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DEUTSCHE KUNST
UND DEKORATION
ILLUSTRIERTE MONATSHEFTE
FÜR MODERNE MALEREI
PLASTIK • ARCHITEKTUR
WOHNUNGS-KUNST UND
KÜNSTLERISCHE FRAUEN-
ARBEITEN
DARMSTADT
VERLAGSANSTALT ALEXANDER KOCH
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DEUTSCHE KUNST
UND DEKORATION
HERAUSGEGEBEN UND REDIGIERT
VON
ALEXANDER KOCH
BAND 50
APRIL 1922-SEPTEMBER 1922.
ALLE RECHTE VORBEHALTEN.
JOH. CONR HERBHRTSCHE HOFBUCHDRUCKERHl NACHP. DR. ADOLF KOCH, DARMSTADT.
EUGEN ZAK-CZENSTOCHAU. .DER JUNGE AKROBAT«
EUGEN ZAK— CZENSTOCHAU.
GEMÄLDE UNTERHALTUNG
EUGEN ZAK.
Man soll die freundlichen, schmückenden
Kräfte, die in diesem Polen am Werke
sind, nicht unterschätzen. Die unzerstörbare
Liebenswürdigkeit dieses Charakters fUeßt leicht
und anmutig in seine Kunst. In dieser herrscht
eine gefällige, idealische Stimmung. Sie hat
gute weltmännische Haltung und feine sinnliche
Reize. Sie streift nahe an den Bereich des
Gobelins heran. Sie hat das Kindliche und das
Idyllische, sie hat auch einen leisen Anflug von
Überfeinerung. Etwas Schwermut mischt sich
ein, aber es ist eine Schwermut romantischer
Prägung, die mit einem Lächeln grundiert ist.
„Freude singt, was Leid gehtten — Schweres
Herz hat leichten Sinn", sang Clemens Brentano.
Man kann sich mit diesen Bildern gut und an-
genehm unterhalten. Es ist eine Kunst von höf-
lichen Manieren. Sie macht eine gebildete,
durchaus nicht oberflächliche Konversation. Sie
versteht gut zu erzählen: Häuser eun Abhang,
weUige Lieblichkeit der Hügelformen, darin
Liebe, Blumen und weiße, frQhitalienische Läm-
mer. Das ist gewiß kein anspruchsvoller oder
aufwühlender Akkord, immerhin aber ein Blu-
menstrauß von Annehmlichkeiten dieser Erde,
in die man sich in einer lässigen Stunde mit
Vergnügen einfühlt. Unsere neue deutsche
Kunst liebt die Kraft ; selbst wo Kraft nicht vor-
handen ist, beeilt man sich, wenigstens ihre Ge-
bärde anzunehmen. Die romanischen Länder
(Zak ist durchaus französisch geschult und fran-
zösisch gestimmt) haben sich die reizvolle Mög-
lichkeit bewahrt, ein geringeres Geistesformat
in liebenswürdigen, gefälligen Zügen herauszu-
stellen. In Zak ist kein Menschentum von Mus-
kel und Gewalt. Aber indem er seine Äußerung
auf so positive Dinge wie Linienklang, Farben-
reiz und einfachen Gefühlsvortrag einstellt, wird
er zu einer höchst schätzbaren F.rscheinung.
Für unser Auge steht er etwa in der Nähe
eines Carl Schwalbach. Es ist nicht die große,
glühende Welt, was sich auf seiner Malfläche
spiegelt. Es ist nicht das Epos oder das Drama
des Daseins, was er uns vorträgt. Es sind ge-
dämpfte Scheine und Schimmer, es sind lyrische
Widerglänze, um die es sich hier handelt. Der
XXV. April 1922. 1
Enzcn Zok.
EUGEN ZAK— CZENSTOCHAU.
elegische Ton herrscht vor. Alles ruht, alles
träumt: die schirmartigen Bäume, die von ost-
asiatischen Lackmalereien zu stammen scheinen,
die Blumen in ihrem Schatten, die schönen,
lächelnden Frauen, die spiegelnden Gewässer.
Alles ist gedämpft, überschaltet. Dieser ele-
gische Ton wirkt bei Zak am echtesten. Wo er
an die menschliche Gestalt herangeht, liest man
aus seinenBilderneinLebensgefühl von passiver,
unerlöster Stimmung. Der Mensch ist bei Zak
eingefügt als Naturding unter Naturdinge. In
jenen elegischen Landschaften erscheint der
Mensch als Blume, verschwistert mit Tier,
Pflanze und Element. Aber diese Eingebettet-
heit in den Naturzusammenhang hat auch ihre
dunkle Kehrseite, die sich aus dem Friedlosen,
Unerlösten und Leidensvollen der Natur ergibt.
Es ist keine volle Erwachtheit des Geistes in
dieser slawisch-französischen Kunst, und daraus
entstehen die Gefühle der Vereinsamung, der
Bedrücktheit, von denen Bilder wie der bÜnde
GEMÄLDE »DER FISCHERc
Bettler und die Frau in Grauen sprechen.
Sehr schön symboUsiert sich jene Unerwacht-
heit des Geistigen in der Augenlosigkeit dieser
Figuren. Sie haben alle keinen Blick, nur
schmale Augenschlitze ; auch in dem männlichen
Porträt ist der Blick schwer verhängt und scheint
diese Augen als ungeübte, beinahe nutzlose
Organe zu kennzeichnen. Die hoffnungslose
Vereinsamung, die „Traurigkeit der Kreatur",
von der die Frommheit unsres Mittelalters
sprach, drückt sich am stärksten, wenn auch
immer noch ziervoll und ornamental, in dem
Bettlerbilde aus. Der Mensch hält blind die
Hand in leere Luft; Straßen, die nie eines Men-
schen Fuß mehr betritt; Häuser, die von der
Pest geleert scheinen; dunkle, nackte Berge;
alles Stein und fühllose Härte in starren, kristid-
lischen Formen. Das wird zum Symbol für Zak's
Lebensstimmung. Es kommt nicht zur Gebärde
lauter Verzweiflung, aber von schwerem Pessi-
mismus ist alles verhängt und die ganze Emp-
EOGEN ZAK— CZENSTOCHAU.
>AUS JUNGEN TAGEN«
EUGEN ZAK. .MANN IM BOOT.
F/igrii Zak.
EUGEN ZAK— CZENSTOCHAU.
»FRAU IN GRAUEN c
findung klingt in eins mit jenem Lenau'schen
Sonett, das mit den Worten schließt: die ganze
Welt ist zum Verzweifeln traurig.
Doch wie gesagt, diese Dinge ergeben sich
nur dem, der sich ganz auf Zak's Kunst einläßt,
und dies zu beanspruchen, hat wohl jeder ernst-
hafte Künstler das Recht. Entscheidend für
Zak's Gesamtbewertung bleiben aber doch jene
leichteren, gefälligen Züge, mit deren Erörterung
wir einsetzten. Es ist viel Zufriedenheit noch
in der Trauer. Es kommt nicht zu bedrohlichen,
zerstörenden Spannungen. Die freundliche,
wenn auch dunkel gefärbte Harmonie dieses
Charakters wird nicht entscheidend zerbrochen.
Noch die kummervolle Frau — die wohl als
das stärkste Bild dieser kleinen Kollektion an-
zusehen ist — wohnt tief ergeben in ihrem Gram.
Über die Leidfalten ihrer Stirn fließen geglättet
die autoritären Gewänder; kein Widerstreben,
kein Aufbäumen, nicht einmal eine laute Klage ;
nur ein Niederbeugen in das letzte Genügen £m
einem höheren Willen.
Eugen Zak wurde in diesen Blättern vor
10 Jahren zum ersten Mal vorgestellt. Er ist
sich in dieser Zeit gleich und treu geblieben.
Vielleicht etwas dichter geworden, vielleicht
menschlich gereifter; aber seine Malerei hat
heute wie damals den flüssigen, gebildeten Aus-
druck, den feinen Schmuckwert, die liebens-
würdige, literarische Gebärde — Eigenschaften,
die in einer Zeit der Verwirrung schätzbcu: und
selbst wertvoll sind Heinrich ritter.
EUGEN ZAK CZENSTOCHAU. »DER BUNDE BETTLER.
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EUGEN ZAK. .SELBSTBlLDNISc
GIOTTO . CHRISTUS • AUSSCHNITT EINER WANDMALEREI.
ARENA IN PADUA, KAPELLE DER SCROVKGNI. PHOT. ALINARI,
GIOTTO. ARENA IN PAllUA.
»CMKIblUb tKbCUtlNT MAGIJALENA«
DIE FRESKEN GIOTTOS IN PADUA.
IN l>ER KAPELLE DER SCROVEGNI.
Die kleine Kapelle in der altrömischen Arena
zu Padua, flachgedeckte Halle mit goti-
schem Chor, fromme Stiftung des Paduaner
Bürgers Scrovegni zu Ehren der heiligen Jung-
frau Maria, ist von Giotto kurz nach 1300 mit
Fresken geschmückt worden. In drei Reihen
übereinander angeordnete Bilder aus der Ge-
schichte Christi und der Jugendlegende Maria,
Allegorien der Tugenden und Laster, eine Dar-
stellung des jüngsten Gerichtes und des thronen-
den Gottvaters schauen von den langgestreckten
Wänden auf die Gläubigen.
Giotto war damals, wenn man Vasaris An-
gaben zugrunde legt, etwa vierzig Jahre alt,
und die Folge dieser Bilder ist, wenn man von
dem umstrittenen Zyklus der Franziskuslegende
in Assissi absteht, das erste vollgültige Werk
seiner Hand, das uns erhalten blieb.
Über Italien war im Jahrhundert zuvor die
byzantinische Welle mit der goldstrahlenden,
unirdisch hierarchischen, irgendwie schon in
formelhafterManiererstcirrten Feierlichkeit ihrer
Ikone hingeflutet. Cimabues und Duccios Bil-
der sind Äußerungen solchen Geistes.
Giottos Fresken wachsen in einer anderen
Atmosphäre. Einfalt und Ehrfurcht vor dem
Geheimnis der heiligen Legende lebt als Grund-
gefühl auch in seinen Bildern. Aber sie wirken
sich in einer anderen irgendwie daseinsnäheren
Form aus. Jedes einzelne Bild umgreift in klarer
und eindeutiger Fassung einen bestimmten und
fest umgrenzten Vorgang. Das Gesicht der an
13
XXV. April 1«2. 2
Die Fresken Giotfos in Padiia.
14
GIOTTO. ARENA IN PADUA.
den Geschehnissen teilnehmenden Menschen
spiegelt Schmerz, Freude, Haß, Trauer in in-
dividueller Prägung. Durch großgeformte, von
allem differenzierenden Beiwerk befreite Um-
risse, durch Icingsame und feierliche Gesten, die
sich, wie auf dem Bild der Beweinung, rhyth-
misch wiederholen, wird der Vorgang ins Monu-
mentale gesteigert. Der mystische Goldgrund
der mittelalterlichen Tafeln ist versunken; die
Wirklichkeit des Raumes, das körperliche Dasein
lebendiger Menschen trat sein Erbe an.
Giotto hat nicht etwa die heilige Geschichte
vermenschlicht; dem Gesicht Christi gab er
feierlich verklärte Züge. Aber er ließ den Men-
schen mit seinen irdischen Trieben am göttlichen
»DAS LETZTE ABENDMAHL«
Geheimnis teilnehmen ; Schmerz überströmt das
AntUtz der Mutter, die sich zu dem toten Sohn
neigt; in des Judas Mienen spiegelt sich die
Verworfenheit niedrigen Verrates; in den Ge-
sichtern der beim Abendmahl versammelten
Apostel die staunende Erregung über das Wort
des Herrn: Einer unter Euch wird mich verraten.
Die psychologische Deutung aber hat nichts
Verästeltes, sondern die gültige Sicherheit des
Gefühles, das alle erfüllt; wie auch Raum und
Architektur im rhythmischen Gefüge organischen
Wachstums leben. Die Falten der Gewänder
besitzen natürliche Schwere, die Landschaft
baut sich lebendig auf. Und dabei bleibt alles
Einzelne nur dienendes Glied und fügt sich ge-
Dir Frrsk')! Gioffos in Padiia.
GIOTTO. ARENA IN PADDA.
lassen in den Kreis der frommen Geschichte ein.
— Die klare und starke Gesetzlichkeit solcher
Bildform berührt sich mehr mit Dantes fest ge-
gründetem im scholastischen Denken wurzeln-
den Weltbau als mit der hingebenden Innigkeit
und mystischen Gottnähe des heiligen Franzis-
kus, den man gewöhnlich zugleich mit Giotto
nennt. Schon in einem Land und in der
gleichen Zeit sind solche Gegensätze wirksam.
Aber in die Dome des Nordens wurden zur glei-
chen Stunde Glasfenster eingelassen, die dunkel
und geheimnisvoll glühend die mystischen und
grenzenlos schweifenden Ängste und Beglück-
ungen dieser anderen Menschen, einer anderen
Menschheit gleichsam, ausstrahlten.
Als Giotto aber, so erzählt Vasari in seinen
»FUSSWASCHUNG« PUOT. ALINARI.
Künstlerbiographien, von einem Abgesandten
des Papstes um ein Dokument seiner Kunst ge-
beten wurde, nahm er ein Blatt und einen Pinsel
mit roter Farbe, legte den Arm fest in die Seite,
damit er ihm als Zirkel diene, und zog, indem er
nur die Hand bewegte, einen Kreis so scharf und
genau, daß es in Erstaunen setzen mußte, ver-
beugte sich gegen den Hofmann und sagte: da
habt ihr die Zeichnung. Sehr erschreckt fragte
ihn dieser: Soll ich keine andere als diese be-
kommen? Es ist genug und nur zuviel, ant-
wortete Giotto, schickt sie mit den übrigen hin
und ihr sollt sehen, ob sie erkannt wird.
Die Anekdote mag wie ein Gleichnis für die
klare und in sich ruhende Gesetzlichkeit von
Giottos Geist und Form zeugen, kurt pfister.
15
GIOTTO. AKENA IN PADUA.
»DER ERZENGEL ERSCHEINT DER HL. ANNAc
WEGLASSEN UND VEREINFACHEN.
Stil ist Weglassen des Unwesentlichen " , sagt
Feuerbach. Und das paßt auf Giotto. Sein
Geheimnis liegt in dem großen Zug der Linien,
in der klaren Anordnung der Gruppen, in der
strengen Unterordnung aller Einzelheiten. Nie
wirren und drängen sich die Figuren. Deutlich
sondern sich die Gruppen ab. Sofort wird das
Auge auf die Hauptfigur, auf das Entscheidende
des Vorganges gelenkt. Da sich die hohe Ge-
tragenheit des Monumentalstils auch nicht mit
jähen Wendungen und unsichern Gesten ver-
trägt, bildet er sich eine feststehende Gebärden-
sprache, die wie die Schriftsprache für die glei-
chen Dinge immer die gleichen Worte benützt
und so dem Betrachter sofort beibringt, was
die Figuren sagen. Ein signifikanter BUck, eine
ausdrucksvolle Bewegung mit der Hand und
des Körpers kommentieren die Handlungen und
Stimmungen der Personen, sodaß die Bilder
wie die Gesänge eines Epos am Betrachter vor-
überziehen. Nur indem er auf alles Kleinliche,
auf alle naturalistische Einzelheiten verzichtete
und die Natur vereinfachte, um sie noch ele-
mentarer sprechen zu lassen, konnte er seinen
Werken jene sakramentale Würde geben, die
dem Thema sowohl wie dem Stil dekorativer
Kunst entspricht. Das haben auch einige
Künstler des nächsten Jahrhunderts noch sehr
wohl gefühlt. Denn noch Ghiberti, als er die
Bronzetüren des Florentiner Baptisteriums
schuf, und Mantegna folgten im Grunde nur
den Prinzipien Giottos ktchakd müthek.
16
GIOTTO. WANDMALEREI .HIMMELFAHRT CHRISTI.
ARENA IN PADUA, KAPELLE DER SCRO^'EGNI. PHOT. ALINARI
GIOTTO. WANDMALEREI .DIE BEWEINUNG CHRISTI.
ARENA IN PADUA, KAPELLE DER SCROVEGNl. PHOT. ALINARI.
GIOTTO. ARENA IN PADUA.
»AUS NEBENSTEBE.VDEM BaDE«
DIE NEUE RELIGIÖSE MALEREI.
\oN Joachim kirchnek.
Das metaphysische Bedürfnis, sich von der
Sinnenwelt und ihren vergänglichen Er-
scheinungsformen zu lösen, und sein Schaffen
ganz in die Sphäre gefühlsstarker Innerlichkeit
zu erheben, hat die Künstler der abendländi-
schen Malerei zu allen Zeiten zur Darstellung
religiöser Stoffe veranlaßt. Mit gläubigem Sinne
nahten die mittelalterlichen Maler den Legenden
des christlichen Zyklus; Fra Angelico, Stefan
Lochner und so viele andere, durch die mysti-
sche Gottseligkeit ihrer Zeit inspiriert, trugen
jene hingebungsfreudige, schhchte Frömmigkeit
in sich, die uns als bedeutsam für die Wellseele
jener Tage entgegentritt. Vielleicht dürfen jene
Künstler auch heutzutage noch als die berufen-
sten Führer und Deuter im Reiche göttlicher
Geheimnisse und Wunder gelten. Gleichwohl
ist bei ihnen das Göttliche nichts Erdenfemes,
nichts Jenseitiges ; das Unfaßbare ist durch ihren
künstlerischen Gestaltungswillen des scholasti-
schen Schwergewichts entkleidet , es ist ver-
menschlicht und läßt in seiner irdischen Form
seinen göttlichen Ursprung durchschimmern.
Das Bild der Maria mit dem Kinde und die Dar-
stellung des gekreuzigten Gottessohnes sind
zum Sinnbild einer sich ewig gleichbleibenden
höchsten Liebe geworden, deren reine Flamme
auch auf die menschlichen Verhältnisse ihre
milden Strahlen ergießt. Das formale Be-
dürfnis einer zu höherer Technik entwickelten
Kunst ließ bisweilen den Reiz jener gefühls-
mächtigen Innigkeit der primitiven Malerei zu-
rücktreten. Und doch vermochten sich auch
die Künstler späterer Zeiten nicht der sugges-
tiven Kraft jener ursprünglichen Religiosität zu
entziehen, die ihnen in den Werken jener alten
Maler am Anfange der abendländischen Kunst
entgegentrat. Die Neubelebung jener primitiven
Malerei konnte allerdings nur zu einer wenig
glücklichen Episode in der Geschichte der bilden-
den Künste werden. Die Klosterbrüder von St.
Isidoro, jener Künstlerkreis um Overbeck, haben
der Kunstgeschichte den Beweis geliefert, wie
gefähriich es ist, selbst bei verwandten gefühls-
mäßigen Voraussetzungen sich in die Gefolg-
schaft längst verklungener Traditionen zu be-
geben. Was im 14. und 15. Jahrhundert als
ursprünglich und echt empfunden gelten durfte,
19
Die neue religiöse Malerei.
konnte im 19. Jahrhundert leicht als maniriert
und (gewollt beurteilt werden — eine Mahnung
für die folgenden Generationen, nicht in der Wie-
derbelebung überwundener Kunstformen das
Heilmittel gegen die Schäden der Zeit zu suchen.
« • •
Auch die Kunst unserer Tage wird von reli-
giösen Ideen bewegt. Wieder drängen sich
biblische Themen in die Gefühlswelt unserer
Künstler ein, wieder werden religiöse Bilder
gemalt, zwar nicht im Sinne der zarten An-
dachtsstimmung oder der naiven Fabulierlust
jener Primitiven, die sich so gern in das Anek-
dotenhafte der Evangelien und Legenden ver-
lor, wohl aber im Geiste mitfühlender Leiden-
schaftlichkeit, verinnerlichter Erregtheit, die je
nach dem Temperament des Künstlers sich bald
in einer ekstatisch verzerrten Gebärde, bald in
verhaltener Formensprache kundgibt. Das In-
teresse am Stofflichen tritt zurück, das religiöse
Motiv dient zuweilen nur zum Vorwand, um in
den Qualen und inneren Kämpfen der göttlichen
und heiligen Personen das Spiegelbild der lei-
denden Menschheit, des ringenden Menschen-
tums unserer Zeit wiederzufinden. Historisch
gewertet mag vielleicht die übersetzte Formen-
sprache unserer religiösen Maler an stilisierte
Figuren mittelalterlicher Miniaturmalerei ge-
mahnen, auch die Erinnerung an den monumen-
talen und einprägsamen Ausdruck jener fast
körperlos empfundenen Heiligen in frühchrist-
lichen Mosaiken dürfte hier und da lebendig
werden. Am nächsten aber liegen wohl die
Beziehungen zu den Künstlern des Barock.
Noch nie bemühte sich eine Künstlergeneration
sich in die Kunst eines Greco, Tintoretto wie
Grünewalds mit so hingebungsvollem Eifer ein-
zufühlen und sie zu studieren, wie die unsrige.
Wenn es ihr bei dieser Gleichgestimmtheit der
modernen Weltseele mit dem Kunstgefühl ver-
klungener Zeiten bisher möglich gewesen ist,
sich nicht in die Abhängigkeit der umworbenen
Vorbilder zu begeben, sondern äußere Anreg-
ungen, die jene boten, umzuwerten und schöp-
ferisch neu zu beleben, so dürften wir hierin
ein hoffnungsvolles Vorzeichen für die Weiter-
entwicklung der neuerwachten reHgiösen Ma-
lerei erblicken. Die Gefahren epigonenhafter
Nachahmung, an denen das Nazarenertum
krankte, sind bei den starken Talenten unserer
jungen Künstlerschaft kaum zu befürchten.
Denn bei ihnen ist das religiöse Erlebnis ja nicht
auf eine kirchliche Frömmigkeit gegründet, auch
nicht an schulmäßige Tradition gebunden oder
gar als Konzession an die Zeitströmung zu be-
trachten, sondern einem inneren Antriebe fol-
gend wählen sie die alten durch die Überlieferung
geheiligten Stoffe, um das, was sie in dem mo-
dernen Weltbilde religiös bewegt, in dem Rah-
men der alten Mysterien zum Klingen zu brin-
gen. Das Motiv und die Form wird zur Neben-
sache, die Pointierung des Psychischen , das
gefühlsmäßige Erlebnis ist das Wesentliche. Mit
dieser neuen charakteristischen Note knüpft die
moderne reÜgiöse Malerei an allgemeine künst-
lerische Anschauungen der jungen Generation
an, die den ausgleichenden Tendenzen des Re-
lativismus abhold, wieder an die zwingende
Macht der Ideen zu glauben vermag. Unter
diesem verheißungsvollen Vorzeichen erwarten
wir den Anbruch einer neuen künstlerischen
Schaffensperiode; ihrem Führer lebt die Ju-
gend mit siegesfreudiger Hoffnung entgegen. . .
« « «
Wilhelm Lehmbruck's Plastiken! Wer jemals
in die Werke dieses so früh verstorbenen Mei-
sters sich einzufühlen bemühte, dem dürfte es
vielleicht am ehesten klar werden, aus welcher
geistigen Provinz jene Ideen stammen, die unsre
Jugend zu neuem Leben erwecken will. Lehm-
bruck's fromme Sehnsucht, alles Erdenhafte
und Vergängliche abzustreifen, um geläuterter,
edler und reifer sich in das lichtvolle Reich
einer künstlerisch geklärten prästabilierten Har-
monie emporzuschwingen — das ist der meta-
physische Drang, der sich allen idealistisch Ge-
sinnten heute mitgeteilt hat. Lehmbruck's
Werke sind vergeistigte Manifestationen eines
auf innerem Schauen basierenden Lebensgefühls
eines reinen Menschentums; sie sind Gestalt
gewordene Ausdrucksnormen einer subjektiven
undogmatischen Religiosität. In ihnen ist das
Kunstwerk zum religiösen Erlebnis geworden.
Lehmbruck hat nie eine Kreuzigungsgruppe, nie
eine Pietä geschaffen. Allein, wir verlangen
bei diesem Künstler nicht nach den bibüschen
Motiven. Darstellungen wie die „Knieende",
„Der emporsteigende Jüngling" oder „Der ster-
bende Krieger" können in ihrer vergeistigten
Ausdruckskraft, in ihrer schUchten Herbheit und
einfachen Größe ein stärkeres reügiöses Gefühl
wachrufen, als \'iele noch so gutgemeinte An-
dachtsbilder. Es kommt darauf an, welche Deu-
tung man dem Begriffe Religion geben will. j. k.
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GIOllO. AKK.NA IN I'AULA.
»S.GIUVACCHINO BEI DEN HIRTENc
NATUR UND KUNST.
Der geniale Künstler hat die Mission, die
Reichtümer der Natur, die er entdeckt hat,
denen zu offenbaren, die die Sprache der Natui
nicht verstehen. Wenn Ihr euch ihr hingebt,
wie wir es getan, so wird sie euch nach eurer
Empfänglichkeit aus Ihrer Fülle geben. — —
Es ist ein unendUcher Hochmut oder eine
unendliche Torheit, wenn der Mensch glaubt,
er könne die sogenannten Fehler und den
schlechten Geschmack der Natur verbessern.
Was rechtfertigt diese Axunaßung? Vor denen,
welche ihre Schönheiten nicht lieben und ver-
stehen, verschleiert die Natur ihr Antlitz, sie
vermag ihnen nur bedingungsweise zu begeg-
nen. Und deshalb sagen sie, die Trauben sind
zu sauer ; da wir die Natur nicht verstehen.
wollen wir sie aus Rache verleumden. — Die
Natur gibt sich rückhaltlos denen, die nach ihr
verlangen, aber sie ist eine eifersüchtige Herrin
und will allein geliebt sein. Wir lieben ein
Kunstwerk, weil es von ihr stammt, alles andere
ist nichtssagend und trocken. — Der Verfall trat
ein, als die Kunst, die tatsächlich ein Naturkind
war, höchstes Ziel wurde, als die Menschen
die großen Künstler als Vorbild nahmen und
vergaßen, daß diese den BUck ins Unendüche
gerichtet hatten. Sie glaubten nach der Natur zu
arbeiten, und sahen nicht, daß das AtelierUcht
nicht das freie L'cht der Natur ist. Technische
Verdienste wurden die Hauptsache und man
vergaß, daß diese Vorzüge dazu dienen sollen,
Gedanken auszudrücken, jean kran<,ois millet.
23
XXV. April 192J. 3
GIOTTO. »AUSSCHNITT DES NEBENSTEHENDEN BILDES.
ARENA IN PADUA. PHOT. ALINARI.
GIOTTO. WANDMALEREI .DER JUDASKUSS<
ARENA IN PADUA, KAPELLE DER SCROVEGNI. PHOT. ALINARI.
GIOTTO. WANDMALEREI »DIE GEBURT CHRISTIc
AKENA IN PADÜA, KAPELLE DER SCROVEGNI. PHOT. ALINARI.
HERMANN GEIBEL-MÜNCHEN. HOLZPLASTIK »MUTTER UND KIND.
UERMANN GElIiEL— MUNXUEN.
• MAUCHEN AUE EINEM LAiiEK<
HERMANN GEIßEL.
Worringer hat kürzlich das Ende des Ex-
pressionismus, ja der bildenden Kunst
überhaupt verkündet, die nach seiner Meinung
durch die Kunstwissenschaft abgelöst wird.
Solche Kunstforscher und Philosophen (wie auch
Spengler) sollten doch vorsichtiger sein mit
ihren Grabreden und Prophezeiungen. Ihnen
freilich ist die Wissenschaft natürlich ange-
boren; aber weil sie keine zwingenden Schaf-
fenskräfte mehr in sich fühlen, dürfen sie nicht
sagen, es sei mit der Kunst überhaupt vorbei.
Denn schließlich sind solche Aussprüche immer
nur der Spiegel des urteilenden Subjektes.
Vielleicht ist das, was sich heute laut als
Expressionismus bezeichnet und anpreist, nur
bunte Blase, die bald zerspringt, Schaum oben
auf dem erregten Meere, der schnell zerläuft;
der Urgrund einer solchen Bewegung aber kann
viel tiefer sein, und aus diesem Urgrund er-
heben sich vielleicht Persönlichkeiten, denen
man wieder den Impressionismus oder Expres-
sionismus kaum noch anmerkt. So dem Ex-
pressionismus entstiegen ist Hermann Geibel.
Irgend ein Zug ist lebendig an seinen Ge-
schöpfen, ist gefühlt, besonderer Art, belebt
das Ganze, erhebt die kleinsten Gebilde sofort
über das bloße Kunstgewerbe. Unsäglich leicht
wird der Ton Form unter seiner Hand. Zu leicht
ihm, deshalb müht er sich am hcirten Holze.
(Zu welcher leidenschaftlichen Weichheit hat er
es in seiner Gruppe: „Mutter und Kind", ge-
schmeidigtl) Vom Tier geht sein Weg durch
einige entzückend weiche Kinderköpfe zum
Weibe, das sich ihm in seiner Gattin Elfriede
Leonore Geibel, der vornehmen, warmblütigen
Dichterin, erschließt. Wie ein Adagio, ein An-
dante sind die Weib-Schöpfungen aus des Künst-
lers Hand gequollen. Für einmal scheint das
Rätsel der Welt gelöst in dieser ewig weib-
lichen Harmonie, kraft derer alle in den Glie-
dern entbundenen Ströme („Linien" wäre un-
plastisch) ineinander fließen, zurücksinken in
sich selbst oder aufgefangen werden wie in
einer Schale, aus der sie dann neu hervor-
quellen zu ruhiger Bestimmung. Selten ist eine
unruhige, fast qualvolle Bewegung, wie in der
liegenden Frau oder eine dumpfe Schwere, wie
in der kauernden.
Die Einkörperung in das Weib ist dieser
Stufe der inneren Entwicklung Geibels — (wie
einer langen Kulturepoche) noch natürlich. Sein
Triumph beruht hier in der namenlosen Weich-
heit und Zartheit der Form, und in diesem Na-
menlosen vielleicht seine Größe. Auch in den
Zeichnungen dieser Periode ist ein mitreißender
Schwung, ein atemberaubender Zug und Drang.
Aber auch in den Zeichnungen bedeutet die
große Bewegung einen Rausch der Hingebung,
ein Leiden mehr denn ein Schaffen, Einziehen
mehr als Spenden. Und doch tritt der Künstler
einem Rodin etwa gegenüber von der entgegen-
gesetzten Seite an die Natur. Während näm-
29
XXV. April 1923. ■C
Hermann Geibcl
30
H. GEIBEL-
MÜNCHEN.
»MÄDCHEN-
TORSO'
lieh Rodin sich (impressionistisch) festzusaugen
strebt an der gegebenen Natur, sucht Geibel
(expressionistisch) seine Seele restlos plastisch
zu verwirklichen in einer neuen Natur. Eine
expressionistische Epoche aber führt, wenn sie
sich erfüllen soll, zu männlicher Tat. — So
erlebt Geibel auf dritter Stufe den Mann. Dies
Erlebnis ist nicht einmalig, plötzlich, sondern
lang ausreifend, immer tiefer umgestaltend. In
Zeichnungen zunächst und in einer Porträtbüste
formt er einen Dramatiker nach, aus dessen
Werk er gleichzeitig starke Eindrücke eines
männlichen Geistes empfängt. Rein aus männ-
lichem Weltgefühl ist zuerst die Radierung eines
Edward — nach der bekannten schottischen
Ballade — der visionär wie eine echte Ballade
aus dem Raum heraustritt in voller Körperlich-
keit mit seinem rücksichtslosen; „Hier bin ich" !
— damit ist im Plastischen noch nicht der
männliche Gipfel erreicht. Sondern hier ringt
der Künstler noch um die Geheimnisse des
männlichen Körpers. Geibel strebt über den
aphoristisch-geschlossenen Torso hinaus. Ge-
bärden werden ihm rege. Die Jünglings-Halb-
figur legt schon träumerisch die rechte Hand
(mit fast nervösen Fingern) über den linken
Unterarm , und diese Bewegung wiederum zwingt
den Künstler zur vollen Ausgestaltung des Kör-
pers. So steht der nackte Jüngling vor uns
in seltener Biegsamkeit und Schlankheit, ein
i
HERMANN GEIBEL-MÜNCHEN. .NARZISS.
Hermann Geibrl.
Ephebe, wie wir ihn aus griechischer Plastik
kennen. Die Biegung des Kopfes erinnert leise
an Praxiteles, ohne daß doch irgend ein Klassi-
zismus hier obwaltete, der toten Schönheits-
geselzen folgt, nachahmt, nicht neu empfindet.
An den David des Michelangelo denken wir
auch wohl, noch mehr an seinen Johannes. —
Der Junghng stand neulich in einer Ausstellung
Münchener Bildhauer im „Kunstverein", zwi-
schen all den toten Masken, die an solcher
Stelle zusammengetragen werden. Dort rührte
sich sein warmes Sein, das Werk offenbarte me-
taphysischen Gehalt in der Art, wie es aus dem
unendlichen Raum das Leben herausschöpfte.
Während sonst seine Figuren höchstens ein
Meter hoch waren, drängt es den Künstler nun
nach Überlebensgröße. Er erprobt den Kalk-
stein, den Granit und den deutschen Marmor,
wie er ihnen einen mächtigen Kopf abringen
möchte oder eine ganze Gestalt. —
Was wird sich noch entfalten aus dieser
Seele? Wenn sich nur einmal ein mächtiger
äußerer Impuls zu dem inneren künstlerischen
Trieb gesellte und ein großer Auftrag — unge-
nügsam — die monumentale Form von dem
Bildhauer forderte. . dr. georg lange-mCnchen.
HERMANN GEIßEL- MÜNCHEN. .KAUERNDES U^IB<
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HERMANN GEIßEL MÜNCHEN. HALBFIGUR .JÜNGLING<
HUGO GORGE-WIEN. .KAMINPLATZ IM WOHNZIMMER<
AKiailEKI HUGO ÜOKGE— WIEN.
• AUS EINEM \V0HNZ1MMEK<
VON BÜRGERLICHEN WOHNRÄUMEN.
Die Behaglichkeit eines Raumes wird durch
seine Maße, die harmonischen Beziehungen
zwischen Wand und Decke, das Verhältnis zwi-
schen Türen, Fenster und Ofen bestimmt. Ist
diese Grundlage nicht vorhanden oder nicht zu
schaffen, so ist jede Mühe, den Raum durch seine
„Einrichtung" behaglich zu machen, erfolglos.
Im strengen, architektonischen Raum früherer
Zeiten bewegten sich auch die Menschen in
feierlich repräsentativer Weise. Die Zeiten
haben sich geändert. Der Mensch unserer Tage
ist weniger konventionell, freier in seinem We-
sen, seiner Gebärde, seinen Bewegungen ge-
worden. In der neuzeitlichen Wohnung muß
infolge dieser Ungezwungenheit und Absichts-
losigkeit der Bewegungen des jetzigen Men-
schen das Wohn- Gerät in ein ganz anderes
Verhältnis zu uns treten. Wir wollen die Möbel
nicht mehr in starrer, architektonischer Gebun-
denheit, sondern als „Möbel" im engeren Sinn,
als „Mobilia". Der moderne Mensch ist ddnn
das Mobilste inmitten mobiler Dinge, die wir
nach verschiedenen Möglichkeiten umstellen
können, um die wir herumgehen können, —
wobei sich von jeder Stelle des Zimmers neue
Raum-Wirkungen, neue Überschneidungen, neue
Eindrücke ergeben, die durch Stoffe und Tep-
piche noch bereichert werden. Feststehend
bleibt eigentlich nurnoch das Verhältnis zwischen
Tür, Fenster und Ofen ; für Schreibtisch und Bett
ist ebenfalls — infolge der Beziehung zu Licht-
quelle und Tür — die Lage eine bestimmte. . .
In dieser neuzeitlichen Bürger-Wohnung er-
gibt sich von selbst eine Einschränkung der
Möbel auf das unumgänglich Notwendige.
Auf gute Tische, Sessel und Liege-Möbel wird
in erster Linie Wert zu legen sein. Der kul-
turelle Gewinn solcher Einschränkung wird sich
vor allem darin zeigen, daß, — wenn wir wie-
der wenige , aber gute Möbel in unseren Woh-
nungen haben, — wir wieder eine innigere
Beziehung zu diesen Einrichtungs-Stücken un-
seres Heims herstellen können. Als weitere
Folge ergäbe sich die Möglichkeit, unsere bür-
gerlichen Wohnräume kleiner zu gestallen,
und trotzdem keine Beengung, sondern größere
Bewegungs-Freiheit zu schaffen. . .
Unsere Arbeit hat nichts mit artistischem
Künstlertum zu tun, dessen Kennzeichen Ge-
fallsucht und geistige Inhaltlosigkeit bleiben.
