Rogaland nördlicher um den Hardangerfjord die
Hördar, die ganz denselben namen führten wie die Charudes, Ha-
rudes an der untern Elbe, wofür man auch Arudes bei Orosius
6, 7, im sing. Arodus (Rothari genere Arodus) bei Paulus 4, 42,
Aeov$ bei Prokop und Agathias geschrieben findet, und so auch
bei Jordanes ‘Arochi’ (‘Ariochi’ Pal.) statt Arothi, Harothi. fehlen
nun die Sygnir in Sogn und die Firdir des Firdafylkis in der auf-
zählung, so bildeten sie ohne zweifel damals mit den Hördar zu-
sammen ein volk, ein reich oder einen thingverband, wie später
im Gulaping auch noch mit Agdir. es sollten darauf die prandir
oder proendir, ags. prövendas— auch ahd. Thröant Thruoant Thrüant
ist derselbe name* — als hauptvolk und mittelpunkt des nächsten,
nördlicheren rechtsgebietes folgen. überliefert ist bei Jordanes an
letzter, siebenter stelle ‘ranii, rannii, raunii’ und in den hss. durch
* wegen der lautlichen entwickelung vgl. Graff 5, 244f. und 6, 726—728
über stouuan stuouuan stüen. übrigens schon Zs. 11, 287f.
FINNEN UND SLAWEN. 67
scriptura continua regelmälsig mit ‘Arochi’ verbunden. ist dies
aber für Arothi verlesen, so wird der ausfall eines zweiten Th
als anlaut des nächstfolgenden namens begreiflich und aufserdem
es wahrscheinlich dass dem verderbnis ein name zu grunde liegt,
der genau genommen lateinisch Thrauandii, wenn nicht Thrauantes,
hätte wiedergegeben werden müssen. an die preendir aber schlossen
sich nordwärts die Haleygir und an diese weiter die 'Screte-
fennae,’ zum einleuchtenden beweise dass die ‘gens Adogit’ auf jene
mit recht (s. 41) gedeutet wurde und dass es nun, um diese deutung
wahrscheinlicher zu machen, nicht mehr der annahme einer grie-
chischen aufzeichnung als quelle bedarf. denn nun hat sich eine
so vollkommen und fest in sich abgeschlossene, so vollständige
und wohl geordnete, von so guter anschauung und gründlicher
kunde des landes zeugende aufstellung der völker Scadinaviens
ergeben, wie wir keine zweite von ihrer art aus dem alten Ger-
manien, selbst kaum in der Germania des Tacitus besitzen. nur
der entsetzliche zustand, in dem die diathese überliefert ist, der
bisher selbst ihren wahren wert verkennen liefs, wird uns nie
vollständig zu ihrem ursprünglichen inhalt gelangen und diesen
ausnutzen lassen. aber es wird nun wohl niemand mehr anstehen
den könig Rodvulf, der ‘vor nicht vielen jahren’ aus Norwegen
zum Theodorich nach Italien kam (s. 57), als ihren eigentlichen
urheber und gewährsmann anzuerkennen.
*Nach diesen erörterungen erhellt genugsam welche stellung
Finnen und Germanen ums j. 500, sowie früher und später auf
der scadinavischen halbinsel gegen einander einnahmen, und jeder
mag darnach entscheiden ob jene oder diese dort für die früher
angekommenen zu halten sind. auf der andern seite der Ostsee,
sahen wir s. 24f., reichten die Eisten noch in den ersten jahrhun-
derten unsrer zeitrechnung bis an den finnischen busen und wurden
erst nachmals hier durch die finnischen Esten, Liven und Kuren
bis zum kurischen haf hin von der seeküste abgedrängt. da aber
die Esten, Liven und Kuren mit dem Suomivolke und den Hämä-
läiset oder Tawasten im eigentlichen Finnland sprachlich zu dem-
* gelesen in der Berliner academie den 25 nov. 1880.
5%
68 FINNEN UND SLAWEN.
selben südlichen oder jämischen zweige ihres stammes gehören*,
so hat ohne zweifel dieselbe bewegung einmal gleichzeitig jene
südwestlich, diese ‚nordwestlich vom meerbusen vordringen und
dort die eistische, hier wohl eine nahe verwandte ältere, qvenisch-
karelische bevölkerung zurücktreiben lassen. die bewegung muss
auf jeden fall vom osten und südosten des busens ausgegangen
sein. bis ins xır. jh., wo sie den Russen unterlagen, wohnten
auch noch Jämen (russ. Jami) südöstlich und östlich vom Lado-
gasee, von denen die Jämen oder Hämäläiset in Finnland sich nur
früher einmal abgetrennt haben müssen, und noch heute finden
sich südwestlich vom Onega und an den oberen verzweigungen des
Ojat bis gegen den Belozero überreste eines volkes der Wepsen,
dessen dialect von allen weiter westlich verbreiteten desselben
zweiges den altertümlichsten character bewahrt hat. aufserdem
haben sich noch im nordwestlichen Ingermannland in der nähe
von Estland überreste der ehedem weiter verbreiteten Woten
oder Watländer (Vadjalaiset, finn. Vatjalaiset, russ. Wodı) be-
hauptet, in denen man schon ihrer stellung wegen nahe verwandte
der Esten, aber auch ein mittelglied zwischen Esten und den
Finnen jenseit des meerbusens vermuten darf, was denn auch ihre
sprache völlig bestätigt. die annahme war daher unbedenklich
dass, wenn in den ersten jahrhunderten nach Ch. die älteste
schicht germanischer worte und kulturbegriffe bei den Finnen so-
wohl des nördlichen, karelischen als auch des südlicheren, jämi-
schen zweiges sich ablagerte, diese letzten zumal noch hinter dem
finnischen meerbusen zusammen safsen; sie ist sogar notwendig wenn
die Eisten damals die angegebene ausbreitung hatten und dann die
bewegung der Finnen nach beiden richtungen gleichzeitig erfolgte.
sprachliche und antiquarische forschung** sind unabhängig von
* Thomsen Indflydelse 8. 15. — wegen der Jämen, Wepsen und Watländer
die nachweisungen das. s. 18 ἢ. ich gestehe übrigens auch nach Sjögrens ab-
handlungen, wie verdienstlich sie sind, doch noch eine einfachere, streng me-
thodische behandlung der historischen zeugnisse für die ethnologie der nord-
östlichen Finnen zu vermissen.
** Thomsen The relations between ancient Russia and Scandinavia 1877
8. 73fl. derselbe ist übrigens der meinung dass die Finnen teils von Scadi-
navien her teils durch die Goten den cultivierenden einfluss der Germanen er-
fahren haben. für die letzte annahme spricht doch eigentlich nur die über-
einstimmung von finn. miekka und got. mökeis und von finn. niekla, nekla und
got. nöpla. aber die feminina auf a statt auf o, u und die ‘einzelnen worte’
FINNEN UND SLAWEN. 69
einander hier zu denselben ergebnissen gelangt. es bestanden in
jenen jahrhunderten rings um an der seeküste bis ins innere des
meerbusens germanische niederlassungen, nicht zu blofsen handels-
zwecken oder um des anbaus oder der jagdbeute willen, sondern
offenbar um, wie in Haloga- oder Helsingeland, zugleich eine ge-
wisse herschaft über die um wohnende ältere bevölkerung auszu-
üben und sie tributpflichtig zu erhalten: nur so erklärt sich die
natur der sprachlichen und begrifflichen entlehnungen und inhalt
und umfang der lebensveränderungen, die sich daran zunächst für
die westlichen Finnen knüpften, vollständig. aber dies verhältnis
der beiden volksstämme erlitt endlich eine unterbrechung und
ward erst nach einem längeren zeitraum in ähnlicher weise wieder
hergestellt, nachdem die ausbreitung des jämischen stammes gegen
nord- und südwesten sich vollzogen hatte. die grofse bewegung,
die vom zweiten oder dritten bis zum sechsten jahrhundert vor
allen die Ostgermanen fortris, an der auch die Nordgermanen
durch die Heruler fortwährend und nach allen seiten hin teil
nahmen, wird die niederlassungen auf der linken seite der Ostsee
entvölkert oder ihnen doch ihren halt genommen und so jene
unterbrechung herbeigeführt haben. das westliche vordringen der
jämischen Finnen fällt darnach frühestens wohl ins fünfte, spä-
testens gegen das achte jahrhundert (vgl. s. 14).
Aber ohne zweifel später als dies ereignis ist ein andres zu
setzen über das der altrussische chronist, von der ausbreitung der
Slawen redend, sich so ausdrückt ‘Slowenen setzten sich um den
Ilmensee und behielten ihren namen, und bauten eine stadt und
nannten sie Nowgorod’. gewis, die stadt kann von ihren ersten
erbauern ‘Neustadt’ benannt sein im gegensatz entweder zu dem
gorod den sie daheim verlassen hatten, oder zu einem älteren
platze den sie an dem orte ihrer niederlassung vorfanden; es kann
aber auch, was dem chronisten leicht unbekannt blieb, der name
erst im laufe der zeit bei den slowenischen bewohnern aufge-
kommen sein und einen älteren zurückgedrängt haben, je mehr
eine neustadt neben der altstadt aufblühte und die erste gründung
überholte*. die stadt hiefs bei den Nordgermanen in älterer zeit
(Indflydelse s. 106), die später dem nordischen fehlen, wie andere der ältesten
runensprache, fallen kaum ins gewicht.
* einer brieflichen mitteilung Kuniks entnehme ich dass gegen zwei werst
südlich von dem heutigen Nowgorod nach dem ausfluss des Wolchows aus
dem Ilmensee hin ein gorodischtsche (ruinen einer alten stadt und festung)
10 FINNEN UND SLAWEN.
nicht anders als Holmgardr und selbst noch bei den Deutschen
im xt. jh. Ostrogard, ehe der andre name nord. Nögardr ndd.
Nögarden mhd. Nougarten üblich wurde (Zs. 12, 345f.). ich zweifle
nicht dass hinter Holmgardr die ältere benennung steckt. die
zusammensetzung hatte freilich einen sinn wenn die slawische
stadt — gorodü, gradü — auf einer insel, einem werder (altn.
holmr) des Wolchows oder des Ilmensees erbaut war. aber war
das wirklich der fall? und ist statt einer hybriden zusammen-
setzung es nicht viel wahrscheinlicher dass ihrem ersten gliede
ebenso gut als ihrem zweiten ein fremdes wort zu grunde liegt,
das nur durch ein irgendwie anklingendes germanisches, wie in
andern fremdworten, ersetzt wurde? wäre in russischen quellen
irgendwo ‘'ozero Ulmeni’ als nebenform von ‘Ilmeni’ oder '‘Ilmeri
(Ilmerü)’ bei Nestor nachweisbar, so würde wohl niemand zweifeln
dass Holmgardr eigentlich die stadt am Ilmensee bedeutete und
dass Nowgorod ursprünglich ‘Ilmeni gorod’ genannt wurde. der
name des sees aber ist unläugbar derselbe mit estn. Ilmegeroe
(Omjärw) d. 1. finn. Ilman järwi Wettersee*. aus dem finnischen
genetiv machte man im slawischen eine nominale bildung mit the-
matischem -eni, der man ein gleiches alter mit der früher be-
zeugten Ilmeri zutrauen darf. das nebeneinander beider formen,
im slawischen unverständlich, klärt sich gleichfalls aus dem fin-
nischen auf: finn. ilma luft heifst im wotjakischen ilmar, inmar
und der aus der Kalewala wohl bekannte schmied Ilmarinen ist
im grunde kein anderer als der Juft- und wettergott Ilmari, nur
mit einer verkleinerungsform benannt. weit entfernt also die ‘ur-
heimat’ der Slawen zu sein (Zeufls 621) war die gegend um den
Ilmensee vielmehr altes finnisches eigen — auch Wolchow ist ur-
sprünglich finnisch, Olhawa (Caspia s. 243. 251) — und die Slo-
wenen, die sich dort niederliefsen, ‘behielten ihren namen’, den
gesamtnamen des stammes nur als vertreter desselben unter einer
stammfremden, älteren bevölkerung. die Waldaihöhe und der von
westen daran stolsende landrücken war ehedem also die nordgrenze
liegt, von dem es ihm seit seiner zweiten Wolchowreise nicht im mindesten
zweifelhaft sei dass dies die burg Ruriks war, wo auch noch später viele
russische fürsten sich aufhielten und gesandte der Hansen empfiengen. aber
zuerst und vorher hatte Rurik in Altladoga (vierzehn werst von Neuladoga),
nördlich gegen die mündung des Wolchows in den Ladoga sich niedergelassen.
* JGrimm Myth. 565. Kreutzwald und Neus Mythische lieder der Esten
8. 118. — über Ilmari 8. Castren Finn. mythol. 8. 305f.
FINNEN UND SLAWEN. 71
der Slawen gegen die Finnen. ihre westgrenze gegen die Prufi
oder Eisten wurde schon früher (s. 21f. 23f.) angegeben.
Nach Nestors ausdrücklichen worten safsen zu seiner zeit
auf der südseite der höhe im quellgebiet der Wolga. Düna und
des Dnjeprs mit der hauptstadt Smolensk die slawischen Kri-
witschen, südlich unter ihnen neben einander an der Sosha und
obern Oka die Radimitschen und Wjatitschen, dann die Sjewerer
an der Dasna, Sem und Sula, und in derselben richtung von
norden nach süden folgten ostwärts von ihnen auf einander die
nicht slawisch redenden, finnischen völker, zuerst am weitesten
nördlich — noch neben dem gebiet der Slowenen von Nowgorod
— am Bjelo ozero die Weli, deren überreste die heutigen Wepsen
(s. 68) sein sollen, darauf — neben den Kriwitschen — am ros-
towschen und kleschtschinischen see die Meren (Merja), an der
untern Oka ‘da wo sie in die Wolga mündet’ die Muromer (Mu-
roma), in ihrem rücken gegen nordost — nach ihren heutigen
wohnsitzen zu schliefsen — die Tscheremissen (Ceremisi) und
weiter die Permier (Permi), am weitesten südlich aber, östlich
neben den Wjatitschen und Sjewerern zwischen Oka und Wolga
und am obern Don und Choper die Mordwinen (Mordwa), so dass
den Finnen fast das ganze gebiet der Wolga, den Slawen zunächst
das des Dnjeprs gehört. es fragt sich wie alt diese stellung beider
volksstämme ist.
Zur entscheidung hierüber trägt die mit Nestor so gut wie
gleichzeitige notiz Adams von Bremen nichts bei, sie ist aber in
mehr als einer hinsicht merkwürdig. aufser von Ostrogard-Now-
gorod in Russland als dem äufsersten punkte der Ostseeschiffahrt
weiss Adam 2, 19 (Zs. 12, 345f.) allerdings auch von Kiew als
der mit Constantinopel wetteifernden hauptstadt des landes, als
dem grofsen glanzpunkt der Slawenwelt. aber von der ausdehnung
des reiches hat er doch nur eine sehr unbestimmte vorstellung.
man sage, heilst es 4, 13, dass Polen im osten an das russische
reich stofse, das äulserste und gröste aller windischen länder,
das auch zuletzt die Ostsee begrenze. dieser durch Ostrogard
und die schiffahrt dahin gegebene punkt steht ihm allein, wie
man sieht, vollkommen fest. dahin kehrt auch 4, 14 seine um-
schreibung der nordseite der Ostsee zurück : oberhalb des frauen-
landes, das bei ihm wie wir sahen (s. 60) Finnland mit einbegreift,
sollen — feruntur — bis nach Russland hin, wo auch von jener
seite der Ostseebusen endige, die “Wizzi Mirri Lami Scuti et
79 FINNEN UND SLAWEN.
Turci’ hausen. aber in den Wizzi und Mirri erkennt man sofort
die Wefi und Merja des Nestor und wer sie dem bremischen scho-
lasticus nannte, war darüber nicht im unklaren dass sie die finni-
schen ostnachbaren der nördlichsten Slawen, der Slowenen von Now-
gorod und der Kriwitschen von Smolensk waren. Adams gewährs-
männer waren unläugbar deutsche Nowgorod- oder ÖOstrogard-
fahrer: der tonlose, scharfe s-laut in slaw. Wefi ist in Wizzi
ganz ebenso aufgefasst und genau nach deutscher weise wieder-
gegeben, wie in Prufi durch Prüzzi, Prüzi mhd. Priuzen, in Ruff
durch Rüzzi, Rüzi mhd. Riuzen. die auffassung war dem bremi-
schen gelehrten gegeben und damit, wie er glaubte, auch ein
recht 4, 19 die fabel die aus den Albanen am Kaukasus ein volk
von kakerlaken machte aus dem Solin 15, 5—8 auf die finnischen
leute zu übertragen, die ihm als die grausamsten menschenfresser
geschildert waren, überdies auch die solinische nachricht von den
albanischen hunden angemessen damit zu vereinigen*. den dritten
namen, die Lami sucht man dann freilich in der durch die Wizzi
und Mirri angezeigten richtung vergebens und niemand wird sie
wohl in der kurischen, gegen das haf hin belegenen küstenland-
schaft Lamata (5. 25) mit Zeufls 681 wieder finden wollen. das
wahrscheinlichste ist dass die herausgeber oder abschreiber des
Adam ein langes I als 1 verlesen haben und dass die Lami nichts
anderes sind als die Jämen oder russischen Jami (s. 68) am La-
dogasee. allein wegen dieser abweichung von der natürlichen
ordnung wird man nun die Scuti, wenn der name wie man an-
nehmen muss mit russ. Cjudi derselbe ist, nicht etwa auf die
Woten und Esten einschränken dürfen: es würde dann in der tat
(Zeufs 689) für die Turei nur die gegend von Äbo, finn. Turku,
jenseit des finnischen meerbusens übrig bleiben, während Adam
nach dem scholion 118 von ihnen wuste dass sie, wie einst die
Scythen und Geten des Horaz, auf den steppen neben den Russen
nomadisierten. genannt werden die Torki in den russischen jahr-
* denn Solin weifs nichts davon dass “eorum patriam canes defendunt’
und dass ‘si quando pugnandum est, canibus aciem struunt’; auch nicht dass
‘“ibi sunt homines pallidi, virides et macrobii, quos appellant Husos’, und wo-
her Adam dies letzte hat, weifs bis jetzt niemand zu sagen. allein das ührige,
die bleiche oder grünliche farbe der leute, die verwendung der furchtbaren
hunde im kriege sieht doch ganz aus wie ein compromiss zwischen seiner ge-
lehrsamkeit und einer abermaligen, gründlichen inquisition seiner gewährs-
mäner, die ergab was er zu wissen wünschte.
FINNEN UND SLAWEN. 73
büchern zuerst im j. 985 als bundesgenossen oder söldner Wladi-
mirs des grofsen gegen die Bulgaren an der Wolga und Kama,
und später öfter*. bei Adam könnten auch wohl die Kumanen
darunter verstanden sein. auf jeden fall ergibt sich daraus dass
die ihm mitgeteilte namenreihe, trotz der abweichung mit den
Jami oder Lami und obgleich ihm selbst ihr eigentlicher wert gar
nicht deutlich wurde, eine aufzählung der ostnachbaren der rus-
sischen Slawen sein sollte, in der die Finnen aufser den drei zu-
erst genannten völkern nur summarisch als Scuti zusammengefasst
wurden. sie bestätigt also im wesentlichen nur was wir schon
durch Nestor für das eilfte jahrhundert wissen. weiter zur ent-
scheidung der s. 71 aufgeworfenen frage führt allein Jordanes c. 23.
Der könig Ermanrich, der nach Ammianus Marcellinus
31, 3, 1 im dritten viertel des vierten jahrhunderts über die
Greutungen oder Ostgoten im norden des Pontus herschte und
‘überaus kriegerisch durch viele und manigfache tapfere taten bei
den benachbarten nationen gefürchtet war’, gebot nach Jordanes
oder vielmehr Cassiodor auch über die Westgoten und unterwarf
nach einander sämtliche völker des östlichen Europas, wenn man
die natürliche, notwendige, bei Jordanes zum teil verschobene
ordnung wieder herstellt, zuerst die Heruler an der Maeotis
(Zeufs 476f.), dann die Veneti oder Slawen, darauf die Aesti
an der Ostsee und aufserdem die nördlichen d. h. selbstverständ-
lich die finnischen völker. die Heruler, die neben den Goten
im grofsen sogen. 'scythischen’ kriege des dritten jahrhunderts eine
grofse rolle spielen, dann unter den völkern über dem Pontus ver-
schwinden, haben ihre selbständigkeit ohne zweifel an jene ver-
loren; ob aber durch Ermanrich, wie die überlieferung will, lässt
sich nicht entscheiden, und noch weniger den worten Ammians
gegenüber behaupten dass Ermanrich die eroberungen, die sie
ihm zuschreibt, wirklich ausgeführt hat. allein die tradition, der
Cassiodor folgte, stammte mindestens aus dem fünften jahr-
hundert, da schon die ‘vorfahren’ den könig mit Alexander dem
grofsen verglichen haben sollen, und hatte sich auch ein voll-
ständiges bild von der gesamten umgebung und nachbarschaft
der Goten aus der zeit vor dem einbruche der Hunen in der er-
innerung nicht erhalten, so konnte man der wirklichkeit wie sie
damals bestand doch immer leicht nahe kommen, sobald man
* Dorn und Kunik Caspia 8. 237 ff.
74 FINNEN UND SLAWEN.
nur die Hunen hinweg und die Goten an ihre stelle wieder im
norden des Pontus dachte. die vorstellung von der osteuropä-
ischen völkerwelt, die man mit dem reiche des Ermanrich vor
dem Huneneinbruch verband, kann daher dem wirklichen zustande
um 350 oder 60 sehr wohl entsprechen, wenn die Hunen nur die
Goten verdrängt, im übrigen aber ihn nicht wesentlich verändert
hatten.
Stärker noch als in der scadinavischen völkertafel treten in
dem gleichfalls arg verderbten verzeichnisse der finnischen völker
bei Jordanes* flexionsformen hervor, die beweisen dass Cassiodor
unmittelbar aus. gotischem munde schöpfte; die Goten aber hatten
die namen durch die Slawen kennen gelernt. in der zweiten
hälfte des ersten namens ‘Golthescytha’ steckt ohne zweifel, wie
in Adams Scuti, das slavische Cjudi und das überlieferte compo-
situm ist so aufzufassen dass der erste teil den eigentlichen, be-
sonderen namen des volkes ergibt, der andre dasselbe dem Cjudi-
schen oder finnischen volksstamme zuweist. für die Golthes bietet
sich zwar später keine anknüpfung mehr; aber es kann nur ein
westlicher stamm in der nähe der Aesti oder der Ostsee gemeint
sein. der slawische gesamtname kehrt gleich noch einmal wieder
in der nächsten namengruppe, aber in völlig gotischer umformung.
denn diese muss man annehmen, da Thiudos in der bedeutung
des gleichlautenden nom. oder acc. plur. von got. piuda 'volk’
hier gar keinen sinn hätte. es ist Thiudos mit Cjudi gleich zu
setzen, und das folgende ‘inaunxis’, wie man neuerdings mit glück
vorgeschlagen hat**, in ‘in Aunxis’ zerlegt und durch den finni-
schen namen Aunus für russ. Olönetz gedeutet, ergibt dann Cjuden
in Aunus oder Aunuksen-maa, Finnen im Aunuslande zwischen dem
Ladoga und Onega, so dass die wiederholung des gesamtnamens
sich ganz wohl erklärt. wie -scytha in der ersten gruppe, hat
sodann die erste hälfte der dritten gruppe ‘vasinabroncas’ ihre
flexionsendung verloren. seit Zeuls 690 erblickt man darin all-
gemein die Wefi oder Wizzi, Visu bei den Arabern. ist dies
richtig, so muss ‘vasina’ wohl aus einem gotisch schwach flec-
tierten ‘Visans’ verderbt sein; in ‘broncas’ aber darf man Bermos
(Bairmos), im acc. Bermans, russ. Permi altn. Biarmar ags. Beor-
* 8. Mommsens neue ausgabe.
** Koskinen aao. 8. 408. vgl. Thomsen Indfiyd. s. 105. — die deutung von
Zeus 677 auf die eistischen, littauischen Jatwingen ist auf jeden fall ganz
unzulässig.
FINNEN UND SLAWEN. 75
mas mutmalsen. die ‘Merens, Mordens’ darauf sind unzweifelhaft
die Merja und Mordwa Nestors, — die endung -ens wird got.
-jans repräsentieren, das land der Mordwinen heilst auch bei den
Griechen später Mogdi« (Zeufs 690) — und dass endlich ‘imnis-
caris’ durch eine art umstellung der beiden namenshälften aus
der älteren namensform von Ceremisi verderbt ist, wird wohl ein-
leuchten. auf die bestimmung der übrigen, noch ärger entstellten
namen kommt es darnach hier nicht weiter an, da sie nur öst-
licher bis nach Asien hinein führen würden. die Merens und
Mordens machen die beliebte deutung von ‘vasina’ auf die Wefi
allerdings im höchsten grade wahrscheinlich. jene waren unbe-
dingt im fünften jahrhundert, und wohl auch im vierten, nicht
minder als im eilften und zum teil noch heute die am weitesten
nach westen und südwesten gegen die Slawen vorgeschobenen
Finnen und sie müssen ihre stellung diesseit der Wolga bis gegen
den obern Don schon weit früher eingenommen, ja vielleicht schon
ebenso lange vor dem einbruch der Hunen als nachher unver-
ändert behauptet haben, wenn sich überhaupt früher Finnen dies-
seit des flusses nachweisen lassen.
Dies wird nun vollständig dadurch entschieden dass der grofse
fluss, den die Slawen von jeher Wolga, die bulgarisch-türkischen
stämme Atal, Itil oder Adel, Idel nennen, den alten zuerst und
allein unter seinem finnischen namen bekannt geworden ist. die
Mordwinen nennen ihn noch heute Rau oder Rawa* und die
alten hatten ihn im ersten jahrhundert unsrer zeitrechnung als
* Bhau’ nach den gewährsmännern Schlözers Nord. gesch. 306 und Scha-
fariks, Slaw. altertumsk. 1,499; ‘Rawa’ nach dem russischen verfasser eines in
Ermans Archiv für wissenschaftliche kunde von Russland 10, 324 übersetzten
aufsatzes. in dem wörterbuch zu Ahlqvists Mokscha-mordwinischer sprach-
lehre fehlt der name. — der türkische name begegnet zuerst im vierten jahr-
bundert in einer sonst aus Ptolemaeus abgeleiteten beschreibung Sarmatiens bei
dem Armenier Moses von Chorene (Venedig 5. 604, SMartin sur l’Armönie
2, 354), wenn die schrift von diesem herrührt oder die stelle von dem ‘siebzig-
mündigen Ethil, in dem das volk der Baselkh (βασέλειοε) befestigt sitzt’ nicht
später interpoliert ist; dann zum j. 569 bei Menander p. 301 Bonn. 'Arr/iug,
bei Theophanes p. 545 'Aral (al. Arsl "Aralıs, vgl. Zeufs 718—20), bei den
Arabern (Frähn Ibn-Fosslan s. 5. 7 usw.) Itil, bei den kasanischen Tataren,
Kirgisen, Baschkiren, Tschuwaschen (Klaproth Tableaux s. 241) Adel, Idel,
Adal d. i. fluss, grofser fluss. sollte nicht auch Jaik, bei Ptolemaeus Δαΐξ, bei
Menander 880 4aty, der ursprünglich finnische name des Uralflusses sein?
ostjak. jeaga kleiner fluss, finn. joki estn. jögi lapp. jokka samoj. jaha?
76 FINNEN UND SLAWEN.
‘P& kennen gelernt, zugleich mit dem heilmittel das auch wir
noch darnach benennen*. die handelsverbindungen, die seit sehr
alter zeit, wie wir aus dem Herodot ersehen, von der pontischen
steppe bis nach Hochasien hinüber reichten, knüpften sich damals
im ersten jahrhundert hauptsächlich an die bosporanisch panti-
capaeische colonie Tanais an der mündung des gleichnamigen
flusses und brachten sie zu hoher blüte. daher allein stammen
auch die trefflichen nachrichten die zuerst Marinus von Tyrus
und durch ihn Ptolemaeus über den ursprung und lauf sowohl
des Tanais als des ‘P& und die gegenseitige annäherung beider
flüsse besafs, die jenen veranlassten mit der seit vier jahrhunderten
wie ein glaubenssatz feststehenden lehre von der verbindung des
kaspischen meeres mit dem nördlichen ocean durch einen canal
zu brechen und zu der alten, richtigen herodotischen ansicht
(DA. 1, 320f.) zurückzukehren. aber auch Herodot selbst hörte
schon die Wolga mit ihrem finnischen namen von den pontischen
Scythen nennen, als sie ihm erzählten (4, 122. 123) dass Darius
mit seinem heere jenseit des Tanais an den fluss Ὄαρος und da-
mit, wie man nach seiner darstellung wohl annehmen muss, jen-
seit des flusses an die grolse wüste unterhalb der Thyssageten
gekommen sei, wo er es geraten fand, nachdem er acht schanzen
in abständen von je ungefähr 60 stadien (1'/, deutschen meilen)
angelegt, wieder umzukehren. wer kann hier in dem Ὅαρος jen-
seit des Tanais den ‘P&os verkennen? und wer sich durch Herodot
irre machen lassen, wenn dieser den Ὄαρος nebst noch einem an-
dern, östlicheren flusse Avxos, vielleicht dem +sas& des Marinus
und Ptolemaeus, Jaik oder Ural heutzutage, östlich vom Tanais
durch die Maieten in die Maietis sich ergielsen lässt? als wenn
er nicht beispiele von schlechter orientierung und groben irr-
tümern genug gegeben hätte! später, im fünften buche wo es
nötig sein wird auf sein viertes buch näher einzugehen, wird sich
auch noch einmal von einer ganz andern seite her heraus stellen
dass die Finnen im fünften und sechsten jahrhundert vor Ch.
und früher an der Wolga ebenso da standen wie ein bis zwei
* Plinius 27 $ 128ff. Rhecoma adfertur ex his quae supra Pontum sunt
regionibus usw. Dioskorides 3, 2 ἹῬῶ, οἱ δὲ ῥῆον χαλοῦσι, [οἱ δὲ dlav, ἹΡωμαῖοι
denovrsxovu,] γεννᾶται ἐν τοῖς ὑπὲρ Βόσπορον τόποις͵ ὅϑεν xouilerm vgl. noch
Ammian 22, 8, 28. der Iberer Mithridates zur zeit des kaisers Claudius wuste
noch nichts von dem Rhaflusse, wenn er nur von dem ‘schlunde’ des kaspi-
schen meeres sprach, nach Plinius 6 $ 17 (vgl. Tacitus ann. 6, 32).
SLAWEN UND GERMANEN. 717
jahrtausende später, und dass von den Slawen oder ihren vorvätern
dieselbe stellung neben den Finnen für jene zeiten anzunehmen
ist wie nachmals zur zeit ihres ersten geschichtlichen auftretens.
Dass die obere Weichsel mindestens bis zur einmündung des
Bugs, von wo abwärts ungefähr das gebiet der Goten begann,
die ostgrenze der Germanen war, steht durch die zeugnisse der
alten (s. 3) vollkommen fest, nicht etwa weil diese auf eigner
anschauung und nachforschung, wohl aber auf der aussage kun-
diger Germanen beruhen, die die unwahrheit zu sagen keine ur-
sache hatten, deren glaubwürdigkeit auch niemand anfechten wird
der nur bedenkt dass die Goten ihre durch die alten zeugen wie
die eigne spätere überlieferung (s. 4f.) gleichmälsig anerkannte
stellung innerhalb der grofsen beugung des unteren flusses ohne
die stütze an einer germanischen bevölkerung im süden derselben
nicht wohl jahrhunderte lang behaupten konnten. dazu kommt
dann noch dass die drei ältesten zeugnisse, die die Venedae oder
Veneti als ostnachbaren der Germanen nennen, bei Plinius, Pto-
lemaeus und Tacitus unläugbar auf drei von einander völlig un-
abhängige gewährsmänner zurückgehen und dass diese alle drei
gleichmäfsig die Weichsel als den grenzfluss betrachteten, den
Tacitus zwar unerwähnt lässt, aber doch stillschweigend voraus-
setzt (8. 4—6). allerdings ist dabei nicht ausgeschlossen dass
nicht auch diesseit desselben wie nachmals diesseit der Elbe und
Sale einzelne slawische haufen sich angesiedelt hatten. als die
Germanen von westen her zuerst den fluss erreichten, könnten sie
sogar schon diesseit Slawen angetroffen haben: denn entweder
von ihnen oder von den Eisten müssen sie wohl den flussnamen
erfahren und entlehnt haben, worauf wir später im nächsten buche
noch in einem andern zusammenhange zurückkommen. allein dass
in dem ganzen gebiet von der Oder oder dem Riesengebirge, ja
von der Elbe an ostwärts Slawen als untertänige urbevölkerung
neben und unter den Germanen gesessen hätten*, ist eine ver-
* Schafarik Slaw. altert. 1, 404ff. — hr. Perwolf in Jagic Archiv 4, 63ff.,
um Schafarik noch zu überbieten, erfreut uns mit dem nachweis dass alle
18 SLAWEN UND GERMANEN.
mutung die in wahrheit jedes anhaltes und vernünftigen grundes
entbehrt, die einerseits — wie sich gleichfalls später ergeben
wird — das unsinnige, lächerliche ziel verfolgt den Germanen
den ursprung und die existenz abzuschneiden, andererseits zu
derselben ungereimtheit führt wie die ihr ungefähr entgegenge-
setzte, dass Germanen vom sechsten bis zum zwölften und drei-
zehnten jahrhundert unter den Wenden zwischen Elbe und Oder
sitzen geblieben und dann mit ihren nachrückenden deutschen
brüdern verschmolzen seien. von einer slawischen beimischung
kann bei den hochdeutschen stämmen, die von der oberen und
mittleren Elbe an die obere Donau und den Rhein abrückten,
nicht die rede sein, und ebenso wenig zeigt sich davon eine spur
bei den östlicheren völkern, den Goten, Vandalen (Asdingen und
Silingen), Burgunden, Rugen und Skiren, man müste sie denn
schon bei den Herulern finden, die arg verwildert zuletzt von
allen die Donau erreichten*. dafür dass die Ostgermanen, von
denen frühzeitig die Scadinavier sich abzweigten, in den ersten
jahrhunderten unserer zeitrechnung und früher Slawen unter sich
gehabt hätten, sei es als reste einer älteren landesbevölkerung,
sei es als eindringlinge, fehlt jegliches anzeichen und die an-
Germanen im osten der Elbe in wahrheit Slawen waren, die Suebi = Slawen,
die Βαῖμοι Cechen, die Goten Gudanziger, die Rugier Rujani, die Varini ein
Obodritenstamm an der Warnow usw. besonders erfreulich und characteristisch
ist es dass er sich mit vorliebe corrupter lesarten für seine ‘beweisführung’
bedient, noch der ‘“Vindili’ bei Plinius, die sich kaum in einer handschrift,
höchstens einer ganz wertlosen finden, der Aiyyas statt Zullyyaı bei Ptole-
maeus udglm., ja dass er sich Vindi für Venethae usw. erfindet. eine wider-
legung solcher torheiten wäre überflüssig.
* die Heruler erscheinen als heiden wie die Slawen, Prok. Βα. 2, 14
p. 199. 204. 3, 14 p. 334f. wie bei den Slawen, (oben 8. 86) erheischt die
gute sitte auch bei ihnen dass die witwen am grabe ihrer männer sich er-
hängen, Prok. aao. p. 200. ganz ebenso wie jene, kämpfen sie nackend bis auf
einen groben schurz um die lenden blofs mit schild und sper, Prok. Br. 2, 25
p. 266. ihren könig Ochon behandeln sie, wie schon früher den Rodulf, aufs
schmählichste und töten ihn dann, holen sich aber darauf mit vieler mühe und
gefährlichkeit einen nachfolger für ihn aus ihrem königlichen geschlecht im
fernen Scadinavien Prok. Be. p. 200f. 204f. 208f. die Slawen erschlagen ihren
führer beim mahle oder auf dem marsche, wenn es ihnen passt, Dial. c. 101
oben s. 34 anm. usw. usw. aber diese und andre übereinstimmungen nötigen
doch noch keineswegs auf eine slawische beimischung bei den Herulern zu
schliefsen, so lange die herulischen namen Ovioavdos Aloun$ Φανόϑεος ‘Po-
δοῦλφος Τοδάσιος "Aogdos Σουαρτούας "Agov$ Papas Φιλημόυϑ Βῆρος usw. sie
nicht bestätigen.
SLAWEN UND GERMANEN,. 79
nahme bleibt eine leere möglichkeit ohne allen wert. die Weichsel,
soweit nicht die Goten auf ihrem rechten ufer herschten, galt
für die grenze und war, nach allem was wir wissen und ermessen
können, würklich die grenze die bis auf die zeiten der wanderung
Germanen und Slawen schied. diese tatsache ist so wohl begründet
und so wohl bezeugt wie nur eine aus unserm altertum; denn die
zeugnisse verlieren nichts von ihrer entschiedenheit und zuver-
lässigkeit, wenn Plinius selbst 4 8 97 über die lage der Venedi
noch einiger malsen ungewis ist oder Tacitus den grenzfluss mit
namen zu nennen unterlässt oder Marinus von Tyrus aus den
Finnen und Veneden im nordosten und südosten der Eisten süd-
und nordwestliche nachbaren derselben machte.
Auf der rechten seite der oberen Weichsel dürfen und müssen
wir also Slawen erwarten und hier nennt Ptolemaeus, wenn man
von den eingeschobenen Finnen absieht, oberhalb der Goten bis
zur Weichselquelle drei namen, Σούλονες Φρουγουνδίωνες «Τὐαρινοί,
die er oder sein vorgänger sicherlich nicht aus denselben quellen
schöpfte, aus denen sie das östlichere, europäische Sarmatien be-
völkerten. der mittlere name beweist auch für die beiden andern
mit dass sie nur durch den mund von Germanen an die Römer
und so an die geographen gelangt sind, und leicht wird man
weiter schliefsen dass sie einem andern und älteren berichte ent-
stammen als dem über die verteilung und umgebung der Eisten,
dem die Ovsvsdas und ®iyvos angehörten, die Marinus so wunder-
lich unter die völker an der Weichsel einreihte. eine combination
verschiedener, älterer und jüngerer nachrichten hat hier auf jeden
fall stattgefunden, aber wohl in anderer weise als es im ersten
augenblick den anschein hat. die Σούλονες oder nach weniger
gut bezeugter lesart Soviavss wagten wir s. 24 einer blofsen
namenähnlichkeit wegen nicht zu den Eisten zu zählen. der name
kann an sich sehr wohl ein slawischer sein, da Sulane anwohner
der Sula, wie Wislane der Weichsel, BuZane des Bugs usw. be-
deuten würde; nur müste der flussname Sula, wie heutzutage noch
in der östlichen Ukraine und im Wilnaischen, ehemals für Bug
oder Narew oder doch in ihrem gebiet neben der Weichsel, wo
nach Ptolemaeus die wohnsitze der Σούλονες anzusetzen sind, YVor-
gekommen sein. aber Φρουγουνδίωνες wird jemand nicht leicht
als einen slawischen namen in anspruch nehmen, auch wenn das
völlig unslawische ® im anlaut erst in germanischem munde aus
I verschoben wäre, und ebensowenig hat Avagıyol oder nach
80 SLAWEN UND GERMANEN.
anderer, weniger beglaubigter lesart ᾿“βαρηνοὶ, "Aßapıvoi ein Son-
derlich slawisches aussehen. jene findet Zeuls 694 ff. in den
Vurugunden wieder, die in der zweiten hälfte des dritten jahr-
hunderts in gemeinschaft mit den Goten am Pontus auftreten,
dann von ihnen besiegt verschwinden, aber im sechsten neben
hunischen völkern noch einmal wieder auftauchen; von deren her-
kunft und ursprung schlechterdings nichts näheres bekannt ist,
die daher mindestens ebenso gut, ja nach ihrem auftreten eher
nachkommen der älteren, vorgotischen bevölkerung der pontischen
ebenen, als von der Weichsel dahin eingewandert sein können,
nur nicht beides zugleich, was Zeufs, indem er sich noch einmal
von einer namenähnlichkeit leiten lässt, für möglich hält. von
der combination der ®eovyovvdiavss mit den Vurugunden ist
jedesfalls abzusehen, wenn die beschaffenheit der ptolemaeischen
karten für jene eine andre erklärung und herleitung näher legt.
die karten sind mindestens für den ganzen norden der oekumene
aus sehr verschiedenem ınaterial zusammengesetzt, für Grolsger-
manien namentlich aus zwei ungleichartigen diathesen, und zumal
wo lateinische quellen benutzt wurden, fehlte es nachweislich schon
bei Marinus nicht an lese- und schreibfehlern, buchstabenverwechse-
lungen und versetzungen und andern entstellungen und verderb-
nissen der namen. nun steht auf der karte von Grofsgermanien
diesseit der mittleren Weichsel das ‘'grofse volk’ der Bovyouvrss
und auf der andern seite neben ihm würden die Φρουγουνδίωνες
ihren platz haben, wenn nicht die Οὐενέδαι und ®ivvos über ihnen
eingeschoben wären. die unform Bovyoürrss setzt starkformiges
Burgundii, Burgundi (Boveyovvdos zuerst bei Zosimus) voraus:
die gewöhnliche schwache form Burgundiones schliefst sich an
Doovyovvdiwves. Plinius 4 $ 99 aber, indem er die Ostgermanen
von süden nach norden aufzählt und dabei die südlichen Lugier
übergeht, lässt auf die Burgundiones Varini (‘uarinne’ nach den
hss.) und Charini folgen, Ptolemaeus auf die Φρουγουνδίωνες süd-
wärts die “ὑαρινοί und auch der bei den Ingvaeen an der Elbe
wiederkehrende name Varini wurde bei ihm, wie es scheint, zu-
nächst aus Οὐαρινοί, Οὐάώρνοι in Αὐώρποι verderbt (Zeuls 133).
dies zwiefache zusammentreffen der namen auf beiden seiten des
grenzflusses kann nicht zufällig sein. bedenkt man wie leicht-
fertig Marinus seine karte von Germanien und noch mehr die
von Sarmatien zusammenstellte, so scheint es kaum zweifelhaft
dass er ein paar namen, die ihm von der einen der für Germanien
SLAWEN UND GERMANEN. 81
benutzten diathesen verfügbar schienen, dreist genug auf das
andre ufer der Weichsel brachte um hier dem mangel an detail
abzuhelfen, da ihm in wahrheit hier auch nichts anderes als wie
dem Tacitus und Plinius, nur der allgemeine name der Venedae
zu gebote stand. wie es sich dabei mit den südostnachbaren der
Goten, den ZovAovss verhält, muss freilich dahin gestellt bleiben *:
aber solange die Sula, von der sie benannt sein könnten, nicht
nachgewiesen ist, geben auch sie keineswegs einen einiger malsen
sichern beleg für den slawischen ursprung eines der von Ptole-
maeus an der Weichsel genannten namen.
Glücklicher in dieser beziehung scheint das ergebnis auszu-
fallen wenn man die namen jenseit der ostgrenze Germaniens
weiter südlich im Karpatenlande verfolgt. Ptolemaeus bezeichnet
die grenze hier durch eine wenig von westen nach osten geneigte
linie von der Weichselquelle bis zu dem grofsen winkel der süd-
wärts sich wendenden Donau, er rückt aber die quelle am ost-
ende des ‘askiburgischen’ gebirges um zwei grade nordwärts ab
von der nordgrenze der ‘sarmatischen berge’, offenbar um für die
auf beiden seiten reihenweis unter einander aufgestellten namen
platz zu schaffen. selbstverständlich kommen die unter den Ave-
esvoss neben der Weichselquelle zuerst genannten Ὄμβρωνες und
Avagroygaxıo, ins nördliche gebirgige Ungarn. allein darauf ist
bis zu der noch einen halben grad nördlich von dem Donauwinkel
angesetzten südgrenze von Sarmatien in der wirklichkeit kein
raum für eine reihe von fünf völkern; auch in einen haufen zu-
sammengedrängt würden diese ohne zweifel noch in das gebiet
der zuerst genannten übergreifen. Boveylavss (got. baurgjans
πολῖται) scheint nur eine deutsche benennung der in ihren natür-
lichen vesten wohl behaltenen bergbewohner. "4govjraı würde
mit geringer änderung &ines buchstabens ᾿“ρουῆταε und damit
leicht anwohner der Arwa (slaw. Orawa), des nördlichsten neben-
* hat Marinus, wie man nach Plinius annehmen muss, die ordnung der
Burgundiones und Varini umgekehrt und dem nördlicheren volke die südliche
stellung gegeben, so müsten folgerecht eigentlich die Zovloves an die stelle
seiner Adapıvos neben der Weichselquelle treten und jene könnten anwohner
der bei Auschwitz (Oswiecim) westlich von Krakau mit der Weichsel sich ver-
einigenden Sola sein. aber dann müste er den namen mit den südlicheren
innerhalb der Karpaten in erfahrung gebracht haben und es wäre nicht abzu-
sehen wie er ihn mit den deutschen von diesseit der Weichsel so falsch com-
binieren konnte
DEUTSCHE ALTERTUMSKUNDE II. 6
82 SLAWEN UND GERMANEN.
flusses der Wag ergeben. die “Πηιενγῖεαε sind vermutlich nach
einem andern, jetzt unbekannten fluss benannt; die Σαβόχοε und
Bieoco, endlich sind ohne zweifel die ‘Bessi Cobotes’ bei Capitolin
(Marc. 22), die nebst den innerhalb der germanischen grenze
wohnenden, pannonischen Osen im marcomannischen kriege den
von norden her über den Duklapass eindringenden vandilischen
Asdingen oder Victvalen sich anschlossen und gegen das
römische Dacien vordrangen*. diese fünf namen stammen wahr-
scheinlich von demselben römischen berichterstatter her, der Ma-
rinus über das südöstlichste Germanien unterrichtete**; der auctor
dagegen, von dem die beiden ersten sich herschreiben, gab von
diesem teile des nachbarlandes keine so verschiedene oder ins
einzelne gehende darstellung dass der geograph hier eine con-
tamination der beiden berichte für nötig gehalten hätte, wie er
sie auf der sarmatischen seite augenscheinlich wiederum vornahm.
der hier zuerst benutzte auctor, mag "Avagzoypaxıo, eine hybride
bildung sein oder nur das aussehen einer solchen bekommen
haben, war ein Grieche der, wenn nicht Dio Chrysostomus selbst,
der zeitgenosse des Marinus und Tacitus, so doch wie dieser wohl
in seinen Tezıxoig eine schilderung des dekebalischen Daciens und
seiner umgebung entworfen hatte, die Marinus vor den neuesten
römischen nachrichten benutzte und auch nach denselben nicht
ganz bei seite schob, wie sich bald weiter ergibt.
Denn unläugbar gehören die ’Avaproypaxıos und die Avagıos
aufs nächste zusammen und Ptolemaeus hat beide erst durch die
fünf namen von einander getrennt und dadurch (3, 8, 5) die
"Avagros nebst den ihnen ostwärts sich anschliefsenden Teurisken
und Koistoboken südwärts über die grenze des eigentlichen und
römischen Daciens ins nördliche Siebenbürgen gedrängt. zu der
zeit, als Buruista und sein prophet Dicaeneus aus den Daken
eine macht schufen, der in kurzem alle um wohnenden unterlagen,
schrieb Caesar BG. 6, 25 dass der hercynische wald von den
bergen diesseit des Rheins über der Donau bis zu den grenzen
der Daken und Anartes sich hinziehe. diese werden hier also
als eine besondere, selbständige nation von jenen unterschieden
und es ist voreilig dass man sie, die ihrem namen nach ebenso
gut Pannonier sein könnten, nach Ptolemaeus unbedenklich zu den
* Haupts 28. 9, 134. 12, 346f.
** 8. anhang 1 zu 8.3.
SLAWEN UND GERMANEN. 83
Daken zählt. es ist gelegentlich schon früher (s. 3 anm.) be-
merkt dass die angabe Caesars über die ausdehnung des waldes
völlig der begrenzung Germaniens durch Rhein und Weichsel ent-
spricht und dieselbe voraussetzt: der name Anartes ist bei ihm
durchaus collectivisch gebraucht für die gesamtheit der völker iın
nördlichen Ungarn oberhalb der Weichselquelle, so dass auf jeden
fall die ptolemaeischen Ὄμβρωνες und die ’Avaproygaxroı mit dar-
unter begriffen sind.
Der name der darnach von Ptolemaeus als nachbarn der
Anarten genannten Tsveioxos kann mit der alten benennung der
Noriker, Tevgioxos Τευρίσταν oder Taveloxoı Ταυρίσται ἢ, ganz
derselbe sein, wenn diese benennung nicht von einem bisher, so-
viel ich weifs, auch noch gar nicht belegten keltischen, sondern
schon vor den Kelten zu beiden seiten der mittleren Donau ver-
breiteten worte abgeleitet ist, das falls es, wie man meint, hoher
gebirgszug oder gebirgsübergang bedeutete**, auf beiden seiten
des flusses leicht die gleiche verwendung fand. sicher ist allein dass
die Tsvgioxos wie die Anarten ins nördliche Ungarn gehörten und
nicht innerhalb der grenzen Daciens zu suchen sind. eben dahin
gehören unzweifelhaft auch die Κοιστοβῶκοι, obgleich Capitolin
* Tavgioxos Polybius bei Strabo p. 208, Strabo selbst p. 306, 207 usw.
Taurisci der römische annalist von dem die notiz des Victor de vir. illustr.
12 aus dem j. 115 herstammt, ‘quondam Taurisci, nunc Norici’ Plinius 3 $ 133.
Τευρίσχους χαὶ Ταυρίστας ἕνεοε nach Strabo p. 296, Tevoiore, Posidonius bei
Strabo p. 293.
ἘΦ 7Zeuls 239 anm. ua. berufen sich auf Schmeller Bwb. 12, 616, dass ‘der
tauren oder tauern in den norischen Alpen hoher berg heifst, über den ein
betretener weg oder gar eine stralse führt’; nach Lexer Kärnt. wb. 54 werden
im Lesachtale überhaupt die nördlich liegenden hohen gebirge und der davon
herkommende wind der tauren genannt. aber auf directer überlieferung aus
dem altertum kann dies wort unmöglich beruhen, da der anlaut unverschoben
ist und das au ein ü voraussetzt; vgl. mons Turo bei Schmeller. man muss
daher schon die überlieferung durch das slowenische ture pl. die tauern, das
noch ‘“turje stark ableitige hügel’ neben sich hat und dessen u Miklosich
Lautl.3 176 mit dem in sl. turü ταῦρος taurus got. stiur vergleicht, vermittelt
denken und nicht umgekehrt das slowenische wort für entlehnt aus den
deutschen dialecten halten. die πρὸς τῇ παρωρείᾳ unter den westlichen Alpen-
pässen in der Poebene wohnenden Taurini T«vgivo, von altligurischem stamme
(Plin. 3 $ 123), die gleichfalls, bei Polybius einmal 2, 15, 8, beim alten Cato
(Plin. 3 $ 134), Timagenes (Ammian 15, 9, 6. 10, 9,) uam. (Steph. Byz. 608, 3
Mein.) Taurisci Tavpioxos, bei Eratosthenes (Steph. Byz. aao.) angeblich Τερέ-
σχοι hiefsen, könnten allerdings von den Galliern benannt sein, bleiben aber
doch besser hier aus dem spiele.
6*
84 SLAWEN UND GERMANEN.
(Marc. 22) sie ganz zuletzt in der reihe der im marcomannischen
kriege gegen das römische reich auftretenden nordvölker, selbst
nach denen von jenseit der Karpaten nennt, aber augenscheinlich
nur weil er zuletzt jede ordnung in der aufzählung aufgibt. ent-
scheidend für ihre stellung ist dass, nachdem die vandilischen
Asdinge über das gebirge in das gebiet der obern Teis herabge-
kommen sind und von hier aus vergeblich versucht haben ins
römische Dacien einzudringen und darin fuls zu fassen, sie sich
dort nach Dio 71, 12 des landes der Koozovßaxo» bemächtigen
und von den Römern offenbar im besitz desselben anerkannt als-
bald von da aus ihnen heeresfolge gegen die Quaden und Mar-
comannen leisten, nach Dio aao. und bei Petrus Patricius p. 124
Bonn. der haufe Kostoboken, der nach Pausanias 10, 34 um
diese zeit plündernd bis Phokis in Griechenland streifte, kann
selbstverständlich auch nur von einem unabhängigen nachbarvolke,
nicht von angehörigen des römischen reiches ausgegangen sein.
und dass sie zuletzt noch unter eigenen königen neben den Daken
bestanden, ihnen zwar benachbart waren, aber sich selbst von
ihnen unterschieden, erhellt endlich aus der inschrift (CILat. 6,
406 nr. 1801), die die enkel des coistobokischen königs Pieporus,
Natoporus und Drilgisa seiner gemahlin, ihrer geliebten grofs-
mutter Ziais, der tochter des Tiatus, einer Dakin von geburt
in Rom setzten, gewis zu einer zeit als das volk schon ver-
sprengt und bald darnach verschollen war. denn die erwähnung
bei Ammian 22, 8, 42 ist ohne wert, da das von ihm benutzte,
geographisch machwerk nur mit hilfe des Ptolemaeus zu
stande gebracht und kein andrer auch als dieser aao. der ge-
währsmann ist.
Ptolemäus nemlich erwähnt der Koswzoß@xos noch einmal, in
der zweiten, nächsten reihe der völker Sarmatiens unter den
Igyllien, den südlichsten Eisten über den Pripjetsümpfen (s. 23),
und unter ihnen noch Τρανσμοντανοὶ bis zu den peukinischen
bergen. wenn aber irgendwo, so wird hier die contamination zweier
berichte, eines lateinischen und eines griechischen deutlich. nicht
nur die peukinischen berge werden als ein von den Karpaten ver-
schiedenes gebirge nördlich über den Peukinen angesehen, auch
die Peukinen und Basternen als zwei besondere völker oberhalb
Daciens — ὑπὲρ τὴν Aaxiav 8, ὅ, 19 — und beide durch
Kogruavoi getrennt, dann aber noch einmal (3, 10, 13) "Aorıos
mit einer stadt “4eruss über den Peukinen auf der Insel ZZevxn
SLAWEN UND GERMANEN. 89
und den andern inseln der Donaumündungen aufgeführt. tritt hier
die griechische, so noch deutlicher die lateinisch-römische quelle
durch die Τρανσμοντανοὶ zu tage und es ist anzunehmen dass
die namen die sie darbot, ebenso wie die der einen diathese von
Germanien (s. 80f.) von Marinus nur benutzt sind um den leeren
raum im osten der Weichsel voll zu machen. von Koistoboken
und Transmontanen jenseit der Basternen oder Peukinen unter
den wolhynischen sümpfen kann er in wahrheit nichts erfahren,
noch auch sein römischer gewährsmann sie anders wo gekannt
haben, als wo der griechische Koistoboken und Teurisken. der
name Ultra- oder Transsilvania, ungr. Erdely Erduelu, mhd. über
walt bei Ottacker 721°, auch slaw. Zaplanina* (Transalpinia) für
Siebenbürgen ist erst spät belegt (Zeufs 756), zeugt aber dafür wie
leicht und natürlich solche benennungen sich einstellten wo ebene und
gebirge einander so gegenüberstehen, wie an der mittlern und untern
Donau. bei Ammian 17, 12, 12 (vgl. 21) im j. 358 erscheinen
Transjugitani unter einem fürsten vereinigt, mit einem teile und
zwar dem Östlichsten der Quaden, so dass sie notwendig eben dahin
kommen wo wir die Transmontanen annehmen müssen, ins nörd-
liche Ungarn. die vermutung (5. 83) dass Tevofoxo, wesentlich dasselbe
bedeute, gewinnt dadurch unläugbar an wahrscheinlichkeit. aber
sollten die Σαβόχοε (8. 82) des vermutlich aus Pannonien stam-
menden römischen berichts nicht auch in ähnlichem sinne benannt
sein und nicht die Kosozoßoxos zu ihnen und den Transmontanen
in einem bedeutsamen gegensatze stehen, da die verschiedenheit
der quantität in der letzten namenshälfte leicht auf einem irrtum
des Marinus beruhen kann, wenn er den ersten namen nur aus
einer lateinischen quelle schöpfte? das pannonische und dakische
verhelfen uns hierüber nicht mehr zu einer entscheidung; aber
gewähren die beiden namen nicht ein recht die anwesenheit der
Siawen innerhalb des Karpatenlandes zur zeit ihrer geltung zu
behaupten?
Ein ort oder eine gegend hinter einem berge oder gebirge heifst
slaw. zagorije und das appellativum kommt auch als proprium öfter
vor**, das einfachste ethnicum dazu wäre Zagori (Transmontani),
* welche form ich allerdings nur mutmalslich nach Zaplaninski (Rösler
Romänische studien s. 304) ansetze.
** Schafarik Slaw. altert. 2, 218. 226.
86 SLAWEN UND GERMANEN.
wie Zaporozi zu Zaporo2Zje, der gegend unter den wasserfällen des
Dnjeprs, udglm. sieht man von der ungenauen wiedergabe des
weichen, tönenden s im anlaut von slaw. za durch gr. o ab, so
scheint Saßoxoı ganz ähnlich wie Zagori, Zaporozi gebildet und
die erste silbe die slaw. praeposition zu sein, die andre wort-
hälfte slaw. bokü ‘seite’ zu enthalten. boki findet sich auch sonst
als zweiter teil slawischer ortsnamen (Schafarik 1, 206), ja Zabok
selbst z. b. in Croatien zweimal als name für einen hinter einem
berge belegenen ort. Σαβόκοι, als slaw. Zaboki aufgefasst würde
also leute von hinterhalb, von jenseit und den umständen nach
immerhin Transmontani, Transjugitani bedeuten.
Was dann die Κοιστοβῶκοι betrifit, so steht die erste namens-
hälfte an beiden stellen bei Ptolemaeus handschriftlich vollkommen
fest und dazu kommt die lateinische inschrift (s. 84) der enkel
des recıs. colssro Bocensls Pieporus, so dass sobald es sich dafür um
eine erklärung oder grammatische analyse handelt, daneben die
schreibung Κοστοβῶκοι, Κοστουβῶκοι bei Pausanias und Dio, Costo-
boci Costobocae bei Capitolin und Ammian gar nicht in betracht
kommt. auch Kosroßwoxoı könnte ganz wohl slawisch sein und
zwar Κοιστο- zunächst slaw. cesta ‘strafse’, da ὁ überall erst ver-
hältnismäfsig spät für k, auch & vor consonanten einmal für ur-
sprüngliches ai, oi eingetreten ist*. das compositum mit boki würde
also diejenigen anzeigen die den teil oder die seite des landes inne
hatten, in dem sich die über das gebirge führenden wege und pässe
befanden. eine solche benennung aber würde voraussetzen dass die
verkehrswege in so früher zeit schon für das volk und seine um woh-
nenden eine grolse bedeutung gewonnen hatten; die benennung würde
ihren gegensatz auch wohl deutlicher und anders als durch Saßoxos
ausgedrückt verlangen und vor allen dingen müsten für die unter-
scheidung die sie ausspricht alle bedingungen in der natur des landes
vorhanden sein. eher möchtesich daher eine andere erklärung empfeh-
len. da slaw. cestiti purgare auf ein unserm ‘heiter’ wahrschein-
lich verwandtes, dem litt. skaistas ‘hell, klar’ völlig entsprechendes
adjectiv cestü zurückgeht, dem als gleichbedeutend slaw. Cistü lett.
ἀκ) 1518. litt. kystas preuls. skystan zur seite steht**, so können Aosoro-
βῶκοι --- entsprechend dem *Cisto pole’ russischer volkslieder — die im
freien felde, in den ebenen an der oberen Teis unterhalb des wald-
* Miklosich Lautlehre® 8. 239 ff. 257. 277. 137.
** Miklosich 880. s. 137. 288f.
SLAWEN UND GERMANEN. 87
gebirges wohnenden sein. der gegensatz dazu wäre auch durch
Saß0ox0: wohl hinlänglich ausgedrückt. allein grofses vertrauen
wird niemand auf diese deutungen setzen, der gewahrt dass manche
dakische und besonders pannonische namen sich unschwer aus dem
slawischen deuten, die sprachen selbst aber keineswegs für slawische
sich erklären lassen. und das vertrauen wird vollends schwinden
wenn keiner der drei uns noch durch die inschrift überlieferten
koistobokischen eigennamen unter den slawischen sein volles gegen-
stück findet. denn selbst wenn man die lautlichen differenzen
entschuldigte, so kann doch Natoporus nicht slaw. Nadbor* sein
weil Pieporus in seiner ersten hälfte wohl mit dem dakischen
Πιέφιγοε, nicht aber mit irgend einem slawischen namen oder
worte sich deckt und der dritte, das femininum Drilgisa nun gar
einsam und rätselhaft da steht. sind daher nicht einmal hier
unmittelbar unter den Karpaten Slawen mit sicherheit zu erkennen,
so ist an ihre anwesenheit innerhalb des gebirgslandes während
der ersten jahrhunderte unsrer zeitrechnung schlechterdings nicht
zu denken und sind die zeugnisse der alten, die sie übereinstimmend
davon ausschliefsen, unbedingt als richtig und zuverlässig anzuer-
kennen.
Die drei ältesten zeugen für die Venedi kennen sie überein-
stimmend nur jenseit d. i. nördlich und nordöstlich von den Bastar-
nen. freilich wird ihnen diese stelle allein bei Tacitus (s. 52) aus-
drücklicher angewiesen. aber wenn nach Plinius 4 $ 80 (s. unten
anhang 1) die Basternae an der aufsenseite der Karpaten bis
gegen die grenze des eigentlichen Germaniens wohnten und nach
ἢ 97 zufolge der meinung einiger bis zur Weichsel und gegen die
Ostsee hin von osten her Sarmaten, Veneden und Skiren**, so
kommen auch hier, sobald man die beiden, leicht aus einer und
derselben quelle stammenden notizen verbindet, die Veneden not-
wendig über die Basternen, da die Sarmaten vor ihnen nur die
nicht näher bestimmbaren, in unbekannter ferne hausenden vor-
stellen, die Skiren hingegen die Goten, ihre nächsten verwandten
und nachbaren an der unteren Weichsel mit vertreten. auch bei
Ptolemaeus, wenn gleich alle sondernamen im osten der oberen
* Miklosich Personennamen s. (249) 37.
= dass die ‘“hirri, hyri oder hiri’, die in den hss. aufser bei Dicuil noch
den ‘sciris’ (al. ‘scyris cyris eirie’) folgen, lediglich dem orthographischen
zweifel eines abschreibers entsprungen sind und daher nicht in betracht
kommen, muss jedem verständigen einleuchten, 8. Germ. antigq. 8. 92.
88 SLAWEN UND GERMANEN.
Weichsel und östlicher bei ihm hinwegfallen, behalten doch die
Peukinen und PBasternen oberhalb Daciens ihre stelle und die
Ovsv&daı kommen in die lücke über ihnen, sobald sie den platz im
norden der Goten (s. 17) notwendig räumen müssen. dieselbe
ordnung und stellung setzt dann auch noch die peutingerische karte
voraus und liefert dafür nur ein viertes zeugnis, da ihre bandform
allein daran schuld ist dass auf ihrem schmalen oberen rande über
dem römischen Dacien hin die vENnADT SARMATAE. ALPES. BASTARNICE.
BLASTARNI in langer reihe neben einander und noch einmal vexeoı
neben GAETE. DAaGaz in gleicher richtung gegen die Donaumündungen
statt im innern des ostlandes stehen. da aber die germanischen
Bastarnen an der aufsenseite der Karpaten erst spätere eindring-
linge waren, so muss das gebirge für die ältere grenze der Veneden
oder Slawen angesehen werden, die ihnen auch selbstverständlich
wieder zufiel, sobald jene abzogen oder zu grunde giengen.
An die peutingerische tafel schliefst sich in eigentümlicher
weise noch der Grieche* der etwa zu ende des zweiten oder zu
anfang des dritten jahrhunderts in seiner bearbeitung der mosa-
ischen völkertafel als völker und anoızias der Germanen die vier
südöstlichsten derselben und neben ihnen die δενεδοὶ hinstellte, die
“EouovvdovAoi zwar verkehrter weise zuletzt statt zuerst nannte,
aber nicht unrichtig mit den Marcomannen in Böhmen die Bavdovior
von jenseit des Riesengebirges und dann ebenso mit den noch
östlicheren Quaden die BZevidoi von jenseit der Karpaten ver-
band. bei ihm und auf der Peutingeriana allein findet sich die
namensform Bavdoviot, Vanduli statt Vandili Βανδίλοι. Vandali
Βανδαλοί, und wenn auch die zweimal** falsche verbindung der
Marcomanni und Vanduli auf der karte nicht ins gewicht fällt, so
scheint doch der griechische auctor ein mit ihrem original mindestens
nahe verwandtes exemplar der römischen weltkarte bei seiner
arbeit vor augen gehabt zu haben, er müste denn schon die eine
* Germ. antiq. s. 156 (Weltkarte des Augustus 8. 43), vgl. Abhandlungen
der Berliner academie 1862 8. 523f. und Hermes 9, 193. — dass Beoıdoi aus
BENIA4oi, wie Baodovlo: aus BANAOYA40i verlesen ist, sieht jeder unbefangene,
und wer einiger mafsen mit der deutschen völkergeschichte vertraut ist, weils
aulserdem dass Bsgsdoi unmöglich ἽΕρουλοε sein können, wie neuerdings jemand,
nur um nicht das richtige das andre längst gefunden haben zu wiederholen,
gemeint hat.
ἘΣ s, Abhandlungen der academie aao., wo jedoch, und darnach auch im
Hermes aao., BVR auf der karte fälschlich als HermunDVRi aufgefasst
worden ist,
SLAWEN UND GERMANEN. 89
notiz bei einem geschichtschreiber des marcomannischen krieges
aufgegriffen haben und die übereinstimmung in den namen rein
zufällig sein. seine Βενιδοὶ östlicher als die Βανδουλοὶ kommen
auf jeden fall wieder in den osten jenseit der Weichsel, und wenn
ungefähr hundert jahr später ein unbekannter Römer in der reihe
der das reich bedrohenden völker (Germ. antiq. s. 157,7) *Vinidi’
hinter den Goten aufführte, so kommen auch diese dahin und noch
weiter östlich, überhaupt oberhalb von der pontischen’ steppe, wo
auch die gotische tradition aus dem vierten jahrhundert die
Venethae und Antes nennt (8. 34f., 73).
Nach alledem als resultat der bisherigen untersuchungen
(s. 77.) können wir hinstellen dass die Slawen in den ältesten,
uns bekannten zeiten von den Karpaten und dem oberen laufe
der Weichsel um die grolse sumpfregion herum nördlich bis an
die Waldaihöhen, dann ostwärts gegen die Finnen bis in den ersten,
obersten bereich der Wolga und des Dons verbreitet waren. ihre
südgrenze, ob und wie weit sie einmal vielleicht zur bevölkerung
der steppe oder ihrer fruchtbaren flusstäler gehörten, kann hier
noch unerörtert bleiben. als die Goten im vierten jahrhundert
die steppe und die flusstäler bis zu den südlichen Karpaten hin
beherschten, reichten jene noch nicht bis an die Donau, deren
keltisch-römischen namen, wie Vlahi für den Romanen selbst, sie
erst durch die Goten und Germanen kennen und in der nach got,
Dönavi, Dönaujös Dönaujai Dönauja, gestalteten doppelform Dunavü,
Dunaj gebrauchen lernten*. die älteste und eigentliche heimat
der Slawen war demnach das gebiet des mittleren und oberen
Dnjeprs, mit ausnahme der nordwestlichen landschaften über den
sümpfen, dagegen mit einschluss der striche westlich gegen die
Karpaten und Weichsel, ein vollständiges binnen- und flachland,
nach allen seiten hin vom meere abgeschlossen und im innern
ohne manigfaltigkeit und sonderliche verschiedenheiten in der ge-
staltung und beschaffenheit, aber an umfang mindestens ebenso
grols, ja eher grölser als der von den Germanen vor ihrem ersten
gewaltsamen vordringen bewohnte raum, und daher wohl im
stande den verödeten landschaften jenseit der Weichsel und Donau
in verhältnismäfsig kurzer zeit einmal eine neue bevölkerung zu
geben.
* 8. anhang 13. — wegen Vlahi Miklosich Die slawischen elemente im
rumunischen 1860 8. 1f., Fremdwörter 1867 8. 64b gegen Radices 1845 8. 10.
90 SLAWEN UND GERMANEN.
Die Venethae heifsen bei Cassiodor (Jordanes c. 5. 23) eine
natio populosa und numerositate pollentes, und trotz ihrer unstäten
lebensweise und der zerstreutheit ihrer wohnungen (s. 36) muss
man sie schon als eine starke, sehr zahlreiche volksmenge denken
ehe sie über ihre alten grenzen hinaus sich ergossen. dass sie
darnach, verbreitet und verteilt fast ohne auf einer seite nach-
haltigen widerstand zu finden, auch verbunden mit resten von
allerlei fremden völkern die sich ihnen zugesellten oder die sie
in ihren neuen wohnsitzen vorfanden, endlich einen weit grölseren
raum als in der alten heimat einnehmen, ist eine erscheinung die
sich in ähnlichen fällen überall wiederholt, bei der niederlassung der
Goten über dem Pontus und der unteren Donau, der Angeln in
England usw. das ‘statistische wunder’ ist weniger über-
raschend als z. b. die besiedlung Nordamericas, die sich zu einem
guten teile fast vor unsern augen vollzog. und wäre es ein uner-
klärliches wunder und ohne gleichen, so müste man es schon als
tatsache anerkennen, da Slawen und Venethae, Venedi dem begriffe
und dem umfange nach sich decken und kein vernünftiger von
jenen reden wird wo nicht die Germanen Veneden, oder aber
Slawen sich selbst mit ihrem eignen namen nennen oder von an-
dern uns genannt werden. die vorurteilslose historische betrach-
tung lehrt dass die Slawen lediglich von dem angegebenen gebiet
und über die grenze an der Weichsel und den Karpaten hinaus
sich verbreitet haben; das rätsel ihrer ausbreitung aber erklärt
sich nicht nur daraus dass ihnen gegen nordwesten so gut wie
kein widerstand, gegen südwesten nur ein höchst unvollkommener
entgegengesetzt wurde, sondern vor allem aus jenem mangel an
innerem zusammenhalt (s. 34—39), der es bei ihnen noch zu keinen
geschlossenen volksgemeinden und individualitäten hatte kommen
lassen, die dauernden widerstand hervorgerufen oder geleistet
hätten; bei dem die menge vielmehr in ihre atome zersplitterte,
die überall eindringen und sich einnisten konnten wo für sie sich
raum bot oder wo die kräftige faust eines fremden eroberers sie
zusammenfasste und ihnen die wege wies. auf die eine weise ist
augenscheinlich die ausbreitung mehr im nordwesten, auf die
andre im süden geschehen.
DIE AUSBREITUNG DER SLAWEN GEGEN NORDWESTEN. 91
Im laufe, wenn nicht schon im beginne des marcomannischen
krieges (c. 170) stieg ein teil der südlich zwischen Oder und
Weichsel angesessenen, lugischen Vandilier unter der führung des-
jenigen königsgeschlechtes, das seinen namen, “4or1yyos bei Dio,
unmittelbar an den vornehmsten cultus des ganzen stammes knüpfte
(Zs. 12, 347), südwärts über die Karpaten um, wie schon s. 84
erwähnt, nach verdrängung der Koistoboken im norden des römi-
schen Daciens sich niederzulassen. die lücke, die dadurch im
norden diesseit der oberen Weichsel entstand, war soviel wir
wissen die erste in die die Veneden oder Slawen von jenseit ein-
dringen konnten. ob es geschehen, wissen wir nicht. ungefähr
zu gleicher zeit gelangte auch ein bruchteil der Goten an die
untere Donau bis in die heutige Wallachei, ohne zweifel die nach
ihrer niederlassung in der ‘dakischen ebene’ benannten Taifalen.
die masse des volkes brach erst gegen 240 auf und strebte nach
dem Pontus zu, und ihr folgte auf ihrem rechten flügel nach den
Karpaten hin mit dem fünften jahrzehnt ihre letzte abteilung
von den Weichselmündungen her, die Gepiden; auf ihrem linken
gegen die Maeotis erschienen wenig später Heruler. die Gepiden
sollen auf ihrem wege gegen süden die nördliche abteilung der
Lugier zwischen Oder und Weichsel, die Burgunden beinahe ver-
nichtet und einige andre völker unterjocht haben (Jordan. c. 17),
wir erfahren nicht welche; man kann an südlichere lugische haufen,
an Veneden und Bastarnen denken. mit der vernichtung der Bur-
gunden aber war es nicht so schlimm, da diese noch im verlaufe
des jahrhunderts den aus dem gebiet der Elbe über den römischen
limes an die obere Donau und gegen den Rhein vordringenden
hochdeutschen völkern alsbald folgten und in ihrem rücken hinter
dem limes am oberen Maine posto fassten. die herschaft zwischen
Oder und Weichsel fiel darnach ganz von selbst den nördlichsten
teilen des oststammes an der Ostsee, den Rugen und Skiren zu
und keine geschlossene macht hinderte sie noch südwärts gegen
das gebirge, dann die Heruler von jenseit der see ihnen nach zu
ziehen. es geschah dies wahrscheinlich unmittelbar nach dem ab-
zuge der Burgunden* oder doch nicht viel später, so dass als
a. 406 die Quaden (Sueben) und ‘Vandalen’ gen westen aufbrachen,
die Rugen und Skiren an ihre stelle im süden der Karpaten
* s. über die Veroneser völkertafel in den Abhandlungen der Berliner
academie von 1862 s. 519. 525.
92 DIE AUSBREITUNG DER SLAWEN
treten und so hier mit den weiter abwärts um die Donau gelagerten,
nächstverwandten gotischen völkern im reiche des Attila vereinigt
werden konnten. der zerfall des reiches hatte dann die zerspren-
gung der Skiren, diese mittelbar die der Rugen und diese wieder
die der nachrückenden Heruler durch die Langobarden zur folge.
mit dem anfange des sechsten jahrhunderts war der untergang
auch des letzten der drei völker entschieden, ganz ÖOstgermanien
bis zur Oder und bis zum Riesengebirge aber war seit dem an-
fange des fünften, ja zu einem grofsen teil schon seit dem ende
des dritten von seinen alten bewohnern aufgegeben.
Der älteste sichere beweis für die westliche ausbreitung der
Slawen ist der name Schlesien, der bekanntlich daher stammt * dass
die Slawen den auf der linken Oderseite vor dem Riesengebirge bele-
genen, weithin sichtbaren und von ihnen selbst geheiligten Zobtenberg
ehedem Slezi, auch den ostwärts daran vorüberflielsenden fluss, die
Lohe Sleza und weiter die umgegend und ihre bewohner darnach be-
nannten. Slezi aber führt laut für laut und buchstab für buchstab
auf ursprünglich Silingis, Sleza auf Silingia und damit auf die van-
dilischen Σίλιγγαι, die nach Ptolemaeus gerade in der gegend
wohnten. ja, in der nähe der quellen des flüsschens liegt die
stadt Nimptsch, die schon von Thietmar von Merseburg 7, 44 als
Nemei d. i. Germanen erwähnt, von ihm auch gewis nicht mit
unrecht für ‘olim a nostris condita’ gehalten wird. die Slawen
müssen dort noch germanische Silinge gekannt und angetroffen
haben, entweder vor dem j. 406, ehe sie mit den Vandalen und
Sueben über den Rhein nach Spanien zogen, oder aber kurz nach-
her, als die Rugen und Skiren südwärts über die Karpaten ge-
gangen waren und überreste des volkes in dem wahrscheinlich
auch ihm von altersher heiligen bezirk und mittelpunkt sich noch
erhielten. denn dass bei der auswanderung eines volkes sich
nicht alle gleichmäfsig von dem altgewohnten boden losreifsen
können und manche zurückbleiben in der hoffnung auch in der
vereinzelung sich behaupten zu können, versteht sich nicht nur
von selbst: es wird auch gerade durch eine bei den Vandalen zur
zeit ihres untergangs in Africa auftauchende sage (Prokop Bv. 1,
22) ausdrücklich anerkannt, die freilich nicht mehr an die urheimat
des ganzen stammes im norden der Karpaten, sondern nur an die
bis zum aufbruch unter Godegisil von den Asdingen innerhalb des
* Zeuls 663, Schafarik 2, 405—407. — vgl. Miklosich Lautlehre 1852
8. 454. Fremdwörter 8. 54.
GEGEN NORDWESTEN. 98
gebirges* bewahrten wohnsitze denkt; aufserdem aber liefert auch
das ‘mischvolk’ der Vidivarier an der stelle der Gepiden zwischen
den Weichselmündungen (s. 12 und anh. 2) dafür den schönsten
beleg. sind solche überreste stark genug und in einiger malsen
günstiger lage, können sie sich längere zeit behaupten, wie die
reste der Gepiden in Dacien, der Goten an der unteren Donau
und gar auf der Krim; das Donautal vom Inn abwärts bis nach
Wien und darüber hinaus hat sogar nur @inmal eine deutsche be-
völkerung erhalten und diese seit der Rugenzeit nur noch zuzüge
und verstärkungen erfahren**. nach der fortdauer des namens
scheinen die Silinge am Zobtenberge allmählich in Slawen ver-
wandelt zu sein, wie auch die Vidivarier mindestens schon im
neunten jahrhundert reine Eisten geworden waren (s. 14). nirgend
haben die altgermanischen volksreste im osten der Elbe und
Sale sich so stark erwiesen um den andringenden Slawen dauernd
stand zu halten. die entgegengesetzte, schon s. 78 erwähnte un-
sinnige, aber immer von neuem wiederholte meinung dass sie sich
in dem westlichen teile des gebietes nicht nur erhalten, sondern
mitten unter den Slawen auch so entwickelt hätten dass sie nach
sechs bis sieben jahrhunderten mit den von westen her einwan-
dernden, ihrer herkunft nach nicht einmal völlig gleichartigen
stammesgenossen spurlos und ohne neue bildungen zu erzeugen
verschmelzen konnten, richtet sich selbst und bedarf keiner wider-
legung. aber dass die Slawen bei ihrem vorrücken überall noch
hie und da zerstreut Germanen vorfanden, darf man annehmen
und muss es sogar wenn sie den germanischen namen der Oder
sich nur mundgerechter machten*** oder aus einer deutschen
Walth-ahva eine slawische Wlatava (Moldau), um von der Elbe
selbst und ihren übrigen zuflüssen gar nicht zu reden. es ergab
sich daraus für gewisse zeiten in jenen gegenden eine gemischte
bevölkerung und es ist sicherlich sehr zu beachten dass die Ger-
manen von allen seiten bis tief ins sechste jahrhundert hinein
den ganzen osten bis zur Weichsel noch keineswegs als slawisches
land betrachteten.
* dass nach Jordanes c. 22 die Vandalen von Constantin nach Pannonien
verpflanzt und von dort aufgebrochen seien, beruht nur auf einer verımengung
der Vandalen und der Sarmatae Arcaragantes, die Constantin aus der Teis-
ebene ins römische reich aufnahm, und ist auch nach andern gründen und um-
ständen ganz unglaublich. Zs. 12, 258 ἴ.
** 5. hierüber und über die andern hier berührten punkte anhang 14.
“εὖ Miklosich Slaw. ortsnamen 1,4 und 8. unten im vierten buch.
94 DIE AUSBREITUNG DER SLAWEN
Cassiodor hatte bei seiner beschreibung 'Scythiens’ (Jordan. c. 5)
eine weltkarte vor sich* und zwar könnte es ebenso gut eine
ptolemaeische (s. anh. 1) als die römische gewesen sein, wenn er
Dacien mit zu Scythien rechnend dasselbe westlich gegen Ger-
manien durch eine linie begrenzt sein lässt, die einerseits durch
die richtung der mittleren Donau von norden nach süden**, an-
dererseits durch den lauf der Weichsel gegen norden bezeichnet
wird. Dacien, das erste land im südwestlichen Scythien haben
zur zeit die Gepiden inne. es ist rings von einem kranze hoher
alpen umgeben und im nordosten davon, von dem ursprunge und
oberen laufe der Weichsel an sind weithin gegen osten die zahl-
reichen, in Sclavenen und Anten geteilten Venethae und zwar zu-
nächst die Sclavenen verbreitet, deren wohnsitze auch schon im
süden über der Donau und — wie man schliefsen muss — unter-
halb des gebirges von da an wo der fluss sich wieder gegen osten
wendet beginnen und bis zum Dnjestr reichen. hier wird also die
alte nordwestgrenze der Slawen (8. 77ff.) an der Weichsel und
sogar am gebirge noch festgehalten, und schwerlich entsprach
dies noch genau der wirklichkeit. wird aber im übrigen — und
auch noch weiter nach osten hin — eine aufstellung der völker
angegeben, wie man sie seit dem ende des fünften jahrhunderts
im ostgotischen reiche sehr wohl kannte, so ist auch nicht anzu-
nehmen dass Cassiodor blofs auf grund der gelehrten auctorität
der römischen geographie die grenze der Germanen und Slawen
* Über die weltkarte des Augustus 8. 29ff.
** Jordanes c. 5 sagt ‘Scythia siquidem Germaniae terrae confinis eotenus
ubi Hister oritur amnis vel stagnus dilatatur Mursianus’, dann weiter ‘habet
— ab occidente Germanos et flumen Vistulae’, und endlich ‘Sclaveni a civitate
Novietunense et lacu, qui appellatur Mursianus, usque ad Danastrum et in
boream Viscla tenus commemorantur’. an der ersten stelle hat Closs dem sinne
nach mit recht ‘orditur’ statt ‘oritur’ vorgeschlagen, da der Danubius nach
c. 12 in Alamannicis arvis entspringt und in seinem untern, stärksten laufe
‘lingua Bessorum’ ἃ. ἢ. der einzigen im fünften und sechsten jahrhundert noch
bekannten thrakischen völkerschaft den namen Hister bekommt. der lacus Mur-
sianus ist von Rösler in den Wiener sitzungsberichten 1873 s. 86ff. richtig
bestimmt als die sumpfregion bei Mursia (Esseg) an der untern Drau oder
zwischen Drau und Sau. ich sehe aber nicht ein warum man nach der civitas
Novietunensis sucht wo es keine gibt und nicht bei der alten deutung, Novio-
dunum = Isaktscha, bleibt, da doch die worte des Jordanes gut so aufgefasst
werden können dass zuerst nur die hauptübergangsstelle über die untere Donau
als grenzpunkt für die südliche ausdehnung der Sclavenen angegeben, dann noch
weiter westlich bis dahin wo das reich der Gepiden an die Donau und darüber
hinaus reichte, ausgegriffen wurde. j
GEGEN NORDWESTEN. 95
an der Weichsel und am gebirge behauptet, sondern damit auch
nur die herschende gotische ansicht wiedergegeben hat, die die
Slawen als herscher in der alten heimat der Germanen noch
keineswegs anerkannte. und wesentlich dieselbe ansicht tritt auch
bei dem cosmographen von Ravenna zu tage*, der fast für den
ganzen nordwesten und norden der oekumene mit einem unter
Theodorich dem grofsen gesammelten materiale (s. 42) arbeitet.
Nach der tradition über die ältere geschichte der Donau-He-
ruler, die Prokop (Be. 2,13—15) zum j. 538, als ein haufe von
ihnen unter Narses zum heere des Belisar in Italien stölst, in
seine erzählung einschaltet und die ihrem grundbestandteile nach
unläugbar aus dem munde des volkes selbst herrührt, wären sie,
geschlagen von den Langobarden (s. 92), endlich von den Gepiden
in Dacien aufgenommen und neben ihnen angesiedelt worden;
darauf aber von ihnen mishandelt hätten sie sich geteilt: ein teil sei
über den Ister gegangen und habe bei den Römern aufnahme ge-
funden, der andre teil, bei dem sich viele von königlichem blute
befanden, habe sich nordwärts gewendet und zuerst alle völker
der Sclavenen der reihe nach passiert, dann viel ödes land durch-
wandert, bis er die vom Ister und dem Rhein bis zum nördlichen
ocean (Βα. 4, 20) wohnenden Warnen erreichte und von dort zu
den Dänen und über den ocean nach Thule (Scadinavien) gelangte.
die zeit des übertritts der ersten abteilung wird durch den comes
Marcellinus zum j. 512 bestimmt, der ort oder die gegend wo er
stattfand durch die ansiedlung der übertretenden auf der rechten
seite der Sau bis über Belgrad (Singidunum) hinaus**. die zweite
abteilung muss demnach zur selben zeit aus der Teisebene gen
* s. anhang 145.
** Prokop drückt sich zuerst Be. 2, 14 unbestimmt aus, der kaiser Ana-
stasius habe ihnen da bei den Römern zu wohnen gestattet, wo sie über den
Ister gekommen waren; dann c. 15 bestimmter, mit berufung auf das früher
gesagte, ὥσπερ os ἔμπροσϑεν δεδιήγηταν ὠχήσαντο ἐς τὰ ἐν ᾿Ιλλυριοῖς χωρία,
aber dennoch immer nicht ganz genau. Menander p. 285 Bonn. nennt beiläufig
Unterpannonien den ehemaligen wohnsitz der Heruler d. h. den südlich von
Sirmium an der Sau den Römern noch verbliebenen rest der provinz, Prokop
selbst aber spricht c. 15 von ’Epovlos τοῖς ἀμφὶ Zıyyndova und 3,33 von
plätzen, die der kaiser ihnen in Dacien, ἃ. ἢ. der dem praefecten von Ily-
ricum untergebenen dioecesis im süden der Donau, «ugi nolıw Ziyyndova ge-
geben hätte, von wo aus sie sowohl in Thracien als in Illyricum heerten und
teils wieder zu den Gepiden übertraten, teils auch im kriegsdienst der Römer zu
grunde giengen, Be. 2, 13. 15. 3, 13. 34. 39. ΒΡ. 1,13 ud. Br. |, 1 usw.
8. Aschbach Gesch. der Heruler 8. 42
96 DIE AUSBREITUNG DER SLAWEN
norden aufgebrochen sein und, da die Langobarden noch oberhalb
Pannoniens über der Donau safsen, ‘alle völker der Sclavenen’ an den
Karpaten und zwar zu beiden seiten derselben getroffen, dann
das ‘viele öde land’ nach nordwesten hin bis zu den Warnen und
Dänen durchzogen haben. und gewis, wenn schon um mehr als
hundert jahr früher die Slawen auf der nordseite des gebirges die
Silinge am Zobtenberge erreichten, so darf erwartet werden dass
sie gleichzeitig auch auf der südseite möglichst vorrückten, wo
sich ihnen eine lücke bot. vom sprachlichen standpunkt lässt
sich ihre ganze nordwestliche verbreitung schlielslich als das er-
gebnis einer zu beiden seiten der gebirge parallel verlaufenen
bewegung zweier abteilungen &ines stammes betrachten, dessen
ursitz und ausgangspunkt im norden und nordosten der Karpaten
lag und zum grösten teile endlich nachrückenden Ostslawen zufiel.
ein datum wie die Silinge im norden fehlt jedoch für das vor-
rücken auf der südseite, da die erinnerung an die alten panno-
nischen ἹΡακάται, die das Cechische Rakousy für Österreich wahr-
scheinlich bewahrt*, nicht notwendig bis in die zeit vor dem ein-
tritt der mit dem fünften jahrhundert schon entschiedenen, hoch-
deutschen lautverschiebung zurückreicht und tech. poln. Widen
von Vindobona fast nicht weniger absteht als Vienni, Wiene. der
ausbreitung stand von deutscher seite schlechterdings kein hinder-
nis mehr entgegen, nachdem die Langobarden gegen 530 über
die Donau nach Pannonien gegangen waren und schon in den
nächst vorhergehenden jahrzehnten die Baiuvarier aus Baiahaim
sich über den wald und strom gegen die Alpen vorgeschoben
hatten** die landschaft Baias (Βαιας) d.i. Baiahaim aber ward
* 5. anhang 1 mit anm. — in got. aqvizi mhd. akes, naqvabs naket, nikus
nikes ward auch die verschiebung aufgehalten. — über Wien, Widen s. an-
hang 14.
** Über die fränkische völkertafel in den Abhandlungen der Berliner aca-
demie 1862 s. 538. dass bei dem cosmographus Ravennas 4, 87 die zu der
beschreibung Italiens gehörende erwähnung der ‘Bauuarii’ einem seiner ältesten
auctoren entstammt, kann man nicht behaupten, wenn der als nächster ge-
währsmann hier 4, 29 genannte Castorius der secretär Gregors des grofsen war.
aber die angabe bei Jordanes c. 55 stammt dem zusammenhange, dem inhalte
und der form und art nach — man vergleiche nur die übrigen, durch das
ganze buch sich hinziehenden geographischen notizen und grenzbestimmungen
— unzweifelhaft von Cassiodor c. 534 her. was neuerdings (1878) hr. Bach-
mann in den Sitzungsberichten der Wiener academie über die einwanderung
der Baiern vorgebracht hat, ist in jeder beziehung so verfehlt dass es hier
keine widerlegung erfordert. vgl. übrigens DLZ 1880 p. 91.
GEGEN NORDWESTEN. 97
schon von einem der ältesten auctoren des cosmographus Ravennas
nur als ein teil der grofsen patria Albis Maurungani angesehen,
die sich nach ihm von der Donau bis zur Ostsee und von der
Elbe nach osten, von vielen flüssen und einem grofsen gebirge
durchzogen, weit über die Oder hin bis zur Weichsel erstreckte
(anh. 14°) und das ‘viele öde land’, das die Heruler um 513
nach der tradition bei Prokop von den Sclavenen an den Karpaten
bis zu den Warnen und Dänen durchziehen, ist im grunde offen-
bar dasselbe, nur beschränkt durch die Sclavenen am gebirge.
Der name ist rätselhaft. sprachlich falsch und unmöglich ist
die alte anknüpfung der Francorum linea (cosm. Rav. 1,11), des
geschlechts der Märovinge an Maurungaland, nicht minder die
neuerdings noch öfter wiederholte deutung aus mör palus*; aber
mit der grösten zuversicht darf man behaupten dass er bei allen
germanischen stämmen bekannt und von dem ostlande in gebrauch
gekommen war, seitdem es mehr und mehr von ihnen aufgegeben
wurde. irgend eine spöttische oder verächtliche bedeutung muss
daher wohl darin liegen, wenn auch nichts weiter. die dichtung
und sage der Langobarden, die die grofse lücke ihrer vorzeit aus-
zufüllen suchte seit sie nach dem sturze des Rugenreiches im
j. 487/88 die Donau erreicht hatten, womit ihre eigentlich ge-
schichtliche überlieferung erst beginnt, geht so von einer mit den
übrigen berichten wesentlich gleichzeitigen anschauung der
nordöstlichen ebene aus. die Langobarden, nachdem sie als Win-
niler aus Scadanau (Scadinavia) nach Scoringa, der küstenland-
schaft **, selbstverständlich im süden der Ostsee gekommen sind
* dass ags. alts. mör ahd. muor ein originales, durch ablaut aus a, nicht
durch contraction aus au entstandenes ὃ hat, muss jeder schulknabe wissen.
wie altn. myri engl. mire sich zu mör verhält, kommt hier nicht in frage;
ebenso wenig aber maur mauri, mör möri Maurus, Aethiops für die deutung
in betracht, und altn. isl. norweg. (Aasen 484) schwed. (Rietz 435°) maur for-
mica, nach Biörn Haldorsen 2, 61" auch mide, milbe und maurungr eine art
dorsch, nur in dem falle wenn der nordische vocalstand neben dem in schwed.
myra dän. myre 858. myre ndd. mire ndl. mier für den älteren, ursprünglichen
gelten muss, was allerdings (vgl. Fick Wb. 3, 225 und dazu 2, 168) anzunehmen
ist. die ehemalige weitere verbreitung von maur, mauri vorausgesetzt könnte
Maurunga- Mauringa- Myrgingaland ein übervölkertes land anzeigen und von
den ausgewanderten nach dem gleichnis eines ameisenhaufens benannt sein.
der name ist wie Quidilingaburg und alle auf -inga im ersten teile ausgehende
ein echtes, eigentliches compositum.
ἘΦ diese erklärung von Scoringa aus ags. score engl shore ndd. schore,
schare ist schon in den Nordalbingischen studien (1843) 1, 141 von mir gegeben.
DEUTSCHER ALTERTUMSKUNDE 11. 7
98 DIE AUSBREITUNG DER SLAWEN
und hier mit den Wandalen gekämpft haben, gelangen nach Mau-
ringa, — wo die sage sie mit einem grolsen, aber rein fabulosen
volk der ‘Assipitti’ zusammentreffen lässt, blofs um den anfang
ihrer praxis, ihre macht von zeit zu zeit durch freilassungen zu
verstärken, in die früheste vorzeit hinaufzurücken; sie gelangen
darauf noch weiter durch verschiedene, zum teil auch nur zur
ausmalung des weiten weges poetisch erfundene landschaften,
— in deren namen aber die spuren des gleich in den ersten an-
gaben sichtbaren, stabreimenden liedes sich fortsetzen, — endlich
nach Burgundaib, zum zeichen dass auch die alte heimat der
Burgunden im osten noch unvergessen war, wenn gleich die dich-
tung die geographische lage und ordnung nicht streng innezu-
halten brauchte. sie sollen dann noch wiederholt mit den Bulga-
ren gekämpft haben, was in die sprache des fünften jahrhunderts
übersetzt die Hunen sein würden; aber von Slawen ist in ihrer
ganzen wanderungsgeschichte niemals die rede*, nicht einmal zu-
letzt bei ihrem abzuge nach Italien, obgleich ihnen damals volks-
haufen der verschiedensten art aus dem ganzen umkreise der mitt-
leren Donau, ja von der mittleren Elbe her zuzogen.
Nach den daten der einheimischen überlieferung erfolgte
die übersiedlung der Angeln und Sachsen nach Brittannien haupt-
sächlich erst im laufe des sechsten jahrhunderts und erhielt ihren
abschluss als im letzten viertel desselben Mercien, das letzte von
allen königreichen dort, in der mitte und im innern des landes
durch das altanglische königsgeschlecht selbst begründet wurde**.
dies muss erst damals, nachdem die küsten im osten, wie im
süden schon besetzt waren, und nicht früher hinüber gegangen
sein, endlich mit fortgerissen von dem strome der die gegenden
* die deutung von Antaib als Autarum pagus bei Zeufs 472 kann nicht
richtig sein, weil die Langobarden hochdeutsch sprachen, und die slawischen
Anten hinter dem Dnjestr von ihrem wege völlig abliegen.
** der primus rex Merciorum nach Florentius von Worcester, Creoda oder
Crida, der vater des Pybba (Wibba), grofsvater des Penda, durch den Mercien
seit 626 oder 633 erst mächtig wurde, starb nach der ags. chronik a. 593 und
wenn Penda ‘hä he tö rice feng’ a. 626 fünfzig jahr alt war, muss er 576 ge-
boren sein. vgl. Lappenberg Geschichte von England 1, 115f. 1611. 1601,
auch die genealogie D usw. die küstenlandschaft Lindesse um Lincoln östlich
von Mercien bestand noch um 630 unabhängig für sich, Lappenberg s. 149.
das reich Daira ward gegründet a. 560, Bernicia 547 nach der chronik und
Östangeln (Grimm Myth.! V) gewis nicht früher als Ostsachsen a, 527 und
Middlesex, Lappenberg s. 114.
GEGEN NORDWESTEN. 99
über der untern Elbe und im norden der Eider entvölkerte und
selbst ihm zuletzt den boden unter den fülsen entzog. und dieser
entwickelung der dinge entspricht es durchaus und verleiht ihr
volle historische gewisheit dass die geschichtlich epische erinnerung
der Angelsachsen von diesseit der Nordsee eben nur bis zu dem
angegebenen zeitpunkt (gegen 575) und nicht darüber hinaus reicht.
das so genannte Wandererlied stellt, gleichsam um alle erinnerungen
aus der alten heimat noch einmal kurz zusammenzufassen, einen
der ganzen deutschen heldenwelt kundigen sänger, den Vidsid in
den mittelpunkt des alten Germaniens. er ist von geburt ein
Mirging (Maurung oder Mauring), und Myrgingaland, das nach
einem alten könige Meära (Mauro) wie es scheint benannt sein
soll*, erstreckt sich von der Donau bis zur Eider und wird noch
wie ehedem von Sv&fen (Sueben) bewohnt. er steht dort — und
mit dieser anknüpfung tritt eine sonst unbekannte, aber unzweifel-
haft echt historische tatsache aus der mitte des sechsten jahr-
hunderts ans licht — im dienste eines königs Eädgils (Audgisil),
eines schwiegersohnes des Eädvine (Auduin) und schwagers
des Älfvine (Albuin), des sohnes des Eädvine, den er auch
schon in Italien kennt und auf dieselbe weise rühmt wie
nach Paulus Diaconus 1, 27 es die Baiern und Sachsen und
andere deutsche völker im achten jahrhundert in ihren liedern
taten. aber ‘ostwärts von Angeln’ werden noch die Goten an der
Weichsel gedacht, dort auch das alte reich der Burgunden und
die Gepiden, mit denen die Vinedas gepart werden, eher wie im
Beovulf 2494 an der Ostsee als unten in Siebenbürgen. von den
Wenden oder Slawen ist auf jeden fall diesseit der Weichsel
ebenso wenig die rede als in der langobardischen und der übrigen,
von germanischer seite aus dem sechsten jahrhundert stammenden
überlieferung aufser der herulischen bei Prokop, und damit ergibt
sich unläugbar die tatsache dass die verlassenen östlichen land-
schaften damals ringsherum gerade von den Germanen die sie
teils selbst bewohnt hatten, teils ihnen am längsten nahe geblieben
waren”*, am wenigsten als verloren, sondern einstimmig immer
* die zusammenstellung von Meaca und ags. maca alts. gimaco (Zs. 11, 277)
ist falsch und sprachwidrig (Grimm gr. 13, 345ff.); es ist also die nahe liegende
alte vermutung aus den Nordalbingischen studien von 1843 (1, 152f.) wieder
aufzunehmen.
** über das Svävaland und den Fesselwald im süden der Ostsee in den alt-
nordischen liedern s. Zs. 23, 139—141. 169 ἢ.
8
100 DIE AUSBREITUNG DER SLAWEN
noch als solche angesehen wurden, auf die sie und ihre stammes-
genossen das nächste, unverjährte anrecht hatten.
Die vorstellung von dem umfang des alten Germaniens konnte
sich traditionell erhalten, die meinung aber, dass die Germanen
auch überall noch als die herren zu betrachten seien, nur bestehen
wenn die Slawen nicht gewaltsam als eroberer in dichten massen
vorgedrungen waren, wenn sie vielmehr blofs in lockern scharen,
die sich erst nach und nach verdichteten, ungefähr wie einst die
Gallier im Decumatenlande nach Tacitus (Germ. 29), in den ver-
ödeten räumen sich zerstreut und festgesetzt hatten. bei ihrer
schwäche sich innerlich zusammenzufassen und dauernd selbst zu
bestimmen sind die kriegsstürme, die die Goten, dann die Hunen
im osten der Karpaten und über dem Pontus und der Donau er-
regten, während des dritten, vierten und fünften jahrhunderts
über sie hin uud um sie her getobt und auch nicht einmal ge-
schieht ihres tatkräftigen eingreifens, ihrer teilnahme am kampfe*,
kaum ihres daseins (s. 89) erwähnung. so konnten sie auch im
osten der Elbe lange verborgen und unbeachtet bleiben, bis &in
ereignis über die grolse veränderung, die sich hier im stillen voll-
zogen hatte, plötzlich die augen öffnete. es trat ein im siebenten
zehnt des sechsten jahrhunderts, bis dahin aber besteht was Zeufs
636 behauptete völlig zu recht, dass man ‘im abendlande von der
Elbe her schlechterdings noch keine Wenden kannte’.
Die einfälle der Sclavenen und Anten in die römischen provinzen
südlich der Donau beginnen mit dem regierungsantritt Justinians
im j. 527 und wiederholen sich dann während eines menschen-
* nach Schafarik 1, 129 uö. sollen freilich Finnen, Galinden und Veneden
an dem grofsen scythischen kriege teil genommen haben und gegen 253 vom
kaiser Volusian besiegt worden sein zufolge einer münzlegende, die feierlich
2, 657 unter den zeugnissen der quellenschriftsteller aufgeführt wird. aber
der kaiser Volusian hiefs nach steininschriften c. vıBıvs AFINIVS GALLYS
VELDVMNIANvS vonvsıanvs (Borghesi Oeuvres 5, 278f. vgl. CILar. 3 nr. 4741,
2 nr. 4787. 4859 uam.); dies kürzte man auf münzen ab in c v AF ΘΑ], VEND
VOLYSIANvVS, TABIN ΓΑ... OYEN OYOAOYCIANOC: statt veLpvuxıanvs auf den
steinen haben die münzen nach Julius Friedländers versicherung immer
OYEN oder OYENA. Vaillant las 1674/88 dafür c va Fr gaL venp und TA
&bIN TAA OYEN und machte daraus ‘Vandalicus T«ardalıxos Finnicus Galin-
dieus Vendenicus’ ohne auch nur zu bedenken dass die von besiegten völkern
hergenommenen beinamen nicht zwischen den namen C. und Volusianus stehen
können, und Schafarik spricht dies getrost nach, verbessert noch “Vendenicus’
in Vendicus und kümmert sich ebenso wenig als jener um die steininschriften.
4
. ."ω" “ "
. ..
GEGEN SÜDWESTEN. 101
alters fast von jahr zu jahr, als streifzüge einzelner schwärme,
aber auch in stärkeren massen und in gesellschaft oder unter führung
der Bulgaren, der nachkommen der Hunen, die ihnen auf diesem
wege vorangegangen waren, unternommen nicht um dauernder
eroberung willen, sondern zunächst nur um zu plündern und
menschen einzufangen, mögen auch einzelne haufen bei zügen, die
schon bis nach Kleinasien und bis an den Peloponnes sich er-
streckten, hier und dort sitzen geblieben oder auch von den
Römern selbst nach getanem kriegsdienst angesiedelt worden
sein*. ein stillstand in dieser bewegung trat ein gegen das ende
der regierung Justinians, als es ihm im j. 558 gelang die plötz-
lich im fernsten osten auftauchenden Awaren zu gewinnen und auf
die bulgarischen stämme zu beiden seiten der Maeotis und des Dons,
dann auf die Anten zu hetzen**. der angriff der Awaren war So er-
folgreich dass sie in wenigen jahren 562, durch die bulgarischen Ku-
triguren verstärkt, über der untern Donau stehen, wo ihnen Justinian
den ehemaligen wohnsitz der Heruler an der Sau und in Unterpanno-
nien zur niederlassung anbieten lässt (Menander p. 285=205),
selbstverständlich aber auch von ihnen dafür die anerkennung
seiner oberherlichkeit und die verpflichtung zum kriegsdienst ver-
langt. sie danken und ziehen es vor einstweilen noch in 'Scythien’
zu bleiben, und sie erscheinen nun in kurzem*** im osten des
Ὁ 8. anhang 15.
** Menander p. 282ff. Bonn. (= Müller FHGr. 4, 203f.). er lässt p. 237f.
(p. 218f.) die awarischen gesandten im j. 565 zum neuen kaiser Justinus sagen
'narega« τὸν σὸν δώροις ἡμᾶς φιλοφρονούμενον ἀντεδωρούμεϑα τῷ καὶ durd-
μένοι μὴ κατατρέχειν τὴν "Puucixnv, ἀλλὰ πλέον ἐνδείχνυσθαί τι. τοὺς γὰρ ἐκ
γειτόνων ὑμῖν βαρβάρους, τὴν Θράκην dei περικόπτοντας, ἠφανίσαμεν ἀϑρόον,
χαὶ οὐδεὶς ὁστισοῦν αὐτῶν περιλέλειπταν τὰ Θρᾳχῶν ὁρίσματα χαταδραμοῦ-
μενος. χτλ.
ἘΦ von dem empfange, den Justinus kurz nach seiner thronbesteigung im
november 565 den awarischen gesandten zu teil werden liefs, gibt Menander
p. 286 — 218f. eine ebenso rhetorische darstellung, als Corippus in Justin.
3, 151 ff. 231ff. und es ist ebenso unwahr bei ihm dass die Awaren erschreckt
durch die abweisung des neuen kaisers εἰς τὴν τῶν Φράγγων χώραν abgezogen
seien, als bei diesem v. 300ff. dass sie damals nach besiegung der entlegneren
nördlichen völker, wie im j. 562, noch an der Donau gestanden hätten. eine
dritte naivere darstellung von dieser audienz und deren vorgeschichte gibt
der gleichzeitige Syrer Johannes von Ephesus in seiner Kirchengeschichte 5, 24
(übers. von Schönfelder s. 253). ohne zweifel wuste Justinus sehr gut dass
im angenblicke nichts von ihnen zu fürchten sei, und aulserdem waren schon
562 auf seine eigne veranlassung und unter seiner mitwürkung an der Donau
die nötigen anstalten zu ihrem empfange getroffen. nach Gregor von Tours
102 DIE AUSBREITUNG DER SLAWEN
fränkischen reiches an der Elbe. zweimal in verschiedenen jahren
kämpft hier Sigibert von Austrasien mit ihnen, das erste mal sieg-
reich, das andre mal unglücklich; aber dennoch kommt ein friede zu
stande dass der Awarenchan mit den seinen von Sigibert verprovian-
tiert nach drei tagen abzieht (Menander p. 302 f. = 230) und dass
‘sie zeitlebens nicht wieder krieg mit einander anfiengen’ (Gregor.
Turon. 4, 29), offenbar weil 'Sigiberts schwager der Langobarde
Albuin mit einem plan oder einem anerbieten dazwischen trat,
das den chan und sein volk alsbald in den unabhängigen besitz
von Dacien und Pannonien setzte.
Der einbruch der Awaren und dann ihre niederlassung an
der Donau war, wie Zeufs wohl zuerst erkannte, entscheidend für
die ausbreitung der Slawen; einen gar verhängnisvollen anteil
aber hat auch Albuin daran genommen. die gewöhnliche phrase
dass er blofs aus wildem grimm und stammeshass mit den Awaren
zum untergang der Gepiden sich verbündet habe, ist töricht. der
vernichtung der Gepiden in Dacien im j. 567 folgte gleich im
nächsten frühling der aufbruch der Langobarden aus Pannonien
nach Italien. das erbe der Goten, dessen sich der Franke Theude-
bert allzu frühe hatte bemächtigen wollen, lag schon lange wie eine
beute lockend vor den augen Albuins und seines volkes da. vor
etlichen jahren von 550—552 hatten selbst schon mehrere tausend
Langobarden dort unter Narses gegen die Goten mitgekämpft. aber
um die beute zu ergreifen musten sie sicher sein dass nicht ein
feind sich ihnen an die fersen heftete.e. ein zuwachs an macht,
mannschaft und habe konnte ihnen aufserdem für ihr unternehinen
nur erwünscht sein. so verfielen die Gepiden dem geschick. die
eine hälfte der beute und ein teil des volkes folgte jenen über
———
4, 23 (vgl. Paulus Diac. ?, 10) kämpfte Sigibert von Austrasien zum ersten
male mit ihnen ‘post mortem Chlothacharii regis’, also nach 561, nachdem er
sich mit seinen brüdern in das reich geteilt, und er schlielst freundschaft mit
dem chagan um sich gegen Chilperie zu wenden, der ihm während seiner ab-
wesenheit mehrere städte seines anteils weggenommen hat. das zweite zu-
sammentreffen, als die ‘Chuni iterum in Gallias venire conabantur’, fand auch
nach Gregor 4, 29 mindestens wohl ein paar jahre später statt. dass das letzte
abkommen mit dem chagan mit den verhandlungen zwischen ihm und Albuin
zusammen, also wahrscheinlich ins j. 566 fiel, darf man schon aus der aufein-
anderfolge der excerpte aus Menander p. 302. 303—305 (p. 280f.) schliefsen.
die langobardischen verhandlungen mit jenem aber sind augenscheinlich von
Menander wieder ebenso rhetorisch ausgeputzt wie die audienz der Awaren
bei Justinus udglm.
GEGEN SÜDWESTEN. 103
die berge, die andre hälfte und das land der besiegten nebst
dem der abziehenden bundesgenossen verblieb den Awaren, deren
neue stellung — im tieflande an der Teis und Donau — und bis-
herige laufbahn sie ebenso sehr gen Constantinopel wies, als
Albuin sein weg nach Italien. von allen völkern, die damals
rings um die mittlere Donau wohnten, selbst von den mit den
Awaren neu angekommenen Bulgaren liefen ihm bei seinem ab-
zuge haufen zu; nur Slawen werden nicht mit darunter genannt
(Paul. 2, 26). aber die wirkung desselben reicht noch weiter.
die ‘Suavi’, die Wacho zu anfang des jahrhunderts der herschaft
der Langobarden unterwarf (Orig. Lang. Paul. 1, 21), sind zunächst in
den alten wohnsitzen der Marcomannen und Quaden über der Donau
zu denken; nördlicher aber im Elblande diejenigen deren könige
Albuins vater, Auduin, seine tochter gegeben hatte (Haupts 28.
11, 278f.). diese Nordschwaben, die überbleibsel der taciteischen
Semnones hatte ohne zweifel zuerst der ansturm der Awaren ge-
troffen. als der chan Bajan a. 566 einerseits mit Sigibert von Franken,
andererseits mit Albuin seine verträge schloss, wird auch über
ihr schicksal entschieden sein. ein teil von ihnen und mehr als
20000 Sachsen mit weib und kind folgten Albuin 568 nach Italien,
der andre teil ward von Sigibert in die von den Sachsen verlassenen
wohnsitze diesseit der Elbe aufgenommen (Greg. Tur. 5, 15. Paul.
Diac. 2, 6. Widuk. 1, 14). das abkommen das die drei fürsten trafen
war von welthistorischer bedeutung: indem die Schwaben den
ältesten sitz der Germanen zwischen Elbe und Oder räumten, die
Gepiden der vernichtung anheim fielen, Albuin mit den seinen
nach Italien abrückte, die Awaren an der Donau ihre stellung
einnahmen, war diesen und in ihrem gefolge den Slawen der ganze
osten, soweit ihn die Germanen beherscht hatten, preis gegeben
und alle überreste derselben, die noch innerhalb dieses bereiches
salsen, waren unrettbar über kurz oder lang verloren, aufser wo sie,
wie im Donautal bis zur March und Leita sich an stammesgenossen
in ihrem rücken anlehnen konnten*.
* s. auhaug 14.
IV.
DIE GALLIER UND GERMANEN,
Demetrius von Kallatis am Pontus erwähnte in einem seiner
zwanzig bücher über Asien und Europa des todes des Hiero von
Syrakus im j. 216 (Lucian Macrob. c. 10). noch vor ablauf des
zweiten jahrhunderts rühmt ihn dann Agatharchides (de rubr. mar.
8 64) als einen der ausgezeichnetsten kenner des nordens und da
ihn aufserdem Dionysius (de verb. comp. p. 30 R.) mit Polybius
zusammenstellt, so darf man ihn für einen schriftsteller halten
der um oder gegen die mitte jenes jahrhunderts lebte. dazu ’
stimmt dass er die Bastarnen ἐπήλυδες nannte*, ihre ankunft an
der Donaumündung also selbst erlebt und bei der nähe seiner
vaterstadt gewisser malsen selbst mit angesehen hatte oder von
älteren zeitgenossen darüber unterrichtet war. durch das epithe-
ton wird auf die ankunft als ein ereignis das sich bei menschen-
gedenken begeben hingedeutet. diese aber wird nicht allzu lange
vor dem j. 182 erfolgt sein. denn nur wenn die Bastarnen noch
nicht lange an der Donau ansälsig waren, konnte füglicher weise
könig Philipp von Macedonien auf den gedanken kommen sie zu
einer weiteren auswanderung an die nordgrenze seines reiches
aufzufordern, um durch sie der nachbarschaft der feindseligen
Dardaner ledig zu werden und dann sie von da aus zu einem an-
griff auf die Römer in Italien zu gebrauchen. die unterhandlungen
* Scymnus 797. die metrische schwierigkeit aus der prosa des anonymus
(perip. Pont. Eux. $ 63) den vers herzustellen lässt KMüller zweifeln ob die
notiz aus dem iambographen genommen; aber weder Ephorus, den dieser bei
der beschreibung des Pontus zu grunde legte, noch Artemidor, den der anony-
mus aao. vorher wohl aus Marcianus anführt (GM. ],cxvıı), können als zeit-
genossen von der ankunft der Bastarnen gesprochen haben; es bleibt für die
notiz also nur der v. 117. 719. 796. 879 von dem iambographen bei der be-
schreibung des Pontus citierte Kallatianer als gewährsmann übrig.
DIE BASTARNEN. 105
darüber, in jenem jahre schon im gange, führten drei jahr später
zu einem aufbruch der Bastarnen, aber der tod des königs liefs
es nicht zur vollständigen ausführung des unternehmens kommen:
nach einem unglücklichen zusammentreffen mit den Thrakern im
gebirge gieng ein teil der ausgezogenen zurück über die Donau,
und auch die dreilsig tausend, die unter der anführung des Clon-
dicus nach Dardanien vordrangen, schlugen im winter 175 den-
selben weg wieder ein (Liv. 40, 5. 57f. Polyb. 26, 9. Liv. 41, 19.
23. Oros. 4, 20). derselbe Clondicus war dann noch einmal im
j. 168 bereit mit zwanzig tausend mann dem Perseus gegen die
Römer beizustehen; allein der könig entfremdete durch seine karg-
heit sich die bundesgenossen*.
die quelle dieser nachrichten ist Polybius**. er schilderte
die Bastarnen als ein zahlreiches, streitlustiges, verwegenes und
ruhmrediges volk von gewaltiger leibesgrölse und schrecken er-
regendem aussehen, das weder ackerbau noch schiffahrt kannte
und von der viehzucht zu leben verschmähte, indem es nur auf
krieg, kriegerische übung und ausbildung bedacht war. von ihrer
trunkliebe und der gefährlichkeit dieser neigung für sie gibt eine
spätere nachricht bei Dio 51, 24 einen beleg zu Germ. 23; zu-
gleich erfährt man dass sie auf ihren zügen hinter dem heere
weiber und kinder auf wagen mit sich führten. ihre reiter kämpften
mit fufsvolk gemischt, so dass jeder reiter einen parabaten hatte ***,
* Liv. 44,26 f. Diodor 30, 24 p. 580 W. Plutarch Aem. Paul. 9. 12. 13,
Appian Maced. 18. nach Livius und Plutarch 12 waren es 10,000 reiter und
ebenso viele parabaten. nach alter regel (Haupts zs. 10, 552£.) ergäbe dies
ein fulsheer von 200,000 mann und die volkszahl der Bastarnen würde wohl
auf 700,000 köpfe, wenn nicht mehr, geschätzt werden müssen.
ἘΦ HNissens untersuchungen über die quellen des Livius 8. 110f. 114f.
234f. 238. 240f. 264. 300: nur Plutarch c. 9 ist aus einer andern, der poly-
bischen darstellung nahe verwandten quelle, Nissen aan. 8. 299. die haupt-
stelle für die characteristik des volkes ist Plutarch c. 12, vgl. Zeuls 53. 129.
einen Bastarnen von fünf ellen länge erwähnte Posidonius, bei Athen. p. 213.
**% aufser Plutarch vgl. Livius 44, 26. auch Valerius Flaccus Argon. 6, 95ff.
kannte diese kampfweise bei den Bastarnen ‘ast ubi Sidonicas inter pedes
aequat habenas, illinc iuratos in se trahit Aea Batarnas, quos duce Teuta-
gono crudi mora corticis armat aequaque nec ferro brevior nec rumpia ligno”.
die ‘Sidonicae habenae’ sind bastamnische reiter, weil Valerius auch schon die
Sidones (s. unten) als eine abteilung des volkes kannte. darnach darf man
auch seine beschreibung der bewaffnung wohl nicht als erfunden oder nach
wahrscheinlichkeit angenommen ansehen, obgleich seine rumpia (ῥομφαία),
sonst von lateinischen schriftstellern als synonym mit framea gebraucht, der
framea des Tacitus (Germ. 6) durchaus nicht entspricht.
106 DIE BASTARNEN.
sie zerfielen in mehrere stämme und abteilungen (πλείω φῦλα,
Strabo p. 306) und standen unter königen oder kleinkönigen (re-
gulis) und häuptlingen aus edlem und königlichem geschlechte®,
von denen einer bei einem heerzuge als führer an die spitze trat
und deren dienst und gunst durch geschenke an rossen und
pferdeschmuck, gewand und gold und silber zu gewinnen war
(Liv. 44, 26). genau alle diese züge findet man sonst bei den
Germanen wieder, freilich auch wohl alle bei den Kelten, und Po-
lybius 26, 9. 29, 11. sowie seine nachfolger** nennen die Bastarnen
Γαλάται und Galli, ja König Philipp soll auf eine verständigung
zwischen ihnen und den keltischen Scordiskern wegen der gleichheit
ihrer sprache und sitte gehofft haben: ‘nec enim aut lingua aut
moribus aequales abhorrere’, Liv. 40, 57. wie aber kämen Kelten
auf die nord- und ostseite der Karpaten um von da aus an die
Donaumündung vorzudrimgen? Polybius, in der meinung dass die
Bastarnen wie die Scordisker Galater seien, hat leicht dem könige
etwas untergelegt woran dieser so nicht denken konnte, wenn er
genossen beider völker neben einander kennen gelernt hatte. die
wahrnehmung dass Bastarnen und Scordisker dieselbe sprache
redeten wird jedesfalls nicht die ursache gewesen sein dass man
jene für Galater erklärte***, sondern nur die dass das an den
Karpaten aus dem nordwesten vorgedrungene, bisher unbekannte
volk weder zu den Scythen und Sarmaten rechts auf der steppe
über dem Pontus, noch auch links zu den Geten oder Daken und
Thrakern an der Donau gehöre; man rechnete es also zu dem
grolsen stamme dem man nach allgemeiner ansicht den ganzen
nordwesten einräumte (DA. 1, 484f.). hierin zeigt sich nur grie-
chischer sprachgebrauch und griechische auffassung, und vielleicht
hatte der volksstamm, von dem die Bastarnen ausgegangen waren,
bei den scythischen und dakischen völkern am Pontus und der
Donau ebenso wenig einen besondern gesamtnamen als ehedem,
wie 65 scheint, bei den übrigen oststämmen****. auf jeden fall
* Liv. 40,5 nobiles iuvenes et regii quosdam generis, quorum unus s0-
rorem suam in matrimonium Philippi filio pollicebatur. 40, 57 Cotto nobilis
Bastarna. 40, 58. 44, 26 principes. 40, 58 Clondicus dux. 44, 26 Clondicus
regulus. Dio 51], 24 4έλθων βασιλεύς. Orelli IL. nr. 750 (Böckh CIG. 2, 82)
reges Bastarnarun:.
ἘΦ nur Appian schlägt die Bastarnen zu ihren westnachbaren, den Geten
(Daken), wie Dio 51, 23 zu den Scythen, ihren ostnachbaren.
ἘΦ g, unten über das olbische psephisma.
»**% denn Njemez d. i. der stumme, nicht redende hiefs dem Slawen ur-
DIE BASTARNEN. 107
war hier der name Germanen unbekannt und ebenso damals bei
den Griechen. man konnte daher erst als man, diesen im westen
kennen und Germanen und Galater unterscheiden gelernt hatte,
zu einer andern richtigeren ansicht von der nationalität der Ba-
starnen übergehen.
Schon im ersten kriege des Mithridates gegen die Römer
von 88—84, dann im zweiten gehören die Bastarnen zu seinen
hilfsvölkern von der nordseite des Pontus, als das ἀλκεμώτατον
αὑτῶν γένος gerühmt, und gleich im beginne des letzteren im
j. 74 zeichnen sie sich bei Chalcedon in Bithynien aus*. so
konnte auch Pompejus im j. 61 mit über sie triumphieren**. da-
mals kannte man schon in Rom den namen Germani, und wenn
auch nicht Mithridates und der von ihm im j. 70 getötete Me-
trodorus von Skepsis (s. unten), so kann doch Posidonius von
Apamea oder Rhodus in seiner geschichte der mithridatischen
kriege und des Pompejus sich desselben bedient haben. ihm und
seinen zeitgenossen, teils gefährten des königs, teils des Pompejus
verdankt Strabo hauptsächlich seine beschreibung der gegenden
nördlich vom Pontus. Strabo p. 93. 118. 128. 289. 294ff. 305f.
setzt die hauptmasse der Bastarnen zwischen die Germanen und
die Tyregeten am Dnjestr oberhalb der Geten oder Daken, also
wie Plinius (4 ὃ 80f.), Ptolemaeus ua. an die äufsere seite der
Karpaten, nur einen teil von ihnen, durch die Getensteppe in
Bessarabien getrennt, auf die Donauinsel Peuke, wonach sie ins-
sprünglich doch wohl jeder fremde und ausländer im gegensatz zu dem Slo-
wenen, dem verständlich redenden (Zeufs 68, Schafarik 2,42, Miklosich Rad.
8. 10), ehe daraus der name für die Germanen oder Deutschen wurde. ‘in
einer altböhmischen glosse (Hanka p. 4 bei Zeufs) übersetzt nemec das lat.
barbarus’ und das unabgeleitete nömü stumm hat in altslawischen quellen noch
mehrmals die bedeutung ‘eine fremde sprache redend’. auch der besondere
name der Aestier für die Deutschen, litt. Wökietis lett. Wahzeets Wahzis, da
er die Nordmannen, Dänen Schweden und Norweger nicht mit umfasst, scheint
in die urzeit nicht hinaufzureichen. hängt er mit litt. wökti verstehen oder
wökti mähen, das feld bestellen zusammen? in litt. Tauta oberland, Deutsch-
land, lett. tauta gens, natio zumal extranea, tautisks extraneus liegt die be-
griffsentwickelung noch ganz deutlich vor, die zum teil auch im slawischen
tudj stattfindet, Schafarik 1, 314f. dem Finnen heifst der Deutsche nur nach
dem nördlichsten stamme Saxa, Saxaläinen.
* Appian Mith. c. !5. 69. 71, Posid. bei Athenaeus p. 218, Memnon c. 39
Επα. 3, 545, Justin 38, ὃ.
** doch sind die ‘Bastreni’ bei Plinius 7 ὃ 98 eher ‘Bostreni’, wie schon
in einer hs. corrigiert ist, als Basternae.
108 DIE BASTARNEN.
gesamt, besonders bei den Römern, Peucini hiefsen, und er ver-
mutet dass sie vielleicht von germanischer abkunft seien: oxedov
u καὶ αὐτοὶ τοῦ Γερμανικοῦ γένους ὄντες p. 306. so könnte schon
Posidonius oder einer der andern, von den Römern unterrichtet,
sich ausgedrückt haben und durch den ausdruck treffend den
übergang zu der neuern, besseren ansicht bezeichnen. es könnte
auch bald nach ihnen Sallust in den Historien ähnlich von den
Bastarnen gehandelt, ja sie vielleicht schon ganz als Germanen
behandelt haben, nur schade dass es dafür an jedem bestimmten
zeugnisse und damit leider auch für die ganze Germania, die man
ihm neuerdings angedichtet hat, an einem haltpunkte fehlt.
Bei dem wiederholten zusammentrefien der Römer mit den
Bastarnen konnte indes die bessere einsicht nicht lange ausbleiben.
berichtet wird noch dass C. Antonius der college Ciceros im j. 60,
dann M. Crassus als legat des Augustus mit ihnen kämpfte *, und
nachdem damals die untere Donau reichsgrenze geworden, stand
man in ununterbrochener, unmittelbarer beziehung zu ihnen. Plinius
4 ὃ 100 stellt nun ohne irgend welchen zweifel die Peucini Ba-
sternae, die nachbarn der Daken, als fünfte grolse abteilung der
Germanen auf. dazu kommt dann das zeugnis des Tacitus dass
sie ‘sermone cultu sede ae domiciliis’ wie Germanen lebten, und
wenn auch ihre entartung in Sarmatarum habitum sein bedenken
wegen ihrer nationalität erregte, so schliefst doch der deutsche
sermo in wahrheit jeden zweifel aus. aulser ihrer fast isolierten
lage erklärt und rechtfertigt die entartung nur die besondere auf-
stellung und abtrennung der Bastarnen von den übrigen Germanen
bei Plinius.. inmitten einer undeutschen umgebung muste ihre
entfremdung im laufe der zeit noch zunehmen. so sehen wir sie
zwar in der reihe der östlichen völker die sich im marcomannischen
kriege auf die römischen provinzen an der unteren Donau warfen
(Capitol. Marc. c. 22), dann auch noch im dritten jh. an den zügen
der Goten teil nehmen, bald aber werden von Probus ihrer hun-
dert tausend auf römischen boden verpflanzt (Zeufs 442) und damit
verschwindet ihr name aus der geschichte. eine verschmelzung
mit den nachgerückten stammesgenossen war nicht zu stande ge-
kommen und wohl nicht mehr möglich gewesen.
Freilich der beweis dass das bastarnische eine deutsche
sprache war lässt sich aus seinen wenigen überresten nicht mehr
— OL
* s, unten über die Geten.
DIE BASTARNEN. 109
führen. drei personen- und drei völkernamen sind ein allzu spär-
liches material für den zweck und, abgesehen von ihren entstel-
lungen durch die abschreiber, ist eine getreue auffassung und
wiedergabe deutscher laute, wo diese zum ersten male und wohl
nur durch den mund von Thrakern und andern barbaren vermittelt
nach Griechenland hinüber drangen, kaum zu erwarten. doch ist
Clondicus unzweifelhaft mit dem freilich auch nicht unentstellten,
kimbrischen Claodicus derselbe name (Zeuls 143), der ahd. Hludih,
Hludihho alts. Hludico lauten würde. Cotto bei Livius, eine hy-
pokoristische form, kann mit anlehnung an den thrakischen Cotys
etwa dem alts. Goddo, dem das ahd. feminin Gota zur seite steht,
entsprechen und “έλδων bei Dio lässt sich der gestalt nach mit
alem. Talto (tr. SGall. nr. 52 a. 769) vergleichen. Bastarna oder
Basterna — beide schreibungen halten sich ungefähr die wage,
doch ist jene die ältere* — ist dem stamme nach dunkel, aber
die ableitung dieselbe wie in dem deutschen volksnamen Cugerni,
wie in got. viduvairns orbus, ahd. isarn untarn bilarn zuitarn
diornä. verderbt scheint “4zuovos, name des einen bastarnischen
stammes bei Strabo; dagegen der des andern Σιδόνες gleich dem
suebischen mannsnamen Sido bei Tacitus, ahd. Sito (tr. Fuld.
nr. 465 a. 826)**. trotz der ungunst der überlieferung ergibt
sich doch immerhin eine gewisse bestätigung für die behauptung
* Bastarna Polyb. Posidon. Scymn. Augustus (rer. gest. 5, 52) Liv. Strabo
tit. T. Plant. Valer. Flacc. Tac. Dion. perieg. tab. Peut. Dio, Basterna Plin.
‘L. Valerius Basterna’ (Monuments epigr. du musde national hongrois, Buda-Pest
1873, nr. 185) Appian, Memn. Ptol. Capitolin. Vopiscus. die erklärung von Zeuls
127 ist völlig unhaltbar, weil bart lat. barba lit. barzd& slaw. brada wurzel-
haftes r hat. auch Grimms deutungsversuch (GDS. 461) schlägt mindestens
insofern fehl als schilde nicht aus bast gemacht wurden und ‘cortex’ auch
nicht bast bedeutet. ein zusammenhang mit bast oder mit altn. basta ahd.
bestan mhd. besten ‘schnüren, binden’ ist überhaupt nicht wahrscheinlich, da
hiefür unter unseren volksnamen jede analogie fehlen würde. — Teutagonus,
der name des bastarnischen führers bei Valerius Flaccus, würde nur dann für
echt bastarnisch, nicht für frei gewählt zu halten sein, wenn die person der
bastarnischen geschichte oder sage angehörte. ist der name, wie kaum zu be-
zweifeln, von dem dichter frei gewählt, so darf man darin höchstens eine an-
erkennung oder andeutung des verwandtschaftlichen zusammenhangs des volkes
mit den germanischen Teutonen erblicken.
** dass auch Valerius Flaccus die Sidones als eine abteilung der Bastarnen
kannte, ward schon bemerkt s. 105, er behandelt aber die erste silbe des namens
als lang s. 105, und wegen des reinen, ungebrochenen vocals scheint es dass die
Römer überhaupt in Sidones und in Sitones (s. 4f.) die erste silbe als lang
auffassten.
110 DIE BASTARNEN.
des Tacitus, diese selbst aber muss neben der angabe des Plinius
für ein ergebnis langjähriger erfahrung kundiger Römer gelten
und daher für ein vollgiltiges zeugnis, das kaum einer andern
stütze bedarf. \
Die Bastarnen sind demnach die ersten Germanen die aus
ihrer heimat aufbrachen und in den näheren bereich der alten
culturwelt eintraten. sie müssen von den Östgermanen an der
Weichsel ausgegangen sein und von dem umfang der bewegung,
die diese damals ergriffen hatte, gibt noch eine merkwürdige ur-
kunde zeugnis, das psephisma der bürgerschaft von Olbia (CIG.
nr. 2058) zu ehren des reichen Protogenes, der mehr als einmal
seine vaterstadt durch grofse opfer und leistungen aus der be-
drängnis gerettet hatte. die inschrift gehört ihrem schriftcharacter
nach* zu den ältesten aus Olbia erhaltenen und noch der rein
hellenischen zeit der stadt an, ehe die bürgerschaft von barbarischen
oder halbbarbarischen elementen erfüllt war. die blüte des ge-
meinwesens und des reichtums, dem sie ihren namen verdankte,
aber war schon vorüber. auf der steppe jenseit d. h. östlich vom
Bug hauste ein könig Saitapharnes und ein volk der Saier und
die stadt war keineswegs in der verfassung gewesen um den
wiederholten tributforderungen jedesmal aus ihren mitteln genüge
zu leisten. dann drohten von westen her andre gefahren. Ga-
later und Skiren hatten einen bund geschlossen und eine grofse
macht zusammengebracht um im winter die stadt anzugreifen:
Ταλάτας καί Ixigovs πεποιῆσϑαι συμμαχίαν καὶ δύναμιν συνῆχϑαι
μεγάλην καὶ ταύτην τοῦ χειμῶνος ἥξειν; die Thisamaten und Scythen
und Saudaraten, zwischen jenen und der stadt, fürchten gleichfalls
den angriff und die grausamkeit der Galater — τὴν τῶν Γαλατῶν
ὠμότητα — und denken sich auf die stadt zu werfen und hier
schutz zu suchen; diese aber ist, da ein früherer krieg die
sklavenschaft und die ‘Mischgriechen’ (Μιξέλληνες) in der um-
gegend zu grunde gerichtet hatte und schon die furcht viele
fremde und bürger vertrieb, geschwächt und fast dem feinde preis
gegeben, weil ihr zu einem grofsen teile befestigungen fehlen, die
erst durch die beihilfe des Protogenes hergestellt werden.
Die bevölkerung der umgebung Olbias war darnach nicht
mehr dieselbe wie zur zeit Herodots. statt der alten skolotischen
Scythen sind, wie die namen lehren, sarmatische haufen einge-
* vgl. Hermes 3, 441f. Khein. mus. 24, 561.
DIE BASTARNEN. 111
drungen und von jenen scheint nur noch ein bruchteil neben
diesen übrig zu sein. doch fehlen noch die Iazygen und Rhoxolanen,
die wenigstens schon zu ende des zweiten jhs. vor Ch. zur zeit
Mithridats die steppe beherschten. die zustände sind noch neu
und die stadt hat sich noch nicht auf die veränderten verhältnisse
eingerichtet. am wenigsten war sie auf einen angriff der barbaren
von westen her gerüstet: ‘alles deutet an dass noch die ersten
schrecken des einbruchs herschten’*. der frühere krieg, von dem
die rede ist, war ohne zweifel der erste angriff gewesen, bei dem
die umgegend verwüstet wurde, die stadt selbst noch verschont
blieb; bei dem für den winter erwarteten neuen angriff war zu
befürchten dass sie selbst den barbaren in die hände fiel.
Man hat nun die Galater für Scordisker von der Morawa ge-
halten, oder auch für die Galater die im dritten jh. ein reich
südlich vom Haemus hatten, dann aber mit recht die Bastarnen
in ihnen erkannt**. dafür spricht ihre verbindung mit den Skiren.
wir würden über diese dinge ohne zweifel klarer sehen, wenn uns
das buch des gleichzeitigen Kallatianers Demetrius oder nur mehr
daraus erhalten wäre, als die dürftige notiz, wonach er die Ba-
starnen ankömmlinge nannte. aber die Skiren sind unzweifel-
haft ein deutscher stamm von der untern Weichsel, wo Plinius
(4 8 97) sie zuerst als anwohner des flusses nennt, und das auf-
tauchen ihres namens liefert eben den beweis für die ausdehnung
der bewegung, die zuerst deutsche völker über ihre heimatliche
grenze hinaus trieb und die man nach ihnen die bastarnische
nennen kann.
Die Skiren der inschrift waren nur, wie die Harudes im
suebischen heere des Ariovist, ein aus gröfserer ferne nachrückender
volks- und heerhaufe, der sich mit den früher gegen den Pontus
und die Donau vorgedrungenen vereinigte, die der Grieche im all-
gemeinen als Galater, bald nach dem hervorragendsten volke, das
die teile der übrigen allmählich in sich aufnahm, als Bastarnen
zusammenfasste. die Galater auf der olbischen inschrift beweisen
* Niebuhr Kl. sch. 1, 384.
** Zeufs 61. 128, Duncker Origg. German. p. SOff., der Böckhs deutung auf
die Scordisker, sowie die von Adolf Schmidt (Rhein. mus. 1836) auf die Galater
von Tyle am Haemus mit recht zurückweist. dass Mommsen (Röm. gesch. 22,
271 £.) die inschrift vor Mithridates setzt, ist allerdings richtig; aber sie wird
nahezu hundert jahr früher fallen, so dass man sie nicht zur illustration der
zustände, die der könig im norden des Pontus vorgefunden habe, be-
nutzen kann.
112 DIE KIMBERN UND TEUTONEN.
dass die Griechen bei dieser benennung nur von der herschenden
ansicht von der verteilung der grolsen barbarenvölker im um-
kreise der oekumene und nicht etwa von einer bestimmten ver-
gleichung der ankömmlinge mit den Scordiskern oder sonst einem
keltischen stamme ausgegangen sind (s. 106). die ursache der be-
wegung aber kann nicht in dem preulsischen bernsteinhandel ge-
legen haben, selbst wenn ihn die Griechen, wie es erwiesener
mafsen nicht der fall war (DA. 1, 213 ff.), vom Pontus aus unter-
halten hätten; denn dann würden die Skiren von der Ostsee nicht
als nachzügler, sondern wie die Goten im zweiten und dritten
jahrhundert nach Ch. als führer am Pontus erschienen sein. die
bewegung gieng vielmehr von der oberen Weichsel aus, wo die
Bastarnen auch noch später ihren stammesgenossen nahe blieben,
und griff dann erst weiter um sich. gewis war sie nur hervorge-
rufen durch den anreiz den die südliche cultur überhaupt vom
Pontus und der Donau aus nach norden hin verbreitete.
Ungleich gewaltiger als die Bastarnen im osten sollten noch
in demselben jahrhundert, etwa noch siebzig jahre oder reichlich
zwei menschenalter später, im westen die Kimbern und Teutonen
hervorbrechen und wie ein verheerendes gewitter fast das ganze
westliche Europa von dem eingang zur griechisch-thrakischen halb-
insel an der Drau und Sau bis zum Ebro und zur untern Seine
durchtoben, dann noch die Alpen übersteigen und in die Poebene
sich ergiefsen. noch nach zwei hundert jahren zeigte man dies-
seit und jenseit des Rheins und der Donau ihre weiten lager als
zeugen der masse und menge des volkes und der gröfse der aus-
wanderung (Germ. 37). der Gigantomachie der griechischen my-
thologie ähnlich stehen die Kimbernkriege im anfange unserer
geschichte: sie sind der anfang unseres kampfes mit Gallien und
mit Rom, der seitdem ununterbrochen sich fortsetzte und dessen
dauer von dem ersten zusammentreffen der Kimbern mit einem
römischen heere in den julischen und norischen Alpen im j. 113
vor Ch. wir nun bald (1887) auf zwei jahrtausende berechnen
Können.
Das interesse der geschichtserzähler, aber auch der frager
und forscher hat sich den Kimbern und Teutonen von jeher zuge-
wandt. gleich ihr erscheinen war rätselhaft und ähnlich wie
IHRE NAMEN. 113
damals hat man noch neuerdings hin und her gestritten welchem
volke sie angehören, ob sie den Galliern oder den Germanen zu-
zuzählen seien, da sie unter beiden benennungen bei den alten
vorkommen. da jedoch das schwanken der benennung bei näherer
betrachtung bald, wie bei den Bastarnen, als ein übergang von
unvollkommener zu besserer einsicht sich darstellt und der streit
nur bei unvollkommener prüfung und kenntnis der quellen ent-
stehen konnte, so betrachten wir ihn zwar nicht ganz als abge-
tan*, doch die frage als falsch gestellt und richten vielmehr die
untersuchung darauf, endlich einmal genauer festzustellen wann
und wie der unterscheidende name für die Germanen emporge-
kommen ist. auch zu diesem zweck ist der bestand der über-
lieferung schärfer ins auge zu fassen als es bisher noch von den
geschichtschreibern und -forschern geschehen ist, und da sich da-
mit jener streit erledigt, so ist unsre nächste aufgabe gegeben.
vorher nur einige bemerkungen um das urteil über die wenigen
teutonischen und kimbrischen namen zu berichtigen oder festzu-
stellen und um gleich bei der ersten und besten gelegenheit eine
beobachtung geltend zu machen, die für die deutung und beur-
teilung aller von den Römern und den von ihnen abhängigen
Griechen und nicht blofs von ihnen allein überlieferter deutscher
namen von wichtigkeit ist.
An der deutschheit des namens der Teutonen soll noch nie-
mand gezweifelt haben** und gewis kann Teutonus oder Teuto-Onis
wie piudisk deutsch von piuda volk abgeleitet sein, da die laute
in Teutoburg und Teutomeres*** dieselbe auffassung erfahren
haben, wo der erste wortteil nichts anderes als piuda sein kann.
aber aus piudisk entwickelte sich erst seit dem neunten jahr-
hundert allmählich ein name für die Germanen des fränkischen
und deutschen reichs****, so dass von einem andern als einem
* in der hauptsache freilich den früheren gegenüber, besonders auch nach
der ethnographischen seite hin durch Duncker Origg. Germ. p. 78ff.
** Duncker Origg. 8. 90.
*** name eines Franken bei Ammian 15, 3,10, Libanius ua. 8. Valesius und
Wagners not.
**s* Zeufs 63f. Grimm Gr. 13, 12ff. Giesebrecht (Kaisergesch. 13, 763. 843 1.)
zeigte dass der name erst im elften jahrh. recht zu politischer geltung kommt
und völlig durchdringt, und aus der kanzlei- und gelehrtensprache, die dafür ge-
wirkt bat, mag noch mhd. tiutsch nhd. teutsch stammen. in der worterklärung
geht Zeufs mit der anknüpfung an (diutjan) deuten zu weit und Grimm kommt
nicht ganz ins klare. offenbar schloss sich das adj. biudisk in der entwicklung
DEUTSCHE ALTERTUMBKUNDE II. 8
114 DIE KIMBERN UND TEUTONEN.
blofs etymologischen zusammenhange beider namen nicht die rede
sein kann und der gute glaube an den deutschen ursprung von
Teutonus einer besseren stütze bedarf. wir finden ihn zuerst bei
Pytheas als gesamtnamen für die nichtkeltischen bewohner der
Nordseeküste (DA. 1, 479f. 485); auch die auswandernden Teu-
tonen treten als eine völkermasse unter mehreren königen (βασι-
λεῖς τῶν Τευτόνων Plut. Mar. 24) und selbst noch ein teil von
ihnen — τὸ μαχιμώτατον μέρος Plut. 19 — unter einem beson-
deren namen als "Außowves auf, gegen dessen deutschheit nichts
einzuwenden ist*, da er vom volke selbst als schlachtruf gebraucht
seiner bedeutung an githiuti ags. gebeöde altfr. thiothe volkssprache und an
diuten altn. byda interpretari, in die volkssprache übersetzen au und es war nicht
schlechthin popularis vulgaris, sondern dem volke verständlich, weil es nur von
der eigenen, dem volke geläufigen und deutlichen sprache in: gegensatze zu einer
fremden gebraucht wurde, so dass thiudisca liudi im grunde synonym mit
Slowene (s. 106 anm. 4)ist. das hohe alter dieser bedeutung beweist das ags.,
das adjectiv voraussetzende neutrale substantiv beödisc, das nicht wie Grimm
aao. 8. 15 meint = peöd volk, sondern vielmehr wie gebeöde sermo, lingua be-
deutet. Älfred Metr. 10, 26 pät eöv süd odde nord eordbüende on monig pi6-
disc mielum hörien = Boeth. c. 19 on manig peödisc eöv hörigen.
* die fluss- und ortsnamen Ambra, Ambriki in Niedersachsen und anders-
wo (Förstem. 2, 62f.) hebe ich absichtlich nicht hervor. nach Verrius Flaccus
wäre der volksname zu einem scheltwort geworden, Festus p. 17 Müll. ‘Am-
brones fuerunt gens quaedam gallica, qui subita inundatione maris cum
amisissent sedes suas, rapinis et praedationibus se suosque alere coeperunt:
eos et Cimbros Teutonosque C. Marius delevit. ex quo tractum est ut turpis
vitae homines ambrones dicantur.. ähnlich die gl. Placidi (Mai Coll. 3, 436)
‘Ambronem perditae improbitatis: a gente Gallorum qui cum Cimbris Teutonis-
que (statt cibris omnesque) grassantes periere’. weiter entwickelt die bedeutung
die gl. Isidori (opp. 7, 445" Arev.) ‘Ambro devorator, consumptor patrimonio-
rum, decoctor, luxuriosus, profusus’ und so erscheint das wort bei andern,
8. Ducange 8. v. an die bedeutung in der gl. Plac. schliefst sich Gildas an,
Hist. 8 16 (SanMarte 8. 144) *illi priores inimici ac quasi ambrones, lupi pro-
funda fame rabidi’ usw. Nennius Hist. $ 63 (SanMarte 8. 73) ‘non cessavit bap-
tizare omne genus ambronum (id est Aldsaxonum)’. vgl. Zeufs 151 anm. noch
weiter geht Notker Mart. Cap. 2,8 (8 116 Eyfsenh. 8. 330 Hattem.) ‘*Prodens
pudorem i. turpitudinem ambronum. irbaronde dia un&ra dero ınanezon. cibus
heizet grece brosis, dannän sint ambrones kenamot. die heizent ouh antropo-
fagi, daz chit commessores hominum, in Scithia gesezzene. sie ezzent nahtes
tes sie sih tages scamen mugen’ usw. und mit dieser bedeutung steht er nicht
allein, Adam Brem. 4,19 ‘in Ruzzia sunt etiam qui dieuntur Albani, crudelis-
simi ambrones’. wie falsch auch Notkers deutung ist, so fragt sich doch woher
das so lange übliche wort stammt und wie es zu erklären, da die herleitung
des römischen grammatikers bei der von ihm angegebenen bedeutung sehr
wenig wahrscheinlichkeit hat.
IHRE NAMEN. 115
wurde und Ambri und Ambrico auch noch in uusrer heldensage
wiederkehren, mag er immerhin gleichlautend auch bei den Kelten
(Zeufs Gr.” 147, Glück Kelt. nam. 5. 180) und selbst bei den Li-
gurern nach Plutarchs erzählung vorgekommen sein. der Teutonen-
name aber haftet nach dem vorletzten jahrhundert vor Ch. in
Deutschland an keinem volke oder volksstamm, wenn auch dJie
Römer ihn gebrauchen und zu fixieren suchen. wie Pytheas von
seinen keltischen geleitern, waren die Römer bei der ersten kunde
von den einbrechenden scharen von den Galliern abhängig. Teu-
talus Teutates Teutomatus (Zeufs Gr.” 34) sind gallische namen,
dem deutschen Teutoburg steht ein Τευτοβούργιον (Ptol. 2, 15, 4)
oder Teutiburgium (Itin. Anton. 243, 4) bei den gallischen Scor-
diskern zwischen Sau und Drau gegenüber und wie Teutoni und
Teutones* schwanken sonst nie deutsche, wohl aber gallische
namen, Santoni Santones, Turoni Turones, Caleti Caletes, Triboci
Triboces, Veliocassi Veliocasses uam. es ist daher bei weitem
das wahrscheinlichste dass Teutoni nur eine altgallische benennung
der Nordseevölker war, etwa mit derselben entwickelung der wort-
bedeutung wie slaw. tudj, lett. tauta, tautisks, litt. Tauta (s. 106
anın. 4), oder ähnlich wie τὰ syn, &3vıxoi im neuen testament, was
Ulfilas unbedenklich durch piudös übersetzt**. im deutschen müste
Teutonus piudan-s gelautet haben, dies aber bezeichnet überall
im got. altn. ags. alts. (ahd. Deotan) den fürsten, könig oder häupt-
ling, kann also schwerlich einen volksnamen abgegeben haben.
* Teutoni herscht bei den Lateinern sehr entschieden vor, bei Cicero pro
l. Manil. c,20, Caesar Be. 1,33. 40. 2, 4. 29 (7, 77 Cimbrorum Teutonumque),
CIL. 1, 290, elog. xxxıuı (vgl. xxxıı) TEVTONORVM — EX - TEVTONIS, Livius
per. 67. 68, Obseq. 44, Vellejus 2, 8. 12 (einmal gens Teutonum), Valerius
Max. 4,7, 3. 6, 1,3, Mela 3, 3, 31. 6, 54, Seneca de ir. 1, 11, 2. Epist. 94, 66?,
Lucan 6, 259 longis Teutonus armis, Plinius 4 $ 99. 26 $ 19, 37 $ 35, Tacitus
Hist. 4, 73, Frontin Strateg. 2, 2, 8. 4, 6. 7,12. 9, 1. 4, 7,5, Sueton Caes. 1],
Florus 1, 37 (3, 3) usw., dagegen Tevrovss ausschlielslich bei den Griechen.
** nach Isidor Origg. 18, 7, 7 bedeutete ‘teutonus’ in Spanien und Gallien
eine wurfkeule: ‘cateia — est genus Gallici teli ex materia quam maxime
lenta, quae iscta quidem non longe propter gravitatem evolat, sed quo per-
venit, vi nimia perfringit, quod si ab artifice mittatur, rursum redit ad eum
qui misit. huius meminit Virgilius (Aen. 7, 141) dicens “Teutonico ritu soliti
torquere cateias. unde et eos Hispani et Galli teutonos (teutonas Guelf.)
vocant. weder die keltischen noch die romanischen sprachen scheinen das
wort zu kennen.
85
116 DIE KIMBERN UND TEUTONEN.
das blofs schwachgeformte Teuto-önis könnte allesfalls den volks-
genossen, volksangehörigen bedeuten: wie aber wäre daraus inner-
halb Deutschlands ein unterscheidender name für einen stamm
oder eine völkergesellschaft geworden ?
Die Kimbern pflegt man mit den walisischen Cymry zusam-
menzustellen. allein Cymro (armor. Kenvro), im plural Cymry
würde nach allen regeln der lautlehre und grammatik im munde
der Römer Combrox, Combroges gelautet haben und der name
leute die in derselben gegend (brog) beisammen wohnen, das
gegenteil von Allobrox Allobroges d. h. die auf der andern seite
der Rhone und des Lemannus — wie ahd. Elisazon die jenseit
des Rheins — oder auch auf fremdem, ehemals ligurischem boden
angesiedelten anzeigen (Zeuls Gr.’ 206f. Glück 5. 26f.). wo bleibt
darnach noch eine ähnlichkeit mit Cimber Κίμβρος ὃ gewis ist jene
zusammenstellung ‘eins der vielen beispiele zu welchen albern-
heiten die unkunde der keltischen lautverhältnisse führt. auch
mit hilfe anderer namen lässt sich jener nicht als gallisch nach-
weisen. Cimbriana in Pannonien, wie Caesariana Floriana Variana
und andre der gegend (Itin. Anton. 202, 267, 8) durch castra
oder statio zu ergänzen, ist lateinisch und der ort entweder einer
der alten kimbrischen lagerplätze, von denen Tacitus meldet (s. 112),
oder wahrscheinlicher nach einem Römer benannt, der wie einer
der mörder Caesars und andre Cimber mit beinamen hiefs. der
grammatiker, der die Ambronen (s. 114) eine gens quaedam gal-
lica nannte und um seiner deutung willen den satz ‘qui subita
inundatione maris cum amisissent sedes suas, rapinis et praedatio-
nibus se suosque alere coeperunt’ zunächst auf sie statt, wie es
eine historische, sachgemäflse darstellung verlangt hätte, zuerst auf
die Kimbern und Teutonen anwandte, zählte ohne zweifel auch
diese mit zu den Galliern. wenn daher derselbe nach Festus p. 43
Müll. erklärte ‘Cimbri lingua gallica latrones dicuntur’, so kann
die eigne sprache des volkes, also die deutsche gemeint sein, wie
denn auch Plutarch im Marius 11 behauptet ὅτε KAtußeovs ἐπονο-
μάζουσι Γερμανοὶ τοὺς ληστάς. es kann aber, wenn dem älteren
sprachgebrauch der Römer die strengere unterscheidung der Ger-
manen und Gallier fehlte, das wort und daher auch der name
seinem ursprunge nach ebenso gut gallisch sein und Plutarch oder
ein anderer vor ihm sich durch jenen sprachgebrauch befugt er-
achtet haben in der ihm vorliegenden, der des grammatikers ganz
ähnlichen notiz die Germanen an die stelle der Gallier zu setzen.
IHRE NAMEN. 117
es fragt sich endlich ob der name die bedeutung ‘räuber’ nicht
erst als schelte erhalten hat, da dies nach den worten des gram-
matikers unter ‘Ambro’, nach Strabos p. 293 diou ληστρικοὺ
ὄντες καὶ πλάνητες οὗ Κίμβροι und Diodors 5, 32 ζηλοῦσι γὰρ ἐκ
παλαιοῦ ληστεύξεεν viel leichter möglich scheint als der übergang
von Ambro in die bedeutung eines menschen von schmählichem
lebenswandel. gegen diese vermutung und für die einfachste auf-
fassung der angabe des grammatikers sprechen jedoch altirische
glossen, die erkennen lassen dass Cimber gar wohl ‘räuber’ im
gallischen bedeutet haben kann*. ihnen haben wir auch von
deutscher seite nichts von gleichem gewicht entgegenzusetzen.
allerdings ein name von dieser bedeutung wäre im deutschen sehr
wohl möglich: ags. sceada hostis, latro bedeutet auch heros, held
und so könnte schon ahd. Scado name oder beiname (Kuhns
zs. 1, 80) gewesen sein, wie man im norden Piofr in eigennamen
— Arnpiofr Eypiofr Fridpiofr (Fas. 2, 911.) Geirpiofr Hünpiofr
Valpiofr ua. — verwendete und der volksname Dulgubnii (Grimm
GDS. 623, Haupts zs. 9, 243) am richtigsten als ‘schädiger’ wie
ags. sceadan aufgefasst wird, auch der name der Harier (Haupts
zs. 9, 247) dazu stimmt dass sie nach räuberart (GDS. 714) krieg
führten und die Charini (Plinius 4 $ 99) nach altn. hernadr
(= got. harinops oder harinodus) plünderer, verheerer sind. allein
ein wort kimbr latro findet sich in keiner germanischen sprache,
noch auch ein wortstamm der auf diese bedeutung führte. Kimbr
könnte nur, soviel wir sehen, in einem andern sinne ein deutscher
name gewesen sein. die zeugnisse der Römer aber reichen ebenso
wenig wie bei den Teutonen (s. 115) aus um zu beweisen dass er
als volks- oder stammname in Deutschland fortdauerte und üblich
war; der name des zur zeit der Kimbernzüge vermutlich geborenen
Suebenanführers Cimberius bei Caesar Be. 1, 37, ähnlich geformt
wie der gallische Lucterius (Be. 7, 5ff. Zeufs Gr.’ 779, Glück 5. 89),
beweist nur dass der volksname in Deutschland nicht unbekannt
* bei Cormac und in mehreren andern alten glossarien findet sich nemlich
ein wort ‘cfm’ oder richtiger ‘cimb’, das zuerst silber bedeuten soll, nach Cor-
mac aber von dem silber, das den ‘Fomori’ (seeräubern, Vikingen) als zins
(eis) gegeben, auf jeden zins übertragen wäre. da sich nun aufserdem ‘cimbid
vinctus, cimbith (captivus), cimbidi custodias’ findet, so vermutete WStokes
(nach einer mitteilung Ebels) in Sanor Chormaic, Calcutta 1868, 8. 39 dass
eimb vielmehr lösegeld, viel eher als tribut, bedeutet habe, und erinnerte da-
bei schon an die erklärung ‘Cimbri latrones, λῃσταί" und den namen Cimberius.
118 DIE KIMBERN UND TEUTONEN.
geblieben war. später fehlen für ihn alle spuren. so versagen
alle stützen um ihn als deutsch zu behaupten, und da es ohnehin
viel wahrscheinlicher ist dass ein gesamtname des angegebenen
sinnes den hereinbrechenden scharen von den Galliern beigelegt
wurde als den abziehenden von ihren landsleuten oder nach eigner
wahl, so müssen wir dem zeugnis des grammatikers und den iri-
schen glossen gegenüber darauf verzichten ihn als deutsch in
anspruch zu nehmen*.
Anders verhält es sich mit den namen der Teutonen- und
Kimbernfürsten. im ersten augenblick scheinen sie sämtlich gal-
lisch. teut. Teutoboduus ist vollkommen gallisch** nicht nur in
* Suidas hat dieselbe erklärung Κίμβρος, ὁ λῃστής, wohl aus Plutarch,
aber ohne weitere angaben. der versuch von Zeuls 141 sie aus dem deutschen
zu rechtfertigen schlägt fehl, da das selbst lautlich verschiedene altn. kippa
(s. Fritzner) nichts anderes ist als unser ‘kippen, kipfen’ (Dwb. 5, 784. 756).
sprachlich ganz unmöglich ist die beliebte erklärung durch ahd. kempfo mhd.
kempfe, da dies mlat. caıpio und ‘kampf’ lat. campus ist. nicht minder un-
möglich ist die durch ahd. gambar strenuus, acer ingenio et lingua (Graff
4, 207f. Zur runenlehre s. 55), woraus nur strengahd. kambar wird. eine an-
knüpfung bietet ahd. einkimpi funestus, pikimpöt, pikimbitha funus (Graff
4, 404f.), wenn dies, wie Grimm zu Andr. 4 vermutet, mit einem verlornen
verbum rısprax schmücken zusammenhängt, wovon er kamb pecten crista,
kumbal ags. cumbol heerzeichen und chumberra tribus (cumpurie im voc. SGall.
8. 199) ableitet. und alts. Cumbro (Trad. Corbej. ὃ 253. 328) ist gewis durch
cumbor, eine nebenform von cumbol im Beov. 1022, zu erklären. auch Zeufs
142 anın. denkt an jenes verbum und erinnert an die prächtigen rüstungen
und helmzeichen der Kimbern, die sie doch erst von den Galliern angenommen
hatten, s. unten. kimbr könnte jedesfalls nur einer heifsen, der sich gerne
ziert und putzt, nicht comptus. allein engl. chimb ags. cimbing commissura,
unser kimme, kimmung, altn. kimbull ein bund, die doch wohl mit kamb und
cumbol zur selben wurzel gehören, lassen eine ganz andre bedeutung ahnen,
mit der hier nichts anzufangen ist. nimmt man das Ὁ in Kimbr als blofs eu-
phonisch wie in got. timbrjan (Luc. 14, 28. 30) für timrjan und wie vielleicht
in Ambro (s. 114) nach ags. Emerca für Ambrico und nach der thüringischen
Ameraha statt Ambraha, so kommt man keinen schritt weiter. nimmt man
dagegen den nasal als eine blofse verstärkung der stammsilbe, wie etwa in
gamban, gambra tributum, wenn dies zu ‘geben’ gehört, so kommt man auf
kiban rixari (Dwb. 5, 429f. 4411.) und Kibr oder Kimbr könnte der zank-
und streitlustige sein, was allerdings ein passender name wäre. Biörn Hal-
dorsen hat isl. kimbi spötter, ein alter beiname Isl. sög. 1 (1829), 79f., kim-
bing spott, aber auch kima spotten. kimbi, kimbing könnten zu kiban (kifa)
gehören; aber wie sich kima dazu verhält, errate ich nicht.
** Zeufs Gr.? 22 und Glück s. 52f. 81f. 97. 176 über die gallischen com-
posita mit boduus und ihren unterschied von denen mit bödius (Plin. 5 $ 146
Toutobödiäci). die form ‘Teutoboduus’ ergibt sich aus dem ‘teutoduobus’ der
IHRE NAMEN. 119
seiner ersten, sondern auch in seiner zweiten hälfte. Boiorix, wie
der Kimbernkönig bei Livius (per. 67. Flor. Oros. 5, 16) und
Plutarch (Mar. 25, Boswoık), heifst auch ein Boierkönig in Italien
(Liv. 34, 46) und später ein Gallier in Autun (Rev. arch&olog. 1862.
5,110), und mit Lugius* vergleiche man die Aovyo: in Brittanien
(Ptol. 2, 3, 12), Luguvalium eben daselbst (Itin. Anton. 467, 2.
476, 6), Lugio in Pannonien, Lugetus (Steiner nr. 1484), Lugotorix
bei Caesar, Lugudunum ua., mit Claodicus, das wohl nur wie Κλοα-
dagıos bei Prokop Be. 1, 13 für Αλοδάριος, für Clodicus ver-
schrieben ist, kymr. Clotüe = Clotäcus (Glück 5. 81), mit Caesorix,
dessen anlaut keine sicherheit hat, gall. Tusoaroı Γαιζατόριξ (Zeufs
Gr.” 52) oder auch Volugesus Inoodovvov Γησορίακον Gesatia
(Glück s. 28).
allein der allzu raschen folgerung stellt sich die wahrnehmung
entgegen dass auch die andern, uns überlieferten ältesten deutschen
namen meist den durchgang durch gallischen mund verraten und
bald mehr bald weniger davon die spuren tragen, weil natürlich
Gallier für den verkehr mit den Germanen die nächsten dolmetscher
alten Florentiner hs. des Orosius 5, 16, deren lesarten hr. dr. Zangemeister in
Gotha mir gütigst mitteilte; vgl. OJahn in Halms Florus p. xx. Eutrop 5, ], der
mit Orosius (8. unten) wahrscheinlich aus derselben epitome des Livius schöpfte,
schrieb “Teutobodus’ nach Paeanius TEYTOBOAOC, wogegen ‘Teutomodus’ im
alten Gothanus des neunten jahrh. und im excerpt des Hieronymus (chron. a.
Abr. 1915) nur ein sehr alter schreibfehler ist; Teutobodus aber ist eine ver-
stümmelung wie M«goßodos bei Strabo p. 290, Mapoßovdov bei Ptolemaeus 2,
11,29 für Maroboduus, -boduum. auch bei Florus 1, 37 (3, 3) kommt man von
‘teuto uocatus’ des alten Bambergensis, wenn man die züge der buchstaben
anders verteilt, auf “Teutovoduus’ oder ‘Teutoboduus’. das B kommt noch im
Nazarianus zum vorschein, dessen ‘Teutobocus’, verglichen mit Toutobocio bei
Glück s. 65. 159, allerdings sehr wohl ein gallischer name sein könnte, in
wahrheit aber ein ähnliches verderbnis wie das im Bambergensis vorliegende
voraussetzt und dasselbe nur weniger treu und nicht ohne besserungsversuch
wiedergibt; denn man kann auf diese weise wohl die lesart des Nazar. ab-
leiten, nicht aber umgekehrt aus ihr das verderbnis. es ist daher gleichgiltig
ob ein dem -bocus entsprechendes deutsches bak oder bag sich nachweisen
lässt. ob Antabagius bei Valerius Maximus 5, 1, 3 (vgl. Grimm GDS. 536.
132f.) ein Germane, ist ungewis und Chardobachius c. 757 (Förstem. 1, 607)
wohl verderbt. noch weniger ist bök oder bög in deutschen personennamen
nachweisbar oder auch nur denkbar.
* Lucius im alten Laurentianus und im Sangall. 8866. ΙΧ, T,ugius aber
nur in der Wessobrunner (Münchner) hs. des x jhs., den hss. des Perizonius
und Havercamp, der mit recht bemerkt ‘Lugius videtur barbaro magis con-
venire quam Romanum nomen Lucius’.
120 DIE KIMBERN UND TEUTONEN.
waren und auch dem Römer selbst in der regel das gallische
eher als das deutsche geläufig war. der name Maroboduus kann
wie Teutoboduus völlig für einen gallischen gelten und als ‘der
grofswillige’ oder ‘sehr willkommene’ aufgefasst werden*; ohne
zweifel ist aber darin nur der deutsche name umgebildet, der bei
Cassiodor Var. 3, 34. 4, 12. 46 Marabadus, ahd. etwas abweichend
Meripato (Meich. nr. 659 a. 849, MB. 7, 23) lautet und ὁππο-
uaxoc bedeutet. diese umformung deutscher laute und worte
dauerte in Gallien lange fort, bis in die karlingische zeit, und
manches was man wohl für besondere eigentümlichkeit des fränki-
schen ansieht und ausgibt, ist nichts weiter als gallisch romanische
auffassung.
Mit vollem recht ward daher schon der erste teil von Teuto-
burg, Teutomeres auf piuda zurückgeführt und ebenso wird der
erste teil in Teutobeduus aufzufassen sein, der zweite aber wie
in Maroboduus, so dass Teutoboduus nichts anderes ist als ahd. Deot-
bato, “αομάχος. ebenso ist in Boiorix und Caesorix das deutsche
rik nur wie constant im ersten jahrhundert nach Ch. in Sevdogık,
Βαιτόριγος υἱὸς bei Strabo p. 292, in Cruptorix und Malorix bei Ta-
citus, durch gall. rig (rix) ersetzt und wohl erst seit dem vierten wird
es im lateinischen getreuer durch ricus wiedergegeben. der erste
teil von Boiorix ist dann der volksname Boius Boios, wie in dem
namen des Amsivariers Boiocalus bei Tacitus; Boiorix aber muss
im deutschen munde Baiarik gelautet haben, wie Boiohaemum,
Boihaemum deutsch Baiahaim, Baihaim ahd. Böheim**, und der
name ist mit Walahrih und Winidrih (Förstemann 1, 1234. 1324),
Gallier- und Wendenfürst zu vergleichen. Caesorix aber wird
Gaesorix sein und dies ergibt Gaisarik ahd. Gerrih (Zeufs 143).
ferner setzten wir Clodicus schon s. 109 mit Zeufs dem bastarnischen
* Zeufs Gr.? 857. Glück s. 53. 76ff. wegen Marabadus Haupts zs. 7, 528.
9, 224.
** Haupts zs. 9, 242f. dass οἱ im deutschen unmöglich ist, weils jeder
der etwas von deutscher grammatik gelernt hat, nur nicht hr. Förstemann
1,273. Baio, Beio — Boius ist von alts. Böjo, dem noch heute zb. in Dit-
marschen auch als vorname üblichen Boje ganz verschieden. hätte dieser name
nicht langes ö, würde er heute Baje lauten, s. einl. zum glossar des Quickborn
8 8. die quantität: des stammvocals konnte nur schwanken, wenn der name
entlehnt war. und allerdings kann man an slaw. Boj (pugna) Bojko (alts. Böiko,
ahd. Beiko), auch an Bujko (von buj validus) denken. aber gäbe es für diese
entlehnung ein analogon?
LIVIUS UND PLUTARCH. 121
Clondicus und mutmalfslichen ahd. Hludih oder Hludihho alts.
Hludico gleich, das unbedingt nach ahd. Hludio und aus dem ver-
derbten Luothecho (1. Luthecho) bei Lacomblet Niederrh. urk. nr. 169
a. 1033 gefolgert werden darf. Clod- und Chlod- wechseln in
den fränkischen namen seit dem fünften jahrhundert und C und
CH für deutsches H schon bei den Römern des ersten*. in Clo-
dicus ist nur der deutsche laut und wortstamm dem entsprechenden
gallischen angenähert, aber noch nicht ganz so viel als in Catualda
bei Tacitus — statt Chatuvalda, Hathuwald (ahd. Hadolt) — dem
gallischen Caturix ua. endlich Lugius ist nur scheinbar gallisch
und vielmehr ein deutscher volksname, der zwillingsbruder von
Rugius, als personenname wie andre volksnamen gebraucht, so
dass nun sämtliche uns überlieferte, teutonische und kimbrische
personalnamen, ganz wie schon Zeufs 143. 146 anm. erkannte,
sich hinreichend als deutsche ausweisen.
Indem wir uns nun der vorhin gestellten aufgabe zuwenden,
so lehrt ein blick auf die vorhandenen nachrichten** dass, einige
flüchtige äufserungen Ciceros abgerechnet, allein noch die wenigen
angaben Caesars über die Kimbern- und Teutonenkriege unmittel-
bar aus der lebendigen erinnerung von zeitgenossen derselben ge-
schöpft sind und daher den wert eines ersten zeugnisses haben.
alle übrigen aber liegen uns nur in auszügen und excerpten vor
und diese entfernen sich meist schon durch mehrere mittelglieder
weit von ihrer ursprünglichen quelle. die überlieferung ist so
ungleich, lückenhaft und voller widersprüche dass selbst über
einige haupttatsachen der grofsen bewegung nur schwer oder gar
nicht ins reine zu kommen ist. dennoch lässt sich die frage nach
der herkunft und abstammung der nachrichten stellen und auch
noch zur genüge beantworten.
Fast die ganze spätere lateinische überlieferung geht von Livius
aus. wie von den periochen und den excerpten des Julius Obse-
quens, steht dies fest von den berichten des Florus, Eutrop und
* Haupts zs. 9, 236. 246. wegen Catumerus 8. das. 223f. wegen des gal-
lischen Catu- Zeufs Gr.? 4. 37. 814 uö. Glück 8. 47.
** die zusammenstellung in JMüllers Bellum Cimbricum 1772 ist auch
noch jetzt für den überblick von nutzen, wenn auch die texte einer revision
nach den neueren ausgaben bedürfen. nachzutragen ist aufser dem abschnitt
des neugefundenen Granius Licinianus p. 16—19 Bonn. nur wenig.
122 LIVIUS UND PLUTARCH.
Orosius*. auch Vellejus und Granius Licinianus hatten allem an-
scheine nach keine andre quelle**. Valerius Maximus excerpierte
ihn, gleichfalls Plinius, und nur Frontin scheint unabhängig***.
auch von den Griechen hat Cassius Dio Livius ausgezogen, dagegen
* vergleicht man Eutrop 5, 1 (cod. Gothan.) “conss. M. Mallius et Q. Caepio
a Cimbris et Teutonis et Tigurinis et Ambronibus, quae erant Germanorum et
Gallorum gentes, victi sunt iuxta flumen Rhodanum’ und Orosius 5, 16 °C. Man-
lius consul et @. Caepio proconsule adversus Cimbros et Teutonas et Tigurinos
et Ambronas, Gallorum Germanorumgque gentes, qui tunc ut imperium Romanum
exstinguerent conspiraverant (coniurauerunt Laurentianus), missi provincias 510]
Rhodano flumine medio diviserunt’ usw. und beachtet daneben dass beide das
unglück des Scaurus übergehen, so scheinen beide nur einen und denselben
epitomierten Livius vor sich gehabt zu haben. ohne schaden für die folgende
untersuchung glaube ich auch nach den bemerkungen von Nitzsch (Röm. anna-
listik 8. 239) bei der herschenden ansicht von dem verhältnis des Obsequens
zu Livius bleiben zu dürfen.
** Granius erzählte von Scaurus und dem zwist des Caepio und Mallius
wesentlich ebenso wie Livius (per. 67. Dio fr. 91 Bekk.) und scheint s.18 f. die
zahl der bei Arausio gefallenen soldaten und trossknechte (per. Oros.) nur sum-
miert zu haben. über Vellejus 8. unten. — Germ.37 kommt nicht sehr in be-
tracht, da es Tacitus bei dieser übersicht nicht auf sonderliche genauigkeit
ankam. er lässt die Teutonen, Ambronen und Tiguriner unerwähnt, übergeht
die niederlage des M. Silanus, schreibt den Kimbern alle siege allein, auch den
über L. Cassius zu und führt den Aurelius Scaurus, den legaten des Mallius,
als selbständigen heerführer auf.
ἘΞ wie Valerius den Livius und Cicero geplündert, ist bekannt. das stück
von den teutonischen frauen 6, 1, ext. 3 muss aus Livius genommen sein, weil
Orosius dasselbe erzählt und Florus es nur fälschlich auf die kimbrischen
frauen überträgt. in 2, 6, 11 hat Valerius eine notiz Ciceros (Tuscul. 2, 27, 65)
zugestutzt und vielleicht aus Sallusts Historien (Plut. Sertor. 14) ergänzt. Plinius
benutzte nach dem index auctorum in zweiten buch zwischen 8 140 und 169
(oder schon 162) den Livius und $ 148 stimmt mit Obsequens 43, dann 7 $ 86
mit Florus, auch 16 $ 132 mit Obs. 43, und 33 8 150 mit Valerius 3, 6, 6, doch ohne
dass Livius unter den auctoren dieser bücher genannt würde. was Frontin
Strategem. 1. 2, 6 (4, 7, 5) meldet, ist sonst unbekannt. über 1, 5, 3 s. unten.
2, 4, 6 ist vollständiger, 2, 9, 1 (4, 1,7) ganz anders als bei Plutarch. 2,7, 12
stimmt, bis auf einen zusatz etwa von Frontins hand, mit der übrigen über-
lieferung und 1, 11, 12 (4, 1, 13) mit Valerius 1, 2, 3 (epit. Nepot.) und 5, 8, 4,
doch so dass 4, 1, 13 wegen des ‘Tridentinus saltus’ nicht wie 1, 11, 12 und
anderes (Kempf p.44. 123), namentlich in dem unechten vierten buch (Wachs-
muth im Rhein. mus. 1860 s. 578 f.) dem Valerius entlehnt sein kann. der
Pseudofrontin excerpierte auch Livius (Wachsmuth s. 582 anm.), mit dem sich
der echte nur berührt wenn er dem artikel 2, 2, 8, wo er die schlachten bei
Aquae Sextiae (Plut. Mar. 20) und bei Vercellae (Plut. 26. Flor. Oros.) in &inen
kampf adversus Cimbros ac Teutonos combiniert, unmittelbar das strategem
des Hannibal bei Cannae voraufschickt, das Livius nach Florus und Orosius
LIVIUS UND PLUTARCH. 123
Appian wohl nicht benutzt*. nur die hauptfrage bleibt, wie
sich unser ausführlichster berichterstatter, Plutarch im leben des
Marius zu ihm verhält.
Das wichtige einleitende cap. 11 lassen wir vorläufig bei seite.
Plutarch übergeht fast ganz die begebenheiten vom ersten er-
scheinen der Kimbern im j. 113 bis zum zweiten consulat des
Marius im j. 104, wo dieser den oberbefehl gegen sie erhielt, und
beginnt erst damit seine erzählung. er wiederholt aber oder epi-
tomiert nicht einfach den ihm vorliegenden bericht, sondern er-
weitert seinen auszug durch zusätze aus andern schriften und ver-
fehlt dabei in der anordnung und verbindung der tatsachen und
sonst durch mangel an aufmerksamkeit und überlegung mehrmals
auffällig die richtige darstellung.
Gleich c. 13, wo er zwei erklärungen des ausdrucks ‘maulesel
des Marius’ vorträgt, hat er, wenn nicht beide zugleich aus einer
paroemien- oder apophthegmensamlung, mindestens die zweite —
καίτοι τινὲς αἰτίαν ἑτέραν τοῦ λόγου τούτου νομίζουσι --- wohl erst
eingeschaltet und der ersten angehängt, mit der eine dritte bei
dem Pseudofrontin 4, 1, 7 und Festus p. 24 Müll. s. v. Aerumnulas
in geradem widerspruch steht, die freilich wunderlich genug den
ausdruck von einer erleichterung der bepackung, die Marius den
soldaten verschaffte, ableitet, statt wie jene von der beschwerde
des felddienstes unter ihm.
Ferner c. 15 erzählt Plutarch völlig gedankenlos dass Marius
erst nach erlangung seines vierten consulats und nachdem er eilends
wegen der annäherung der feinde über die Alpen zurückgekehrt,
ein lager an der Rhone eingerichtet und die muf[se der soldaten auf
die anlage einer neuen flussmündung, der fossae Marianae, verwendet
habe um dadurch seine verproviantierung zu sichern. dass das
grofse werk nicht angesichts des herannahenden feindes, sondern
vorher in den unkriegerischen jahren 104 und 103 ausgeführt
dem des Marius bei Vercellae verglich; unglücklicher weise aber verwechselte
Frontin dabei den wind Vultumus (Liv. 22, 43. 46) mit dem gleichnamigen
flusse!
* dass Dio seine hauptquelle für die ältere römische geschichte (Nissen
Untersuchungen 8. 309) bei der darstellung der Kimbernkriege nicht verliels,
sieht man am besten aus fr. 91, 2 Bekk., verglichen mit Florus und Orosius,
8. unten: dann auch aus dem ‚verhältnis von Granius (8. vorher) und fr. 91.
wegen fr. 90. 94, 1 s. unten. über Appian wird gleichfalls später die rede
sein. — ganz wertlos ist Polyaen 8, 10, ein blofser auszug aus Plutarch 15.
16. 21, 20 und 26. 27.
124 LIVIUS UND PLUTARCH.
wurde — tertius consulatus in apparatu belli consumptus, sagt
Vellejus 2, 12 —, versteht sich von selbst. in demselben cap.
macht Plutarch auch ohne nachdenken den Kimbern den vorwurf
der zögerung, da wenn sie sich von den Teutonen in Gallien
trennten um über die östlicheren Alpen nach Italien vorzudringen,
sie hier wegen des weiteren weges notwendig später mit Catulus
zusammentreffen musten als jene mit Marius an der Rhone.
Auch c. 17 ist der chronologische zusammenhang zerstört und
nicht beachtet. da Marius sich im jahr 102 einer syrischen wahr-
sagerin Martha bedient um die ungeduld seiner soldaten hinzu-
halten und den angriff auf die Teutonen hinauszuschieben, so er-
innert sich Plutarch dabei zuerst eines paradoxons, das er in der
vogelgeschichte des Alexanders von Myndos gefunden hatte, dann
aber lässt er das wunder folgen von zwei in der luft kämpfenden
heeren, das nach Livius (Plin. 2 ὃ 148. Obseq. 43 5. 122 anm. 3)
schon im jahre vorher unter dem dritten consulat des Marius in Italien
gesehen war, und knüpft daran endlich noch sehr unbestimmt —
περὶ τοῦτον πως τὸν χρόνον — das auftreten des priesters der
grolsen mutter von Pessinus in Rom, das von Diodor (exc. Phot.
xxxvı, 2) ziemlich abweichend erzählt wird.
Ohne anstofs list man darauf weiter bis zur vernichtung der
Teutonen und der beendigung des kampfes in Gallien. nur dass
Plutarch von dem seinigen abweichende berichte gekannt hat,
sieht man c. 21 aus der eingestreuten bemerkung dass ‘andre über
die schenkung der beute an Marius und über die menge der ge-
fallenen nicht übereinstimmten’. auch der bericht über den Kim-
bernkrieg in Italien hat nur einige zutaten und interpolationen
erfahren. c. 25 wird die überdies einiger maflsen unverständliche
notiz über eine von Marius mit der befestigung des spereisens
vorgenommene neuerung mit den worten λέγεται δ᾽ sic ἐκείνην
τὴν μάχην um so ungeschickter angeknüpft, weil erst nachher die
verabredung über die zu liefernde schlacht getroffen wird und
vorher nur von dem anrücken der Kimbern die rede ist, so dass
sich der richtige zusammenhang der erzählung erst herstellt wenn
man von der eingeschobenen notiz absieht. in dasselbe capitel
und das folgende 26 sind aufserdem noch einige sätze aus den
commentarien des Sulla eingeschoben und namentlich die zweite
einschiebung tritt in ähnlicher weise wie die notiz c. 25 aus dem
context heraus, wenn man nur zuletzt den infinitivsatz durch ein
φασί, λέγουσι oder λέγεται, womit Plutarch (14, 3. 18, 4. 19, 9.
LIVIUS UND PLUTARCH. 125
21, 5. 6. 24, 6. 26, 4. 27,4.5. 28, 2. 3) sich auf seine quellen und
gewährsmänner zu beziehen liebt, mit dem folgenden verbindet*.
die commentarien Sullas hat Plutarch selbst zur hand genommen,
dagegen muss er die apologie des Catulus schon in seiner haupt-
quelle benutzt gefunden haben, teils nach dem wortlaut seiner an-
führungen — c. 25 καὶ τὸν Κάτλον αὐτὸν ἀπολογεῖσθαι περὶ Tov-
των ἱστοροῦσι, 26 τὸν Καάτλον αὑτὸν ἱστορεῖν λέγουσι, 21 λέγου-
σεν" © καὶ μάλιστα τεχμηρίῳ χρῆσϑαε τὸν Κατλον —, teils weil
ihm nach abzug der nachrichten des Catulus gar kein zusammen-
hängender bericht würde vorgelegen haben. was aber nach abzug
der eignen zusätze Plutarchs übrig bleibt, ist wenigstens so weit
es die kriegsbegebenheiten betrifft so gleichartig und auch, abge-
sehen von den unvollkommenheiten seiner auffassung und darstel-
lung, deren sich bei näherer prüfung noch mehrere ergeben werden,
in sich so übereinstimmend und zusammenhängend, dass wir darin
wohl einen auszug aus einer und derselben quelle und den bericht
eines und desselben gewährsmannes anerkennen müssen. war nun
Livius die quelle?
Es scheint im ersten augenblick so. denn die übereinstim-
mung Plutarchs mit Livius geht sehr weit und Plutarch kannte
Livius und hat ihn wahrscheinlich auch für den Marius benutzt.
dennoch täuscht der anschein. beide haben vielmehr dieselbe
quelle ausgezogen und zwar ungleich, bald der eine bald der andre
* das excerpt aus Sullas schrift beginnt c. 26 deutlich mit γενομένης de
τῆς ἐφόδου, πρᾶγμα νεμεσητὸν παϑεῖν τὸν Μάριον ol περὶ Σύλλαν borogovos und
endet mit στερατεώτας, ἐν οἷς αὐτὸς ὃ Σύλλας τετάχϑαι φησί. der dann noch
folgende infinitivsatz συναγωνέσασϑαν δὲ τοῖς Ῥωμαίοις τὸ χαῦμα χαὶ τὸν ἥλιον
ἀντιλάμποντα τοῖς Κίμβροις mag im wesentlichen auch bei Sulla vorgekommen
sein, gehört aber ebenso entschieden der andern quelle Plutarchs an, wie das
folgende und die überlieferung aus Livius lehrt. s. unten. ganz ähnlich ist
auch der fall c. 25. denn wenn Catulus in seiner apologie ὅμοια wie Sulla
vorgebracht hatte und darin dass ihm und seinem schwächeren und schlecht
erprobten heere die stellung im centrum angewiesen ward nur bosheit des
Marius fand, so muss ein ähnlicher satz, wie der an den Sulla seine ausführung
knüpfte — περιέσχον δὲ τὸν Karlov ἐν μέσῳ νεμηϑέντες εἰς ἑχάτερον κέρας, ὡς
Σύλλας, ἠγωνισμένος ἐχείνην τὴν μάχην, γέγραγε. καί φησι τὸν άαριον κτλ. —
bei jenem vorgekommen sein. die meinung aber (Peter, Quellen des Plut.
8. 102. Hist. rom, rell. p. ccıxxrı), dass Sulla den Catulus citiert habe, ja
bei dem Kimbernkriege Plutarchs hauptgewährsmann gewesen sei, ist seltsam
verkehrt — als wenn χαὶ τὸν Καάτλον ἱστοροῦσι dasselbe subject mit φησι und
γέγραφε hätte!
126 POSIDONIUS.
mehr, Plutarch aber im ganzen vollständiger und consequenter als
Livius, der stellenweise auch den Valerius Antias (Oros. 5, 16)
heranzug und gebrauchte und dadurch zu erkennen gibt dass er
im übrigen einem andern gewährsmann folgte. und diesen zu er-
raten fällt nicht schwer, da bei der gleichmälsigen, kunstreich an-
ordnenden und geschmückten darstellungsweise und den spuren
selbst localer nachforschung, die bei Plutarch deutlich hervortreten,
an einen römischen geschichtserzähler der zeit gleich dem Antias,
an Asellio oder Claudius Quadrigarius nicht zu denken ist.
Posidonius von Apamea in Syrien, nach der stätte seiner würk-
samkeit und seines ruhmes gewöhnlich der Rhodier genannt,
schrieb eine fortsetzung des Polybius in zwei und fünfzig büchern,
so dass jedes buch ungefähr ein jahr und das ganze werk die
fünfzig jahre nach dem falle Karthagos und Korinths im j. 146
von 145 an bis zur erwerbung des zweiten afrikanischen gebiets,
der Cyrenaica, durch die Römer im j. 96 umfasste. ein zweites
werk, dessen plan, als Pompejus nach beendigung des seeräuber-
krieges und im begriffe gegen Mithridates aufzubrechen im j. 67
ibn in Rhodus besuchte, nach der erzählung Strabos p. 491 f. ohne
zweifel schon feststand und das, wie Strabo sagt, die geschichte
des Poimpejus und seiner zeit behandelte, schloss sich wahrschein-
lich als fortsetzung an das erste an, da historische fragmente des
Posidonius in die jahre 87. 86, den beginn des ersten krieges
gegen Mithridates hinaufgehen, wo Rhodus fast allein unter den
griechischen städten dem könige widerstand geleistet und den
flüchtigen Römern schutz gewährt hatte und Posidonius selbst (im
winter 87/86) als gesandter der stadt in Rom war und mit dem
sterbenden Marius verkehrte (Plut. Mar. 45). ungewis bleibt nur
ob dies werk über das j. 62, als Pompejus nach der unterwerfung
des ganzen vordern Asiens heimkehrte und den Posidonius wieder
in Rhodus besuchte, hinaus gieng und etwa bis zur erneuerung des
bündnisses der Rhodier mit Rom im j. 5l (Cic. ad famil. 12, 15),
wo Posidonius abermals dahin kam und den Pompejus noch an
der spitze des staates traf, oder gar noch weiter reichte, indem
es von neuem fünfzig jahre umfassend, mit der begründung der
alleinherschaft Caesars abschloss*.
* erst dem glücklichen scharfsinne KMüllers verdanken wir es dass wir
die schriftstellerische tätigkeit des Posidonius auf dem historischen gebiet
einiger malsen übersehen. aber seine folgerung aus Plut. Brut. 1 (FHG. 3, 251),
dass sie noch über den tod Caesars (a. 44) hinausreichte, hält nicht stich, da
POSIDONIUS. 127
schon als schüler, dann nachfolger des Panaetius an der schule
zu Rhodus und als rhodischem staatsmanne, der zur höchsten
ehrenstelle der stadt emporstieg (Strabo p. 316. 655), konnte es
dem Posidonius an verbindungen mit vornehmen und einflussreichen
Römern nicht fehlen. von Q. Metellus Numidicus, dem alten
gönner und späterem gegner des Marius, wissen wir dass er sein
kurzes exil (100/99) im umgange mit philosophen auf Rhodus
verlebte (Plut. Mar. 29. Liv. per. 69), und auch der geschicht-
schreiber Rutilius Rufus, der mitconsul des Mallius in dem ver-
hängnisvollen jahre 105 und gleichfalls ein freund des Marius, ınuss
entweder im anfang seiner verbannung (a. 93), während der er
im j. 88 in Mytilene (Cic. pro Rabir. 10, 27), zehn jahre später als
stadtbürger in Smyrna lebte (Cic. Brut. 22, 85. de republ. 1, 8.
pro Balb. 11, 28), zuerst als alter schüler des Panaetius Rhodus
aufgesucht oder aber Posidonius schon früher in Rom mit ihm
längere zeit verkehrt haben (Cic. de off. 3, 2, 10). ohne solche
verbindungen und ohne die unterstützung und mächtige förderung
von seiten römischer staatsmänner wäre ihm die fortsetzung des
Polybius unmöglich gewesen und kann er auch seine reisen,
auf denen er nach dem beispiele seines vorgängers die schauplätze
der begebenheiten seines zeitraums besuchte und eine menge geo-
graphisches und ethnographisches material saınmelte und daneben
noch physikalische und astronomische beobachtungen anstellte,
nicht ausgeführt haben.
die fabel von der abstammung der Junii Bruti von dem ersten consul ohne
zweifel älter ist als Caesars mörder; nach Mommsen wäre selbst der princeps
consulatus nur erfunden um stammvater der plebeischen Junii Bruti zu spielen,
die schon im fünften jh. der stadt zum consulat gelangten. allein wenn Strabo
p. 568 den a, 44 als neunzigjährig verstorbenen P. Servilius Isauricus noch
gesehen, den Posidonius aber noch persönlich gekannt hat (Athen. p. 657,
vgl. Strabo p. 753), so muss dieser allerdings gegen a. 40 gelebt haben und
da er als vier und achtzigjähriger starb, um 125 geboren sein. dass er
nach 51 in Rom gelebt habe, wie man angenommen hat, ist gewis falsch, da
Cicero, der seines verhältnisses zu ihm so gerne gedenkt (de fin. 1, 2, 6. de
nat. deor. 1,3, 6. de fato 3 usw.) weder in seinen briefen noch sonst von seiner
anwesenheit weils. ‘sphaeram hanc quam nuper familiaris noster effecit Posi-
donius’ kann Cicero schon a. 78 in Rhodus gesehen haben und nicht erst kurz
vorher ehe er im j. 44 de nat. deor. 2, 34, 88 schrieb. in den wenig älteren
Tuscul. disp. 2, 25, 61 spricht er vom ‘Posidonius noster’ wie von einem ab-
wesenden, ‘quem et ipse saepe vidi, et id dicam quod solebat narrare Pom-
pejus’ usw. die fortschreitende quellenkritik, namentlich des Appian und des
Diodor, muss über das zweite werk des Posidonius einmal näheres ergeben.
128 POSIDONIUS.
er kam auf denselben, schon vor seiner gesandtschaft vom
j. 87, wenigstens zweimal, wenn nicht dreimal nach Rom oder
Italien. er kannte Sicilien (Plut. Marcell. 19. 30, Strabo p. 266.
269. 273) wie es scheint vollständig; ob auch Illyrien (p. 316)
und Dalmatien (Athen. p. 369), den schauplatz der siege des
L. Metellus Dalmaticus (a. 119—117), ist ungewis; über den Ti-
mavus am äufsersten Adria berichtete er falsches, wenn Strabo
p. 215 seine meinung vollständig und getreu wiedergibt. aber er
war in Massalia (p. 165), an der Rhonemündung (p. 182 f.), bei
den Ligurern und im Keltenlande (p. 198) und reiste, vermutlich
an der iberischen küste entlang (p. 175. 157), nach Gades, wo er
ganze dreifsig tage verweilte (p. 138. 172 fl.) und von wo aus
er das heilige vorgebirge im äulsersten westen (p. 119. vgl. 153)
und die Baetislandschaft bis Iipa (p. 174 f.) und wahrscheinlich
weiter bis zu den silbergruben besuchte, mit der bestimmung
geographischer breiten, untersuchungen über ebbe und flut und
den manigfaltigsten andern beobachtungen beschäftigt. nach dem
bilde das er von Iberien und den Iberiern entwarf (s. unten exc.)
kann es nicht zweifelhaft sein dass er vor der zeit des Sertorius
(a. 83—72) dort gewesen ist. von vornherein ist anzunehmen
dass Posidonius mindestens um den zeitpunkt (a. 96) bis zu dem
er sein werk zu führen dachte für dasselbe zu sammeln und zu
arbeiten angefangen hat, und damit steht nur in übereinstimmung
dass die von ihm in Gades gesammelten nachrichten über die ver-
suche des Eudoxus von Kyzikos zur umschiffung Libyens seine an-
wesenheit über das j. 90 hinabzurücken nicht wohl erlauben*.
* nach Strabo p. 981. kam Eudoxus nach Aegypten und machte seine
erste fahrt unter Euergetes II (146— 117), eine zweite reise unter der
regierung der Kleopatra, seiner witwe und kehrte von dieser zurück οὐχέει
τῆς Κλεοπάτρας ἡγουμένης alla τοῦ παιδός. da sie 117 gleich ihren ältesten
sohn Ptolemaeus Soter II wider ihren willen zum mitregenten annehmen
muste und ihn nach zehn jahren (107) verjagte und ihren zweiten sohn
Alexander I einsetzte, der in den urkunden auch vor seiner mutter genannt
wird (Lepsius in den Abhandlungen der Berliner academie 1852 8. 412 ἴ. 504 f.),
so wird ohne zweifel erst dieser gemeint sein. Eudoxus kehrt darauf nach
Kyzikos heim, bringt alle seine habe zu schiffe und betreibt in Dikaearchia
(Puteoli), Massalia und sonst an der küste bis Gades seinen plan der um-
schiffung Libyens, baut in Gades ein schiff und ein paar barken, segelt aus,
hat unglück, kommt zum Bogos nach Mauretanien und sucht ihn für seinen
plan zu gewinnen, muss ins römische Afrika entfliehen, baut wieder in Gades
ein paar schiffe und segelt damit aus, mit der absicht, den winter für aussast
und ernte zu benutzen. ‘bis so weit’ sagt dann Posidonius ‘reicht meine
POSIDONIUS. 129
von Gades kehrte er zurück nach Italien und die rückfahrt
(ἀνάπλους) währte drei monate, da widrige winde ihn bei den
Gymnesischen inseln, Sardo und an der gegenüber liegenden liby-
schen küste umhertrieben.
als edler character und fein gebildeter mann geliebt und ge-
achtet, ein ernster, redlicher forscher und denker und ein meister
der rede und kunstvoller, glänzender darstellung, nach allen seiten
hin in stätiger, gemessener tätigkeit, staatsmann und lehrer, theo-
retischer und practischer philosoph, besonders freilich mit den
fragen der naturlehre und kosmologie beschäftigt, mathematiker
und astronom, geograph und historiker, der einzige vielleicht der
zugleich über den stil und über tactik geschrieben hat, war Po-
sidonius unstreitig der erste und bedeutendste schriftsteller seiner
zeit und auch als solcher von den besten seiner zeitgenossen an-
erkannt. sein geschichtswerk konnte Livius um so weniger über- -
sehen, weil es sich als fortsetzung an den Polybius anschloss, den
er gründlich ausgenutzt hatte. die vermutung spricht von vorn-
herein dafür dass Livius dasselbe auch mit Posidonius getan hat,
und sie lässt sich schon durch beweise unterstützen. es ist bereits
bemerkt* dass Livius (per. 56) den ausbruch des sicilischen
sklavenkrieges ebenso wie Diodor (xxxır) unter dem j. 134 er-
zählte, und erwiesen durch Athenaeus p. 542 dass Diodor hier
wie sonst den Posidonius beinahe wörtlich ausschrieb**. nicht
minder ist es ausgemacht (DA. 1, 462. 467) dass Livius die unter-
werfung der Balearen durch Q. Metellus (Baliaricus) im j. 123
nach Posidonius berichtete. Plutarch aber geht im leben des
Marius c. 1 von einer bemerkung desselben aus und auch was er
c. 2 von der geringschätzung griechischer bildung durch Marius
erzählt, ist sichtbar einem griechischen schriftsteller und zwar,
kenntnis der geschichte des Eudoxus; was nachher geschehen, wissen vermut-
lich die in Gadeira und Iberien’. Eudoxus war also noch nicht zurückgekehrt,
als Posidonius in Gades war, und dieser hatte auch später, als er schrieb,
nichts weiter über ihn erfahren. nun mögen über die vorbereitungen der
reise und die abenteuer des Eudoxus zehn oder auch fünfzehn jahre ver-
gangen sein; viel länger aber wird man die frist dafür nicht ausdehnen dürfen
und man kommt daher mit der anwesenheit des Posidonius in Gades nicht
über das j. 90 hinaus.
* KMüller FHG. 3, 251".
** <Diodorum inde ab an. 146 Posidonium maxime secutum esse dubitari
nequit. KMüller zu fr. 5 (Posidon. lib. III); vgl. zu fr. 1 (lib. IV) 10 (Ὁ.
V) 12—14 (lib. VO). 15 (lib. VIII) usw.
DRUTSCHE ALTERTUMSKUNDE II. 9
180 DER TEUTONENKRIEG.
je mehr die geistreiche verweisung auf die aussprüche anderer,
hier die mahnung des Plato an den Xenokrates den grazien zu
opfern, in der art des Posidonius ist, um so gewisser nur diesem
entlehnt. demselben und ohne zweifel seinem zweiten, jüngeren
geschichtswerke entnahm er eingestandener mafsen auch die so
beredte und mit einem griechischen verse geschmückte schilderung
der gemütsverfassung und erkrankung des Marius in seinen letzten
tagen, im vorletzten cap. 45. so begreift man schon dass Plu-
tarch, auch wenn er den Livius zur hand hatte und dieser bei
dem Teutonen- und Kimbernkriege dem Posidonius folgte, ihn
doch seinem eigenen berichte nicht zu grunde legte, sondern un-
mittelbar auf Posidonius zurückgieng und jenen nur etwa nebenher
einsah. gerade die bei Plutarch noch hervortretenden stilistischen
und andern merkmale weisen aufs entschiedenste auf Posidonius,
und selbst wenn jedes andre anzeichen und zeugnis fehlte, müste
man doch auf ihn und keinen andern kommen, sobald sich zeigt
dass Livius und Plutarch beide nur ungleich dieselbe quelle aus-
gezogen haben.
Nach dem triumph über Jugurtha soll Marius, seis absicht-
lich, seis unabsichtlich, gegen das herkommen noch im triumphal-
kleide vor dem senat erschienen sein. so erzählen Plutarch 12
und Livius per. 67 übereinstimmend. wie viel daran wahr oder
nur boshaftes gerede der optimaten ist, lässt sich nicht entscheiden.
wir wissen dass derselbe schmuck dem Marius einmal als beson-
dere auszeichnung ausdrücklich zuerkannt ist, aber wahrscheinlich
erst nach dem siege über die Teutonen und Kimbern* gleich
abgünstig schildert Plutarch zu ende des c. 14 wie Marius sein
viertes consulat erlangte, und wiederum stimmt Livius per. 67
‘quartum consulatum dissimulanter captans consecutus est’. Po-
sidonius, dessen hauptgewährsmänner optimaten waren, kann beides
berichtet haben; aber da Livius bei vorgängen in Rom gerne auf
* die inschrift von Arezzo (CIL. 1, 290), nachdem sie zuletzt die stiftung
eines tempels aus der kimbrischen und teutonischen beute erwähnt, bricht ab
mit VESTE - TRIVMPHALI + CALCEIS »- PATRICIS +» und Mommsen ergänzt nach Li-
vius und Plutarch “in senatum venit’, übersieht aber dabei dass diese das
factum nach dem ersten triumph über Jugurtha setzen. es ist daher die ver-
mutung des Gorius wohl wahrscheinlicher, dass dem Marius nur dieselbe ehre
wie dem Aemilius Paulus und Cn. Pompejus zuerkannt sei, im triumphalhabit
bei den circensischen spielen zu erscheinen.
DER TEUTONENKRIEG. 131
römische quellen zurückgieng*, so mag er in beiden fällen die
quelle Plutarchs abgegeben haben. aus der benutzung zweier
auctoren neben einander würde sich die fehlerhafte anknüpfung
(s. 123) der nachricht über die einrichtung des lagers an der Rhone
bei Plutarch 15 am ersten erklären. ist hier eine naht und die
letzte hälfte von 14 aus Livius, die von 13 (s. 123) anderswoher
entlehnt, so ergeben die ersten teile von 13. 14. 15 die überreste
einer zusammenhängenden schilderung der mafsregeln, durch die
Marius während der jahre 104 und 103, vom feinde unbelästigt,
für die ausbildung, verpflegung und beschäftigung der soldaten
sorgte**, und diese war allem anscheine nach unabhängig von Li-
vius, da Valerius Maximus 6, 1, 12 den soldaten, an dem Marius
ein so grolsherziges beispiel seiner gerechtigkeit gab, C. Plotius,
Plutarch aber c. 14 Trebonius nennt**.
Beim beginne des krieges gehen dann Livius und Plutarch
aus einander. nach Florus und ÖOrosius wäre damals die ganze
menge der barbaren vor dem lager des Marius erschienen und
hätte erst dann nach einer vergeblichen belagerung sich in drei
haufen geteilt, so dass — Örosius verwirrt die namen und ist
auch sonst unvollständiger als Florus — die Teutonen und Am-
bronen durch die Ligurer über die Seealpen, die Kimbern über
die tridentinischen, die Tiguriner noch östlicher über die nori-
schen Alpen nach Italien vordringen sollten. Plutarch 15 über-
geht die Tiguriner, spricht daher nur von einer zwiefachen tei-
lung, lässt aber fälschlich und im widerspruch mit seiner eignen
darstellung (c. 23) die Kimbern durch die Noriker ziehen und die
Teutonen und Ambronen allein und erst nach der teilung den
Marius angreifen. und hiemit stimmt die perioche 68, so dass
Florus und Orosius beide den Livius falsch aufgefasst haben und
* Nissen Untersuchungen 8. 20.
** Plutarch und die epitomatoren des Livius schweigen über die dem
Marius erteilte vollmacht dx τῶν πέραν Salarıns ἐϑνῶν μεταπέμπεσϑαι συμμα-
χίαν und seine verhandlungen darüber mit Nikomedes von Bithynien, von
denen Diodor xxxvı p. 531 Phot. aus Posidonius weils. schon Mutilius Rufus
ergriff a. 105 aufserordentliche mafsregeln zur herstellung und ausbildung des
heeres, Granius p. 21 Bonn. Frontin 4, 1, 12. Valer. Max. 2, 3, 2. die treue der
gallischen und ligurischen bundesgenossen war anfangs zweifelhaft (Frontin
1, 2, 6); später kämpften die Ligurer wacker mit, Plut. 19.
ἘΦ P, Trebonius sive Arruntius heifst er im schol. Bobbiens. (p. 279 Orell.)
zur Miloniana 4, 9, wo Cicero keine namen nennt, Aruntius bei Quintilian. 8.
Kempf zu Valerius. ge
132 DER TEUTONENKRIEG.
in denselben irrtum verfallen sind. was aber Plutarchs zweiteilung
betrifft, so ist ein rechter widerspruch mit Livius nicht vorhanden,
da die Kimbern und Tiguriner den grösten teil des weges auf
der nordseite des gebirges gemeinschaftlich zu machen hatten und
die Tiguriner gar nicht nach Italien gelangten.
Mit Plutarch 16 vergleiche man Florus ‘non ausus congredi
statim militem tenuit in castris, donec invicta illa rabies et im-
petus, quem pro virtute barbari habent, consenesceret’, und be-
achte bei jenem die wohlgesetzte rede der soldaten, die schwer-
lich für das product eines römischen annalisten angesehen werden
kann. die einschliefsung des Marius dauerte nach Plutarch jedes-
falls länger als drei tage und Örosius spricht, übermäfsig ab-
kürzend, nur von den letzten sturmversuchen wenn er sagt ‘con-
tinuo triduo circa Romanorum castra pugnarunt, si quo pacto eos
excuterent vallo atque in aequor effunderent’. auch Livius han-
delte wie Plutarch 17 von der Syrerin Martha, aber wie es scheint
so dass er dem Valerius Maximus (exc. Nepot. 1, 2, 3 = Frontin
1, 11, 12) nur ein exemplum simulatae religionis lieferte, während
nach Plutarch viel darüber gestritten wurde ob Marius würklich
aus überzeugung oder aus verstellung und im einverständnisse mit
dem weibe sie zur schau stellte. ohne zweifel aber hat Plutarch
das wunder von den in der luft kämpfenden heeren (s. 124) erst
aus Livius nachgetragen, da er es nebst ‘vielen andern vorzeichen
von gewöhnlichem character’, die er übergieng aber Obsequens 43
getreulich berichtete, nur bei einem in die römische stadtchronik
eingeweihten oder unfern stehenden schriftsteller gefunden haben
kann. aus Livius stammt dann auch wohl die geschichte des Ba-
takus aus Pessinunt (s. 124) und die abweichende erzählung Dio-
dors vielmehr — nach s. 129 — aus Posidonius.
Nachdrücklicher als Plutarch 18 (vgl. 16, 4) es tut hob Li-
vius den sturm und die angriffe der barbaren auf das lager her-
vor, nach Orosius (s. 131) und per. 68 ‘Marius —summa vi oppugnata
a Teutonis et Ambronibus castra defendit’. ihren mutwilligen zu-
ruf beim abzuge — ἐπορεύοντο δ᾽ ἐγγύς, πυνθανόμενοι τῶν "Pe-
μαίων μετὰ γέλωτος εἴ τι πρὸς τὰς γυναῖκας ἐπιστέλλοιεν — wieder-
holt wörtlich Florus ‘recessere igitur increpantes et — consulentes
si quid ad uxores suas mandarent’. über den marsch des Marius
schweigt Orosius und berichten Plutarch und Florus abweichend,
jener dass Marius den barbaren immer auf dem fulse gefolgt sei
bis Aquae Sextiae, dieser ‘mira statim velocitate occupatis com-
DER TEUTONENKRIEG. 133
pendiis praevenit hostem’. die wahrheit mag in der mitte liegen,
weil beide unvollständig ihre quelle auszogen: da Marius bei Va-
lencia an der einmündung der Isere in die Rhone (Oros.) die
feinde erwartet und sein lager errichtet hatte, so mag er zuletzt
durch einen flankenmarsch ihnen das tal der Durance versperrt
und sie dann bei Aquae Sextiae gefasst haben. nach Plutarch
soll er hier einen wasserarmen lagerplatz mit absicht gewählt
haben, βουλόμενος ὡς φασι (8. 125) καὶ τούτῳ παροξῦναι τοὺς
στρατιώτας; nach Frontin 2, 7, 12 war blofs die ‘imprudentia me-
tatorum’ daran schuld und Marius hätte sich des umstandes nur
zur anfeuerung der soldaten bedient; nach Florus aber wäre es
zweifelhaft ‘consultone id egerit imperator an errorem in con-
silium verterit’, so dass Florus das ursprüngliche erhalten und
Plutarch für die eine, Frontin für die andre meinung sich ent-
schieden haben könnte. da jedoch nach Plutarch 19 das erste
treffen χατὰ τύχην μᾶλλον ἢ γνώμῃ τοῦ στρατηγοῦ herbeigeführt
wurde, so ist bei Florus eher eine übertragung und confusion an-
zunehmen. den ausspruch des Marius hat augenscheinlich Plutarch
am getreuesten bewahrt: δείξας τῇ χειρὶ norauov — ἐκεῖϑεν αὐτοῖς
ἔφησεν εἶναι πότον ὥνεον αἵματος, woran sich bei ihm noch
die frage der soldaten “εἰ οὖν οὐχ εὐθὺς ἡμᾶς ἄγεις ἔπ᾽ αὐὔτους,
δως ὑγρὸν τὸ αἷμα öxousv’ und der befehl des Marius zuvor das
lager zu befestigen, anschliefst; wogegen man bei Orosius nur list
'aquam quidem in conspectu esse respondit, sed eam ferro vindi-
candam’, bei Florus 'dagitante aquam exercitu ‘si viri estis’ inquit
‘en illic habetis’, bei Frontin ‘— aqua, flagitantibus eam suis
“illine’ inquit ‘petenda est’. der flüchtige Florus weils sogar nur
von diesem einen treffen am flusse. Orosius hingegen erzählt da-
von im wesentlichen ebenso wie Plutarch 19, nur viel kürzer und,
unvollständiger, ‘primis itaque calonibus cum clamore in pugnam
ruentibus subsecutus exercitus; mox iusto certamine compositis
ordinibus bellum gestum et vicere Romani’, und er lässt dann am
vierten tage, statt wie Plutarch 20 am dritten, die hauptschlacht
folgen in der die Teutonen vernichtet werden. doch schweigt
auch er über die bei Plutarch 20 so anschaulich beschriebene,
grauenvolle nacht, die Marius voll angst in dem unbefestigten
lager zubringt, während vom lager der feinde das wildeste jammer-
geheul und wutgeschrei herübertönt.
In der beschreibung der hauptschlacht aber gehen beide zeugen,
Orosius und Plutarch vollständig aus einander. nach Orosius
134 DER ΤΕΟΤΟΝΕΝΚΕΙΕΟ.
‘productae utrimque in campum acies usque ad meridiem pari
pugnavere discrimine; post, ubi incalescente sole fluxa Gallorum
corpora in modum nivis distabuerunt, usque in noctem caedes
potius quam pugna protracta est’. nach Plutarch 20. 21 — und
seine darstellung wird unterstützt und ergänzt durch Frontin 2,
4, 6 — hatte Marius schon am tage oder in der nacht vorher
den Claudius Marcellus mit 3000 schwerbewaffneten (und einiger
reiterei) auf die waldigen höhen im rücken der feinde gesandt.
er selbst stellte seine soldaten am morgen auf der anhöhe, auf
der sein lager stand, unmittelbar. vor dem graben auf (vgl.
Frontin 2, 2, 8, oben 5. 122 anm. 3) und liels sie hier die annäherung
der feinde bis auf sperwurfweite erwarten, dann sich auf sie stürzen
und sie in die ebene hinabdrängen, wo dann Marcellus ihnen in
den rücken fiel und die schlacht entschied. beide darstellungen
haben nichts mit einander gemein. man könnte sie allesfalls ver-
einigen* oder bei Orosius an eine übertragung von der Kimbern-
schlacht denken. aber auch die zahlen der getöteten und ge-
fangenen stimmen nicht. nach Plutarch οὗ ἹΡωμαῖοι — ὑπὲρ δέκα
μυριάδας ἢ ζῶντας εἷλον ἢ κατέβαλον; nach ÖOrosius ‘ducenta
milia armatorum in eo bello interfecta sunt, octoginta milia capta,
vix tria fugisse referuntur’, und mit Orosius stimmt die übrige
livische überlieferung**. man wende nicht ein dass sie von den
gefallenen und gefangenen beider kämpfe spreche, Plutarch da-
gegen nur von der hauptschlacht; die verschiedenheit in der
zahlenangabe besteht dennoch, und da nun unmittelbar vorher bei
der letzten von ihm beschriebenen schlacht, der niederlage der
Römer bei Arausio, Orosius noch für ähnliche aufserordentliche
zahlen ausdrücklich den Antias citiert — ‘Antias scribit’, womit
man hier sein ‘referuntur’ und das ‘traduntur’ der perioche ver-
gleiche — , so kommt man notwendig zu dem resultat, dass Li-
* wie Mommsen Röm. gesch. 23, 182 es tut. — dieselbe list mit den tross-
knechten und zugtieren, die Frontin dem Marius zuschreibt, soll übrigens auch
schon der dictator Sulpicius Peticus im j. 358 gegen die Gallier angewandt
haben, Livius 7, 14.
** nur ist in der per. 68 eine X hinzugekommen oder bei Orosius und Eutrop
verloren gegangen. per. ‘caesa traduntur hostium cc, capta xc. Eutrop
5, 1 ‘duobus proeliis cc milis hostium cecidit, ıxxx milia cepit’. bei Vellejus
2, 12 scheinen die zahlen erst addiert, dann in summa verderbt oder ermälsigt
zu sein: ‘circa Aquas Sextias cum Teutonis conflixit, amplius centum quinqua-
ginta milia hostium priore ac postero die ab eo trucidati gensque excisa
Teutonum’”. vgl. unten Vellejus über die Kimbernschlacht.
DER TEUTONENKRIEG. 135
vius bei der beschreibung der hauptschlacht seine bis dahin ‚von
ihm und Plutarch gemeinschaftlich benutzte quelle verlassen und
dem römischen annalisten sich angeschlossen hat, was sich auch
noch weiter bestätigt.
Plutarch übergeht zunächst einiges was Livius hier erzählte.
er erwähnt erst später gelegentlich c. 24 dass die könige der
Teutonen von den Sequanern, also am Jura, auf der flucht nach
Deutschland gefangen seien, wonach bei Florus die gefangenneh-
mung des riesigen Teutoboduus 'proximo in saltu’ zu berichtigen
ist, während des Orosius ‘dux quoque eorum Teutoboduus occisus
est’ schon durch den ihm-(s. 122) nächst stehenden Eutrop ‘cepit
et ducem eorum Teutoboduum’ widerlegt wird. vollständig über-
gieng Plutarch die rührende bitte der teutonischen frauen um
heilighaltung und schonung, und dass sie abgewiesen damit in der
nächsten nacht sich und ihren kindern den tod gegeben hätten,
wie Livius (8.122 anm.3) berichtete*. aber er erzählte dass die ganze
beute an zelten, wagen, schätzen dem Marius von den soldaten
zuerkannt sei, dass jedoch in diesem punkte sowie in der menge
der gefallenen die berichte aus einander giengen (s. 124); was um
so glaublicher ist, da die kriegsbeute keineswegs von rechts-
wegen dem römischen soldaten zufiel und man nicht einsieht wie
er in diesem falle darüber beschliefsen und verfügen konnte. wenn
Plutarch den Livius c. 17. 14. 12 benutzte, so wird er auch hier
ihn im sinne haben, und Livius scheint sogar verschiedene berichte
zusammengestellt und namentlich einen hervorgehoben zu haben
in dem es hiels dass nur wenige gefangene gemacht seien und
dass Marius, um die soldaten darüber zu trösten und zugleich zu
belohnen, ihnen die ganze beute für spottpreise abgegeben habe,
damit er ihnen nichts umsonst zu Schenken schiene. anders lässt
sich ein merkwürdiges excerpt aus Dio** kaum auffassen. dasselbe
* mit Plutarchs schilderung der nacht nach dem ersten treffen am flusse
c. 20 völlig unvereinbar, gehört auch Frontin 2, 9, 1 vielleicht zum nachspiel
der hauptschlacht: C. Marius, vietis proelio Teutonis, reliquias eorum, quia nox
eircumvenerat, circumsedens sublatis subinde clamoribus per paucos suorum
territavit insomnemque hostem detinuit, ex eo adsecutus ut postero die in-
requietum facilius debellaret.
*® fr. 94, 1 Bekker ὅτε τῶν βαρβάρων ἡττημένων, χαὶ συχνῶν ἐν τῇ μάχῃ
πεσόντων, ὀλίγοι διεσώϑησαν, ἐφ᾽ ᾧπερ 6 Mapsos τούτους (l. τοὺς στρατιώτας)
παραμυϑούμενός τε ἅμα χαὶ ἀμειβόμενος, πᾶσαν αὐτοῖς τὴν λείαν ἱπευσωνίσας
ἀπέδοτο, ὅπως μηδὲν δόξῃ προῖχα χεχαρίσϑαι. χαὶ an’ αὐτῶν ὃ Μάριος, χαὐπερ
ἐν τῷ πλήϑει μόνῳ πρότερον, ὅτι ἐξ αὐτοῦ γεγονὼς ἦν χαὶ ὅτι ὑπ᾽ αὐτοῦ ηὔξητο,
186 DER TEUTONENKRIEG.
aber, mit per. 68 ‘Marius absens quintum consul creatus est’ zu-
sammengehalten, lässt aufserdem schliefsen dass Livius nach der
schlacht bei Aquae Sextiae nur kurz meldete dass in folge der-
selben die wahl des Marius mit grofser einhelligkeit des volkes
und der nobilität zu stande kam. bei Plutarch dagegen folgen
c. 21. 22 noch einige sätze und eine schilderung, die mehr als
andre den Posidonius erkennen lassen, und zwar so vollständig
und so von allen seiten wie man es nicht leicht wieder irgendwo
beisammen findet.
Von Massalia aus hatte Posidonius auch das nahe gelegene
schlachtfeld besucht: die Klarste localanschauung liegt der schlacht-
beschreibung Plutarchs 18—21 zu grunde. er übersah das ganze
terrain, wo auf der einen seite auf der höhe des Marius lager
stand, mit abschüssigem und unebenem abhang davor c. 20, dann
die ebene mit warmen quellen (c. 19) und dem flusse (Arc) folgte,
jenseit der lagerplatz der barbaren und rings herum waldige
schluchten und berge (c. 20) lagen. dazu kommt nun noch ein
neues datum für seine anwesenheit an ort und stelle in der
zweiten hälfte von c. 21, dass die Massalioten mit den gebeinen
der gefallenen ihre weinberge umzäunt hätten und dass von den
leichen der boden so gedüngt sei, dass er, da zumal nun im winter
viel regen gefallen, eine erstaunliche menge frucht getragen hätte,
zur bestätigung des ausspruches des Archilochos, durch dergleichen
würden die äcker fett*. hier aber verrät die manier, dichterworte
εὖ φερόμενος, τότε χαὶ τοὺς εὐπατρίδας ὕφ' ὧν ἐμισεῖτο ἐξενίχησεν, ὥστε πρὸς
πάντων ὁμοίως καὶ ἐπαινεῖσϑαι. τήν τε ἀρχὴν χαὶ ἐς τὸ ἐπιὸν ἔτος, ὅπως καὶ
τὰ λοιπὰ προςχατεργάσηται, παρ᾽ ἐχόντων χαὶ δμογνωμονούντων αὐτῶν
ἔλαβεν. der erste satz für sich genommen stimmt mit Orosius, der zweite aber,
wenn der excerpent nichts übersprang, etwa den tod der weiber oder dgl., und
das folgende sich nicht blofs auf eine abteilung des marianischen heeres be-
zieht, setzt voraus dass nur sehr wenige gefangene gemacht wurden. die her-
vorgehobenen worte des letzten satzes beweisen dass die wahl zum quintum
consul gemeint ist und dass des excerpts inhalt dem j. 102 angehört. Vellejus
— ‘sextus consulatus veluti praemium ei meritorum datus’ — scheint das sechste
mit dem fünften consulat zu verwechseln oder blofs seinem gutdünken zu folgen.
* was Fauris de Saint-Vincens in Gails Philologue ou recherches 1
(1817), 332. 334 f. behauptete dass das dorf Meirargues im nordosten von Aix
im χα jh. als campus de Marianicis, im xv als locus de Meiranicis vorkomme,
ein tal bei Aix urkundlich vallis Mariana, das dorf Meiruy (Mereuil) lateinisch
Mariolum heifse, kann ich weder bestätigen noch widerlegen. aber dass “une
charte souscrite ἃ Marseille le jour des ides de juin de la deuxieme annee du
rögne de Conrad, copiee dans le cartulaire de St.-Victor’, über die vergabung
DER KIMBERNKRIEG. 137
und andre gute aussprüche (s. 130) anzuführen, durch zahlreiche
beispiele in den fragmenten (13. 28. 40. 41. 68. 74. 89. 91. 101)
belegt, fast ebenso sehr den Posidonius als die bekanntschaft mit
den Massalioten; die annahme, dass die gottheit durch starke
regengüsse nach groflsen schlachten die erde wieder heiligen und
rein waschen wolle, zeugt dann von seinem frommen sinn und der
versuch die angenommene tatsache physikalisch zu erklären für
die richtung seiner naturwissenschaftlichen studien und specula-
tionen. die siegesfeier aber in c. 22, wo Marius angetan mit der
praetextata, umgeben von seinem in waffen strahlenden und fest-
lich bekränzten heere, sich eben anschickt mit der brennenden
fackel den grofsen, aus beutestücken hergerichteten scheiterhaufen
als opfer anzuzünden, als boten herbeieilen und ihm die urkunde
seiner fünften erwählung zum consul überbringen, ward schon ge-
legentlich (DA. 1, 357) als ein beispiel angeführt der sorgsam aus-
geschmückten und, wenn es gilt, theatralischen darstellungsweise
des Posidonius, die ihm kein Römer, am wenigsten ein geschicht-
schreiber der zeit nachmachte. bei dem mangel jeglicher spur in
der lateinischen überlieferung, die auf den inhalt des plutarchischen
c. 22 und der letzten hälfte von 21 deutete, ist nach Dio und der
perioche anzunehmen dass Livius auch den anhang der schlacht-
beschreibung des Posidonius übergieng und seinem römischen anna-
listen weiter folgend nur über den eindruck der siegesnachricht
und den hergang der wahl in der stadt Rom berichtete, und es
bleibt dies ergebnis dass unsre beiden hauptgewährsmänner, Plu-
tarch und Livius von der hauptschlacht, dem zweiten treffen bei
Aquae Sextiae an aus einander giengen und verschiedenen quellen
folgten.
Auch in der schön geformten und durch ihren hinblick auf das
wechselvolle menschenleben so würkungsvollen periode, mit der
Plutarch 23 zu dem Kimbernkriege in Italien übergeht, möchte
ich den Posidonius erkennen und weiterhin tritt derselbe, der wie
Strabo p. 147 sagt gerne συνενϑουσιᾷ ταῖς ὑπερβολαῖς, unverkenn-
eines grundstückes ‘quod est in campo de Putridis prope montem qui dicitur
Vietoriae vel santo Venturi’ durch einen grafen Wilhelm an die abtei von
SVictor zu Marseille in dem jetzt in den Documents inedits gedruckten chartu-
lar nicht zu finden ist, kann ich versichern. mehreres von dem was Fauris
de St.-Vincens vorbringt, findet sich übrigens schon in Jean Pittons Histoire
de 1a ville d’Aix 1666 s. 51 f. 54.
188 DER KIMBERNKRIEG.
bar entgegen in der beschreibung des übergangs der Kimbern über
die Alpen, ihres ansturms. auf die befestigungen des Catulus an
der Etsch, ihrer unterredung mit Marius c. 23 und der schlacht
bei Vercellae selbst, d. h. überall da wo nicht die schrift des
Catulus ausdrücklich oder stillschweigend der darstellung zu grunde
gelegt ist und ihren freien gang hemmt. die benutzung dieser
schrift geht weiter als ausdrücklich anerkannt oder ausgesprochen
wird, und ist überall ersichtlich wo Catulus selbst, wie gleich c. 23,
die handelnde hauptperson ist oder überhaupt sein interesse im
spiele ist. Plutarch fand (s. 125) die darstellung des Catulus schon
in die seines auctors verwebt vor. da der streit über den anteil
der beiden feldherren am erfolge schon auf dem schlachtfelde aus-
brach (c. 27), das volk nachher verlangte dass Marius allein trium-
phieren solle, und Marius schon im herbst desselben jahres bei
der consulwahl, dann als sextum consul aufs heftigste von den
optimaten angefeindet wurde, so wird Catulus nicht lange gezögert
haben seinen brief oder liber de consulatu et de rebus gestis suis
ad. A. Furium poetam herauszugeben und Posidonius konnte sich
der benutzung desselben nicht entziehen, selbst wenn dieser, als
er gegen das j. 90 seine materialien sammelte, noch nicht er-
schienen wäre. er hat den tod des Catulus vielleicht selbst im
j. 87 in Rom erlebt*. dass aber Plutarch von c. 23 an den Posi-
donius verlassen und dem Livius sich zugewandt hätte, ist nach
c. 20—22 durchaus unwahrscheinlich und würde selbst dann nicht
anzunehmen sein wenn keine ganz unzweideutige spur für seine
unabhängigkeit von Livius und für die selbständige benutzung der-
selben quelle durch beide spräche.
Sehr kurz, aber bis auf seine falsche einmischung der Teutonen
(8. 131) untadelich erzählt Orosius ‘Cimbri integris copiis Alpium
nives emensi Italiae plana pervaserant’; Florus dagegen ‘hi iam
— quis crederet? — per hiemem, quae altius Alpes levat, Tri-
dentinis iugis in Italiam provoluti veluti ruina descenderant’. die
schlacht bei Aquae Sextiae ward etwa um die mitte des sommers
geschlagen. die siegesfeier schob Marius darnach so lange hinaus,
bis die siegesbotschaft in Rom ihre würkung getan hatte, er zum
fünften male zum consul erwählt war und die nachricht darüber
eintreffen muste. wenn er aber dann ‘nicht viele tage nachher’
* jedesfalls ist er und kein andrer der gewährsmann, wenn Plutarch 44,
Diodor exc. Phot. xxxıx und Appian BC. 1, 74 selbst in den ausdrücken ihrer
erzählung übereinstimmen.
DER KIMBERNKRIEG. 139
(Plut. 23) die schreckensbotschaft von dem einbruche der Kimbern
und dem rückzuge des Catulus hinter den Po erhielt, so können
jene nicht im winter über die Alpen gegangen sein. Florus hat
nur mit gewohnter flüchtigkeit den Livius aufgefasst, der wesent-
lich nicht. anders erzählte als Plutarch 23, dass die Kimbern,
nackend oder halbbekleidet wie sie waren, sich ruhig hätten be-
schneien lassen — γυμνοὶ μὲν Nvsixovro νιφόμενοι — und über
eis und tiefen schnee die höhen erstiegen, dann auf ihren breiten
schilden hinunter gerutscht seien, obgleich auch er fälschlich darin
nur eine unnötige kraftprobe und tollkühnheit sieht und das
‘beschneien’ überhaupt wohl nur auf einem hyperbolischen ausdruck
des Posidonius beruht. Florus, der des Catulus und seiner stel-
lung an der Etsch mit keinem worte gedenkt, erzählt auch ganz
unsinnig, die Kimbern hätten zuerst den fluss mit ihren leibern
angegriffen und mit händen und schilden aufzuhalten gesucht, dann
ihn aber mit bäumen durchdämmt und so überschritten — ingesta
silva obrutum transiluere; Plutarch hingegen, sie hätten, nachdem
sie sich in der nähe der Römer gelagert, zuerst das flussbett
untersucht — κατασχεψάμενοι τὸν πόρον —, dann einen damm
zu schlagen angefangen, indem sie wie die Giganten die höhen
umher niederbrachen und bäume und felsblöcke in den fluss trugen,
und dadurch das wasser über die ufer getrieben, durch die schweren
stücke aber, die die strömung mit fortriss, die von Catulus er-
richtete und befestigte brücke erschüttert. so lehrt die vergleichung
abermals dass Florus nur den bericht des Livius entstellt hat und
dass dieser durchaus nicht von dem des Plutarch abwich.
Ebenso wenig folgt dies wenn die perioche 68 kurzweg an-
gibt, die Kimbern seien ‘repulso ab Alpibus fugatoque Q. Catulo
proconsule, qui fauces Alpium obsidebat flumenque Athesim’, nach
Italien übergesetzt. denn da der relativsatz zeigt wie der vorher-
gehende participialsatz aufzufassen ist, so stehen sie mit der plu-
tarchischen darstellung ganz in übereinstimmung. offenbar aber
wird in dieser die kriegsführung des Catulus beschönigt, wenn es
heifst, derselbe habe es aufgegeben die Alpenpässe zu bewachen
— τὰς μὲν ὑπερβολὰς τῶν Ἄλπεων ἀπέγνω φυλάσσειν ----, um nicht
gezwungen zu sein sein heer zu teilen und so sich zu schwächen;
er sei daher nach Italien hinter die Etsch zurückgegangen, habe
die übergänge auf beiden seiten mit starken werken verschanzt
und eine brücke geschlagen um den jenseit stehenden zu hilfe zu
kommen, wenn die barbaren aus den engpässen gegen die befesti-
140 . DER KIMBERNKRIEG.
gungen vorgiengen; und ferner, als dann das römische heer im
grolsen lager auf der rechten flussseite, entsetzt über die giganti-
schen mafsregeln der barbaren und die gefährdung der brücke,
reifsaus nahm, da habe Catulus sich als einen guten und voll-
endeten (τέλειον) anführer bewiesen, indem er befahl den adler zu
erheben und sich selbst an die spitze der fliehenden stellte*.
augenscheinlich liegt hier die eigne darstellung die Catulus in
seiner apologie gegeben zu grunde. wenn er nicht den übergang
in den julischen Alpen gegen die Tiguriner, die erst im nächsten
jahre hier sich zeigten, sondern nur das Etschtal zu bewachen
hatte, so ist nicht wohl abzusehen, warum er die zersplitterung
seiner Kräfte zu fürchten hatte und deswegen nach Italien hinter
die Etsch zurückgieng. die Veroneser allein z. b. verhinderten im
j. 1226 den zuzug könig Heinrichs aus Deutschland zum beistande
Friedrichs II durch sperrung der klausen. Q. Marcius hatte im
j. 118 die Stoöner (Euganeer) an den südlichen ausläufen der
Alpen unterworfen und nichts hinderte wohl den Catulus bis gegen
Roveredo vorzugehen oder doch einen nördlicheren punkt als den
von ihm für den übergang auf das rechte Etschufer, ohne zweifel
eben oberhalb von Verona befestigten zu besetzen. er scheint es
auch getan zu haben und die concentration an und hinter der
Etsch nichts anderes zu bedeuten als den rückzug eines vorge-
schobenen heeresteils nach erlittener schlappe. damit würde sich
auch wohl der jähe schrecken, der das römische heer bei dem
erneuten angriff der barbaren ergriff, am ersten erklären. freilich
wenn L. Ampelius 22, 4, ohne zweifel nach guten, alten quellen
und vielleicht nach Livius**, erzählt dass ein L. Opimius unter
Lutatius Catulus ‘in saltu Tridentino’ einen herausfordernden
Kimbern getötet habe, so kann dies gerne bei der Etschbrücke
geschehen sein: die vorgänge hier betrachtet auch der Pseudo-
frontin 4, 1,13 als in saltu Tridentino geschehen. allein Frontin 1,
* Livius erzählte nach Valerius Maximus 5, 8, 4, dem Pseudofrontin 4, 1,
13, Victor de vir. illustr. 72, 10, Ampelius 19, 10 dass bei dieser gelegenheit
die reiterei schnurstracks bis nach Rom geflohen sei und dass Aemilius Scaurus
darauf seinem mitflüchtigen sohne habe sagen lassen, ihm nicht wieder vor die
augen zu kommen, worauf dieser sich selbst den tod gegeben. Plutarch über-
gieng dies oder fand es nicht bei Posidonius.
ἘΞ s, die vorige anm. derselbe Ampelius sagt auch 45, 2 Cimbri Tri-
dentinas Alpes occupaverunt, wie Florus “Tridentinis Alpibus in Italianı
provoluti veluti ruina descenderant.
DER KIMBERNKRIEG. 141
5, 3*, da an den Poübergang nicht zu denken ist, lässt sich nur
so verstehen dass Catulus, ehe er sich hinter die Etsch zurück-
zog, schon mit den Kimbern zusammengetroffen und von ihnen
zurückgeworfen war, und Frontins darstellung des rückzuges lässt
sich nur auf die angegebene weise mit der plutarchischen ver-
einigen, wenn ein teil des heeres die verteidigung des engpasses
an einem nördlicheren punkte versucht, ein anderer inzwischen
den übergang über die Etsch gesichert hatte**. -
wie dem aber auch sei, Plutarch erzählt noch dass die bar-
baren die schanze auf dem linken ufer eingenommen, der besatzung
aber in anerkennung ihrer tapferkeit freien abzug gewährt —
ὑποσπόνδους ἀφῆχαν — und dies bei einem ehernen stier be-
schworen hätten, der nachmals als siegesbeute in das haus des
Catulus gebracht sei. davon aber muss Livius eine ganz ver-
schiedene darstellung gegeben haben, die vielmehr mit der von
Plinius 22 ὃ 11*** wahrscheinlich aus Varro entlehnten überein-
stimmte, und unbedenklich ergänze ich die lücke nach den zuletzt
—
* Q. Lutatius Catulus, cum a Cimbris pulsus unam spem salutis haberet
si flumen liberasset, cuius ripam hostes tenebant, in proximo monte copias
ostendit tanquam ibi castra positurus,. ac praecepit suis ne sarcinas solverent
aut onera deponerent, ne quis ab ordinibus signisque discederet et quo magis
persuasionem hostium confirmaret, pauca tabernacula in conspectu erigi iussit
ignesque fieri et quosdam vallum struere, quosdam in lignationem ut conspi-
cerentur exire. quod Cimbri vere agi existimantes, et ipsi castris delegerunt
locum, dispersique in proximos agros, ad comparanda ea quae mansuris necessaria
sunt, occasionem dederunt Catulo non solum flumen traiciendi, sed etiam castra
eorum infestandi.
** das verfahren wie Mommsen (Röm. gesch. 23, 183) die combination zu
stande bringt, ist nicht zu billigen. wie z. b. verträgt es sich mit dem terrain,
dass Catulus ‘unterhalb Trient’, statt eben oberhalb von Verona, sich durch
eine brücke den rückzug auf das rechte flussufer gesichert habe?
*## Scontigit eius (graminese coronae) honos — centurioni uni ad hoc
tempus On. Petreio Cimbrico bello. primum pilum is capessens sub Catulo
exclusam ab hoste legionem suam hortatus tribunum suum dubitantem per
castra hostium erumpere interfecit legionemque eduxit. invenio apud auctores
eundem praeter hunc honorem adstantibus Mario et Catulo coss. praetextatum
immolasse ad tibicinem foculo posito.’ vergleicht man diese nachricht mit
Frontin 1, 5, 3, so kann man auf den gedanken kommen dass beide von dem-
selben ereignis handeln. aber wenn auch Frontin flüchtig excerpierte (s. 122
anm. 3) und immerhin etwas was ein centurio unter Catulus ausführte diesem
zugeschrieben haben kann, würde er die tötung des tribunen übergangen haben?
übrigens hätte Mommsen aao. diese gewis von einem annalisten herstammende
erzählung nicht zu der seinigen machen sollen.
1492 DER KIMBERNKRIEG.
angeführten worten der perioche ‘repulso ab Alpibus — flumenque
Athesim’ mit [ita ut legionem unam, quae] castellum editum in-
sederat, relinqueret, quae tamen virtute sua explicata fugientem
procos. exercitumque consecuta est‘. damit aber ist die unab-
hängigkeit des plutarchischen von dem livischen bericht vollständig
erwiesen.
Plutarch 23 schliefst damit dass das nach Catulus rückzug
schutzlose land von den Kimbern überflutet und verheert sei.
Livius aber erzählte dass sie durch den aufenthalt unter dem
milden himmel Italiens und durch das ungewohnte wohlleben, das
ihnen die reiche Poebene bot, während des winters verweichlicht
seien*. nach c. 24 wäre dann Marius auf die nachricht von des
Catulus unglück nach Rom berufen, hätte aber den angebotenen
triumph abgelehnt, ‘sei es um seine soldaten und mitstreiter der
ehre nicht zu berauben oder um das volk den umständen gemäls
zu ermutigen’; nach per. 68 ‘triumphum oblatum donec et Cimbros
vinceret distulit’. die darauf folgende erzählung Plutarchs aber
ist darin offenbar recht unverständig dass Marius erst nach der
ankunft seines heeres aus Gallien, indem er den Po oder wie
Plutarch sagt den Eridanus überschritt, versucht habe die barbaren
vom innern Italien abzuhalten. es war ihm ohne zweifel gelungen
* Orosius ‘Italiae plana pervaserant, ibique cum rigidum genus diu blan-
dioribus auris, poculis, cibis ac lavacris emolliretur —’; Florus ‘sed in Venetia,
quo fere tractu Italia mollissima est, ipsa soli caelique clementia robur elan-
guit. ad hoc panis usu carnisque coctae et dulcedine vini mitigatos Marius in
tempore adgressus est’. Dio fr. 94, 2 ὅτ, ὡς ἅπαξ ἐπέσχον, πολὺ τοῦ ϑυμοῦ οἱ
Κίμβροι παρελύϑησαν, xax τούτου χαὶ ἀμβλύτεροε χαὶ ἀσϑενέστεροε καὶ ταῖς
ψυχαῖς χαὶ τοῖς σώμασιν ἐγένοντο. αἴτιον δὲ ὁτι ἔν τε οἰχίαες ἐκ τῆς πρόσϑεν
ὑπαιϑρίον διαίτης χατέλυον, καὶ λουτροῖς ϑερμοῖς ἀντὶ τῆς πρὲν ψυχρολουσίας
ἐχρῶντο, χαρυκείας τε καὶ ἡδυσμάτων ἐπιχωρίων dıeniunlarıo, χρέα πρότερον ὠμὰ
σιτούμενον,) χαὶ τῷ οἴνῳ τῇ TE μέϑῃ χαταχορεῖς παρὰ τὸ ἔϑος ἐγίγνοντο. ταῦτα
γὰρ τὸ τε ϑυμοειδὲς αὐτῶν πᾶν ἐξέχοψε χαὶ τὰ σώματα ἐϑήλυνεν, ὥστε μήτε τοὺς
πόνους ἔτε μήτε τὰς ταλαιπωρίας, μὴ χαῦμα μὴ ψῦχος μὴ ἀγρυπνίαν φέρειν. die
clementia soli caelique oder die blandiores aurae, deren einfluss Florus und
Orosius zuerst hervorheben, übergieng der excerpent Dios wohl im ersten
satze. das wohnen unter dach erwähnt Dio allein, und offenbar hat er die
ursprüngliche, natürliche ordnung und fassung, die auch bei Florus nur un-
vollständiger vorliegt und bei Orosius augenscheinlich — namentlich durch
die stellung der pocula vor die eibi — verkehrt ist, am treuesten bewahrt;
und dass Livius sie von Posidonius überkommen, ist anzunehmen, wenn auch
ein fragment des letzten zu widersprechen scheint. 8. unten. wahrscheinlich
gehört auch Appian Celt. 7 (Suidas 8. v. ἄδην») hieher und nicht in den alten
Gallierkrieg. Livius 5, 48 stimmt nicht.
DER KIMBERNKRIEG. 143
auch mit den schwachen kräften des Catulus ihren übergang über
den mächtigen strom in seinem untern laufe zu verhindern. sie
mochten anfangs noch in der aufrichtigen erwartung eines zuzugs
aus Gallien in der Poebene sich westwärts gewendet haben, dann
daraus ein vorgeben machen und hoffen am obern laufe des flusses
leichter einen übergang zu finden und den Römern in die flanke
zu kommen. die vereinigung der beiden römischen heere, deren
auch noch die perioche gedenkt, mag in Placentia erfolgt sein und
sie setzte den Marius in den stand zum angriff vorzugehen, indem
er den feind alsbald in die lage brachte noch einmal ein gütliches
abkommen zu versuchen oder eine schlacht anzunehmen, bei der
die Römer im osten, die Kimbern im westen standen. eine ge-
sandtschaft wiederholte die alte bitte um land und städte für sie
und ihre brüder. die unterredung mit ihrer bittern, tragischen
ironie und dem theatralischen schlusseffect der vorführung der
gefangenen Teutonenkönige, wie Plutarch sie schildert, verrät noch
die meisterliche hand des Posidonius aufs deutlichste, wie vorher
der Eridanus den Griechen*. die Kimbern musten darnach das
glück der waffen versuchen.
Sie rückten sofort, sagt Plutarch 25, gegen Marius heran, der
sich ruhig in seinem wohl bewachten lager hielt. er befand sich
in einer stellung dass er auch auf den vorschlag, zeit und ort des
zusammentrefiens zu bestimmen, eingehen konnte. nach Plutarch
ἡμέραν μὲν ἔϑεντο τὴν ἀπ᾽ ἐκείνης τρίτην; ungenauer wohl Florus
‘venere illi —, diem pugnae ἃ nostro imperatore petierunt, et sic
proximum dedit’. auch Orosius weils von ‘die ad pugnam et campo
dato’ und Frontin 2, 2, 8 von der ‘constituta die’. als den ort bezeich-
net Plutarch die ebene um Vercellae, τὸ πεδίον τὸ περὶ Βερχέλλας ἘΞ;
die Lateiner nennen das raudische feld, Florus ‘in patentissimo,
quem Raudium vocant, campo concurrere’, Vellejus ‘in campis
quibus nomen erat Raudiis’, Victor de vir. illustr. 67 *in campo
Raudio vicit’ ***, und Livius mag diesen namen aus einem annalisten,
Posidonius ihn nicht gekannt haben. wenn aber in der beschrei-
bung der schlacht Plutarch und die lateinische überlieferung wie-
* merkwürdiger weise heifst es auch noch in der chronik des Hieronymus
a. Abrah. 1914 ‘Caius Marius quinquies consul factus est, qui Cimbros super-
avit iuxta Eridanum fluvium’.
** vgl, Mommsen Röm. gesch. 2?, 184 anm.
*** vg], auch ‘in campo qui dieitur Raudo’, jetzt Rho, nordwestlich bei
Mailand. Böhmer Reg. 953. 954.
144 DER KIMBERNKRIEG.
derum aus einander gehen, so fragt 'es sich ob man hier ebenso
wie vorher s. 134f. 137 entscheiden muss.
Klar und verständig beschreibt Orosius, Marius und Catulus
hätten die klugheit des Hannibal befolgt, früh im nebel ihre auf-
stellung gemacht, in der sonne aber gefochten. die Gallier seien
dadurch zuerst bestürzt worden — prima siquidem perturbatio
Gallorum fuit — dass sie die anwesenheit der geordneten römi-
schen schlachtlinie nicht vor dem zusammenstofs mit ihr gemerkt
hätten. verwundet seien die reiter gleich auf die ihrigen zurück-
geworfen und hätten die ganze, noch ungeordnet anrückende menge
— totamque indisposite adhuc adventantem multitudinem — in
verwirrung gebracht, und da die sonne mit einem winde aufge-
gangen, ihnen gegenüber hervorgebrochen sei und der staub ihnen
die augen erfüllte, der glanz sie blendete, so sei es geschehen
dass eine so grolse und schreckliche menge mit einem äufserst
geringen verlust der Römer, aber bis zu ihrer eignen völligen
vernichtung zusammengehauen sei. alle wichtigen und entschei-
denden momente der schlacht treten hier hervor, und selbst noch
in der declamation des Florus, nur dass dieser verkehrter weise
die sonne in den rücken der barbaren bringt und sogar von den
gefangenen wissen will dass sie durch den glanz der römischen
helme geblendet seien*. wie Livius also die schlacht beschrieb,
kann nicht zweifelhaft sein.
allein fast alles was er hervorhob bleibt bei Plutarch uner-
wähnt. nur dass die sonne den Kimbern ins gesicht schien und
dass sie sich dagegen durch vorhalten der schilde zu schützen
suchten, erwähnt er c. 26, und aufserdem dass die hitze des tages
— es sei der 30 juli gewesen — den an frost und kälte gewöhn-
ten Kimbern verderblich geworden, während von den Römern trotz
derselben und ungeachtet des stäten laufens, wie Catulus von den
soldaten rühmte, keiner schwitzend oder keuchend gesehen sei;
der staub aber hätte ihnen die menge der feinde so lange ver-
* ‘per omnem diem conciditur barbarus. istic quoque imperator addiderat
virtuti dolum, secutus Hannibalem artemque Cannarum: primum nebu-
losum nanctus diem, ut hosti inopinatus occurreret, tum ventosum quoque
ut pulvis in oculos et ora ferretur, tum acie conversa in orientem ut,
quod ex captivis mox cognitum est, ex splendore galearum aere repercusso
quasi ardere caelum videretur’. auch Frontin 2, 2, 8, nach abzug dessen was der
schlacht bei Aquae Sextiae angehört (8. 122 anm. 3. 134), weils von der “ita ordinata
suorum acie ut adverso sole et vento et pulvere barbarorum occuparetur
exercitus”,
DER KIMBERNKRIEG. 145
borgen, bis jeder auf seinen mann losgehen konnte; wie umge-
kehrt nach Orosius der morgennebel den barbaren die ankunft der
Römer bis zum zusammenstofs mit der reiterei verhüllte. hier
aber bleibt bei Plutarch der gegensatz unausgeführt, da der vor-
teil der Römer, wie bei der hitze, auf einen entsprechenden nach-
teil auf seiten der barbaren schliefsen lässt. leicht ergänzt man
Plutarchs darstellung aus Livius, und je unverständlicher und zu-
sammenhangsloser jene überhaupt sich zeigt, um so mehr scheint
es gerechtfertigt dasselbe mit ihr auch in den übrigen fällen
zu tun.
Wir erfahren c. 25 dass Marius den Catulus mit seinen
20 300 mann rückwärts ins centrum stellte, seinen eignen erprob-
ten 32000 aber vorn die beiden flügel vorbehielt. dass die auf-
stellung in aller frühe geschehen und Marius den feind über-
raschen wollte, fehlt bei Plutarch, das kimbrische fulsvolk sei
langsam — xa9’ ἡσυχίαν — aus den verschanzungen hervorge-
kommen, in einem ungeheuren viereck, ebenso tief als breit in
der front: jede seite der aufstellung — τῆς παραταξεως — habe
dreifsig stadien eingenommen. nach seinen worten hielt er dies
quadrat von % deutschen meilen nicht für die zufällige form, die
die kimbrischen heerhaufen und züge bei ihrem ausmarsch bilde-
ten, sondern für ihre definitive schlachtordnung. ob aber auch
Posidonius, der, wenn auch kein grolser tactiker, doch über tactik
gedacht und geschrieben hat*?
Plutarch erzählt weiter dass die kimbrischen reiter, 15 000 an
der zahl, unter helmen mit greuelbildern und in glänzenden brünnen
und waffen hervorgesprengt seien**. was aber aus ihnen gewor-
8 dass Plutarch sich das quadrat von einer dicht geschlossenen menge
erfüllt dachte, braucht man nicht anzunehmen. Duncker Origg. germ. p. 91
hat berechnet dass — bei 9 quadratfufs auf den mann und bei 6000 mann in
jeder linie — noch nicht 30 millionen ausreichen würden um % quadratmeilen
voll zu machen. um Piutarehs misverständnis zu erklären könnte man sich
denken dass die einzelnen heerhaufen der Kimbern eine quadratische form
hatten. aber dergleichen lässt sich sonst bei den Germanen nicht nachweisen,
nur die keilförmige aufstellung: Cluver Germania Ρ. 320f. vgl. v. Peucker
Kriegswesen 2, 208 ff. 8, 46.
ἘΦ ἐξήλασαν λαμπροὶ, χράνη μὲν εἰχασμένα Inpiwv φοβερῶς χάσμασι καὶ προτο-
μαῖς ἰδιομόρφοις ἔχοντες, ἃς ἐπαιρόμενοι λόφοις πτερωτοῖς sis ὕψος ἐφαύνοντο
μείζους, ϑώραξι δὲ χεχοσμημένον σιδηροῖς, ϑυρεοῖς δὲ λευκοῖς στίλβοντες. ἀχόντισμα
δὲ ἣν ἑχάστῳ διβολία᾽ συμπεσόντες δὲ μεγάλαις ἐχρῶντο χαὶ βαρείαις μαχαίραις.
dass diese bewaffnung von der ärmlichkeit, die man sonst bei den Germanen
trifft, sich weit entfernt, hat man nicht übersehen. aber die vermutung, dass
DEUTSCHR ALTERTUMSKUNDE 11. 10
146 DER KIMBERNKRIEG.
den, ob sie zurückgeworfen wurden und wie, ob ihnen die Römer
reiterei entgegenstellten oder überhaupt entgegenzustellen hatten,
erfahren wir wieder mit keinem worte. sie seien, heilst es c. 26,
rechts ab geschwenkt um allmählich die Römer in die mitte zwischen
sich und das fulsvolk zu bekommen. die römischen feldherren
hätten die list gemerkt, es wäre ihnen aber nicht gelungen ihre
soldaten zurückzuhalten. einer hätte gerufen ‘die feinde fliehen’
und alles hätte sich zur verfolgung aufgemacht. in dem augen-
blick sei das fulsvolk wie ein ungeheures wogendes meer heran-
gekommen. da habe Marius die hände zum himmel erhoben und
den göttern eine hekatombe gelobt, Catulus gleichfalls dem glück
des tages einen tempel, und als man jenem beim opfer die ein-
geweide des tieres gezeigt, habe er mit lauter stimme ausgerufen
‘mein ist der sieg!’ als es nun zum angriff kam, hätte den Marius,
wie Sulla erzähle, indem er zuerst mit seiner macht zur verfolgung
aufbrach, das unglück betroffen im dichten staube den feind zu
verfehlen und lange zeit im felde umherzuirren, während Catulus
glücklich auf die barbaren gestofsen wäre und hauptsächlich mit
seinen soldaten die schlacht entschieden hätte. durch die boshafte
lüge blickt sichtbar die wahrheit durch dass Marius mit seinen beiden
flügeln rechts und links eine grofse schwenkung ausführte (5. unten
s. 150) und so allerdings zum teil wohl später an den feind kam
als Catulus und diesem schliefslich die reichste ernte an trophaeen
verschaffte, aber erst nachdem durch seinen ansturm von beiden
seiten die macht der feinde zusammengebrochen und in eine völlig
wirre masse aufgelöst war. beim angriff gieng jeder im laufe
auf seinen gegner los — δρόμῳ τοῖς χαϑ' αὑτοὺς ἕκαστοι προς-
μίξαντες --- und im laufe geschah nach Catulus aussage das treffen —
μετὰ δρόμου τῆς συῤῥάξεως γενομένης —. der gröste und streit-
barste teil der feinde aber wurde auf dem schlachtfelde zusammen-
gehauen c. 27. unter ihnen fiel nach Florus ‘in prima acie dimi-
die Kimbern sich die waffen erst auf ihren zwölfjährigen raubzügen zugelegt
hätten, hätte man bei besserer bekanntschaft mit den quellen durch ein zeugnis
des Posidonius selbst stützen und rechtfertigen können. denn niemand an-
ders als Posidonius schildert bei Diodor 5, 30 die bewaffnung der Gallier so:
χράνη δὲ yalxa περιτίϑενται, μεγάλας ἐξοχὰς ἐξ αὑτῶν ἔχοντα καὶ παμμεγέϑη
φαντασίαν ἐπιφέροντα τοῖς χρωμένοις" τοῖς μὲν γὰρ πρόςχειταε συμφυὴ χέρατα,
τοῖς δὲ ὀρνέων ἢ τετραπόδων ζώων ἐχτετυπωμέναι προτομαΐ. — ϑώραχας δ᾽
ἔχουσιν οἱ μὲν σιδηροῦς --- ἀντὶ δὲ τοῦ ξίφους σπάϑας ἔχουσι, μαχρὰς —
τὰ μὲν γὰρ Eiyn τῶν παρ᾽ ἑτέροις σαυνίων εἰσὶν οὐχ ἐλάττω.
DER KIMBERNKRIEG. 147
cans impigre nec inultus’ der könig Boiorix und nach Orosius
gleichfalls Lugius. Clodicus und Caesorix wurden gefangen. zwei
andere ungenannte könige töteten sich gegenseitig.
Fasst man die hier hervortretenden punkte ins auge und be-
achtet dass alle angrifisbewegungen der Kimbern sich auf das
erste vorsprengen der reiterei und das erscheinen des ‘wogenden
meeres’ des fulsvolks beschränken, so kann man sich nicht wohl
denken dass Marius sie schon völlig geordnet und fertig zur
schlacht antraf, sondern nur eine ‘indisposite adhuc adventantem
multitudinem’ die, nachdem die reiterei geworfen, von dieser zu-
erst in verwirrung gebracht, dann von ihm auf beiden seiten ge-
fasst und völlig über den haufen gerannt wurde. es ist daher
wahrscheinlich dass Posidonius mit dem quadrat nur anschaulich
machen wollte* in welch ungefüger gestalt und verfassung Marius
noch das ausziehende heer fand: noch bildete es eine ungeheure
marschcolonne, nachdem vielleicht erst eben die letzten das lager
verlassen hatten, und die schlachtordnung sollte sich erst entwickeln;
dass aber Plutarch, in seiner weise unbekümmert um den innern
zusammenhang der dinge und nur beflissen einzelne blüten, anec-
doten und glänzende züge aus dem bilde des Posidonius aufzulesen,
fast alle wesentlichen, den verlauf der schlacht bestimmenden
momente übersehen hat. ein neuer beleg dafür ist gleich zur
stelle.
‘Beinahe einen schwereren kampf’ sagt Orosius ‘bereiteten
den Römern die weiber auf der wagenburg, die sie lange zurück-
trieben — diu repulere —’, und setzt damit richtig seine be-
schreibung der schlacht fort**. ähnlich auch Florus ‘'nec minor cum
uxoribus eorum pugna quam cum ipsis fuit, cum objectis undique
plaustris atque carpentis altae desuper securibus contisque pugna-
rent’. es musten sich hier derselbe kampf wie mit den ambronischen
frauen am ersten abend bei Aquae Sextiae (Plut. 19), dann auch
ähnliche scenen wie dort nach der hauptschlacht wiederholen, und
* dass, wie Plutarch 27 erzählt, die vordermänner sich mit langen, an
ihren gürteln befestigten fesseln an einander gebunden hatten, um das durch-
brechen ihrer reihe zu verhindern, halte ich nur für eine sage, die die dichtig-
keit der germanischen phalanx, wie sie die Römer später noch oft kennen
lernten, versinnlicht. eine geringe überlegung muste den Kimbern sagen,
dass sie sich durch eine solche mafsregel mehr behindert, als genützt hätten.
** bei Plinius 8 $ 143 findet sich, wahrscheinlich aus der Historia animalium
des Trogus, noch ‘canes defendere Cimbris caesis domus eorum plaustris im-
positas”.
10*
148 DER KIMBERNKRIEG.
es ist begreiflich dass Florus die bitte der teutonischen frauen hie-
her übertrug (s. 122 anm. 3. 135). was aber tut Plutarch? er über-
geht c. 27 den kampf mit den Römern völlig mit stillschweigen und
sagt nur, als sie die fliehenden an die verschanzung drängten, da hätten
sie das tragischste schauspiel vor augen gehabt: zeayızwraross
ἐνετύγχανον πάϑεσιν. Aber seine beschreibung davon stimmt in
allen einzelheiten mit der des Livius, so dass wenn vorher seine dar-
stellung lücken lässt, dies nur von ihm selbst und nicht durch
seine quelle verschuldet sein kann. Orosius allein berichtet dass
die Römer im kampf die weiber skalpiert, dann entlassen und
dadurch die übrigen in schrecken gesetzt hätten.
entspricht
Aiyag γυναῖκες ἐπὶ τῶν ἁμαξῶν
welovsiuovss ἐφεστῶσαι τούς τὸ
φεύγοντας ἔχτεινον͵ αἱ μὲν ἄνδρας,
αἱ δὲ ἀδελφοὺς, ai δὲ πατέρας,
καὶ τὰ νήπια τῶν τέχνων ἀπαγ-
yovoas ταῖς χερσὶν ἐῤῥίπτουν ὑπὸ
τοὺς τροχοὺς καὶ τοὺς πόδας τῶν
ὑποζυγίων,
αὑτὰς δὲ ἀπέσφαττον.
play δέ φασιν ἐξ ἄχρου δυμοῦ
χρεμαμένην τὰ παιδία τῶν αὐτῆς
σφυρῶν ἀφημμένα βρόχοις ἕχα-
τέρωϑεν ἡἠρτῇῆσϑαι᾽
τοὺς δὲ ἄνδρας ἀπορίᾳ δένδρων
τοῖς χέρασει τῶν βοῶν, τοὺς δὲ
τοῖς σχέλεσι προςδεῖν τοὺς αὑτῶν
τραχήλους, εἶτα κέντρα προςφέ-
ροντας, ἐξαλλομένων τῶν βοῶν
im übrigen
Orosıus: ferrum quod in hostes
sumpserant in se suosque (in
seruosque L) verterunt.
Frorus: suffocatis elisisque pas-
sim infantibus suis
Frorus: aut mutuis concidere
vulneribus aut vinculo e crinibus
suis facto ab arboribus iugisque
plaustrorum pependerunt. Oro-
sıus: namque aliae concursu MU-
tuo iugulatae, aliae apprehensis
in vicem faucibus strangulatae,
— aliae laqueo de subrectis
plaustrorum temonibus pepende-
runt. inventa est etiam quae-
dam quae duos filios traiectis
per colla eorum laqueis ad suos
pedes vinxerit et cum se ipsam
suspendio morituram dimisisset,
secum traxerit occidendos.
— aliae funibus per egquorum
crura consertis ipsisque continuo
equis exstimulatis, postquam suas
iisdem funibus, quibus equorum
crura nexuerant, indidere cer-
DER KIMBERNKRIEG. 149
ἐφελχομένους καὶ πατουμένους Vices, protractae et exanimatae
ἀπόλλυσϑαι. sunt —
hier ist die übertragung von den männern auf die frauen bei Orosius
von keiner bedeutung; spricht er aber von pferden statt wie Plutarch
von rindern, so sprach Livius ohne zweifel von ‘iumentis’ und erwähnte
des-anbindens an die hörner nicht, weil sonst Orosius oder der
epitomator von ihm die ‘iumenta’ schwerlich als pferde aufgefasst
hätte, und es ergibt sich unzweifelhaft dass trotz der überein-
stimmung Livius nicht Plutarchs quelle war.
Dasselbe bestätigt sich gleich noch einmal. Livius liefs hier
den tod der könige (s. 146 f.) folgen, den Plutarch übergieng; Plu-
tarch dagegen die zahlen der gefangenen und gefallenen, die Livius
schon zu ende der feldschlacht angegeben hatte. beide stimmen
in der zahl der gefangenen im wesentlichen überein: Plutarch
sagt ἑάλωσαν ὑπὲρ 8E μυριάδας, Livius nannte ixv oder einfach ix.
aber die zahl der toten ist bei Plutarch um 20—10 000 geringer
als bei Livius, und Plutarchs ai δὲ τῶν πεσόντων ἐλέγοντο δὲς
τοσαῦται γενέσθαι kann nur eine berufung auf die aussage gleich-
zeitiger zeugen sein, wie sie Posidonius zu gebot standen, während
das ‘traduntur’ oder ‘dicuntur’ der lateinischen epitomatoren wieder
(s. 134) auf den Antias als den gewährsmann des Livius deutet*.
jene berufung aber lässt nicht annehmen dass Plutarch die zahl
willkürlich verkürzt und vielleicht die andre vergröfsert hat: er muss
sie in seiner quelle vorgefunden haben und diese war nicht Livius.
Aufserdem erwähnte Livius an der angegebenen stelle den ge-
ringen verlust der Römer: es sollen ihrer nur 300 oder noch
weniger gefallen sein**, was unmöglich scheint wenn die Kimbern
* per. 68 ‘caesa traduntur hostium CXL, capta LX’. Orosius ‘centum
quadraginta milia eorum tunc in bello caesa, sexaginta milia capta dicun-
tar”. Eutrop 5,2 ‘cxr milia aut in pugna aut in fuga caesa sunt, LX milia
capta’. zählen Orosius und Eutrop auch nur für dinen zeugen (8. 122 anın. 1), so
scheint doch ihre übereinstimmung mit der perioche ganz entscheidend für
Livius. dennoch haben beide epitomatoren bei der zweiten zahl vielleicht
ein v fallen lassen, wie der Nazarianus im Florus. Florus übersprang die
zahl der gefallenen und machte die gefangenen zu gefallenen, zählte aber nach
dem Bambergensis ‘“milia sexaginta quinque cecidere’ und so sagt auch
Vellejus, beide zahlen addierend, ‘caesa aut capta amplius ducenta milia
hominum’”. es scheint darnach doch dass Livius die gefangenen auf LXV
rechnete.
** Orosius erwähnt der “minima Romanorum clades’, nennt aber nicht die
zahl ihrer toten. dagegen Eutrop ‘Romani milites ex utroque exereitu (Mari
et Catuli) ccc perierunt’, und Florus ‘hinc trecentis minus’.
150 DER KIMBERNKRIEG.
sie schon in fester schlachtordnung empfangen hätten. zugleich
erwähnte Livius die zahl der auf dem schlachtfelde erbeuteten
heerzeichen, und Plutarch fährt nach den zuletzt angeführten
worten fort dass die soldaten des Marius die habe (χρήματα) der
feinde geplündert hätten, — zur bestätigung der vorhin s. 146 auf-
gestellten ansicht dass die beiden flügel eine grolse schwenkung
ausführten; denn dann musten sie zuerst an das lager kommen
und dies ihnen in die hände fallen* —; dass aber die spolien,
feldzeichen und heerhörner in das lager des Catulus gebracht
seien — τὰ δὲ λάφυρα καὶ τὰς σημαίας καὶ τὰς σαλπιγγας εἰς τὸ
Κάτλου στρατόπεδον ἀνενεχϑῆναι λέγουσιν --- und dass Catulus
dies hauptsächlich zum beweise gebraucht habe, dass durch ihn
der sieg entschieden sei. ohne zweifel ist dies aus der schrift des
Catulus genommen. wenn aber nun Eutrop aus Livius die ge-
naueren angaben bewahrte ‘tria et triginta Cimbris signa sublata
sunt: ex his exercitus Marii duo reportavit, Catuli exercitus xxxr
und er schon vorher behauptet dass ‘a Catuli parte felicius’ ge-
stritten sei, so müssen wir schliefsen dass Livius des Catulus
apologie, ebenso wie Plutarch, schon von Posidonius benutzt fand
(s. 125. 138), dass er aber, auch nach der anordnung der einzel-
heiten, den Posidonius anders auszog als jener. bei Plutarch
stammt noch aus der schrift des Catulus dass dessen soldaten ab-
gesandte von Parma unter den leichen auf dem schlachtfelde
herumgeführt und ihnen gezeigt hätten dass sie mit ihren, mit
dem namen des Catulus gezeichneten speren durchbort seien.
Nichts desto weniger, sagt Plutarch, wurde der ganze erfolg
dem Marius zugeschrieben, nicht nur wegen des früheren sieges
sondern auch weil er den oberbefehl gehabt hatte, und das mit
vollem rechte, weil er durch seine anordnungen und mit seinen
truppen allein den sieg zu einem totalen gemacht hatte. beson-
ders ‘die vielen’ hätten ihn als dritten gründer Roms ausgerufen,
der eine nicht geringere gefahr als einst die gallische abgewehrt.
jeder habe es sich mit weib und kindern zu hause wohl sein lassen
und beim mahle mit den göttern zugleich dem Marius den ersten
trunk dargebracht, und man habe verlangt dass er beide triumphe
allein begehe. doch habe er nicht so triumphiert, sondern mit
dem Catulus, um sich mäfsig im glück zu zeigen und aus furcht
* isoliert steht Appians Celt. 14 (Suidas 8. v. ἀψαύστως) ὃ δὲ τοῖς σώμασι
τῶν Κίμβρων ἀψαυστεῖν ἐχέλευεν, ἕως ἡμέρα γένηται, πολύχρυσα εἶναι ϑοχῶν.
DIE TIGURINER. 151
vor den soldaten, die sich anschickten, wenn er den Catulus aus-
schlösse, auch ihn nicht triumphieren zu lassen. Livius dagegen
erzählte zuerst, vielleicht nach einer römischen quelle*, wie die
siegesbotschaft nach Rom von den Dioskuren dem praetor über-
bracht und das gerücht des sieges am tage des sieges selbst unter
dem im amphitheater beim gladiatorenspiel versammelten volke
- verbreitet gewesen sei; dann nach Valerius 8, 15, 7, wie Plutarch,
dass ‘postquam Cimbros ab eo (Mario) deletos initio noctis nuntius
pervenit, nemo fuit qui non illi tanquam diis immortalibus apud
sacra mensae suae libaverit’; aber nach der per. 68 dass ‘Marius
totius civitatis consensu exceptus pro duobus triumphis qui offe-
rebantur uno contentus fuit’** und dass auch die ‘primores civi-
tatis, qui ei aliquandiu ut novo homini ad tantos honores evecto
inviderant, conservatam ab eo rempublicam fatebantur’. ebenso
erwähnt auch Orosius 5, 17 den ‘quintum Marii consulatum, quo
status imperii romani iure conservatus iudicatur’ und es steht
nicht entgegen (s. 136) was Livius schon im jahre vorher erzählt
hatte, dass Marius durch den sieg über die Teutonen auch die
zustimmung der optimaten gewonnen habe und von allen in gleicher
weise gelobt sei, auch wenn sie ihm dieselbe jetzt (a. 101) bei
der neuen consulwahl versagten und dann nachsagten dass er sein
sechstes consulat erkauft habe***. es verlohnt sich für uns nicht
die vergleichung Plutarchs und Livius weiter fortzusetzen. Posi-
donius kann beides erzählt haben was sie von der aufnahme der
siegesbotschaft bei dem volke und den vornehmen in Rom be-
richten. es ergibt sich aber auch ohne das nur noch einmal dass
beide dieselbe quelle ungleich ausgezogen und behandelt haben,
die keine andre sein kann als Posidonius.
Bisher jedoch konnte sein eigentumsrecht noch an keinem
satze des Livius oder Plutarchs durch ein zeugnis von aulsen be-
glaubigt und festgestellt werden. glücklicher weise fehlt es nicht
daran und ganz zu guter letzt findet sich noch ein solches. von
allen epitomatoren des Livius berichtet Florus allein über das
* zu Florus vgl. Plin. 7 $ 86.
** und Valerius Max. sagt 9, 12,4 ‘Q. Catulus Cimbrici triumphi C. Mario
particeps a senatu datus’”. doch Cicero Tuscul. 5, 19, 56 *C. Marius Cimbricae
vietoriae gloriam cum collega Catulo communicavit, paene altero Laelio’.
γε nor. 69 ‘sextum consulatum pecunia per tribus sparsa emerat’ stimmt
wörtlich mit Plutarch 28 ὡς ‘Povzilsos ἱστορεῖ — τῆς Exıns ἔτυχεν ὑπατείας
ἀργύριον εἰς τὰς φυλὰς χαταβαλὼν πολὺ χαὶ πριάμενος.
152 DIE TIGURINER.
schicksal der Tiguriner, die im frübjahr a. 102 mit den Kimbern
von Gallien ausgezogen waren und östlicher durch Noricum nach
Italien vordringen sollten (s. 131f.): Tertia Tigurinorum manus,
quae quasi in subsidio Noricos insederat Alpium tumulos, in di-
versa elapsa fuga ignobili et latrociniis evanuit; Posidonius aber
nach Strabo p. 293 — Ποσειδώνιος... φησί —, nachdem die
Kimbern zuerst (gegen das j. 113) an der mittleren Donau er-
schienen und bis zu den Scordiskern an der Sau gestreift hatten,
hätten sie sich gegen die Helvetier gewandt, ἐπὶ “Elovnsslovg,
πολυχρύσους μὲν ἄνδρας εἰρηναίους δέ" ὁρῶντας δὲ τὸν dx τῶν
ληστηρίων πλοῦτον ὑπερβάλλοντα τοῦ παρ᾽ ἑαυτοῖς τοὺς Ἑλουηττίους
ἐπαρϑῆναι͵ μάλιστα δ᾽ αὐτῶν Τιγυρίνους τε καὶ Τωυγένους,
ὥςτε καὶ συνεξορμῆσαι. πάντες μέντοι χατελύϑησαν ὑπὸ τῶν Ῥω-
μαίων αὐτοί τὸ οἱ Κίμβροι καὶ οἱ συναράμενοε τούτοις, οὗ μὲν ὕπερ-
βαλόντες τὰς “Ἄλπεις εἰς τὴν ᾿Ιταλίαν οὗ δ᾽ ἔξω τῶν "Alnewv. οτ-
gänzt und berichtigt wird diese stelle durch eine frühere, augen-
scheinlich derselben quelle entnommene bei Strabo p. 193, φασὶ
δὲ χαὶ πολυχρύσους τοὺς ἉἙλουηττίους, μηδὲν μέντοι ἧττον ἐπὶ
ληστείαν τραπέσϑαι τὰς τῶν Κίμβρων εὐπορίας ἰδόντας ἀφα-
νισϑῆναι δ' αὐτῶν τὰ δύο φῦλα τριῶν ὄντων κατὰ στρατείας.
dass hier die δύο φῦλα die später namentlich genannten Tiguriner
und Toygener sind, leidet keinen zweifel; ebenso wenig dass Florus
von derselben begebenheit handelt wie Strabo, und zwar genauer
und richtiger als dieser, da niemand sonst von einer vernichtung
der Tiguriner durch die Römer etwas weils. im gegenteil trifft
sie Caesar Be. 1, 12. 13 im j. 58 wieder bei guten kräften unter
den damals ausziehenden vier gauvölkern der Helvetier und schlägt
sie an der Saone, zu seiner besondern genugtuung, 'privatas in-
iurias ultus’, da sie den grofsvater seines schwehers L. Piso mit
Cassius im j. 107 getötet hatten. ein grofser teil von ihnen muss
also entweder nicht mit den Kimbern ausgezogen oder nach der
niederlage derselben im j. 101 aus Noricum heimgekehrt sein. die
vorstellung des Posidonius, dass sie zu grunde gegangen, haftet
daher an den nachrichten die damals über ihr verschwinden aus
Noricum und Oberitalien eingelaufen waren, und je mehr dies
auch noch die darstellung des Florus tut und das gepräge des
augenblicks trägt, desto mehr muss sie für die ursprünglich posi-
donische gelten, die Livius ausführlicher und vollständiger wieder-
gegeben hatte als Strabo. lässt sich aber, wie hier für den
schluss der livischen erzählung, nun auch noch für den anfang der
DIE ERSTEN GERMANEN BEI ΡΟΒΙΘΟΝΙΌΒ. 153
plutarchischen die autorschaft des Posidonius durch ein directes
zeugnis feststellen, so wird allen anforderungen, die an eine be-
weisführung wie sie hier versucht ward billicher weise gestellt
werden können, genügt und die folgerung für die zwischen liegenden
partien der überlieferung hinreichend gerechtfertigt sein, und da-
mit auch die forderung, den Posidonius als unsern hauptgewährs-
mann für die geschichte der Kimbern und Teutonen anzuerkennen.
das bisher noch unerörterte, einleitende cap. 11 Plutarchs aber
führt auf die hauptfrage ob jener sie schon als Germanen kannte,
oder mit andern worten, ob der im vierten jahrhundert v. Chr.
dem Pytheas (DA. 1, 480. 484 ff.) noch unbekannte, unterschei-
dende gesamtname mit den Teutonen- und Kimbernkriegen oder
erst nachher bei Römern und Griechen in gebrauch gekommen ist.
Ein bruchstück (fr. 32) aus dem dreifsigsten buch des Posi-
donius bei Athenaeus p. 153 lautet: Γερμανοὶ δὲ ὡς ἱστορεῖ IIo-
σειδϑώνιος ἐν τῇ τριαχοστῇ, ἄριστον προςφέρονται χρέα μεληδὸν
ὠπτημένα καὶ ἐπιπίνουσι γάλα καὶ τὸν οἶνον ἄχρατον. wenn Po-
sidonius die fünfzig jahre (145—96) μετὰ Πολύβιον in zwei und
fünfzig büchern behandelte, so dass auf jedes jahr ungefähr ein
buch kam, so muss man schliefsen dass er im drei und zwanzig-
sten buche (fr. 23—25) seine grofse beschreibung der Gallier des-
wegen gab, weil er von den kriegen der Römer mit den Allo-
brogern und Arvernern in den j. 124—121 oder 123—120* zu
handeln hatte, und ebenso dass er im sieben und zwanzigsten
(fr. 29) auf Dalmatien kam, weil L. Metellus in den j. 119—117
die Dalmater überwand (s. 128). so führt das dreifsigste buch auf
das j. 113 wo die Kimbern zum ersten male mit den Römern zu-
sammenstielsen, und offenbar ist das fragment einer ethnographi-
schen einleitung über das neu auftretende volk entnommen. wie
die erste satzhälfte zu verstehen, lehrt eine stelle aus dem drei
und zwanzigsten buche, wo Posidonius (fr. 25) nach Athenaeus
p. 151 von den Galliern erzählte: ἡ τροφὴ δ᾽ ἐστὶν ἄρτοι μὲν ὀλίγοι,
κρέα δὲ πολλὰ (Strabo p. 197 τροφὴ δὲ πλείστῃ μετὰ γάλακτος καὶ
χρεῶν παντοίων κτλ.) ἐν ὕδατι καὶ ὀπτὰ ἐπ᾽ ἀνϑράχων ἢ ὀβελίσχων.
προςφέρονταν δὲ ταῦτα χαϑαρείως μὲν, λεοντωδῶς δὲ ταῖς χερσὶν
ἀμφοτέραις αἴροντες ὅλα μέλη καὶ anodaxvovsss, und bei Diodor
* Mommsen 23, 160 ἢ. im übrigen kann ich nur wie vorher 8. 126 anm.
wiederholen, was KMüller FHG. 3, 251 bereits bemerkt hat.
184 DIE ERSTEN GERMANEN
5, 28 πλησίον δ' αὐτῶν ἐσχάραι κεῖνται γέμουσαι πυρὸς καὶ λέβητας
ἔχουσαι καὶ ὀβελίσχους πλήρεις χρεῶν ὅλομερῶν᾽ τοὺς δ᾽ ἀγαϑοὺς
ἄνδρας ταῖς καλλίσταις τῶν χρεῶν μοίραις γεραίρουσι, καϑάπερ
καὶ ὃ ποιητὴς τὸν Αἴαντα παρειςαγεε τιμώμενον ὑπὸ τῶν ἀριστέων,
ὅτε πρὸς Ἕχτορα μονομαχῆσας ἐνίκησε, (11. 7, 321) “νώτοισε δ᾽
“αντα διηνεχέσσι γέραιρε᾽. vgl. unten den exc. zu 8. 177 im wider-
spruch damit steht (s. 142 anm.) dass die Kimbern bis zu ihrem ein-
bruch in Italien nur rohes fleisch gegessen hätten; doch ist dies
augenscheinlich eine übertreibung und der widerspruch wohl erst
durch die darstellung des Livius herbeigeführt. durch das fragment
aber scheint mit einem male die aufgeworfene frage erledigt und
ohne weiteres erwiesen zu sein dass Posidonius den namen Γερ-
μανοὶ gekannt und für die Kimbern und genossen gebraucht hat.
doch rät die betrachtung der römischen zeugnisse nicht so rasch
zu entscheiden.
Caesar ist der erste, wie es scheint, der Germanen und
Gallier bestimmt unterscheidet und die Kimbern und Teutonen zu
jenen rechnet (Be. 1, 33. 40). dieselbe unterscheidung und an-
sicht steht dann fest seit dem augustischen zeitalter bei allen die
nicht von älteren auctoren abhängen oder, wie namentlich die
Griechen, bei dem alten, auf unvollkommner, schematischer welt-
ansicht beruhenden sprachgebrauche verharrten oder auch aus
falscher gelehrsamkeit dazu zurückkehrten, wonach alle im nord-
westlichen Europa wohnenden ÄeAroi hielsen*. mit Caesar sind
in hinsicht der Kimbern und Teutonen einverstanden der alte ge-
währsmann des Pomponius Mela (DA. 1, 489 ff. und unten),
Agrippa**, Augustus selbst (Res gest. 5, 14 fl. Momms.), Trogus
Pompejus (Justin. 38, 3. 4), Vellejus Paterculus, Strabo, Valerius
Maximus 2, 2, 3, Seneca (Consol. ad Helv. 6, 9), Plinius, Tacitus,
Ptolemaeus und andre, auf deren meinung es nicht weiter an-
kommt. Caesar aber fand den namen Germani schon im gebrauch
vor. wenn er Be. 1, 31 den Ariovist, wo er ihn zum ersten male
erwähnt, 'rex Germanorum’ benennt, so bedient er sich ohne
zweifel des officiellen titels, den der römische senat im jahre vor-
* DA. 1, 167 anm. 485. vgl. 216. oben 8. 106. 1111. Brandes Kelten und
Germanen 8. 174f. 201 ff. unter den historikern herscht der sprachgebrauch,
wenn auch nicht ohne schwankungen, bei Cassius Dio und Appian (Duncker,
Origg. Germ. p. 83f.), der nicht so consequent ist, als Brandes 8. 217 ff.
meint.
** Über die weltkarte des Augustus 8. I1f. 19.
BEI DEN RÖMERN. 155
her (a. 59) jenem zuerkannt hatte (Be. 1, 35), und im beginne
des krieges weist er (Be. 1, 40), um ihren gesunkenen mut zu
heben, seine soldaten in einer rede darauf hin dass derselbe feind
nicht nur zu den zeiten ihrer väter in den Kimbern und Teutonen,
sondern auch noch unlängst im Sklavenkriege in Italien einem
römischen heere gegenüber gestanden habe*.
In der tat tritt auch gleich im ersten jahre dieses krieges
(a. 73) in einem fragment des Sallusts (Hist. 3, 77 Kritz) bei einer
uneinigkeit der anführer im sklavenheere ein haufe Gallier und
Germanen hervor und in gegensatz zu dem anhang des Thrakers
Spartacus, ‘Crixo et gentis eiusdem Gallis atque Germanis obviam
ire et ultro offerre pugnam cupientibus, contra Spartacus —’,
während Plutarch Crass. 8 und auch Livius nach Orosius 5, 24
beim ausbruch des aufstandes nur Gallier und Thraker unter-
scheiden. allein im nächsten jahre (a. 72), als das heer sich ge-
teilt hat und der consul Gellius die abteilung des Crixus am Gar-
ganus in Apulien fasste, heifst diese bei Plutarch Cr. 9 τὸ Tee-
μανικὸν ὕβρεν καὶ φρονήματε τῶν Σπαρτακείων ἀποσχισϑέν, und
im dritten jahre (a. 71) vernichtet M. Crassus zuerst abermals
eine abteilung, die sich vom heere des Spartacus getrennt hat,
‘quae ex Gallis Germanisque constabat, — caesis hostium ΧΧΧΥ͂
et ducibus eorum Casto et Gannico’ nach Livius per. 97 und bei
Frontin 2, 5, 34 'Gallos Germanosque ex factione Casti et Gan-
nici — ΣΧΧΥ armatorum eo proelio interfecta cum ipsis ducibus
Livius tradit’ und Orosius ‘Gallos — Germanosque superavit, 6
quibus xxx hominum cum ipsis ducibus oceidit’. hier ist Gannicus
ohne zweifel der deutsche führer und sein name verwandt mit dem
des batavischen seeräubers Gannascus (Tac. Ann. 11, 18. 19) und
der weisen frau Ganna (Dio 67, 5). Plutarch Cr. 11 nennt ihn
Taios Καννίχιος und dieselbe namenform ist bei Frontin 2, 4, 7,
wo Oudendorp ‘Canonicum Caninocum Camnocum Camincum et
similia’ in den hss. fand, zu vermuten, da Plutarch und Frontin
in der darstellung desselben treffens im wesentlichen überein-
stimmen, aber von Livius vollständig abweichen. Frontin, der den
Castus und seinen genossen blofs ‘duces Gallorum’ nennt, kann
wie vorher Plutarch Cr. 8 &inen volksnamen gespart haben. Piu-
* factum eius hostis periculum patrum nostrorum memoria, cum Cimbris
et Teutonis a Gaio Mario pulsis non minorem laudem exercitus quam ipse im-
perator meritus videbatur; factum etiam nuper in Italia servili tumultu, quos
tamen aliquid usus ac disciplina, quae a nobis accepissent, sublevarent.
156 DIE ERSTEN GERMANEN
tarch verschweigt diesmal die nationalität der beiden genossen
und scharen; aber die beiden weiber, die früh morgens zum opfern
ausgehend die anrückenden Römer entdecken, heilsen bei Sallust
Hist. 4, 42 ‘Galliae mulieres’ und Sallust war unläugbar Plutarchs
und hier auch Frontins quelle*. die unmälsige zahl der toten bei
Livius, 35000 gegen 12300 bei Plutarch, aber zeigt dass jener
hier einem annalisten gefolgt ist, mag er immerhin sonst auch
den Sallust benutzt oder mit ihm aus derselben quelle geschöpft
haben.