Unsere Arbeit soll, als Ausdruck höchster
Menschlichkeit und sozialer Gesetzmäßigkeit,
Harmonie in unsere Lebensgemeinschaft brin-
gen. Damit ist dann wenigstens dem Ordent-
lichen, als natürlicher Bedingung des Da-
seins, Genüge getan hugo gorge— wizn.
37
XXV. April 1922, 5
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ARCHITEKT HUGO GORGE-WIEN. .WOHNKÜCHE«
HUGO GORGE-WIEN. .WOHNKÜCIIK- BLICK (iEGEN DIE SCHRANKWAND.
ARCHITEKT HUGO GORGE-WIEN. .WOHNKÜCHE.
HUGO GORGE. »NISCHE DER WOHNKÜCHEt
KARL LANG-HANAU A. MAIN. »EMAIL-MALEREI«
K. LANG-
HANAU.
>EMAIL-
MALEREIf
DER KÜNSTLER UND SEINE PERSON.
I)erson und Persönlichkeit sind zweierlei. Das
erste bezeichnet das gesellschaftliche Sein
des Menschen, im Gegensatz zu seinesgleichen.
Das zweite bezeichnet den schöpferischen, ein-
maligen Inhalt des Ich; es bezeichnet die be-
stimmte Welt, die mit und in einem einzelnen
Menschen geboren ist. So wertvoll und ergiebig
für das Kunstschaffen das zweite ist, so be-
denklich sind die Störungen, die sich aus dem
ersten ergeben. Die Persönlichkeit darf und
muß der Künstler pflegen, die Person aber muß
er überwinden.
Das ist keine neue Weisheit. Sie findet sich
ausgesprochen und tätig bewährt in allen Zeiten
starker und lebendiger Kunst. Insbesondere
alle mystische Weisheit ist durchdrungen da-
von. „Le Moi est toujours haissable", sagt
Pascal. Von Laotse, dem gewaltigen und wun-
derbaren Lehrer des Tao, sagt der Biograph,
daß er sich in die Einsamkeit zurückzog und
unbekannt zu bleiben wünschte. Bernhard von
Ciciirvaux, der Prediger mystischer Demut,
betete zu Gott: „Da mihi nesciril" (Gib mir,
daß ich unbekannt bleibe).
Und es ist wirklich so, daß die „Person" das
schwerste Hemmnis aller echten Menschentat
ist. Vor allem aller echten künstlerischen Lei-
stung. Der Künstler, der seine „Person" nicht
überwindet, wird nie in den Vollbesitz der
Schaffenskräfte kommen. Dieses Überwinden
bedeutet ja nicht eine Besitzminderung, eine
Verarmung. Die „Person" ist geradezu der
Pfropfen, der den Quell der Schaffenskräfte ver-
schließt. Erst wenn er herausgezogen wird, be-
ginnen jene zu sprudeln. Überwindung der
„Person" bedeutet Durchbruch zur Persönlich-
keit. Person ist das Ich als Negativum, als Ver-
neinung und Ausschließung des Göttlichen.
Persönlichkeit ist das Ich als Ort der Einmün-
dung götthcher Kraftslröme in das Wesen des
Menschen. Allen l'.rnstes ist künstlerisches
Schaffen Dienst am Göttlichen.
Nie werden wir die Höhe vergangener Kunst-
leistung erreichen dadurch, daß wir ihre Kom-
positionsschemata nachrechnen, ihre Farben
psychologisch enträtseln und etwas abstrahieren,
was so aussiebt, als ob wir es rezeptartig für
unsre eignen Werke verwenden könnten. Son-
dern nur dann können wir hoffen, zu jenen
Großen aufzusteigen, wenn wir ihre Seelen-
lage begriffen und uns womöglich zugeeignet
haben hm.
45
XXV. April 1922 6
KARL LANG HANAU.
»EMAIL-MALEREI«
KARL LANG— HANAU A. M. >EMAIL-MALERE1«
ARCHITEKT DAGOBERT PECHE. »KLÖPPEL-MOTIV, durchu. 2b cm.
AUSFÜHRUNG: WIENER WERKSTÄTTE.
DAGOBERT PECHE— WIEN.
>KLU1'PEL-MÜT1V- 2ü CM.
KLÖPPELSPITZEN UND SEIDENKISSEN.
zu DEN ARBEITEN DEK »WIENER WEKKSTÄTTE«
Die Zierlichkeit der Spitze, das Duftige, Le-
bendige und bei aller Zartheit doch cha-
raktervoll Strukturelle, Organisch-Gewachsene
dieses Kunstgebildes hatte in früherer Zeit
diesem populärsten Erzeugnis der künstlerisch
hochstehenden Handarbeit so allgemeine Wert-
schätzung gewonnen, daß keine Frau dieser
Zierde bar sein wollte. Später, — als die künst-
lerisch-schöpferischen Kräfte ermüdeten, er-
starrte auch die Hand-Spitzen-Erzeugung mehr
und mehr in Tradition und kam dann dem Er-
löschen nahe.
Mit dem Einsetzen einer umfassenden Neu-
belebung aller kunsthandwerklichen Arbeit
nahm man sich auch der H an d s p i t z e wieder an.
Mit dem Kopieren historischer Formen wurde
begonnen und das Zeitstil -Suchen der jungen
Kunst bezog auch die Spitze ein. Die Bestre-
bungen waren aber meist mehr auf die Musterung
gerichtet, als auE deren Voraussetzung: der
neuerlichen Sinn-Erfüllung der Technik.
Dieses Problemes ist vor allen anderen neu-
zeitlichen Versuchen Dagobert Peche Herr
geworden in seinen Entwürfen und Anleitungen
im Rahmen der Spitzen-Herstellung der „Wie-
ner Werkstätte". . In den feinen Tüllsticke-
reien der Wiener Werkstätte steigerte er zu-
nächst diese Technik zu ihrer höchsten künst-
lerischen Form, gab gleichsam die Essenz in
reinster Darbietung. Jetzt hat Dagobert Peche
seine künstlerische Intensität der Klöppel-
Technik zugewendet und auch hier Höchst-
leistungen erzielt. Die Spitzen -Umrahmungen
dieser Leinen- oder Batistdeckchen weisen eine
Mannigfaltigkeit auf, die bei allem Witz der Er-
findung und Anordnung so bündig ornamental
49
Die Vt-rcdliiiig ihr Klo pprl spitze.
50
PARADEISER. »KISSEN AUS SCHWARZEM LIBERTY, MIT CBENILLE BUNT BESTICKT«
AUSFÜHRUNG; WIENER WERKSTÄTTE.
gelöst sind, in ihrer symmetrischen Reihung und
vornehmen Flächenfüllung so harmonisch wir-
ken, daß sie den Höchstleistungen früherer
Zeiten vöüig ebenbürtig zur Seite stehen.
Die frische Lebendigkeit dieser Formungen
konnte nur aus einer mit neuem Sinn beseel-
ten Technik entspringen. Sie offenbart sich
voll in den figuralen Einzelmustern, die nicht in
Abhängigkeit von einem Gebrauchszweck, son-
dern nur aus der Freude am Erzeugnis selber
geschaffen wurden. Die Unmittelbarkeit der ge-
wonnenen bildlichen Wirkung, die beson-
ders in den Köpfen, Figuren und Tieren durch
die feinsten zeichnerischen Qualitäten ausge-
zeichnet ist, erhebt nunmehr auch die Klöp-
peltechnik in die Reihe der freien, künst-
lerischen Ausdrucksmittel. Gleiche künst-
lerische Reife ist den buntbestickten Seiden-
kissen eigen, die in ihrer technisch vollendeten
Ausführung und wohligen Farbenstimmung sich
willig als letzte Reize der vornehmen Wohnung
einschmiegen. Der künstlerischen Phantasie ist
dabei das freieste Spiel gewährt. Nahezu hem-
mungslos darf sie sich darauf ergehen ; denn allen
schulmeisterlichen Bindungen haben sich die
Künstler der Werkstätte schon längst entwun-
den. So werden denn sonderbare Blumen und
Vögel, Menschen und Tiere, gar ein Schiff zur
schmückenden Hieroglyphe. Solche Gebiets-Er-
weiterungen künstlerischen Schaffens sind als
willkommeneBestärkungimStreben zubegrüßen,
unsere Zeit endlich wieder von der Vorstellung
zu befreien, daß die eigentliche Kunstübung nur
in graphischer Darstellung und in der Malerei zu
sehen sei. . . Und da liegt auch das für die künf-
tige Kultur-Entwicklung unschätzbare Verdienst
der Wiener Werkstätte, daß sie die höchst-
qualifizierten Künstler wirbt, um durch die
restlose Überführung aller ihrer Zweige in die
Sphäre künstlerischer Freiheit und Vol-
lendung, durch den hohen Gehalt ihrer Werke,
die Beschränktheil des vielfach noch herr-
schenden Begriffes von Kunst und Kunst-
Schaffen zu beseitigen, Ludwig steinmetz wien.
K. RIX— WtEN. «KISSEN AUS SCHWAR/.EM LIBERTY, Mir SEIDE BUNT BESTICKT«
AUSFÜHRUNG: WIENER WERKSTÄTIE.
ZEITSTIL UND VOLKSSTIL.
Indem man den Begriff eines „Zeitsfils" als ge-
geben hinnimmt, bekennt man sich zu der
geschichtlich eindrucksvoll genug erhärteten
Tatsache, daß bestimmte Zeitepochen ihren
im Wechsel begrenzten sinnlichen Ausdrucks-
charakter geschaffen haben. Der läßt sich be-
schreiben an einer gewissen Wiederkehr von
Foimsymbolen, für deren P"ntstehen man aller-
hand Erklärungen finden kann äußerer Natur,
deren Aufnahme durch eine Zeit, deren Ver-
schwinden in die Vergangenheit aber etwas ewig
Geheimnisvolles bleibt. Der „Stil" ist der Aus-
druck der geistigen Haltung einer Epoche, und
es ist unumgänglich, daß rückschauende Zeit
sein Wesen literarisierend und romantisch um-
rankt — aber eben nur rückschauende Zeit, die
sich selber gegenüber unsicher geworden ist und
geneigt, ihre eigene Gegenwart als „stillos" zu
empfinden. „Stillos" aber ist keine Zeit, denn
jede bedarf, wenn sie in den Strom der Wand-
lung gerissen ist und nicht auf einer tropischen
Südseeinsel im Schöße uralt gleicher Vegetation
träumt, ihres Ausdrucks; auch schlechter Stil
ist immerhin Stil, auch schlechte Form ist Form,
und es ist eineHilfskonstruklion desGeschniacks,
wenn man von „Entformuag" redtt. Solche
Erkenntnis ist gefährlich, wenn sie zu der Resig-
nation führt, die Form feiner Zeit nun eben bloß
als Gegebenes, schier Zwangsläufiges zu nehmen,
aber wohltätig, wenn sie davor warnt, eine
rational erklügelte oder schwärmend empfun-
dene Formidee künstlich einem Zweck, einer
Zeit, einer geistigen Atmosphäre aufzuzwingen,
deren Wesen von völlig fremden ICräftcn ge-
speist ist. Hieran lag ja der guigläubige, wenn
auch verhängnisvolle Irrtum des historischen
Eklektizismus, hier lauern auch die Gefahren
jenes Subjektivismus, der mit herrischer Ge-
bärde Zeitsymbole diktieren will. Wenn Stile
sich durch geistige Umlagerungengeändert haben,
so heißt das nicht, daß dies Vorgänge außerhalb
der Willenssphäre gewesen sind, sie sind durch-
51
Zeitstn lind Volksstil
52
V. WIESELTHIER. »KLÖPPEL-MOTIV« Is : l-, CM. AUSFÜHRUNG: WIENER WERKSTÄTTE.
setzt von Beispiel, Suggestion und Erziehung,
der „Wille zur Form", wenn es nicht der Wille
zum Formchaos ist (den es auch als stilistische
Attitüde gibt), ist als aktive Kraft berufen, den
Weg zu irgend einem Vollkommenerem zu
suchen, aber er soll, will er fruchtbar sein, seine
Bindung in der Zeit, und sei es die heute noch
verhaßte Zeit, nicht vergessen.
Wahrer Stil ist überpersönlich. Wem nun
gehört er, einer Zeit, unter deren einheitliche
geistige Sprache sich die Volkspersönhchkeiten
neigen, einem Land und seiner Bevölkerung, die
unter dem Gesetz ihrer Art die eben ihnen
eigentümliche Ausdrucksform schsiffen? Indem
man diese beiden Fragen stellt, sieht man die
Antworten aus der Geschichte kommen: daß es
wohl einige große, völlig gesonderte Kulturkreise
gibt, daß aber innerhalb ihrer Sphäre der Stil-
willen keine nationalen Grenzen kennt, sondern
nur nationale oder gar landschaftUche Modifi-
zierungen. Aber je weiter der Prozeß der
NationaUsierung der Kulturen im eigenen Be-
wußtsein schreitet (die Gotik kannte ihn nicht,
die Renaissance und das Beurock bereiten ihn
vor), desto stärker beginnt die Differenzierung.
Sie ist die Erscheinung eines geistigen Vorgangs,
der nicht nur die nationalen, sondern auch die
religiösen Komplexe in sich schUeßt (Barock in
katholischen , in evangelischen Landesteilen).
An seinem Abschluß steht für unser heutiges
Begreifen das Ende der großen undiskutierten
Zeitstile, sei es, daß sie ihre wesentlichen Sym-
bole von der umfassenden Geistesmacht der
Kirche, sei es von den parallelen Entwicklungen
des fürstlichen Hoheitscharakters erfuhren, und
steht der Beginn des Nachdenkens über einen
„nationalen Stil", in einer Periode freilich, da
an die Lösung der großen Zeitgebundenheiten
keine unmittelbar deutliche Volksgebunden-
heiten der Form sich anschließen.
Doch ist das unverkennbar: wenn wir uns
heute die Möglichkeit überdenken, wie ein „ Zeit-
stil" aussehen könne, so klingt unausgesprochen
mit: „bei uns in Deutschland". Und zwar in an-
derem Sinn als man vor 100 und 80 Jahren die
Gotik als „deutschen Stil" reklamierte oder als
man vor fünfzig Jahren mit der „deutschen
Renaissance" teils nationalen Stolz und teils
Geschäfte machen wollte. Sondern mit dem
Gefühl: wir wollen die unserem Wesen und un-
A. SCHRÖDER-WIEN. .KLÖPPEL-MOTIVE« 20 : 20 CM.
AUSFÜHRUNG: WIENER \VERKSTÄTTE.
XXV. April 1922. 7
Zeit Stil und Volksüil.
54
L. KRIEIJMANN.
.KibSEN AUS SCHWARZEM LIBERTV, MIT S-EIDE BUNT BESTICKTc
AUSFÜHRUNG: WIENER WERKSTÄTTE.
serer Lebensweise gemäße Form finden. Das '
Suchen nach ihr ist nicht auf irgend einen ideal-
deutschen Typus aus der Retorte abgestellt —
Werdandibünde waren halblebige Kinder von
Dilettantismus und Eitelkeit — , sondern auf
diese Deutschen im Beginn des 20. Jahrhun-
derts. Ihr seelischer, ihr „soziologischer" Habi-
tus erscheint uns anders als der der Engländer
und Franzosen, der Russen und Amerikaner —
in welche Form bannt sich ihre Art? Wir mögen
dieEntwicklung diesesVolksgebildes nach seiner
sozialen Schichtung, seinen geistigenTendenzen,
seinem schöpferischen Vermögen skeptisch oder
enthusiastisch, argwöhnisch oder gläubig be-
trachten — wenn wir vom „Stile" reden, der
unserer Zeit entspräche, denken wir eben an
dieses problematische neue Deutschland und
weder an französischeKleinstädte noch amerika-
nische Industiiesiedlungen. Auch an diese nicht !
Gewiß kann gegen das Wort, den Begriff
„deutsche Form" Sturm gelaufen werden. Die
Internationalität sei nicht nur ein Ruf in die Zu-
kunft, dem alle aufgeschlossenen Geister folgen
müßten, sondern eine handgreifliche Tatsache
der Gegenwart: Weltwirtschaft, Weltverkehr,
Warenaustausch, Weltproletarial, Weltrevolu-
tion, auch im Geistigen. Und seien nicht die
Strömungen der bildenden Kunst, Impressionis-
mus, Expressionismus, grenzensprengende Vor-
gänge, die uns vor die Tatsache einer europä-
ischen Kunst hinführen. Ich halte diese Aussage
für falsch. Wenn man heute etwa „europäische
Graphik" als Einheit sammelt, so ist das ein
Mißverständnis, denn gerade in dieser Kunst,
bei Goya wie Hogarth, bei Richter und Rethel
wie Guys und Daumier, sind die nationalen
Akzente am stärksten. Technische Problem-
stellungen sind einer Zeit gemeinsam, und Groß-
städte sind zum Teil in gleicher Weise Schlag-
worten ausgeliefert, aber die großen Franzosen
bleiben Franzosen, Kodier ein Schweizer, Munch
ein Norweger, sie sind keine Europäer, sie ragen
ins Europäische, weil sie in ihrer Gebundenheit
groß sind. Und wenn gewiß die Maschine ihr
Formgesetz von der Zahl, vom MeßbcU-en emp-
fängt und die mathematischen Ziffernreihen
keine Grenzpfähle kennen, so ist auch das Be-
rechenbare nicht der schöpferische Meister der
Form. Und wir wissen, wie selber in dies Ge-
biet hinein das Irrationale sich auswirkt. Inter-
national ist eines: der Kitsch, und es bleibt die
schlimmste Zeit für Deutschland, da es inmitten
eines jugendlichen Kraftmeiertums seine Auf-
gabe darin sah, den Bedarf der ganzen Welt
an dieser Lebensunentbehrlichkeit zu decken.
— Für die Entwicklung unseres nationalen und
G. TEJCKA. >K1SSEN AUS LILA TAfX, MIT SEIDE BUNT BESTICKT« AUSF: WIENER WERKST.
G. TEJCKA. »KISSEN AUS GELBEM TAFT, MIT SEIDE BUNT BESTICKT« AUSF: WIENER WERKST.
Znfsfil 7niJ ]'olkssf!!.
zeitlichen Ausdrucks ist entscheidend der sitt-
liche und sachliche Ernst, in dem die Träger
eines schöpferisch formalen Vermögens sich mit
den eigentümlichen Aufgaben dieser Zeit ver-
binden. Laune allein gebiert das Wesentliche
nicht; wo freilich ist es zu finden, wenn fast als
einzige Aufgabe, die dem formenden Willen der
jungen Künstler gestellt ist, der Umbau von
Likörstuben und „Dielen" vorhanden erscheint?
Es ist zu fürchten, daß manche wertvollen An-
sätze zerstört werden, wenn nicht aus derNation
heraus begriffen wird, daß ihre Zukunft einer
Reinigung von Wust und Mode bedürftig ist.
Uns ist es außer Zweifel, daß die Antwort auf
die Frage nach einer deutschen Form und dem
„Stil unserer Zeit", der ein guter Stil sein soll,
abhängig ist von Entscheidungen innerer, mora-
lischer wie politischer Natur. . . theodor heuss
DAGOBERT PECHE. .KLÖPPEL-MOTIV. 15 : 30 CM.
AUSFÜHRUNG: WIENER WERKSTÄTTE.
CARL MENSE— MÜNCHEN. ^FRAUENBILDNIS*
MIT GENEHMIGUNG VON HANS GOLTZ - MÜNCHEN
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CARLO
MENSK.
BILDNIS
»DAVRING-
HAÜSENc
CARLO MENSE-MÜNCHEN.
Innerhalb des stets lebendigen Gestaltwandels
der Formen, deren Aufgabe es ist, ein inneres
Erleben mit sinnlicher Kraft und Fülle auszu-
sprechen, entbehrt es eines tieferen Sinnes,
festzustellen, daß diese oder jene „Richtung"
der Kunst tot sei. Denn immer wieder offen-
bart es sich dem erkennenden Blick, daß die
aufeinanderfolgenden Generationen der Künst-
ler, wie schroff auch jung und alt sich befehden
mögen, von dem Kunstgute der Vergangenheit
zehren. Jede Form hat wie jede Art des Er-
lebens eine Geschichte, die die Keime, aus
denen sie langsam wuchs, erkennen läßt.
Wenn heute die verschiedengearteten Quellen
derjenigen Strömungen, die man unter dem
Sammelnamen des Expressionismus zusammen-
faßte, mehr und mehr sich zu einem „regulier-
ten" Strome zu einen trachten, in stolzer Größe
cils ein „Allgemeines" deihinfluten wollen, so
haben alle diese seltsamen und bisweilen längst
überholten Versuche das Gute gehabt, den
künstlerischen Willen, das Kunstwollen so un-
mittelbar in den Brennpunkt des seelischen Er-
lebens zu stellen, daß der Wille durch Form
und Farbe ein sonstwie Unsagbares und Uner-
klärbares auszudrücken, als zwingendstes Form-
und Seelenerlebnis der Zeit gellen kann.
Solche Betonung des rein künstlerischen Seins
hatte zur Folge, daß zwar ein jeder eigenwillig
sein wollte, daß aber nur die wenigstens einen
Weg fanden, für ihr persönliches Erleben die
persönliche Form zu finden. Wenn auf dem
Wege zu diesem Ziele mitunter eine über-
große Fülle von Erinnerungsbildern vergange-
ner Kunstformen zu Bausteinen der neuen
Form werden mußten, so ist die Tatsache aus
der Einstellung, nur Seelisches ausdrücken zu
wollen, heute verständlich. Daß auf diesem
Wege der Zersplitterung des großen strömen-
den Gefühles für eine allgemeingültige Formen-
59
XXV. M»l 1922 1
Carlo Mcuse- München.
spräche das große, in sich geschlossene, klar
gebaute Kunstwerk nicht selten wie in uner-
reichbarer Ferne schwebend erscheinen mochte,
wer wollte das bezweifeln? Aber auf dem ein-
mal beschrittenen Wege gab es kaum ein „Zu-
rück", da die Ernsthaftigkeit des Willens, als
Eigner eine eigene Formseele zu schaffen als
gegebene Tatsache anerkannt werden muß.
Da dergestalt im wahren Sinne des Wortes
von Innen nach Außen geschaffen wird, bleibt
bei starken Naturen die fast zufällige Anleh-
nung an diese oder jene bekannte Kunstform
belanglos. Schon die Bedingtheit jeder Form
durch die gestaltende Macht des Zeitstiles läßt
bewußt oder unbewußt Abhängigkeit aufkom-
men. Unter diesem Blickwinkel hat der Weg,
den Carlo Mense durchlaufen hat, nichts Be-
fremdendes. Rückschauend würde man heute
sagen, wenn man die hier veröffentlichten Werke
als einen Abschluß auf einem lange vorbereite-
ten Wege betrachten will, daß sich mit einer
unverrückbaren inneren Notwendigkeit alles
Wollen und Erleben, jede künstlerische Form-
äußerung zu dieser machtvollen Ausdrucksform
linearer Gestallung, zu dieser wuchtenden und
beruhigenden Sprache der kubischen Massen,
zu dieser kristallklaren Ablesbarkeit des Räum-
lichen, zu der gestuften Schönheit der Farb-
flächen, und, so sagen wir zusammenfassend, zu
dem abgewogenen und ausgeglichenen Gewächs
der reichen und klaren Bildeinheit verdichtete.
Schon in frühesten Jugendbildern impressio-
nistischer Einstellung war es der gewaltsame
Ausdruck von Farbe und Linie, der notwen-
digerweise zur expressionistischen Formen-
sprache führen mußte. In dieser wiederum
war es weniger chaotische Wildheit als die
Neigung, klare und ablesbar-faßbare Formbe-
ziehungen von geprägter Struktur des Aufbaus
zu gewinnen, bis sich vor etwa zehn Jahren,
mehr und mehr die Neigung durchringen sollte,
mit den denkbar einfachsten Mitteln den denk-
bar klarsten Bildeindruck zu geben.
Das ist nunmehr erreicht. Form und Farbe,
Linie und plastische Körperhafligkeit, die Be-
ziehungen der großen und kleinen, der kurvigen
und der scharfkantigen Körpereinheiten zuein-
ander, die reichen und stimmungsvollen Stuf-
ungen der Tonwerte, die den beherrschenden
großen Farbflächen in dem lebendigen Reich-
tum kleiner und kleinster Farbwerte Geltung
verschaffen , sie alle haben ihren geheimnis-
vollen Ursprung in einer Quelle: in einem ein-
zigen bestimmenden Gefühlsklang, der jedem
der Form dienstbarem seelischen Erlebnis dieses
einzigartige und einmalige Gepräge verleiht.
Daher vermag diesen Maler der sprühende und
strahlende Reichtum der sinnlichen Erschei-
nungsfülle nicht zu verwirren, daher wuchtet
die Wirklichkeitsform nicht drückend auf der
vorgeahnten Kunstform, sondern wie ein natür-
liches Gewächs entfaltet sich das Formgef üge aus
der beherrschenden Gefühlsfeinheit, die einem
inneren Erleben Gestalt verleihen möchte.
Dieser Gestaltungskraft ist es zuzuschreiben,
daß ein Großes und Zwingendes aus diesen
Bildern rätselvoll hervorschaut. Unerklärbar.
Denn daß diese Form sich mit dieser Farbe
verbinden mußte, um zum Bilde zu werden, ist
Werk der geslaltschaffenden Phantasie. Aller-
dings — und dies auch nicht zum geringsten —
Ergebnis einer sorgsamen und jedem Wollen
dienstbaren Technik. Aus der wundersamen
Feinheit, mit der die Farbe, man möchte bis-
weilen sagen, allmeisterlich aufgetragen wurde,
aus der Sicherheit, mit der die Farbtöne nicht
selten unter Auswertung der Wirkungen der
neoimpressionistischen Theorien der Farbzer-
legung gewählt wurden, aus der Klarheit, mit
der die Größe und die Umrandung der einzel-
nen Farbflächen dem wirkungssicheren Cha-
rakter der Farbtöne entsprechend gestaltet sind,
spricht nichts mehr von der Mühe und Arbeit,
von den ergebnislosen Versuchen, die zu dieser
Beherrschung desTechnischen, derDarstellungs-
mittel der Form wie der Farbe, führen sollten.
Diesen aufbauenden Werten gegenüber wird
man ein Anderes nicht in Abrede zu stellen
brauchen. Ich meine die Tatsache, daß An-
klänge an alte Meister mitschwingen. Man
könnte an Meister denken wie Michael Fächer,
was die Klarheit des Raumgefüges anbetrifft,
an Altichiero oder Avanzi, was das Gestuftsein
der räumlich-körperhaften Dingwelt angeht, an
venezianische Meister oder an Lukas Cranach.
Aber was besagen solche Namen I Sie geben
nur hier und da einen Hmweis, wie bestimmte
und sehr persönUche Ziele erreicht werden der-
gestalt, daß bei Verfolgung des Weges ein
Stück oder die Richtung eines Weges bewußt
oder unbewußt mit einer schon einmal fest-
stehenden Lösung zusammengeht. Eine Tat-
sache, die in allen Zeiten der Kunst selbstver-
ständhches Vorrecht des gefühl- und phantasie-
begabten Künstlers war.
Wenn nur dies Eine unangetastet bUeb : daß
die innere und eigenste Wucht des seelischen
Ausdrucks dadurch nicht getrübt wurde, daß
die fremde Form nicht Fessel wurde, nicht
Maske, die falsches Sein vortäuschen sollte.
Daß dem nicht so ist, daß Form und Farbe
schlichte Einheit eines lebensvollen Gefüges
sind, wird fühlen, wer die Innerhchkeit dieser
geschlossenen Form liebt lOthgen
CARLO MENSE MÜNCHEN. »WINTER.
VERLAG HANS GOLTZ— MÜNCHEN.
CARLO MENSE-MÜNCHEN. »MÖNCH.
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CARLO MENSE. »NINIVE WIRD GEWARNT.
VERLAG HANS GOLTZ— MÜNCHEN.
CARLO MENSE. >AKT IN ITALIENISCHER LANDSCHAFT.
VERIAG HANS GOLTZ— MÜNCHEN.
DAS GEHEIMNIS DES PRIMITIVEN.
VON ERNST V. MEBELSCHÜrz.
Ein den Meisten zunächst nicht eben belang-
reich erscheiaendes Ereignis hat mir jüngst
tiefe und erschöpfende Aufschlüsse über die
Kunst und ihr Verhältnis zum Leben geschenkt.
Es war ein Besuch im Hamburger Museum für
Völkerkunde, also einer Anstalt, die, wie der
Name ja schon sagt, nicht eigentlich der Kunst
gewidmet ist, sondern ethnographischen Zwek-
ken dient uod damit vorzugsweise wissenschaft-
liche Belehrung spenden will. Aber merkwür-
dig — diese ganze, systematisch geordnete
Masse von Gebrauchsgegenständen der soge-
nannten „Naturvölker" vom Kanoe bis zum
Fingerring erschien mir in dieser kurzen Stunde
unter einem ganz bestimmten Gesichtswinkel.
Der Nutzwert all dieser Dinge trat entschieden
in den Hintergrund, umso zwingender drängte
sich mir ifir rein künstlerisch er Gehalt auf.
Nur daß das Wort „Kunst" plötzlich einen ganz
neuen, von der landläufigen Bedeutung völlig
abweichenden Sinn erhielt. Kunst und Leben
rückten auf einmal unwahrscheinlich nah anein-
ander — nein, sie flössen in einem breiten ge-
meinsamen Strome, sodaß man sie garnicht mehr
unterscheiden konnte, dem gleichen, unbe-
kannten Ziele zu. Aus dem simplen Lenden-
schurz jedes beliebigen Südseeinsulaners sah
mich die Kunst an — gleichsam mit großen,
erstaunten Augen, als wunderte sie sich über
diese typisch europäermäßige „Entdeckung".
Und umgekehrt — vor jedem dieser fratzenhaft
ausdruckstcirken Idole, vom Künstler sinnreich
geschnitzt und mit grellen Farben bemalt, emp-
fing ich den Eindruck: dies ist Leben! wenn
freilich auch Leben mit einem höheren, poten-
zierteren Wirkungsgrad. Hier ist Kunst nicht,
wie bei uns, eine dem Luxus dienende Begleit-
erscheinung des Lebens, auch nicht ein gegen
die Lebensnot aufgerichteter Damm, sondern
das Ergebnis eines Wachstumszwanges, eine
organische Kraftäußerung von so selbstver-
ständlicher Vitalität, daß ich wirklich zweifle,
ob die Menschen, die sie ausüben, sich eines
besonderen Namens für sie bedienen. Kunst
und Leben setzt eine — in den meisten Fällen
wohl unbewußte — Trennung beider, eine Ab-
grenzung von Interessensphären voraus. Es ist
unser Fall. Wo aber Kunst und Leben aus
derselben Quelle fließen und die gleiche Bewe-
gungsrichtung haben, wären, sollte icli meinen,
gesonderte Bezeichnungen für beide sinnlos.
Irre ich nicht, so liegt gerade hier, in dieser
grandiosen Totalität, der Hauptanreiz, den
die primitive Kultur der Negervölker auf den
heuligen Europäer ausübt. Die Ganzheit ihrer
Existenz ist es, die uns blasierte Kulturmenschen
plötzhch zu Schülern der „Wilden" macht. Oh,
über diese Kulturl Was hat sie uns nicht alles
gegeben! Was hat sie uns nicht alles genom-
men! Vielleicht — so paradox es khngt — die
Kultur selber! Denn worin besteht Kultur an-
ders als dcirin, daß sie alle Lebensäußerungen
unter einen Generalnenner faßt, daß auch die
Kunst, dieser Inbegriff zeugenden Daseins, in
dem allgemeinen Blutumlauf kreist? Es unter-
liegt gar keinem Zweifel, daß die Kunst in West-
europa eine isolierte, mit den übrigen großen
Lebensmächten nur noch locker zusammen-
hängende Größe ist, die sich nur gewaltsam,
unter Zuhilfenahme klug ersonnener Theoreme,
jenem imaginären Ganzen, das wir reichlich an-
spruchsvoll unsere „Kultur" nennen, einordnen
läßt. Diese sogenannte Kultur — die es mit
Dingen, aber nicht mit Menschen und deren
Veredelung zu tun hat — gleicht einem präch-
tigen aber schlecht komponierten Teppich, der
wohl materiell eine Einheit bildet, nicht aber in
einem höheren, ästhetischen Sinne, weil alle
Ornamente unharmonisch nebeneinanderstehen,
d. h. in Form und Farbe den Eindruck des
Ganzen wieder zerstören helfen. Der Teppich
der primitiven Kulturen ist viel einfacher, ding-
lich weniger kostbar, aber er ist ein einheit-
hches Gebilde. Was gibt uns also das Recht —
dies war die Frage, die ich mir beim Verlassen
des Museums vorlegte — hochmütig auf eine
Kultur hinabzusehen, die im allein entscheiden-
den Punkte der unsern nicht nur überlegen ist,
sondern die vermöge des Wertinhalts, mit dem
sie sich zu füllen weiß, dem Begriff „Kultur"
überhaupt erst einen lebendigen Sinn gibt?
So wurde mir dieser Museumsbesuch zum Er-
lebnis. Er lehrte mich das Geheimnis des Primi-
tiven entdecken.
Unter „primitiv" pflegen wir das Anfängliche,
Knospenhafte einer Entwicklung zu verstehen,
alles Unfertige, jugendlich Befangene, was noch
eine Zukunft hat. Diese Betrachtungsweise
schaltet also die Idee des Fortschritts als
Maßstab keineswegs aus. Im Gegenteil — sie
wertet das Primitive als Etappe, als Unterstufe
einer noch zu erreichenden größeren Vollkom-
menheit, die damit immer als das Ziel am Hori-
zont der Betrachtung steht. (Fortsetzung s. iib.)
65
CARLO MENSE. .t)AMEN-BILDNIS<>
EUGEN SPIRO-BERLIN. .DAMENBILDNIS. 1919.
EfGEN Sl'IRO BEKLl.N.
»COMER-bEE« l'J:;
EUGEX SPIRO.
Der Maler Eugen Spiro ist ein geborener Bres-
lauer und neben Levis Corinth der Organi-
sator der jetzigen Berliner Sezession. In Breslau
war er Schüler jenes Peter Breuer, über den die
Fama so mancherlei zu melden weiß. Der ein
so vorzüglicher Lehrer, nach jeder Richtung
reich angelegter Mensch gewesen sein soll,
dessen eigenes Werk aber, trotz bemerkens-
werter Keime, Fragment blieb. Man nennt ihn
als Vorbild von Hauptmanns Michael- Kramer.
— Spiro behauptet von diesem Manne ent-
scheidende Einblicke in das Wesen des künst-
lerischen Schaffensprozesses erhalten und un-
vergeßUche Stunden anregenden Beisammen-
seins mit ihm genossen zu haben. Aus dieser
ersten Zeit des Malers existieren einige Bild-
nisse, die sich durch Schlichtheit und Sachlich-
keit auszeichnen und bis heute ihren Wert be-
wahrt haben. Es existiert ein Kinderbildnis
jener Tage, das in seiner Einfachheit und Innig-
keit an jene erinnert, die um die Mitte des
vorigen Jahrhunderts in Deutschland gemalt
wurden. Diese Sachlichkeit und Geradheit aber
ist ein Wesenszug dieses Künstlers, der in dem
gelungenen Teil seiner Produktion nach vorüber-
gehenden Schwankungen immer wieder durch-
bricht und den er, wie wir sehen werden, sich
zu seinem Wohle bis heute bewahrt hat. —
Von Breslau ging der junge Kunstschüler nach
München, da Stucks Ruhm um jene Zeit so
manchen anzog. Es ist für die Entvificklung der
deutschen Kunstjugend nicht von Vorteil ge-
wesen, daß in Atünchen der Geist Leibls nie
vorherrschte, sondern der Stucks oderLenbachs.
So Anerkennenswertes diese beiden Tagesbe-
rühmtheiten gelegentlich schufen, erzieherisch
wirkten sie nicht in die Tiefe und so wurde
auch das Talent Spiro's, der in dem damaligen
Jugendkreis bald avancierte, weniger in der
Wurzel gefeitigt, als in seiner Fähigkeit zu ge-
schickter und leichter Entfaltung begünstigt.
In kurzem war er auf den Titelblättern der
69
XX\'. ^Ui 1922. 2
Eiigen Spiro.
70
EUGEN SPIRO— BERLIN.
Jugend ein ständiger Gast als gewstndter Plau-
derer der Dinge, die ihm der Tag zutrug, bei
denen die elegante Frauentoilette eine Rolle
spielt und Haltung und äußere Art des Weibes.