Denn dass Sallust, zur zeit des Sklavenkrieges 13—15 jahr
alt, denselben nach eigner erinnerung oder unabhängig von älteren,
gleichzeitigen aufzeichnungen in den a. 39—35 verfassten Historien
beschrieben hätte, ist nicht anzunehmen. aber selbst wenn seine
darstellung jene unabhängigkeit und originalität besäfse, könnte er
ebenso wenig als der annalist des Livius und als Caesar nach
gutdünken oder vermutung die unterscheidung der Germanen und
Gallier in die jahre 73—71 zurückdatiert haben, ohne eine tat-
sache zu erfinden. die gewöhnliche annahme dass die damals auf-
tretenden Germanen überbleibsel der Teutonen und Kimbern waren,
findet weder bei den alten auctoren noch sonst eine stütze, da
die teutonische und kimbrische jugend, die a. 102. 101 gefangen
wurde, allerdings in den jahren 73—71 in kräftigem mannesalter
stand, aber schwerlich noch sehr zahlreich und der alten freiheit
sehr eingedenk war. die ἀδικία eines käufers, der eine menge
leute aus verschiedenen barbarenländern, hauptsächlich aus Gal-
lien und Thracien, zusammengebracht und eingesperrt hatte
ὑπ’ avayans ἐπὶ τῷ μονομαχεῖν, war nach Plutarch Cr. 8 die
ursache dass der aufstand ausbrach, und viele befanden sich damals
in ähnlicher lage, die entweder mit gewalt und list eingefangen
oder auch durch schlaue unterhändler geteuscht nach Italien auf
den markt gebracht und als sklaven teils in die fechterschulen
teils aufs land in die grofsen acker- und viehwirtschaften der
Römer verkauft waren, darunter selbst männer von edler abkunft
-----
* für Plutarch erhellt dies aus den nachweisungen von Kritz zu Hist. 3,
67f. 4, 22ff. vgl. Peter Die quellen Plutarchs 8. 109. — Frontin scheint für
den Sklavenkrieg teils den Livius (s. oben) teils Sallust benutzt zu haben.
Strateg. 1, 5, 20 stimmt nicht mit Plutarch Cr. 10 ἔχωσε τὴς τάφρου μέρος οὐ
πολὺ γῇ καὶ ὕλῃ καὶ κλάδοις devdewv; 1,5, 21 auch mehr mit Florus 2, 8 als
mit Plutarch 9; 1,5, 22 und 1, 7,6 aber mit Sallust Hist. 3, 77, 5 (Hermes 5,
409) und 4, 22.23; 1, 7, 6 aber auch mit Florus.
BEI DEN RÖMERN. 157
wie Spartacus und wohl auch der Gallier Crixus und die übrigen
anführer. es mochten manche kriegsgefangene darunter sein die
von den barbaren im norden erhandelt waren, und die verlockenden
preise, die die italischen händler bieten konnten*, werden dort
wie in Thracien menschenraub und mancherlei fehden unter be-
nachbarten völkern hervorgerufen haben, aber wie wir es heut-
zutage an unseren auswanderern sehen, auch die elendesten vor-
spiegelungen und verheilsungen konnten viele in die fremde und
ins verderben locken. ein mächtiger zug nach dem süden und
seinen gütern hatte die Germanen einmal ergriffen und das massen-
hafte auftreten germanischer knechte in Italien bezeichnet nur
einen abschnitt und zwischenact in der grolsen bewegung die mit
dem auszuge der Kimbern und Teutonen begann, die dann eben
zur zeit des krieges in Italien ums j. 72 den Ariovist und seine
Sueben und ihm nach bald immer neue scharen aus dem inneren
Deutschland bis zu den 24000 Haruden von der unteren Elbe und
Ostsee über den Rhein führte und dann auch die werber Caesars
und der römischen heerführer nach ihm kriegs- und beutelustige
und dienstwillige mannschaften die fülle in Deutschland finden
liefs. die Römer aber, wenn ihnen der unterschied der Germanen
von den Galliern in den Teutonen- und Kimbernkriegen noch
nicht klar geworden war, musten sich durch die nachströmende
sklavenmenge auf dem markt und felde, in den fechterschulen und
den amphitheatern immer mehr darüber unterrichten, und dass
beim ausbruch des Sklavenkrieges der unterscheidende name sich
eingestellt hatte, lässt das zusammentreffen dreier von einander
unabhängiger zeugen, Sallusts, des annalisten des Livius und
Caesars nicht zweifelhaft. es fragt sich nur ob sich der name
nicht früher hinauf verfolgen lässt.
Nach Florus 1, 37 wären die Kimbern, die im j. 109 zuerst
in Gallien erschienen und mit dem consul Silanus zusammentrafen,
schon damals nicht nur mit den Teutonen, sondern auch mit den
heivetischen Tigurinern, die erst zwei jahre später den consul
* schon Posidonius erzählte nach Diodor 5, 26 wie die italischen kauf-
leute auch die weinliebe der Galater benutzten und für einen krug wein
einen sklaven eintauschten, und es erklärt sich dass zu Caesars zeit die bel-
gischen Nervier (BG. 2, 15) und die altgermanischen Sueben (BG. 4, 2.3) den
wein nicht einführen liefsen, jene überhaupt die kaufleute nicht zuliefsen und
diese nur um die kriegsbeute, doch hauptsächlich gefangene, zu verhandeln,
und die UÜbier befehdeten, die jenen eine stätte gewährten.
158 ϑ ὄἑ DIE ERSTEN GERMANEN
Cassius schlugen, vereinigt und, aus Gallien und Spanien zurück-
gewiesen, entschlossen gewesen nach Italien zu ziehen. für diese
gänzlich verworrene darstellung, womit er seine declamation über
die Kimbernkriege beginnt, ist Livius natürlich nicht verantwort-
lich zu machen, aber da Florus das einzelne doch bei ihm auf-
gelesen und nur aus ungenauer erinnerung falsch combiniert hat,
so ist auch die angabe dass die barbaren ‘ab extremis Galliae
profugi’ gewesen seien ohne zweifel auf Livius zurückzuführen. man
kann darin die spur einer griechischen quelle oder eine nach-
wirkung der griechischen ansicht finden, der die ἐσχατα τῆς. Κελ-
τικῆς ganz gemäfs waren. allein in der ganzen überlieferung aus
Livius über die Kimbern und Teutonen ist nur &inmal von Ger-
manen die rede, nemlich in der epitome Liviana die wahrscheinlich
dem Eutrop und Orosius vorlag: beide fassen (s. 121 1.) im jahre der
niederlage des Caepio und Mallius (a. 105) die Kimbern Teutonen
Tiguriner und Ambronen als ‘Germanorum et Gallorum’ oder
‘Gallorum Germanorumque gentes’ zusammen. vorher aber heilst
es bei Eutrop 4, 25, ähnlich wie bei Florus, unter dem consulat
des Carbo (a. 113) sei in Rom gemeldet dass die Kimbern aus
‘Gallien? — e Gallia — nach Italien hinüber gegangen seien, und
die niederlage bei Arausio erweckt dann die furcht dass die Gallier
abermals nach Rom kommen möchten. mit Galliern kämpft auch
Marius nach Orosius sowohl bei Aquae Sextiae (s. 134) als bei
Vercellae (s. 144) und in beiden schlachten sollen in summa
340000 Gallier getötet, 140000 gefangen sein, ungerechnet die
unzähliche menge der weiber. gleichfalls nach Rufus Festus c. 6
vertrieb Marius die Gallier aus Italien und schlug sie glücklich
als sie die Alpen überstiegen hatten; und nach Julius Exuperantius
c. 2. 3 ward Marius gen Gallien geschickt, das damals das römische
gebiet durch einen feindlichen einfall beunruhigte, und nach ver-
nichtung der Gallier und gänzlicher vertilgung des barbarenvolkes
sei er als sieger in Rom eingezogen. wie spät und elend diese
zeugen sind und wie weit sie auch schon von Livius oder sonst
ihrem gewährsmanne abstehen, ihr sprachgebrauch ist nicht un-
begründet und blofs auf ihre laune und willkür zu setzen: auch
bei Granius Licinianus p. 17 bittet Mallius den Caepio sich mit
ihm zu vereinigen damit sie gemeinschaftlich den Galliern wider-
stünden, während vor- und nachher nur von Kimbern die rede
ist. es beruht der sprachgebrauch vielmehr auf alter tradition.
der ‘pictus Gallus in Mariano scuto Cimbrico sub Novis,
BEI DEN RÖMERN. 159
distortus eiecta lingua, buccis fluentibus’, auf den der a. 87 ge-
tötete redner C. Julius Caesar Strabo einmal bei einem processe
vor dem tribunal des praetors seinen gegner Mancia hinwies, lehrt
den städtischen sprachgebrauch unmittelbar nach dem Kimbern-
kriege kennen; denn dass der schild aus der kimbrischen beute
vom j. 101 stammte und mit andern zur ausschmückung des römi-
schen forums verwendet war und dass die darauf gemalte fratze
des Galliers das antlitz eines Kimbern vorstellte, leidet keinen
zweifel*. aber demselben sprachgebrauch folgten nur die anna-
listen, aus denen Livius neben Posidonius schöpfte.
es berubt darauf zunächst das schwanken der überlieferung
ob der fremde, der in Minturnae a. 88 den flüchtigen Marius töten
sollte, ein Gallier oder ein Kimber war. nach Appian BC. 1, 61
war er ein zufällig dort sich aufhaltender Gallier — Γαλάτης ἀνὴρ
ἐπιδημῶν —, nach Plutarch Mar. 39 ein ἱππεὺς Γαλάτης τὸ γένος
und da Plutarch und Appian zum teil wörtlich in ihrer erzählung
übereinstimmen**, so treffen wir bei ihnen ohne zweifel die dar-
stellung des glaubwürdigsten zeugen Posidonius. Plutarch aber
kannte auch die römische darstellung, die den abgesandten mörder
zu einem Kimbern machte: ἀμφοτέρως γὰρ ἱστορεῖται. er hiels
bei Livius vermutlich ähnlich wie bei Vellejus 2, 19 ein ‘servus
publicus natione Gallus, qui bello Cimbrico captus erat’, so dass
die perioche 77 daraus ‘servus natione Gallus’ (Victor de vir.
illustr. 67 ‘percussor Gallus’), Valerius Maximus 2, 10, 6 ‘servus
publicus natione Cimber’ entnehmen konnte und Vellejus blofs die
veraltete benennung ‘Gallus’ durch ‘Germanus’ zu ersetzen brauchte.
hält man beide darstellungen gegen einander, so begreift man
* die anecdote von Cicero, der den Caesar noch gekannt und gehört hatte,
de orat. 2, 66, 266 (= Quintilian Inst. 6, 3, 38) in authentischer fassung, von
Plinius 35 $ 25 unvoliständiger und ungenauer von dem redner Crassus (} 91)
wahrscheinlich nach den exemplis des Nepos erzählt, doch so dass auch hier
auf einen ‘in tabula pictum inficetissime Gallum exserentem linguam’ ver-
wiesen wird, ist jetzt von Jordan in der Archaeologischen zeitung 1872 8. 72 f.
so eingehend und allseitig behandelt dass niemand etwas hinzuzusetzen haben
wird. nur mag hier erwähnt werden dass später auch masken von Germanen
gemacht wurden um possen damit zu treiben. Martial 14, 176 Persona Ger-
manica: Sum figuli lusus, rufi persona Batavi. Quae tu derides, haec timet
ora puer.
** zuweilen freilich auch merkwürdig von einander abweichen, Wijnne De
fide et auctoritate Appiani p. 26f. das geschichtichen von den sieben adler-
jungen, das Appian BC. 1, 61 einschaltet, erzählt Plutarch c. 36.
160 DIE ERSTEN GERMANEN
wohl wie im römischen volksmunde aus dem Gallier in Minturnae
ein dort als fronknecht lebender, gefangener Kimber werden und
die erschütternde erzählung von seinem zusammentreffen mit Marius
sich erzeugen konnte, nicht aber umgekehrt wie daraus die dar-
stellung des Posidonius hätte entstehen können. die sage setzt
den sprachgebrauch der die Kimbern unter die Gällier begriff vor-
aus und liefert dafür einen ähnlichen beleg wie die eben erwähnte
anecdote von Julius Caesar Strabo, mit einem gleich festen chro-
nologischen datum.
so wie Livius schloss sich dann auch der gelehrte antiquar
Verrius Flaccus im augustischen zeitalter an die annalistische über-
lieferung an, da er (s. 114 anm. 116) die Ambronen, die gefährten der
Kimbern und Teutonen, eine ‘'gens quaedam Gallica’ nannte, und
Sallust offenbart gleichfalls nur seine abhängigkeit von ältern
auctoren und deren sprachgebrauch, wenn er am schlusse des Ju-
gurthas 114 schreibt dass um die zeit der gefangennehmung des
königs von Q. Caepio und Un. Mallius gegen die Gallier unglück-
lich gekämpft sei, so dass ganz Italien erbebte, und dann im hin-
blick auf Caesars gallische kriege noch hinzufügt, die Römer seien
von da an bis zu seiner zeit der meinung gewesen dass alles andre
ihrer tapferkeit leicht, mit den Galliern aber um die existenz, nicht
um den ruhm gekämpft werde.
werden hier die eigentlichen echten und die blofs so genann-
ten Gallier unbedenklich zusammengeworfen, so kann es um so
weniger auffallen, dass Cicero (geb. 106), um zwanzig jahr älter
als Sallust, noch ebenso im alten sprachgebrauche steckt. zwar
kennt er die Germanen und weils dass sie jenseit des Rheins
wohnen (in Pison. 33, 81) allein er nennt in einer im dritten jahre
von Caesars gallischem kriege (a. 56) gehaltenen rede* nicht nur
die Kimbern und Teutonen Gallier, sondern spricht zugleich auch
* de provinc. consular. 13, 32f. “Ὁ, Marius influentes in Italiam Gallorum
maximas copias repressit, non ipse ad eorum urbes sedesque penetrarvit. — C.
Caesaris longe aliam video fuisse rationem. non enim sibi solum cum 118,
quos iam armatos contra populum Romanum videbat, bellandum esse duxit,
sed totam Galliam in nostram ditionem esse redigendam. itaqgue cum acerri-
mis nationibus et maximis Germanorum et Helvetiorum praeliis felicissime
decertavit, ceteras contrivit, domuit, imperio populi Romani parere assue-
fecit’. wunderlich unbestimmt schreibt Cicero auch nach Caesars tode an
Atticus 14, 9 ‘Balbus meliora de Gallia, Germanos illasque nationes, re audita
de Uaesare, legatos misisse ad Aurelium, qui est praepositus ab Hirtio, se quod
imperatum esset esse facturos.
BEI DEN RÖMERN. 161
von den Germanen so dass er sie unter die gallischen nationen
mit begreift. nicht minder fasst auch Sallust in den worten (s. 155)
'Crixo et gentis eiusdem Gallis atque Germanis’ beide völker
noch in eins zusammen und spricht (s. 156) von gallischen weibern,
‘wo man nach Livius und nach der vorherschend germanischen
sitte eher germanische erwartet*. die unterscheidung zeigt sich
hier noch unfest und gleichsam erst in der ausbildung begriffen.
auf dieselbe unbestimmte weise könnte allerdings auch Livius (s. 158)
früher in seinen quellen die Germanen erwähnt gefunden haben,
aber mindestens ebenso wahrscheinlich, wenn nicht wahrscheinlicher
ist dass er oder auch der von Eutrop und ÖOrosius benutzte epi-
tomator der später feststehenden, besseren ansicht (s. 154) von der
nationalität ‘der -Kimbern und Teutonen raum gegeben und die
Germanen erst eingemengt hat.
Wir können daher diesen namen mit sicherheit nicht über den
Sklavenkrieg (a. 73—71) hinauf verfolgen** und die epoche seines
aufkommens nach den vorliegenden zeugnissen nur etwa um das
j. 80 oder 75 setzen. ist dies richtig, so hat weder könig Mithri-
dates, falls er nicht gerade während seines letzten krieges mit den
Römern (a. 74—63) schriftstellerte, noch weniger der von ihm
a. 70 getötete Metrodorus von Skepsis von den (Germanen ge-
sprochen (DA. 1, 479 anm.), da die Römer den Griechen und Orien-
* Plutarchs worte sind Cr. Il (ὃ Koaooos) λόφον τινὰ προχαταληψομένους
ἄνδρας ἐξαχιςχιλίους. ἀπέστειλε, λανθάνειν χελεύσας πειρᾶσθαι" οὗ δ᾽ ἐπειρῶντο
μὲν τὴν αἴσϑησιν ἀποχρύπτειν, τὰ χράώνη χαταμπέχοντες᾽ ὀφϑέντες δὲ ὑπὸ δυοῖν
γυναιχῶν προϑυομένων τοῖς πολεμίοις, ἐχινδύνευσαν; Sallusts Hist. 4, 42
“interim, lumine etiamtum incerto, duae Galliae mulieres conventum vitantes
ad menstrua solvenda montem ascendunt’. es war ohne zweifel ein neumond-
opfer (Grimm Myth. 667. 676), und die darbringung auf einem berge und in
der einsamkeit (conventum vitantes, vgl. Myth. 996. 1069) entspricht gleich-
falls der deutschen sitte.
ἘΦ zu diesem resultat kommt auch KLRoth in Pfeiffers Germania |,
159. er bespricht verständig die stellen (Liv. 5, 35. Frontin 2, 6, 3. Cicero
pro Balb. 14, 32) wo teils nach hss. teils nach notwendiger conjectur die Ger-
manen schon aus den neueren ausgaben verschwunden sind, und beurteilt richtig
die ‘semigermanae gentes’ in den Alpen bei Livius 21, 38, so dass nur die
reflexion des schriftstellers, dem die völker ungefähr ebenso wild und furchtbar
wie die Germanen erschienen, auf den ausdruck, wie 9,36 auf die Germanieci
saltus, geführt hat. dass ein mann wie Zeufs 227, um von andern nicht zu
reden, dem ausdruck einen andern wert beigelegt hat, ist nur zu erklären aus
der falschen auffassung einer stelle des Avien (DA. 1, 196). von den Germanen
der Fasti Capitolini wird unten die rede sein. die hauptfrage aber übergeht
Roth, ob Posidonius die Germanen gekannt oder nicht gekannt hat.
DEUTSCHB ALTERTUMSKUNDE II. 11
162 POSIDONIUS BEI STRABO
talen im gebrauch des namens vorangegangen sein müssen*, und
Posidonius kann sich desselben frühestens erst in seinem zweiten
historischen werke, wie Sallust in den Historien, bedient haben und
bei dem Sklavenkriege oder vom Mithridates aus auf die Germanen
gekommen sein**, nicht aber in seiner ersten fortsetzung des Po-
lybius. das excerpt des Athenaeus (s. 153) darf jedesfalls nicht
mehr (DA. 1, 484. 485) für ein sicheres zeugnis angesehen werden
dass er es getan und der älteste gewährsmann dafür ist. Athe-
naeus, wissend dass die Kimbern und Teutonen Germanen waren,
kann wie Vellejus und Valerius und wie Strabo den sprachgebrauch
seines auctors verlassen und den neuen gesamtnamen zum subject
des von ihm ausgehobenen satzes gemacht haben. auf volle sicher-
heit wird jedoch diese annahme erst anspruch machen können, wenn
sich von andrer seite her beweisen lässt, dass Posidonius, als er
sein erstes werk schrieb, den namen noch nicht gekannt hat.
Das excerpt des Athenaeus fällt, wie bemerkt (s. 153), in den
beschreibenden, ethnographischen teil der einleitung des Posidonius
zu den Kimbernkriegen. diesem teile aber muss er noch eine
* Detlefsens vermutung dass bei Plinius 37 8 39 “in Carmanise’ statt
‘Germaniae litoribus’ zu lesen sei, trifft ohne zweifel das richtige, da Plinius
die meinung Mithridats unter denen aufführt, die den ursprung des bern-
steins in den orient verlegen. — das zeitalter des von Plinius 37 $ 36 ci-
tierten Nicias ist unbekannt (Fac. 4, 463), ebenso wie des vorher genannten
Philemon (DA. 1, 412 ff.) und des nachher genannten Theochrestus (Fra. 2, 87);
auf diesen folgt dann Xenocrates, ein zeitgenosse des Plinius. Nicias scheint
sich wie Metrodorus an Timaeus und Pytheas angeschlossen zu haben und
Plinius so dazu gekommen zu sein ihn sagen zu lassen ‘Nicias solis radiorum
sucum intellegi voluit (sucinum). hos circa occasum (DA. 1, 477) vehementiores
in terram actos pinguem sudorem in ea relinquere, Oceani deinde aestibus
(DA. 1, 476) in Germanorum litora eici, in Aegypto nasci simili modo ac
vocari sacal (DA. 1, 480 anm.), item in India gratiusque ipso ture esse Indis.
in Syria quoque feminas verticillos inde facere et vocari harpaga, quia folia
paleasque et vestium fimbrias rapiat’.
** Mithridat soll für den letzten grofsen krieg gegen die Römer im
). 74 auch zu den Kimbern gesandte um hilfe zu erbitten geschickt (Justin
38, 3) und zuletzt (a. 63), von Pompejus aus Asien vertrieben, den plan ge-
habt haben vom norden des Pontus aus nach Italien vorzudringen. Dio 37, 11
πρὸς τὸν Ἴστρον διὰ τῶν Σχυϑῶν ἐλθεῖν χκαντεῦϑεν εἰς τὴν ᾿Ιταλίαν ἐςβαλεῖν.
Appian dagegen, bei dem am ersten Posidonius als quelle zu vermuten ist,
sagt Mithr. 109 ἐς Κελτούς, dx πολλοῦ φίλους ἐπὶ τῷδέ οἱ γεγονότας, ἐπενὸεν
ιελϑὼν ἐς τὴν ᾿Ιταλίαν σὺν ἐχείνοις ἐμβαλεῖν, und dies macht die Germanen
bei Posidonius nicht wahrscheinlicher.
ÜBER HERKUNFT UND HEIMAT DER NORDLEUTE. 163
erörterung über die herkunft der Nordleute und die ursachen ihrer
auswanderung vorausgeschickt haben. schon in der schrift περὶ
ὠχεανοῦ gieng er auf diese frage ein und in dem auszuge daraus
lautet die stelle bei Strabo p. 102 nach der überlieferung der hss.
80: sixalsı δὲ καὶ τὴν τῶν Κίμβρων καὶ τῶν συγγενῶν ἐξανάστασιν
ἐχ τῆς οἰκείας γενέσθαι κατὰ ϑαλάττης ἔφοδον οὐκ ἀϑρόαν συμ-
βάσαν. |
dass hier das οὐκ unmöglich richtig sein kann und vor ἀϑρόαν
getilgt werden muss, darüber sind wohl alle einig, die je die
stelle ins auge gefasst haben. die einfache unterdrückung der
negation aber bringt einen vollständigen widerspruch mit Strabo
p. 292f. zu wege, wonach Posidonius, der sturmfluten der Nord-
see unkundig (DA. 1, 231), gerade die entgegengesetzte ansicht
aufgestellt hatte, dass nicht eine plötzliche, gewaltige wasserflut
die auswanderung veranlasst haben könne, weil ebbe und flut im
ocean durchaus gleich- und regelmälsig täglich zweimal wechselten
und es lächerlich wäre dass im verdruss darüber die leute ihre
heimat verlassen hätten. Strabo schliefst sich dieser ansicht voll-
ständig an, obne ein wort darüber zu bemerken dass Posidonius
seine meinung geändert und im dreifsigsten buche μετὰ Πολύβιον
etwa eine andre vorgetragen hätte als in der schrift πρὲ ὠκεανοῦ.
dass er dies getan, ist auch gar nicht anzunehmen. die von ihm
nach Strabo p. 292 f. bekämpfte meinung ist als die herschende,
vulgäre anzusehen. Posidonius schrieb aber περὲ ὠκεανοῦ nach-
dem er in Gades gewesen war (oben s. 128) und hier seine er-
kundigungen und beobachtungen über ebbe und flut (DA. 1, 365)
eingesammelt hatte. wie sollte er sie nun in dieser schrift nicht
auch gegen jene meinung verwertet haben, wenn er überhaupt
darauf eingieng? dafür dass er sich hier der vulgären meinung
angeschlossen hätte, lässt sich nicht geltend machen dass er von
den veränderungen der erdoberfläche durch senkung und hebung,
erdbeben usw., und nachdem er ausgeführt dass man den plato-
nisch-solonischen mythus vom untergange der Atlantis nicht für
eine blofse erfindung zu halten brauche, auf die kimbrische aus-
wanderung kam. schloss er sich blofs der herschenden ansicht
an, konnte Strabo von ihm nicht sagen εἰχάζει: Posidonius muss
ihr auch in περὶ ὠχεανοῦ eine eigne, positive meinung oder ver-
mutung entgegengesetzt haben, wie wir sie bei Strabo p. 2921.
ausgesprochen finden.
wäre Strabo bei Posidonius auf widersprechende ansichten
11*
164 POSIDONIUS BEI STRABO
gestolsen, konnte er entweder die eine mit stillschweigen über-
gehen oder, wenn er beide anführte, den widerspruch nicht un-
bemerkt lassen, am wenigsten aber für beide zugleich, für die
erste wie für die letzte, seine zustimmung erklären*. er fand also
keinen widerspruch vor und die erste stelle p. 102 ist notwendig
mit der zweiten p. 292f. in übereinstimmung zu setzen, entweder
auf die von Koray vorgeschlagene weise durch κατὰ [ληστείαν, οὐ
κατὰ] ϑαλατιῆς ἔφοδον oder mit Meineke durch [κατὰ λῃστείαν»)
γενέσθαι, οὐ κατὰ ϑαλάττης ἔφοδον ἀϑρόαν συμβᾶσαν. es ist So-
gar nicht unwahrscheinlich dass Strabo p. 292 f. beide schriften des
Posidonius neben einander vor sich gehabt hat. für das historische
werk war die ausführliche widerlegung der nachrichten des Ephorus
und Klitarchus (DA. 1, 231—233) neben der kimbrischen flutsage
mindestens überflüssig, sie gehörte viel mehr in die schrift zo}
ὠκεανοῦ, geradezu unmöglich aber scheint** dass Strabo p. 293 f.
aus dieser die übersicht über den ganzen verlauf der kimbrischen
wanderung entnommen hätte. wie er diese aus den historischen
büchern μετὰ Πολύβιον entnahm, so fand er hier auch die hypo-
these ausführlicher entwickelt die Posidonius der flutsage entgegen-
setzte. erwähnen muste Posidonius auch da derselben um der hypo-
these raum zu schaffen, aber eine kurze abweisung jener genügte,
während umgekehrt in περὶ wxsavov die hypothese nur einer an-
deutung bedurfte. zieht man noch ab was Strabo p. 292f. aus
seiner kenntnis vom kimbrischen chersones und der kimbrischen
gesandtschaft an Augustus hinzutat und ergänzt einen ausdruck
aus dem excerpt p. 102, so stammt der inhalt folgender sätze
bei ihm gewis aus der einleitung des Posidonius in die Kimbern-
kriege:
οὔτε γὰρ τὴν τοιαύτην αἰτίαν τοῦ πλάνητας γενέσϑαε καὶ
ληστρικοὺς ἀποδέξαιτ᾽ ἂν τις, ὅτε μεγάλη πλημμυρίδι ἐξελαϑεῖεν
ἐχ (τῆς οἰκείας). — γελοῖον δὲ τῷ φυσικῷ καὶ αἰωνίῳ πάϑει dis
ἑχάσιης ἡμέρας συμβαίνοντι προςοργισϑέντας ἀπελϑεῖν ἐκ τοῦ τόπου.
ἔοικε δὲ πλάσματι τὸ συμβῆναί ποτε ὑπερβαλλουσαν πλημμυρίδα"
* nachdem Strabo die nachrichten des Posidonius über Eudoxus von Ky-
zikos in seiner weise bestritten, erklärt er p. 102 mit ὀρθῶς χεῖται παρ᾽ αὐτῷ
sein einverständnis mit der lehre des Posidonius über die senkungen und
hebungen der erdoberfläche und lässt dann, ohne widerspruch, den satz über
die Kimbern folgen. so aber bedeutet der mangel des widerspruchs, wie oft
in ähnlichen fällen bei ihm, seine zustimmung.
* trotz KMüller Fi. 3, 285".
ÜBER HERKUNFT UND HEIMAT DER NORDLEUTE 165
ἐπιτάσεις μὲν γὰρ καὶ ἀνέσεις δέχεται, τεταγμένας δὲ καὶ περιοδι-
ζούσας, ὃ ὠχεαγὸς ἐν τοῖς τοιούτοις πάϑεσιν.
Ταῦτα τε δή — Ποσειδώνιος οὐ κακῶς εἰκάζει, διότι ληστριεκοὶ
ovıes χαὶ πλάνητες οἱ Κίμβροι καὶ μέχρε τῶν περὶ τὴν Μαιῶτιν
ποιήσαιντο στρατείαν, ἀπ᾽ ἐκείνων δὲ χαὶ 6 Κιμμέριος κληϑείη
Βόσπορος, οἷον Κιμβρικός, Κίμμερίους τοὺς Κίμβρους ὀνομασάντων
τῶν “Ελλήνων. ᾿
Posidonius hielt also die Kimbern und ihre verwandten für
ein unstätes wander- und räubervolk, das bei dem auszuge nur
seinem angebornen triebe folgte, aber er verwarf die flutsage als
erklärung dafür auch aus physikalischem grunde. in beiden
punkten aber hat er die römische ansicht zur voraussetzung. auch
Livius bezeichnete die Kimbern bei ihrem ersten erscheinen als
ein unstätes, räuberisches volk, per. 63 ‘Cimbri, gens vaga, popu-
labundi in DOiyricum venit', und man glaube nicht dass dies eine
übersetzung von πλάνητες καὶ ληστρικοὶ bei Posidonius ist: Livius
folgte gerade der von jenem bekämpften ansicht, Florus 1, 37
‘Cimbri — ab extremis Galliae profugi, cumterras eorum in-
undasset Oceanus, novas sedes toto orbe quaerebant’. und
offenbar war dies die vulgäre und herschende, römische ansicht.
auch nach Verrius Flaccus (8. 114 anm.) hatte die ‘gens Gallica’
der Ambronen durch eine plötzliche überschwemmung des meeres
— subita inundatio maris = ϑαλάττης ἔφοδος ἀϑρόα συμβᾶσα
(s. 163) — ihre wohnsitze verloren und darauf angefangen sich
und die ihren durch raub und plünderung zu ernähren, was selbst-
verständlich, wie schon bemerkt (5. 116) gleichfalls auf ihre ge-
nossen, die Kimbern und Teutonen zu beziehen ist*. die sage ist
* zu der subita inundatio maris, die die Kimbern und Teutonen aus ihrer
heimat vertrieben haben soll, ist wie es scheint eine später feststehende phrase
von ihrem einbruch in Italien nur der rhetorische gegensatz und reflex. schon
Cicero (8. 160 anm.) sagt ‘influentes in Italiam Gallorum copias repressit'.
dann aber folgen Quintilian Decl. 3, 4 Ex ultimo littore Dceani et diremta
frigoribus plaga gens a rerum natura paene relegata, stolida viribus, indomita
feritate, insolens successu nec minus animorum inmanitate yuam corporum
belluis suis proxima Italiam inundavit; 13 influxit Italiae inaudita
multitudo, quam ne ea quidem potuit sustinere terra quae genuit. Justin. 35, 4
a Germania Cimbros, inmensa milia ferorum atque inmitium populorum more
procellae inundasse Italiam. Ammian. Marcell. 31, 5, 12 Inundarunt
Italiam ex abditis Oceani partibus Teutones repente cum Cimbris. —
nach Appian Illyr. 4 Κελτοῖς (τοῖς Κίμβροις λεγομένοις) ὃ ϑεὸς τὴν γῆν ἔσεισε
χαὶ τὰς πόλεις χατήνεγχεν᾽ καὶ τὸ χαχὸν οὐχ ἔληγε, μέχρι χαὶ οἵδε τὰ οἰκεῖα
166 POSIDONIUS BEI STRABO
ihrem ursprunge nach eine gallische und auf jene bei ihrem er-
scheinen nur übertragen, da sie schon in dem satze des Ephorus
dass ‘den Kelten durch wasser und die fluten des oceans gröfserer
verlust entstehe als durch krieg’ vorgebildet ist und da aulserdem,
wie Timagenes, in der zweiten hälfte des letzten jahrhunderts
vor Ch. als historiker der nachfolger des Posidonius, berichtete,
die Druiden selbst behaupteten dass ein teil der bevölkerung
Galliens aus solchen bestehe die durch kriege und durch meeres-
fiuten von den äufsersten inseln und jenseit des Rheins vertrieben
neben der autochthonen bevölkerung platz gefunden hatten*. dass
diese meinung erst nach dem Kimbernzuge, etwa in folge der
niederlassung der Aduatuker die die Kimbern und Teutonen nach
Italien abziehend bei ihrem gepäck im nördlichen Gallien zurück-
gelassen hatten (Caesar Βα. 2, 29), ausgebildet sei, hat geringe
oder gar keine wahrscheinlichkeit, da die meisten Belgen schon
in alter zeit — antiquitus —, wie Caesar (Be. 2, 4) fand, über
den Rhein gekommen sein sollten und von den Kimbern und
Teutonen dort betroffen wurden. Timagenes wird sich auch über
die ursache der kimbrischen wanderung ausgesprochen haben und
erklärte sich dabei ohne zweifel gegen Posidonius und für die
vulgäre meinung. er wiederholte auch die fabel dass das von
Caepio a. 106 erbeutete gold von Tolosa von den Tectosagen in
Delphi geraubt sei**; ebenso Livius***. auch sie drückt nur eine
φεύγοντες ἐνέβαλον ἐς ᾿Ιλλυριοὺς χτλ. Celt. 13 schlielst sich Appians Tevrovwr
μοῖρα ληστεύουσα nolvavdoos näher an die übrigen zeugnisse an.
* 5. DA. 1, 281 wo es 8. 233 z. 1 ‘selbst’ statt ‘auch’ heifsen sollte.
übrigens hätte hier zu Ephorus berücksichtigt sein sollen was Nennius 8 69
(s. 76 San-Marte) von den fluten an der mündung der Severn (DA. 1, 367) er-
zählt: si fuerit exercitus totius regionis in qua est et direxerit faciem contra
undam, et exercitum trahit unda per vim, humore repletis vestibus, et equi
similiter trahuntur. si autem exercitus tergiversus fuerit contra eam, non
nocet ei unda; et quando recesserit mare, totum tunc littus quod unda tegit
retro denudatur et mare recedit ab ipso. auch Paulus Diac. de gest. Langob.
1, 6 ‘Sequanicae Aquitaniaeque littora bis in die tam subitis inundationibus
opplentur, ut qui fortasse aliquantulum introrsus a littore repertus fuerit, eva-
dere vix possit. videas earum regionum flumina fontem versus cursu velocis-
simo relabi ac per multorum milium spatia dulces fluminum lymphas in ama-
ritudinem verti”.
ἘΣ Strabo p. 188, womit Justin 32, 3 so sehr stimmt, dass Timagenes für ihn
gleichfalls die quelle sein muss. KMüller Fne. 3, 262.
*** nach Dio fr. 90 Bekk. vgl. Oros. 5, 15, und zu beachten ist dass Oro-
sius und Justin dasselbe gewicht des erbeuteten silbers (110000 pfund) an-
UBER HERKUNFT UND HEIMAT DER NORDLEUTE. 167
in Rom herschende meinung aus und ward daher ebenso wie die
fiutsage schon von Posidonius bekämpft, der zwar die plünderung
des delphischen tempels durch die Gallier nicht in abrede stellte,
aber doch hervorhob dass das edle metall in Tolosa nur in rohem,
unverarbeitetem zustande gefunden wurde, dass aber der delphische
tempel nach der plünderung durch die Phokaeer nichts mehr der-
gleichen gehabt und, wenn noch etwas übrig war, viele es geteilt
und die Gallier es nicht nach hause gebracht hätten)*.
Wenden wir uns nun zu dem cap. 11 in Plutarchs Marius,
so finden wir hier allerdings die flutsage nicht erwähnt, die Posi-
donius nicht übergangen haben kann, wohl aber und zwar ausführ-
lich die hypothese die er nach Strabo jener entgegenstellte, dass
die Kimbern zuerst den Griechen als Kimmerier von der Maeotis
her bekannt geworden seien. das eigentumsrecht des Posidonius
auf den inhalt des plutarchischen capitels ist damit erwiesen und
die bedeutung der tatsache für diese untersuchung bereits s. 153
hervorgehoben. das plutarchische capitel aber gibt bei näherer
betrachtung zu manigfachen bedenken anlass, da es die ansicht
und auseinandersetzung des Posidonius nicht nur unvollständig,
sondern zum teil auch so unverständig wiedergibt, wie sie von
keinem nur einiger mafsen zusammenhängend denkenden auctor
ausgegangen sein kann.
Sie zerfällt bei Plutarch in drei abschnitte, und zwar knüpft
der erste, ähnlich wie Sallust (s. 160), an die gefangennehmung
des Jugurtba, die zu anfang des j. 106 geschah**, so an als wenn
erst damals oder wenig später, gegen die zeit der niederlage des
Mallius und Caepio (am 6. oct. 105), die Kimbern und Teutonen
erschienen wären. schon war die ergreifung des Jugurtha in Rom
gemeldet, da trafen die gerüchte über die Teutonen und Kimbern
geben, dass aber die ‘centum mille pondo auri’ bei Orosius gegen Justins
‘“auri pondo quinquies decies centum milia’ gewaltig ermäfsigt sind. das gesamt-
gewicht betrug nach Posidonius (Strabo p. 188) 15000 talente = 1 177 500 röm.
pfund, nach Justin aber gegen 500000 pfund mehr. — die erklärung des
sprichwörtlichen “aurum Tolosanum’ bei Gellius 3, 9, 7 war gewis schon länger
in Rom im umlauf; sie zeigt ein sagenhaftes vorrücken des motivs, das die
versenkung des hortes bei den Tectosagen bewürkt haben soll, auf die Römer.
* Strabo p. 188. der widerspruch von Athenaeus p. 234 ist nicht von
der art dass man dies stück mit KMüller πα. 3, 274 dem Posidonius ab-
sprechen müste, dem Bake es wegen p. 233 zuteilte. die form Σχορσδισταὶ statt
Zxogdioxos ist die posidonische, Strabo p. 296 vgl. 293. Duncker Origg. p: 8.
** Wjscher Röm. zeittafeln 8. 159.
168 POSIDONIUS BEI PLUTARCH
ein, die anfangs in hinsicht der menge und stärke der heran-
ziehenden heere keinen glauben fanden, später aber als noch unter
der wahrheit sich auswiesen. 300000 streitbare mann rückten
gerüstet heran und sollten (ἐλέγοντο) noch viel gröfsere scharen
von kindern und weibern mit sich herumführen, land verlangend
zur ernährung einer solchen menge und städte in denen sie sich
ansiedeln und leben könnten, wie sie erfahren hatten dass vor
ihnen Kelten den besten teil Italiens den Tyrrhenern abgenommen
und in besitz hätten. ausser verkehr mit andern und wegen der
grölse des landes das sie durchzogen hatten wuste man von ihnen
nicht (7yvoovvro) was für leute oder von woher sie ausgerückt
waren, die jetzt wie ein wetter über Gallien und Italien herein-
brachen. — aufser der ungenauen anknüpfung ist hier nur her-
vorzuheben dass die gesamtsumme der bei Aquae Sextiae und
Vercellae gefallenen und gefangenen bei Plutarch (s. 134. 149),
etwa 290 000 mann, von der angegebenen heeresstärke nicht
wesentlich verschieden ist. Posidonius scheint darnach ange-
nommen zu haben dass sie sich trotz der weiten wanderung und
zahlreichen kämpfe und schlachten, die die Kimbern und Teutonen
bis zu den jahren 102. 101 zu bestehen hatten, teils durch die
nachwachsende jugend, teils durch die zuströmenden fremden ele-
mente bis zuletzt im ganzen gleich erhielt. doch setzt sie Diodor
(exc. Vat. xxxvu p. 125 Dind.) auf 400000 mann, Livius kommt (s. 134.
149. 158) auf ziemlich eine halbe million, und wie c. 21 (s. 135 f.)
sagt Plutarch wohl mit rücksicht auf ihn hier nach dem dritten
abschnitt dass die stärke des heeres von vielen nicht geringer,
sondern grölser, als vorher von ihm, angegeben werde.
Der erste abschnitt hat aber noch einen anhang. xai μαλεστα
μὲν εἰχάζοντο Γερμανικὰ γένη τῶν καϑηκόντων ἐπὶ τὸν βόρειον
ὠχεανὸν εἶναι, τοῖς μεγέϑεσε τῶν σωμάτων καὶ τῇ χαροπότητε τῶν
ὀμμάτων καὶ ὅτε Κίμβρους ἐπονομάζουσε Γερμανοὶ τοὺς ληστας.
demnach wuste man bei dem auftreten der Kimbern und Teutonen
durchaus nicht was für leute es waren und woher sie kamen, aber
man kannte — sonderbarer weise — schon vollkommen die Ger-
manen, man kannte ihre ausbreitung bis an den nördlichen ocean,
ihr aussehen, ihre leibesgröfse und hellen, leuchtenden augen und
selbst ihre sprache, und die meisten hätten darnach angenommen
dass jene Germanen waren. aber der ganze satz ist von anfang
bis zu ende eine handgreifliche unwahrheit. den wert des sprach-
lichen beweisstücks haben wir schon oben s. 116 ff. kennen gelernt
ÜBER HERKUNFT UND HEIMAT DER NORDLEUTE. 169
und vor dem Kimbernkriege haben weder die Römer noch die
Griechen die Germanen in der vorausgesetzten weise gekannt.
wäre dies der fall gewesen, so müsten die Römer während der
ganzen kriegszeit ja ihrer sinne nicht mächtig gewesen sein, wenn
sie das bekannte, wo sie es mit augen sahen und mit ohren hörten,
nicht wieder erkannten und nicht völlig darüber zum bewustsein
kamen ob die Kimbern und Teutonen nicht doch Germanen und
keineswegs, wie sie sie gemeinhin nannten, Gallier waren. auch
Posidonius hätte es schwerlich für nötig befunden eine eigne hypo-
these aufzustellen, um die herkunft und eigentümlichkeit des bis
dahin unbekannten volkes zu erklären. er kann mindestens nicht
die Germanen und ihren namen auf diese weise erwähnt haben
und der plutarchische satz nicht als beleg dafür gebraucht werden.
es ist darin vielmehr nur ein zusatz und zwar ein recht törichter
und unüberlegter Plutarchs zu erkennen, der der später allgemein
anerkannten und herschenden meinung von der herkunft der
Kimbern und Teutonen und zugleich der gelehrten notiz, wie wir
sie auch bei Festus oder Verrius Flaccus (s. 116) fanden, sich
erinnerte und die Germanen selbst aus eigner anschauung kannte.
sein schlechter zusatz aber steht unzweifelhaft an der stelle wo
Posidonius von der flutsage handelte. hatte es geheifsen, man
wuste nicht woher das heranrückende volk kam und was es für
leute waren, so konnte nur folgen, die gewöhnliche, verbreitete
meinung sei gewesen dass sie durch eine ungeheure flut von der
küste des nördlichen oceans vertrieben seien, darauf ihre wider-
legung, worauf dann Posidonius seine hypothese entwickelte. viel-
leicht hat Plutarch aus der darlegung der vulgären ansicht noch
einige ausdrücke in den anfang seines zweiten abschnittes her-
übergenommen, der sofort in die entwickelung der hypothese
einführt.
Um die in seinem zusatz mit καὶ μάλεστα μὲν εἰχάζοντο be-
gonnene aufzählung richtig fortzusetzen, beginnt Plutarch, seinen
einzigen gewährsmann verläugnend, im plural: einige aber — εἰσὶ
δὲ οἱ — sagen dass Keltike durch tiefe und gröfse des landes,
von dem äufseren meere und den strichen unter dem bärenkreise
— τῶν ὑπαρχτίων κλιμάτων — gegen sonnenaufgang und die Mae-
otis sich wendend — ἐπιστρέφουσαν —, an Scythien über dem
Pontus stofse und dass dort eine mischung der stämme vorgegangen
sei — ἅπτεσϑαι τῆς Ποντικῆς Σχυϑίας λέγουσι, κἀκεῖϑεν τὰ γένη
μεμῖχϑαι. diese auswandernd nicht auf @inmal und in einem ruck
170 POSIDONIUS BEI PLUTARCH
und nicht in ununterbrochenem zuge, sondern bei guter zeit in
jedem jahr immer weiter vorwärts schreitend hätten mit krieg in
langen zeiten das festland durchzogen: τούτους ἐξαναστάντας οὐχ
dx μιᾶς ὁρμῆς οὐδὲ συνεχῶς, ἀλλ᾽ ἔτους ὥρᾳ καϑ' ἕκαστον ἐνιαυτὸν
eis τοὔμπροσϑεν ἀεὶ χωροῦντας " πολέμῳ χρόνοις πολλοῖς ἐπελϑεῖν
τὴν ἤπειρον. deshalb, obgleich sie im einzelnen viele namen
führten, nannte man die kriegerische menge insgemein Keltoskythen:
διὸ καὶ πολλὰς κατὰ μέρος ἐπικλήσεις ἐχόντων χοινῇ Κελτοσκύϑας
τὸν στρατὸν ὠνόμαζον.
Posidonius steht hier ganz auf dem boden der alten welt-
anschauung. die ὑπάρχτια χλίματα begannen nach gemeingrie-
chischer ansicht schon mit dem 54° nördlicher breite, also eben
jenseit der Elbmündung, bis wohin auch nach Hipparch noch
Kelten wohnten (DA. 1, 243 ff. 486f.), und die Maeotis dachte
man sich weit in den norden vorgestreckt, nach Ptolemaeus bis
in dieselbe breite, nach dem älteren Artemidor (DA. 1, 357) sogar
noch drei grad weiter. sie wird hier nur als die ostgrenze Europas
gegen Asien genannt und Posidonius hat nicht gemeint dass an
der Maeotis die völkermischung sich vollzogen habe, weil damit
das pontische Scythien ausgeschlossen wäre. er dachte sich ein
grenzgebiet wo Kelten und Scythen zusammentrafen und sich
mengten, und von wo aus von zeit zu zeit wander- und kriegs-
lustige scharen aufbrachen und das südliche Europa überschwemm-
ten. das gebiet ist im wesentlichen dasselbe mit dem Germanien der
Römer zwischen Rhein und Weichsel oder Gallien und Sarmatien =
Scythien (oben 5.8. DA. 1, 488f.), und des Posidonius Κελτικῇ wesent-
lich auch die des Dionysius von Halicarnass 14, 1. 2 (DA. 1, 485),
der sie durch den Rhein in Γαλατία und Γερμανία teilt, das bis
zum ᾿Ερχύνιος δρυμὸς und den Rhipaeen reicht und an die Scythen
und Thraker grenzt, während Ζαλατία andererseits an die Pyre-
‚naeen stöfst. Pytheas hatte die Teutonen als Scythen von den
Kelten unterschieden (DA. 1, 480. 485). dem Posidonius geht un-
läugbar schon der begriff eines eigentümlichen, nicht scythischen
und nicht keltischen nordvolks auf. nur fehlt ihm noch der unter-
* der gegensatz ist hier unvollkommen ausgedrückt. denn οὐχ ἐχ μιᾶς
ὁρμῆς. οὐδὲ συνεχῶς erfordert zunächst ‘sondern zu verschiedenen zeiten bald
hier bald dort losbrechend’ und dann ἔτους ὥρᾳ xrA., was natürlich von dem
zuge der Kimbern und Teutonen hergenommen ist, die auf diese weise vor-
rückten. aber der negative ausdruck οὐχ ἐχ μιῶς δρμῆς χτλ. lässt den posi-
tiven gegensatz nicht zweifelhaft.
ÜBER HERKUNFT UND HEIMAT DER NORDLEUTE. 171
scheidende name dafür. er würde sonst nicht auf die hypothese
eines mischvolkes und für dies nicht auf Keltoskythen gekommen
sein, wenn er von Germanen gewust hätte.
auch Strabo kennt Κελτοσχύϑαι, und gewis nur aus Posido-
nius. der name kommt aufserdem gar nicht weiter vor und kann
kaum öfter vorkommen, da er sich nur auf die hypothese des Po-
sidonius stützt und deswegen ohne zweifel erst von ihm nach
analogie von KeiroAlyvss, Κελτίβηρες gebildet ist, die auch von
verhältnismäfsig spätem datum sind. KsAroliyvss heilsen die ober-
halb Massalias gemischt wohnenden Kelten und Ligyer zuerst bei
Timaeus (Mir. ausc. 85, DA. 1, 467), dann wahrscheinlich durch
vermittelung des Posidonius (DA. aao. und unten) bei Strabo selbst*;
Κελτίβηρες finden sich erst bei Polybius 3, 5. 17 usw. da aber
die räuberischen nordvölker bei den alten schriftstellern bald
Scythen bald Kelten oder Galater hiefsen, so konnte Posidonius
ohne grofse verwegenheit von dem sie in einen gesamtbegriff zu-
sammenfassenden namen wie von einem altüblichen sprechen —
Κελτοσχύϑας ὠνόμαζον —, und daher erklärt es sich wohl dass
auch Strabo wenigstens an einer stelle ihn zu den von den ‘alten’
gebrauchten rechnet **.
Es sollten nun nähere angaben über die züge und einfälle
der nordvölker bis auf die Kimbern folgen und namentlich muste
von dem ersten volk von dessen einbruch aus dem norden die
Griechen wusten, von den Kimmeriern, die Posidonius (s. 165) für
dasselbe mit den Kimbern hielt, die rede sein. dies geschieht
auch bei Plutarch, aber so dass er auf dem einmal mit μαλιστα
μὲν und εἰσὶ δὲ οὗ (s. 169) eingeschlagenen wege verharrend mit
* 2.203 χαλοῦσι δὲ τοὺς Σαλυας οἱ μὲν nalasos τῶν ᾿Βλλήνων Aiyvas
χαὶ τὴν χώραν, ἣν ἔχουσιν οἱ Μασσαλιῶται, Aryvorıznv, οὗ δ' ὕστερον Κελτο-
λίγνας ὀνομάζουσι.
* 9.33 φημὶ γὰρ χατὰ τὴν τῶν ἀρχαίων ᾿Ελλήνων δόξαν, ὡςπερ τὰ πρὸς
βοῤῥὰν μέρη τὰ γνώριμα ἑνὶ ὀνόματι Σχύϑας ἐχάλουν ἢ vouadas, ὡς Ὅμηρος,
ὕστερον δὲ χαὶ τῶν πρὸς ἑσπέραν γνωσθέντων Κελτοὶ χαὶ Ἴβηρες ἢ μιχτῶς
Κελτίβηρες χαὶ Κελτοσχύϑαι προςηγορεύοντο, ὑφ᾽ ἕν ὄνομα τῶν χαϑ' ἕχαστα ἐϑνῶν
ταττομένων διὰ τὴν ἄγνοιαν, οὕτω --- χτλ, Ὁ. 507 ἅπαντας μὲν δὴ τοὺς προςβόῤῥους
χοινῶς οἱ παλαιοὶ τῶν λλήνων συγγραφεῖς Σχύϑας καὶ Κελτοσχύϑας ἐχάλουν᾽
οὗ δ΄’ ἔτει πρότερον διελόντες τοὺς μὲν ὑπὲρ τοὺ Εὐξείνου χαὶ Ἴσιρου χαὶ τοῦ
Adoiov κατοιχοῦντας Ὑπερβορέους ἔλεγον χαὶ Σαυρομάτας χαὶ ᾿Αριμασπούς, τοὺς
δὲ πέραν τὴς Κασπίας ϑαλάττης τοὺς μὲν Σάώχας τοὺς δὲ Μασσαγέτας ἐκάλουν,
οὐχ ἔχοντες ἀχριβὲς λέγει» περὶ αὐτῶν οὐδέν, χαίπερ πρὸς Μασσαγέτας τοῦ Κύρου
πόλεμον ἱστοροῦντες. wobei er offenbar an Herodot oder Ktesias denkt.
172 POSIDONIUS BEI PLUTARCH
ἄλλοι δέ φασι einen dritten abschnitt beginnt. er muss dabei auf
sehr unbedachtsame leser gerechnet haben, die nicht merkten dass
hier nur die im ersten und besonders im zweiten eingeleitete aus-
einandersetzung sich fortsetzt, und die dann auch die näheren
angaben nach dem zweiten abschnitt nicht vermissten. so variiert
er auch z. Ὁ. im Coriolan c. 26 seine rede durch ein &vı0, δέ φασιν,
wo er wie vor- und nachher nur einen ununterbrochenen auszug
aus Dionysius von Halicarnass gibt*. von dem ἄλλοι δέ φασι
abgesehen aber sagte Posidonius nach Plutarch**:
Was die alten Hellenen zuerst von Kimmeriern kennen lernten,
sei nicht ein grolser teil des ganzen volkes, sondern nur eine
flüchtige schar oder partei gewesen, gezwungen von den Scythen
von der Maeotis aus nach Asien überzusetzen unter der anführung
des Lygdamis, der gröste aber und streitbarste teil von ihnen,
an dem ende der welt am äufseren meere angesessen, bewohne
ein land schattig und waldreich und der sonne überall wenig zu-
gänglich wegen der tiefe und dichtigkeit der forsten, die sich ein-
wärts — ἃ. 1. nach süden hin, in der richtung gegen den aequator,
wie oft ἐνδοτέρω und “introrsum’ (DA. 1, 472) — bis zu den her-
kynischen erstrecken, und es sei ihm ein himmel zu teil geworden
wo der pol eine bedeutende steigung nehmend wegen der neigung
der parallelen wenig von dem zenith abzustehen und die tage an
kürze und länge gegen die nächte gleich — ungleich? — mit
diesen die zeit zu teilen scheinen; weshalb dem Homer auch die
fabulose schilderung für die Nekyia leicht geworden sei. von
daher seien nun diese barbaren gegen Italien angerückt, Kim-
merier anfangs, damals aber nicht gegen (die ordnung Kimbern
* Peter Quellen Plutarchs 8. 8 ἴ.
ἘΣ die stelle, die die erste schilderung Germaniens enthält, muss hier voll-
ständig platz finden. Κιμμερίων τὸ μὲν πρῶτον ὑφ᾽ Ἑλλήνων τῶν πάλαι γνωσοϑὲν
οἱ μέγα γενέσϑαι τοῦ παντὸς μόριον, ἀλλὰ φυγὴν ἢ στάσιν τινὰ βιασϑεῖσαν ὑπὸ
Σκυϑῶν εἰς ᾿σίαν ἀπὸ τῆς Μαιώτιδος διαπερᾶσαι “υγδώμιος ἡγουμένου, τὸ δὲ
πλεῖστον αὑτῶν χαὶ μαχιμωτατον ἐπ᾿ ἐσχάτοις olxovv παρὰ τὴν ἔξω ϑάλασσαν γὴν
μὲν νέμεσϑαι σύσχιον χαὶ ὑλώδη zul δυςήλιον πάντη διὰ βάϑος χαὶ πυχνότητα
δρυμῶν, οὺς μέχρε τῶν ᾿Ερκυνίων εἴσω διήχειν, οὐρανοῦ δὲ εἰληχέναι, χαϑ'᾽ ὁ δοχεῖ
μέγα λαμβάνων ὃ πόλος ἔξαρμα διὰ τὴν ἔγχλισιν τῶν παραλλήλων ὀλίγον anolsi-
πεὶιν τοῦ κατὰ χορυφὴν ἱσταμένου σημείου πρὸς τὴν οἴχησιν, al τὲ ἡμέραε βραχύ-
Its χαὶ μῆχει πρὸς τὰς νύχτας ἴσαι χατανέμεσθαι τὸν χρόνον᾽ διὸ καὶ τὴν εὐπο-
ραν τοῦ μυϑεύματος Ὁμήρῳ γενέσϑαι πρὸς τὴν νεκυίαν. ἔνϑεν οὖν τὴν ἔφοδον
εἶναν τῶν βαρβάρων τούτων ἐπὶ τὴν ᾿Ιταλίαν, Κιμμερίων μὲν ἐξ ἀρχῆς, τότε δὲ
Κίμβρων οὐχ ἀπὸ τρόπου προςαγορευομένων. ἀλλὰ ταῦτα μὲν εἰχασμῷ μάλλον ἡ
κατὰ βέβαιον ἱστορίαν λέγεται.
ÜBER HERKUNFT UND HEIMAT DER NORDLEUTE. 173
genannt. doch, setzt Plutarch noch hinzu, wird dies mehr nach
vermutung als nach sicherer erkundung gesagt.
Plutarch muss im anfange, zwischen dem zweiten und dritten
abschnitt, einiges übersprungen haben. Posidonius hielt die Alpen
für die Rhipaeen und dies für ihren ältesten namen: später seien
sie Ὄλβια, dann erst "AArı@ genannt worden (Athen. p. 233, DA.
1, 228). demnach musten auch die Hyperboreer im norden des
gebirges wohnen*. doch konnte er als naturkundiger und astro-
nom die schöne dichtung nicht gut heilsen, und wo hätte er sie
passender besprechen und widerlegen können als in diesem zu-
sammenhange? auf jeden fall kann man Plutarchs dritten ab-
schnitt nicht unmittelbar an den zweiten knüpfen und das τοῦ
παντὸς uogsov auf die Keltoskythen statt auf die Kimmerier be-
ziehen. nur von den Kimmeriern zieht ein teil davon und der
gröste und streitbarste teil bleibt im norden zurück. so ist eine
lücke zwischen dem zweiten und dritten abschnitt nicht zu ver-
kennen, wenn auch im allgemeinen dieselbe auseinandersetzung
fortgeht. eine differenz besteht mit Strabo (s. 164) allein darin
dass er die Kimbern als das urvolk betrachtet und ihren namen
als den ursprünglichen, wofür die Hellenen Kimmerier sagten.
aber darin und wohl auch in der deutung des kimmerischen als
kimbrischen Bosporus drängt sich, wie sich später aus Diodor
9, 32 ergeben wird, nur, wie so oft, seine auffassung vor. die
ähnlichkeit in den worten, womit er sein excerpt einleitet und
Plutarch seinen auszug beschliefst, lässt noch eine spur des Po-
sidonius erkennen, der natürlich nicht verhehlte dass seine hypo-
these nichts weiter sei als eine vermutung und ein versuch eine
reihe so gewaltiger ereignisse, wie die periodische erscheinung der
nordvölker zu erklären.
Allein mit allem scharfsinn, aller einbildungskraft und physi-
kalischen gelehrsamkeit hätte er nie die kleine, einfache, aber
* fr. 90. schol. zu Apoll. Rhod, 2, 675 “Ὑπερβορέους un εἶναι τελέως φησὶν
Ἡρόδοτος —, Ποσειδώνιος δὲ εἶναί φησε τοὺς Ὑπερβορέους (ἃ. ἢ. er bestritt das
sophisma Herodots 4, 36, dass wenn es Hyperboreer gäbe, auch Hypernotier
geben müste, ähnlich wie Eratosthenes bei Strabo p. 61 f.), χατοικεῖν δὲ περὲ
τὰς ἴἔλλπεις τῆς ᾿Ιταλίας. da Athenaeus p. 233 die sage von dem ausschmelzen
des silbers durch in brand geratene wälder von den Pyrenaeen nur irrtümlich
auf die Alpen überträgt (s. unten im exc. zu Diodor 5, 35) und dabei die notiz
über ihre früheren namen einflicht, so entscheidet die stelle gar nichts über
den zusammenhang in dem sie bei Posidonius vorkam.
114 POSIDONIUS BEI PLUTARCH
wahrhafte und treffende schilderung der heimat der nach seiner
ansicht gröstenteils im norden verbliebenen Kimmerier oder des
landes von dem die Kimbern und ihre genossen ausrückten, blofs
᾿ vermutungsweise zu stande gebracht. Krates (DA. 1, 326) ent-
rückte den wohnsitz der homerischen Kimmerier oder Kerberier,
wie er sie umnannte, und den eingang zum Tartaros bis unter den
pol. die orphische Argonautik, die wie schon öfter bemerkt vor-
stellungen und fabeln der alexandrinischen gelehrsamkeit verwendet,
lässt die schiffer von der Maeotis und kaspischen see in das
nördliche, kronische oder tote meer bei den Hyperboreern ge-
langen (DA. 1, 411 f.), dann von den Macrobiern zu den Kimme-
riern (1125—1132), denen — ein theorem altionischer natur-
philosophen ist hier benutzt (DA. 1, 77. 498) — himmelhohe gebirge,
die Rhipaeen, der kaspische rücken, Phlegre und die Alpen gegen
morgen, mittag und abend die sonne verdecken, darauf weiter zu
der von stäts fruchttragenden bäumen umgebenen mündung des
Acherons mit der wohl gepflegten und gebauten stadt Ἑρμιονεία,
deren einwohner wegen der nähe des flusses und des eingangs
zur unterwelt beim tode keines fährgeldes bedürfen (1133—1147),
endlich von dort an den iernischen inseln oder der Insel Iernis
(DA. 1, 379) vorüber in den westlichen ocean. nachdem schon
Gesner hiezu Strabo p. 373 angeführt und GHermann noch andre
stellen beigebracht, leidet es keinen zweifel dass eine namen-
schwester der argolischen, griechischen stadt Hermione nebst ihrem
mythus hier zur variation der homerischen dichtung von den Kim-
meriern und zur ausfüllung des leeren raumes an den nördlichen
ocean versetzt ist; ohnehin kann kein vernünftiger im ernst dabei
an den deutschen stamm der Herminones denken. auf diese und
ähnliche fabeleien, wie die des Hecataeus von Abdera (DA. 1,
423 f.), sei hier nur verwiesen, um den unterschied zwischen der
schilderung des Posidonius und dem freien spiel griechischer phan-
tasie oder vermutung vor augen zu stellen.
Geminus, der mitbürger, zeitgenosse und wissenschaftliche tra-
bant des Posidonius*, setzt der dreisten folgerung des Krates
* HBrandes Über das zeitalter des geographen Eudoxos und des astro-
nomen Geminos aus dem vierten jahresbericht des vereins von freunden der
erdkunde in Leipzig 1865 hat freilich von neuem (DA. 1, 239 anm.) gegen
Böckh seine meinung verfochten dass Geminos schon um 140 vor Ch. ge-
schrieben habe und vielmehr ein jüngerer zeitgenosse des Polybius war, aber
wie ınir scheint mit sehr wenig glück und geschick. um zu beweisen dass
ÜBER HERKUNFT UND HEIMAT DER NORDLEUTE. 175
seinen bescheidenen zweifel entgegen (DA. 1, 246 anm.). der
weise Posidonius ermäfsigt sie beträchtlich, aber der stoiker ver-
läugnete die schule nicht ganz, noch seinen glauben an die weis-
heit Homers: indem er im lande der Kimbern die grundlage findet
auf der Homer seine schilderung des Kimmerierlandes aufgebaut,
lässt er sich als einen gemälsigten anhänger des ἐξωχεανισμὸς des
Krates ertappen, dem ja auch der stoiker Strabo nicht ganz ab-
geneigt war (DA. 1, 248). was Plutarch (s. 172) ἐγχλισις τῶν
παραλλήλων nennt, heifst bei Kleomedes (Cycl. theor. 1. 7 p. 35),
dem epitomator der posidonischen astronomie, ua. ἔγχλεσις τοῦ
κόσμου, die bei steigender polhöhe zunehmende neigung der grofsen
kreise des arcticus, tropicus und gleichers gegen den horizont,
mit dem sie unter dem pol endlich teils parallel liegen teils zu-
sammenfallen. über die mit der erhebung des pols in immer
gröfserer progression in den verschiedenen zeiten des jahres zu-
nehmende ungleichheit der tage und nächte war Posidonius voll-
ständig unterrichtet (Strabo p. 94f. 135f. Kleomedes 1, 6) und es
ist nicht daran zu denken dass er sich jemals fehlerhaft oder auch
nur unklar darüber ausgedrückt hätte. der unsinn von der tei-
lung des jahres durch gleich lange oder kurze tage und nächte,
den wir an unserer stelle lesen (s. 172), ist so arg dass man ihn
selbst einem Plutarch nicht zutrauen und durch eine änderung von
ἴσαε in avioas wenigstens mildern möchte. doch hat er immer
dem satze διὸ καὶ τὴν εὐπορίαν κτλ. eine fehlerhafte anknüpfung
gegeben, da Posidonius nicht in der wachsenden ungleichheit der
tage und nächte, sondern überhaupt in der beschaffenheit des
Kimbernlandes allein den grund des homerischen mytheumas ge-
funden haben kann. an der kosmologischen gelehrsamkeit und an
Geminus c. 6 nicht den berühmten knidischen astronomen Eudoxus meine, wird
8. 37 zwar nicht verschwiegen, aber doch nur bei seite geschoben und um-
gangen was Böckh (Sonnenkreise s. 11) sehr triftiges dagegen bemerkt, nament-
lich dass Geminus auch c. 14 ‘schlechtweg’ den astronomen Eudoxus anführt;
und ferner um zu beweisen dass Geminus nicht eine ἐξήγησις (und Znıroun?)
der meteorologie des berühmten Apameers geschrieben habe, sondern dass dies
wohl eine schrift eines unmittelbaren schülers des Zeno, des Posidonius von
Alexandria gewesen sei, wird eine änderung im texte des Simplicius gegen
Böckhs (8. 13) erinnerung stillschweigend beibehalten und Diogenes Laert. 7
9 38 angeführt, aber $ 39. 41 ua. nicht. ist aber c. 6 bei Geminus notwendig
der knidische astronom Eudoxus gemeint, so kann man die stelle nur wie
Petavius und Böckh auslegen und die rechnung führt auf einen zeitgenossen
des Posidonius von Apamea.
116 POSIDONIUS BEI PLUTARCH
der beziehung auf seinen geliebten Homer würde man schon den
Posidonius erkennen, selbst wenn das directe zeugnis Strabos über
die Kimbern und Kimmerier nicht vorläge. allein weiter wird die
gelehrsamkeit nicht eingemischt.
aus der landesbeschreibung, so kurz sie ist, weht einen noch
der schauer an mit dem der anblick des alten Germaniens einen
an sonnigere und freundlichere gegenden gewohnten fremden er-
füllte. die beiden momente, die sich der wahrnehmung zuerst
darboten, der ungeheure waldreichtum und die armut an sonnen-
licht und wärme, das ‘triste caelum’ des Römers* treten hervor,
und nicht minder richtig wird die ausdehnung des landes von dem
äulseren meere bis zu dem urwaldgürtel auf den höhen des
mittleren Deutschlands, der auch an einer andern stelle des Po-
sidonius bei Strabo p. 293 und zwar bei ihm zuerst (DA. 1, 432)
wie bei dem gewährsmann des Livius 5, 34, Dionys (s. 170) und
Caesar ᾿Ερχύνιος δρυμὸς heilst, angegeben.
diese allgemeine vorstellung von dem lande woher die Kim-
bern, Teutonen und Ambronen kamen konnte sich im verlauf des
krieges über Gallien, Raetien und Noricum nach Italien verbreiten
und Posidonius sie in Rom und in Massalia vorfinden und em-
pfangen. aber wiederum fehlt ihm der name Germania dafür,
wie im ersten und zweiten abschnitt für den volksstamm, und der
homerische mythus und die ionische sage müssen aushelfen. das
ergebnis, dass Posidonius als er gegen oder um das j. 90 (s. 128)
für seine bücher μετὰ Πολύβιον sammelte und arbeitete, den
namen Germani in Rom oder Massalia noch nicht vernahm oder
gebräuchlich fand, kann daher schon als hinreichend feststehend
angesehen werden und bedarf kaum noch einer weiteren bestäti-
gung. diese wird aber immer nicht unwillkommen und dann um
so willkommener sein, wenn sich zugleich die offenbaren lücken
des plutarchischen auszuges ausfüllen. wir haben solche lücken
sowohl zwischen dem ersten und zweiten als zwischen dem zweiten
und dritten abschnitte (s. 169. 171f.) wahrgenommen. nicht minder
aber vermisst man in oder bei dem dritten abschnitte nach der
ankündigung im zweiten noch eine angabe der Keltenzüge, die
nach den Kimmeriern und vor den Kimbern den süden trafen.
diese lücke ergänzt nun Diodor und gewährt zugleich noch jene
bestätigung.
* Seneca de prov. 4, 12. vgl. Tac. Germ. 2. Ann. 2, 24.
ÜBER HERKUNFT UND HEIMAT DER NORDLEUTE. 177
Nachdem im ersten bande der Deutschen altertumskunde von
8. 442—474 gezeigt war dass Diodor c. 2—14. 16—23 seines
fünften buchs dem Timaeus, c. 15 und 24 dem Dionysius Skyto-
brachion entnommen habe, ward bereits bemerkt s. 474 dass die
von c. 25—40 (nicht 39) folgenden, reichlichen nachrichten über
die Kelten Iberer Ligyer und Tyrrhener dem Posidonius entlehnt
sind. dies ergibt sich zum teil schon aus Wesselings anmer-
kungen und ist von Heyne (de fontt. Diod.), Niebuhr ua. öfter an-
erkannt. dennoch scheint mir eine zusammenhängende darlegung
wünschenswert, teils um das verfahren Diodors und ihm gegen-
über das eigentum des Posidonius genauer festzustellen, teils auch
in rücksicht auf Strabo, um zu zeigen in welchem mafse auch er
den Posidonius ausgebeutet; und wenn es der Deutschen alter-
tumskunde (1, III) daran liegt den weg, der von der alten welt
herüber in die unsre führt, vollständig und klar zu übersehen und
nach allen seiten hin möglichst freie aussicht zu haben, so kommt
es, um das vorrücken der weltkunde von stufe zu stufe bis zu
den Germanen zu verfolgen, ganz besonders darauf an, die nach-
richten über die auf ihrem wege zwischen Griechenland und Rom
und den Germanen liegende barbarenwelt im ganzen umfange zu
überblicken und ihre herkunft und beschaffenheit zu kennen. zu
diesem zwecke sind schon im ersten bande eine reihe von unter-
suchungen geführt und sie sind am wenigsten zu umgehen wo die
nachrichten in unmittelbarer verbindung mit solchen über Ger-
manien selbst auftreten. nachdem zuletzt dem Diodor entzogen
und dem Timaeus wieder zugeeignet ist was ihm bei jenem im
fünften buche gebürt, bleibt nun noch dasselbe zu tun für Posi-
donius, der nicht nur den ersten in der geschichte gewaltiger
auftretenden Germanen das ernstlichste studium und nachdenken
widmete, sondern dem wir auch einen grolsen teil unserer ganzen
kunde von den barbaren des westens, ja ganz Europas allein ver-
danken. um jedoch den gang der untersuchung hier nicht zu
unterbrechen, versparen wir den nachweis für die cap. 25--31 und
33—40 Diodors auf einen anhang und excurs und betrachten hier
nur das cap. 32, dessen erster abschnitt schwierigkeiten macht.
Derselbe lautet: Χρήσιμον δ' ἐστὶ διορίσας, τὸ παρὰ πολ-
λοῖς ἀγνοούμενον᾽ τοὺς γὰρ ὑπὲρ Μασσαλίας κατοικοῦντας ἐν
τῷ μεσογείῳ καὶ τοὺς παρὰ τὰς ἴάλπεις ἔτι δὲ τοὺς ἐπὶ Tads τῶν
Πυρηναίων ὁρῶν Κελτοὺς ὀνομάζουσι, τοὺς δ᾽ ὑπὲρ ταύτης τῆς
Κελτικῆς εἰς τὰ πρὸς νότον (]. πρὸς ἄρκτον) νεύοντα μέρη παρά τε τὸν
DEUTSCHE ALTERTUMSKUNDR II. 12
118 POSIDONIUS BEI DIODOR
ὠχεαγὸν καὶ τὸ Ερχύνιον ὄρος καϑιδρυμένους καὶ πάντας τοὺς ἑξῆς
μέχρε τῆς Σχυϑίας Γαλάτας προςαγορεύουσεν᾽ οἱ δὲ Ρωμαῖοι
παλιν πάντα ταῦτα τὰ ἔϑνη συλλήβδην μιᾷ προςηγορίᾳ περιλαμ-
βάνουσιν, ὀνομάζοντες Γαλάτας ἅπαντας Ὦ.
Wer hier nicht wie Cluver GA. (1631) 1, 10 p. 72 überver-
wegene und unerlaubte umstellungen vornimmt, muss sich mit der
von Niebuhr (Röm. gesch. 25, 587 f.), Zeufs 62 ua. schon vorge-
schlagenen, notwendigen änderung des πρὸς νότον in πρὸς ἄρχιον
begnügen und darf sie getrost in den text aufnehmen, mag der
schreibfehler, der auch sonst vorkommt (DA. 1, 339. 341), von
einem abschreiber oder von Diodor selbst herrühren. die geo-
graphische, räumliche einteilung ist dann genau dieselbe wie bei
Dionysius von Harlicarnass (s. 170), nur dass der Rhein und an-
dererseits die Rhipaeen ungenannt bleiben, und die auffassung
Germaniens als einer fortsetzung von Keltike** gegen Scythien,
sowie seine begrenzung durch den ocean und das ᾿ Ἐρκύνιον ὄρος
ist ebenfalls auch genau die des Posidonius bei Plutarch (s. 172.
176), so dass Dionysius bei seiner anordnung auch vielleicht den
Posidonius zur voraussetzung hat und von ihm ausgegangen ist,
wenn unsre stelle auf ihn zurückgeht.
Allein die ethnographische einteilung, die einschränkung der
Kelten auf Gallien und die verschiebung der Galater nach Ger-
manien, wie sie in den durch den druck hervorgehobenen worten
zu tage tritt, steht in widerspruch mit Dionysius und Posidonius
* man hat diese vielbesprochene stelle neuerdings (AMiller Strabos
quellen über Gallien und Brittannien, Stadtamhof 1868 s.13) dadurch erklären
wollen dass man hier die Κελτοὶ wie Strabos Κέλτω auf die alte römische
provincia (Narbonensis) einschränkt. allein Strabo p. 176. 177 geht von den
ersten beiden sätzen Caesars Βα. 1, 1 und seiner einteilung Galliens aus, liefs
aber den dritten satz ‘Gallos ab Aquitanis Garumna flumen, a Belgis Matrona
et Sequana dividit’ unbeachtet und übersah dass Caesar die provincia gar nicht
in seine einteilung einbegreift. so beruhen seine Κέλται nur auf einem groben
misverständnisse, indem er die ‘Celtae’ Caesars auf die Narbonensis bezog und
den Belgen das ganze übrige Gallien aufser Aquitanien einräumte. kein Grieche
kennt vor und nach ihm die Form Κέλται, aufser Eustathius zu Dion. per. 288
durch Strabo selbst. sie ist nur dem ‘Celtae’ Caesars nachgebildet und Strabos
p. 189 οὖς, οἱ πρότερον Κέλτας ὠνόμαζον, ἀπὸ τούτων δ᾽ οἶμαι καὶ τοὺς
σύμπαντας Γαλάτας Κελτοὺς ὑπὸ τῶν ᾿Βλλήνων προςαγορευϑῆναι ist nur seine
eigne, ganz nichtige vermutung. vgl. DA. 1, 167. 500.
** denn ὑπὲρ ταύτης τῆς Κελτιχῆς εἰς τὰ πρὸς ἄρχτον νεύοντα μέρη kann
man nur so auffassen dass Keltike nicht nur das eigentliche Gallien, sondern
auch die nördlichen teile umfasst.
ÜBER HERKUNFT UND HEIMAT DER NORDLEUTE. 179
und dem gebrauch aller übrigen Griechen. dass nach den ex-
cerpten des Athenaeus p. 151. 154. 233. 246 Posidonius die Gallier
vorzugsweise Κελτοὶ zu nennen scheint, darf nicht irren. es ist
nicht anzunehmen dass sein sprachgebrauch von dem des Timaeus
Polybius Strabo und der gewöhnlichen ausdrucksweise des Diodors
selbst (1, 4. 4, 19. 5, 24. 25. 27. 33 uö.) abwich. ihnen ist Γαλάτης
ein bestimmter ethnographischer begriff, der zunächst die Gallier
im eigentlichen Gallien, dann auch die in Norditalien, an der
Donau und in Kleinasien umfasst, und sie gebrauchen daneben
den älteren namen Κελτοὶ entweder als synonymum, oder in dem
alten, unbestimmteren räumlichen sinne, der die von Posidonius
eingeleitete, von Dionysius vollzogene teilung gestattete und dann
den späteren erlaubte die Germanen selbst als KsAroi den Talaraıs
in Gallien entgegenzustellen*. aber niemals heifsen jene aufser
bei Diodor Γαλάται, es sei denn dass von Kimbern und Teutonen
die rede ist und der alte römische sprachgebrauch einwürkte, wie
etwa an den s. 159 erwähnten stellen oder wenn bei Dio 44, 42
in einer rede des Antonius Γαλατία ἢ τοὺς τε "Außowvas καὶ τοὺς
Κίμβρους ἐφ᾽ ἡμᾶς ἀποστείλασα heilst.
Die einteilung kann daher nur auf einer erfindung oder ein-
bildung und confusion Diodors beruhen. dass sie sein werk: ist,
ergibt sich schon aus der stumpfsinnigkeit mit der sie vorgetragen
wird, nachdem vorher immer unterschiedslos von Kelten und Ga-
latern als Galliern die rede gewesen ist. es ergibt sich ferner
aus der fortsetzung des cap. wo Diodor sich bemüht eigentüm-
liches und besonderes über seine Galater beizubringen. er dünkt
sich im besitz einer ganz neuen kunde, was noch παρὰ πολλοῖς
ἀγνοούμενον ist. er weils auch von Caesars gallischen kriegen,
um deren anfang er nach Aegypten kam (1, 4. 44. 83), er weils
von Caesars zügen nach Brittannien und über den Rhein, sogar,
nach einem in c. 25 eingeschalteten satz, dass die Donau und der
Rhein die grösten der in den ocean mündenden flüsse sind und
dass Caesar ὁ χληϑεὶς ϑεός — anders nennt er ihn nicht 1, 4. 4, 19.
ὅ, 21 — den Rhein unglücklicher weise überbrückt, seine truppen
zu fuls hinüber geführt und τοὺς πέραν κατοικοῦντας Γαλάτας
bezwungen habe (ἐχειρώσατο). diese stelle lässt keinen zweifel
dass die einteilung sein eignes, wohl bedachtes machwerk ist, so-
weit von überlegung dabei die rede sein kann. er hat darnach
* 8. 154, besonders Duncker Origg. Germ. s. 88 f.
12*
180 POSIDONIUS BEI DIODOR
wohl aus dem munde von Römern, die sich noch wie Cicero und
Sallust (s. 160 1.) über die Germanen ausdrückten und sie 'transrhe-
nani Galli’ nannten, von diesen gehört, auch erfahren dass sie von
den cisrhenanischen Galliern verschieden seien, und diese kunde
schien ihm so wichtig, sein eigner einfall ihm auch in seiner un-
wissenheit der mangelhaften römischen unterscheidung gegenüber
so glücklich, dass er ihn allen unkundigen nicht glaubte vorent-
halten zu dürfen. aber er wuste so wenig näheres über die Ger-
manen, und so weit geht ‘die unglaubliche einfalt und noch un-
glaublichere gewissenlosigkeit dieses elendesten aller scribenten’*,
dass er teile und überreste von .sätzen, die er schon ὁ. 28 und
31 aus der schilderung des Posidonius von den Galatern ausge-
zogen hat, in unserm cap. nachbringt als belege für die art
seiner transrhenanischen Galater.
Mit rücksicht auf diese excerpte, die nur von den echten Ga-
latern in Gallien handelten und für die ihm keine andren nach-
richten zur hand waren, kann Diodor den namen Germani, wenn
er ihn überhaupt vernommen hatte oder sich seiner noch erinnerte,
unterdrückt haben. wenn er aber seine unterscheidung der Kelten
und Galater der behauptung, dass die Römer πάντα ταῦτα τὰ
ἔϑνη συλλήβδην μεᾷ προσηγορίᾳ benannten, entgegensetzte, 80
muss er den namen Germani von ihnen entweder nicht gehört
oder vergessen oder absichtlich für sich behalten haben. auf jeden
fall steht fest dass er ihn nicht bei Posidonius gefunden hat,
und wenn keinen andern, so bringt seine elende weisheit doch den
vorteil dass durch sie die frage, ob Posidonius den namen gekannt
oder nicht gekannt hat, wohl endgiltig entschieden wird. dagegen hat
Diodor den merkwürdigen satz dass die Römer alle völker dies-
seit und jenseit des Rheins ovAAnßdnv mit einem namen Gallier
nannten, ohne zweifel nicht selbst aufgestellt, sondern schon bei
Posidonius vorgefunden. er passt völlig der wahrheit gemäfs und
ungezwungen allein für die zeit des Posidonius und ist die voll-
ständigste, ausdrückliche bestätigung dessen was s. 158— 161 über
den römischen sprachgebrauch vor und nach dem anfang des letzten
jahrhunderts vor Ch. ermittelt wurde. noch weniger aber hätte
Diodor aus eignem vermögen die in den ersten sätzen (s. 177) ent-
haltene begrenzung Galliens und Germaniens zu stande bringen
können die, wie wir sahen, mit den angaben des Posidonius bei
--------. -. un --
* Mommsen Röm. chronologie 8. 125.
ÜBER HERKUNFT UND HEIMAT DER NORDLEUTE. 181
Plutarch aufs wort übereinstimmt und von Dionysius vorausgesetzt
wird. die armseligkeit Diodors ist unser bestes glück. wenn man
nur absieht von den s. 177£. durch den druck ausgezeichneten worten,
die entschieden nicht von Posidonius herrühren können, sondern
erwiesener mafsen eigentum Diodors sind, so bleibt ein satz der
nicht nur dem inhalte nach von Posidonius herrühren kann, son-
dern der gewis auch, in nur wenig abweichender fassung, bei ihm
nach der abweisung der flutsage (s. 162 ff. 169) die hypothese und
entwickelung der ansicht von einem eigentümlichen, zwischen
Kelten oder Galatern und Scythen stehenden Nordvolke einleitete,
so dass sich der zweite plutarchische abschnitt (s. 169) bald daran
anschloss. denn dass die einleitung des Posidonius zu den Kim-
bernkriegen dem Diodor vorgelegen hat und neben der vorher
schon benutzten beschreibung der Galater von ihm in diesem cap.
ausgezogen ist, ergibt sich sogleich.
Er hat in c. 32 ganz verschiedenartige, in keinem näheren
zusammenhange stehende stücke in seiner weise teils nur roh zusam-
mengestellt teils lose an einander gereiht. so folgt auf den ersten
absatz unmittelbar dass die weiber der Galater an gröfse und
stärke den männern gleich kämen und dass die kinder meistens
&x γενετῆς πολιὰ wären, aber mit den jahren die farbe der väter
erhielten — εἰς τὸ τῶν πατέρων χρῶμα ταῖς χρόαες μετασχηματί-
ζεται. dies gehört augenscheinlich in den zusammenhang des an-
fangs von c. 28, wo es von den Galliern heifst: οἱ δὲ Γαλάται τοῖς
μὲν σωμασίν slow εὐμήκεις, ταῖς δὲ σαρξὶ κάϑυγρον καὶ λευκοί,
ταῖς δὲ κόμαις οὐ μόνον dx φύσεως ξανϑοί, ἀλλὰ καὶ διὰ τῆς
κατασχευῆς ἐπιτηδεύουσιν αὔξειν τῆν φυσικὴν τῆς χρόας ἰδιότητα.
τιτάνου γὰρ ἀποπλύματι σμῶντες τὰς τρίχας συνεχῶς κτλ. WOTaus
man zugleich sieht dass Diodor auch c. 32 nur die harfarbe und
nicht die hautfarbe meint (vgl. Niebuhr Röm. gesch. 2°, 592). ähn-
lich stehen zu ende des cap. zusammenhangslos zwei stücke von
der grausamkeit der opfer und der männerliebe der barbaren,
welches laster erst in viel späterer zeit einigen verwilderten ger-
manischen stämmen vorgeworfen wird*. aus Strabo p. 198 sieht
* den Taifalen bei Ammian 31, 9, 5 und den Herulern bei Prokop Bo. 2, 14
p. 204; vgl. Sextus Empir. Hypotyp. 3, 199, wo Fabricius Καρμανοῖς statt Γερ-
μανοῖς vermutete; dagegen Quintilian Declam. 3, 16 nihil tale novere Germani
et sanctius vivitur ad Oceanum; Wilda Strafrecht 8. 858 f. 787. 789, dazu
Fritzner 8. v. ragr. die ‘corpore infames’ Germ. 12, für die Wilda p. 154 keinen
rat weils, sind aus Hist. 4, 14 zu erklären; vgl. Ann. 1, 73. 15, 49.
182
POSIDONIUS BEI DIODOR
man wie das erste bei Posidonius unmittelbar auf eine von Diodor
schon c. 31 excerpierte stelle folgte.
STRABO
ἄνϑρωπον γὰρ κατασπεισμένον
παίσαντες εἰς νῶτον μαχαΐρᾳ
ἐμαντεύοντο ἐχ τοῦ σφαδασμοῦ.
ἔϑυον δὲ οὐχ ἄνευ δρυϊδῶν.
καὶ ἄλλα δὲ ἀνϑρωποϑυσιῶν
εἴδη λέγεται. καὶ γὰρ κατετόξευόν
was καὶ ἀνεσταύρουν ἐν τοῖς
ἱεροῖς καὶ κατασχευάσαντες κο-
Dıonor
ὁ. 31. ἄνθρωπον γὰρ κατα-
σπείσαντες τύπτουσε μαχαΐρᾳ
κατὰ τὸν ὑπὲρ τὸ διάφραγμα
τόπον καὶ πεσόντος τοῦ πλη-
γέντος ἐκ τῆς πτώσεως καὶ τοῦ
σπαραγμοῦ τῶν μελῶν ἔτε δὲ
τῆς τοῦ αἵματος δύσεως τὸ μέλλον
νοοῦσι — . ἔϑος δ᾽ αὐτοῖς ἐστι
μηδένα ϑυσίαν ποιεῖν ἄνευ φιλο-
σόφου. (vgl. vorher φιλόσοφο ----
οὺς δρουίδας ὄνομαζουσι.)
6. 82. τοὺς γὰρ κακούργους
κατὰ πενταετηρίδα φυλάξαντες
αἀνασχολοπίζουσι τοῖς ϑεοῖς καὶ
μετ᾽ ἄλλων πολλῶν ἀπαρχῶν καϑ-
λοσσὸν χόρτου καὶ ξύλων, ἐμβα-
λόντες εἰς τοῦτον βοσχήματα καὶ
ϑηρία παντοῖα καὶ ἀνϑρώπους,
ὡλοκαύτουν.
αγίζουσι, πυρὰς παμμεγέϑεες
κατασχευάζοντες. χρῶνται δὲ καὶ
τοῖς αἰχμαλώτοις ὡς ἱερείοις πρὸς
τὰς τῶν ϑεῶν τιμάς. τινὲς δὲ
αὐτῶν χαὶ τὰ κατὰ πόλεμον ληφ-
ϑέντα ζῷα μετὰ τῶν ἀνθρώπων
ἀποχτείνουσιν ἢ κατακαίουσιν ἤ
τισιν ἄλλαις τιμωρίαις ἄφα-
yilovos*®.
für Diodors letzten absatz γυναῖκας δ᾽ ἔχοντες εὐειδεῖς — ἘΞ,
* so ertränkten auch die Kimbern bei Arausio die rosse der Römer,
henkten die gefangenen und vernichteten die ganze beute, Oros. 5, 16. — mit
Strabos genauerer beschreibung stimmt Caesar Be. 6, 16 ‘ad ea sacrificia druidi-
bus utuntur — alii inmani magnitudine simulacra habent, quorum contexta
viminibus membra vivis hominibus complent; quibus succensis circumventi
flamma exanimantur homines’”. da er aber die βοσχήματα χαὶ ϑηρία παντοῖα
übergeht, so kann Strabo ihn hier nicht ausgezogen haben, sondern umgekehrt
Caesar den Posidonius, da ‘wir zu der annahme berechtigt sind dass Caesar
des Posidonius schriften selbst ebenso vor augen hatte wie Strabo’ AMiller aao.
8. 17. vgl. 28.
ἘΦ ἥχιστα ταύταις προσέχουσι, ἀλλὰ πρὸς τὰς τῶν ἀῤῥένων ἐπιπλοχὰς ἐχτόπως
λυττῶσιν. εἰώϑασι δ᾽ ἐπὶ δοραῖς Impiwv γαμαὲ καϑεύδϑοντες ἐξ ἀμγχοτέρων τῶν
μερῶν παρεχοέτοις συγχυλίεσϑαι. damit stimmt Athenaeus p. 603 so vollkommen
ÜBER HERKUNFT UND HEIMAT DER NORDLEUTE. 183
besonders zu τῆς ἰδίας εὐσχημοσύνης ἀφροντιστοῦντες τὴν τοῦ σώ-
ματος ὥραν εὐχόλως ἑτέροις προΐενται, καὶ τοῦτο αἰσχρὸν 00% ἤ-
γοῦνται, ἀλλὰ --- vergleiche man Strabo p. 199 χαὶ τοῦτο δὲ τῶν
ϑρυλουμένων ἐστίν, ὅτε πάντες Κελτοὶ φιλόνεικοί (1. φιλόνεοί,
Meineke ἡδόνικοί) τέ εἶσι καὶ οὐ νομίζεται παρ᾽ αὐτοῖς αἰσχρὸν
τὸ τῆς ἀχμῆς ἀφειδεῖν τοὺς νέους. den beiden letzten stücken zu
ende des cap. aber gehen bei Diodor zwei excerpte aus der ein-
leitung des Posidonius vorauf, so dass er die reihe derselben
aufser der interpolation des ersten absatzes nur durch die un-
sinnige einschaltung des zweiten stückes von den weibern und
kindern der Galater unterbrochen hat.
der dritte absatz nemlich lautet: ἀγριωτάτων δὲ ὄντων τῶν
ὑπὸ τὰς ἄρχτους κατοικούντων καὶ τῶν τῇ Σκχυϑίᾳ πλησιοχώρων
φασί τινας ἀϑρώπους ἐσϑίειν, ὥςπερ καὶ τῶν Βρεττανῶν τοὺς
κατοιχοῦντας τὴν ὀνομαζομένην ἴριν. gemeint sind hier zunächst
die alten scythischen Andro- oder Anthropophagen, von denen
später im fünften buche die rede sein wird, wo man auch die
andern sagen von menschenfressern im nördlichen Europa zusam-
mengestellt findet. im vierten jahrhundert nach Ch. galt das wilde
brittische, vielleicht irische seeräubervolk der Atacotti in Gallien
für menschenfresserisch, wo sie der heilige Hieronymus in seiner
jugend gesehen hatte*. Posidonius sprach von der sitte der Iren
wie der nachbaren der Scythen ohne zweifel nur als einer sage
und das φασί Diodors wird sich von ihm herschreiben. er könnte
davon in Gallien gehört haben; allein Strabo p. 201** fand bei
dass sein excerpt gleichfalls aus dem Posidonius stammen muss: Κελτοὶ di τῶν
βαρβάρων καίτοι xallioras ἔχοντες yuraixas, παιδικοῖς μᾶλλον χαίρουσιν, ὡς πολ-
λάχις ἐνίους ἐπὶ ταῖς δοραῖς μετὰ δύο ἐρωμένων ἀναπαύεσϑαι.
* HMüller (Marken des vaterlandes 1, 32* nachtr.) bemerkte schon dass
der heilige zu viel gesehen haben will, indem er sagt (advers. Jovinian. 2, 7
Vallars 2, 335. Martianay 4, 3, 201) Cum ipse adolescentulus viderim Atticottos,
gentem Britannicam, humanis vesci carnibus et, cum per silvas porcorum greges
et armentorum pecudumque reperiant, pastorum nates et feminarum papillas
solere abscindere et has solas ciborum delicias arbitrari. da sie bei Ammian
und nach einer andern stelle des Hieronymus (Zeufs 568. 573) im verein mit
Scuten auftreten, so ist es zweifelhaft ob man sie zu den Britten zählen muss.
ἘΦ μεγάλη δ᾽ ἡ Ἰέρνη —. περὲ ἧς oudiv ἔχομεν λέγειν σαφὲς πλὴν ὅτι ἀγριώ-
00: τῶν Βρεττανὼν ὑπάρχουσιν οἱ χατοιχοῦντες αὐτήν, ἀνθρωποφάγοι τε ὄντες
χαὶ πολυφάγοι, τούς τε πατέρας τελευτήσαντας χατεσϑίειν ἐν καλῷ τεϑέμενοι χαὶ
φανερῶς μίσγεσθαι ταῖς τε ἄλλαις γυναιξὲ καὶ μητράσι καὶ ἀδελφαῖς. χαὶ ταῦτα
δ᾽ οὕτω λέγομεν ὡς οὐχ ἔχοντες ἀξιοπίστους μάρτυρας" xalıos τὸ γε τῆς ἀνϑρω-
ποφαγίας χαὶ Σχυϑιχὸν εἶναι λέγεται, καὶ ἐν ἀνάγχαις πολιορχητιχαῖς χαὶ Κελτοὶ
184 POSIDONIUS BEI DIODOR
ihm mehr als BDiodor hervorhebt. die Iren sollen nicht nur
menschenfresser sein, die sogar ihre verstorbenen eltern verzehren,
sondern auch in einer weibergemeinschaft leben, dass sie sich
öffentlich mit andern weibern und selbst mit ihren müttern und
schwestern begatten. ähnliches muss auch Mela 3, 6, 53* meinen,
und da seine nachrichten über Brittannien und Irland sonst auf
Timaeus oder Pytheas zurückgehen (DA. 1, 366. 379 f. 470. 490 £.),
so folgte auch Posidonius hier wie bei den scythischen Anthro-
pophagen nur der litterarischen tradition. er kann daher auch
nicht wie Diodor von einer insel Ἴρις gesprochen haben, sondern
nur wie Eratosthenes und Pytheas und wie Strabo von der insel
’Ieovn oder 'Isevis. Strabo, der sich beklagt über sie nichts ge-
wisses nach glaubwürdigen zeugen berichten zu können, wird wie
bei Gallien beinahe wörtlich dem Posidonius gefolgt sein. auf
diesen deutet bei ihm auch die einschränkende bemerkung dass
menschenfresserei jedoch auch scythische sitte sein solle und dass
in der not bei belagerungen Kelten, Iberer und andre mehr dazu
kämen, da Caesar Be. 7, 77 die sache nur beiläufig in einer rede
des Critognatus für die Gallier einräumt, aber gerade für die zeit
der verheerung Galliens durch die Kimbern und Teutonen, die
auch Posidonius beschrieben hatte.
Strabo hat sogar wahrscheinlich seine vorstellung, das Ierne
das nördlichste land der oekumene und wegen der kälte kaum
noch bewohnbar sei (DA. 1, 360), von dem Posidonius wenn auch
nicht entlehnt, doch abgeleitet. Posidonius schrieb dem klima
einen bedeutenden einfluss auf den character, die lebensweise und
körperbeschaffenheit der völker zu** und meinte dass die wildheit der
menschen nach norden hin immer mehr zunehme. an diese ansicht
χαὶ Ἴβηρες καὶ ἄλλοι πλείους ποιῆσαι τοῦτο λέγονται. zu den zeugnissen über
die weibergemeinschaft der Britten (DA. 1, 397) kommt Hieronymus Epist. ad
Ocean. (Martianay 4, 2, 648) ‘Scottorum et Atticotorum ritu ac de re publica
Platonis promiscuas uxores, communes liberos habent'.
* cultores eius (Iuvernae) inconditi sunt et omnium virtutum ignari magis
quam aliae gentes, pietatis admodum expertes,.
** fr. 84 aus Galen de plac. Hippocr. et Plat. 5 p. 290 συνάπτει δ᾽ εἰκότως
τοῖς λόγοις τούτοις ὃ Ποσειδώνιος τὰ χατὰ τὸν φυσιογνώμονα φαινόμενα — χαὶ
χατὰ τὰς χωρας οὐ σμιχρῷ τινε διενηνοχέναι τοῖς ἤϑεσι τοὺς ἀνθρώπους εἰς δειλίαν
καὶ τόλμαν ἢ τὸ φιληδονόν τε zul φιλόπονον, ὡς τῶν παϑητιχῶν χινήσεων
τῆς ψυχῆς ἑπομένων ἀεὶ τῇ διαϑέσει τοῦ σώματος, ἣν ἐχ τῆς χατὰ τὸ
περιέχον χράσεως οὗ χατ᾽ öliyov ἀλλοιοῦσϑαι. dazu vgl. noch Posi-
donius bei Strabo p. 102 ἴ.
ÜBER HERKUNFT UND HEIMAT DER NORDLEUTE. 185
knüpft das excerpt Diodors an, ja gründet sich darauf, und Po-
sidonius muste von ihr aus nicht nur die Hyperboreerdichtung
(s. 173) bekämpfen, sondern sie auch zur begründung seiner hypo-
these eines grofsen nördlichen räubervolkes, das von zeit zu zeit
scharen gen süden entsendet, gebrauchen. es ist offenbar, wie der
erste absatz Diodors vor den zweiten abschnitt Plutarchs, so fällt
das dritte excerpt in die lücke zwischen Plutarchs zweitem und
drittem abschnitt (s. 171f.), ist aber von Diodor nur seines para-
doxen inhalts wegen ausgehoben. |
Nicht minder ist die stelle von Diodors viertem absatz deut-
lich und zweifellos. in dem ersten satze — διαβεβοημένης δὲ τῆς
τούτων ἀλκῆς καὶ ἀγριότητός φασί τινες ἐν τοῖς παλαιοῖς χρόνοις
τοὺς τὴν Aciav ἅπασαν καταδραμόντας ὀνομαζομένους δὲ Κιμμερίους
τούτους εἶναι, βραχὺ τοῦ χρόνου τὴν λέξιν φϑείραντος ἐν τῇ τῶν
καλουμένων Κίμβρων προςηγορίᾳ. — könnte man in dem φασί
zıvss eine andeutung finden dass auch Diodor die ansicht des
Posidonius nur als eine hypothese vorgetragen fand; aber viel
wahrscheinlicher ist dass Posidonius selbst für den Kimmerierein-
fall sich auf die alten historiker wie Herodot oder zeugen wie
Kallinus und Archilochus (Strabo p. 627. 647f.) bezog. Diodor
fasst in dem satze den anfang und das ende von Plutarchs drittem
abschnitt (s. 172) zusammen und überspringt den übrigen inhalt
desselben. er bestätigt durch seine aussage, dass der name Kim-
merier mit der zeit ein wenig in Kimbern verderbt sei, die auf-
fassung Plutarchs (s. 173) gegen Strabo, aber Strabos bezeichnung
der Kimbern als Anozosxor καὶ πλάνητες (8. 164) entspricht Diodors
zweitem satze ζηλοῦσι γὰρ ἐκ παλαιοῦ λῃστεύειν ἐπὶ τὰς ἀλλοτρίας
χώρας ἐπερχόμενοι καὶ καταφρονεῖν ἁπάντων, und der dritte satz
füllt dann die grofse geschichtliche lücke zwischen dem Kimmerier-
und Kimbernzuge (8. 176) aus: οὗτοι γάρ δἰσεν οὗ τὴν μὲν “Poumv
ἑλόντες, τὸ δὲ ἱερὸν τὸ ἐν “Τελφοῖς συλήσαντες χαὶ πολλὴν μὲν τῆς
Εὐρώπης, οὐκ ὀλίγην δὲ καὶ τῆς ᾿Ασίας φορολογήσαντες καὶ τῶν
καταπολεμηϑέντων τὴν χώραν κατοιχήσαντες, οἵ διὰ τὴν πρὸς τοὺς
Ἕλληνας ἐπιπλοχὴν Ἑλληνογαλάταν κληϑέντες, τὸ δὲ τελευταῖον
πολλὰ καὶ μεγάλα στρατόπεδα Ῥωμαίων συντρίψαντες.
übersprang Diodor im ersten satz auch einen grofsen teil des
von Plutarch erhaltenen passus, so sieht man doch deutlich aus
dem letzten wiedereinlenken in die geschichte der Kimbernkriege
dass er die von Posidonius beobachtete ordnung der sätze und ge-
danken nicht verändert hat. die plünderung des delphischen tem-
186 POSIDONIUS
‚pels* steht nicht in widerspruch mit der ansicht (8. 166 f.) dass die
Gallier dort jedesfalls nicht mehr viel gold vorgefunden hätten
und dass der schatz von Tolosa keineswegs von daher stamme.
das compositum λληνογαλάται ist verständiger gebildet und viel-
leicht auch älter als das zuerst wohl von Livius 37, 8. 40 usw.
gebrauchte **, seltsame lateinische ‘Gallograeci’ und hat aufser bei
Suidas s. v. ἄγκυρα hier seinen einzigen beleg. die letzte erwäh-
nung der grofsen niederlagen der Römer macht selbst noch über
den dritten abschnitt hinaus bei Plutarch im schlusse des c. 11 ***
weitere spuren des Posidonius wahrscheinlich.
Nach alledem entwickelte dieser, wenn wir die verschiedenen
fragmente zusammenfassen, seine ansicht von der herkunft der
Kimbern folgender malsen:
1 (Plutarchs erster abschnitt.) In Rom trifft die kunde ein
dass ein ungeheures heer von drei oder (nach Diodor) von viermal
hunderttausend mann mit weib und kind wohnsitze suchend sich
gegen Italien heranwälzt. bis dahin ist das volk unbekannt und
man weifs nicht woher sie kommen.
2 (Strabo.) die gewöhnliche meinung gieng dahin dass sie
durch eine grofse wasserflut aus ihren alten wohnsitzen am nörd-
lichen ocean vertrieben waren. allein da flut und ebbe durchaus
regelmäfsig wechseln, so ist die meinung zu verwerfen; auch die
ähnlichen, bei Ephorus und Klitarch vorkommenden flutsagen sind
unglaublich. nach den tatsachen der geschichte und der natur der
nördlichen gegenden ergibt sich vielmehr folgende ansicht als
wahrscheinlich.
3 (Diodors erster, Plutarchs zweiter abschnitt.) es ist gut
die bewohner des eigentlichen Galliens jenseit der Alpen und ober-
* aus unklarer erinnerung an die einleitung des Posidonius wird auch
Appian Illyr. 4 allein dazu gekommen sein von den illyrischen Autariaten zu
sagen dass sie mit den Kelzoss τοῖς Κίμβροις λεγομένοις gegen Delphi ge-
zogen seien.
** vgl. Nissen Untersuchungen 8. 190 ff.
“re ϑυμὸν δὲ χαὶ τόλμαν ἀνυπόστατον χαὶ χειρῶν ἔργα παρὰ τὰς uayas ὀξύ-
nu χαὶ βίᾳ πυρὸς ἐοιχότες ἐπήεσαν, οὐδενὸς ἀντέχοντος αὐτῶν πρὸς τὴν ἔφοδον,
ἀλλὰ πάντων μὲν Ὅσους ἐπῆλθον ἐν λόγῳ λείας ἀγομένων χαὶ φερομένων, πολλῶν
δέ χαὶ μεγάλων Ῥωμαϊχῶν στρατοπέδων χαὶ στρατηγῶν, ὅσοι προεστήχεσαν τῆς
ἐχτὸς Ἄλπεων Γαλατίας, ἀνηρπασμένων ἀχλεῶς. οὗ καὶ μάλιστα τὴν φορὰν αὐτῶν
καχῶς ἀγωνισάμενοι χαὶ τῆς Ῥώμης ἐπεσπάσαντο. νιχήσαντες γὰρ οἷς ἐνέτυχον
καὶ χρημάτων πολλῶν χρατήσαντες ἔγνωσαν μηδαμοὺ γῆς ἑαυτοὺς ἱἰδρύειν, πρὶν
ἀνατρέψωσι τὴν Ῥώμην χαὶ διαπορϑήσωσι τὴν Ἰταλίαν.
ÜBER HERKUNFT UND HEIMAT DER NORDLEUTE. 187
halb der Pyrenaeen von denen im norden zwischen dem ocean und
dem hercynischen bergwald zu unterscheiden, wo Keltike gegen
osten mit Scythien über dem Pontus zusammenstöfst. da muss
sich eine mischung des keltischen und scythischen stammes voll-
zogen haben. mengen von auswanderern sind von da von zeit zu
zeit ausgegangen und haben das südliche Europa überflutet, unter
manchen besonderen namen und bald als Scythen, bald als Kelten
oder Galater auftretend; der richtige gemeinsame name für sie
war Keltoskythen.
4 (Pos. fr. 90, Athen. p. 233, Diodors dritter absatz, Strabo.)
die ältesten Hellenen dachten in jener gegend im norden der
Alpen am ocean die Hyperboreer; denn die Alpen früher Ὄλβια
genannt hiefsen noch früher Rhipaeen. aber die schilderung der
dichter von dem frommen, glückseligen leben des volkes verträgt
sich nicht mit den gesetzen der natur. die natur nimmt an
rauheit, der mensch an wildheit und roheit nach norden hin immer
mehr zu. man erzählt sogar von menschenfressern nicht nur im
norden von Scythien, sondern auch auf der brittannischen insel
Ierne, und den einwohnern derselben werden noch andre arge
dinge nachgesagt, wie die weibergemeinschaft selbst mit müttern
und schwestern.
5 (Diodors vierter, Plutarchs dritter abschnitt und Strabo.)
auch die Keltoskythen sind wegen ihrer wildheit, gewalttätigkeit
und körperstärke vor allen berühmt. den Hellenen wurden von
ihnen zuerst in alten zeiten die Kimmerier bekannt, von denen
dichter wie Kallinus und Archilochus als zeitgenossen und die
alten geschichtschreiber melden. es war kein besonders grofser
teil des ganzen volkes, sondern nur eine flüchtlingsschar oder
partei, die auswandernd bis gegen die Maeotis streifte und dort
von den Scythen gezwungen nach Asien übersetzte unter der an-
führung des Lygdamis. die gröste und streitbarste menge blieb
an der grenze der oekumene am äufseren ocean zurück und be-
wohnt dort ein land das von ungeheuren, dichten wäldern bedeckt
ist, die die sonnenstrahlen kaum durchlassen und wo der pol sich
schon dem scheitelpunkte annähert und die tage und nächte
zu unverhältnismälsiger länge und kürze heranwachsen. die ganze
beschaffenheit des landes ist von der art dass Homer seine schil-
derung des Kimmerierlandes in der Nekyia sehr wohl darnach
entwerfen konnte. von dort rückten auch die barbaren gegen
Italien heran, indem die zeit den namen der alten Kimmerier nur
188 POSIDONIUS ÜBER DIE NORDLEUTE.
wenig in den der Kimbern verderbte. denn ein unstätes, schwei-
fendes räubervolk gehen sie von jeher auf plünderung aus und
suchen fremde gebiete heim. sie sind es auch die Rom einst ein-
nahmen, den tempel von Delphi plünderten, einen grofsen teil von
Europa, einen nicht geringen von Asien brandschatzten, auch in
Asien ein gebiet eroberten und als Hellenogalater noch inne haben
und die endlich nun viele und grofse heere der Römer aufrieben.
da Plutarch (s. 186) diese niederlagen von dem mut der Kim-
bern, der keine gefahr kannte, und dem ungestüm und der ge-
walt ihres angriffes herleitet, so sieht man wie leicht und natür-
lich die speciellere characteristik und schilderung der kriegs- und
lebensweise des volkes sich hier anschloss*. da hinein gehört
denn nicht nur das excerpt bei Athenaeus (s. 153), sondern auch
die beschreibung der weisen frauen und ihrer tätigkeit im heere
der Kimbern bei Strabo p. 294, die viel zu ausführlich ist als
dass sie Strabo als beiwerk einer schlachtbeschreibung gefunden
haben könnte **. in dem excerpt, das eine probe von der unge-
schlachtheit der kimbrischen sitten gibt, ist jetzt (s. 162) unbe-
denklich der name Γερμανοὶ als eine interpolation oder ein ersatz
des Athenaeus für Kiußoos, Tevrovss καὶ Außomvss anzuerkennen.
Diodor, der c. 32 statt von den weibern und opfern der Kimbern
* man vergleiche Strabo p. 195 f., der seine allgemeine schilderung der
Gallier so einleitet: Τὸ δὲ σύμπαν φῦλον, ὃ νῦν Tallıxov re καὶ Γαλατιχὸν
καλοῦσιν, ἀρειμάνεόν ἐστε χαὶ ϑυμιχὸν TE χαὶ ταχὺ πρὸς μάχην, ἄλλως δὲ ἁπλοῦν
καὶ οὐ χκαχοηϑες. --- παροξύνας τις αὐτοὺς ἑτοίμους ἔσχε πρὸς τὸν xivduvor, πλὴν
βίας καὶ τόλμης οὐδὲν ἔχοντας τὸ συναγωνιζόμενον. --- τῆς δὲ βίας τὸ μὲν ἐχ τῶν
σωμάτων ἐστὶ μεγάλων ὄντων, τὸ δ᾽ ἐχ τοῦ πλήϑους. — Ex τῶν παλαιῶν χρόνων
τοῦτο λαμβάνομεν περὲ αὐτῶν καὶ τῶν μέχρε νὺν συμμενόντων παρὰ τοῖς Γερμα-
νοῖς νομίμων. χαὶ γὰρ τῇ φύσει χαὶ τοῖς πολιτεύμασιν ἐμφερεῖς εἰσε χαὶ συγγε-
»νεῖς ἀλλήλοις οὗτοι, Ὁμορὸν τὸ οἰκοῦσι γώραν διοριζομένην τῷ Ῥήνῳ ποταμῷ καὶ
παραπλήσια ἔχουσαν τὰ πλεῖστα. ἀρχτιχωτέρα Φ᾽ ἐστὶν ἡ Γερμανία —. διὰ τοῦτο
δὲ χαὶ τὰς μεταναστάσεις αὑτῶν ῥαδίως ὑπάρχειν συμβαίνει, φερομένων ἀγεληδὸν
καὶ πανστρατιζ, μᾶλλον δὲ καὶ πανοικίων ἐξαερόντων —. ἀεὶ δὲ οἱ προςβοῤῥότεροε
χαὶ παρωχεανῖται μαχεμωώτεροι. die spuren posidonischer sätze und gedanken
darf man hier um so mehr erkennen, weil Posidonius auch im folgenden Strabos
hauptquelle war. 8. unten excurs zu s. 177.
ἘΦ ἴκϑος δέ τε τῶν Κίμβρων διηγοῦνται τοιοῦτον, ὅτι ταῖς γυναιξὶν αὐτῶν
συστρατευούσαις παρηχολούϑουν ngouavısıs ἱέρειαι πολεότριχες, λευχείμονες, χαρ-
πασίνας ἐφαπτίδας ἐπιπεπορπημέναι, ζῶσμα χαλχοῦν ἔχουσαι, yuuvonodes' τοῖς οὖν
αἰχμαλώτοις διὰ τοῦ στρατοπέδου συνήντων ξιφήρεις κτλ. — ἐν δὲ τοῖς ἀγῶσιν
ἔτυπτον τὰς βύρσας τὰς περιτεταμένας τοῖς γέῤῥοις τῶν ἁρμαμαξῶν, ὥςτ᾽ ἀποτε-
λεῖσϑαν ψόφον ἐξαίσιον.
DER NAME GERMANEN. 189
von denen der Gallier handelte (8. 181f.), scheint freilich nichts der-
gleichen wie Strabo bei Posidonius gefunden zu haben und über-
haupt diesen ethnographischen teil seiner einleitung in die Kim-
bernkriege nicht zu kennen. aber dieser schluss geht zu weit bei
einem compilator, der c. 15 ohne grund den Timaeus verliefs und
dieselben sätze über Sardo noch einmal aus der mythengeschichte
des Dionysius von Mytilene ausschrieb, die er schon im vierten
buche vollständiger ausgeschrieben hatte (DA. 1, 455). er kann
es versäumt haben rechtzeitig die schilderung der sitten der Kim-
bern bei Posidonius auszuziehen, und als ihm nun bei der zu-
sammenstellung seiner excerpte der gedanke kam den ersten ent-
lehnten satz aus seinem eignen wissen zu interpolieren (s. 178 ff.),
in der not zu den überbleibseln der excerpte über die Gallier
zurückgegriffen haben, weil ihm das werk des Posidonius selbst
nicht mehr zur hand war. aus dem stillschweigen und verfahren
Diodors ist jedenfalls den zeugnissen Plutarchs, des Athenaeus und
Strabos gegenüber nicht zu schliefsen dass Posidonius keine schil-
derung der sitten der Kimbern und ihrer genossen gegeben habe.
der gedankengang, den er in seiner einleitung befolgte, liegt Klar
vor und wir überblicken noch in erwünschter vollständigkeit das
merkwürdige document, das wie kein andres uns die Germanen in
einem zwielicht zeigt, der morgendämmerung eines bald an-
brechenden, helleren tages*.
Das ergebnis dieser untersuchungen, dass der name Germanen
erst um das j. 80, nach dem j. 90 und vor 73 vor Ch., in Rom be-
kannt und gebräuchlich wurde (s. 161. 176. 180), führt nun zunächst
auf die frage nach seiner herkunft. da die Römer die Germanen
anfangs mit unter die Gallier begriffen, dann auch, als der name
schon da war, noch als eine nebenart derselben betrachteten (s.
160), aber die beiden nationen in Italien selbst unterscheiden ge-
lernt haben können (s. 157), so liegt die vermutung eines latei-
nischen ursprungs für die benennung nahe. man könnte daran
denken dass ‘Germani’ in der verbinduug Galli et Germani zu-
nächst ‘leute von derselben art und abstammung wie die Gallier’
bedeutete. aber dann müste germanus appellativisch in dieser
bedeutung auch sonst sich nachweisen lassen. es wird aber in
* bis hieher hat die abhandlung am 18 jan. 1872 der Berliner academie
vorgelegen.
190 DER NAME
der lateinischen prosa nie substantivisch gebraucht und bedeutet
darin nie einfach ‘bruder’. das soldatenlied vom j. 43 auf die
consuln Lepidus und Plancus, die ihre brüder mit auf die pro-
scriptionsliste hatten setzen lassen, bei Vellejus 2, 67
De Germanis, non de Gallis duo triumphant consules
beweist allerdings, dass man den namen leicht in dem sinne
nehmen konnte, aber nicht im entferntesten dass er ursprünglich
und eigentlich diesen sinn hatte*. Strabo betrachtete noch p. 290
die Germanen als μικρὸν ἐξαλλάττοντες τοῦ Κελτιχοῦ φύλου τῷ
τὸ πλεονασμῷ τῆς ἀγριότητος καὶ τοῦ μεγέϑους καὶ τῆς ξανϑότητος,
τἄλλα δὲ παραπλήσιοι καὶ μορφαῖς καὶ ἤϑεσι καὶ βίοις ὄντες,
οἵους εἰρηχαμεν τοὺς Κελτούς; er meinte sogar p. 196 (8. 188) die
schilderung des characters der Gallier zum teil von den Germanen
entnehmen zu können, weil sie τῇ φύσει καὶ τοῖς πολιτεύμασιν
ἐμφερεῖς εἰσι καὶ συγγενεῖς ἀλλήλοις, und vermutete deshalb p. 290
dass die Römer darum die Germanen mit dem namen gleichsam
nur als echte Gallier hätten bezeichnen wollen: διὸ δὴ καί
μοι δοκοῦσι 'Ρωμαῖοε τοῦτο αὐτοῖς ϑέσϑαι τοὔνομα ὡς ἂν γνη-
σίους Γαλάτας φράζειν βουλόμενοι" γνήσιοι γὰρ οἱ Γερμανοὶ κατὰ
τὴν Ῥωμαίων διάλεχτον. aber seine vermutung ist für nichts
anderes zu achten als wofür er sie selbst ausgibt, als aus seinem
eigenen kopfe entsprungen. weder bei Caesar noch bei einem
der späteren Römer findet sich eine spur dass sie den namen
für ursprünglich lateinisch hielten und so verstanden hätten**.
* die ‘sehr scharfsinnige' vermutung HMüllers (Marken des vaterlandes
8. 230—233, vgl. JGrimm Gr. 13, 10, JHorkel Urzeit 8. 83f.), dass Marius schon
in dem von (Plutarch Mar. 24) berichteten gespräch mit den Kimbern sich des-
selben wortspiels bedient habe, macht nicht weniger als drei gleich unerwiesene
und unerweisliche voraussetzungen: 1) dass Marius den namen schon gekannt
habe, dass aber 2) Posidonius, der gewährsmann Plutarchs ihn nicht gekannt,
das wortspiel misverstanden und ihn viermal durch ἀδελφοὶ übersetzt habe
und dass endlich 3) die Kimbern die Teutonen als Germanen von sich unter-
schieden hätten.
** nur Eustathius zu Dionys. perieg. 285, nachdem er die stelle des Strabo
ausgezogen — mit der beachtenswerten lesart γνήσιος Γαλάταις statt Γαλάται
(vgl. Brandes Kelten und Germanen s. 155) — fügt vielleicht aus einem gram-
matiker, dem vollständigen Stephanus, vielleicht auch nach eigner vermutung
hinzu τινὲς δὲ τὸ Teguavoi εἰς τὸ ἀδελφοί μεταλαμβάνουσιν, ὅπερ τρόπον τινὰ
ταὐτόν ἐστε τῷ γνήσιοι. die mit dem vierten jahrhundert auftauchende, gal-
lische fabel von der kinderprobe im Rhein (Cluver Germ. s. 150f., Grimm
RA.935, Ukerts Gallien 8. 156) mit Strabos worten zu vergleichen und trotz
seiner deutlichen erklärung, dass er nur eine vermutung gibt, daraus zu
GERMANEN. 191
vielmehr waren die römischen gelehrten des ersten jahrhunderts
nach Chr. gerade der entgegengesetzten ansicht und leiteten ihn
aus Gallien her.
Dass Plinius in seinem weitläuftigen werk über die Germanen,
den zwanzig büchern bellorum Germanicorum auch von dem ur-
sprunge und der herkunft des volkes gehandelt und alle mög-
lichen, dahin einschlagenden meinungen, deren er habhaft werden
konnte oder die ihm selbst in den sinn kamen, darüber vorge-
bracht hatte, ist nicht zu bezweifeln; und ebenso wenig scheint es
zweifelhaft dass Tacitus ihn und keinen andern bei dem zweiten
und dritten capitel der Germania vor sich hatte. die von Tacitus
c. 2 bekämpfte meinung, dass in den alten heroischen zeiten —
olim — züge und niederlassungen vom Mittelmeere aus nach Ger-
manien gegangen seien, kann nur von litterarisch gebildeten Rö-
mern oder Griechen aufgestellt sein, und die ‘quidam’ in dem
letzten beispiel c. 3, die die spuren der anwesenheit des Ulixes
am Niederrhein entdeckten und zum beweise dafür auf eine ehe-
dem dort gefundene inschrift von ihm, sowie auf andre in griechischen
buchstaben an der grenze von Raetien sich beriefen, sind aufs
deutlichste römische antiquare und gelehrte*. dieselben hatten
schliefsen ‘dass der volksname Germani von den Römern schon zu anfang
unserer zeitrechnung als γνήσιος erklärt und dem νόϑος entgegengesetzt
sein muss’ (Brandes s. 156) ist absurd. wohl aber könnte die fabel von dem
fluss, der ‘Germanos et Gallos’ schied, in einer scherzenden deutung des ersten
namens ihren grund haben, wenn sie nicht ausdrücklich den Galliern beige-
legt würde.
* ein keltischer name wie Ulohoxsis (Kuhns beitr. 3, 211, Zeufs Gr.2 47.
785) konnte allerdings römische, mit der ansicht des Krates (s. 174 f.) nicht un-
bekannte gelehrte leicht den Ulixes am Niederrhein und in Caledonien (So-
lin. 22, 1) entdecken lassen, und kein zweifel an seiner anwesenheit blieb wenn
daneben noch ein name sich fand der an den Laertes erinnerte. allein worauf
stützt sich die behauptung dass Asciburg vom Ulixes gegründet und benannt
sei, der die entdeckung des altars mit der inschrift nur als bestätigung diente?
der ort lag in dem ehemals, noch zu Caesars zeit (Bo. 4, 4) und bis zur ver-
pflanzung der Sugambern (Strabo p. 194) menapischen gebiet, das dann die
deutschen Cugerni (Tac. Hist. 4, 26. 33) bewohnten, und der name lässt sich
im deutschen als ‘schiffstätte, schifflager’ auffassen (s. zu Waitz Lex sal. s. 279),
wie die Askeburg in Bremen (Brem. wb. 1, 30) wäürklich vielleicht diese be-
deutung hatte, während die eigentliche, wahre im ᾿Ἡσχεβούργιον ὄρος, dem
Riesengebirge bei Ptolemaeus, zu tage kommt. die römischen gelehrten aber
werden nicht geglaubt haben dass Ulixes dem ort einen deutschen namen ge-
geben. der name lässt schlechterdings nicht ahnen was sie zu ihrer behaup-
tung berechtigte. hätten sie alberner weise, wie neuere ausleger geglaubt
192 DER NAME
auch behauptet — fuisse apud eos et Herculem memorant
— dass Hercules in Deutschland gewesen war, und die nemlichen
‘quidam’ und hypothesenjäger ‘in licentia vetustatis’? dem ethno-
gonischen mythus der Westgermanen und seiner dreiteilung eine
vollständigere teilung der nation in vier grofse stämme oder
gruppen entgegengesetzt und behauptet ‘eaque vera et antiqua
nomina’, im gegensatz dazu aber — subject und herschendes
verbum ‘quidam affırmant’ bleibt im folgenden dasselbe — diese
herleitung des Germanennamens gegeben:
ceterum Germaniae vocabulum recens et nuper additum, quo-
niam qui primi Rhenum transgressi Gallos expulerint ac nunc
Tungri, tunc Germani vocati sint. ita nationis nomen, non gentis,
evaluisse paulatim, ut omnes primum a vietore ob metum, mox
etiam a se ipsis invento nomine Germani vocarentur.
auf diese von den erklärern und kritikern arg mishandelten,
doch wohl verständlichen und nur &iner auslegung fähigen worte
kommen wir zurück und machen hier nur darauf aufmerksam
dass der urheber der hypothese gekannt zu haben scheint was
Caesar von den Remern erfuhr, Ba. 2, 3. 4 omnes Belgas in armis
esse Germanosque, qui cis Rhenum incolant, sese cum his con-
iunxisse, — plerosque Belgas esse ortos ab Germanis Rhenum-
que antiquitus traductos propter loci fertilitatem ibi consedisse
Gallosque qui ea loca incolerent expulisse; dass aber die
hypothese nach der verbindung, in .der sie bei Tacitus mit der
vierteilung steht, gewis erst nach den kriegen in Deutschland,
vielleicht von Plinius selbst, ausgebildet ist, da die Marsen, die
ersten in der einteilung, erst nach der aufhebung der Sugambern
im j. 8 vor Ch. auftauchen und nebst den mit ihnen geparten
Gambriviern seit den zügen des Germanicus a. 14—16 aus der ge-
schichte verschwinden (Strabo p. 290. 291).
haben, bei Asciburg an den windschlauch (ἀσχός) gedacht, so hätte Tacitus
dies seinen lesern andeuten müssen. er kann den grund, worauf sich die be-
hauptung stützte, überhaupt nicht übergangen haben. es muss daher nach
‘nominatumque’, wo auch die hss. eine lücke andeuten und zum teil durch die
wohlfeile umschrift von Aseiburgium in «oxınvpyso» zu verdecken suchen, der
alte gallische, vorgermanische name des ortes ausgefallen sein, der entweder
unmittelbar wie Olisipo auf den Ulixes führte oder sonst aus der sage oder
doch aus dem griechischen zu stammen schien. im erten falle, wenn der ort
2. Ὁ. Olisia oder Ulisia, Olixia oder Ulixia hiefs wie Alisia Alixia — und andre
derivaten desselben wortstammes Uliaros Olisna Olefa usw. (s. unten) kommen
genug vor — so war die entdeckung der inschrift kaum nötig, unentbehrlich
aber in den beiden andern fällen um die behauptung zu begründen.
GERMANEN. 193
Aufser für die Germanen östlich vom Rhein kommt der name
noch zweimal vor, einmal in Spanien, das andre mal in der un-
mittelbaren nähe jener im nördlichen Gallien. nach Artemidor
(Steph. Byz. 710, 4 s. v. ᾿ϑρισία) und Strabo p. 139. 141. 152.
156. 162. 163, der jenem folgte, wohnten die Aaızavo oder ’Ron-
τανοὶ am obern Baetis, reichten aber nach beiden seiten über .die
gebirge südwärts bis an die küste und nordwärts bis zum Anas,
wo sie mit den Carpetanern und Keltiberern zusammenstiefsen ;
ihre hauptstädte waren Castulo am Baetis und ᾿Ωρισία ("Ogos« bei
Steph. im artikel) oder ὩὭρία nach Strabo p. 152. Polybius be-
diente sich nach 10, 38. 11, 20 des namens nicht*, wenn auch
3, 33 die Ὀρεῖται Ἴβηρες der inschrift des Hannibal (DA. 1, 155)
vielleicht dieselben sind; jenseit der Morena am obern Anas wohnen
bei ihm (3, 13. 14. 33. Liv. 21, 5) die später verschollenen ’OA-
xcdes. bei Plinius und Ptolemäus reichen die Oretani nicht mehr
an die küste, haben aber im übrigen bei diesem 2, 6, 59 wesent-
lich dieselbe ausdehnung wie bei Strabo. bei Plinius dagegen
scheint der name. fast auf die nordseite der Morena beschränkt.
er unterscheidet 3 ὃ 19 primi in ora Bastuli (DA. 1, 153f.), post
608 quo dicetur ordine intus recedentes Mentesani, Oretani et ad
Tagum Carpetani und 8 25 Mentesani qui et Oretani, Mentesani
qui et Bastuli, so dass man trotz der unterscheidung von den
Bastulern an der ersten stelle die Mentesani dort für die Mente-
sani qui et Bastuli der zweiten stelle halten muss, deren stadt
Mentesa Bastia j. la Guardia eben südlich von Jaen schon auf
die nordseite der gebirge nach dem Baetis zu fällt, während die
Mentesa der Oretaner in der nähe der quellen des Anas und Ja-
valon lag**. diesen nördlichen Mentesanern gesellt nun Plinius
$ 25 die ‘Oretani qui et Germani cognominantur’ und Ptolemaeus
aao. nennt als eine der nördlicheren städte des volkes ᾿Ὥρητον
Γερμανῶν. der ort lag in der nähe des heutigen Granatula wenig
südwärts vom Anas am Javalon, in der gegend also wo Polybius,
wie es scheint, die "OAxa&des kannte, und es ist nicht wohl zu be-
zweifeln dass Artemidor und Strabo eben diese stadt meinen, von
der nach Stephanus das volk benannt sein soll. Oretum und Ore-
tani sind unzweifelhaft iberische namen (WvHumboldts Werke
* wohl aber die römischen annalisten nach Livius 21, 11. 35, 7 (Nissen
Untersuchungen s. 166). auch 26, 17 ist “in Oretanis’ für “in Ausetanis’ her-
zustellen. Hübner im CIL.2, 434.
** Hübner CIL. 2, 434. 456 und wegen Oretun: 8. 431.
DEUTSCHE ALTERTUMSKUNDE II. 13
194 DER NAME
2, 69£.); für Germani dagegen bleibt keine andere annahme als
dass, wenn nicht ehedem die Oretaner überhaupt, doch die in
und um ÖOretum wohnenden von ihren keltischen nachbarn so be-
nannt wurden. hätte der ort eine keltische bevölkerung erhalten,
würde er wohl umgenannt sein*.
, Die keltische abkunft der gallischen oder belgischen Germanen
steht aufser allem zweifell. wenn allen nachrichten zu trauen
wäre, so hätten die Römer schon im j. 222 mit ihnen in Nord-
italien zu tun gehabt. von dem später so berühmten gegner des
Hannibal, dem damaligen consul Marcellus heifst es in den von
Augustus aufgestellten triumphalfasten **:
M-CLAVDIVS.M -F-M: N: MARCELLVS ΑΝ. BAXX
COS - DE - GALLEIS - INSVBRIBVS - ET: GERMAN
Κ' MART - ISQVE - SPOLIA - OPZMA . RETTVLIT
DVCE HOSTIVM VIRDVMARO- AD- CLASTIDZVM
INTERFECTO
und gleichzeitig bei Properz 5, 10, 39ff.
Claudius a Rheno traiectos arcuit hostes
Belgica cum vasti parma relata ducis
Virdomari. genus hic Brenno iactabat ab ipso,
nobilis erectis fundere gaesa rotis.
illi virgatis iaculantis ab agmine braccis
torquis ab incisa decidit unca gula.
der alte Fabius Pictor — denn wer sonst könnte der von
Livius und Polybius benutzte annalist der zeit gewesen sein, als
* Brandes Kelten und Germanen s. 168 ff. hat beweisen wollen dass der
name, wie die meisten übrigen beinamen hispanischer orte und einiger volks-
gemeinden von den Römern beigelegt sei. woher aber hätten sie ihn wohl
genommen? doch wohl, wie bei den Mentesani qui et Bastuli, Mentesani qui
et Oretani, Calagurritani qui Nasici cognominantur (Plin. $ 24), nur aus dem
volksmunde, weil sie in der gegend und an dem orte ein volk des namens
fanden. die von Ukert Germanien 8. 78 entlehnte vermutung 8. 172 dass in
Oretum einmal eine germanische truppenabteilung gelegen habe schiefst ganz
ins blaue. es bleibt nichts anderes übrig als mit Zeufs 59 und Kiepert
(Monatsber. der Berliner academie 1864 s. 152) Germani für eine benennung
zu halten, die für die Oretani bei ihren keltischen nachbaren üblich war.
“ CIL. 1, 458. 462 ‘Quae dedimus litteris inclinatis, insertis fragmentis
marmoreis restituta sunt neque post inventionem ea periisse inde certum est’.
Johannes Metellus, der erste der bald nach der entdeckung um 1546;7 die in-
schrift abschrieb, hat die ergänzung zu GER z. 2 noch nicht, so dass der ver-
dacht Niebuhrs (Vorträge 1, 2, 56), auch das ER möchte ergänzung sein, nicht
wohl aufkommen kann.
GERMANEN. 195
er* der in diesem kriege diente (Eutrop 3, 5, Oros. 4, 13, vgl. Plin.
10 ὃ 71), — gedachte der spolia opima des Marcellus, wenn auch
Polybius 2, 34 ihrer geschweigt**, wuste aber nichts von Ger-
manen, sondern nur von Gaesaten, gallischen mietlingen, die die
Insubrer damals wie in früheren jahren nach Polybius 2, 22. 23.
28. 3, 48 jenseit der Alpen in der Rhonegegend angeworben
"hatten und die ihnen unter anführung des Virdomarus zu hilfe
kamen. auch der gewährsmann Plutarchs, der die glänzende schil-
derung von dem kampf bei Clastidium und dem triumph des
Marcellus, die wir in seiner biographie c. 6— 8 lesen, zuerst ent-
warf, — man meint Coelius Antipater*** — sprach nur von Gae-
saten. erst die annalisten, die in der sullanischen zeit und später
die ältern annalen interpolierten und den redactoren der fasten
sowie dem Properz vorlagen****, machten aus den Gaesaten Ger-
manen und aus der Rhone den Rhein, wie es scheint aus keinem
andern grunde, als um des reizes der neuheit willen. merkwürdig
ist und ein zeichen des zeitalters der interpolation dass sie dabei,
wie aus Properz erhellt, nicht an die transrhenanischen Germanen
dachten, sondern bei den belgischen stehen blieben. und dieser
umstand verleiht der inschrift allein noch einigen wert, der ihr
sonst nicht zukommt.
* ‘es kann nicht bezweifelt werden dass Polybius den Fabius bei der
abfassung seiner erzählung sowohl zur hand hatte als auch wörtlich benutzte’.
Nitzsch Römische annalistik s. 274.
** Liv. per. 20. Florus 1, 20. Eutrop 3, 6. Oros. 4, 13. die perioche macht
den Virdomarus zu einem anführer der Insubrer und ebenso Florus, wo der
dux Ariovistus niemand anders ist 818 der ’4vnoosoıns des Polybius 2, 22. 26.
31, der anführer der a. 225—223 in Italien kämpfenden Gaesaten. der Gae-
saten gedenkt allein noch Orosius und zwar wie Polybius 2, 22 als ‘nomen
non gentis, sed mercenariorum Gallorum’. vgl. Zonaras 8, 20 p. 403 Ἰνσοῦβρον
δὲ Γαλατιχὸν γένος, συμμάχους ix τῶν ὑπὲρ τὰς Ἄλπεις (wie Polybius 2, 23. 28.
8, 48) ὁμοφύλων προςειληφότες χτλ.
*#® Peter Quellen Plutarchs 8. 74—80; vgl. 51-56. KMüller Fac. 8, 270
vermutet dass Posidonius vielleicht eine besondere schrift über Marcellus hinter-
lassen habe, und Plutarch citiert in der biographie c. 1. 9 (vgl. Vit. Fab. 19).
20. 30 niemand häufiger als ihn, aber nur für nebensachen und namentlich
6. 30 so dass er nicht die hauptquelle gewesen sein kann, ebenso wenig als
Livius oder Polybius, Juba, Cornelius Nepos, Augustus und Valerius Maximus,
wie Peter richtig erkannt hat. nimmt man die excerpte zusammen, so scheint
es dass Posidonius in irgend einem ethischen werke einen abschnitt dem ruhm
und der heldengröfse des Marcellus widmete, dessen sich Plutarch auch in der
vita des Fabius erinnerte.
“#6 Mommsen im Hermes 5, 270 ft.
13*
196 DER NAME
Caesar ist sonst der älteste und fast auch der einzige zeuge
für die belgischen Germanen. auf und an der Arduenna, den
waldigen höhen, die von der Maas über der Mosel bis zum Rheine
sich hinziehen (Be. 5, 3. 6, 29), salsen vier völker, die Condrusi
Eburones Caeroesi Paemani nach Ba. 2, 4, zu denen Be. 6, 32
noch die Segni fügt, qui uno nomine Germani appellantur. von
diesen waren die Segni Condrusique die südlichsten, die Eburones
die nördlichsten, und jene stofsen südwärts an die Treverer, nord-
wärts an die Eburonen. als Caesar a. 53 zur bestrafung des Am-
biorix und der Eburonen von der untern Mosel aus dem gebiet
der Treverer durch die Arduenna gegen die Maas in der richtung
auf Tongern vorgieng, schickten die Segni und Condrusi gesandte
zu ihm mit der bitte um schonung, ‘'ne omnium Germanorum, qui
essent citra Rhenum, unam esse causam iudicaret’, und er ver-
spricht ihnen ihr gebiet nicht zu verletzen, wenn sie die flüch-
tigen Eburonen, die sich bei ihnen sammelten, zu ihm zurück-
brächten. der name der Condrusi hat sich bis heute erhalten im
Condros, der landschaft diesseit der Maas gegen Huy Namur und
Dinant*, was völlig zu Caesars darstellung Ba. 6, 32 und auch
dazu stimmt dass nach 4, 6 die Condrusi clienten der Treverer
waren, und die Segni, wenn die walddörfer Bourg-Segne oder
Bourseigne südöstlich von Givet ihren namen bewahren **, wohnten
noch etwas südlicher an der Houille. unmittelbar neben dem wege
Caesars durch die Eifel aber lag später im mittelalter im um-
kreise von Prüm der pagus Carouuascus Caroascus, weiter west-
lich an der Urte und Lesse die Famenna oder Falmenna, Fal-
menia, j. Famenne von beschränkterem umfang. beide namen
erinnern stark an die Caeroesi und Paemani***: Parmani kann
* pagus Condrustus, Condrustius, Condrustensis ua. im frühern mittel-
alter. Zeufs 213, Beyer Urkundenb. nr. 82 a. 851, Ritz Urkunden ἃ. 800. 824.
890. 895 usw. der name stammt aus dem altertum nach CIL. 7 nr. 1073
(Orelli nr. 5921) DEAE VIRADESTHI - PAGVS CONDRVSTIS - MILI(tans) IN -COH - II
TVNGR » die cohorte stand in Schottland bei Middleby.
τ KF Über die kriegsführung der Römer 1862 8. Ilf.
δὴ Ζρυίβ 213, Bertholet Histoire de Luxembourg 1, 7. 18. da aus Pae-
mani, Palmani weder in romanischem, wallonischem, noch auch in deutschem
munde in diesen gegenden Famenia Falmenia werden konnte, so 'muss Paemani
verderbt sein, wenn die namen zusammenhängen. am besten belegt ist Fal-
menia (vgl. Zeufs Gr. 76. 79): Famenna Pardessus 2, 103 a. 656, in pago Fal-
minensi Marca (j. Marche) ASS. Boll Sept. 1, 700 c. 800, in Falminne pago
(zweimal) Hunnin (j. Houn?) Martene et Durand 2, 26 a. 862, in Falmine p.
GERMANEN. 197
leicht aus Farmani oder Farmani verderbt sein, und da die Cae-
roesi und Paemani nach Be. 2, 4, die Segni aufser 6, 32 bei
Caesar nicht wieder vorkommen, so könnte Segni allerdings auch
ein collectivname für die beiden andern gemeinden gewesen sein.
auf jeden fall gehörten auch wohl diese zu den südlichen an-
wohnern der Arduenna. die Eburonen aber waren über ihnen an
der nordseite der höhe vom Rheine bis jenseit der Maas ausge-
breitet, wo sie mit den Aduatukern und wohl auch mit den Ner-
viern zusammen grenzten, während am Rheine und weiterhin nord-
wärts die Menapier und andre völkchen über ihnen safsen*.
Diese völker und gemeinden an der Arduenna werden als
Germani cis Rhenum Be. 2, 3, cisrhenani 6, 2, citra Rhenum 6, 32
sorgfältig von den transrhenanischen unterschieden und nach Cae-
sars ansicht und darstellung (vgl. Be. 5, 27”—29. 6, 5. 35—42) und
den laut redenden, von ihm berichteten tatsachen bestand zwi-
schen ihnen und den Transrhenanen keinerlei stammesgemein-
schaft, noch auch ein glaube daran. waren die Remer im zweiten
kriegsjahre Caesars (s. 192) anderer meinung, so erklärt sich dies
zum guten teile aus ihrer damaligen stellung zu den andern
Belgen und der innere widerspruch in den sie sich verwickeln,
dass die meisten Belgen von den Germanen trans Rhenum ab-
stammen, also von den übrigen Belgen verschiedenes ursprungs
sein sollen und doch mit ihnen demselben volksstamme angehören,
ergibt nur die anerkennung dass die Germani cis Rhenum, deren
Humnin (j. Humain) das. 2, 29 a. 874, Falmana in villa Grandicampo (j. Grand
Ham) Miraeus 2, 935 a. 885, Falmenna das. 1, 259 a. 946, in Falmenia Homin,
Marchia, Morivilla, Boncin (j. Humain, Marche, Marville, Bonsin) Stumpf 39
a. 1028, Burk (j. Bure) in p. Falmeniensi Martöne et Durand 1, 498 a. 1079,
Bomella (j. Bomale) in Famenna Miraeus 4, 511 a. 1109. für den andern gau
finden sich alle belege in Beyers Trierischen urkunden, in pago Carouuasco
nr. 14, Charos 16 a. 762, Carasco 31 a. 777, Carosco 32 a. 778, Caroasco 39
ἃ. 801, 59 a. 831, Carasco 86 a. 854, 180. 181 a. 943.