— In solcher Atmosphäre fühlte er sich wohl
selbst gefährdet und so führte ihn ein Trieb zur
Vertiefung nach Italien, wo er zunächst im Ko-
pieren — in dem er später Ungewöhnliches
leistete — das Wesen der Alten studierte. —
Von Italien ging er dann, nach einem erneuten
Aufenthalt in seiner Heimat, da er ein gesuchter
Porträtist wurde, nach Peiris, das für ihn ent-
»DüRCHBLICK ZUM SEE«
scheidend werden sollte. Und man kann wohl
sagen, entgegen dem Schicksal der nach dort
verschlagenen meisten, daß es zu bedauern ist,
daß er nicht gleich an diese Quelle geriet ; denn
statt sich zu verheren, fand er sich dort, ver-
stand es frei von Nachahmung seine Anlage
ihrem eigenen Wesen entsprechend künstlerisch
zu befruchten und zu entwickeln. — Im Gegen-
satz zu den etwas dünnen, illustrativen Münch-
ner Gebilden, macht sich bei ihm nun ein male-
risches Wachstum, und man möchte sagen aus
heimatlichen Bedingungen geltend, d. h. aus
Eugen Spiro.
tUGEN SPIRO— BEBLIN.
eigener Wurzel. Er wird nicht zum Pseudo-
Pariser, er bleibt Deutscher. — Wir erinnern
uns eines gelungenen Selbstbildnisses aus jener
Zeit, das den Umschlag, die Fähigkeiten und
die neue Qualität sichtbar dokumentiert: der
Künstler sitzt sinnend im Hut an einem Cafehaus-
Tisch, in einen gegenüberhängenden Spiegel
blickend. So fand er sich einst, nach einem
seelischen Erlebnis dort und wie er sich im
Bilde festhielt, das den Zustand deutlich aus-
spricht, zugleich den ferneren Weg seiner Kunst.
Es ist auf einen stumpfen grauen Schieferton
»AM COMER-SEEc 11)20.
gehalten, der im ganzen ausdrucksvoll durch-
gewertet ist. —
Nun begann für den Künstler eine Zeit er-
giebigen Schaffens auch in landschaftlicher Be-
ziehung, zumal in den Sommern in Bretagne;
wir erinnern uns einiger Bilder dieser Zeit, die
zum Geglücktesten gehören , das aus seiner
Hand hervorging; in die Ferne sich verlierende
Äcker, bei farbiger Konzeption in einem stump-
fen Gelb und Braun gleich prägnant in der zeich-
nerischen Durchbildung, wie unter einem leich-
ten Schimmer van Gogh'schen Einflusses. Diese
71
Eugen Spiro.
72
tUGEN SPIRO EliKLlN.
Landschaften kennzeichnet ein Zug , der im
Künstler fast durchweg richtunggebend blieb,
d. h. eine Objektivität der Farbe, die der Gegen-
stand bedingt, und die ihn vor Einseitigkeit und
Manier schützt. So war er in der Lage, jede Land-
schaft ihrem eigenen khmatischen Charakter
nach zu erfassen und auf diese Weise ihre geo-
graphische Besonderheit zu wahren, handle es
sich um Bretagne, Picardie oder den Harz, ent-
gegen so manchen, die in Potsdam die Atmo-
sphäre der Seine oder Neapels entdecken. —
Nach einer vorübergehenden Abwesenheit
kehrte der Künstler um 1912 wieder nach Paris
zurück und war von dieser Zeit ab dort bis zum
Ausbruch des Krieges auch als Lehrer an einer
Malschule tätig. In jenen Tagen entstand unter
anderem das Bildnis seines Freundes Julius
Meier-Gräfe. Der Schriftsteller sitzt in leuch-
tend roter Sammetjacke am Schreibtisch und
die Haltung des Körpers wie der Ausdruck der
Züge sind von bemerkenswerter Lebendigkeit
und Gründlichkeit ; wie es überhaupt in der Initia-
tive des Porträtisten Spiro liegt, sich bei aller
»IN DER HANGEMATTE«
Leichtigkeit der Anlage nicht mit einer nur un-
gefähren Ähnlichkeit und Erfassung der Form
zu begnügen. — Wir erinnern uns aus der
gleichen Zeit eines Kinderbildnisses mit Kanin-
chen, das sowohl hinsichtlich des Arrangements
wie der Zusammentönung der Farbe smge-
nehm berührt. —
Nach Ausbruch des Krieges ging der Künst-
ler eine zweite Ehe ein und damit beginnt für
ihn eine neue ergiebige Schaffenszeit, die, zu-
mal unter den Bildnissen seiner jungen Frau,
die er immer aufs neue zu erfassen und zu
ergründen suchte, einige seiner besten Arbeiten
aufweist. Doch nicht nur als Bildnis, auch in
den verschiedensten genrehaften Motiven, sei
es am Strand des Lido, im Korbsessel des Ate-
liers, am Frühstückstisch, auf dem Balkon, im
Gespräch mit einer Freundin, immer wieder
wußte er dieser Gestalt neue Reize und male-
rische Momente abzugewinnen.
Zugleich bedeutet diese Periode einen Ein-
schnitt in der technischen Entwicklung des
Künstlers und zwar vom Objektiven zum mehr
Eti<^rii Spiro.
Subjektiven, wobei, merkwürdigerweise, nun,
fern von Paris ein sichtbarerer Einfluß der dor-
tigen Malkultur, speziell der eines Fülvrers einer
ganzen Schule, der Einfluß Cezannes fühlbar
wird: die Farbe ist gewissermaßen weniger
atmosphärisch gestuft, summarischer dekorativ
behandelt, in gobelinarligen Flächen von breitem
Kontur umrissen aneinandergesetzt.als Materie
aufgelockert. Als gutes Beispiel dieser Art kann
die pikante Skizze „Unterhaltunji" gelten, in
der für den, der sie kennt, die Personen oben-
drein treffend charakterisiert erscheinen. Aber
auch eine große Reihe in den letzten Jahren
an den oberitalienischen Seen entstandener
Landschaften tragen diese Handschrift. —
Zugleich befaßte der Künstler sich nun mit
dem Stilleben und man kann wohl sagen, daß
das, was er in den letzten Bildnissen und Land-
schatten koloristisch anstrebte, d. h. einen ver-
tieften Klang der Farbe, hier reiner und stärker
zum Ausdruck kommt, weil ohne jenes deko-
rativ-summarische, unmittelbarer aus seiner
Objektivität heraus und zugleich frei von fran-
zösischer Ingredienz. Der Künstler war hier
bestrebt, die Farbe an sich zu bestimmen, in
der Stärke ihres Lokaltons. Das fiel zumal auf,
wie bei einer wenig umfangreichen Kamelie die
leuchtend, rote Blüte von dem feuchten dunklen
Grün abstach. In einem großen Stilleben „Der
Geburtstagstisch" kehrt das gleiche Bestreben
in mannigfaltigeren Gegensätzen wieder. —
Erinnern wir uns nunmehr des Ausgangs des
Künstlers, wir meinen jene Zeit, da in München
seine leichte Hand sich nicht ohne Gefahr für
die Festigung so erfolgreich im Jugend-Kreise
betätigte, so ist es klar, daß ein solcher Maler
eine ergiebige Anlage zum improvisierend-
illustrativen Vortrag haben muß, d. h. zum er-
zählenden Graphiker und als solcher tritt er
dann mit dem Werke „Das Konzert" vor uns,
das er gemeinsam mit Oskar Bie herausgab und
in dem er die bekanntesten Musiker, Sänger
und Dirigenten unseres Konzertsaals nach Hal-
tung und Ausdruck individuahsiert festhielt. —
Ziehen wir die verschiedenen Wesenszüge
zusammen, die wir als bezeichnend für die
Kunst Spiros fanden, d. h. rasches Erfassen,
Objektivität, leicht enVortrag, persönlicheFarbe,
so ergibt sich daraus von selbst, daß wir es in
ihm mit einem gewandten Porträtisten zu tun
haben, der sich heute, im Verlauf einer natür-
lichen Entwicklung seiner Anlage, im Vollbesitz
seiner Fähigkeiten befindet. —
Im Sommer 1921 machte der Künstler noch
einmal eine Italienreise und zwar im Auftrag
der Marees-Gesellschaft, um in Rom und Neapel
antike Fresken zu kopieren, eine Aufgabe, die
ihm in einer überraschenden Weise glückte.
Schon aus früheren Jahren existierten vorzüg-
liche Kopien von seiner Hand, so die Olympia
Manets und der Irreniiaus-Garten van Goghs,
Arbeiten, in denen er die zartesten Tonwerte
und den Strich des Originals erweckte ; darüber
hinaus aber noch gelang es ihm mittels des
schwierigen Tempera-Materials die blasse, ver-
witterte, wie in erloschener Glut verhaltene
Patina antiker Fresken und den Geist ihrer Form
nachzufühlen und zu übertragen, klkin uiepolu.
«
Ein echter Künstler muß in seinem Innern
Milde, Güte und Großmut pflegen, auch
sollte er angenehme Gedanken und Vorstel-
lungen besitzen und fähig sein, in seinem Geiste
die Gemütsbewegungen und Lebenslagen an-
derer menschlicher Wesen zu verstehen und
wiederzugeben, sowohl in der Schärfe und
Schiefheit, als in dem Nebeneinanderstehen der
Gegenstände. Wenn er so die andern verstan-
den hat, sollte er sie ohne Bedenken aus der
Spitze seines Pinsels herausfließen lassen. Ku
K'ai-chih von Chin (Kogaishi von Shin) baute
sich einen mehrstöckigen Pavillon als Atelier,
damit seine Gedanken freier sein könnten.
Wenn nun die Gedanken niedergedrückt und
melancholisch sind, und nur an einem einzigen
Punkte haften, wie können die Künstler fähig
sein, mit solchen Gedanken zu schaffen oder
die geistigen Eigentümlichkeiten anderer nach-
zufühlen? . . . wenn ich nicht in einem ruhigen
Hause wohne, mich in ein abgelegenes Zimmer
mit offenen Fenstern setze, den Tisch abstaube,
Weihrauch verbrenne, und die zehntausend
alltäglichen Gedanken vertreibe und versinken
lasse, kann ich keine richtige Empfindung für
die Malerei oder guten Geschmack haben und
kann das „yu" (das Geheimnisvolle und Wun-
derbare) nicht schaffen. Erst dann, nachdem
ich alle Dinge um mich herum in ihrer eigenen
Ordnung aufgestellt habe, kommen meine Hand
und mein Geist einander entgegen und be-
wegen sich mit vollständiger Freiheit, kuo hsi
(CHINESISCaER MAI.ER UE.- .\I. JAHRUUNUERTS N. CHR.)
-^
73
MAX BURCHARTZ. .BILDNIS MARIA BENEMANNc
MAX BURCHARTZ.
GEMÄLDE »STILLEBEN«
MAX BURCHARTZ-WEIMAR.
VON PAUL BOMMERSHEIM.
Durch drei Strecken seines Weges hat Bur-
chartz bisher gehen müssen, die an ihren
Enden nicht schroff von einander geschieden
sind, wo auch jede schon Ausblicke zeigt auf
die Gesichte der späteren.
Zuerst hat er die Strecke zurückgelegt, die
jeder wohl anfangs einmal gehen muß, die
Periode des Umlagertseins von alten
Gestalten. Der Mensch ruht noch in seiner
inneren Abgeschlossenheit, und über ihn legt
sich die Arbeit der vorhergegangenenMenschen.
Hierderlmpressionistenund vorallemCezannes.
Noch kann der Anfangende nicht die Decke
auflösen in sein eigenes Wesen. Aber doch
bricht es schon hier und da durch. Schon faßt
er manchmal die Dinge in ihrer klaren Umrissen-
heit, was er später auf höherer Ebene wieder
tun wird. Schon irgendwie wollen sich die
Dinge zu Aufbau-Ordnung zusammenschließen.
Irgendwo wuchert schon das Dunkel herein.
Und in das muß er zuerst hinab. So beginnt
die zweite Periode: die Periode des Hinab-
stiegs zum schöpf erischen Urmeer. Beim
Hinabstieg kommt man zu den Gestalten, die
sich gerade loslösen aus der Einheit des Ur-
sprungs. Die Farben des Hinabstiegs sind auch
die Farben des ersten Aufhellens der Dinge.
Das Wesen dieser gebärenden Vorwelt ist Ge-
schiebe. Geschiebe schwerer, klotziger Massen.
Das reißt sie hin und her. Raum steht erst am
AnfcmgseinerAusweitung. Schrecklich lasten die
Urdinge noch auf einander. Sie haben sich un-
bedingt einzuordnen in das frühe Gebälk. . . .
Aber der Abgrund treibt weiter zur dritten
Periode, der Periode der Entfaltung aus
dem schöpferischen Urmeer
Die Dinge kommen zu sich selber. Sie s t e h n
für sich. Der Pflanzenkübel steht allein auf
dem weiten Berghang. Oft steht ein Haus allein.
Und wo die Wesen Berührung haben, da ist
ihnen auch klare, scharfe Begrenzung gesetzt.
Hier erfüllt sich die Sendung der dritten
Dimension. Treten die Gestalten heraus aus
dem Geschiebe des Ursprungs, so brauchen sie
den Raum, um sich darin zu verteilen. Und sie
durchsetzen in vielen Schichten die dritte Aus-
dehnung, die Dimension der Abgründigkeit.
— Aber die Dinge treten heraus aus den Ge-
75
Max Biirchartz- Weimar.
heimnissen der Hintergründe und nehmen Ge-
setz und Ordnung in sich und werden Archi-
tektur. Die Glut des Vorgeburtlichen, die
Leidenschaft der unnennbaren Gefühle klären
sich ab. Hälse haben lebendige Neigungen ver-
loren und starren auf ins Überlebendige. Das
Rechteck waltet durchs Dasein. Das hohe Auf-
steigen gliedert die Welt.
Das Leben kommt zur Verhaltenheit.
Der Urschreck reißt die Augen nicht mehr groß.
Sie sind gemessen geworden am herben Tag und
wurzeln doch im Wissen der letzten Dinge.
Die Menschen sind zu schwerer Ruhe gelangt
über der Schwärze der Tiefe. (Bildnis der Maria
Benemann). Hier steht auch die Bestimmung
der neuen Gegenständlichkeit. Gegen-
ständlichkeit: das heißt: Verhaltenheit. Der
Schöpfergrund hat seine heiße Bloßheit über-
wunden, überdeckt mit der kühlen schweig-
samen Umwelt der Gegenstände.
Aus der Leidenschaft der furchtbaren Vor-
zeit ist irdische Wärme geworden. Doch in
allem ist der dunkle Abgrund. So ward bei
Burchartz Mythos zum Bild. Nicht daß diese
Bilder mythische Geschichten darstellen. Sie
sind Mythos. Sie sind Stücke vom großen My-
thos der Schöpfung, vom Mythos des schaffen-
den Urgrundes und der entfalteten Welt. p. b.
MAX
BURCHARTZ.
»KLEINE
TÄNZERIN'
KARL SCHENKER-BERLIN. .BILDNIS-AUFNAHME.
K. SCHENKER
BERLIN.
»PHOTOGR.
AKT-STODIEc
AUFNAHMEN VON KARL SCHENKER.
Die photographischen Blätter des Berliner
Malers Karl Schenker sind dadurch aus-
gezeichnet, daß sie — —
Nein, wenn ich jetzt diesen Satz fortsetzte,
würde ich nicht so verstanden werden, wie ich
es meine. Ich muß erst meine Grundanschauung
über die Photographie aussprechen, die einiger-
maßen von der heute allgemeinen abweicht.
Eigentlich ist sie schon in dem Ausdruck
„photographisches Blatt" enthalten. Die Photo-
graphie ist für mich ein graphisches Blatt, von
anderen nur dadurch unterschieden, daß es mit
Hilfe eines Apparates hergestellt wird, im übri-
gen mit denselben Mitteln wirkend und also den-
selben ästhetischen Forderungen unterworfen.
Leider kann ich auch jetzt noch nicht un-
mittelbar zur Sache kommen, denn auf keinem
Gebiet hat die neue Zuchtlosigkeit die Begiilfe
so vollkommen verwirrt, wie auf dem der Gra-
phik. Die Herrschaft der Quantität hat zu einer
Übertreibung des Formates, die reproduktive
Täligkeit zu einer Verkennung der besonderen
Wirkungen geführt, zu der ganz falschen Gleich-
setzung von graphisch und malerisch. Dem
gegenüber muß betont werden; die Schönheit
des graphischen Blattes besteht ganz allem in
dem Verhältnis und dem reichen Spiel von
Schwarz und Weiß. Es kommt also an auf ein-
heitlichen Ton, Mannigfaltigkeit der Nuance und
gute Verteilung von Licht und Schatten.
Es bedarf keines Beweises, daß die Art von
Photographie, die ganz besonders laut den An-
spruch erhoben hat, als Kunst betrachtet zu
werden, von diesen Eigenschaften im allgemei-
nen so gut wie nichts besitzt. Es gibt ein paar
Ausnahmen, aber der Troß ist fürchterlich.
Trot? dem hat diese Bewegung ihre V'erdienste.
Sie hat der Sache einen neuen Antrieb gegeben.
Aber darüber hat man zu sehr die erste Art
von Photographie vergessen, die der Mitte des
19. Jahrhunderts. Max Lehrs hat jetzt Bilder
dieser Art in das Dresdener Kupfersticfikabinett
XXV. Mai 1922. 3
A-ii/7iali?)!f7i von Karl Schoikcr.
80
^*
KARL SCHENKER— BERLIN.
aufgenommen; ich habe sie Jahre lang benutzt,
um den Übermut der sogenannten Kunstphoto-
graphen zu dämpfen. Sie sind höchst lobens-
wertes Kunsthandwerk. Das wundervoll echte
Material hat jede Tonstärke präzis erhalten und
damit die reiche Skala von Tonwerten wirksam
unterstützt. Die Figuren sind mit voller Sicher-
heit in die Fläche gestellt, nach erprobten Re-
geln, die der Photograph, zumeist ein „akademi-
scher Maler", auf der Hochschule gelernt hatte.
Natürlich können und wollen wir nicht zu
dieser Art zurück. Es käme darauf an, diese
sichere Form auch bei einer persönlichen Art
der Aufnahme zu erreichen. Es müßte also
»Bn,DNIS-AUFNAHME€
der Photograph nicht immer dasselbe Re-
sultat wollen, sondern jedesmal entsprechend
dem Menschen, den er vor sich hat, eine be-
sondere Form in Umriß und Ton erstreben,
zugleich charakterisierend und reizvoll.
Und nun kann ich den Satz vom Anfang zu
Ende führen; die photographischen Blätter Karl
Schenkers sind dadurch ausgezeichnet, daß sie
das Bild des Menschen, wie er ihn empfindet,
in eine jedesmal individuelle und geschlossene
Form bringen, eine Form, die natürlich weder
der handwerklich benutzte noch der wild losge-
lassene, sondern nur der sinnvoll und zielsicher
verwendete Appsu-at geben kann.
FRITZ STAHL.
KARL SCHENKER. »BILDNIS-AUFNAHME.
KARL SCHENKER. »BILDNIS-AUFNAHME.
KARL SCHENKER. .BILDNIS- AUFNAHME«
KARL SCHENKER. .AKT-STUDIE.
FRITZ AUGUST BREUHAUS-KÖLN. >EINGANG ZUR BIBLIOTHEKc
SCHNITZEREI AUF DEK TUE VON BILDHAÜEE KNAPPE— MÜNCHEN.
FBITZ ADG. BREDHAUS— K'iLN.
»BIBLIOTHEK • SCHRA^KWAND<
RÄUME AUS DEM BONNER WOHNHAUSE DES ARCHITEKTEN
FRITZ AUGUST BREUHAUS.
Fritz August Breuhaus hat in rastloser Arbeit
seinen Weg gefunden. Von bunten Irr-
gängen blieb er nicht verschont, sonst hätte
er die Freude verloren, den Weg zu suchen,
den zu gehen er berufen scheint; und wo früher
einmal ein junger Impuls allzu schnell unter den
Fesseln der Form erstarrte, überzeugen heute
glückliches Besinnen und bewußtes Wollen.
Man schreitet durch diese Räume, die seine
Gedanken und sein Können aus schwanken
Träumen in erfüllte TatsächÜchkeit gerettet,
gleichsam durch sonnige Wünsche ; wenn die
Wände unter der ordnenden Hand des Bildners
zu sprechen nicht verlernten, ist es, als ob so
manches sich ereignen wollte, was die verderb-
liche Unruhe des entsetzhchen Daseins über-
winden möchte. Das sind stille Zimmer mit
wirklichen Tischen, mit wirklichen Sesseln, mit
Betten, in denen man schlafen kann, mit Schrän-
ken, vor denen man sich nicht ängstigen braucht,
mit Decken, die einen nicht einsargen, Fenstern,
die Sonne lieben. Lichtem, die wissen, daß sie
erfreuen sollen. So still ist es in diesen Räu-
men, daß alle Sorgen sich ordnen, alle Freuden
sich finden und schließlich die Geste nicht aus-
bleibt, die den Menschen kennzeichnet, wie er
im Königreich seiner Träume, seiner Nächte
und seiner Paläste sich zu formen den göttlichen
Willen hatte. Wenn Ruhe in diesen Zimmern
den Suchenden erlöst, der natürliche Halt der
Architektur sich auf den Ängstlichen überträgt,
Aufregung und Furcht sich allmählich verflüch-
ten, steigt aus dem Däinmer des gepflegten
Lichtes das bunte Gerät wie ein Heer gutmütiger
Geister: Bücher und Bilder wollen sprechen,
wollen gehört sein; Blumen und Tiere mischen
sich ein; alles ist stolz, daß es da ist, schön ist
und gesehen wird. — Ziegelsteine, Travertin,
Bronze und Terrakotten finden sich mit der
gleißenden Anmut von Eichen- und Palisander-
hölzern, die sich gerade so zu Kommoden und
Truhen fügen, als dürfe es gar nicht anders sein,
als hätte der Meister sie gestaltend nicht zer-
brochen, sondern schmeichelnd geliebt. Wo
87
XXV. Mai 19i2. 1
Archilckt Fr Uz
August BrcuJiaus.
FRITZ AUG. BREUHAUS— KÖLN.
Seiden und Stoffe sich um Formen schmiegen,
wollen sie nicht verhüllen, sondern es hängt an
ihnen ein klingender Giuß aus fernen Ländern.
Wir treten ein in die geräumige Bibhothek,
öffnen die schwere, eichene Tür, in die das
schnitzende Handwerk ein Märchen barmte.
Das Zimmer ist hcht, in hellen Tönen gehalten,
nicht arm und nicht üppig; gediegen in seiner
einleuchtenden Behaglichkeit, wie in seiner
zweckerfüllenden Lösung. Über dem Kamin ein
farbfrohes Bild, es will nicht bestechen, aber es
läßt sich anschauen und man darf nachsinnen,
was diese schimmernden Farben wollen. —
Holzscheite warten in dem Kamin, sie wollen
brennen und Wärme geben, wenn in den Sesseln
ein paar Minuten sich vergessen wollen. — Der
Bücherschrank ist nicht anspruchsvoll, er weiß,
daß er den Büchern dient, daß die Bücher nicht
seinetwillen da sind, wie manches Möbel sich
einbilden möchte. — Endlich die köstliche Bank
aus gelbem Stein, wie sie die Heizung verkleidet
und vornehm in die Wand überleitet. — In sol-
»BIBLIOTHEK • FENSTERSEITEc
chem Raum mögen sich Stunden und Nächte
verbringen lassen, zusammen mit den vielen ein-
geschlossenen Gedanken und Träumen, die von
keinem der Bilder rings an den Wänden zer-
rissen würden. — Und nebenan ein kleines
Zimmer mit Goldwänden, über die — wie ein
verhaltenes Lächeln — Ornamente, Blumen und
Tiere sich weben. Das weite Fenster grüßt nach
dem lustigen Garten. — Sessel, Kommode, ein
verständiger Spiegel, Kcikteen endlich ; hier wird
Tee getrunken, und so muß es sein. Dann
das Frühstückszimmer, einfach, nicht aufregend.
Die Beleuchtung indirekt. DieWände klar geglie-
dert und im ornamentalen Schmuck Vorhängen
gleichend, die von allem AlllägUchen trennen
wollen. — Das Schlafzimmer des Architekten,
gehalten in vornehmem Dunkelgrün, einfach in
der Zweckmäßigkeit und doch mehr als zweck-
gemäß. Das Bett überzeugt in seiner Haltung;
kein borniertes Fußende mischt sich störend in
die Sicherheit der Architektur. — Das Damen-
Schlafzimmer gibt das Gegenstück: lustige Ge-
Arcliitrkt Fritz A^igtiaf Brnihaits.
FRITZ AUGUST BREUHAÜS KULN.
danken schnitzte des Bildners Hand in das an-
mulvolle Möbel, und reiches Licht grüßt lachend
von den freudig rosafarbigen Wänden.
Es ist viel zu sagen über all diese Dinge,
viel zu sagen über das, was der Architekt in
die mannigfaltigsten Erscheinungen zauberte.
Doch es wräre ein nutzloser Versuch, wollte
man die Gedanken und Launen in Worten auf-
leben lassen, für die der Künstler die güllige
Form längst erfand. — Die Geste ist heute ein
gesuchtes Phantom, wer sie beherrscht, wird
die Welt gewinnen, und ausgehend von ihrer
befehlenden Erscheinung werden sich die ent-
fesselten Elemente zu neuer Ordnung zusam-
menfinden. Gedanken und Gefühle sind wohl
die Impulse, die Weltgeschichte bedingen, sie
mögen sich dogmatisieren, vermitttelnd fesseln
an den Ausdruck der Bildkunst, den Klang der
Musik, den Rhythmus des Wortes. Wenn es
Gesetze angeht, die — überzeugend in ihrer
Formulierung — sich befehlend mitteilen, sind
sie der Architektur recht nahe verwandt. —
■■uiaaamaBBBaaBHaBBMBaaaaaaaAJiaaiiai
»BIBLIOTHEK IM BONNER HAUSE'
Gedanken leben in Breuhaus' Schaffen, leben
in den Räumen, die er erstehen ließ. Wie sie
in den Proportionen der Wände, der Abstufung
der Farben, der Zusammenstellung des Geräts
ein einheitliches Gefüge ausmachen, so regen
sie an zu mancherlei Beginnen, zu mancher
Besinnung und mancher Tat. — In der von
ihm gestalteten Umgebung entäußert sich der
Mensch, Wände sind Spiegel, die in ihrer blin-
den Ehrlichkeit nichts verheimlichen können,
wenn sie, durch keine Spekulation beirrt, sich
zu dem heiligen Gefäß eines wissenden Daseins
schmieden, erlösen sie den ruhelosen Geist von
den Qualen seines Gesichts. Sic bestätigen,
wechseln ein sicheres Bild, sind schließlich
nicht fühlloser als die Menschen selbst. — Und
für Menschen will Breuhaus Werke schaffen:
Wie er die Kostbarkeiten des Lebens liebt,
Seiden, edle Hölzer und edles Gefäß, so um-
gibt er das Leben mit einer prächtigen Hülle,
unter der es doch immer atmet und niemals
erstickt wernher witthaus.
89
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ARCHITEKT FRITZ AUGUST BREUHAUS-KÖLN.
.TRUHE UND SPIEGEL IM TEEZIMMER« WANDBEMALÜNG PAUL JESSEN -KÖLN.
ARCHITEKT FRITZ AUGUST BREUHAUS. .FRÜHSTÜCKS-ZIMMER.
IM BONNER HAUSE DES KÜNSTLERS. BEMALUNG SILBER UND ORANGE VON PROFESSOR SCHNKIDLER.
XXV Mai 192J. i
SCHLAFZIMMER DES ARCHITEKTEN F. A. BREUHAUS-BONX.
ENTWURF: ARCHITEKT FRITZ AUGUST BREUHAUS-KÖLN.
»DAMEN-SCHLAFZIMMER« IM HAUSE BREUHAÜS IN BONN.
■■■■■■■■■■■■■rnai
KUNST UND NATIONALITÄT.
Alles was geschieht ist Symbol, und, indem
" i\. es vollkommen sich selbst darstellt, deu-
tet es auf das Übrige", hat Goethe an Karl
Ernst Schubarth geschrieben. In den Lehren
der Physionomik, Charakterologie, Graphologie
usw. bat sich die Erkenntnis, daß wir vom Ein-
zelnen auf das Ganze zu schließen vermögen,
zur Wissenschaft ausgebildet. Zeigt uns ein
beliebiger Brief durch die Handschrift : Rasse,
Temperament, Charakter, Wesen eines Men-
schen, wie viel mehr die Handschrift der Kunst.
Wer in seinen Beobachtungen die Richtung vom
Individuellen zum Typischen festhält, wie sollte
der in der Kunst eines Volkes nicht die natio-
nale Bedingtheit erkennen !
Wo über die Frage nach nationaler oder
internationaler Kunst gestritten wird, da liegt
meistens ein Mißverständnis vor. Mag man
noch so eifrig allem Chauvinismus gegenüber
betonen, daß die Kunst ihren eigenen Gesetzen
folge, die nicht durch poUtische Grenzen be-
stimmt werden, so bleibt doch die Tatsache
bestehen, daß die Kulturgemeinschaft in der
Kunst ihren vornehmsten Ausdruck findet. Nicht
nur die individuelle, sondern auch die typische
Veranlagung kommt in ihr zum Vorschein.
Ich besitze von Emil Lugo ein Bild der römi-
schen Campagna, dessen Wolken uns beispiel-
weise das Deutschtum des Künstlers sofort ver-
raten. Als ich im Atelier von Hans Thoma —
er hatte ein Bild aus den Schweizer Alpen auf
der Staffelei — eine ähnhche Bemerkung be-
treff der in den Vordergrund gestellten Bauern
machte, da antwortete der Meister mit Humor:
„Ja, das sind gute Schwarzwälder; sie sind in
die Schweiz ausgewandert, aber doch ihrer
Heimat treu geblieben".
Soll der deutsche Künstler sich Einflüssen
fremder Nationen verschließen? Die Antwort
auf diese Frage kann verschieden lauten. Wenn
er nicht eigen-persönlich genug ist, um sich
trotzdem zu bewahren, dann: Ja. Aber heißt
deutsch sein, nicht zuletzt überdeutsch sein?
Auch für die Kunst steht das Ideal des „guten
Europäers" am Horizont. Wie der junge Künst-
ler, der zunächst nur aus dem Unbewußtsein
schafft, sich ganz anders einstellen muß, sobald
das Bewußtsein eine Revolution in seinem
Wesen entfacht, so vermag ihm auch die Ver-
tiefung in das Fremdländische eine entschie-
dene Bereicherung zu bringen.
Nicht nur im Reiche der Gedanken sollen
alle Schlagbäume in die Höhe gehen, sondern
auch im Reiche des künstlerischen Schaffens.
Es gilt letzten Endes das Höchste als solches
zu werten, aber es gilt wiederum in erster Linie,
dem was uns gemäß und vertraut ist, unsere
Pflege angedeihen zu lassen. Jeder Anfänger
läuft Gefahr, das Allgemeine für ein Besonderes
und Charakteristisches zuhalten; erst der Ver-
gleich erschließt ihm mit der Zeit, wo die Son-
derheit liegt. Nicht anders verhält es sich in
der Frage nationaler Kunst. Das Organische
enthüllt sich uns, wenn vfir den spezifischen
Volksgeist in seiner allmählichen Entwicklung
verfolgen. Auf das Nationale verzichten, führt zu
unorganischer Verschwommenheit, das Interna-
tionale ausschließen, sehr leicht zur Erstarrung.
Gerade weil die Kultur, wie Jakob Burckardt
so richtig erkannt hat, nicht notwendig uni-
versal ist und anderseits keine Zwangsgeltung
für sich in Anspruch nimmt, besteht bei ihr ein
Wechselverbältnis von Bedingtem und Bedin-
gendem, dem sie ihre Selbstheit und doch zu-
gleich auch ihre Hingebung an ein Allgemeines
verdankt. In der künstlerischen Kultur legen
die Völker die Substanz ihres eigenen Wesens
nieder und spinnen doch zugleich die Fäden zu
allen beseelten Wesen. Sie verdankt sich einem
geistigen Überschuß, der sich von der Heimat
aus ein Weltbild schafft. Sie stellt ein höheres
Leben dar, das sich frei weiß von nationaler
Bedingtheit und das dennoch aus dem Boden der
Rasseneigentümlichkeit seine Naihrung gewinnt.
Wer nur nach der Vervollkommnung der
Technik strebt, hat keine Ursache sich als
Künstler seine Nationalität zu wahren und zu
vertiefen, aber wer in der Kunst etwas Außer-
ordentliches sieht, das lebendig aus dem Unter-
grund des individuellen und typischen Wesens
erwächst, der fühlt recht wohl, was er seiner
nationalen Kulturgemeinschaft verdankt. So
kommen wir zu dem Schluß, daß die Kunst in
der heimatlichen Kultur wurzelt, daß sich ihre
Äste und Zweige aber mit gutem Recht über
die Mauern ausbreiten, die politische und wirt-
schaftliche Verhältnisse aufbauten. Je nationaler
ein Werk in seiner Wurzel ist und je weiter es
zugleich seine Zweige ausstreckt in Luft und
Licht, die Allen gemeinsam sind, je mehr wird
es auch den Angehörigen fremder Nationen
Achtung abgewinnen, soweit ihr Verständnis
nicht versagt. Hüten wir uns also in der Kunst
vor jedem Chauvinismus, bewahren wir uns
aber auch die Bodenständigkeit; denn dort
fließen die Quellen unserer Kraft, karl heckel.
100
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ARCHITEKT FRITZ AUGUST BREUHAUS K' -I.X.
>VORRAt7M IM HAUSE DES ARCHITEKTEN.
ENTWURF: ARCHITEKT FRITZ AUGUST BREUHAUS- KÖLN.
»HERREN-SCHLAFZIMMER IM HAUSE SCH. IN KÖLN«
ENTWURF: ARCHITEKT KRITZ AUGUST BREUHAUS Ki iLN.
»FRISIERTISCH IM NEBENSTEHENDEM HERREN-SCBLAKZLUMER«
ENTWURF: ARCHITEKT FRITZ AUGUST BREUHAUS KÖLN.
• WÄSCHESCHRANK MIT INTARSIA IM HERREN-SCHLAFZIMMER t
MARIE ELISABETH KRÄNKEL BERLIN.
AQUARELL >DIE EINSIEDLEK«
ARBEITEN VON MARIE ELISABETH FRÄNKEL.
Auf einer großen Ausstellung bei Cassirer in
i Berlin geschah es. Es war eine umfassende
und bunte Schau über die Aquarell-Bemühungen
unserer Zeit, und damit das Bild sich nicht gar zu
einförmig aus Hunderten kleiner Blätter zusam-
mensetze, fand sich, durch die Säle verstreut,
auch ein wenig Plastik. Dabei ein paar Stücke
mit dem Namen Marie Elisabeth Fränkel. Wer
ist das? fragt man sich. Mit der aufmerkenden
Neugier des Dauerkunstwanderers, zu dessen
größten Freuden es gehört, einem unbekannten
Talent zu begegnen, forscht man weiter. Und
findet eine junge Künstlerin von so eigenem
Wesen und Gefühlsausdruck in den nicht allzu-
weit ausladenden Grenzen ihres Arbeitsbezirks,
daß man sie, wiederum höchst angenehm berührt,
in die üblichen Rubriken nicht einordnen kann
Die Zeiten sind längst vorüber, da die Plastik
nur sehr lockere Beziehungen zur weiblichen
Künstlerschaft unterhielt. Und auch das ist
nichts Neues mehr, daß junge Mädchen von
Begabung sich in eine rechte Handwerkslehre
geben, um das Problem künstlerischer Arbeit
nicht nur als ein Objekt gefälligen, feinen Spiels
zu betrachten, sondern zu seinen Gründen vor-
zudringen. Aber selten habe ich doch diese
Forlschritte mit einer so persönlichen und ge-
schlossenen Empfindungswelt vereinigt gesehen
und mit einem so zielsicheren Willen, ihr Form
zu geben. M. E. Fränkel hat redlich ihre Schule
durchgemacht. Sie war am Berliner Kunstge-
werbemuseum und erfuhr dort die anregende
Kraft von Josef Wackeries Unterricht. Dann
ging sie auf den Rat dieses Lehrers, der ihre
besondere Neigung zum Holz erkannte, nach
Oberammergau. In dem gesegneten und be-
rühmten bayerischen Orte kann man viel lernen.