* Bo.4,4—6. 5, 24. 26 ff. 38f. 6,5. 32. die lage der Aduatuker ist
streitig, Cluver 2, 21 p. 427 ff. und Zeufs 214 setzen sie nordwärts von den
Eburonen nach Südbrabant, Freret (M&moires de l’acaddmie des inscriptions 47,
457) und HMüller (Marken des vaterlandes 8. 29 f.) südwärts in die Fenne (la
Fagne) um Chimay. die untersuchung hat sich mit recht auf die ermittelung
der stelle des oppidum Aduatucorum (Be. 2, 29) gerichtet und man hat diese
neuerdings in dem mont Falhize östlich von der mündung der Mehaigne in die
Maas, Huy gegenüber gefunden (s. Heller im Philologus 13, 586. 22, 137 ff. 26,
665 ff.), womit die lage des volkes bestimmt ist, zu dessen städten nach den
hier vorkommenden münzen auch Namur gehörte,
198 DER NAME
collectivname einerseits die unterscheidung von den Belgen, an-
dererseits die anknüpfung an die Transrhenanen gestattete, die
daher den ganzen, eigentlichen inhalt der behauptung hergegeben
haben, in wahrheit Belgen, also Gallier und keine Germanen von
jenseit waren, wie denn auch Caesar selbst Be. 1, 1 sie unbe-
denklich mit unter die Belgen begreift und 5, 27 sie sich selbst
zu den Galliern rechnen lässt. alle ihre volks- und personen-
namen, sowie alle alten fluss- und ortsnamen ihres bereiches sind
auch undeutsch und keltisch, so dass jemand schon weder vom
deutschen noch vom keltischen eine historische kenntnis haben
muss um die cisrhenanischen zu dem stamm der transrhenani-
schen Germanen zu zählen, und die heutigen Wallonen im west-
lichen teile ihres gebiets nicht für romanisierte Gallier, sondern
für ursprüngliche Deutsche halten müste. nach dem vernichtungs-
kriege, den Caesar (a. 53. 5l) gegen die Eburonen unter Ambiorix
führte, verschwindet der name Germani für die völkergruppe und
verschwinden auch die Eburonen aus der geschichte. dass Strabo
p. 194 ihrer noch gedenkt, verschlägt nichts, da er nur nachrichten
aus der caesarischen zeit folgt. der ort Aduatuca, der nach
Caesar Be. 6, 32 ungefähr in der mitte des eburonischen landes
lag, heifst später Aduatuca Tungrorum* oder einfach Tungri
(Ammian. 15, 11, 7. 17, 8, 3), wie heute Tongern, und Tungern
haben das ehemals eburonische gebiet westlich der Maas bis zu
den Nerviern inne**. an sie als nachkommen und vertreter der
alten Eburonen knüpft die hypothese der römischen gelehrten
(s. 192) an, und wer ihre unmittelbare beziehung zu der behaup-
tung der Remer bei Caesar nicht anerkennt, kann für ihren ver-
hältnismäfsig späten ursprung geltend machen dass nach den
worten des Tacitus ihr urheber nichts mehr von den Eburonen
und den übrigen cisrhenanischen Germanen gewust zu haben
scheint.
Über die auslegung der s. 192 ausgehobenen stelle kann ver-
nünftiger weise kein zweifel bestehen. Tacitus oder seine gelehrten
meinten, ‘der name Germanien sei jung und verhältnismäfsig spät
beigelegt***, weil die zuerst den Rhein überschritten und die Gallier
* Ptolemaeus 2, 9, 9 εἶτα — Tovyypos χαὶ πόλις Arovaxovıov. Itiner.
Anton. p. 378, 5 Aduaca Tongrorum.
** Plinius 4 ὃ 106. Tacitus Hist. 4, 55. 79. Ptolemaeus 880.
**% “additum’, nicht ‘zu den schon vorhandenen, alten namen hinzugefügt’,
8. Gronovs anm. bei Bekker. zu der syllepsis ‘ac nunc Tungri, tunc Germani
GERMANEN. 199
vertrieben und jetzt Tungern (hiefsen), damals Germanen genannt
seien’. Tacitus bedient sich des perfects ‘vocati sint’ als des er-
zählenden, historischen tempus, rein vom standpunkt der gegen-
wart, und er kann nicht gemeint haben dass das volk namenlos
nach Gallien gekommen und erst da von den Galliern Germanen
benannt sei: in diesem falle würde die übertragung des namens
auf die hinter dem Rhein wohnenden ganz unglaublich und unbe-
greiflich sein und Tacitus müste sie im folgenden ganz anders
dargestellt haben. ‘so, auf diese weise’ heilst es weiter ‘sei der
name eines einzelnen stammes, einer völkerschaft, nicht der des
ganzen völkergeschlechts allmählich emporgekommen, dass alle erst
von dem sieger um der furcht willen, dann auch von sich selbst
mit dem erfundenen namen Germanen genannt wurden’. *'natio’ ist
hier, wie zu anfang des ὁ. 38 und wie in ‘eius gentis nationibus’
bei Vellejus 2, 98, der engere, gens der weitere begriff und eine
andre auffassung zwar nicht wegen des verbums ‘evalescere’, das
auch von dem allmählichen emporkommen eines gesamtnamens
gesagt werden konnte, wohl aber nach dem vorher gehenden und
nach dem folgenden, abhängigen satz unmöglich. der ‘'victor’ kann
nur das siegreich über den Rhein vordringende volk der Ger-
manen sein und ‘a victore’ nicht anders als ‘a se ipsis’ verstanden
werden, wenn man dem Tacitus nicht die unglaublichste ver-
schrobenheit oder ungeschicklichkeit des ausdrucks zutraut, ‘ob
metum’ ist für sich freilich zweideutig, weil metus utroque ver-
sum dici et metus duplex intellegi potest, quem facimus et quem
patimur, nach Gellius 9, 12, 13 und Quintilian 6, 2, 21; und nur
der zusammenhang, nicht die praeposition, wie man sonderbarer
weise gemeint hat*, entscheidet über angemessenheit der einen
oder der andern auffassung. angemessener aber ist es sich hier
nicht die besorgnis vor den Galliern, sondern die absicht ihnen
furcht einzuflöfsen und sie zu schrecken als das motiv der sieger
zu denken, das sie veranlasste ihren eignen namen auf das grofse
volk, den ganzen volksstamm jenseit des Rheines anzuwenden und
sich so als einen teil desselben darzustellen. die bedeutung des
namens Germani, woran selbst Zeufs 60 denkt, kommt hiebei in
keiner weise in betracht. ‘inventum’ aber heifst derselbe insofern
vocati sint’ vgl ὁ. 36 qui olim boni aequique Cherusci (vocati sunt), nunc
inertes ac stulti vocantur; c. 41 quomodo paulo ante Rhenum (secutus sum)
sic nunc Danubium sequar uam.
* Hand Tursellinus 4, 360.
200 DER NAME
seine anwendung auf die Transrhenanen neu und für diese er-
funden ist.
So ist alles einzelne vollkommen klar und verständlich, allein
die hypothese oder herleitung des namens nichts destoweniger
gründlich verfehlt. allerdings durch das evaluisse paulatim ist
dafür gesorgt dass zwischen Caesars ‘Belgas Rhenum antiquitus
traductos’ und dem ‘Germaniae vocabulum recens et nuper ad-
ditum’ kein eigentlicher widerspruch besteht. der gelehrte ur-
heber der hypothese kann über das einrücken der Germanen keine
genaueren nachrichten gehabt haben als Caesar und braucht sich
dasselbe auch nicht später gedacht zu haben, wenn er annahm
dass bis zu der allgemeinen verbreitung und herschaft des namens
eine geraume zeit vergieng. aber wenn die Germanen antiquitus
einrückten, so ist es eine blofse mutmalsung und annahme dass
sie damals schon den namen führten und nicht erst später in
Gallien erhielten. aufserdem wird eine stammesgemeinschaft zwi-
schen den cisrhenanischen und transrhenanischen Germanen vor-
ausgesetzt, die in wahrheit nicht bestand, an die auch das ein-
. rückende, keltische volk der nachmaligen Tungern selbst nicht
geglaubt haben kann, noch auch später trotz. der behauptung der
Remer (s. 197) geglaubt hat. die hypothese gibt sich damit als
ein erzeugnis eines mannes zu erkennen, der bei seinen ethnolo-
gischen combinationen von der sprache als dem unterscheidenden
merkmale der völker nach alter weise (s. 4. 33) meinte absehen
zu dürfen. die eindringlinge hätten darnach die stammesgemein-
schaft fingiert und die Gallier durch sie sich teuschen lassen.
selbst die Deutschen sollen den namen angenommen haben dass
dies ein irrtum ist, dass er nie ein eigentum ihrer sprache und
ehedem etwa nur im verkehr mit Römern und lateinisch redenden
bei ihnen in gebrauch gewesen ist, ist gewis genug. allein selbst
die stammesgemeinschaft vorausgesetzt, würde die annahme dass
eine einzelne, siegreich vordringende volksschar ihren eignen
namen auf ihre stammesgenossen übertragen und allmählich als
gesamtnamen zu allgemeiner anerkennung bei freund und feind
gebracht hätte, jeder analogie und wahrscheinlichkeit entbehren,
wie oft auch sonst sondernamen eines volksteils gesamtnamen ge-
worden sind, indem sie, wie das schöne beispiel von "Eilnves und
Graeci lehrt, entweder von innen aus der mitte eines volkes her-
aus, oder auch von einem punkte seiner peripherie aus, von aufsen
herein ihr gebiet über das ganze erweiterten.
GERMANEN. 201
Ist demnach die hypothese so wie sie vorliegt verfehlt und
unhaltbar, so setzt sie doch unstreitig an dem punkte an wo jeder
andre, ähnliche herleitungsversuch gleichfalls ansetzen muss. wir
treffen zu beiden seiten des Rheins, nür durch den fluss geschieden,
zwei völker verschiedenes stammes, aber mit demselben namen
Germani. der name verschwindet alsbald auf dem linken ufer,
während er auf dem rechten emporkommt und hier an dem volke
haften bleibt, dessen sprache er seinem ursprunge nach fremd war
und immer fremd bleiben muste. man kann sich darnach der
vermutung nicht entziehen dass hier eine übertragung stattge-
funden hat, und wie das geschehen, dünkt mich, ist auch noch
ganz wohl ersichtlich.
Abgesehen von dem inschriftlichen zeugnisse (s. 194) das in
die sullanische zeit zurückdeutet, erscheinen und verschwinden die
Germanen an der Arduenna mit Caesar. unläugbar aber hat der
name hier ehedem eine gröfsere ausdehnung gehabt. ihre nächsten
nachbarn, die Treverer rechts an der Mosel, die Nervier links an
der Schelde und Sambre, waren, wie es scheint, noch zu Tacitus
zeit*, eifersüchtig und stolz auf ihre germanische abkunft, und
Strabos gewährsmann erkannte diese den Nerviern, vielleicht auch
den Treverern vollständig zu**. dass die Römer und wohl auch
* Germ. 28 ‘Treveri et Nervii circa affectationem Germanicae originis
ultro (d. i. nicht ‘sogar’ — worauf bezöge sich dies ‘sogar’? —, sondern ‘ohne
veranlassung, ohne grund’) ambitiosi sunt, tanquam per hanc gloriam sanguinis
a similitudine et inertia Gallorum separentur. wenn die Aduatuker nach-
kommen der 6000 waren, die von den Kimbern und Teutonen zur bewachung
ihres gepäcks in Gallien zurückgelassen wurden (Caesar Be. 2, 29, oben s. 166)
und dann an der Mehaigne und bei Namur (s. 197) zwischen den Nerviern und
Eburonen wohnsitze gefunden hatten, so könnte dies höchstens für die meinung
der Nervier, aber schon nicht gut und sonst nicht weiter in anschlag kommen.
dass von den 6000, als sie nach dem untergange der Kimbern und Teutonen
‘multos annos a finitumis exagitati, cum alias bellum inferrent, alias inlatum
defenderent’, endlich eine. stätte finden, noch ein ansehnlicher teil übrig ist
und dieser nach reichlich vierzig jahren 19000 mann (Be. 2, 4) ins feld stellen
kann, ist freilich wunderbar. aber die wahrheit wird sein dass der rest der
zurückgebliebenen Kimbern und Teutonen mit ihrer bagage endlich bei den
Aduatukern oder den ältern bewohnern der gegend aufpahme fand und mit
ihnen verschmolz. an der stelle der Aduatuker stehen später, wie es scheint,
die Betasi, Zeufs 214.
** Strabo p. 194 nennt die Triboker, Treverer und Ubier ohne sie als
Germanen zu bezeichnen und fährt daranf fort Τρηουίροις δὲ συνεχεῖς Νέρουιοι,
er lässt die Treverer und Nervier also fälschlich zusammengrenzen; fügt er
202 DER NAME
die Nervier und Treverer des ersten jahrhunderts nach Chr. dabei
an die Germanen jenseit des Rheins dachten, ist begreiflich, nach-
dem sie diesseit verschollen waren. ihre meinung aber ist ohne
zweifel auf die alte ausdehnung des namens zurückzuführen, wenn
auch Caesar die Treverer nicht einmal zu den Belgen zählt (Zeufs
187.) und nur als patrone der Condrusen kennt (Be. 4, 6) und
ihnen (8, 25) das zeugnis gibt dass sie “propter Germaniae vicini-
tatem quotidianis exercitati bellis, cultu et feritate non multum a
Germanis differebant’. auch die behauptung der Remer (8. 192),
dass die meisten Belgen von den Germanen abstammten und vor
alters über den Rhein gekommen seien, spricht für die ehemalige
gröfsere ausdehnung des namens. die meinung freilich, dass viele
belgische völker ehedem von jenseit gekommen, kann unabhängig
von der annahme der abstammung von den jenseitigen Germanen
schon vor dieser bestanden haben und bestand von ihr unabhängig,
da nach Timagenes (s. 166) die ansicht der Druiden sogar dahin
gieng, dass ein teil der bevölkerung Galliens überhaupt von jen-
seit eingewandert sei. die abstammung von den Germanen jenseit
aber konnte man nur aufserhalb der cisrhenanischen, belgischen
Germanen selbst annehmen und erst dann behaupten, als der name
für die deutschen völker auf dem rechten ufer herschend geworden
war. er muss diesseit, auf dem linken ufer, älter sein als die an-
wendung auf die Deutschen, die allem anscheine nach nicht ein-
mal in die zeit der Kimbern- und Teutonenzüge hinaufreicht; und
hatte er dort einmal einen gröfseren umfang als bei Caesar, so können
wir unbedenklich den satz aufstellen dass der name in dem mafse
auf dem linken Rheinufer zurückwich und einschwand als er auf
dem rechten sich befestigte und ausbreitete.
Nun waren die Eburonen und ihre genossen an der Arduenna
durch ihre abgelegenheit weniger den einflüssen der südlichen
cultur ausgesetzt als die übrigen Gallier. alte, einfachere zustände
dauerten daher noch bei ihnen fort, als Caesar mit ihnen zusammen-
traf. das königtum war bei ihnen der menge gegenüber macht-
los (Be. 5, 27), von einer reichen, mächtigen aristocratie und der
abhängigkeit des niederen volkes ist bei ihnen nicht die rede.
städte scheinen sie gar nicht zu kennen, selbst Aduatuca ist erst
dann noch in bezug auf diese hinzu χαὶ τοῦτο Γερμανιχὸν ἔϑνος, so Müssen
ihm doch wohl beide wie die Ubier als Germanen von seinem gewährsmann
genannt sein.
GERMANEN. 203
von den Römern befestigt (Be. 6, 32); den krieg führen sie Βα. 6, 33
in einzelnen zerstreuten haufen, nicht in geschlossenem heere, wie
sonst die Gallier. in diesem verharren in den alten zuständen und
sitten kann leicht der grund gelegen haben, dass die südwestlichen,
fortgeschritteneren Belgen einmal ihre nordwestlichen nachbarn
und stammesgenossen durch einen besonderen beinamen von sich
unterschieden. die annäherung an die sitte und verfassung der
übrigen Gallier würde dann sein erstes zurückweichen von den
Nerviern und Treverern auf die anwohner der Arduenna erklären,
sein vorrücken über den Rhein aber und die ausdehnung auf alle
Deutschen scheint leicht wenn seine bedeutung entsprach und es
zuliefs. und dies war allerdings der fall, mag man ihn nun mit
Zeufs als ‘nachbarn’ oder mit andern als ‘schreier, rufer im streit,
βοὴν ἀγαϑοὶ᾽ verstehen*. aufser der gebietsveränderung und
ausdehnung blieb der name bei der übertragung nur was er war,
zunächst ein beiname und ein collectivum.
Bei dieser herleitung kommt es nicht darauf an ob viele gal-
lische völker und insbesondere die belgischen Germanen würklich
®* gegen die zuerst von HLeo in Haupts 18. (1845) 5, 514, dann auch
von JGrimm GDS. 787 gegebene erklärung βοὴν ἀγαϑὸς erhebt Zeufs bedenken
und stellt ihr die andre ‘vicini’ entgegen, Gr.? 773. 821. 825; vgl. Glück s. 59.
die bedenken sucht Mahn (Über den namen Germanen 1864 s. 18) zu beseitigen,
hat aber andre und weicht in der erklärung ohne not von Zeufs ab, in einer
weise dass die historische grammatik dagegen verwahrung einlegen muss. Ebel
hält in den Beiträgen zur vergleichenden sprachforschung (1863) 3, 230 Leos
und Grimms erklärung für annehmbarer und Zeufs bedenken für ungerecht-
fertigt. für herleitung von corn. arm. garm (ir. gairm) clamor kann man noch
anführen die auffassung die der name bei den Britten erfuhr, nach Beda Histor.
ecel. 5, 9 ‘in Germania plurimas esse nationes, a quibus Angli vel Saxones,
qui nunc Britanniam incolunt, genus et originem duxisse noscuntur; unde
hactenus a vicina gente Britonum corrupte Garmani nuncupantur. die
Britten haben natürlich den namen erst durch die Römer oder Gallier er-
fahren und selbverständlich entscheidet die stelle nichts über seinen ursprung,
wie man törichter weise behauptet hat. in Gallien und Irland weist Stark
Kosenamen s. 25 die namen Germa Germanus Germullus Germaio German
nach. der römischen, lateinischen auffassung gehört, wie Zeuls bemerkte, die
verlängerung des vocals der endung. — der schon in seinem lemma, so wie
sonst verdorbene artikel Γέρμαρα, Kelnxns ἔϑνος χτλ. bei Steph. Byz. (DA. 1,
407) kommt hier ebenso wenig in betracht als etwa der Germalus in Rom,
der ‘a duobus germanis Romulo et Remo’ nach Varro LL.5, 8 (Pilut. Rom. 3)
seinen namen haben soll, der ort Γερμανὴ oder Γερμανία in Thracien, die
heimat des Belisar (Procop Bv.1, 11 p. 36, Forbiger 3, 1095), oder die Γερ-
μάνιοε Herodots 1, 125 in Persien.
204 DER NAME
einmal von jenseit des Rheins in Gallien eingewandert sind oder
nicht, und es ist wie ich glaube davon bei jedem ähnlichen ver-
such abzusehen. dass das westliche Germanien so gut wie
das südliche einmal eine keltische bevölkerung hatte, unterliegt
keinem zweifel und wird gleich im nächsten abschnitte dieser
untersuchungen näher gezeigt werden. die richtung der gebirge
und heerstrafsen weist von dem rechten ufer hinüber auf das linke
und so sind die Franken nachmals über den fluss vorgedrungen.
es ist auch wahrscheinlich dass Nordgallien einmal auf demselben
wege einen teil seiner bevölkerung erhalten hat, und war dies ge-
schehen, so müssen jedesfalls die belgischen Germanen, fast die
letzten und nördlichsten der gallischen flussanwohner von jenseit
gekommen sein; denn ihre stellung am gebirge ist nicht von der
art (8. 1961.) dass man sie für einen überrest der älteren bevölke-
rung halten und annehmen müste dass der strom der einwanderung
an ihnen vorüber gegangen sei. aber dass sie bei ihrem einrücken
und vor demselben auf der rechten seite des flusses den namen
geführt hätten, ist eine blofse annahme (s. 200), für die nichts
spricht. im gegenteil die Menapier, die letzten Gallier über den
Eburonen, die nach Caesar Be. 4, 4 allein noch zu beiden seiten
des Rheins wohnten, werden nicht zu den Germanen und der ge-
nossenschaft ihrer nachbarn gezählt, noch auch die untertanen der
Nervier, die Ceutrones Grudii Levaci Pleumoxii Geidumni (Be. 5, 39),
oder die texandrischen völkchen — Texuandri pluribus nominibus,
Plin. 48 106 — in Nordbrabaut und nach den Schelde-, Maas- und
Rheinmündungen hin, die oder deren genossen ehemals gewis das
ganze Rheindelta inne hatten (DA. 1, 486). bei Caesar heilst alles
land ‘trans Rhenum’ (Βα. 7,65), wie im späteren sprachgebrauch
(s. 3), Germania und er meint daher (Be. 6, 24. Tac. Germ. 28),
die Gallier hätten ihre überlegenheit über die Germanen ehemals
dadurch bewiesen dass sie aus freien stücken mit ihnen krieg an-
fiengen und colonien ‘trans Rhenum’ entsendeten, wo noch die
Volcae Tectosages die fruchtbarsten gegenden Germaniens am her-
cynischen walde besäfsen; aber weder sie noch die übrigen, trans
Rhenum im südlichen Deutschland angesessenen Gallier heifsen
jemals Germanen, noch auch ihr land früher Germania. erst bei
dem gewährsmann des Mela 3, 3 und bei Agrippa (Dimens. prov. 19)
reicht Germanien bis zu den Alpen; bei Sempronius Asellio, dem
zeitgenossen des Marius liegt Noreia in Gallien*. Caesar hatte
* schol. Bern, zu Georg. 3, 474. vgl. Mommsen im Rhein. mus. 1861. 16, 450.
GERMANEN. 205
die sage vom zuge des Sigovesus im sinne; nach Livius 5, 34
(vgl. Justin. 24, 4) aber wuste sie nur von den hercynischen berg-
wäldern, wie Caesar selbst und Posidonius (s. 176. 178) davon
sprechen, nichts von (Germanien.
mithin nötigt uns nichts und nicht die geringste spur spricht
dafür, den namen auf dem rechten ufer des Rheines viel früher
hinauf zu rücken als die zeugnisse dafür beginnen. erst wenn
solche spuren für keltische Germani trans Rhenum vorlägen, würde
die vermutung erlaubt sein dass der name von der älteren kelti-
schen bevölkerung auf die nachrückenden Deutschen übergegangen
sei, und müste man ihn in dieser anwendung für beträchtlich älter
halten als die zeugnisse jetzt gestatten. gegen die vermutung aber
spricht auch der mangel an alten analogien eines solchen über-
gangs. nur dass die Daken bei den Griechen Geten genannt
werden, ist vielleicht dafür anzuführen*. das wiederaufleben des
Scythennamens zur zeit der Gotenherschaft im norden des Pontus,
der übergang des Hunennamens auf die Awaren und dgl. kommen
schon weniger in betracht.
Von der meinung, die über die herkunft gallischer völker von
jenseit des Rheins zu Caesars zeit und früher in Gallien selbst
verbreitet war, lässt sich nur sagen dass sie der übertragung des
namens von dem einen ufer auf das andre günstig war und zu
statten gekommen ist und die Remer unmittelbar zu der behaup-
tung der abstammung der keltischen cisrhenanischen von den deut-
schen transrhenanischen Germanen führte, während wenn diese
den namen von der keltischen urbevölkerung des rechten ufers
ererbt und schon lange getragen hätten, eher zu erwarten war
dass sie umgekehrt für abkömmlinge der Kelten angesehen wären.
die hauptursache aber für die übertragung des namens war immer
das bedürfnis der unterscheidung der beiden benachbarten grofsen
nationen, das sich mit dem einbruch der Kimbern und Teutonen
aufdrängte und noch zunahm, als nach demselben der handels-
* dass die dorischen und aetolischen bewohner der landschaften Lake-
daemon und Elis auch Lakedaemonier und Eleer genannt werden, kommt nicht
in betracht; auch nicht dass die Dorer auf Kreta den namen Kreter bekommen.
und von derselben art ist wenn die keltischen Noriker Taurisker oder Tau-
risten heifsen, da dies ohne zweifel eine ligurische benennung der Alpen-
bewohner war, nach Cato bei Plin.3 $ 134 und wegen der Tauriner (vgl. oben
s. 83 anm. 2). aber die Lokrer scheinen einen illyrischen namen zu tragen
wegen des gleichnamigen stammes auf Corcyra?
206 DER NAME GERMANEN.
verkehr in Gallien einen neuen, stärkeren aufschwung nahm und
darüber hinaus nach Germanien sich ausbreitete. ja die südlichen
händler und kaufleute, die mit ihren waren, wein und andern pro-
ducten und fabrikaten des südens nach norden vordrangen und
dafür namentlich sklaven eintauschten (s. 156 f.), sind geradezu für
die hauptfactoren wenn auch nicht der ersten anwendung und
übertragung des namens auf die Transrhenanen, doch seiner raschen
verbreitung und herschaft in dieser anwendung zu halten und dazu
mag die bedeutsamkeit die er im lateinischen hatte (8. 189 1.) oder
durch die latinisierung in ihrem munde erhielt (s. 203 anm.) nicht
wenig mitgewürkt haben. dass er bei den Galliern zur zeit des
einbruchs der Kimbern und Teutonen noch nicht üblich war, darf
man daraus schliefsen dass sie den letzten grofsen heerhaufen noch
mit dem alten collectivum für die Nordseevölker (s. 114f.), den ersten
aber ganz neu benannten (8. 116ff.), denn der gallische ursprung des
Kimbernnamens wird um so mehr einleuchten, je mehr man sich
von der späten verbreitung des Germanennamens überzeugt. jeder
versuch aber diesen aus dem deutschen selbst herzuleiten ist
lächerlich und von vornherein unberechtigt*.
* nur bei völliger unbekanntschaft mit der historischen grammatik konnte
man Germäni als ‘germänner, wehrmänner, heermänner’ usw. erklären und kann
man diese erklärungen wiederholen. ‘germänner’ würde im munde der Römer
Gaesomani, ‘wehrmänner’ Variomani, ‘heermänner’ Chariomani gelautet haben,
immer wie Marcomani (Statius Silv. 3, 3, 170) mit kurzer paenultima. ahd.
mhd. gör setzt voraus ein altes ‘gais’ (’Agsöyasoos ein Quade a. 174 bei Dio 71,
13. 14 = ahd. Herigör uam.) —= altkelt. gais (lat. gaesum) ir. gai (vgl. Tascaros
s. 195 ir. gaide hastatus Zeufs Gr.? 52). der themavocal a, der im compositum
zum vorschein kommt, wird in lateinischer auffassung zu 0, also gaisa- zu
gaeso-. so auch varja, das thema von ahd. weri mhd. wer ‘wehr’ zu vario-,
und harja, das thema von ahd. heri mhd. her ‘heer’ zu chario-, wie Chario-
valda (Tac. Ann. 2, 11), Xagsoungos (Dio 67, 5) ua. zeigen. auch die versuche
Germanus mit irmin erman hermun zusammenzubringen bedürfen keiner wider-
legung, weil sie von vornherein unberechtigt sind. wenn im ags. vielleicht
einige male geormen für eormen, yrmen geschrieben wird (Grimm Gr. 1°, 11),
so ist g nur ein zeichen für j, das sich aus dem anlaut wie in Giötas für
Jötas, Ttas udgl. entwickelt. so findet sich auch einmal alts. Girminburg in
den Trad. Corb. $ 5 und häufiger schlägt g vor in romanischem munde (Förste-
mann 1, 512). Wackernagels gairmans — für ga-afirmans — (in Haupts zs. 4,
480) mit der bedeutung ‘volksgenoss’ ist ein greuliches traumbild. allein ver-
ständig suchte Zeufs (Die Deutschen 8. 59) nach einem dem keltischen und
deutschen gemeinsamen stammwort. aber die namen Germana vel ad monte,
DIE NORDDEUTSCHEN FLÜSSE: DIE WEICHSEL. 207
Nach den bisherigen untersuchungen ist es nicht mehr zweifel-
haft dass die Kimbern und Teutonen aus Germanien kamen und
Germanen waren. dies ergibt sich aufs unzweideutigste gerade
aus der einleitung des Posidonius (s. 186 f.), dem noch der unter-
scheidende name fehlte. nach ihrem erscheinen an den Alpen ist
es aulserdem gewis dass sie zu den Westgermanen gehörten. ihr
hervorbrechen und gewaltiges auftreten aber kann man nicht an-
ders als mit dem vorrücken und der ausbreitung der Germanen
gegen westen und süden im zusammenhange denken und dieser
zusammenhang ist hier auch noch ganz wohl ersichtlich, während
er sich im osten mehr den blicken entzieht, wo das erscheinen
der Bastarnen schon früher eine ähnliche bewegung ankündigt.
es kommt zuerst darauf an den ältesten wohnsitz der Germanen
mit hilfe der flussnamen etwas näher zu begrenzen *.
Die Weichsel heifst bei den Littauern und Slawen Wisla und
diese wortgestalt widerstrebt keineswegs der deutschen zunge. es
ist freilich ungewis ob die Römer den fluss Visula genannt haben,
weil sie ihn Visla von den Germanen nennen hörten; doch der
Trusofahrer Vulfstan (Älfreds Orosius p. 20. 26) lernte den namen
Visle wohl nicht erst an ort und stelle kennen: er nannte sogar
von dort noch einen fluss mit demselben deutschen oder doch
deutsch geformten namen, wie die Lübeker die im dreizehnten
jahrhundert die ‘stad tom Elbinghe’ j. Elbing in der nähe des
alten Truso gründeten, falls Älfred ungenau Ilfing für Ylfing schrieb.
nach der deutschen heldensage und dichtung (Vidsid 121) aber
ward der grofse kampf der Goten und Hunen am Vistlawalde aus-
gefochten und Vistla war jedesfalls eine gewöhnliche alte form,
j. Germansberg bei Starnberg in Oberbaiern, Germiz j. Girms bei Wetzlar (lat.
Germetium?), Germepi bei Utrecht (lat. Germapium? s. unten) können nicht
als ursprünglich deutsche in anspruch genommen werden. es bleibt nur noch
der mannsname Germo (Förstem. aao. Trad. Sang. nr. 456 a. 857 Geremo), der
ein appellativ germ, germo vorauszusetzen scheint, das doch nur ein derivatum
von ger cupidus oder dem verbalstamm sein könnte wie der altn. hundename
Garmr (vgl. Gr. 2, 145 ff.); der aber wahrscheinlicher nur die verkürzung eines
compositums ist.
* die folgende untersuchung, die am 10 juni 1872 der philosophisch-
historischen classe der Berliner academie vorgelegen hat, war bereits beendigt,
als ıir, was eben nur in Berlin möglich sein wird, erst die neue bearbeitung
des altdeutschen namenbuchs von A—P 1871. 72 bekannt wurde, die mir
manche mühe und manches citat erspart hätte.
208 DIE NORDDEUTSCHEN FLÜSSE: DIE WEICHSEL.
die die bei den Römern und übrigen alten herschende Vistula vor-
aussetzt*. dass Plinius Vistla geschrieben und daneben noch die
form Visculus, wie Jordanes ὁ. 5.17 Viscla neben Vistula, ge-
kannt habe, ist nicht wahrscheinlich. dies scl entspringt lediglich
dem bedürfnis des lateinischen und griechischen mundes, dem sl
fremd ist, und Visculus (= Visclus) Viscla weist daher auf Visla,
wie Sclaveni 2xAoßnvos bei Jordanes, Prokop ua., “Σϑλαβινοὶ
Σϑλαβοι bei noch späteren, auf Slaveni Slowene. das unlateinische
der verbindung sl verschafite auch bei den Römern gleich der form
Vistla den vorzug vor Visla und damit Vistula die herschaft. das
deutsche aber verlangt nur für sr unbedingt str, nicht stl für sl,
straum ström für srauma ῥεῦμα, svistar svistr-suöstar für svasar
svasr-, austr-östar für ausr usw. Vistla ist daher auch aus
Visla entstellt und zwar im munde der Deutschen, auch wenn
sie die quantität des stammvocals beibehielten und das wort
nicht weiter durch anlehnung an ein deutsches umformten, und
Visla muss der ursprüngliche name sein, den die Germanen erst
von westen her gegen den fluss vorrückend von den Littauern
* Vistula bezeugen der auctor des Mela, Agrippa, Ptolemaeus, Jordanes
und der cosm. Rav. 4, 4 oben s. 3. bei Plinius 4 8 81 ist überliefert ‘“uistia’,
8 97 ‘“uisilam (insulam) uisulam’, $ 100 ‘uisculus sive vistila’, bei Solin 20, 2
(= Plin. $ 100) ‘uistla, uiscla. wenn 8 97 ‘uisula’ in den geringern hss. aus
Vistla verderbt ist, so kann Ammians 22, 8, 33 Bisula ebenfalls ein verderb-
nis oder ein lesefehler sein, um so mehr da der daneben genannte Chronius
aus Ptolemaeus stammt. doch bei dem cosm. Rav., der 4, 4 die Vistula nebst
der insula Scanza vielleicht aus dem Jordanes hat, steckt 4, 18 in “Bisigibilias
sexaginta’ am wahrscheinlichsten auch eine Bisula und Visula kommt auch, und
daneben Viscla im mittelalter vor, und zwar wie es scheint nach antiker tradition,
aber aus welchen quellen? Einhard Vit. Caroli c. 15 (wiederholt von Eckehard
Me. 6, 163) ‘utramque Pannoniam et adpositam in altera Danubii ripa Daciam,
Histriam quoque et Liburniam atque Dalmaciam, deinde omnes barbaras ac
feras nationes, quae inter Rhenum ac Visulam fluvios oceanumque ac Da-
nubium positae Germaniam incolunt, perdomuit’. auch die chronik von SHubert
in den Ardennen Me. 8, 590 und die vita des abts Dietrich Mo. 12, 52 scheiden
Gallien und Germanien nach römischer weise und erzählen a. 1076 ‘grauissima
hiems incubuit ita ut in Galliis Ararim Rodanum Renum Ligerim (Galliarum
maximi fluvii Rodanus Ligeris et Rhenus — die vita), in Germania Albam
Visclam et Danubium, in Italia Eridanum (etiam Tiberis et rex fluviorum Er.)
permazimos fluvios gelu constringeret. Adam von Bremen 1, 2. 2, 78 nennt
auch die Weser ‘Wissula’. unser ‘Weichsel’ erklärt sich aus dem niederd.
Wissel, Wizle bei Jeroschin 23® uö., das nach analogie von ndd. dissel deichsel,
wessel wechsel ins hochdeutsche umgesetzt wurde. so findet man auch Mihsen,
Mihsensere, Meixner statt Missen, Missensre, Meifsner.
DIE ODER. 209
oder Slawen aufnahmen*. jenseit desselben haben dann ohne
zweifel die Goten den Pregel Guthalus (Plin. 4 $ 100) — viel-
leicht die Lutta des cosm. Rav. 4,4 — benannt, wenn auch nicht
gerade nach ihrem volksnamen. (vgl. oben s. 19.)
Für den zweiten grofsen fluss den die südlichen berge nach
norden in die Ostsee entsenden, darf man dagegen einen rein
deutschen namen erwarten, weil er notwendig dem ältesten bereich
der Germanen angehört und der heutige name — Odagra,
Odogra in den Ann. fuld. ad. a. 892, Adora bei Widukind 1, 28,
Oddora bei Adam von Bremen 4, 13 — in den Slawenländern so
gut wie nie wieder vorkommt und nur aus dem älteren deutschen
umgeformt zu sein scheint**. unsre altlateinischen quellen nennen
ihn nie, wohl aber Ptolemaeus, sogar mit zwiefachem namen. denn
da er 2, 11, 4. 13. 14 Suebus und Viadua nur an ihrer mündung
und in ihrem untersten, nicht aber in ihrem mittleren laufe unter-
scheidet und $ 15 nur den Suebus als scheide der völker zwischen
Elbe und Weichsel nennt, so sind beide klärlich derselbe fluss
und der doppelname mag daher rühren dass Marinus zwei diathesen
in seiner Τερμανίας ϑέσις verband***. Suebus aber ist nur eine
benennung des flusses nach dem ihm westlich anwohnenden, grofsen
volksstamm, Viadua allein sein fester, eigentlicher name. er ist
beide male wo er bei Ptolemaeus vorkommt ein wenig verderbt,
aber so dass beide stellen ihm gegenseitig aufhelfen. denn dass
er $ 14 in τοῦ Zadova ποταμοῦ seinen anlaut Οὐ durch den vor-
hergehenden artikel eingebüfst hat, lehrt Οὐιάδου ποταμοῦ 84
und umgekehrt ἰαδούα ποταμοῦ ἃ 14 dass Ovsadov seinen endvocal
verloren. der fehler ist uralt, schon durch den auszug des Mar-
cianus 2, 35 (Gm. 1, 557) bezeugt, und wahrscheinlich mit vielen
andern schon von Ptolemaeus aus der von Marinus mehrmals her-
ausgegebenen diorthosis (DA. 1, 362 f.) herübergenommen. die
herstellung Οὐιαδούας aber ist leicht und sicher und ergibt als
* slawische fluss- und ortsnamen vergleicht Schafarik 1, 494.
*® Zeuls 16. Miklosich Ortsnamen 1, 4. Schafarik 1, 494 bringt nur noch
eine Odra aus Illyrien (Kroatien im Turopolier felde zwischen Kulpa und Sau)
bei, wo aber der name wie Kulpa und Sau ererbt sein kann. er möchte Oder
durch litt. audra flut, überschwemmung, auch orkan, windsbraut nach Nessel-
mann, erklären. wie aber kämen die Littauer an die Oder? Förstemann 2, 1508
vergleicht gall. Audura j. Eure, die aber nach Zeufs Gr. 779 ehemals Autara
hiefs. wie es sich mit der harzischen Oder verhält, müste ein alter beleg
ausweisen.
*** Haupts zs. 9, 231 ff. oben 8. 80.
DRUTSCHE ALTERTUMBKUNDB II, 14
210 DIE NORDDEUTSCHEN FLÜSSE.
namen ein wort von dem echtesten deutschen gepräge, das seiner
bildung nach dem got. fijapva, friapva frijapva vollkommen ent-
spricht und wie fijapva mit (feian) faian fijan auf die wurzel pi
hassen, frijapva mit freis frijön auf die wurzel pri lieben, mit ahd.
uuio der weihe, uuit weit, uueida vagatio venatio pastus und
pascuum auf ein starkes oder schwaches verbum veian oder vijan
von der wurzel vi (gehen) führen treiben jagen zurückgeht, zu der
gr. οἴσω, οἵστρος die bremse ua., vielleicht auch lat. via gehören,
die auch besonders deutlich in der dem deutschen zunächst ver-
wandten sprache, dem littauischen hervortritt*. Vidua Vijapva ist
also zu verstehen wie Hunte nach ags. huntjan -ode venari, als
wenn heute der fluss oder ein andrer die Jagd oder die Trift
hiefse, oder auch einfach wie Renos Rin als lauf, wasserstrom auf-
zufassen. dem übergang in Odora Odra wäre Viadura, Viadra
ungleich günstiger; doch ist das übliche Viadrus nur eine fiction
der gelehrten des XV/XVI jahrhunderts.
Den dritten grofsen fluss hörten die Römer Albi nennen und
daraus, nicht aus Albia machten sie ihr masculinum Albis**. die
verkürzung des nominativs der feminina auf ia in i betrachtete
das gotische, so wie es uns vorliegt, als eine pflicht bei lang-
und mehrsilbigen wörtern, das westgermanische aber als eine frei-
heit, die es überall, wie es scheint auch bei den kurzsilbigen, zu-
liefs. sie besteht im althoch- und niederdeutschen im wesentlichen
fort, wenn auch die schriftsprache bestrebt war das a den ab-
stractis auf i gegenüber festzuhalten und herzustellen, während
das angelsächsische umgekehrt, wie das altnordische, dahin kam
nicht nur das a oder dessen aequivalent sondern auch das i im
* Jitt. wöju wijau wyti jagen nachjagen, wijimas verfolgung, wajöti
scheuchen herumjagen, wajone wettlauf, streiferei, pawijys eine strecke weges. —
an das niederdeutsche alts. uuiod ags. veöd (vgl. Brem. wb. 5, 216. Stüren-
burg Ostfries. wb. 8. 327) könnte man nur denken wenn dies ursprünglich
zweisilbig und der diphthong aus ija, ia entstanden wäre, wie in ags. freöd
got. frijabva, und uuiod einmal nicht blofs unkraut (unter dem weizen) son-
dern überhaupt kraut bedeutete. dann könnte Vijabva Viadua (Wioda) aller-
dings der kraut- schilf- tangreiche fluss sein.
ἘΦ ἤλλβιος hat nur Dio 55, 1. 28, "AAßıs "AABıdos 77, 14. die übrigen haben
allgemein Albis, der auctor Melas, Augustus (Res gest. 5, 12) usw. Alba taucht
zuerst auf bei Solin 20, 2, wo Plinius Albis hat, und dann in Mamertins
Genethl. 16 “horridus secat Alba Germaniam’. Sidonius Apoll. Carm. 7, 391 hat
Albis. die Alba bei Vopiscus Prob. 13 aber ist das gebirge, die rauhe Alb,
Zeufs 7. Stälin Wirtemb. gesch. 1, 70. 333.
DIE ELBE. 911
nominativ sowohl der ursprünglich lang- und mehrsilbigen als auch
der durch consonantumlaut langsilbig gewordenen feminina überall
zu beseitigen. im altgordischen, wo die feminina dieser art zum
teil, gleichsam zum ersatz für den verlust, im nominativ ein r
durch erbschaft und übertragung aus der alten zweiten starken
declination erhalten haben, entspricht demnach Elfr (Gautelfr,
Raumelfr) vollkommen dem Albi, Albia*, und da οἷν oder elf im
norwegischen (Aasen 1871 s. 133) und schwedischen noch in leben-
digem appellativischem gebrauch ist für jeden fluss und strom, so
ist Albia damit als deutsches wort erwiesen und der name um so
mehr für deutsch zu halten, weil er sich schon durch seine for-
mation von allen ähnlichen unterscheidet, das appellativ sich sonst
nirgend wiederfindet und neben alb lichtwesen und albiz schwan
auch die grundbedeutung ‘der weilse, weifsliche, lichte fluss’ noch
hervortritt **,
auch der gröste und wasserreichste zufluss der Elbe auf ihrer
östlichen seite, die Havel — Habola Ann. Lauriss. a. 789 uam.
Havela a. 981 (Förstem. 2, 715) — trägt unverkennbar einen deut-
schen namen, vielleicht sogar auch die Spree. denn dieser fluss,
der in seinem mittleren laufe in eine unzahl von armen geteilt
eine ansehnliche landschaft bewässert, hielse lateinisch passend
Spargia und dasselbe würde Spragia oder Spravia im deutschen
bedeuten***, wenn so die Römer ihn nennen hörten. Habula aber
* auch Elfi, Gautelfi kommt vor, Fus. 12, 279. 290. 339. das appellativ
ist aus altnordischen denkmälern nicht zu belegen, nur elfr dichterisch als
äheiti (SE. 1, 576), aber aus den mehrfachen compositis — bei Grimm Gr. 3, 385
auch Vermelfr — zu schliefsen. ags. elf ist wohl nur von Ettmüller 8. 7 fälsch-
lich aus inelfe, inilfe gefolgert, vgl. altn. innylfi, innyfli ahd. innovili, innodli
Graff 1, 298.
* JGrimm Gr. 3, 385. Myth. 413. GDS. 325, vgl. DA. 1, 2. Curtius Gr.
etym. nr. 399. für die Alben (Albana), die nebenflüsse der Traun und Salzach
ist gewis eine ganz andre bedeutung anzunehmen und an eine herleitung von
den alben (Alpen) zu denken; so auch vielleicht bei andern. der formation
nach steht unserer Albia am nächsten gr. '4lpssös dor. ’Alpsos, und dieser
name kann ein ursprünglich und rein griechischer sein. im übrigen vgl. Alba
(Aube, Albis beim cosm. Rav. 4, 26)—= Alb, Alf, wie namentlich mehrere neben-
flüsse des Rheins heilsen (Förstem. 2, 47), Albla in den Niederlanden, Albula =
Tiberis, Albana (s. vorher), Albinia j. Albegna in Toscana. über die hessische
und lahngäuische Elbe s. unten.
*#* nach mitteld. spröjen sprewen, dem unser ‘sprühen, sprudel’ ags. spregan
und isl. sprana scaturire (als subst. rivulus) nahe verwandt ist. vgl. Zeufs 15.
die anwohnenden Wenden nennen die Spree (Sprewa bei Thietmar von Merse-
14*
919 DIE NORDDEUTSCHEN FLÜSSE.
bedeutet geradezu die seen-, gefäls- (bassin-) oder behälterreiche,
denn wenn auch die bedeutung von mhd. habe hafen, meer erst
verhältnismäfsig spät entwickelt wäre*, sg würde sich jene doch
ebenso gut wie die für ‘hafen’ portus und havan olla, schon aus
dem verbalbegriff von haban oder hafjan ergeben: Habula ist genau
lat. capula, wie nach Varro LL. 5, 121 ein gefäls hiefs, und auch
das lateinische hat capula und capulus, capulum ohne capa, capus
als mittelglied gebildet. das ableitende 1 drückt im deutschen
sehr gewöhnlich die wiederholung des stammbegriffes aus, wie man
namentlich aus den adjectiven ahd. bötal mendicus, äözzal edax,
Agezzal obliviosus uam. (Gramm. 2, 102) sieht, doch auch aus den
substantiven, z. b. aus dem verhältnis von saivala seele und saivs
see (das bewegte, wogende element), von δια. wurzala und got.
vaurts, ahd. zuival und zuöho usw. den Römern, die mehr als ein-
mal an der Elbe standen und von jenseit gesandte empfiengen,
kann der fluss nicht unbekannt geblieben sein und ich zweifle
nicht dass ihr Chabulus, wie sie statt Chabula auch die Habula
genannt haben können — vgl. Guthalus s. 209 —, durch Marinus
und Ptolemaeus in Χαάλουσος verderbt ist, da dies der einzige
fluss ist den sie zwischen Elbe und Oder kennen, aber wie Strabo
die Lippe in die Nordsee, verkehrter weise in die Ostsee münden
lassen. von den nördlicheren zuflüssen der Elbe können dann wohl
nur noch die Alster bei Hamburg, Alstra bei Adam von Bremen
3, 26, und die Stör bei Einhard Annal. a. 809. 817, Adam Br. 2,
15 Sturia auf alte deutsche namen anspruch machen**, da es
burg) einfach den “fluss’ (reka), die Polen Sprowa, die Czechen Spro. — für
die deutschheit von Habula spricht auch dass Hevelli Heveldun der deutsche
name für die wendischen Stoderanen an der Havel war (Schafarik 2, 582, vgl.
Zeufs 651), so wie Brandenburg umgekehrt bei den Wenden Zgorzelica hiefs,
Heffter Gesch. von Brandenburg s. 28.
* Zeufs 15 erinnert aufserdem an altn.haf. aber dies ist eigentlich ‘er-
hebung, höhe’ mare altum, wie ags. holm und der plural heafo Beov. 2477 =
holmas 240. 2132, wie man noch aus dem niederdeutschen sieht, das in meiner
heimat ‘see’ und ‘haf’ streng unterscheidet und haf nur von dem meer ge-
braucht soweit es durch flut und ebbe sich hebt und senkt. s. glossar zum
Quickborn 1856 s. 329 f. und Stürenburg Ostfries. wb. s. 84. neufrz. havre altfrz.
hable havle mlat. habulum havla ist von Diez (Etym. wb. s. v.) gewis richtig für
altn. höfn (gen. hafnar) genommen, da so manche nordische und deutsche
schifferausdrücke ins französische übergegangen sind und Ducange unter haula
auch noch altfrz. havene belegt.
** Delbende bei Einhard Ann. a. 822, Deivunda bei Adam Brem. 2, 15"
in Lauenburg könnte ein derivatum von alts. delban ags. delfan graben sein
DIE ELBE. 913
auch in Schweden, im Kalmar län, eine Alster gibt und sie sich
durch schwed. alstra hervorbringen, alster frucht zucht erzeugnis
und ags. styrian movere agitare (altn. styrr getümmel) leicht er-
klären *.
von den westlichen zuflüssen nennt Strabo p. 291 den bedeu-
tendsten in der norddeutschen ebene, die Sale, Σάλας. noch drei
oder vier andre flüsse, in deren nähe regelmälsig salzquellen
liegen, führen in Deutschland denselben namen, in Niedersachsen
ein nebenfluss der Leine bei Salzhemmendorf, Lauenstein und
Elze, dann südlich von der Rhön und Werra die fränkische Sale,
ferner ein nebenflüsschen des Regens** und der nebenfluss der
Salzach bei Reichenhall, endlich noch in Pannonien ein zufluss des
Plattensees, zum teil also in gegenden wo unzweifelhaft ehemals
Gallier hausten, und da alle germanischen sprachen im unterschied
von den verwandten statt des einfachen sal den erweiterten wort-
stamm salt salz sowohl im substantiv als im verbum für die un-
entbehrliche würze verwenden, so scheint der name Sala eher
gallisch als deutsch und in Norddeutschland auf eine ältere kel-
tische bevölkerung zwischen Weser und Elbe zu deuten. doch
wäre die folgerung bis jetzt noch voreilig. in Gallien findet man
nur eine Salia, j. Seille bei Chäteau Salins in Lothringen, die
Salusia j. Selse bei Alzei und Oberingelheim *** und vielleicht einige
j. Selle oder Sell& genannte gewässer, aber weder hier noch sonst
in andern jetzt oder ehedem von Kelten bewohnten ländern aulser-
halb Deutschlands eine Sala. dies führt darauf den namen viel-
(Gramm. 2, 82); Delve in Ditmarschen, Delft in Holland ua. sind nach alten
canälen und wasserläufen benannt. aber wohl erst seit der verbindung der
Delvenau und Steckenitz durch einen canal wird dieser entschieden slawische
name auch auf jene übertragen.
* die kürze des u in Sturia beweist der heutige umlaut, glossar zum
Quickborn 1856 s. 294.
* Förstemann 2, 1209. die belege für die ungarische Sala (das. 1211)
reichen bis zum j. 860, also noch in die zeit vor der niederlassung der Ungarn
hinauf.
”** Salusia a. 742. 763, Salisus a. 983 Förstem. 2, 1216. Salusa bei Zeufs
Gr.2 122 ist ein irrtum oder eine nicht erlaubte conjectur. bei Mela 2, 5, 82
und auch im Itiner. Anton. ist Salsulae überliefert und der ort an der quelle
heifst noch jetzt Salses (Ukert Gallien s. 122f.). in solcher nähe der Pyre-
naeen ist auch kein keltischer name zu erwarten und der lateinische vielleicht
nur die übersetzung eines iberischen. — nach AJacobs G&ographie des diplomes
merovingiens s. 23 hiefs jedoch die Selle bei Valenciennes wirklich ehe-
dem Sale.
214 DIE NORDDEUTSCHEN FLÜSSE.
mehr für die eigentümlich deutsche benennung eines salzflusses
zu halten, die die Germanen erst nach Süddeutschland und in das
gebiet der Donau verpflanzt haben. die Hermunduren, die das
gebiet der fränkischen Sale seit dem abzuge der Marcomannen
nach Böhmen und später wieder als Thüringer zur zeit ihrer
unterwerfung durch die Franken beherschten, konnten sie leicht
nach ihrer heimischen Sale benennen. die Baiuvarier aber, die
Juvavum in Salzburg, die Igonta (Isonta?) oder den Juvarus in
Salzaha umnannten, werden doch wohl auch die Pinzgauer und
Reichenhaller Sale benannt haben und konnten den namen gleich-
falls an den Regen und nach Pannonien übertragen. wie lebendig
einmal sein zusammenhang mit dem appellativ und dessen sippen
gefühlt wurde, bezeugt das niederdeutsche, nordthüringische Sala-
beki, eben südlich von Magdeburg*. Salabeki ist Salabach, aber
der ort liegt an der Sülze (Sulta a. 1130) nebst den ortschaften
Solen und Süldorf (Suldorp a. 937. 939. 973), wo wie in dem
nahegelegenen Salze Frose und Schönebek im mittelalter und
später salz bereitet wurde. man darf darnach behaupten, dass in
Sala noch der einfache stamm, den salt salz voraussetzt, erhalten
ist und dass unser sole, mhd. sol sul, bair. sul sulch, alts. sul suli,
ndd. sül söle dazu genau in demselben verhältnis steht wie sulza
sülze, sulta sült zu salz und salt. es kommt hinzu dass auch
unter den namen der nebenflüsse der thüringischen Sale, soviel
ich sehe, keiner als unzweifelhaft keltisch nachgewiesen werden
kann**. und dasselbe gilt von den übrigen nebenflüssen der Elbe
* Förstemann 2, 1210f. 1326. vgl. dazu Geschichtsblätter für stadt und
land Magdeburg 2, 226f. 231. 486. 4, 42. Büsching 1778. 3, 3, 17. 19. 20. 23.
auch Sülbek im amt Salz der Helden bei Eimbek (Büsching 3, 3, 188) ist ein
salzdorf und ebenso ist Sülfeld in Holstein bei Oldesloe, Sölde in der graf-
schaft Mark (Büsching 3, 1, 747) und bei Hildesheim alts. Sulithi (Förstem. 2,
1325) und der zweimal in Thüringen und auch im Grubenhagischen bei Giebolde-
hausen wiederkehrende fluss- und ortsname Sulaha (Förstem. 2, 1326 vgl.
Büsching 3, 2, 560 f.), wie die vorhandenen oder in der nähe belegenen salz-
brunnen lehren, aufzufassen und nicht mit sol lache, bodensenkung zusammen-
zubringen. Sulzdorf Saal Salzburg Salz Sulztal ua. an der fränkischen Sale
zeigen auch hier den flussnamen in appellativischer lebendigkeit. vgl. in der
Wetterau Landau 1, 131. Roth Beiträge 1, 231f. auch die Salza oder der
Salzbach bei Bruchsal soll Sale genannt werden.
* am verdächtigsten ist die Wipper, die dreimal in Altthüringen wieder-
kehrt, als nebenfluss der Sale, der Unstrut und der Gera als Wipfra, aber
auch als nebenfluss des Rheins. allein wo fände sich bei den Kelten ein ähn-
licher, vergleichbarer name? die belege bei Förstem. 2, 1551 reichen nicht
DIE WESER UND EMS, 215
innerhalb des alten Deutschlands. selbst im Boierlande erkannte
Zeufs s. 15 in der slawischen Wlatava, die wir zu einer Moldau
gemacht haben, die alte deutsche Waldaha, -ahva. (oben s. 93.)
Auch bei dem vierten grofsen flusse hat das femininum Visuri,
Visuria im munde der Römer dem masculinum Visurgis weichen
müssen, auf dieselbe weise wie bei Albis (s. 210), nur dass sie,
wohl durch die obliquen casus Visurjäs, -jös, -j&, -jö (später u)
verleitet, sich erlaubten ein g einzuschalten*. das ableitende
-uri, -uria, später -ura muss man durch -oria, -Öria auf ursprüng-
liches -äri& zurückführen** und Visuria kann sehr wohl die wiesen-
hoch genug hinauf um zu entscheiden ob Wippera ein anlautendes H verloren
hat, was ags. hveop, hveopjan engl. whip für ahd. wipf mhd. wif, wippen ndd.
wipp, wippen zu beweisen scheint. aber Jonsson und Haldorsen (vgl. Gislason
Orädab. 8. 575) bezeugen die doppelform hvipp und vipp (altengl. wippen bei
Stratmann s. 648 kommt neben s. 311 nicht in betracht) und so kann Wippra
sehr wohl lat, Vibria, Vibra sein oder die hüpfende. man vgl. auch die fluss-
namen Schwinge und Springe, und wegen des lat. worts litt. wyburu ich
schwinge. — das in Unstruot (übles gewässer, Gramm. 2, 775 ff.) enthaltene
appellativ ist belegt in der anm. zu Denkm. ıxıv, 46. die vermutung Förste-
manns 2, 1438, dass die Unstrut nach dem bach Ohne, der jenseit des höhen-
zuges über ihrer quelle im alten Onfeld entspringt und bei Nieder-Orschel in
die Wipper fliefst, benannt sei, wird hoffentlich keinem einleuchten. Gregor
von Tours schreibt schlecht und ungenau Onestrudis statt Une- Unströdis =
Unstruot.
* ähnlich gebildet scheinen bei Ptolemaeus 2, 11, 29 Kaoovpyis Bov-
dopyis, 80 Kogdopyis, vgl. 28 Τουλισούργιον Bovdogsyov, 29 Bovdogis Βιχούργιον.
bei den Kelten finde ich nichts ähnliches. vgl. unser ‘bürge ferge scherge’
ahd. burio fario scario. — auf der ravennatischen karte wurde der fluss wahr-
scheinlich zuerst mit seinem deutschen namen genannt; denn bei dem cosm, 4, 17
können ..die hauptflüsse von Saxonia ‘Lamizonipada’ = 4AMIZONIITAAA gewis
nichts anderes sein als 4MLEZAOYIEAPA.
** wie got. -muni in lauhmuni glitmuni = lat. -mönia, altem mäniä. wie
das griechische und lateinische, so besafs ohne zweifel ehemals das deutsche
manigfaltere bildungen aus altem -är -äri, die erst allmählich gröfserer ein-
förmigkeit platz machten (vgl. Gramm. 2, 141), in den ahd. meist schwach
flectierenden auf -uri -urr — eimuria favilla, chilburrs - ira -ra ags. cilfor agna,
chuburra-irra ratis classis, cumpuria - irra - erra tribus s. 118, zaturra - arra -rö-
ard (bei Kero ist -& = 18) meretrix, faturdo - aro - erro-ero-iro patruus, vgl.
möderia Germ. 1, 115 muotera ags. mödrige ndd. mödder medder (gloss. zum
Quickborn 8. 345) matertera, auch zeihhurra suehurra ua. lassen sich mutmafsen
— dient der dumpfe vocal vielleicht nur zur auflösung der consonantverbin-
dung. daran aber ist bei Visurgis und noch ahd. Uuisura bei Einhard und
sonst, dann Uuisara Uuisera mit fortdauerndem reinem stammvocal, endlich
Uudsera nicht zu denken, da altes visr notwendig vistr ergeben hätte (s. 208),
die synkope aber erst verhältnismälsig spät (Zeufs 15 f. anm. Förstem. 2, 1500)
216 DIE NORDDEUTSCHEN FLÜSSE.
schaffende oder wiesenreiche sein*. jedesfalls kann der name und
können auch die der östlichen zuflüsse nicht eher als keltisch in
anspruch genommen werden, als bis Gallier auf der westlichen
seite des flusses als ehemalige anwohner nachgewiesen sind, und
vorläufig steht es damit nicht besser, als auf dem linken ufer der
Elbe. Tacitus nennt nur den das Hessenland in seiner ganzen
breite durchschneidenden nebenfluss der Fulda, die Eder Adrana und
dies ist augenscheinlich ein rein deutscher name, der sich auch
auf altcheruskischem gebiet bei Gandersheim wiederholt, eine ab-
leitung von dem noch durch eine ahd. glosse erhaltenen adjectiv
atar acer celer, dem stamm des adverbiums ags. ädre statim con-
festim, alts. adro zeitig früh. der gröste strom, der das land von
süden nach norden durchstreift, die Fulda Fuldaha heifst der
‘Jandfluss’ **, wie der hauptfluss des benachbarten Tullifeldes Feldaha.
merkwürdiger weise erscheinen unter den gewässern der Eder eine
Elbe und Ems neben einander, diese sogar in begleitung eines
Rins. die erscheinung ist um so merkwürdiger, weil sie sich im
gebiet des Rheins bei der Lahn wiederholt. allein die ursprüng-
liche namenform der hessischen Elbe, Albina, scheint in dem namen
des anliegenden ortes Elben — a. 1074 ZElvinu im dat., 1200 El-
bena — erhalten und die hessische Ems nach der ältesten über-
lieferten schreibung Eymese von a. 1404 eher eine ahd. Eimisa
als Emisa Amisia, so dass die übereinstimmung mit dem namen
der grolsen flüsse sowohl als der zuflüsse der Lahn sich erst spät
und mit ihr zugleich die dissimilation in Uuirra Uuirraha Wörra eintritt. so
ist auch die erklärung von Visurgis, Uuisura als ‘westfluss’ unmöglich. die
Weser bei Eupen, Vesere a. 915 bei Martöne et Durand 1, 254, bei den Wal-
lonen Vesdre, bei Büsching 3, 1, 618 fl. Weze, sei hier nur erwähnt.
* JGrimm GDS. 656 erinnert an die Engern und Angrivarier, die zu
beiden seiten des flusses wohnten; an der Weser lag auch das schlachtfeld
Idisiaviso. ahd. wisa pratum, mit ungebrochenem, reinem und daher wie in
snita buccella ua. wurzelhaftem 1, wird mit altn. veisa sumpf, ags. väs schlamm,
vielleicht auch ahd. uueisunt arteriae ags. väsend fries. wäsend engl. weasand
schlund, gurgel, luftröhre, mit gr. ἐός lat. virus viscum viscera ua. zur wurzel
vis netzen gehören. von der wurzel, die im litt. waisa fruchtbarkeit, waisus
frucht, weisle art zucht, wislus fruchtbar und wahrscheinlich in dem namen
der Weichsel zu tage kommt, zeigt sich im deutschen kaum eine spur und
‘Vistula Visula’ und ‘Visurgis Uuisura’ sind von verschiedenem ursprung, wenn
unsre vermutung richtig ist. in Frankreich gibt es eine Vesle bei Rheims
und eine Vistre bei Nimes.
* Grimm GDS. 574. KRoth Kleine beiträge 1, 13. 25. über die andern
flüsse 8. Landau Hessengau 8. 50. 203. Förstem. 2, 1125. Roth 8. 123.
DIE WESER UND EMS. 217
einstellte; Rin aber für bach, wasserlauf braucht man, wie sich
bald ergeben wird, noch nicht für einen fremden namen zu halten,
und auch unläugbare fremdlinge wie die Phiopha, ein gewässer
der Fulda, mit ihrem anlautenden P, der Wasgenberg oder mons
Vosegus eben nördlich von Fulda — Uuasgunberg nach Trad. Fuld.
nr. 721 a. 980* -— neben einer Rinaha uam. können in einem
grenzlande, wie es Hessen ehedem nach süden hin war, keines-
wegs überraschen. von den namen der nördlicheren zuflüsse der
Weser unterhalb der Fulda lassen sich mehrere, wie die Hunte
(s. 210), unschwer aus dem deutschen erklären und so lange nicht
eine berechtigung dafür nachgewiesen, ist die deutung aus dem
keltischen abzuweisen. selbst der name der Ems — Amisis bei
Plinius 4 $ 100 und in schlechter schreibung Amissis bei Mela
3, ὃ. 30, eine form die sich zu der bei Tacitus Ann. 1, 60. 63. 2,
8. 23 überlieferten Amisia und zu ahd. alts. Emisa genau so ver-
hält wie Albis Visurgis zu Albia Elba und Visuria Uuisura
(s. 210. 215), bei Strabo p. 290. 291 Aueotes, Ptolemaeus (Marcian
2, 32) Auad-** — muss einmal deutsch verstanden sein: wie wäre
sonst Emeden*** von demselben wortstamm abgeleitet? auch der
nebenfluss der Ems, die Hase, auf den schon die Chasuarii deuten,
* vielleicht ist auch mons Usgo bei Kaltenwestheim im Tullifeld Trad.
Fuld. nr. 663 c. 915 derselbe name. — dass Kassel (Chasella, Cassala GDS. 579.
Landau Hesseng. s. 87) in der tat nichts anderes ist als ‘castellum’ (JGrimni
in Haupts zs. 7, 476), lässt das mainzische Kassel, jetzt gewöhulich Kastel
geschrieben, und das flandrische, das alte castellum Morinorum füglich nicht
bezweifeln, und ebenso wird Kassel in der Wetterau (Landau 1, 134 ff.) und
am Niederrhein (GDS. 580), Kassel zwischen Neufs und Düsseldorf, Rheinkassel
zwischen Worringen und Köln, Ober- und Niedercassel am Siebengebirge und
die Casselburg in der Eifel aufzufassen sein. vgl. Förstem. 2, 355.
* Wilberg hat darnach 2, 11, 28 Auccie statt Auacsıa in den text ge-
setzt. Marcian aber muss bei Ptol. 8, 6, 3 '4usoi« oder “4uo« gefunden haben,
da er nach Stephanus Byz. 55, 20 "4uca als πόλις Γερμανίας ἐν τοῖς ἀπὸ ἱῬώμης
ἐπὶ τὰς διασήμους πόλεις aufgeführt hatte, und KMüller Ομ. 1, cxxxııı zeigte
dass auch 2, 11, 28 der ort 4wsoia hiels. dass aber bei Tacitus Amisia als
ort vorkomme, ist nicht wahr.
*# Amuthon, Emuthon Westeremden im Fivelgau im Index bonor. Werthin.
ed. Crecelius 8. 12—16. 25; Emedun Emden an der Ems a. 944 Dronke Antig.
Fuld c. 37. wegen des stammes vgl. Gramm. 2, 88. 221 — wo ahd. emizic
(nie imizic) perpetuus ganz richtig, im Dwb. 3, 443 aber falsch aufgefasst wird
— Graff 1, 254 ff. Förstem. 1, 72—81. Aasen 8. 6 uam. norw. amsa antreiben
‘und die andern ähnlich gebildeten schwachen verba (Gramm. 2, 271 f.) erläutern
den sinn der ableitung am besten. Amuthon aber, das heutige Muyden in der
nähe von Amsterdam, ist = Amüthon.
918 DIE NORDDEUTSCHEN FLÜSSE.
trägt allem anscheine nach einen deutschen namen* die ent-
scheidung darüber, wie weit einmal das westliche Deutschland von
Kelten bewohnt war, muss vom Rheine aus gewonnen werden.
Bis Ariovist im j. 72 mit seinen Sueben über den Rhein gieng
und sich des uferstriches von Worms bis gegen Basel bemächtigte,
bewohnten Gallier die linke seite des flusses in seiner ganzen aus-
dehnung vom gebirge bis zum meere in. ununterbrochener reihe
und hatten auch noch unlängst, ehe die Marcomannen und ihre
genossen südlich vom hercynischen urwalde fuss gefasst, seine ganze
rechte seite bis zum Maine, sowie das ganze gebiet der oberen
Donau beherscht. sie müssen auch den fluls eher gekannt und
daher eher benannt haben als die Germanen und diese den namen
Rin von ihnen empfangen haben. das lautliche verhältnis der
deutschen oder allgemein germanischen namenform zu der alt-
gallischen, von den Griechen und Römern angenommenen Rönos
ir. Rian ist ein ganz regelmälsiges**, so dass daraus nichts für die
entlehnung folgen würde. denn wenn R&nos aus altem rainas von
der wurzel ri gehen, fliefsen, durch die mittelform reinas hervor-
gieng, das gallische aber selbst doppelformen wie d&vos und divos,
* den namen unmittelbar aus ags. hasu altn. höss grau, bleich (nicht
‘schön, glänzend’) zu erklären geht allerdings nicht wohl an, weil er ahd. alts.
stäts nur Hasa, nicht Hasua Hasawa lautet. nur findet sich einmal Hasugö
Trad. Corb. $ 363 c. S50 gegen Hasagouui Erhard nr. ıvı a. 948. aber an den-
selben stamm darf man denken, da ahd. hasan politus im grunde dasselbe wort
mit lat. canus zu sein scheint, Kuhns zs. 2, 152 f.
ἈΦ dies ergibt sich aus der erklärung, die Glück in den Sitzungsberichten
der Münchener academie von 1865 von dem namen Rönos gegeben hat, der ich
oben folge. mit unrecht aber hält er Hrin für die älteste deutsche form des
namens. Hrin schreibt nur einmal der amanuensis Wolfram in der Fuldaer
trad. nr. 27 a. 765, und ein andrer, der eben Hröni, Hrönhöm geschrieben, bei
Lacomblet nr. 65 a. 855 Hrineshöm, wie man sonst Tr. Fuld. nr. 16. 26. 101.
105. 113 uö. auch anderswo Hrenus statt Rhenus geschrieben findet, aber ge-
wis ohne an ahd. ags. hrinan tangere oder gar altn. hrina tierische laute aus-
stofsen — dies ist ahd. ags. unbekannt — zu denken. dem ganz vereinzelten
Hrin stehen das ältere Rin Trad. Fuld.nr. 8 a. 755 und die zahlreichsten andern
Rin aus ober- und niederdeutschen urkunden und quellen, deren sammlung bei
Förstem. 2, 1182 ff. leicht noch vermehrt werden könnte, entgegen und zwar
aus gegenden und zeiten wo man das Hr noch sehr wohl kannte (vgl. vorr.
zu Denkm. 8. xıı), und überdies noch ags. Rin in Älfreds Orosius und der age.
chronik zum j. 887 (Thorpe 8. 158 1.) und altn. Rin, durch so manchen stab-
reim gesichert, so dass über die germanische gestalt des namens nicht der
geringste zweifel besteht. das altn. hat allein aus Rin ein femininum gemacht,
wie es die deutsche genusregel der ilussnamen verlangt.
DER RHEIN. 219
regs und rigs für altes deivas daivas, reigs raigs hatte und sogar
noch jetzt die appellative rian (== r&nos) weg pfad und rin, rhin
canalis im irischen und kymrischen neben einander bestehen, so
ist offenbar dass das deutsche bei der entlehnung, wenn nicht von
einer nebenform Rinas, nur von der älteren Reinas ausgieng und
dass das deutsche Rin zu dieser und der noch älteren rainas sich
nicht anders verhält als altn. tivar und ahd. -rih got. reiks zu
daivas und raigs oder ahd. dri got. preis lat. tris trinus zum
alten trajas usw. das deutsche rinnan laufen fliefsen zeigt eine
andre entwickelung der wurzel. es kann aber daneben sehr wohl
auch im deutschen einmal ein appellativ rin wasserlauf, bach ge-
geben haben und damit können die kleinen gewässer benannt sein,
die in Deutschland den namen führen*, aber nicht wohl der grolse
fluss. dass dieser seinen namen nicht von den Germanen erhielt,
lehrt schon das masculinum, und wenn nichts anderes, so spricht
doch von sprachlicher seite dies ebenso wie beim Main, Neckar,
Roten (Rhone) ua. entschieden für die entlehnung.
Ist also der Rhein von den Galliern benannt und sind die
Germanen erst später an seinen ufern erschienen, so müssen ihn
jene vor diesen, wie in seinem obegen, so auch in seinem unteren
laufe unterhalb des Mains bis zum meere zu beiden seiten besessen
haben, wo ihn die Germanen zuerst erreichten. dies ergibt sich
auch noch aus manchen spuren, so dass die Menapier, die bis auf
Caesar noch im Hamalande wohnten, nur als der letzte überrest
der keltischen bevölkerung diesseit des Rheins angesehen werden
können (s. 204).
* aulser dem Rinbeki bei Bochum (Crecelius Trad. Werth. 1, 58, 15) und
den hessischen 8, 216 ἢ, im gebiet der Elbe der Rhinbach bei Bernterode an der
Wipper unterhalb Worbis, der Rhein bei Bitterfeld, der Rhin bei Fehrbellin
und Rhinow, nebentluss der Havel und bei Glückstadt in Holstein. hieher ist
der name wohl ohne zweifel durch die niederländischen colonisten, die seit
dem 12 jh. die Elbmarsch bevölkerten, vielleicht auch nach der Mark und in
die gegend von Bitterfeld auf ähnliche weise verpflanzt. die Gallier nannten
bekanntlich auch das flüsschen bei Bononia in Italien Rhenus Plin. 3 $ 118.
16 $ 161. Sil. 8, 601, und in Gallien selbst findet sich ein fluviolus Renus,
Mabillon de re dipl. nr. 128 a. 917. von der wurzel ri ist noch alts. rith (GI.
Lips. 771. 772) ags. rid rivus (moorriede udgl. noch heute) abzuleiten — alts.
riha und ags. ride Gr. 3, 386 ist nichts und mhd. rige oder rige gewis nicht
rivus —; aber auch ahd. rina olla, bair. rein, auch senkung im erdreich worin
sich wasser sammelt (Schmeller 3, 101) gehört gewis noch dazu und, da die be-
griffe ‘lauf, strich, streifen’ einander nahe liegen, auch wohl ahd. mhd. altn.
rein, nhd, rain.
220 DIE NORDDEUTSCHEN FLÜSSE.
von den südlicheren flüssen, die hier nicht in betracht kommen,
abgesehen verrät der Main, ahd. Moin, nicht nur als masculinum,
sondern auch durch seinen ganz undeutschen diphthong den kel-
tischen ursprung seines namens; nicht minder, die Sale etwa ab-
gerechnet (s. 213), durch die namen seiner zuflüsse, von denen
Nidda und Tauber, Nida und Dubra beim cosm. Rav. 4, 24 zuerst
genannt werden *.
keltisch ist auch Taunus (Mela 3, 3, 30. Tac. Ann. 1, 56. 12,
28) und das von Ptolemaeus 2, 11, 29 etwas östlich von Mattiakon
(Wiesbaden) in fast gleicher breite mit Mainz angesetzte Agravvor
ist vermutlich nichts anderes als Aretaunum, ad Taunum, die gal-
lisch lateinische benennung des von Drusus in monte Tauno er-
richteten castells bei Homburg vor der höhe** und dies davon
die deutsche übersetzung.
für die Lahn, Logna beim cosm. Rav. 4, 24, ahd. Logana
Loganaha gibt es keine irgend passende anknüpfung im deutschen,
freilich auch wohl keinen entsprechenden keltischen namen. aber
der ort am flusse, der der umliegenden landschaft ihren heutigen
namen gegeben hat, Nasova im achten und neunten, Nassove im
zwölften jahrhundert*** scheint nur mit einem andern derivatum
desselben wortes benannt wie Nasonia, Nassonia, j. Nassogne im
belgischen Lutzenburg. dass eins der nebengewässer der Lahn
heutzutage Aar heilst, wie nebenflüsse des Rheins in der Eifel
und der Schweiz darf zwar nicht ‚geltend gemacht werden, da der
name im neunten jahrhundert Arda lautete (Kremer 2, 14), also
von der Ard (Ardaha Cod. Lauresh. nr. 3181) auf der nordseite der
Lahn nicht verschieden ist; aber ein anderes nebenflüsschen bei
* die lesung der lateinischen inschrift (Brambach nr. 1312), auf der die
Nida vorkommen soll, ist sehr unsicher. die Nied in Lothringen, nebenfluss
der Saar, Nida beim cosm. Rav. 4, 26 (p. 235, 16 Parthey) und der Nith bei
Dumfries in Schottland tragen denselben namen, und Dubra ist ‘wasser, fluss’
oder ‘die wasserreiche’, Zeufs 14. Gr. 136 anm. 138. Glück s. 35.
** Annalen des nassauischen altertumsvereins 1863. 7, 139 ff.
*#* Nasongae bei Beyer nr. 35 a. 790 (vgl. GDS. 582f.) ist Nasouge und
dies gleich Nasoua nr. 119 a. 881, Nassove -ovve -oua -ov nr. 605. 606. 610.
626 a. 1158. 1161 d.i. Nas- Nassovia. Nassogne heilfst bei Pardessus Dipl. 2,
204 a. 687 Nasania statt Nasonia, in der Vita SMononis c. 770 Nassonia, ob
Nasonacum im Cod, Theodos, dasselbe ist, kann ich augenblicklich nicht ent-
scheiden. Porcheron deutete darnach das Nasaga des cosm. Rav. 4, 26 p. 233, 7
Parth. als Nasonaga. AJacobs (Gallia ab anon. Ravenn. descripta p. 34) hält
Nasaga für Nasium j. Naix sur Ornain (Meuse), Neonsigo für Nassoigne, was
weniger gut zu der reihenfolge der namen passt.
DER RHEIN. 221
Braunfels heifst Iser wie der bach bei Isenburg an der Sayn, die
Iser an der obern Elbe, die Isar bei München, die Isere und
Oise (Isara auf der Tab. Peut., im Itin. Anton. 384, 11 und später)
in Frankreich und die Iser in Flandern. für die lahngäuische Elbe
fehlt der alte beleg, aber auch eine gallische Alba oder ein gallischer
Albis (s.210£.) konnte hier um so eher eine mehr deutsche auffassung
erfahren, da eine Ems ganz in der nähe floss. benannt aber sind die
beiden flüsschen gewis nicht nach den grofsen flüssen oder nach den
hessischen, wenn diese ursprünglich gleichnamig waren*. die
lahngäuische Ems, zu ende des achten jahrh. im Cod. Lauresh.
nr. 3164. 3720 als Emisa und damit als alte Amisa, Amisia be-
zeugt, teilt zwar ihren namen nicht ursprünglich mit den heil-
quellen an der untern Lahn, die nach Aumenza a. 880, Ouminci
a. 959 bei Beyer nr. 117. 204 vielmehr heutzutage Eums heifsen
sollten, aber da jene an Selters vorüberfliefst, so kann der
name sehr wohl die bedeutung des kräftigen, würksamen wassers
gehabt haben, die auch im deutschen (s. 217) möglich ist, aber
allerdings nicht in gleichem sinne auf die grolse Ems oder die
hessische anwendung findet**. man wird diese namen mindestens
auch als gallische anerkennen müssen.
bei der Sieg, ehemals Sigina, hat der ort Siegen wohl wieder
wie Elben an der Elbe in Hessen (s. 216) die ursprüngliche namens-
form am treusten bewahrt. auch Sigina lässt leicht eine deutsche
auffassung zu da ‘elliu wazzer ze tal sigent’ (deorsum feruntur).
allein Sigina, Sigana ist auch die verdeutschung von Sequana
(Graff 6, 147), beim cosm. Rav. 4, 26. 39 Sigunna, in einer urkunde
Chilperichs II von 717 Sigona, ags. Sigen (Chron. ad a. 660. 887.
890. 897), altn. Signa Fus.4, 61 anm. so wird auch die Sieg wohl eine
* man muss dies nun schon zugestehen, da Landau Hesseng. s. 218 ein
Emseberg Emmeseberg Emsperg von a. 1325. 1344. 1386 aus der nachbar-
schaft der Ems beibringt, also Eymese a. 1404 (s. 216) nur eine rohere schrei-
bung ist, Gramm. 1°, 185.
** die Emse am Inselberg (Imse- Emseberg?) in Thüringen ist vielleicht
wie Ems am Emsbache, nordöstlich von Weimar, eine Imisa (Förstem. 2, 834).
auch in Oberhessen nördlich von Amöneburg gibt es noch ein Emsdorf. wie
es sich damit und mit Emskirchen westlich von Fürth in Mittelfranken ver-
hält, steht dahin. ganz verschieden sind die Ems oberhalb Chur in Graubünden
und in Vorarlberg, im zehnten jahrhundert und später Amades, Amedes und
ebenso wenig wird das Ems in Wallis nördlich vom Matterhorn, südlich von
Leuk hieher gehören. jene sind gewis nicht einmal keltisch, sondern raetisch,
Steub Rast. ethnol. s. 175.
3232 DIE NORDDEUTSCHEN FLÜSSE.
alte Sequana, ihr erster zufluss aber, die Ens nördlich von Siegen
um so eher ein Anesus wie in Österreich oder Noricum sein,
weil der name noch einmal östlicher wiederkehrt und Ense im
Waldeckischen noch im elften jahrh. als Anansia (l. Anasia) Anasi
und früher als Zinesi vorkommt, gerade wie der norische fluss auch
Anasus, Enesis und Enisa heilst.
Wipper oder Wupper ward s. 214 anm. 2 als deutscher name
in anspruch genommen.
bei der von den alten in den uns erhaltenen geschichtsbüchern
merkwürdiger weise nicht genannten Ruhr, im achten und neunten
jahrhundert Rüra, auch Rurinna (Tr. Werthin. nr. 87 c. 1030 Crecel.)
haben die Germanen weder an hrör agilis, hrörjan rühren, noch
an raus, rör arundo oder an irgend einen andern wortstamm ihrer
sprache gedacht. der name kehrt gleichlautend wieder auf der
andern seite des Rheins als nebenfluss der Maas, Rüra beim cosm.
Rav. 4, 24, bei Miraeus 1, 500 a. 858 und in Lacomblets Urkunden
nr. 114. 212 a. 973. 1069 nebst einer Orcuntrüra*, der jetzigen
Urft, und diese wiederholung genügt wie in den andern fällen, zu-
mal bei dem mangel eines deutschen etymons, den namen als ur-
sprünglich fremd zu erweisen. scheinbar ist der keltische stamm
derselbe als in: dem volksnamen Raurici (Glück 5. 142); eine
aphaeresis angenommen aber könnte Rüra eins sein mit Arauris,
Araura, dem jetzigen Herault in Südfrankreich (DA. 1, 189) **.
* ist Orcandogelus bei Bröquigny 1, 346 zu vergleichen?
* die silva Caesia auf der nordseite der Ruhr bei Tacitus Ann. 1, 50 hat
nur im munde der Römer einen lateinisch klingenden namen erhalten. Caesia
steht für Chaesia und dies ist deutsch haisi ndd. höse, und gerade an der stelle,
wo Germanicus den römischen limes überschreitend ins land der Marser ein-
brach, findet sich 8, 796 in aquilonari parte fuvii Rurae zwischen Werden und
Essen der wald Heisi wieder mit dem dorf Hösingi j. Heisingen und dem bach
H£sapa (Hesper), Lacomblet Urk. nr. 6 a. 796, 17 a. 800, 64 a. 848, 290 a.
1119; 48 a. 834; 55 a. 841, Crecelius Trad. Werthin. 2, 54 (Nordalbing.
stud. 1, 209. Grimm GDS. 620). das wort kehrt öfter in norddeutschen orts-
namen wieder, componiert an erster und zweiter stelle, abgeleitet und einfach,
wie in Ditmarschen ‘op den hees’ (vgl. Förstem. 2, 625 f. 781 1.), auch ags. hase,
hese, hyse Leo Rectitudines 8. 94, der aber mit unrecht ahd. Hasa-, hasal und
mlat. aisia (frz. aise) herbeizieht. als appellativ, verwandt mit haipi heide,
mag es eine wildnis, buschwald oder dgl. bedeutet haben. vgl. Vilmar Hess.
idiot. 161 über heister ndd. höster. Essen dagegen — (Astanetum) Astenidum
Astnidi = Assenede, Astenet, Assenoy, Esneux, Staneux ua. in Belgien (Förstem.
2, 116) — wird wie Werden, Bilk, Deuz, Linz und manche andre ortsnamen auf
dem rechten Rheinufer innerhalb des römischen limes und selbst östlicher wie
Soest, Sosatium = ZOYZOY4ATA bei Ptol. fremdes ursprunges sein.
DER RHEIN. 223
die Embscher, im zehnten jahrhundert Embiscara, also ehe-
dem Ambiscra oder Ambiscara lässt deutlich die keltische prae-
position ambi (lat. amb- ambi- gr. ἀμφί) alts. ahd. umbi erkennen,
und da der zweite teil gewis wie der im neunten jahrhundert er-
wähnte belgische flussname Hisscar, die Ischer bei Markolsheim
und Rheinau im Elsass und Iscala Ischl im Salzburgischen nur
ein derivatum von isca wasser ist, das einmal in Brabant für einen
bach der Dyle oberhalb Löwen (Martene et Durand 1, 88 a. 832),
einmal auch im Saargau (Zeufs Trad. Wizunb. nr. 234. 237. 244.
263. 265 a. 712—763) und zweimal in Brittannien als flussname
vorkommt (Zeufs Gr. 32. 105), so ist Ambiscara als Ambi-iscara,
Ambiscara aufzufassen, genau wie Ambiliati bei Caesar als Ambi-
liati, Ambi-iliati, und nach der von Glück s. 20. 21 für die prae-
position in diesem compositum ind in andern nachgewiesenen be-
deutung wird Ambiscara die wasserreiche, die viel wasser habende
oder gebende sein.
die Lippe heilst bei den alten nicht anders als Lupia, bei
Vellejus 2, 105, Mela 3, 3, 30, Tacitus Ann. 1, 60. 2, 7, Hist. 5, 22,
oder Aovnias bei Strabo p. 291, Cassius Dio 54, 33; auch bei
Ptolemaeus 2, 11, 28. 8, 6, 3, wo die hss. zwischen “ουπία und
“ουππία schwanken, ist die bessere auctorität für jene form.
Lippa, die später allein übliche, seit dem achten jahrhundert oft
bezeugte deutsche form fand der cosmographus Ravennas 4, 17
mit andern, gleichfalls dem jüngeren sprachstande angehörenden
wohl schon auf seiner karte aus dem ende des fünften jahrhunderts,
und der vocalwechsel wird darin keinen andern grund haben als
die neigung der sprache ein fremdes, unverständliches wort einem
deutschen ähnlich zu machen*. in Lupodunum, ahd. Lobodungouui,
Lobodunburg j. Ladenburg und vielleicht im würtembergischen
Lupfen, Lupfenberg (Stälin 1, 133.) erfuhr wie es scheint der-
selbe keltische wortstamm der in dem flussnamen enthalten ist
eine ganz andre auffassung. von den alten wird noch ein neben-
------.--
* die übereinstimmung der consonanten in alts. Lippa und lat. Lupia
lehrt dass die Römer nicht etwa ein b als p aufgefasst und dass die Germanen
bei dem namen nie an got. lubi φάρμαχον oder an lübbe tölpel (Myth. 492)
gedacht haben. Lupia kann daher unmöglich mit der Marhluppa in Öster-
reich ob der Ens und mit Grazluppa in Steiermark zusammengestellt werden.
Marhluppa bedeutet vielleicht Rossarznei oder Rossgift und vielleicht schrieb
man nach mhd. graz, gräzen der Graz- oder Gräzluppa eine wut erregende
kraft zu.
224 DIE NORDDEUTSCHEN FLÜSSE.
fluss der Lippe genannt. nach Cassius Dio 54, 33 legte Drusus im
j. 11 v. Chr., nachdem .er die vereinigten Sugambern Chatten und
Cherusker etwa in der gegend von Driburg geschlagen, ein castell
gegen diese völker an da wo der Lupias und der ᾿Ελίσων sich
vereinigen. das castell muss darnach an der obern Lippe gelegen
haben, womit auch die Römer (Vellej. 2, 120, Tac. Ann. 2, 7), die
es Aliso nennen, übereinstimmen. der fluss aber hat seinen namen
gewechselt und nur nach den vorhandenen oder nicht vorhandenen
spuren der römischen befestigung wird sich entscheiden lassen ob
der Aliso, der dem castell den namen gab, etwa die jetzige Glenne
(Hausten) westlich von Lippstadt oder, wie es nach den zeugnissen
der alten wahrscheinlicher ist, die Alme westlich von Paderborn
ist. der ort Elsen an der vereinigung der Alme und Lippe hat
den namen des castells und flusses nur dann bewahrt, wenn die
aus deutschen quellen des elften jahrhunderts sich ergebende
namensform* Ilisa, im dat. Ilison, durch unregelmäfsige assimila-
tion eines offenen, aus a durch umlaut entstandenen 6 in i ent-
sprang und dadurch erst das aussehen eines derivatums von dem
dunkeln alten, in volks- und ortsnamen, mythen und heldensagen
verbreiteten &lis** gewonnen hat. denn dass Dios 'EAlowv dem
deutschen namen, wie ihn Drusus soldaten aus dem munde der
Germanen hörten, näher stehe als das Aliso der Römer und
"Ahssoös, "AAsıcov bei Ptolemaeus 2, 11, 27. 29, — so dass dies
sich zu jenem verhielte, wie Caesars alces zu ahd. ölah, altn. älgr
oder vielleicht Arpus bei Tacitus zu alts. Erp, und der deutsche
name in Aliso wie in Maroboduus (s. 120) nur in einen gallischen
wie Alisia Alisincum Alisiacum Alisontia verwandelt wäre***, — ist
nicht anzunehmen. Livius, der geschichtschreiber des Drusus und
gewährsmann Dios wird den namen nicht anders geschrieben haben
als Vellejus (Plinius) und Tacitus und daher’Ziloo» nur auf einer
mangelhaften auffassung Dios oder seiner abschreiber beruhen.
auch Ptolemaeus beweist mit’4Ass00s, "AAsıoov nur seine auffassung,
* überliefert ist (Förstem. 2, 829f.) in der leider nur in einer späteren
abschrift erhaltenen urkunde von 1036 bei Erhard nr. oxxvıı Elesen, dann in
der Vita Meinwerci Illisa statt Ilisa und Ilasan statt Ileson — Dison, da a oft
für unbetontes 6 und für o eintritt.
* Nordalbing. studien 1, 36f. vgl. JGrimm in Haupts zs. 3, 146 und
48. 9, 245.
** auch in Süddeutschland gab es ein römisches castellum Alisinum bei
Bonfeld in Schwaben, Brambach nr. 1593; in Pannonien eine station Alisca.
DER RHEIN. 225
keineswegs aber dass die Römer, statt Aliso wie Cotiso Natiso
ua. zu sprechen, der paenultima und ableitungssilbe immer oder
auch nur gewöhnlich wie in andern gallischen, auch deutschen
namen eine falsche quantität gaben. Aliso, im deutschen als fluss-
name ein femininum, führt wie viso in Idisiaviso auf alts. ahd.
uuisä, auf ein schwachformiges Alis& (got. Alisö) gen. Alisöns -Ön
ἃ, 1. die grundform von ahd. alts. elir& (gen. elirün) alnus πα]. els,
und wäre hier im appellativ die schwache form nach ags. alor aler
(gen. alre), wie auch in andern baumnamen, erst später einge-
drungen, so könnte Alisä -Öns allein schon ‘erlenbach’ ausdrücken *.
aber so wie Alme keineswegs blofs eine schwache form von alm
altn. almr alts. ahd. ölm ulmus war, sondern alts. Almung& Almangö,
wie thür. Helmungouui auf Helmana j. Helme, vielmehr auf Almana
als den namen des flusses führt**, so erwartet man auch für Alis&
eher Alisana, Alisna oder eine andre weiterbildung, wie in den
gallischen namen (8. 224), von denen Zeuls (Gr. 808) Alisincum
mit Aliso ahd. elira slaw. olisza zusammenstellte. entschiede aber
blofs die leichtigkeit der deutung, so wäre Aliso am ersten eine
noch einfachere ableitung von demselben keltischen namen, wonach
man Alesia, Alisia als: ‘saxosa’ erklärt (Zeufs Gr. 785), und be-
deutete daher Steinach, Steinbach. das erste, noch vor der Alme
mit der Lippe sich vereinigende gewässer, die Pader, alts. Pathra bei
Paderborn trägt schon des anlauts wegen einen völlig undeutschen
namen; ob aber von der urzeit her oder aus späterer zeit, bleibe
dahin gestellt. im Podrebeki oder Potherbeke, j. Porbeck an der
Ruhr*** scheint sich derselbe name zu wiederholen. ob weiter ab-
wärts an der Lippe die Glenne mit der Glane an der Ems im
namen nahe verwandt ist, lässt sich erst mit hilfe älterer urkund-
licher belege entscheiden. der ältere name der Ase bei Hamm,
noch im fünfzehnten jahrhundert Arsene oder Orsene (Ledebur,
Bructerer s.297), ursprünglich also wohl Arsana, Arusana klingt
* vgl. Elisa a. 983 ein bach bei Bingen, Elera c. 850 bei Kreuznach,
aber Alisni Alisna an der Weser und im wallonischen Lutzenburg bei Förstem. 2,
54 f. 466. 1600.
* Almana in der Transl. Modoald. MG. 12, 307. derselbe ist wieder wie
bei der Sieg und hessischen Elbe erhalten in dem ortsnamen Almen an der
quelle des flusses, Almina c. 850 Förstem, 2, 1600.
*#8 Tacomblet nr. 52 a. 837, Förstem. 2, 1118, Crecelius Trad. Werthin,
nr. 37. 2, 57. — Phetersheim bei Worms, Phedersee in Würtemberg kommen
ebensowenig als mhd. phetersre in betracht; aber malberg. podor? GDS. 549 f.
DEUTSCHE ALTERTUMSKUNDE II. 15
226 DIE NORDDEUTSCHEN FLÜSSE.
fremdartig und der der Stever bei Haltern, a. 800 bei Lacomblet
nr. 18 Stibirne, empfielt sich nicht eben durch leichte verständ-
lichkeit, so dass sich das gebiet der Lippe als urgermanisch nicht
gut behaupten lässt.
dagegen het Vlie, der rechte nördlichste Rheinarm, bei Mela
3, 2, 24 seltsamer weise schwachformig Flevo, bei Plinius 4 $ 101
Flevum, bei Tacitus Ann. 4, 72 ebenso das castell Flevum, bei
Ptolemaeus 2, 11, 27 Φληούμ, in der Lex Frisionum* Fii Flehum
Flehi, in der Vita Liudgeri Fleo fluvius, altfries. thet ΕἸΣ oder File
kann mit lat. fluo fluvius nichts zu schaffen haben, da man dann
im keltischen wie im deutschen bl im anlaut finden müste. Fle-
vum kann daher nur zu der wurzel plu gehören und da erweist die
verschiebung der muta den namen als deutsch. er zeigt noch den
einfachen stamm der in alts. fliotan ndl. vlieten fliefsen erweitert
ist, aber dieselbe vocalschwächung wie auch andre deutsche nomina,
z. b. niujis niuwi neu gegen navjas, während das griechische
den verbal- und nominalstamm plav in πλέω und πλόος sonderte.
Flevum Fl&öo Vlie ist altes plavam, das sich von πλόος - plavas
nur im genus und insofern unterscheidet als es gewis nicht
schiffahrt, sondern strom bedeutete**. durch einzelne ausnahmen
wie diese und vorher Wipper aber wird das ergebnis dieser er-
örterung nicht beeinträchtigt: wenn Main Lahn Sieg Ruhr Emb-
* 1,8—5. 8 cis ΕἸΣ, 10 inter ΕἸΣ et Sincfalam; 14, 2 inter Laubachi
ac Flehum, inter Flehum et 8S.; add. 3, 58. 73 inter Flehi et S., 78 inter L.
et Flehi. nirgend, weder bei den alten, noch später erscheint das masculinum
Flevus. bei Plinius “inter Helinium et Flevum’ ist das eine so gut wie das
andre neutrum und auch in der lex ist Flehum nur die lateinische form der
friesischen neutra Fli und Flehi. das friesische genus ergibt auch Richthofen
Rechtsqu. 8. 18. 19. ΕἸΣ und Flö aber verhalten sich zu Flövum Flöo Vlie wie
: fries. kni und knö zu got. kniu ahd. alts. ags. cneo ndl. nhd. knie. vgl.
noch Westerflö a. 1046 j. Westervlier in Overyssel, Förstem. 2, 1505. der
pagus Flethetti an der Eem, bei Heda Episc. Ultraj. p. 41 a. 786 Flehite, hat
mit dem Flie nichts zu tun, Crecelius Trad. Werthin. 1, 33 f. 35.
ἘΣ das lange &, das Ptolemaeus annimmt, ist ganz unglaublich. ein ὃ
wie in got. hör hier, alts. möda miete usw. ist nicht denkbar und nur ein
solches würde ndl. Vlie ergeben. ein ὃ, wie in got. lövjan ahd. läuuen ags.
laavan tradere prodere, ergäbe nur ndl. Vlauw, Vlouw, nicht Vlie. umgelautetes
e aber, wie in ahd. flauuen fleuuen mhd. viöuwen vlewen, und wohl auch in
der Flea bei Kaiserswerd (Lacomblet I nr. 477 a. 1181. 2 nr. 707 a. 1277), ist
vor dem achten oder siebenten jahrhundert unmöglich. vielleicht enthält ndl.
vlieboot ein schiffchen von 80 -- 100 tonnen noch das alte appellativ, und fries.
flineswerp wurf ins wasser (Richthofen Wb. 747), obgleich die genitivische com-
position hier wenig wahrscheinlich ist.
DAS GEBIET DER GALLIER. 227
scher Lippe undeutsche und ursprünglich keltische namen sind,
müssen Gallier vor den Germanen auch auf der rechten seite des
Rheins gewohnt haben und wir dürfen hier ihr gebiet schon bis
zur scheide der Rhein- und Wesergewässer ausdehnen, so dass die
obere Ems und ihre umgebung noch mit darin einbegriffen ist,
wo gleich die Glane, Glana im zehnten jahrhundert, mit den ort-
schaften Glane und Glandorf einen namen trägt ‘der sich fast in
allen einst von Galliern bewohnten ländern findet und dem deut-
schen flussnamen Hlütra Lütra Lauter d. i. pura clara entspricht’ *.
durch &ine wahrnehmung aber glaube ich lässt sich die bisherige
begründung dieser ansicht noch verstärken und zugleich die älteste
grenze der Gallier und Germanen noch etwas weiter nach osten
rücken und genauer feststellen.
Im nordwestlichen Deutschland gibt es zahlreiche orts- und
besonders flussnamen, die nach ausweis der urkunden ehedem auf
apa oder hochdeutsch afa, affa ausgiengen. man hält sie für com-
posita und mit gutem grunde. denn wenn Ζ. Ὁ. in der silva Caesia
an der Ruhr, in dem Heisi mit dem ort Heisingi der bach Heisapa
oder H&sapaj. Hesper heifst (s. 222)**, so muss Heisapa mit Heisaha
gleichbedeutend sein, wie denn auch der hessischen Slierapha am
Vogelsberg eine baierische Slieraha, der Waldaffa j. Walluf bei
Wiesbaden der alte name der Moldau (s. 215) gegenüber steht,
freilich auch ein Rosaffa von Rosaha — auf dem linken ufer der
Werra bei Dronke Antig. Fuld. 6, 101 — unterschieden wird. allein
unmöglich kann dies apa das arische ap wasser, das ebenfalls in
griech. ’A4ri@ Morea, in Mesooanıoı und altpreufs. ape fluss er-
scheint, oder auch das lat. aqua got. ahva alts. ahd. aha sein,
weil auch bei dem wechsel von QV und P, wie lat. quattuor
quinque und got. fidvör fimf alts. fior fif ahd. fior finf lehren, die
verschiebung zu afa, affa im deutschen schon auf der ersten,
gotisch niederdeutschen und nicht erst auf der zweiten, hochdeut-
schen stufe eingetreten sein müste. ndd. apa ahd. afa, affa steht,
wie apul in alts. ags. apulder altn. apaldr ahd. affoltera zu ir.
aball, nur zu ir. ab fluss in richtigem verhältnis, der nasallosen
nebenform von skr. ambu ambhas (gr. ὄμβρος lat. imber), wonach
der Humber bei Ptolemaeus "4ßos, der Avon bei Tacitus Abona,
* Glück Kelt. nam. 8. 187 anm. Förstem. 2, 588 f.
”“ ein jetzt gleichlautender ortsname Hesepe westlich von Meppen auf
der linken seite der Ems lautet in der Vita Meinwerci ganz verschieden Haspa.
gehört dahin Rabodo de Hesepe bei Möser nr. 85 a. 1188?
15*
228 DAS GEBIET DER GALLIER
die Abens oberhalb Regensburg Abusina heifst*. auch die Apula
oder Appula j. Appel, der nebenfluss der Nahe unweit Kreuznach,
wo die volksmundart das pp unverschoben lässt, war wohl ein
gallischer Abulos oder eine Abula und die auffassung Apula legt
nur den zusammenhang von ab und aball dar, wonach unser
‘apfel’, wie lat. pomum auch wohl mit potus potare poculum zu-
sammenhängt, die saftreiche frucht ist, die, wie Uhland singt, ‘mit
frischem schaume’ labt. wenn aber die keltische media in ab und
aball, wie skr. ambhas wasser, abhra wolke dunst, gr. ἀφρός
schaum beweisen oder doch sehr wahrscheinlich machen, erst aus
der aspirata entstanden ist, so müssen apa affa und apul apfol im
deutschen notwendig entlehnt sein, weil bei ursprünglicher, alter
gemeinschaft der wörter wir auch hier nur eine media und keine
tenuis haben würden. es würde nur, da ir. ab masculinum ist,
eine veränderung des genus im deutschen anzunehmen sein, was
keine schwierigkeit hat, da aha, ahva darauf führte.
Zu demselben resultat gelangt man wenn man die namen
nicht als composita, sondern als derivata betrachtet. die allmäh-
liche abschleifung der vocale macht allerdings apa, afa nicht zu
einer ableitungssilbe, da auf ähnliche weise oft ein substantiv als
zweiter teil eines compositums in ortsnamen einschwindet. allein
in keiner germanischen mundart findet sich apa afa als simplex
oder selbständiges wort und auch in den nordwestlichen gegenden
nie einfach als name**, immer nur als zweiter wortteil, und früh-
zeitig wechselt es mit epa efa, ipa ifa, upa ufa so, dass dies nicht
blofse schwächungen, sondern gleichberechtigte und gleichbedeu-
tende derivationssilben zu sein scheinen, die zeitweilig und zum
teil nur durch das einförmige apa afa zurückgedrängt werden.
die Erft, die bei Neufs in den Rhein geht, heifst bei dem
cosmographus Ravennas 4, 24 nach seiner karte aus dem ende des
fünften jahrhunderts Arnefa, um 800 ndd. Arnapa, a. 1028. 1051
wieder Arnefe und die frühere verbindung des Leidener und Har-
* Glück in Fleckeisens jahrbüchern 1866 s. 600 f.
* der kirchort Ape zwischen Leer und Oldenburg liegt teils schon aulser-
halb des verbreitungsgebiets der namen, teils kann es ursprünglich — alte ur-
kundliche belege fehlen — leicht ein derivatum oder compositum sein, wie
Epe an der Dinkel westlich von Metelen und Steinfurt. der gau Appha an
der rauhen Alb (Stälin Wirtemb. gesch. 1, 281f.) kommt gar nicht in be-
tracht, da Appha (Affa) hier nicht niederdeutsches, sondern gallisches Apa
Appa voraussetzt.
4
IM WESTLICHEN DEUTSCHLAND. 229
lemer meeres a. 866 Fennepa und Vennapa, Gennep an der mün-
dung der Niers in die Maas a. 1022 Ganipa, a. 1096 Ganapia, -
die Wetz bei Wetzlar und die Herpf an der Werra unterhalb
Meiningen nie anders als Wetifa, Wetiffa a. 819, und Heripfa He-
ripha Herifa a. 788. 874 uö., während dem Hunnippe in der gegend
von Deventer, a. 996 erwähnt, in Honnef am Siebengebirge wohl ein
altes Hunnafa, Hunnefa gegenübersteht*. die Horlof in der
Wetterau heilst in den Fuldaer urkunden Hurnuffa, in den Lor-
scher Hurnaffa und der ungebrochene vocal der ersten silbe spricht
für jene als die ursprünglichere form. ein zweites altes beispiel ist
Werdupa (Mierdupa) a. 838 in den Niederlanden (Förstem. 2,
1024); neben Anadopa (Wilmans Kaiserurk. 1, 36 a. 833) j. Ampen
bei Soest steht jedoch Anadapun (Trad. Corb. ὃ 431) und in andern
fällen, in Asopo einer paderbornischen schenkung von c. 1015
(Erhard nr. Lxxxvır, 25), Suropo a 1072 Sorpe, Kirsupu (Crece-
lius Barmen s. 306) Kierspe, beide im westfälischen Sauerland,
in Odupher(o) marca a. 772 (Cod. Lauresh. nr. 3019. 3743) bei
Utphe in der Wetterau, Slierofero marca a. 812 an der Schlirf in
Hessen (s. 227) liegen wenigstens alte, durch die flexionen, das
u des dat. sing., das o des gen. plur. bewirkte assimilationen vor.
in Ipha a. 782 j. Eif, Eifa bei Alsfeld in Oberhessen — ein andres
Eifa, ehedem Ifa, nördlicher bei Hatzfeld —, in dem hessischen
* vgl. Honnepel bei Calcar und Hunepe bei Crecelius III Tr. Werthin.
nr. 110, und zu der Herf Herifa, welcher name noch einmal unweit der Werra
westlich von Heringen als Herfa wiederkehrt, Harf bei Grevenbroich an der
Erft, vielleicht eine alte Harafa Harapa. — folgende namen aber haben mit
den oben besprochenen wahrscheinlich nichts zu tun: Anrapun Erhard nr. ΧΙ,
a. 889, Anarupe (l. -repu) nr. Lvı a. 948, Anrepe bei Möser nr. 221 a. 1247
Andorf an der Hase bei Haselüne?, Aonrapon (l. Anorapon oder Anaropon) bei
Crecelius 115 11, 46 wohl wie das erste Anreppen bei Büren im Paderborni-
schen, Anraffa Armneffe Anraff an der Eder im Waldeckischen (Dronke Antig.
Fuld. 6, 42. 86, Landau s. 194); Astrepe Möser 2, 189 nr. 45 a. 1096; Astropon
bei Crecelius III» 60, 2 = Osterep Erhard nr. 1035 a. 1043 Oistrup nördlich von
Stadtberge?; Uterapum und Urapaum? bei Ledebur Fries. gaue s. 30; Anatraffa
-refa, Antrafa -refa saec. ıx (Förstem. 2, 66) die Antrift, nebenfl. der Schwalm
in Oberhessen; Alreffa a. 1074 Alrepa a. 1126 die Alraf an der Eder in Waldeck
(Tandau 8. 198); die Bentreff, bach der Wohra in Oberhessen. nimmt man
zu Anatraffa, Bentreff noch Fortrapa Fortrepa in den Niederlanden (Förstem. 2,
517, MG. 16, 443. 445) und Stönrapan bei Crecelius Tr. Werth. nr. 124 (IIIb 21),
so sieht man dass wohl anders abzuteilen ist und dass der letzte wortteil rapa
raffa, nicht apa affa ist. doch vgl. zu Anrapun die Anara j. Gelbach im Engers-
gau bei Beyer nr. 204 a. 959.
280 DAS GEBIET DER GALLIER
flussnamen Phiopha j. Pfiefe (s. 217), selbst in Eilpe a. 1019 bei
Hagen südlich von der Ruhr, Urpha in Hessen südlich von Fritslar
und in Elispa, Elisba* 1. Elsbach an der Röhn, verglichen mit
Elspe im westfälischen Sauerland, Elisopu a. 1000 bei Erhard
nr. 697, Elsof nordwestlich von Hatzfeld und nördlich von Hadamar
in Nassau, ‘Elsafi? bei Neuwied (Beyer nr. 135 a. 893/1222),
scheint dieselbe ableitung vorhanden und nur unmittelbar an den
stamm gerückt zu sein.
nun aber gibt es im deutschen oder germanischen überhaupt
ebenso wenig eine ableitung dieser art (Gramm. 2, 183 ff.) als ein
substantiv apa, da von dem blofsen vocaleinschub zwischen liquida
und muta, von fremdlingen wie hanuf hanaf cannabis, senaf senif
sinapis, sowie von den gotischen adverbien auf -aba -uba ab-
zusehen ist und rätselhafte, dunkle bildungen wie harluf licium
und der volksname Usipii, Usipetes bei Caesar und andere mit
entschieden keltischer ableitung**, nichts beweisen. wohl aber gab
es im keltischen derivata auf -ab -ib -ob -ub — in Brittannien trifft
man namentlich die flussnamen Avoof« Τοίσυβις Τουέροβις — und
auf -ap -ip -up (Zeufs Gr. 788 f. 796) und beide fassten die Ger-
manen gleichmäfsig als -ap oder -ip auf. Gelduba, den von den
Römern oft genannten ort*** aın Niederrhein. nördlich von Neufs
gegen ÜUrdingen nannten sie -Geldapa (Lacomblet nr. 83 a. 904),
j. Gellep oder Gelb, und Gennep an der Niers, im elften jahr-
hundert Ganipa oder Ganapia (s. 229) ist kaum verschieden von
Genappe (lat. Genapum) im wallonischen Brabant am gleichnamigen
nebenfluss der obern Dyle und ganz ähnlich benannt wie Gama-
pium, Gemapium in der Normandie ****,
es scheint aber sehr wohl möglich dass die westlichen Ger-
* über den gleichlautenden frauennamen 8, JGrimm in Haupts zs. 3, 146 £f.
bei Erhard 2, 68 nr. xnı a. 1015 erscheint auch seltsamer weise ein Dödapa,
ähnlich dem oberhessischen ortsnamen Düdaffa. — anders als die hessische
Urpha j. Urfe ist, wie es scheint, die nassauische Auroff, im 12/13 jh. Urefe,
Uriphi (Kehrein Namenbuch 8, ?44. 251) benannt.
δι Zeufs 89. Gr.? 291 vgl. 789 Ussubium, οὐσουβίουμ, 796 Warsipius.
*#* Plinius 19 $ 90. Tacitus Hist. 4, 26. 32. 35. 36. 58. Itin. Anton.
p. 255, 3.
*2#* AJacobs Göogr. des diplomes mörov. 1862 8. 32. 45. vgl. Gempe zwischen
Löwen und Diest. Gulpen an der Gulpe, einem nebenfluss der Geule (Gulia
bei Regino MG. I, 603 a. 891), zwischen Achen und Mastricht heifst bei den
Wallonen Guloppe; so wird die Gempe wesentlich denselben namen tragen
wie der ort in der Normandie.
IM WESTLICHEN DEUTSCHLAND. 281
manen, durch solche von den Kelten ererbte namen verführt, der
ableitung eine nominale, substantivische bedeutung beilegten und
sie für ihr aha verwendeten, das, soweit apa herscht, im bereich
des niederdeutschen als zweiter teil eines compositums sogar da-
neben selten ist. so fehlt es allerdings nicht an zahlreichen neu-
bildungen, in denen die erste worthälfte deutsch ist oder zu sein
scheint, aber auch nicht an rätseln, die einer auflösung von deut-
scher seite widerstreben, gerade unter den mehrfach wiederkeh-
renden und verbreitetsten namen, wie ndd. Olpe Olepe im Bergi-
schen bei Lennep und Lüttringhausen und südlich von Hückeswagen,
im westfälischen Sauerland an der Bigge und etwas östlicher ein
bach der Lenne mit Benolpe, ahd. Olaffa Oloffa j. Ulf, Ulfa in der
Wetterau, Olfe oder Ulf in Hessen bäche der Fulda und der
Sontra*. in solchen namen kann manches sonst verschollene
deutsche wort erhalten sein, aber dieser wiederholt sich auch noch
“auf dem linken ufer des Rheins. Olef, a. 1130 Olefa (Lacomblet
nr. 308) heifst ein flüsschen, das aus der Eifel kommend unterhalb
Schleiden und dem ort Olef sich bei Gemünd mit der Urft ver-
einigt, und der Olapa Olaffa Olefa völlig synonym ist die Olache **
j. Eulach bei Wintertur (Vitudurum); auch erscheint der erste
wortteil nur anders abgeleitet in Olevia Olivia j. Oleve Olewig,
einem bach bei Trier (Beyer nr. 310 a. 1038), in Ὀλένας der heu-
tigen Orne mlat. Olena Olna in der Normandie bei Ptolemaeus
2, 8, 2, und in Ulinabach bei Mersch in Lutzenburg (Beyer nr. 207
* Landau Hessengau 8. 109, Vilmar in der Zs. für hess. gesch. und landes-
kunde 1, 258, Idioticon 8, 5. — ich glaube dass auch Banfe Banefe, ein bach
der Eder bei Landau s. 191 und der obern Lahn bei Laasphe ebenso wenig
etwas mit bann, bahn oder bana tod zu schaffen hat, als Hanepe (Crecelius
Tr. Werth. 1, 65, 10), Hanapba Hannf oder Hannef bei Siegburg an der Lahn,
Hanfe ein bach der Fulda bei Simmershausen (nach Vilmar) mit hahn oder
gar hanf (vgl. Hanapium bei Laon, Beyer nr. 72 a. 845), oder dass ndd. Asapa,
aus dem dat. Asopo s. 229 zu entnehmen, Asphe (Asfo a. 1107 bei Beyer nr.
413. 462) an der Wetschaft oberhalb Marburg, Esphe bei Simmershausen nach
Landsn 8. 66 aus διὰ. asön oder äsön (Schmeller Wh. 1, 115£.) zu erklären
ist usw.
** Mone Gall. spr. s. 197. er erklärt Olache als steinbach aus ir. oil
stein, das aber wohl nichts anderes ist als altir. ail, der mutmafsliche stamm von
Aliso (s. 225, Zeufs Gr. 785); in den Keltischen forschungen s. 35 dagegen
Ulstra durch ir. ole rinnsal. ein einfaches Ola finde ich bei Crecelius III» 60, 1,
ein “Osterol’ in Toxandrien a. 815 in Cod. Lauresh. nr. 105; ob das jetzige
Freienohl bei Arnsberg in Westfalen? wo sich auch noch andre ol finden,
Bender Ortsn. 8. 123. Woeste Iserlohn 8. 89. 100.
292 DAS GEBIET DER GALLIER
a. 960), in Olisna j. Olenne bei SGivet (Pardessus 2, 402 a. 746),
wohl auch in Uliaros Olario j. Ole&ron und in Ulstra, dem seit
810 öfter genannten nebenfluss der Werra im Grabfelde. in die-
sem zusammenhange scheint Olapa Olaffa völlig keltisch und immer
werden solche namen als hybride bildungen anzusehen sein, da ihr
letzter teil undeutsch ist und ins keltische weist, mag man ihn
nun als ein ursprünglich selbständiges substantiv oder als eine
ableitung auffassen. die verbreitung dieser bildungen auf ein be-
stimmtes gebiet des nordwestlichen Deutschlands beschränkt wird
daher, zumal bei der stätigkeit der flussnamen, einen schluss ge-
statten auf die ehemalige ausbreitung der Kelten in jenen gegenden.
Die äufserste nordöstliche grenze des gebiets bezeichnet, so-
viel ich sehe, die jetzige Wörpe, ohne zweifel im zwölften, drei-
zehnten jahrhundert eine Werepe, Weripe und ehedem entweder
eine Waripa oder Wiripa, Wäerapa* im alten lande der Angri-
varier. sie verbindet sich nordöstlich von Bremen bei Liliental
mit der Wümme, die ursprünglich denselben namen führte wie die
Vimina, nach der der Vimen oder der pagus Vimnaus zwischen
der Somme und Bresle in der untern Picardie benannt ist**. von
da zieht sich die nordgrenze, so dass alle ursprünglich friesischen
gegenden jenseit bleiben, in fast gerader richtung westwärts bis
ins Kennemerland, das land der Canninefates, wo Ysp wohl ehe-
mals Isapa hiefs und IIpendam nordwärts von Amsterdam einen
namen wie Ilpe bei Fredeburg im westfälischen Sauerland voraus-
setzt. an der rechten seite der Weser aufwärts gegen süden aber
folgen, gleichfalls noch auf angrivarischem gebiet, die zuflüsse der
Aller oberhalb Verden bei Rethem, die Wölpe a. 1151 Wilippa,
später Wilepa Welepe und die Alpe c. 1050 Alapa; vielleicht ist
auch die Kaspau hinzu zu zählen, die schon auf ehemals cheruski-
schem gebiet am Steinhuder meer vorbei in die Leine geht. die
* Arnapa Arneffe Erft (8. 228 f.), Bernaffa Berf in Hessen zweimal ein bach
der Lahn und der Schwalm und vielleicht Wernapi und Werrepe? im nordosten
von Osnabrück bei Möser nr. 34 a. 1086 und nr. 90, 3 c. 1190 lassen freilich
auch noch an eine dritte grundform denken.
"ἘΣ Zeufs Gr. 784. in den unechten, erst im elften jahrhundert ausgefer-
tigten stiftungsurkunden der bistümer Verden und Bremen bei Lappenberg
Hamb. urk. nr. 1 und Adam von Bremen 1, 13 (vgl. Erhard nr. 189. 192) heifst
die Wümme zuerst Wiemena (zweimal), dann Wemma oder Wemna statt Wimena
(Wimina) und Wömena, a. 1124 bei Lappenberg 8. 128 Wemna, a. 1139 nr. 161
Wimena, a. 1190 nr. 293 Wmmena. der name scheint gut deutsch nach ahd.
uuimjan und uudmön scatere, ebullire, Graff 1, 852.
IM WESTLICHEN DEUTSCHLAND. 233
Leine selbst scheint undeutsch benannt und Laina Lagina nur eine
spätere mundgerechtere wortform gegen Loina Logna, die sich
durchaus dem Moin Moenus oder der Logna-Lahn vergleicht.
die ortsnamen Maspe nördlich von Hanover bei Bissendorf, Gospe
der niederländischen Gusaha (Cod. Lauresh. nr. 97 a. 776) und der
Gosa bei Goslar vergleichbar und Hespe, vielleicht ein altes H&sapa
(s. 222 anm. 2), zu beiden seiten des Schaumburger waldes gehören
noch demselben bereiche an. etwas südlicher begegnen die Despe,
die bei Gronau in die Leine fällt, dann Dörpe zwischen Koppenbrügge
und Elze, Daspe an der Weser Hehlen gegenüber im Braunschwei-
gischen, endlich Schlarpe zwischen Uslar und Hardegsen. in diesem
striche lag auch wohl Assapa (Trad. Corbej. $ 41), verschieden von
dem wie es scheint paderbornischen Asapa (s. 229. 231 anm. 1), die
aber beide heutzutage wohl Aspe oder auch Espe heilsen würden
und damit das aussehen bekommen hätten als wären sie nach
aspa espe benannt*, während die hessischen Asphe und Esphe
diese zweideutigkeit vermeiden. östlich aber von der mittagslinie
von Göttingen und Hildesheim oder der westlichen vorberge des
Harzes finde ich diese namen nicht mehr** und weiter südlich auf
dieser seite der Weser auch nur den bach Walfe bei Walhausen
nördlich von Soden und Allendorf, allein weiter nach Thüringen
hinein nichts dergleichen, wo Erfa j. Friedrichswert an der Nesse
im Gothaischen eher ein Erfaha (Braunau) als Erifa ist, ob-
gleich nur wenig westlicher Luppenitz a. 778 Lupentia, dann Lu-
penza entschieden undeutsch lautet***, selbst Eisenach mhd. Isenache,
* ein name dieser art ist Aspa c. 1115 bei Lappenberg 1, 125, j. Aspe,
östlich von Bremervörde und Aspe, Hohenaspe in Holstein ua. vgl. Förstem.
2, 114 ἢ,
* auf der Papischen karte von Hanover finde ich noch Ölper eine localität
im Hasenwinkel südöstlich von Fallersleben, Olper und Schwülper bei Braun-
schweig, Olper südwestlich, Hedeper südöstlich von Wolfenbüttel, zwischen
Blankenburg und dem Regenstein den Harlipperberg (vgl. oben 8. 230 harluf?
oder Harlungeberg? WGrimm HS. 38 anm. Haupts zs. 15, 312f.), endlich die
Wenper einen landstrich zwischen Hardegsen und Moringen. es ist möglich
dass wie bei der essenschen Hesper (8. 222 anm. 2) und sonst der leutename,
der name der anwohner auf den bach oder landstrich übertragen ward. aber
da bach- nnd flussnamen dieser art neben den ortsnamen auf -per gänzlich
fehlen, so wird es mit diesen wohl eine andre bewandtnis haben, und würklich
finde ich bei Lüntzel Hildesheim s. 355. 360 a. 1022 cum silva Alabure, für
Ölper und bei Dronke Trad. Fuld. 41, 4. 23 Suilbore für Schwülper.
*#* vg]. Zeuls Gr. 798 anm. über die orts- und flussnamen auf -anza -inza
-enza in Deutschland. doch könnte Lupentia auch wohl slawisch sein. vgl.
Leontia Lenzen, Lupow und die Luppe bei Merseburg.
234 DAS GEBIET DER GALLIER
verglichen mit dem trierischen Eisenach a. 826 1sinacha (Beyer,
nr. 58), den flussnamen Isana, Isara und ortsnamen wie Andernach
Antunnacum, ein höchst verdächtiges aussehen gewinnt und mit
den thüringischen Triburi, Trebra an der Ilm und an der Unstrut*,
der Finne (brit. penn kopf) uam. leicht als keltisch in anspruch
genommen werden könnte.
Dagegen im westlichen gebiet der Werra und Fulda zähle ich
über dreiflsig, im gebiet der Lahn, in der Wetterau und am Taunus
etwa zwanzig hieher gehörende namen und nicht minder zahlreich
als an der obern Lahn und in Niederhessen sind sie im an-
grenzenden Westfalen, überhaupt von der mittleren Weser bis zum
Rheine stark verbreitet, und weiter ziehen sie sich ins Niederland,
sowie andererseits über den Rhein nach Brabant und ins Wallo-
lonische bin, bis sie in Flandern wie es scheint verschwinden.
man kann sie nur als eine zusammenhängende, gleichartige masse
betrachten und nicht &ine landschaft willkürlich von der andern
trennen ohne vielfache fäden, die hinüber und herüber laufen, zu
zerreilsen. Wilp bei Deventer an der [586] heiflst zwar im neunten
jahrhundert Huilpa, also ganz anders als ehemals die Wölpe (s. 232)
und der alte name derselben kehrt wohl nur als Wilpe an der
Twiste im hessischen Sachsengau wieder, aber Velpe bei Osnabrück
(Vellepe Möser nr. 90, 9 c. 1190) wiederholt sich in Velp, im neunten
jahrhundert und später Pheleppe Vellepe Vallepe bei Arnheim, in
Felepa a. 741 bei Pardessus 2, 379 j. Velpen an der Velpe, einem
nebenfluss der Demer in Südbrabant, vielleicht in Philuppa in pago
Falmine (s.196 anm. 3) a.874 bei Mart&ne et Durand 2,29 und in Villip
westlich von Rolandseck, Philippia, Filippia bei Beyer ur. 120 a. 882
* der name wiederholt sich noch dreimal in Niedersachsen, an der untern
Leine, an der Hunte und in Westfalen, und zum sechsten male in der bekann-
ten pfalz am Rhein, Förstem. 2, 433. an das zahlwort dri alts. thri und an
bür ist dabei augenscheinlich nicht zu denken. entweder ist der name von
der pfalz auf die andern orte übertragen oder ein dem stamme, vielleicht auch
der ableitung nach fremdes appellativ (vgl. oben 8. 215 anm. 2 chuburia classis,
rates ua. und kymr. treb, tref wohnung) war einmal, ähnlich wie später cami-
nata kemenäte, für eine art gebäude oder einrichtung eines wohnplatzes ver-
breitet. wäre der name von der keltischen urbevölkerung ererbt, würde er
alts. mindestens Thriburi ahd. Driburi, wenn nicht Thripuri, Driffuri lauten. —
ein andrer merkwürdiger thüringischer name dieser art ist Tricasti im Altgau
an der Unstrut bei Dronke nr. 68 vor 779, Tricusti nr. 610 a. 874, der an die
Tricastini in Gallien allzu sehr erinnert und daher schwerlich etwas damit zu
schaffen hat.
ΙΝ WESTLICHEN DEUTSCHLAND. 235
uö.; und wenn auch die Erpe an der Diemel nicht wie die Erft (s. 228)
eine alte Arnapa, oder wie Erp in Nordbrabant Erthepe (Miraeus 1,
173 a. 1134), sondern eher der villa Erupfa in pago Wabrense west-
lich von Diedenhofen (Hontheim 1, 56 a. 771) gleichnamig wäre,
so entspricht doch die Urft wohl der hessischen Urfe (8. 230 anm. 1),
mag sie immerhin als nebenfluss der Rur auch Orcuntrura (s. 222) ge-
heifsen haben. ihr nebenflüsschen, die Olef (8. 231) ergab bereits
eins der schlagendsten beispiele des zusammenhangs der namen
diesseit und jenseit des Rheins und auch auf andre übereinstim-
mungen ist gelegentlich schon s. 228—234 aufmerksam gemacht.
die südgrenze des ganzen gebiets aber bezeichnet ungefähr die
Aschaff auf der rechten Mainseite bei Aschaffenburg, Ascapha beim
cosm. Rav. 4, 26 (p. 233,1). südlich vom Maine sind diese namen
ungemein selten. ich kenne nur den ort Alphen am obern Rhein
bei Waldshut, der einmündung der Aar gegenüber, a. 861. 866
Alaffa Alapfa, augenscheinlich, wenn keine teuschung stattfindet,
ebenso benannt wie die Alpe der nebenfluss der Aller (s. 232) und
der ort Alpe bei Benninghausen westlich von Lippstadt; dann in
Würtemberg südlich von Murrhard an der Murr die Wieslauf
a. 1027 Wisilaffa (Stälin 1, 597 1.), die sich buchstäblich der pol-
nischen Wisloka vergleichen lässt, aber vielleicht nach dem dritten,
hier noch in betracht kommenden namen zu beurteilen ist. denn
die Erlaf bei Bechelaren in Österreich unter der Ens, Erlafa
a. 832. 853 ist von dem anliegenden orte, bei Ptolemaeus und auf
der römischen reisekarte Arelate, nach dem Itin. Anton. und der
Notitia dign. aber Arlape, Arlapa benannt und dies ein composi-
tum das, wie Tergolape an der Traun zeigt, in Ar-lape oder wahr-
scheinlicher Are-lape zu zerlegen ist (Zeuls Gr. 866. 868. 895. 900),
so dass der name und der vielleicht ähnlich gebildete der Wies-
lauf gar nicht in die reihe der übrigen gehört. immerhin aber
wird ein beispiel aus Süddeutschland, wie Alaffa, nur in der über-
zeugung bestärken, dass die prototype für die im nordwestlichen
Deutschland so stark vertretene gattung von namen im keltischen
zu suchen sind. sie erstrecken sich hier über den ganzen alten
bereich des istvaeischen stammes, dem die Angrivarier an der
Weser noch angehörten, und seiner nachkommen, der Franken,
nur dass der westliche teil des Cheruskerlandes bis gegen den
Harz und ganz Hessen mit den ihm west- und südwärts an-
grenzenden landstrichen hinzukommt, ein resultat das um so merk-
würdiger erscheint wenn, wie sich später zeigen wird, die ah-
236 DIE KELTENZÜGE.
sonderung jenes stammes von den Sueben oder Altgermanen nur
durch den einfluss der westlichen, gallischen cultur erfolgte und
auf ihrer einwürkung beruht.
Durch diese erörterungen ist mindestens eine grenze gewonnen,
an der sich vorläufig jeder begnügen wird, der eine methodische
lösung der behandelten frage sucht. methodisch wird sie nur der-
jenige lösen der für keltische und deutsche namenforschung gleich
vorbereitet nach beiden seiten hin gleiche gerechtigkeit zu üben
bereit und befähigt ist und nicht mit der blofsen möglichkeit und
leichtigkeit der deutung aus dem keltischen sich begnügt, sondern
schritt für schritt vorrückend ihre notwendigkeit zu erweisen sucht
und nur aus dem gröfseren, ununterbrochenen zusammenhange die
berechtigung für die deutung des einzelnen schöpft. bis diese
untersuchung geführt und methodisch die beweise erbracht sind,
die weiter zu gehen nicht blofs gestatten sondern zwingen, bleiben
wir an der ermittelten grenze stehen und halten daran fest dass
der Harz, die Thüringer und die weiter ostwärts streichenden
höhen einst den urwaldgürtel bildeten, der die Germanen von den
Kelten schied, so dass sie nur nordwärts in der ebene zusammen-
trafen.
*Wann nun die Gallier dies gebiet östlich vom Rhein und nörd-
lich vom Maine geräumt und die Germanen es eingenommen haben,
wird sich nie vollständig ausmachen lassen, weil wir nur von
den südlichen vorstöfsen und ausläufen der Kelten, nicht aber
den gleichzeitigen veränderungen innerhalb ihrer völkerwelt kunde
erhalten. doch sind rückschlüsse möglich und wenn man alle in
betracht kommenden nachrichten und momente zusammenfasst, so
ergibt sich immerhin ein merkwürdiges und für uns wichtiges
resultat.
Wir wissen von drei grofsen Keltenzügen, die nach einander
die drei südlichen halbinseln unseres weltteils trafen und die man
darnach den iberischen italischen und griechischen oder auch nach
dem namen, den die eindringlinge auf jeder halbinsel führten, den
keltischen gallischen und galatischen benennen kann. durch die
Ora maritima des Avien ist uns noch eine urkunde erhalten aus
der zeit wo der Keltenname unbekannt war. wir finden ihn allein
* die folgende abhandlung über die Keltenzüge wurde am 1. mai 1873
der Berliner academie vorgelegt.
DER IBERISCHE ZUG. 237
in Iberien in volkstümlichem gebrauch* und von dort aus war er
im fünften jahrhundert v. Chr. zu den Griechen gelangt (DA. 1, 97.
107). wenn er daher noch dem alten periplus Aviens fehlt, dieser
aber die gründung von Massalia im j. 600 und schon das auf-
blühen der stadt voraussetzt, so fällt der Kelteneinbruch in Iberien
gegen das ende des jahrhunderts und nicht später (DA. 1, 108 ff.).
der italische oder gallische zug wird dann chronologisch bestimmt
durch die eroberung Melpums, der reichen etruskischen stadt in
der nördlichen Poebene, die an demselben tage an dem Camillus
im j. 396 Veji eroberte von den Galliern zerstört sein soll (Plinius
3 ὃ 125), sowie durch die einäscherung Roms durch die Gallier im
). 390 oder 389. das erscheinen endlich der Galater in Thracien,
Macedonien und Griechenland, sowie ihr übergang nach Asien
fällt bekanntlich in die jahre 281 —279/8 und früher ist dieser
name nicht gebräuchlich **.
Der iberische zug gieng ohne zweifel von Gallien aus und
über die westlichen Pyrenaeen, da das reiche, untre Ebrotal von
ihm gänzlich unberührt blieb***. ein näherer zusammenhang zwi-
schen den keltiberischen und gallischen volks- und ortsnamen zeigt
sich jedoch nicht, so dass man daraus über die herkunft und ur-
sprungsstätte des zuges etwas bestimmteres schliefsen könnte. nur
ist es wahrscheinlich dass sich die Gallier damals weiter gegen
die Garonne ausgebreitet und vielleicht erst damals die aquitani-
schen Iberer über den fluss zurückgedrängt haben. die teilung
der Bituriges in Bituriges Vivisci am untern Garumna und Bitu-
riges Cubi südlich vom Liger liegt in der richtung des zuges, und
sollte sie auch einer späteren zeit angehören, so hat doch der
periplus nördlich von den Pyrenaeen am biscayischen busen noch
einen besondern, später verschollenen namen, die Draganer statt
* zu den Celtici am untern Tagus und mittleren Anas, der stadt Celti
im tal des Baetis und dem völlig iberischen gentile Celtitanus (DA. 1, 166f.
vgl. Kiepert in den Monatsber. 1864 8. 149) kommt noch der name ‘Celtaub’,
der nach dem mir nicht zugänglichen buche von Monin Monuments des anciens
idiomes gaulois ebenso wie Celtitanus auf münzen gefunden sein soll, Kuhns
beitr. 3, 863.
45 DA. 1, 167 anm. vgl. ASchmidt de fontibus auctorum in enarrandis
expeditionibus a Gallis in Graeciam susceptis s. 57 und im Rhein. museum
1836 8. 366.
δὴν Kiepert in den Monatsberichten der Berliner academie 1864 8. 161 ἢ.
und wegen der keltiberischen ortsnamen s. 146 ff.
238 DIE KELTENZÜGE.
der Aquitanen, der um so mehr ins gewicht fällt, weil er alle
nördlicher an der Loire und weiterhin wohnenden mit denen an
der Rhone bis zum [1,62 bei Montpellier in &ine masse als Ligurer
zusammenfasst (DA. 1, 104. 95 f. 190 fl... der name Dragani,
wegen der consonantverbindung im anlaut uniberisch und daher
von fremden zur unterscheidung der volksstämme beigelegt, lässt .
mit grund vermuten dass zu seiner zeit die Iberer noch weiter
an der küste abwärts wohnten, als nachmals, wo die Tarbeller
auf das schmale stück oberhalb des öden landes beschränkt waren.
wie mächtig und massenhaft die Kelten in Iberien eingewandert,
erhellt aus der stärke und ausdehnung in der sie sich dort inmitten
einer kriegerischen bevölkerung behaupteten. aber es scheint fast
dass die erste geschichtliche Keltenbewegung nur gegen südwesten
gerichtet gewesen ist und nach andern seiten hin nicht gewürkt hat.
Die brittischen inseln und das nördliche Gallien, wenigstens
von der Loire an, waren zur zeit des periplus von Kelten be-
völkert. denn war Irland damals von den Hiernern, Grofsbrittannien
(Albion) von den Albionern bewohnt (DA. 1, 92 ff.),, so müssen
Kelten auch auf dem gegenüberliegenden festlande gesessen haben
und hier unter die Ligurer begriffen sein. die gemeinsame sprach-
form, die die bewohner Albions, die eigentlichen Britten mit den
Galliern verband und beide von den Iren unterschied (Zeufs Gr. v ff.),
kann kaum auf beiden seiten des Canals sich so gleichmälsig aus-
gebildet haben. es muss wohl einmal eine übertragung durch eine
wanderung vom festlande auf die insel stattgefunden haben, und
denkbar wäre dass derselbe strom, der Iberien überflutete, sich
im westlichen Gallien geteilt und in nordwestlicher richtung auch
über die insel sich ergossen hätte. aber die annahme entbehrt
jeder wahrscheinlichkeit, wenn auch Pytheas erst die namen
Πρεττανοὶ, Πρεττανιχὴ kennt und noch später, vielleicht erst kurz
vor Caesar (Be. 5, 12, vgl. 2, 4. Zeuls 192), sich Belgen im süd-
lichen Brittannien ansiedelten. trotz dem neuen, unterscheidenden
volksnamen hat die insel ihre bevölkerung in der zwischenzeit
zwischen dem periplus und Pytheas gewis nicht gewechselt, da
dieser auch noch ihren alten namen Albion in gebrauch fand und
überdies berichtete dass sie von autochthonen völkern bewohnt
werde (DA. 1, 92. 94 f. 375. 469); eine meinung die kaum auf-
kommen und nicht sich festsetzen konnte, wenn die Britten erst
seit noch nicht zweihundert jahren aus Gallien eingewandert
wären.
DER IBERISCHE ZUG. 939
Ebenso scheint auch der zustand an der Rhone, den der
periplus vor augen hatte, bis gegen das vierte jahrhundert im
wesentlichen derselbe geblieben zu sein und erst dann eine ge-
waltige veränderung durch eindringlinge von norden her erfahren
zu haben. allerdings, wenn der auctor des periplus Kelten und
Ligurer noch nicht unterschied, so können jene sich auch hier
bei ihm leicht unter diese verstecken. aber seine Salyer sind auch
später als echte Ligurer anerkannt, die Clachilier sind es ihrem
namen nach (DA. 1, 197) ebenfalls, die Nearchi an der Rhone-
mündung mit ihrem griechisch geformten namen, die Daliterni und
Tylangii aufwärts am flusse bis gegen Lyon sucht man vergeblich
unter den späteren gallischen völkern dieser gegenden, der Rho-
danus selbst trägt einen ligurischen, nicht einen gallischen namen *
und der 'mons dorsa celsus’, nach dem die Cemmenice regio be-
nannt wurde, das Κέμμενον ὄρος oder die Κεμμένη der Griechen
braucht nicht ursprünglich von den Kelten benannt zu sein (DA.
1, 193), von dem stagnum Tauvum, wenn so statt Taurum bei
Avien zu lesen ist (DA. 1, 190 mit anm.), gar nicht zu reden. die
Heraklessage von dem kampf auf dem steinfelde, die unverfälschte
gründungssage von Massalia, Hecataeus und Herodot 5, 9. 7, 165
(DA. 1, 96 f. 177. 179 mit anm. 186 f.) wissen nur von Ligyern
in der umgebung von Massalia und neben ihnen nichts von einem
zweiten fremden volke, das man ebenso gut als die Iberer (DA.
1, 187. 190) von ihnen unterschieden hätte, wenn es dort ange-
troffen worden wäre. erst mit dem italischen zuge haben die Kelten
das Mittelmeer erreicht und erst im vierten jahrhundert erscheinen
sie als mietlinge in griechischen und karthagischen heeren**, wo sie
nicht gefehlt hätten, wären sie früher zur hand gewesen. die
frühste spur ihres vordringens wäre wenn Alcibiades im j. 415, in-
dem er den Lacedaemoniern den plan Athens nach unterwerfung
der westlichen Griechen sich mit ganzer macht auf den Peloponnes
zu werfen auseinander setzt, bei den worten (Thuc. 6, 90) πολλοὺς
δὲ βαρβάρους μισϑωσάμενοι καὶ Ἴβηρας καὶ ἄλλους τῶν ἐκεῖ ὁμο-
* DA. 1, 194. — Zeufs Gr.* 11 anm., Glück 8. 148, WStokes in Kuhns
beitr. 6, 229 wissen für die deutung ‘violentus’ nichts aus dem keltischen selbst
beizubringen. Glück stellt ‘Podavos zu der wurzel rath gr. 609-, Stokes zu
rad findere fodere; aber auf diese weise wird man so ziemlich alle flussnamen
als keltisch nachweisen können. zuerst kommt es doch darauf an eine berech-
tigung für die deutung zu schaffen. wo aber wäre dies hier geschehen ?
** Duncker Origg. germ. p. 20—22. vgl. DA. 1, 232.
940 DIE KELTENZÜGE.
λογουμένως νῦν βαρβάρων μαχιμωτάτους nicht blols an die Li-
gurer, sondern schon an jene gedacht hätte. einen merkwürdigen
fingerzeig oder beleg gewährt noch die in den alten periplus ein-
geschaltete notiz (DA. 1, 198) dass Arelate, d’e gallische stadt ‘im
sumpfe’ (das. 197), ehemals Theline geheifsen habe und von Griechen
bewohnt gewesen sei, da wenn die stadt dem alten periplus noch
unbekannt war, ihre anlage also frühestens zu ende des sechsten jahr-
hunderts oder ins fünfte fällt, die ankunft der Kelten jedesfalls später
bis gegen oder in das vierte hinabgerückt werden muss. wir dürfen
nach alledem annehmen dass der im periplus vorausgesetzte zu-
stand an der Rhone im wesentlichen unverändert bis ins fünfte
jahrhundert andauerte und dass, wie im westen ungefähr der Liger
bis zum iberischen zuge, so im osten die obere Rhone oberhalb
Lyon etwa die südgrenze der Kelten war, die sie erst mit dem
zuge nach Italien überschritten, es sei denn dass das Δέμμενον zu
der folgerung berechtigte dass sie das mittlere gebirgsland der
Cevennen schon früher eingenommen. nur &in datum scheint für
eine frühere südliche oder südöstliche ausbreitung des volksstammes
zu sprechen.
Von den Alpen erlangte man in Griechenland erst spät und
allmählich eine kunde. wie sich die vorstellung von ihnen ent-
wickelt, ist früher im ersten bande s. 431—433 noch unvollständig
dargelegt; doch genügen die dort gegebenen nachweise und belege
für den ersten teil der folgenden auseinandersetzung. — Herodot
hatte noch keine ahnung von dem hochgebirge, da er 2, 33. 4, 49
(DA. 1, 97) den Ister bei den Kelten und der stadt Pyrene im äulser-
sten westen entspringen und ganz Europa durchströmen lässt. auch
Aristoteles hält noch an dieser ansicht von dem ursprunge und
laufe des flusses fest, verbindet aber wunderlich damit eine neue
kunde, indem er das mächtige und hohe gebirge der Arkynien,
von dem die meisten flüsse nach norden entströmen, nördlich über
den Ister setzt, westlich oder südwestlich von den Rhipen im
äulsersten Scythien und im eigentlichen norden von Griechenland.
war aber die vorstellung von dem grolsen gebirge in der mitte
Europas nur erst einmal gegeben, so konnte die berichtigung der
ansicht von dem ursprunge des Isters nicht lange ausbleiben und
schon Ephorus verlegte ihn, mit berufung auf die sage anderer,
an seine bei Scymnus leider unbenannte στήλη βόρειος, die bei den
Enetern und Istrern am innersten Adria beginnend in gewaltiger
DIE ARKYNIEN UND DIE ALPEN. 241
höhe bis zum ocean und zu den äulsersten Kelten reicht. das-
selbe gebirge, ὅϑεν ὁ Ἴσερος ναυσίπορος ἐκ πηγῶν αἴρεται, aber
hiefs vielleicht schon bei Theopomp, jedesfalls bei namhaften
schriftstellern des dritten jahrhunderts, die über die Argonauten-
fahrt handelten, ᾿Ερχύνιοε δρυμοὶ oder ᾿Ερκύνια ὄρη, und dass da-
mit zunächst die Alpen gemeint sind, erhellt aufs deutlichste aus
einer stelle des Apollonius von Rhodus, wonach am ᾿ρχύνιος
σχόπελος im lande der Kelten der Eridanos sich dreifach teilt,
dabei ungeheure seen bildet und einen arm, den Eridanos-Po, ins
ionische oder adriatische meer, als zweiten den Rhodanos ins sar-
donische und den dritten nordwärts in den ocean entsendet; wes-
halb auch noch von späteren das 'Egxuwı0o» ὄρος nach Italien ge-
setzt wird. dabei wurde die vorstellung von der ausdehnung des
gebirges gegen norden, wie sie bei Aristoteles und Ephorus her-
vortritt, nicht aufgegeben, obgleich es bei Apollonius so scheint.
auch Timaeus dachte sich die ᾿Ερχύνιοε ὀνομαζόμενοι δρυμοὶ, οὖς
μεγίστους ὑπάρχειν παρειλήφαμεν τῶν κατὰ τὴν Εὐρώπην, weit-
hin nach norden gegen den ocean vorgestreckt, so dass Brittannien
ihnen gegenüber lag (DA. 1, 470 f.),, und auf die höhe des ge-
birges stützte er seine theorie von flut und ebbe oder den flut-
erscheinungen in den gallischen flüssen (DA. 1, 366 anm. 1. vgl. oben
8. 166 anm. 1). auch Eratosthenes und die ‘etlichen Griechen’, bei
denen Caesar die Ὀρχύνια erwähnt fand, haben sicherlich keine
andre, wesentlich verschiedene vorstellung gehabt. daran schliefsen
sich dann Posidonius, Dionys von Halicarnass (s. 170. 176. 178) und
die anderen späteren an, auch die dichter wie Krinagoras und
Seneca (DA. 1, 432 anm.),. bei denen der name auf die höhen des
mittleren und südlichen Deutschlands eingeschränkt, nicht aber
verschoben oder erst übertragen ist, nachdem für das hochgebirge
der name Alpen herschend geworden war.
Wenn man aber von anfang an sich das gebirge in dieser
ausdehnung gegen norden und zugleich als den ursprung vieler
und grolser, zum teil in den nördlichen ocean mündender flüsse
dachte, so muss die vorstellung von ihm zuerst, und zugleich auch
der name Aoxvvia “ρχύνια Ὀρκύνια aus dem westen von Gallien
her nach Griechenland gekommen sein. ebenso deutlich dagegen
ist dass der name Alpen von Italien ausgegangen oder verbreitet
worden ist. Herodot, der zwar von dem gebirge keine vorstellung
hatte, kannte doch schon den namen. vergeblich hatte er sich in
DEUTSCHE ALTERTUMSKUNDE Τί. 16
942 DIE KELTENZÜGE.
Thracien bemüht über den mittleren Ister auskunft zu erhalten:
man sagte ihm dass da vor bienenschwärmen nicht durchzukommen
sei 5, 9f. dagegen in Italien, wo er diese bücher ausarbeitete,
hatte er erfahren 4, 49, ἐχ τῆς κατύπερϑε χώρης Ὀμβρικῶν
Kaenıs ποταμὸς καὶ ἄλλος Ainıc, πρὸς βορέην ἄνεμον καὶ οὗτοι
ὑέοντες, ἐκδιδοῦσι ἐς αὐτόν. zu fragen welche flüsse hier gemeint
seien ist unnütz, weil sich bei der unbestimmtheit der kunde keine
antwort darauf erteilen lässt. aber unzweifelhaft deutet der
Akmıs auf die AArreıs und ebenso der Äcerus auf den freilich erst
von Ptolemaeus uns genannten Καρπάτης, dessen einfachere namen-
form des Ptolemaeus Καρπιανοὶ, die späteren Carpi und schon des
Ephorus Kaenidaı, wenn dieser name nicht aus einem verderbnis
bei Scymnus 841 entsprang, voraussetzen, obgleich Herodot, dem
seine nachricht aus dem norden von Italien zugegangen war, beide
flüsse nach norden fliefsen lässt. unentschieden bleibt nur ob die
Alpen den namen schon in Italien oder aufserhalb desselben an
ihren östlichen ausläufen gegen den Ister hin führten, wohin
Καάρπις weist. |
aber auch die nördliche säule des Ephorus, die bei den Ene-
tern und Istrern am innern Adria aufsteigt, scheint λπεια ge-
heifsen zu haben; wenigstens gibt es für Stephanus Byz. 78, ὃ
Alneıa, κιὼν πρὸς ἄρχτον τῆς Τυῤῥηνίδος καὶ ᾿Ιονίας θαλάσσης,
wo man unsinniger weise gegen alle hss. ἡ ὼν statt κιὼν drucken
lässt, keine andre beziehung, die auch Meineke erkannte, und der
übrige inhalt des artikels — οὗ χατοικοῦντες Ainsıos‘ καὶ Alrseıs
καὶ Alnssa don καὶ λβια" διχῇ γὰρ ἡ γραφὴ, καὶ διὰ τοῦ π καὶ
διὰ τοῦ β' καὶ ᾿Αλβία ἡ χώρα διὰ τοῦ β --- lässt nicht daran zwei-
feln dass die grammatiker dabei nur an das Alpengebirge, nicht
an ein gestade gedacht haben.
der zeit nach folgt dann die erwähnung der Σαάλπια bei Ly-
kophron 1361, dessen schilderung von den eroberungen der Iydi-
schen Tyrrhener eine gute localkunde zeigt, so dass die be-
ziehung des namens nicht ungewis bleibt:
Ayvilav Avoovitv εἰςεχώμασαν, 1355
δεινὴν Aıyvorivosı τοῖς τ᾽ ἀφ᾽ αἵματος
δίζαν γιγανιων Σιϑόνων κεχτημένοις “
λόγχης ἐν ὑσμίνῃσι μέξαντες παλην.
εἶλον δὲ Πῖσαν καὶ δορίχτητον χϑόνα
πᾶσαν χατειργάσανιο τὴν Ὄμβρων πέλας 1860
καὶ Σκλπίων βεβῶσαν ὀχϑηρῶν πάγων.
DIE ARKYNIEN UND DIE ALPEN. 243
es ist darnach anzunehmen dass die Σαλπια oder Hinie, wie
noch Posidonius sagt, auch dem gewährsmanne des Lykophron für
die westlichen gegenden, dem Timaeus und gewis auch dem Lycus
von Rhegium bekannt waren (DA. 1, 430. 434 ff. 462 ff... bei
andern schriftstellern und dichtern des dritten und vierten jahr-
hunderts mag Posidonius (8. 173) die Am auch als Ὄλβια ge-
funden haben*; wogegen Strabo p. 202 (vgl. vorher Steph. Byz.)
behauptet τὰ λπεια καλεῖσθαι πρότερον Alßıa, χαϑάπερ καὶ
Alnsıva. es bedarf jedoch weiter keines beweises dass der name
als unterscheidende benennung für das hochgebirge Mitteleuropas
erst mit dem zuge Hannibals, und zwar in der form "Aires Alpes,
allgemein anerkannt und herschend wurde und den der Arkynien
oder Herkynien zurückdrängte.
Im kymrischen, der dem altgallischen zunächst verwandten
mundart bedeutet nun cwn = cun höhe, cynu = cunu surgere,
argwn = ar-cun apex, erchynu = er-cunu elevare, argyniad oder
erchyniad = ar- er-cuniat elevatio und Hercuniates hiefsen die wahr-
scheinlich wie die Aravisci, ihre nachbarn, pannonischen bewohner
des Bakonyerwaldes bei ihren keltischen landesgenossen (Zeufs 3.
256 f. Gr’. νη. 92, Glück 5. 10 f.). der name Aexvvia “Eoxvvios
ist daher unzweifelhaft keltisch und, wie schon aus der vorstellung
die die Griechen damit verbanden geschlossen wurde, von den
Galliern beigelegt. die zeit seines auftauchens, wo er den Griechen
geläufig geworden war, spricht auch für die annahme dass die
Gallier erst gegen das vierte jahrhundert im Rhonetal und nach
Italien vordrangen. aber auch Alpes soll ein gallisches wort sein
oder es sollen doch die Gallier in ihrer sprache alle hohen berge
so genannt haben **.
* Etym. magn. Ὄλπεα, τὰ ὄρη εἰσὶν τὰ διείργοντα ᾿Ιταλέαν χαὶ Κελτιχήν.
* Servius ad Aen. 4, 442 (= ad Georg. 8, 474. Isidor Etym. 14, 8, 18)
Alpes Gallorum lingua alti montes vocantur; ad Aen. 10, 18 Sane omnes alti-
tudines montium licet a Gallis Alpes vocentur, proprie tamen montium Galli-
eorum sunt. Isidor fügt noch hinzu Hae sunt quae Italiae murorum exhibent
vicem. beides oder doch ähnliches scheint Suidas unter Ἄλπειον vorauszu-
setzen, Ἄλπεις ὕρη ἐπιμήχη, ἃ ὥσπερ τεῖχος ᾿Ιταλίας ἢ «αὖσις ἤγειρεν, ὑπερνεφὴ μὲν
τὸ ὕψος, ἐπιμηχέστατα δὲ ὡς πᾶσαν ᾿Ιταλίαν δϑιειληφότα καϑήχειν, ἃς εἰςβολὰς
χαλοῦσι. womit noch Eustath zu Dionys 294 zu vergleichen, ἡ δὲ Alnıs μέ-
yısıov ὄρος, dio καὶ πληϑοντιχῶς λέγονται ab Ἄλπεις. φασὶ δὲ τὴν ταύτην λέξειν
χατὰ τὴν εἰς τὸ ᾿Κλληνιχὸν μετάληψιν ταὐτὸν δύνασθαι τῇ χκλεισούρᾳ (clausura),
und Prokop Ba. 1,12 — ἄχρι ἐς "Alnsıs τὰς ἐν ὄρεε τῷ Πυρηναίῳ οὔσας" "Alnsıc
de καλεῖν τὴν ἐν στενοχωρίᾳ δίοδον οἱ ταύτῃ ἄνϑρωποι νενομέχασι.
16*
244 DIE KELTENZÜGE.
dies konnten sie freilich auch indem sie den namen wieder
appellativisch verwendeten, wie es in der späteren latinität, nament-
lich bei gallischen poeten*, dann im mittelalter und in den beiden
oberdeutschen mundarten von früh an, sowie auch im slawischen
(kärnt. krain. planina), geschah, so dass es mit der behauptung
des grammatikers nicht viel anders stünde als mit der meinung
Prokops und andrer Griechen dass Alpen eigentlich klausen oder
engpässe bedeuteten. das wahrscheinlichste dünkt dass der name
selbst aus einem an ort und stelle bei einem der alten gebirgs-
völker in der angegebenen bedeutung gebräuchlichen appellativ
entstand und von den eindringenden Galliern aufgenommen wurde.
schon im altertum brachte man die namen der ligurischen küsten-
städte am fufse der Seealpen Albium Intemelium (Albintimilium
j. Ventimiglia) und Albium Ingaunum (Albingaunum j. Albenga)
mit dem gebirge in zusammenhang, indem man meinte (Strabo
p. 202) ὀνομαάζεσϑαι Aißıov οἷον “AArssıov. auch die Albici qui
montes supra Massiliam incolebant und alte untertanen der stadt
waren, bei Caesar Bc. 1, 34. 56 f. 2, 2, AAßısis χαὶ AAßloıxos bei
Strabo p. 203, waren Ligurer und ihrem namen nach vielleicht nur
bergbewohner, dessen stamm aufserdem noch in Albiosc am Verdon,
in AAßleva auf Corsica, in den inschriftlich vorkommenden per-
sonennamen Albianus Albonius auf der Tab. Velej., Albucius Ligur
in Carpentoracte und Aquae Sextiae, Albucianus in Antipolis, Al-
biccius in Nicaea sich wiederholt und dadurch zeigt wie lebendig
er in der sprache des volkes war**. die meinung des gramma-
* stellen aus Ausonius, Sidonius ua. bei Scaliger Lectt. ad Auson. 1588
8. 188, Ducange 8. v., Ükert Gallien 8. 95. auf der Tab. Peut. heifsen die Kar-
paten Alpes Bastarnicae, bei Jordanes c. 18 der Haemus Alpes. in Lachmanns
gromatikern (Boethii) demonstratio artis geometricae p. 397, 17 list man vom
Decumanus und cardo ‘per multa milia pedum concurrunt et nisi in alpes finiant,
dividunt agros dextra levaque rectarum linearum inter se continentium’. ahd.
findet sich das wort in zwei formen, alb& -ün und (albia) aipeöm elbon (Graff
1, 242); im mhd. herscht albe, im gen. -en oder -e, und neben der bedeutung
‘berghöhe, hoher berg’ kommt die andre davon abgeleitete, in den heutigen
volksmundarten allein anerkannte ‘bergweide, bergtrift’ erst spät zum vorschein
(Mhd. wb. 1, 21, Lexer 1, 34, EMartin zur Kudrun 861, 2; Stalder 1, 961.
Schmeller 15, 63f. Dwb. 1, 201. 244. 245), ist aber in lateinischen urkunden
(bei Schmeller und Ducange) schon seit dem achten jahrhundert nachweisbar
und reicht darnach über das deutsche sprachgebiet hinaus in das romanische,
ehemals gallische und ligurische hinüber, sowie andererseits in das slawische
* Alba Docilia j. Albizzuola bei Savona, Alba Pompeia j. Alba, Alba Helvia
oder Augusta j. Alps (Ukert Gallien 8. 417. 440), Albinnum j. Alby in Savoyen,
DIE ARKYNIEN UND DIE ALPEN. 245
tikers, der noch drei oder vier andre erklärungen gegenüber stehen,
genoss mindestens im altertum keine grofse verbreitung und an-
erkennung und seine versicherung ist nicht so beschaffen dass da-
mit allein und ohne weiteres die keltische herkunft des namens
entschieden wäre.
aus den keltischen sprachen lässt sich kaum etwas entschei-
dendes dafür beibringen. die rauhe Alb, bei Ptolemaeus 2, 11, 7.
11 ὁμώνυμα τοῖς Alrlors ὄρη, bei Vopiscus (s. 210 anm. 2) Alba und
das “AAßıov oder ᾿“λβανὸν ὅρος (Strabo p. 202. 314, Ptolem. 2,
14, 1), die fortsetzung der julischen Alpen bei dem keltisch-illyri-
schen mischvolke der Iapodes können leicht nach dem benachbarten
grofsen gebirge benannt sein, wie denn auch Strabo p. 207 jene
und ebenso p. 192 den Jura und noch das plateau von Langres
als teile und ausläufer desselben betrachtet. in Gallien trifft man
den bergnamen nicht wieder, in Irland allerdings den personen-
namen Alpin, Elpin in merkwürdiger übereinstimmung mit hel-
vetischen und andern festländischen (Zeufs Gr. 150. 773); aber ir.
ailp masse, klumpen genügt nicht um Alpa, Alba Schottland (Zeufs
Gr. 264 ff.) als berg- und hochland zu erklären*. und wie würde
obwohl sämmtlich auf ehemals ligurischem boden, lasse ich lieber aus dem
spiele; ebenso Alebece Reiorum bei Plinius 3 $ 86 und 4Asßior, den einen der
Poseidonssöhne die mit Herakles auf dem Steinfelde kämpften. wer verwegen
genug ist, mag Jftoxuvos, den bruder des '‘4isßiov, — der name ist nur ein-
mal belegt bei Apollodor 2, 5, 10, aus dem Tzetzes Chil. 2, 340 schöpfte, und
‘Bergyon’ nebst ‘Albiona’ bei Mela 2, 5, 78 ist verderbt — in einen Apxuros
oder ἽΕρχυνος verwandeln und vermuten dass die beiden mit felssteinen käm-
pfenden, gigantischen brüder (vgl. Lykophron 1357 s. 242) nach den Alpen und
Arkynien benannt und deren oder auch der beiden völker, die das gebirge
verschieden benannten, mythische repraesentanten waren. dann müste freilich
das gebirge unter diesen namen den Griechen viel früher bekannt gewesen
sein und mäüsten auch Kelten und Ligurer viel früher im Rhonetal und im
gebirge beisammen gewohnt haben, als die übrigen zeugnisse schliefsen lassen.
— die erklärung bei Festus ‘Alpes a candore nivium dicti sunt, qui perpetuis
fere nivibus albescunt; Sabini enim alpum dixere quod postea Latini album,
inde Alpium nomen’ und im Etym. magn. "Ansıa, ὄρος τῆς Κελτικῆς. διὰ τὸ
πλῆϑος τῆς λευχῆς χιόνος ἄλπια ἐχλήϑη τὰ don‘ ἢ παρὰ τὸ ἄλτον, 5 ἐστι ὕψη-
λὸν, "Altıs κεχλῆσϑαι verdient kaum eine berücksichtigung, da die italischen
sprachen arischer herkunft nicht bis ans gebirge reichten und wenn die Umbrer,
als sie noch δὴ Po wohnten, die fernen höhen, wie die Kelten den Vindius
mons j. Sierras Albas bei den Cantabrern (Zeufs Gr. 53), die weilsen berge ge-
nannt hätten, diese nicht Alpes, sondern Alfi oder lat. Albi heifsen würden.
* Ebel, der nicht mehr wie in Kuhns beitr. 3, 14 f. an die identität von
Alpes und Alpa Schottland glaubt, macht mich darauf aufmerksam dass “über
246 DIE KELTENZÜGE.
diese erklärung für 4Aßlo», 448loves passen, den namen der ehe-
dem die ganze insel umfasste und der nur im verkehr mit fremden
von süden her zu dieser geltung gekommen sein kann? mit gael.
alp berg, einem angeblich veralteten worte, und kymr. alp a
craggy rock or precipice, das namentlich in Südwales in Glamorgan
gebräuchlich sein soll, aber mag- es sich nicht besser verhalten als
mit unsrer fränkischen, sächsischen und märkischen Schweiz. nur
an gael. ailbhe a flint, stone, rock mag noch erinnert werden*,
da die Ὄλβια des Posidonius, Strabos 4Aßıe, das ligurische und
das iapodische 4Aßıov, des Vopiscus Alba und die alben unsrer
oberdeutschen mundarten es aufser zweifel setzen dass die media
in Alpes eine verhärtung erfahren hat. so lange aber nicht alte,
völlig unverfängliche zeugnisse aus den keltischen sprachen bei-
gebracht werden können, muss wohl die entscheidung darüber ob
die Alpen von den Kelten ihren namen erhalten haben ausgesetzt
werden, und wir dürfen einstweilen dagegen geltend machen dass
Herodot von Kelten weder in Oberitalien 4, 49, noch an den Ost-
alpen 5, 9 etwas gehört hat. er war vielleicht unvollkommen
unterrichtet und zum beweise dafür kann man sich selbst auf
seine nachrichten 4, 49. 5, 9 f. berufen. unvollkommen oder unge-
nügend sind auch unsre nachrichten von der Rhone her. allein
erst wenn der keltische ursprung des namens der Alpen ** bewiesen
die Alpen’ in Fiaccs hymnus ‘tar elpa’ (glossiert dar sleib n-elpa) heifst,
während im cod. Sg. allerdings ‘fri alpai ndesiu’ (cis Alpes) und cen alpande
(cisalpinus) steht, dass Elpa auch sonst mehrfach in citaten bei O’Curry Mate-
rials usw. vorkommt.
* obgleich nach Zeufs Gr.? 54. 60 das bh nach 1 auf altes v zurückgeht,
dagegen die alte media in gleicher stellung sich in p verhärtet.
*® oder auch des Padus? Plinius 3 $ 122 ‘Pudet a Graecis Italiae ratio-
nem mutuari, Metrodorus tamen Scepsius dicit, quoniam circa fontem arbor
multa sit picea, quales Gallice vocentur padi, hoc nomen accepisse, Ligurum
quidem lingua amnem ipsum Bodincum vocari, quod significet fundo carentem’.
vgl. Polybius 2, 16, 12 παρὰ γὲ μὴν τοῖς ἐγχωρίοις ὁ ποταμὸς (Παδος) προς-
(γορεύεται Bodeyxos; Theo ad Arat. Phaen. 359 Βοχερσος, Hesych. Βεβέηχος (l. Βέ-
Bodıyxos) ὁ ᾿Ηρίϑανος uno τῶν 'Everwv. DBodincus, Bodeyxos ist wohl ohne
zweifel der ligurische name des flusses; ob aber Padus der gallische, dafür ist
Metrodorus aus Skepsis in Kleinasien ein schlechter zeuge, der vielleicht nur
ebenso wie Alexander der polyhistor, bei der erklärung der ligurischen volks-
namen annahm dass auch die Gallier einen baum oder strauch wie die Griechen
πάδος nannten; höchst verdächtig wird seine erklärung auch dadurch dass
dieser baum insbesondere an der quelle des flusses wachsen soll, wo gar keine
Gallier, sondern nur Ligurer wohnten, aufserdem aber beweist Hygin Fab. 154
DER ITALISCHE ZUG. 247
ist, werden wir die ankunft des volkes in Oberitalien oder an den
Östalpen und zugleich die grofse veränderung an der Rhone über
Herodot hinaufrücken müssen, die wir jetzt nur um oder gegen
das j. 400 ansetzen dürfen.
Das eindringen der Gallier in Italien setzt ihre ausbreitung
über die Rhone und ihr vordringen gegen die Alpen voraus. noch
verrät der name der Allobroges, der gallischen Elsässer (s. 116),
zwischen der Rhone, dem Lemannus und der Isere dass dies ge-
biet einmal von der andern seite des flusses von norden her seine
gallische bevölkerung erhalten hat, und derselbe völkerstrom hat
dann die Helvier auf die ostseite der Cevennen, die sogenannten
Kavarer* und andere Gallier auf dem linken Rhoneufer bis an die
Durance und an die höchsten Alpenpässe geführt. dass hier die
Ligurer sofort vor ihnen verschwanden, ist schon an sich nicht
wahrscheinlich. geht man in dem südlichen küstenstrich über dem
Mittelmeer und jenseit der Alpen, da wo die Ligurer sich noch
in dichten massen behaupteten, den spuren der gallischen ein-
würkung nach, so kommt man notwendig zu der folgerung dass
die alte bevölkerung nördlich von der Durance zum grolsen teil
erst allmählich von den Galliern verschlungen und in Gallier ver-
wandelt ἰδ ἘΞ,
nicht dass Pherecydes, Aeschylus oder Euripides (DA. 1, 219) oder welche
sonst zu ihrer zeit den Po für den Eridanos hielten den namen Πάσδος schon
gekannt und gebraucht haben, da sich nicht einmal Scylax $ 19 seiner bedient.
* d.h. die riesen, Zeufs Gr. 129. vgl. Pausanias 1, 35, 3 ἐγὼ de, ὁπόσοι
μὲν οἰχοῦσιν ἔσχατοι Κελτῶν ἔχοντες ὅμορον τῇ διὰ χρυμὸν ἐρήμῳ, ovs Καβαρεῖς
ὀνομάζουσι, τούτων μὲν οὐκ ἐθαύμασα τὸ μῆχος, οὗ νεχρῶν οὐδὲν τε διαφόρους
ἔχουσιν “Αἰγυπτίων. nach Strabo 185 haben die Kavarer den uferstrich an der
Rhone von Durance bis Isere inne, obgleich nach p. 186 der name eigentlich
eine umfassendere bedeutung hatte. nimmt man Mela 2, 5, 75. 79, Plinius 3,
8 34—37, Ptolemaeus 2, 10, 12—17 hinzu, so ergibt sich dass bei Strabo nach
dem herschenden sprachgebrauch die gemeinden der Menimer Tricastiner und
Segovellauni, vielleicht auch die Vulgientes bei Apt am Calaron darunter be-
griffen sind.
* Theopomp kannte noch mehrere später verschollene Ligurervölker und
meldete in seinem drei und vierzigsten buch, dem grofsen excurs über die
westlichen länder und völker (DA. 1, 148. 230, Fuc. 1, 315 f.), von einem ver-
ödeten landstrich den sie früher bewohnt. aber wo dieser zu suchen, ist aus
dem fragment bei Stephanus Byz. 110, 21. 343, 2 Mein. leider nicht unmittel-
bar ersichtlich: παράπλεον δὲ τὴν χώραν τὴν μὲν πρώτην ἔρημον, ἣν ἐνέμοντο
πρότερον ᾿Ιψίχουροι (al. "Yıyixovpos) χαὶ ᾿Αρβαξανοὶ χαὶ Evßios, “ἰγυὲς τὸ γένος.
248 DIE KELTENZÜGE.
Plinius, der jenseit des Varus 3 ὃ 47 Ligurer nur in dem
küstenstrich südlich von der Durance kennt, berichtigt 3 $ 124
die meinung des alten Cato dahin, dass die Vertamacori, die gründer
von Novara, nicht Ligurer sondern ein gau der Vocontier seien.
diese, die bewohner der gebirge am obern Aigues und Dröme ober-
halb der Kavarer, hielt er ohne zweifel für ursprüngliche Gallier
und die namen ihres gebiets, auch der der Vertamacori, scheinen
das nur zu bestätigen. allein ein zeugnis des Cato ist in diesem
falle nicht leicht zu nehmen. Cato ist der erste und einzige, der
der verzweigung des ligurischen volkstammes redlich nachgeforscht
und sich ernstlich bemüht hat darüber ins reine zu kommen; das
zeigen seine unmutigen worte aus dem zweiten buche der Origenes
bei Servius ad Aen. 11, 700. 715, wo er sämtliche Ligurer be-
triegerisch schilt und klagt dass sie, illitterati und lügenhaft zu-
gleich, über ihre herkunft wahres und genaues wenig anzugeben
wüsten. zu seinem zeugnis kommt hier das der triumphalfasten
(CIL. 1, 460), die zweimal nach einander zu den j. 631 und 632
(123. 122) die triumphe des M. Fulvius und C. Sextius, des gründers
von Aquae Sextiae, DE - LIGVRIB - VOCONTIEIS - SALLVVEISQ -
verzeichnen und beide male die Vocontier mit den auch noch von
Plinius 3 ὃ 47 als Ligurer anerkannten Salluviern oder Salyern
oberhalb Massilias als Ligurer zusammenfassen. da die fasten
sich in der unterscheidung der völker des nördlichen Italiens und
südlichen Galliens sonst genau erweisen, so ist mit grund nicht
daran zu zweifeln dass die Vocontier zur zeit ihrer unterwerfung
durch die Römer noch ebenso wie die Salyer für Ligurer galten.
auch ihre ostnachbarn an der obern Durance, die Caturiges, ob-
gleich sie und ihre stadt Ebrodunum (Embrun) ua. gleichfalls unzwei-
felhaft gallische namen führen, waren wohl ebenso wenig reine Gallier*
bezieht sich das fragment, wie es nach dem ersten wort scheint, auf die Ar-
gonautenfahrt (DA. 1, 2191. 430. 433 f.), so ist allerdings eher an die Rhone-
gegend, das ‚eigentliche Ligyerland der Griechen, als an den obern Po zu
denken; aber die nachricht wird damit fabelhaft, wenn auch die namen gewis
nicht erfunden sind. vgl. Ὀξύβιοι, Esubiani Plin. 3 $ 137 ἢ τ Vesubiani Orelli
nr. 626, Euburiates?, Cuburiates Plin. 3 $ 47, Flor. I, 19 uam.
* sie würden sogar nur falsch getaufte, echte Ligurer sein wenn, was
man bisher in den ausgaben des Plinius las 3 $47 Veneni ex Caturigibus orti
Vagienni, $ 135 Caturiges et ex Caturigibus orti Vagienni Ligures, in den hss.
begründet wäre. diese aber ergeben $ 47 Veneni esturri soti Vagienni, $ 135
etturi Liguribus orti Vagienni Ligures, und da die Veneni an der obern Stura
bei Vinadio wohnten, die Bagienni aber am obern Tanarus, so werden die
‘esturi soti’ zwischen ihnen an die Stura gehören.
DER ITALISCHE ZUG. 249
und dasselbe darf man für die nördlicheren Alpenvölkchen bis zum
kleinen SBernhard, die Meduller und Ceutronen, Ucenni Grajoceli
und Acitavones, mutmalsen. die Caturiges und Meduller gehörten
ganz oder: teilweise zu dem reich des Ligurers Cottius (Orelli IL.
nr. 626, vgl. Strabo p. 178f. 204) und aus den namen der inschrift
des von ihm in Susa zu ehren des Augustus errichteten bogens,
sowie des alpinischen siegesdenkmals des Augustus (Plin. 3 8 137)
ergibt sich mit hinlänglicher gewisheit dass auf der ganzen west-
seite des Alpengrats etwa vom Genevre an bis zum meere Ligurer
noch in ununterbrochener reihe wohnten. selbst auf der nordseite
jenseit des Simplon an der Rhonequelle safsen noch Ligurer, die
Lepontii qui Überi vocantur (Plin. 3 ὃ 135. 137). denn die Lepon-
tier, die aufserdem noch die täler südlich vom SGotthard über dem
langen see inne hatten, leitete Cato (Plin. 3 $ 134) nebst den Sa-
lassern im tale von Aosta am grofsen und kleinen SBernhard von
den Tauriskern oder Taurinern ab, der antiqua Ligurum stirps*
am oberen Po, und dass beide völker Ligurer waren, gewinnt noch
dadurch an wahrscheinlichkeit dass auch die ebene unter ihnen
bis zum Po und Tessin von Ligurern bewohnt war, so dass diese
hier eine zusammenhängende masse bildeten, die der hohe rand
der Alpen im norden und nordwesten umschloss. dass die Seduni
unterhalb der lepontischen Überi, die Veragri und Nantuates in
den tälern jenseit des grofsen SBernhard bis zum Lemannus Gallier
waren, braucht man Caesar Be. 3, 1. 2 nicht abzustreiten** die
* nach Plinius 3 $ 123 vgl. Strabo p. 204. wie Cato, nannte auch Poly-
bius 2, 15 und noch Timagenes (Aınmian 15, 9, 6. 10, 9) die Tauriner Taurisker.
sehr mit unrecht ficht Zeufs 230 anm. die auctorität des Cato an. dass ‘sichere
berichte’ die Salasser für Kelten erklären, ist nicht richtig. sie hiefsen nur
bei Livius nach Orosius 5, 4, Julius Obseq. 21 und Dio fr. 74, 1 Bekk. ein-
mal Gallier, aber mit nicht besserem rechte als die Salluvier bei Massilia
perioch. 60 — M. Fulvius Flaccus primus transalpinos Ligures domuit bello,
missus in auxilium Massiliensium adversus Salluvios Gallas — oder die Libuer
21, 88. dass städte mit keltischen namen, wie Arebrigium, Ariolica usw. in
ihrem lande entstanden, beweist um so weniger etwas weil das volk von
Augustus ausgerottet und in die sklaverei verkauft wurde. der flussname
Durin, der sich noch einmal wie die Stura bei den südlicheren Ligurern
wiederholt, — auch Durii als ortsname zwischen Laumellum und Ticinum Itin.
Hieros. p. 557 — braucht hier ebenso wenig keltisch zu sein als Duries in
Spanien (Kiepert Monatsber. 1864 s. 154 anm.). dass Strabo p. 206 die Lepontier
zu den Raetern zählte, ist von keinem belang, Duncker Origg. 8. 67—71. vgl.
übrigens oben s. 83 anm. 2.
* über die ‘semigermanae gentes’ am grofsen SBernhard bei Livius 8. oben
8. 161 anm. 2.
9250 DIE KELTENZÜGE.
stellung, die die Ligurer längs der Alpenkette, als Vocontier in
den bergen über der Durance und südlich über der meeresküste
einnahmen, ist nach den vorhandenen daten deutlich genug und
lässt klar erkennen dass der stols, der einmal von den Galliern
gegen sie geführt ward und sie zurückwarf, vom norden und nord-
westen ausgegangen ist.
Nun hat Livius 5, 34. 35 bekanntlich einen bericht ‘de trans-
itu in Italiam Gallorum’, der seinem inhalte nach gewis aus dem
munde von Galliern und zwar, wie sich jedem der von sagen und
sagenhaften überlieferungen etwas versteht leicht ergibt, aus dem
munde der Insubrer von Mailand herstammt, der aber so wie er
vorliegt erst kurz vor Livius von einem Griechen aufgezeichnet
und gestaltet war. entscheidend hiefür ist der erste satz ‘Prisco
Tarquinio Romae regnante Celtarum, quae pars Galliae tertia est,
penes Bituriges summa imperii fuit: ii regem Celtico dabant’.
wenn nicht die Celtae, so weist hier doch das Celticum, τὸ ΚΧελει-
κὸν entschieden auf einen griechischen gewährsmann und weiter-
hin aufser der mehr griechischen als lateinischen form Mediolanium
— Μεδιολάνιον bei Strabo p. 190. 213, Ptolemaeus ua. — auch
die sehr rhetorische schilderung der Alpen*. die ‘Celtae quae
pars Galliae tertia est’ aber hat Livius keineswegs unmittelbar
aus dem anfang der commentarien Caesars, sondern vielmehr, da
auch in der folgenden erzählung von der zusammensetzung des
heeres des Bellovesus aus den völkern des eigentlichen innern
Galliens dieselbe in jenen worten angedeutete einteilung voraus-
gesetzt wird, von seinem griechischen auctor, und da diese ein-
teilung zuerst bei Caesar vorkommt und die einschränkung der
‘Celtae’ auf die Gallier im engeren sinne ganz Caesars eigentum
und bei ihm nur durch falsche gelehrsamkeit veranlasst ist (DA.
1, 167. vgl. oben s. 178 anm. 1), so muss der Grieche Caesar schon ge-
* — in Tricastinos venit. Alpes inde oppositae erant. quas inexsupera-
biles visas haud equidem miror, nulla dum via — quod quidem continens
memoria sit, nisi de Hercule fabulis credere libet — superatas. ibi cum velut
saeptos montium altitudo teneret Gallos, circumspectarentque quanam per
iuncta caelo iuga in alium orbem terrarum transirent, religio etiam
tenuit, quod adlatum est advenas quaerentes agrum a Saluium (al. Saluum)
gente oppugnari. usw. vielleicht bediente sich Livius hier und gleich nachher
auch der griechischen form Salyum, Salyis. in dem vorhergehenden, einleiten-
den cap. 33 ist auch die bemerkung zu beachten ‘Graeci eadem Tyrrhenum
atque Adriaticum vocant’. freilich lautet auch die schilderung der Alpen bei
Livius 21, 32 hyperbolisch genug.
DER ITALISCHE ZUG. 251
kannt und später geschrieben haben; wofür man vielleicht auch
noch anführen kann dass nicht etwa den Arvernern, sondern den Bitu-
riges Cubi, zur zeit Caesars (Be. 7, 15. 28) im besitze fast der
schönsten und volkreichsten stadt Galliens, die oberherschaft für
die alte zeit beigelegt wir. man kommt daher notwendig auf
Timagenes, der gallischen und andern traditionen (s. 166) nachgieng,
als den gewährsmann des Livius* und wende dagegen nicht ein dass
dieser den Timagenes sonst nicht benutzt hat; dass er ihn gekannt,
lehrt der merkwürdige ausfall auf die ‘levissimi ex Graecis’ 9, 18,
der ohne zweifel wohl gegen jenen gerichtet ist (Fre. 3, 320 f.).
wenn Timagenes allein von der einwanderung der Gallier eine von
der herkömmlichen und gewöhnlichen erzählung bedeutend ab-
weichende, aber glaubhaft und wohlbegründet scheinende darstel-
lung gegeben hatte, so muste Livius sie schon nehmen wo er sie
fand und sie seinen lesern mitteilen. und mit welcher unbefangen-
heit er bei der einschaltung verfuhr, zeigen die widersprüche in
die er geriet, indem er vorher und nachher, der gewöhnlichen er-
zählung c. 33 folgend, die Gallier c. 17 ein nie gesehenes volk und
neue nachbarn der Etrusker, c. 35 nie gesehene menschengestalten,
c.37 einen nie gesehenen, nıe gehörten, vom ocean und den
äufsersten weltenden herziehenden feind nennt oder nennen lässt,
die dem eingeschalteten bericht zufolge schon zweihundert jahr
früher die Etrusker aus der nördlichen Poebene verdrängt haben
sollen.
Der gewöhnlichen erzählung bei Livius c. 33, dass ein Clusiner
Arruns, um sich an einem mächtigen seiner vaterstadt zu rächen,
die Gallier mit wein öl und feigen über die Alpen gelockt habe,
steht zunächst bei Plinius 12 85 eine andre, ähnliche gegenüber,
dass ein Helvetier Helico sich in Rom der schmiedekunst wegen
aufgehalten und heimkehrend die Gallier durch mitgebrachte feigen,
öl und wein veranlasst habe die Alpen zu überschreiten. beide
traditionen — die andeutung auch der letzten lässt darüber keinen
zweifel — nehmen an dass die eroberung Roms alsbald auf den
einbruch erfolgt sei, weisen ihn also in den anfang des vierten
Jahrhunderts, sowie es auch damals in Griechenland hiels (nach
* Duncker Origg. 8. 8f. sucht für Posidonius zu beweisen und andre haben
das angenommen. aber in welchem zusammenhange wäre Posidonius anders
als beiläufig (s. 185 f. 188) auf die einwanderung der Gallier in Italien gekommen
und was könnte ihn veranlasst haben der sage nachzuspüren, was sich bei
Timagenes leicht begreift ὃ
252 DIE KELTENZÜGE.
Heraklides Ponticus bei Plutarch Cam. 22) dass ein heer von Hyper-
boreern, vom äuflsern ocean kommend — ἐλϑὼν ἔξωϑεν —, die
hellenische stadt Rom eingenommen hätte, und Cato, der im zweiten
buch der Origenes (fr. 3 bei Gellius 17, 13, 4 nebst Jordans proll.
p. xxxıx) die erste sage wie Livius, Dionysius von Halicarnass
13, 14 ff. und Plutarch Cam. 15 — der jene beiden vor sich hatte
— erzählte, wird den zeitpunkt des ereignisses nicht anders be-
stimmt haben.
Polybius, bei dem man (s. 194, vgl. Polyb. 1, 14. 3, 9) den noch
älteren Fabius Pictor als gewährsmann vermuten muss*, setzt eine
andre, sehr abweichende überlieferung voraus, was nicht zu ver-
wundern ist wenn Fabius sein gewährsmann war, da die Fabier
nach der gewöhnlichen darstellung in dem Gallierkriege nicht eben
die beste rolle spielten. nach Polybius 2, 17. 18 hätten die Kelten
im nachbarlichen verkehr mit den Tyrrhenern die schönheit
Italiens gesehen und mit neidischen augen betrachtet, bei einem
geringfügigen anlass — dx μιχρᾶς προφάσεως — jene plötzlich
mit einem grofsen heere überfallen, sie aus dem Polande ver-
trieben und der ebenen auf der nord- und südseite des flusses ab-
wärts, sowie der anstofsenden landschaft am adriatischen meere
sich bemächtigt. aber damit nicht genug, sie hätten auch, so
fügt er noch hinzu, in ihrem übermut viele der nahe wohnenden
unterjocht und nach einiger zeit — μετά τινὰ χρόνον — die Römer
geschlagen und Rom aufser dem Capitol eingenommen. auch Po-
Iybius weifs also von keinem andern zeitpunkt der einwanderung
als Cato oder die gewährsmänner der gewöhnlichen darstellung bei
Livius und Dionysius, und ebenso wenig fanden Diodor 14, 113,
Trogus Pompejus prol. 20 (Justin 20, 5) und Appian (Celtic. 2),
die jeder sage geschweigen, ein andres datum in ihren quellen:
sie lassen die Gallier die Alpen überschreiten, im nördlichen
Italien sich festsetzen und dann auf Clusium und Rom losgehen.
wenn daher Melpum in der nördlichen Poebene von den In-
subrern Boiern und Senonen an demselben tage als Veji von den
Römern zerstört wurde (8. 237) oder nach Cato (bei Plin. 3 8 124)
die Boier Laus Pompeja (Lodi) gleichfalls nördlich vom Po im
gebiet der Insubrer, die Mariker oder Anamaren, später um Cla-
stidium Placentia Veleja oberhalb der Boier angesessen, mit den
Laevern gemeinschaftlich Tieinum gründeten, so kann nur gemeint
sein dass die völker mit einander und zu gleicher zeit in Italien
* s, jetzt Nitzsch Röm. annalistik s. 275 ff.
DER ITALISCHE ZUG. 253
eindrangen, und bei der einhelligkeit der überlieferung eine andre
auffassung der nachrichten nicht erlaubt sein. davon dass die
Gallier schon vor dem vierten jahrhundert im süden der Alpen
erschienen wären, wuste man offenbar später in Rom oder über-
haupt in Italien ebenso wenig etwas als Herodot im fünften
(s. 241f. 246), und vor dem sinken der macht der Etrusker, das
durch den fall Vejis bezeichnet wird, können sie auch dort nicht
um sich gegriffen haben*.
der Vocontier Trogus endlich, der in seinem zwanzigsten buch
(s. 252) innere fehden als ursache der auswanderung betrachtete,
erzählte im vierundzwanzigsten ** dass die Gallier, da ihr land die
menschenmenge nicht mehr fassen konnte, dreimal hunderttausend
wie ein ver sacrum ausgesandt hätten, von denen eine abteilung
in Italien sich niederliefs und Rom einäscherte, die andre von
vögeln geleitet bis Illyricum vordrang und in Pannonien sich fest-
setzte. hier liegt wohl wieder eine gallische tradition vor und
* Mommsen Röm. gesch. 1°, 300 anm. dass die’ stelle des Dionysius
Halie. 7, 3 nicht, wie OMüller und Duncker (Origg. p. 10) meinen, gebraucht
werden kann um eine viel frühere anwesenheit der Kelten in Italien zu be-
weisen, ist schon öfter von andern bemerkt, vgl. Kämpf Umbric. spec. p. 11 ff.
mit ἐχεῖϑεν 9° ὑπὸ τῶν Κελτῶν ἐξελαϑέντες σὺν γρόνῳ kann Dionysius nicht
gemeint haben τότε δὲ ἐξελαυνόμενοε oder ἐξελαϑέντες, sondern nur dass die
Tyrrhener damals (a. 524) noch am ionischen meere wohnten und erst mit der
zeit von dort durch die Kelten vertrieben seien.
** Justin 24, 4 ‘Galli abundanti multitudine, cum eos non caperent terrae
quae genuerant, trecenta milia hominum ad sedes novas quaerendas velut ver
sacrum ımiserunt. ex his portio in Italia consedit, quae et urbem Romanam
captam incendit, et portio Illyricos sinus ducibus avibus — nam augurandi
studio Galli praeter ceteros callent — per strages barbarorum penetravit (vgl.
Virg. Aen. 1, 243 Illyricos penetrare sinus) et in Pannonia consedit, gens aspera
audax bellicoss, quae prima post Herculem, cui ea res virtutis admirationem
et immortalitatis fidem dedit (vgl. Livius 8. 250), Alpium invicta iuga et fri-
gore intractabilia loca transcendit. ibi domitis Pannoniis per multos annos cum
firitimis varia bella gesserunt; hortante deinde successu, divisis agminibus alii
Graeciam alii Macedoniam, omnia ferro prosternentes, petivere’”. man kann die
worte des declamatorischen epitomators, dem es offenbar um die verwendung
der virgilischen phrase zu tun war, so auffassen, wie Niebuhr (Röm. gesch. 2°,
577), dass die zweite abteilung sich erst in Italien abtrennt und von da aus
nach Illyricum und Pannonien vordringt; aber vielleicht war dies gar nicht
einmal seine meinung, jedesfalls nicht die des Trogus (Duncker Origg. p. 23).
auch die einmischung Pannoniens beruht auf einem irrtum, rührt aber gewis
schon von Trogus her, wenn auch der prol. 34 nur sagt ‘repetitae inde Gallo-
rum origines, qui Ulyricum occuparunt’. s. unten.
254 DIE KELTENZÜGE.
zwar allem anscheine nach im grunde dieselbe wie bei dem griechi-
schen auctor des Livius, aber auch sie weils von keiner andern
datierung als die übrigen berichterstatter. der Grieche steht da-
her mit der seinigen der gesamten übrigen überlieferung des
altertums einsam gegenüber und sie würde darum schon keine
sonderliche beachtung verdienen; es ist aber auch noch voll-
kommen deutlich wie sie zu stande gekommen.
Der bericht des Livius zerfällt in drei teile, aber so dass der
erste im dritten sich direct fortsetzt und der zweite als ab-
schweifung daneben steht, daher hier vorläufig bei seite bleiben
kann. der bericht beginnt, abgesehen von der chronologischen
anknüpfung an den Tarquinius Priscus, mit einer sagenmäfsigen
erdichtung, die den zweck hat die ausbreitung der Gallier an der
Donau und nach Italien als vom eigentlichen innern Gallien gleich-
zeitig ausgegangen darzustellen: zu der zeit als Ambigatus könig
der Bituriger über Gallien herschte, sei das land von einer solchen
fruchtbarkeit des bodens und der weiber gesegnet gewesen dass
der könig in seinem alter, um das reich von der überflüssigen,
üppigen menge zu befreien, beschlossen habe seine tapfern neffen
beide mit einem starken heere auszusenden damit sie nach an-
weisung der götter sich neue wohnsitze aufsuchten; dem Sigovesus
sei durch das loofs das hercynische waldgebirge, dem Bellovesus
Italien angewiesen. der alte könig bleibt zurück und führt nicht
selbst die auswanderer an, weil sein reich nach der kenntnis der
sage (s. 251) auch später in Gallien fortbestand. die namen sind
mit absicht und in übereinstimmung mit dem inhalt der dichtung
gewählt*, der zweck der erdichtung aber ist mit dem auszuge der
helden und ihrer scharen völlig ausgesprochen und abgeschlossen.
in dieser gestalt oder einer ähnlichen fassung wird Caesar (s. 204 f.)
sie gekannt haben und auch nicht weiter geht die variante des
Trogus Pompejus (s. 253) und besagt nichts mehr. eine uner-
wartete wendung aber nimmt die fortsetzung bei Livius.
* Ambigatus ist der ‘sehr weise’, Glück s. 20; Sigovesus und Bellovesus,
dichterisch gepaart durch den zweiten gleichen namenteil, wird kundige heer-
führer anzeigen. Zeufs Gr. 856 deutet vösus durch altir. fis kymr. gwys scientia,
und Glück 8. 151 f. nimmt wohl mit recht an dass altgall. sego unserm ahd.
sigu got. sigis viotoria oder skr. sahas robur entsprach. nur bello, das auch
in Bellovaces erhalten ist, finde ich noch nicht erklärt. auf nordspanischen
inschriften, bei Hübner CIL. nr. 2871. 2855 kommt der name Secovesus und
Segovetes an einem und demselben orte vor.
BELLOVESUS UND SIGOVESUS. 255
das heer des Bellovesus, aus Biturigern Arvernern Senonen
Aeduern Ambarren Carnuten Aulerkern zusammengesetzt, soll die
Alpen bei den Taurinern, also den mont Gen&vre überstiegen, die
Etrusker unfern des Ticinus geschlagen, dann jenseit des flusses
insgesamt sich niedrgelassen und Mediolanium erbaut haben, weil
sie die landschaft ebenso wie einen gau der Aeduer ‘mark .der
Insubrer’ nennen hörten und dies als einen göttlichen wink be-
trachtet hätten. es wird also im widerspruch mit der anlage und
absicht der sage und der überlieferung bei Trogus die ganze ehre
von dem heere des archegeten abzustammen allein für die Insubrer
um Mailand in anspruch genommen und alle hauptvölker an der
mittlern und obern Loire werden deshalb so sorgsam aufgezählt,
damit es ja einleuchte dass die Insubrer aus dem schoofse oder
herzen Galliens hervorgegangen seien. die erfindung aber, wie
sie zu ihrem namen gekommen seien, ist zu armselig, die hin-
weisung auf den gau der Aeduer all zu einfältig um die wahrheit
zu verhüllen, dass die Insubrer nicht anders als die übrigen Gallier
in Italien nur ein teil des Bellovesusheeres waren. ja, dass die
übrigen eigentlich dazu gehörten, wird verschämter weise sogar
noch zugegeben, da die aufzählung auch schon Senonen und ebenso
Aulerker nennt, von denen die Cenomanen (Caesar Be. 7, 75, Plin.
4 8 107, Ptolem.) nur eine abteilung waren. der einseitig in-
subrisch mailändische standpunkt der überlieferung ist demnach
völlig offenbar und bedingt nun auch die fernere darstellung.
den Cenomanen wird noch zugestanden dass sie bei lebzeiten,
ja sogar mit bewilligung des Bellovesus auf demselben wege wie
zuerst sein heer über die Alpen gekommen seien und unterhalb
der Insubrer über dem Po um Brescia und Verona platz gefunden
hätten. ihnen wird auch noch sagenhaft ein namhafter führer
Etitovius? zugeteilt. von den ligurischen Libuern und Salluviern
heist es nur dass sie nach den Cenomanen oberhalb des Ticinus
bei den altligurischen Laevern am Po sich niedergelassen hätten*.
ein führer wird hier nicht mehr genannt und stillschweigend wohl
der weg üb r den Gendvre, was sogar selbstverständlich scheinen
* mit Drakenborch Madvig Weilsenborn ist abzuteilen ‘Alia subinde manus
Cenomanorum — ubi nunc Brixia ac Verona urbes sunt, locos tenuere. Libui
eonsidunt post hos Saluviique prope antiquam gentem Laevos Ligures inco-
lentes circa Tieinum amnem’. ist auch die wortstellung im letzten satze auf-
fallend, so ist sachlich doch nicht nur nichts dagegen einzuwenden, sondern
sind sogar die ähnlichen nachrichten Catos dafür anzuführen. s. unten.
9256 DIE KELTENZÜGE.
konnte, als derjenige angesehen auf dem 816 einzogen. darauf
aber sollen die Boier und Lingonen über den Poeninus, den grolsen
SBernhard gekommen sein und setzten sich südlich vom Po, wo
sie die Etrusker und Umbrer vertrieben; endlich auch die Se-
nonen, die sich noch weiter südlich am adriatischen meere an-
siedelten und von da aus Clusium und Rom angriffen. dass die
Gallier durch verschiedene Alpentore in Italien eindrangen, ist
ohne zweifel richtig, kann aber auch ungefähr gleichzeitig ge-
schehen sein und geschah dann mit desto gröfserem nachdruck
und erfolge. der aufzählung fehlt bei den letzten drei stadien
der einwanderung jeder anflug sagenhafter darstellung und dieser
teil des berichts enthält daher nichts mehr als die trockne an-
sicht die die herren in Mailand sich über den verlauf des ereig-
nisses, ähnlich wie Polybius, gebildet hatten.
dazu kommt nun die abschweifung oder der zweite teil und
sie ergibt das datum, auf grund dessen der anfang der bewegung
in die zeiten des Tarquinius Priscus hinaufgerückt und das er-
scheinen der Insubrer oder des Bellovesusheeres in Italien von
der ankunft der Senonen und der eroberung Roms um zwei jahr-
hunderte getrennt wurde. die Gallier des Bellovesus sollen auf
ihrem wege nach Italien den phocaeischen ankömmlingen gegen
die Salyer, die sie bedrängten, behilflich gewesen sein, so dass sie
mit deren einwilligung den einmal erwählten platz befestigen und
Massilia gründen konnten. wer die combination der beiden sagen
zu stande gebracht, ob die schriftgelehrten und sagenforscher von
Mailand oder erst Timagenes oder wer sonst des Livius gewährs-
mann war, mag noch dahingestellt bleiben. dass eine combination
stattgefunden, ist schon aus der art und weise der anknüpfung
ersichtlich: die Gallier, heifst es, am fufse der Alpen angelangt,
seien nicht nur durch die höhe der himmelan steigenden gebirge
und durch die schwierigkeit einen weg hinüber zu finden, da sie
nie zuvor aufser vom Hercules passiert waren, zurück und auf-
gehalten, sondern auch noch durch die fromme rücksicht auf die
gleichfalls einen neuen wohnsitz suchenden fremdlinge, von denen
ihnen gemeldet wurde. aufserdem aber ist das motiv und die ab-
sicht der beiden sagen vom Ambigatus und seinen neffen und von der
den Phocaeern bei der gründung von Massilia durch die Gallier
gewährten unterstützung so ganz verschieden dass die eine nicht
aus der andern hervorgewachsen sein kann, sondern beide einmal
künstlich mit einander verknüpft sein müssen.
BELLOVESUS UND SIGOVESUS. 257
Die massilische sage weils nichts von einer solchen unter-
stützung, die der stadt bei ihrer gründung von seiten der Gallier
zu teil geworden wäre, ja nicht einmal von ihrer damaligen an-
wesenheit (s. 239) und statt der feindschaft vielmehr nur von
dem freundlichsten entgegenkommen der ligurischen landeseinwohner
gegen die ansiedler. wohl aber berichtete sie (Justin 43, 5) dass
etwa zwei hundert jahr später, zur zeit der höchsten blüte der
stadt die benachbarten völker unter führung des Catumanduus —
denn so ist der unzweifelhaft gallische name (Glück s. 47 ff. 133)
zu schreiben — vereinigt zu ihrer vertilgung sich erhoben und
die belagerung begonnen hätten, dass aber durch die wunderbare
dazwischenkunft der stadtgöttin selbst das verderben abgewandt
und friede und freundschaft für immer geschlossen sei, während
die von altersher befreundete stadt Rom bald darauf von den
Galliern eingenommen und verbrannt wurde. damit ist hinlänglich
angedeutet von welcher art die Massilia bedrohenden barbaren
waren, und nimmt man nun dazu dass nach Cato bei Plinius 3
$ 130 die Cenomanen ehedem in der nähe der stadt an der stelle
der Volcae Arecomici um Nemausus gewohnt hätten, dass ferner
nach Cato oder Plinius 3 8 124 die Libuer oder Libicii um Ver-
cellae von den Saluviern bei Massilia abstammten, wie die Ver-
tamacori um Novaria von den Vocontiern (s. 248) und dass sich
Cato (Plinius ὃ 124) die Laever und Mariker, die gründer von
Tiecinum, wohl ebenso wie Polybius 2, 17 die Aaos καὶ “εβέκιοι
und die Ayapapss* als mit den Galliern eingewandert dachte
(8. 252), so ergibt sich mit gröster wahrscheinlichkeit als die
übereinstimmende ansicht Catos und der Massilier dass der gallische
völkerstrom sich bis zur untern Rhone ergoss und da für längere
zeit zum stehen kam und sich aufstaute, bevor er über die Alpen
* der name ist nur einmal richtig überliefert, aber stellt man
2, 32 διὰ τῆς τῶν ANAMAPRN χώρας
2, 11 πρῶτοι μὲν ᾿ΑΝΑ͂Ν.. ΕΣ
2, 84 εἰς τὴν τῶν AN.. ΦἁῬΩΝ χώραν
zusammen, so kann kein zweifel sein dass er 2, 17. 2, 34 nur unvollkommen auf-
gefasst und wiedergegeben ist, und man begreift kaum warum die verbesserung
nicht längst im texte platz gefunden hat. Anamares ist wie Anatilü bei Plin. 3
834. 36 gebildet und die Marici Catos sind auch deswegen nicht davon zu
trennen, weil jene nur auf der andern seite des Pos südlich von Ticinum
wohnten, das diese erbaut haben sollen. Zeufs 168f. hätte die 4ywrss des
Polybius 2, 15 nicht noch herbeiziehen sollen, die ohne zweifel die Ba-
gienni sind.
DEUTSCHE ALTRRTUMSKUNDE 11. 17
258 DIE KELTENZÜGE.
nach Italien abfloss, dass aber mit den Galliern mehrere ligurische
gemeinden und wenigstens eine aus der unmittelbaren nähe der
stadt abzogen und diese damit aus einer bedrängten lage befreiten
und in die günstigste stellung brachten (vgl. DA. 1, 178. 198).
Der erste teil der ansicht blickt aber auch noch aufs deut-
lichste in dem bericht des Livius durch (s. 250. 256), und der
zweite wird hier nicht minder vorausgesetzt, nur dass die Libuer
und Saluvier unterschieden und die Laever wohl richtiger als die
altangesessene, ligurische bevölkerung der ebene am Po und Ti-
cinus, die Libuer und Saluvier aber wenn auch nicht als begleiter,
doch als die nächsten nachfolger der Cenomanen in der reihe der
einwanderer betrachtet werden. es leuchtet darnach ein dass die
meinung die den beistand, den die Gallier Massilia gegen die Sa-
luvier leisteten, an die gründung der stadt knüpfte und damit die
erste einwanderung jener nach Italien um zwei jahrhunderte hin-
auf zu rücken erlaubte, auf eine blofse verschiebung der tatsachen
hinaus läuft und erst nach Cato entstanden sein kann, der dieselben
tatsachen, namentlich die herkunft der Cenomanen und Libuer, noch
anders darstellte und die einwanderung nicht früher setzte als ied
übrigen Römer (s. 252); wie denn selbst Trogus Pompejus (s. 253 f.)
noch nichts von der verbindung der gallischen wanderungssage
mit der gründung von Massilia wuste. die: verschiebung kann
durch die gallische volkssage erfolgt sein, die unbefangen, wie die
massilische für die freundschaft Massilias mit Rom (Justin 43, 3),
den frühesten termin für den anfang der freundschaft mit der
stadt suchte, von der alle bildung für die Gallier ausgegangen
war* und die schon im vierten jahrhundert sie zu φιλέλληνες ge-
macht hatte (DA. 1, 178). allein beachtet man wie der bericht von
anfang an, wo gleich die stellung des Biturigerkönigs dem übrigen
Gallien gegenüber besonders betont wird, sich die tatsachen zurecht-
legt, so kann man sich jetzt allerdings nicht des verdachts erwehren
dass vielmehr bewuste erfindung die verschiebung zu stande ge-
bracht hat, und kommt dann zu der folgerung dass die gelehrten
Insubrer von Mailand dem Timagenes oder gewährsmann des Livius
im wesentlichen schon den bericht in der gestalt überliefert haben
wie er uns vorliegt.
Nach dieser erörterung erscheint die datierung, durch die die
erste gallische einwanderung nach Italien in den anfang des
* Niebuhr Röm. gesch. 93, 582.
BELLOVESUS. ᾿ 259
sechsten jahrhunderts hinaufgeschoben wird, völlig halt- und
wertlos. wir sehen vielmehr jetzt auch die massilische tradition
nebst der unverfälschten gallischen in vollständigem einklange
mit der römischen (s. 253) und der durch Herodot einerseits
(8. 246 f.) und Heraclides Ponticus (8. 251 f.) andererseits vertretenen
griechischen überlieferung, und je weniger sich die eine von der
andern abhängig denken lässt, um so mehr ist daran festzuhalten
dass der beginn der bewegung frühestens gegen den anfang des
vierten jahrhunderts fiel. gegen das ende des fünften begannen
die Gallier, wie es scheint (s. 239 f.), im gebiet der Rhone weiter
vorzudringen. der stofs, der die Insubrer Cenomanen Boier Lingonen
Senonen nebst ihrem ligurischen anhang über die Alpen führte,
erfolgte dann gegen 396, wenn auch der fall Melpums und Vejis
als völlig gleichzeitig angenommen nur sagenhaft die meinung aus-
drückt dass die schmälerung der etruskischen macht zu gleicher
zeit im norden und im süden begonnen habe*.
Die in Italien unter festen namen auftretenden scharen kann
man nur, wie es in der insubrischen darstellung geschieht, für ab-
teilungen der gleichnamigen völker im norden der Alpen halten.
sie stehen hier, so weit sie Gallien angehören, ziemlich in der
nördlichsten reihe der eigentlichen Gallier gegen die Belgen, in
der richtung von westen nach osten zuerst die Aulerci Cenomani
an der Sarthe bei Le Mans, dann die Senonen östlicher um Sens
und Auxerre, die Lingonen bei Langres, beide nördlich von den
Aeduern um Autun, als deren gauvolk die Insubrer genannt werden
(8. 255); die Boier allein treffen wir später nur an der mittleren
Donau wieder. die Aulerci Brannovices unter den Aeduern (Caesar
Be. 7, 75), von ihren namensgenossen hinter der Sarthe weit ge-
trennt, mögen noch die richtung der bewegung gegen die Rhone
andeuten. aber im südlicheren Rhonegebiet gewähren die völker-
namen keine solche anknüpfung nach norden hin, da die Helvier
nicht von den Helvetiern, nur die Helvetier von den Helviern ab-
geleitet werden könnten, die Tricastini nur einen ähnlich lautenden
namen wie die Tricasses um Troyes führen und es völlig sinnlos
wäre die Meduli in Medoc an der mündung der Garonne und die
Ceutronen unter den Belgen gegen die Maas- und Scheldemündungen
(s. 204) mit den Medullern und Ceutronen am Cenis und kleinen
SBernhard in zusammenhang zu bringen. das einzige grofse und
* Mommsen Röm. gesch. 1°, 308 f.
17*
260 DIE KELTENZÜGE.
bedeutende volk innerhalb der Rhone, die Allobroger tragen einen
rein geographischen, localen namen (s. 116) und von ähnlicher art
scheinen die Tricorii und Tricastini*, das collectivum Cavares (s. 247)
aber mehr ein bei- und neckname als ein eigentliches gentile.
aufser den Allobrogern sind die Gallier in und an den gebirgen,
wie die Ligurer, in kleinere volksgemeinden zersplittert, die meist
nur einige täler umfassen und dann durch besondere namen unter-
schieden wurden. kleinere haufen mögen nach und nach und seit
längerer zeit aus dem mittellande in diese gegenden eingewandert
sein und die Ligurer zurückgedrängt haben; als dann der haupt-
stofs erfolgte, blieben auch noch teile und überreste der nach
Italien übersiedelnden volksmassen zurück. auf diese weise erklärt
sich der mangel oder das verschwinden der älteren gallischen
volksnamen zwischen Cevennen und Alpen und ein ähnlicher vor-
gang ist auf der andern seite der Cevennen im vordringen der
Gallier, gegen die Iberer (s. 237 £.), auch in den Ostalpen und später
öfters in dem vorrücken der Germanen zu beobachten. dass die
Gallier nicht lange vor der übersiedelung nach Italien erst die
untere Rhone erreichten (s. 257) und dass nach einigem verweilen
- ein teil von ihnen von hier aus durch das tal der Durance über
den mont Genevre abzog, ist wegen des anschlusses der ligurischen
gemeinden und namentlich wegen des abzuges der salluvischen
Libuer aus der nähe von Massilia (s. 257) der tradition unbedingt
zu glauben. dafür und für die annahme dass der strom den
grösten teil der gallischen bevölkerung erst damals in jenen
gegenden abgesetzt hat, spricht auch noch dass ein zur zeit des
Plinius 3 8 125 untergegangener, zur zeit Catos vielleicht noch
vorhandener teil der Insubrer Caturiges hiefs, wie das völkchen
um Embrun im tale der Durance unterhalb des Gen&vres (s. 248).
dass aber, wie die tradition ıneint, die ganze grofse bewegung
* vgl. Glück 8. 158 f., der freilich Tricorii und Petrucorii, so wie Tri-
castini nicht weiter erklärt. aber wenn in Tricorii die dreizahl, so wird in
Petrucorii doch wohl nur die gallische vierzahl (Zeufs Gr.* VI. 36. 317) stecken.
die Tricorier wohnten nach Strabo p. 185. 208 und Livius 21, 31 (Ammian 15,
10, 11) hinter den Vocontiern nach den Hochalpen zu und eben dahin kommen
sie nach Plinius 3 ἃ 34, wenn man sein versehen berichtigt und die Tricorii
und Tritolli umstellt. die Tritolli — so und nicht Tricolli lautet: nach Detlefsen
der name in den hss. — zunächst über der küste sind dann die Ligurer um
Trittia (Ukert Gallien 8. 439), j. Trets östlich von ΑἿΣ.
SIGOVESUS. 261
allein und zuerst vom innern Gallien ausgegangen sei, ist be-
stimmt in abrede zu stellen *.
Als Bellovesus nach Italien zog, soll gleichzeitig Sigovesus mit
seinem heere in die hercynischen wälder ausgezogen sein oder nach
Trogus (s. 253), während der eine teil der auswandererscharen sich
Italien zuwandte und Rom eroberte, der andre sich durch eine
menge barbarischer völker bis nach Illyricum hindurch geschlagen
und in Pannonien niedergelassen haben. diese ansicht dass die
grofse Keltenbewegung um oder gegen das j. 400 sich gleichzeitig
über die Ost- wie über die Westalpen ergossen habe ist unläug-
bar richtig. Herodot (s. 241 f. 246) und selbst noch im vierten
jahrhundert der so genannte Scylax, aus älteren quellen schöpfend,
wissen von keinen Kelten an der Donau oberhalb Thracien oder
am obern Adria. als aber im sommer 334 Alexander mit den
Triballern und Geten an der Donaumündung kämpfte, erschien in
seinem heerlager nach dem zeugnis des Ptolemaeus Lagi bei Strabo
p. 301 f. und Arrian Anab. 1, 4, 6—8 unter andern abgesandten der
unabhängigen völker am Ister auch eine gesandtschaft der Kelten
τῶν ἐπὶ τῷ ᾿Ιονίω κόλπῳ oder περὶ τὸν ’Adelay φκισμένων, UM
freundschaft und ξενία zu erbitten**, und dies ist keineswegs, wie
* unberücksichtigt blieb bisher Plutarch Camill. 15, wonach die Galater
τοῦ Κελτιχοῦ γένους ὄντες, um der übervölkerung ihres landes zu entgehen,
οἱ μὲν ini τὸν βόρειον ὠκεανὸν, ὑπερβαλόντες τὰ 'Ριπαῖα ὅρη, ῥυῆναι χαὶ τὰ
ἔσχατα τῆς Εὐρώπης χατασχεῖν, ob δὲ μεταξὺ Πυρήνης ὄρους χαὶ τῶν "Ἄλπεων
ἑδουϑέντες ἐγγὺς Σεννώνων χαὶ Κελτορίων χατοιχεῖν χρόνον πολῦν. ὀψὲ δ᾽ οἴνου
γευσάμενοι χτλ. hier ist der eine satz so unverständlich und sinnlos wie der
andre. denn was heifst es dass die Gallier zwischen Alpen und Pyrenaeen
lange seit bei den Senonen und ‘Keltoriern’ gewohnt hätten? was heilst es
und wie ist es zu verstehen dass sie sich über die Rhipaeen an den nörd-
lichen ocean ergossen? wo endlich war ihre heimat und von wo giengen sie
aus? wenn Plutarch auch hier den Dionysius (s. 252. vgl. 170. 178) vor sich hatte,
so hat er ihn elend aufgefasst und wiedergegeben.
= nach Diodor 17, 113 erschienen ihre abgesandten auch unter denen
der andern völker der oekumene, die um des Alexanders freundschaft und
bundesgenossenschaft zu erbitten im j. 324 nach Babylon kamen, aufser den
Karthagern und andern μέχρι τῶν ᾿Ηραχλείων στηλῶν, ἐκ de τῆς Εὐρώπης αἵ τε
τῶν 'Ellıwev πόλεις καὶ Μαχεδόνες, Ir δ᾽ ᾿Ιλλυριοὶ χαὶ τῶν περὲ τὸν ᾿Αδρίαν
οἰκούντων οὗ πλείους, τά τε Θράχια γένη χαὶ τῶν πλησιοχώρων Γαλατῶν, ὧν
τότε πρῶτον τὸ γένος ἐγνώσϑη παρὰ τοῖς “Ἕλλησιν, was nicht genau richtig,
aber von Arrian 7, 15, 4 gleichmäfsig wiederholt wird, der jedoch an die
westlichen Kelten denkt, “ιβύων τε πρεσβεῖαι — χαὶ ἐξ ᾿Ιταλίας Βρέττιοί τε χαὶ
Awwzavoi καὶ Τυῤῥηνοὶ ἐπρέσβευον. καὶ Kapyndorlous τότε πρεσβεῦσαν λέγεται
χαὶ ἀπὸ Αἰϑιόπων πρεσβεῖς ἐλϑεῖν χαὶ Σχυϑῶν τῶν ἐκ τῆς Εὐρώπης, χαὶ Κελτοὺς
9262 DIE KELTENZÜGE.
man meint, das erste und älteste zeugnis für die anwesenheit des
volks in jener gegend. als Philipp a. 359 den thron von Mace-
donien bestieg, muste es seine erste sorge sein das land von den
Illyriern zu befreien, gegen die sein bruder Perdikkas in einer
grofsen schlacht gefallen war und die schon früher einmal a. 391
seinen vater Amyntas für eine zeit lang des reiches beraubt hatten.
von diesen dingen handelte Theopomp in den ersten büchern seiner
geschichte des königs, und in der ausführlichen schilderung der
illyrischen völker, die er in das zweite buch einschaltete, erzählte
er beiläufig von einem kriege der Kelten mit den Ardiaeern (fr. 41
bei Athenaeus p. 443 vgl. 271), wie die Kelten dabei die unmälsig-
keit der Ardiaeer im essen und trinken benutzt hätten um ihnen
eine niederlage beizubringen. man darf die begebenheit noch vor
360 setzen*. und da sie die nähere bekanntschaft der Kelten mit
ihren gegnern schon voraussetzt, so rückt damit das datum für
die anwesenheit dieser in den anfang des jahrhunderts hinauf. die
illyrischen Ardiaeer aber safsen am Ardiongebirge (Strabo p. 313 — 15.
317) in der heutigen Herzegowina bis zur Narenta, wo noch im
vierten jahrhundert oder früher (Scylax $ 24) die Autariaten be-
gannen, die über Montenegro hinaus bis zum Drilon (Strabo p. 316)
reichten. Theopomps Kelten kommen deshalb dahin wo man später
χαὶ Ἴβηρας, ὑπὲρ φιλίας δεησομένους" ὧν τὰ τε ὀνόματα καὶ τὰς σχευὰς τότε
πρῶτον ὀφϑῆναι πρὸς ᾿Βλλήνων τὲ καὶ Μαχεδόνων. die westlichen Kelten
meinte auch Trogus, Justin 12, 18, 1 nuntiatur legationes Carthaginiensium
ceterarumque Africae civitatium, sed et Hispaniarum Siciliae Galliae Sardi-
niae, nonnullas quoque ex Italia adventum eius Babylone opperiri.
* mit dem merkwürdigen fragment aus dem Geryones des schon um 360
diehtenden komikers Ephippus bei Athenaeus p. 346 f. weifs ich nichts ansu-
fangen und das verlangen der zweiten person
παύου φυσῶν, Μαχεδὼν ἄρχων᾽
σβέννυ Κελτοὺς, μὴ προσχαύσῃς
ist unverständlich, da vorher nur von Sindern oder Sintern? Lykiern Myg-
doniern Kranaern und Paphiern?, die die ungeheure schüssel eines königs (das
aegaeische meer?) umwohnen und ihm den eingefangenen grofsen fisch, gröfser
als Kreta, kochen, und zuletzt von “υχέων πρυτάνεις die rede ist. es müste
darauf schon σβέννυ μᾶλλον Κελτοὺς heilsen oder dies doch gemeint sein,
wenn die entgegnung irgend einen sinn haben soll. sie mit Droysen (Zs. für
altertumsw. 1839 8. 200) ‘auf irgend eine andre fassung’ der von Ptolemaeus
bei Strabo berichteten unterredung der Kelten mit Alexander zu beziehen
wage ich nicht eher, als bis die schon dem Athenaeus unbekannte beziehung
des übrigen mythus aufgeklärt ist. einstweilen scheint Κελτοὺς fast ein ver-
derbnis,.
SIGOVESUS. 263
am Albiongebirge (s. 245), nördlich von den Ardiaeern, das illy-
risch-keltische mischvolk der Iapodes trifft, Scylax 8 21 aber nur
noch Liburner kennt, und eben da sind notwendig auch die Kelten
am ionischen oder adriatischen busen zu denken, deren gesandt-
schaft Alexander aufsuchte.
An die Iapodes aber schliefsen sich nordwärts an der
oberen Sau die Latovici (Ptolem. 2, 15,2), an diese westlich von
den julischen Alpen die Carni, und nordwärts an der obern Drau
und Mur, sowie jenseit der Tauern an der Ens und der Salzach
bis zur Donau die Noriker oder Taurisker, eine ununterbrochene
reihe keltischer völker, an deren spitze die Iapodes nur als der
am weitesten südwärts vorgeschobene vorposten erscheinen, und
da die Kelten aufserhalb des gebirges in die ebenen Pannoniens
an der mittleren Donau erst zur zeit Caesars mit den Boiern, wie
wir sehen werden, vordrangen, so ist klar auf welchem wege sie
an den winkel des Adria gelangt waren. sie waren von der oberen
Donau gekommen, hatten die norischen Alpen überschritten und
zuletzt die Kulpa und Unna, den Colapis und Oivsvs (Ptol. 2, 17, 2)
oder die Indenea (Tab. Peut.) erreicht, in den oberen landschaften
überall wie im westen an der Rhone (s. 260) die ältere bevölkerung
verscheuchend oder in sich aufnehmend.
Die gesandtschaft zeigt wohin ihre blicke gerichtet waren,
und leicht möglich, ja sogar wahrscheinlich ist dass sie schon an
der untern Sau und Morawa einen landstrich erworben hatten,
dessen besitz es ihnen rätlich machte den Alexander ihrer freund-
schaft zu versichern, als dieser mit einem heere im norden des
Haemus erschien. im fünften jahrhundert herschten die thraci-
schen Triballer zu beiden seiten der Morawa bis zum Isker (He-
rodot 4, 49, Thuc. 2, 96) und südwärts so weit dass unterhalb des
Skombros- oder Skomiosgebirges im nördlichen Macedonien die _
Agrianen am obern Strymon (Thuc. 2, 96. 4, 101, Strabo p. 331,
36. 37), dann die Dardaner und weiter westlich die freien illyri-
schen Autariaten und Ardiaeer ihre nachbarn waren. von den
Triballern kommen im j. 376 mehr als dreifsig tausend mit weib
und kind (πανδημεὶ), angeblich von mangel an brot und korn ge-
trieben, ins südliche Thracien in das tal des Nestus und gelangen
bis Abdera an der seeküste (Diodor 15, 36, Aeneas poliorc. c. 15
p. 32, 11 ff. Hercher); und nicht lange darnach ist ihre macht von
der Morawa an den Isker gerückt: sie müssen hier den Geten
(Krobyzen) ein nicht unbedeutendes gebiet abgenommen haben,
964 DIE KELTENZÜGE.
da sie mit dem an der untern Donau herschenden Scythenkönige
Ateas zusammen geraten (Frontin 2, 4, 20), dem Philipp von Ma-
cedonien, als er nach besiegung des Ateas im j. 339 von der
Donau zurückkehrt, den durchzug durch den Haemus verweigern
und die beute abjagen (Justin 9, 3) und als fünf jahr später
Alexander vom Nestus aus den Haemus überschreitet und in ihr
gebiet einfällt, sie sich vor ihm bis auf die Donauinsel Peuke mit
weib und kind zurückziehen (Arian Anab. 1, 2, Strabo p. 301). allein
die vermutung dass sie damals ihre alte heimat an der Morawa
vor den Galliern geräumt hätten* besteht vor den zeugnissen nicht.
die Gallier mögen allerdings an der verdrängung der Triballer
einen anteil gehabt und, wie gesagt, auch einen teil ihres gebiets an
der Donau erworben haben. aber bezeugt ist nur dass die Autariaten
die Triballer in dem Morawagebiet unterjocht haben (Strabo p. 318)
und daraus verdrängt haben müssen, weil Alexander, als er im
j. 334 von der Donau zurückkehrt, von dem ehemaligen Triballer-
lande aus einen angriff der Autariaten zu befürchten hat, dem die
ihm ergebenen Agrianen vom süden des Skombros durch einen
einfall zuvorkommen können (Arrian Anab. 1, 5). erst die Auta-
riaten erliegen: in diesem striche den Galliern oder, wie Strabo
p. 318 einen namen der erst seit den grolsen zügen des dritten
jahrhunderts für die Galater südlich von der Sau und Donau
üblich wird** voreilig gebrauchend sagt, den Scordiskern, und der
zeitpunkt des ereignisses wird dadurch bestimmt dass Kassander
im j. 299 zwanzig tausend Autariaten, die neue wohnsitze suchend
ins nördliche Macedonien eingefallen waren, dort am Orbelos-
gebirge ansiedelte und um dieselbe zeit oder wenig früher auch
schon mit den Kelten im Haemus kämpfte***. damals be-
reiteten sich die späteren ereignisse vor und schon wird neuer
zuzug aus dem norden an der Sau und Donau angelangt sein, der
es den Kelten erlaubte dort kräftiger aufzutreten und weiter um
* Niebuhr Kleine schriften s. 374f. weiter ausgeführt und entwickelt
von Duncker in den Origg. s. 23 ff., der sich p. 26 für die besiegung der Tri-
baller durch die Kelten auf Strabo, Justin und Appian beruft. vgl. Zeufs 175.
allein Strabo weils weder p. 818 noch p. 318 etwas davon, Justin 25, 1 handelt
von kämpfen der Gallier mit den Triballern am Haemus als nachbarn der
Geten im j. 279 (s. unten), sowie Pausanias 10, 19, 4 von solchen im jahre
vorher, die angaben Appians Illyr. c.3 aber sind aus so unklarer und ver-
worrener erinnerung geschöpft dass darauf nichts zu geben ist.
** Deufs 176. Duncker Origg. 8. 27. 34 ff.
*** Duncker Origg. 8. 39 ζ, vgl. Zeuls aao.
ΒΙΘΟΥΈΒΙΒ. 265
sich zu greifen, während sie sich bei der ausbreitung der Auta-
riaten den Triballern gegenüber und zur zeit Alexanders noch in
bescheidener ferne hielten. nur der weg in die dritte südeuro-
paeische halbinsel war gefunden und eröffnet und das zweite grofse
resultat der bewegung ums j. 400, das resultat des Sigovesuszuges
war die besetzung der Ostalpen durch die Kelten.
Nun treffen wir jenseit der Noriker und der Donau später
die Boier in Böhmen oder wir müssen doch aus dem namen Baiahaim
(Boiohaemum bei Vellejus 2, 109, δαι[»]οχαῖμαιε bei Ptolemaeus)
oder Baihaim (Βουίαεμον bei Strabo p. 290, Boihaemum bei Ta-
citus Germ. 28, Baluos = Βαίαιμοεῦ bei Ptolemaeus) ahd. Beheim,
den die Germanen dem lande schon im letzten jahrhundert vor Ch.
beigelegt hatten, schliefsen dass die Boier einmal dort gewohnt
haben. dass die Marcomannen sie daraus vertrieben hatten (Tac.
Germ. 42), ist freilich falsch. die Kimbern trafen sie nach Posi-
donius* gegen das j. 113 noch nördlich von der Donau im hercy-
nischen walde, aber Caesar kennt sie da nicht mehr, nur die
Volcae Tectosages (s. 204), während die Marcomannen, unter den
völkern Ariovists zuerst genannt, damals noch am Maine safsen und
erst um den anfang unsrer zeitrechnung nach Böhmen zogen.
Caesar weils (Be. 1, 5) dass die Boier, ein volk jenseit des Rheins,
in Noricum eingefallen waren (transierant) und gegen das j. 60
die hauptstadt Noreia — nördlich von Klagenfurt bei SVeit —
belagert hatten, da ihrer 32000, weib und kind mitgerechnet,
* bei Strabo p. 293 φησὶ δὲ χαὶ Βοίους τὸν “Epxuvsov δρυμὸν οἰχεῖν πρὸ-
τερον, τοὺς δὲ Κίμβρους ὁρμήσαντας ἐπὶ τὸν τόπον τοῦτον, ἀποχρουσϑέντας ὑπὸ
τῶν Βοίων ἐπὶ τὸν "lorgov χαὶ τοὺς Σχορδίσχους Γαλάτας χαταβῆναν, εἶτ᾽ ἐπὶ
Τευρίστας χαὶ (1. ἢ) Ταυρίσχους, καὶ τούτους Γαλάτας εἶτ᾽ ἐπὶ ᾿Ελουηττίους κτλ.
hätten die Boier schon damals im nördlichen Pannonien bei den Herkuniaten
am Bakonyer walde gesessen (s. 243), so müste Posidonius die östlichen aus-
läufer der Alpen mit zum ‘Eoxuvios δρυμὸς gerechnet haben, was durchaus
nicht wahrscheinlich ist. Strabo hat hier keineswegs den Ister wie p. 292 die
χεῤῥόνησος (8. 164) interpoliert, weil er die Boier gar nicht im norden des
flusses kennt und offenbar nicht weils dass das Boviasuov innerhalb des waldes
p. 290 ihr ehemaliger wohnsitz ist; er meint dass die Boier von Italien aus
sich gleich bei den Norikern angesiedelt haben (8. 267 anm.). daher ist auch das
πρότερον nicht so zu verstehen, wie Mommsen es auffasst in einer anmerkung
zur Röm. gesch. 2?, 165f., in der er sich auch andre daten allzu rasch zurecht
legt; Strabo führt nur die meinung des Posidonius an, daher das πρότερον,
und es ist nicht anzunehmen dass Posidonius von der übersiedelung des volkes
vom linken auf das rechte Donauufer etwas gewust und ausdrücklich gemeldet
hat. dann müste Strabo bei seiner ansicht sich hier ganz anders aussprechen.
266 DIE KELTENZÜGE.
sich darnach der auswanderung der Helvetier nach Gallien an-
schlossen und von ihm später bei den Aeduern zwischen Allier
und Loire angesiedelt wurden (Be. 1, 25. 28. 29. 7, 9£. 17. 75,
vgl. Plin. 4 8 107, Tac. Hist. 2,61). den Boiern wird bei dem
vordringen der Germanen der aufenthalt im norden der Donau
nicht länger geheuer und ein wechsel des wohnsitzes wünschenswert
erschienen sein. eine zeit lang, als sie die Noriker bedrohten und dann
befehdeten, verband diese ihr vorteil mit den Sueben und es ist
begreiflich dass der Norikerkönig Voccio seine schwester dem
Ariovist zur gemahlin nach Gallien geschickt hatte (Be. 1, 53).
nach etlichen jahren aber sehen wir Boier und Noriker unter dem
Boierkönige Kritasiros vereinigt gegen die plötzlich erstandene macht
des dakischen Byrebistas (oben s. 82), und so trifft sie ein schlag
der die Boier für immer vernichtete — ἄρδην Yyavıcs oder ἀπώ-
λοντο navsdvei, wie Strabo sagt, p. 304. 313. 213. der Noriker-
könig hatte Caesar noch im anfange des bürgerkrieges (Bc. 1, 18)
mit einem reitertrupp unterstützt. jenes ereignis fällt kurz vor
Caesars tod (a. 44) oder bald nachher, da Strabo p. 298 ausdrück-
lich sagt Bvosßiorag ἥρχε τῶν Γετῶν, dp’ ὃν ἤδη παρεσχευάσατο
Καῖσαρ ὃ ϑεὸς στρατεύειν". nach dem abzuge der 32000 zu den
Helvetiern muss daher die hauptstärke der Boier bei den Nori-
* nach Strabo p. 304 war Byrebistas dreist (ἀδεῶς) über die Donau ge-
gangen und hatte Thracien bis gegen Macedonien und die Scordisker ausge-
plündert, dann nach p. 313 auch mit diesen sich verbündet, ehe er mit den
Boiern und Norikern händel anfieng. da nun Caesar von Macedonien aus den
krieg gegen die Daken vorbereitete wegen ihres einfalls in Thracien oder wie
Sueton Caes. 44 (vgl. Octav. 8, Liv. perioch. 117, Vellejus 2, 59, 4, Appian.
lllyr. 18, Bc. 2, 110. 3, 25) sich wunderlich ausdrückt ‘qui se in Pontum per
Thraciam effuderant’, so ist es wohl wahrscheinlich dass die händel mit den
Boiern und Norikern erst nach Caesars tod fallen. das zeitalter des Byrebista
und seines propheten aber kann man nach Strabo p. 298 (vgl. noch p. 303. 762)
nicht anders bestimmen als wie es von mir bei Ersch und Gruber I, 64, 459
oder von Duncker (Origg. 8. 115 f.) geschehen ist. Niebuhr (Kl. schriften 1, 391 f.)
und Mommsen (Res gest. Aug. 8. 88 f.) lassen die entscheidende stelle un-
beachtet und Mommsen kommt darüber zu einer ganz falschen datierung.
wenn aber jemand, der erst ein paar abhandlungen, dann ein eignes buch
über Geten und Daken usw. schreibt, gegen meine oder vielmehr Strabos
datierung ‘dessen zwei unbestimmte äufserungen’ (p. 308. 762?) geltend
macht und lieber eine ganz beliebige annimmt, so weils ich darauf nichts zu
erwidern, erteile ihm aber gleich bei dieser gelegenheit den rat sich die zeug-
nisse der alten in jedem falle genauer anzusehen, ehe er seine phrasen dar-
über ergiefst, und sich zehnmal zu bedenken, ehe er seine berichtigungen und
eignen einfälle vorbringt und kindische belehrungen austeilt.
SIGOVESUS. 267
kern im süden der Donau verblieben sein und nach ihrem sturze
wird es offenbar dass sie in den zunächst an Noricum grenzenden
strichen von Oberpannonien am Neusiedler und gegen den Platten-
see hin angesessen waren, wo nun die Boieröden oder steppen
genannt werden und auch die überreste des volkes sich erhielten *.
dass sie von jenseit der Donau hieher gekommen, kann nach
diesen daten nicht zweifelhaft sein und wird auch noch dadurch
unterstützt dass Ptolemaeus 2, 15, 2 Kvıvos hier als nachbarn der
Boier nennt, die aller wahrscheinlichkeit nach doch nur eine ab-
teilung der jenseit der Donau in Mähren verbliebenen, gallischen
Cotini (Tac. Germ. 43, Haupts zs. 9, 244 und unten anh. 1) waren.
Die Germanen zur zeit Ariovists haben also die Boier noch
in Baiahaim gekannt und keineswegs nach vager sage den namen
dem lande beigelegt: die Boier haben es erst gegen das j. 60
vor Ch. verlassen und sind erst damals nach Pannonien oder No-
ricum hinüber gegangen. wenn aber ums j. 400 der Keltenstrom
* Agrippa ist der erste, der die Boieröden nennt und ihre lage deut-
lich genug bezeichnet, Dimensuratio prov. 18 ‘Illyricum et Pannonia ab oriente
flumine Drino, ab occidente desertis in quibus habitant Boi et Carni, a septen-
trione flumine Danubio — finiuntur. es werden hier also die deserta der
Boier und Carner als die östlichsten striche des ager Noricus (Dim. prov. 19)
angesehen, wie auch noch Vellejus 2, 109 Carnuntum als einen locus Noriei
regni bezeichnet. offenbar haben die Römer das regnum Noricum anfangs
noch in. dem umfange fortbestehen lassen, in dem es schon unter Kritasiros
bestand. hiezu kommt noch Plinius 3 8 146 “Noricis iunguntur lacus Peiso
(1. Pelso), deserta Boiorum. iam tamen colonia divi Claudi Sabaria (Stein am
Auger) et oppido Scarabantia Julia (Oedenburg) habitantur. nach der lage
der städte scheint hier der Pelso lacus eher der Neusiedler als der Platten-
see. bei Strabo p. 206 trennen Raeter und Vindeliker die Helvetier und Boier,
aber so dass p. 292. 313 die Βοίων ἐρημία und der Boier wohnsitz ungefähr
an das ostende des Bodensees kommt. wie Agrippa, bezeugt Ptolemaeus 2,
15, 2 und sogar eine inschrift (Zeufs 248) die fortdauer des volks in Ober-
pannonien. die Boieröde ist daher ebenso wenig als die τῶν Γετῶν ἐρημία
(Strabo p. 305) aus der völligen ausrottung der bewohner, sondern vielmehr
aus der beschaffenheit des landes zu erklären. die meinung Strabos p. 212 f.
216, dass die Boier aus Italien von den Römern vertrieben bei den Tauriskern
oder Norikern sich niedergelassen hätten, ist von Zeufs 246 schlagend wider-
legt, und sie ist falsch wenn die Boier nach Posidonius früher im norden der
Donau wohnten (8. 265). was Duncker Origg. s. 113 weiter über die behand-
lung der besiegten italischen Boier beibringt, bestätigt nur des Plinius 3 $ 116
“in hoc tracta interierunt Boi’; dass aber Duncker mit Polybius 2, 85 —
(Κελεοὺς) 2x τῶν περὶ τὸν Πάδον πεδίων ἐξωσϑέντας — Strabos meinung glaubt
rechtfertigen zu können, verstehe ich nicht.
268 DIE KELTENZÜGE.
über die Ostalpen von der oberen Donau ausgieng (s. 263) und
die Boier auch an dem Bellovesuszuge teil nahmen und mit den
Lingonen von norden her über den grofsen SBernhard in Italien
eindrangen (s. 256), so kann man sie sich damals nicht in Böh-
men denken. sie müssen in der Rheingegend, am untern Main
und Neckar etwa gesessen haben; und nicht, wie die spätere
gallische sage will (8. 289 -- 61), im innern eigentlichen Gallien,
sondern — darauf führt die gleichzeitige bewegung im osten und
im westen — am Mittelrhein liegt der gemeinsame ausgangspunkt
des Bellovesus- und Sigovesuszuges und die Boier standen in oder
doch unmittelbar an diesem punkte, weil sie an beiden zügen teil
nahmen. fasst man die stellung die die in Italien eindringenden
völker im mittleren Gallien (s.259) und andererseits in Böhmen
einnehmen ins auge, so wird es selbst wahrscheinlich dass eine
grofse südwärtsbewegung zu beiden seiten des Rheins stattgefunden
hat, die nach links und rechts, ost- und westwärts sich ausbrei-
tete und zuletzt nur, als der besitz oder die nähe der Alpentore
die verlockung zu grofs machte, in die einwanderung nach Italien
auslief.‘ dieser bewegung parallel könnten die Belgen die untere
Seine und um die Arduenna herum die Marne erreicht, dann die
ihnen nachrückenden stammesgenossen das rechte Rheinufer ge-
räumt haben, sowie andererseits den in die Alpen und nach Böh-
men abziehenden die Kelten aus der Wesergegend südwärts folgten,
und dadurch nun den Germanen die ausbreitung gegen den Rhein
möglich geworden sein (s. 203 f. 236).
mit dieser ansicht liefse sich auch ganz wohl vereinigen was
Tacitus (Germ. 28) sehr bestimmt behauptet, dass die Helvetier
ehedem das südwestliche Deutschland diesseit des Rheins bis zum
Main und hercynischen walde inne gehabt hätten, während die
Boier schon östlicher in Böhmen safsen. da jene gegenden bis
auf seine zeit verödet waren (Germ. 29) und über den zeitpunkt
und die ursache der verödung jede alte, directe nachricht fehlte
und nicht wohl vorhanden sein konnte, so kann man der behaup-
tung immer einige übertreibung zu gute halten und sie mit einer
gewissen einschränkung nicht nur als wahrscheinlich sondern als
richtig hinnehmen. offenbar aber stützt sie sich nur auf die be-
nennung der landstriche über der rauhen Alb und oberen Donau
als ‘einöde der Helvetier’, die sich bei Ptolemaeus 2, 11, 10. 7
findet, ἡ τῶν ᾿Ελουητίων ἔρημος μέχρι τῶν εἰρημένων ᾿Αλπίων
ὁρέων ὑπὲρ τὴν κεφαλὴν τοῦ Φανουβίου, und man muss zugeben
DER ZUG DER GALATER. 269
dass sie nicht notwendig wie man gewöhnlich, aber mit unrecht
(8. 267 anm.) die Boier- und die Getenöde an der mittlern und
untersten Donau versteht, — erklärt zu werden braucht: sie kann
für die striche im norden der Helvetier aufgekommen sein, auch
ohne dass man sich dieser noch als ihrer ehemaligen bewohner
gerade erinnerte. hätte Caesar etwas davon gehört dass die Hel-
vetier vor oder zum teil noch zu seiner zeit dort angesessen
waren, 80 hätte er es bei ihrem versuche nach Gallien auszuwan-
dern erwähnt und nicht Be. 1, 2 ‘den überaus breiten und tiefen
strom des Rheins’ als ihre grenze gegen die Germanen bestimmt
genannt. wie sie trotzdem und obgleich die Rauraken sie von
den Germanen des Ariovists schieden, sich ‘beinahe täglich’, wie
die Belgen am untern Rhein (Be. 1, 1 vgl. 31), mit ihnen herum-
schlagen konnten, indem sie bald einfälle ins feindliche gebiet
machten bald im eignen lande abwehrten, ist freilich genau ge-
nommen nicht wohl verständlich; aber verlangt denn das der
ausdruck? auch die Ditmarschen und Friesen befehdeten ehemals
einander fortwährend, obgleich die breite untere Eider sie trennte.
gegenüber dem nichtwissen Caesars und seiner bestimmten aus-
sage über den Rhein als grenze der Helvetier kann man der be-
nennung bei Ptolemaeus und der behauptung des Tacitus nicht
den wert eines historischen zeugnisses, nur den einer meinung
und annahme zugestehen, die wie andre nach dem grade ihrer
wahrscheinlichkeit abzumessen ist. die Kelten, die nach dem
vorrücken über die Alpen um 400 im südlichen Deutschland und
selbst noch nördlich vom Maine salsen, bringt der dritte zug, der
zug der Galater nach Griechenland und Kleinasien ans licht und
er ergibt zugleich durch seine analogie die schönste bestätigung
der über die vorhergehende grofse bewegung aufgestellten ansicht.
Seit dem anfange des dritten jahrhunderts, dürfen wir an-
nehmen (s. 264), waren die Kelten oder, wie sie nun alsbald bei
den Griechen heifsen, die Galater herren im gebiet der Morawa
und bedrohten von da aus die übrige halbinsel. ihre einfälle be-
ginnen im j. 281. unter anführung des Kambaules kam damals
ein heerhaufe nach Thracien und wenn auch zu schwach um weit
vorzudringen, so wurde durch ihn doch die lust zu neuen und
gröfseren unternehmungen geweckt (Pausan. 10, 19, 4). im nächsten
jahre brachen zugleich drei heere auf, eins unter Kerethrios gegen
die Thraker und zwar zunächst die Triballer am Isker, ein zweites
ou.
.o eo. ε89
- .
210 DIE KELTENZÜGE.
unter Bolgios gegen Macedonien, ein drittes unter Brennos west-
licher, wie es scheint*, gegen Illyrien. die schlacht in der Ptole-
maeus Keraunos gegen Bolgios fiel warf die macht Macedoniens
nieder, die eine schutzmauer gegen die barbaren hätte sein sollen.
im dritten jahre (279) zog auf betrieb und unter der führung des
Brennus abermals ein mächtiges heer aus und drang durch Mace-
donien und Thessalien bis in das herz von Griechenland vor. es
wird von Pausanias 10, 19, 6 auf 152000 mann zu fuls und 20400
reiter, jeder von zwei berittenen ambacten begleitet, angegeben
so dass die reiterei in wahrheit 61 200 mann betragen habe; das
excerpt aus Diodor 22, 13 p. 497 Wess. nennt 150000 schildträger
und 10000 reiter, Justin 24, 6 dieselbe zahl der pedites und 15 000
reiter. nach einem excerpt aus Polybius bei Suidas s. v. Γαλάται
aber wären bis zu 400000 unter Brennus ausgerückt. kaum
aufserhalb der heimat auf der andern seite des Scordus in Darda-
nien angelangt, trennt sich in folge einer uneinigkeit eine schar
von 20000 mann unter anführung des Leonorius und Lutarius von
der südwärts vorrückenden masse ab und geht durch das südliche
Thracien im anfange des nächsten jahres (278) hinüber nach
Kleinasien (Polybius 1, 6, bei Suidas aao. und bei Livius 38, 16,
Memno c. 19, Pausan. 10, 23, 9). ein anderer haufe von 15000
zu fuls, 3000 zu pferde fällt um dieselbe zeit als Brennus süd-
‚wärts zieht, wie im jahre vorher, von der Morawa aus wieder ost-
wärts in Thracien ein, schlägt die Triballer und Geten zurück,
geht über das gebirge und erscheint dann ohne zweifel im gebiet
des Nestus und Strymon, an der südlichen küste, wo er von Anti-
* die verteilung bei Pausanias 880. ist in mehr als einer hinsicht un-
verständlich: ἐπὶ μὲν οὖν Θρᾷκας καὶ τὸ ἔϑνος τὸ Τριβαλλῶν ἔμελλε Κερέϑριος
ἡγήσεσθαι" τοῖς δὲ ἐς Παιονίαν ἰοῦσι Βρέννος ἤσαν καὶ ᾿Αχιχώριος ἄρχοντες"
Βολγιός τε ἐπὶ Μαχεδόνας τε χαὶ Ἰλλυρίους ἤλακε. Kerethrios konnte die Tri-
baller im norden des Haemus nur zuerst von allen Thrakern angreifen und
Bolgios Macedonien und die Ilyrier nicht erreichen ohne die zwischenliegende
landschaft Paeonien zu passieren. es wird daher wohl eine verwechselung
zwischen Paeonien und den Dllyriern vorgegangen sein. den dritten zug gegen
Griechenland unter Brennus lässt Pausanias 1, 4, 1 diesen weg einschlagen:
συλλεγεῖσα δὲ σφίσι στρατιὰ τρέπεται τὴν ἐπὶ loviov καὶ τὸ τὸ ᾿Ιλλυρίων ἔϑνος καὶ
πᾶν ὅσον ἄχρε Μακεδόνων ᾧχει, καὶ Μαχεδόνας αὐτοὺς ἀναστάτους ἐποίησε Θεσσα-
λίαν τε ἐπέδραμε χτλ. unsinniger weise behauptet Justin 24, 6 dass die schar
‚des Brennus zu der zeit als Bolgios in Macedonien kämpfte “in Graeciam se
effuderat’, und vorher c. 4 ‘divisis agminibus alii Graeciam, alii Macedoniam
petivere”.
DER ZUG DER GALATER. 271
gonus Gonatas gefasst und gründlich geschlagen wird*. gleich
darauf aber kann Antigonus 9000 bewaffnete eines unter anführung
des Biderius mit weib und kind in Macedonien umherziehenden
haufens von 30000 menschen in sold nehmen**, damit seinen
gegner Antipater aus dem felde schlagen und sich der krone von
Macedonien bemächtigen, wie auch sein mitbewerber Apollodorus in
Potidaea (Kassandrea) Galater um sich sammelte und bewaffnete***
und er selbst auch in seinen spätern kämpfen mit Pyrrhus 275 ff.
sich auf galatische mietlinge stützte und solche auf der andern
seite ihm gegenüber standen. reichlich hundert jahr später findet
man sogar in der mitte von Macedonien in der nähe der königs-
stadt Pella ein Galatervolk, die Vettier angesiedelt (Livius 45, 30,
Zeufs 180). von dem grofsen heere des Brennus soll sich nach
der niederlage bei Delphi ein teil unter Bathanatus in das Morawa-
gebiet zurückgezogen und dort die Scordisker oder Scordisten ge-
bildet haben, nach Posidonius und Timagenes? bei Athenaeus
p. 234 und Justin 32, 3 (oben s. 166 anm. 2); ein anderer teil unter
Komontorios zog ins südliche Thracien und gründete daselbst am
Haemus ein reich mit der hauptstadt Tyle, das freilich schon nach
ein paar menschenaltern gegen 212 zusammenfiel****. die 20 000 Ga-
* Justin 25, 1. 2 und Trogus prol. 24. 25 setzen die begebenheit un-
mittelbar nach dem friedenschluss des Antigonus mit Antiochus und vor den
übergang der Galater nach Asien. dieser fällt nach Pausanias 10, 23, 9 ins
ἡ. 278, der friede oder doch das aufhören der fehde auch nach Memno c. 18
ins jahr vorher, folglich auch der einfall und die niederlage der Galater durch
Antigonus in dasselbe jahr 279. Duncker Origg. s. 37 lässt sich durch das
excerpt des Porphyrius aus der eusebischen chronographie irre führen, s. Nie-
buhr Kl. schriften 8. 222f. mit der tafel und anm. und ASchmidt im Rhein.
mus. 1836 8. 475f. 594 f.
*% nach Polyaen 4, 6, 17 versprach Antigonus jedem Galater ein mace-
donisches goldstück und er zahlte nachher 30 talente (= 9000 goldstücke) an
die bewaffneten, die ganze, nach der kopfzahl der menge geforderte summe
aber hätte 100 talente (= 30000 goldstücke) betragen, wonach sich die volkszahl
von selbst ergibt. vgl. Hultsch Metrologie 8. 175. 310 f.
τὸ T)iodor 22 p. 563 mit Valesius und Wesselings anm. wegen der
kämpfe des Antigonus mit Pyrrhus aulser Diodor Plutarch Pyrrh. 26,
Justin 25, 3.
*#*% Polybius 2, 45f. auch Trogus Pompejus handelte nach dem übergang
der Gallier nach Asien von der stiftung des tylischen reiches, da man im
prol. 25 ‘quas regiones felini occuparunt’ unzweifelhaft richtig “Tyleni’ her-
gestellt hat; was Justin 25, 2. ὃ übergieng. im übrigen hat schon Wernsdorff
de republ. Galat. (1748) p. 26 ff. die hieher gehörigen daten zusammengestellt.
vgl. ASchmidt aao. 8. 577 fl. 590 ἴ, 595 ff. Duncker Origg. 8. 36 f. oben 8. 111.
272 DIE KELTENZÜGE.
later des Leonorius und Lutarius, die nachdem sie dem bithy-
nischen könige Nikomedes zu seinem reiche verholfen, Kleinasien
und namentlich auch die griechischen küstenstädte brandschatzten,
haben gleichfalls wohl von den überresten des Brennusheeres und
selbst noch später verstärkungen von jenseit erhalten, da sie ohne
das sich kaum hätten behaupten und ein Galatien am Sangarius
und Halys errichten können*. von da aus und aus Thracien und
dem Morawagebiet bezogen dann die griechischen könige und
machthaber die galatischen söldnerscharen, mit denen sie ihre
fehden ausfochten und die sie auch wohl in ihrem lande ansiedel-
ten, wie dies in Aegypten vorkommt (Polybius 5, 65, vgl. Pausan.
1,7,2). die züge mit weib und kind unternommen, wenn sie sich
auch in den reichen landschaften, die von ihnen betroffen wurden,
zu blofsen raub- und beutezügen gestalten, tragen doch den character
einer völkerwanderung und die Galater treten so zahlreich und
nachdrücklich auf dass notwendig seit dem anfange des dritten jahr-
hunderts eine massenhafte, neue einwanderung von jenseit der Alpen
in die Morawagegend erfolgt sein muss.
Wie bei dem erscheinen der Gallier in Italien (s. 251 £.),
so taucht auch jetzt wieder bei den Griechen die sage auf dass
die zahllosen, nordischen feinde aus dem äufsersten westen vom
ocean und den grenzen der oekumene herbeigekommen seien **,
* nimmt man Memno c. 19 und Polybius bei Livius 88, 16 und bei Suidas
8. v. Γαλάται zusammen, 80 ist es mir nicht zweifelhaft dass der von beiden
benutzte, den begebenheiten gleichzeitige und nahestehende Nymphis von
Heraklea (Memno c. 24) so berichtete, dass die Galater gleich nachdem sie
dem Nikomedes beigestanden sich am Sangarius und Halys festgesetzt hätten,
ja wahrscheinlich, dass wenn auch das excerpt des Photius aus Memno
nur angibt dass ihnen damals die bithynische beute zugefallen, sie damals
auch des südlichen Bithyniens sich bemächtigt und die abtretung desselben
erzwungen hätten (Justin 25, 2) und von ihrer neuen heimat aus nun Klein-
asien ausplünderten und tributär machten, indem sie es förmlich su dem zweck
unter sich verteilten. durch den sieg des Attalus von Pergamus um 250
wurden nur die küstenlandschaften von dieser plage befreit und die Galater
auf ihr gebiet im innern beschränkt, Pausan. 1, 4, 5. 8, 3; nicht aber erhielten
sie dasselbe erst damals abgetreten, wie Strabo p. 566 behauptet und auch
vielleicht Pausanias annimmt. nach Polybius bei Livius fällt die niederlassung
am Halys noch vor die kämpfe mit den syrischen königen und mit Attalus
und auch die sagenhafte erzählung des Appollonius von Aphrodisia bei Stephanus
Byz. 15, 15 ff. (s. v. 4yxvoa) knüpft sie an ein früheres ereignis um 264. Werns-
dorff p. 35 f., Duncker Origg. 8. 38 uam. beachten nicht alle zeugnisse und
setzen sie daher allzu spät.
ἘΦ Gallimachus in Del 171 ff. χαὶ νύ nors ξυνός τὸς ἐλεύσεται ἄμμον
DER ZUG DER GALATER. 273
die sage ist besser als dıe meinung des Justin oder Trogus (s. 253)
dass sie aus Pannonien gekommen seien. denn vor den Boiern,
die erst im zeitalter Caesars eindrangen (s. 263. 265 fl.), waren im
eigentlichen Pannonien keine Kelten und die Pannonier bildeten
bis dahin in der landschaft zwischen der Sau, Donau und den
ausläufen der Alpen eine unzersplitterte, geschlossene volksmenge.
überdies waren die Pannonier den Griechen des dritten jahrhunderts
gänzlich unbekannt, da sie erst durch die Römer ans licht treten
(Zeufs 254 ff.); Justin und Trogus können daher ihre nachricht
aus keinem gleichzeitigen schriftsteller geschöpft haben, und drücken
damit nichts weiter als ihre meinung aus. da jedoch die Griechen
den namen der ZJeafoves aus dem nördlichen Macedonien auf die
Pannonier übertrugen, so ist es wohl möglich dass dem Trogus
eine ähnliche verwechslung begegnet ist wie dem Appian, der in
der wunderlichen, Kelten Illyrier und Galater verbindenden, in
ihrem anfange aber jedesfalls auf Timaeus (DA. 1, 474) zurück-
gehenden genealogie (Ülyr. c.9) den Παίων den sohn des Auta-
rieus und vater des Skordiskos und Triballos zu einem Pannonier
macht, wo nach dem zusammenhang der übrigen namen das volk
in Macedonien nicht übergangen und allein gemeint sein kann.
wenn daher Trogus mit Pausanias und Diodor seine darstellung
des Galaterzuges gegen Delphi dem Timaeus entlehnte, Appians
genealogie aber auf denselben zurückgeht, so kann jener
auch durch diesen zu dem misverständnis und dadurch zu der
falschen anknüpfung der gallischen wanderungssage (s. 253) ver-
anlasst sein. der weg der Galater des dritten jahrhunderts gieng
über die Ostalpen ins tal der Drau und Sau, dann weiter an die
Morawa (s. 264 f.), und da gebirgsvölker niemals auswandern, von
den Iapoden und Norikern also bei diesem zuge abzusehen ist, so
müssen jene von jenseit gekommen sein.
Nur wenige Galatervölker kommen auf der griechischen halb-
insel unter ihren besonderen namen zum vorschein. aufser den
ἄεϑλος ὕστερον, ὅππότ᾽ ἂν οἵ μὲν ἐφ᾽ Ἑλλήνεσσι μάχαιραν βαρβαρικὴν
zas Κελτὸν ἀναστήσαντες Ἄρηα ὀψιγόνοι Τιτῆνες ἀφ᾽ ἑσπέρου ἐσχατόωντος
δωσωνται νιφάδεσσιν ἐοικότες ἢ ἰσάριϑμοι τείρεσεν, ἡνίχα πλεῖστα κατ᾽
ἠέρα βουχολέονται. Pausanias 1, 8, 4. ὃ Κάλλιππος ᾿Αϑηναίους ἐς Θερμοπύλας
ἤγαγε, φυλάξοντας τὴν ἐς τὴν Ἑλλάδα Γαλάτων ἐσβολήν. οἱ δὲ Γαλάται οὗτοι
νέμονται τῆς Εὐρώπης τὰ ἔσχατα, ἐπὶ ϑαλάσσῃ πολλῇ καὶ ἐς τὰ πέρατα οὐ πλωΐμῳ"
παρέχεται, δὲ ἄμπωτιν χαὶ ῥαχίαν χαὶ ϑηρία οὐδὲν ἐοικότα τοῖς ἐν ϑαλάσσῃ τῇ
λοιπῇ. κελ. (vgl. dazu DA. 1, 78. 420. 219. 475. 488. 500); 10, 20, 3 ἐπὶ δὲ
τοὺς ἀπὸ ὠχεανοῦ βαρβάρους τοσοίδε ἐς Θερμοπύλας ἀφίκοντο “Ἕλληνες.
DEUTSCHE ΑἸΤΕΕΤΌΜΒΚΌΧΡΕ 1. 18
274 DIE KELTENZÜGE.
Vettiern in Macedonien (s. 271) fand Strabo p. 187 nur bei einigen
schriftstellern den Brennos einen Prauser genannt, wuste aber
selbst nicht mehr zu sagen wo dies volk gewohnt hatte: δρέννον
τὸν ἐπελϑόντα ἐπὶ Askyors Πραῦσον τινές yacıy' οὐδὲ τοὺς Πραύ-
σους δ᾽ ἔχομεν εἰπεῖν ὕπου γῆς ᾧχησαν πρότερον. erst in Asien
treten drei völker hervor und zwar gleich nach der übersiedelung,
die Trocmi oder Trogmi, die Tolosto- oder Tolistobogii und die
Tectosagen*, und nach Plinius gesellen sich noch zu den Tolosto-
bogiern die Voturi und Ambitouti, zu den Tectosagen die Touto-
bodiaci. wahrscheinlich haben sich diese kleinen gemeinden erst
in Asien neben den gröfseren gebildet, sei es durch absonderung
oder durch zuzug; die Toutobodiaci (s. 118) scheinen sogar nur nach
einem ehemaligen führer benannt und waren vielleicht eine ange-
siedelte mietlingsschar. auf diese weise will auch Strabo p. 566 die
namen der Trokmer und Tolistobogier ableiten, für deren herkunft er
p. 187 keinen rat weils; οὐ γὰρ napsılmpausv οἰκοῦντας τινας νυνὶ
Tooxuovs ἢ Τολιστοβωγίους δκτὸς τῶν Ἄλπεων οὔτ᾽ ἐν αὐταῖς οὔτ᾽
ἐντος" εἶχος δ᾽ ἐχλελοιπέναι διὰ τὰς αϑρόας ἀπαναστάσεις, καϑα-
περ καὶ En’ ἄλλων συμβαίνει πλειόνων. allein gegen jene her-
leitung spricht sowohl die form der namen als auch die durch den ge-
meinsaımen gewährsmann des Polybius und Memno (s. 272 anm.), den
Nymphis von Heraklea am Pontus als einen zeitgenossen und augen-
zeugen der übersiedelung der Galater feststehende tatsache dass
sie in Asien alsbald unter diesen namen auftreten**; gegen die von
* Trocmi Livius 38, 16. 19. 26, Τροχμοὶ Polybius 31, 13, Strabo p. 187.
561, Ptolemaeus 5, 4, 9, Appian Syr. 32. 42, Steph. Byz. 639, 11, Towxuoi
Arcadius p.58, 17 nach Meineke; Trogmi Plinius 5 8 146, Tooyuoi Strabo
p. 566 f. Towyuoi Memno c. 19. vgl. Zeufs Gr.? 23. 1057. Tolostobogii,
Livius 38, 16. 19. 27 nach dem Bamb., Florus 1, 27 und der perioch. 38,
Plinius nach den älteren hss. und Solin 41, I, Tolosroßoysos Memno; TOAI-
ETOB2yWwN HELEINOXYNTISEN CIG. nr. 4085, Eratosthenes junior bei Steph.
Byz. 627, 20, Strabo p. 187 (-Booysoı). 547 (-γωβίους, -Boyiovs?). 566 f. (-Awyos),
Τολιβωστοί Ptolemaeus 5, 4, 7; Τολιστοβόγιοε Polybius 22, 20, Tolssroßosos Appian,
Τολιστόβιοι Steph. Byz. 627, 18. Tectosagi Livius 38, 18. 19. 24. 26, perioch.,
Florus, Justin 32, 3; Tectosages Τεχτόσαγες Polyb. 5, 53. 77. 78? 22, 22,
Livius 38, 16. 25, Plinius 5 $ 146, ὃ ὃ 33. 36. 37, CIG., Strabo, Memno, Steph.
Byz. 611, 22, vgl. Caesar Βα. 6, 24; Texroaayas Ptolemaeus 5, 4, 8, Appian,
Steph. Byz. 612, 1.
** Ptolemaeus 5, 4, 7 kennt im lande der Tolistobogier einen ort Tola-
orayope al. -charia -ywusıe, woraus man ohne grund Tölaor« γώρα oder γωρίον
gemacht hat. der name hängt ohne zweifel mit dem namen des volkes, der
Tolostobogier, zusammen; aber man darf schwerlich annehmen dass das volk
DER ZUG DER GALATER. 975
neueren versuchte combination der Τολιστοβώγιοε und Boss aber
entscheidet die verschiedene quantität des ersten vocals. die Tecto-
sagen allein geben aufschluss über die herkunft und ältere heimat
der Galater.
Nach Polybius 5, 53 hatte Antiochus der grofse, als er im
jahre 220 dem satrapen Molo gegenüberstand, in seinem heere
Γαλα TAI ῬΙΓόσαγες und ein jahr später hatte Attalus von Perga-
mus, wie gleichfalls Polybius 5, 77. 78 berichtet, einige tausend
Galater aus Europa von jenseit des Hellesponts herbeigerufen
um sie gegen den Syrer Achaeus zu gebrauchen und sie dann,
als sie mitten im feldzuge zu meutern begannen, mit weib und
kind am Hellespont angesiedelt, wo sie zwei jahr später teils
durch die griechischen städte, teils durch Prusias von Bi-
thynien vernichtet wurden. sie werden zweimal 4/Tooayss ge-
nannt und es ist deutlich dass dieser name sowohl wie der vor-
her genannte TaAa« TAI ‘PITooayss verderbt ist und mehr als
wahrscheinlich dass beiden ein und dieselbe form zu grunde
liegt. seit Casaubonus hat man allgemein angenommen dass die
form aus der die verderbnisse geflossen sind TEKTooayss lautete
und diesen namen an jenen drei stellen eingesetzt. ist dies
richtig, so müssen die Tectosagen auch noch nach dem abzuge
des Leonorius und Lutarius (s. 270) einen nicht geringen teil des
heeres des Brennus, dann des heeres und reiches des Komontorios,
das dieser in Thracien gründete (s. 271), ausgemacht haben, da
Attalus seine söldlinge von daher bezog. im südlichen Gallien an
der oberen Garonne bis zur unteren Rhone wohnten bekanntlich
um Toulouse und zunächst über den Pyrenaeen Volcae Tectosgges
und östlich neben ihnen um Narbo und Nemausus die Volcae
Arecomici. wenn Timagenes behauptete dass jene an dem zuge
gegen Delphi teil genommen hätten — μετασχεῖν τῆς ἐπὶ AsApovg
σερατείας Strabo p. 188 —, so stützt er sich vielleicht nur auf die
sage von der herkunft des goldes von Tolosa aus Delphi (s. 166),
die sage aber doch wieder, unsre folgerung bestätigend, auf die
teilnahme der Tectosagen an dem zuge; und dass ein nicht unbe-
trächtlicher teil des volkes — non mediocris populus —, nachdem
sie die Istrer geplündert, in Illyricum oder Pannonien sich nieder-
erst nach dem ort benannt ist. Siegfried Miscellanes celtica 8. 13 erinnert für
den ersten wortteil an den Hercules Tolis in der Revue archöologique 8, 362.
— über Bögius, Böius vgl. Glück über Renos Moinos und Mogontiacum
8. 14f. anm.
18*
976 DIE KELTENZÜGE.
gelassen habe (Justin 32, 3), kann Timägenes nicht erdichtet haben,
wenn auch jedes andre zeugnis dafür fehlt und er törichter weise
die einwanderung als eine zweite, von Gallien her aus raublust
unternommene rückwanderung darstellte. er muss von Tectosagen
an den julischen Alpen in der nähe der Istrer, da wo sonst die
Carni oder die Latovici in Krain zwischen den Iapoden und Nori-
kern genannt werden (s. 263) und die letzten Gallierzüge (a. 186.
182. 179 Zeufs 184) sich regten, gehört haben und wie die Scor-
disker an der Sau und Morawa (s. 271), werden diese Tectosagen
am Adria nur ein überrest des Brennusheeres sein, der entweder
nicht mit auszog oder wie jene dahin zurückkehrte und einen
wohnsitz sich eroberte*. diese dreifache verteilung aber des
volkes nach Illyricum Thracien und Kleinasien zeigt wie bedeutend
es einst bei dem auszuge gewesen sein muss.
Strabo p. 187 ist der meinung dass die Tectosagen, die zwi-
schen der Pyrene und dem Kemmenon ein goldreiches land be-
wohnten, einmal wohl so mächtig und volkreich gewesen sein
möchten dass sie bei einem aufruhr eine grolse menge der ihrigen
aus der heimat verjagt hätten, denen sich andre aus andern völ-
Kern anschlossen, und dass dann von diesen die kleinasiatische
landschaft besetzt sei, was die Tectosagen um Ancyra bewiesen.
einer ähnlichen ansicht war Caesar (8. 204f.) wenn er sagt ‘ac fuit
antea tempus cum Germanos Galli virtute superarent, ultro bella
inferrent, propter hominum multitudinem agrique inopiam trans
Rhenum colonias mitterent. itaque ea, quae fertilissima Germaniae
sunt, loca circum Hercyniam silvam — Volcae Tectosages occupa-
verunt atque ibi consederunt; quae gens ad hoc tempus his sedibus
sese continet summamque habet iustitiae et bellicae laudis opi-
nionem. nunc quidem in eadem inopia, egestate, patientia atque**
Germani permanent, eodem victu et cultu corporis utuntur’. er
hält es nicht für nötig seinen lesern die Volcae Tectosages in der
römischen provinz ausdrücklich zu nennen, hat sie aber im sinne
und meint dass die Volcae Tectosages am hercynischen walde eine
colonie von ihnen seien und so die ehemalige überlegenheit der
Gallier über die Germanen bewiesen. man kann ihm die worte
* hätte Timagenes hier die ansicht Caesars (s. unten), wie bei der galli-
schen wanderungssage (s. 250 f.), vor augen gehabt, wie wäre er vom hercyni-
schen walde gerade auf die Istrer gekommen?
** so EHedicke in Quaest. Curtian. 1862 5, 40 statt patientiaque, pa-
tientia qua.
DER ZUG DER GALATER. 277
des Tacitus (Germ. 2), angemessen verändert, entgegen halten: quis
Narbonensi Gallia relicta Germaniam peteret, informem_ terris,
asperam caelo, tristem cultu aspectuque, nisi si patria sit? erst
die umkehrung der sache ergibt die richtige ansicht.
Die Volcae Tectosages hatten die gegenden um den hercyni-
schen wald, die die fruchtbarsten von Germanien waren, einge-
nommen und sich dort, wie Caesar meint, bis auf seine zeit be-
hauptet, aufs höchste angesehen wegen ihrer rechtlichkeit, oder
friedfertigkeit* und tapferkeit, wenn auch arm wie die Germanen.
da die Sueben oder Marcomannen am Maine saflsen, die Boier
Boiohaemum geräumt hatten, so denkt man sie sich in Böhmen
und Mähren. später sind sie hier verschollen, entweder von den
nachrückenden Sueben unterjocht und verschlungen oder zersprengt.
die keltischen Cotini in Mähren kann man jedesfalls nicht für
einen überrest der Tectosagen halten, wenn schon ein teil von
ihnen mit den Boiern nach Pannonien gezogen war (s. 267); eher
sind die Παρμαικάμποι und ᾿“δραβαικάμποι, die nach Ptolemaeus
2,11, 24. 25 über der Donau gegen den Böhmerwald und östlicher
wohnten, dafür anzusehen. Boiohaemum aber und das noch öst-
lichere Mähren kann nicht das alte heim der Volcae Tectosages
gewesen sein, sie können dahin nur von westen her, vor den
Sueben weichend, gekommen sein, indem die Boier entweder schon
vor ihrem abzuge nach Pannonien ihnen einen teil des landes
einräumten oder mit dem abzuge das ganze überliefsen. der doppel-
name lehrt dass Caesars Volcae Tectosages am hercynischen walde
nur ein teil und ein in der alten heimat oder doch derselben
nahe verbliebener rest eines gröfseren, ehedem mehrere stämme
umfassenden volksstammes der Volcae waren. der name verlautet
zwar nicht in Griechenland und Kleinasien, aber wie die Volcae
Arecomici neben den Volcae Tectosages in Gallien, dürfen wir
auch die Trokmer und Tolostobogier in Kleinasien mit den Tecto-
sagen zu demselben stamme zählen und annehmen dass sie wie
diese ihre namen von hause mitgebracht haben, wenn auch die
Arecomici ihren, wie es nach der analogie von Aremorici (Glück
* denn der gegensatz der “iustitia’, wo diese alten völkern als lob er-
teilt wird, ist die gewalttätigkeit, Tac. Germ. 35; vgl. Herodot 4, 26 ᾿Ισσηδόνες
— δίκαιοι χαὶ οὗτοι λέγονται εἶναι; 98 οἱ Γέται — Θρηίκων ἐόντες ἀνδρηεώτατοι
χαὶ διχαιότατοι; Hom. ἢ. 18, 5f. Μυσῶν τ᾿ ἀγχεμάχων καὶ ἀγαυῶν ᾿Ιππημολγῶν,
γλαχτοφάγων͵ Aßiwv τε, δικαιοτάτων ἀνθρώπων; Choerilus bei Strabo p. 303
— Σάχαι, γενεῇ Σχύϑαι — νομάδων γε μὲν ἦσαν ἄποικοι, ἀνθρώπων νομίμων.
278 DIE KELTENZÜGE.
s. 32) scheint, blofs geographischen namen erst in Gallien er-
hielten. von allen völkern der Volcae aber müssen die so weit
zerstreuten Tectosages einmal das mächtigste und bedeutendste
gewesen sein, dessen wohnsitz vor dem aufbruch ums j. 300 man
nur westlich von den Boiern dahin verlegen kann wo Caesar vor-
zugsweise die Sueben kennt, nach Hessen und in die Maingegend.
ihre stammesgenossen, die mit ihnen nach Kleinasien zogen, müssen
wohl südlich von ihnen an der Donau, vielleicht selbst noch
jenseit gewohnt haben. von da führte sie dann ihr zug über die
Alpen nach der griechischen halbinsel und weiter, während ein
andrer teil der Tectosagen durch das Rheintal und am Jura ent-
lang bis zur untern Rhone und gegen die Pyrenaeen vordrang.
gleichzeitig mögen auch die Helvetier aus dem südwestlichen
Deutschland (s. 268 f.) in derselben richtung weiter südwestwärts
vorgerückt sein.
Polybius 2, 19 erzählt zum j. 299, es sei damals eine be-
wegung' von jenseit der Alpen ausgegangen und vertriebene oder
auswanderer von dort seien nach Italien gekommen, die diessei-
tigen Gallier aber, um die gefahr eines schweren krieges von sich
abzuwenden, hätten sich ihnen angeschlossen und die seit dreilsig
jahren mit den Römern bestehenden verträge brechend mit ihnen
und den Etruskern einen einfall in das römische gebiet gemacht.
‘Romae terrorem praebuit fama Gallici tumultus ad bellum Etru-
scum adiectum’, sagt auch Livius 10, 10, der im übrigen der
Transalpiner nicht gedenkt. zwar blieb es nur bei dem einen
streifzug, da die Gallier über die gemachte reiche beute unter
sich uneins wurden und im streit ihre kraft gegenseitig aufrieben,
und weitere zuzüge von jenseit erfolgten auch in den nächsten
jahren nicht. gleichwohl darf man in diesem ganz vereinzelten,
so plötzlichen und unerwarteten χένημα &x τῶν Τραγσαλπίνων ein
anzeichen der damaligen gallischen bewegung im norden und
westen der Alpen erblicken*. dass die Volcae Tectosages und
Arecomici erst damals im südlichen Gallien sich niedergelassen
hätten, wird freilich nirgend ausdrücklich berichtet. allein ebenso
wenig als der alte periplus oder Hecataeus und Herodot im
sechsten und fünften jahrhundert (DA. 1, 186 f.), weils auch der
so genannte Scylax 8 3 in der zweiten hälfte des vierten von Kelten
neben Iberern und Ligyern zwischen den Pyrenaeen und der Rhone,
* Duncker Origg. s. 28.
VOLCAE UND WALCHE. 279
obgleich er 8 18 von den Kelten in Italien am Adria eine kunde
hat, die er nur noch nicht mit seinen älteren nachrichten aus-
zugleichen verstand*. die erste bestimmte nachricht von der
anwesenheit der Volcae Tectosages und Arecomici erhalten wir
dann mit Hannibals übergang über die Pyrenaeen (DA. 1, 187)
und da erst mit dem ersten punischen kriege gallische söldlinge
zahlreich in den karthagischen heeren erscheinen, so werden jene
auch nicht vor dem anfange des dritten jahrhunderts die Mittel-
meersküste erreicht haben**. die Keltenbewegung um 300 verlief
der ums j. 400 ganz parallel, und wie damals die Boier (8. 267f.),
so standen nun die Tectosagen in ihrem mittelpunkt; nur fiel
jetzt das hauptgewicht ebenso sehr nach osten als früher gegen
westen, und dies entspricht durchaus der angenommenen stellung
der völker an und über der Donau bis nach Hessen hinauf. wenn
aber bis gegen das vierte jahrhundert die Boier noch am Rhein
und Maine salsen und dann erst nach Böhmen zogen, so müssen
jene bis dahin nördlicher, über ihnen und den über die Ostalpen
sich verbreitenden völkern, an der Weser abwärts gehaust haben
und dann diesen südwärts nachrückend den Germanen den zu-
gang zum Rheine geöffnet haben (s. 268). dass die Volcae einst
die unmittelbaren nachbarn der Germanen waren und aus deren
nächster nähe abgerückt sind, unterliegt mindestens keinem zweifel,
weil die Germanen nach ihnen den ganzen keltischen volksstamm
benannt haben.
Unter 'Welschland’ verstehen wir jetzt Italien, unter ‘welsch’
schon eher französisch oder romanisch überhaupt, und dies ist die
ältere bedeutung. der Germane begriff unter Walh plur. Walhäs
oder Walhös ehedem alle seine lateinisch oder romanisch und
keltisch redenden süd- und westnachbaren. dass die Goten und
Östgermanen den namen gebraucht, kann man zwar nicht belegen,
muss man aber unbedingt schliefsen, weil er nur durch sie so
früh, zunächst in der anwendung auf die Romanen der griechi-
schen halbinsel, dann auch wohl schon in der weiteren bedeutung
an die Slawen vererbt sein kann ***,
* wie jung die einwanderung war, ergibt sich aus Kiepert Monatsber.
1864 8. 161.
** Duncker Origg. 8. 32f. vgl. 8. 21f.
*** die Blayo, werden zuerst um 976 in Macedonien genannt bei Georg
Cedrenus 2 p. 435, WTomaschek über Brumalia und Rosalia in den Wiener
sitzungsber. 70 (1868), 401 f. vgl. RRösler Romänische studien s. 108 f. bei
280 VOLCAE UND WALCHE.
bei den Franken wurden im sechsten jahrhundert die Ost-
goten in Italien als Walagoti von den Westgoten in Südfrankreich
und Spanien unterschieden*; das wergeld aber für einen Ro-
manen hiefs bei ihnen in Gallien Walaleodi nach der glosse zur
Lex sal. 41, 3. so verdeutschte auch ein alter Baier des achten
jahrhunderts Gallia durch Uualholant** und ein andrer rief,
nicht ohne selbstironie, einem Romanen von dorther zu 'tole sint
Uualha (Romani), spähe sint Peigira; luzie ist spähi in Uualhum
(in romana): möra hap£nt tolaheiti denne spähi’; während sie zu
derselben zeit ihre romanischen landesgenossen bei Inspruck und
Salzburg ebenso benannten: Uualhogöi bei Meichelb. nr. 12 a. 763;
Uualahouuis, Trünuualha, Sträzuualaha Juvav. p. 26. 34. 55 a. 798.
799, wie auch die Alemannen die ihrigen Curouualha bei Mohr
s. 26 a. 826, und die Niederländer die Walen (Wallonen). jüngerer
belege bedarf es nicht.
dem Nordmann hiels vorzugsweise das nördliche und west-
liche Frankreich, wo er sich festgesetzt hatte, Valland und die
einwohner Valir (gen. Vala)***; aber auch ein irischer könig des
neunten jahrhunderts wird Kiarvalr genannt (Isıs. 1829. 1, 24.
150. 155. 231. 246, Laxdslas. ὁ. 1, Nialss. c. 114, Eyrb. c. 1) und
er und sein sohn Kiarlakr (Isıs. 1, 222) und Kiartan, der enkel
des Irenkönigs MJrkiartan (131,5, 1, 89. Laxd. c. 11. 28) beweisen
dass, wenn zwei von den südlichen mädchen des Wielandsliedes —
drösir sudroeenar sind im gegensatz zu norrcenar eigentlich nur
‘deutsche’ — die töchter Hlödves d. 1. eines Frankenkönigs sind
Nestor p. 2 Timk. sind die Wolchowe deutlich die bewohner von Gallien oder
Frankreich, dem Böhmen und Polen heifst Italien Wlachy und Wlochy nach
deutscher weise. Miklosich hat in den abhandlungen über slawische personen-
namen 8. 44 und die slawischen elemente im rumunischen 8. 1f. seine frühere
ansicht (Rad. ling. slov. s. 10) zurückgenommen und hält jetzt Wlahü für
entlehnt aus dem deutschen, wie es das verhältnis des dritten consonanten
verlangt.
* Abhandlungen der Berliner academie 1862 s. 536.
** in der Wessobrunner hs. 53 Clm. 22053 bl. 61 (Denkmäler? 8. 252, Ger-
mania 2, 92) folgt unmittelbar auf ‘Gallia uualholant’ noch “Chorthonicum.
auh uualholant’. dabei mit Wackernagel (Wessobr. geb. 8. 77) an Cortona zu
denken ist unmöglich, da die aufzählung der länder einer gewissen ordnung
folgt. es kann nur ein andrer name für Gallia oder ein teil Galliens gemeint
sein; vgl. ‘Italia lancportolant. Ausonia auh larcportolant’. an verderbnissen
fehlt es nicht.
ἩΓΕ vg]. Werlauff Symbolae p. 18, Egilsson 8. v. Valland, Fritzner p. 718,
Cleasby p. 675.
VOLCAE UND WALCHE. 281
(Fus. 11, 405—10, Isıs. 1, 24) und die dritte Kiars tochter von
Valland heifst, dass da eine Bretonin, Gallierin oder überhaupt eine
Keltin gemeint ist.
diese bedeutung tritt dann besonders stark bei den Angel-
sachsen hervor. bei ihnen ward Vealh, im plur. Valas, Vealas
sogar zu einem namen der ausschliefslich an den Britten, den alten
keltischen bewohnern des römischen Brittanniens, mit denen sie
um den besitz des landes stritten, haftete und nicht einmal die
Picten und Scotten mit umfasste; nur wenn die gelehrten verfasser
der chronik die Gallier Galvalas benennen und durch das com-
positum Bret- oder Brytvealas den begriff näher bestimmen, verrät
sich sein ursprünglich weiterer umfang*. aus den volksnamen
Vealas und Cornvealas aber wurden die landschaftsnamen, mit denen
die Engländer noch heute die landstriche bezeichnen, in denen sich
die alte brittische bevölkerung am längsten erhielt.
dass der name im hochdeutschen, wie im ags. ‘vealhstöd inter-
pres’, auch appellativisch in dem sinne von fremd, ausländisch
überhaupt gebraucht wird, ändert nichts an der tatsache dass die
Germanen nie ihre nachbaren im norden und osten, sondern stäts
nur ihre romanischen und keltischen nachbaren im süden und
westen darunter verstanden haben. auf die Romanen aber kann
der name erst übergegangen sein, seit die Römer am Rhein und
an der Donau herschten und die provinzialen ihre sprache mit der
lateinischen oder lingua romana vertauschten. ehedem müssen
blofs die Gallier oder Kelten überhaupt darunter verstanden sein.
nun aber ist Volca und Walh buchstäblich nach allen lautgesetzen
und selbst der flexion nach ein und dasselbe wort, nur dass im
deutschen munde der reine vocal an die stelle des getrübten trat,
wie in Baiahaim Boiohaemum (s. 120. 265), Maginza Mogontia Mo-
gontiacum, Uuasago Vosegus, mari mori usw. so würde gall. Ca-
tuvolcus bei Caesar Ba. 5, 24. 26. 6, 31 διά. Haduuualah (nhd.
Hadlach, Hedlach?) sein, das nur zufällig nicht nachweisbar ἰδ ἘΞ,
das keltische volc (ir. folg) bedeutet ‘celer, velox, alacer’ und es
ist nach den beispielen nicht nötig dass die Germanen einmal
dasselbe wort besessen haben: es findet sich davon auch keine
* wenn zum j. 1040, zur zeit der Dänenherschaft, die Normandie Veal-
land heifst, so ist darin wohl nur der nordische sprachgebrauch zu erkennen.
** wie ahd. Siguuualah, Hröduualah, Friduuualah uam. ahd. Kaduuualah,
Chadaloh, Cadolah usw. (Förstem. 1, 306) ist mit den andern des ersten stammes
dunkel, aber gewis nicht der gallische name.
282 DER ZUG DER KIMBERN UND TEUTONEN.
spur; nur die natur des vocals haben sie richtig aufgefasst und
ihrer sprache gemäfs wiedergegeben*. wenn sie daher die Gallier
oder Kelten insgesamt Walche benannten, so müssen die Volcae
einmal ihnen zunächst gewohnt haben und aus ihrer nachbarschaft
gen süden aufgebrochen sein.
Die letzte grofse keltenbewegung reicht also bis unmittelbar
an die grenze der (Germanen. die Kimbern und Teutonen aber
schlagen fast denselben weg ein wie die Tectosagen und genossen
und folgen den bahnen der früheren Kelten: sie haben von ihrem
eindringen in Italien gehört (Plut. Mar. 11, oben s. 168) und ver-
suchen daher zuletzt dasselbe. so stellt sich ihr zug, wenn auch
zweihundert jahre später als der der Tectosagen oder Gralater
unternommen, nur als eine fortsetzung der Keltenzüge dar; oder
mindestens findet ein verhältnis zwischen dem hervorbrechen der
Germanen und den früheren bewegungen der Kelten statt, das
nicht aufser acht zu lassen ist.
Wie von den Galliern in Italien (s. 251 {ἡ von den Ga-
latern in Griechenland (s. 272), so hiefs es auch von den Kimbern
und Teutonen bei ihrem erscheinen (s. 166. 169 f. 172) dass sie von
den äufsersten enden der welt, vom ocean herbeigekommen seien;
nur dass bei ihnen noch die gallische flutsage hinzukommt. und
durch das zeugnis des Pytheas (DA. 1, 479f. 485) steht es fest
dass die Teutonen im vierten jahrhundert v. Ch. an der Nordsee
wohnten oder doch, dass damals die nicht keltische, von Pytheas
* Glück 8. 56 deutete ‘volc’ glücklich durch ir. folg (vgl. dagegen Zeufs
Gr. 53), vergleicht aber offenbar mit unrecht skr. valg salire, exsultare und gar
ahd. uualgön volvi; wie wäre aus einer media im keltischen eine tenuis ge-
worden? — da, wo die Römer noch blolses v hörten, erst später im kymri-
schen, kornischen und bretonischen gu, gw eintritt (Zeufs Gr. 127 £. 131 ff. vgl.