Viel — das will sagen: vielerlei. Man kann
dort sehr leicht in eine konventionelle Routine
geraten, die den Begriff der ÜberUeferung recht
eng faßt. Man kann aber auch, namentlich heute
in der Unterweisung von Cluistian Wittmann,
dahin geführt werden, den Sinn der Tradition
freier zu begreifen und die glänzende handwerk-
liche Schulung, die Oberammergau unter allen
Umständen gewährt, zu selbständigem Schaffen
zu nutzen. Durch ihres Meisters Wittmann ver-
ständnisvolle Leitung und durch das Gebot ihres
künstlerischen Triebes fand Marie Elisabeth
Fränkel diesen weiten Weg. Sie machte wohl
den Lehrgang durchs bayerische Barock mit,
der sich dort oben im Gebirge als etwas Natür-
liches ergibt. Aber sie drang darüber hinaus
zu Gestaltungen vor, die weitab von diesem
Schema liegen. Was Oberammergau ihr gab,
war außer der technischen Sicherheit, die sie
befähigte, jedem Holzklotz unerschrocken ge-
genüberzutreten, vor allem und wesentlich die
Gefühlsinnigkeit und seelische Hingabe der
katholischen Welt, in die sie sich versetzt sah.
Unmerklich strömte in der Heimat der Passions-
spiele das eigentümliche Geistesleben der Be-
wohner in die junge Berlinerin, die hier aus
der wirren materiellen ZiviUsationswelt der
Großstadt in die Nähe einfacher, mit ihrem Gott
vertrauten Umgang pflegender Menschen ge-
kommen war. Aus solchen Stimmungen wurden
die eigenartigen Arbeiten geboren, die dann.
107
XXV. Mil 1933. 6*
Arbeiten von Marie Elisabeth Fränkcl.
lOS
MARIE E. FBÄNKEL-BERLIN.
ans Licht gebracht. Sie
scheinen noch nicht ganz aus
dem Schlummer ihrer Ver-
kapselung erwacht. Noch ist
um sie gleichsam ein Traum-
schleier gebreitet, unter des-
sen kaum merklicher Ver-
hüllung wir ihre Verbun-
denheit mit der Materie, aus
der sie bestehen, doppelt
eindringlich spüren. — Alle
diese Figuren sind Gefäße
einer versonnenen Sehn-
sucht. Sie äußert sich ver-
schieden. In frommem Ge-
bet, in tiefem Nachdenken,
in musikalischer Versunken-
heit, in religiöser Schwär-
merei. Das „Sinnende Mäd-
chen" ist, fast wie eine
Kwannon aufgebaut , eine
ganz ferne , bescheidene
Verwandte des Rodin'schen
Denkers. Ausgezeichnet,
wie die Lim'en des Gewan-
des aus natürlicher , stil-
mäßig benutzter Breite em-
nach der Heimkehr, ent-
standen. Was Marie
Elisabeth innerlich er-
lebt hatte, berührte sich
ganz natürlich mit den
Wünschen der jüngsten
Kunst, deren ganze
Sehnsucht darauf ge-
stellt ist, das uferlos wo-
gende Meer des erreg-
ten Gefühls in sichtbare
Form zu zwangen. So
entstanden diese Re-
liefs und Holzschnitze-
reien, die von einer zar-
ten Mystik bestimmt
sind. M. E. Fränkel
nimmt ihre Schnitzmes-
ser zur Hand und aus
einem rohen Stück Birn-
baumholz lösen sich Fi-
guren, die so aussehen,
als seien sie seit tausend
Jahren in den Fasern
des Holzes verzaubert
gewesen, mit ihnen lang-
sam gewachsen und nun
MARIE ELISABETH FRANKEL. »CELLOSPIELER«
HOLZPLASTIK »KNIENDE«
porstreben, um dort in die
Umrisse des Körpers und
der Arme überzugehen und
in die kugelhcifte Rundung
des Schädels zu münden.
Wie hier, ist bei ihren Schwe-
stern die Fiächenbehand-
lung aufs Einfachste zurück-
geführt, wahrhaft aus dem
Holz gedacht. Nur die ent-
scheidenden Formteile sind
herausgehoben und mit ei-
ner überraschendenKlarheit
zusammengefügt. Der Kopf
ist gern ein wenig größer
gehalten, als es ein natura-
listischer Maßstab zuließe.
Die Arbeiten erhalten da-
durch einen Zug des Primi-
tiven, der aber nicht modisch
erzwungen, sondern wirk-
lich aus der Anlage des
Ganzen geboren scheint.
Ein Gran Urtümlichkeit und
ein Gran Gotik mischen sich
mit technischer Erfahrung,
die rührend vergeistigt ward.
Arliitcn von Marie Elisahcth F.ränkcl.
Jene Köpfe sind gern nach vorn geneigt. Es
ist eine charakteristische Haltung aller dieser
träumerischen Schöpfungen. Auch der Cello-
spieler hat sie, der, volksmäßig-nadv, mit seinem
Instrument so innig verschmilzt. Auch die
Klavierspielerin eines Reliefs, die eine kleine
heilige Cäcilie wurde. Auch der Schäfer, der
am Brunnen seine Herde überwacht, die deko-
rativ so hübsch geordnet und mit der Relief-
schrift in Beziehung gebracht ist - dieser Schäfer,
der etwas vom christlichen Symbolamt über-
nimmt. Und auch die Einsiedler des Aquarells,
das hier als Probe einerbesonderenKunstübung
erscheint. Die Künstlerin hat sich in diesen Blät-
tern wiederum eine ganz eigne Art des Vortrags
gebildet. Etwas, das an Miniaturen erinnert, fast
möchte ich sagen, an die geduldige Kunst alter
Mönche, wenn nicht eine verhaltene sinnliche
Glut der larben, die den flächigen Aufbau bele-
ben, doch auch wieder abseits führte in ein Sehn-
suchtsland der modernen Seele. i>r. max osborn.
Man lernt nichts kennen, als was man liebt,
und je tiefer und \ ollständiger die Kennt-
nis werden soll, desto kräftiger und lebendiger
muß Liebe, ja Leidenschaft werden. . . goethe.
mwrnnmw
1
MARIE ELISABETH FRÄNKEL. >LAMPENFUSS IX HOLZ.
109
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UARIE
ELISABETH
FRÄNKEL.
»PLAKETTE'
DAS SUBSTANZIELLE IN DER KUNST.
Der Naturalismus ließ außer Acht, daß die
Welt eine Schöpfung des Ich ist. Der
Expressionismus ließ außer Acht, daß alles Ich
ein Du, alles Subjekt ein Objekt voraussetzt.
Dem Naturalismus entseelte sich die Welt, da
er ihr den Bestandteil Ich entzog. Dem Ex-
pressionismus entstoffUchte sich das Ich, da er
ihm den Bestandteil Welt entzog. Zwei so grund-
legende und schmerzliche Erfahrungen, gegen-
sätzlich aufeinander folgend imd auf schmalen
Zeitraumzusammengedrängt, sollten derMensch-
heit als Warnung, als Fingerzeig dienen.
Die Welt ist Tat des Ich, kein Zweifel. Aber
diese Einsicht gehört in den Bereich der Be-
trachtung, nicht in den Bereich des Handelns
und des Schaffens, Vor der reinen denke-
rischen Erwägung wird sich das Gewebe der
Welt immer aufdröseln; sie wird auf die Welt-
substanz immer zerstörend einwirken , denn
Denken ist nicht das Organ, mit dem wir an
den Weltstoff, an das Objekt herankommen
können. Es ist, als wollten wir zarte Woll-
flocken mit weißglühenden Zangen ergreifen:
sobald wir sie damit berühren, verkohlen sie
im Nu. Verhalten wir uns aber dann handelnd
und schaffend zur Welt: sogleich ist deren Sub-
stanz wiederhergestellt, wölbt sich auf mit gra-
nitenen Bergen und rauschenden Wäldern und
gibt sogar Stoff ab, die hohen Gestalten zu ver-
leiben, die die überirdischen Sphären bevölkern.
Der Expressionismus hat sich bemüht, zu
vergessen, daß das so mächtige, weltschöpfe-
rische Ich nur durch das entsprechende Du ge-
füllt und bestimmt wird. So ist seine Welt
verarmt , sie ist dünn und fadenscheinig ge-
worden. Und auf allen Seiten sehen wir die-
jenigen, die diese Erfahrung nicht umsonst ge-
macht haben, mit herzlicher Begierde das große
und kleine Du aufsuchen. Das Ich verschweigt
sich. Das Ich ist eine Schattenblume; sie kann
nicht immer im hellen Licht des Bewußtseins
stehen. Sie braucht Dunkel und Kühle. Sie
blüht, wenn der Geist sich herzlich auf das
Nicht- Ich einstellt. Und so stehen unsere Künst-
ler wieder vor der Natur, nicht um sie unter
Vergewaltigung des Ichs abzumalen, sondern
um dem Hunger des Subjekts die ewige, näh-
rende Materie zuzuführen, durch die das Ich
erst in den Stand gesetzt wird, Welten zu er-
schaffen. Es ist ein Vorgang der Gesundung,
eine kunstmoralische und sogar eine moralische
Verdichtung, Wiederaufrichtung des mensch-
lichen Geistes, die sich bei allen Völkern und
auf allen Gebieten bemerkbeu- macht und die
ohne Zweifel auch unsrer Kunst einen neuen
Lebensantrieb geben wird w. f.
110
MARIE ELISABETH FRANKEL- BERLIN.
HOLZPLASTIK »SINNENDES MÄDCHEN.
LOTTE PRITZEL. »VITRINEN-PUPPE«
LOTTE PRITZEL.
»VITRINEN-PUPPE«
VITRINEN-PUPPEN VON LOTTE PRITZEL.
Lotte Pritzels Puppenkunst hat einen schönen
-< Weg gemacht. Sie begann mit Puppen, die
Spielzeug waren. Sie endet mit plastischen
Kunstwerken, in denen das Puppenhafte nur
noch Material, nur noch Ausdrucksmittel ist.
Sie ist durchaus in den Bereich der Kunst auf-
gestiegen; sie stellt eine Welt aus sich heraus
in objektiven Formen. Diese Formen sind Emp-
findungsomamente, dargestellt aus einem leich-
ten, durchleuchteten Etwas von menschlichen
Körpern. Abwehr, zärtliche Sehnsucht, Jubel
festlichen Schreitens wird hier gedolmetscht ;
daneben auch krampfig Überreiztes, wie es sich
im Empfindungsleben moderner Menschheit so
häufig vorfindet. Dem Wesen nach sind diese
Kunstwerke nicht statuarischer, sondern lyri-
scher Art. Jedes ist ein Lied von wenigen Zeilen,
in duftigen, gehauchten Worten hingesagt, die
alle vom gleichen Rhythmus zärtlich ergriffen
sind. Es gibt an diesen Gestalten keine leeren,
unergriffenen Partien. Das Zärtliche, Liedhafte,
Schmachtende dieser Kunst wird vollends be-
tont durch die hauchfeinen, schmiegsamen und
spielerischen Materialien, die die Bewegung der
Körper hilfreich unterstützen; Kunst und Spiel
auf einem hohen Punkte vereinigt w. f.
113
XXV. Mal 1922 7
LOTTE PR1T2EL. .VITRINEN-PUPPE«
LOTTE PRITZEL. .VITRINEN-PUPPE.
■■■HBBHBMBBKBI
DAS GEHEIMNIS DES PRIMITIVEN.
(FORTSETZUNG VON SEITE 65.)
SO glauben wir z. B. bereits in den frühen
Niederländern des 15. Jahrhunderts Rubens
und Rembrandt wirken zu sehen, freiHch erst
keimhaft, gleichsam im Puppenstand und von
dem geheimnisvollen Reiz des Unvermögens
umdunkelt. Diese Aulfassung wird der wahren
Bedeutung des Primitiven nie gerecht werden.
In ihr spricht sich meines Erachtens der ganze
raffinierte Geschmack des vielzuviel Wissen-
den aus, der nur eine andere Art von Per-
versität ist und der Uoschuld des Noch-nicht-
voU-Entwickelten als eines Stimulanzmittels für
erschlaffte Nerven bedarf. Auch verkennt diese
Art zu sehen vollkommen das Wesen der
Kunst, die sich auf jeder Stufe als ein Abso-
lutes gibt und durch den Entwicklungs-Ge-
danken, der das jeweils erreichte Stadium relativ
wertet, um ihren metaphysischen Sinn be-
trogen wird. Das Primitive ist in sich genau
so vollkommen wie der Zustand der Reife. Wir
müssen nur versuchen, es aus seinen eigenen
Bedingungen heraus zu verstehen.
Alles Primitive wurzelt im Mythos. Dies
ist der Grund der unausmeßbaren Weite seiner
inneren Dimensionen. Dies ist auch der Grund
für die tiefe Verkettung von Leben und Kunst,
die sein Wesen ausmacht. Denn ob der Neger
sich einen Ring durch die Nase zieht oder seinen
Gott in eine phantastisch gescfinitzte Holzfigur
bannt — der Antrieb zu beiden Tätigkeiten
ist übersinnlicher, mythischer Art. Wo aber
das Leben — alles Leben — im Dienste des
Mythos steht, ja nur eine Erscheinungsform des
Mythos ist, da bedarf es nicht der Kunst als
eines besonderen Seelenvermögens, dem die
Aufgabe zufällt, dem Leben eine Bedeutung zu
verleihen, die es aus sich selbst heraus nicht
hat. Denn hier ist das Leben in jeder seiner
Äußerungen bedeutsam. Auch da, wo der
Anruf zum Bilden ein sinnlicher ist, hört dieses
darum nicht auf, metaphysischen Charakter zu
tragen, denn diese ganze, vom Mythos ununter-
scheidbar durchflochtene Körperlichkeit steht ja
in innigster Beziehung zu magischen Mächten.
So ist auch die Nachahmung der Natur im primi-
tiven Kunstschaffen etwas ganz anderes als bei
uns. Sie ist übergegenständlich, nicht illusio-
nistisch, sie bezieht sich immer auf ein Über-
weltliches, das sich in der vergänglichen Er-
scheinung eingekörpert hat und Gewalt über sie
ausübt. Der darstellende Künstler bemächtigt
sich nicht etwa bloß symbolisch, sondern effek-
tiv der Seele des Gegenstands, weshalb heute
noch australische Neger sich nur mit äußerstem
Widerstreben von Fremden zeichnen lassen.
Wir mögen das belächeln und werden uns doch
nicht der Einsicht verschließen können, es hier
mit Dingen zu tun zu haben, die, so barbarisch
sie uns vom individualistischen Standpunkt auch
anmuten, ein bei weitem stärkeres und tiefer
fundamentiertesWeltgefühl offenbaren als dieser
ganze faule Realitätenzauber europäischer Auf-
geklärtheit mit seinem erschreckenden Mangel
an Hintergründen. Vor allem aber sollten wir
uns doch hüten, die Kunst der primitiven Völker
mit der hochmütigen Gebärde des sich höher
Dünkenden abzutun als eine Verlegenheits-
äußerung technischeu oder imitativen Unver-
mögens. Was sie ist, das ist sie ganz, Sie
bedarf wirklich keiner Entschuldigung. So wenig
wir von ihr unmittelbar lernen können —
nichts schreckUcher als die Primitivitätsgeste
gewisser Modernen — umso nachdrücklicher
sollte uns das mitfühlende Erleben ihrer wun-
dervollen Totalität die trostlose Zusammenhang-
losigkeit unserer sogenannten „höheren Kultur"
vor Augen führen. Vielleicht, daß auch hier das
„Erkenne dich selbst!" den Anstoß zu einer
Wiedergeburt des Geistes gibt I Denn — zwei-
feln wir nicht — die Renaissance, vor der oder
in der wir stehen, kann nur eine Wiederent-
deckung der metaphysischen Kraft-
quellen sein, deren Spur uns im Zeitalter des
Realismus verloren ging, ernst v. niebeischütz.
Ä
Wollte sich der Künstler mit Bewußtsein
der Natur unterordnen und das Vorhcin-
dene mit knechtischer Treue wiedergeben; so
würde er wohl Larven hervorbringen, aber keine
Kunstwerke. Die Kunst muß, um Kunst zu sein,
sich erst von der Natur entfernen. Der Künstler
muß sich vom Produkt oder vom Geschöpf ent-
fernen, aber nur, um sich zu der schaffenden
Kraft zu erheben und diese geistig zu ergreifen.
Hierdurch schwingt er sich in das Reich reiner
Begriffe : Jenem im Innern der Dinge wirksamen,
durch Form und Gestalt nur wie durch Sinn-
bilder redenden Naturgeist soll der Künstler
nacheifern f. w.j. v. schelling.
Sl
Seien wir auch dem Snob dankbar, der sich
mit guten Dbgen, statt mit gemeinen, brü-
stet und schließlich, ohne es zu eihnen, doch
zum Heile beiträgt julius meier-graefe.
116
Richard skewalD-münchen. >Wallfahrts-kirche auf elba«
PRiVATBKSrrz: a. k.— dahmstadt.
RICHARD SEEWAXD— MÜNCHEN.
BAUERNHAUS IN TOSKANA
AUSSTELLUNG „DEUTSCHE KUNST 1923" DARMSTADT.
Die Maschine des Ausstellungsbetriebs läuft
noch fort. Aber langsam hat sich ihre Be-
deutung, ihr Sinn verschoben, und die Zufuhr
von Material ist da und dort ins Stocken ge-
raten. Das Interesse der Künstler am Be-
schicken der großen Sommerausstellungen hat
stark nachgelassen. Diese Ausstellungen sind
nicht mehr wie früher die Plätze der großen
Premieren, die Bühnen der „Uraufführungen"
neuer Begabungen. Der Kunsthandel ist scharf
hinter allen neuen Sternen her, seien sie auch
siebenter Größe, und legt in hitzigem Wettbe-
werb Beschlag auf ihre Produktion. Wer etwas
kann, hat auch sogleich den Markt. Die Be-
schickung der großen Ausstellungen hat heute
für die Könner nur den Wert einer zweit-
rangigen Propaganda. Insonderheit die Kunst-
Zeitschrift, die ihre Abbildungen weit ins Land
und auf den Tisch kaufkräftiger Kunstfreunde
trägt, ist dem „arrivierten" Künstler viel wich-
tiger als die Massen-Ausstellungen, die ihm
Mühe, Kosten und Gefahren einbringen.
Auch der Darmstädter Ausstellung kann man
diese Gleichgültigkeit der Künstler anmerken.
Sie verfuhr so, daß sie eine große Zahl deut-
scher Künstler zur juryfreien Beschickung ein-
lud. Die Liste der Eingeladenen war gut uod
vollständig; fehlerhaft war nur die Aufnahme
einiger Weniger, wie Richard Pietzsch, Th. Th.
Heine usw., die denn auch durch schlimmes
Versagen einen Winkel der Ausstellung gröb-
lich verunstalten. Viele andre aber sind der
Einladung nicht gefolgt, teils wegen des Wett-
bewerbs der gleichzeitig in Süddeutschland
stattfindenden Karlsruher Ausstellung, teils aus
Besorgnis vor einer drohenden Besetzung Darm-
stadts, teils aus den Gründen, die einleitend
angegeben wurden. Im Anfang schien es, als
müsse das Unternehmen an dieser schwachen
Beteiligung scheitern. Scliließlich kam aber
dann doch etwas zustande, das beim ersten
Durchwandern anruft und gewisse Versprech-
ungen macht. Aber bei näherer Prüfung er-
weisen sich viele dieser Versprechungen als
nicht erfüllt oder nur halb erfüllt, und das
Ganze bleibt schließlich eine halbe Sache ohne
rechte Freude und Durchschlagskraft. Wobei
wir nicht übersehen wollen, daß andere Unter-
175
XXVI. Juli 1923 1
Ausstellung ii Deutsche Ku7ist ig2j'). Darmstadt.
176
AXEXAMDES KANOLDT.
nehmungen ähnlichen Programms ebenfalls nur
zu halben Ergebnissen gekommen sind. Der
einzige Punkt, von dem aus dieses Ergebnis
leicht zu bessern und zu heben gewesen wäre,
ist das Hängen. Man hat in Darmstadt nicht
günstig gehängt. Der sogenannte Ehrensaal ist
schwach in der Gesamtwirkung. Das einge-
laufene Material war zu knapp, um gefüllte
Räume zu ergeben, und so wurde alles ausein-
andergezogen. Es wirkt verstimmend, daß sich
an den ersten Saal gleich mehrere Säle mit
Graphik ctnschheßen. Mehrfach findet man Kol-
lektionen nebeneinander, die sich in der Wir-
kung gegenseitig beeinträchtigen. Gelungen ist
nur der zweite Oberlichtsaal, der die Kollek-
tionen Kanoldt, Davringhausen, Dix,
Mense, Schrimpf, Kirchner u. a. zu einer
guten Gesamtwirkung vereinigt.
Bei der Beurteilung des Ergebnisses muß in
Anschlag gebracht werden, daß unsre künst-
lerische Produktion immer noch unter der Un-
gunst der Zeit, ihres Geistes sowohl wie ihrer
materiellen Schwierigkeiten leidet. Die allge-
meine geistige ICrise der Gegenwart, bei uns
sehr verschärft durch die Kriegsfolgen, legt be-
sonders auf die Kunst einen schweren, nach-
haltigen Druck. Die weltanschaulichen Ent-
scheidungen, die eines Tages aus der expres-
sionistischen Sackgasse herausführen müssen,
sind in den meisten Gemütern noch nicht ge-
fallen, und was uns an Zeitwirklichkeit umgibt,
ist in der Tat wenig geeignet, diese befreienden
Entscheidungen zu fördern. Die Krise, in der
sich der Expressionismus seit Jahren nun ab-
quält, ist die Krise des Ichs und seiner Be-
ziehungen zur Umwelt. Der Expressionismus
ist an seiner Fehlbewertung des leeren, um-
mauerten Ich hoffnungslos erkrankt. Aus ihr
»SAN 6IMIONAN0< 1922
kommt seine Weltlosigkeit, die weder ein wahres
Objekt noch ein wahres Subjekt kennt. Er hat
keine Welt. Er ist die endgültige Vereinsamung
des Ichs im Universum, die völlige Erblindung,
die radikale Verschluckung des Du in den un-
ausfüllbaren Abgründen des falsch eingestellten
Ego. Der Entwicklungswert des Expressionis-
mus bestand darin, daß er der Übermächtigung
des Ichs durch die Umwelt die Tyrannei des
Ichs über alles Objektive entgegensetzte. Aber
das eine bedeutet so gut wie das andre die
Zerstörung jedes wahren Weltbildes, die Unter-
wühlung aller Wirklichkeit. Aufbruch zur Wirk-
lichkeit ist das Gebot der Stunde ; Wirklichkeit,
die nicht etwa die des Naturalismus ist, son-
dern ein Ernstnehmen der objektiven Dinge
aufgrund einer sinnvollen, gläubigen, hingeben-
den Beziehung des Ichs zum Du. Diesen Auf-
bruch zur Wirklichkeit hat unsre Welt, und mit
ihr die Kunst, noch nicht vollzogen. Daher das
andauernd Zweifelhafte, Knappe und Dürftige
unsrer Produktion; eine Lage, die wir wohl
oder übel durchleiden müssen, um wenigstens
im Leiden (und durch das Leiden) der großen
Anforderung inne zu werden, die an uns ge-
stellt ist: in einer Welt zu leben, nicht unter
Gespenstern und Larven.
Von hier aus wird die Kollektion Alexander
Kanoldt zu einer der bemerkenswertesten
Darbietungen der Ausstellung. Seine Stilleben
haben eine strenge, düstere Sachlichkeit, eine
scharfe Bestimmtheit, in der gewissermaßen der
Schrecken vor dem durchwanderten Chaos noch
nachzittert. Es ist noch kein freies, gesichertes
Verhältnis zum Ding. Es ist noch kein klares,
glückliches S e h e n , sondern einüberscharfes
Sichten der Gegenstände, ein Spähen wie
mit bewaffnetem Auge, ein bewußtes Organi-
PAUL THESING-DARMSTADT.
GEMÄLDE: SCHAUSPIELER GÖBEL ALS DATTEFICH«
CARL MENSE-MÜNCHEN. FRAUEN IN ITALIENISCHER LANDSCHAFT.
AUSSTELLUNG -DEUTSCHE KUNST 19-'3 DARMSTADT.
Ausstellung •> Deutsche Kufist rp2j€ Darmstadt.
HEINKICH
DAVRING-
HAUSEN
-MÜNCHEN.
>B1LDNIS<
sieren, das seine Herkunft aus der kubistischen
Richtung nicht verleugnet. Das ist es, was ein
gutgläubiges Hinnehmen dieses nachexpressio-
nistischen Realismus verhindert. Die Bilder
scheinen noch mit angehaltenem Atem gemalt.
Sie sind noch nicht frei von Angst, oder von
Absicht, oder von Künstlichkeit oder Manier.
Sie haben mehr Festigkeit als Freundlichkeit;
das Hauptmerkmal einer geordneten Menschen-
welt, die Heiterkeit, geht ihnen noch ab. Aber
soviel kann man ihnen doch nachsagen, daß sie
einen Schritt aus der eigentlichen expressio-
nistischen Geisleslage heraus tun. Sie haben
jenseits der gespenstischen Ichwelt wenigstens
die kristallische, wenn auch noch nicht die or-
ganische Stufe erreicht. Ein erster Versuch,
dem Chaos zu entrinnen, wird selten ohne Ge-
preßtheit und Gewaltsamkeit einhergehen. Der
Durchbruch zum Ding ist bei Kanoldt immerhin
an der richtigen Stelle angesetzt. Das Kubi-
stische — jenes Gesetz, mit dem das weltleere
Ich trotz allem Ordnung und Bestimmtheit zu
erzwingen versucht hatte — will hier dem,, Ding"
hilfreich und dienend begegnen. Das künst-
lerische Ich Kanoldts hat die eigentliche Hin-
gabe und Harmlosigkeit, das selbstvergessene
Frommsein noch nicht gelernt. Aber es sieht
diese Hingabe doch als ein erwünschtes Ziel.
Kanoldts Welt hat das Drohende noch nicht
ganz verloren. Aber es ist doch gesänftigt und
abgedämpft. Die Luft in seinen Raumschilde-
rungen ist noch dünn und kalt. Aber man
kann sich denken, daß sie sich bei fortschreiten-
der Bereicherung seiner dinglichen Beziehungen
erwärmen und verdichten wird.
In der äußeren Gebärde scheinen sich die
Kollektionen Mense und Schrimpf, auch
Davringhausen, verhältnismäßig nahe zu
Kanoldt zu stellen. Aber Davringhausen tritt
hier noch sehr als Gespensterseher auf und er-
zählt das Beste in seiner Graphik, die eine
angstvolle, unerlöste, von Maskenschrecken
durchkältete Welt sehr überzeugend schildert.
Ob es sich bei Mense und Schrimpf um
179
Aiisstellu7ig T> Deutsche Kunst ig2j'!~ Darmstadt.
180
JOSEF KBERZ— MÜNCHEN.
mehr handelt als um eine flüchtende Pseudo-
Idealität, scheint mir im Augenblick schwer zu
entscheiden, aber mindestens fraglich. Da ist
doch wohl eine Ruhe neben den Kämpfen,
eine Art Anachoretentum in einem geträumten
Umbrien, nicht ohne Wohllaut, nicht ohne Kräfte
der Ergriffenheit und Rührung, aber doch kein
wahres Vorwärtskommen in der entscheidenden
Richtung. Diese Harmonie ist zu herabgesetzten
Preisen erkauft. Sie ist die schäferliche Idylle
von Einsamen und fast von Deserteuren, sie hat
etwas sehr Privates und darum Ungültiges.
Daneben Otto Dix. Man kann nicht etwa
Dix gegen Mense und Schrimpf feindlich aus-
spielen und sagen; diese gelösten Linien und
klingenden Farben hier widerstreiten den gellen,
grellen Dingen dort so, daß beides sich gegen-
seitig ausschließt. Denn in jeder Zeit treffen
harte Gegensätze aufeinander, jede Zeit hat ihre
harte Realität und ihre holden Wunschträume,
und das eine wie das andre kann dem Künstler
zum Mittel seines Ausdrucks werden. Aber
für Dix spricht doch die Materialität seiner In-
halte, die er sich mit einer Art Ingrimm aus dem
Leben des Augenblicks, manchmal aus der
Gosse herausholt. Dix ist der verbissene Wille,
um keinen Preis zu lügen. Lieber Schlamm als
Gespensterei, lieber das Wilde und Grauen-
»UMBRISCBE EBENE c
volle, das Wahnsinnige und Ekelhafte als irgend
eine Art von Schönfärberei. Seine Bilder schil-
dern eioe wüste Realität. Sie knüpfen mit Ab-
sicht an die Meßbudenmalerei an, sie tragen
sich im Moritatenstil vor, sie sind viel eher
Illustrationen als Gemälde, aber sie schleppen
Leben, Dasein herbei und stellen es auf eine
schonungslose Weise zur Diskussion.
Die Kollektion Reinhold Ewald (Hanau)
zeigt endlich eine stärkere Regung und Aus-
breitung dieses Künstlers, einen Ansatz zur
Überwindung seiner Rationalität und zum Über-
gang vom Reden ins Bilden. Seewald hält
sich durchaus auf dem längst erreichten Stand,
nur daß seine Bilder an Trockenheit, seine Linie
an überheblicher Phrasenhaftigkeit vielleicht
zugenommen haben. Die hier als Beilage ge-
gebene Landschaft ist ohne Zweifel die beste
seiner in Darmstadt gezeigten Arbeiten. Auch
Pechstein ist eigentlich nicht weiter gekom-
men. Doch spricht immer wieder der Klang
seiner starken Farbe rein und kräftig an jedes
empfängliche Auge. Achmann erregt mit
graphisch gesehenen Bildnissen und Interieurs
Interesse. Otto M ü 1 1 e r spielt die Harfe seiner
feinen, übergrauten Farbenskala mit gewohntem
Reiz, und unverdrossen bläst sein Namensvetter
Felix seinen bald schnurrigen, bald recht lang-
REINHOLD EWALD-HANAU. AM WOLFGANG-SEE*
GEORG SCHRIMPF-MÜNCHEN. .MÄDCHEN MIT SCHAFEN.
Ausstellung ^Deitfsche Kunst igsj^ Darmstadt.
weiligen Dudelsack. Moll ist schwächer als
gewöhnlich, Eberz desgleichen. In diesen und
anderen Erscheinungen verzettelt sich das Bild
der Ausstellung mehr und mehr ; der stärkste Ak-
zent bleibt auf dem stummen Dialog Kanoldt-
Dix liegen, begleitet von den Nebenstimmen
Schrimpf und anderer, die ihm nahestehen.
Im Bereich der Graphik gibt es von fast allen
bekannten Namen gute Proben zu sehen, z. B.
von Barlach, Großmann, Meidner, Beckmann,
Davringhausen, Eberz, Achmann usw. Zwei
Aquarelle von Paul Klee sind einzelgängerisch
und sehr erlesen. Die Plastik bringt meist
kleine, feine Ware bekannter Art; darunter die
sehr amüsanten Terrakotten von Lörcher und
ein entzückendes, halbmelerhohes Mahagoni-
Figürchen von Archipenko, teils positiv,
teils negativ gearbeitet, dem ich vor den groß-
formigen Marmorbildnissen des gleichen Künst-
lers bei weitem den Vorzug gebe
Gleichzeitig mit dieser Ausstellung zeigen die
hessischen Künstler ihre Arbeiten in der
„Kunslhalle" am Rheintor. Ihr ist das Schau-
spieler-Bildnis von Paul Thesing-Darmstadt
entnommen, eine klare, gekonnte Arbeit von
feiner, geistreicher Art. Im übrigen kommen
nur wenige Leistungen dieser hessischen Ab-
teilung über das Provinzniveau hinaus.
Erwägung verdient — anläßlich dieser wie
mancher andern Ausstellung — der Gedanke,
ob nicht auch bei juryfreier Beschickung der
Hängekommission das Recht zustehen soll, in
gewissen äußersten Fällen Ausscheidungen von
Kunstwerken vorzunehmen. Dieser Gedanke ist
auch in Berlin (Voss. Ztg.) mehrfach vertreten
worden. Er ergibt sich einfach aus dem Um-
stand, daß in jeder juryfreien Ausstellung fünf,
sechs Werke hängen, die man aus QuaUtäts-
gründen gern verstecken möchte und die das
Gesamtbild empfindlich stören, wii.helm michel.
RICHARD SEE WALD. STILLEBEN«
183
XXVI. Juli l<»3 2
CARL MENSE-MÜNCHEN. BILDNIS GINE«
OSORG
SCHKIMPF.
> MUTTER
UNDKIND€
EIN DEUTSCHER KUNSTKRITIKER DES 19. JAHRHUNDERTS.
zu iJEKCKS, DES GüETHEFREUNDES, AUFSÄTZEN ÜBER DIE KUNST.
Das 18. Jahrhundert europäischer Kullur
wird immer als eine Blütezeit des mensch-
lichen Geistes zu gelten haben. Mit dem üb-
lichen Gerede von Rationalismus, Oberflächlich-
keit und dergleichen dringt man nicht entfernt
an das Wesen dieser Epoche heran. In jedem
Zeitalter gibt es die große Masse der bloß aus-
wertenden Geister, die die Kraft und Tugend
der Epoche in breiter, faßlicher Verfratzung
zum Vorschein bringen. Gewiß geht durch das
18. Jahrhundert ein breiter Strom behaglicher
oder frecher Vernünftelei. Aber nicht an derlei
modischen Verdünnungen ist das spezilische
Gewicht eines Zeitgeistes zu messen. Jene
humanitäre Vernünftelei. die schließlich zur
Plattheit der Aufklärung geführt hat, ist eben
nur ein Nebenprodukt oder vielmehr die flache
und flaue Auswalzung jener echten, großen
Geistestreiheit, Menschlichkeit und souveränen
Klarheit, womit dieses Jahrhundert vor allen
andern geschmückt ist. Jedes echte Geistes-
denkmal dieser Zeit zeichnet sich durch die-
selben Züge aus: leichte, spielende Kühnheit
des Gedankens, gelassene Zornlosigkeit der
sittlichen Begriffe, weitherzige Duldung, an-
mutigste, humanste Form, lächelnde, silberne
Freiheit aller geistigen Horizonte. Sehr oft
mischt sich darunter jener liebenswürdige, ge-
füblige Zug, jene betonte Wärme der Empfin-
dung, jene Zugänglichkeit für die weicheren,
liebenderen Regungen des Gemüts, womit sich
die Menschen dieser Zeit ein Gegengewicht zu
der Schärfe ihrer Verständigkeit geschaffen zu
haben scheinen.
Darmstadt, damals eine kleine und herzUch
unbedeutende Residenz, hat den Ruhm, dem
freien, schönen Geiste dieser Zeit in einigen
seiner besten Söhne eine hervorragende Ver-
185
Ein deutscher Kzinstkritiker des ig. Jahrhunderts.
186
AUO. UABBEROER— KA&LSRUHE.
lautbaruDg gegeben zu haben. Der Geist der
Stadt und ihrer Bevölkerung hat von Natur
einige Züge, die man Züge des 18. Jahrhun-
derts nennen könnte. Sie hat in Peter Helfrich
Sturz einen der glänzendsten modernen StiU-
sten hervorgebracht, in Georg Christoph Lich-
tenberg den bedeutendsten deutschen Apho-
risten nächst Nietzsche, von dem man nur sa-
gen kann, daß ihm die Nation heute noch nicht
den gebührenden Rang zuerkannt habe. Sie hat
ferner der deutschen Literatur die eindrucks-
volle, farbige Gestalt des Kriegsrats Johann
Heinrich Merck geschenkt, der bedeutendste
deutsche Kritiker des 18. Jahrhunderts nach
GEMÄLDE FREIFRAUEN«
Lessing. Und schließlich gab sie unsrer Lite-
ratur den ohne Frage genialsten Dramatiker,
Georg Büchner, auch er eine schöne, wenn
gleich sehr verspätete Blüte des 18. Jahrhun-
derts. So kann man sagen, daß diese Stadt zu
jenem Abschnitt europäischer Geistesentwick-
lung ihren Beitrag redlich geUefert hat.
Wir haben es hier mit der Erscheinung Johann
Heinrich Mercks zu tun, jenes merkwürdigen
Mannes, der unter den Paladinen Goethes im
Ehrensaal unsrer Literaturgeschichte steht, der
zum „Mephisto" das Modell abgab, dessen
vielfältige, glänzende Talente die Bewunderung
der Mitwelt waren und dessen verschlungenes
ALEXANDER KANOLDT. GEMÄLDE .STILLEBENc
»AUSSTELLUNO DEUTSCHE KUNST 1923 DARMSTADTc
Ein dcutsclter Kiinstkritlkir des k). JalirhiDidfrls.
Geschick im Verein mit einem schwierigen,
wetterwendischen Charakter in tiefstes Elend
und in den Selbstmord führte. Unter seinen zahl-
reichen Gaben stehen seine Kennerschaft der
bildenden Kunst und eine unwidersteh-
liche Passion für sie an erster Stelle. Beson-
ders für die graphischen Künste genoß sein Ur-
teil in ganz Deutschland unwidersprochene
Autorität. Es ist z. B. bekannt, daß Herzog
Karl August von Weimar kaum eine Erwerbung
für sein graphisches Kabinett vorgenommen hat,
ohne sich der Zustimmung des Darmstädter
Kenners zu versichern. Wichtiger noch wird
uns das Zeugnis unsrer eigenen Eindrücke aus
Mercks Briefen und Aufsätzen sein. Wenige
Zeilen dieser Schriften geben demjenigen, der
selbst Kenner ist, das unzweideutige Gefühl :
hier spricht ein Mann, der die Kunst nicht nur
von außen kennt, sondern der sie bei ihrem Tun
belauscht hat, der über die besondere Seelen-
lage des Künstlers, über die bestimmten Be-
dingungen technischer, soziologischer, kultur-
geschichtlicher Art, über das Wesen des Kunst-
genusses bis auf den Grund Bescheid weiß.
Wir sehen Merck den Kunstschriftsteller gewiß
in manchen Dingen an seine Zeit gebunden.
ALEXANDER KANOLDI-MÜNCHEN. STTLLEBEX
189
XXVI. Juli 1923 3
Ei)i deiifsclifr Kunstkritiker des ig. Jalirliuiiderts.
190
WILLI JAECKEL— BERLIN.
Aber während das so natürlich ist, daß es gar
nicht anders erwartet werden darf, stimmt es
uns fügUch zur Bewunderung, zu sehen, wie
fiügelleicht er im wesentHchen den Zeitbefangen-
heiten zu entrinnen weiß, wie kräftig und unmit-
telbar das geheime Wissen vom untergründigen
Leben der Kunst in seine schlanken, wüchsigen,
ziervollen Sätze einströmt. Mercks Schriften
und Äußerungen zur Kunst sind heute noch
nicht veraltet, sie rufen in den ewigen Kampf,
den der Künstler gegen das Banausentum und
den starren Buchstaben zu führen hat, noch
heute manches gute, witzige Wort, wie sie schon
zu ihrer Zeit gegenüber einem kalten, trockenen
Pedantentum das Leben, die Freiheit, das Wer-
den und das tiefere Wissen mit Glück vertei-
GEMALDE »WALDLICHTUNG«
digt haben. Merck war „schöpferischer" Kri-
tiker im besten Sinne des Wortes. Und um es
noch genauer zu erfassen: er hat sich diesen
Ehrentitel erworben nicht durch tiefe synthe-
tische Spekulation über das Wesen der Kunst
und des Künstlergeistes, sondern durch viele
verstreute, oft polemische, im Tagesstreit der
Meinungen anwendbare Bemerkungen, Finger-
zeige, Richtigstellungen, die alle von Sachkunde
blitzen und meist glänzend geprägt sind.
Kennzeichnend für die Lebendigkeit setner
Betrachtung ist eine Bemerkung in dem Aufsatz
„Lieber die Landschaft Mahlerey" (1777): „Die
meisten unsrer Kunstbücher sind nichts weiter
als Aesthetik, Redekünste, Institutiones styli,
Poetiken u.s.w. Es ist nur immer die Rede da-
Ein deutscher Kunstkritiker des ig. Jahrhunderts.
WILU JAECKEL— BERLIN.
von, wie man die Verse machen müsse; aber
wie der Poet, der sie machen soll, gebildet
werde, kein Wörtchen, das instruktiv wäre!"
Man sieht hier schon die lebendige, psycholo-
gische Einstellung des 19. Jahrhunderts sich
gegen eine lederne, normative Schulfuchserei
erheben. Aus dem selben Geiste kommt die
Bemerkung, daß zur Landschaftsmalerei fürs
erste das große poetische Gefühl gehöre, „alles,
was unter der Sonne liegt, merkwürdig zu fin-
den und das geringste, was uns umgibt, zu einem
Epos zu gestalten". Daran schließt sich die
Mahnung zu unaufhörlichem Studium der Natur,
zur Schulung des Wahrnehmens oder, wie er
sehr hübsch sagt, zur „botanischen Jagd" auf
das lebendige, charaktervolle Detail. Geht er
GEMÄLDE SELBSTBILDNIS«
dann zum Künstler selbst hinüber, so wünscht
er ihm, besonders dem Landschafter, „daß er
oft, satt von der Natur, ganze Zeiten lang ruhen
könnte, ohne nachzubilden. . . . Nur das Non-
Genie hat immer das Jucken zum Zeugen oder
sich Spaß zu machen. Der aber produktive
Kraft besitzt, dessen Seele ruht und sammelt,
ohne zu wissen wie, wie die Natur im Winter",
Gegenüber dem Dringen auf „deutliche Kom-
position" lobt er den Landschafter, dessen Ta-
ten anfangs „dasjenige haben, was man unbe-
stimmt nennt". Und er meint: „Dies heilige
Gefühl für die sanften Übergänge der Natur,
das ihn überall bestimmt, da keine Grenzen
und Linien zu ziehen, wo die Natur sie nicht
abgeschnitten hat, bestärkt ihn immer weiter in
191
MAX PECHSTEIN. .STILLEBEN MIT SELBSTBILDNIS^
Ein deutscher Kunstkritiker des ig. Jaltrhunderts.
MAX PECHSTEIN— BERLIN.
dieser Ehrfurcht, hindert ihn aber, so bald, be-
sonders dem profanen Auge, etwas Sehens-
würdiges zu liefern. . . , Wer Wahrheit liebt
und verehrt, ist nicht immer der fertigste Skri-
bent. . . . Manier soll und muß werden, aber
spät, wie bei J. J. Rousseau, der im 40. Jahre
zu schreiben anfing. Wo sie zu früh entsteht,
ist's Selbstbetrug, verkleidete Armut unter
reichem Ameublement und Fertigkeit ohne
Wissenschaft."
Man sieht: hier wird der Leser vom Führer
wirklich in „Künstlers Lande" geführt; er lernt
die Kunst und ihre Probleme sehen vom Stand-
ort des Künstlers aus, und ist dies heute noch
das Wesentliche, was vom Kunstschriftsteller
zu verlangen ist: für Mercks Zeiten war dieser
GEMÄLDE FRAUENBILDNIS<
Wechsel des Standortes eine kühne Neuerung
gegenüber einer üblichen Kunsterörterung, die
in einem falschen Sinne normativ und rein
gegenständlich war. Das tiefere Wissen von
der Kunst befähigte Merck dann u. a. zu einer
Würdigung Albrecht Dürers, die gegenüber der
abschätzigen Meinung seiner Gegenwart kühn
und revolutionär zu nennen ist. Es ist ein Un-
recht, daß man seinen Aufsatz „ Einige Rettungen
für das Andenken Albrecht Dürers gegen die
Sage der Kunstlitteratur" vergessen hat, denn
hier bereitet sich — er ist 1780 im „Merkur"
erschienen — jene neue Einschätzung Dürers
vor, die späterhin von der Romantik zum Glau-
benssatz erhoben worden ist. Merck weiß
Dürer, der jener Zeit als steif, gotisch, roh.
193
Ein deutscher Kunstkritiker des ig. JaJirhunderts.
194
AUSSTELLG.
»DEUTSCHE
KUNST 1923
DARUSTADT«
ALFRED LÖRCHER— STUTTGART.
häßlich, gemein, naluraUstisch, trocken und
kleinHch, hart und unbeholfen galt, aus seiner
Zeit, Bildung und Umwelt zu erfassen. Er lehnt
seine Vergleichung mit den damals geschmack-
beherrschenden Italienern rundweg ab, be-
hauptet seine eigenwüchsige und eigengesetz-
liche Größe und rühmt insbesondere sein gra-
phisches Werk als unübertreffÜch: kein Meister
habe je so tief wie Dürer empfunden, was man
eigentlich in Holz ausdrücken könne. Man muß
diese prachtvollen Ausführungen über Dürers
Holzschnitte lesen, um ihre Sachkunde, ihren
wissenschaftlichen Wert, ihre feinen Unter-
scheidungen würdigen zu können.
Das gleiche Wissen ist es, das ihn ein an-
dermal auftreten läßt gegen flaue, pseudo-
ideahstische Auffassungen über die Motive,
die den Künstler zum Schaffen treiben. Daraus
entsteht der vortreffliche, von Witz und hu-
manen Ironieen funkelnde Aufsatz „Über die
»STATUETTE TERRAKOTTA.
bei Kunstwerken objektiv gleichgiltige Absicht
ihrer Urheber" (Merkur 1781). Eine falsche,
phrasenhafte Geistigkeit wollte damals (und ist
es heute viel anders?) als Antriebe für künst-
lerisches Schaffen nur hohe und erhabene Dinge,
Drang nach UnsterbUchkeit, edelste Bildungs-
absicht U.S.W, gelten lassen. Mit entzückendem
Spott tut Merck diese windelweiche, unwis-
sende und respektlose Gesinnung ab: „Wenn
große Kräfte in Bewegung gesetzt werden, so
mag der Endzweck profan oder heilig sein, so
werden allzeit große Resultate daraus entsprin-
gen. Sogar um Geld zu machen, das doch so
vielen Leuten das Ekelhafteste ist, das man
denken kann, glaube ich, kann einer, der epi-
sche Kräfte hat, ein episches Gedicht hervor-
bringen. . . . Ob Voltaire sich hätte träumen
lassen, daß er von einer Rotte unbärtiger Knaben
in Teutschland . . Kahlkopf gescholten würde,
weiß ich nicht; aber das weiß ich, daß manches
Ein deutscher Kunstkritiker des lo. Jahrhunderts
ALFRED LORCHER— STUTTGART.
fürtreffliches Produkt seines Kopfes, das noch
lange bei der Nachwelt bleiben wird, wenn
diese Knaben vergessen sind, in der unlautern
Absicht zur Welt kam, Geld hervorzubringen
und, was noch unlauterer ist, dies Geld sogleich
sicher anzulegen. . . . Wird darum Rembrandt
zum Handwerksmann, weil man weiß, daß ihn
die Liebe zum Geld besaß und daß wir dieser
Schwachheit sowohl seine meisten radierten
Blätter als seine vielen Staffelei-Gemälde zu
danken haben? . . . Wie viele Kompositionen
von Rubens würden wir entbehren müssen,
werm nicht dieser Mann so vieles Geld zu sei-
nem Marstall und zu seiner Tafel nötig gehabt
hätte? Er lebte als ein Fürst, und also war es
ihm erlaubt, hierzu die Welt ein wenig kontri-
buabel zu machen und die Fabriken von Ge-
mälden anzulegen, die man heutzutage in allen
Galerieen von Europa die Rubensische Schule
nennt?" Umgekehrt aber kann man „die edelste
STATUETTE«; TERRAKOTTA.
Absicht haben, ein ganzes Volk zu beglücken,
seinem Zeitalter selbst eine andre Stimmung zu
geben, und — doch nur einen Marmontel'schen
Belisaire oder eine Ramsay'sche Cyropädie
zur Welt bringen."
Liest sich dieses prachtvolle Stückchen Prosa
auch stellenweise als ein überaus eleganter und
höchst souveräner Scherz, so liegt eben doch
in der Auffassung, die es vertritt, viel mehr
wahre und nüchterne, geistige und ehrfürchtige
Einsicht in das Wesen des Künstlers als in der
Auffassung, die es so hübsch verspottet.
Am reichsten an Bedeutung und geistiger
Resonanz ist aber wohl ein Aufsatz „Über die
letzte Gemälde- Ausstellung zu ** ", Er ist im
Jahr 1781 in Wielands „Teutschem Merkur"
erschienen. Noch mehr als die bereits erwähn-
ten Aufsätze verdient es dieser, der Vergessen-
heit entrissen zu werden. Deshalb sei in Fol-
gendem auf ihn eingegangen. — (schluss folgt.)
195
KARL ALBICKER. BRONZE-STATUETTE
KEN£k NlNTENlS. KLEINE BRONZE
AUSSTELLUNG .DEUTSCHE KUNST 1923. DAKMSTADT-MATHILDENHÖHE.
RICHARD GESSNER. GEMÄLDE .INDUSTRIE.
BES: W. MEYER— dOSSELDORF-OBKRKASSEL«
RICH. GKSSNER— DÜSSELDORF.
GK .NL.Mi\CH IM GEWITTER«
DER MALER RICHARD GESSNER.
Der Düsseldorfer Maler Richard Geßner
sucht seine Motive fast ausschließhch im
rheinisch -weslfäUschen Industriegebiet, und
seine Bilder zeigen durchweg Zechenanlagen,
Kokereien, große Hüttenbetriebe und Fabriken.
Sein Schaffen ist mit seiner Heimat aufs engste
verwachsen, ist streng lokal und läßt sich von
dem rheinischen Boden nicht trennen.
Was Richard Geßner auf seinen eigenen Weg
führte, war neben einer großen zeichnerischen
Veranlagung ein intensives Farbenempfinden,
unterstützt von der Innigkeit des Gefühls. Er
sucht die feinen Tonwerte, seltene Lokalfarben,
ungewöhnliche atmosphärische Zustände, Rauch,
Sonnendunst, Nebel oder den Übergang von
der Dämmerung zum künstlichen Licht, mit dem
aufgeregten Spiel der Bogenlampen. So wer-
den die Hochburgen der Industrie, die Förder-
gerüste, Schutthalden, Ruß und Dampf fast zu
mystischen und unheimlichen Visionen.
Nur in einem seiner Bilder bricht auch Lieb-
Uches durch, im „Frühlingstag". Es ist fast
lyrisch. Wir sehen den Rand der Großstadt,
noch nicht freies Land und doch auch nicht
mehr nur Mauern von Mietskasernen und Fabrik-
anlagen. Die matte Frühlingssonne hat am
Spätnachmittag Arbeiter mit Frauen und Kin-
dern ins Freie gelockt; müde lagern sie auf der
spärlichen Grasnarbe zwischen Sandhaufen,
Korkservenbüchsen und anderen Abfällen. Eine
schwermütige Darstellung großstädtischen Fei-
ertages. — Das stärkste unter den hier gezeigten
Bildern ist der „Feierabend". Schwacher Rauch
steigt aus den Schornsteinen, wenige Arbeiter
stehen vor dem Fabriktor, müde und breit liegen
Häuser und Halden in der späten Dämmerung.
Im Gegensatz hierzu lebt und rast in dem Bild
„Industrie am Abend" die moderne Maschinen-
technik mit all ihrer Wucht. Man hört geradezu
das Kreischen und Pfeifen der Maschinen, die
den weißen geballten Rauch in die Luft stoßen.
Eine Erinnerung an Geßners FCriegszeit bietet
sein Bild „Landschaft aus Mazedonien"; mit
charakteristischen Strichen ist der exotisch-
herbe Zauber des südlichen Landes wieder-
gegeben. Beinahe romantisch ist die südbaye-
rische Landschaft „Grönenbach im Gewitter".
Richard Geßner ist nie allegorisch oder histo-
risch; er steht bewußt in seiner Zeit und emp-
findet ihren Pulsschlag, ihren Geist, Nie lehnt er
sich an andere an, er malt, was ihn packt. Seine
Bilder spiegeln im stärksten Maße seine An-
schauungswelt wieder und zeigen zum Greifen
deutlich, was er als Künstler durchlebt, r. bonos.
199
XXVI. Juli 1923 t
RICHAJID GESSNER-DUSSELDOKF
iUUBAYKRISCHE LAND.sCHAFl
DEUTSCHE KUNST UND FRANZÖSISCHE KUNST.
VON ERNST V. NIEBELSCHÜTZ MAGDEBURG.
Versucht man das innerste Wesen der
deutschen Kunst auf eine möglichst kurze,
zugleich präzise und doch nicht zu enge For-
mel zu bringen, so wird man sagen können:
sie ist Ausdruck einer romantischen
Seelenverfassung. Die These hat nur den
einen Nachteil, selbst wieder eine neue Frage
zu enthalten, die Frage nämlich, was man unter
„Romantik" zu verstehen habe. Ich denke
hierbei nicht an die so getaufte geschichtUche
Stilerscheinung, die sich mit dem Nazarener-
tum der Cornelius und Overbeck deckt,
sondern an etwas viel Allgemeineres und Um-
fassenderes; an den geistigen Hinter- und
Untergrund dessen, was wir als eigentümlich
deutsch bezeichnen zu müssen glauben.
Dieses Romantische äußert sich negativ
als Abneigung, ja geradezu Unvermögen, die
äußere Erscheinung der Dinge, ihren schö-
nen Schein, ihre reizende Oberfläche, als end-
gültige Tatsachen anzuerkennen. Der roman-
tische Geist will nicht den Schein, er will die
Sache selber, nicht flüchtiges Sinnenglück,
sondern Erkenntnis, Seine reaUstische Gründ-
lichkeit, die oft genug bis an die äußersten
Grenzen des Erträglichen geht, steht keineswegs
damit in Widerspruch. Sie ist nicht Selbst-
zweck, sondern Ausdruck eines leidenschaft-
lichen Verlangens, den Urformen auf die Spur
zu kommen und ihrer Wesenheit teilhaft zu
werden. Dieses unruhige Ringen um den ver-
borgenen Sinn der Erscheinung, dieses boh-
rende Bemühen, sie aus ihrer begrenzten Ding-
haftigkeit zu erlösen und mit dem Weltganzen
zu verknüpfen, führt notwendig den romanti-
schen Künstler zur Selbstdarstellung des
Gefühls und läßt ihn die objektiven Ziel-
setzungen als für ihn unverbindlich ablehnen.
Daher die oft erschütternde Ausdrucksstärke
und Einzigartigkeit des romantischen
Kunstwerks, daher aber auch seine Maßlosig-
keit, sein auffallender Mangel an Traditions-
werten, die uns seine methodische Eingliede-
rung in eine fortlaufende Entwicklungskette,
seine Angleichung an ein allgemein gültiges
Gesellschaftsideal häufig so schwer, ja unmög-
lich macht. Das oft bezeugte Mißtrauen des
normalen Empfindens gegen sein Anderssein
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RICHARD GESSNER. GEMÄLDE .ZECHENANLAGE«
GROSSE KUNSTAUSSTELLUNG DÜSSELDORF l;i:-'3.
DcufscJif Kuttst und frnu-Jhischc Ku
s(.
RICHARD GESSNER.
ist nur allzu erklärlich. Denn alles Ungesetz-
liche, dämonisch Unbestimmte und Überspannte
erweckt den Widerspruch dessen, der sich im
Besitz der Regeln weiß und seinen Schatz an
überlieferten Konventionen mit der Umsicht ei-
nes klugen und vorsichtigen Rechners verwaltet.
Liegt der romantische Zug zum Unbegrenz-
ten auf der allgemeinen Linie des germani-
schen Kunstwillens, so ist freilich nicht zu
übersehen, daß es hunderte von Beispielen gibt,
die den deutschen Geist in deutlicher Kampf-
stellung gegen dieses sein Erbteil zeigen,
Fälle eines heroischen Bemühens, des Roman-
tischen als einer Schwäche Herr zu werden
und es durch ein dauerhafteres Ideal zu er-
setzen oder doch unschädlich zu machen. Ich
meine hier nicht den steifleinenen Dogmatis-
mus der verschiedenen „Richtungen", der
oft allerdings nichts anderes ist als ein Selbst-
schutz der unruhig schweifenden Seele, son-
dern ich denke an die an den äußersten Gren-
zen der deutschen Möglichkeiten stehenden
höchsten Repräsentanten unseres Wesens, an
Dürer etwa oder Goethe, deren Leben und
Wirken uns deshalb so ehrwürdig und vorbild-
lich erscheint, weil es ein ununterbrochener
GEMÄLDE »FEIERABEND«
Reinigungsakt des durch Blutanteil romanti-
schen, durch Wahl und Wille klassischen
Menschen ist. Beiden ist die angestrebte Ver-
schmelzung ihres Wesens mit dem Form-
ideal des Südens von übereifrigen Patrioten
zum Vorwurf gemacht worden: als Minde-
rung ursprünglicher und angeblich hö-
herer Anlagen. Ich denke, mit Unrecht.
Was sie wollten: die Ncutralisierung der ange-
borenen Prometheusnatur durch festere Bin-
dungen, war doch wohl nur in engster persön-
hcher Berührung und Reibung mit dem Geiste
der Klassik zu erreichen. Man wandelt eben
auch in nordischen Nebeln nicht ungestraft.
Griechensehnsucht und Südheimweh (um
zwei Wortprägungen aus Bertrams Nietzsche-
Buch hier zu gebrauchen) — was sind sie an-
ders als Wirkungen der meist nur im deutschen
Unterbewußtsein heimischen Ahnung von der
Unmöglichkeit, unter bloß nordischen Voraus-
setzungen ein Ganzes zu werden? Und so
erklärt sich auch positiv die Anziehungskraft,
die von je die französische Kunst auf uns
ausübte. Es ist platter Unsinn, wenn heute
sogar französische Gelehrte behaupten, immer
wäre der deutsche Künstler nach Frankreich mit
203
Dfutsclir Kuiisf und französische Kunst.
204
RICHARD GEiSNER.
BtSlT*;hK. H. LIüMFENAU-UUthN.
AUS MAZEDONIEN«
der demütigen Miene des Almosenempfängers
gekommen, der sich mit den Brosamen be-
gnügte, die von des reichen Herrn Tische
fielen. Statt vieler Worte bedarf es nur eines
Hinweises auf den Skulpturenschmuck unserer
frühgotischen Dome. Das ist wahrlich
nicht erbettelt, es ist erarbeitet und er-
kämpft! Deutsche Gefühlstiefe uod klas-
sisch-französische Form haben sich hier
aufs innigste durchdrungen, nicht nach dem
Verhältnis von Nehmen und Geben, sondern
nach dem der vollen Gleichberechtigung
beider Kontrahenten. Und Ähnliches gilt auch
für die zahlreichen späteren Stolfverbinduogen.
Das Rokoko der deutschen Klöster und
Residenzen ist etwas ganz anderes als der-
selbe Stil in seinem französischen Ursprungs-
land. Es ist bewegter, glühender, inner-
lich reicher, mit einem Wort: romantischer
als bei unsern selbst in der Ausschweifung noch
maßhaltenden westlichen Nachbarn. Und eben-
so wird kein Einsichtiger sich die Blöße geben
wollen, die deutschen Maler des 19. Jahrhun-
derts, einen Leibl oder Thoma etwa, ihrer
Pariser Schulung wegen mit ihren französi-
schen Zeitgenossen zu verwechseln.
Worin aber besteht nun dieses Klassische,
das in der Tat für die französische Kunst cha-
rakteristisch zu sein scheint? Mit Recht gilt
Frankreich noch heute als der eigentliche Hüter,
als Verwalter und Mehrer des von der Spätan-
tike den Mittelmeer-Nationen vererbten Kunst-
geistes, der die Beziehungen zwischen dem Ich
und der Welt nach verstandesmäßig ge-
wonnenen, feststehenden Gesetzen regelt und
auch mit Strenge ihre Befolgung überwacht.
Die mittelalterliche Philosophie der Schola-
stik, die schcirfsinnig ein Glied aus dem andern
entwickelte Systematik der gotischen Baukunst,
der Akademismus eines Poussin und Ingres
und neuerdings der Kubismus der Leger und
Braque: sie konnten in ihrer stark intellek-
tuellen Bedingtheit in keinem andern Lande ent-
stehen als in Frankreich, (schluss auf seite 231.)
RICHARD GESSNER-DÜSSELDORF. GEMÄLDE -VORSTADT.
RICHARD GESSNER. GEMÄLDE .BOCHUMER VEREINc
BESITZER: FABRIKANT SIUPELKAMP— CREFELD.
MICHAEL FÄCHER. ALTARBILD >BESCHNEIDUNG CHRISTI«
VOH A^TAR W ST.WOI.POANQ IN ÖSTBRRBICH. PHOTO: DR. F. STOBDTNSR-BBRUN.
MICHAEL
FÄCHER.
»KIRCHEN-
VÄTER-
ALTAR t
DER ALTAR DES MICHAEL FÄCHER.
VON REINHOLl) EWALD.
Man fährt von Salzburg, der mozartisch
Reinen, der Stadt des musikalischen Ba-
rock, mit der niedhchen Lokalbahn durch ein
liebliches Gefilde gegen die drohende, scharfe
hohe Wand der Tiroler Alpen, durch deren
erste schmale Schluchten unter überhängenden
Bergwänden an türkisblauen und meergrünen
Seeausschnitten sich schlängelnd, zum Wolf-
gangsee. An des Sees schönster Stelle entsteigt
die Kirche des Heiligen Wolfgang den Wassern.
Jäh, wie der Aufstieg der steilen Bergnasen,
ragt heute noch, fast unberührt, wie vor 450
Jahren, von Kindern dieser Natur geschnitzt
und gemalt, der 1 1 Meter hohe Altar des Michael
Pacher-Kreises in den Chor des Kirchleins.
Wenn ich es für notwendig halte, über das
große Werk des Wolfganger Altars einiges zu
schreiben, so geschieht dies aus mehr als einem
Gesichtspunkt. Am wichtigsten scheint mir
etwa folgendes; Fächer ist nicht so sehr als
individuelle Persönlichkeit, etwa wie Dürer oder
der jüngere Holbein, begrifilich klarzulegen, zu
fassen, sondern er wirkt über das Persönlich-
Individuelle hinaus als letzte Sammlung nordi-
scher Feudalgotik, als letzter Sammelstrom
gotischer Energien. Kr war der Vorstand, der
geistige Kopf einer Werkstatt, einer Bauhütte
für Plastik und Malerei, und seine suggestive
Kraft hat alle Gehilfen in diesen Feudalstrom
übergeleitet und in ihm geeint.
Und dies vollzieht sich unter unmittelbau-em
Einfluß der italienischen Epoche des Mantegna ;
jedoch, was das Wichtige wird, ohne jede geistige
Übernahme. Übernommene Formmittel, etwa
des Raums, der Statik, der Bewegung, der Per-
spektive, werden von seiner Gotik überwältigt,
in nordischer Form vergeistigt und von diesen
Tirolern als flammendes Symbol derEwigkeit ge-
schenkt. Dürer dagegen hat sich etwa 50 Jahre
später dem Einfluß der Italiener unterworfen.
Mit dem Falle Pacher wird eine große Frage
aufgerollt, die mir noch ungelöst erscheint;
209
XXVL Juli 1923. 5
Der Altar des Michael Packer.
210
die Frage; gibt es eine Ästhetik des Nordens,
und gesetzt ja: wo tritt sie klar zu Tage? —
Es gibt auch heute noch, wie damals einen
Kampf der Auswirkung des Objekts in der
Natur gegen die Tatsächlichkeit des Objekts.
Diese Auswirkung, die das nordische Blut ver-
langt, fordert den Begriff der zeitlichen Wir-
kung. Dem gegenüber steht die TatsächÜchkeit
des Objekts der Romanen, mit der Berufung
auf pathetischen Zustand. Ein sachliches Bei-
spiel wäre folgendes: der Italiener (Romane,
von Raffael bis Picasso) malt die Mutter, die
Madonna ; Donatello baut den Fürsten zu Pferd,
das Reiterstandbild; der gallisch-germani-
sche Geist dagegen gibt das Mütterliche
der Mütter, das Reiten statt des Reiters, das
Fürstliche wie im Bamberger König statt des
Fürsten, die Wirkung, den Streit, die Gescheh-
nisse zwischen den Aposteln des Chors daselbst
anstatt der Apostel selber. Des Weiteren: ein
Mantegna, ein Tintoretto malt den Vorgang der
Himmelfahrt Christi, die Tatsächlichkeit der
Illusion; ein Meister von Wittingau, ein älterer
Holbein (im Stadel zu Frankfurt a. M.) malt
die dauernde Auswirkung dieses Geschehnisses,
— nicht seine TatsächÜchkeit, seine Illusion.
Die theoretischen MögUchkeilen der Ro-
manen bei Zustand, Tatsache, sind etwa: bei
der „Schule von Athen" von Raffael das Pa-
thos des wohlig gemessenen Raums, bei Leo-
nardo's„Madonnain der Felsgrotte" (im Louvre)
die formal gefüllte, pathetische Pyramide, bei
dessen „Himmelfahrt" (in Berlin) der Diagonal-
raum, bei Signorelü's „Panbild" (in BerÜn) der
meßbare pathetische Raum mit Vollform und
Hohlform, bei Tizian's „Himmelfahrt" (in der
Akademie in Venedig) die pathetische Tatsäch-
lichkeit einer Illusion. All dies scheint irdisch
gebunden, materiell bedingt, auf den Mensch-
gott der Antike hinweisend.
Die nordische Theorie: — „Gott in der Ma-
terie ist Geist, und die Künstler, die diese Ma-
terie anbeten, müssen sie im Geist anbeten" —
zielt auf den Gottmenschen. Die Theorie
der Romanen ist hier nicht anwendbar, ein
Hildebrand, ein Feuerbach und Marees haben
diesem Geist um keinen Deut genutzt. Statt
eines pathetischen Raums der Italiener: die
Verflechtung zweier verschiedener Raum-
systeme, die relativ zueinander entstehen oder
vergehen, wie bei der „Himmelfahrt" des Hol-
bein im Stadel. Dies Entstehen und Vergehen
löst zeitliche Wirkung aus, — dauert. Statt
des farbigen Kosmos der Madonna Raffaels,
bei der Lazaruserweckung des Michael Fächer
drei in sich geschlossene Farbsysteme
von gegensätzlichem Ausdruck, die wechsel-
seitig den Bildraum zu erfüllen scheinen, relativ
zueinander entstehen und vergehen. Maß-
gebende Regeln, sachliche Festlegungen, die
wie beim ItaHener immer wiederkehren, gibt es
beim nordischen Künstler nicht. Ausgangspunkt
dieser jedoch immer vorhandenen Färb- und
Raumsysteme (selbst bei Einzelfiguren wie Cra-
nachs Venusbildem oder dem Christophorus
des Fächer) ist jedesmal neu die Zwiesprache
des Künstlers mit der anregenden Natur. Fleisch
und Geist, — stärkster Naturalismus und zu-
gleich kühnste Abstraktion.
Dies erfüllt in hohem Maße der Wolfganger
Altar. Er besteht aus dem geschnitzten Mittel-
schrein mit der Krönung Maria und den Heiligen
Wolfgang und Benedikt, dem Aufsatz des Mittel-
schreins mit der Kreuzigung Christi und den
Außenfiguren der Heiligen Georg und Florian,
je zwei Innen- und Außenflügeln, die beider-
seitig bemalt sind.
Die Hauptfiguren des Mittelschreins sind tief
bewegt und raumplastisch empfunden. In einem
reinen Wirbelsturm von kreiselnden, rauschen-
den, brechenden Gewändern, kleinen tosenden
Engeln, die sich taumelnd drehen, fliegen und
mit dem FiUgran der Sockel, Gestänge, der
Kronen, Haarflechten und Symbolen den Tie-
fenraum in ganz verschiedenen Tempi in Be-
wegung setzen, vom Sturm bis zum leisesten
Erzittern, stehen übermächtig mit kolossalem
Pathos die Großfiguren. Der Schrein ist ganz
vergoldet, Hände, Köpfe und Teile der Gewan-
dung sind farbig naturalistisch bemalt: Gold
gegen blasse Gesichtstöne und Violett. Details,
insbesondere der Köpfe, sind bis ins Äußerste
abgestreichelt und formal und farbig durchge-
fühlt. Ob Fächer diese Hauptfiguren selber ge-
schnitzt hat, ist noch nicht festzustellen; zu-
mindest sind sie von ihia fertiggestellt und wohl
ganz von ihm angegeben worden. Der Orna-
mentschnitzer scheint ein anderer gewesen zu
sein. Auch die vorderen isoUerten Engel und
manche der Kleinfiguren scheinen von einem
anderen Meister oder Gehilfen gefertigt.
Sind beide Flügelpaare geöffnet, so erblickt
man vier Tafeln von unstreitig Pacher's eigener
Hand. Die „Beschneidimg Christi" ist von un-
sagbarer Kostbarkeit. Der sichtbare Bildraum
ist nicht wie bei Mantegna nach einem Ge-
sichtspunkt orientiert, sondern von zwei g£inz
entgegengesetztenRaumkosmen,Raumsystemcn
beherrscht. Dies zeigt sich etwa folgender-
maßen: der feierliche Priester in Brokat und
hohem Ornat nimmt tiefernst die Handlung vor.
Er bestimmt von der Mitte des Bildraumes aus
den Kosmos des Ernstes, der Statik und der
Festigkeit. Hierzu gesellen sich der vordere
MICHAEL FÄCHER. -KNIENDE MARIA«
VOM ALTAR IN ST. WOLFGANG IN ÖSTERREICH • PHOTO; UR. F. STOEDTNER— BERLIN.
MICHAEL FÄCHER. AUFERWECKUNG DES LAZARUS
VOM ALTAR IN ST. WOLFGANG IN ÖSTERREICH.
MICHAEL FÄCHER. .HEILUNG DER BESESSENEN.
VOM ALTAR IN ST. WOLFOANG IN ÖSTERKEICH.
MICHAEL FÄCHER. .DER HL. WOLFGANGc
AM MITTELSCHREIN DES ALTARS IN ST. WOLFQAKG IN ÖSTERREICH.
MICHAEL FÄCHER. >DER HL. BENEDIKT«
AM UITTKLSCHREIN DES ALTARS IN ST. WOLFGANG IN ÖSTERREICH.
MICHAEL FÄCHER. »KRÖNUNG MARIAS<
SCHNITZWERK: MITTELSCHREIN DES ALTARS IN ST. WOLFGANS IN ÖSTERREICH.
MICHAEL FÄCHER. »DER HL. GEORG. TEILAUFNAHME.
VOM ALTAR iN ST. WOLFQANO IN ÖSTERREICH.
Der Altar drs Michael Packer.
218
MICHAEL
PACHER.
»ENGEL«
ALTAR ST
WOLFGANG
untere Körperblock der Helferin links und der
kubisch bestimmende Block des rechts stehen-
den Josefs. Der Raum dehnt sich statisch gleich-
mäßig wie bei den Italienern, von der Bank aus
in den dahinterliegenden wie in den nach vorne
sich ergehenden Bildraume aus. — Anders der
zweite Raumkosmos, der seine Anregung von
dem Erlebnis der Zartheit des Kindes, der un-
erhört feierlichen Stille des Moments, der Zart-
heit und leichten Nervosität der Maria und der
feinen Nervenanspannung der Zuschauer er-
hält. Es entsteht folgendes: Von der Schere
und dem ungemein edlen Spiel der Hände
des Priesters aus entwickelt sich der vordere
kreiselnde Raumkeim. Er greift um sich, zuckt
über das aufgeblätterte Buch, in die beiden
Daumen der nicht sichtbaren Hände der Maria,
leitet nach rechts in die Hände und Arme des
Josef und dreht schließlich bewegt die Ober-
körper der Zuschauer, die Köpfe zirt ruckartig
kreiselnd in die Richtung der Handlung. Hmter
der Bank macht der obere Gesamtraum, von der
Gewölbespinne ausgehend, dieselbe drehende
Bewegung mit, öffnet hinter den Pfeilern neue
kreiselnde Räume. Dies der zweite Kosmos
des Raums. Beide Kosmen liegen in demselben
Bildraum und verschwistern sich. Der eine ent-
steht, der andere vergeht und umgekehrt. Die
Der Altar des Micliael Packer.
MICHAEL
FÄCHER.
«ENGEL«
ALTAR ST.
WOLFGANÜ.
zeitliche Auswirkung ist in wunderbarer
Weise entstanden. Feierlich, mit Gold, grau-
schwarz, grauviolett, weiß und grün ist dieFarbe.