Venta Gwent, Venedotio Gwynedd ua.), so ist es ganz unmöglich mit JGrimm
(GDS. 296) Gallus als Guallus und dies gleich Walah anzusetzen. Gallus ist
gewis nichts anderes als die lateinische oder italische auffassung desselben
namens, den die Griechen besser als Γαλάτης wiedergaben, und Gallus wie
Γαλάτης gehen auf denselben stamm ir. gal zurück und bedeuten ‘viri pugnaces,
armati’, Zeufs Gr. 997 f. anm. Leo in Kuhns zs. 2, 252 ff. setzte Walh und
skr. mlöcha βάρβαρος gleich, so dass das wort ein urwort wird, und sprachlich
ist dagegen wohl nicht viel einzuwenden; auch die einschränkung auf einen
bestimmten volksstamm hätte ihre analogie an Njemez (s. 106 anm. 4). aber
wer wird die ableitung aus der urzeit annehmen, wenn eine andre, völlig unbe-
denkliche näher liegt?
IARE HEIMAT UND HERKUNFT. 283
als Scythen unterschiedene bevölkerung der küste jenseit der
Rheinmündungen jenen namen bei den Galliern führte. von daher
werden also auch wohl die Teutonen des zweiten jahrhunderts
gekommen sein. für die Kimbern fehlt ein ähnliches, gleich altes
zeugnis; denn mit den Kimbern des Ephorus und gar des Klitarch
(DA. 1, 231. 233 anm.) ist es nichts und von dem zeitalter des
Philemon, der die Kimbern als anwohner der Nordsee kannte
(DA. 1, 413 f.), wissen wir so wenig dass wir aus dieser notiz nur
schliefsen können, er habe im letzten jahrhundert v. Ch. und wohl
erst unter Augustus geschrieben, als die römische ansicht über den
wohnsitz des volkes schon vollständig ausgebildet war. es bleibt
daher nur die flutsage als erstes und ältestes zeugnis für die her-
kunft der Kimbern vom ocean und dies würde entscheidend sein
wenn nicht die sage nur von Gallien her übertragen (s. 165 ἢ) und
überdies erst von den Teutonen auf die Kimbern verschoben wäre.
Posidonius, der sich gegen Pytheas ebenso wenig als gegen
Timaeus spröde verhielt*, auch wenn ihm die schrift reg: ὠκεανοῦ
nicht mehr vorlag, fand die Teutonen gewis bei diesem (DA. 1,
476 ff.) und bei Eratosthenes (DA. 1, 386. 491. 494) erwähnt, und
man sollte denken dass er sich auf den einen oder den andern
für ihr früheres vorkommen am ocean berufen hätte, wo er die
herkunft und heimat der Nordleute erörterte (s. 161—189) und die
sage von ihrer vertreibung durch die flut bestritt: merkwürdiger
weise aber findet sich dafür weder bei Strabo p. 292 f. noch sonst
irgendwo eine spur. dem Posidonius standen die Kimbern, schon
ganz ebenso wie später den Römern, von anfang an so sehr im
vordergrunde dass neben ihnen von den Teutonen in jener er-
örterung, die wir genügend übersehen, nicht weiter die rede ist.
die Kimbern oder ehemaligen Kimmerier wohnen ihm am ocean,
ja sie scheinen das ganze düstre waldland jenseit der Herkynien
bis zum meere inne zu haben, woher doch auch die Teutonen und
Ambronen kamen. indem er dieser geschweigt oder sie unter
jene mit begreift, wie es später öfter geschieht, am auffälligsten
von Tacitus (s. 122 anın. 2), zeigt er sich nur von der gewöhnlichen
auffassung und dem sprachgebrauch der flutsage beherscht, die er
bekämpfte. eine besondere, genauere kenntnis der wohnstätte.der
Kimbern hatte er nicht. seine landeskunde ist noch so unbestimmt
und unvollkommen (s. 172 ff.), dass wenn Strabo p. 292f. in dem
* DA.1, 358f. 365f. und unten im excurs zu Diodor 5, 38, ὃ.
284 DER ZUG DER KIMBERN UND TEUTONEN.
auszuge aus seiner erörterung die Kimbern auf die norddeutsche
halbinsel versetzte und zugleich von ihrer gesandtschaft an Augustus
berichtet, er das erste so gut wie das andre aus eignem wissen
hinzugetan haben muss (s. 164). Posidonius kann sich daher nur
durch die gemeine sage und auffassung haben leiten lassen. wenn
aber die flutsage Kimbern und Teutonen nicht unterschied oder
auch, was auf eins hinauskommt, von beiden und den Ambronen
(s. 165) ohne unterscheidung dasselbe berichtete, so beweist sie für
die herkunft jener vom ocean gar nichts und ist weit entfernt
dafür ein entscheidendes zeugnis abzugeben, bei den späteren aber
nach Posidonius werden wir mit der fortschreitenden kunde vom
alten Germanien nur den ersten irrtum oder mangel an unter-
scheidung weiter entwickelt finden.
Der nächst älteste zeuge, der alte gewährsmann des Mela
kannte schon die grofsen, in den ocean mündenden flüsse jenseit
des Rheins, die Ems Weser und Elbe, und jenseit der Elbe einen
ungeheuren meerbusen Codanus* voller grofser und kleiner inseln;
daran wird irrtümlich eine beschreibung der Nordseeküste (DA. 1,
489 f) geknüpft und dann hinzugefügt ‘in eo sunt Cimbri et Teu-
toni’; aber die Teutoni haben auch Codanovia (Scadinavia), die
fruchtbarste und gröste der inseln im Codanus inne. wie dies
zu verstehen ist vollkommen deutlich. zwischen Rhein und Elbe,
wo nach Pytheas schon sowie nördlicher die Teutonen wohnten,
musten die Römer zuerst die hauptvölker unter ihren besonderen
namen kennen lernen: Mela übergieng sie, wohl aus keinem andern
grunde als die iberischen namen (3, 1, 15) ‘quod nostro ore con-
cipi nequeant’. sie liefsen weder für die Kimbern noch für die
Teutonen raum; so rückten diese östlicher über die Elbe und bei
dem vorrang den sie in der erinnerung und vorstellung der Römer
einnahmen und weil es einmal feststand dass sie vom ocean ge-
kommen seien, musten die Kimbern schon gleich jenseit des flusses
ihre stelle erhalten, den Teutonen aber die weitere, nur erst von
hörensagen bekannte ferne zufallen. je deutlicher hier der ansatz
nach gutdünken und die zusammensetzung der ganzen vorstellung
ist, um so mehr wird dadurch nur das weitere aufgeklärt.
Ungefähr auf dieselbe weise müssen die beiden völker auch
noch auf der nach den aufzeichnungen des Agrippa entworfenen
* dies scheint = quödu ahd. quoden femina, interior pars coxae, von
got. qipus altn. kvidr ags. cvid ahd. quiti bauch mutterschols, vgl. got. laus-
qiprs nüchtern, isl. kodri beutel?
IHRE HEIMAT UND HERKUNFT. 285
römischen weltkarte (s. 154) platz gefunden haben, da nach dem
excerpt oder der inhaltsangabe des exemplars des Julius Honorius
die stellung der ‘Teutoni, Cimbri’ nicht anders zu einander zu
denken ist als die des zuletzt vor ihnen genannten deutschen
völkerpares der Frisiones und Canninefates und die der gallischen Ce-
nomani Haedui, Ruteni Aquitani, Allobroges Velavi, d. h. in der
richtung von norden nach süden oder auch von nordosten nach
südwesten.
Es folgt Augustus selbst als gewährsmann. imj. 4 nach Ch.,
als Germanien bis zur Elbe seit zwölf jahren unterworfen oder
dienstbar war und Tiberius dort den krieg gegen Maroboduus,
dem sich die östlicheren völker angeschlossen hatten, vorbereitete,
entsandte Augustus eine römische flotte von der Rheinmündung
ostwärts bis in die Ostsee*. sie gelangte wenigstens bis ins Katte-
gat. denn da Ptolemaeus den umriss der kimbrischen halbinsel
nicht nur auf der westküste bis Skagen kennt, sondern auch noch
ihren östlichen vorsprung** und neben demselben, in gleicher breite
mit der grolsen insel Sxavdi« drei kleinere, uneigentlich so ge-
nannte Skandien, weiterhin aber jede specielle kenntnis der küsten-
gestaltung bei ihm aufhört, so muss die römische flotte bis in die
* Res gest. 5, 14 ‘clalssi qui praeerat meo iussu] ab ostio Rheni ad
[s]ölis orientis regionem usque ad [Scythicam plaga]m navigavit, quo neque
terra neque mari quisquam Romanus ante id tempus adit, Cimb[r]ique et
Charydes et Semnones et eiusdem tractus alii Germanorum popu[li] per legatos
amicitiam meam et populi Romani petierunt’. die zweite grölsere lücke von
‘ungefähr vierzehn buchstaben’, mit der Mommsen nichts anzufangen weils, ist
wahrscheinlich so zu ergänzen, wenn Augustus damit auch etwas zu viel sagt,
nach Plinius 2 $ 167 ‘Septentrionalis Oceanus maiore ex parte navigatus est
auspiciis divi Augusti, Germaniam classe circumvecta ad Cimbrorum promun-
turium et inde inmenso mari prospecto aut fama cognito Scythicam ad
plagam et umore nimio rigentia'. gewöhnlich lässt man die fahrt bei Skagen
und mit einem ausblick von dort endigen und bringt den letzten teil des
satzes nicht weiter in anschlag. allein die erkundung der Ostsee, wenn auch
zum grösten teil nur nach hörensagen, war ihr wichtigstes resultat: man
glaubte die küste Germaniens gröstenteils beschifft und ungefähr auch fest-
gestellt zu haben dass es im norden bis gegen Scythien oder Sarmatien
vom ocean umgeben sei. an Plinius 2 $ 167 schliefst sich Plinius 4 $ 96. 97
genau an und Tacitus hat die fahrt gleichfalls im sinne Germ. I bei ‘cetera
Oceanus ambit, latos sinus et insularum immensa spatis complectens, nuper
eognitis quibusdam gentibus ac regibus, quos bellum aperuit’.
** in unsern hss. und ausgaben ist freilich die angabe darüber ausge-
fallen, liefs sich aber mit hilfe der Argentinensis von 1513 und dem auszug
des Marcianus von Heraklea wiederherstellen, KMüller Gw. 1, 555 f.
286 DER ZUG DER RIMBERN UND TEUTONEN.
gegend von Grenaae und Ebeltoft und bis auf die höhe von Samsöe
und Seeland, zu denen sich Fünen als dritte kleinere Skandia ge-
sellte, gekomnien sein: Ptolemaeus bestimmt die lage der mittleren
nach graden der breite und länge und eine andre quelle seiner
kunde ist hier ebenso wenig denkbar und möglich als bei Plinius
4 ὃ 96. 97, der die damaligen erkundigungen über die innere Öst-
see zusammenfasst. es war nun das vorhandensein einer halb-
insel, auch ungefähr ihre gestalt und lage festgestellt; aber auch
manche bisher wenig oder gar nicht bekannte völker waren unter
ihren besonderen namen ans licht gekommen*. galten sie aber
einmal für Kimbern, so befand man sich mit ihnen seit mehr als
hundert jahren noch im kriegszustande, und da es überdies darauf
ankam ihnen vor dem neuen nachbar, dem römischen reiche, zu-
mal für die nächste zeit des krieges an der Oberelbe, respect ein-
zuflöfsen, so wurden streifereien und einfälle in ihr gebiet an ver-
schiedenen punkten unternommen und die flotte kehrte nicht nur
reich beladen an mancherlei beute in die Elbe zurück, wo sie
sich mit dem heere des Tiberius vereinigte und seinen verhand-
lungen mit den jenseitigen völkern den nötigen nachdruck gab,
sondern auch Augustus hatte die genugtuung eine gesandtschaft der
Kimbern in Rom zu empfangen, die ihm ihren heiligsten kessel
überbrachte und seine und des römischen volkes freundschaft und
verzeihung für das früher geschehene erbat (Strabo p. 293). eine
solche gesandtschaft liefs sich auch ohne zwang, unter allen um-
ständen, zu stande bringen, bei freier reise und bei der aussicht
‘thia märün Rümaburg’ mit eignen augen zu schauen. das be-
streben dem römischen volke für beleidigungen die seiner majestät
früher widerfahren genugtuung zu verschaffen, wäre es auch nur
zum scheine, tritt in der politik des Augustus mehr als einmal
hervor; ich erinnere nur an die Parther. so ward der name
Kimbern für die bewohner der halbinsel gewisser mafsen officiell
* das ‘bellum’, das nach Germ. I (anm. 1 der vorigen s.) die völker und könige
des Nordmeeres ans licht brachte, können nur die von Vellejus 2, 106 er-
wähnten kämpfe der flotte sein: ‘Fracti Langobardi —; denique — ad qua-
dringentesimum miliarium a Rheno usque ad flumen Albim — Romanus cum
signis perductus exercitus. et eodem mira felicitate et cura ducis temporum-
que observantia classie, quae Oceani circumnavigaverat sinus, ab inaudito
atque incognito ante mari flumine Albi subvecta, plurimarum gentium
vietoria cum abundantissima rerum omnium copia exercitui Caesarique se
iunxit.
IHRE HEIMAT UND HERKUNFT. 287
anerkannt und bestätigt. Augustus selbst (5. 285 anm.) gebraucht
für sie keinen andern namen, Cimbri wohnen auch auf der innern
seite der halbinsel (Plin. 4 ὃ 97) und diese, deren germanischen
namen man erfahren hatte, Tastris nach den besten hss. des
Plinius, hiefs von nun an die Διμβρικὴ χερσόνησος mit dem pro-
munturium Cimbrorum (Plin. 2 $ 167, 48 96. 97). den Teutonen
aber mochte jeder ein unterkommen anweisen, wo er für sie platz
fand.
Auch Strabo p. 292 f. spricht nur von Kimbern auf der halb-
insel, bringt sie aber p. 291. 294 trotz dieser, weil er ohne kennt-
nis von der fahrt der flotte und durch seinen gewährsmann in
dem wahne bestärkt ist dass jenseit der Elbe alles unbekannt sei,
unter die völker zwischen Rhein und Elbe und weils von Teutonen
im damaligen Deutschland nichts. Plinius 4 $99 fügt den Kim-
bern und Chauken noch die Teutonen bei, und da jene bei ihm
die ganze halbinsel inne haben (s. vorher) und die Chauken die
südliche Nordseeküste bis zur Elbe, so muss. er sich die Teutonen
in Meklenburg bis gegen die Oder gedacht haben, wo Augustus
zunächst an der Elbe (s. 285) zwischen den Kimbern und Semnonen
die als gegner Caesars aus dem heere Ariovists bekannten Cha-
rudes offenbar mit. einer ähnlichen befriedigung wie ihre nörd-
lichen nachbaren aufführt. eben diese genauere darstellung als
Plinius gab die alte, aus der augustischen zeit stammende general-
karte oder diathese von Germanien, die in die karte des Ptole-
maeus verarbeitet ist*, und zwar so dass sie neben die Charudes
südlich von den Kimbern und westlich von den Teutones an der
Oder noch Teutonoarier stellte, Tevrovoagsos — ein Sonst uner-
hörter, ungeheuerlicher hybrider name den die Römer nur nach ana-
logie von Angrivarii, Chasuarii ua. erfunden haben können um ein
collectivum für mehrere kleinere völker oder gemeinden im norden
der Semnonen zu haben. in der nur wenig jüngeren specialdiathese
des Ptolemaeus dagegen und bei Tacitus kommen die einzelnen
völker zum vorschein, die wenn nicht schon früher, so durch
die fahrt der flotte und den aufenthalt des Tiberius an der Elbe
bekannt geworden waren, die sich aber sonst hinter den gesamt-
namen verstecken, während umgekehrt diese jetzt verschwinden,
wo jene ans licht treten. Tacitus kennt die gesamtnamen nicht
* hierüber muss ich vorläufig auf die bemerkungen in Haupts rs. 9,
231—234 verweisen; die ausführlichere darlegung soll im. dritten bande
folgen.
288 DER ZUG DER KIMBERN UND TEUTONEN.
einmal mehr als üblich. die ihm vorliegende diathese wuste
überhaupt nichts von Kimbern. denn es ist deutlich dass er c. 37
der Germania nur einlegte, um einen der nächsten absicht seiner
schrift entsprechenden geschichtlichen excurs über die gefährlich-
keit der germanischen kriege für die Römer an den namen der
Kimbern zu knüpfen, und dass er diese nur deshalb vermutungs-
weise als eine ‘parva nunc civitas’ an den ocean setzte, weil die
diathese sie gar nicht kannte.
Er hat c. 36 die Cherusker an der mittleren Weser und Elbe
und vorher c. 35 die Chauken an der Nordsee bis zur Elbe be-
sprochen. seiner ordnung gemäls, indem er der richtung des
Rheines folgte (c. 41), sollte nun der raum zwischen den Che-
ruskern und Chauken ausgefüllt, dann die völker nördlich der
Elbe längs der Nordsee aufgeführt werden. dies geschieht auch
nach ὁ. 37, indem Taecitus, ὁ. 38. 39 von den suebischen Semnonen
im osten der Cherusker ausgehend, c. 40 die Langobarden nörd-
lich von den Cheruskern und östlich von den Chauken und weiter
die Reudigni, Aviones (inselbewohner), Anglii usw. jenseit der Elbe
nach norden hin folgen lässt, so dass der raum über den Che-
ruskern vollständig ausgefüllt wird und für die ‘parva nunc civitas’
kein platz bleibt. man gerät schon mit ihr in verlegenheit, wenn
es nach den Cheruskern von c. 36 mit einem male, aber sehr un-
bestimmt ὁ. 37 heifst, die Kimbern hätten ‘eundem Germaniae
sinum’, denselben winkel oder dieselbe strecke von Germanien
‘proximi Oceano’ inne, da von den Cheruskern bis zum meere eine
lücke bleibt, die weder die parva civitas ausfüllen, noch Taecitus
nach der von ihm sonst beobachteten ordnung überspringen konnte.
Wenn demnach die parva civitas der Kimbern bei Tacitus
nur auf vermutung oder einer annahme beruht wie er sie für den
zweck seiner schrift gebrauchte, so kann von einem einschwinden
und zurückweichen des gesamtnamens auf eine einzelne völker-
schaft, wie man wohl gemeint hat, bei ihm nicht die rede sein.
der gesamtname Kimbern existiert überhaupt nur durch die
meinung der Römer über die herkunft des volkes vom ocean,
dann insbesondere durch den officiellen sprachgebrauch im zeit-
alter des Augustus und weiter nicht. die bewohner der halbinsel
gehörten schon zu den Sueben und dem stamme der Inguaeones.
es ist nicht wahrscheinlich und glaublich dass sie noch einen
dritten gesamtnamen bei ihren stammesgenossen und nachbarn
führten. dass die Römer den Kimbernnamen auf sie nur über-
IHRE HEIMAT UND HERKUNFT. 289
tragen haben, zeigt sich zumal an der art wie sie mit den Teu-
tonen verfuhren, die sie zuerst in den unbekannten norden ver-
legten, dann entweder mit stillschweigen übergiengen oder wieder
auf das festland verpflanzten, indem sie den rest der inguaeischen
völker zwischen Elbe und Oder längs der Ostsee für Teutonen er-
klärten. ist dieser name, wie nicht zu bezweifeln, gallisches ur-
sprungs (s. 113 f.), so muss er von den Römern dahin verlegt sein,
weil die Germanen damit nicht ihre landsleute an der Ostsee be-
nannt haben können und diese zu sehr aufserhalb des gesichts-
kreises der Gallier lagen. nach alledem aber ist auch der fremde
ursprung des Kimbernnamens kaum noch zu bezweifeln und die
ansicht (s. 116 ff.) dass er von den Galliern den zuerst über sie
hereinbrechenden, räuberischen scharen beigelegt wurde wohl be-
gründet, zumal wenn damals (s. 206) der Germanenname für die
Transrhenanen noch nicht gebräuchlich war. eine weitere folge-
rung die sich daran knüpft ist dann freilich, wenn die Teutonen
die alten Nordseevölker sind und die Kimbern nicht vom ocean
herkamen, dass diese von dem gebiet der mittleren Elbe ausge-
gangen sind und die Teutonen sich ihnen nur von norden her
angeschlossen haben; eine folgerung die eine mächtige stütze an
der darstellung des Livius zu finden scheint.
Nach den periochen 63. 65. 67 hätte Livius die niederlagen
des Papirius Carbo, des Silanus, des Scaurus, Caepio und Mallius
in den jahren 113.109. 105 allein den Kimbern zugeschrieben und
erst nach ihrer rückkehr aus Spanien im j. 103 hätten diese sich
mit den Teutonen im nördlichen Gallien bei den Veliocassern um
Rouen vereinigt: ‘reversique in Galliam in Veliocassis* se Teutonis
coniunxerunt’. ist dies richtig, so würden die Teutonen erst viel
später aus ihrer heimat aufgebrochen und den Kimbern nachge-
zogen sein und es würde sich desto eher erklären, wenn diese
* statt “Veliocassis’ oder ‘Vellocassis’, wie Mommsen (Röm. gesch. 23, 181)
das überlieferte ‘bellicosis’ schön verbesserte, könnte man auch an ‘Bellovacis’
denken, allein weniger gut, da man jenen namen auch bei Caesar Ba. 7, 75
in den hss. “Belliocassis’ geschrieben findet, vgl. Glück 8. 161 f. bei den Bello-
vaken um Beauvais würde die vereinigung der Kimbern und Teutonen nur
etwas östlicher und dem nachmaligen wohnsitz der Aduatuker (8. 201 anm. 1)
näher stattgefunden haben. ich mache nur noch darauf aufmerksam dass beide
änderungen mit Caesar Bo. 2, 4 in widerspruch zu stehen scheinen, wonach
die mächtigen Bellovaken sowohl als die Veliocasser zu den Belgen gehörten,
die Belgen aber allein von allen Galliern die Kimbern und Teutonen abge-
wehrt haben sollen. s. unten s. 295.
DEUTSCHE ALTBRTUMSKUNDE 11. 19
290 DIE KIMBERN UND TEUTONEN
während zehn jahre die einzigen auf dem platze waren, dass sie
vor allen dem gedächtnis der mit- und nachwelt sich einprägten
und in der überlieferung hervortreten, aber schon weniger gut,
wenn die Teutonen so viel später vom ocean kamen, dass von
ihnen die flutsage auf jene übertragen wurde. einen ganz ähn-
lichen satz wie die perioche 67 hat Julius Obsequens 43 ‘Cimbri
Alpes (d. i. Pyrenaeos) transgressi post Hispaniam vastatam iun-
xerunt se Teutonis’, und auf diese übereinstimmung, ‘den verhält-
nismälsig zuverlässigsten livianischen bericht in der epitome und
bei Obsequens’ glaubte Mommsen seine darstellung gründen zu
müssen, ‘mit beseitigung der geringeren zeugnisse, die die Teu-
tonen schon früher, zum teil schon in der schlacht von Noreia
(a. 113), neben den Kimbrern auftreten lassen’. schade nur dass
dies sogar der den Livius excerpierende Obsequens selbst tut, 38
‘C. Caecilio Gnaeo Papirio coss. (a. 113) — Cimbri Teutonique
Alpes transgressi foedam stragem Romanorum sociorumque fece-
runt'. auch sonst finden sich noch entschiedene spuren dass Li-
vius, und beweise dass Posidonius die Teutonen früher und von
anfang an als teilnehmer des zuges gekannt hat. für die epitome
oder periochen und das spätere erscheinen der Teutonen spricht nur
eine auch sonst ungenaue stelle des Vegetius*; alle andern aber,
wenn sie allein die Kimbern oder auch die Teutonen nennen, sind
wie jene nur unvollständige auszüge aus ihren quellen. es wird hier
der ort sein die frühere geschichte des zuges nachzuholen, wo die
darstellung des Posidonius und die annalistische römische über-
lieferung bei Livius sich nicht mehr durchweg sondern lassen.
Nach Posidonius (s. 265) traf der angriff der Kimbern zuerst
die Boier im hercynischen walde: von diesen zurückgeschlagen,
heilst es, seien sie gegen den Ister und die Scordisker hinab-
gezogen, dann zu den Teuristen oder Tauriskern.. man kann dies
nur so verstehen dass die Kimbern von norden her über das Erz-
gebirge in Böhmen einbrachen und von den Boiern gezwungen
wurden seitwärts in die Marchebene auszuweichen, von wo sie
dann über die Donau und weiter durch Pannonien bis zu den
Scordiskern an der Sau gelangten; denn wären sie im westen von
* de re milit. 3, 10 “Cimbri Caepionis et Manlii et Silani legiones intra
Gallias deleverunt. quarum relliquias cum C. Marius suscepisset, ita erudivit
scientia et arte pugnandi, ut innumerabilem multitudinem non solum Cimbro-
rum, sed etiam Teutonum et Ambronum publico Marte deleret’.
AN DER DONAU. 291
den Boiern gegen die Donau zurückgeworfen, würden sie zuerst
die Vindeliker und Noriker oder Taurisker und nicht vor ihnen
die Scordisker erreicht haben. eine ebensolche seitwärtsbewegung
müste man auch annehmen, wenn die Boier schon damals (8. 265)
an den östlichen ausläufen der Alpen gesessen hätten. die Scor-
disker aber erreichten sie wahrscheinlich in demselben jahre 114,
wo diese, seit der unterwerfung Macedoniens nachbarn der Römer
und mit ihnen schon wiederholt (a. 135. 119?) in fehde, das heer
des consuls C. Porcius Cato, das von Macedonien aus bei ihnen
eingefallen war, vollständig niedermachten, worauf im nächsten
jahre der consul Metellus Caprarius den krieg in Thracien wider
sie mit besserem glücke eröffnete*, der nach vierjähriger dauer
ihre macht für immer brach. entweder im j. 114 oder früh im
j. 113, ehe sie von den Römern im süden angegriffen wurden,
muss es auch ihnen gelungen sein den angriff der Kimbern im
norden abzuwehren und so kurz vor ihrem eignen falle, gleichsam
zur sühne für ihre früheren raubzüge, die griechische halbinsel
vor einem neuen einbruch nordischer barbaren zu bewahren.
Nur ein berg oder höhenzug zwischen Sau und Drau, der
mons Claudius (Plin. 3 ὃ 148, Mommsen CIL. 3 p. 415) trennte
Scordisker und Taurisker. indem die Kimbern von jenen zurück-
gewiesen sich diesen zuwandten, näherten sie sich der römischen
grenze von Italien. kurz zuvor im j. 115 waren hier die Karner
in den gebirgen oberhalb Aquilejas unterworfen und die Taurisker
oder Noriker zu den Römern in gastfreundschaft getreten**. als
die fremdlinge plündernd im Drautal erschienen, stellte der consul
Papirius Carbo, der college des Metellus Caprarius, um einen ein-
* der triumph des Metellus ‘ex Thraecia’ (Fast. triumphal. ad a. 643,
Eutrop 4, 25, Vellejus 2, 8) lässt es freilich ungewis ob er gerade gegen die
Scordisker erfochten. über den krieg der jahre 112—109 Livius per. 63. 65,
Florus 1, 38, Vellejus 2, 8, Eutrop 4, 27, Fischer Zeittafeln s. 156—158. aber
wie verhält sich dazu Appian Illyr. 5? der sagenhafte bericht c. 4, die teil-
nahme der Kimbern-Kelten an der plünderung des delphischen tempels voraus-
setzend, fährt nach den 8. 165 anm. angeführten worten so fort τὰ οἰκεῖα gav-
yorıss ἐνέβαλον ἐς ᾿Ιλλυριοὺς τοὺς συναμαρτόντας σφίσιν, ασϑενεῖς ὑπὸ τοῦ λοιμοῦ
γενομένους καὶ ἐδῃωσὰν τε τὰ ἐχείνων, καὶ τοῦ λοιμοῦ μετασχόντες ἔφυγον καὶ
μέχρε Πυρήνης ἐλεηλάτουν.
** Fast. triumph. ad a. 639 “Μ. Aemilius Scaurus de Galleis Karneis’.
Vietor de vir. illustr. 72 ‘(M. Aemilius Scaurus) consul Ligures et Cauriscos
(Mommsen Röm. gesch. 22, 169 anm.) domuit atque de his triumphavit’.
Appian Celt. 13. — die Taurisker sind auch wohl die socii des Julius Obse-
quens 8. 290.
19*
292 DIE KIMBERN UND TEUTONEN
fall in Italien zu verhüten, sich mit seinen truppen in den karni-
schen Alpen auf, rückte dann aber, als er nicht angegriffen wurde,
in Noricum vor und so grofs war der respect der römischen
waffen dass jene ihm bei seiner annäherung gesandte schicken mit
dem versprechen die gastfreunde der Römer nicht länger zu be-
helligen. der consul nimmt das versprechen an, versucht aber,
den gesandten die er auf einem umwege zurückschickt voraus-
eilend, das rastende heer der barbaren zu überfallen und erleidet
eine solche schlappe dass vielleicht sein ganzes heer vernichtet
wäre, wenn nicht ein plötzlich ausbrechendes unwetter dem kampfe
vorher ein ende gemacht hätte; worauf jene alsbald durch die
Alpenpässe nordwärts ziehen.
Als ort des zusammentreffens nennt Strabo p. 214, ohne zweifel
(vgl. p. 215) nach Posidonius, Noreia, die alte hauptstadt der No-
riker mit reichen goldwäschen und eifengruben, unweit des heu-
tigen St. Veit, da wo der weg aus dem Drau- und Gurktal über
die steirischen Alpen an die obere Mur führt. des ortes gedachte
auch Sempronius Asellio (s. 204) wahrscheinlich in diesem zusam-
menhange. die Römer, Livius (per. 63, Obseq.) und Tacitus (Germ.
37) gestehen die niederlage des Carbo offen ein, wenn aber Strabo
sich begnügt mit einem οὐδὲν ἔπραξεν, so liegt darin kein wider-
spruch, sondern nur eine andre auffassung vor, da nach dem aus-
führlichen bericht bei Appian Celt. 13 Carbo noch mit einem blauen
auge davon kam und allerdings nicht das erreichte was er beab-
sichtigte. ich habe den innern zusammenhang des berichts im
vorigen dargelegt, weil ich sehe dass er heutzutage ungenau und
falsch wiedergegeben wird. da Appian nur von Norikern statt wie
Posidonius (vgl. s.167, Strabo p. 293) von Teuristen spricht, so scheint
er eher einem lateinischen auctor, vielleicht den annalen des Claudius
Paulus (Celt. 1, 3), als dem sonst von ihm viel benutzten Griechen
gefolgt zu sein, er müste denn selbst den veralteten namen mit
dem später allein üblichen vertauscht haben. auf jeden fall fand
er bei seinem gewährsmanne wie Obsequens (s. 290) und wohl
auch Vellejus (2, 12 vgl. 8, oben s. 122. 135) bei Livius die Teutonen
erwähnt, weil ohne das der Byzantiner der den Appian excerpierte
sie bei ihm nicht gefunden und allein eine Τευτόνων μοῖρα
ληστεύουσα πολύανδρος (vgl. 8. 164 f.) dem Carbo gegenüber gestellt
hätte, wie umgekehrt Strabo, die perioche des Livius, Eutrop 4,
25, der quintilianische declamator 3, 13, und Tacitus allein die
Kimbern. die umkehrung des verhältnisses lässt nur schliefsen
JENSEIT .DES RHEINS. 293
dass die quellen so wie Livius nach Obsequens schon bei dem
ersten zusammentrefien mit den Römern von Kimbern und Teu-
tonen meldeten, wenn auch der heerhaufe, dem erst die Boier,
dann auch die Scordisker stand hielten, damals noch nicht so an-
gewachsen war wie später. eine spur bei Plutarch leitet auch
noch unmittelbar auf Posidonius. denn hätte er die Teutonen
nicht von anfang an als gefährten der Kimbern, sondern nur
als neu angekommene gekannt, so würde er nicht in der wohl-
gesetzten rede (s. 132) den soldaten des Marius, als sie allein den
Teutonen und Ambronen gegenüber standen, die frage in den
mund gelegt haben ‘schreckt etwa den Marius das schicksal des
Carbo und das des Caepio, über die die feinde siegten, weil sie
viel schlechtere feldherren waren und ein viel schlechteres heer
hatten ?’
Es vergehen volle vier jahre ehe die auswanderer in Gallien
an der Rhone und damit an der grenze der römischen provinz
erscheinen*. sie hatten ihren weg südlich von der Donau ge-
nommen und waren so zu den Helvetiern (s. 265 anm.) gekommen,
die ihnen allem anscheine nach einen friedlichen durchzug durch
ihr land gestatteten. denn Posidonius (s. 152) erzählte, die Hel-
vetier obwohl friedfertige und goldreiche leute seien durch den
erstaunlichen beutereichtum der Kimbern so gereizt worden dass
namentlich zwei von ihren drei phylen, die Tiguriner und Toy-
gener mit fortgezogen seien, — ὥστε καὶ συνεξορμῆσαι. 516 mögen
erst im jahre (a. 108) nach dem durchzuge den fremden gefolgt
sein”; wenn sie überhaupt mit ihnen gemeinschaftliche sache
machten, so kann kein feindlicher zusammenstofs vorher gegangen
* Vellejus 2, 8 erwähnt den übergang der ‘Cimbri et Teutoni — multis
mox nostris suisque cladibus nobiles’ über den Rhein zwischen dem triumph
des Metellus ‘ex Thraecia’ im j. 111 und dem des Minucius ‘ex Scordiscis’,
der wahrscheinlich ins j. 108 fiel (s. 291); 2, 12 aber trägt er nach dass sie
vor dem Caepio und Mallius den Carbo und Silanus geschlagen hätten. ver-
gleicht man damit Eutrop 4, 25. 27, der den triumph schon in das consulat
des Metellus und der ersten nachricht von dem erscheinen der Kimbern gleich-
zeitig setzt, so vermutet man leicht dass auch Vellejus ihr erscheinen in Illy-
ricum und in Gallien ungefähr in eins zusammengezogen hat.
** dies ergibt sich, wie mich dünkt, aus der natur der sache und steht
kaum in widerspruch mit der meinung des Posidonius oder Strabos. ‘das ge-
sonderte auftreten der Helvetier’ aber möchte ich nicht mit Mommsen Röm.
gesch. 25, 174 dafür geltend machen, da ja auch die Kimbern und Teutonen
im weitern verlauf des krieges gesondert auftreten.
294 DIE KIMBERN UND TEUTONEN
sein und die Helvetier können nur auf die angenommene weise die
nähere bekanntschaft der Kimbern und ihrer genossen gemacht
haben. nach einer stelle des Strabo* müsten auch die Sequaner
auf der andern seite des Jura und damals auch noch im süd-
lichen Elsass sich jenen angeschlossen haben. doch findet
sich dafür sonst keine spur und die stelle enthält augenschein-
lich nur eine böswillige und zugleich dumme übertreibung
von Caesar Be. 1, 31, die Strabo aus der quelle schöpfte die ihm
überhaupt den Caesar vermittelte. passierten die Kimbern und
Teutonen Helvetien, so durchzogen sie im südwestlichen teile des
landes den gau der Tiguriner um Aventicum und werden die
später verschollenen Toygener vorher näher am Rhein getroffen
haben; sie erreichten aber dann die römische provinz an dem-
selben punkte bei Genf, den ein und fünfzig jahre später die Hel-
vetier für ihren auszug ausersahen, den aber Caesar ihnen ver-
sperrte.
Die meisten zeugen, aber nicht gerade die triftigsten, aufser
der per. Liv. 65, Asconius Pedianus p. 80 Orell., Quintilian Decl.
3, 13, Vegetius (s. 290), Eutrop 4, 27, nennen wiederum nur die
Kimbern als diejenigen, denen der consul M. Junius Silanus im
j. 109 gegenüber stand und von denen er geschlagen wurde. allein
dem angriff giengen verhandlungen vorher**. die ankömmlinge
schickten abgesandte zuerst in das lager des Silanus, mit der
bitte ihnen land zur niederlassung anzuweisen, und da der consul
dazu nicht befugt war, gieng die gesandtschaft nach Rom an den
senat, indem sie für die landabtretung kriegsdienste anboten und
auch wohl damals geltend machten (s. 168) dass früher Gallier in
Italien platz gefunden hätten. hierher gehört nun ohne zweifel
die anecdote, die Plinius 35 $ 25 wohl wie die unmittelbar vor-
* p. 192 — οἱ Znxoavoi, διάφοροι καὶ τοῖς Ρωμαίοις dx πολλοῦ γεγονότες
καὶ τοῖς Αἰδούοις, ὅτε πρὸς Γερμανοὺς προςεγώρουν nolldxss κατὰ τὰς ἐφόδους
αὐτῶν τὰς ἐπὶ τὴν ᾿Ιταλίαν, καὶ ἐπεδείχνυντό γε οὐ τὴν τυχοῦσαν δύναμιν, ἀλλὰ
καὶ χοινωνοῦντες αὐτοῖς ἐποίουν μεγάλους χαὶ ἀφιστάμενοι μιχρούς. hier weisen
die Aeduer am deutlichsten auf Caesar Ba. 1, 31, aber weder von Ariovist
noch von den Kimbern und Teutonen kann man sagen dass sie πολλάκις Italien
angegriffen hätten, woran jener nicht einmal dachte, noch auch ist der letzte
teil der behauptung von jenem oder von diesen wahr oder auch nur ver-
ständlich.
** nach der innerlich wahrscheinlicheren darstellung des Florus 1, 37
(vgl. Plutarch Mar. 24, oben 8. 143). die übermäfsig abkürzende perioche
berichtet zuerst das unglück des Silanus und trägt dann die gesandtschaft
nach Rom nach.
JENSEIT DES ΒΗΕΙΝΒ. | 295
her gehende (8. 159 anm.) aus den Exemplis des Nepos von einem ge-
sandten der Teutonen erzählt, dem man das bild eines alten hirten
mit dem stabe auf dem forum zeigte und der auf die frage wie hoch
er ihn schätze antwortete, er wolle einen solchen mann nicht leib-
haft und lebendig geschenkt haben. die anecdote aus einer von
allen übrigen unabhängigen quelle geschöpft lässt nicht zweifel-
haft dass damals dem Silanus Kimbern und Teutonen gegenüber
standen und dass Vellejus (s. 292) und Florus mit recht beide
völker nennen, wenn dieser auch wohl fälschlich schon die Tigu-
riner herbeizieht und noch andre verwirrung hat (8. 157f. 165). der
senat konnte die bitte nicht bewilligen und darauf der zusammen-
stofs mit Silanus leicht erfolgen, sobald er den abzug der fremd-
linge verlangte oder ihnen den durchmarsch verlegte. wenn sie
nach seiner niederlage ebenso wenig als nach der des Carbo im
j. 113 über die Alpen nach Italien vordrangen, so mag der haupt-
grund der gewesen sein dass zunächst die ausbeutung Galliens
bequemer oder geratener schien und mit den Helvetiern verab-
redet wurde.
Gallien wurde überfallen und das ganze land geriet in die
gewalt der Kimbern und Teutonen (Βα. 1, 33), die es ausplünder-
ten und entsetzliche leiden über die bewohner brachten, indem
die bevölkerung fliehend in den städten sich zusammendrängte
und nun hungersnot entstand, die sie zwang sich von dem fleisch
der zum kriege untauglichen zu ernähren (Be. 7, 77). den Belgen
allein gelang es die Kimbern und Teutonen von ihren grenzen
abzuwehren (Be. 2, 4. das übrige Gallien atmete erst wieder
auf, als die Kimbern abzogen und andere länder aufsuchten
(Be. 7, 77). dass in der not bei belagerungen bei Kelten, Iberern
und manchen andern völkern menschenfresserei vorkäme, hatte
auch Posidonius erzählt (s. 184) und es ist leicht möglich dass
Caesar nur was er bei ihm gelesen aao. dem Arverner Critognatus
in den mund legte. Caesar ist sonst der einzige zeuge über das
schicksal Galliens während der kimbrischen invasion und wir
müssen und dürfen unbedingt seine aussagen denen des Posidonius
oder sonst eines zeitgenossen an wert gleichsetzen. die not Gal-
liens aber muss alsbald nach der niederlage des Silanus mit dem
j. 109 begonnen haben und da Caesar nur zuletzt einmal die
Kimbern allein nennt, vorher aber jedesmal ihnen die Teutonen
beigesellt, so muss auch er der meinung gewesen sein und es gar
nicht anders gewust haben als dass beide scharen mit einander
296 DIE KIMBERN UND TEUTONEN
in Gallien eingefallen waren und dort gehaust hatten. das einzige
mal wo Strabo p. 196 neben den Kimbern der Teutonen und
dieser überhaupt erwähnung tut*, da ist Caesar Βα. 2, 4 allein die
quelle.
Die Kimbern und Teutonen ersahen sich das innere Gallien
zum aufenthalt, wo sie während der nächsten jahre hausten, und
vielleicht auch einen bleibenden wohnsitz zu finden hofften. dem
helvetischen heerhaufen, in dem bei Caesar Be. 1, 7. 12 ff. (Clau-
dius Paulus bei Appian Celt. 1, 3) und Livius (per. 65, Oros. 5, 15),
die hier zunächst unsre quellen sind, und sonst, aufser bei Strabo,
die Toygener völlig hinter den Tigurinern verschwinden wie die
Teutonen so oft hinter den Kimbern, fiel, wie man annehmen muss
nach verabredung mit diesen, mehr das südlichere Gallien, eben
die gegend zu, in die auch fünfzig jahr später, als der damalige
anführer Divico noch lebte, mit bestimmterem ziele (Be. 1, 10) die
Helvetier wiederum zu ziehen dachten. die Tiguriner erschienen
im j. 107 auf der andern seite der Cevennen an der Garonne an
der westgrenze der römischen provinz und bedrohtem Tolosa. bei
der annäherung des consuls L. Cassius Longinus zogen sie sich
zwar zurück. als aber dieser sie in der richtung der Garonne
‘gegen den ocean’ verfolgte, ward er im gebiet der Nitiobrogen
um Agen umringt und fiel nebst seinem einen legaten, dem con-
sular L. Piso und dem grösten teile seines heeres; der rest
muste sich zur schimpflichsten capitulation verstehen. ohne
zweifel in folge dieser niederlage erhob sich in Tolosa eine national
gallische partei und legte die römische besatzung in fesseln,
πρὸς τὰς τῶν Κίμβρων ἐλπίδας, wie Dio sagt fr. 90, diesmal die
Tiguriner und Toygener unter die Kimbern begreifend. indes
diese Kimbern blieben aus und es gelang dem consul des j. 106
Q. Servilius Caepio** mit hilfe der römischen partei die stadt
wieder zu nehmen und bei dieser gelegenheit sich des in ihren
* einmal hätte er sie noch erwähnen sollen, p. 183 wo er sagt dass
Marius den Massalioten den von ihm angelegten Rhonecanal als «gsorsio» χατὰ
τὸν πρὸς Außpwvas χαὶ Τωυγενοὺς πόλεμον übergeben habe, da von Toygenern
hier gar nicht die rede sein kann und selbst wenn sie bei Aquae Sextiae mit
geschlagen wären, doch neben den Ambronen zuerst die Teutonen genannt
werden musten. Strabo muss sich hier verschrieben oder verlesen haben. aber
unmöglich kann man mit Zeufs 143. 147. 225 dieselbe entstellung auch p. 293
annehmen, weil Strabo die Teutonen nicht für Helvetier gehalten haben kann.
** fälschlich nennt ihn Orosius 5, 15 schon proconsul, Justin 32, 3 und
Gellius 3, 9, 7 dagegen richtig consul.
JENSEIT DES RHEINS. 297
heiligtümern gelagerten, ungeheuren schatzes zu bemächtigen
(s. 166). |
Allein die Römer machten sich nun auf einen angriff der
barbaren von Gallien her gefasst und im j. 105 waren, wohl in
der ungewisheit von welcher seite derselbe erfolgen würde, drei
ansehnliche heere so aufgestellt dass der proconsul Caepio sein
commando im westen der Rhone behielt, der consul C. Mallius*
Maximus im centrum östlich vom flusse stand und sein legat, der
consular M. Aemilius Scaurus mit seiner abteilung nordwärts in
das gebiet der Allobrogen vorgeschoben war. der plan war wohl
dass je nach den umständen der consul der einen oder der andern
abteilung zu hilfe kommen und überhaupt ein zusammenwürken
der drei heereskörper stattfinden sollte. allein die unbotmäfsig-
keit des Caepio verhinderte die ausführung. Scaurus, den der
erste stols traf, blieb ohne unterstützung: er wurde geschlagen,
gefangen und getötet, und als darnach Caepio zwar auf das linke
Rhoneufer herüberkam, aber dem Mallius sich nicht unterordnete,
sondern selbständig zu handeln fortfuhr, erfolgte oder begann am
6. october (Plutarch Lucull. 27) die furchtbare schlacht bei Arausio,
in der beide consularische heere, wie Livius nach Valerius Antias
erzählte**, 80 000 soldaten, 40000 trossknechte bis auf zehn mann,
die entkamen, vernichtet wurden; während nach Posidonius (s. 129)
bei Diodor 36, 1 (vgl. fr. Vat. 36, 16) in dem ganzen kriege in
Gallien beinahe 60000 auserlesene soldaten umkamen und nach
einer freilich späten nachricht (s. 290 anm.) Marius auch noch
trüämmer von dem heere des Mallius und Caepio vorfand.
vor dem angriff hatten die Kimbern friede angeboten und ihre
alte bitte um land und um korn zur aussaat wiederholt (Dio fr.
91, Granius p. 16 Bonn.), aber Caepio hätte ihre gesandten bei-
nahe umgebracht und die schmähliche behandlung und abfertigung
derselben erbitterte sie so dass sie das ganze heer der Römer
den göttern weihten und in folge davon alle gefangenen henkten,
die rosse ertränkten, die ganze beute, waffen und kostbarkeiten
vernichteten oder in den fluss warfen, ebenso wie es im j. 58
* dass der consul nicht M. Manlius, wie in den hss. der Germania 37,
oder Cn. Manlius, wie man dort emendiert hat und in der per. Liv. 67 und
bei Sallust Jug. 114 überliefert ist, sondern Gnaeus Mallius hiefs, ist durch
inschriften (CIL. 1, 113. 163. 536) und andre zeugnisse (Plutarch Mar. 19, Dio
fr. 91, Val. Max. 2, 8, 2, uam.) unzweifelhaft erwiesen.
** ner. 67, Orosius 5, 16. über Granius oben 8. 122 anm. 2.
298 DIE KIMBERN UND TEUTONEN
n. Ch. von den Hermunduren mit dem chattischen heere geschah
nach Tacitus Ann. 13, 57 und wie es später bei erbitterten volks-
kämpfen noch öfter geschehen ist*.
dass aber damals nicht allein die Kimbern, sondern auch die
Teutonen und zugleich die Helvetier gegen die Römer zu felde
lagen, ist gewis genug. Posidonius schrieb sogar den Ambronen,
dem streitbarsten teile der Teutonen, den hauptsächlichsten anteil
an der niederlage des Mallius und Caepio zu nach Plutarch
Mar. 19 und die rede der soldaten des Marius (s. 293) setzt die
teilnahme der Teutonen gleichfalls voraus. Kimbern und Teutonen
haben den Scaurus, Caepio und Mallius geschlagen nach Plutarch
Mar. 11, Vellejus 2, 12, Valerius Maximus 4, 7, 3; und Sertorius
(Plut. Sert. 3) diente unter Caepio gegen beide völker. Florus 1,
37, Eutrop 5, 1 und Orosius 5, 16. 6, 14 fügen noch die Tiguriner,
Eutrop und Orosius überdies die Ambronen hinzu und sie müssen hier
diese namen bei Livius oder in ihrer epitome Liviana (s. 122 anm. 1)
gefunden haben, wenn auch Eutrop und Orosius weiterhin damit
in verwirrung geraten. alle andern aber, aus Livius oder anders-
woher stammenden zeugnisse, die wenn sie nicht wie Sallust (Jug.
114) und Appian (Celt. 1, 2) von Galliern oder Kelten reden, nur
von Kimbern wissen**, sind dagegen übermäfsig abgekürzt und von
keiner bedeutung.
Nach dem siege bei Arausio stand Italien, wehrloser als je,
den Kimbern und genossen zum dritten male offen. da im an-
fange des feldzuges, wie die unterredung mit dem gefangenen
Scaurus zeigt (per. Liv. 67, Granius p. 16), entschieden die ab-
sicht bestand über die Alpen vorzudringen und die jahreszeit kaum
daran hinderte, so ist nicht abzusehen warum sie nicht zur aus-
führung kam. vielleicht war uneinigkeit unter den drei verbün-
* nach der formel ‘Ödinn ἃ γᾶν alla’ (Grimm Myth. 134) und nach den
moorfunden in Schleswig und Dänemark, CEngelhardt Thorsbjerg mosefund,
Kjöbenhavn 1863. Nydam mosefund 1865. Annaler for nordisk oldkyndighed
1860 8. 50 ff. usw.
** aufser per. Liv. 67, Granius p. 16. 20 Bonn. Dio fr. 90. 91; Tacitus
Germ. 37, Quintilian Decl, 3, 13, Justin 32, 3, Vegetius de re mil. 3, 10
(s. 290); Plutarch Lucullus 27. Appian Illyr. 4 (s. 291 anm. 1) fährt fort nach —
μέχρι. Πυρήνης ἐλεηλάτουν. ἐπιστρέφουσι δ᾽ αὐτοῖς ἐς τὴν ἕω, Ρωμαῖο; δεδιότες ὑπὸ
μνήμης τῶν προπεπολεμηχότων σφίσι Κελτῶν, un χαὶ olds ἐς τὴν ᾿Ιταλίαν ὑπὲρ
Ἄλπεις ἐςβαλοιεν, ἀπήντων ἅμα τοῖς ὑπάτοις χαὶ πανστρατιᾷ δεώλλυντο. xai τὸ
πάϑος τοῦτο Ῥωμαίων μέγα δέος Κελτὼν ἐς ὅλην τὴν ᾿Ιταλίαν ἐνέβαλε, μέχρι
Γάιον Μάριον ἑλόμενοι --- τοὺς Kiußpovs ἐνίχων χελ.
JENSEIT DES RHEINS. 299
deten völkerhaufen die ursache. die Kimbern trennten sich ab
und die Teutonen und Helvetier wandten sich wieder nach Gallien
zurück. denn anders ist jetzt, wenn die teilnahme dieser an dem
feldzuge des j. 105 feststeht, die nachricht des Livius (per. 67,
Obseq. 43) nicht zu verstehen und damit die unbestimmtere an-
gabe Plutarchs (Mar. 14) dass im j. 104, als Marius den ober-
befehl erhielt, der strom der barbaren gewisser mafsen rückläufig
geworden sei und sich zuerst nach Iberien ergossen habe, nicht in
widerspruch. auch Caesar scheint zunächst an diesen zug nach
Spanien gedacht zu haben, wo er einmal blofs die Kimbern nennt
und sich so unbestimmt ausdrückt dass sie ‘alias terras’ aufgesucht
hätten (s. 295). nach Livius verwüsteten die Kimbern zuerst alles
zwischen der Rhone und den Pyrenaeen, fielen dann in Spanien ein —
Pyrenaeus Germanorum transitus non inhibuit (Seneca ad Helv. 6,
9) —, plünderten auch da manche gegenden aus, von den Kelti-
berern aber jenseit des Ebrotals geschlagen kehrten sie nach
Gallien zurück, um mit den Teutonen und wir dürfen hinzusetzen,
auch mit den Helvetiern sich wieder zu vereinigen. dies muss
im j. 103 geschehen sein. der widerspruch zwischen Caesar und
Livius (8. 289), indem jener behauptet, die Belgen hätten allein
von allen Galliern die Kimbern und Teutonen von ihren grenzen
ferngehalten, dieser aber dass die vereinigung beider damals bei
einem der südlichsten belgischen völker nördlich von der Seine,
bei den Veliocassern oder Bellovaken stattgefunden habe, ist nicht
so schlimm, da nach Caesar selbst (s. 201 anm. 1) die Kimbern und
Teutonen bei ihrem abzuge gegen Italien die unter den Belgen
später angesiedelten Aduatuker eben dort zum schutze ihres gepäcks
zurückliefsen, seine behauptung also nicht so strenge zu nehmen ist.
überdies könnte man daran denken dass beide völker sich zu einem
angriff gegen die Belgen vereinigt und erst, als dieser nicht gelang,
zum zuge nach Italien sich entschlossen hätten. doch ist dies
schwerlich anzunehmen. Livius erwähnte die vereinigung gewis
nur, weil sich der entschluss nun endlich gegen Italien vorzugehen
und auf drei verschiedenen punkten in dasselbe einzudringen
(s. 131 1.) unmittelbar daran knüpfte. die vorbereitungen des unter-
nehmens nahmen den herbst und winter in anspruch, der aufbruch
aber mit dem frühjahr 102 befreite endlich im siebenten jahre
Gallien von den fremden gästen und dass Caesar und Livius hin-
sichtlich der gegend von der er ausgieng wesentlich übereinstim-
men, ist jedesfalls höher anzuschlagen als daneben ihr widerspruch.
300 DIE BEDEUTUNG DER WANDERUNG.
Nach alledem waren, wenn auch die Kimbern vorzugsweise
genannt werden, doch die Teutonen von anfang an in ihrem gefolge
und nicht nur die ‘geringeren zeugen’ (s. 290), sondern die ge-
wichtigsten, Posidonius Caesar Livius waren darüber einverstanden.
wenn daher die Teutonen nicht viel später aus ihrer heimat auf-
gebrochen und den Kimbern nachgezogen sind, so verliert die
folgerung (s. 289), dass wenn jene von der Nordsee, diese süd-
licher vom gebiet der mittleren Elbe ausgiengen, allerdings eine
stütze; aber sie bedarf derselben glücklicher weise nicht um zu
bestehen. durch die namen Teutonen und Kimbern werden zwei
völkermassen unterschieden, die aus mehreren kleineren, unter be-
sonderen führern und königen stehenden volkshaufen zusammen-
gesetzt sind (5. 114. 117 ἢ), und jede tritt auch, namentlich in den
letzten jahren seit dem zuge der Kimbern nach Spanien, selb-
ständig handelnd für sich auf. sie müssen auch von verschiedener
herkunft sein, und wenn die Teutonen vom ocean, können die
Kimbern, die den vortrab bildeten und lange an der spitze des
zuges blieben, nur aus dem gebiet der Elbe gekommen sein, da
der erste stofs die Boier in Böhmen traf und zwar von norden
her (s. 290). das bestätigt sich auch noch weiter.
Ein so massenhafter, ungeheurer und abenteuerlicher wander-
und kriegszug wie der der Kimbern und Teutonen kann nicht als
gleichgiltig und bedeutungslos für die geschichte der nation von
der er ausgieng angesehen werden. er muss mit irgend einer
grofsen wendung in ihrem leben zusammenhangen — ohne das ist
er weder möglich noch denkbar — , und dieser zusammenhang ist
hier auch ganz wohl erkennbar.
die Volcae Tectosages, die als die Boier noch Böhmen inne
hatten, westlich von ihnen am Maine und in Hessen gesessen
haben müssen (8. 277 f.), sind zu Caesars zeit von dort durch die
Sueben verdrängt und Chatten und Marcomannen sind an ihre
stelle getreten, beides hochdeutsche völker, wenn auch der unter-
schied so wie er später sich herausbildete noch nicht bestand, die
sich nur von den Hermunduren und Semnen an der mittleren Elbe
jenseit des urwalds abgesondert haben können. die Marcomannen
geben noch durch ihren namen zeugnis dass sich ihr volk erst
innerhalb der grofsen mark im süden der Hercynien gebildet hat*.
* Zeufs 114f. 518 Grimm GDS. 503. ‘Marcomani’ sind bewohner der
marke, des grenzlandes, altn. markamenn bewohner von waldstrecken. dass das
DIE BEDEUTUNG DER WANDERUNG. 301
noch verhalten sich die Sueben spröde gegen die einflüsse der
südlichen und westlichen cultur, wenn auch nicht ganz so wie die
belgischen Nervier (Caesar Be. 2, 15). kaufleute lassen sie zu,
aber mehr um ihre kriegsbeute zu verhandeln als um etwas ein-
zukaufen: wein lassen sie durchaus nicht einführen (Be. 4, 2). ihren
westlichen germanischen nachbarn, die sich schon mehr der galli-
schen cultur gefügt haben, sind sie feind. die ehedem blühende
und mächtige volksgemeinde der Ubier d.i. die üppigen, reichen
oder kecken* haben sie zinsbar gemacht und so herunter gebracht
(Βα. 4, 3) dass sie bald bei den Römern jenseit des Rheins schutz
suchen. sie sollen auch die Usipier und Tencterer viele jahre ge-
plagt und zuletzt im j. 59 vor Ch. zur auswanderung aus ihrer
heimat gezwungen haben (Be. 4, 1. 4), man errät nicht aus welcher
gegend; nur verrät vielleicht der name Usipii oder Usipetes (s. 230)
dass sie schon ehedem nachbarn der Gallier waren.
die Vangiones im Wormsfelde (got. vaggs altn. vangr ahd.
alts. ags. uuang ebene, feld), die Nemetes in der Rheinebene von
Speier und weiter südwärts, die Triboci d. i. die hügelbewohner
längs dem Wasgenwalde, beide mit gallischen namen, sind wahr-
scheinlich erst unter Ariovist hier angesiedelt**, obgleich wir durch
Caesar (Be. 1, 31) von keiner andern landabtretung an die Ger-
manen erfahren als dass die Sequaner, die bis dahin wohl das
obere Elsass besalsen, den dritten teil ihres gebietes hätten her-
geben müssen. noch ungewisser ist wie und wann die gleichfalls
hochdeutschen Quaden in Mähren platz gefunden haben, ob schon
vor der übersiedelung der Marcomannen nach Böhmen oder erst
wort etymologisch ‘die land- oder grenzwehr’ bedeute, ist nicht wahr, und
was die übrigen, allzu rasch hingeworfenen behauptungen Mommsens (Röm.
gesch. 83, 229 anm.) betrifft, so unterlasse ich ihre widerlegung, da ihm selbst
bei einigem nachdenken ihre unhaltbarkeit ebenso einleuchten wird wie jedem
andern, der sich in altgermanische dinge hinein denkt.
* wie got. lubi ahd. luppi, got. stubjus ahd. stuppi, got. sibja ahd. sippa,
so führt ahd. uppi notwendig auf ehemaliges ubjis = Ubius, wofür die Goten
nach ufjo περισσόν ufjis sagten, wie ufar statt ubar. Haupts 28. 9, 130f.
** Mommsen Röm. gesch. 32, 242, obgleich Zeufs 217 andrer meinung ist.
seine aufstellung der drei völker weils ich nicht zu bestreiten, aber auch nicht
entschieden zu verteidigen. Caesar Be. 1, 1. 4, 10 (vgl. Strabo p. 193) nennt
die Sequaner und Mediomatriker noch als Rheinanwohner, wohl weil ihnen das
gebiet ehedem gehörte, Ba. 6, 25 aber die Nemeter neben den Rauraken und
Helvetiern. über die namen Triboci Glück s. 1581 Zeufs 220, Nemetes Zeufs
880. Gr.?, 10. 85. 161.
802 DIE REDEUTUNG DER WANDERUNG.
mit diesen durch Maroboduus, wo nur die Varisten, ohne zweifel
eine abteilung der Marcomannen, am Fichtelgebirge zurückblieben.
die zweite, an sich nicht gerade wahrscheinlichere annahme findet
keine entschiedene stütze an Strabo p. 290*, da hier abgesehen
von der so unbestimmten angabe ἄλλους μετανέστησε πλείους nur
eine von seinen randnotizen, die er sich für die letzte bearbeitung
seines werkes gemacht hatte, in den text geraten ist.
wie dem aber auch sei, der hercynische urwaldgürtel, der
ehedem Altgermanien absperrte (s. 235 f.), ist durch die vordrin-
genden Chatten und Marcomannen durchbrochen und damit das
gesicht der nation, das bisher dem norden und teilweise dem
westen zugekehrt war, mit einem male gen süden und südwesten
gerichtet. das widerstreben gegen die von daher andringende
cultur hilft zu nichts. die nation ist in den zusammenhang der welt-
geschichte eingetreten und in eine bahn gekommen, auf der keine
‘rückkehr, nur ein stätiges, selbtätiges vorwärtsschreiten möglich
ist. dass diese grofse wendung, die folgenreichste und gröste im
ganzen leben der nation eingetreten war, beweist der zug der
Kimbern und Teutonen, die an die pforten Italiens pochend und
selbst sie durchbrechend zuerst die entsetzte alte welt das nie ge-
sehene, unbekannte volk der Germanen kennen lehrten und mit
ungestüm es als eine weltgeschichtliche macht von nun an anzu-
erkennen zwangen. Ä
Jene wendung aber fällt daher auch wesentlich mit dem zuge
selbst zusammen und wohl begreift es sich dass der ruck den der
durchbruch der Marcomannen und Chatten ausübte längs der Elbe
weithin nach norden zurückwirkte und eine bewegung hervor-
brachte, die mit wilder naturgewalt die massen mit sich fortriss
und weit über das nächste ziel hinaus schleuderte. der durch-
bruch der Chatten und Marcomannen durch den hercynischen
bergwald ist der anfang und zugleich das feste resultat der kim-
brischen bewegung. der weg ins südliche Deutschland war ge-
öffnet und allein das verhängnis in der brust der menschen trieb
weiter um mit einem male durch raub und gewalttat alles das zu
gewinnen was die arme, rauhe heimat versagte. wenn aber die
Chatten und Marcomannen hochdeutsche völker waren, die Teu-
* — τὰ τῶν Σοήβων ἔϑνη, τὰ μὲν οἰκοῦντα ἐντὸς τοῦ δρυμοῦ, [καϑάπερ τὰ
τῶν Κοαδούων,) ἐν οἷς ἐστι χαὶ τὸ Βουίαιμον τὸ τοῦ Μαροβόδου βασέλειον, εἷς ὃν
ἐκεῖνος τόπον ἄλλους τε μετανέστησε πλείους χαὶ δὴ καὶ τοὺς ὁμοεϑνεῖς ἑαυτῷ
Magxouuavovs. xt).
POSIDONIUS ÜBER GALLIEN UND DIE GALLIER. 803
tonen von der Nordsee herkamen, also zum inguaeischen, die Kim-
bern jedoch von verschiedener herkunft zu einem andern stamme
gehörten, so müssen diese wohl, da keine andre wahl bleibt, wie
jene von den völkern an der mittleren Elbe ausgegangen sein und
Hermunduren Semnen Cherusker Langobarden in sich begriffen
haben.
Hiemit sind diese untersuchungen geschlossen und wir könnten
nun unmittelbar zu der erörterung der nachrichten der Römer
übergehen, die zuerst und allein ein zusammenhängendes bild vom
alten Germanien gewähren. allein es kommt nicht so sehr darauf
an sich dieses bild in seiner breite und fülle zusammen zu setzen,
als den zustand, den es vor augen stellt, historisch als geworden
und werdend im verhältnis zum vorher und nachher zu begreifen.
bei dieser aufgabe aber steht für die auffassung und beurteilung
aller einzelheiten und seiten des lebens &in augenmerk unver-
rückbar fest, der ursprung und die herkunft der nation selbst. es
handelt sich um nichts anderes als ihre genesis und älteste gestalt
zu erkennen. es ist daher unvermeidlich zunächst den ursprung
in der weise ins auge zu fassen, dass man zusieht was sich dar-
über aus dem zusammenhange der europaeischen bevölkerung er-
gibt, und nicht zu bezweifeln dass methodische erwägung und
untersuchung auch hier zu einem ziele führt.
Exceurs zu 8. 177.
Nachdem Diodor von den inseln im westlichen Europa ge-
handelt und c. 23 seine auszüge aus Timaeus beendet hat, meint
er es sei passend auch die völker jener gegenden kurz durch zu
gehen und beginnt c. 24 mit einem mythus von dem ursprung des
namens Galates, den er demselben zusammenhange mit 4, 19, der
mythengeschichte des Dionysius von Mytilene entnimmt. c. 25
folgen dann nachrichten anderer art, zunächst fragmente einer
allgemeinen landesbeschreibung von Gallien, und dass von hier an
bis c. 40 Posidonius von Diodor excerpiert ist, wird teils durch
seine übereinstimmung mit Strabo, der jenen noch oft als seinen ge-
währsmann nennt, öfter aber stillschweigend auszog, teils durch
citate des Athenaeus erwiesen. ich werde im folgenden die selbst
904 POSIDONIUS BEI DIODOR UND STRABO
wörtliche übereinstimmung Diodors und Strabos an den einzelnen
beispielen zeigen, mich aber im übrigen auf den nachweis der
entsprechenden stellen und die nötigen bemerkungen dazu zu be-
schränken suchen. die zerlegung der capitel Diodors in ihre ab-
schnitte oder paragraphen lässt nebenher einen blick tun in die
zusammensetzung seiner arbeit.
c. 25, 1. ἡ τοίνυν Γαλατία κατοικεῖται μὲν ὑπὸ πολλῶν ἐϑνῶν
διαφόρων τοῖς μεγέϑεσι. τὰ μέγιστα γὰρ αὐτῶν σχεδὸν εἴκοσι
μυριάδας ἀνδρῶν ἔχει, τὰ d’ ἐλάχιστα πέντε μυριάδας. ὧν ἐστιν ὃν
πρὸς Ρωμαίους ἔχον συγγένειαν παλαιὰν καὶ φιλίαν τὴν μέχρι τῶν κα 9
ἡμᾶς χρόνων διαμένουσαν. Strabo p. 191 Apovepyos --- μυριάσιν
εἴκοσι — διηγωνίσαντο -- πρὸς Μαξιμον τὸν Αἰμιλιανόν, καὶ
πρὸς Δομίτιον δ' ὡσαύτως Amvößapßov. p. 192 οἱ δὲ Aldova
καὶ συγγενεῖς Ῥωμαίων ὠνομάζοντο καὶ πρῶτοι τῶν ταύτῃ προς-
ἥλθον πρὸς τὴν φιλίαν καὶ συμμαχίαν. Caesar Βα. 1, 33 Hae-
duos, fratres consanguineosque saepenumero ἃ senatu appel-
latos, in servitute atque in dicione videbat Germanorum.
weder für Diodor noch für Strabo braucht Caesar quelle zu sein.
wegen Diodors χαϑ'᾽ ἡμᾶς vgl. zu 39, 5. 2. χειμένῃ δὲ —
περαιοῦνται. Strabo p. 178 sagt von den wintern Galliens nichts
und hat von dem klima dort keine so schlimme vorstellung; aber
s. zu 26, 2. 3. πολλῶν δὲ καὶ μεγάλων ποταμῶν — εἰς τὴν
ϑαλατταν. Strabo p. 177. 185. 188 f., indem er die wichtigkeit der
gallischen flüsse für den handelsverkehr von meer zu meer her-
vorhebt, ist in sofern vollständiger als Diodor. aber Diodor hat
nach 26, 4 dasselbe nur übergangen. vgl. noch zu 38, 3. Strabo
p. 182f. beschreibt und bespricht das steinfeld oberhalb der Rhone-
mündungen nach Posidonius, und dieser muss auch die frage ob
der fluss zwei, drei, fünf oder sieben mündungen habe (DA.|1,
196. 197 f.) erörtert haben. dass wir gerade über seine meinung
durch Strabo p. 183. nichts erfahren, rührt wahrscheinlich nur
daher weil Strabo fortfuhr ihn auszuziehen: auf ihn deutet nament-
lich noch die notiz über die anlage des canals durch Marius und
dass Marius denselben den Massalioten als ἀριστεῖον in dem kriege
gegen die Ambronen und Teutonen verliehen habe. es ist leicht
möglich dass Posidonius sich mit Timaeus (DA. 1, 462. 467. 472)
und gegen Polybius für fünf mündungen entschied. aber selbst
wenn er die meinung desselben nur erwähnte, kann es nicht auf-
fallen dass Diodor gerade sie aufgriff und den Rhodanus πέντε
στόμασι» ins meer fliesen lässt, da er kurz vorher bis c. 23 den
ÜBER GALLIEN UND DIE GALLIER. 305
Timaeus ausgezogen hatte. 4. τῶν δ᾽ εἷς τὸν ὠκεανὸν ῥεόντων
— Γαλάτας. dass der satz im wesentlichen von Diodor herrührt
(s. 179), lässt die erwähnung von Caesars Rheinübergang nicht
zweifelhaft. doch konnte Posidonius gewis nicht nur den Rhein
erwähnen (DA. 1, 487 f.), sondern hat es wahrscheinlich auch getan,
da er nach ὃ 3 von mehreren gallischen flüssen wuste, die wie die
Rhone ἐκ λιμνῶν ἀβύσσων abfliefsen. aufserdem gesteht Diodor
selbst ein dass er die ihm vorliegende darstellung abkürzt: πολλοὶ
δὲ καὶ ἄλλοε πλωτοὶ ποταμοὶ κατὰ τὴν Κελτικήν εἶσι, περὶ ὧν
μακρὸν ἂν εἴη γράφειν. 5. πάντες δὲ --- ἔχουσι —=?. auch wenn
Strabos darstellung nicht mit ὃ 3 übereinstimmte, würde man das
cap. wegen seines zusammenhanges mit dem folgenden mit diesem
aus derselben quelle ableiten müssen.
ὁ. 26, 1. Ἤδιον δέ τε καὶ παραδοξον συμβαίνει κατὰ τὴν
πλείστην (?) τῆς Γαλατίας ---. ἀπὸ γὰρ ϑερινῆς δύσεως καὶ ἄρκτου
πνεῖν εἰώϑασιν ἄνεμοι τηλικαύτην ἔχοντες σφοδρότητα καὶ δύναμιν
ὥςτε ἀναρπάξειν ἀπὸ τῆς γῆς λίϑους χειροπληϑιαΐίους τοῖς
μεγέϑεσι καὶ τῶν ψηφίδων ἀἁδρομερῇ κονιορτόν. καϑόλου δὲ καται-
γίζοντες λάβρως ἁρπαζουσιν ἀπὸ μὲν τῶν ἀνδρῶν τὰ ὅπλα καὶ
τὰς ἐσϑῆτας, ἀπὸ δὲ τῶν ἵππων τοὺς ἀναβάτας. Strabo p. 182
Ἕν μὲν οὖν ἔχει παράδοξον ἡ προειρημένη παραλία ---- μεταξὺ
γὰρ τῆς Μασσαλίας καὶ τῶν ἐκβολῶν τοῦ Podavov πεδίον --- μεστόν
ἐστι λίϑων χειροπληϑῶν —. ἅπασα μὲν οὖν καὶ ἡ ὑπερκειμένη
χώρα προςήνεμός ἔστι͵ διαφερόντως δ᾽ εἰς τὸ πεδίον τοῦτο τὸ
μελαμβόρειον καταιγίζει πρεῦμα βίαιον καὶ φρικῶδες " φασὶ γοῦν
σύρεσϑαι καὶ κυλινδεῖσϑαι τῶν λίϑων ἐνίους, καταφλᾶσϑαι δὲ
τοὺς ἀνθρώπους ἀπὸ τῶν ὀχημάτων καὶ γυμνοῦσθαι καὶ ὅπλων
xai ἐσϑῆτος ἀπὸ τῆς ἐμπνοῆς. man sieht aus Strabo wie Diodor
dazu gekommen ist die Bise auf den grösten teil von Gallien aus-
zudehnen und durch sie sogar faustgrofse steine emporschleudern
statt fortrollen zu lassen. es gehört das stück zu der beschrei-
bung der Rhone 25, 3. 2. διὰ δὲ τὴν ὑπερβολὴν — χρῶνται.
Strabo p. 178 προϊόντι δ' ἐπὶ τὰς ἄρκτους καὶ τὸ Κέμμενον ὄρος
ἢ μὲν ἐλαιόφυτος καὶ συκοφόρος ἐκλείπει, τἄλλα δὲ φύεται. καὶ ἡ
ἄμπελος δὲ προϊοῦσιν οὐ ῥᾳδίως τελεσφορεῖ. Diodors satz knüpft
an 25, 2.5 an und man sieht dass Strabo die darstellung des
Posidonius wohl ermäfsigte, aber andererseits auch dass Diodor
25, 2.5 und hier dummer weise wieder etwas verallgemeinert und
übertreibt, was Posidonius nur von der nördlicheren Keltike ge-
sagt hatte. 3. xaroıvos — τρέπονται. über die μανιώδεις
DEUTSCHE ALTEBRTUMSKUNDE II. 20
806 POSIDONIUS BEI DIODOR UND STRABO
διαϑέσεις vgl. 28, 3. 4. διὸ καὶ πολλοὶ — ἀμειβόμενοι. der
satz setzt die von Strabo gegebene darstellung (8. zu 25, 3) vor-
aus. im übrigen vgl. zu 2—4 Posidonius fr. 25 bei Athenaeus
p. 152 τὸ δὴ πινόμενόν ἐστι παρὰ μὲν τοῖς πλουτοῦσιν οἶνος ἐξ
[ταλίας καὶ τῆς Μασσαλιητῶν χώρας παρακομιζόμενος͵ ἄκρατος
δ᾽ οὗτος" ἐνίοτε δὲ καὶ ὀλίγον ὕδωρ παραμίγνυται " παρὰ δὲ τοῖς
ὑποδεεστέροις ζύϑος πύρινον μετὰ μέλιτος ἐσχευασμένον " παρὰ δὲ
τοῖς πολλοῖς καϑ' αὗτο᾽ καλεῖται δὲ κόρμα (DA. 1, 395).
c. 21,1. Kara γοῦν τὴν Γαλατίαν ἄργυρος μὲν τὸ σύνολον
οὗ γίνεται, χρυσὸς δὲ πολὺς, ὃν τοῖς ἐγχωρίοις 7 φύσις ἄνευ
μεταλλείας καὶ κακοπαϑείας ὑπουργεῖ. ἡ γὰρ τῶν ποταμῶν —
sis τὴν χωνείαν. wieder hat Diodor etwas verallgemeinert. Athe-
naeus ἢ. 233 οὐχ οἱ μεταλλεύοντες μόνοι, ἀλλὰ καὶ οἱ τὰ μεεαλλευ-
ϑέντα συναγείροντες μυρίοις μόχϑοις ϑηρεύουσι τὴν περίβλεπτον
ταύτην πολυχτησίαν. δείγματος μὲν οὖν χάριν *** ἐπείπερ ἐπιπό-
λαιον αὐτῶν ἐστι τὸ γένος, εἴ γ᾽ ὃν ταῖς ἐσχατιαῖς τῆς οἰχουμένης
καὶ ποτάμια τὰ τυχόντα Ψψήγματα χρυσοῦ καταφέρεν καὶ ταῦτα
γυναῖκες καὶ ἄνδρες ἀσϑενεῖς τὰ σώματα σὺν ταῖς ἄμμοις ὑποψήχοντες
διιστᾶσι καὶ πλύναντες ἄγουσιν ἐπὶ τὴν χώνην, ὡς παρὰ τοῖς
«Ελουητίοις φησὶν ὁ ἐμὸς Ποσειδώνιος καὶ ἄλλοις τισὶ τῶν Κελτῶν.
Strabo nennt zweimal p. 193. 293, dem Posidonius folgend (8. 152),
die Helvetier πολυχρύσους und ebenso p. 188 Gallien überhaupt
eine χώρα πολύχρυσος. er erwähnt auch der goldgruben bei den
Tarbellern an den Pyrenaeen p. 146. 190 und des reichtums des
Arverners Luerius p. 191 nach Posidonius fr. 25 bei Athenaeus
p. 153. er kennt aber auch silbergruben in den Cevennen bei den
Rutenen und Gabalern p. 191, so dass diese entweder zur zeit des
Posidonius noch nicht geöffnet oder bekannt waren oder aber die
behauptung Diodors zu anfang seines cap. von ihm erdichtet ist.
2. τούτῳ δὲ τῷ τρόπῳ σωρδύοντες χρυσοῦ πλῇϑος καταχρῶνται
πρὸς κόσμον οὐ μόνον αἱ γυναῖκες ἀλλὰ καὶ οἱ ἄνδρεςς περὶ
μὲν γὰρ τοὺς χαρποὺς καὶ τοὺς βραχίονας ψέλεα φοροῦσι,
περὶ δὲ τοὺς αὐχένας κρίκους ---- ϑώρακας. Strabo p. 197 πρόςεστι
καὶ τὸ φιλόκοσμον ᾿ χρυσοφοροῦσί τε γάρ, περὶ μὲν τοῖς τραχήλοις
σερεπτὰ ἔχοντες περὶ δὲ τοῖς Boaylocı καὶ τοῖς καρποῖς
weise, 3. ἔδιον δέ τι — οὐδεὶς ἅπτεται τούτου διὰ τὴν
δεισιδαιμονίαν, καίπερ ὄντων τῶν Κελτῶν φιλαργύρων καϑ'
ὑπερβολήν. Posidonius bei Strabo p. 188 von dem heiligen schatz
in Tolosa (8. 167), ἡ χώρα πολύχρυσος οὖσα καὶ δεισειδαιμόνων
ἀνθρώπων -- πολλαχοῦ ἔσχε ϑησαυρούς" μάλισεα δ' αὐτοῖς αἱ
ÜBER GALLIEN UND DIE GALLIER. 307
λίμναι τὴν ἀσυλίαν παρεῖχον — μηδενὸς προςάπεεσθϑαι ϑα-
δοῦντος.
6. 28, 1. 0 δὲ Γαλάται --- φέρεται τὸ πόμα. 8. oben 8. 181.
Strabo p. 196 καὶ χομοτροφοῦσι. 2. δειπνοῦσι δὲ καϑήμενοι
πάντες οὐκ ἐπὶ ϑρόνων ἀλλ᾽ ἐπὶ τῆς γῆς, ὑποσερώμασι χρώμενοι
λύκων ἢ κυνῶν δέρμασι. Strabo p. 197 χαμευνοῦσι δὲ καὶ
μέχρι νῦν οἱ πολλοὶ καὶ καϑεζόμενοι δειπνοῦσιν dv στιβάσι. Athe-
naeus p. 151 Ποσειδώνιος — ᾿Κελτοὶ" φησὶ "Tas τροφὰς προτίϑενται,
χόρτον ὑποβάλλοντες. der widerspruch ist wohl durch Diodor
verursacht, durch eine übertragung, man vgl. c. 32, 6 οἰώϑασι δ᾽
ἐπὶ δοραῖς ϑηρίων χαμαὶ χαϑεύδοντες. das folgende δια-
κονοῦνται --- τίνων χρείαν ἔχουσιν fehlt bei Strabo und Athenaeus
p. 1614. Diodor und Athenaeus haben beide die sehr ausführ-
liche schilderung des Posidonius ungleich ausgezogen, aber doch
so dass noch eine beziehung zwischen ihren excerpten sichtbar
bleibt s. 153 f. und dass Athenaeus p. 151 f. nur übergieng was
Diodor an unserer, s. 154 ausgehobenen stelle berichtet, lehrt p. 154
sein zweites excerpt aus dem drei und zwanzigsten buch des
Posidonius (fr. 24), das zugleichl mit für Diodors ἃ 3 zeugt.
3. εἰώϑασι δὲ χαὶ παρὰ τὸ δεῖπνον ἔκ τῶν τυχόντων πρὸς τὴν
διὰ τῶν λόγων ἅμιλλαν καταστάντες ἐκ προκλήσεως μονομαχεῖν πρὸς
ἀλλήλους, παρ᾽ οὐδὲν τιϑέμενοι τὴν τοῦ βίου τελευτήν. ἐνισχύει γὰρ
παρ᾽ αὐτοῖς 6 Πυϑαγόρου λόγος ὅτε Tas ψυχὰς τῶν ἀνθρώπων
ἀϑανάτους εἶναι συμβέβηκε καὶ di’ ἐτῶν ὡρισμένων πάλεν βιοῦν, ἐς
ἕτερον σῶμα τῆς ψυχῆς εἰςδυομένης. διὸ κτλ Athenaeus p. 154
Ποσειδώνιος — ὁ Κελτοὶ φησὶν “ἐνίοτε παρὰ τὸ δεῖπνον μονομα-
χοῦσιν. ὃν γὰρ τοῖς ὅπλοις ἀγερϑέντες σκιαμαχοῦσι καὶ πρὸς ἀλλή-
λους ἀκροχειρίζονται, ποτὲ δὲ καὶ μέχρε τραύματος προΐασι καὶ
ἐχ τούτου ἐρεϑισϑέντες, ἐὰν μὴ ἐπισχῶσιν οὗ παρόντες, καὶ ἕως
ἀναιρέσεως ἔρχονται᾽. τὸ δὲ παλαιόν φησιν ὅτε παρατεϑέντων χω-
λήνων τὸ μηρίον ὃ κράτιστος ἐλάμβανεν (—=Diodor ὃ 2)" εἰ δέ τις
ἕτερος ἀντιποιήσαιτο, συνίσταντο μονομαχήσοντες μέχρε ϑανάτου.
ἄλλοι δ᾽ ἐν ϑεάτρῳ, λαβόντες ἀργύριον ἢ χρυσίον, οἵ δὲ οἴνου
χεραμίων ἀριϑμόν τινα — ὕπτιοι ἐκταϑέντες ἐπὶ ϑυρεῶν κεῖνται
καὶ παραστάς τις ξίφει τὸν λαιμὸν ἀποχκόπτει. vgl. Strabo p. 197
ἀφθάρτους δὲ λέγουσε καὶ οὗτοι (δρυΐδαι) καὶ οἱ ἄλλον (βάρδοι
καὶ οὔάτεις) τὰς ψυχὰς καὶ τὸν χύσμον. Caesar Be. 6, 14 Druides
— inprimis hoc volunt persuadere non interire animas, sed ab
aliis post mortem transire ad alios, atque hoc maxime ad virtu-
tem excitari putant metu mortis neglecto. verglichen mit Strabo
205"
808 POSIDONIUS BEI DIODOR UND STRABO
und Diodor, verrät Caesar auch hier wie c. 16 (8. 182 anm.1) seine be-
kanntschaft mit Posidonius. dass Athenaeus den Posidonius keines-
wegs immer wörtlich ausschrieb, sondern bald mehr bald weniger
als Diodor gibt, zeigte sich auch schon 26, 4. 27,1.
6, 29, 1. Ἐν δὲ ταῖς ὁδοιπορίαις καὶ ταῖς μάχαις —. vgl.
30,3 γυμνοὶ μαχόμενοι. 2. κατὰ δὲ τὰς παρατάξεις. — vgl. 31,
1. 2. Pos. fr. 23 bei Athen. p. 246. 3. τῶν δὲ πεσόντων πο-
λεμίων τὰς κεφαλὰς ἀφαιροῦντες περιάπτουσι τοῖς αὐχέσι
τῶν ἵππων" τὰ δὲ σχῦλα τοῖς ϑεράπουσι παραδόντες — ταῖς
οἰκίαις προςηλοῦσιν ὥςπερ ἐν κυνηγίαις τισὶ κεχειρωμένο: ϑηρία.
τῶν δὲ ἐπιφανεστάτων πολεμίων κεδρώσαντες τὰς κεφαλὰς ἐπι-
μελῶς τηροῦσιν ἐν λάρνακι καὶ τοῖς ξένοις ἐπιδεικνύουσι, σεμνυ-
γόμενοι διότι τῆςδε τῆς κεφαλῆς τῶν προγόνων τις ἢ πατὴρ ἢ
καὶ αὐτὸς πολλὰ χρήματα διδόμενα οὐκ ἔλαβε. φασὶ δέ τινας αὖ-
τῶν χκαυχήσασϑαε διότε χρυσὸν ἀντίσταϑμον τῆς κεφαλῆς οὐκ
ἐδέξαντο κελ. Strabo p. 198 --- τὸ ἀπὸ τῆς μάχης ἀπιόντας τὰς κε-
φαλὰς τῶν πολεμίων ἐξάπτειν ἐκ τῶν αὐχένων τῶν ἵππων,
κομίσαντας δὲ προςπατταλεύειν τοῖς προπυλαίοις. φησὶ
γοῦν Ποσειδώνιος αὐτὸς ἰδεῖν ταύτην τὴν ϑέαν πολλαχοῦ, καὶ τὸ
μὲν πρῶτον ἀηϑίζεσϑαι, μετὰ δὲ ταῦτα φέρειν πράως διὰ τὴν συν-
ἤϑειαν. τὰς δὲ τῶν ἐνδόξων χεφαλὰς κεδροῦντες ἐπεδείκνυον
τοῖς ξένοις, καὶ οὐδὲ πρὸς ἰσυστάσιον χρυσὸν ἀπολυτροῦν
ἠξίουν.
6. 30,1. ἸἘσϑῆσι δὲ χρῶνται καταπληκετεικαῖς, χιτῶσι μὲν βαπ-
τοῖς χρώμασι παντοδαποῖς διηνϑισμένοες καὶ ἀναξυρίσεν, ἃς
ἐκεῖνοι βράκας προςαγορεύουσιν᾽ ἐπιπορποῦνται δὲ σάγους δαβ-
δωτοὺς ἐν μὲν τοῖς χειμῶσε δασεῖς, κατὰ δὲ τὸ ϑέρος —. Strabo
p. 191 xai τὰς ἐσθῆτας βαπτὰς φοροῦσι καὶ χρυσοπαστους οἱ ἐν
ἀξιώματι. Ῥ. 196 σαγηφοροῦσε δὲ — χαὶ avakvpicı χρῶνται
περιτεταμέναις, ἀντὶ δὲ χιτώνων σχιστοὺς χειρειδωτοὺς φέρουσι μέχρε
αἰδοίων καὶ γλουτῶν. ἡ δ᾽ ἐρέα τραχεῖα μὲν ἀχρόμαλλος δὲ, ἀφ᾽
ἧς τοὺς δασεῖς σάγους ἐξυφαίνουσιν οὗς λαίνας καλοῦσιν.
2, ὅπλοις δὲ χρῶνται ϑυρεοῖς μὲν ἀνδρομήκεσι — 8. σαλ-
πιγγας δ᾽ ἔχουσιν ἰδιοφυεῖς καὶ βαρβαρικάς᾽ ἐμφυσῶσι γὰρ ταύ-
ταις καὶ προβάλλουσιν ἦχον τραχὺν καὶ πολεμικῆς ταραχῆς οἰκεῖον.
ϑώρακας — ἀντὶ δὲ τοῦ ξίφους σπάϑας ἔχουσι μαχρὰς --- παρὰ
τὴν δεξίαν λαγόνα παρατεταμένας. 4. προβαλλονται δὲ λόγχας
ἃς ἐκεῖνοι, λαγκίας κχαλοῦσι, πηχυαῖα τῷ μῆκει τοῦ σιδήρου —
s. oben 8. 145 anm. 2. Strabo p. 196 ὁπλισμὸς δὲ σύμμεερος τοῖς τῶν
σωμάτων μεγέϑεσι, μάχαιρα μακρὰ παρηρτημένη παρὰ τὸ δεξιὸν
ÜBER GALLIEN UND DIE GALLIER. 309
πλευρόν, καὶ ϑυρεὸς μαχρὸς καὶ λόγχαι κατὰ λόγον καὶ μά-
δαριες, πάλτον τι εἶδος χτλ. wie Strabo, hat auch der gramma-
tiker des Hesychius 8. v. μαδάρεις den echt gallischen namen des
wurfgeschosses (Glück Kelt. nam. 8. 1841. Zeufs Gr.? 83) gewis
von Posidonius. das lateinische lancea aber, das Varro zwar für
hispanisch hielt (Gellius 15, 30, 7), wird sonst nie für gallisch aus-
gegeben und man möchte dem Diodor ehe eine confusion als dem
Posidonius diesen irrtum zutrauen. doch wird auch lat. laena
sonst niemals als $ 1 von Strabo für gallisch ausgegeben und
31, 2 sind die οὐάτεις wahrscheinlich gleichfalls nichts anderes als
lat. vates*. die sorgfalt, mit der Posidonius die würklichen oder
vermeintlichen gallischen ausdrücke in unserm abschnitte angab,
Boaxa λαῖνα λαγκία μαάδαρις, lässt vermuten dass auch die weis-
heit der grammatiker wegen der heerhörner $ 3 allein auf ihn
zurückgeht, Hesych. χάρνον τὴν σαλπιγγα Γαλάται, Eustath zu
Homer Il. p. 1139 ἡ 7αλατικὴῆ, χωνευτὴ, οὐ πάνυ μεγάλη, τὸν
χώδωνα ἔχουσα ϑηριόμορφόν τινα καὶ αὐλὸν μολύβδινον, sis ὃν
ἐμφυσῶσιν οἱ σαλπισταί. ἔστε δὲ ὀξύφωνος καὶ καλεῖται ὑπὸ τῶν
Κελτῶν κάρνυξ; wodurch Diodors sehr unbestimmte beschreibung
in erwünschter weise ergänzt wird. wie ihre bewafinung (s. 145
anm. 2), so werden auch die Kimbern ihre heerhörner, die als beute
dem Catulus zugeteilt wurden (8. 150), den Galliern entlehnt haben.
Posidonius aber hat gallische ausdrücke wie 26, 4 die χόρμα, gewis
noch häufiger angeführt, zb. 29, 1 für die gallischen wagen (rheda,
carpentum, carrus ua.**) und die gallischen glossen bei den grie-
chischen grammatikern werden gröstenteils von ihm herstammen.
c. 31,1. Aöroi δ᾽ εἰσὶ — διανοίαις ὀξεῖς καὶ πρὸς μάϑησιν
οὐκ ἀφυεῖς. vgl. Strabo ἢ. 197 τὸ ἀλαζονικόν. ῃ. 195 ὥςτε καὶ
παιδείας ἄπτεσϑαε καὶ λόγων. 2. εἰσὶ δὲ παρ᾽ αὐτοῖς χαὶ ποιη-
ταὶ μελῶν οὗς βαάρδους ὄδνομαζουσιν — ἄδοντες οὗς μὲν ὑμ-
vovosv, οὖς δὲ βλασφημοῦσι. φιλόσοφοί τὸ τινές εἶσε καὶ ϑεολόγοι
* der irrtum war leicht und beinahe unvermeidlich, wenn Posidonius im
südlichen Gallien bei Griechen, Römern und Galliern neben gallischen auch
gewisse lateinische ausdrücke für gallische dinge in gebrauch fand. wie er,
stellte auch Sisenna materis und lancea zusammen, Nonius 556, 7 Gerlach.
Sisenna Hist. lib. III ‘Galli materibus sani (l. aut) lanceis configunt’. idem
lib. 1ΠῚ ‘ali materibus aut lanceis, tamen medium perturbant agmen’.
Ἐπ es ist nicht so sonderbar, wie Glück (Kelt. namen 8. 148) meint, dass
die Römer rheda Rhenus Rhodanus schrieben, wenn sie diese namen schon in
der griechischen litteratur vorfanden. vgl. DA. 1, 488.
810 POSIDONIUS BEI DIODOR UND STRABO
— oüs δρουΐδας ὀνομαζουσι. χρῶνται δὲ καὶ μάντεσιν κελ. Strabo
p. 191 βάρδοι μὲν ὑμνηταὶ καὶ ποιηταί, οὐάτεις δὲ ἱεροποιοὶ
καὶ φυσιολόγοι, δρυΐδαι δὲ πρὸς τῇ φυσιολογίᾳ καὶ τὴν ἠϑικὴν
φιλοσοφίαν ἀσχοῦσι. Posidonius fr. 28 bei Athenaeus p. 246
τὰ δὲ ἀκούσματα αὐτῶν εἶσιν οὗ καλούμενον Bapdos ποιηταὶ
δὲ οὗτοι τυγχάνουσι μετ᾽ δῆς ἐπαίνους λέγοντες. wegen der
οὔατεις 5. zu 80,4. Timagenes hatte wahrscheinlich denselben
namen mit den übrigen aus Posidonius wiederholt und so ist
‘euhages’ bei Ammian nur daraus verderbt (Zeufs Gr.? 46).
3. ἄνϑρωπον γὰρ κατασπείσαντες κτλ. 5.8. 181f. 4. οὐ μόνον
δ᾽ ἐν ταῖς εἰρηνικαῖς χρείαις ---. Strabo p. 197 δικαιότατοι δὲ νομέζον-
ται καὶ διὰ τοῦτο πιστεύονται Tas τε ἰδιωτικὰς χρίσεις χαὶ τὰς
κοιγάς͵ ὥςτε καὶ πολέμους διήτων πρότερον καὶ παρατάττεσθαι μέλ-
λοντας ἔπαυον κτλ. der schlusssatz Diodors οὕτω καὶ παρὰ τοῖς
ἀγριωτάτοις βαρβάροις ὁ ϑυμὸς εἴκει τῇ σοφίᾳ καὶ ὁ "Agns αἰδεῖται
τὰς Μούσας ist echt posidonisch. |
c.32. 3.177 ff. die ordnung des stoffes und der gedanken,
die Posidonius in seiner beschreibung befolgte, so dass er zuerst
von der beschaffenheit des landes, dann von dem character, der
lebens- und der kriegsweise der bewohner, endlich von ihrer kunst,
wissenschaft und religion handelte, scheint Diodor im ganzen bei-
behalten zu haben. für Strabo aber ergibt sich dass er seine
allgemeine schilderung der Gallier und zum teil auch des landes
dem Posidonius verdankt. wie viel von dem übrigen bei ihm auf
Caesar oder Asinius Pollio und Artemidor kommt, muss eine be-
sondere untersuchung ausweisen. für Iberien hat er den Posido-
nius augenscheinlich nicht in dem mafse benutzt wie für Gallien.
c. 33, 5. διμάχαι δ᾽ ὄντες, ἐπειδὰν ἀπὸ τῶν ἵππων ἀγωνισά-
μενοι γνικήσωσι͵ καταπηδῶντες καὶ τὴν τῶν πεζῶν τάξιν μεταλαμ-
βάνοντες ϑαυμαστὰς ποιοῦνται μαχας. vgl. Strabo p. 163 ταῖς δὲ
πεζαῖς δυνάμεσι παρεμέμεχτο καὶ ἱππεία κτλ. 6. ἔδιον δέ τι ---
nur dies paradoxon kennt Strabo p. 164 εἰ μή τις οἴεται πρὸς διαγω-
γὴν ζῆν τοὺς ovgw λουομένους ἐν δεξαμεναῖς παλαιουμένῳ, καὶ τοὺς
ὀδόντας σμηχομένους καὶ αὐτοὺς καὶ τὰς γυναῖκας αὐτῶν͵ καϑάπερ
ιοὺς Καντάβρους φασὶ καὶ τοὺς ὁμόρους αὐτοῖς. aber vgl. zu 34, 5
und DA. 1, 108.
c. 34 lässt sich folgendes vergleichen. 4. τῶν δὲ ᾿Ιβήρων
ἀλκιμώτατοι μέν εἶσιν οἱ καλούμενον “υσιτανοί,͵ φοροῦσι δ᾽ ἐν τοῖς
πολέμοις πέλτας μιχρὰς παντελῶς διαπεπλεγμένας νεύροις κελ.
Strabo p. 152 7 “{υσιτανία ἐστὶ μέγιστον τῶν ᾿Ιβηρικῶν ἐθνῶν.
ÜBER IBERIEN UND SEINE BEWOHNER. 311
p. 154 ἀσπίδιον δ᾽ αὐτοὺς δίπουν ἔχειν τὴν διάμετρον κοῖλον εἰς
τὸ πρόσϑεν͵ τελαμῶσιε ἐξηρτημένον. ὅ. χρῶνται δὲ καὶ σαυνίοις
ὁλοσιδήροες ἀγκιστρώδεσι. φοροῦσι δὲ κράνη καὶ ξίφη παραπλήσια
Κελτίβηρσιν. und c. 33, 4 heifst es von diesen χράνη χαλχᾶ περι-
είϑενται φοινικοῖς ἡσχημένα λόφοις" ξίφη δὲ ἀμφίστομα καὶ σιδήρῳ
διαφόρῳ κεχαλκευμένα φοροῦσι, ἔχοντες σπιϑαμιαίας παραξεφί-
δας. Strabo p. 154 παραξιεφὶς πρὸς τούτοις ἢ κοπίς --- σπάνιοι δὲ
χρῶνται τριλοφίαις, οἱ δ᾽ ἄλλοι νευρίνοις χράνεσιν. — ἀκόντια δ᾽
ἕχαστος πλείω" τινὲς δὲ καὶ δόρατι χρῶνται" ἐπιδορατίδες δὲ χαλ-
κεαε. 6. εὐχίνητον δὲ ὄντες καὶ κοῦφοι --- und weiterhin 7
παντελῶς ὄντες εὐχίνητοι καὶ ὀξεῖς — Strabo aao. ἐξερευνητιχοὺς
ὀξεῖς κούφους εὐεξελίκτους. ἐπιτηδεύουσι δὲ κατὰ μὲν τὴν εἰρήνην
ὄρχησίν τινα χούφην καὶ περιέχουσαν πολλὴν εὐτονίαν σχελῶν, ἂν
δὲ τοῖς πολέμοις πρὸς δυϑμὸν ἐμβαίνουσι καὶ παιᾶνας ἀδουσιν —
Strabo p. 155 παρὰ πότον ὀρχοῦνταν πρὸς αὐλὸν καὶ σάλπιγγα
χορεύοντες, ἀλλὰ καὶ ἀναλλόμενον καὶ ὀκλάζοντες. 7. die Iberer
und besonders die Lusitaner gehen gerne in die berge und führen
ein räuberleben. διὰ καὶ Ῥωμαῖοι πολλάκις ἐπ᾽ αὐτοὺς σερατεύσαν-
τες τῆς μὲν πολλῆς καταφρονήσεως ἀπέστησαν αὐτούς, εἷς τέλος δὲ
τὰ λῃστήρια καταλῦσαι πολλάχις φιλοτιμηϑέντες οὐχ ἠδυνήθησαν.
auch nach Strabo p. 154 lebten die Lusitaner trotz des reichtums
ihres landes von raubzügen und in beständigem kriege unter ein-
ander und mit ihren nachbaren südlich vom Tagus, aber ἔπαυσαν
αὐτοὺς Ῥωμαῖοι ταπεινώσαντες χαὶ κώμας ποιήσαντες τὰς πό-
λεις αὐτῶν τὰς πλείστας, ἐνίας δὲ καὶ συνοικίζοντες βέλτιον.
vermutlich, χαϑάπερ εἶκός, hätten die bergbewohner nur diese unord-
nung angefangen, λυπρὰν γὰρ νεμόμενοι καὶ μικρὰ κεχτημένοε τῶν
ἀλλοτρίων ἐπεθύμουν κτλ, aber die verschiedenheit dieser dar-
stellung, sowie der vorhergehenden macht es, trotz der überein-
stimmung selbst in einigen ausdrücken, sehr unwahrscheinlich dass
Diodor und Strabo hier und c. 33 aus derselben quelle geschöpft
haben. dass Diodor den Posidonius nicht verlassen hat, ist um .
so weniger zu bezweifeln, weil er eben nur die völker des innern
und nordwestlichen Iberiens, die Keltiberer, Vaccaeer und Lusi-
taner beschreibt, von deren kriegen mit den Römern, dem auf-
stande des Viriathus a. 145—140 und dem numantinischen kriege
a. 143 ff. Posidonius gleich in den ersten seiner bücher μετὰ Πολύ-
ßsov zu handeln hatte. seine ausführliche abhandlung von dem
iberischen bergbau, bei Diodor c. 35—38, hat dann auch Strabo
wieder ausgezogen und glücklicher weise so dass wir mit seiner
912 POSIDONIUS BEI DIODOR UND STRABO
hilfe die unverständigen, zusammenhangslosen excerpte Diodors
wieder in die rechte ordnung bringen können. in dem einleiten-
den c. 35 tritt zunächst das merkwürdige, schon s. 304 erwähnte
verhältnis des Posidonius zu Timaeus abermals zu tage.
c. 35,2. ταῦτα δὲ (τὰ καλούμενα Πυρηναῖα) καὶ κατὰ τὸ
ὕψος καὶ κατὰ τὸ μέγεϑος ὑπάρχεν διάφορα τῶν ἄλλων" παρήκει
γὰρ ἀπὸ τῆς κατὰ τὴν μεσημβρίαν ϑαλάττης σχεδὸν ἄχρε πρὸς
τὸν ὑπὸ τὰς ἄρχτους ὠκεανὸν, διείργοντα δὲ τὴν Γαλατίαν καὶ τὴν
᾿Ιβηρίαν ἔτι δὲ τὴν Κελτιβηρίαν παρεχτείνεε σταδίους ὡς τρις-
χιλίους. Strabo p. 188 ἤδρυταε δ᾽ ἢ Τολῶσσα κατὰ τὸ στενώτα-
τον τοῦ ἰσϑμοῦ τοῦ διείργοντος ἀπὸ τῆς χατὰ Νάρβωνα ϑαλατ-
τῆς τὸν ὠχεανὸν, ὃν φῆσι Ποσειδώνιος ἐλάττω τῶν» τριςχιλίων
σταδίων. pP. 137 ἔοικε γὰρ βύρσῃ τεταμένη (ἡ ᾿Ιβηρία) --- ἔστι δ᾽
ὅπου πολὺ ἔλαττον τῶν τριςχιλίων καὶ μάλιστα πρὸς τῇ Πυ-
onvn τῇ ποιούσῃ τὴν ἐῴαν πλευράν" ὄρος γὰρ διηνεκὲς ἀπὸ νότου
πρὸς βοῤῥᾶν τεταμένον ὁρίζει τὴν Κελτικὴν ἀπὸ τῆς ᾿Ιβηρίας κελ.
darnach gieng also Strabo doch auch bei der beschreibung Ibe-
riens von Posidonius aus. 3. πολλῶν δὲ ὄντων ἐν αὐτοῖς dov-
μῶν ---- Strabo p. 146 f. Ποσειδώνιος δὲ τὸ πλῆϑος τῶν μετάλλων
ἐπαινῶν καὶ τὴν ἀρετὴν οὐκ ἀπέχεταν τῆς συνήϑους ᾧῥητορείας,
ἀλλὰ σονενθϑουσιᾷ ταῖς ὑπερβολαῖς" οὐ γὰρ ἀπιστεῖν τῷ μύϑῳ
φησὶν ὃτι τῶν δρυμῶν ποτὲ ἐμπρησϑέντων ἥ γῆ ταχεῖσα, ἅτε
ἀργυρῖτις καὶ χρυσῖτις, εἰς τὴν ἐπιφάνειαν ἐξέζεσε — also nur
als sage wiederholte Posidonius die erzählung des Timaeus
(Mirab. ausc. 87, DA. 1, 441. 467), dass ein durch hirten —
ὑπό τινων νομέων sagt auch Diodor — entstandener, unge-
heurer waldbrand den silber- und metallreichtum Iberiens zum
vorschein gebracht habe*. Athenaeus p. 233 überträgt sie con-
fuser weise auf die ἄλπια, die αὐτομάτως ὕλης ἐμπρησϑείσης
ἀργύρῳ διεῤῥύη. die sage stützt sich auf die deutung von
Πυρηναῖα aus πῦρ und Posidonius kann nicht anders als wie
Diodor gesagt haben τὰ μὲν ὄρη διὰ τὸ ovußeßnxös κληϑῆναν ἤυ-
θηναῖα. nach Strabo aber erklärte er den mythus deshalb für
glaublich, διὰ τὸ πᾶν ὕρος καὶ πάντα βουνὸν ὕλην εἶναι νομίσματος
ὑπό τινος ἀφϑόνου τύχης σεσωρευμένην. καϑόλου δ᾽ ἂν εἶπε, φησίν,
* nach Seneca Ep. 90, 10 hatte Posidonius auch in einem philosophischen
werk, den Προςτρεπτιχοῖς meint KMüller (Επα. 3, 273), wo er die philosophie
als die erfinderin aller künste darstellte, die sage in die ansicht umgebildet
‘sapientes fuisse qui ΤΟΥΤῚ metalla et aeris invenerunt, cum incendio silvarım
adusta tellus in summo venas iacentes liquefactas fudisset’.
ÜBER IBERIEN UND SEINE BEWOHNER. 313
ἰδών τις τοὺς τόπους ϑησαυροὺς εἶναι φύσεως ἀενάους ἢ ταμιεῖον
ἡγεμονίας ἀνέχλειπτον" οὐ γὰρ πλουσία μόνον ἀλλὰ καὶ ὑπό-
πλουτος ἦν, φησίν, ἡ χωρα, καὶ παρ᾽ ἐκείνοις ὡς ἀληϑῶς τὸν
ὑποχϑόνιον τόπον οὐχ ὁ Aıdns ἀλλ᾽ 6 Πλούτων κατοικεῖ.
diese von Strabo offenbar wörtlich angeführten, echt posidonischen
sätze mit ihrer kunstreichen, rhetorischen steigerung sind bei
Diodor ganz oder fast spurlos (s. zu 36, 2) verschwunden, sie
müssen aber ziemlich im anfang der abhandlung ihren platz ge-
habt haben, weil sie gewisser mafsen die grundlage derselben bilden
und später vorausgesetzt werden, weswegen sie hier vollständig
wiederholt wurden. zunächst folgt die entdeckung des iberischen
reichtums durch die Phoenizier. 4. τῆς δὲ τούτου χρείας ἀγνοου-
μένης παρὰ τοῖς ἐγχωρίοις —. die erzählung weicht darin von der
Mirab. ausc. 135 ab dass die schiffer, nachdem sie ihre schiffe
schon übervoll von silber geladen, auch noch ihre anker damit statt
mit blei ausgielsen, während sie nach Mirab. ausc. 135 alle ihre
geräte und selbst ihre anker aus silber verfertigen, um soviel als
möglich davon fortzubringen. um so mehr darf Mirab. ausc. 135
auf Lycus von Rhegium (DA. 1,439) statt auf Timaeus (das. 429)
zurückgeführt werden und bei dem nahen verhältnis beider (DA.
1, 434 ff.) wird es nur noch wahrscheinlicher dass Posidonius hier
wie sonst allein dem Timaeus gefolgt ist. 5. διόπερ ἐπὶ πολλοὺς
χρόνους οἱ Φοίνικες —. dieser passus von dem aufschwung der
phoenizischen macht und der ausbreitung ihrer colonien stützt
oder schliefst sich wieder an Timaeus (vgl. Diodor 5, 20. DA.1,
468) und gehört natürlich in den anfang der auseinandersetzung
dass Iberien immer ein unerschöpfliches zausstov ἡγεμονίας gewesen
sei (s. oben). nach den alten Phoeniziern muste dann Posidonius
von den Karthagern handeln. allein der geschichtliche faden reifst
bei Diodor ab und es folgen bei ihm zunächst einige in diesem
zusammenhang mehr oder minder ungehörige sätze.
6. 36, 1. Ὕστερον δὲ πολλοῖς χρόνοις οἱ μὲν Ἴβηρες μαϑόντες —.
dass die Iberer allmählich die eigentümlichkeiten des silbers kennen
gelernt, selbst bergwerke angelegt und grofsen gewinn gemacht
hätten, kann Posidonius wenigstens nicht so in seiner geschicht-
lichen auseinandersetzung vorgebracht haben (s. zu 38, 2) und es
ist zum grösten teile nur Diodorisches gerede, das auf den betrieb
des bergbaus überleiten soll. 2. ὄντων χαλχοῦ καὶ χρυσοῦ
καὶ ἀργύρου μετάλλων ϑαυμαστῶν, οἱ μὲν ἐργαζόμενοι τὰ χαλχουρ-
γεῖα τὸ τέταρτον μέρος χαλκοῦ καϑαροῦ ἐκ τῆς ὑρυττομένης γῆς
814 POSIDONIUS BEI DIODOR UND STRABO
λαμβάνουσι, τῶν δὲ ἀργυρευόντων τινὲς ἰδεωτῶν ἐν τρισὶν
ἡμέραις Εὐβοϊκὸν ἐξαίρουσι τάλαντον. Strabo p. 147 τοῖς
μὲν χαλχουργοῖς τέταρτον μέρος ἐξάγουσι τῆς γῆς τὸν χαλχόν,
τῶν δὲ ἀργυρευόντων τισὶν ἰδιωτῶν ἐν τρισὶν ἡμέραις
Εὐβοϊκὸν τάλαντον ἐξαίρουσι. aber diese sätze, die von der
ergiebigkeit die der iberische bergbau noch jetzt, zur zeit des Po-
sidonius, hat eine vorstellung geben, standen nach Strabo passend
am schlusse der ganzen abhandlung und sollten bei Diodor auf
37,1 folgen. nur der bei ihm angehängte satz πᾶσα γὰρ 7 βώλός
ἐστε ψήγματος συμπεπηγότος καὶ ἀπολάμποντος μεστή ist vielleicht
noch eine reminiscenz aus dem anfang, wie es nemlich scheint,
die erste stufe der posidonischen klimax (s. 313). 3. τὸ μὲν οὖν
πρῶτον οἱ τυχόντες τῶν ἰδιωτῶν προςεκαρτέρουν τοῖς μετάλλοις
καὶ μεγάλους ἀπεφέροντο πλούτους διὰ τὴν ἑτοιμότητα καὶ
δαψίλειαν τῆς ἀργυρίτιδος γῆς" ὕστερον δὲ τῶν Ῥωμαίων κρατη-
σάντων τῆς ᾿Ιβηρίας πλῆϑος ᾿Ιταλῶν ἐπεπόλασε τοῖς μετάλλοις
καὶ μεγάλους ἀπεφέροντο πλούτους διὰ τὴν φελοχερϑίαν.
ein rechtes beispiel von der armseligkeit und erbärmlichkeit des
Diodorischen stils; das ὕσεερον κτλ. aber macht die grofse geschicht-
liche lücke zwischen diesem abschnitt und dem schluss von 35, 5
offenbar. 4. οὗτοι δὲ κατὰ πλείονας τύπους ἀνοίξαντες στόμια
καὶ κατὰ βάϑους ὀρύττοντες — καταβαίνοντές τε οὐ μόνον εἰς
μῆχος ἀλλὰ χαὶ εἰς βάϑος, παρδκχτείγοντες ἐπὶ πολλοὺς σταδίους
τὰ ὀρύγματα καὶ πλαγίας καὶ σχολιὰς διαδύσεις ποικίλως μεταλ-
λουργοῦντες ἀνάγουσιν dx βυϑῶν τὴν τὸ κέρδος αὐτοῖς παρεχομένην
βώλον. Posidonius bei Athenaeus p. 233 τὸ μέντοι γε πολὺ τούτου
βαϑείαις καὶ χαχοπάϑοιες μεταλλείαις εὑρίσκεται κατὰ τὸν
Φαληρέα Anunrosov, ἐλπιζούσης τῆς πλεονεξίας ἀνάξειν ἔχ τῶν
μυχῶν τῆς γῆς αὐτὸν τὸν Πλούτωνα. Strabo 880. τὴν δ᾽ ἐπι-
μέλειαν φράζων (Ποσειδώνιος) τὴν τῶν μεταλλευόντων παρατίϑησε
τὸ τοῦ Φαληρέως, ὅτι φησὶν ἐκεῖνος ἐπὶ τῶν Artıxzav ἀργυρείων,
οὕτω συντόνως ὀρύττειν τοὺς ἀνθρώπους ὡς ἂν προςδοχῶντας αὖ-
τὸν ἀνάξειν τὸν Πλούτωνα" καὶ τούτων (τῶν ἐν ᾿Ιβηρίᾳ) οὖν
ἐμφανίζει παραπλησίαν τὴν σπουδὴν καὶ τὴν φιλεργίαν, σκολεὰς
τεμνόγτων καὶ βαϑείας τὰς σύριγγας —. wenn Posidonius die
tätigkeit der metallgräber schilderte und dann den ausspruch des
Phalereers hinzufügte, so ist es wahrscheinlich dass Strabo seine
schilderung mit χαὶ τούτων κτλ. nur nachholte, um so mehr weil
damit auch die ordnung der gedanken bei Athenaeus stimmt und
überdies Diodor. denn obwohl er den ausspruch des Phalereers
ÜBER IBERIEN UND SEINE BEWOHNER. 315
übergieng, so setzt ihn doch gleich der anfang seines nächsten
cap. voraus.
c. 37,1. Μεγάλην δ᾽ ἔχει παραλλαγὴν τὰ μέταλλα ταῦτα συγ-
κρινόμενα τοῖς χατὰ τὴν ᾿Αττικήν. ἐκεῖνα μὲν γὰρ οἱ μεταλλεύ-
οντες καὶ ταῖς ἐργασίαις μεγάλας προϊέμενον δαπάνας ἃ μὲν N-
πέσαν ἐνίοτε λαβεῖν οὐκ ἔλαβον, ἃ δ᾽ εἶχον ἀπέβαλον, ὥςτε
δοκεῖν αὐτοὺς ὥςπερ αἰνίγματος τρόπον ἀτυχεῖν. οὗ δὲ κατὰ
τὴν Σπανίαν μεταλλουργοὶ ταῖς ἐλπίσι μεγάλους σωρεύουσι πλού-
τους χελ. Athenaeus 880. χαριδνειζόμενος γοῦν φησιν (Ποσειδώ-
vıog) ὅτε “πολλάκις καταναλώσαντες τὰ φανερὰ τῶν ἀδήλων ἕνεκα,
ἃ μὲν ἔμελλον οὐχ ἔλαβον, ἃ δ᾽ εἶχον ἀπέβαλον, ὥςπερ
αἰνίγματος τρόπον ἀτυχὸῦντες. Strabo, ‘der gute tölpel’
zerstört die blumen im abpflücken, aao. (τὸν δὲ λόγον) οὐ ταὐτὸν
εἶναι τούτοις (τοῖς ᾿Ιβηρικοῖς) τὸ καὶ τοῖς ᾿Αττικοῖς, ἀλλ᾽ ἐχείνοις |
μὲν αἰνίγματι ἐοικέναι τὴν μεταλλείαν' ὅσα μὲν γὰρ ἀνέλαβον,
φησίν, οὐκ ἔλαβον, ὅσα δὲ εἶχον ἀπέβαλον" τούτοις δ᾽
ὑπεράγαν λυσιτελεῖν — es folgen bei Strabo die schon zu 36, 2
angeführten worte, die hieher gehören, während Diodors nächster
ὃ 2 τῶν γὰρ πρώτων ἔργων ἐπιτυγχανομένων διὰ τὴν τῆς γῆς εἰς
τοῦτο τὸ γένος ἀρετὴν ἀεὶ μᾶλλον εὑρίσκουσι λαμπροτέρας φλέβας
κτλ. dem inhalte nach teils schon früher vorgekommen sein muss
teils sich darnach von selbst versteht. Diodor suchte wieder nur
einen übergang zu einem früher nicht benutzten excerpt, das er
an falscher stelle nachbringt. bei Posidonius aber stand der aus-
spruch des Demetrius in deutlicher beziehung zu seinem eignen
im eingange der abhandlung (8. 312 f.) und er benutzte ihn offenbar
nur zu einem würksamen schlusse, indem er das homerische rätsel
‘000’ ἕλομεν λιπόμεσϑ᾽, ὅσσ᾽ οὐχ ἕλομεν φερόμεσϑα (Vit. Hom. 35)
parodierend auf die attischen bergwerke anwandte und ihnen die
fortwährende, aufserordentliche ergiebigkeit der iberischen (s. zu
36, 2) entgegenstellte. die bei Diodor noch folgenden excerpte
sind bis auf 38,3, wie es scheint, sämtlich aus dem zusammen-
hange der diesem schlusse vorangehenden auseinandersetzung des
Posidonius herausgerissen. 2. ἐνίοτε δὲ καὶ κατὰ βάϑους ἐμ-
πίπτουσε ποταμοῖς ῥέουσιν ὑπὸ τὴν γῆν, ὧν τῆς βίας περιγί-
γονται διακόπτοντες -- τοῖς ὀρύγμασε πλαγίοις. --- καὶ τὸ πάν»-
των παραδοξότατον, ἀπαρύτουσι γὰρ τὰς δύσεις τῶν ὑδάτων τοῖς
Αἰγυπτιακοῖς λεγομένοις κοχλίαις, os ᾿Αρχιμήδης ὁ Συρα-
κόσιος εὗρεν, ὅτε παρέβαλεν εἰς Αἴγυπτον κτλ. dies schliefst
sich sachgemäls nur an 36,4, wo schon von den βαϑείαες καὶ
316 POSIDONIUS BEI DIODOR UND STRABO
πλαγίαις gruben die rede ist, und bei Strabo folgt auf τὰς avmy-
γας (zu 36,4) auch ganz richtig χαὲὶ πρὸς τοὺς ἐν αὐταῖς ἀπαντῶν-
τας ποταμοὺς πολλάκις τοῖς Αἰγυπτίοις ἀναντλούντων κοχ-
λέαις. 4. die verheilsung am schlusse des cap., von des Archi-
medes erfindungen später zu seiner zeit genaueres berichten zu
wollen ist selbstverständlich Diodors eigentum.
c. 38, 1. Nachdem 36, 3 gesagt dass die Römer eine masse
sklaven zum bergbau verwendet und dadurch die ausdehnung des-
selben in die tiefe möglich gemacht hätten, fügt sich dies stück
von dem elend, der χαχοπάϑεια der arbeiter und der grausamen
behandlung die sie erfahren müssen — es wird immer im prae-
sens erzählt — natürlich an 36, 3. auch Athenaeus leitet sein
excerpt und zwar zunächst die zu 27, 1 angeführten worte so ein
dass er nur die auch von Diodor 27, 1 angedeutete auffassung des
stoikers Posidonius wiedergibt: ἡ φύσις — ἐποίησεν ὑπογείους
αὐτῶν (der edlen metalle) φλέβας, πολύπονον καὶ χαλεπὴν ἐχούσας
ἐργασίαν, ὅπως οἱ περὶ ταῦτα σπουδάζοντες ὀδυνώμενοι μετίωσι
τὴν χτῆσιν καὶ οὐχ xıl. er las auch (8. zu 36, 4) bei Posidonius
von den κακοπάϑοις μεταλλείαις, wie es scheint, vor dem aus-
spruch des Demetrius, und aus Strabos οὕτω συντόνως ὀρύττειν
τοὺς ἀνθρώπους sieht man wie sich dieser anknüpfen liefs und
Posidonius zum schluss kommen konnte, obgleich, abgesehen von
der andeutung des Athenaeus, mancher es vielleicht noch wahr-
scheinlicher findet dass Posidonius die schilderung des elends in
der tiefe der bergwerke sehr würksam dem reichtum ihrer erträge
entgegenstellte, in dem sinne der sich bei Athenaeus und Diodor
ausspricht. 2. der historisch wichtige satz, der DA. 1, 109 ff. bei
der erörterung des alters der karthagischen herschaft in Iberien
leider nicht erwogen ist, dass τῶν μεταλλουργείων οὐδὲν προός-
φατον ἔχεν τὴν ἀρχήν, πάντα δὲ ὑπὸ τῆς Καρχηδονέων φιλαργυ-
ρίας ἀνεῴχϑη καϑ' ὃν καιρὸν τῆς ᾿Ιβηρίας ἐπεκράτουν, verträgt sich
mit 36, 1, dem ersten teil von 36, 3 und dem anfang von 37, 2
nur, wenn man hier die μέταλλα nicht als gruben und eigentliche
bergwerke versteht. aber es ist klar dass der bei Diodor nach
keiner seite hin, weder mit dem vorhergehenden noch dem folgen-
den im zusammenhange stehende abschnitt, der die ansicht ent-
wickelt dass die Karthager allein durch den besitz der bergwerke
Iberiens in stand gesetzt waren ihre kriege zu führen, καταπλου-
τομαχοῦντες ἅπαντας διὰ τὴν ἐκ τῶν μετάλλων γινομένην εὐπορίαν,
im wesentlichen die lücke (8. 311f. 314) zwischen 35, 5 und 86, 3
ÜBER IBERIEN UND SEINE BEWOHNER. 317
ausfüllt, und zwar so dass der in Posidonius munde sehr be-
merkenswerte schlusssatz δεινοὶ γὰρ, ὡς ἔοικεν, ὑπῆρξαν οἵ
Φοίνικες ἐκ παλαιῶν χρόνων εἰς τὸ κέρδος εὑρεῖν, οἱ δ᾽ ἀπὸ τῆς
Ἰταλίας sig τὸ μηδὲν μηδενὶ τῶν ἄλλων καταλιπεῖν
sich sehr nahe an ὕστερον δὲ — πλῆϑος ᾿Ιταλίας ἐπεπόλασε
τοῖς μετάλλοις --- ὠνούμενοι γὰρ πλῆϑος ἀνδραπόδων κτλ. 36, 3
anschliefst. dass Posidonius aufser dem silber und gold auch das
kupfer und die zahlreichen übrigen producte Iberiens berücksichtigte,
sieht man schon 36, 2 und aus Strabo p. 163. 6141. (fr. 51. 52).
so folgt auch hier und zwar in unmittelbarem anschluss an die
abhandlung über die silber- und goldbergwerke bei Diodor
3. Γίνεται δὲ καὶ καττίτερος ἐν πολλοῖς τόποις τῆς ᾿Ιβηρίας,
οὐκ ἐξ ἐπιπολῆς εὑρισκόμενος, ὡς ἂν ταῖς ἱστορίαις τι-
γὲς τεϑρυλήκασιν, ἀλλ᾽ ὀρυττόμενος καὶ χωνευόμενος ὁμοί-
ὡς ἀργύρῳ τε καὶ χρυσῷ xrA. --- und ebenso bei Strabo p. 147
nach den zu 37, 1. 36, 4 angeführten worten τὸν δὲ καττίτερον
οὐκ ἐπιπολῆς εὑρίσκεσθαί φησιν, ὡς τοὺς ἱστορικοὺς
ϑουλεῖν, ἀλλ᾽ ὀρύττεσϑαι. --- κτλ. Strabo hat noch ein ex-
cerpt mehr als Diodor, über die mit silber, zinn und weifsgold
gemischte flusserde bei den Artabrern. zu den historikern, die
falsches über das vorkommen des iberischen zinns verbreitet hatten,
gehörte Ephorus (DA. 1, 81) und vielleicht hat Posidonius ihn im
auge, wenn nicht auch Timaeus dasselbe wiederholt hatte. über
das iberische zinn s. DA. 1, 99. der übrige inhalt der stelle bei
Diodor und Strabo zeigt aufs deutlichste dass Posidonius die in
Iberien gesammelten nachrichten über die fahrten namentlich der
Lusitaner (DA. 1, 473) nach den Kattiteriden nicht mit den in
Massalia und Narbo gesammelten über den gallischen handel mit
Brittannien combiniert und dadurch zu der bis heute verbreiteten,
falschen und völlig grundlosen meinung anlass gegeben hat dass
nicht Brittannien, sondern die armseligen, zinnlosen Scillyeilande
die zinninseln seien (DA. 1, 92). seine nachricht über den zinn-
transport durch Gallien stimmt so völlig mit der des Timaeus
(DA. 1, 471 ἢ), da er nur wie dieser nach Diodor ὁ. 22 dabei von
der benutzung von pferden spricht, dass er die wichtigkeit der gal-
lischen flüsse für den verkehr vom äufsern zum innern meer, die
er selbst so nachdrücklich hervorgehoben hatte (s. zu 25, 3), ganz
vergessen zu haben scheint, falls nicht etwa Diodor ihn ungenau
auszog. leider ist Strabo mit χαὶ dx τῶν Πρεττανικὼν δὲ εἰς τὴν
MooocAlav κομίζεσϑαν noch unvollständiger. nach Diodor er-
818 POSIDONIUS BEI DIODOR UND STRABO
wähnte Posidonius auch Narbo, ἄποιχος μὲν ἹΡωμαίων (seit a. 118),
διὰ δὲ τὴν εὐχαιρίαν καὶ τὴν εὐπορίαν μέγεστον ἐμπόριον
ἔχουσα τῶν ἐν ἐχείνοις τοῖς τόποις, wie Strabo p. 181. (192) μέ-
yıorov ἐμπόριον τῶν ταύτη. Posidonius muss darnach die stadt
ebenso wie Massalia selbst besucht haben und in seinen erkundi-
gungen dort glücklicher gewesen sein als Scipio und Polybius
(Strabo p. 190), um die von Pytheas herstammenden angaben des
Timaeus zu bestätigen und zu ergänzen.
c. 39. Ἢ Aıyvousn, meint Strabo p. 218, habe οὐδὲν περιη-
γήσεως ἄξιον, πλὴν ὅτι κωμηδὸν ζῶσι, τραχεῖαν γῆν ἀροῦντες καὶ
σχάπτοντες, μᾶλλον δὲ λατομοῦντες, ὥς φησι Ποσειδώνιος. und
es kommt nur noch eine p. 217 eingeschaltete notiz hinzu, dass
wenn auch einige in dörfern wohnen, das land doch viele kräftige
männer hervorbringe — εὐανδρεῖ δ᾽ ὅμως 7 χώρα — so dass die
meiste kriegsmannschaft daher komme und eine menge ritter, aus
denen selbst der senat sich ergänze. Diodor aber zog nicht
nur c. 39 sondern auch 4, 20 stillschweigend den Posidonius
aus, also zweimal, zum teil mit denselben worten, wie c. 15
und 4, 29. 30 den Dionysius Skytobrachion (s. 189). 1. — γνέ-
μονταν μὲν χώραν τραχεῖαν καὶ παντελῶς λυπρὰν — 4, 20;
Strabo.. --- οἱ δὲ τὴν γῆν ἐργαζόμενοι τὸ πλεῖον πέτρας λατο-
μοῦσι διὰ τὴν ὑπερβολὴν τῆς τραχύτητος = Strabo. 2. οὗδε-
μέαν γὰρ βῶλον τοῖς ἐργαλείοις ἀνασπῶσιν ἄνευ λίϑου (= Strabos
σχάπτοντες)" καὶ τοιαύτην ἔχοντες ἐν τοῖς ἔργοις κακοπάϑειαν --- ὁλ'-
γους καρποὺς καὶ μόλες λαμβάνουσι. διὰ δὲ τὴν συνέχειαν τῶν γυμνα-
σιῶν --- τοῖς σώμασιν ὑπάρχουσιν ἰσχνοὶ χαὶ evrovo. (= 8 --
εὔτονον χαὶ μυώδεις γίνονται τοῖς σώμασιν. πρὸς δὲ τὴν κακοπεά-
ϑειαν. ταύτην συνεργοὺς ἔχουσι τὰς γυναῖχας, εἰϑισμένας En’ ἴσης
τοῖς ἀνδράσιν ἐργάζεσϑαι. = 4,20,1. καὶ ταῖς τῆς κακοπαϑείας
ὑπερβολαῖς φέρεε καρποὺς πρὸς βίαν ὀλίγους. --- καὶ διὰ τὴν
συνεχῆ γυμνασίαν εὕὔτονοι. 2. εἰϑίχασε τὰς γυναῖχας τῶν καχο-
παϑειῶν τῶν ἐν ταῖς ἐργασίαις κοινωνοὺς ποιεῖσϑαι. 4. sie
bringen die nacht auf dem lande in hütten oder hölen zu; dass
sie in dörfern wohnen, übergeht Diodor. 5. χαϑόλου δ' ἐν τοῖς
τόποις αἱ μὲν γυναῖχες ἀνδρῶν, οἱ δὲ ἀνδρες ϑηρίων ἔχουσιν
dvroviav καὶ ἀλκήν. πολλάκις γοῦν φασιν ἐν ταῖς στρατεύαις τὸν
μέγιστον τῶν Γαλατῶν ὑπὸ Alyvos ἰσχνοῦ παντελῶς ἐκ προχλή-
σεως μονομαχήσαντα ἀνῃρῆσϑαι. 4, 20, 1 ἐλαφροὶ μὲν ταῖς sux-
γησίαις εἰσίν, ἐν δὲ τοῖς πολεμικοῖς ἀγῶσε ταῖς ἀλκαῖς διάφοροι.
es folgt dort noch näheres über ihre bewafinung und 6 über
ÜBER DIE LIGYER. 319
ihre verwegenheit als seefahrer (DA. 1, 87); aber 4, 20, 2 an die
unter 2 angeführten worte anschliefsend μισϑοῦ δὲ παρ᾽ ἀλλήλοις
ἐργαζομένων τῶν τε ἀνδρῶν καὶ τῶν γυναικῶν, ἴδιόν τε καὶ παρά-
δοξον χαϑ᾽ ἡμᾶς συνέβη περὶ μίαν γυναῖχα γενέσθαι, dann die
erzählung die nach Strabo p. 165 Charmoleos, der massaliotische
gastfreund des Posidonius, diesem nach eigner erfahrung mitgeteilt
hatte, so dass man sieht dass Diodor unbedenklich eine aussage
des Posidonius als auch für seine zeit giltig betrachtete (vgl.
25, 1). eine rechte probe des geschniegelten, bis ins kleinste
sorgfältig ausmalenden posidonischen stils (DA. 1, 357) erhält man
doch erst wenn man die referate Strabos und Diodors zusammen-
nimmt, und zugleich damit ein characteristisches beispiel für das
verfahren beider:
Diovor.
— ἔγκυος γὰρ οὖσα καὶ μετὰ
τῶν ἀνδρῶν ἐργαζομένη μισϑοῦ,
μεταξὺ συνεχομένη ταῖς ὠδῖσιν
ἀπῆλϑεν εἴς τινας ϑάμνους ἀϑο-
ρύβως " ἐν αἷς τεχοῦσα, καὶ τὸ
παιδίον φύλλοις ἐνειλήσασα,
τοῦτο μὲν εἴς τινας ϑάμνους
ἀπέχρυψεν, αὐτὴ δὲ συμμίξασα
τοῖς ἐργαζομένοις τὴν αὐτὴν ἐκεί-
νοις ὑπέμενε καχοπάϑειαν, οὐδὲν
STRABO.
κοινὰ δὲ (den Iberern Kelten
Thrakern Scythen) xai τὰ πρὸς
ἀνδρείαν τήν τε τῶν ἀνδρῶν καὶ
τὴν τῶν γυναιχῶν. γεωργοῦσιν
αὗται, τεχοῦσαίέ τε διακονοῦσι
τοῖς ἀνδράσιν ἐκείνους av” ἑαυ-
τῶν καταχλίνασαε"" ἔν τε τοῖς
ἔργοις πολλάχιες αὐταὶ [τἰχτουσι]
καὶ λούουσε καὶ σπαργανοῦσεν
ἀποχλίνασαε πρός τε ῥεῖϑρον,
δηλώσασα περὶ τοῦ συμβεβη-
κότος. τοῦ δὲ βρέφους κλαυϑμυ-
ρεζομένου, καὶ τῆς πράξεως φα-
γερᾶς γενομένης, ὃ μὲν ἐφεστη-
ὃν δὲ τῇ «ΑΑιγυστιχῆῇ φησὶν ὃ
Ποσειδώνιος διηγήσασϑαν τὸν
ξένον ἑαυτῷ Χαρμόλεων ασσα-
λεώτην ἄνδρα, ὅτε μισϑώσαιτο
* Strabo p. 197 wiederholt dieselbe behauptung in noch allgemeinerer
fassung, ohne zweifel ebenfalls nach Posidonius und dieser kannte darnach die
noeh heute auf beiden seiten der Pyrenaeen bei den nachkommen der Iberer
fortdauernde sitte der couvade auch in Gallien, die Timaeus für die Ligurer
auf Corsica bezeugt (Diod. 5, 14. DA. 1, 453). die alten kennen sie aulserdem
noch bei den Tibarenern am Pontus (Apoll. Rhod. 2, 1013 ff. Val. Flacc. Argon.
5, 149f.), also wenn man die unbestimmte ausbreitung, die Strabo ihr zu-
schreibt, nicht beachtet, nur bei völkern von unbekannter, unarischer und
vorarischer herkunft. durch reichliche belege aus Amerika und Asien ist sie
schön erläutert in Tylors Researches into the early history of mankind (1870)
8. 298 ff., wo auch 8. 302 neben den zeugnissen der alten die fortdauer in den
Pyrenaeen und ihre erwähnung in dem altfranzösischen gedicht von Aucassin
et Nicolette nachgewiesen ist. dazu kommt noch ein aufsatz über die sitte im
Jahresbericht der geographischen gesellschaft in Leipzig 1371.
820
κῶς οὐδαμῶς ἠδύνατο πεῖσαι
παύσασϑαι τῶν ἔργων" ἡ δ᾽ οὐ
πρότερον ἀπέστη τῆς κχακοπα-
ϑείας ἕως ὁ μισϑωσάμενος ἐλεή-
ὅας καὶ τὸν μισϑὸν ἀποδοὺς
POSIDONIUS BEI DIODOR
ἀνδρας ὁμοῦ χαὶ γυναῖκας ἐπὶ
σχαφητόν, ὠδίνασα δὲ μία τῶν
γυναικῶν ἀπέλϑοι ἀπὸ τοῦ ἔργου
πλησίον, τεχοῦσα δ' ἐπανέλϑοι
ἐπὶ τοὔργον αὐτίκα, ὅπως μὴ
ἀπέλυσε τῶν ἔργων. ἀπολέσειε τὸν μισϑόν " αὐτὸς δὲ
ἐπιπόνως ἰδὼν ἐργαζομένην,
οὐχ εἰδὼς τὴν αἰτίαν πρότερον
ὀψὲ μάϑοι χαὶ ἀφείη δοὺς τὸν
μισϑόν" ἡ δ' ἐκκομίσασα τὸ γή-
709 πρός τι χρηνίον, λούσασα
καὶ σπαργανώσασα οἷς εἶχε δια-
σώσειεν οἴκαδε.
über das verhältnis in dem Posidonius auch bier zum Timaeus
steht s. DA. 1, 441.
c. 40. Athenaeus p. 153 führt aus dem zweiten buche des
Posidonius an παρὰ δὲ Τυῤῥηνοῖς δὶς τῆς ἡμέρας τράπεζαι
πολυτελεῖς παρασκευάζονται, ἀνϑιναί rs στρωμναὶ καὶ ἐκ-
πώματα ἀργυρᾶ παντοδαπὰ καὶ δούλων πλῆϑος εὐπρε-
πῶν παρέστηκεν, ἐσθήσεσε πολυτελέσι κεκοσμημένων, und
beinahe wörtlich wiederholt Diodor dasselbe: 3. παρατίϑενται
γὰρ ϑὶς τῆς ἡμέρας τραπέζας πολυτελεῖς καὶ τάλλα τὰ πρὸς
τὴν ὑπερβάλλουσαν τρυφὴν οἰκεῖα, στρωμνὰς μὲν ἀνϑεινὰς
κατασκευάζοντες, ἐκπωμάτων δ' ἀργυρῶν παντοδαπῶν πλῆ-
Jos καὶ τῶν διαχονούντων οἰκετῶν οὐκ ὀλίγον ἀρεϑμὸν yroı-
μακότες" καὶ τούτων 05 μὲν εὐπρεπείᾳ διαφέροντές εἶσιν, οἱ δ'
ἐσθῆσι πολυτελεστέραις ἢ κατὰ δουλικὴν ἀξίαν κεχόσμην-
ται, so dass Diodor auch in diesem cap. den Posidonius aus-
gezogen hat. bei Strabo p. 220 list man λέγεται δὲ καὶ ὃ
ϑριαμβιχὸς κόσμος καὶ ὑπατικὸς καὶ ἁπλῶς ὃ τῶν ἀρχόντων ἐκ
Ταρκυνίων δεῦρο μετενεχϑῆναι χαὶ ῥάβδοι καὶ πελέχεις καὶ σαλ-
πιγγες καὶ ἱεροποιίαν χαὶ μαντικὴ χαὶ μουσική, ὅσῃ δημοσίᾳ
χρῶνται Ῥωμαῖοι, was dem inhalte nach den bei Diodor 1. 2 vor-
hergehenden sätzen entspricht. dass jedoch Posidonius Strabos
quelle war, ist um so weniger anzunehmen weil bei ihm jener
satz im zusammenhange der geschichte der Tarquinier steht. wie
Diodor 1, so sieht auch Livius 5, 33 in dem namen des tyrrheni-
schen meeres ein zeugnis der ehemaligen seeherschaft des volkes.
ich begnüge mich hervorzuheben dass Posidonius, der gewährsmann
Diodors, um das j. 90 seine daten entweder in Rom erhalten oder
ÜBER DIE TYRRHENER. 391
schon in der litteratur vorgefunden haben muss, und überlasse
das weitere den forschern auf dem gebiet des römischen altertums.
Mit c. 41 nimmt Diodor seine inselbeschreibung wieder auf
und lässt zunächst einen auszug aus der ἱερὰ ἀναγραφὴ des be-
rüchtigten fablers Euhemerus folgen, der uns weiter nicht angeht.
ich kann jedoch diese untersuchungen nicht schliefsen ohne den
schon früher (DA. 1, 469) ausgesprochenen wunsch noch einmal zu
wiederholen, dass kein künftiger herausgeber des Diodor sich, wie
unsre gewönlichen ausgabenfabrikanten, damit begnügen möge den
text mit etlichen verbesserungen etwa wieder abzudrucken, son-
dern dass jeder es als seine pflicht erkenne die art und weise
wie ‘dieser elendeste aller scribenten’ gearbeitet, aus welchen
quellen er geschöpft und wie roh und gedankenlos er seine ex-
cerpte zusammengestellt hat, möglichst anschaulich zu machen.
eine solche ausgabe, die den wert und zusammenhang jeder nach-
richt übersehen liefse, würde den schriftsteller erst wahrhaft brauch-
bar machen. vielleicht aber wird ein andrer wunsch eher in er-
füllung gehen und die fortschreitende quellenanalyse bald mehr
und mehr das bild des Posidonius ans licht fördern, des letzten
griechischen schriftstellers in grofsem stil, in dem das ganze ver-
mögen seiner zeit, gestützt auf eine reiche vergangenheit, noch
einmal gestalt gewinnt, und eines mannes den trotz seines rheto-
rischen aufputzes jeder aufrichtig verehren und lieb gewinnen muss
der ihm jemals näher tritt.
DEUTSCHE ALTERTUMSKUNDE IT, 2
322 I ÜBER DEN SÜDÖSTLICHEN WINKEL
ANHÄNGE.
1 zu 5. 85.
Um die grenze der Germanen gegen die Jazygen und Daken
genauer zu bestimmen, ist auszugehen von dem viel gescholtenen
satze des Plinius 4 ὃ 80, der doch ganz wohl verständlich ist, so-
bald man sich nur nicht, wie noch Germ. antiq. s. 89, durch die
gewöhnliche schlechte interpunction irren lässt, also vor ‘campos’
und statt des unsinnigen punktes vor ‘a Maro’ ein komma setzt
und nun den zusammenhang des ganzen beachtend dem etwas
hastigen schriftsteller bereitwillig folgt. Plinius hat 8. 79 ausfähr-
lich von den Donaumündungen gehandelt; von da aus, sagt er,
haben verschiedene scythische völker die striche am ufer, im norden
des schwarzen meeres, inne gehabt. die oberen, flussaufwärts be-
legenen gegenden aber zwischen dem (unteren) Danuvius und dem
hercynischen bergwalde bis zum pannonischen winterlager in Car-
nuntum und dem confinium dort der Germanen haben inne, und
zwar die flächen und ebenen die Jazygen Sarmaten, die berge
aber und waldhöhen die von ihnen, den Sarmaten, vertriebenen
Daken bis zum Pathissusflusse, vom Marus oder, wenn es der
Duria ist der sie, die Sarmaten, von den Sueben und dem regnum
Vannianum trennt, — von diesem an — die ‘aversa’, die abge-
wandten äufseren, gegen nordost und norden zu gekehrten gegenden
jenseit des gebirges, die Bastarnen und darnach andere Germanen.
hier ist alles klar und in übereinstimmung mit den übrigen nach-
richten: nur das confinium Germanorum bleibt ungewis, da zu-
erst Carnuntum und demgemäfs nachher die March genannt wird,
dann aber noch ein anderer fluss, falls dieser die grenze zwischen
den Jazygen und Sueben oder dem vannischen reiche mache.
ohne zweifel stammt dieser zweite ansatz aus einer zweiten,
besseren überlegung des Plinius, weil ibm das Suebenreich jenseit
des Marus einfiel, er war aber augenblicklich nicht sicher welcher
fluss dafür die ostgrenze bilde und, da es ihm nur noch darum zu
* gelesen in der Berliner academie am 19 juli 1883.
DES ALTEN GERMANIENS. 323
tun war ungefähr den punkt zu bestimmen wo die Bastarnen und
die übrigen Germanen an der aulsenseite des gebirges zusammen-
stiefsen, so nahm er den nächsten bedeutenden nebenfluss der
Donau unterhalb der March dafür an. der Duria kann jedesfalls
nicht wohl etwas anderes als die Wag sein*. die genauere an-
gabe aber, dass die Römer im j. 19 das reich des Quaden Vannius -
jenseit der Donau zwischen den flüssen Marus und Cusus errich-
teten, stammt bei Tacitus (Ann. 2, 63) vielleicht selbst aus den
historischen schriften des Plinius. die Gran war den alten, wie
wir durch Marc Aurel wissen, als Γρανούας bekannt. waren die
flüsse nicht doppelnamig, muss also der Cusus die Eipel sein. dass
des Vannius reich im norden von Pannonien und nicht etwa von
Noricum lag, sehen wir deutlich aus der geschichte seines sturzes
im j. 50 bei Tacitus Ann. 12, 29. 30. seine schwestersöhne teilten
sich in seine herschaft und die wie er mit den Jazygen verbün-
deten Sueben, die dem Domitian an der Donau zu schaffen machten **,
waren sicher seine ehemaligen untertanen und deren nachkommen.
später im zweiten jahrhundert, zur zeit des marcomannischen
krieges sind diese Sueben in die Quaden aufgegangen und Marc
Aurel stand an der Gran ὃν Kovadoss. auch die übrigen nach-
richten aus dieser zeit (Dio 71, 8. 11. 13. 16. 18. 72, 2) wissen von
einem dritten volke zwischen Quaden und Sarmaten nichts mehr ***,
und ebenso wenig Ammianus Marcellinus im vierten jahrhundert.
ist diese ausbreitung der Quaden aber erst die folge der ansied-
* dass der Durius (4evgsos Φόριος SJwpias) in Iberien, die Durise duae
(bei Plin. 3 $ 118, “ουρίέας Strabo p. 203, Augias Ptol) im nordwestlichen
Italien, der 4ovoas bei Strabo p. 207 auf der nordseite der Alpen von Kelten
benannt seien, lässt sich nicht beweisen. kein flussname in rein keltischem
gebiet aufser dem Δούρ in Irland bei Ptolem. 2, 2, 4 spricht dafür, und Dubra,
Dubris, Verno-dubrum (Zeufs Gr.?, 136. 778) sind ganz andre namen. es ist
also die benennung Duria für den nebenfluss der Donau deshalb keineswegs
von den gallischen Cotinen herzuleiten und noch weniger zu vermuten dass
Wag nur eine deutsche übersetzung von Duria ist, da got. vögs ahd. wäg
mhd. wäc strom ein masculinum ist und kelt. dur nicht wasser, sondern fest,
sicher bedeutet (Zeufs Gr. 24 f.).
ἘΦ Dio 67, 5. vergl. Tac. Hist. 1, 2. Agric. c. 41. Mommsen im Hermes
$, 115 £.
*#* Germ. antiqg. 8. 144 ist bei Capitolin Marc. 22 das komma nach Suebi
zu setzen, worunter die Marcomanni Varistae Hermunduri et Quadi im norden
der Donau zusammengefasst werden; Sarmatae Lacringes et Buri sind die
zweite gruppe ost- und nordostwärts vom flusse; die Victuali mit ihrem an-
hang die dritte, zunächst gegen Dacien gerichtete.
21*
324 I ÜBER DEN SÜDÖSTLICHEN WINKEL
lung der Sueben unter Vannius zwischen Marus und Cusus, 80 ist
klar dass wenn Plinius das confinium Germanorum zuerst in die
nähe von Carnuntum an die March verlegt, er damit die ältere
grenze meint, wie sie vor der ansiedlung bestand, zu welcher zeit
freilich noch keine Jazygen zwischen Teis und Donau eingedrungen
waren, die vielmehr in den jahren 9—16 (Ovid. Tr. 2,191. e P.
1, 2, 79.4, 7,9. Ib. 137) und auch noch später nach 17 p. Chr.
(Strabo p. 294. 306 vergl. 304 f.) neben den Rhoxolanen auf der
südrussischen steppe hausten, also auf keinen fall damals mit den
Germanen an der mittleren Donau zusammengrenzten. den ansatz
der ostgrenze aber des vannischen reiches an der Eipel und da-
mit die spätere südostgrenze Germaniens überhaupt bestätigt im
verein mit den übrigen nachrichten aufs entschiedenste Ptolemaeus,
der damit jedoch, wie fast überall, nur wiederholte was er bei
Marinus, dem zeitgenossen des Tacitus vorgefunden hatte.
Nach Ptolemaeus 2, 11, 26 wohnten die Quaden unter dem
᾿Ορχύνιος δρυμὸς und oberhalb der eisengruben und der “οῦνα ὕλη,
also in Mähren, da der ’Ogxvvsos δρυμὸς bei ihm (2, 11, 7) die
mährische höhe ist und der Manhart den alten namen der Aotva
ὕλη, Luna silva bis heute bewahrt. steht hiemit ihre west- und
südwestgrenze fest, so kann man die vor dem Manhart genannten
eisengruben nicht weiter westlich suchen, sondern nur versuchen
durch eine umstellung ein versehen der alten geographen wieder
gut zu machen.
Ta σιδηρωρυχεῖα waren jedesfalls die bedeutendsten und nam-
haftesten eisenbergwerke in den landschaften über der Donau und
aller wahrscheinlichkeit nach daher dieselben die nach Tacitus
(Germ. 43) dort von den gallischen Cotinen bearbeitet wurden.
diese und die pannonischen Osen waren zugleich den Quaden und
den Sarmaten tributpflichtig nnd deshalb notwendig zwischen diesen
beiden völkern angesessen. beide erscheinen später noch einmal
im marcomannischen kriege und zwar die Korwvoi bei Dio 71, 12
um dem Marc Aurel wie die Buren und Jazygen heeresfolge gegen
die (Quaden und) Marcomannen zu versprechen, die Osi bei Ca-
pitolin Marc. 22 andererseits unter den völkern die in gemein-
. schaft mit den vandilischen Astingen oder Victualen gegen das
römische Dacien hin auftreten. sie müssen also im gebirgigen
nordwestlichen Ungarn gesessen haben, und hier, von der front
der Quaden gegen die Donau angesehen, konnte es bei Tacitus
sehr wohl von ihnen heifsen, dass sie mit andern völkern im ge-
DES ALTEN GERMANIENS. 325
birge den rücken derselben schlössen. eine genauere bestimmung
ihrer wohnsitze ist jedoch noch ganz wohl möglich.
Bei Ptolemaeus (2, 11, 20. 21), der aus mangel an jeder ge-
nauern orientierung in dem ganzen südlichen teile seiner karte
von Germanien sich begnügte die namen der völker und der ge-
birge blofs in reihen von norden nach süden unter einander auf-
zustellen, ist selbstverständlich nichts darauf zu geben, wenn ledig-
lich in folge dieses verfahrens die Köyvos d.i. die Karo oder
Kozvos, Κοτινοὶ mit drei andern völkern zwischen das asciburgische
oder schlesische gebirge und den ’Ogxvvsos dgvuös und so in den
rücken der Quaden kommen, wo schlechterdings für sie kein platz
ist. die ersten der reihe, die Aovyıos Bovgos sollen unterhalb des
gebirges bis an die Weichselquelile reichen ἃ. ἢ. bis zur ostgrenze
Germaniens. auch nach Tacitus (Germ. 43) salsen die Buri auf
der südseite des gebirges. da sie aber niemals im westen aufser-
halb des Karpatenlandes, sondern immer nur innerhalb desselben
auftreten, so schon zur zeit Trajans als bundesgenossen der Daken
und später nicht anders (Dio. 68, 8. 71, 18. 72, 2. 3, Zeufs 459),
so kann man sie sich nur unterhalb des Jablunkapasses in den
tälern der oberen Wag ausgebreitet denken.
Dann die Σίδωνες unter ihnen, etwa im heutigen Neutraer
comitat, am gebirge abwärts gegen die ebene wohnend, könnten
nach ihrer lage im verhältnis zu den Buren, aber auch zu den
Quaden in Mähren benannt sein*, und da das völkchen unter sei-
nem besondern, jedesfalls blofs landschaftlichen namen nicht wieder
zum vorschein kommt und daher dem einen oder dem andern
gröfseren nachbarvolke als unterabteilung zuzurechnen ist, 80
würde ich es schon wegen der ausbreitung, die später wie wir
sahen der name der Quaden gewann, unbedenklich diesen zu-
zählen. es ist aber auch noch daran zu erinnern dass die beiden
schwestersöhne des quadischen Vannius, von denen wie es scheint
der jüngere an der seite eines mitkönigs und vermutlich seines
neffen Italicus noch im j. 67 rüstig für Vespasian in Italien mit-
kämpfte (Tac. Hist. 3, 5. 21), die namen Vangio und Sido führten.
von diesen ist der eine so entschieden wie der andre von land-
* das altn. sidr demissus, herabhängend, herabreichend und dän. fries.
nnd. sid niedrig, seicht bewahren im verhältnis zum ahd. adv. sito laxe
(Graff 6, 158) und noch mehr zu ags. sid amplus, latus die ältere, ursprüng-
liche bedeutung des adjectivs, die auch das substantiv altn. sida ags. side
ahd. sita seite latus voraussetzt.
926 I ÜBER DEN SÜDÖSTLICHEN WINKEL
schaftlicher und ethnischer bedeutung, der erste aber gewis. nicht
von den rheinischen Vangionen in der ebene, dem wang von Worms
hergenommen. viel eher deutet er auf die ebenen über der Donau
und Vangio und Sido repraesentierten so zwei benachbarte land-
schaften und deren bevölkerungen, über deren eine ihr oheim als
könig eingesetzt war und deren anderer er vielleicht mit seinem
geschlecht der herkunft nach angehörte. eine andre stelle als die
angegebene lässt sich für die 3idoves nicht wohl ausmachen und
sie müssen schon zu den Quaden gezählt werden, wenn die Co-
tinen und Osen im rücken der Quaden standen.
Die wohnsitze der Cotinen und Ösen setze ich nun mit grofser
zuversicht in die landschaften an der oberen Gran und Eipel, in
die Borscher und Soler, Honter und Neograder gespanschaften.
alles trifft hier dafür aufs beste zu. hier konnten sie zur zeit
des Tacitus von der einen seite den Quaden, von der andern den
Jazygen untertan sein und späterhin die Cotinen dem Marc Aurel
gegen ihre alten herren heeresfolge leisten, die Osen gegen Dacien
sich wenden. die σιδηρωρυχεῖα bei Ptolemaeus, für die sich die
notwendigkeit einer umstellung ergab, finden demgemäls statt im
süden oder südwesten der Quaden hier im südosten und osten
eine angemessene stelle. über die zur begründung dieser ver-
mutung erforderlichen tatsachen im ganzen umfange mich zu unter-
richten, hat mir freilich, auch mit hilfe sachkundiger freunde,
lange nicht gelingen wollen. der aufmerksamkeit indes, mit der
hr. Miklosich in Wien die angelegenheit in meinem interesse seit
jahren im auge behalten hat, verdanke ich jetzt von der hand des hrn.
professors Ed. Suels daselbst eine mitteilung, die mir mit diesen
bemerkungen hervorzutreten gestattet, indem ich sie hier im anhange
dazu wiederhole. — ordnet man ferner die völker der starren
ptolemaeischen reihe, so wie es auch anderswo geschehen muss,
in eine gruppe zusammen, so kommen unterhalb der Aovyıos
Bovoos und ostwärts neben die Σίδωνες seine Kayvos und Ovso-
Bovoyıo, gerade an die stelle die wir den Cotinen und Ösen an-
weisen, und dies zusammentreffen lässt nicht zweifeln dass seine
Kayvo, oder Karvo, die Kozwoi sind, aber auch nicht dass
Ovsoßovgyıo, nur eine andere deutsche benennung der Osen oder
eines teiles derselben ist. dass Osi. der heimische, pannonische
volksname war, dafür spricht der ort Osones (It. Ant. 263, 7) und
wohl auch der stamm der Oseriates (Plin. 3 ὃ 148, Ὀσεριάτες
Ptol. 2, 14, 2) in Oberpannonien. Cusum in Unterpannonien an
DES ALTEN GERMANIENS. 327
der stelle des heutigen Peterwardein (CIL. 3, 421) und Cusus
der flussname erweisen sich gegenseitig als pannonisch und dass
die Eipel dem gebiet der Osen entströmte, wird wohl niemand in
abrede stellen, der endlich noch folgendes erwägt.
Man hatte nach Tacitus (Germ. 28. 43) in den Osen Pannonier
erkannt, weil sie in sprache, einrichtungen und sitten mit den
Aravisken übereinstimmten, war aber darüber ungewis ob die
Aravisken von den Ösen nach Pannonien, oder umgekehrt die
Ösen von den Aravisken nach Germanien eingewandert seien, zu einer
zeit ehe noch die Römer oder eine andere macht an der Donau
eine feste grenze gezogen hatte. derjenige wenigstens von dem
die beobachtung herrührt kannte darnach im norden des flusses
keine andere pannonische völkerschaft mehr als die Osen, aber die
südlich ihnen zu allernächst wohnenden waren die Aravisci oder
Eravisci. diese wohnten in der heutigen Stuhlweilsenburger ge-
spanschaft* unter dem Bakonyer walde und wie man nach Ptolemaeus
2, 15, 3 und Tacitus annehmen muss, nördlich bis in den winkel der
Donau, so dass dann jenseit im gebiet der Eipel die Osen folgten.
hätten diese westlicher gesessen, so würde jeder sie eher mit
einem andern pannonischen volke diesseit als jenseit des waldes
in verbindung gebracht haben, deren es nach Ptolemaeus 2, 14, 2.
15, 3 mindestens noch zwei gab, im norden des waldes gegen die
Rab die 4uevssvoi und weiter westlich gegen den Wiener wald
die AlaAoı**. wie für die Osen, so glaube ich erhält man gerade
hier vom süden der Donau aus auch für die Cotinen und ihre
stellung auf der nordseite noch eine gleiche bestätigung oder hin-
deutung. die hauptorte an der Donau, Vindobona Carnuntum Bri-
getio, tragen sämtlich keltische namen; ebenso die bewohner der
Bakonyer waldhöhe, die Hercuniates. die Boier, aus Boiohaemum
verdrängt, hatten im nordwestlichen Pannonien unterhalb der Azaler
sich niedergelassen, und müssen die keltischen Cotinen ehemals
* Mommsen Röm. münzwesen s. 696. CIL. 3, 415. 429 nr. 3325.
ἘΦ Mommsen (CIL. 3, 417 nr. 3224) übersah dass Plinius ὃ ὃ 148 neben
der ‘civitas Sirmiensium’ auch eine ‘Amantinorum’ nennt, dass also der Aman-
tinus der in der gegend gefundenen inschrift ohne zweifel wie die Amantini
des Sextus Rufus c. 7 dort angesessen war. aber dass sich der volksname an
der Sau wiederholt, kann kein grund sein ihn an der Rab lediglich auf die
rechnung des hier so gut unterrichteten Ptolemaeus zu setzen. ebenso wenig
beweist das zu Eskö oder Öskü (Usones) zwischen Veszprim und Stuhlweissen-
burg gefundene militärdiplom eines Azalers (CIL. 3, 881 nr. XXXIX) dass das
volk gerade dort angesessen war.
298 I ÜBER DEN SÜDÖSTLICHEN WINKEL
zu ihrem anhang im norden des flusses gehört haben, so meine ich
unbedingt auch die diesen in wahrheit völlig gleichnamigen Avsvor,
die nach Ptolemaeus östlich von den Azalern an der untern Rab
wohnten. nur sind diese schwerlich zugleich mit den Boiern über
die Donau gegangen, da sie sich dann unter die menge verloren
hätten. wahrscheinlicher haben sie sich erst etwas später von
ihren nördlicheren brüdern abgetrennt und südlich von der Donau
schutz gesucht. ihre stellung aber weist noch zurück auf ihre her-
kunft und versichert uns der Cotinen an der oberen Gran ebenso
gut wie die Aravisken bei Tacitus der Osen an der Eipel.
Unterhalb der Quaden oder vielmehr, wie er behauptet, unter
der Aovva ὕλη folgten dann nach Ptolemaeus ein μέγα ἔϑνος οὗ
Βαῖμοι μέχρε τοῦ Aavovßlov. da aber seine schematische anord-
nung allein die Aoöva« ὕλῃ schlechthin zur südgrenze der Quaden
machte, so kommt sie nicht unbedingt in betracht und das grolse
volk der Βαῖμοι darf in die weite ebene an oder von der March
bis gegen die Eipel verlegt werden. in ihm hat Zeufs längst die
aus Boihaemum an die Donau zwischen Marus und Cusus ver-
pflanzten Suebi des Vannius erkannt. Bafuos ist von den Griechen
in nicht zu rechtfertigender weise aus Βαίαιμοι, Baehaemi verkürzt*,
das zu dem in δαινοχαῖμαν bei Ptolemaeus verderbten δαιοχαῖμαι
sich gerade so verhält, wie Boihaemum bei Tacitus, δουίαιμον
bei Strabo zu Boiohaemum bei Vellejus und wie got. vaid&dja, vai-
fairhvjan zu vajam£rei, vajamerjan. Balasuoı, Βαιοχαῖμαι geben mit
grolser treue die laute wieder wie sie vom deutschen munde ge-
sprochen wurden, während in Boihaemum, Boiohaemum künstlich
und gelehrt im ersten wortteile die keltische lautgebung wieder
hergestellt ist, so dass eine hybride zusammensetzung entstand,
und jene entsprechen vollkommen dem althochdeutschen, aus dem
* seine vermutung (Die Deutschen und ihre nachbarstämme 8. 119),
Βαῖμοι sei aus einem wie Manimi abgeleiteten Batsuos zusammengezogen, hat
Zeufs später (Herkunft der Baiern 58. 46) gewis mit recht aufgegeben, aber ich
glaube er hätte nun nicht die combination mit altn. beimar viri, milites,
comites aufnehmen sollen, die ihm früher noch bedenklich schien. allerdings
Baiuos und beimar ist lautlich vollkommen dasselbe und die angesiedelten
Suebi waren die kriegerischen begleiter des Maroboduus und Catualda; aber
das wort steht im nordischen selbst ganz isoliert und rätselhaft da (Egils-
son 425). ehe wir damit etwas vornehmen, müste es uns selbst klar sein und
die schon in Haupts 28. 9, 242 angenommene verkürzung von Beimsuos in Basues
ist bei der flüchtigkeit, mit der die Griechen und namentlich Marinus und
Ptolemaeus die deutschen namen behandelt haben, doch zu wahrscheinlich, als
dass wir weiter umher zu suchen brauchten.
DES ALTEN GERMANIENS. 329
landesnamen gebildeten volksnamen B&heima und dem lateinischen
B£heimi bei Einhart ua. der name benennt die vannischen Sueben
also nur nach ihrer herkunft und begreiflicher weise gewann er
für sie keinen bestand und wiederholt sich für sie nicht wieder,
da der landesname daneben fortdauert und auf das daraus gebildete
ethnicum die bewohner des landes selbst den ersten anspruch
hatten. der gesamtname Βαιοχαῖμαι neben den sondernamen Maoxo-
pavol und Zovdıvo) ist aufser manchen andern nur ein beleg da-
für dass die ptolemaeische karte von Grofsgermanien aus einer
general- und specialdiathese roh zusammengesetzt ist. die Δαῖμοι,
Balaıuos aber können nicht noch einmal dieselben wie jene sein.
dass sie vannische Sueben sind, ergibt sich daraus mit notwendig-
keit. von der contamination zweier quellen und verschiedener nach-
richten ist hier in der südostecke von Germanien ebenso wenig
etwas zu spüren als in der nordwestecke. die nachrichten, auf
denen die karte im südosten fufst, stammen aus der zeit wo
Trajan für die eroberung Daciens und in folge derselben in Pan-
nonien Schon neue einrichtungen getroffen, aber nicht lange vor-
her auch der suebische krieg Domitians (oben s. 323) neue auf-
klärung über die gegenden im norden und überhaupt jenseit der
mittleren Donau gebracht hatte, die auch schon dem Tacitus zu
gute kommen konnte.
Wie eigentümlich und zugleich wie gut Marinus hier unter-
richtet war, zeigt gleich die unmittelbar an die Bazuos anknüpfende
notiz, die selbstverständlich so zu schreiben ist — καὶ συνεχεῖς
αὐτοῖς (τοῖς Βαίμοις) παρὰ τὸν ποταμὸν οἵ τε Ῥακατρίαι καὶ οἱ
πρὸς τοῖς Καμποις ἹῬΡαχάται, statt wie noch in der Germ. antig.
p. 180 und in der vulgata — οἱ Τερακατρίαε χαὶ οἱ πρὸς τοῖς
κάμποις ἱῬαχάται, schon aus dem einfachen grunde weil wenn das
zweite glied durch einen besonderen zusatz von dem ersten unter-
schieden wird, notwendig auch das erste als solches irgendwie ge-
kennzeichnet sein muss. mit der leichten änderung verliert der
zusatz sofort alles rätselhafte, den man in der verlegenheit in ταῖς
καμπαῖς hat emendieren oder sogar ohne weiteres so hat auslegen
wollen, als wenn das griechische ein dem femininum καμπή gleich-
bedeutendes masculinum oder neutrum besäfse, obgleich Ptolemaeus
nur von Einer krümmung, der κατὰ Kovgrav καμπῇ der Donau kurz
vor ihrer wendung gegen süden, sonst nur von ihren ἐπισεροφαῖς
spricht und die ἱΡακάται, wenn man sie hinter die " Τερακατρίαι᾽
an jenen winkel stellt, sich gar nicht mehr unmittelbar an die
330 I ÜBER DEN SÜDÖSTLICHEN WINKEL
Betuo, anschlielsen. mit der änderung wird alles klar und deut-
lich. dem bis an die Donau — μέχρι τοῦ Aavovßlov — reichen-
den, grolsen volke der Baiuos schlossen sich östlich flussabwärts,
also etwa an der untern Gran und Eipel die ἹΡαχατρίαε an. der
widerspruch, der durch diesen ansatz nach den genaueren ptole-
maeischen angaben mit jenem früheren herauskommt, wonach die
Eipel als Cusus die ostgrenze des vannischen reiches machte, ist
nicht so ernst zu nehmen. der name der ‘Paxaroias sieht durch-
aus nicht nach einem keltischen (Zeufs 119) aus, der sie mit den
keltischen Cotinen in verbindung zu bringen riete. sie sind für
eine abteilung der pannonischen Ösen, der Odsoßoveyıos des Ptole-
maeus, oder überhaupt für einen überrest der älteren pannonischen
bevölkerung im norden der Donau zu halten, der mit der ansied-
lung der vannischen Sueben diesen untertan wurde. die Paxdzas
πρὸς τοῖς Kauross aber kommen dann oberhalb der Βαῖμοι jen-
seit der March ins Untermanhartviertel, in ein gebiet das ohne
sie, wenn man die übrigen angaben des Ptolemaeus aus dem süd-
östlichen Germanien fixiert, leer und ohne bewohner sein würde,
trotzdem dass es dem berichterstatter des Marinus wohl bekannt
war, da er gerade den Lunawald dahin reichen liefs und ein un-
benannter fluss bei Ptolemaeus 2, 11, 5 (vgl. 2, 14, 3) — offenbar
die March mit der Taja — neben dem walde hin (παρὰ τὴν Aovvar
ὕλην) von norden her, angeblich 20’ nördlich von Carnuntum, in
die Donau fliefst: wie auch die karte des Agathodaemon (Zeufs
122) die Ῥακάται ansetzt, dort safsen westlich neben ihnen etwa vom
Kampflusse an die Adoaßaıxaurnos und weiterhin bis zum Regen
mit dem späteren Champriche die Παρμαικάμποι, ohne zweifel
wohl überreste der keltischen bevölkerung im. norden der Donau,
die sich unter dem schutze des Nordwaldes geborgen hatten, die
jederzeit nach ihren namen, auch wenn diese nicht Adoaßaı Kanes,
ITcgucı Καμποι zu zerlegen wären, ohne den blols unterscheiden-
den ersten teil (Zeufs 121 anm.) als Kauno: zusammengefasst
werden konnten. durch den zusatz πρὸς τοῖς Καμποις ist die räum-
liche verschiedenheit der 'Paxaraı von den ἱΡαχατρίαι ausgesprochen.
es wird jedoch, meine ich, zugleich der innere und ursprüngliche
zusammenhang der. beiden, blofs durch die ableitungssilben ihrer
namen unterschiedenen völker anerkannt und im grunde nur aus-
gesagt, die östlichen heilsen ‘Paxareiaı, die westlichen "Parxaras.
ich zweifle wenigstens nicht dass auch diese so gut wie jene oder
die Osen des Tacitus überreste der Pannonier im norden der Donau
DES ALTEN GERMANIENS. 331
waren, und aller wahrscheinlichkeit nach ist dann durch einen dem
volksnamen ‘Pexara, entsprechenden orts- oder landschaftsnamen,
in dem tech. Rakousy für Österreich nebst dem ethnicum Rakusan
eine erinnerung an den stamm bis heute bewahrt worden*.
Fast das ganze material, das nur durch einige ausdrücklich
benannte zusätze vermehrt Ptolemaeus ums j. 150 in der yso-
γραφικὴ ὑφήγησις verarbeitete, hatte Marinus von Tyrus zum teil
schon unter Domitian, dann unter Trajan zusammengebracht und
zwar vor dessen parthischen und arabischen kriegen (a. 114—117),
deren ergebnisse ihm noch unbekannt blieben**; obgleich er sonst,
wie man nach Ptolemaeus 1, 5. 6 schliefsen muss, immer der pflicht
des geographen gemäls bestrebt war die neuesten und besten nach-
richten sich zu verschaffen, was auch die betrachtung der einzelnen
* Rakousy, Rakusane und Paxares sind von Schafarik 1, 50. 487. 2, 332.
413 mehrmals unmittelbar zusammengestellt worden. wie aber wären die
Cechen wohl dazu gekommen die form des suffixes zu wechseln? etwa nach
analogie des part. perf. act. (gr. -ws, -ozos, -via, -0s)? vgl. Miklosich Gramm. 2
(1875), 327f. und wie sollte das volk und der volksname “Paxaras wohl über
die zeiten der Quaden hinaus, also bis in den anfang des fünften jahrhunderts,
ja bis über die herschaft der Rugen und den abzug der I.angobarden nach
Pannonien sich erhalten und an die nachrückenden Cechen gekommen sein?
die von Schafarik verworfene ansicht empfielt sich allein. neben "Paxaras
konnte ein orts- oder landschaftsname, der lat. etwa Racosia, Racosium, oder
Racusia, Racusium lauten würde, bestehen, den untergang des volkes überleben
und von den Germanen an die Slawen vererben. das castrum Rakouz, a. 1100
bei dem fortsetzer des Cosmas von Prag (MG. SS. 9, 106), in Meillers Reg.
Babenb. s. 32. 40. 44. 50. 55. 59 a. 1144—1181 Rakez Rakiz Rachez oder
flectiert s. 44. 50 a. 1161. 71 Rachze, Rakze, ein parmal auch s. 33. 69 a. 1147.
92 Ragicze Ragacz, wozu nach Meiller auch noch der wald Rögacz (a. 1074.
76 s. 9. 202, Stumpf Reg. 2774. 2793) kommt, wird von ihm wie auch von Kämmel
in Jagic archiv 7, 275, der den namen freilich unmittelbar aus dem slawischen
zu deuten sucht, für Raabs an der oberen Taja im Ober-, nicht wie von Schafarik ua.
für Retz (Rötz) im Untermanhartviertel erklärt. in beiden fällen kommt es in das
gebiet der ptolemaeischen ‘Paxaras πρὸς τοῖς Κώμποις, und es ist wohl begreiflich
dass der orts- oder laudschaftsname zu dem als landesname gebräuchlichen plu-
rale tantum Rakousy (Miklosich Gr. 3, 341 f.) und weiter zu Rakusan -ane an-
lass gab, nicht aber dass umgekehrt aus dem plurale das singularische Rakous
entstanden ist. das z in Rakouz usw. nehme ich — trotz dem cz — wie in
Riuze, Priuze, für eine deutsche bezeichnung des scharfen slawischen s. das
von Zeufs 122 aus MB. 26, S a. 1255 angeführte baierische Rehze j. Retz ist
wohl ebenso wie Retz im Untermanhartviertel nichts anderes als der in ehe-
mals slawischen ländern auch in praepositionaler zusammensetzung als Preetz,
Parez öfter wiederkehrende ortsname. |
ἘΣ Beckel in Erhards Regesta Westfaliae 8. 42 ff. vergl. Giefers jn der Zs.
für gesch. und altertumsk. Münster 1852. bd. 13.
332 I ÜBER DEN SÜDÖSTLICHEN WINKEL
abschnitte des ptolemaeischen werkes nur bestätigen kann. die
drei legionen, die nach Ptolemaeus 2, 14, 3 längs der Donau in
Wien (OYIAIO- statt OYIN4ößova), Carnuntum oder Flexum
und Bregetio ihre standorte hatten, waren erst unter Domitian
und in den ersten jahren Trajans hieher gekommen (Mommsen
CIL. 3,482); auch die teilung Pannoniens in eine obere und
untere provinz, die Trajan in den j. 102—107 vornahm (aao. 415),
war nach der verteilung der städte am flusse bei Ptolemaeus 2,
14, 3. 15, 4 (Mommsen s. 460) dem Marinus gleichfalls genau be-
kannt geworden, womit freilich der ausdrückliche ansatz der grenze
an der Rab (Ptol. 2, 14, 1.15, 1), der wohl aus einer älteren
aufstellung der pannonischen völker (s. 327) sich herschreibt, in
widerspruch geriet, der auch dadurch nicht völlig ausgeglichen
wurde als man die Rab bei Bregetio Komorn gegenüber münden
liefs. der gröste und bedeutendste teil der nachrichten von der
südlichen Donauseite war jedesfalls von neuestem datum, als Ma-
rinus sie aufzeichnete, und so darf man auch die neue und eigen-
tümliche kunde von der nordseite in dieselbe zeit oder die un-
mittelbar vorhergehende setzen. die grolse beugung der Donau
mit der schon erwähnten χατὰ Kovorav καμπὴ hat nach Ptole-
maeus die gestalt dass der fluss bald unterhalb Bregetio einen
halben grad südwärts bis Δούρτα, dann einen ganzen grad nörd-
lich sich wendet und darauf 10’ jenseit des ortes Kaenıs voll-
ständig die südliche richtung einschlägt. es ward dabei übersehen
dass er schon vor der krümmung gegen süden nach norden hin
ausbiegt, und die übertreibung oder falsche verteilung der malse
rührt im wesentlichen offenbar daher. aufserdem gehört Δούρτα
nicht an den zipfel der südlichen einbucht, sondern, wie wir zu-
fällig durch combination der ptolemaeischen mit andern nachrichten
genau wissen (CIL. 3, 459. 460), vielmehr an den anfang der
ersten nördlichen ausbucht. bei alledem ist klar wie gut die ge-
währsmänner des Marinus auch hier bescheid wusten. von der
letzten nördlichsten beugung aber bei Kaenıs oder Cirpi, wie der
ort ohne zweifel richtiger bei den Römern heifst, ist die ostgrenze
Germaniens bis zur Weichsel bestimmt.
Genau 30’ nördlich über der beugung setzt Piolemaeus das
südliche ende der Sarmatischen berge, ihre nordgrenze zwei
breitegrade weiter, nur um einen längegrad östlicher. von ihrer
ausdehnung nach westen und osten hat er keine vorstellung er
meint dass 3° 30’ östlich von ihrer südspitze der Karpates be-
DES ALTEN GERMANIENS. 333
ginnt, an dem einerseits (3, 7, 1) der Tißsoxog, bei ihm die Teis,
und andererseits, wie nach 3, 5, 17. 18 anzunehmen ist, auch der
Tyras oder Dnjestr entspringt; aber den namen Καρπάτης ver-
wendet er so wenig als irgend einer der alten sonst für den nörd-
lichen und nordwestlichen teil des gebirges, ja er hat keine ahnung
von ihrem zusammenhang, und es scheint fast dass erst Marinus
die benennung sarmatische berge für jenen erfunden hat, da er
diese ungefähr in der richtung eines meridians streichenden berge
als einen teil der ostgrenze des europaeischen Sarmatiens gegen
Germanien betrachtet und die ᾿άζυγες Μετανάσται an der Teis,
die nur an ihre südspitze hinanreichten, gar nicht mehr als Sar-
maten rechnet. von dem nordende liegt dann nach Ptolemaeus
die Weichselquelle, die er wie schon erwähnt (s. 325) an das
ostende des asciburgischen oder schlesischen gebirges setzt, wie-
derum zwei grade nach norden und einen halben grad nach osten
hin ab, so dass sie im ganzen im verhältnis zu dem nördlichen
winkel der Donau nur um einen längegrad zu weit nach osten
verrückt ist und es so aussieht dass man auch über ihre lage von
Kaenıs aus sehr gut orientiert war; nur liegt der verdacht sehr
nahe dass die schon von Agrippa angegebene, ja von Caesar be-
reits indicierte, gemeine begrenzung Germaniens von den mathe-
matikern blofs eine wissenschaftliche gestalt bekommen hat. die
arge verschiebung des schlesischen gebirges mit der Weichsel-
quelle aber ist lediglich eine folge teils der combination zweier
diathesen im inneren Germanien, teils der rohen aufstellung der
namen in reihen unter einander im südlichen teile der karte.
bringt man jene wieder an ihre natürliche stelle, so leuchtet
hoffentlich jedem ein wie notwendig für die letzte reihe der von
Ptolemaeus an der ostgrenze genannten namen die anordnung
eintritt, die wir ihnen anwiesen.
Was endlich Tacitus betrifft, so geschweigt er in der Ger-
mania der vannischen Sueben gänzlich, vermutlich weil ein be-
sonderer name für sie fehlte und der sprachgebrauch deshalb sie
schon vielfach mit unter die Quaden begrifi. dies scheint in der
tat die einzig mögliche erklärung zu sein, wenn er die Cotinen
und Ösen in den rücken der Quaden stellt und von ihnen und
den Sarmaten abhängig sein lässt, ohne der Sueben daneben noch
zu gedenken. seine aufstellung ist wesentlich dieselbe, auf die
wir auch bei Ptolemaeus hingeführt werden, und die anschauung,
die bei beiden zu grunde liegt, entstammt auch ganz derselben
334 I ÜBER DEN SÜDÖSTLICHEN WINKEL
zeit. das gebiet, wo der mutuus metus nach Tacitus Germanen
und Sarmaten schied, lag über der grofsen wendung der mittleren
Donau gegen süden, wo sie um die herschaft über die nächst
wohnenden völker stritten oder vielmehr darin sich teilten.
gebirge schieden die Daken gegen norden und auch im osten
von den Germanen, da hieher die Bastarnen vorgedrungen waren.
Die vorhin s. 326 erwähnte, höchst dankenswerte mitteilung
des hrn. prof. Ed. Suefls ἃ. d. Wien d. 12 juli lautet:
Die an mich gerichteten fragen erlaube ich mir in nach-
stehendem zu beantworten.
1. Es dürfte sehr schwer sein, das vorhandensein einer erz-
fördernden bevölkerung im westen des Manhart aus den phy-
sischen verhältnissen des landes zu begründen. es sind wohl
etwas mehr gegen nordwest, von Neustadti Saar Pribislau bis
Iglau und sogar bis gegen Jarmeritz (NW. von Znaim) einzelne
kleinere vorkommnisse von eisenerzen bekannt, aber diese sind
im verhältnisse zu anderen lagerstätten des nördlichen teiles
unserer monarchie viel zu unbedeutend, als dass man in ihnen
die spuren des von Ptolemaeus erwähnten erzgebietes suchen
dürfte. es spricht im gegenteile die verteilung der eisenerze
ganz und gar für die in der anfrage ausgesprochene vermutung,
dass bei Ptolemaeus ein irrtum vorliegt.
2. Über die angaben bei Tacitus scheint mir wenig zweifel
herschen zu können und führt auch hier die beschaffenheit der
gebirge zu einer bestätigung der von dem fragesteller ausge-
sprochenen vermutung, nämlich in das gebiet der oberen Gran.
Es befinden sich allerdings in den westlichen Karpaten, wie
bei Mistek Frankstadt Teschen und weit in den galizischen an-
teil des gebirges hinein zahlreiche gruben auf eisenerz, aber
dieses erz, welches durchweg in der sandsteinzone der Karpaten
liegt, tritt in einer beschaffenheit auf (tohneisenstein, sphäro-
siderit), welche ein grölseres mafs technischer hilfsmittel bei
gewinnung und verhüttung voraussetzt. auch knüpfen sich meines
wissens nirgends ältere traditionen an die eisensteingruben der
sandsteinzone.
Anders verhält es sich in Nord-Ungarn, insbesondere im
oberen flussgebiete der Gran, in den comitaten Sohl Zips und
Gömör. dort trifft man auf mächtige lager von spateisenstein,
welche gegen die oberfläche in brauneisenstein verwandelt sind.
DES ALTEN GERMANIENS. 335
sie sind zum grösten teile dem glimmerschiefer eingeschaltet
und nicht selten von fahlerz kobalt und nickel begleitet. diese
lagerstätten werden in den fachmännischen schriften darum
seltener erwähnt weil die in demselben gebiete vorkommenden
wertvolleren metalle in der regel die ganze aufmerksamkeit der
beobachter fesselten; so ist es z. b. der fall in Gust. Fallers
sonst vortreffllicher darstellung dieses minengebietes*. nichts
desto weniger ist der bau auf eisenerze ein beträchtlicher und er
wird oder wurde doch wenigstens noch vor etwa zwanzig jahren
auf hunderten, nach Hauer und Foetterle auf mehr als tausend
verschiedenen gruben betrieben**. in neuester zeit soll sich die
zahl der kleinen baue wesentlich vermindert haben.
Gerade diese grolse zahl kleiner baue zeigt aber dass das
erz leicht verfolgbar zu tage liegt und mit geringen mitteln ge-
wonnen werden kann, und dieser umstand scheint mir für das
hohe alter bergmännischen umtriebes gerade in diesem gebiete
zu sprechen. die billigkeit gebietet aber hinzuzufügen dass auch
bisher von den erforschern ungarischer montangeschichte der sitz
dieses von Tacitus erwähnten bergbaureviers an den oberlauf des
Granflusses verlegt worden ist***, wie fremdartig auch zuweilen die
begründung solcher angaben sein mag. wenn die grenze der
Jazygo-Sarmaten gegen die Germanen in der tat durch ‘eine
meridiane linie von dem winkel der südwärts sich wendenden
Donau’ bezeichnet wird, welcher winkel bei Waizen liegt, so
liegen die erzgruben der Cotini gerade im gebiete dieser grenze
und mag es sich hieraus recht wohl erklären dass die Cotini zu-
gleich den Quaden und den Jazygo-Sarmaten tributär waren.
[Die vorstehende abhandlung wurde, wie oben bemerkt, von
Müllenhoff am 19 juli 1888 in der Berliner academie vorgetragen
und erschien darauf in den Sitzungsberichten der philos.-histor.
* Gust. Faller, Reise-notizen über einige wichtige metall-bergbaue Ober-
Ungarns; Berg- u. hüttenmänn. jahrb. der Schemnitzer berg-akad. u. 8. w.
XVLH 1867 p. 129—210.
ἘΦ F, v. Hauer u. F. Foetterle, Geolog. übersicht ἃ. bergbaue ἃ. österreich.
monarchie; 8. Wien 1855; p. 93—96.
*** Joh. Kachelmann, Geschichten der ungar. bergstädte und ihrer um-
gebung; erste vorlesung (bis zum jahre 1000); 8. Schemnitz 1853.
886 I ÜBER DEN SÜDÖSTLICHEN WINKEL
classe bd. XXXV p. 871ff. sie ist neben dem ungefähr in der-
selben zeit abgeschlossenen fünften bande der altertumskunde das
letzte was Müllenhoff publiciert hat. er baut in ihr aus dem wust
des Ptolemaeus eine würkliche geographie jener gegend auf, für
deren ansätze in anscheinend ganz fern liegenden beziehungen un-
geahnte stützen gefunden werden. es ist ihr denn auch unter dem
beistande einer anderen wissenschaft für ihr wichtigstes resultat
eine reale bestätigung zu teil geworden, wie sie sonst philologische
untersuchungen nicht eben oft erfahren. dennoch war Müllen-
hoff von ihrem ergebnis nicht befriedigt. wie Scherer in seiner
gedächtnisrede auf ihn (s. 5) hervorhebt, hat er ‘ihm gegenüber
mündlich die resultate der abhandlung in einem hauptpunkte
zurückgenommen’. welcher hauptpunkt das ist, hat aber Scherer
von Müllenhoff nicht erfahren oder wenigstens hat er es später
nicht mehr gewust, und so entsteht für uns das eigenartige pro-
blem, der abhandlung auf das bekenntnis ihres eigenen verfassers
hin abzulauschen, worin sie hinter den intentionen des autors
zurückgeblieben ist.
Dass mit jenem hauptpunkte nicht die feine interpretation der
Plinianischen stelle 4 $ 80, womit die abhandlung beginnt, gemeint
sein kann, ist wohl klar. auch die identificierung des Cusus bei
Tacitus (Ann. 2, 63) mit der heutigen Eipel scheint uns trotz dem
widerspruche Mommsens im fünften bande seiner römischen ge-
schichte s. 196 anm. unanfechtbar. denn wenn er aus dem bericht
des Tacitus (Ann. 12, 29. 30) schliefst dass das reich des Vannius
westlich über die March hinausgereicht habe und demgemäls, da
von dem land inter Marum et Cusum die rede ist, glaubt dass der
fluss im westen der March etwa in dem heutigen Gusen bei Linz
zu suchen sei, so ist dagegen zu halten dass Müllenhoff aus dem-
selben bericht das gerade gegenteil herauslas, dass nämlich das
reich ‘im norden von Pannonien und nicht etwa von Noricum lag’
(8. 323). nach unserem dafürhalten scheint Müllenhoff auch das
recht durchaus auf seiner seite zu haben. Mommsen kann sich
_für seine annahme doch nur auf den &inen umstand berufen dass
nach der darstellung des Tacitus an dem sturze des Vannius
auch Hermunduren aus dem Fränkischen teil nahmen. dieser um-
stand aber erklärt sich auch bei der annahme dass der Cusus
östlich von der March liege, Hermunduren und die vannischen
Sueben also nicht benachbart waren, völlig aus der notiz des Ta-
citus dass das gerücht von dem reichtum des Vannius eine unzählige
DES ALTEN GERMANIEN®S. 337
menge von völkerschaften, Lugier und andere, herbeigelockt habe,
da der ruf ja auch zu einer entfernter wohnenden völkerschaft ge-
drungen sein kann. für die lage des reiches im osten der March
dagegen spricht mehr und gewichtigeres als &in umstand: so dass
der commandeur in Pannonien ordre erhielt zum zweck einer
bewaffneten neutralität eine legion bereit zu halten, dass die treu ge-
bliebenen anhänger des Vannius später in Pannonien angesiedelt
wurden, dass es in diesem lande einen ort Cusum gab, wodurch der
name selbst mit hoher wahrscheinlichkeit als pannonisch sich erweist,
endlich auch jene stelle von den Osen aus der Germania cap. 28,
die Müllenhoff (s. 327) so scharfsinnig zu gunsten seines ansatzes
auszubeuten verstand. es scheint demnach kaum mehr zweifelhaft
dass der Cusus östlich von der March zu suchen ist, und da die Wag
(Duria) und die Gran (Γρανούας) schon mit namen versehen sind,
so muss man wohl um ihn anzusetzen bis zur Eipel gehen.
auch dass die “οῦνα ὕλη dem heutigen Manhart entspricht,
demnach also westlich von der March anzusetzen ist, kann keinem
zweifel unterliegen, so wenig wie man nach den untersuchungen
von prof. Suels die lage der σιεδηρωρυχεῖα jemals noch anderswo
als östlich von der March an der oberen Gran und Eipel suchen
wird. dann gehören aber auch die Cotini und Osi dahin, die
übrigens richtig angesetzt zu haben Müllenhoff am wenigsten ge-
zweifelt haben wird, da er bei ihnen ausdrücklich von der grofsen
zuversicht spricht mit der er ihre wohnsitze bestimmen kann.
auch was er von den Σίδωνες sagt, die er für eine abteilung der
Quaden erklärt, scheint nicht angetastet werden zu dürfen, und
gegen die schon von Zeufs angenommene identität der Βαῖμοι und
vannischen Sueben wird sich zunächst auch kein einwand erheben
wollen. auch die Buri endlich sind unterhalb des Jablunkapasses
trefflich angesetzt, weil dadurch erst die bemerkung des Plinius
‘aversa tenent Basternae aliique inde Germani’ verständlich
wird. denn so untergebracht müssen die Buri im nordöstlichen
teile ihres gebietes in der tat an die Bastarnen gestolsen sein.
Wenn nun aber bei dem ansatz der bisher erwähnten geogra-
phischen namen die notiz des Plinius, von der Müllenhoff aus-
gegangen ist, sich als so gut begründet und so wohl überlegt er-
weist, so muss es doch überraschen in dem folgenden abschnitt
der untersuchung, der sich mit den übrigen von Ptolemaeus an
jener stelle noch aufgeführten namen den ‘Paxaras und Τερακατρίαι
beschäftigt, zu lesen (s. 330) dass ‘der widerspruch, der durch
DEUTSCHE ALTERTUMSKUNDR II. 22
228 I ÜBER DEN SÜDÖSTLICHEN WINKEL
ihre ansetzung mit der darstellung des Plinius entsteht, nicht so
ernst zu nehmen sei’. denn gegen die angabe eines griechischen
geographen steht die eines römischen und dass den nachrichten der
Griechen in bezug auf germanische ethnographie stäts weniger zu
trauen sei als denen der Römer, war für Müllenhoff ein metho-
discher grundsatz den er in diesen forschungen sonst nicht ver-
liefs (vgl. Haupts zs. 9, 229) und dessen verletzung deshalb be-
fremden muss. auch hat er Scherer gegenüber, als er jenen haupt-
punkt der untersuchung zurücknahm, ausdrücklich bekannt dass
er ihm in der vorliegenden abhandlung zu seinem schaden untreu
geworden sei. wir dürfen demnach sicher sein dass hier der
punkt liegt an dem die nachprüfung einzusetzen hat. man sieht
aber auch noch deutlich genug in wie ferne jener grundsatz ver-
letzt ist.
Wenn nemlich Müllenhoff für die arg verderbte stelle im
Ptolemaeus 2, 11, 26 καὶ συνεχεῖς αὐτοῖς (τοῖς Βαίμοις) παρὰ τὸν
ποταμὸν οὗ Τερακατρίαν καὶ οἱ πρὸς τοῖς χάμποις 'Ῥακάται zu
lesen vorschlug οὗ τὸ ἱΡακατρίαι καὶ οἱ πρὸς τοῖς Κάμποις Ῥακάται,
so statuierte er damit eine pannonische völkerschaft, deren wohn-
sitz er den 'Paxatras benachbart, aber östlich von der March —
während jene westlich vom fluss anzusetzen sind — bis zur unteren
Eipel reichen liefs. nach Plinius aber war hier am Duria, welcher
name nach Müllenhoff (s. 322f.) nicht ganz correct gewählt und
mehr im allgemeinen sinne gebraucht einen der gröfseren, östlich
von der March gelegenen nebenflüsse der Donau bezeichnet, das
confinium der Germanen und Sarmaten. folglich kann hier nicht
der sitz einer pannonischen völkerschaft gewesen sein. Müllen-
hoff übersah das natürlich nicht, meinte aber dass diese ἹΡακατρίαι
die den vannischen Sueben untertan geworden sein müsten so in
ihr reich aufgegangen waren dass sie als eine eigene nation nicht
mehr gelten konnten. gegen diese folgerung liefse sich nichts
einwenden, wenn sie nicht eben lediglich auf der angabe eines
griechischen geographen beruhte und dagegen eine flüchtigkeit
oder ungenauigkeit eines römischen darstellers zur voraussetzung
hätte. es kommt aber noch der höchst merkwürdige umstand
der sich aus der benennung der 'Paxaraı und Paxarelas ergibt
hinzu, dass nemlich zwei benachbarte, stammverwandte völker im
namen unterschieden werden sollten, aber doch nicht anders als
dass der eine name die adjectivische bildung des anderen ist.
dafür wird es schwerlich noch eine analogie geben.
DES ALTEN GERMANIENS. 339
die ἹΡακατρίαι können also, wenn wir Plinius mehr trauen
dürfen als Ptolemaeus, nicht zwischen March und Eipel gewohnt
haben, es kann aber auch nicht einmal eine pannonische völker-
schaft dieses namens gegeben haben, folglich ist Müllenhoffs inter-
pretation jener stelle unhaltbar und uns fällt die aufgabe zu nach
einer anderen erklärung des verderbnisses uns umzusehen. diese
erklärung aber muss so beschaffen sein dass sie erstens den wider-
spruch, der zwischen der darstellung des Ptolemaeus und der an-
gabe des Plinius besteht, auf irgend eine weise beseitigt, dass sie
zweitens aber auch für den gleichklang der in Τερακατρίαε und
Ῥακάται vorliegt rat weils. denn diese namenähnlichkeit kann
schlechterdings auf keinem zufall beruhen, wie auch Müllenhoff bei
der wiederherstellung jener worte von ihr sich leiten liefs. trotz-
dem scheint uns in jenen Τερακατρίαι ein ganz anderer name zu
stecken als er in Paxaraı selbst vorliegt.
In der aufzählung der germanischen völkerschaften ist Ptole-
maeus schon 2, 11, 20 in der gegend angelangt um die es sich
für uns handelt. von den Lugii Buri aus zählt er südwärts gehend
die Σίδωνες Kayvor und Οὐισβούργιοε auf. in den Köyvos hat
Müllenhoff — und andere vor ihm — die Cotini erkannt und in
den Οὐεσβούργιοε einen anderen und zwar deutschen namen für die
Osi vermutet. Ptolemaeus wendet sich darauf wieder nach dem
westen und süden seiner karte um die namen der übrigen ger-
manischen völkerschaften unterzubringen. erst 2, 11, 26 langt er
wieder bei den Quaden an. dass er nun hier fälschlich die osdye-
ὠρυχεῖα westlich statt östlich von dem flusse angesetzt hat, ist
von Müllenhoff klar erwiesen und durch die untersuchungen von
prof. Suefs bestätigt worden. aber wie kam Ptolemaeus dazu diese
versetzung vorzunehmen? auf welche weise geraten die eisenerz-
gruben vom osten der March nach dem westen? für diese fragen
weifs ich nur die antwort dass diese umsetzung nicht die einzige
ist die der geograph sich hier hat zu schulden kommen lassen,
sondern dass er alles in Germanien jenseit der March liegende
nach dem westen des flusses verlegt hat: aufser den eisenerzgruben
sind auch die Baruos fälschlich hinübergeraten, ebenso die Ts-
ρακατρίαι. es wird das noch deutlich aus dem χαὶ durch das
τὰ σιδηρωρυχεῖα und 7 Aoöva ὕλη verbunden sind. denn da es
nach den nachweisungen von prof. Suefs ‘sehr schwer sein dürfte
das vorhandensein einer erzfördernden bevölkerung im westen des
Manhart aus den physischen verhältnissen des landes zu begründen’,
425
340 I ÜBER DEN SÜDÖSTLICHEN WINKEL
so beruht ihre nebeneinanderstellung auf keiner realen beobachtung.
da aber ferner Ptolemaeus sonst bei der aufführung der geographi-
schen namen Germaniens stäts unter- oder über-, nie nebenordnet, so
erklärt sich die aneinanderreihung hier nur daraus dass die σιϑηρ-
ὠρυχεῖα von anderswoher entlehnt sind. auch die Baiuos μέχρε
τοῦ Aavovßlov beweisen noch deutlich die confundierung. denn
wie können sie bis zur Donau gereicht haben, wenn συνεχεῖς
αὐτοῖς παρὰ τὸν ποταμὸν οἱ Τερακατρίαι καὶ οἱ Ῥακάται wohnen?
endlich finden auch die Τερακατρίαι, welches volk man auch dar-
unter verstehen möge, in würklichkeit westlich von der March
kein unterkommen.
Die aufzählung des Ptolemaeus geht demnach auf folgende ur-
sprüngliche darstellung zurück:
1. westliche hälfte: ὑπὸ δὲ τὸν Ὀρκύνιον δρυμὸν Kovados, up’
οὺς ἡ Aovva ὕλη, ὑφ᾽ ἣν παρὰ τὸν ποταμὸν πρὸς τοῖς Καμποις
os ἹῬακάται.
2. östliche hälfte: ..... σιδηρωρυχεῖα.... μέγα ὄϑνος οἱ Βαῖμοι
μέχρι vöv Aavovßlov καὶ συνεχεῖς αὐτοῖς οἱ Τερακατρίαι.
die erste beschreibung, die für den westen zeigt eine mit
den tatsachen völlig übereinstimmende darstellung die keiner aus-
einandersetzung bedarf. die für den osten dagegen macht einige
schwierigkeiten. zunächst fragt es sich wer die Baiuos sind?
wenn mit ihnen nemlich, wie Zeufs und Müllenhoff dachten, die
vannischen Sueben gemeint sind d. h. das reich des Vannius, dann
wäre die beschreibung dieser gegend östlich vom flusse, wie sie
sich hier durch die kritische sonderung uns ergeben hat, unvoll-
ständig, indem die Quaden, zu denen die Sideves oben 8. 325 f.
einen anhang bildeten, unerwähnt geblieben wären. leicht böte
sich freilich die annahme dass sie in dem ursprünglichen, von
Marinus benutzten bericht unter dem namen Kovado,s genannt
waren und erst bei der durcheinandermengung der in den beiden
beschreibungen aufgeführten namen wegfielen, da der contaminator
das volk ja nur einmal brauchen konnte. aber wie erklärte sich
dann das praedicat μέγα ἔϑνος als bezeichnung für die vannischen
Sueben? ein μέγα ἔϑνος konnte dieses völkchen, diese quadische
enclave doch schwerlich genannt werden. man wird wohl also mit
mehr recht annehmen dürfen dass die Βαῖμοι alle jenseit der
March wohnenden Germanen bezeichnen und somit das umfassen
was Plinius 4 $ 80 Suebi regnumque Vannianum nennt. der name
wäre dann entweder rein geographisch zu verstehen mit bezug auf
DES ALTEN GERMANIENS. 341
die ehemalige heimat der beiden völkerschaften, ähnlich wie (vgl.
Haupts zs. 9, 231) bei Ptolemaeus der name Angrivarii zur be-
zeichnung zweier stämme, der Calucones und 4uwsavos diente, oder
wir dürfen, da diese auffassung immerhin künstlich erscheinen
könnte, aus dem einen namen für die beiden völkerschaften geradezu
schliefsen dass zu der zeit, wo die diathese aufgezeichnet wurde,
die Sidwves und die Sueben des Vannius schon zu &inem reiche
verschmolzen waren. die annahme steht auch in keinem wider-
spruch zur überlieferung, da sowohl bei Tacitus Hist. 1, 2* wie
bei Dio 67,5 sehr gut jene schon vereinigten stämme gemeint
sein können. nur dass jener in der Germania cap. 43 wo er von
den Germanen jenseits der March spricht sie Quaden nennt und
nicht Baemi, könnte auffallen. aber warum sollte nicht eine zwie-
fache benennung des gebietes möglich sein? bildeten doch Quaden
einen bestandteil des reiches und stand an seiner spitze doch ein
quadisches herscherhaus, während andrerseits der name δαῖμον
ebenso erklärlich ist und in der späteren geschichte sogar eine
treffliche analogie findet. denn als die Marcomannen von Böhmen
aus in das land zwischen Lech und Inn einrückten, wurden sie
gleichfalls Baiuvarii d. h. bewohner von Böhmen genannt. dass
aber Tacitus an jener stelle nur von &inem volke spricht und nicht
mehr von Sidwves und den Sueben des Vannius liefert gerade
eine willkommene bestätigung unserer annahme. dennoch ist, ehe
man sich endgiltig entscheidet, noch eine consequenz zu erwägen,
dass es nemlich bei dieser auffassung nicht mehr möglich wird
aus den angaben des Ptolemaeus die östliche diathese so her-
zustellen wie in der westlichen die ursprüngliche vorlage er-
halten scheint. denn der überlieferung blindlings zu folgen und
zu glauben dass die beschreibung mit den σιδηρωρυχεῖα begann
und im anschluss an sie erst die δαῖμον erwähnte geht doch nicht
an. eher wird man schon die umgekehrte aufzählung für wahrschein-
lich halten dürfen. aber es wird niemand unbillige forderungen an
die kritik stellen und jeder sich begnügen, wenn sich zeigt dass
wenigstens nachher in der aufzählung der Tsgaxazeias im anschluss
an die Δδαῖμοι eine planmälsige reihenfolge sich erhalten hat.
| Demnach wohnten also westlich von der March die Quaden,
südlich von ihnen lag der Manhart und südlich davon an der Donau
* der name Sueborum gentes darf nicht auffallen, da die gleichung
Sarmatarım ac Sueborum gentes zeigt dass es auf einen umfassenden, we-
nigstens den stamm bezeichnenden namen ankam.
342 I ÜBER DEN SÜDÖSTLICHEN WINKEL
entlang wohnten die “Paxaras. östlich von der March lagen die
eisenerzgruben. ..... bis zur Donau wohnten die Baluos und an
sie schlossen sich die Τερακατρίαν. wer nun sind diese Τερακα-
τρίαι ich glaube die antwort kann nun nicht mehr zweifelhaft
sein. ist es nemlich gerechtfertigt die angaben des Ptolemaeus, wie
wir es getan haben, in die beiden die gegend westlich und östlich
von der March darstellenden diathesen aufzulösen und sind mit den
Βαῖμοι die Quaden des Tacitus gemeint, dann können nach der be-
schreibung des Plinius 4 ὃ 80 und nach der Germania cap. 28. 43
wie nach den untersuchungen von prof. Suels in dem namen
nur die Osi und Cotini stecken. in der tat wird die möglichkeit
eines verderbnisses von KOTINOI in KATPIAI niemand läugnen
wollen. und für ΟΣΟΙΚΟΤΙΝΟΙ Ξε TEPAKATPIAI kann man
geltend machen dass sie genau die gleiche anzahl von buchstaben
enthalten. dann aber müsten wir annehmen 1) dass Ptolemaeus
bezw. Marinus von Tyrus — denn wie wir sehen werden, ist das
verderbnis alt — aus einer griechischen quelle geschöpft haben,
2) aber wegen des fehlenden xa@i oder rs dass diese quelle in
einem blofsen völkerverzeichnis bestand, das sich von den freilich
aus viel späterer zeit überlieferten dadurch unterschied dass es
auch andere geographische begriffe als lediglich völkernamen, nem-
lich die σιδηρωρυχεῖα enthielt. beide annahmen sind nicht sehr
wahrscheinlich und deshalb empfielt es sich auf das lateinische
zurückzugehen, wo die natürliche und zunächst vorauszusetzende
form Osi et Cotini nicht nur ebenfalls dieselbe buchstabenanzahl
bietet die das verderbnis aufweist, sondern zugleich auch den
vorzug hat dass man nun sofort sieht, woher das in die corruptel
geratene TE sich herschreibt. vortreffllich stimmt auch unter
dieser voraussetzung die reihenfolge der namen, insofern die Osi
vor den Cotini erwähnt werden. von den bis zur Donau reichenden
Βαῖμοι ausgehend trifft man nemlich zunächst auf die Ösen, dann
erst auf die Cotini an der oberen Gran. es zeigt sich somit dass
hier die darstellung des Ptolemaeus anders als vorher die ur-
sprüngliche anordnung noch wohl gewahrt hat.
Wenn nun aber in der überlieferten form Τερακχατρίαι die
namen Osi und Cotini stecken, wie erklärt sich die ähnlichkeit
von ἱΡαχάται und... ρακατρίαι ὃ sollte sie doch auf einem zu-
fall beruhen? wir meinen nicht, sondern sind vielmehr der an-
sicht dass sie mit bewustsein geschaffen wurde, und zwar von
keinem anderen als Marinus selbst. oben s. 80 hat Müllenhoff
DES ALTEN GERMANIENS, 343
auseinandergesetzt wie er ein ander mal, als es ihm an namen
gebrach, die nähe des deutschen volkes der Burgundiones sich in
der weise zu nutze machte dass er nach ihm ein nicht deutsches
volk die Φρουγουνδίωνες benannte. in ganz ähnlicher weise hat
er, der namentlich lateinischen quellen gegenüber sich häufig lese-
fehler, entstellungen usw. zu schulden kommen liefs (oben s. 80),
hier sich aus der verlegenheit geholfen, indem er aus den beiden
verderbten namen einen neuen schuf und dabei an den eines be-
nachbarten volkes sich anlehnte, genau wie auch der name Tev-
τονοάριοι (vgl. oben 5. 287) im anschluss an den der Teutonen
fabriciert ist.
Diese erklärung hat freilich zur voraussetzung dass Marinus
das verderbnis schon vorfand. wir sind aber auch noch ganz gut
im stande das zu erschliefsen oder wenigstens so viel zu ersehen
dass er den namen Cotini aus seiner vorlage nicht mehr heraus-
zulesen vermochte. wie wir oben schon sahen (s. 339), stecken in
den 2, 11, 21 genannten namen der Aayvo, und Οὐισβούργιοι, wie
Müllenhoff und andere vor ihm annahmen, der name Cotini und
ein anderer deutscher für die Os. mithin war die darstellung
dieser gegend von Marinus schon einmal geliefert, und nur wenn
wir annehmen dass er an der zweiten stelle den namen Cotini
nicht mehr erkannte, können wir begreifen dass er zwei dar-
stellungen einer und derselben gegend in seine karte aufnahm.
denn die andere annahme zu der unsere herstellung von 2, 11,
26 anlass geben könnte dass in den Kayvos und Ovsoßovgyıo, ganz
andere namen stecken als die der Cotini und Osi, erscheint unbe-
rechtigt, da die namen erstens sonst gar nicht unterzubringen wären,
dann aber bei dem vorschreiten in der aufzählung des Ptolemaeus
vom westen nach osten mit den völkern unterhalb der Lugii Buri
eben nur die Cotini und Osi gemeint sein können. auch die mei-
nung endlich, die man unter der voraussetzung dass 2, 11, 21 diese
völker schon erwähnt sind allesfalls hegen könnte, Marinus habe
die Osi et Cotini nur deshalb in einen anderen namen gewandelt,
weil er sie schon einmal (2, 11, 21) aufgeführt fand, ist zu ver-
werfen. denn es hätte doch dann viel näher gelegen die namen,
die er zur ausfüllung des raumes durchaus nicht brauchte, ein-
fach fortzulassen. auch begriffe man in diesem falle nicht, wes-
halb er aus den beiden namen nur &in volk machte. es bleibt
also dabei: Ptolemaeus bezw. Marinus hat zwei dieselbe gegend
beschreibende specialdarstellungen in seine karte von Germanien
844 I DER SÜDÖSTLICHE WINKEL DES ALTEN GERMANIENS.
aufgenommen und das verderbnis in 2, 11, 26 insofern schon vor-
gefunden, als er den namen Cotini darin nicht mehr erkannte,
auch die identität von Osi und Ovsoßoveoysos nicht merkte.
Die beiden darstellungen aber waren sehr verschiedenen ur-
sprunges, wie noch deutlich zu erkennen ist. die erste (2, 11, 21)
ist, wie schon Müllenhoff bemerkt hat, deutsch, wofür die namen
Σίδωνες für einen teil der Quaden (s. 325f.) und Οὐισβούργιοι (s. 326)
für die Osen zeugnis ablegen. sie stammt also von einem deut-
schen nachbarvolke, etwa von den Lugii Buri selbst her. die
zweite dagegen (2, 11, 26) ist, wie sich uns ergeben hat, römi-
schen ursprungs und stammt wohl aus Dacien oder Pannonien.
aber auch in bezug auf ihr alter sind sie verschieden. die erste,
die offenbar aus der generalkarte von Germanien sich herschreibt
(vgl. darüber Haupts zs. 9, 231ff. und oben s. 287), stammt aus
der zeit des Augustus, die zweite dagegen beruht auf den ereig-
nissen, wie sie sich gegen das ende des ersten jahrhunderts an
der Donau abspielten. jene weils noch nichts von dem reiche
des Vannius zwischen March und Eipel, diese kennt es, aber in
einer ausdehnung dass die alten Sidowss mit ihm verschmolzen
sind. eine mittlere stufe zwischen ihnen nimmt dann vielleicht die
nachricht des Plinius ein, indem sie Suebi — damit sind wohl die
Σίδωνες gemeint — von dem regnum Vannianum noch unterscheidet.
So ergibt sich denn dass auch hier in der südostecke Ger-
maniens zwei quellen und zwei ganz verschiedene nachrichten
contaminiert sind und dass wie in Grolsgermanien so auch hier
‘die karte aus einer general- und specialdiathese roh zusammen-
gesetzt ist’. doch leuchtet auch durch diese darstellung noch die
trefflichkeit der letzten nachrichten hindurch, nur dass die geo-
graphischen namen an stellen geraten sind, wo sie auf keinen
fall hingehörten. das aber ist, wie schon Müllenhoff vermutete
(oben 8. 333), gewis nur davon die folge dass Ptolemaeus es nicht
vermochte von der tradition sich los zu sagen, sondern noch von
den angaben Agrippas abhängig blieb. nach ihnen schlossen die
montes Sarmatarum hart an den westlichen Quaden und den Ra-
catae Germanien von Sarmatien ab und gestatteten nicht jenes
land anzusetzen, wo nach Tacitus ‘Germania a Sarmatis Dacisque
mutuo metu aut montibus separatur’.
Also auch ein entscheidendes motiv ist vorhanden für die
umsetzung die Ptolemaeus vorgenommen hat, und damit nach
der beseitigung der Tepaxarpiaı die sonst in keiner weise
II WIDLAND. 345
belegt sind alles in bester ordnung. dabei sind wir vom haupt-
resultat der Müllenhoffschen untersuchung nirgend abgewichen,
vielmehr hat es sich, wie uns scheint, durch diese betrachtung
nur von neuem und besser bestätig. denn die bestimmung
der grenze Germaniens durch eine meridiane linie von der
nördlichsten beugung der Donau bis zur Weichsel hin (s. 332)
bleibt völlig unangetastet: sie steht nur jetzt in übereinstimmung
mit Plinius sowohl wie mit den nachrichten die Marinus vor-
lagen. auch die worte des Tacitus ‘Cotini Osi terga Quadorum
claudunt’ kommen zu ihrem vollen rechte, wie auch der um-
stand zu seinen gunsten sich entscheidet dass er östlich von
der March nur Quaden kennt, nach der Müllenhoffschen deutung
der ptolemaeischen stelle aber dort Sidwwss und die vannischen
Sueben noch getrennt existiert haben sollen. endlich bleibt
die bestätigung die Müllenhofis bestimmungen in den unter-
suchungen von prof. Suels gefunden haben in ungeschwächter
kraf. nur darin eben wichen wir ab dass wir uns an die
angaben der Römer hielten und ihnen vor den nachrichten der
Griechen den vorzug gaben. das aber verlangte ja gerade der
methodische grundsatz Müllenhofis und so dürfen wir hoffen gegen
seine principielle auffassung nicht verstofsen und wenigstens in
seinem sinne uns entschieden zu haben.
O. Pniower.]
2 zu 8. 13.
Nach dem wortlaut bei Älfred sucht man zuerst eine Öffnung
in der nerung, durch die die mit der Ilfing vereinigte Weichsel
in nordwestlicher richtung durch das haf hinaus in die see ge-
langte. FNeumann in den Neuen preufsischen provinzialblättern
von 1854, 6, 312f. aber bemerkte dass die landes- und boden-
beschaffenheit eine solche Öffnung in der angegebenen richtung
anzunehmen schlechterdings verbiete. so ergab sich ihm die sach-
lich allein mögliche und sprachlich nicht unmögliche, richtige auf-
fassung der viel besprochenen stelle mit notwendigkeit. Vulfstan
berichtete die tatsachen, so lange als irgend möglich, in der reihen-
folge wie er sie beobachtet hatte und könig Älfred hat seinen be-
richt so gut wie wörtlich wiedergegeben, wie man aus der kunst-
losen, ja einfältigen aneinanderreihung der sätze mit ‘and’ er-
846 ΗΠ WIDLAND.
sieht: mindestens zuletzt hätte es heifsen müssen ‘ac liged (se6
Visle) ἂπ of psem mere vest and nord üt on se, ber man hit
hat Visle müda’. um aber seine vorgänger in der wörtlichen
auslegung zu belehren, hätte hr. Neumann selbst etwas mehr vom
angelsächsischen verstehen und wenigstens das ganze erste capitel
Älfreds einmal durchlesen müssen. er würde dann gesehen haben
dass ‘lid’ immer, wohl ein dutzend mal, für liged und niemals für
lided’ steht, ferner dass ‘tölicgan’ intransitiv (1,5. 9. 28. 29) se-
parari, transitiv ὁ. acc. also separare bedeutet und dass 'liged of
psem mere vest and nord on s&’ wesentlich nicht anders gesagt
ist als ‘lid ἀξ of Veonodlande and lid in Estmere’ oder als 1, 6
liceged se müda üt on bone gärsecg, 9 üt on bone Vendels&, 13
läg ber än mycel eä oder 18 866 885 lid up in on pät land. dass
in ‘belimped tö Eistum’ ein landesname stecke, wird auch niemand
behaupten, der nur einige wissenschaftliche kenntnis seiner mutter-
sprache besitzt. auch s. 322f. lässt hr. Neumann ‘der sprach-
forschung ihr recht widerfahren’ in einer weise dass sie sich dar-
über beklagen muss. hr. Neumann weist nach dass die südwest-
liche, unterhalb des jetzigen Lochstedt auslaufende landspitze des
Samlandes im XIU jh. Widlandes — Witlandis ort hiefs. hier stand
das haf damals durch eine öffnung in der nerung mit der see in
verbindung und die umgebung des heutigen Pillau gehörte noch
zu der jetzt der festung gegenüber liegenden nerung, also zum Vit-
land im sinne Vulfstans. aber damals im XIII jh. ist auch noch
wiederholt (Voigt Gesch. Preulsens 1, 676, Zeufs 669, FNeumann
880. 8. 324 ff.) von Withland, Widland, Witland neben Samland
und Ermeland die rede. dies kann nur der östliche teil der vulf-
stanischen Weichselinsel sein, und da ‘ort’ in der deutschen
schiffersprache immer nur landspitze bedeutet (s. Walther zum
Seebuch ua.), was kann Widlandesort anderes heifsen als die gegen
Widland gekehrte landspitze von Samland? dass Widland ehedem
weiter reichte als die nerung vor dem haf, beweist schon Vulfstan
und noch mehr Cassiodors Vidivarii, die nach Jordanes c. 5 ‘ad
litus Oceani, ubi tribus faucibus fluenta Vistulae fluminis ebibun-
tur, resident ex diversis nationibus aggregati’ oder nach c. 17
‘insulam Visclae amnis vadis circumactam quam pro patrio ser-
mone dicebant Gepedoios (d. i. Gepideninseln, weil aujös der
plural ist von got. avi = lat. avia, διά. ouua insula), incolunt ex
diversis nationibus ac si in unum asylum collecti’. sie hatten
darnach das ganze Weichseldelta inne und es ist daher nicht
I WIDLAMT. 347
daran zu denken dass blofs, ‘was bei den eingeborenen nerie
(nerung), bei den fremden Widland’ hiefs (Neumann s. 323). Vidi-
varii verhält sich zu Vidland genau so wie Baiuvarii zu Baiahaim,
Boiohaemum (Haupts zs. 9, 242f.): die erste namenhälfte ist
dort ebenso wenig deutsch als hier. wäre sie deutsch, würde schon
Vulfstan Vid- oder Vidland nicht als Vitland, gleich dem namen
des handelsplatzes am stagnum Drusne als Truso, aufgefasst
haben. der name ist nur eine halbe übersetzung von einem alt-
preulsischen Widsemme. zwar Ulmanns Lettisches wörterbuch er-
gibt nichts darüber, wohl aber Stender und ohnehin müste man
es hrn. Koskinen in den Actis societ. scientiar. Fennicae (Helsing-
fors 1866) 8, 2, 395 f. schon glauben dass bei den Letten noch
heute ganz Livland Widsemme heifst, wie bei den finnischen Liven
Vidumaa (Viduland), wovon Heinrich der Lette, wenn er zu anfang
des XHI jhs. die Liven in der umgegend von Roop auf der
rechten seite des rigischen meerbusens Idumaei, ihre landschaft
Idumaea nennt, nur eine gelehrte umbildung gibt und damit für
das alter der benennung eine willkommene bestätigung. diese
wiederkehr desselben namens innerhalb desselben sprachgebietes
spricht entschieden für seinen eistischen ursprung; denn es lässt
sich nicht annehmen dass etwa seeräuberische Finnen, wie die von
den Liven sprachlich kaum verschiedenen Kuren ihren namen auf
die kurische nerung und das kurische haf, so auch jenen einmal
auf die umgebung des frischen hafs und der Weichselmündungen
übertragen hätten. hr. Koskinen aber geht offenbar zu weit wenn
er sich ein volk der ‘Vithes οὐ Vides de la famille letto-lithua-
nienne’, ausdenkt ‘qui sans doute 6&tait situ6e depuis de la Vistule
jusqu’au delä de la Duna’, und damit sogar das dänische Withes-
leth (Zeufs 509 1.) und die Idumingas des gelehrten interpolators
des Travellers songs (Haupts zs. 11, 290f.) zusammenbringt. aus
den mit den Idumingen geparten Isten lassen sich auf sprach-
lich gesetzmälsigem wege keine Esten gewinnen, und wie möchte
hr. Koskinen es beweisen oder auch nur wahrscheinlich machen
dass der Angelsachse, wenn er das lettische oder finnische Vidland
dem namen nach kannte, daraus wie Heinrich der Lette Idumingas
gemacht hätte oder auch des gelehrten Letten erfindung gekannt
und benutzt habe?
948 HI PRUZI.
3 zu s. 15.
Wenn Adam von Bremen im schol. 25 zu 2, 33 (= Helmold
1, 15) sagt ‘Bolizlaus rex (Polanorum a. 992—1025) christianissi-
mus, cum Öttone tercio confoederatus, omnem vi Sclavaniam sub-
iecit et Ruziam et Pruzzos’, so kann die zeitbestimmung höchstens
für die eroberung Pommerns gelten (Röpell Gesch. Polens 1, 106 £.):
der sieg über die Russen fällt ins j. 3018 und die unterwerfung
‚der Pruzzi erfolgte jedesfalls nicht vor dem tode Adalberts a. 987.
auch der sogenannte Martinus Gallus (MGSS. 9, 428) gibt nur sum-
marisch, ungenau und ohne zeitbestimmung an 'Selenciam et Po-
moraniam et Prusiam contrivit’ d. i. nach p. 425 die 'tres ad mare
septentrionale affines nationes Selenciam Pomeranam et Pruziam’.
ganz ohne gewähr sind daher spätere angaben (Voigt Gesch. Preufsens
1, 295 f.) die die begebenheit ins j. 1013 oder 1015 setzen, also
nach dem martyrium des Brun von Querfurt (a. 1009). dies er-
eignete sich nach Thietmar 6, 58 (MGSS. 3, 834) ‘in confinio Pru-
ciae et Rusciae’, nach der Historia de prädicatione Brunonis (MGSS.
4, 579) in ‘Pruscia’ und ebenso nach der Halberstädter bischofs-
geschichte (MGSS. 23, 90) ‘in provincia Prucie’, nach Petrus Da-
miani (MGSS. 4, 851 ἢ) ‘ad regem Russorum’, dagegen nach den
Quedlinburger annalen (MGSS. 3, 80) und dem ‘Liber gestorum
eius’ (Meibom SS. 2, 275) ‘in confinio Rusciae et Lituae’, so dass
Thietmar und die sich ihm anschliefsenden zeugen unter Prucia
auch Littauen begreifen und die scheinbare beschränkung des namens
in den zuerst angeführten stellen eine weiter reichende bedeutung
desselben gar nicht ausschliefst. von der art ist auch noch Adams
schol. 15 zu 2, 18 ‘Polani a latere habent hinc Pruzzos, inde Be-
hemos, ab oriente Ruzzos’. die Pruzzi im engeren sinne heifsen
bei ihm Sembi, ihr land Semland 1, 62. 2, 59. 4, 1. 23 (schol.
129), Pruzzi dagegen ist der umfassendere, allgemeinere name,
2, 19 Semland provinciam possident Pruzzi. so auch 4, 18 Sem-
land — inhabitant Sembi vel Pruzzi, wo er freilich Semland zu
einer insula contigua Ruzzis et Polanis macht, indem er aus mangel
an orientierung die begrenzung der Pruzzi fälschlich auf die der
Sembi übertrug. wie Semland ist ihm auch Churland eine insel,
acht tagereisen grofs, und ebenso Aestland, nicht kleiner als jene
(4,16. 17). von Littauen und Letten hatte er nichts erfahren,
nur von Pruzzis. wenn er selbst daher auch über die ausdehnung
der Pruzzi im unklaren war, so lässt sich dasselbe doch durchaus
IV JATWIAGI. 349
nicht von seinen gewährsmännern behaupten. in der benennung
der Preufsen im engeren sinne als Sembi folgte er dem dänischen
sprachgebrauch, der sich mindestens von Knut dem grofsen bis
zu Sven Agesen (Langebek SS. 1, 54. 3, 143) und Saxo im XII jh.
verfolgen lässt, die beide den slawischen namen Pruzzi gar nicht
kennen. dagegen begreift Waldemar der sieger im anfange des
XIII jhs. in seinem Erdbuch (Nielsen 1873 s. 81) unter die terras
Pruziae auch Littovia, Curland und Semgallen und nicht minder
gebrauchen die päbstlichen urkunden der zeit, wie Töppen aao.
5, 35—38 zeigte, den namen noch in dem umfassenden sinne. da-
für dass Prusi bei den Slawen selbst gleichfalls ehemals den ganzen
eistischen stamm umfasste wie Cjudi den finnischen, Ljachowe
die Westslawen, brachte Zeufs 670 schon einen entscheidenden be-
leg aus der altrussischen chronik bei, wogegen die stellen aus
Kadlubek und Dlugoss s. 672 wohl nicht in betracht kommen.
aber aufs entschiedenste und deutlichste spricht auch dafür dass,
wie mir Kunik brieflich mitteilt, die südlich von Nowgorod nach
westen gen Livland und Littauen führende strafse noch heute und
von altersher die preufsische (pruskaja) heifst und ihre anwohner
ehedem Prusane, während die nach der entgegengesetzten seite
ostwärts auslaufende heute Slawnaja, Slawowka gewis im gegensatz
dazu nach den Slowene benannt ist und der gegensatz verbietet
bei jener etwa blofs an preufsische bernsteinhändler zu denken.
4 zu 8. 21.
Über die weitere östliche und südöstliche verbreitung der
Sudauen und Jatwingen s. Töppen s. 33 anm., Schafarik 1, 348 f
und besonders die russisch geschriebene skizze einer geschicht-
lichen geographie Russlands, die geographie der ältesten russischen
chronik von Barsow, Warschau 1873 s. 34f. vgl. s. XX, deren
kenntnis ich der gütigen vermittelung meines collegen Jagic ver-
danke. den ursprung jatwingischer dörfer im östlichen Galizien
wird man gewis immer mit Schafarik auf einzelne versprengte oder
verpflanzte haufen zurückführen müssen. auch das gebiet der
Sudowenses östlich von der Memel gegen Neu-Trocki, das grolse
dorf ‘d& di Sadowin sitzent’ südlich von Grodno, die jatwingischen
ortschaften östlich von Grodno um Sskidel und im kreise Lida
könnte man, für sich genommen, ganz wohl bevölkert denken von
350 V HOSSIT UND CARBONES.
überresten des volkes, die sich vor den deutschen rittern (Voigt
Gesch. Preufsens 3, 399. 400) oder nach der meinung der Polen
schon früher nach Littauen zurückzogen und dort bis ins XVIjh.
sich erhielten (Zeufs 678f. 674). allein nach Barsow sind jatwin-
gische ortschaften auf der linken seite der obern Memel östlich
bis über Nieswiz hinaus und südwärts bis gegen PruZany ver-
breitet, also über den grösten teil des gebiets bis zu den Pripjet-
sümpfen, in einer weise und anzahl dass man sie, und mit ihnen
auch die nördlicher belegenen, nicht anders auffassen kann als die
gleich oder ähnlich benannten im südlichen, jetzt von Polen be-
wohnten teile des alten Sudauens im Augustowischen: es sind orte,
in denen sich die alte landesbevölkerung neben der neu eindringen-
den und herschenden der Russen und Polen am längsten behauptete,
deren vertreibung daher, auch wenn es mit den in der anm. 3 s. 21
erwähnten statistischen ermittelungen nichts wäre, allein schon die
dort angenommene ehemalige ausbreitung des stammes beweisen
würde.
5 zu 8. 25.
Bringt man den uneistischen hauchanlaut von Ὅσσιοι ebenso
wenig ‚als in deutschen und keltischen namen (Haupts zs. 9, 245 f.
Zeufs Gr?. 46) in anschlag, so vergleicht sich der name dem fluss-
namen Ossa, der mindestens zweimal allein innerhalb Preufsens,
bei Graudenz und als zufluss der Laukne zwischen Pregel und
Memel vorkommt. dagegen hat der name der insel Ösel nichts
damit zu schaffen, weil schon nach der niederdeutschen aus-
sprache der stammvocal nur ein langes (E und nicht, wie Franz
Pfeiffer in der Livländischen reimchronik ansetzte, kurz sein kann.
die insel oder vielmehr wohl die ganze inselgruppe vor dem rigi-
schen busen heifst finn. estn. Sare-ma inselland, lettisch Sahmu-
semme nach Neus Revals namen s. 14 anm. der name Ösel, lat.
bei Heinrich dem Letten Osilia, ist von den Schweden überkommen
und ererbt und nichts anderes als altnord. Eystsla, inselbezirk im
gegensatz zu der Adalsysla (Yngl. s. c. 36 Nials s. c. 120), dem
hauptbezirk auf dem estnischen festlande. die ungeheuerlichen
folgerungen, die noch Zeufs 270 ff. hieran knüpft, entbehren da-
her jedes haltes und festen bodens, auch insofern als die mithri-
datische bernsteininsel ‘Osericta’ in den hss. des Plinius 37 $ 39
VI VOM PREGEL BIS ZUR ὈὔΝΑ. 351
schlechterdings keine beglaubigung findet und aufserdem eher an
die küste von Carmanien als Germanien gehört. der andre name
Κάρβωνες kann ein dem kareiwis oder karäwis krieger ent-
sprechendes, einfacheres derivatum von käras krieg voraussetzen
(vgl. preufs. karwan rüsthaus in Nesselmanns Thesaur. s. 66),
und Karwönei würde ungefähr mit ahd. Herilunga ags. Herelingas
gleichbedeutend sein. der versuch von Zeufs 272, sie mit den
Kuren (lett. Küri litt. Kurszei russ. Korsü mlat. Cori Curi Curoni)
zu identificieren, trifft weder lautlich noch örtlich zu.
6 zu s. 25.
Dass das ‘'gewässer Chrono’ oder ‘'Krano’ bei Voigt Gesch.
Preufsens 1, 169 auf einer elenden, gelehrten fälschung des sechs-
zehnten jhs. beruht, lehrt ein blick auf das ‘fragment’ bei Voigt
8. 621 (vgl. Zeufs 677). der Pregel hiefs später Lipza und Pre-
gora, Prigora (Nesselmann Thes. s. 94. 142), litt. Pröglus, bei den
Goten vermutlich Guthalus, weil östlich von der Weichsel (Plin. 4
8 100) schwerlich ein andrer fluss auch einen deutschen namen
führte. so könnte auch Xeovos ein zweiter deutscher name
(Hrun -) sein, der sich durch altn. hrynja herunterfallen, von .
gewässern herabstürzen, strömen, ahd. runen mhd. rünen (ahd.
run und rono = hrono, Hronaga KRoth Beiträge 3, 99. 106. 112.
118, ronig ronach Schmeller 2°, 116) erklären liefse; auch Otfrids
ingiriuno (‘ex alto’ zu Vergil 8, 395) gehört zu diesem verbalstamm
und nicht zu dem von rüna mysterium. obgleich der lange vocal
in der fiexion ‘Povdwvos bei Ptolemaeus gar nicht ins gewicht fällt,
so lassen sich doch ἹῬΡούδων und lit. Rusne, die Rus, der rechte
und bedeutendste arm der Memel, nur zusammenbringen, wenn
man ‘Povdo» als verderbt aus ᾿Ῥούσων ansieht. Rusne kann nach
littauischem lautgesetz nicht aus Rudne entstanden sein; aber
Pevoo» (Rus) würde sich zu Rusne (== lat. Rusnia) gerade 80 ver-
halten wie Truso (8. 14) zu preufs. Drusne. der seltsamste name
ist Tovgovvzos. es wird doch in seiner letzten hälfte nicht Wenta,
der lettische und wohl auch Zemaitische name der Windau stecken?
die Düna heilst lett. Daugawa, liv. Veena estn. Väina. hier setzt
die germanische benennung (auch altn. Dfna Fas. 1, 301. 3, 239.
317) offenbar dieselbe russificierung des livisch-estnischen namens
voraus, die der gleichlautende finnische name Viena des bei
852 ΥΠ DIE KOTA.
Archangel ins weilse meer mündenden flusses durch die Russen
erfahren hat, während er im altn. Vina hier wesentlich unver-
ändert blieb. Χέσυνος aber könnte nur ein eistisches wort sein
wenn das X vor s einen zischlaut ausdrückte vgl. Szyze das
flüsschen bei Heidekrug und die Szeszuppe, nebenfluss der
Memel.
1 zu Ss. 40.
Castren Reisen und forschungen 2, 389 bemerkt dass die
Karagassen in Sibirien wie die Samojeden ihre zelte im winter aus
renntierhäuten, im sommer aus birkenrinde errichten, s. 419 dass
auch bei den Tataren das filzzelt die gewöhnliche winterwohnung aus-
macht und für den sommer gegen ein zelt aus birkenrinde vertauscht
wird. aao. 8. 107 beschreibt er eine ostjakische sommerjurte aus
birkenrinde, deren stützen und sparren sämtlich mit weichen weiden-
zweigen umwickelt und befestigt werden. s. 124 die bretter des fuls-
bodens werden durch heu, schilfmatten, renntierhäute usw. ersetzt.
vgl. noch 8. 128. 314. zur weitern erläuterung der worte des Tacitus
fasse ich kurz zusammen was Castren 1, 118 f. über die zelte der
Berglappen in Finnmarken und Lappland berichtet. vier bogen-
förmige hölzer, durch einige querhölzer verbunden, bilden das ge-
rüste derselben, an das man rings herum stangen setzt, aber so
dass ein zugloch für den rauch und eine türöffnung bleibt. dies
gerippe bezieht man mit einer groben tuchdecke, von der ein stück
zugleich die tür bildet, stellt in der mitte des innern raumes einige
steine zu einer feuerstelle zusammen, streut einige birkenreiser
auf den boden, breitet renntierhäute darüber und das gebäude ist
fertig. ein solches gezelt (goatte) bildet des Berglappen haupt-
quartier. hier wohnt sein weib und seine kinder nebst den be-
jahrten personen. er selbst und sein dienstvolk folgt der renn-
tierherde, lagert bisweilen in einem schneehaufen, bisweilen in
einer sogenannten lavvu, was eine noch mangelhaftere einrichtung
als die goatte ist. findet sich in einiger nähe keine renntierweide
mehr, so findet ein allgemeiner umzug, auch des zeltes statt, wohl
zweimal in jedem monat, und aufserdem ziehen die Berglappen im
frühling nach der meeresküste hin, im herbst zum gebirge zurück.
— ebenso beschreibt Ahlgvist (Kulturwörter der westfinnischen
sprachen s. 101 ff. 265. vgl. 278 f.) die finnische (winter- und
sommer-) kota, die ‘älteste wohnung’ nach dem sprichwort, und
VIII ROHE KOST. 353
das wort, dem lapp. goatte entsprechend, zieht sich mit der sache
durch alle sprachen des stammes und ist von da unverschoben in
die germanischen (altn. ags. ndd. ndl.) übergegangen und weiter
verbreitet. ‘jurt’ ist die mehr ostwärts in Asien als diesseit des
Urals verbreitete benennung der wohnung, Ahlgvist 8. 105. der-
selbe meint, ehedem habe man die stangen, aus denen die wand
bestehen sollte, gegen einen lebenden baumstamm zusammengestellt,
woher es in der Kalewala 3, 209 heilse ‘'baumgeäst war erstes
obdach" — oder nach Schiefner “Tannen sind die ersten häuser’
— und im sprichwort ‘'Lausche auf der föhre sausen, unter der
du hast den wohnsitz’, eine vermutung die sich durch Herodots
notiz und Tacitus allerdings zu empfehlen scheint. ‘bauen’ heifst
im finnischen eigentlich nur ‘aufreihen’ und 'zimmern’ schneiden,
das. 106.
8 zu 8. 45.
Castren Reisen und forschungen 1, 120 sagt von dem Berg-
lappen nur dass er renntierblut als leckerbissen roh zu trinken
liebe; aber im kampfe gegen kälte, sturm und unwetter ein leben
führe, das mehr nach dem leben eines tieres als eines menschen
aussehe. das leben auf den Tundern in Sibirien schildert er s. 273
so dass hier nicht allein die Samojeden, sondern auch die Russen
und Syrjänen gewohnt seien rohe fische und rohes fleisch zu ver-
zehren. auch der reisende werde gezwungen sich an rohe kost zu
gewöhnen. denn oft finde man mehrere tage hindurch keinen
brennstoff oder könne wegen des unwetters sein zelt nicht auf-
schlagen oder auch unter gewöhnlichen verhältnissen auf der reise
nicht die so notwendige mittagsmahlzeit anordnen. — Ahlgvist
(Kulturwörter s. 137) sagt, auf der jagd könne z. b. ein Wogule
ohne ungelegenheit zweimal 24 stunden im walde zubringen ohne
etwas zu geniefsen. wenn sich gelegenheit darbietet, halte man
sich schadlos, lege jedoch mehr wert auf die quantität als die
qualität. eine kochkunst könne unter solchen umständen nicht
aufkommen. höchstens im fall feuer angemacht werden kann,
stecke man den fisch, vogel oder das fleischstück an einen höl-
zernen bratspiels und halte denselben eine weile über das feuer.
das gewöhnlichste jedoch und zwar besonders im winter sei
dass das wild roh gegessen wird. blofs während des aufenthalts
DEUTSCHE ALTERTUMSKUNDE II, 23
854 IX ETIONES. HELLUSIH. HILLEVIONES.
in den jurten, den ständigen wohnungen könne die speise mit
grölserer sorgfalt zubereitet werden, und das hier gesagte gelte
noch heute von der kochkunst der ugrischen völker, der Samojeden,
der Lappen ua.
9 zu 8. 49.
Aulser der hs. B (Vatic. 1862) müssen auch die beiden andern
abschriften, die wie sich erweisen lässt mindestens noch von der
hs. des Enoch von Ascoli genommen wurden, die doppellesart
tl etionas
oxionas gehabt haben, da der Vat. 2964 für die eine, der Vat. 4498
für die andre *etionas’ belegt, während die übrigen hss. von
gleicher herkunft ‘ioxionas’ bieten oder ‘exionas’ der Vat. 1518 und
Stutg. die über der zeile stehende zweite lesart aber kann in
diesem wie in manchem andern falle nur eine correctur sein ent-
weder nach der alten von Enoch gefundenen hs. oder, falls sie
schon in dieser vorkam, wie alb- neben auriniam c. 8, dulgicubini
neben dulgibini c. 34, locant neben lögant c. 16 ua., aus dem
halbuncialen archetypus: auf jeden fall ist oxionas eine falsche
lesart und ganz zu verwerfen. ‘Etiones’ aber als got. itjans an-
zusetzen (Zs. 10, 565) war ein fehler. itja ist eine falsche bil-
dung und δῖα allein richtig, und dem simplex ist wesentlich schon
dieselbe bedeutung wie dem belegbaren compositum got. afetja
φάγος beizumessen. das got. &t wird nemlich nicht wie das ahd.
Az alts. ät ags. οὖ die bedeutung ‘cibus, speise’, sondern wie altn.
&t die von ‘the act of eating’ gehabt haben, das nomen agentis
δ), Etio also wesentlich gleichbedeutend sein mit (urgerm. ätnäs)
altn. iötunn ags. eoton alts. ötan riese (Grimms Myth. 485£f.) und
norw. iötul (Aasen 337) riese = ahd. özzal edax.
Dass ‘Hellusii’ und ‘Hilleviones’, wie bei Plinius 4 ὃ 96 die
bewohner von Scadinavia heifsen, desselben stammes sind, ist mir
nach wie vor (Zs. 9, 257. 10, 564) nicht zweifelhaft. aber die von
Zeuls 77 vorgeschlagene, von JGrimm (GDS. 751) ohne bedenken
wiederholte deutung ist ganz unmöglich, weil altn. hella ebener,
flacher stein neben hallr und got. hallus lapis, petra ohne allen
zweifel ein offenes, durch umlaut aus a entstandenes e hat, auch
noch im finnischen kallio (= halljö) lautet (Thomsen Indfl. s. 120).
allein mit hallus, halm, holm höhe gehören — wie gr. χαάλαμος
xoAwvos lat. ex- prae-cellere (= celnere?) celsus callus collis
ΙΧ ETIONES. HELLUSII. HILLEVIONES. 355
(= calnus, colnis) culmus culmen columen columna, litt. kelti heben
kilti sich erheben kilnas kilnds pa- pra-killus hoch, erhaben
kilniti emporhalten kilnöti oft aufheben kälnas höhe, berg (Fick
Wb. 3, 70£f.), gall. Celius mons zwischen Günzburg und Kempten
an der Iller Itin. Ant. 250, 7 — zu der wurzel kal (treiben) heben
auch isl. hilla altn. hialli a shelf, hiallr ein gerüst, gestell, norw.
hilla hylla hjell Aasen 290%. 311", 293, schwed. hjälle Rietz 280®,
dän. hiald hield hild Molbech 206. 208. 210, ags. engl. hill und
vielleicht ndl. hilde bei Kilian, ndd. hille, hilje Brem. wb. 2, 631.
6 (1869), 109 (holst. hilge Schütze 2, 138, vgl. Mnd. wb. 2, 265,
Dwb. 4, 2, 1331 f.), baier. hüller hüll Schmeller 17, 1085, kärnt.
hille hilde Lexer 141 mit der grundbedeutung ‘empore’? und nicht
der von καλιά und cella (Curtius Grundz. nr. 30), so dass ‘*Hellusii’,
da altgerm. 11 regelmäflsig aus In entstanden ist, zunächst‘ einen
wie im litt. und lat. durch n, dann wenn nicht participial wie
got. berusjös, so substantivisch wie got. jukuzi ahd. chilburra
(= kilbuzi) oder adjectivisch wie Eudusii Eudusi Eudoses (Zs. 10,
563 f.) weiter gebildeten wortstamm ergibt und mit ‘'risi, riso’, riese
gleichbedeutend gewesen sein wird, auch wenn dies nicht von
risan surgere herstammen sollte. in ‘'Hillöviones’ dagegen haben
wir eine patronymische bildung genau wie ’4rgsiwveg ἃ. i. Aroestwvess,
und wie diese “τρεός, setzt jene notwendig einen mythischen Hilljus
voraus, der mit Κιλλεός, dem urahnen des Odysseus nach dem
schol. B zu Il. 2, 631, buchstäblich gleichnamig wäre, wenn der
griechische wie der deutsche name auf die grundform kälnjüs
zurückgienge. bei diesen erklärungen ist das anlautende H als
wurzelhaft und nicht wie in Herminones Hermunduri Helisii
Helvaeones als blolser spiritus lenis angenommen; aber diese an-
nahme ist auch bei ostgermanischen namen vollkommen statthaft
und ohne sie würde es für Hellusii, Hilleviones schlechterdings
keine anknüpfung mehr innerhalb der germanischen sprachen
geben. auf die hoffnung in ‘Hellusii et Etiones’ ein allitterieren-
des namenpaar, das riesische wesen von zwei seiten kennzeichnete,
zu finden ist zu verzichten. übrigens sei zur stelle noch erwähnt
dass doppelwesen ‘vorne mensch und rückwärts tier’ (Fritzner 145*)
oder ‘ein mensch anzusehen oben am haupt, aber unten ein tier
mit aufserordentlich grofsen klauen und einem gewaltigen schweif
mit dem es menschen und vieh, tiere und drachen tötet’ (Fas. 2,
243) altnordisch Finngalkn oder -galkan hiefsen, Finnwunder oder
Finntier nach lapp. galco bestia, wie Cleasby-Vigfusson 193* angibt.
23*
856 X RIND UND ROSS.
10 zu s. 53.
Dass die renntierzucht im norden viel allgemeiner und weiter
nach süden als jetzt verbreitet war, erkennt Ahlqvist 5. 125 an;
aber leider hat er die in den finnischen sprachen vorkommenden
benennungen für das renntier und renntierwesen, wie doch für den
hund s. 1f., nirgend zusammengestellt und näher erwogen, ja so-
gar s. 3 nicht einmal erwähnt dass finn. härkä estn. weps. härg
wot. ärcä liv. ἄγα ochse im lappischen herke oder hergge zahmes
renntier bedeutet. ‘des rindes ersatz’, wie JGrimm (GDS. 32)
sagt, kann doch dies in diesem falle niemals heilsen, sondern das
umgekehrte allein das richtige sein, und auf demselben wege,
durch übertragung vom renntier oder andern jagdtieren werden
die übrigen benennungen für das rindergeschlecht zu erklären sein,
um so mehr als weder die Lappen, die ihre ausdrücke lediglich
von den Nordgermanen entlehnten, noch auch die östlicheren
Finnen darin mit den westlichen übereinstimmen. huhn, hahn,
henne tragen im germanischen uralte, eigentümliche namen, aber
diese müssen vom wilden gevögel erst auf den haushahn und sein
geschlecht übertragen sein, das erst nach Homer und Hesiod in
Griechenland und gewis nicht früher in Germanien heimisch ward.
nicht anders wird es sich auch mit den benennungen des rosses
im finnischen verhalten. der allgemeine name hepo (gen. hevon)
soll nach Ahlgvists ansicht 8, 9 — im gegensatz zu der von
Thomsen s. 68, den er seltsamer weise nie berücksichtigt, ja nicht
zu kennen scheint, — aus dem schwedischen entlehnt sein, und
wenn dann das finnische, estnische, wepsische, wotische, livische
(Ahlqvist 5. 10) hengst und stute durchaus verschieden benennen
und dafür keine urgemeinsamen ausdrücke besitzen, so müssen die
altgermanischen gewährsmänner der Römer doch wohl recht ge-
habt haben, als sie den Finnen die kenntnis oder doch den ge-
brauch des rosses noch für ihre zeit absprachen. es ist auch
wenig glaublich dass es zuerst als zugtier vor dem schlitten (s. 125)
neben dem renntier in den südlicheren, bewohnteren gegenden
gebraucht und dann erst, wie man anerkennen muss, als reit- und
wohl auch als wagenpferd durch die Germanen und Eisten bekannt
wurde (Thomsen 8. 133 marhain, 147 satula, Ahlgvist s. 130 ἢ).
ein problem liegt hier jedesfalls vor, das sich nicht durch blofses
stillschweigen über das positive zeugnis des Tacitus beseitigen
lässt. aber vielleicht fühlte sich Ahlqvist demselben nicht ge-
wachsen oder hat es gar nicht einmal geahnt.
XI SKADESI SUOLO. SCADINAVIA. 357
11 zu s. 55.
Nach Geijer oder NMPetersen (Nordisk tidskrift for old-
kyndighed 2, 39) ua. nannten die alten Lappen Schweden oder
die erde, das will sagen ihr eignes land ‘skadesi suolo’. hr. Wil-
helm Thomsen in Kopenhagen belehrte mich gütigst, die einzige
quelle dieser und ähnlicher angaben sei ein artikel in Lindahls und
Öhrlings Lexicon lapponicum (Stockholm 1780), welcher lautet:
Skadesi suolo utrum Sueciam sive Scandinaviam an uni-
versum terrarım orbem hoc nomine appellarint olim Lappones,
certo dici nequit. ‘suolo’ est insula; quid vero significet genetivus
pluralis ‘skadesi’, nescimus nec nisi coniecturis dicere possumus.
Scandinavos ita nominasse verisimile forsan est. Fabula est aqui-
lam aviculam quondam, quam vocant ‘kadsepia’ (norweg. lapp.
‘gaccip’ eine meise, parus maior), alis suis submisisse et in summum
aetherem perduxisse, ubi stupefacta avicula cecinit ‘Woi tan älman
kirtelemit, tjulden (essiv von ‘Cuold’ pfahl) orro skadesi-suolo’
ἢ, 6. vah, huius viri circumgirationes (quibus scil. in altum ex-
surgit)! Skadesorum insula speciem praebet pali erecti, qui ex
alto inspicitur.
bei der in jeder hinsicht mangelhaften lautbezeichnung der
lexicographen lasse sich, wie mir Thomsen schreibt, nicht aus-
machen was eigentlich die grundform des wortes sei. ‘skadesi’
mit d könne schwerlich richtig sein; entweder müsse es dd sein,
und dann wäre die grundform unzweifelhaft ‘skandas’ (oder -is?),
oder aber dd von einer grundform 'skadas’ (oder -is?). auch die
endung -esi sei schwerlich richtig, sondern müste -asi lauten
(s. Indfiydelse s. 82 anm.). unter diesen umständen scheine es ihm
mislich dies wort mit ‘Scandinavia' zusammenzustellen, obgleich er
die möglichkeit einer verwandtschaft auch nicht bestimmt zu läug-
nen wage. der kernpunkt der lappischen sage scheine eigentlich
im letzten gliede ‘suolo’ zu liegen und insofern JAFriis Lappisk
mythologi (Christiania 1871) s. 168 zu vergleichen:
‘Unter den Lappen, sage LLestadius, scheine die idee sehr
verbreitet gewesen zu sein und vielleicht noch jetzt nicht ganz
verschwunden dass nicht blofs ganz Skandinavien eine insel sei,
weshalb einige von den höchsten bergen namen trügen wie ‘'Suolo-
tielgge’ Inselrücken, ‘Sullui-Cielbma’ (Sulitjelma) Inselnschwelle,
sondern dass auch die ganze erde eine grofse insel, die auf einem
unermesslichen meere liege und treibe’.
358 ΧΙ SKADESI SUOLO.
Ist dies alles was wir über die merkwürdige benennung
wissen und was der gründlichste und einsichtigste kenner der
sprache darüber sagen kann, und ist aufserdem eine erweiterung
unserer kenntnis aus der heutigen volksüberlieferung nicht zu er-
warten, so müssen wir allerdings darauf verzichten über ihr verhältnis
zu dem germ. lat. ‘Scadinavia’ jemals völlig ins reine zu kommen.
allein wenn die fünfhundert tausendschaften starke gens Hillevio-
num, die nach Plinius 4 $ 96 nur einen teil der ungeheuren insel
Scadinavia inne hatte, diese einen andern weltkreis nannte — alte-
rum orbem terrarum eam appellat —, lapp. ‘Skadesi suolo’ aber
in dem märchen (vgl. Grimms Κα. nr. 171 mit anm.), aus dem die
schwedischen lexicographen allein den ausdruck zu kennen scheinen, ᾿
sehr wohl den erdkreis, die οἰχουμένη oder mannheimar, wie
Eyvindr skaldaspillir im X jh. (Yngl. sag. c. 9) pluralisch die von
menschen bewohnte welt nennt, bedeuten kann und beide aus-
drücke in der hauptsilbe ihres ersten teiles lautlich jedesfalls sehr
nahe, in der bedeutung des zweiten aber völlig zusammentreffen,
so kann man sich unmöglich der annahme eines engen zusammen-
hangs derselben entschlagen und den gedanken von sich weisen
dass der eine und zwar der germanische dem andern nachgebildet
und wesentlich erborgt ist; und das einzig natürliche scheint dann,
sich dabei die Lappen als die ältere, früher gekommene, die Germanen
als die jüngere bevölkerung des landes zu denken. die weltkunde
der Lappen erstreckte sich nicht viel über das von ihnen bewohnte
land hinaus und übertrugen sie, wie die mitteilung von Friis er-
kennen lässt, ihre vorstellung von der erde unmittelbar auf ihre
heimat, so war damit den Germanen ein name für das land ge-
geben, dessen eigentliche bedeutung auch bei ihnen noch in der
von Plinius angegebenen weise fortlebte. einen späteren beleg für
diese fortdauer wird jedoch niemand, der den wert und unwert
litterarischer zeugnisse zu unterscheiden weils, in der elend ge-
lehrten euhemeristischen deutung finden, die Snorri aao. dem
arglosen worte Eyvinds angedeihen liefs, indem er mannheimar für
Schweden so wie godheimar für Grolssvithiod oder Scythia im
norden des schwarzen meeres (Yngl. sag. c. 1) erklärte; auch
RKeyser (Nordmandenes herkomst 8. 332) macht von dem wort
einen ungehörigen gebrauch. das bedenken von seiten der lappi-
schen grammatik, das d in ‘skadesi’ möchte eigentlich dd und ur-
sprünglich nd sein, braucht uns keine sorge zu machen, wenn eine
zweite auffassung daneben ebenso gut möglich ist und die gesamte
SCADINAVIA. 359
überlieferung auf der andern seite unzweifelhaft ergibt dass die
Germanen der früheren zeiten niemals einen nasal in der ersten
silbe des namens gekannt haben: nur die träge gewohnheit oder
gewohnheitsmäfsige trägheit ihrer gelehrten nachkommen behält
diesen bei, auch nachdem sie sich längst mit leichter mühe eines
bessern hätten belehren können und sogar schon belehrt worden
sind. wäre ‘skandas’ die grundform von skadesi, so müsten die
Lappen während der letzten drei jahrhunderte durch gelehrte leute
von ‘Scandinavia’ unterrichtet sein und daraus mit bewunderungs-
würdigem tact und geschick einen volksnamen entwickelt haben,
neben dem der ‘Scandinavus’ der modernen gelehrten sich wie ein
jämmerlicher wechselbalg ausnimmt. das einzige was zwar nicht
die combination, wohl aber die völlige identificierung von Skadesi
suolo und Scadinavia verbietet ist, soviel ich sehe, die verschiedene
verbindung der beiden den namen bildenden begriffe, dort ein
gen. plur. eines nomens auf -as, hier — vom standpunkt des
germanischen angesehen — echte composition eines nomens auf -n,
dem nicht noch ein vocal folgte. beide nomina, skadas und das
andre, dessen wortform wie wir sehen werden im germanischen
munde skadn- oder skabn- lautete, mögen heute spurlos im lappi-
schen verschwunden sein und auch in den verwandten sprachen
nicht ihres gleichen haben. aber fehlt es dafür an analogien dass
ein wort auf -as oder -is? den begriff einer person und daneben
ein andres ganz desselben, aber durch -n thematisch oder auch
der composition wegen flexivisch erweiterten stammes den begriff
einer sache ausdrückt? könnte nicht Skadesi suolo insel der
menschen, männer oder lebenden wesen und Skadn- oder Skabn-
avi eigentlich weltinsel bedeutet haben? diese fragen möchte ich
den sprachkundigen zur erwägung empfohlen haben.
mit der überlieferung des namens auf deutscher seite aber
steht es so dass ‘Scandinavia’ lediglich auf einer schlechten lesart
einiger geringer hss. bei Plinius 4 ὃ 96 beruht, wo andre von
grölserer auctorität ‘Scatinavia’ oder besser, wie an der zweiten
stelle bei Plinius 8 ὃ 39 wohl alle ohne ausnahme, 'Scadinavia’
bieten, wie auch Paulus Diaconus 1, 1. 2. 7. 14 und Dicuil 7, 5,
4 (7, 22 Parthey) in den von ihnen benutzten hss. bei Plinius
fanden, wenn gleich Paulus oder seine abschreiber auch die schlechte
lesart ‘Scandinavia’ (und daneben noch die spätere, mehr volks-
mälsige form Scadanavia) kannten und Dicuil 7, 4, 3 (7, 18),
den Solin 20, 7. 8 ausschreibend, Scandauia oder Candauia (al.
360 XI SCADESI SUOLO. SCADINAVIA.
Candinauia) schrieb, nachdem der name an beiden stellen des Pli-
nius in der von Solin excerpierten Chorographia Pliniana schon
im altertum in ‘Gangavia’ entstellt war. die form ‘Scandia’, die
bei Plinius 4 8 104 und Ptolemaeus 2, 11, 33. 35. 8, 6, 3 aus der
geographie des Isidor von Charax (DA. 1, 385 ff.) stammt, durch
Ptolemaeus an Cassiodor und Jordanes c. 1. 3.4. 17. 24 gelangte
und hier, wie Burgundiones in Burgundzones, Augandii in Augandzi,
in Scandza verwandelt und in Gothiscandza sogar componiert,
dann von dem cosmographus Ravennas 1, 12. 4, 4. 5, 30 als Scanza
wiederholt wurde, ist nichts anderes als eine mundgerechtere ge-
staltung von ‘'Scadnia’, da auch Scadinavia unbedingt als Scadn-avia
aufzufassen ist. das wie es scheint dem Cassiodor (Jord. c. 3)
noch unbekannte verderbnis, das bei Mela 3, 6, 54 schon in dem
unverständlichen ‘ex iis’ vor ‘codanovia’, dann in der angleichung
des namens an den vorhergehenden des sinus Codanus zu tage
tritt, beweist gleichwohl neben Plinius noch einmal dass der nasal
der ersten stammsilbe nicht angehörte. dasselbe wird denn auch
durch die späteren, neu aus dem volksmunde stammenden belege
vollauf bestätigt und nicht minder die blofs silbenbildende, die
consonantverbindung lösende natur des zweiten vocals. in der
Origo gentis Langobardorum stand ursprünglich ohne zweifel ge-
schrieben ‘Scadanau’ statt Scadanavi, woraus ‘scadanan’ im Matri-
tensis und Cavensis? im Mutinensis verstümmelt ‘scadan’ wurde
mit der gelehrten randnote ‘id est scan... dan’, welche schlechte
lesart die compilierende, burgundische Vita Sigismundi c. 1 (AA.
SS. Mai 1, 86; Binding Gesch. s. 280) mit ihrem ‘Scandania’ vor-
aussetzt. wesentlich dieselbe form und auffassung, wie in Scadanau
und Scadanavia in hss. des Paulus, liegt bei dem Franken Fredegar
c. 65 vor, dessen ‘Schatanavia’ selbverständlich ‘Scathanavia’ sein
soll. daran schliefsen sich dann noch das ‘Scatenaugae’ ἃ. i.
Scathenauia des sog. Chronicon Gothanum und ags. Scedenig (statt
Sceaden- oder Scädenig) in einem jüngeren teile des Beovulfs 1686
nebst dem neu und ungenau gebildeten compositum Scedeland des
jüngsten interpolators Beov. 19. altn. Skäney muss daher aus
Skadn- oder Skapn-avi, altn. Skäni — wenn man gotische schreib-
weise anwendet — aus Skabnei d. ἢ. wesentlich der von Isidors
Σχανδία vorausgesetzten form entstanden sein, wie altn. ἠδ] aus
näpl, mäl aus mapl, mala aus mapljan, stäl — das die wbb. in
der bedeutung ‘stadi’ seltsamer weise mit stäl ahd. stahal zusam-
menwerfen — aus stapl ahd. stadal ags. stadol (lat. stabulum und
XII GEFJON UND GYLFI. 361
σταϑμός), oder wie Heinir aus Heidnir Χαιδεινοὶ udglm., obgleich
die dentalis in dieser lage vor ἢ, wie in altn. Hvedn (Fus. 7, 196)
Hvenn, sonst erst verhältnismäfsig spät schwindet. die einschränkung
des namens auf die südliche spitze der halbinsel vergleicht sich
vollkommen der einschränkung des Finnennamens bei Norwegern
und Schweden. doch heifst auch noch ein teil des gebirges im
südlichen Norwegen Skäneyjar fiall oder -sida (Fus. 9, 16. 115)
und südlich von Bergen am Bömmelfjord in Hördaland liegt ein
ort Skänevig, der leicht einen ehemaligen namen der ganzen bucht
(vik) bewahrt. ob altn. skän rinde, kruste, haut auf der milch
παρ]. aus skadn entstanden, ist nicht zu entscheiden. auch wenn
dies fest stünde, wäre das wort zur erklärung des namens aus
dem germanischen kaum zu gebrauchen. dass eine solche mög-
lich und der name selbst vielleicht einmal so verstanden oder ge-
deutet worden ist, zeigte sich 8. 56. es liefse sich selbst wohl noch
eine zweite erklärung geben. wir sind aber nicht dazu berechtigt
so lange Skadesi suolo und Scadinavia einander gegenüber stehen.
12 zu s. 57.
Snorri hatte Yngl. sag. ὁ. 5 die erzählung, wie sie Gylfag.
c. 1 vorliegt, vor sich, aber er pragmatisierte sie. er lässt Odin
die Gefion von Fünen ausschicken um land zu erwerben; er ver-
heimlicht dass sie als fahrendes weib zu Gylfi gekommen sei und
dass dieser ihr zum lohne für die ihm bereitete kurzweil so viel
land von seinem reiche schenkt als sie mit vier ochsen über tag
und nacht aufpflügen könne. er pragmatisiert weiter dass sie sich
nun nach Iötunheim begeben und mit einem riesen vier söhne er-
zeugt habe, die sie in stiere verwandelt um mit ihnen den Mälar
auszupflügen, während Gylfag. 1 einfach berichtet ‘da nahm sie
vier stiere aus Iötunheim, das waren ihre und eines riesen söhne’
usw., welche erzählung übrigens wegen ihrer innern zusammen-
hangslosigkeit auch nicht für die echte, ursprüngliche gelten kann.
beide aufzeichnungen bringen eine angeblich von Bragi dem alten
herrührende, skaldische strophe bei, wonach Gefion dem Gylfi einen
‘zuwachs Dänemarks’ abgepflügt habe, und beide behaupten dass
das dänische Seeland das aus dem Mälar ausgepflügte landstück
sei, ja Snorri in der saga sogar dass Odinn die Gefion mit Skiöld,
dem ersten könige von Dänemark vermählt habe. weder von dem
einen noch von dem andern weils eine andre quelle etwas, am
862 ΧΙ DONAU. DUNAVB. DUNAJ.
wenigsten die dänische sage, und ganz offenbar ist die törichte
combination der dänischen insel mit der entstehung des Mälars
erst spät und nur in folge eines gröblichen irrtums zu stande ge-
kommen, da der älteste name der insel gar nicht Siäland, Siöland
oder Sseland, sondern Selund oder Silund — bei dem skalden
Sighvat ({ 1047) — lautete und kein compositum, sondern ein deri-
vatum war, dass nichts mit ser, see zu tun hatte, wie zuletzt
noch Bugge (Runeindskrift pa Rökstenen s. 58 ff.) gezeigt hat. es
kommt nicht in betracht dass der östliche oder nordöstliche strich
vom schwedischen Uppland gegen die Ostsee, der district Roslagen
bei Snorri OH. ὁ. 76° Holm. (c. 60 Munch, Fus. 4, 155) Siäland
heifst und dass dort auch altschwedische quellen ein Sö- oder
Szhundari (Rydqvist 2, 270) kennen. aber naturgemäls kann das
von der Gefion ausgepflügte land nur in den östlichen landschaften
am Mälarsee gesucht werden und hier war der pragmatiker und
Euhemerist Snorri ohne zweifel auf dem richtigen wege wenn er
Yngl. 8. 6. ὅ weiter erzählt dass Odinn, nachdem Gefion ihr werk
vollbracht, selbst in das reich des Gylfi, der wider ihn und die
seinen nichts vermocht, gezogen sei, in Sigtuna sich niedergelassen
und von da aus auch den übrigen göttern, vor allen dem Frey in
Uppsala, ihre wohnsitze angewiesen habe. es hält nicht schwer
in der Gefion, in deren dienst wie es heifst alle als jungfrauen
sterbende treten, die schwester Freys die Gefn Mardöll Freyja
wiederzuerkennen, die die hälfte der sterbenden (die frauen) zu
sich nimmt und die unter vielfältigen namen als fahrende frau
einmal weit umher wanderte, und nun in der sage die ursprüng-
liche absicht wieder zu entdecken, das Uppland über dem Mälar
oder einen teil davon, den vornehmsten und heiligsten bezirk der
Vanen und der götter überhaupt in ganz Schweden, auch als ihre
erste erwerbung und selbsteigne schöpfung darzustellen.
13 zu s. 89.
An herrn akademiker Kunik in StPetersburg.
* Danuvius, das stellt sich immer mehr heraus, ist die ein-
zige echte, durch inschriften und handschriften so sehr bezeugte
alte form des flussnamens dass es Baumstark (Ausführliche er-
* vgl. Jagic archiv f. slaw. philol. 1, 290 ff. und Ze. f. d. altert. 20, 26 ff.
XII DONAU. DUNAVB. DUNAJ. 363
läuterung der Germania s. 26) und seinem gewährsmanne im Phi-
lologischen anzeiger von 1871 s. 267 sehr schwer fallen möchte
auch nur einen und den andern alten beleg für die von ihnen
verteidigte form DanuBıvs aufzutreiben. auf gr. Δανούβιος durfte
er sich schon gar nicht berufen, weil die Griechen gar nicht
anders schreiben konnten, wenn ihnen Savovıos (vgl. Strabo p. 304.
314) den ihnen von den Römern überlieferten namen nur ungenau
wiederzugeben schien, und ebenso wenig helfen ihm die gallischen
Mandubii, Esubii udgl., nachdem die bessere überlieferung gelehrt
hat dass Danuvius ein einfach vocalisches derivatum von einem
alten adjectiv dänu fortis (Glück Kelt. nam. 5. 91 1) und nicht,
wie noch Zeufs 1853 (Gram. celt. 752) meinte, weiter durch B
abgeleitet ist (vgl. Zeufs-Ebel 5. 784). ganz entscheidend spricht
dafür auch die verdeutschung ahd. Tuonouua (Graff 5, 433) ags.
Döntia bei Alfred Orosius p. 18 (Bosw.). hätten die alten Sueben,
die zuerst durch den hercynischen urwald in das gebiet der Donau
vordrangen, den fluss von den anwohnenden Kelten Dänubios,
Dänubias nennen hören, so würden sie daraus, mit der unserer
sprache für den flussnamen gemäfsen veränderung des masculinums
in ein femininum, entweder Dönupa oder, wie die Franken am
Niederrhein aus Gelduba Geldapa (Lacomblet Urk. nr. 83 a. 903)
j. Gellep, Dönapa, dann ihre nachkommen mit der hochdeutschen,
um 500 n. Chr. zuerst nachweisbaren, zweiten verschiebung der
mutae endlich Tuonuffa oder Tuonaffa gemacht haben, und wir
jetzt den fluss nicht Donau, sondern Donuff, Donoffl, wie die Horlof
in der Wetterau (ahd. Hurnuffa und Hurnaffa), oder Donaff, wie
die Aschaff (ahd. Ascaffa) bei Achaffenburg, oder ndd. Donop,
Donep nennen. die verdeutschung ahd. Tuonouua ergibt 1) dass
die alten Sueben vor der letzten lautverschiebung den consonant-
anlaut des keltischen namens unverändert beibehielten, 2) das
lange ἃ ganz sprachgemäfs (vgl. altkelt. mäter bräter, altgerm.
mödar bröbar) in der hochbetonten silbe durch langes ὁ wieder-
gaben, ganz wie in kelt. bräca durch altgerm. brök ahd. bruoh,
dann aber 3) die ableitung durch ein selbständiges nomen avia
ersetzten, aus dem derivatum also ein compositum machten, wie
die Niederfranken aus der im IV jahrh. und später bei den Römern
für die insula Batavorum üblichen benennung Batavia*, Batauua,
Batuua, Betüwe, und die Baiern aus Batava (sc. castra) Pazouua
* Über die weltkarte des Augustus s. 10.
364 XII DONAU. DUNAVB. DUNATJ.
machten*. die älteste gestalt, die der name im deutschen munde
gewann, war Dönavia, da ahd. ouua — ebenso wie ags. ig, icg
(statt yg, ycg), altn. ey — das in Scadinavia, Austeravia, Actavia,
Aviones und noch im mittellat. auia augia erhaltene avia nicht
anders voraussetzt als ahd. frouuä ein älteres fravi& = altn.
freyja und einem aus dem masc. frauja movierten got. fraujö
(Myth. 276). dass man avia, ursprünglich ahvia, also lat. gleich-
sam aquia und der im gebrauch fixierten bedeutung nach eigent-
lich nur ‘wasserland, von wasser befeuchtetes oder von wasser
umgebenes land’, in dem compositum als ‘wasserlauf, strom’ nahm,
— wie sich auch im mhd. enouwe stromabwärts findet und in
Holstein in der volkssprache alle nebenflüsschen ‘auen’ heifsen, —
kann bei der umformung eines fremdwortes nicht auffallen. aufser-
dem darf man mit Zeufs (Die Deutschen 8. 12, vgl. Miklosich
Fremdwörter s. 13, Schmeller 1°? 516 f.) aus Tönahgeuui, Tuonah-
gouui zwar noch nicht auf Tönaha, Tuonaha als ein neben Tuon-
ouua gebräuchliches synonymum schliefsen, da auch Rinah- Moinah-
Sarah- Anglah- Ambrah- Isanahgeuui ua. keineswegs eine Rinaha
(für Rhenus) Moinaha Saraha usw. zur seite haben; aber man
sieht doch aus dem gaunamen dass Tuonouua für ein compositum
und der zweite teil als synonym mit aha (got. ahva) wasser, fluss
genommen wurde.
Jene alte suebische bildung Dönavia muss nun frühe zu den
Ostgermanen gelangt sein. die Goten kannten sie bereits, als sie
von der Ostsee und der unteren Weichsel südwärts gegen den
* hier ein herlicher beleg für die kenntnis und gewissenhaftigkeit des
herrn Förstemann. im Altd. namenbuch 2? s. 216 heifst es wörtlich: ‘von der
neunten batavischen cohorte, welche nach der Not. imp. an der mündung des
Inn lag, stammt der folgende name: Patavium. 2 (d.h. zuerst bezeugt aus
dem II jahrh.).. Passau, pg. Rotahg., nicht immer leicht von Padua zu unter-
scheiden’; und nun, statt diese warnung zuerst selbst zu beherzigen, lässt der
herr oberbibliothekar Tacitus, den Pataviner Livius, Mela, Plinius, Strabo,
Ptolemaeus (warum nicht auch Virgil?) sämtlich als zeugen aus dem 2. jh.
dafür auftreten, dass Patavium Passau und nicht Padua sei! die Notit. dign.
hat er gar nicht einmal eingesehen, sonst würde er vielleicht von Böcking
8. 783 f. 750f. (vgl. CIL. 3, 690) gelernt haben dass es wohl eine neue, aber
keine neunte cohorte der Bataver gegeben hat und dass Passau erst im IV/V jh.
von Boiodurum, der jetzigen Innstadt, unterschieden wird und den dem Altd.
namenbuch gänzlich unbekannten namen Batava (gewöhnlich im abl. plur.
Batavis) führte; wogegen die belege für Patavium nebst der obligaten warnung
füglich hätten gespart werden können.
XIIT DONAU. DUNAVB. DUNAJ. 365
fluss und das schwarze meer aufbrachen und die benennung nach
dem vorgange der Römer auch auf den unteren lauf des stromes
ausdehnten. denn dass sie dies taten, muss man schliefsen weil
ihre nachfolger in diesen strichen, die Slawen, ihr Dunavz, Dunaj,
trotz der herstellung des masculinums, ohne zweifel ihnen entlehnt
haben und den alten, thrakisch-griechischen namen ίστρος durch-
aus nicht mehr anerkennen: die Goten müssen die vermittler
zwischen dem römischen und dem slawischen sprachgebrauch ge-
wesen sein. gegen den slawischen ursprung von Dunavs, Dunaj
hat sich Miklosich schon aao. mit recht ausgesprochen und die
entlehnung aus dem deutschen anerkannt. auf derselben seite
seiner abhandlung über die fremdwörter in den slawischen sprachen
bietet Miklosich auch schon einen beleg für den übergang von
altgerm. got. ὃ in slaw. u: slaw. dumati, dums, duma von got.
döms, dömjan. überdies lautete ὃ im munde der Goten selbst
seit dem V jahrh. mehr und mehr wie ἃ, nach den in den gotischen
handschriften vorkommenden spuren (Grimms Gr. 1°, 60); daraus
erklärt sich auch die schreibung ‘Povdogıyos, Ῥουδέριχος bei Prokop
Βα. 3, 5. 19 statt got. Hröbareiks wie Beremud Evermud ua. bei
Jordanes, vgl. ed. Mommsen 144, 25. 149 s. v. Evermud. sogar
im niederd. findet man Dünowe neben Dönowe (Mnd. wb. 1, 542)
und wohl nach dem ndd. im altn. Dünä (Thidreks 5. c. 363) und
Dün? im Heitatal s. 576 AM. aus Dönavia muste, wenigstens im
gotischen des Vulfila, nach einem bekannten lautgesetze, Dönavi
wie mavi aus mauja, pivi aus Piuja werden: von dem got. simplex
avi ist nur der dat. plur. in dem landnamen Ööjum, statt aujöm,
bei Jordanes c. 4 erhalten, von einem compositum dagegen auch
der nom. plur. in Gepedoios statt -aujös Jordanes c. 17; an got.
Dönavi, im gen. Dönaujös, dat. Dönaujai, acc. Dönauja aber schliefst
sich slaw. Dunavp, Dunaj aufs nächste an, und zwar erklären
sich daraus, trotz dem veränderten genus, gleichmälsig beide
formen, deren nebeneinander aufser diesem lehnwort sonst wohl
im slawischen seines gleichen sucht.
Dem hier durch blofse schlussfolgerung gewonnenen resultate
kann ich jedoch glücklicher weise durch ein bisher, wie ich glaube,
unbekanntes zeugnis noch eine stütze geben, so dass zweifel da-
gegen nicht wohl aufkommen können. in den theologischen
fragen und antworten, die auf die auctorität des Photius (cod. 210)
hin als ein werk des Caesarius von Nazianz, des bruders des
Gregorius, zuerst vollständig von dem jesuiten Ducaeus im ersten
366 XIII DONAU. DUNAVB. DUNAT.
bande seiner Bibliotheca veterum patrum, Paris 1624, dann mehr-
mals (in der Magna bibl. patrum tom. XI, Parisiis 1654, bis auf
die seitenzahlen übereinstimmend mit Ducaeus) gedruckt sind,
heilst es c. 68 p. 588:
Ὅρα δέ wos ἐνεργέστερον ὑπόδειγμα περὶ τοῦ στερεώματος,
od τέχνῃ βροτῶν ἀλλὰ ϑείᾳ βουλῆ συνιστάμενον καὶ οἱονεὶ διδα-
σχκαλεῖον ἡμῖν προκείμενον, τὸν ἕνα τῶν τεττάρων ἔχ τῆς ἐν παρα-
δείσῳ κρήνης δεόντων ποταμῶν, τὸν Φυσῶνα παρὰ τῆ καϑ᾽ ἡμᾶς
γραφῇ, παρ᾽ Ἕλλησι δὲ Ἴστρον, παρὰ δὲ “Ρωμαίοις Aavovßıov,
παρὰ δὲ Γόττοις Jovvaßıv προσαγορευόμενον, χειμῶνος πηγνυ-
μένου καὶ εἰς λιϑωδὴ ἀντιιυπίαν μεϑισταμένης τῆς μαλακῆς τοῦ
δείϑρου φύσεως, ὡς οἷόν τε φέρειν ἐπιπορευομένων πολεμίων καὶ
πρὸς τὰ Ρωμαίων ᾿ἸΙλλύριά τε χαὶ Θράκεια μέρη διαφοιτώντων
πλῆϑος. οὕτω τοι καὶ τὸ αὐτὸ ἐκ τοῦ ὕδατος παγὲν στερέωμα
ὑποκλύζειαν μὲν τῷ ὑποχριϑέντι ῥείϑρω" ὑπερστέγεε δ᾽ ἵππον καὶ
ἀναβάτην, ἐν χιλιασι δέκα πολλάκις ὁρώμενον. ἔστι δὲ ὅτι καὶ
τῆς ἀμειδίας τοῦ χειμῶνος ἐπιχρατούσης καὶ τοῦ χρύους μένοντος,
λάβρον ὕδωρ ἀπὸ νεφῶν ὑόμενον καὶ διὰ τῶν χαράδρων ἢ ἀχρω-
ρείων καὶ γεωλόφων καταῤῥηκτιον ἐπὶ τοῦ ποταμίου στερεώματος
φέρεσϑαι" ὅπερ, διειργόμενον πρὸς τὸ ὑπεῤῥέον (1. ὑπο-), οἷον
διαφράγματι, τῷ ἐξ ὑδάτων στερεώματι, ἀμιγὲς τέως καὶ ἀσύγκριτον
μένει πρὸς τὸ ὑποχείμενον. παραπλήσια δὲ καὶ διὰ τῆς χιόνος
παιδευόμεϑα, ἐπιξενωμένης τῷ εἰρημένῳ στερεώματι, ὥστε ὑπάρχειν
αὐτὸ μεταίχμιον διάφραγμα χρύσταλλον, διαχωρίζον ἀνὰ μέσον
ὕδατος καὶ ὕδατος, δίκην τοῦ οὐρανίου στερεώματος τῶν ἐπιγείων
τα ὑπερχόσμια διακρίνοντος.
Ich habe die ganze stelle ausgehoben, weil der verfasser offen-
bar als ein augenzeuge und aus nächster nähe — καὶ οἱονεὶ διδα-
σκαλεῖον ἡμῖν προχείμενον — Über die Donau spricht. eine andere
c. 144 p. 672 lautet:
Καὶ ὄνομα τῷ ἑνὶ (τῶν ἐκ παραδείσου ποταμῶν) Φεισσών.
οὗτος δὲ τὴν “ἰϑιοπίαν καὶ τὴν ᾿Ινδιχὴν παροδεύων, Ti χγγῆς παρ᾽
αὐτῶν προσαγορεύεται, παρὰ δὲ Ἕλλησιν Ἴστρος καὶ ᾿Ινδὸς (?) πο-
ταμός, παρὰ δὲ ᾿Ιλλυρίοις καὶ Ῥιπιανοῖς, τοῖς παροίκοις τοῦ
Ἴστρου, Aavovßns, παρὰ δὲ Γότϑοις Ζουναῦτις.
Dass hier “ουναῦις (oder “ουναύης) aus 4ΦΔουναῦτες herzu-
stellen, das = in ./ovvaduıs lediglich aus dem ὁ und etwa dem
circumflex entstanden ist, leuchtet alsbald ein: ουναῦις ist nur
eine andere schreibung von Sovvaßıs und beide ergeben Dünavi,
wie nach dem vorhin bemerkten got. Dönavi leicht von dem orts-
und landeskundigen auctor selbst unmittelbar aus gotischem munde
XII DONAU. DUNAYB. DUNAT,. 367
aufgefasst werden konnte. er belehrt uns ferner dass die ’/AAvgsos,
die provincialen von Illyricum, und die ἱΡιπεανοί, ohne zweifel die
Ripenses, Riparenses oder Riparienses der Dacia Ripensis oder
Moesia inferior (Böcking zur Notit. dign. 1, 450f. 492) und nicht
die provincialen der schon zu Jllyricum gehörenden Pannonia
(Savia) Ripariensis und Valeria Ripensis (Böcking zur Notit. dign. 2,
142—146), die anwohner des Isters in seinem ganzen unteren
laufe, den fluss /avovßns nannten, so dass die bei den späteren
Griechen häufiger statt favovßsos auftauchende form Δανουβις
(vgl. Amisis Amisius, Visurgis Visurgius, Albis Albius, German.
antiq. p. 82. 93. 123, Cass. Dio 55, 1. 28, oben s. 210. 217) wohl
von jenen herstammt; er bestätigt also damit dass sie den Goten
in der ausdehnung des namens vorangiengen. aber noch mehr.
c. 110 p. 614 lesen wir:
Πῶς δὲ οἱ ἐν Βαβυλῶνι, ὅποι δ᾽ ἂν γίνωνται, τῆ μιαιγαμίᾳ
τῶν ὑμαίμων παροινοῦσι; πῶς δ᾽ ἐν ἑτέρῳ τμήματι ὄντες 06
Σκχλαυηνοὶ καὶ Φυσωνῖται, οἱ καὶ Aavovßıoı προσαγορευόμενοι,
οἱ μὲν γυναιχομαστοβοροῦσιν ἡδέως, διὰ τὸ πεπληρῶσϑαι τοῦ
γάλακτος, μυῶν δίκην τοὺς ὑποτίτϑους ταῖς πότραις ἐπαράττοντες,
os δὲ καὶ τῆς νομίμης καὶ ἀδιαβλήτου χρεωβορίας ἀπέχονται; καὶ
οὗ μὲν ὑπάρχουσιν αὐϑάδεις, αὐτόνομοι, ἀνηγεμόνευτοι, συνεχῶς
ἀναιροῦντες, συνεσϑιόμενοε ἢ συγοδεύοντες, τὸν σφῶν ἡγεμόνα
καὶ ἄρχοντα, ἀλώπδχας καὶ τὰς ἐνδρύμους κάττας καὶ μονιοὺς
ἐσθίοντες καὶ τῇ λύχων ὠρυγῇ σφᾶς προσκαλούμενον" οἱ δὲ καὶ
ἀδδηφαγίας ἀπέχονται χαὶ τῷ τυχόντι ὑποταττόμενοε καὶ ὑπείκογτες.
* der wunderliche artikel bei Stephanus Byz. 217, 24 ff. Mein. kann
sich noch nicht von einem der geographischen grammatiker des letzten jahrh.
vor Chr. (Deutsche altertumsk. 1, 83. 248. 360) herschreiben; er muss von
späterem ursprunge sein, da er jedesfalls den namen Danuvius als ganz be-
kannt und gebräuchlich bei den Römern voraussetzt: davoußss ἢ Δάνουσις,
Ἴσιρος ὃ ποταμὸς, nal Ματύας καλούμενος, συμφορᾶς δὲ τοῖς Σχύϑαις Ins-
πεσούσης οὕτως ἐχλήϑης Ματόας δὲ λέγεταν ἐς τὴν ᾿Ελληνίδα γλῶσσαν ἄσιος
(αἴσιος ἢ KMüller), ὅτε πολλάχες περαιούμενον οὐδὲν ἐπεπόνϑεισαν. ὁ δὲ davovass
ἑρμηνεύεται ὥσπερ τοῦ ἁμαρτεῖν ἔχων αἰτίαν. Eustath zu Dionysius perieg. 298,
der den artikel, den γεωγράφος Strabo mit dem ἐϑνογράφος Stephanus ver-
wechselnd, wiederholt, ıneint in einem zusatz dass die umnamung ὑπ᾽ ἐχείνων
κατὰ τὴν αὐτῶν γλώσσαν geschehen sei. möglicher weise fand er dies in seinem
vollständigeren Stephanus; es ist aber nichts darauf zu geben, da seine quelle
hier vermutlich die Metonomasien des Nikanor von Kyrene (citiert bei Steph.
507, 9. 645, 14), eines schriftstellers des II jh. n. Chr., waren, wenn nicht ein
vollständigerer Plutarchus de fluminibus; jedesfalls war sie nicht besser und
glaubwürdiger.