Sind die inneren Tafeln des Altars geschlos-
sen, so erblickt man acht Tafeln mit Darstel-
lungen aus dem Leben Jesu; die „Taufe", die
„Versuchung durch den Teufel", das „Wein-
wunder", die „Speisung der Fünftausend", die
„Auferstehung des Lazarus", die „Ehebreche-
rin", die „Austreibung aus dem Tempel" und
den „Versuch der Steinigung". Als das Aus-
drucksvollste erscheint mir hiervon die „Auf-
erstehung des Lazarus". Das Bild ist wie bei
den Italienern auf starke Perspektive und Tie-
fenwirkung gestellt. Aber wie bei der Beschnei-
dung unterliegt auch hier der sichtbare Bild-
raum nicht einem ordnenden Gesetz, sondern
er zerfällt dank der unerhörten Wirkung des
Geschehnisses einer Auferstehung in zwei total
gelrennte Raumkosmen. Es entsteht etwas wie
bei einem Spießrutenlaufen. Das tiefliegende
Grab mit den vier Säulen, dem Baldachin,
dem nach vorne freien und nach hinten durch
den Torbogen hinausstoßenden Raumstück ist
Träger des einen Raumkosmo.'^, der sich blitz-
artig, analog der formalen Gebärde des La-
zarus, von der vorderen Bildwand in die Tiefe
erstreckt. Der zweite Raumkosmos erstreckt
219
«XVI. Juli 1923, b"
Der Altar des Michael Packer.
220
1' ** '-V
mCHAEL PACBER.
sich rechts uad links vom Grab. Hier sind
etwa 20 Personen, statt wie in italienischen
Bildern drei oder vier, wie Pfähle aneinander-
gerammt. Alle setzen den Raum von den äußeren
Bildwänden nach der Mitte gegen das Grab in
Bewegung. Dieses seitliche Drücken des rechts
und links befindlichen Raumsystems in konstan-
ter Ruhe bewirkt relativ ein fluchtartiges Tempo
des ersten Lazarusgeschehnisses in die Tiefe
des Raums. — Als psychologischer Ausgangs-
punkt des ersten Kosmos erscheint mir das un-
erwartete zuckende Leben des Lazarus. Als
>- ENGEL < ST. WOLFGANG.
Anregung des zweiten Kosmos die erhabene
Ruhe Christi mit seinen ihn stützenden Jüngern,
die Neugier, mißwillige Pflichtgebundenheit, der
üble Geruch der Leiche. In diesem Bilde unter-
liegt der Raum um Lazarus einer entsetzlichen
grünen Leichenfarbe, dagegen erscheint Christus
in wunderbarem Braunviolett mit Rot umhüllt
und vergoldeten Scheinen. Dieser Farbekomplex
greift schon in das Dach des Grabes über. Die
Gruppe der Zuschauer rechts ist dumpf, stickig
violett. Vorne im Bild eine in der Farbe erbar-
mungslos kcdte Frau, die Schwester des Lazeu-us.
Der Altar des Michael Packer.
MIC£L/^EL PACHEK.
Bei geschlossenem Altar erblickt man vier
Darstellungen aus der Legende des Heiligen
Wolfgang, die „Predigt mit dem Teufel", die
„Grundsteinlegung der Wolfganger Kirche",
die „Almosenverteilung" und die „Heilung der
Besessenen". Sie sind alle von hoher Schön-
heit. Raummangel verbietet mir, auf alle ein-
zugehen, auch ist der Zweck dieser Zeilen, nicht
zu umfassen, sondern nur zu beleuchten. —
Daß eine derartige Betrachtungsweise Berech-
tigung erhält, möge sich beim Lesen eines banal-
historischen breiten Werkes über diesen Meister
»ENGELS. ST. WOLFGANG.
erweisen , das unter einem Wust von begrifflicher
Wissenschaft und trockener Stofflichkeit künst-
lerisch belanglos bleibt. Fächer hat außer diesem
Hauptwerk in St. Wolfgang den Kirchenväter-
altar (jetzt in der Münchner Pinakothek) ge-
malt, wovon hier einige Details der Heiligen
beigefügt sind.
Tief erregt und beglückt verläßt man die
wunderschöne Stätte am Wolfgangsee, wo die
Häuslein weiß oder farbig gekalkt, das Wasser
tief grün, die Berge schwarz oder im Abendrot
golden und wie Purpur scheinen r. e.
221
MICHAEL FÄCHER. »VOM KIRCHENVÄTER-ALTAR« pinakotbek- München.
DAS KUNSTWERK ALS ORGANISMUS.
VON WILHELM MICHEL.
Ohne daß wir es wissen, beruhen unsre heu-
tigen Kunstanschauungen noch wesentlich
auf der romantischen Ästhetik. Was die Brü-
der Schlegel und Wackenroder, was Fichte und
vor allem Schelling über die Kunst gedacht und
gesagt haben, ruht uns heute noch im Blut.
Ja, man kann sagen, daß die romantische Kunst-
anschauung heute lebendiger ist als in den Jahr-
zehnten vorher. Der romantische Gedaoke, daß
das echte Kunstwerk ein weihrer Organismus
sei, ist allen heutigen Menschen angeboren. Und
Schellings Darstellung vom Verhältnis der bil-
denden Künste zur Natur ist mehr als je gegen-
wärtige Wahrheit. Nach Schelling zeigt das
Kunstwerk die volle Harmonie, das Gleichge-
wicht der bewußtlosen und bewußten Tätigkeif,
das sonst in der Erfahrung unmöglich, nur in der
Unendlichkeit denkbar ist. Im Kunstwerk allein
decken sich sinnliche und geistige Welt; denn
das Genie ist die Intelligenz, die als Natur
wirkt. Schon sehr frühe wurde der alte Begriff
der „Naturnachahmung" in der Kunst von der
romantischen Ästhetik dabin verstanden, daß
der Künstlerdie Natur nicht in ihrem sinnfälligen
Buchstaben, sondern in ihrem schöpferischen
Verfahren nachahmen solle; daß er die „Natur"
nicht erreicht, indem er ihre Erscheinung nach-
bildet, sondern indem er wie sie Organismen,
lebendige Gestalten erschafft. In Friedrich
Schlegels Bemerkungen zur Kunst kehrt immer
der Gedanke wieder, der echte Künstler müsse
ein „organischer Geist" sein und festen, schöp-
ferischen „Mittelpunkt" in sich haben. Eng ver-
schwistert sich damit der Gipfelgedanke, daß
auch die Welt im Ganzen als ein großes, als das
höchste Kunstwerk aufzufassen sei: In seinem
Gespräch über die Poesie stellt er die Welt als
ein Gedicht der Gottheit dar, dessen Teil und
Blüte auch wir sind; und alle heiligen Spiele
der Kunst sind nur „ferne Nachbildungen von
dem unendlichen Spiele der Welt, dem ewig sich
selbst bildenden Kunstwerk." Diese Beziehung
des irdischen Künstlers zum Gottkünstler —
die sich schon in dem Worte des antiken Philo-
sophen ankündigt, daß ein „pyr technikon" in
der Schöpfung brenne — prägt er ein andermal
in den Sätzen : „Unermeßlich und unerschöpflich
ist die Welt der Poesie, wie der Reichtum der
belebenden Natur an Gewächsen, Tieren und
Bildungen jeglicher Art, Gestalt und Farbe.
Selbst die künstlichen Werke oder natürlichen
Erzeugnisse, welche die Form und den Namen
von Gedichten tragen, wird nicht leicht auch der
Umfassendste alle begreifen. Und was sind sie
gegen die innere, bewußtlose Poesie, die sich
in der Pflanze regt, im Lichte strahlt, im Kinde
lächelt, in der Blüte der Jugend schimmert, in
der liebenden Brust der Frauen glüht? . . . Ja,
wir alle, die wir Menschen sind, haben immer
und ewig keinen anderen Gegenstand aller Tätig-
keit und aller Freude als das eine Gedicht der
Gottheit, die irdische Schöpfung dieser schönen
Sternenwelt. Die Musik dieses Spielwerkes zu
vernehmen, die Schönheit dieses göttlichen Ge-
dichtes zu verstehen, sind wir fähig, weil auch ein
Funken des ewigen Dichters und seines schaf-
fenden Geistes in uns lebt und tief unter der
Asche der selbstgemachten Unvernunft mit
heimlicher Gewalt zu glühen niemals aulhört I"
Am klarsten aber hat wohl August Wilhelm
Schlegel den größten Ehrgeiz der Kunst, die
„Natur nachzuahmen", erläutert und ihn gegen
das barbarische Mißverständnis, das die Kunst-
fremden stets diesem Begriff angetan haben, ab-
gegrenzt. Ersagtin seinen Berliner Vorlesungen :
„Die gesamte Natur ist organisiert, aber das
sehen wir nicht ; sie ist eine Intelligenz wie wir,
das ahnen wir nur und gelangen erst durch Spe-
kulation zur klaren Einsicht. Wird nun Natur
indieserwürdigsten Bedeutung genommen, nicht
als eine Masse von Produkten, sondern als das
Produzierende selbst, und der Ausdruck Nach-
Eihmung ebenfalls in dem edleren Sinne, wo es
nicht heißt, die Äußerlichkeiten eines Menschen
nachäffen, sondern sich die Maximen seinesHan-
delns zu eigen machen, so ist nichts mehr gegen
den Grundsatz einzuwenden noch ihm hinzuzu-
fügen : Die Kunst soll die Natur nachahmen.
Das heißt nämlich, sie soll, wie die Natur selb-
ständig schaffend, organisiert und organisierend,
lebendige Werke bilden, die nicht erst durch
fremden Mechanismus, sondern durch inne-
wohnende Kraft, wie das Sonnensystem, be-
weglich sind und vollendet in sich selbst zu-
rückkehren. Auf diese Weise hat Prometheus
die Natur nachgeahmt, als er den Menschen aus
irdischem Ton formte und ihn mit einem von
der Sonne entwandten Funken belebte."
So hat die Romantik mit dem äußersten Nach-
druck auf das organische, naturhafte Wesen des
Kunstwerks verwiesen und damit den Grund
zur Ästhetik eines ganzen Jahrhunderts gelegt.
Wahr ist allerdings, daß mehrere Geschlechter
dieses Jahrhunderts mit der Romantik selbst
223
Das Ktitislwerk als Orgaiiismus.
auch die romantische Kunstanschauung beiseite
jjeschoben und durch ein teilweise viel minderes
Kunstdenken ersetzt haben. Aber in neuerer Zeit
ist die romantische Kunsttheorie wieder bloßge-
legt worden und hat, wenn nicht unserm Kunst-
schaffen, so doch unserm Kunstdenkeneinenhalt-
baren Boden gegeben. Darnachsteht das Kunst-
werk als ein echtes,, Geschöpf "neben den andern
Geschöpfen, wie diese begabt mit dem einen
Funken göttlichen Lebens, der nur dann auf-
springt, wenn das Bewußtsein in die „fruchtbare
Dunkelheit" untergesunken und zum hilfreichen
Diener statt zum Herrscher geworden ist.
Der Fehler, den die romantische Praxis von
dieser Anschauung aus begangen hat, liegt darin,
daß sie anstelle des Bewußtseins schließlich ein
zügelloses Walten der Gefühle, Wallungen und
ReizempfinduDgen gesetzt hat, ohne zu bemer-
ken, daß dadurch das Kunstwerk doch endlich
wieder desorganisiert wird. Schaffen ist aber
weder Rausch noch Rechnen, sondern es kommt
aus einer neugeorduelen, aber eben doch
höchst geordneten Seelenlage, die dem Be-
wußtsein nichts Schlimmeres antut, als daß sie
seine störenden Einwirkungen auf die göttliche
Zeuguogskraft des Geistes ausschaltet. — w. m.
MICHAEL FÄCHER. lENiiEL« VOM ALTAR IN ST. WOLFGANG.
ARCHltEKT PROFESSOR BRUNO PAUL-ßERLlN.
»TERRASSENSEITE DES HADSES IN BLANKKNESK«
PROFESSOR BRUNO PAUL.
»LANDHAUS IN BLANKENESE«
EIN LANDHAUS IN BLANKENESE.
ERBAUT VON PROF. BRUNO PAUL— BERLIN.
Das Landhaus liegt auf dem hart an die Elbe
sich vorschiebenden, hohen, kieferbestan-
denen Geest-Rücken, westlich des Süllbergs.
Tief unten am Ufer des Stromes drängen sich
winzige Häuschen, Hütten und Gärten, und zahl-
lose Schiffe gleiten in endloser Kette auf seiner
silbernen Flut. Durch die Kiefernwipfel schim-
mert in der Ferne jenseits des Stromes im
blauen Nebel das Alte Land. Der Erbauer des
Hauses, Professor Bruno Paul, hat mit kundiger
Hand die eigenartigen Vorzüge der Lage zur
Geltung gebracht und durch die Stellung des
Hauses auf dem verhältnismäßig engen Dreieck
der Hochfläche an der Eibseite einen in Stufen
sich abtreppenden Gcirten ermöglicht, einen
weiten Blick geschaffen und Haus und Garten
durch eine Terrassenanlage aufs engste ver-
bunden. Dem, der das Glück hat, an einem
schönen Tage die hier auf schwierigstem Ge-
lände geschaffene Anlage zu betreten, wird so
ganz und gar der Zauber der weiten Fernsicht
aufgeschlossen. Das Haus selbst ist bewußt in
schlichten Formen in Sandstein errichtet. Wenn
der Wunsch der Beteiligten sich hätte verwirk-
lichen lassen, wäre unter günstigeren Verhält-
nissen wohl an dieser Stelle ein Ziegelrohbau
in ähnlicher Schlichtheit entstanden, der dem
heimatlichen Charakter vielleicht mehr ent-
sprochen hätte. Der gewaltigen Sprache der
umgebenden Natur gegenüber wirkt die Schlicht-
heit der Architektur in hohem Grade wohltuend.
Gleiche Schlichtheit und Zurückhaltung in der
Formensprache zeigen bei aller Großartigkeit
der Gesamtanlage die gewiß vorbildlichen, herr-
lichen, nahe gelegenen Landsitze em der Elbe,
welche frühere Zeiten geschaffen haben. Das
Landhaus Fraenckel zeigt eindrucksvoll, was die
Schöpfer jener Bauten mit vieler Selbstbeschei-
227
XXVI. Juli 1923 7
Ein Landhaus in Blankenese.
228
PROFESSOR BRUNO PADL- BERLIN.
duDg sorgfältig beachtet haben, daß in freier
Landschaft mit großen Formen die Steigerung
des Eindrucks der großen Baumkronen, Rasen-
flächen, Hänge und Schluchten durch die Ar-
chitektur ein vornehmes Ziel baukünstlerischen
Gestaltens ist. Wenn, was für Hamburg be-
dauerlich wäre, die fortschreitende Bebauung
des unvergleichlich schönen Eibparks zur Tat
wird, müßte die Schönheit dieser alten Land-
sitze zu neuen Ehren gelangen, und könnte in
diesem Sinne auch das Landhaus Fraenckel
reiche Anregungen bieten.
Im Gegensatz zur Zurückhaltung, die sich der
Architekt bei Gestaltung des Äußern aus guten
Gründen auferlegt hat, hat er im Innern frei
geschaltet. Den in das Haus Eintretenden emp-
fängt eine andere Welt, im Gegensatz zur Groß-
artigkeit der umgebenden Natur die stille Welt
einer kunstsinnigen Häuslichkeit, die Welt er-
lesendsten Geschmacks. Je drei Räume, im
Erdgeschoß Herrenzimmer, Musikzimmer und
Eßzimmer, im Obergeschoß Schlaf- und Wohn-
zimmer, entwickeln sich an der Eibseite des
Hauses. Die Verbindung nach den der Straßen-
» LANDHAUS IN BLANKENESE«
Seite zu gelegenen Wirtschafts- und Eingangs-
räumen stellt die Diele mit der wuchtigen
Treppe dar. In allen Räumen äußert sich bis
in die kleinste Einzelheit mit feinem Takt die
bewußte Kraft eines Meisters. Für die Raum-
verteilung, wie für die Einzelgestaltung ist eine
stille Würde in diesem Hause bezeichnend. Nur
selten, wie bei der massigen Treppenbrüstung
der Diele, klingen lautere Töne an. Die Farben
geben allen Räumen in glücklichem Wechsel
den Ausdruck einer heiteren Festlichkeit. Es
soll nicht versucht werden auszudrücken, was
aus dem Werke des Künstlers spricht. Die
liebevolle Sorgfalt, strenge Selbstzucht und Un-
bestechlichkeit in allem scheint mir auch bei
dieser Arbeit ein besonders schönes Merkmal
des Künstlers zu sein. Abbildungen können nur
eine dürftige Vorstellung geben. Die Beschrei-
bung würde kaum zu einer besseren Anschauung
verhelfen. Zum Wesen echter Kunst gehört es,
daß sie sich nicht durch Abbildungen und Be-
schreibungen ersetzen läßt, ihre Würdigung
vielmehr eines eingehenden und liebevollen
Studiums des Werkes selbst bedarf. Was Bruno
Em LandJiaus in Blankenese.
PROFESSOR BRUNO PAUL.
Paul hier schuf, ist eine Welt künstlerischer
Liebe, in die eindringen zu dürfen dem Fühlen-
den Glück bedeutet. Dieses Glück möchten wir
recht Vielen wünschen. Was zum vollen Ge-
lingen eines solchen Werkes unerläßlich ist, hat
Professor Bruno Paul während der Entstehungs-
zeit des Hauses offensichtlich in besonderem
Maße zur Seite gestanden. Das dauernde ver-
trauensvolle innere Einverständnis des Bau-
herrn und die liebevolle, sichere Leitung der
Bauausführung durch einen ortsansässigen Archi-
tekten, Herrn Architekten B. D. A. Carl Feindt.
Dr. Richard Linde rühmt in seinem Werk
über die Niederelbe mit Recht, daß die steile
Hügelschwelle rechts der Elbe — von Natur
sicher ein unveräußerlicher Besitz landschaft-
licher Schönheit — längst sich in eine einzige
graue Häusersteinwüste würde verwandelt ha-
ben, wenn nicht die reichen Kaufherrn ihre
wundervollen Parkbesitzungen mit den Schlös-
sern darinnen in fester Hand hielten, die sie in
nie genug anzuerkennender Freundhchkeit einer
oft fragwürdigen Menge öffnen. Der Weitblick
dieser hanseatischen Kaufherren, welche auch
»LANDHAUS IN BLANKENESE«
heute wieder wie hier die fähigsten Künstler
heranzuziehen wissen, läßt erhoffen, daß sie
auch der schwierigeren und bedeutungsvolleren,
der Zukunft vorbehaltenen Aufgabe unserer Zeit
starken Besitzwechsels und der Entwicklung
Groß-Hamburgs — der dringend notwendigen
Gestaltung eines Generalbebauungsplanes für
die Hamburg vorgelagerten Landgemeinden am
rechten Eibufer — - in einer allen privaten und
öffentlichen Erfordernissen Rechnung tragen-
den Großzügigkeit zur Lösung verhelfen wer-
den, zu ihrem und dem Ruhme ihrer Vaterstadt.
Möchte das von Natur so schöne, aber durch
unkünstlerische und planlose Bauten entstellte
Blankenese in Zukunft recht viele, innen und
außen so charaktervolle Bauten wie das Haus
Fraenckel entstehen sehen. — hans rolffsen.
Ä
In dieser Zeit, in der alles von der seelischen
Kraft, vom Zukunftsglauben, von der Stärke
der Sehnsucht und des Glücksverlangens in
unserem Volke abhängt, ist es notwendig,
allein das menschliche Herz an die Spitze der
Idee zu stellen h. de fries.
229
PROFESSOR BRUNO PAUL.
^GARDEROBE IM LANDHAUSEc
•N
EUE FORMEN«? Warum nicht Beharren
bei den erprobten, von Generationen
durchgearbeiteten Formungen der Väter? Tö-
richtes Gerede ... als entständen die neuen
Formen aus dem Streben nach „Schönheit",
oder nach „Zweckmäßigkeit", oder nach „Har-
monie" ! Als wäre nicht Triebfeder all unseres
Mühens und Bildens der reale, dunkle Form-
wille der Zeit, der sich ausleben und dar-
stellen muß um jeden Preis ... Gewiß
werden die Richtungspunkte der objektiven
Schönheit und all der anderen guten Dinge beim
Werden neuer Formen bewußterweise immer
in den Vordergrund gestellt. Aber worum es
sich wirklich und endgültig handelt, ist allein
das Ausdrucksstreben der Zeiten, ihre Sehn-
sucht nach Selbstausprägung in allen Stoffen,
die sie erraffen und sich zu diesem Zweck dienst-
bar machen können. Wer dies nicht tief gefaßt
hat, dem ist unser ganzes neues Mtihen im Rin-
gen des kunstgewerblichen Formens verschlos-
sen und unzugänglich dr. e. zschimmer
230
PROFESSOR BRUNO PAUL.
»BLICK IN DIE HALLEc
DEUTSCHE KUNST UND FRANZÖSISCHE KUNST.
(SCHLÜSS VON SEITE 204.)
Das konservative Festhalten an der Regel,
die erlernbar und schulmäßig übertragbar
ist, hat die französische Kunst nur selten zu
Extravaganzen, an denen die deutsche so über-
reich ist, verleitet, sie freilich auch ebenso sel-
ten zu individuellen Höchstleistungen befähigt,
die das erstaunlich gute Niveau ihrer künstleri-
schen Allgemeinkultur gipfelhaft überragen. Das
Beglückende ihres Daseins beruht auf der ganz
eigenen und natürlichen Art, wie sich der aus
Geist und Blut harmonisch gemischte Rassen-
charakter der klassischen Norm, die an und für
sich eine abstrakte Größe ist, anzugleichen weiß :
als das reizbar-bewegliche Element, dem es
bisher noch immer gelungen ist, die mit jeder
akademischen Doktrin gegebene Erstarruogs-
gefahr abzuwenden und dem erkaltenden Or-
ganismus frische und überraschend produktive
Säfte zuzuführen. Nur wird der klassizistische
Grundzug des französischen Wissens, der in
Linienbestimmtheit und Formenklarheit
seinen Ausdruck findet, dadurch nur wenig,
höchstens vorübergehend, verschoben. Er bricht
immer wieder durch, zuletzt mit der aus dem
Gegenspiel des Impressionismus entstande-
nen, von Cezanne getragenen neuakademi-
schen Bewegung, die heute mit den Land-
schaften eines Andre Derain ganz unver-
kennbar den Anschluß an die große architek-
tonische Linie des Claude Lorrain sucht.
Wir sehen: es ist nicht die magisch an-
ziehende Kraft des Gleichartigen, die hier
die geistige Brücke geschlagen hat. (Man muß
sich heute schon der Vergangenheitsform be-
dienen!) Das Verbindende ergab sich vielmehr
aus der scharf umrissenen Eigentümlichkeit
jeder der beiden Rassen, einer Eigentümlichkeit,
die Ergänzung und Ausgleich gerade durch den
Gegensatz gebieterisch zu fordern scheint.
Das Schicksal will es, daß heute die Türen auf
beiden Seiten verschlossen sind. — Ob sie sich
je wieder öffnen werden? — e. v. niebelschOtz.
231
PROFESSOR BRUNO PAUL. .TREPPE IN DER HALLE«
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PROFESSOR BRUNO PAUL.
»TEIL DES TREPPENGELÄNDERS«
DIE NATÜRLICHE EINHEIT.
Eingekapselt durch die sechs Wände, zu ge-
meinsamem Leben verurteilt — oder be-
gnadigt, sind die Dinge im Raum in unab-
lässiger Auseinandersetzung mit sich, den Nach-
barn und den Raum-Komponenten begriffen.
Es ist nicht möglich, eine Vase, oder überhaupt
irgend einen Gegenstand in ein Zimmer zu brin-
gen, ohne daß sofort die gesamte Belegschaft
des Raums dazu Stellung nimmt. Ein „neuer
Ton" ist zum Akkord hinzugekommen. Das
verändert unweigerlich seinen Klang, seinen
Chcirakter. Dem hellen Eindringling tritt das
Vorhandene mit getragener Würde entgegen,
oder auch mit gewitterdunkler Feindschaft. Es
dauert seine Zeit, bis die „Eingliederung" ge-
lingt, bis etwa der helle Gast als Oberton eines
neuen Akkordes assimiliert wird. Aber der
Wille zur Einordnung ist immer vorhanden, die
Auseinandersetzung , die niemals vollständig
zur Ruhe kommt, ist kein sinnlos-zänkischer
Streit. Oberstes Ziel bleibt stets, aus dem
bunten Vielerlei irgendwie eine Einheit herzu-
stellen. Mögen es auch Kontraste sein, die
gebunden werden sollen, Zufälligkeiten, zwi-
schen denen nachträglich eine entfernte Ver-
wandtschaft hergestellt werden soll. Der Ein-
richter macht sich die Aufgabe zu leicht, der
auf geradestem Wege der Einheit zusteuernd,
Fremdartiges, Kontraste bewußt ausscheidet,
auf einer Linie, einem Akkord die gesamte
Raum-Musik aufbaut. Eintönigkeit ist die not-
wendige Folge. Solch ein Raum erscheint tot,
gleichgültig, ob er viel oder wenig Einrichtung
enthält. Die Einheit, die durch künstliche Fern-
haltung von Dissonanzen, oder, was jetzt be-
liebt ist, durch absichtUche „Leere" des Raumes
erzielt wird, hat keine Kraft, — weil sie nichts
zusammenzuhalten hat! Es gehört ein feines
Gefühl dazu, den Zug zur Einheit, der heute
im Wohnwesen so stark hervortritt, in rechter
Weise zu nützen I . . Die aufgeteilte Beleuchtung
ist von der schweren Krone wieder aufgesogen.
Der große Schrank, das breite Büfett herrschen.
Der Architekt sieht oft seine wesentlichste Auf-
gabe darin, alles „Überflüssige" aus dem Raum
zu entfernen, deimit der „Raum an sich" zur
Geltung kommt. Möglich, daß dann in dem
„Weniger" ein viel größerer Reichtum an for-
malen und räumlichen Beziehungen zutage tritt,
als sich in der Überfüllung auswirken konnte.
Aber oft ist das Resultat eben nichts als „ Leere " .
Der Könner wird mit leichter Hand alles,
was in den Wohnraum gehört, — was durch den
Nutz-Zweck, durch Material oder durch die
Liebe der Bewohner Beziehungen und eine Spur
Blutsverwandtschaft erhalten hat, zur natür-
lichen Einheit zu verschmelzen suchen, sei's
auch die „Einheit der Kontrolle" I jaumann.
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XIVl. Jnli 1923. 8
PROFESSOR BEUNO PAUL.
»ERKER IM ESSZIMMER«
VOM BILDUNGSWERT DER KUNST.
Bekannt ist der anscheinend widersinnige
Ausspruch von Oskar Wilde, daß die Kunst
die Natur forme, nicht die Natur die Kunst.
Was ist Wirklichkeit? Das Bild, das wir von
ihr haben. Gibt es ein Bild der Wirklichkeit,
das alle Zeiten und Völker gleichermaßen ver-
pflichtet? Die Kunstgeschichte antwortet mit
Nein. Es ist also etwas Wahres in jenem para-
doxen Wort des englischen Ästheten. Es ist
das Wahre daran, daß jedes Naturbild der
wechselnden Menschengeschlechter von einer
andern Wesenhaftigkeit bestimmt ist. Wenn
ein Künstler sein Naturbild herausstellt und
mir aufzwingt, so schafft er eine bestimmte
neue Wirklichkeit, die es außer ihm und ohne
ihn „nicht gab". Es ist allen Ernstes wahr, daß
die Ruisdael'sche Landschaft vor Ruisdael nicht
existierte, daß die Welt vor dem Aufkommen
des Impressionismus nicht impressionistisch aus-
sah. Das Weltbild einer Zeit, einer Generation,
einer Gruppe, eines Künstlers ist zwangbaft
so, wie es ist; es ist Schöpfung oder besser
Entdeckung. Kunst ist unablässig daran, Wirk-
lichkeit zu entdecken, Natur zu formen.
Wie sehr jedes Weltbild eines starken Künst-
lers Weltentdeckung, Weltschöpfung ist, kön-
nen wir durch ein einfaches Experiment fest-
stellen. Sieht m£in sich nämlich in die Welt-
auffassung eines solchen Künstlers nachdrück-
lich ein, sättigt man seine ganze innere Sinn-
lichkeit mit seiner Form, seiner Fcirbe, seiner
Linie, seinen Valeurs, seiner Gemütsart und
Lebensstimmung, so macht man unfehlbar die
Erfahrung, daß man darnach eine Zeit lang die
Welt „mit seinen Augen" sieht. Es gibt kein
wunderbareres und genaueres Instrument als
die menschliche Seele. Sie nimmt die Stim-
mungen, die Akkorde der sie umgebenden Welt
so unerhört genau auf, daß sie mit wunderbarer
Präzision aus ihr zurücktönen. Ohne daß wir
es wissen, ist unsre ganze Weise, zur Umwelt
in Beziehung zu treten, von der Gemeinschaft,
der wir angehören, wesentlich beeinflußt, mit-
bestimmt; insbesondere von ihrer Sprache und
236
Vom Büdimgswert der Kunst.
ihrer Kunst. Wieviele Deutsche sehen heute
noch die Wälder und Berge im Geschmack
eines Ludwig Richter, eines Moritz v. Schwind I
Wieviele erleben die Lust am Wandern und
Schauen auf die Weise Eichendorffs oder Mö-
rikes ! So reicht unsre Kunst von allen Seiten
sehr tief in unsre Natur hinein. Und es wird
auch von dieser Seite her wichtig — das sollte
der gebildete Mensch stets beherzigen — wel-
che Art von Kunst uns umgibt, wie unser Ver-
hältnis zur Kunst beschaffen ist. Wer etwas
für die Pflege und Verfeinerung seines Kunst-
geschmackes tut, der erweist damit zugleich
seiner gesamten geistigen Welt und seinem
Naturbild einen wertvollen Dienst. Wer künst-
lerische Roheit um sich duldet, sei es in der
Ausstattung seines Heims, sei es auf seinem
Bücher- und Zeitschriftentisch, oder im Wand-
schmuck, der schädigt sich viel mehr als er ahnt.
Wir leben wohl in der Wirklichkeit, aber
ihren Hauptakzenten nach ist diese eine selbst-
geschaffene Welt. Was die Inder das „Karma"
nennen, wirkt sich nicht erst in einem vermute-
ten späteren Leben, sondern bestimmt schon in
diesem Leben aus. Ein verborgener Weisheits-
lehrer sagte zu einer jungen Dame, die ihn über
Wesen und Begriff körperlicher Schönheit fragte:
„Gute Gedanken denken, hohe Gebilde schauen
und durchsinnen, gehört nicht nur zur Vervoll-
kommnung des inneren, sondern auch des
äußeren Menschen. Es ist ein Mittel zum Schön-
werden, ein höchstes Kosmetikum. Lassen
PROFESSOR BRUNO PAUL. .GLÄSERSCHRANK IM ESSZIMMER.
237
Vom Bildungs'iVert der Kunst.
wir dcihingestellt, ob sich der Geist den Körper
wählt, in den er eingeht, wie alte Lehren des
Ostens behaupten. Sicher ist, daß er den Kör-
per gestaltet, Familiengefühle, Hausstim-
mungen formen erfahrungsgemäß die Gesichter.
Leidenschaften, Geistes- und Seelenregungen
prägen unsre Züge. So wirkt das Innere nach
außen. Schön sein wollen, ist nun freilich ein
niederer und unzulässiger Zweck. Aber daß die
Züge des Gesichtes aufglänzen, wenn innen
Gutes und Hohes sich ereignet, das ist unauflös-
Uch zusammengeordnet." Die Wahrheit, die in
diesen Worten liegt, sollte beachtet werden.
Das Schöne, das uns umgibt, formt auch
unsre ganze Welt zum Schönen hin, nicht nur
die innere, sondern auch den Baum, der vor
unserm Fenster steht, die Straße, die wir durch-
wandern, den blauen Himmel, der sich über
uns wölbt. Alles Schöne, das die Kunst uns
spendet, ruft tausendfache Schönheit aus der
Natur für uns hervor. Die Kunst ist die uner-
müdliche Entdeckerin neuer Reize an der vor-
handenen Welt; ja, sie selbst ist Entdeckerin
neuer Welten, und alles, was sie entdeckt,
kommt auch dem Weltbild ihrer weJiren, aufrich-
tigen Freunde zugute harald scholdeber.
PROFESSOR BRUNO PAUL-BERLIN. .OFEN IM EMPIRE-ZIMMER.
PROFESSOR BRUNO PAUL. .WOHNZIMMER«
IM LANDHAUS HAMBUKO-BLANEENESK.
MEIN ARBEITSZIMMER.
Man muß vor allem klar sein, daß man nur
sein eigenes und nicht „jedermanns"
Arbeitszimmer einrichten kann. . Der Raum,
den ich mir denke, ist geräumig, hoch und hell.
Er enthält an Möbeln nur, was ich notwendig
brauche, um heimisch zu sein, ich will nichts
entbehren, ich will kein überflüssiges Stück.
Meine Bücherei unterzubringen, brauche ich
Gestelle : einfache gradlinige Schränke aus dunk-
lem Holz. Außerdem brauche ich zu jedem
Schrank ein kleines Tischchen, es muß durch-
aus beweglich sein, es dient mir zur Ablage von
Büchern, manchmal pflege ich es an den Schreib-
tisch zu rücken, dann Uegen Nachschlagwerke
darauf, auch benütze ich es als stummmen Die-
ner, der mir den leichten Imbiß freundlich ge-
deckt anbietet, gelegentlich auch als Rauchtisch,
Der Schreibtisch ist breit und massiv, er steht
mitten im Zimmer, frontal gegen das Fenster,
Ich hebe es, ins Freie, in den Garten zu sehn,
wenn ich von der Arbeit aufbUcke. . In Bezug
auf Beleuchtung gestehe ich, anspruchsvoll zu
sein. Von der Mitte der Decke hängt die große
Lampe, ihr Licht blüht, sie badet das Zimmer
in Licht. Am Schreibtisch steht die elektrische
Stehlampe, Aber ich habe meine Speziahtäten,
Es gibt Abende, da brauche ich eine gewisse
Feierlichkeit zum Lesen oder Arbeiten, dann
liebe ich die schöne Milde von Kerzenschein
und den Duft von Wachs, Und dann gibt es
Gelegenheiten, daß es mir auf einmal zu still
wird. Dafür habe ich eine alte Petroleumlampe
aus Alabaster, sie hat eine klare, edle Form, ihr
Licht quillt rötlich und beim Brennen summt
sie leis und traulich; dies Summen versetzt mich
in eine geheime innere Musikahtät, manchmal
fällt mir ein, daß die summenden Bienen so
fleißig sind. Am Schreibtisch habe ich einen
lederbezogenen Sessel stehn, er stammt noch
aus Großvaters Zeiten, Er ist das sachUchste
und dabei bequemste Sitzmöbel, das ich kenne,
Erhatbreite, genau ellenbogenhohe Armlehnen,
und eine prächtige tiefe Rückenlehne mit großen ,
behaglichen Ohren, Sonst habe ich keine Sitz-
möbel im Raum, sie stören mich beim Hin- und
Hergehen, ich Hebe es sehr, meinen Rundgang
im Zimmer zu machen, schon Georg Christoph
Lichtenberg hat es bemerkt, daß man manche
Gedanken nur im Gehen denken kann, und auch
die modernen Psychologen sind nicht ganz einig
über die Parallelität geistiger und körperlicher
Bewegungsvorgänge und ihrer gegenseitigen
Beeinflussungskraft. Nur zwei kleine einfache
Holzhocker sind noch da, sie dienen den kleinen
Tischchen als Handlanger und Gehilfen und
rauben keinen Platz. Wenn ich ausnahmsweise
im Arbeitszimmer Besuch empfange, muß er auf
dem Divan Platz nehmen. Der Divan nimmt mir
eine ganze Ecke weg, aber ich muß ihn haben,
um liegend lesen und cirbeiten zu können. Über
dem Divan hängt ein Wandteppich, ein schlich-
tes, kaum arabeskes Gerank. Gewebe stimmen
fleißig. Der Boden ist mit weichem Wollteppich
belegt, er bringt einen warmen goldbraunen
Ton ins Zimmer. Die Decke ist weiß und hält
das Licht. Die Tapete ist von einem saftigen,
ganz beruhigenden Mittelgrün, Neben dem
Divan habe ich eine alte einfache Truhe stehen,
die mir zur Aufbewahrung dient für Papier. Der
Deckel der Truhe dient mir als Hilfs-Tisch. In
der andern Zimmerecke habe ich meinen Steh-
pult, er ist zugleich Hilfsschrank und bewahrt
vieles leicht Greifbare auf. Über dem Pult hängt
der einzige Bildschmuck des Zimmers, ein
schöner alter Kupferstich, eine Landschaft dar-
stellend. Die vielen bunten, musizierenden
Bücherrficken mit den tanzenden Goldbuch-
staben bringen eine schöne Farben-Fröhlichkeit
in das Zimmer. An Schmuck ist noch eine
kleine Holzplastik, eine gotische Pieta, da, sie
hat auf der Truhe ihren Platz. Auf dem Schreib-
pult steht ein Blumenglas. Lebende Wesen im
Arbeitszimmer dulde ich außer mir ungern. Ich
habe trotzdem ein kleines Aquarium mit zwei
winzigen Stichlingen und überalgtem Löffelkraut
am Fenstersims stehen. Mindestens einePflanze,
finde ich, gehört ins Arbeitszimmer, ihr stilles,
geheimes Wachstum ist ein gutes Symbol. Ich
habe mir eine Mamillciria, meine Lieblings-
kaktee, dazu erwählt. , . .
Kurz: persönliches Gepräge ist das We-
sentliche für solch einen Raum, Stimmung und
Atmosphäre muß er als erste Eigenschaft haben :
denn er ist in meiner Wohnung mein eigenstes,
persönlichstes Reich, der Raum meiner Ar-
beitssehgkeiten und der Inspiration, h. geron.
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PROFESSOR BRUNO PAUL. .BETTNISCHE IM TÖCHTER-ZlMMERc
LANDHAUS IN HAMBÜRG-BLANKENESE.
VROFKSSOR KARL HOFER— BERLIN. „TROMMELSCHLÄGER-
HhSir/FK: l. A. HBFI'HM'S — HONN
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HOKKR.
•MÄDCHEN
MIT KEKZE«
DIE VERJÜNGTE BERLINER AKADEMIE.
VON DR. MAX OSBORN.
Das Berliner Ausstellungswesen, seit einigen
Jahren schon in einem Gährungsprozeß
begriffen, zeigt nunmehr ein völlig verändertes
Angesicht. Die Sezessionen befinden sich in
einer schweren Krisis. Die „Freie Sezession",
d. h. die einst von Max Liebermann regierte,
ist zur Zeit überhaupt nicht viel mehr als ein
Begriff; vor dem Radikalentschluß einer gänz-
lichen Auflösung ist man noch zurückgeschreckt,
man will das £ilte Banner wenigstens im Schrank
aufbewahren, um es bei besserer künftiger Ge-
legenheit wieder hervorzuholen, aber man tritt
sozusagen nicht mehr „in die Erscheinung".
Die „Berliner Sezession", also die um Corinth,
existiert wohl noch, hat aber ihr Ausstellungs-
hdus für den größten Teil des Jahres an ein —
Kabarett verpachtet (natürlich, da das Quartier
auf Ctiarlotienburger Boden liegt, an eine
„Russische Kleinkunst-Bühne"). Die „Große
Berliner Kunstausstellurg" trägt ein immer ko-
mischer werdendes Doppelantlitz, da die Se-
zessionen sich von ihr zurückgezogen haben
und auf der einen Seite die radikal-tumultariscbe
Nuvembergruppe, auf der andern Seite — ohne
versöhnende Vermittlung mit der ungleichen
Schwester drüben — der „Verein Berliner
Künstler" steht, aber nicht mehr, wie früher,
durch die Mitwirkung der Akademie gestützt.
247
XXVI. Auguit 1M3. 1
Die verjüngte Berliner Akademie.
248
ROMAN KRAÜSTYK— BERLIN.
Das bedeutet: die Berliner AusstelluniJsver-
hältnisse haben sich von Grund aus verschoben.
Dafür sind nun zwei neue Faktoren aufge-
stiegen, die jetzt der Lage ihr Gepräge geben.
Dort die „Juryfreie Kunstschau", von der ak-
tiven Energie des Malers Hermann Sandkuhl
glänzend geleitet, der aus dieser ganz freien
Organisation einen Sammelpunkt der Talente
gemacht hat — wobei sich nach dem zwang-
losen Prinzip der zugrunde liegenden Idee frei-
lich auch die große Masse und der holde Kitsch
ungehemmt ansiedeln können. Und hier nun — :
die an Haupt und Gliedern verjüngte Akademie
der Künste. Der neue Zustand wurde noch nie
so hell beleuchtet wie eben jetzt durch die Früh-
jahrsausstellung dieser allehrwürdigen , aber
durch eine moderne Bluttransfusion wieder ela-
stisch gewordenen Körperschaft. Was bisher
nur in Anläufen gesucht wurde, ist jetzt wirk-
lich durchgesetzt: die akademische Ausstellung
hat endgültig aufgehört, die Angelegenheit eines
geschlossenen, würdigen und — was mit der
Würde meist zusammentrifft — gemächlich-
GEMALOE >LANDSCHAFrt
langweiligen Kreises zu sein, sondern stellt sich
als ein Zeitdokument großen Stils, als ein Quer-
schnitt durch die reifste Produktion der Gegen-
wart dar. Man hat diesmal auch einen Kom-
plex rückwärtiger Säle hinzugenommen, also
planmäßig eine räumliche Erweiterung durch-
geführt, sodaß das Ganze fast schon als eine
„Große Kunstausstellung an anderer Stelle"
auftritt, versteht sich und gottlob in mildernder
Verkleinerung. So ist, auch im Hinblick auf
den Umfang, eine wahrhaft repräsentative Ver-
anstaltung zustande gekommen, die wieder das
bietet, was man von der Akademie zu erwarten
berechtigt ist. Das war eigentlich der ursprüng-
liche Sinn der „Akademischen Ausstellungen",
deren Anfänge bis auf die Zeit Friedrichs des
Großen zurückgehen. Man hatte ihn nur in den
letzten Jahrzehnten des Kaiserreichs durch die
wunderliche Parteinahme des Hofes und damit
auch der Regierung gegen alles Fortschrittliche
in der Kunst, die sich leider die Akademie mit
gehorsamster Devotion zu eigen machte, aus
dem Auge verloren. Nun knüpft man wieder
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Die verjüngte Berliner Akademie.
250
PROF. E. F. WEISS— BERUN.
an die besten Traditionen an. Oder vielmehr,
man schafft sich sogar eine neue Überlieferung;
denn mit solchem Freimut hat die Akademie
sich der werdenden Kunstfiedanken denn doch
früher niemals angenommen.
Der Umschwung trat ein, seitdem Liebermann
Akademie - Präsident geworden. Der unver-
wüstliche alle Kämpe setzte seinen Ehrgeiz
darein, mit dem unmöglichen und verstaubten
Formelwesen, durch das die akademischen Aus-
stellungen heruntergekommen waren und bis
zu seinem Amtsantritt alle Bedeutung einge-
büßt halten, energisch aufzuräumen. Erbrachte
den Geist der Sezession nach dem Pariser Platz.
Aber man darf nicht übersehen, daß damit noch
nicht alles getan war. Die alte Sezes-sionskunst
und Liebermanns persönliche Herzensanschau-
ungen, die im Grunde stets in diesem Kreise
wurzelten, bildeten nun schon ein Programm
von gestern Wollte man das Heute hinzufügen,
so mußte man sich noch einen kräftigen weiteren
Ruck nach vorwärts geben. Glücklicherweise
geschah das. Liebermann war einsichtig genug,
um zu erkennen, daß es mit der inzwischen auf-
BILDNIS >REN£e SINTENIS«
gestiegenen neuen Generation paktieren hieß.
De Jüngeren aus seiner Gefolgschaft, die er
nach und nach gleichfalls in die Akademie zog,
bestärkten ihn darin. Und man darf schließlich
nicht vergessen, was der Reformgedanke dem
„Sekretär" der Akademie, dem Kunsthistoriker
Prof Alexander Amersdorfer, zu danken hat.
Trotzdem ging es nur Schritt für Schritt wei-
ter. Bis man in diestm Jahre endlich dem
Kunstbegehren der Zeit die Tore weit geöffnet
und zugleich bei den „Akademikern" (im früher
gültigen reaktionären Sinne) kräftig gesiebt hat.
Mit inniger Freude bemerkt man „viele, die
nicht da sind". Man könnte wohl auch noch
auf manches, das doch da ist, mit der gleichen
Heilerkeit des Herzens verzichten. Aber da
stoßen wir auf Resi bestände eines alten Zopfes:
auf die berühmte Jurylreiheit der Akademie-
Mitglieder, die von unbekümmerten Seelen
noch immer in Anspruch genommen wird — es
wäre wohl an der Zf-it, dies Petrefakt aus vor-
revolutionären Zeitläuften gelegentlich einmal
in die Spree zu weifen. Auf der andern Seite
vermißt man mit Bedauern einige führende Na-
FRANZ HECKENDORF-BERLIN. »PADENDE MADCHEN«
AKADEMIE-ADSSTKLLUNG • BERLIN 1923.
Die Terüngte Berliner Akademie.
PAUL
PLONTKE-
BERUN.
iBADENDEc
men des Fortschritts. Nolde, Heckel, Schmidt-
Rottluff dürften eigentlich bei einer solchen
Übersicht nicht fehlen. Aber Vollständigkeit
ist schließlich nicht immer das höchste Gut. Es
werden immer Zufälligkeiten mitsprechen. Bei
Heckel und Schmidt-Rottluff z. B. liegt der
Grund des Fernseins diesmal in einem sonder-
baren Konflikt, den die Leute von der „Freien
Sezession" kürzlich unter sich auskämpften: es
war dort die Frage aufgetaucht, ob die Sezes-
sionisten sich als geschlossene Gruppe über-
haupt noch halten könnten, wenn sie ihre besten
Sachen auf die Ausstellung der Akademie
schickten — eine Erörterung, in deren Verfolg
übrigens auch Liebermann sein Amt als Ehren-
vorsitzender der Freien Sezession niederlegte.
Nun, so etwas wird sich ja wieder ausgleichen.
— Nach links hin zieht sich die Akademie auch
jetzt noch gewisse Grenzen. Man mag das be-
dauern, weil dadurch in dem Überblick wesent-
liche Lücken entstanden sind, aber man kann
es auch verzeihen. Der revolutionäre Vortrupp
hat schließlich noch andere Gelegenheiten, sich
zu tummeln; Novembergruppe und Juryfreie
bieten sie. Und ich würde als brauseköpfiger
Stürmer überhaupt getr nicht in die Akademie
hineinwollen. Immerhin kann man sich mit dem
Prinzip der Beschränkung auf das Abgesiebte
und Ausgegorene abfinden , wenn es so frei
befolgt wird, wie es diesmal geschah.
Vorbildlich ist die Ausstellung vor allem
durch die ungemein geschickte und geschmack-
volle Anordnung. Es ist eine Kunst des Hän-
gens geübt worden, die an die besten Zeiten
der alten Sezession erinnert. Kein Gewimmel,
Vielmehr sorgscunste Abwägung der Dinge, die
2S3
Die verjüngte Berliner Akademie.
254
FR. TISCHLER -CHARLOTTENBURO.
zueinander passen und sich zu symmetrischen
Wirkungen eignen. Betonung der Hauptpunkte.
Zusammenrücken der Werke derjenigen Per-
sönlichkeiten, die man hervorheben wollte. Im
großen Hauptsaal, der als eine Art „Tribuna"
eingerichtet ist, zeigt sich das am deutlichsten.
Sein Inhalt ruht auf drei massiven Pfeilern:
rechts ein Wandzentrum Liebermann, links ein
Wandzentrum Corinth — das Gegenüber dient
zugleich als Symbol des persönlichen Friedens-
schlusses zwischen den lange verfehdetenKampf-
genossen — geradeaus ein Wandzentrum Ko-
koschka. Liebermann bringt mit einigen der
Gartenstücke aus Wannsee, hinter denen die
Sammler heute wie wild her sind, ein Alters-
Selbstporträt von ergreifendem Bekennertum.
Corinth zwischen hingefegten Anblicken vom
geliebten Walchensee eine große „Flora", die
sich die Nationalgalerie gesichert hat — ein
prachtvolles Beispiel für die malerische Visions-
OEUALDE >WERBELLIN-SEE€
kraft und die geniale Technik dieses weder
durch Alter noch durch körperliche Leiden zu
erschütternden Riesen. Kokoschka präsentiert
sich auch hier als das brillanteste Talent der
ganzen jungen Schicht. Vor einiger Z*it gab es
einmal zu irgendeiner Gelegenheit eine festliche
Tafelrunde, für die eine Reihe von Künstlern
als Menubeigabe ein kleinesLithograpbie- Album
beisteuerten. Nach Tisch machten die Damen
die Runde, die Künstler um ihre Unterschrift
zu quälen. Eine Dame trat zu Liebermann; er
unterzeichnete. Sie ging darauf zu Kokoschka,
dessen Lithographie in dem Heftchen zufällig
die nächste Seite bildete. Und was schrieb der
Schlingel darunter? „Kokoschka, Kronprinz".
Frech, nicht wahr? Aber man darf sagen, er
bewähr!, sich auch als Kronprinz.
Als besonderes Verdienst bucheich die Auf-
nahme nfuer Leute. So zog Wilhelm Schmid
in die Akademie ein, der junge Schweizer, der
EUGEN ZAK BERLIN. .FRAUENKOPF.
SAMMLUNG A. K.— DARMSTADT.
r>ic rrrjihigte Brrliufr Akadeviic.
seit Jahren in Berlin lebt und sich hier durch
seine Bilder in einer breiten dekorativen Manier
und mit einer seltsam magischen Farbengebung
durchgesetzt hat. So auch ein Künstler wie
Eugen Zak, der mit seinen zarten, fast schon
klassizistisch zu nehmenden Malereien auf eine
ganz bestimmte Spielart jüngster Bestrebungen
hinweist. So auch Otto Dix, der unerbittliche,
fanatische Ironiker der modernen Gesellschaft,
der, darin stärker als der ihm verwandte George
Groß, auch mit der Farbe Originelles zu sagen
hat. Soll man es glauben, daß dieser Otto Dix
— Liebermann, der wahrhaftig aus ganz anderen
Anschauungen kommt, hat ihm unverhohlen
seinen Respekt bezeugt — sich mit Staatsanwalt
und Gerichten wegen der „Unzüchtigkeit" seiner
Bilder herumzuschlagen hat, weil seine ver-
bissene Schärfe die lieben Alitmenschen und
EUGEN
ZAK.
GEMÄLDE
•MÄDCHEN«
Mitmenschinnen auch da anpackt, wo sie grin-
send und häßhch sind? Aber es sind auch ganz
neue Männer da, von deren Namen man bisher
nichts wußte. Ich hebe nur einen heraus : Georg
Netzband, der, vielleicht durch Klaus Richter
angeregt, seioe Phantasie mit modernisierten
Breughelschen Typen bevölkert.
Von Bedeutung ist ein Kranz von Sonder-
kabinetten, der sich um die Mittelräume zieht.
Als eine Sache großen Ranges stellt sich da-
runter das von Max Slevogt dar. Fast durch-
weg Werke der allerjüngsten Zeit; man hat also
den lebendigen Slevogt von heute. Souveräne
Beherrschung der persönlichen Ausdrucksmit-
tel; nie ein Schema, immer vielmehr ist Bild-
gedanke und Formgebung frisch geboren. Frap-
pante Bildnisse von ein paar bekannten Berliner
Persönhchkeiten — dem Bankbeherrscher Für-
257
XXVI. August 1923. 2
Die verjüngte Berliner Akademie.
268
RUDOLF LEVY— BERLIN.
MIT GF.Nf-:iI.MlGfNG DER GALERIE FLECHTHEIM.
»BLUMEN-STILLEBENc
stenberg und dem früheren Staatssekretär Dern-
burg — legen neues Zeugnis ab für Slevogts
wohl realistische, auch Ähnlichkeit suchende,
aber von innen her beseelende Porträtkunst.
Frauenbilder in Blau, in Schwarz gegen Orange,
oder ganz Hell in Hell, funkelnde kleine Stücke,
wie ein Stilleben mit einem Baumkuchen, sind
erfüllt von Farbenglanz und Geistreichtum der
Pinselführung. Nur eine große allegorische
Komposition zeigt, wo Slevogts Grenze ist.
Das kann er nicht.
Dann gibt es einen Saal, der EdvcU-d Munch
heißt. Gewiß hat es unsägliche Mühe gemacht,
diese umfassende Kollektion zusammenzubrin-
gen. Der Raum wird beherrscht durch das
große Porträt Walther Rathenaus aus längst
vergangenen Jahren — dieser kluge Kunstken-
ner, der dann Minister und dafür ermordet
wurde, wußte schon damals, welche Potenz in
Munch steckte. Bis in die achtziger Jahre
reicht die Serie zurück. Und mit den grübleri-
schen, deutenden, gespen<itischen Zügen, die in
dem fabelhaften Porträt Henrik Ibsens, in dem
einsamen Mann cun Fenster, in dem Bilde „Das
Geschrei" heute wie ehedem fesseln, kontra-
stiert eine Auswahl jüngerer Bilder Munchs mit
ihrem freien und großzügigen Naturalismus.
Vorzüglich stimmen in diesem Saal — auch das
ein Beispiel für die verständnisvolle Anordnung
— einige Holzskulpturen von Barlach in der
mächtigen, geheimnisvollen ICraft der Formbe-
handlung zu der Malerei des Magus vom Norden.
Aber auch der jüngeren Berliner Kunst ge-
hört ein Sondersaal; Karl Hofer. Niemals hat
die gewichtige Art dieses Mannes, in der sich
monumentales Kompositionsgefühl, solidestes
Farbhandwerk und eine ernste Sprache sym-
bolhafter Umdichtung des Weltbildes zu einem
herben und zugleich blühenden Werk verbin-
den, so eindrucksvoll gesprochen. Hofer hat
unter anderem ein Bild ausgestellt, das er
„Selbstporträt mit Dämonen" nennt. Derglei-
chen wäre bei vielen anderen eine Koketterie
— hier würde niemand auf solchen Gedanken
kommen. Es ist schon so: es bleibt sich gleich,
ob Hofer einen Pierrot oder einen seiner keu-
schen Akte oder ein Stilleben oder eine Le-
gende zum Thema nimmt, es glüht immer ein
geisterhafter Schimmer durch seine Gemälde.
— Daneben stehen kleinere Kabinette. Das An-
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ERNST BARLACH-GÜSTROW. »DER RÄCHER«
MIT GENEHMIGUNG VON PAUL CASSIRER- BERLIN.
ERNST BARLACH. »MANN IM MANTEL«
MIl GliNEHMlGUNG VON PAUL CASSIRER-BERLIN.
Die vcrjüugtc Berliner Akademie.
WILH. KOHLHOFF— HEIDELBERG.
denken des jüngst verstorbenen Hans Looschen,
der um Berliner Kunstdinge sich vielfach ver-
dient gemacht, wird durch eine eigne Sammlung
geehrt. Weich und lebensvoll gemalte Impres-
sionen von Festen, Theaterszenen, schillernden
Interieurs geben eine Probe vom kultivierten
Geschmack seiner angenehmen Art. Auch ein
Bildhauer kam ausführlicher zu Wort: Wilhelm
Gerstel, der sehr reizendes Kleinwerk zu schnit-
zen und zu modellieren weiß, am feinsten frei
umrissene, breit behandelte weibliche Brouze-
ügürchen. Aber auch sonst gibt es besondere
Stationen für das Auge. Unter den Männern
der einstigen „Brücke" dominiert Pechstein,
mit einem Stilleben von geradezu prangender
FarbenschSnheit, einer großartig aufgebauten
Gruppe seiner Ostseefischer und dem besonders
gelungenen Bilde eines Mädchens in männUcher
Matrosentracht. Franz Heckendorfs flächig
leuchtende Landschaftsmanier, Bruno Kraus-
kopfs nervösere und reichere Naturausschnitte
und Stilleben , Willy Jaeckels mit breitem
Schwung gemalte bcirocke Aktgruppen, Hans
Purrmanns und Alfred Parikels deUkate Farben-
buketts — das alles präsentiert sich in charak-
GEUALDE »TAUWETTERc
teristischen Proben. Es verschlägt nichts, wenn
auch einmal einer, wie diesmal E. L. Kirchner,
daneben gehauen hat. Wichtiger ist, daß rings-
um reichstes Leben sich entfaltet, daß eine
Fülle interessanter plastischer Versuche den
Malern sekundiert, und daß damit ein schla-
gender Beweis gegen die Lamentationen der
männlichen Klageweiber geführt wird, die immer
greinen, unsere Kunst sieche in hoffnungslosem
Verfall dahin. Daß es die Akademie ist, die
diesen Beweis so beherzt führt, verleiht ihr
einen neuen Platz als Führerin m. o.
Am Neuen sehen wir nur das Seltsame, aber
. im Seltsamen alsobald das Bedeutende zu
erblicken, dazu gehört schon mehr. . . qoethe.
Unbekannt mit den Regeln, den Krücken der
Schwachheit und den Zuchtmeistern der
Verkehrtheit, bloß von der Natur oder dem
Instinkt, seinem schützenden Engel, geleitet,
geht das wahre Genie ruhig und sicher durch
alle Schlingen des falschen Geschmackes, in
welchen das Nichtgenie unausbleibUch ver-
strickt wird SCHILLER.
263
REN^E SINTENIS-BERLIN. »SELBSTBILDNIS«
GUSTAV SCHAFFER-CHEMNITZ. .BILDNIS«
BES: KÖNIG ALBKRT-MUSKUM CHKltNITZ.
GUSTAV SCHAFFES.
DIE LIEBEN FRAUEN
GUSTAV SCHAFFER.
W'enige Maler erschließen dem Kunstbe-
trachter das Zentrum ihres Wesens so
schwer wie dieser eigenwillige, außerhalb aller
Schul-Zusämmenhänge und Zeit-Slrömungen
stehende Künstler. Ursprünghch war Schauer
Kunstgewerbler. Die gediegene Beherrschung
des Handwerklichen zeichnet alle seine Arbeiten
aus und macht ihn immer wieder willig, deko-
rative Aufträge, wie die Ausschmückung von
Landhäusern und Schlössern mit Fresken und
dekorativer Malerei zu übernehmen, die er
merkwürdig licht und heiter gestaltet, mit starker
Bevorzugung von Gelb, Rot, Grün und Blau in
ungebrochenen antikisch -lebenssatten Tönen.
Von dieser Welt sonniger Innenräume zu den
Graphiken und Gemälden Schaffers ist ein
weiter Weg. Zwar gibt es ein paar heitere Land-
schaften aus der Vorkriegszeit, zwar ist die
zarte Holzschnittkunst seiner an Ostasiatisches
gemahnenden Passionsmappe, im Widerspruch
zu dem Thema, von ähnlicher im schönen Spiel
der Kräfte befangener Gewichtlosigkeit, aber
alle späteren Werke stehen zu diesen rasch auf-
gegebenen Versuchen wie Ernst zum Spiel. Die
Entwicklung zum heutigen Schalfer drängt
sich in die wenigen Nachkriegsjahre zusammen,
und man muß schon sehr mühsam suchen, um
zu den kleinen, teilweise lustig kolorierten Ge-
stalten der schwarzflächigen Passionsholz-
schnitte, die vorwiegend geschmackhches Inter-
esse haben, Beziehungen im späteren Werk zu
finden. Zwei Aufgaben geben diesem Werk
Ziel und Inhalt: Die Gestaltung des mensch-
lichen Gesichts und die Verlebendigung der
Landschaft. Der Bildnismaler knüpft an die
Eindrücke cm, dieihmDürer und Holbein schenk-
ten. Beim weiblichen Porträt — frühes Bildnis
seiner Frau — spielt die lineare Melodik, der
Bildaufbau, das Kolorit, die Augen- und Haar-
behandlung Bolticellis herein. Was aber von
diesen Altmeistern übernommen wird, das ist
mehr als bloßes Gerüst, als Ruozeltechnik und
Anordnung der Gebärde, Einfügung in Fenster-
ausschnitte und begrenzendes Gebälk, feste
Körperhchkeit und Ruhe des Blicks und der
Mienen, das ist vielmehr der Wille, alles Tran-
sitorische, das durch Generationen gesuchter
Inhalt der Malerei war, zu vermeiden, und das
Bleibende, Feste, Strukturelle mit der Gründ-
lichkeit eines Holzbildhauers herauszuschälen.
Die Elternbildnisse zeigen eine Behandlung der
Gesichter, die, mehr zeichnerisch als malerisch,
aus harten unerbittlichen Strichen und Kurven
die Landschaft der Züge wie ein Stück Erd-
kruste aufbaut. Man meint Granit zu spüren
unter der Oberfläche, die eine straifgespannte,
glattgemalte, gelblich -fahle Epidermis deckt.
Das hier wiedergegebene Bildnis der Mutter
vom Jahre 1922 stellt eine spätere Stufe der
Entwicklung dar, in der jedoch das Erträgnis
der eben gebildeten aufgehoben ist. Luft, Licht
und Farbe fehlten dieser Kunst der eindring-
267
tXn. Aueasi 1923. 3
Gustav Schaifcr.
268
GUSTAV SCHAJF£R.
liebsten Körpergestaltuog in einem solchen
Maße, das der Widerschein des Lebens er-
loschen schien in den zeitlosen, unerbittlichen,
wie holzgeschnitzten und steingemeißelten Zü-
gen. Immer wieder holte sich der Maler, dessen
Farbensinn sekundär ist, aber zu psychologisch
ebenso interessanten wie ästhetisch umstreit-
baren Ergebnissen führt, vom Holzschnitt und
von der Zeichnung — hierin typischer Deutscher
— Anregung, und manches Porträt ist im aus-
geführten Gemälde minder vollkommen geraten
als in der runenreichen Rötel- oder Kohlen-
studie, die eindeutig linear behandelt, am
meisten Kraft und Charakter zeigt. Die starre
Malweise konnte Schaffer auf die Dauer lücht
befriedigen. Die Erkenntnis mußte kommen,
daß das Erlebnis des menschlichen AntUtzes
dem heutigen Menschen keine geologische, son-
-WERO£N UND VERGEHEN«
dern eine seelische Angelegenheit sei. Nicht als
ob die Menschen der Schafferschen Bildnisse
der ersten Nachkriegszeit keine Seele hätten:
nur, sie ist gefroren, erstarrt unter der altmeister-
lichen Kruste, ohne Regung, unerbittlich wan-
dellos. Da kommt die Reaktion. Zunächst blei-
ben eine Reihe von Voraussetzungen bestehen:
das unmalerische Kolorit — viel Schwarz, fahles
Gelb und totes Grün — bleibt, die Farbklänge
des Eros schweigen weiter. Auch bleibt das
menschliche Anthtz der kindheitlichen Erinne-
rungswelt: das verwittert-fahle Gesicht über
schwarz -verhülltem Körper — der Vater war
Bergwerksbeamter — , aber der Raum weitet
sich nun zur Landschaft frühester Träume und
neben festgefügten dürer- und altdorferlichen
Hügel- und Waldgebilden tauchen lichte Visi-
onen auf von einer Durchsichtigkeit, die der
Gustav Schaff'er.
GUSTAV SCHAFFER.
Welt el Grecos eignet und die auf vielen, mit
leichtem Pinsel rasch hingesetzten, bisweilen
heiligen Szenen und Gestalten als Folie dienen-
den Bildern uod Studien wiederkehrt. Es ist,
als flöhe der Künstler immer wieder aus einer
harter Gegenstände vollen Welt quälender
Zwangsvorstellungen in die Gewicht- und Kon-
turenlosigkeit dieser unkörperlichen Traumwelt,
in der die lichtfrohe Farbenskala der dekora-
tiven Periode wiederkehrt. Wohl bleibt auch
hier eine letzte Kühle, aber die luftige Weit-
räumigkeit wirkt abgeklärt und die Ahnung
dämmert, daß hier ein Platoniker am Werk ist,
der nicht den Pulsschlag der Dinge, sondern
das unwandelbare Gesetz ihres Lebens, ihre
kristallinische Grundform zu ergründen und
sichtbar zu machen trachtet. Aber immer wieder
OEMALOE .WANDERER«
kommen die Angstträume der Jugend und wer-
fen den Schaffenden in die Zerrissenheit und
Qual zurück, gegen die er zuerst das Bollwerk
seiner starren, unerbittlich -körperlichen Bild-
nisse antürmte, imd was in diesen Stunden der
Komplex -Beherrschtheit, wenn man kühn so
sagen darf, entsteht, das ist nicht aus klarem
platonischen Geiste gestaltete Kunst, sondern
in rasender Scheinproduktivität hingeschleu-
derte Menge dämonischer Gesichte, wie sie der
Lyriker Georg Heym kennt, wie Alfred Kubin
sie, aus einer anderen Hand freilich, auf Papier
und Kupferplatte bringt. Schwarze, wie ver-
krüppelte Gestalten gehen auf quälerisch ge-
krümmten Wegen durch totgrüne Landschaften,
kahles Felsgestein oder fahlgelbe Nacht. Bett-
ler erfrieren an der Straße, ein Leichnam liegt
269
&!isfav Schaffer.
270
^W^T""'"
^
-?IM-^
GUSTAV SCHAFFER.
nackt und bleich am Bergwasser, unheimliche
Gesellen fahren im schwarzen Boot unter'm
Brückenbogen weg und um den kahlen Kirch-
hof stehen und hocken alte und junge Menschen,
aber das Greisenalter uod das Elend geben dem
Bild das Gepräge. Zum unmalerischen Schwarz
und Schwefelgelb des Bergmannssohnes kommt
bisweilen die heirte rotzüngelnde Flsimme eines
brennenden Hauses wie eine schmale rote Fahne
vor dem kalten, als glatte Fläche hinlackierten
dunklen Himmelsblau. Biblische Szenen kehren
wieder. Schon einmal, zur Zeit der Eltern-
bilder, entstanden solche, in unerbittlich harte
Formen erst gebaut. Man denkt an Konrad
»DAMENbILDNIS D. L.
Witz, wenn Schaffer im Gemälde Antlitz und
Gewandung wie aus Stein und Stahl gemeißelt
und geschmiedet erscheinen läßt. Dann lockert
auch hier el Grecos mystische Erschließung den
Bau und schließlich mündet der religiöse Strom
in die Traumflut der schwarzen Dämonenwelt,
in der Rembrandts Helldunkel aus dem Meta-
physischen in's Infernalische transponiert er-
scheint. So wichtig diese Phase in Schaffers
Werk ist, sie blieb nur wenige Monate des Jahres
Zweiundzwanzig währendes Zwischenstadium
und was dann kam, nach einer schöpferischen
Pause, die von dekorativen Entlastungsarbeiten
erfüllt war, das lag auf dem Weg zur Synthese
G^tstav Schaffer.
GUSTAV SCHAFFER.
»DAMENBLLDNIS S. G.«
zwischen der ersten großen Porirätperiode und
dem lichten Piatonismus der abgeklärten Land-
schaften. Wieder soll das Bildnis die ganze
Welt des Künstlers umfassen, aber das mensch-
liche Gesicht ist nicht mehr steiniges Geklüft,
sondern klare, kaum gegliederte, transparent
getönte Fläche, mehr, es ist beruhigtes Oval,
in dem die Augen wie kühle, bunte Steine,
unter den Torbögen der Brauen, Mund und
Nase wie Glieder eines edlen Baues stehen,
wiederum Ruhe, alles wie bei den früheren Bild-
nissen, aber Ruhe aus Klarheit des Geistigen,
nicht aus gesteinhafter Starre des Körperlichen.
Die drei mitgeteilten Bildnisse von SentaGoeritz,
Dora Lipschitz und der Frau des Künstlers
offenbaren den Kanon dieser an Hodler gemah-
nenden Biidniskunst, die im zweitgenannten
Bilde mit den symmetrisch stehenden Wölkchen
und der weichen Eingliederung der aufgelegten
Arme mit den wundervollen Händen ihren vor-
läufigen kompositionellen Höhepunkt erreichte.
Auch die neue Landschaft des letzten Arbeits-
jahres nimmt an diesem Klärungsprozeß teil,
nur scheint hier mehr Anregung von Cezanne
als von Hodler gekommen.
Es ist müßig und gefährlich, den Wert einer
Kunst an der Fülle der nachweisbaren Einflüsse
zu messen. Schauer kam spät erst zum freien
271
GUSTAV SCHAFFER. »DIE MUTTER.
Gustav Scliaffer.
GUSTAV SCHAPFER— CttEHNlTZ.
künstlerischen Schaffen und ist noch lange nicht
am Ende seines Weges. Aber das Ziel, von
dem ihn dunkle Dämonen in infernalischen Zwi-
schenspielen, die dem Kunstfreunde immer noch
interessant genug sind, von Zeit zu Zeit abzu-
lenken drohen, ist klar erkennbar: es ist die
Spiegelung des Ewigen im Zeitlichen, in der
klarsten und zwingendsten, in der reinen Form.
Was uns heute noch fehlt in seinen Bildern, die
Sonne, die wärmende Kraft des Eros, das
schenkt sich ihm vielleicht noch, nachdem das
Gefäß gefunden ist, in das sie sich ergieße.
Dann wird vielleicht auch das Erlebnis der Farbe,
in den Traumlandschaften leise vorgeahnt, spon-
tan hervorbrechen und die klare Form durch-
leuchten und durchwärmen . . . e. kurt fischer.
OEMALDE »der PHlLOSOPHc
Wie die Dinge keine Frage in sich tragen,
außer dergroßen Einen Frage ihres Seins,
die aus Farben und Linien zu dem bereiten
Auge bricht, so wird sich in der kommenden
Kunst das ruhige Geheimnis von dem Dulden
und Handeln, von dem Ruhen und der Schön-
heit der Dinge öffnen. — Damit wird allgemein
die neue, die bewußte Harmonie von Sinnlichem
und Übersinnlichem erreicht sein.
Stoff und Gehalt, die sich bisher, aus ent-
gegengesetzten Welten herbeigeholt, als mehr
oder weniger ungleiche Hälften gegenüberstan-
den, werden wieder, aus Einem geboren, zum
Einklang werden. Die Götthchkeit der Erde
wird wieder gefunden werden, frikdr. märrer.
>LEBENSGEFÜHL UN(J WELTGEFCHL ; DELPHIN VERLAG.
273
ERNESTO DE FTORI. »KAUERNDE FRAU. MUSEUM CÖLN.
MIT GENEHMIGUNG DER GALERIE FLECHTHEIM.
PAUL SCHEURJCH. >DAME MIT PUTTO.
AUSFÜHKÜNG: STAATLICHE PORZELLAN-MANUFAKTUR— MEISSKN,
PAl'l. IIURNHK.
NKCJAHKS-
IM-AKhlTK 1>I-:K
MANIFAKTI'R-
M i: l S S K N .
PORZELLAN.
Im Porzellan sind die plastischen Eigenschaften
des Tons zur höchsten Steigerung getrieben.
Zwar schätzt die Allgemeinheit zunächst den
dQnnen weißen Scherben, die Feuerfestigkeit,
die lebhafte Farbe, die reine Glasur. Alles
wertvolle QuaUtäten des vielbegabten Stoffes.
Aber dem Künstler erleichtern sie die Arbeit
nicht. Es häufen sich nur die Probleme. Die
spiegelnde Glasur spinnt ein Netz von Lichtern
und Reflexen um die Form, sie hebt einzelne
Buckel, Spitzen und Rippen heraus, aber sie
löst auch die Tiefen auf. Skizzenhafte Andeu-
tung gibt es im Porzellan nicht, hier muß alles
präzis und erschöpfend gesagt sein — um dann
doch hinter einem Schleier von Lichtern und
Spiegelungen wieder unterzutauchen. So reiz-
voll dieser Kampf zwischen bestimmter Form
und zuckendem Licht sein mag, dem Bildner
liegt stets die Form am nächsten.
Was unsere Künstler offenbar am meisten
zum Porzellsin hinzog, ist die hohe Bildsamkeit
des Kaolintons, die zu jeder Form, aber auch
zu jeder fähig ist. Nichts ist glatter als der
Teller aus Porzellan. Dasselbe Material kräu-
selt sich in Locken und Rankenweik bis zur
Fadendünne. Er gibt die mächtige Wölbung
der Glocke wie das feinste Fingerspitzenspiel.
Jede Drehung, Überschneidung, Auflockerung
ist möglich. So wie die Form aus dem model-
lierenden Spiel der Hand hervorgeht, bleibt sie
stehen. Die Formbeständigkeit des Porzellans
ist außerordenthch. Das Blatt wird beim Bos-
sieren durch Schlicker an irgend einer Stelle
befestigt und es hält, hält auch während des
Brandes. In keinem andern Material ist es
darum möglich, in ähnlichem Grade die mo-
mentansten Zuckungen des Lebens festzuhal-
ten und zugleich zu versteinern. Das gab leider
auch den Weg zu einer Naturnachahmung frei,
die bis zur Auflösung jeder Form ging.
Wie steht heute das Porzellan in der Zeit?
Hat es eine Funktion in der Kultur, spiegelt es
den Rhythmus unseres Lebens? Oder dient es
nur buntem Schein und gefäUiger Süßlichkeit?
Vieles, was heute den Porzellanofen verläßt,
hält ernster Kritik, die nach künstlerischen
Werten fragt, kaum Stand. Zu den glücklichen
Ausnahmen gehören die neuen Werke der
277
XXVI. ASEnst 1923. 4
Porzellan.