368 XII DONAU. DUNAYB. DUNAJ.
καὶ πολὺς ὁ λογος περὶ Aoyyovßapdwv καὶ Νόρων" καὶ Γαλλων
τῶν ἑσπερίων, τῶν ἙἭ,ρμαϊχῆς καὶ Κρονικῆς ἀμοιρούντων ἐπιστήμης
τῶν ἄστρων. |
Ich finde diese stelle bei Schafarik nirgend angeführt, und
doch enthält sie wohl das älteste zeugnis für den eigenen
namen der Slawen. wenn nach der eben besprochenen die
römische herschaft noch längs der unteren Donau besteht, so
kann ich die ®vowvisas οἱ καὶ Aavovßıos neben den Σχλαυηνοὶ
nur für Transdanuviani halten und diese östlicher denken. schon
haben sie sich furchtbar gemacht und vielleicht schon öfter teil-
genommen an den 6. 68 (oben 8. 366) geschilderten streifzügen im
winter über das eis der Donau; aber noch stehen sie ferner, noch
sind über sie und ihre genossen allerlei fabeln verbreitet, schreck-
liche schauergeschichten und daneben erzählungen die gerade das
gegenteil besagen, so dass die alte weise, die ehedem von den
Thrakern, Geten und Daken gesungen wurde (über die Geten bei
Ersch und Gruber 1, 64 s. 451), hier in angemessener variation
sich wiederholt. nach nordwesten dagegen sind die Langobarden
bereits aus dem dunkel hervorgetreten, und da dies die zerspren-
gung der Heruler um 512, ferner ihre übersiediung nach Panno-
nien (oben s. 96) voraussetzt, andererseits jedoch gewis nicht über
die ersten regierungsjahre Justinians hinaus bis zu den grofsen
Slaweneinfällen gegangen werden darf, so fällt die abfassung
der schrift etwa um 530 oder wenig später, und wir sehen wie
günstig der schriftsteller gestellt war um ein zeugnis für die
namensgeschichte der Donau abzugeben. er kannte die Donau-
gegenden aus eigener anschauung und schrieb wahrscheinlich in
‘einer der benachbarten landschaften. er kannte dort noch die
römischen provincialen und ihre sprache. er konnte auch nach
dem abzuge der masse der Goten nach westen auf der Haemus-
halbinsel ihrer immer und überall noch genug trefien um von
ihnen in ihrer sprache den fluss nennen zu hören, und es ist nicht
zu besorgen dass er Goten und Slawen verwechselt und jenen
zugeschrieben habe, was diesen angehörte, ehe diese in masse
südlich von der Donau sich niedergelassen hatten. wenn slaw.
* die bewohner der Ostalpen, die im V jahrh., gegen 480, die römische
herschaft abgeworfen hatten, heifsen selbst bei den Lateinern Nori (Zeufs 588);
es ist also durchaus nicht nötig aus Elias Ehingers Quaestiones Caesarii
Nazianz. 1626 p. 100 Νοριχὼν herzustellen. Noriker waren auch unter dem
heerhaufen, den Alboin endlich nach Italien führte, Paul. Diac. 2, 26.
XUI DONAU. DUNAV?B. DUNAJ. 369
Dunavs, Dunaj mit got. Dönavi, Dünavi stimmt und dies mit
ahd. Tuonouua, so müssen die Goten frühzeitig den namen von
den Sueben, die Slawen ihn von den Goten empfangen haben,
wejl nur einmal kelt. Dänuvias oder Dänuias, lat. Dänuvius ein
und dieselbe umbildung erfahren haben kann.
An die zuletzt angeführte stelle mit den westlichen Galliern,
Norikern, Langobarden, Transdanuviern und Slawenen schlielst
sich noch folgende ὁ, 109 p. 613 an: παρὰ δὲ ᾿Ηλείοις ἢ καὶ Σαρα-
xnvois καὶ τοῖς ἐν τῇ ἀνωτέρᾳ Aıßun καὶ ἹΜαύροις κατὰ τοὺς ἠϊόνας
καὶ ὄχϑας τοῦ ᾿Ωχεανοῦ ποταμοῦ οἰκοῦσι, καὶ ἐν τῇ ἐξωτέρᾳ
Γερμανίᾳ καὶ ἐν τῇ ἀνωτέρᾳ Σαρματῖίᾳ καὶ ἐν Ixvdie καὶ
ἐν πᾶσι τοῖς ἐξωτικοῖς μέρεσι τοῦ Πόντου ἔϑνεσιν οὐχ οἷον τε
εὑρεῖν κολλυβιστὴν ἢ πλάστην ἢ ζωγράφον, οὐκ ἀρχιτέκτονα, οὐ
φωνάσχον, οὐχ ὑποχριτὴν ποιημάτων, ὡς παρ᾽ ἡμῖν᾽ kurz darauf
list man: Τερμανῶν δ᾽ οἱ πλείους ἀγχόνη τὸ ζῆν ἀμείβονται. da
unmittelbar vorher von der witwenverbrennung bei den Indern,
hernach von den Seren. Brachmanen und anderen orientalen die
rede ist, so könnten die Ζερμαγοί, wie anderswo mehrmals, von
den abschreibern für Kaguavos gesetzt sein; wo nicht, so stammt
die notiz wohl aus dem πολὺς λόγος, der über die Langobarden
und die andern nordwestlichen völker umlief. über Brittannien
schöpfte der auctor mehr aus der älteren tradition, c. 80 p. 594,
indem er von der schöpfung handelt: οὐδὲ γὰρ nv ἡ ἔξω 1 δείρων
ϑάλαττα, οὐδὲ τὸ μέγα καὶ ἀτόλμητον πλωτῆρσε πέλαγος τὸ τὴν
Βρεττανικὴν νῆσον καὶ τοὺς ἑσπερίους Ἴβηρας περιπτυσσόμενον, und
c. 109, p. 612 ἐν Δρεττανίᾳ πλεῖστον ἄνδρες μιᾷ συγχαϑεύδουσι
γυναικί" ὡσαύτως καὶ πολλαὲ γυναῖκες ἑνὶ ἑταιρίζονταε ἀνδρί, ob-
gleich die späteren nach Caesar (DA. 1, 397, oben 8. 183 anm. 2),
auch der heilige Hieronymus (Zeufs 573) dies sonst nie so all-
gemein, sondern immer nur mit einschränkung auf gewisse land-
schaften und völker Brittanniens behaupten. dagegen spricht er
wieder als kenner der Donau, aber deutlich ohne sich selbst zu
ihren anwohnern zu rechnen, c. 101 p. 605 — ἀμφίβια, νῦν μὲν
ἐπὶ τῆς χέρσου, νῦν δὲ ἐν τοῖς ὕδασι διαιτώμενα, οἱ Νείλωοι τῆς
“Αἰγύπτου χροχόδειλοι, οἱ ἑσπέριοι Φυσωνῖται κυνοπύόταμοι,
* das sind die "Zissos d.h. Rhizophagen in Aegypten bei Strabo p. 771
ob διζοφάγοι καὶ ἕλειοι noosayopsvousvo. dagegen sind die 'Hissis in c. 112
p. 618 χαὲὶ Σύροι — "Adwrıy ἐξεϑείασαν καχῶς Αἰγύπτιον δὲ τὸν συρόμενον χαὶ
γεωπειῇ Ὄσιριν, "Hissis ἐλεεινοὶ τὸν Νέχτορα, wie Olshausen vermutet ᾿λιεῖς,
weshalb er Νέχτορα in Ἕχτορα ändert.
DRUTSCHRB ALTBRTUMSKUNDB II. 24
370 XII DONAU. DUNAVB. DUNAJ.
οἱ Εὐφρατήσιοι γρύπες, οἱ τελματίσιοε βάτραχον, οἱ παρ’ ἡμῖν
ἐχῖνοι καὶ χύχνοι; wo die “flusshunde’ schwerlich andere sind als
unsere nörze und fischottern. dass er dennoch, wenn auch nicht
an der Donau, doch in der nähe in einer der nördlicheren pro-
vinzen des griechischen reiches lebte und schrieb, muss man
schliefsen aus c. 147 p. 673, wo er erzählt dass τενες τῆς “ἰγύπτου
ὑδροπόται καὶ σπερμοβόροε ἔξω τῆς καϑ' ἡμᾶς παχείας διαίτης
ἐκ σπαργάνων ὑπάρχοντες --- — διὰ τοῦ παραϑέοντος Γεών, Νείλου
δὲ παρ᾽ αὐτοῖς προσαγορευομένου ἀναπλέοντες ἐπειρῶντο τῷ ῥείϑρω
χειραγωγούμενον εὑρίσκειν τὸν μετὰ τὸν Adap πᾶσιν ἀϑέατον παρά-
δεισον. wenn kurz vorher der Euphrat ὁ χαὶ "Ivdıxzas τινας τῆς
τοῦ παραδείσου φϑινοπωρείας καὶ φυλλοροῆς τῷ ῥείϑρῳ ἐπισυρό-
μενος καὶ διακομίζων ἡμῖν heilst, so glaube ich wird der fluss
als grenzfluss des römischen reiches genommen und die ἡμεῖς sind
die angehörigen des reiches. aus einer andern stelle könnte
freilich geschlossen werden dass der auctor, wie ein echter Na-
zianzener, in Cappadocien oder auch etwas südlicher im nördlichen
Syrien am Euphrat selbst zu hause war. er wiederholt c. 99 p. 603
die ansicht der alten ionischen philosophen von dem sonnenlaufe,
die sonst von den späteren den Epicureern zugeschrieben wird
(DA. 1, 77. 498) und bis auf unsere mittelalterlichen dichter
(Reinbot Georg 2943 ff.) sich vererbt hat, folgender mafsen, sie
aus der bibel durch den prediger Salomo 1, 5. 6 rechtfertigend:
᾿Ωχυποδήσας τὰ οὐράνια τέρματα καὶ ὑπό τινα τοῖχον, τὸ
βόρειον γενόμενον κλῖμα, ὑπερανεστῶτος τοῦ Καππαδοχῶν
ἐδάφους, anooxıdlerm μὲν τὴν ἀστραπὴν τῶν ἀκτίνων ταῖς
λόχμαις καὶ τοῖς ὕδασι τῷ ὑπερτεροῦντε πιεσμῷ τοῦ στερεώματος,
διακλωμένων τῶν μαρμαρυγῶν ἐπὶ τὰ πλάγια, καὶ τῇ ὑπεροχῇ τοῦ
χέρσου τὴν φαῦσιν εἰργόμενος χατὰ τὴν προεχδοϑεῖσαν εἰκόνα τοῦ
παρ᾽ ἡμῖν λαμπάδος, ἄνωθεν τηγάννῳ (ἢ Ὁ) ὀστράκῳ τινὶ τοῦ
πυρσοῦ πιεζομένου χαὶ ἔμπροσϑέν τινε σχιαζομένου, ἐπὶ τὸ ἐλεύ-
ϑέρον λοιπὸν τῶν πλαγίων τῆς λαμπρότητος χωρούσης, κατα-
λαμβάνει οὗτος ὁ φωστὴρ τὴν ἑῶαν, κρύβδην περιϑέων τὸ βόρειον
μέρος. καὶ μάρτυς ἡμῖν ἀξιάγαστος ὁ τῶν ϑείων σοφὸς Σολομῶν'
“ἀνατέλλει γάρ, φησιν, ὃ ἥλιος καί δύνει. ἀνατέλλων πορεύεται
κατὰ δύσιν χαὶ χυχλῶν χυχλοῖ πρὸς βοῤῥὰν καὶ εἰς τὸν τόπον
αὐτοῦ ἕλκει".
Wenn hier Δαππαδοχῶν richtig überliefert ist, so ist bei der
die sonne verdeckenden bodenerhebung je nach dem standpunkt
des verfassers in Cappadocien oder in Syrien entweder an die
XI DONAU. DUNAVB. DUNAJ. 371
armenischen gebirge oder an den Taurus zu denken. der wider-
spruch mit den übrigen, viel mehr in die nähe der Donau weisen-
den daten aber lässt sich durch änderung @ines buchstabens und
dadurch dass ein par andere ihre stellen vertauschen leicht be-
seitigen. durch Zosimus 4, 34, der hier sicher aus dem im anfange
des V jahrhunderts schreibenden Eunapius schöpfte, werden noch unter
Theodosius I um 381 Καρποδάχαι in gesellschaft von Skiren und
Hunen von jenseit der unteren Donau genannt. man schreibe also
Καρποδαχῶν statt Καππαδοχῶν, so steht alles im besten einklange
und die Karpaten sind, der altionischen ansicht ganz entsprechend,
dem im VI jahrhundert auf der Haemushalbinsel schreibenden auctor
das die sonne verbergende gebirge des nordens. doch werden
diejenigen, die dem Caesarius von Nazianz schon diese schrift ab-
sprachen, ohne zweifel über ihren ursprung und die zeit und hei-
mat ihres verfassers untersuchungen angestellt haben, und sollten
sie aus entscheidenden gründen zu einem anderen resultat gekommen
sein, so will ich auf meine vermutung und annahme kein allzu
grofses gewicht legen.
Erst nachdem ich, verehrtester freund, die erste hälfte dieses
aufsatzes geschrieben, ward mir Ihre russische schrift über den
gotischen Toparchen durch die freundlichkeit meines herrn collegen
Jagic entsiegelt und s. 123 einmal vor übersetzt. ich sehe daraus
dass ich Ihre fragen und bedenken im einzelnen nicht erledigt
habe, glaube aber dass die vermutung, die die durch alle zeug-
nisse der alten bewährte tatsache, dass Danuvius der keltisch-
römische, Ἴσερος der thrakisch-griechische name der Donau war,
auf den kopf stellt, am wenigsten bei Ihnen einer widerlegung
bedarf, und hoffe im übrigen auf Ihre zustimmung. erfreulicher
wird mir keine sein. wundern Sie sich aber nicht dass Ihnen
diese kleine arbeit zugleich auf zwei wegen zugeht, als besorgte
ich dass Ihnen irgend etwas, auch das unbedeutendste, was Sie
interessiert, irgendwo entgehen könnte. dem neuen boten, den
prof. Jagice mir mit freundschaftlicher bereitwilligkeit im Archiv
für slawische philologie zur verfügung stellte, — wie konnte ich
ihm diesen auftrag verweigern, dem Jagic selbst noch aus seinem
reichtum mancherlei hinzufügen wollte! meinen alten boten an
Sie, die Zeitschrift für deutsches altertum, aber nun im dritten
24*
372 XIV BRANDENBURG UND WIEN.
oder gar vierten jahrzehnd unseres verkehrs mit einem male ab-
zudanken, wäre doppelt undankbar gewesen, da auch seine kund-
schaft wenigstens hie und da ein interesse an diesen dingen hat.
In treuen der Ihre
12. 2. 76. K. Müllenhoff.
14 zu 8. 93.
Über die Vidivarier ist hinlänglich oben s. 12ff. und im
anhang 2 gehandelt. es safs dieses ‘*mischvolk’ auf den inseln
der Weichselmündungen, an der ehemaligen stelle der gotischen
Gepiden. dagegen waren in Siebenbürgen im neunten jahrhundert
‘noch einige von diesen’ übrig (Paul. Diacon. 1, 27. Anon. Salisb.
c. 863 Me. SS. 11, 9). Goten sitzen in Mösien bei Nicopolis noch
zur Zeit des Jordanes (c. 5l) und Walahfrid Strabus berichtet
de rebus eccles. c. 7 dass die Goten in Tomi messe in ihrer
sprache lesen. sie sind auf der Krim erst seit dem sechszehnten,
ja aus dem gedächtnis des volkes erst seit dem vorigen jahr-
hundert verschwunden (Kunik zu Dorns Caspia s. 410). dass die
Havel und Elster, wahrscheinlich auch die Spree, Mulde (Milda)
ua. ihre deutschen namen behielten (Zeufs 15 und oben 5. 211f.),
dass die Warnow in Meklenburg Gudacra (Saxo grammat. 1, 762.
Knytlinga s. cap. 119. vgl. Petersen Annaler 1837 p. 209) und im
süden das Erzgebirge nach wie vor Fergunna oder Mirkuuidu (Zs.
23, 169) hiefs, ist begreiflich da die Deutschen auf dem linken ufer
der Elbe und Sale mit den landschaften auf dem rechten ufer
natürlich fortwährend in beziehung und verbindung blieben. der
hauptort der Abodriten heifst stets Mikilinburg nie Veligrad
und die Zgourzelica der von den Deutschen Heveller oder gar
Hevelder genannten Stoderanen bekam den namen Brandenburg*
und ihr heiliger berg, wie mehr als eine höhe in deutschen
* 8. oben p. 212 anm. und Monum. Polon. ed. Belowsky 2, 586 c. 131
Anno domini 1260 Poloniae dux Boleslaus praedictus Constantiam olim Prze-
mislonis ducis Poloniae fratris sui filiam Conrado filio marchionis de Brande-
borg alias de Sgorzelicz fecit copulari in uxorem etc. p. 480 c. 8 Przemislai
Sgorzelicia quae nunc Brandeborg appellatur (var. Sgorzyelcza). p. 593 c. 153
Anno vero Domini 1269 Otto filius Ottonis marchionis Brandeburgensis sive
de Sgorzelicz.
XIV BRANDENBURG UND WIEN. 373
landen die für schatzberge galten, ward zu einem Harlunge-
berg, ja es sollte sogar dort der sitz des alten, einst den
sanzen osten beherschenden Gotenkönigs Ermenrich gewesen sein
(WGrimm HS’. 38. 51. Zs. 15, 312f. Pröhle Harzsagen 1854 s. 14.
248f.). dass aber in diesen östlichen landschaften unter den
Slawen eine altgermanische bevölkerung sitzen geblieben wäre
und in sprache und allem andern sich so übereinstimmend mit
ihren westlichen stammesgenossen entwickelt hätte dass sie im
zwölften und dreizehnten jahrhundert mit den von westen her zu-
wandernden colonisten leicht und vollständig verschmelzen konnte,
diese meinung kann niemand, der nur einiger maflsen nachdenkt, auf-
stellen, verteidigen und gut heifsen. durchaus falsch und unzulässig
ist auch die beliebte zusammenstellung von Cech, Krkonose Riesen-
gebirge mit den Kogxovros des Ptolemaeus am asciburgischen
gebirge (bei Schafarik 1, 486 uö.), weil der deutsche name auf
keinen fall unverderbt überliefert ist, im anlaut gewis kein K, im
suffix kein τ hatte und der böhmische, wie schon Zeufs 123 her-
vorhob, im slawischen selbst seine etymologie hat. dass jedoch
die in Böhmen einrückenden Slawen dort noch Germanen vor-
fanden, wäre immerhin bewiesen wenn ihr Wlatawa (Moldau) aus
Walth-ahva (Waldaha) umgebildet ward (Zeuls 15), wie wiederum
Wlatawa in Fuldaha von den fuldischen mönchen (Me. SS. 1, 385).
die Eger, bei den Böhmen eigentlich Cheb (Zeufs 15), bewahrte
ihren alten, wahrscheinlich sogar schon vorgermanischen namen
(Förstem. 2°, 18), wohl weil die umgegend von stadt Eger niemals
slawisch ward. dass auch das Donautal von der Ens abwärts
bis nach Wien, nachdem es einmal eine germanische bevölkerung
erhalten hatte, diese niemals wieder ganz verloren hat, lehrt ein
aufmerksamer blick auf die landkarte. namen wie Erlaf, Erlaffa
für Arlape (Itin. Ant. 234, 3. 248, 5), Treisam für Trigisamus
(Zeuls 13), Kaumberg Cumeoberg (Zeufs 5, Förstem. 2°, 431) für
mons Comagenus, Comagena (ClILar. 3, 683), Wien selbst mhd.
Wiene für Vindoböna oder Vindomöna -mäna -mina (Prokop de
aedif. 4, 4 Bivdıuloia? Tech. poln. Widen, aber südslaw. Bet magj.
Becs) und darüber hinaus noch Raba (Hrapa? Anon. Salisb. Zeufs
738) statt Arrabo, dann auf der linken flussseite der Kamb und
des Ptolemaeus Äa&unos, der Manhart und seine “οῦνα ὕλῃ (oben
anhg. 1 s. 324), die March Maraha (slaw. Morawa) und Marus bei
Plinius, die Wag? (oben s. 323 anm. 1), jedesfalls die Gran (slaw.
Hron magj. Garam) und Γρανούας (oben anhg. 1 8. 323) und noch
374 XTV® OSTGERMANIEN BEIM COSMOGRAPHUS RAVENNAS.
manche andre mehr beweisen dass sie nur einmal ihre deutsche ge-
stalt in deutschem munde bekommen und dann behalten haben, ohne
irgend welche störung von slawischer oder gar awarischer seite.
14® zu 5. 9.
Das oval einer alten weltkarte war bei dem cosmographen
in ein kreisrund gezwängt (Hermes 9, 191). dadurch aber dass
der osten und westen der oekumene gegen süden zusammengezogen
wurde, erhielt der norden eine ungeheuerliche ausdehnung. es
wurde nötig namen statt unter einander neben einander zu stellen
und aufserdem sogar interpolationen zu machen, für die nament-
lich Jordanes das material hergeben muste. auf die erste weise
haben die Skridefinnen statt im norden über den Dänen ihren
platz neben ihnen erhalten und von den Sarmaten werden die
Roxolanen und eine patria Roxolanorum Suaricum Sauromatum
(1,12. 4, 4. 11) unterschieden, die sich, wie die Tab. Peut. aufs
deutlichste lehrt, von einer alten römischen weltkarte herschreibt.
aus dem Jordanes stammen die ‘Rerefennae’ neben den 'Screte-
fennis’ und die insel 'Scanza’ (s. 41 anm.) nebst dem 'fluvius maximus
Vistula, qui nimis undosus in Oceano vergitur’ 4, 4 = Jord. ς. 8
‘in conspectu Scandzae septentrionali Oceano trisulcus illabitur’.
eben daher aus Jordanes c. 5 muss man auch mit Zeufs 668 anm.
herleiten 1, 12 die ‘Scytharum patria, unde Sclavinorum exorta
est prosapia; sed et Uites et Chimabes ex illis egressi sunt’, ob-
gleich die aus Jordanes entlehnten namen sonst nicht so arge
entstellungen wie ‘uites’ aus ‘antes’, ‘chimabes’ — wie Zeufs meint,
durch eine mittelform ‘uinades’ — aus ‘uenethae’, erfahren haben
und auch Jordanes c. 23 zu der falschen subsumierung der Anten
und der Venethae unter die Sclavini keinen anlass gab, aber wohl
c. 5 zu ihrer herleitung aus 'Scythia’, die 4, 11, soviel man sieht,
nur das praedicat der asiatischen Scythia von 4, 1 erhielt, im
übrigen aber für die karte nicht weiter in betracht gezogen wurde.
bei den Römern hiefs Osteuropa schlechtweg Sarmatia, und von
einer römischen karte stammt bei dem cosmographen die Sarmatia
gewis mit den Roxolanen usw., daher auch unzweifelhaft 4, 11
‘ex cuius Sarmatiae montibus exeunt plurima flumina, inter cetera
unus fluvius procedit in Oceano qui dicitur Bangis (Raugis bei
Guido c. 126) et alius venit quasi ad partem Danubii, qui dicitur
Appion’ (Apo fl. Tab. Peut.), obgleich wir diese flüsse nicht zu
XV SLAWEN VOR ὈΧΧΤΙΙ.. 375
deuten wissen. bringt man aber die verzerrungen und die zusätze
aus Jordanes in abzug, so ergibt sich auch noch dass nach der bei
dem cosmographen zu grunde liegenden darstellung Sarmatien, oder
wenn man die Scythia mit den Sclavinen, ‘Vites et Chimabes’ für
einen nicht dem Jordanes entlehnten bestandteil hält, dieser öst-
lich grenzte an die 'spatiosissima terra’ oder "patria quae Albis
Maurungani certissime antiquitus dicebatur’, die nach 1, 11 (vgl. 4,
13. 14) unterhalb der Dänen und Northmannen, aber oberhalb der
‘Dacia prima et secunda, quae et Gipidia appellatur’, nach 4,
17—19 südlich von der ‘confinalis praenominatae Daniae patria
quae nominatur Saxonia, quae antiquitus et ipsa ex Dania perti-
nere dicebatur’ und oberhalb beider Pannonien ‘montuosa per
longum quasi ad orientem multum extenditur, cuius aliqua pars
Baias dicitur’, und die ‘non modica habet flumina, inter cetera
fluvius grandis qui dieitur Albis et Bisigibilias, sexaginta quae in
Oceano funduntur’. es kann hier unerörtert bleiben wie es sich
eigentlich mit den Sachsen bei dem cosmographen verhält. so
viel ist klar dass Maurunganien nach seinen angaben ganz Ost-
germanien von der Elbe bis zur Weichsel d. h. bis zur grenze
gegen Sarmatien oder Scythien und von der Donau bis zur Ost-
see umfasste, und die vermutung wird gerechtfertigt sein dass in
‘Bisigibilias’ oder, da unser text aus dem griechischen übersetzt
ist, dass in BICITIBIALAC 1) Βισιλα statt Visila, Visla, wie Bisula
bei dem Antiochener Ammian 22, 8, 38 statt Visula, Visla Weichsel
steckt, und 2) BIAYAC statt Βιαδύας, Οὐιαδούας bei Ptolemaeus,
der alte name der Oder, obgleich darnach die namen in verkehrter
ordnung stehen. aber wer stellt uns den ganzen griechischen satz
des originals her?
15 zu s. 101.
Dass mit der zweiten hälfte des sechsten jahrhunderts Slawen
als römische heerführer vorkommen, a. 554 Δαβραγεζάς τε καὶ
Οὐσίγαρδος, ἄμφω βαρβάρω τὸ γένος, ἃ. 555 4αβραγεζας "Avıns
ἀνὴρ bei Agathias p. 150. 186 Bonn., ist nicht zu verwundern, da
Slawen nicht nur zu derselben zeit (Σουαρούνας ZxAaßos ἀνὴρ
Agath. p. 249), sondern auch schon früher, a. 537, unter Belisar
in Italien (Prokop Be. 1, 27. 2, 26. 3, 22) den Römern dienten.
die möglichkeit ist daher nicht ausgeschlossen dass einzelne haufen
von ihnen schon in der ersten hälfte des jahrhunderts auf der
Haemushalbinsel nicht nur bei den streifzügen sitzen blieben, Son-
376 XV SLAWEN VOR DXXVI.
dern selbst von den Römern dort angesiedelt wurden. ja mög-
licher weise könnte dies auch schon früher geschehen sein. aber
dass es würklich jemals geschehen ist, berichtet uns direct niemand
und lässt sich indirect durchaus nicht beweisen.
wenn in den reichen ortsverzeichnissen im vierten buche des
Prokop de aedificiis neben vielen lateinischen, griechischen, illy-
rischen und thrakischen namen auf der halbinsel einzelne begegnen,
wie c. 4 Σερέδην “όλεβιν “άβουτζα Κλεσβέστιτα Βρατζιστα Μιλλα-
ρεχα ὁ. 11 “Ζέβρη uam., die ‘deutlich slawisches gepräge tragen’
(Schafarik 2, 160) oder wie slawische aussehen, so sind wir damit
noch nicht berechtigt sie ohne weiteres hier als slawische in an-
spruch zu nehmen und von slawischen niederlassungen herzuleiten.
dass die Slawen in einigen kastellen, die Justinian nachmals wie-
derherstellte (de aed. 4, 7 p. 293 Bonn.), an der Donau in Moesien
und Kleinscythien (Dobrud2a) sich zeitweilig fest setzten und von da
aus die gegend beunruhigten, lässt wohl an analoge vorkommnisse
im innern lande denken, gestattet aber noch keine weiter gehende
schlüsse, am wenigsten die worte Prokops (de aed. 4, 11 p. 304),
Philippopolis und Plotinopolis seien, bevor sie wie andre von den
slawischen barbaren bedrohte oder eroberte städte von Justinian
verstärkt oder ncu befestigt wurden, äufserst schwach gewesen
χαίπερ ἔϑνεσι yarovovon βαρβάρων πολλοῖς, dass sie damals
schon von einer slawischen landbevölkerung umgeben gewesen seien.
die sSlawische abkunft des kaisers, angeblich durch seinen 534 verstor-
benen lehrer Theophilus bezeugt (Schafarik aao.), ist ein märchen,
schon deshalb weil weder Prokop, obwohl Histor. arcan. c. 6 bemüht
die herkunft und familie Justins und Justinians möglichst schlecht zu
machen, noch auch Agathias oder sonst einer der älteren irgend
etwas davon weils, und zwar erwiesener mafsen eine fälschung aus
dem XV jahrhundert (vgl. Tomaschek Zs. f. ἃ. österr. gymn. 1874
5. 658f.). ebenso mislich steht es mit den noch älteren beweisen für
slawische niederlassungen im süden der Donau. der römische be-
fehlshaber Avayaoıns oder Avayaoros, durch den im jahre 468/9
(Marcellin. com. ad a.) der ältere sohn des Attila fiel, der sohn
des Ὀρνιγίσκλος (πα. 4, 108) oder 4veyioxkos (Fre. 4, 616 f.) d.i.
des Arnigisl, Arnegisclus, Arnegislus beim comes Marcellinus
ad a. 441. 447 und Jordanes de regn. succ., war unstreitig ein
germanischer Anagast und nicht ein slawischer Onogast, wenn
auch der neben ihm commandierende ’Oozeuns würklich ein Slawe
und nicht blofs ein slawisch — nach ostrü acutus —, wie sein
XV SLAWEN VOR DXXVI. 377
gefolgsherr Aspar alanisch benannter Gote (εἷς Tordoc, ὀνόματι
Ὄστρους Chron. pasch. p. 597, Ὀστρίς Theophanes p. 182 Bonn.)
gewesen sein sollte. die freien, herschenden Sarmatae Arcara-
gantes, die von ihren hörigen knechten vertrieben a. 337 in einer
menge von mehr als 300,000 menschen auf römisches gebiet über-
traten und von Constantin durch die verschiedensten provinzen
verteilt wurden*, waren ohne allen zweifel nachkommen der
Sarmatae Jazuges (Zeufs 691 ff.) und ihre untertanen, die soge-
nannten Limigantes, in der Teis-ebene und dem gebirge wohl
ebenso gewis zum grösten teil ehemalige Daken und Pannonier,
die sie dort bei ihrem eindringen vorgefunden hatten (anhang 1
8. 322. 324), und keine Slawen. die Karpen erklärt Schafarik 1, 213ff.
(vgl. 2, 106) aus keinem andern grunde für Slawen, als weil er
(1, 248. 487 f.) das dem namen zu grunde liegende appellativ und
das derivatum Καρπαάτης für das slawische hrib hügel, berg und
hrebet rücken, rückgrat und gebirgsrücken hält, obgleich darnach
die slawische spirans und media, wie zum teil in Croati für Horvati
Apwßaroı Xopßaroı (Zeuls 608), consequent von Herodots Kapnıs
an im munde der fremden als tenues wiedergegeben oder aber die
slawischen worte lautgesetzlich, wie Horutana für Carantani, hursari
für corsare, aus einer fremden sprache entlehnt sein müsten, und ob-
gleich die Karpen bei ihrem ersten geschichtlichen auftreten mit star-
kem selbstgefühl sich als χρδίττονες der Goten den Römern vorstellen
(Exc. legg. p. 125 Bonn.) und sie bei ihrem letzten auftauchen bei
Zosimus 4, 34 als Καρποδάκαε bezeichnet werden. auch namen wie
* nach dem Anonym. Vales. $ 32 ‘per Thraciam (goovpiov Σαρμαϑώνν
Prokop de aed. 4, 11 p. 306, 34 Bonn.) Scythiam (Dobrud?a, in der Dacia
ripensis eine mutatio Sarmatorum im Itin. Hierosol. 565, 8, φρουρ. Σάρματες
bei Prokop 880. p. 283, 37) Macedoniam Italiamque’ (Not. dign. occ. 42, 46—63),
aber auch nach Gallien (ebendas. 65—70 mit Böckings anmerkung 8. 1080 ff.).
die in der Notitia zuletzt genannte ansiedlung im bereich von Langres (69 Lin-
gonas) stand auch schon auf der für den jüngeren text des Julius Honorius
benutzten karte, wie die reihe “Argentaria, Sauromata — Lingones’ (Weltkarte
des Augustus s. 10, bei Riese Geogr. lat. min. s.35. B14) lehrt, und wird noch
genauer bestimmt durch die bei Saales als Chemin des Saumiers über die Vogesen
ins obere Breuschtal führende ‘strata Sarmatarum’ einer urkunde von 661 bei
Pardessus Diplom. 2, 119f. aufserdem, wie schon Böcking 880. 8. 1145 (vgl.
Moselgedichte s. 70 ff.) bemerkte, trifft in die durch ausfall eines oder mehrerer
blätter in der Notitia dign. entstandene lücke v. 9 der Mosella des Ausonius,
wonach Sarmaten auch zwischen Neumagen an der Mosel und dem Hundsrück
angesiedelt waren. eine ala Sarmatarum (und Vandilorum) stand nach der
Notit. or. 28, 26 in Aegypten, ein cuneus Sarmatarum in Brittannien Notit.
occ. 40, 54, CILar. 7 nr, 218,
818 XV SLAWEN VOR DXXVII.
Δέερνα (Ptol. 3, 8, 10), Tierna (Tab. Peut.), statio
Tsiernens. (CILar. 3 nr. 1568), Zernensium colonia (Ulpian
Dig. 50, 15, 1, 8), Transdiernis (Notit. or. 42, 29, vgl.
Zernis 37, Ζέρνης Prokop de aed. 4, 6) an der heutigen
Cserna (slaw. Cerna) bei Orsowa auf der grenze von
Ungarn und der Wallachei,
Bersobis (Trajan bei Priscian 6, 3), Bersovia (Tab.
Peut. cosm. Rav. p. 204, 3) im ma. Berza an der Brzave,
einem nebenfluss der Temes,
Pathissus (Plin. 4 $ 80), Parthiscus (Amm. Marc. 17,
13, 4 zweimal), für Τίγας (l. Τίσας Priscus p. 183, 6 Bonn.),
Tisia (Jordan. c. 5. 34, cosm. Rav. p. 204, 11), Τισσός
(Theophyl. Simoc. 8, 3), Tiza (Einhart Ann. a. 796), Τίεζα
(Constantin. Porph. de adm. imp. c. 40), Thyscia Tyscia ‘in
den ältesten einheimischen urkunden’, slaw. Tisa (Tissa)
ungar. Tisza (Tiszsza) mhd. Tise Teis, und ZZapwoxov
(Ptol. 3, 7, 2) ein ort am flusse, was slaw. Potisj wäre,
Bustrieius fluss in Pannonien (cosm. Rav. p. 218, 18)
= slaw. Bystrica,
Pelso (Vict. de Caes. 40, 9, Peiso Plin. 3 ἃ 146),
Pelsois (Jordan. c. 52. 53, cosm. Rav. p. 218, 20) ahd.
Pelissa, Bilisa seo (Zeuls 245) der Plattensee (slaw. Blatno
ungar. Balaton) = slaw. pleso see überhaupt udglm.
würden nur dann ‘klare zeugnisse für das altertum der Slawen
im westen der Karpaten ablegen’ (Schafarik 1, 245 ff. 509), wenn
sie nicht ebenso wie ehedem das heutige Cerna an der Marica
(Ζειρηνία Theopomp bei Steph. Byz., Zirinis Tab. Peut. 8B, Zeruis
Zerius (1. Zernis) It. Ant. 322, 6, Zurbis cosm. Rav. p. 185, 1)
und andre namen auf der Haemushalbinsel (s. 376) viele ent-
schieden nicht slawische neben sich hätten. diese machen es
jedem vorurteilslos und methodisch denkenden doch rätlich auch
die slawisch aussehenden für echte einheimische erzeugnisse des
bodens, auf dem sie gefunden werden, und nicht für fremde setz-
linge oder schösslinge zu halten, da die annahme vorhistorischer
slawischer einwanderungen oder gar slawischer urbevölkerung in
Thracien, Illyrien, Pannonien und Dacien dieselbe ungereimtheit
nur in noch höherem malse ergibt als die im anhang 14 er-
wähnte gelehrte fabel dass die Deutschen im XII und XIII jahr-
hundert im osten der Elbe neben den Slawen eine alte germanische
bevölkerung angetroffen hätten.
XV SLAWEN VOR DXXVII 379
Hätten die Slawen von jeher zu beiden seiten der unteren
Donau gesessen oder diese auch nur auf &iner seite von jeher
berührt, wie wären sie wohl dazu gekommen den alten namen
Ἴστρος mit Dunavü, Dunaj zu vertauschen und Dunavü, Dunaj nicht
von den anwohnenden Romanen, sondern erst mittelbar von den
Goten zu entlehnen* und auch die Romanen mit einem den Ger-
manen entlehnten namen Vlahi zu benennen? von Slawen kann
mit recht und sicherheit erst da die rede sein wo sie uns mit
dem bei den Germanen für sie üblichen namen, dann mit ihrem
eignen benannt werden.
Ebenso wenig gibt es ein völlig sicheres und unzweideutiges
zeugnis für ihr auftreten nach auflsen hin vor dem des Prokop in
der Hist. arc. c. 18 ᾿λλυρίους καὶ Opaxıv ὅλην, εἴη δ᾽ ἂν dx χόλπου
τοῦ Ἰονίου μέχρι ἐς τὰ Βυζαντίων προάστεια, ἐν τοῖς Ἑλλάς τε καὶ
Χερρονησιτῶν ἡ χώρα ἐστὶν, Οὗὖννοί (= Βούλγαροι) τε καὶ Σχλαβηνοὶ
καὶ Avıaı σχεδόν τε ἀνὰ πᾶν καταϑέοντες ἔτος, ἐξ οὗ Ἰουστινιανὸς
παρέλαβε τὴν Ῥωμαίων ἀρχὴν, ἀνήκεστα ἔργα εἰργάσαντο τοὺς
ταύτῃ ἀνθρώπους. κιλ.; wozu kommt Βα. 8, 40 ἡνίκα ᾿Ιουστι-
γιανὸς τὴν βασιλείαν εἶχεν, ΓΑνται, οὗ Σχλαβηνῶν ἄγχιστα ᾧχηνται,
Ἴσιρον ποταμὸν διαβάντες σερατῷ μεγάλῳ ἐςέβαλλον ἐς Ρωμαίων
τὴν γῆν. ἐτύγχανε δὲ Γερμανὸν βασιλεὺς Θρῴκης ὅλης στρατηγὸν
χαταστησάμενος οὐ πολλῷ πρότερον. χτλ. und Βα. 3, 14 βασιλεὺς
Χιλβούδιον, ὅτε δὴ τέταρτον ἔτος τὴν αὐτοχράτορα εἶχεν ἀρχὴν
(a. 530), Θρῴχης ἀνειπὼν στρατηγὸν, ἐπὶ τῇ τοῦ ἼἜσερου ποταμοῦ
φυλαχῇ κατεστήσατο, φυλάσσειν κελεύσας ὅπως μηκέτι τοῖς ταύτῃ
βαρβάροις ὃ ποταμὸς διαβατὸς ἔσται, ἐπεὶ αὐτοῦ τὴν διάβασιν
πολλάκις ἤδη Οὖννοι (Βούλγαροι) καὶ "Ayını καὶ Σκλαβηνοὶ
πεποιημένον ἀνήχεστα ἹΡωμαίους ἔργα εἰργάσαντο. hienach ist es
allerdings sehr wahrscheinlich dass die Anten und Sclavenen auch
schon an den früheren einfällen der Bulgaren teil genommen haben;
ja die notizen des comes Marcellinus bringen es fast zur gewis-
heit, lassen jedoch immer dem zweifel noch einigen raum und die
übrigen nachrichten gestatten kaum eine vermutung. soviel ich
weils, kommen folgende in betracht.
MARcELLIN. AD A, 493. Julianus magister militiae nocturno
praelio pugnans Scythico ferro in Thracia confossus interiit.
Ipem aD a. 499. Aristus Illyricianae ductor militiae cum xv
milibus armatorum et cum Ὀχχ plaustris armis ad praeliandum
—
* anhang 13.
880 XV SLAWEN VOR DXXVIT.
necessariis oneratis contra Bulgares Thraciam devastantes pro-
fectus est. bellum iuxta Zurtam fluvium consertum, ubi plus quam
ıv milia nostrorum aut in fuga aut in praecipitio fluminis inter-
empta sunt, ibique Illyriciana virtus militum periit, Nicostrato,
Innocentio et Aquilino comitibus interfectis.
Ioem an Aa. 502. Consueta gens Bulgarorum depraedatam
saepe Thraciam, nullo Romanorum milite resistente, iterum
devastavit. Tueoruanes p. 222 Bonn. (Zonaras 2, 55 P.) τούτῳ
τῷ ὄτεν καὶ οἱ καλούμενοι Βούλγαροι τῷ ᾿Ιλλυρικῷ καὶ Θρῴάκῃ ἐπι-
τρέχουσι. πρὲν γνωσθῆναι αὑτούς (Zon. ἔϑνος — μήπω πρὶν
γινωσχόμενο»).
Marc. αὐ Aa. 505. Idem (consul) Sabinianus Sabiniani magni
filius ductorque militiae delegatus contra Mundonem Getam arma
construxit etc.
Iorvan. 6. 58. hie Mundo de Attilanis quondam origine de-
scendens, Gepidarum gentem fugiens, ultra Danubium in incultis
loeis debacchatur. hunc paene desperatum et iam de tra-
ditione sua deliberantem Pitza subveniens e manibus Sabiniani eri-
puit, suoque regi Theoderico cum gratiarum actione fecit sub-
iectum.
Ennop. Paneg. Theoder. ὁ. 12. per foederati Mundonis ad-
trectationem Graecia est professa discordiam, secum Bulgares
suos in tutela deducendo. eminus Pitzia indomitam Bulgarum
iuventutem speculatus ardentes adolescentium impetus verborum
armavit incendiis. concurrebant duae nationes: miratae sunt
mutuo sui similes inveniri et in humano genere vel Gothum
resistentem (?) audere vel Bulgares.
CHron. PAscH. AD A. 512? Τούτῳ τῷ ἔτει ἐχτίσϑη τὸ μαχρὸν
τεῖχος τὸ λεγόμενον Avaoracıanxoy. Zonaras 2, 58 P. οὗτος ὃ
Avaoıaoıog ἔκτισε τὸ Μακρὸν τεῖχος οὕτω λεγόμενον χαὶ ἀπὸ τῆς
μεγάλης ϑαλάσσης διῆκον ἄχρι τῆς Σελυβρίας διὰ τὰς ἐφόδους τῶν
τε Μυσῶν, ἤγουν Βουλγάρων, καὶ τῶν Σχυϑῶν.
Tueornanes an A. 513 p. 242. Τούτῳ τῷ ἔτει Βιταλιανὸν τὸν
υἱὸν Πατρικιόλου κόμητος Φοιδεράτων οὗ ἐν Σχυϑίᾳ καὶ Μυσίᾳ
καὶ λοιπαῖς χώραις ὀρϑόδοξοε παρεχάλουν κινηϑῆναι κατὰ "Ava-
σεασίου. aD Aa. 514 p. 247. Βιταλιανὸς παραλαβὼν πᾶσαν τὴν
Θράκην καὶ Σκυϑίαν καὶ Μυσίαν, ἔχων μεϑ' ἑαυτοῦ πλήϑη
Οὔννων καὶ Βουλγάρων, παρέλαβεν τὴν ᾿Αγχίαλον καὶ τὴν
’Odvooonolıy, πιάσας καὶ τὸν Κύριλλον τὸν στρατηλάτην Θράκης,
καὶ ἦλθεν πραιδεύων ἕως τοῦ Βυζαντίου. φειδόμενος δὲ τῆς πόλεως
XV SLAWEN VOR ὈΧΧΥΠ. 381
ἂν Σωσϑενίῳ ἐστρατοπέδευσεν. Marceıı. Vitalianus Scytha,
assumptis Romanorum equitibus peditumque plus quam x milibus
armatorum in triduo congregatorum, in locum qui Septimius di-
citur advenit ibique castra metatus est. Anastasii periuriis
illusus octavo die quam urbem accesserat remeavit. hinc Odys-
sum astu ingressus est. Cyrillum militiae ductorem rep-
perit dormientem eumque abstractum mox cultro Getico jugu-
lavit. ΤΉΒΟΡΗΑΝΕΒ aD Aa. 515 p. 248. Βιταλιανὸς ἀγανακτήσας
xare ᾿Αναστασίου διὰ τὴν ἐπιορχίαν πολλὰ κακὰ τοῖς ὑπὸ ᾿Ανα-
στάσιον στρατοπέδοις καὶ τῇ λοιπῇ πολιτείᾳ ἐπεδείκνυτο κτλ. Marc.
Vitalianus Anastasio immanior factus inimicus, Systhenense
praedium ingressus est etc. ap A. 516. mutata fide Anastasius
Vitaliano succedit (Ὁ) eidemque Rufinum destinat successorem.
Marc. ap a. 517. Olla illa quae in Jeremia vate (1, 13. 14)
ab aquilone adversum nos nostraque delicta saepe succenditur,
tela ignita fabricavit maximamque partem Illyrici eisdem iaculis
vulneravit. duae tunc Macedoniae Thessaliaque vastata est et
usque Thermopylas veteremque Epirum Getae equites deprae-
dati sunt. mille tunc librarum auri denarios per Paulum Ana-
stasius imperator pro redimendis Romanorum captivis Ioanni prae-
fecto Olyrici misit: deficiente pretio vel inclusi suis cum domun-
culis captivi Romani tenti sunt vel pro muris clausarum urbium
trucidati sunt.
Zonaras 2, 56 P. τῶν Βουλγάρων αὖϑις (8. zum j. 502) τὸ
᾿Ιλλυρικὸν καταδραμόντων ἀντετάξαντο τούτοις τινὲς τῶν Ρωμαίων
ταξιάρχων μετὰ τῶν ὑπ᾽ αὐτοὺς ταγμάτων. ἐκείνων δὲ ἐπῳδαῖς
χρησαμένων καὶ γοητείαις, ἡττήϑησαν αἰσχρῶς οἱ Ῥωμαῖοι, καὶ
πλὴν ὀλίγων ἅπαντες διεφθάρησαν, ὧν τὴν φϑορὰν κομήτης ἀστὴρ
προεμήνυσε καὶ κόρακες πορευομένων αὐτῶν ὑπεριπταάμενοί τὸ καὶ
προηγούμενοι καὶ οἱ σαλπιγκταὶ ἀντὶ ἐνυαλίου ἤχῆς περιπαϑές τι
καὶ ϑρηνῶδες ἤχήσαντες.
Marc. ap a. 519. Vitalianus Scytha Justini principis pietate
ad rempublicam revocatus Constantinopolim ingressus est septimo-
que receptionis suae die magister militiae ordinatus. a. 920.
consul VII in palatio cum satellitibus suis interemptus est.
Durchaus dem sprachgebrauch der geschichtschreiber des
grolsen ‘scythischen krieges’ im dritten jahrhundert gemäfs fasst
Marcellinus noch zum j. 379 die ‘Alanos Hunos Gothos’ als ‘gentes
Scythicas’ zusammen und lässt a. 380 Theodosius den grofsen
‘de gentibus Scythicis’ triumphieren. in demselben sinne nennt
382 XV SLAWEN VOR DXXVII.
er auch, über seine würkliche herkunft ungewis, a. 406 den Ra-
dagais, den führer einer bunten völkermasse ‘Scytha’, und da auch
nach dem abzuge des Theodorich es noch Goten genug und über-
reste anderer völker in Thracien gab (Prokop Br. 1, 8, Theo-
phanes p. 224 B.), so ist nicht nötig das ‘Scythicum ferrum’, durch
das a. 493 der magister militum Julianus dort in einem nächt-
lichen treffen fiel, wesentlich anders zu fassen, obgleich es sich
auch so verstehen lässt wie a. 514. 519 ‘Scytha’ als beiname des
Vitalianus, der augenscheinlich von seinem standort, der Scythia
minor unter der Donaumündung hergenommen ist. das ‘Scythicum
ferrum’ als slawisches, also nach einem bisher in den geschichts-
büchern noch ungenannten volke zu deuten wäre gänzlich ver-
kehrt.
Zwei invasionen der Bulgaren oder vielmehr perioden bul-
garischer einfälle treten nach den vorliegenden daten besonders
hervor. die erste gegen das ende des fünften jahrhunderts be-
ginnend dauerte allem anscheine nach (s. Marcell. zum j. 502) bis
in die ersten jahre des sechsten an, wo im j. 502 noch ein neuer
heftiger vorstofs erfolgte, so dass die griechischen chronographen
erst von da an das erscheinen der barbaren datieren. daran
schliefst sich noch das auftreten einer bulgarischen kriegsschar
im j. 505 im dienste der Römer gegen den räuberkönig Mundo
an der Sau. der zweite gewaltige einbruch im j. 517, der die
ganze halbinsel bis an die Thermopylen und nach Epirus über-
flutete, war eine unmittelbare folge des aufstandes, den die ortho-
doxen in Scythien und Moesien unter der führung des Vitalianus
erregten. versammelte er, wie es heilst, in drei tagen ein heer
von 60,000 fulssoldaten, darunter zahlreiche haufen von ‘Hunnen
und Bulgaren’, mit denen er zweimal 514. 515 vor Constantinopel
erschien, so muss man schliefsen entweder dass die Bulgaren selbst
damals gleich jenseit der Donau hausten oder aber so über die
dort wohnenden Slawen herschten dass diese mit unter jene be-
griffen wurden, und dass diese dann viel mehr als ihre noma-
dischen herren dem Vitalianus das fulsvolk gestellt hatten. für
diese folgerung kommt selbstverständlich nicht in betracht dass
Theophanes (} 818) Hunnen und Bulgaren (a. 514) für zwei ver-
schiedene völker, diese also seiner zeit gemäfs schon für Slawen
hält und dass bei Zonaras sogar aus Bulgaren von jenseit der
Donau Moeser und Scythen von diesseit geworden sind, die den
Anastasius um 512 in seiner hauptstadt bedrohen. desto bedeut-
XV SLAWEN VOR DXXVIT. 383
samer aber scheint das wiederauftauchen des Getennamens bei
Marcellin.
Der gelehrte Theophylact im zweiten zehnd des siebenten
jahrhunderts meint (3, 4. 7, 2 p. 119. 272 Bonn.), Geten und Sela-
venen seien dasselbe und Geten nur der ältere name der barbaren.
wenn auch die unterscheidung des Strabo p. 304 dass von dem
volksstamm über der untern Donau die gegen osten und den
Pontus wohnenden von altersher Geten, die gegen westen und die
Germanen Daken genannt seien nicht eben stich hält, so ist doch
von rein geographischer seite gegen die anwendung des alten
namens auf die zwischen Karpaten und Dnjestr eingedrungenen
Slawen nichts einzuwenden und sie wäre zumal begreiflich zu einer
zeit wo noch niemand gewagt hatte die Sclavenen und Anten in
die litteratur einzuführen oder wo es für sie noch keinen gebräuch-
lichen gesamtnamen gab. allein augenscheinlich geht Marcellin nicht
so weit Geten und Sclavenen oder Slawen geradezu gleich zu setzen.
Cassiodor, der über den räuberkönig Mundo aufs beste unterrichtet
sein muste, da er ein mann des Theodorich wurde, liefs ihn nach
Jordanes von den leuten oder aus dem näheren anhang des Attila
abstammen, womit freilich noch nicht gesagt ist dass er ein Hune
oder nach jüngerer ausdrucksweise ein Bulgare war: sein name
Mundo deutet eher auf germanische abkunft. nennt Marcellin
a. 505 ihn einen Geten, so ist das eine bezeichnung von ganz
ähnlicher unbestimmtheit des umfangs oder des inhalts wie vorher
‘Scytha’; nur der wechsel der benennung lässt auf einen wechsel
des inhalts schliefsen: bezeichnete Scytha früher insgesamt die
Hunen, Goten und Alanen, so jetzt vermutlich Geta die Bulgaren
und die Slawen in ihrem anhang, die mit einander an die stelle
jener getreten waren. der ‘culter Geticus’ a. 514 steht dem ‘Scy-
thico ferro’ a. 493 ganz parallel, aber der jüngere ausdruck lässt
vermuten dass nicht allein Bulgaren im gefolge des Vitalianus
sich befanden. die umfassendere, unbestimmtere collectivische be-
deutung desselben zeigt sich vollends wenn zum j. 517 erst der
norden insgemein unter dem bilde des alttestamentlichen propheten
als den provinzen der halbinsel verderben bringend, dann das sie
verheerende volk als Geten hingestellt wird, die ‘Getae equites’
aber vor allem auf das reitervolk der Bulgaren hinweisen, wie um-
gekehrt a. 514 das fufsvolk des Vitalianus auf die Slawen von
jenseit der Donau. dazu kommt noch eine vierte stelle des Mar-
cellinus.
384 XV DIE SLAWEN VON DXXVII—DLIX.
Marc. αὖ ἃ. 530. Mundo Illyricianae utriusque militiae duc-
tor dudum Getis Illyricum discursantibus primus omnium Roma-
norum ducum incubuit eosque haud paucis ipsorum interemptis
fugavit. his autem deinde coss. (Lampadio et Oreste) idem dux
audaciae suae secundus in Thraciam quoque advolans praedantes
eam Bulgares feliciore pugna cecidit, quingentis eorum in proelio
trucidatis.
Der comes Ilyricianus ist insonderheit auch über illyrische
dinge unterrichtet und gedenkt ihrer gern (zum j. 499. 505. 517)
wo die Griechen ihrer geschweigen, wie er umgekehrt auch über-
geht was jene näher angeht (zum j. 512). hier scheint er, obwohl
zeitgenosse der begebenheiten, nicht zu wissen was Prokop Βα. 3, 40
(oben s. 380) einmal beiläufig berichtet, dass bald nach dem re-
gierungsantritt Justinians (im april 527) die Anten mit einem
grofsen heere über die Donau kamen, aber von Germanus, dem
neffen des kaisers, der ihn nicht lange vorher zum magister mili-
tiae von ganz Thracien bestellt hatte, angegriffen und nahezu
vernichtet wurden. Prokop erwähnt dabei keiner Bulgaren und
Sclavenen, auch nichts von den kriegstaten des befehlshabers von
Illyricum, die übrigens von nicht allzu grofser bedeutung waren,
wenn der glücklichste erfolg der in Thracien war dass fünfhundert
barbaren in einem treffen fielen. aber wenn nach Prokops erstem
und drittem zeugnis Ha. ὁ. 18 und Βα. 3, 14 (5. 3801.) die Hunnen
(Bulgaren), Anten und Sclavenen schon oft vor 530 eingefallen
waren und die Geten Marcellins schon lange Illyricum durch-
streift hatten, bevor Mundo sie von dort verjagte und dann 530
in Thracien die Bulgaren schlug, so wird man weder diese von
jenen, noch auch Prokops Slawen von ihnen trennen können und
wohl anerkennen müssen dass der Getenname bei Marcellin we-
sentlich nur ein collectivbegriff für Slawen und Bulgaren ist. das
erste, völlig unzweideutige zeugnis für das active auftreten der
Slawen in der geschichte aber bleibt immer das doppelzeugnis des
Prokop zum j. 527, wenn gleich für ihre teilnahme an den früheren
zügen der Bulgaren auch noch der umstand spricht dass auch
später diese noch öfter allein genannt werden wo es nicht wohl
bezweifelt werden kann dass jene gleichfalls mit dabei waren.
Procor. Ba. 3, 14. a. 530—534. Justinian setzte 530 den
tapfern Chilbud zum magister militum von Thracien ein, mit dem
auftrage den barbaren den übergang über die Donau zu wehren.
dies gelang ihm während dreier jahre nicht nur vollständig: er
XV DIE SLAWEN VON ὈΧΧΤΥΗ -- ὮΠΙΧ. 385
gieng selbst auch oft auf die andre seite des flusses, tötete und
fieng viele als knechte ein. nach drei jahren aber, also 534, als
er mit einem geringen heer nach seiner gewohnheit wieder hin-
übergegangen war, stellten sich ihm die Sklawen mit ganzer macht
entgegen und er selbst fiel in dem ungleichen kampfe, so dass
die barbaren von nun an immer den fluss frei passieren und den
römischen staat leicht anfallen konnten: τὸ λοιπὸν ὃ rs ποταμὸς
ἐςβατὸς ἀεὶ τοῖς βαρβάροις κατ᾽ ἐξουσίαν καὶ τὰ Ῥωμαίων πράγ-
ματα εὐέφοδα γέγονε.
MaArcerr. Continvar. a. 535. Tzitta patricius in Mysia cum
hoste Bulgarum congrediens ad latrum superior invenitur.
[Mar. p. 437, 19ff. Tueorman. ed. de Boor p. 217f. Ceprenos
p. 651. Aa. 538. ᾿Επὶ δὲ τῆς αὐτοῦ βασιλείας δύο στρατηγοὶ Οὔννων
(Theophan. τούτῳ τῷ ἔτει ἐχίνησαν οἱ Βούλγαροι κελ.) ἐπιῤῥίψαντες
μετὰ πλήϑους εἰς τὴν Σχυϑίαν καὶ Μυσίαν ὄντος ἐκεῖ στρατηλάτου
“Ῥωμαίων Βαδουαρίου καὶ ᾿Ιουσετίνου καὶ συμβολῆς γενομένης κτλ. in
dem kampfe fällt Justinus, an dessen stelle Constantin, der sohn
des Florentius die führerschaft übernimmt. dieser sowie Godilas und
der militärische statthalter IOlyriens Askum oder Akum ὃ Ovvvos
schlagen die Bulgaren die den Balkan überschritten haben und
töten eine grofse anzahl von ihnen, darunter ihre beiden ῥῆγες,
auf ihrem rückweg aber begegnen die Römer einem anderen haufen
der feinde, dem sie nicht nur weichen, sondern auch Constantin
und Akum als gefangene überlassen müssen.
Mar. p. 450, 19; Tasoruan. p. 218. Ceoren. p. 652. a. 539. Als
Mundus, ein Gepide, der zum statthalter von Illyrien ernannt war,
sich auf seinen posten begab, brachen die Bulgaren in grolser
menge vor, er aber rieb das ganze feindliche heer auf und machte
den führer und viele andere von ihnen zu gefangenen.
Procor. Br. 2, 4 p. 167 ed. Bonn. A. 540. μέγα μὲν εὐϑὺς
στράτευμα Οὐννικὸν (= Bulgaren) διαβάντες ποταμὸν Ἤστρον,
ξυμπάσῃ Εὐρώπῃ ἐπέσχηψαν κτλ. sie dringen bis zu den vororten
von Byzanz vor und nehmen 32 castelle ein. auch eine stadt
Kassandreia, das ehemalige Potidäa erobern sie. und da sie
keinen widerstand finden, wiederholen sie in kurzer zeit ihre ein-
fälle. so dringt ein haufe in den thracischen Chersones und ein
teil von ihm überschreitet sogar die meerenge zwischen Sestos und
Abydos um in Asien zu plündern. bei einem anderen einfall durch-
stürmen sie Thracien und Illyrien d. h. etwa die südlichen Donau-
länder bis zum meer im westen und süden (vgl. darüber Monu-
DEUTSCHB ALTERTUMSKUNDE I. 25
386 AV DIE SLAWEN VON DXXVII— DL.
menta spectantia historiam Slavorum meridionalium vol. VI.
Zagrabiae 1877, p. 219 anm. 1) und dringen bis zu den Thermo-
pylen vor, wo sie den pfad erspähen, der zum berg hinaufführt.
auf diese weise gelingt es ihnen bis zum Peloponnes zu kommen:
οὕτω τε σχεδὸν ἅπανιας Ἕλληνας πλὴν Πελοποννησίων διεργασά-
μενον ἀπεχώρησαν».
Procor. Βα. 3, 18 p. 330. a. 547. βαρβαρων γὰρ Σκλαβηνῶν
πολὺς ὅμελος ἔτυχον ἔναγχος διαβάντες μὲν ποταμὸν Ἴστρον, ληισά-
μενοι δὲ τὰ ἐχείνη χωρία καὶ Ῥωμαίων ἐξανδραποδίσαντες παμπολυ
πλῆϑος. οἷς δὴ "Eoovioı ἐχ τοῦ αἰφνιδίου ἐς χεῖρας ἐλϑόντες
γικήσαντές τὸ παρὰ δόξαν μέτρῳ σφᾶς πολλῷ ὑπεραίροντας αὐτούς
τε κτείνουσι καὶ τοὺς αἰχμαλώτους ἐς τὰ οἰχεῖα ξύμπαντας ἀφῆκαν
ἰέναι. 68 δῦ hier, nachdem Pannonien längst im besitze der Lango-
barden (530) ist und die Heruler durch sie versprengt sind, von
derjenigen abteilung des volkes die rede, welche jenseit der Donau
wohnsitze fand (cf. Marcellinus comes a. a. 512 Gens Erulorum in
terras atque civitates Romanorum iussu Anastasii Caesaris in-
troducta).
Über die Slawen von 534—47 berichtet Proror im folgen-
den kapitel Βα. 3, 14. er erzählt dass einige zeit, nachdem die
Sclavenen Chilbudius getötet hatten, zwischen ihnen und den
Anten ein zwist ausbrach, der zu einem kriege zwischen beiden
stämmen führte, aus dem jene als sieger hervorgiengen. dieser
krieg entzweite sie jedoch nicht dauernd, da ein friedlicher ver-
kehr zwischen ihnen bald wieder statt fand. in dieser zeit
schickte nun auch Justinian eine gesandtschaft an die Anten und
bot ihnen als wohnsitz die jenseit der Donau in Dacien gelegene,
von Trajan gegründete feste Turris an sowie die umgegend da-
von, falls sie ihm bei der abwehr der das reich unaufhörlich be-
unruhigenden Hunnen d. h. Bulgaren helfen wollten. er ver-
sprach ihnen dafür auch reichlich geld zu geben. doch wurde
das abkommen, wie es scheint, nicht perfect. zwar gieng Justi-
nian auf die bedingung, welche die Anten stellten, ein: einen
mann, namens Chilbudius, den sie für den i. j. 534 gefallenen
römischen befehlshaber hielten, in ihrem lande in der würde des
magister militiae walten zu lassen. als dieser falsche Chilbudius
aber auf dem wege nach Constantinopel war, wohin der kaiser
ihn berief, ward er von Narses entlarvt und gefangen genommen.
Procor. Βα. 3, 29 p. 397f. A. 548. ὑπὸ τοῦτον τὸν χρόνον
Σκλαβηνῶν στράτευμα διαβαντες ποταμὸν "lorgov ᾿Ιλλυρίους anav-
XV DIE SLAWEN VON DXXVII— DLIX. 387
τας ἄχρι ᾿ Ἐπιδαμνίων ἔδρασαν ἀνήχεστα ἔργα, κχτείνοντες καὶ ἀνδρα-
ποδίζοντες τοὺς ἐν ποσὶν ἡβηδὸν ἅπαντας καὶ τὰ χρήματα ληιζόμενοι.
ἤδη δὲ καὶ φρούρια ἐνταῦϑα πολλά τὸ καὶ δοχοῦντα ἐχυρὰ τὰ πρό-
τερα εἶναι οὐδενὸς ἀμυνομένου ἐξελεῖν ἔσχυσαν περιιόντες ξύμπαντα
κατ᾽ ἐξουσίαν καὶ διερευνώμενοι. οἱ δὲ τῶν ᾿Ιλλυριῶν ἄρχοντες στρά-
τευμα πεντακχιςχιλίων τὸ καὶ μυρίων ἔχοντες εἵποντο, ἄγχιστα μέντοι
τῶν πολεμίων οὐδαμῆ ἐτόλμων ἱέναι.
a. 551. Einbruch eines bulgarischen stammes, der Kutriguren,
die von den Gepiden gegen die Langobarden zu hilfe gerufen in
römisches gebiet einfallen, als jene noch nicht in der lage sind
loszuschlagen. sie werden aber mit hilfe der Utruguren, ihres
bruderstammes, der die in der heimat zurückgebliebenen Kutri-
guren bekriegt und schlägt, zurückgewiesen, während ein kleiner
teil von ihnen mit erlaubnis des kaisers in Thracien sich an-
siedelt. Procop. Βα. 3, 18. 19.
Procor. Βα. 3, 38 p. 441ff. und de aedif. 4, 11 p. 304. a.
551. Ὑπὸ τοῦτον τὸν χρόνον, σεράτευμα Σκχλαβηνῶν οὗ πλέον
ἢ ἐς τριςχιλίους ἀγηγερμένον, πόταμόν ve "lorgov οὐδενὸς σφίσιν
ἀντιστατοῦντος διέβησαν χαὶ πόνῳ οὐδενὶ ποταμὸν Εὖρον εὐϑὺς
διαβάντες δίχα ἐγένοντο κτλ. die führer der römischen heere in
Illyrien und Thracien, die sich den beiden abteilungen entgegen-
stellen, werden geschlagen und der einen gelingt es sogar bis
Toperos vorzudringen, einer feste die auf der strafse von Byzanz
nach Thessalonike liegt und von der hauptstadt nur 12 tagereisen
entfernt ist, und sie durch list einzunehmen. nach furchtbaren
plünderungen und schändlichen grausamkeiten kehren die Secla-
venen dann in ihr land zurück.
Procor. Be. 3,40 p. 449 f. a. 551. Τερμανοῦ δὲ τὸ στράτευμα
dv Σαρδικῇ τῇ ᾿Ιλλυριῶν πόλει ἀγείραντός τὸ καὶ διέποντος ἅπαντά
τὸ ἰσχυρότατα ἐξαρτυομένου τὰ ἐς τὴν τοῦ πολέμου παρασχευὴν,
Σχλαβηνῶν ὅμιλος ὅσος οὔπω πρότερον ἀφίκετο ἐς Ρωμαίων
τὴν γῆν. Ἴστρον δὲ ποταμὸν διαβάντες ἀμφὶ Νάϊσον ἦλθον κελ.
ein versprengter haufe dieses Sclavenenheeres gerät in die hände
der Römer und bekennt auf befragen dass es auf Thessalonike
abgesehen sei. sowie der kaiser das erfährt, befiehlt er Ger-
manos den marsch nach Italien aufzugeben und dem angriffe der
Sclavenen entgegenzutreten um Thessalonike und die anderen be-
drohten städte zu schützen. noch ehe aber Germanos den befehl
ausführen konnte, zogen sich die Sclavenen zurück aus furcht,
wie Prokop sagt, vor Germanos, von dessen in früheren kämpfen
255
388 AV DIE SLAWEN VON DXXVII— DL.
mit den Anten bewiesener tapferkeit der ruf auch zu ihnen
gedrungen war. aufserdem soll sie aber auch die beträcht-
liche stärke des römischen heeres zur umkehr bewogen haben.
denn da es, wie sie erfuhren, vom kaiser für Italien bestimmt
war um Totilas zu bekämpfen, muste es ihrer ansicht nach ganz
besonders ansehnlich sein. doch kehrten sie (Prokop p. 454 ff.)
bald zurück verstärkt durch andere scharen die inzwischen die
Donau überschritten hatten, zumal Germanos gestorben und an
seine stelle Johannes, sein schwiegersohn getreten war. jetzt
teilten sie sich in drei haufen und hausten im römischen reich
nicht anders, als wenn sie daheim wären. ohne furcht brachten
sie jenseit der Donau den winter zu, und eine abteilung dringt
sogar bis Adrianopel, fünf tagereisen von Byzanz vor um sich
hier zu einer schlacht mit den Römern bereit zu machen. nur
auf drängen der notleidenden soldaten entschliefsen sich die
kaiserlichen feldherren zum kampfe, der unglücklich für sie
ausfällt. die Römer müssen unter zurücklassung vieler gefangener
weichen und gewähren den Sclavenen so die möglichkeit bis zu
den langen mauern des Anastasius (vgl. oben) vorzudringen. hier
aber gelingt es dem römischen heere einer abteilung der feinde
eine empfindliche niederlage beizubringen und ihr eine grofse
menge der gefangenen sowie einen teil der beute wieder ab-
zunehmen. dadurch wird der rest des feindlichen heeres zum
rückzug veranlasst und mit beute beladen kehrt er in die heimat
zurück. Ä
a. 552. In dem frühling, der diesem winter folgte, zeigt sich
auch ein haufe von Bulgaren im römischen reich. PRrocor.
Be. 4, 21 p. 517f, als Narses, der vom kaiser mit dem ober-
befehl in Italien betraut ward und ein stattliches heer erhielt,
durch Thracien marschierte, wurde er hier in Philippopel einige
zeit aufgehalten: στράτευμα γὰρ Οὐννικὸν ἐπισχῇψαν τῇ Ῥωμαίων
ἀρχῇ ἅπαντα ἦγον τε καὶ ἔφερον, οὐδενὸς σφίσιν ἀντιστατοῦντος.
ἐπειδὴ δὲ αὐτῶν οὗ μέν τινες ἐπὶ Θεσσαλονίχην, οἱ δὲ τὴν ἐπὶ τὸ
Βυζάντιον ἤεσαν, μόλις ἐνθένδε ἀπαλλαγεὶς ἐπίπροσθεν ἤει SC.
Ναρσῆς.
Procor. Βα. 4, 25 p. 5911. A. 553. Σχλαβηνῶν δὲ πολὺς
ὅμιλος ᾿Ιλλυριοῖς ἐπισχήψαντες πάϑη ἐνταῦϑα οὐχ εὐδιήγητα διειρ-
γάσαντο. βασιλεὺς δὲ ᾿Ιουστινιανὸς στράτευμα ἐπ᾽ αὐτοὺς ἔπεμψεν,
οὗ δὴ ἄλλοι τε καὶ οἱ Γερμανοῦ παῖδες ἡγοῦντο χτλ. die Römer
die nicht im stande sind den feinden offen entgegen zu treten
XV DIE SLAWEN VON DXXVO—DLIX. 389
begnügen sich damit in ihrem rücken zu bleiben und etwaige
nachzügler abzufangen. dadurch wird jedoch den plünderungen
der Sclavenen wenig abbruch getan. bei ihrem einfall wurden
sie übrigens von den Gepiden unterstützt, die sie über die Donau
setzten und dafür pro kopf bezahlung erhielten. für diese den
Sclavenen geleisteten dienste werden sie aber bald vom kaiser
bestraft, indem er, als sich Langobarden und Gepiden zu gleicher
zeit um hilfe an ihn wenden, jenen beisteht.
Acarnıas 5, 11 p. 2997, Mar. p. 490, 16f. Tmumorman. p.
233 etc. Vıicror Tunnunensis ed. Roncalli p. 377. a. 559. ein
‘ grofser Bulgareneinfall, bei dem die hauptstadt selbst in be-
denkliche gefahr gerät und nur durch die list und tapferkeit
des alten Belisar gerettet wird. das feindliche heer teilte sich in ᾿
drei haufen, von denen freilich nur dieser eine, der die hauptstadt
zum zielpunkt nahm, erfolg hatte, während von den beiden an-
deren der eine über die alte verteidigungsgrenze Mittelgriechen-
lands, die Thermopylen nicht hinauskam, der zweite aus dem
thracischen Chersones abzog ohne sonderliches ausgerichtet zu
haben. Agathias schildert diesen einfall eingehend, aber freilich
auch rhetorisch aufgeputzt und übertreibend. er spricht dabei
nur von Bulgaren, während Malalas und nach ihm Theophanes von
Οὖννοι καὶ Σχλάβοιε sprechen, Cedrenos, der Theophanes folgt, so-
gar von Oivvos οἱ καὶ Σϑλαβῖνοι, was die lateinische übersetzung
mit Hunni qui et Slavini dicuntur wiedergibt. man wird darnach
annehmen dürfen dass sich im bulgarischen heere auch Slawen
befunden haben, besonders Anten, deren gebiet es bei seinem streif-
zuge kaum vermieden haben kann. allerdings erwähnt auch Me-
nander (p. 345) in dem fragment in welchem, wenn auch nicht
mehr über den raubzug selbst, so doch über die zeit kurz nach
dem abzuge der Bulgaren berichtet wird, nichts von Slawen, doch
muss man berücksichtigen dass in dem was er erzählt keine
veranlassung vorlag ihrer zu gedenken. auch dass Victor Tunnu-
nensis nur von Bulgaren spricht, darf nicht wunder nehmen, da
er in seiner ganzen chronik von den Slawen keine notiz nimmt. —
aber nicht blofs für diesen raubzug, sondern auch für die anderen
bulgarischen wird man geltend machen können, was Müllenhoff
schon für die früheren bis zum jahre 527 geltend gemacht hat,
dass an ihnen vielfach Sclavenen oder Anten oder beide neben
noch anderen völkerschaften wie namentlich Gepiden sich beteiligt
haben werden. denn das ist ebenso in den geographischen ver-
390 XV DIE SLAWEN VON DXXVII— DLIX.
hältnissen der Donaugegenden begründet wie in den politischen
und socialen zuständen der damaligen zeit, wo das söldnerwesen
blühte wie nie vorher oder nachher. für einen dieser einfälle, den
vom jahre 539 bemerkt auch Malalas 451, 11 ἐπέῤῥεψαν αὐτῷ
(Mundus) Οὗννοι μετὰ πολλοῦ πλήϑους διαφόρων βαρβάρων, eine
notiz, die Theophanes in seinen text nicht herübernahm, woraus
man sehen kann wie viel darauf zu geben ist, wenn in den be-
richten die auf jenen zurückgehen nur von Οὖννοι bezw. Βόυλ-
yapos die rede ist. mit ausnahme von Prokop — und von dem
liegen uns ja nicht über alle diese einfälle berichte vor — ist keiner
dieser historiker auch nur bemüht zwischen den einzelnen, das ost-
römische reich bedrohenden völkerschaften zu unterscheiden. aber
auch seine darstellung scheint in diesem punkte nicht zutreffend
und nicht so dass sie nicht noch aus sich selbst heraus berichtigt
werden könnte.
Überblicken wir die oben zusammengestellten zeugnisse, so
ergeben sich zwei grolse bulgarische vorstöfse im jahre 540 und
559, zwischen die dann kleinere streifzüge fallen. diese beiden
vorstöfse haben in ihrem verlaufe die allergröste ähnlichkeit. in
beiden wird das heer in drei haufen geteilt und beide male wird
von diesen abteilungen der genau gleiche weg eingeschlagen: die
eine sucht Byzanz zu erreichen, die andere hat es auf den Cher-
sones abgesehen und die dritte sucht nach Mittelgriechenland vor-
zudringen. so wenigstens wird man Prokops darstellung (Br. 2, 4)
jenes ersten einfalles, die sich in etwas unbestimmten ausdrücken
bewegt, zu verstehen haben. jene drei punkte: Byzanz, Chersones
und Thermopylen kommen bei ihm jedesfalls vor und auf das ἐν
ἑτέρᾳ εἰςβολῇ, p. 168, 13 wird, wie wir noch sehen werden, nicht
allzu viel zu geben sein, zumal Prokop sich über die bulgarischen
und slawischen dinge nicht sonderlich unterrichtet zeigt. er war
in der zeit, da die hier zur sprache kommenden einfälle statt fanden,
fern vom oströmischen reich und bei der darstellung dieser be-
gebenheiten auf die berichte anderer angewiesen. diese aber
müssen sehr ärmlich gewesen sein und dürften nicht höher ge-
standen haben als die darstellung solcher begebenheiten bei den
chronographen dieser zeit, wo nie viel mehr als die blofse tat-
sache, dass kämpfe statt fanden, und dann etwa ihr ausgang an-
gegeben, von den tactischen absichten und anordnungen aber nicht
das geringste erwähnt wird. die ärmlichkeit dieser quellen leuchtet
noch durch die darstellung Prokops hindurch, wenn wir sehen
XV DIE SLAWEN VON DXXVO -- DLIX. 391
dass er sich immer wieder in denselben ausdrücken wie ἔδρασαν
oder εἰργάσαντο ἀνήκεσια ἔργα. . οὐδενὸς ἀντιστατοῦντος oder
ἀμυνομένου. .. στράτευμα ἐπέσχηψεν .. ἐπ᾽ οἴχου ἀπεχομίσϑησαν
udgl. bewegt und wenig mehr erzählt, als dass die feinde kamen,
plünderten und wieder abzogen. es findet sich aber auch in diesen
berichten manches unwahrscheinliche und namentlich in bezug auf
zahlenangaben erscheint der darsteller wenig glaubwürdig. ent-
schieden eine übertreibung ist es zb., wenn er den jährlichen
verlust an menschenleben, den der römische staat durch die plün-
derungszüge der barbaren erlitten haben soll, auf 200,000 mann
taxiert (Hist. arc. cap. 18), und auch die zahl der gefangenen, die
bei dem einfalle im jahre 540 von den Bulgaren fortgeschleppt
wurden, scheint mit 120,000 (Br. 2, 4) viel zu hoch gegriffen.
auch dass beim Slaweneinfall vom jahre 551 (Be. 3, 38) ein haufe
von 1800 mann Toperos eingenommen und dabei 15000 bürger
getötet haben soll, klingt wenig glaubhaft. kurz man wird sich
entschliefsen müssen Prokops berichte über diese begebenheiten
mit vorsicht aufzunehmen oder sie wenigstens für der ergänzung
bedürftig zu halten.
Dies scheint nun namentlich von den dreien aus dem jahre
551 gelten zu müssen. — Prokop erzählt erst von einem haufen
Sclavenen der, obwohl nur 3000 mann stark, doch alle heer-
führer in Thracien und Illyrien geschlagen und dann eine ab-
teilung von nur 1800 ausgesandt habe, welcher es gelungen sei
Toperos einzunehmen und sich dann wieder mit den übrigen zu
verbinden (p. 441—43). — er berichtet dann aus demselben
jahr von einem grolsen einfall der Sclavenen (Σχλαβηνῶν ὅμιλος
ὅσος οὔπω πρότερον), die bis Naissus vordrangen und Justinian
solche furcht einjagten dass er sich veranlasst sah den altbe-
währten Slawenbekämpfer Germanos, der mit seinem heer auf
dem wege nach Italien war, zunächst gegen die nördlichen bar-
baren zu verwenden (p. 449-- 50). — er berichtet endlich —
immer aus demselben jahr — von einem Sclavenenheer das sich
in drei abteilungen spaltete, bei Adrianopel die Römer besiegte
und bis eine tagereise von Byzanz vordrang (p. 454—57). —
sollte diese darstellung aber würklich. dem sachverhalt entsprechen
oder sollte es sich nicht vielmehr in all diesem um einen grofsen
vorstofs der Selavenen handeln, der nur in der darstellung des
Prokop sich zersplittert, genau wie beim bulgarischen einfall des
jahres 540 (vgl. oben s. 385f.) immer nur von einzelnen haufen
392 XV DIE SLAWEN VON DXXVU—DLE.
getrennt berichtet wird, als wenn sie von vornherein in gar keiner
verbindung mit einander gestanden hätten, sondern jeder nur auf
eigene faust und für sich vorgegangen wäre? — wir meinen das
allerdings und glauben dass es ein vorstols war von einer bedeu-
tung die keiner der anderen slawischen einfälle hatte, seit für die
Anten und Sclavenen der Donauübergang frei und der weg ins in-
nere des römischen reiches geöffnet war (534, vgl. oben s. 385).
denn nie aufser in diesem falle hat sich Justinian durch diese
plünderungszüge in seiner auswärtigen eroberungspolitik stören
lassen. — der verlauf dieses sclavenischen einfalles muss dann so
zu denken sein dass zunächst ein starkes heer (ὅμιλος ὅσος οὔπω
πρότερον) im römischen reich erscheint, sich aber schnell zurück-
zieht, als es plötzlich und unerwartet auf die armee des Germanos
stöfst. nach deren abrücken bricht es aber von neuem vor und
spaltet sich, wie Prokops letzter bericht zeigt, in drei abteilungen,
deren schicksal uns aber teils in dem ersten und zweiten bericht
(Toperos und Thessalonike) schon erzählt ist, teils aber erst in
dem folgenden (Adrianopel, lange mauern) mitgeteilt wird. chrono-
logisch ist demnach die reihenfolge der berichte die dass der
zweite zuerst zu nehmen ist und an ihn dann der erste und
dritte sich anschliefsen. dass sie in dieser weise zu combi-
nieren sind, wird noch aus Prokop selbst deutlich, wenn er in
dem letzten von einer dreiteilung des heeres spricht, dennoch
aber nur das schicksal einer einzigen abteilung erzählt, wenn
ferner in jenen beiden vorhergehenden gerade von zwei heerhaufen
und deren unternehmungen die rede ist und wenn endlich all diese
ereignisse in ein und dasselbe jahr fallen. demnach darf man
wohl annehmen dass, was in den zwei ersten berichten mitgeteilt
ist, dasjenige ist was in dem letzten vermisst wird.
Selbst wenn man aber dieses chronologische verhältnis der
berichte nicht zugeben will, so dürfte man doch jedesfalls so
viel einräumen dass ein näherer zusammenhang jener drei heer-
haufen mit einander anzunehmen ist, als ihn die darstellung Pro-
kops gelten lässt, und schon in diesem falle erhalten wir für den
sclavenischen einfall vom jahre 551 einen feldzugsplan, der
demjenigen völlig gleicht, den schon einmal die Bulgaren im
jahre 540 anwendeten und der nicht. lange nachher im jahre 559
wiederum zur anwendung kam. denn hier wie dort sind drei heer-
säulen errichtet, denen je derselbe weg vorgezeichnet ist: nach
Byzanz, Mittelgriechenland und dem Chersones. (Toperos liegt
XV DIE SLAWEN VON DXXVII— DLIX. 393
nemlich am Nestusfluss an der küste zwischen Thessalonike und
Byzanz, vgl. Monumenta spectantia historiam Slavorum meridio-
nalium vol. VII Zagrabiae 1877, p. 221 anm. 2.) diese beob-
achtung aber legt den gedanken nahe dass zwischen Slawen und
Bulgaren eine engere verbindung bestand und dass entweder an
dem ersten grofsen bulgarischen vorstofs auch jene irgendwie
anteil hatten, so dass dann etwa slawische mitkämpfer für das
jahr 551 ihrem volke den weg wiesen, den sie selbst schon zu-
sammen mit den Bulgaren im jahre 540 eingeschlagen hatten, oder
dass an dem zuge vom jahre 551 auch Bulgaren teil nahmen.
beide auffassungen sind möglich, ja wahrscheinlich, nur ist die
zweite noch besser begründet, indem für sie ein anhalt bei Pro-
kop selbst vorliegt. wie wir oben sahen, traf in dem frühling
der dem winter folgte in welchem jener grofse slawische vorstofs
statt fand, Narses in Thracien auf eine abteilung Bulgaren die
ihn am abmarsch nach Italien hinderten. man wird schwerlich
fehl gehen wenn man in dieser einen zurückgebliebenen rest jenes
grofsen als sclavenisch bezeichneten heeres erblickt, von dem es
heifst dass es im jahre 551 in den südlichen Donauländern über-
winterte (Be. 3, 38 p. 455).
Demnach also waren an dem zuge von 551 auch Bulgaren
beteiligt, obwohl Prokop nur von Slawen spricht, genau wie an
dem von 559 nach Malalas auch Slawen teil nahmen, wenn auch
Agathias nur Bulgaren erwähnt. auch darf man für die einfälle
mehr plan und tactische absicht vermuten als Prokop in seiner
darstellung erkennen lässt. dennoch sind auch diese späteren
noch für keine eroberungszüge im grolsen stile zu halten. da-
gegen sprechen nicht nur einzelne in den berichten hervortretende
züge, wie z. Ὁ. der dass im jahre 551 die Slawen umkehrten als sie
sich unvermutet einem starken heere gegenüber sahen und erst
nach dessen abzug wiederkamen oder der dass sie nach einem
siegreichen vordringen sich mit der beute begnügten und in die
heimat zurückbegaben, sondern vor allem die tatsache dass während
ihrer dauer Justinian seine grolsartige eroberungspolitik eingeleitet
und unbekümmert um sie fortgesetzt hat. auch konnten die Slawen,
die nach Prokop ‘vorher weder städte einzunehmen im stande
waren noch in einen offenen kampf sich einzulassen vermochten’
Be. p. 442, im laufe eines menschenalters inmitten zwischen
Bulgaren und Romäern noch nicht zu einer solchen macht erstarkt
sein dass sie es unternehmen konnten mit dem oströmischen reich
394 XV DIE SLAWEN VON DXXVO—DLIX.
um die existenz zu kämpfen. vielmehr ist für die höhe ihrer
staatlichen macht bezeichnend dass sie hier nicht viel anders auf-
treten als ihre stammesbrüder an der ostgrenze Deutschlands. wie
diese in den neuen ländern fuls fassen weniger durch ihr selb-
ständiges vordringen als weil die alten bewohner ihre sitze ver-
lassen haben und wie sie endlich im gefolge der Awaren den osten
Deutschlands, das land zwischen Oder und Elbe völlig occupieren,
so stützen jene sich auf ein anderes volk, die Bulgaren und er-
reichen mit ihrer hilfe, wenn auch nicht so schnell und so leicht,
schliefslich dasselbe was ihren westlichen und nördlichen stammes-
brüdern gelungen war: die eroberung eines neuen, lang ersehnten
gebietes.
Zunächst freilich tritt in dieser bewegung ein stillstand ein.
indem Justinian die ankunft der Awaren benutzt um mit ihnen
Bulgaren und Slawen zu bekämpfen, gelingt es ihm in der tat
zwischen dem neu angekommenen volke und den Anten feind-
schaft zu säen (Menander p. 284 f.) und die an die Donau grenzen-
den Slawen, vielleicht auch die Bulgaren treten in ein abhängig-
keitsverhältnis zu den Awaren. dennoch erwuchs dem oströmischen
reiche kein segen aus dieser intervention. vielmehr übernahmen
mit der unterwerfung der slawischen und bulgarischen stämme die
Awaren auch ihre rolle und begannen an ihrer statt die länder
südlich von der Donau zu plündern. erst ein folgenschweres er-
eignis, eben jenes abkommen mit Albuin (oben s. 102 f.) veranlasste
sie diese aufgabe für einige Zeit Slawen und Bulgaren zu über-
lassen und sich selbst nach westen zu wenden, wo reichere beute
ihrer zu harren schien.
0. Pniower.]
REGISTER.
(Die griechischen namen sind nach dem lateinischen alphabet geordnet, so dass
X unter Ch, Φ unter F zu suchen und Z wie Z, 2 wie O behandelt ist.)
Aar, nebenfluss der Lahn 220
Aßaonvoi, Aßapıvoi 80
Abens 228
Abona bei Tacitus 227
Aßos bei Ptolemaeus 227
Acitavones 249
Adogit, gens 41. 60. 67
Adoaßaszdunos 277. 330
Aduatuca 198. 202 £.
Aduatuker, von den Kimbern und Teu-
tonen in Gallien zurückgelassen 166.
201 anm. 299. ihr sitz 197
Aeduer, im heer des Bellovesus 255.
ihr sitz 259
Aeningia, insel 51 anm.
Aestii, Aestier 8. Eisten
Agdir, Egda fylki 66
Agrianen 263 f.
Ayovss bei Polybius 2,15 257 anm.
Aiyooayıs 275
Alavvoi Zxudas bei Ptolemäus 18
Alb, die rauhe, Alba bei Vopiscus 245f.
210 anm.
Alba (Aube), Alb, Alf, flussname 211
anın.
Alba Docilia, Pompeia, Helvia 244 ann.
Albana 211 anm.
Albanen, fabel der 72
Alben, nebenfluss der Traun und Sal-
zach 211 anm.
Alßiava 244
Albici, ᾿Αλβιεῖς καὶ ᾿Αλβίοιχοι 244
Albinia 211 anm.
Albinnum 244 anm.
Albion, ᾿“λβέων, ᾿Αλβέονες, name für Brit-
tannien usw. 246. 238
Alßıov ὄρος 245. 263
Albiosoe 244
Albium Intemelium, Ingaunum 244
Albuin 99. 102
Albula 211 anm.
Alebece Reiorum 245 anm.
Ἀλφειός 211 anm. .
Alfred, könig, beschreibung Germaniens
12f. 45. 49. 345 f.
Aliso, castell und fluss, "4Ası00s, "Alsıcov
᾿Ελίσων 224 f. 231 anm.
Allobroger, name 116. 260. sitz 247
Alme, Almen, fiuss- und ortsname 225
Alpe, fluss- und ortsname 232. 235
Alpen 240—47. kunde davon im altertum
240—41. namen Alnıs, Ἄλπεια χιών,
Alnıa 312, Ἄλβια Ὄλβια "Pınaia 178,
Aopxuvia 'Eoxuvia Ὀρχύνια 241—43.
beider etymologie und ursprung 247
Alphen 235
Alraf 229 anm.
Alster 212
Ἡμαντινοί 827
Auccies 8. Ems
Ambarren 255
Ambiliati 223
Ambitouti s. Volcae
Ambra, Ambriki 114 anm.
Ambronen, genossen der Kimbern und
Teutonen 165. 283 f. 298. name 114.
116 f. 118 anm.
Ameraha 118 anm.
Ammianus Marcellinus, das von ihm
benutzte geographische werk 84
Ampen 229
Auspsavoi 341
Avayasıns Avayasoıos 376
᾿νάμαρες Anamarer 257. 252
Avaoroı, Anartes 3anm. 82 f.
Ἡναρτοφράχτοι EL fl.
Andernach 234
Andorf 299 anm.
Andro-, Anthropophagen, scythische 183
Angelsachsen, übersiedelung nach Brit-
tannien 98 f.
Angrivarier 235. 341
Anraff 229 anm.
Anreppen 229 anm.
Antabagius 119 anm.
Antaib 98 anm.
Anten, teil der Slawen 98 an, sitz nach
Jordanes 9. beim cosmogr. Rarv.
374 f. lebensweise 35f. einfälle in
die römischen provinzen 100 ἢ, 379 ff.
996
Antrift 229 anm.
Ape 228 anm.
Ania Morea 227
Appel 228
Appha, gau 228 anm.
Appian über die Kimbern und Teu-
tonen 123
Appion beim cosmogr. Rav. 4, 11 374
Arauris, Araura 222
Aravisci Eravisci 243. 327
"Aoßatavoı 247 anm.
Ard 220
Ardiaeer 262
Arecomici 8. Volcae
Arelate 240
Argim-, Orgiempaeer 40
"Agsoyascos 206 anım.
Ariovist 157
Arnefa 228
Arochi bei Jordanes cap. 3 66f.
Aprıo, "Aonıs 841.
Arpus bei Tacitus 224
"doovntas 81 f.
Aoravvoy 220
Arudes, Arodus, "4oov$ 8. Charudes
Arverni 255
Asapa 229. 231 anm. 233
Aschaff 235. 363
Asciburg, angeblich von Ulixes gegrün-
det 191 anm.
Asdinge, die vandilischen 82. 84. 91. 324
Ase 225 f.
Aspe, Hohenaspe 233 anm.
Asphe 231 anm. 233
" Assipitti 98
Atacotti 183
Atal, Adel, Itel usw. = Wolga 75
Athelnil bei Jordanes cap. 3 63
Aruovos, bastarnischer stamm 109
Avapıyos 191.
Avaoprnos SO
Augandzi, Augandzia 66
Aulerei 255. Brannovices, Cenomani
Aunus 74
Auroff 230 anm.
Autariaten 262. 2641.
Auxtote 24
Aviones 288. 364
Avon 227
Awaren 101f. 394
᾿4ζαλοὶ 327
Bagienni 248 anm. 257 anm.
Bajan, chan der Awaren 102f.
Baias, Baiahaim Boiohaim 96. 120. 265.
277. 8281.
Βαῖμοι 77 anm. 828ff. 339 ff.
Baiuvarier 96. 341
Bavdovioi Βαρδουλοί 88 — Vandali
REGISTER.
Banfe 231 anm.
Bangis beim cosm. Rav. 4,11 374
Bastarnen, Basternen vgl. 109 anm.
oder Peucini 32. 107f.; bei Ptolemaeus
geschieden 84. name 109. herkunft
110f. character und lebensweise 105f.
ihre volkszahl 105 anm., nationalität
107f. sprache 108 f. ankunft an der
Donau 104. ausgangspunkt und ur-
sache der wanderung 112. ihre spä-
teren sitze 3. 52. 334. nach Strabo
87 f. Plinius 107. 322. 337. Ptolemaeus
87f. 107. kämpfe mit den Römern
bis zum untergang 107f. mit den
Goten? 917.
Bastreni 107 anm.
Batavia, Batauua usw. 363
Belgen, vorrücken in Gallien 268. kampf
mit den Kimbern und Teutonen 295.
299
Bellovaken 289 anm. 299
Bellovesus, name 254. zug des B. 254—60.
s. Kelten
Benolpe 231
Bentreff 229 anm.
Beormas 74f.
Beremud 365
Berf 232 anm.
Bergio 62
Begıdoi 83 anm.
Bermös 74
Bernicia 98 anm.
Bersobis, Bersovia 378
Bessi Cobotes bei Capitolin (Marc. 22)82
Betasi 201 anm.
Biarmar 74
Βίεσσοι 82
Bilk 222 anm.
Bisigibilias beim cosmogr. Rav. 375
Bisula 375. vgl. Weichsel
Bituriges Cubi, Vivisci 237. 255. Cubi
251
Bodincus, Bodsyxos name des Po 246
an
m.
Boier, name vgl. Baias. ältester sitz in
Germanien 268. im mittelpunkt der
Keltenbewegung um 400: im zuge des
Bellovesus 252. 256. 265 anm. 267
anm. 268, des Sigovesus 267f. spä-
terer wohnsitz in Böhmen 259. 265 ἢ
widerstand gegen die Kimbern und
Teutonen 290. 300. in Noricum und
Pannonien 263. 266f. 273. 277. 327.
kämpfe mit den Norikern und Daken
266. ein teil in Gallien angesiedelt
265 f.
Boieröden 267. 269
Boiorix 119f. 147
Borahtragau 20
Bourg-Segne, Bourseigne 196
REGISTER.
Brandenburg 2111. anm. 372
Βρατζιστα 376
Brigetio 327
Brittannien, besiedelung von Gallien
aus 238. das zinnland 317
Bulgaren, nachkommen der Hunen 98.
101. einfälle ins römische reich
379—94
Bovoyiwves 81
Burgundaib 98
Burgunden, Burgundii, Bovyovsres USW.
80. herkunft 4. 91. aufbruch an
den Main 91
Buren, Buri, teil der Lugier 324f. 337
Buruista, Byrebista 82. 266
Bustricius 378
Cz#lie 35
Caeroesi 196:
Caesia silva 222 anm.
Caesorix 119f. 147
Caledonier bei Tacitus 33
Calucones 341
Capitolinus Marc. 22 323 anm.
Carbones 8. Κάρβωνες
Carmania 162 anm. 351. Καρμανοί 369.
181 anm.
Carni, Karner 263. 276. 291
Carnuten 255
Carouuascus, Caroascus pagus 196
Cassel, Kassel 217 anın.
Cassiodor, seine quellen 57. 74. 94
Cassius Dio über Kimbern und Teu-
tonen 122
Cato über die Ligurer 248. über den
einbruch der Gallier 252. 258
Catualda s. Chatuvalda
Catuvolcus 281
Catulus’ schrift über den Kimbernkrieg
bei Posidonius, Plutarch und Livius
125. 138ff. 150
Catumanduus 257
Catumerus 121 anm.
Caturiges 248. teil der Insubrer 260
Cavares, Kavarer 247f. 260
Celius mons 355
Celtae 178 anm. 250. vgl. Kelten
Celti, Celtiei, Celtitanus, Celtaub 237
Genomanen 255. 2511. 259. vgl. Aulerci
eremisi, Tscheremissen 71. 75
Ceutrones in Nordgallien 204. 259. am
Cenis 249. 259
Chadaloh, Kaduuualah usw. 281 anm.
Χαιδεινοί vgl. Heidnir
Xalovoos 212
Chardobachius 119 anm.
Charini 80. 117
Xagsounpos, Chariovalda 206 anm.
Charudes, Harudes 66. 287. 111. 157
Chasuarii 217,
397
Chatten 300. 302
Chatuvalda, Hathuwald, Hadolt 121
Chauken 287 f.
Cherusker 288. ein teil der Kimbern 303
Χέσυνος 25f. 352
Chimabes 374f.
Cholinum 14 anm.
Chorthonicum 280 anm.
Chrono, Krano 351
Chronos, Χρόνος 17ff. 25f. etymologie
351
Cimbriana in Panonnien 116
Cjudi vgl. Finnen
Clachilier 239
Claodieus, Clodicus 109. 119ff. 147
Claudius, mons 291
Clondicus 105. 106 anm. 109. 120
Condros 196
Condrusi 196
Condrustus, pagus 196 anm.
Cornwall 281
Cosmograph von Ravenna, alter seines
materials 42. 95. 228. verhältnis zu
Jordanes 41 anm. 96 anm. 374
Cotini, Κοτινοί, bei Ptolemaeus Κώγνοι
22 anm. 325f. 343. nationalität 33.
sitz 267. 277. 324ff. 337
Cotto 106 anm. 109
Cuburiates 247f. anım.
Cugerni 109. 191 anm.
Cumbro 118 anm.
Cusus 323. 326f. 336f.
Cusum 326
Cvenland 8. Qvenen
Cvöns» 59.
“αβράγεζας 375
Dinen auf Scadinavien bei Jordanes
62.
Daira 98 anm.
4άϊξ bei Ptolemaeus, 4aiy bei Menander
75 anm. 76
Daken 2. 322 ff. 205
Dalarne 59
Daliterni 239
Dardaner 263 £.
Daspe 233
davxiwuvsc 10 anm.
deßon 376
Deldo, “έλδθων 106 anm. 109
Delft 212 f. anm.
Delve 212f. anm.
Demetrius v. Kallatis 104
Despe 233
Deuz 222 anm.
disova, Tiernd, Tsiernensis usw. 378
Diodor 5,32 177 ff. 5,25—31, 33—40
303 —21
Dionysius von Halicarnass über Kelrıxn
170. 176. 178 ἢ.
398
Dörpe 233
dolsßıv 376
Donau, name 89. 362—72
Draganer 238
Drilgisa 84. 87
Dubra 220. 323 anm.
Düdaffa 230 anm.
Dulgubnii 117
Düna 26. 351f. 8. Χέσυνος
dovo, dovpas, Aovplas, Δωρίας usw. 323
anm.
Duria 322f. 337
Durin 249 anm.
Durius 249 anm.
Eburonen 196. 198. 202 f.
Eder 216
Eger 373
ΕἸ, Eifa 229 ἢ,
Eilpe 230
Eipel s. Cusus
Eisenach 233 f.
Eisten, bei den Germanen Aistjus oder
Aisteis 13. nach Tacitus Aestii 11. an.
Eistr,, Eistir, bei könig Alfred Östi,
ags. Este, Estas, Eästland 13. 45. bei
den Slawen Pruzsi 14f. 348 f. etymo-
logie 30. umfang des namens 1].
übergang auf die eingedrungenen
Finnen 16. zeugnisse über sie 12—
15. nationalität 11, nach Tacitus 27 ff.
sprache, lebensweise, character,
gottesverehrung (nach Tacitus) 27 ff.
regierungsform 35. ursitz 22f. aus-
dehnung des volkes 16 ff. 67, nach
Ptolemäus 16—26. grenze gegen die
Germanen 19. zur Zeit Vulfstans 14.
südgrense 22 f. ostgrenze 23 f. nord-
grenze 16. 25 f. die einzelnen stämme
nach Ptolemaeus: Galinden, Sudinen,
Stavanen, Igyllien, Letten (Hossii
und Carbones) 18—25
Elbe 210 f. hessische 216. lahngäuische
221
Elbing 207
Elisäzon 116
᾿λίσων s. Aliso
Ἑλληνογαλάται 185 f.
Elsaff 230
Elsen 224
Elisbach 230
Elsof 230
Elspe 230
Elster 372
Embscher 223. 9907.
Emeden 217
Ems 217. die hessische 216. 221. die
lahngäuische, die heilquellen ebenda
221. bei Weimar, in Graubünden und
Vorarlberg, in Wallis 221 anm.
REGISTER.
Emsdorf, Emskirchen 221 anm.
Emse 221 anm.
Ens 222
Ense 222
Evstoi, 'Evstoi 33
Epe 228 anm.
Ephippus, verfasser des Geryones 262
anm.
Erfa 233
Erft 228. 232 anm. 235
Ἑρκύνιος δρυμός 8. Hercynien
Erlaf 235. 373
Ἑρμιόνεια 114
Erzgebirge 812
Esphe 231 anm. 233
Essen 222 anm.
Esten, s. Finnen
fistmere bei könig Alfred 13
Esturi 248 anm.
Esubiani 247 f. anm.
Etiones 49. 354
Εὔβιοι 247 anm.
Euburiates 247 anm.
Eudoxus von Kyzikos 128
Eulach 231
Eunixi bei Jordan. cap.3 66
Eure 209 anm.
Eutrop über die Kimbern und Teutonen
118 f. anm. 1211.
Evagreotingas bei Jordan. cap. 3 63f.
Evermud 365
Euhages bei Ammian 310
Eystrasalt 13
Famenna 196
«»αωόναι 10 f. anm.
Fennepa, Vennapa 229
Fergunna 372
Fervir bei Jordan. cap. 3 63
Fesselwald 99 anm.
Finnaithae, Finnedi 42. 51. 63
Finne, die 234
Finnen, Fenni bei Taeitus 39 ff. ags.
Finnas 46. an. Finnar 46. bei den
Slawen Cjudi 52. 72. 74. 349. Skridi-
Skritifinnen usw. 41 fl. etymologie
von Skriti 44 anm. von Fi 54.
umfang des namens 5lf. zeugnisse
über die F. 40—49. bei Ptolemaeus
17. 23 anm. 79. character, lebensweise
40ff. 52. einwanderung in Europa 54.
F. in Scadinavien 402. 50f
verhältnis zu den Germanen in bezug
auf einwanderung 54-56. südliche
enze der Finnen 57f£ 8. auch
Övenen. F. in Russland: qvenisch-
karelischer und jämischer stamm 68.
vordringen der Jämen 68. zeit dessel-
REGISTER.
ben 69. vordringen der Kuren, Liven,
Esten 16. 25. 67. 347. F. bei Nestor:
Wefi, Meren, Muromer, Tschere-
missen, Permier; bei Adam v. Bremen
4,14; bei Jordanes cap. 23 70—75. F.
im Vidsidliede 46 anm. Finni mi-
tissimi Jordan. cap.3 57.64. F.im
‘scythischen’ kriege? 73. 100 anm.
Finneidi, Finnheidi usw. 50f.
Finnenses 51
Finneyjar 51 anm.
Finnland, das eigentliche 51
Finnsiö, Finnskog 51
φΦιραῖσοι 10 ἢ. anm.
Firdir 66
Flea 226 anm.
Flevum, Ptolem. 2, 11, 27 Φληούμ 226
Florus über die Kimbern und Teutonen
121 ff. 1881. 157 ἢ,
Fortrapa, Fortrepa 229 anm.
Franken 204. 235
Freienohl 231 anm.
Friedrichswert 233
Frontin über Kimbern und Teutonen
122 δ: über den Sklavenkrieg 156
Φρουγουνδίωνες 19 SL. 343
Fulda 216
Gabaler 306
Gaesaten, name 206 anm. 195
Galater auf der olbischen inschrift 110ff.
bei Diodor 5, 32=Germanen 177 ff.
Γαλάτης bei Timaeus, Polybius, Strabo
179. name der Kelten in den Donau-
ländern 236. 262 ff. vgl. Kelten
Galinden 18 ff. bei Ptolemaeus 18. zur
zeit der eroberungen des deutschen
ordens 19. ihre wohnsitze 19 ἢ, im
‘scythischen’ kriege? 100 anm.
Gallier, name 282 anm. bei Posidonius
153 ff. collectivum für Kelten und
Germanen 154—162. vgl. Kelten
Gambrivier 192
Ganna, Gannascus, Gannicus 155
Garmr 206 f, anm.
Gautigoth bei Jordanes cap. 3 63£,
Ταῦτον 10f. anm.
Gefion 57. 361 ἴ.
Geidumni 204
Gelbach 229 anm.
Gellep, Gelb 230. 363
Geminus 174 anın.
Gempe 230 anm.
Gennep 229 f.
Gepedoios bei Jordan. cap. 17 365
Gepiden sitz 91. nach dem Vidsidliede
35. 99. aufbruch nach der Donau
91. in Dacien 94. 387. 389. ihre
yernichtung 102. reste des volks 93.
2
399
Germani, Germanen, name: etymologie
und bedeutung 203. 206. ent-
stehung: bei den Griechen und
Römern 154—161. erster gebrauch
161. 176. 180. 189. bei Posidonius
154. 176. 180. bei Athenaeus p. 153.
153. 162.188. herkunft: lateinisch?
191. hypothese des Tacitus Ger-
mania cap. 2 192. 198f. G. in
Spanien 193f. belgische G. 194 —
198. G. der fasti Capitolini und bei
Properz 194. an der Arduenna
195—98. 201f. herleitung des namens
für das volk zwischen Rhein und
Weichsel 201f. von den belgischen
G. aus: hier entstanden 202ff. hier
älter 202. von hier übertragen 201.
205. zeit der übertragung 205. —
ältester wohnsitz der G. in Deutsch-
land 207. 302. grenze nach westen
und süden 207. 236. 302. ausbreitung
gegen den Rhein 268. ostgrenze:
gegen die Eisten 19. gegen die Slawen
17. 87. begrenzung Germaniens
bei den römischen und griechischen
geographen 3f. 322—45. 77. 170. —
Ost- und Westgermanen 39. 69. 78.
207. G. in Scadinavien 54f. 67.
358. s. auch Kelten
Γερμανία, Γερμανὴ in Thracien 203 anm.
Teouavıos Herodots 203 anım.
Germansberg 206 f. anın.
Germepi 206 f. anm.
Germo 206 f. anım.
Geten 72. 106. 205. 263. 270; = Bul-
garen und Slawen 383 ff.
Getendöde 269
Getuinzitae = Jatwingen 22 anım.
Girms 206 f. anm.
Glane, Glandorf 227
Glenne 224. 225
Goltescytha, Golthes bei
cap. 23
Gosa 233
Gospe 233
Goten an der unteren Weichsel 3f. 181.
77. bei Ptolemaeus 17. aufbruch
nach der Donau 91f. G. im Vidsidliede
99. Ost- und Westgoten 73. 64. G.
bei Nicopolis und in Tomi 93. 372.
G. in Scadinavien: Eygotar 62f.
Hreidgotar 63. Ostgötar 62 f. Vestro-
gothae 64
Gothiscandza bei Jordan. cap. 4 63
Grajoceli 249
Gran 323. 337. 373
Granius Licinianus über die Kimbern
und Teutonen 122
Grannii bei Jordan. c. 3= Grenir 65f.
Grazluppa 223 anm.
Jordanes
400
Greotingi, Greutungen 64. 73
Grudii 204
Gudacra 372
Gudanziger 77 anm.
Γοῦται 8. Tavros
Guthalus 19. 209. 351
Gylfi 57. 8611.
Hämäläiset 10. 67 £.
Hälogaland, Halagland, Haleygir 41.
48. 69
Hallin ei Jord. c.3 62
Hanfe 231 anm.
Hannf, Hannef 231 anm.
Harf 229 anm.
Harier 117. 39
Harlungeberg 372 f. 233 anm.
Harudes s. Charudes
Hase 217 f.
Hathuwald, Hadolt s. Catvalda
Havel 211 f. 372
Hedeper 233 anm.
Heidnir, Heinir, Χαιδεινοί 10 f. anın. 57.
61. 65. 361
Heisingen 222 anm.
Hellusii 49. 355 f.
Helme 225
Helsingeland 58 ff. 69
Helvetier 259. 268 f. 278. im krieg der
Kimbern und Teutonen 152. 265 anm.
293 fi. 2981. 306
Helvier 247. 259
Herault 222
Hercuniates 243. 265 anm. 327
Hercynischer wald, Herkynien usw. s.
Alpen. einst name für die Alpen,
dann auf die höhen des mittleren
Deutschlands eingeschränkt 241 f. 170.
176. 178. 265 anm. grenze des alten
Germaniens nach westen ünd süden
236. 300. 302. Ὀρχύνιος δρυμός bei
Ptolemaeus 324
Herfa 229 ann.
Hermione 174
Hermunduren, ‘Eguovvdovloi 88. 214.
298. an der mittleren Elbe 300. ein
teil der Kimbern 303
Herpf 229
Heruler, Nordgermanen 61f. 69. cha-
racter und lebensweise 78. 181 anm.
wanderung 91. an der Maeotis 73. an
der Donau 95. slawische elemente in
ihnen? 78. von den Langobarden be-
siegt 92. 368. rückwanderung eines
teiles 97. ansiedelung eines anderen
jenseit der Donau 386. 101
Hesepe 227 anm.
Hespe 233
Hesper 222 anm. 227. 233 anm.
Hevelli, Heveldun 211f. anm. 372
REGISTER.
Hilleviones 354 ff. 358
Hisscar 223
Hördar 66
Holmgarär 69 £.
Honnef 229
Horlof 229. 363
Hossii, Ὅσσιοι, abteilung der Letten
24 f. 18. etymologie des namens 350.
Hreidgotar s. Goten
Humber 227
Hundsköpfigen, die 49
Hunen 73. 100. ihre nachkommen Bul-
garen 8. v. bei Prokop Ovvvos 379 ff.
Hunepe, Hunnipe 229
Hunte 210. 217
Husi 72 anm.
Hyperboreer bei Posidonius 173. 187
Iacintiones 22 anm. 8. Jatwiazi
Japodes 263. 2. κω
᾿Ιαζυγες 8. Sarma
Iberer 33. hispanische bei Diodor 310
—18
Idel, Itel s. Wolga
Idumaei, Idumingas 347
’Icovn, 'Ispvis, Ἴρις in der orphischen
Argonautik 174. bei Posidonius, Dio-
dor und Strabo 183 ἢ.
Igonta (Isonta?) 214
᾿Ιγυλλίωνες, Igyllien, bei Ptolemaeus 18.
22. südlichste landschaft der Eisten
23f. 84
Πβηρ 14. 207. 345
Ilmarinen 70
Ilmeni, Ilmeri 70
Tlpendam 232
Imniscaris bei Jordan. c.23 75
Inaunxis bei Jordan. c. 23 74
Indenea 263
Insubrer im Bellovesuszug, ihre darstel-
lung davon bei Livius 250ff. 252. 255.
sitz in Gallien 259. I. Caturiges 260
'Iyixovoo: 247 anım.
Isar, Iser, Isöre 221
Isca 223
Ischer 228
Ischl 223
Ister thrakisch-griechischer name der
Donau s. v. 94 anm. 365. rung
des flusses nach den Griechen 240 f.
Jämen (Jami) s. Finnen. bei Adam von
Bremen ? 72
Jämteland 58f.
Jaik 75 anm. 76
Jatwiari, Jatwiagi, Jatwingen usw.
21f. anm. 22ff. 74 anm. 349f.
Jordanes, verhältnis zu Cassiodor 41.
57. 61. 96 anm. cap. 3 der Getica
57. 61—67. cap. 23 73ff.
REGISTER.
Justinian, herkunft 376
Juvavum, Juvarus 214
Kaduuualah, Chadaloh usw. 281 anm.
Kainulaiset, finnischer name der Quenen
8. v. 10. 60
Kamb 373
Kaunos 330. 873
Κάρβωνες, abteilung der Letten. name
351. bei Ptolemäus 18. 24f. s. Eisten
Καρπάτης 242. bei Ptolemaeus 333.
name 377
Karpen bei Zosimus Keaenodaxuı 371.
377
Kaonıavoi 84
Καρπις bei Herodot 242
Kaspau 232
Kassel s. Cassel
Kattiteriden 317
Kaumberg 373
Kelten bei den Griechen —= bewohner
des nordwestlichen Europas 106. 111f.
154. 170. 179. K. in Deutschland
227—36. 268. 277ff. abzug von dort
236. 268. 279. K. in Gallien: grenze
bis zum iberischen und italischen zug
240. K.zwischen Pyrenaeen und Rhone
239. 257. 260. 278f. Keltenzüge: der
iberische 237—40. zeitpunkt 237.
ausdehnung —240. der italische
247 —69. zeitpunkt 237. 247. 250—59.
ausgangspunkt 254. 259 —61. 268.
im mittelpunkt die Boier 268. a.
Bellovesuszug: K. in Italien 258—61.
weg der K. 255f. 259f. Ὁ. Sigovesus-
zug: K.an derDonau 261 —69. ältestes
zeugnis für sie 262ff. ihr weg 263.
resultat des zuges 265. der gala-
tische 26979. zeitpunkt 237. im
mittelpunkt die Tectosagen 275—78.
züge der Galater nach Griechenland
und Kleinasien 269—72. zuzug von
jenseit der Alpen 272f. weg dessel-
ben 273. in Griechenland und Klein-
asien angesiedelte Galater 273f.
Κελτίβηρες 171
Κελτική des Posidonius usw. 1691. 176.
178
Κελτολίγυες 171
Κελτόριοι 261 anm.
Κελτοσχύϑαι 110f. 187
Κέμμενον ὅρος, Κεμμένη 239
Kierspe 229
Kiew bei Adam von Bremen 71
Kimbern, Germanen und zwar Westger-
manen 207. name: ursprung 116 ff. um-
fang 302f. fortdauer in Deutschland ?
117. — K. in der älteren überlieferung
als Gallier 116. 158—61. ihre her-
kunft nach Posidonius 165ff. 186 f.
DEUTSCHE ALTERTUMBKUNDE II.
401
flutsage 162 —166. 283f. 290. würk-
wohnsitz in Deutschland nach der
wanderung 117. 284—89. bewafinung
145 anm. 309. character 188. wan-
derung: vom j. 113—102 289—99.
Kimbernkrieg 137—151. an der Etsch
—143. in der Poebene 143f. schlacht
bei Vercellae 143—51. bedeutung
der wanderung 300f. K. bei Ephorus
und Klitarch 283. bei Caesar 154
Kimmerier bei Krates 174. bei Posi-
donius 165. 171. 185. 187. 283.
Κλεσβέστιτα 376
Κλοαδάριος 119
Κώγνοι 8. Cotini
Κοιστοβῶχοι, Κοστοβώχοι usw. name 86.
wohnsitz 88 ΕἾ. im zweiten jahrhundert
91
Κορχοντοί 373
Kriwitschen 71f.
Krkonose 373
Kumanen 73
Kuren, name 351. s. Finnen
Κούρτα, lage 332
Kutriguren 101. 387
Kvıvos 267. 8211.
|
liche herkunft 283. 289. fingierter
Μάβουτζα 376
Ladenburg 223
Laever 252. 255. 257
Lahn 220. 226f.
Lamata, kurische landschaft 25. 72
Lami bei Adam von Bremen 4,14
11.
Lamizonipada beim cosmogr. Rav. 4, 17
215 anm.
Langobarden, teil der Kimbern 308.
wanderungsgeschichte 97f. an der
Donau 96f. 92. in Pannonien 96.
368. 386. aufbruch nach Italien 102£.
Aaos 257 = Laever
Lappen, name 50. in Scadinavien 358 f.
Lauter 227
Latovici 263. 276
“εβέχιοι 257. 8, Libuer
Leine 232f.
Lemovier 4f. 7
Lepontii 249
Letten 24f. s. Eisten
Lötuwä 24
Levaci 204
Atvavoı 10f. anm. 62
Libuer, Libicii 255. 2571. 260
Ligurer 247-250. 260. bei Posidonius
318
Limigantes 377
Lindesse 98 anm.
Lingonen 256. 259. 268
Linz 222 anm.
26
402
Lionas im ags. Wandrerlied 62
Liothida bei Jordan. c.3 60. 62
Lippe 223 226f.
Lipza 351. s. Pregel
Liven s. Finnen
Livius über die Kimbern und Teutonen
121ff. seine quellen 125f. 134f. 137.
über die schlacht bei Aquae Sextiae
131—137. bei Vercellae 144 ff. 147 ff
über den italischen zug der Kelten
5, 34. 35. 250ff. 254f.
Littauer, ihre ausbreitung 20f.
Litwa 8. Lötuwä
Liungaköpungr 62
Ljachowe 349
Logna beim cosmogr. Rav. 4, 24 220
Lohe 92
Lokrer, name 205 anm.
Lugier, Lygier 4. 80. 325. uördliche
abteilung von ihnen die Burgunden 91
Lugius, heerführer der Kimbern 119ff.
147
Αοῦνα ὅλη 324. 327. 373
Luothecho, Luthecho 121
Lupia, 4ovnias 8. Lippe
Lupfen, Lupfenberg 223
Luppenitz 233
Lusitaner bei Posidonius 311. 317
Lutta beim cosmogr. Rav. 4,4 209
Auxos, flussname bei Herodot 76
Lycus von Rhegium 313
Maeotis bei Posidonius und den alten
geographen 169 f.
Main 219 f. 226
C. Mallius, römischer consul i. j. 105
297 anm.
Manhart 8. “οῦνα ὕλη
March 322 f. 373
Marcomannen, name 300. hochdeutsches
volk 302. character, lebensweise 301.
sitz: erst innerhalb des hercynischen
waldes 302. durchbruch 302. am Main
265. 277. 300. in Böhmen 265. 301.
329. in Baiern 341. ein teil von ihnen
Varisten 302
Marhluppa 223 anm.
Mariker 8. 'Avauapss
Marinus von Tyrus 80 f. 343. 329. 331.
312
Maroboduus 120
Marsen 192
Marus 322f. s. March.
Maspe 233
Massilia, gründungssage 257
Mater deum der Aestier 28 ἔ.
Maurunganien beim cosmogr. Rav. 97 f.
99. 375
Mediomatriker 301 anın.
Meduli 259
REGISTER.
Medulli 249. 259
Meirargues Meiruy 136 anm.
Meifsen 208 anm.
Menapier 197. 204. 219
Mercien 98 anm.
Meren, Merja bei Nestor, bei Jordanes
c. 23 Merens 71. 75, bei Adam von
Bremen 4, 14 Mirri 71f. s. Finnen
Ἥεσσάπιοι 227
Metrodorus von Skepsis über die Ger-
manen 161
Middlesex 98 anın.
Mikilinburg 372
Μιλλάρεχα 316
Mirri s. Meren
Mithridates über die Germanen 16]
Moldau 93. 215. 227. 373
Mordens bei Jordanes c. 23, Mordwa
bei Nestor, Mordwinen 71. 75. s.
Finnen
Mulde 372
Muromer bei Nestor Muroma 71
Mursianus lacus 94 anm.
Muyden 217
Nadrauen, bevölkerung 20
Namur 197 ann.
Nantuates 249
Nasaga beim cosmogr. Rav. 4, 26 220
anm.
Nassau 220
Nassogne 220
Natoporus 84. 87
Nearchi 239
Neckar 219
Nemetes 301
Nerthus bei Tacitus 28
Nervier 201 ff.
Nidda, beim cosmogr. Rar. 4, 24 Nida
220
Nied, beim cosmogr. Rav. 4, 26 Nida
220 anm.
Nimptsch 92
Nith 220 anım.
Njemez, name der Deutschen bei den
Slawen 106 anm.
Nögardr, Nögarden usw. Nowgorod 70
Nogat bei Vulfstan 14
' Noreia, schlacht bei 291 f.
Noriker 83. 205 anm. 263. 273. im
kampf mit den Boiern 265f. im V
und VI jahrhundert auch Nori 868
anın. 8. Taurisci
Noviodunum 94 anm.
| Nymphis von Heraklea 272 anm. 274
Ὄαρος bei Herodot 8. ‘Pr
Obseqnens über Kimbern und Teutonen
Oder Ἢ 209 f. 375
REGISTER.
Odra 209 anm.
Ölper, Olper 235 anm.
Ösel 350
Dise 221
Oistrup 229 anm.
Ojum hei Jordanes c.4 365
Ὄλβια 8. Alpen
Olbia, psephisma von 110ff.
Olef 231. 235
Olenne 232
Olöron 232
Oleve, Olewig 231
Olfe 231
'OAlvas bei Ptolemaeus 2, 8,2 231
Olxades 193
Olpe 231
Ὄμβρωνες 81 ff.
Orcandogelus 222 anm.
Orcuntrura 222. 235
Ὀρεῖταν "Ißnoes 193
Roscla, ᾿Ωρία 193
᾿Ωρετανοί, ᾿Ωρητανοί, Oretum 1981
Ὀρχύνιος δρυμὸς 8. Hercynischer wald
Orne 231
Ὀρνιγίσχλος, "Avsyiozlos 3716
ÖOrosius über Kimbern und Teutonen
121f. schlacht bei Aquae Sextiae
133f. über den Kimbernkrieg an der
Etsch 13Sf.
Öseriates 326
Ösericta 350f.
Osi, Osen wohnsitz und nationalität 32 £.
324. 326. 337 ff. bei Ptolemaeus 2,
1l, 21 Oüsoßovpyıos 326. 339. 343f.
im marcomannischen krieg 82
Ὅσσιοι 8. Hossii
Ostangeln und Ostsachsen, gründung
, 98 anm.
Östarsalt 13
Ostgötar 8. Goten
Östi bei könig Alfred s. Eisten
Ostrogard, name für: Nowgorod 69f.
Östrogothae bei Jordanes c.3 64
Ὀστρύης 8161.
Öttar bei könig Alfred 45. 49. 56. 581.
Ὀξύβιον 247f. anm.
Pader 225
Padus 246 anm.
Paemani 196 f.
Παίονες 273
Pannonier 273. 327. in Germanien 1f.
vgl. Osi
Παρμαχάμποι 2717. 330
Passau 363 f.
Pathissus Parthiscus 322. 332f. 378. s.
Teis
Pausanias über die Galaterzüge 269 f.
lacus Pelso 267 anm. 378.
403
Permier bei Nestor Permi 71. bei Jorda-
nes *Berınös 74f. s. Finnen
Petrucorii 260 anm.
Peueini 8. Bastarnen. peukinische berge
bei Ptolemaeus δά
Pfiefe 230
Phedersee, Phetersheim 225 anm.
Phiopha 217
IIevyiras 82
Pieporus 84. S6f.
Πιέφιγοι 81
Pleumoxii 204
Plinius, sein werk über die Germanen
191. Hist. nat. 4 8. 80 322f. 336 f.
37 $ 36—39 162 anm.
Plutarch über die Kimbern und Teu-
tonen im Marius. seine quelle 123—
26. 130 ff. 137. 149. seine darstellung
des Teutonenkrieges 130—37. des
Kimbernkrieges 137—151. cap. 11 des
Marius über die herkunft der Kimbern
167— 173
Podlaszanie Pollexiani s. Jatwingen
Polybius über den italischen zug der
elten 252
Porbeck 225
Posidonius leben und character 127 —
130. seine geschichtswerke 126. περὶ
ὠχεανοῦ 108. hauptgewährsmann für
die geschichte der Kimbern und Teu-
tonen 153. seine characteristik der
Nordleute 161 ff. hergestelltaus Strabo,
Diodor, Plutarch, Athenaeus 186 f. P.
über Gallien und die Gallier303—310.
über Iberien —318. über die Ligyer
320. über Tyrrhener 320 f.
Prauser 274
Pregel s. Guthalus
Prokop über die einfälle der Bulgaren
und Slawen ins oströmische reich
386 ff. 890---98
Pruzzi s. Eisten. umfang des namens
zur zeit der ordensherschaft 15. 20
Ptolemaeus 16 f. 79 ff. 325 ff.
Πυρηναῖα 312
Quaden in Mähren, im süden der Kar-
paten 301 f. ihre ausbreitung daselbst
323ff. 340ff. aufbruch nach westen 91
Qvenen bei Tacitus Germania c. 44
Sitones, finn. Kainulaiset an. Kvenir
ags. Cvönas 9 ff. nationalität 9f. 51.
nach Taeitus 11. 50. südgrenze bei
Tacitus 60. bei könig Alfred 59. Q. bei
Jordanes? 42. 60f. 64f. bei Adam
von Bremen 10 anm. 49
Qvenland, Cvenland, lage bei könig
Alfred 45. 59f. umfang des namens
bei Adam von Bremen 60. 71
26*
404
‘Pe, Rau, Rawa 175 ἴ.
Raabs 331 anm.,
Raba 373
Radimitschen 71 s. Slawen
Raeter 1f.
Ragnaricii 57. 61. 64
ἹῬαχάται 96. 329 ff. 337 ἢ
ἱΡαχκατρίαι 329 fi. 337 ff.
Rakousy, Rakusane, castrum Rakouz
usw. 96. 331
Ranii bei Jordan. c.3 66 ἢ
Ränriki, 8. Ragnaricii
Raumariki, Raumaricii 57. 61. 64. 66
Raurici 222
Rerefennae usw. 41 anm. 61. 374. 8. Finni
Retz 331 anm.
Rhein, Rhin, Rhenus usw. 218 f.
Rhipaeen 173f. 8. Alpen
Rhodanus, Rhone 219. ursprung des
namens 239. anzahl der mündungen
304
Rhoxolanen, Roxolanen s. Sarmatae
“Ριγόσαγες bei Polybius 5,53 275
Rin 216 s. Rhein
Rodvulf, könig 57. seine diathese Sca-
dinaviens 61—67
“Povdwv 38 ἴ. 351
Ῥουδόριχος, “Ῥουδέριγος 365
Rugier in Deutschland, wohnsitz 4 f. 7.
77£.anm. ihre wanderung 91. reich
im süden der Karpaten 92. von den
Langobarden zerstört 92. 97. R. in
Scadinavien bei Jordanes c.3 Rugi,
altn. Rygir 66
Povyıov bei Ptolemaeus 5
Rugius 121
Ruhr 222. 226 f.
Rus 351
Rutenen 306
Saal 214 anm.
Σαβόχοι Saboci 82. 86 f.
Saier 110
Salabeki, Salabach 214
Salasser 249
Sale 213 f. !
Σαλπια 9421.
Salyer, Saluvier 239. 248. 249 anm.
355 f. 259
Salz, Salza, Salzburg 214 anm.
Samland 2]
Sämr, Ssming 56
Samojedi 49
Sarmaten in der steppe Ill. 324. bei
Tacitus 32. 34. an der mittleren
Donau 2f. 322fi. einzelne völker-
schaften: ᾿Ιάζυγες in der steppe 111.
324. an der Teis 322ff. ihre nach-
kommen die Arcaragantes 93 anm.
377. ᾿Ιαζυγες bei Ptolemaeus 333.
c
REGISTER.
Rhoxolanen 111. beim cosmogr. Rav.
374. Saudaraten 110. Sarmaten beim
cosmogr. Rav. 374
Sarmatien —= Scythien, Osteuropa 16 f.
170. 374
Sarmatische berge 8]. 332 ἢ
Saxa, Saxaläinen 107 anm.
Scadinavia: name: ursprung und ety-
mologie 55f. 357 fl. überlieferung
359—61. Zxardia, Scandza, Scanza
usw. 3anm. 4lanm. 374. Scadanau
97. 360. bei Prokop Thule 42. 95.
lage bei den antiken geographen 3. 6.
285. darstellung der insel bei Cassio-
dor, Prokop 42ff. in der diathese
könig Rodvulfs 61-67. fabeln von
der gröfse der insel 6. 42. drei unei-
gentliche Skandien 285
Schalauen 20
Schlarpe 233
Schlesien, name 92
Schlirf 229. 227
Schwülper 233 anm.
Sclavenen, teil der Slawen, erste erwäh-
nung 34. 367 f. sitz nach Jordanes 94.
beim cosmogr. Rav. 374f. diesseit der
Karpaten nach Prokop 95f. lebens-
weise 3df. einfälle ins oströmische
reich 1001. 379 ff.
Scoringa 97
Scordisker, Scordisten 167 anm. Gallier
an der Morawa 271. 276. 264. 106.
111. im kampf mit den Kimbern und
Teutonen 290 f.
Scuti bei Adam von Bremen 4,14 7I1f.
Scythen 72. 110. name für die nord-
völker 171. bei Pytheas name für
die Germanen 170. 282f. name für
Hunen, Goten, Alanen 381 f.
Scythien = Gallien und Sarmatien 169 ff.
Seduni 249
Seeland, insel, name 361 ἢ,
Seewa 28 anm.
Segni 196 £.
Seille 213
Selle, Sell& 213
Selse 213
Sembi bei Adam von Bremen 30. 348 f.
Semmes mäte 28 f.
Semnen, Semnones sitz 7. 300. teil der
Kimbern 303. im I jahrhundert n.
Chr. 287 f. überbleibsel im VI 103
Senonen in Gallien 259. in Italien
255f. 252
Selien 23 anm.
Sequana 221
Sequaner, verhältnis zu den Kimbern
und Teutonen 294. sitz 301
σιδϑηρωρυχεῖα bei Ptolemaeus 2, 11, 26
324ff. 334 f. 337
REGISTER.
Sido, neffe des Vannius 109. 325f.
Sidones, abteilung der Bastarnen 105
anm. 109
Zidwvss bei Ptolemaeus 2, 11, 20 325f.
337. 341. 344
Sieg, Sigana, Sigunna 221. 226
Sigibert von Austrasien 102f.
Sigovesus, name 254. S.-zug 8. Kelten
Silingen, Zilsyyas 77f. anm. 92. 96
Silurer bei Tacitus 33
Sitones, name 9 s. Qvenen
Sjewerer 71
Skadi 5äf.
Skäney, Skäneyjar, Skänevig 360f.
Skiren, sitz 91. mit den Bastarnen 110f.
in der völkerwanderung 9if. bei
Plinius 4 880 87
Skridifinnen, Skritifinnen, Skricfinnen
usw. zeugnisse über sie von Jor-
danes bis Saxo Grammaticus 40-49.
374. s. Finnen
Slawen, Slowene: bei den Germanen
Vönöthäs, Vinithös 34. 89f. Vinedas
im Vidsid 35. bei Tacitus Veneti.
name: etymologie 21 anm. 106f. anm.
113f. anm. ältestes zeugnis 367f.
character und lebensweise in zeug-
nissen 34—39. 90. älteste heimat 89.
grenzen 89: nordgrenze gegen die
Finnen 70f. gegen die Germanen 3.
77. westgrenze gegen die Eisten 21f.
23f. 1]. gegen die Germanen 772.
94. südwesten 81. ostgrenze gegen
die Finnen 75. alter der stellung 77.
S. bei Ptolemaeus 17. 23 anm. 79.
88. an der oberen Weichsel? 79f.
innerhalb des Karpatenlandes? 81ff.
beim cosmogr. Rav. 874f. bei Nestor
am Jimensee 69f. im gebiet des
Dnjeprs 71. ausbreitung der Slawen
gegen nordwesten 91fl. gegen süd-
westen 96. 100ff. art der ausbrei-
tung 90. 100. S. im oströmischen
reich: vor 527 375—383. bis 559
383 — 94
Slonenses 21 anm.
Soest 222 anm.
Sölde 214 anm.
Solen 214
Sorpe 229
Soti 248 anm.
Spree 211f. 374
Zıavavoı, name 21 anm. sitz 18. 8.
Eisten
Stever 226
Stoöner (Euganeer) 140
Stör 212
Strabo, verhältnis zu Posidonius
177 —189
Στρέδην 376
405
Suavi 103. Svävaland 99 anm.
Vidsid Sv»fen 99
Sudauen, bevölkerung 20. 8497.
Zovdivos 18. 20f. 23
Sueben an der Elbe 77f. anm. durch-
bruch durch den hercynischen wald
302. am Main 218. 277. s. Marco-
mannen und Suavi. S. des Vannius
328f. 337. 8401.
Suebus bei Ptolemaeus 209
Suetidi bei Jordan. c.3 60. 65
Sugamber 191 anm. 192
Suiones, name 61. bei Tacitus 5. eigent-
liche 5. 10f. anm. bei Jordanes 60f.
62
Sulaha, Sülbek, Sülfeld, Süldorf 214
u. anm.
Zovlovss, Zovlavss 23 anm. 79f.
Sülze 214
Sulzdorf, Sulztal 214 anm.
Suomi 214f.
Σουσούδατα 222 anm.
Sygnir 66
Syllonis 23 anm.
im
Tacitus: Germania. stil If. 8. 29. cap.
2 und 3 191f. 198. cap. 37 (Kim-
bern und Teutonen) 122 anm. 283.
cap. 45 umstellung eines satzes 7ff.
nachrichten über die völker des nor-
dens: Scadinavien 5f. 11. Aestier 12.
27ff. Veneti 34ff. Fenni 39f. cap.
46 49f. schöpft aus Plinius 31. 191
Taetel bei Jordan. c.3 66
Taifalen 91. 181 anm.
Tanais, fluss und stadt 76
Tarbeller 238. 306
Tastris 287
Tauber 220
Taunus 220
Taurini, zuweilen Taurisci 83 anm. 249
Taurisci, Tauristen, name der Noriker
83. 205 anm. 290f.
Tauta 106f. anm. 115
Tauvum stagnum 239
Tawasten s. Hämäläiset
Tectosagen 8. Volcae
Teis, Pathissus, Tisia usw. 378. bei
Ptolemaeus 8827.
Tencterer 301
ι Teoaxarpims bei Ptolemaeus 2, 11, 26
8291, 337f. 841 ff.
Terfinnas 46. 42 annı. s. Finnen
Tevoloxos bei Ptolemaeus S3fl.
Τευρίσται —= Taurisci 265 anm. 290.
Teutagonus bei Valerius Flaccus 105
anm. 109 anm.
Teutalus, Teutates 115
Teutoboduus 118. 120
Teutoburgium, Teutomatus 115
406
Teutones, Teutoni 115. Teutonen West-
germanen 207. name 113f. fortdauer
in Deutschland? 115. T. bei Pytheas
ı14f. 206. 2S2f. 170. ihre herkunft
nach Posidonius s. Kimbern. würk-
liche herkunft 283f. 239. 300. fingier-
ter wohnsitz in Deutschland nach der
wanderung 115. 233—89. wanderung
8. Kimbern. teilnahme der T.289 — 300.
trennung nach der schlacht bei
Arausio, vereinigung 298 ἢ. Teutonen-
krieg 130—137
Tevrovoapsos 287. 343
Texuandri 204
Thelae, Pilir 66
Theustes, Theutes bei Jordan. c.3 62
Thisamaten 110
Thiudos bei Jordan. c.23 74
Thraendir usw. 66f.
Thule 8. Scadinavien
Tibarener 319 anm.
Tiguriner, genossen der Kimbern und
Teutonen 293f. vor Tolosa 296. in
Noricum 131f. 151f., oft Toygener
mit umfassend 296
Timagenes über die Kimbern und Teu-
tonen 166. gewährsmann des Livius
über den italischen zug der Kelten
250f. den galatischen 278 ἢ.
Tjust, bewohner von 62
Τολαστάχορα bei Ptolem.5,4,7 274anm.
Tolosa, schatz von 166f. 306. einnahme
und wiedereroberung 296 f.
Tolosto-, Tolistobogier s. Volcae
Tongern 198
Toutobodiaci s. Volcae
Toygener 152. 2981. 296 anm. 8. Tigu-
riner
Τρανς μοντανοί bei Ptolemaeus S4f.
Trebra 234
Treisam 373
Treverer 201ff.
Triballer 2681. 2091.
Triboci, Triboces 115. 301
Triburi 234
Tricasses 259
Tricasti an der Unstrut 234 anm.
Tricastini 234. 259 f.
Tricorii 260
Tritolli 260 anm.
Trocmi, Trogmi s. Volcae
Trogus Pompejus über den italischen
zug der Kelten 253f. 268
Truso 14. 351
Tscheremissen s. Ceremisi
Tsiernensis usw. s. Dierna
Tungri 192. 198
Turci bei Adam von Bremen 4,14 72f.
Tovpovvros 25f. 351
Tylangii 239
REGISTER.
Tyle, reich der Galater 271
Tyras 333
Übier 301
Ucenni 249
Οὐέλταιε bei Ptolemaeus 5. J.etten
Ovsadov bei Ptolemaeus 5. Oder
Οὐισβούργιοι 8. Osi
Uites beim cosmogr. Rav. 374
Ulf, Ulfa 231
Ulinabach 231
Ulixes am Niederrhein 191
Ulstra 232
Unstrut 214 f. anm.
Ural, fluss 75 anm. 76
Urfe 230 anm. 235
Urft 222. 235
Usgo mons 217 ann.
Οὐσίγαρδος 375
Usipii, Usipetes name 230. sitz in
Deutschland 301
Utphe 229
Utruguren 337
Vagoth Jordanes c.3 62
Valerius Maximus über Kimbern und
Teutonen 122
Vandalen, Vandilier teil der Lygier
4. 18. 91] ἢ. 98
Vangio, neffe des Vannius 325 f.
Vangiones 301. 326
Vanunius s. Sueben
Varini, Avapıvoi 77 anm. 79 ff. Warnen
95
Varisten 302
Vasinabroncas bei Jordanes c.23 74
Veliocassi, Vellocassi 289. 299
Vellejus über Kimbern und Teutonen
122
Velp, Velpe usw. 234
Veneni 248 anm.
Veneti, Venedi usw. s. Slawen. gallische
. 33
Veragri 249
Vertamacori 248. 257
Vettier, Galatervolk 271. 2178 ἴ.
Viadrus s. Oder
Victualen 8. Asdinge
Vidivarier, sitz 12. 346f. 93. 372. im
IX jahrhundert verschwunden 14
Vidsid 35. 99
Villip 234
Vinguli, Vingulmörk 57. 64f. bei Jor-
danes cap. 3 Vinoviloth 42. 60f.
Virdar 63
Vislemüda 13. 345f.
Vlahi 89. 279f. 379
Vlie, het 226
Vocontier 248. 257
REGISTER.
Volcae, name 279ff. ältester wohnsitz
in Germanien 279. abteilungen: nach
dem galatischen zug Arecomici an
der Rhone 275. 277. Tectosagen:
wohnsitz in Deutschland um 300
278. 300. im mittelpunkt der wan-
derung 279. in Iliyrien, Thracien,
Kleinasien (abteilung von ihnen Tou-
tobodiaci) 274ff. in Gallien 275 ff.
ältestes zeugnis über sie und die
Arecomici in Gallien 279. am hercy-.
nischen wald 204. 265. 277. über-
reste von ihnen 277. V. in Kleinasien:
Trocmi, Tolostobogier, abteilun-
gen von ihnen Voturi und Ambitouti
274. 2377
Volusian, kaiser 100 anm.
Voturi s, Volcae
Vurugunden 80
Wag 323. 373
Walagoti 280
Wales, name 280
Walfe 233
Walluf 227
Warnow 372
Wasgenberg 217. 251
Weichsel 77. 207f. 216 anm. 374f.
Weichselquelle bei Ptolemaeus 81.
325. 333
Weletabi 24 anm.
Wenper 233 anm.
407
Wepsen, überreste der Wefi 68. 71. s.
Finnen
Werden 222 anm.
Weser 215 f.
Welfi s. Finnen
Wetz 229
Widland, Vitland 13f. name 345 fl.
Widsemme 347
Wien, name 96. 327. 373
Wieslauf 235
Wilp, Wilpe 234
Windau 26. 351
Wipper 214 anm. 222
Wizzi bei Adam von Bremen 4, 14 171 ἴ.
14
Withesleth 347
Wjatitschen 71
Wlatawa 93. 215. 373
Wökietis 107 anm.
Wolchow 70
Wolchowe bei Nestor 279f. anm.
Wolga 75 f.
Wölpe 232
Wörpe 232
Woten 68. 72
Wümme 232
Wupper s. Wipper
Ysp 223
Zemyna 28
Zgorzelica s. Brandenburg
Zobtenberg 92
Druck von W. Pormetter in Berlin.
Müllenhoff.D. Altert. II