Meißner Manufaktur, die hier vorgeführt
werden, zusammen mit einigen Meisterwerken
Kändlers, die aus den bald 200 Jahre alten
Negativen neu ausgeformt werden. Da sind
die kosmischen Urkräfte sichtbar am Werke:
Fluß und starre Größe vereinigen sich in
dem ekstatisch glotzenden Ziegenbock. Das
Schreckhaft - AnimaHsche wächst unmittelbar
aus der vulkanischen Landschaft des Felles
empor. Was ist aus dem als „zierlich" ver-
schrieenen Porzellan geworden in dem Auer-
ochsen, wo Bewegung, Lichter, Oberflächen-
ströme eine Wildheit verraten, die aus Urtiefen
bricht und durch das elegante Material keines-
wegs gebändigt, gerade das Unheimliche am
Porzellan und am Tier zu bestürzendem Aus-
druck bringt! Das ist in jedem Sinne großes
Porzellan (die Figuren sind oft bis 1 Meter
hoch) — und von diesen erratischen Blöcken
in der Kunstgeschichte aus gewinnen wir erst
die rechte Einstellung etwa zu den Scheurich-
schen Figuren, in denen Feuer und felsige Er-
starrung zur süßesten Anmut verzaubert sind.
Das ist nicht graziöse Niedlichkeit um jeden
Preis! Eisig keusch schimmert die Haut, wie
Schneebrücken spannen sich die schlanken
Gheder, über die fremdartige Lichter huschen ;
nur in den Fingerspitzen, den letzten Ausläu-
fern löst sich die Knappheit der Gestalt. Und
doch haben diese ausgesprochenen Porzellan-
körper mit ihren Porzellanarmen und Porzellan-
beinen einen sinnlichen Atem, der berauschen
kann. — Ein System kantiger Porzellanflächen
bieten Barlachs Bauern dar, gleich Eisbergen
ruhen und lasten diese beiden Menschen, groß
auch im kleinen Format.
Schon diese Beispiele zeigen, daß die Meiß-
ner Manufaktur keine leichten PubUkumserfolge
sucht. Im Bewußtsein ihrer ehrwürdigen Tra-
dition sieht sie ihre Aufgabe darin, die Probleme
der großen Porzellankunst zu pflegen und
Werke auch für weitere Jcihrhunderte zu schaf-
fen. Die Kändlersche Erbschaft verpflichtete
auch die Manufaktur, den größten unserer Tier-
bildner, August Gaul, fürs Porzellan zu ge-
winnen. Die ersten Früchte dieser Verbindung
bilden wir ab, es sind herrliche Stücke darunter,
wie die monumentale Löwin und der junge
Löwe, der allerdings wie auch einige andere
Gauische Modelle, am besten in rotem Böttger-
steinzeug, dem Vorgänger unseres Porzellans,
wirkt. Diesem Material fehlen einige der wich-
tigsten Eigenschaften des Porzellans, die schnee-
ige Fube, der Glanz der Glasur, die Möglich-
keit der Bemalung. Darum hat es auch seinen
eigenen Stil. Aber gegenüber gewöhnlichem
Steinzeug gestattet es eine viel weitergehende
Oberflächen-Modellierung. Es ist das gegebene
Material für einen Bildhauer wie Gaul, der
Größe der Gesamtform mit diskretem Reich-
tum der Epidermis verbindet. Gauls Tod hat
leider seine Tätigkeit für die Manufaktur und
die Reihe seiner Werke allzu früh unterbrochen.
Ganz wie Gaul, dieser redliche Arbeiter,
gewohnt, sich in eine neue Aufgabe, in ein
neues Material mit heiligem Ernst zu verbeißen,
hält es auch sein Jünger, Max Esser, der in
die Manufaktur selbst eingezogen ist, um aus
der intimsten Kenntnis der Werkstatt sich seinen
eigenen Weg zum Porzellan zu suchen. Und
merkwürdig, dieser Weg zum Porzellan bedeutet
ihm, der doch allein und mit Gaul zusammen
schon Tiere genug gebildet, auch einen neuen
Weg zum Tier. Das Porzellan lockt, das Vo-
lumen des Körpers zu sehen, die aalglatte —
oder struppige — Haut, die fremde Linie der
Bewegung, die merkwürdige Pracht der Federn,
Pelze, Geweihe. Die Seele des Tieres, wie sie
aus dem Porzellan spricht, hat Esser am präg-
nantesten in seiner Affenmaske gedeutet, einer
Leistung, die nur mit Gauls letztem Werk,
dem Menschenaffen, zusammengehalten werden
kann. Mit dem großen „Jagdfalken" (ca. 135 cm
hoch) hat Esser nicht nur ein technisches Mei-
sterwerk geliefert, es ist ihm auch gelungen,
den Anschluß an Kandier zu finden.
Das Bötfgersteinzeug hat sich durch die
Schärfe der Formwiedergabe wie durch den
warmen rotbräunlichen Ton, der weder für
Lichter zu hell noch für Schatten zu dunkel ist,
als ein wundervolles Material zu Medaillen,
Plaketten und Münzen erwiesen. Diese Slein-
zeugmünze und Medaille ist in Meißen geboren
und in zäher Arbeit zur Vollendung geführt
worden. Der Medailleur der Manufaktur ist
Paul Börne r. Die Modelle, die er in den
letzten Jahren geschnitten hat, sind kaum noch
zu zählen. Er hat sich seinen eigenen Medaillen-
stil entwickelt und, unterstützt durch eine un-
erschöpfliche Erfindung, den figürlichen Schnitt
zur Meisterschaft gebracht. Den religiösen, den
ernsten wie den heiteren Vorwurf beherrscht
Börner mit gleicher Leichtigkeit, sodaß er jetzt
auch an Arbeiten größten Umfangs herantreten
konnte. — Künstlerischer Ehrgeiz beseelt heute
die gesamte Meißener Manufaktur. Unter ihrem
Leiter Max Pfeiffer wird sie dem Porzellan-
freund noch manche Überraschung bescheren.
A. JAUMANN.
PAUL SCHEURICH-BERLIN. MOHR MIT KAKADU- PORZELLAN.
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PAUL SCHEURICH . PORZELLAN-PLASTIK >DIANA€
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ADGÜST OAUL t
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AUGUST GAUL. .JUNGER LÖWE< BÖTTGER-STEINZEUG.
AUGUST GAUL t. >SPRINGENDES PFERDc
MAX ESSER.
»AFFENMASKE«
DAS WESEN DES PORZELLANS.
In jedem Werkstoff liegt eine, aus der Tiefe
des Seins sprechende, mystische Gewalt. Wie
der Stoff selbst Verkörperung des Willens ist
der diese Welt schuf, so liegt in jedem Stoff ein
besonderer Formwille, gegen den man nicht
ungestraft sündigen darf. Nur wenn der Gestal-
tungswille des Schaffenden sich mit diesem
Formverlangen des Stoffes auf einer Linie trifft,
entsteht das Kunstwerk, das gleichberechtigt
neben den Werken der Natur steht
*
Das Porzellan hat , wie jeder Werkstoff,
seine bestimmten Größengesetze. Denke daran :
Ein Mineral, das erbsengroß, geschliffen zum
schönsten Edelstein wird, wäre als haushoher
Felsblock nur ein schwerlastender Stein
*
Das Wesen des Porzellans wurzelt im Licht.
Das Porzellan trinkt das Licht in sich hinein
und strahlt es tausendfach gebrochen als weißes
Licht zurCck. So ist der weiße Schein sein
eigenstes Wesen, das es sich selber gibt. Dieses
innere Licht gilt es zu höchster Entfaltung zu
bringen. Wer Porzellan vollständig, oder mit
lichtundurchlässigen Farben bedeckt , tötet
dieses Licht. Wer Porzellan in geschlossene,
schwere Formen zwingt, tötet dieses Licht.
Dünne Kanten, die der Schein leicht durchdringt,
heben das Licht, und Farben, die wie Edelsteine
auf der weißen Fläche sitzen, lassen das Weiß
selbst zu leuchtender Farbe werden
Porzellan ist ein Werkstoff, den der Mensch
sich selbst als Stoff geschaffen hat. So ist es
eine Welt für sich, in der der Mensch unbe-
stritten als Schöpfer herrscht. Darum liebt er
das Porzellan und ist nicht wenig stolz auf diese,
seine Welt, Und wie gleicht diese Welt ihrem
Schöpfer. Auf 10 000 Stück Dutzendware
kaum ein Charakter, jeder Stoß bringt sie zum
Brechen. Arme Welt, armer Schöpfer I Und
doch, wenn der Wurf gelang, wenn Form und
pEirbe im Feuer geeint leuchtendes Leben ge-
wannen, dann wird menschliches Können aus
eigener Kraft den seligen Göttern gleich
♦
Eigenstes Gebiet des Porzellans ist das Eß-
geschirr. Kleinplastiken kann man auch aus
Holz, Elfenbein oder Bronze herstellen, als Ge-
schirr ist Porzellan unersetzUch. Wer möchte
wohl von irdener oder hölzerner Schüssel essen,
selbst Zinn und das edle Silber wirken als Träger
von Speisen schwer und unfreundlich. Erst das
Tafelgeschirr aus edlem Porzellan hat die Mahl-
zeit des Europäers aus der Sphäre grobsinn-
licber Befriedigung eines Bedürfnisses auf die
Kulturstufe gehoben, die dem geistig hoch-
stehenden Menschen angemessen ist. So hat
das Porzellan dem Menschen gedankt, indem
es einen seiner sinnlichsten Triebe adelte;
deshalb sind Tassen und Teller aus edelstem
Porzellan so unendlich viel wichtiger als Fi-
guren MAX ADOLF PFEIFFER.
291
MAX ESSER. »DACHSt UND »DOGGEf AUS EINEM TAFELSCHULXK «REINECKE FUCBst PORZELLAN-PLASTIK.
STAATLICHE
PORZELLAN-
MANUFAKTUR
MEISSEN.
^^^^H^^]H|h
^^^V'' '"^^^MH
^^ßtf ^^^1
HiTj^^i^l
^■i^tfä^^B
^^^H^ K/,4V^^^^|
^K^^ -'^sl^l
^E^fl
MAX ESSER.
»MANDARIN-
E N T E«
PORZELLAN.
' MAX ESSER. »AFFE« UN» »BÄR« AD> EINEM TAFELSCHMUCK »REINECKE FUCHS« PORZELLAN-PLASTIK.
STAATLICHE
PORZELLAN-
MANUFAKTUR
MEISSEN.
MAX ESSER
»EBER« AUS
»REINECKE
FUCHS«
MAX ESSER. .JAGDFALKE MIT GESCHLAGENEM REIHERc
ARCHITEKT FRITZ AUGUST BREUHAUS-CÖLN. .HERRENZIMMERt
IM HAUSE KONSUL DR. D. — DÜSSELDORF.
FRITZ AUGUST BREUHAUS. .SCHREIBTISCH IM HERRENZIMMER.
AUS NEBENSTEHENDEM HERRENZIMMER.
August 1923 6*
ZWEI RÄUME VON F. A. BREUHAUS-CÖLN.
Das Geheimnis im Schaffen Breuhaus' ist eine
Erregung nach den reinen Quellströmen
der Möglichkeiten, beglückende Gesten des
Lebens einzufangen. Mit unendlich nervösen
Händen nimmt diese schöpferstarke und doch
suchende Kraft den neuen Impuls auf. Und das
ist das Fröhliche, Frohstimmende im Schaffen
Breuhaus', eine Art der Transformierung, die
in Ergebnissen endet, wo wir uns in sublimster
Form beschenkt wissen. Sollte das nicht ein
Kriterium für den Schöpfer der Räume sein, in
denen wir wohnen, daß wir uns „beschenkt"
fühlen — beschenkt mit der fein-nachlässigen,
sicheren Art, in der sich Künstler und Welt-
mensch harmonisch vereint? Wo ein unbewuß-
tes Lächeln Dankbarkeit strahlt an die geschaf-
fene Schönheit, — hinter der sich der Schaffende
leicht und mit liebender Zärtlichkeit birgt.
Das Format der geschaffenen Dinge gibt den
nun Wohnenden die Reize, um welche ihre
Ahnungen spürten. Subtiles Erleben, wie in
dem hier wiedergegebenen Boudoir, läßt es
nicht zu, von Chinoiserien im üblichen Sinn zu
sprechen. Die grazile Linienführung dieses
Raumes, eine hauchzarte Behandlung seiner
Wände in der Art japanischer Tuschbilder zeu-
gen eine Stimmung, die schwebt und unendlich
fein und bestimmt ist in ihrer Wirkung, wie das
rätselhaftgütig-liebende Lächeln einerKwannon.
Die unerhörte Sachlichkeit und Schönheit japa-
nischer Dinge (wer würde von Möbeln sprechen?)
findet hier eine Komponente in der Truhe und
dem Spiegel. Das Ornament für diese ist ein
Moment, dem die Rotlack -Fläche der Truhe,
der Grausilber-Grund des Spiegels in abgewäg-
ter Rechnung kühne Gleichung geben.
In all den übrigen Räumen waltet das gleiche
Gesetz überlegener Flächen- Verteilung und
Schmuck - Anordnung. Die große Form des
Bücher- und Sammlungs - Schrankes teilt sich
weiter in eine Art glückhafter Wechselbezieh-
ungen, sodaß schon gleichsam mit der einzel-
nen Schmuckfläche oder den offenen Fächern
eine Vorstellung gegeben wird : hier das geist-
volle Brevier eines alten Lebenskünstlers, der
feine Almanach romantischer Welten, der kühl-
ernste Band eines Laotse — und hinter der
feinen Schnitzerei eine kostbare farbige Minia-
tur, ein ostasiatischer Schwertknauf, — wo
schwere Linien mit eingestreutem Schmuck
leben — ernste Dinge ernsten Sctmmelns. . . .
— Ein Notwendiges ist noch zu sagen. Wer je
in dem Vorzimmer eines Rechtsanwalts uner-
freuliche Minuten verlebte, in trockener Akten-
staubluft, vorbereitend auf Jahre eines akten-
sammelnden Prozesses , mit dem gähnenden
Umleben möglichen Verlustes , hat ein Gefühl
dafür, wie man in dem „Weu-tezimmer", das
Breuhaus schuf, besonnen wartet. Die Sofa-
bank gewährt den weichen Sitz, erfordert die
gestraffte Rückenhaltung zur Begegnung klar-
und scharfgestellten Frage- und Antwortspiels.
Der Raum hat die sichere und etwas unpersön-
liche Wärme, die Unternehmungen jeden For-
mates im voraus als gelungen erscheinen läßt.
Genug! — weiß ich doch, wie dem Schöpfer
der hier wiedergegebenen Innenräume alle Be-
zugnahmen auf seine Arbeiten fatal sind. —
Das Schöne versteht sich für Breuhaus ganz von
selbst. Und so darf man seinen neuen Werken
mit der Ruhe entgegensehen, die zur Voraus-
setzung hat, daß in F.A.B. ein Hüter und
Spender der Schönheit ist, deren formale Um-
risse immer neu und deren geistiges Durch-
drungensein lächelnd und ernst uns entgegen-
kommt — wie der Künstler selbst. Für die
deutsche Möbel- und Raumkunst bedeutet
Breuhaus eine lebensvolle und kultivierte An-
regung und Aufforderung, bans heinz lüttgen.
A
VON CHINESISCHEM KUNSTGEWERBE.
Tir müssen daran festhalten, daß im Gegen-
satz zu dem ewigen Wechsel der euro-
päischen Moden in China in symbolischer Be-
deutung Material, Form und Verzierung für be-
stimmte Gegenstände der alten Tradition stets
beibehalten blieben. Dieses Gesetz hat in der
Praxis in verschiedenster Weise gewirkt. — Der
Motivenschatz blieb begrenzt. Daher ist imLaufe
der Jahrhunderte eine Durcharbeitung und Viel-
heit der Variationen in Formen und Verzierungen
innerhalb der begrenzten Zahl von Vorbildern
durch viele tausend geschulteAugenu. geschickte
Hände durchgeführt, wie wir sie in Europa nicht
kennen. Und nicht nur das Auge des Handwer-
kers, sondern ebenso das des Käufers ist durch
diese Tradition geübt. Allerdings ist zu gewissen
Zeiten eine Verschlechterung der Vorlagen zu
erkennen. Nicht mit groben Effekten der Mode-
schnörkel, sondern durch raffiniert geschulte
Empfindungen für die Feinheit der Linien und
Farben wird eine Vollendung auch in der ein-
fachen glatten Form erreicht. . . o. münsterbero.
w
298
ARCHITEKT FRITZ AUGUST BREUHAUS- CÖLN. »BOUDOIR.
IM HAUSE KONSUL DR. D.-DÜSSELDORF.
FRITZ AUG. BREUHAUS. .TRUHE IM NEBENSTEHENDEN BOUDOIR<
SCHNITZEREI-MODELLE VON ALI UCHTENSTEIN-DARMSTAX)T.
ARCHITEKT FRITZ AUGUST BREUHAUS-CÖLN.
»WARTEZIMMER EINES RECHTSANWALTS
CLAIRE SELMAIR-MÜNCHEN .WACHSPUPPE«
CLAIRE SEXMAIR— MÜNCHEN.
WACHSPÜPPE »MADONNA MIT KINDc
WACHSFIGUREN VON CLAIRE SELMAIR.
Im klassischen Viertel Münchens, da wo die
alten Kastanien das Rund des Obelisk um-
säumen: eine Art Puppenheim. In einigen klei-
nen Räumen von unverkennbarem Empire, an-
gefüllt mit dem warmen Hausrat aller Epochen,
die eine liebevolle Hand zu einem harmonischen
Durcheinander gezwungen, schallt Ciaire Selmair
ihr Werk. In Kisten und 1 ruhen, ordentlich ver-
wahrt und fast registriert, liegt der Fundus ver-
stauf, der zu diesem Miniaturschaffen in einem
Ausmaße nötig ist, von dem sich der Nicht-
kenner kein Bild macht; Wachs in fünfzigfach
abgestuften Farben, selbst mit unsägUcher Mühe
hergestellt, Drähte und Eisen für die Gerippe,
Sockel für den Aufbau, Perlen, Kettchen, Federn
und Samte und Seide, Brokate und Tülle,
Spitzen, Pelze und Leinen, Knöpfe und Borten.
Doch dies ist nur der äußerliche Apparat,
der den Unberufenen unweigerlich dem krassen
Dilettantismus in die Arme treiben würde. Hier
ist er nur Mittel zum Zweck, dem Zweck, einer
Idee zu dienen, die in letzter Linie mehr fast
der Plastik im reinsten Sinne verwandt ist, als
dem Kunstgewerbe. — Die wenigen Ausschnitte
aus dem Schaffen Claire Selmair's, die hier ge-
bracht werden konnten, geben, auch ohne den
Reiz der Farben, die von der hauchähnlichen
Tönung des Wachses übergehen in die stärkeren
Akzente des Materials, der Bekleidung und
Drapierung, einen Begriff von dem eminenten
Reiz, den diese Figuren ausgeben, die trotz
ihrer Kleinheit bis ins einzelnste in Stil und
Bewegtheit mit dem jeweils angeschlagenen
Thema wundervoll übereinstimmen.
Vom Porzellan, mit dem genrehaften Anklang,
wie es die in nicht gutem Sinne kunstgewerb-
liche Ausbeutung verlangte, hat Claire Selmair
sich auf diesen Weg gefunden — es ist Anfang,
und scheinbar noch lange nicht das Ende ihrer
Möglichkeiten Ferdinand gdtz.
XXVI. Anglist 1923. 7«
KÜNSTLER-ELEND. Ein Künstler schreibt :
Auf der Kunstversteigerung bei Paul Grau-
pe in Berlin sind kürzlich Preise erzielt worden,
die stattlich erschienen. So gingen Handzeich-
nungen von Wilhelm Busch mit 500 bis 675 000
Mark weg, solche von Lovis Corinth brachten
650 000 bis 1 000 000 M. und Liebermann wurde
noch höher bewertet. 116 prachtvolle Blätter
von Piranesi kamen auf 3 1 000 000 M. Und den
Vogel schoß Slevogt mit seiner Lederstrumpf-
Mappe für 14 Millionen, seiner Cellini-Mappe
für 1 1,5 Millionen Mark ab. Diese Summen ga-
ben anscheinend das erfreuliche Bild, daß heute
für die Kunst gute Preise gezahlt werden. Und
doch beweist nichts schlagender, in was für ein
Elend die Künstler durch die Geldentwertung
gestürzt werden. Setzen wir die Million Papier-
mark gleich 50 Goldmark (in Wahrheit stand sie
noch tiefer), so heißt das, daß für Handzeich-
nungen von Corinth 50 und sogar 30 M. bezahlt
worden sind. Vor dem Kriege konnte man
schwerlich ein Blatt unter 200 M. haben. Die
Stiche von Piranesi brachten im Durchschnitt
einen Erlös von etwa 13 Goldmark. Für die
Mappen von Slevogt, die nicht unter 2000 bis
3000 M. zu haben waren, wurden 700 und
575 M. gezahlt. Als Wichtigstes kommt aber
dabei in Betracht, daß diese Preise auf einer
stark besuchten, heiß umstrittenen Auktion ge-
zahlt worden sind und für Werke erster Künst-
ler. Danach kann sich ein jeder selbst sagen,
wie weit die Bezahlung bei Atelierverkäufen
und weniger bekannten Künstlern hinter den
genannten Zahlen zurückbleibt. Wohl keinen
Stand hat die heutige Zeit so sehr zurückge-
drückt, wie den bildenden Künstler. Eine Ver-
armung der Künstler ist die Folge und damit
ein Versiegen der Kunsttätigkeit. Was hier
von den bildenden Künstlern gesagt ist, trifft
übrigens für alle geistigen Arbeiter zu I . . .
CLAIRE SELMAIR- MÜNCHEN. »TÄNZERIN« WACHSPÜPPE.
306
WILLI NOWAK— MÜNCHEN „HALBAKT"
SAMMLUNG A. K. DARMSTADT
WILHELM THÖNT— MÜNCHEN.
VON DER MODERNEN STAATSGALEKIE ANGEKAL >"r.
> STREICH- QUAKTETT t
AUSSTELLUNG DER „MÜNCHENER NEUEN SECESSION" SOMMER 1923.
Der Expressionismus ist schon seil geraumer
Zeit keine Kunstrichtung mehr, die einer
besonderen Verteidigung bedürfte. Journali-
stische Signale sind überflüssig mit dem Augen-
blick, wo die Liebhaber uod der einsichtige Teil
des Pubhkums den Weg zu der Bereicherung
malerischer Möglichkeiten nachgefunden haben.
Zu Möglichkeiten, die anfangs — es ist gut, sich
ständig dcu-an zu erinnern — überraschten und
entrüsteten. Mitläufer, Anempfinder, schwäch-
liche Sonderlinge, Halbbegabte, kurz alle, deren
Extravaganzen, deren Mangel an Ernst oder
Können jede neue Richtung in Mißkredit brin-
gen, sind heute erfreulicherweise vergessen und
der junge Nachwuchs, an dem es nicht fehlt,
schreitet folgerichtig weiter euf dem einmal ein-
geschlagenen Wege. Es gibt heute eine Kunst
mit geklärten Zielen, die vom Impressionisn; us
genau so weit entfernt ist, wie die heutige
Geistigkeit von der materialistischen Denkart
der Vorkriegsepoche. —
Das heißt nun nicht, daß man, um ein Wort
Goethes zu gebrauchen, gleichmäßig aus „vollen
Backen loben" müsse. Die Qualitäten sind und
bleiben sehr verschieden. Äußere Anerkennung,
die der Gesamtrichtung geworden ist, mag eine
Verlock uüg für die hoffnungslos Zahmen sein,
die mit einer erschreckenden Nüchternheit
Farbe, Zeichnung, selbst den literarischen In-
halt behandeln und deren Bilder anscheinend
mit Naturgeselzlichkeit immer gleich reihen-
weise auftreten. Sie fehlen in keiner Autstel-
lung und es ist schließlich ein Zeichen von Kraft,
wenn in der „Münchener Neuen Secession"
solcher Beispiele verhältnismäßig wenige vor-
handen sind. Die Gruppe verfügt nach wie vor
im ganzen über eine beträchtliche Spannweite
der künstlerischen Temperamente.
XXVI. September 1«3. I
AiisstrlliDig der T^Miinchener Neuen Secession^ Soi/niio' 192J.
ADüLf SCHINNERER— MÜNCHEN.
Karl Caspar wird immer der Bewunderung
der Verständigen sicher sein. Seine Art, im
Stillen bedeutend zu wirken, kräftige, mit her-
vorragendem rhythmischem Empfinden verteilte
Farben in den Dienst einer schUchten und we-
sentlich tiefen Bildidee zu steilen, hat das erste
Kennzeichen der wirklich schöpferischen Lei-
stung; die selbstverständÜche Einfachheit des
Lebendigen. Seine Szenen aus der Bibel wer-
den nicht nur mit sicherstem artistischen Ge-
schmack und absolutem technischen Können
vorgetragen, sondern auch mit jener Wärme
menschlicher Empfindung, die gleichbedeutend
mit edelster Reife ist. Die Phantasie der Völker
hat Jahrhunderle lang die biblischen Geschich-
ten mit Liebe umfaßt. So sind sie niemals alt
geworden. Die moderne Zeit mit dem Reichtum
ihrer seelischen Möglichkeiten vermag sie, wenn
schon auf ihre Art, so doch nicht minder wahr
und ehrlich zu erleben, als längstenlschwundene
Epochen. Voraussetzung ist nur der Wille und
die Hingabe, bedingt durch die innere Über-
legenheit über die dreiste Kritik jener, die alle
Erlebnisse ablehnen, deren Erfüllung sie nicht
»ANSTEIGENDE STRASSE«
in ihrem dürftigen Inneren finden. Ihnen gegen-
über ist eine gesunde geistige Aristokratie not-
wendig und auch möglich. — Christus unter dem
Hosiannahruf des Volkes in die Stadt seines
Leidens einziehend. Die Gestalt, in dunkel-
blauem, von rotbraunen Lichtern umflossenen
Gewand steht ernst und überragend vor dem
Gleichmaß einer roten Wand. Die Stadt erhebt
sich als einer jener Gründe, die bei Caspar
immer auf eine so bewundernswerte Art nur in
engster Beziehung zur Stimmung des Ganzen
existenzfähig sind. Die Bewegung des Zuges
gedämpft durch den Gegenslrom des bunten
Volkes — so entsteht die Würde und Gefaßt-
heit, von der die Idee des Bildes lebt: der
Christus, der jenseits des Jubels lauter Be-
grüßung das „Kreuzige ihn" hört, der Christus,
dem auf dem glänzenden Gipfel seines irdischen
Daseins nichts geblieben ist als die wissende
Gebärde des stillen Segnens.
Höchste Wirksamkeit der Farbe und Form
konzentriert sich in dieser Gestalt, die, je öfter
gesehen, immer sprechender wird — für den
nämlich, der Ohren hat, zu hören.
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MARTIN LAUTERBURG— MÜNCHEN. >LANDSCHAFT«
RICHARD SEEWALD-MÜNCHEN. .STRASSE NACH ARSOLI.
KARL CASPAR-MÜNCHEN. >EINZUG IN JERUSALEMc
Ausstellung der ^Münchener Neuen Secess'om Sommer 192J.
MAX UNOLD— MÜNCHEN.
Es gibt nachgerade zu denken, wenn man
immer wieder lesen kann, „Karl Caspar be-
müht sich um die religiöse Malerei." Man sollte
vielleicht wissen, was religiöse Malerei ist, um
sagen zu können, daß sie hier Wirklichkeit
wurde, innerlich so stark, wie die der Alten,
getragen dennoch von einer wahrhaftigen, im
besten Sinne modernen Menschlichkeit.
Bleibend von der temperamentvollen Art,
die wir seit Jahren an ihr schätzen, sind die
Landschaften Maria Caspar-Filser's. Die
Impression wird durch die urwüchsige Kraft
einer starken Seele erhöht zu einem Bekennt-
nis voll großen, malerischen Reichtums. Man
wird solchen Gemälden, mit der Analyse ihrer
Technik nicht gerecht. Die Natur als Ganzes
ist in ihnen von einer schwungvollen Plastizität,
wie sie die süddeutschen Volksstämme stets
geliebt haben. Unter den heutigen Landschaf-
tern ist Maria Caspar-Filser vielleicht die ein-
zige, die der Volksrasse noch nahe genug steht,
um als ihre Interpretin gelten zu können. —
Julius Hess, der neuerdings mit einer helleren
und leichteren Farbigkeit wesentlich an maleri-
scher Ausdruckskraft gewonnen hat, vertritt
GEMÄLDE »AM STRAND«
einen Typ absolut verfeinerter Gepflegtheit, der
wohltuend wirkt. Bilder, die man gerne um sich
hat. — In der Hinsicht ist ihm Hans Gölt
verwandt. Letzterer hat übrigens die Anlehnung
an C. D. Friedrich überwunden und beginnt
seinen eigenen Weg nicht minder verheißungs-
voll zu wandeln, als er früher durch die einge-
schlagene Richtung bemerkenswert war. —
Adolf Schinnerer hält in der Malerei noch
immer nicht, was seine exquisite Graphik ver-
spricht. Kennen wir solche Landschaften nicht
schon recht lange? Seine Kraft liegt auf dem
Gebiet pathetischer Lyrik. Jedenfalls ist er
nirgendwo größer und hier wirklich groß. —
Pastos, mit sehr dunklen Farben malend, schei-
det sich Paula Deppef von Julius Hess
auch durch eine bestimmte Sprödigkeit des
Temperamentes, die in der anschaulichen Wirk-
lichkeit die struktiven Elemente aufsucht. In-
des finden sich diese Elemente nicht zu einer
stilistischen Einheit zusammen. Das Bindende
ist die Farbe, deren ausgesuchte Schwere einer
dekorativen Wirkung entgegen stehen dürfte.
— Eigentlich expressionistisch sind die Land-
schaften Richard Seewald's. Man muß
GEORG SCHRIMPF. .FRAU MIT KINDc
AUSSTELLUNG DER MÜNCHENER NEUEN SECESSION 192;i.
Ausstrlhing der ■!> Münchener Neuen Secrssioji'. Sommer ig2j.
GEORO
SCHRIMPF-
MÜNCHEN.
»STILLEBEN«
allerdings zugeben, daß er an persönlicher
Sicherheit, an Lust, sonnige Dinge heiter zu
erzählen, eingebüßt hat, daß bestimmte Wellen-
lioien allzu zerfließend wiederkehren, um noch
ausdrucksvoll zu sein. Aber die Kraft, die
man aus früherer Zeit an ihm kennt, scheint
sich neue Wege zu suchen, auf denen man ihm
aufmerksam zu folgen haben wird. — Bei Max
Unold ist eine entschiedene Erkräfligung zu
spüren. Es tut sehr wohl, ihn aus dem Vor-
stadtmilieu an die See entrückt zu sehen. Hier
erobert er sich mit großer Konsequenz einen
Reiz um den andern. Sein Erleben, trocken und
kehl wie seine Farbe, hat, bildmäßig gestaltet,
etwas Zwingendes. Das Experiment eines ver-
hältnismäßig großen Formates ist geglückt. Die
Werte des figürlichen Hintereinander sind ge-
rade in den Fischern sehr stark. Man kann sich
den Augenblick nahe denken, wo auch die
großen Formen ganz mit dem sachten, inneren
Leben gefOllt sein werden, das aus seinen Bil-
dern kleineren Formates, wie dem hier wieder-
gegebenen „Am Strand" und besonders aus
seiner Graphik bekannt ist.
Die „Badende" von Hans Lasser und der
Halbakt von Willi Nowak ergeben einen
aufschlußreichen Vergleich. Bei Lasser die
kräftige, plastische Form, der die klärende, per-
spektivische Aufsicht zugute kommt — Nowak
ganz lässig, fast hinfällig in Farbe, Modellierung,
selbst im Thema. Mehr ein Blatt, als ein Ge-
mälde. Es scheint, als ob man derartige Phä-
nomene des Zarten nicht ausdrücken dürfe ohne
das Erlebnis der Eleganz, der es nie an Straff-
heit fehlt. Vergleiche Renoir. — Bedeutend ist
das Streichquartett von Wilhelm Thöny.
Vom Inneren des Vorganges wird Vieles wach;
Takt und Rhythmus, das Zusammenklingen und
der Wille zum musikalischen Ganzen.
„Versuchung" nennt Josef Eberz ein Bild,
das vielleicht das Problematischste der ganzen
Ausstellung ist. Es gehört etwas dazu, Hände
317
Ausstellung der t> Adünchener Neuen Secession*. Sommer ip2j.
318
JULIUS HESS— MÜNCHEN.
SO expressiv zu malen, ein weibliches Antlitz
voll zugleich hingebenden und grausamen Wil-
lens. Aber man hat bei öfterem Sehen den
Wunsch nach situationsmäßiger Verdichtung;
man würde lieber lesen als sehen; man wäre
dann weniger an bestimmte, verpönte, roman-
tisch-symbolische Vorwürfe älterer Malerei er-
innert. Indes ist Eberz ja reif genug, um zu
wissen, ob die allegorische Idee des süß-
erschütternden Giftduftes sich mit dem Wesen
der bildenden Kunst vereinen läßt.
Die jüngere Generation beginnt mit S c h r i m p f
und Mense. Beiden geht die Klarheit der
Form über alles. Man sagt etwas, wenn man
an Cranach und Botticelli erinnert. Das Wesen
dieser Malerei liegt jedoch unvergleichlich tiefer,
als daß es sich durch solche Reminiszenzen aus
der Kunstgeschichte erfassen ließe. Die unbe-
fangene Hingabe an die Dmge, an ihr Körper-
haftes und ihre Eigenwilligkeit, das plötzliche
Wertvollwerden des Details, die unbedenkliche
Charakteristik , die dar an glaubt, daß Zusammen-
stehendes als organischer Zusammenhang an-
schaulich werden kann und muß — kurz die
sittliche Qualität, die Naivität der Temperamente
»BLICK AUF DEN SEE«
erhebt derartige Gemälde turmhoch über einen
billigen, nachahmenden Quattrocentismus. Hier
ist ein straffer Wille, der Respekt fordert, ein
Wille zur Dinglichkeit, wie ihn die italienische
Malerei als maßgebende Grundlage der An-
schauung nie besessen hat. Daß Mense große
Formate leichter bewältigt als Schrimpf , ist wohl
nur vorläufig anzumerken. Für Schrimpf ist der
Raum ein ganz Wesentliches und gerade er
könnte in Zukunft vielleicht einmal zu höch-
ster Monumentalität eines gefüllten Großfor-
mates gelangen. Beide Künstler breiten die Form
so aus, daß sie lebt, sowohl in ihrer Tatsächlich-
keit, als in der ausdrucksvollen Unendlichkeit
ihrer Bezüge. Auf der anderen Seite kann der
Unterschied der persönlichen Stile nicht deut-
licher klar gestellt werden , als durch einen
Vergleich der Farbe: Mense emailartig fein ma-
lend, mit tiefen, schweren und leuchtenden Tö-
nen — Schrimpf konturfüllend, mit lichtbraun
durchsetzter, mattglänzender Farbenskala.
Das Ergreifendste, was die Ausstellung bie-
tet, ist vielleicht der Raum mit den zwölf Bil-
dern Martin Lauterburg s. Seit Jahren
konnte man beobachten, wie die sinnlichen
BPPP^^SMtt- ^^^^HHUJ^^^^BB^aft/k«
^■.;-' . -J.-Xjl ^Km ■"' H
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CARL MENSE— MÜNCHEN. »LANDSCHAIT MIT HIRTIN«
JOSEF EBERZ-MÜNCHEN. »VERbUCHUNG.
XXVl. September l«a. 2
CARL MENSE-MÜNCHEN. .FRAU AM SEEt
AUSSTELLUNG DER MÜNCHENER NEUEN SECESSION 1923,
AiisstfUiDig der ^Mümlioicr Neuen Seccssioii«
Soiiniirr iqj'i.
PAULA DEPPE t
Wesenheiten unserer Welt den Künstler ver-
bäogaisvoll lockten und zugleich peinigten. Das
Rätselhafte ihrer zufälligen und scheinbar doch
logischen Bezugsetzuog hat sich ihm immer
mehr verdichtet und findet jetzt Gestalt in einem
erlösenden Bekennen. Eine Überzeugung von
der Phantastik des Daseins wird laut, die be-
klemmen könnte, wenn nicht ein geborener
Maler jedes Ding gemeistert hätte, wenn nicht
das heimliche Leben überall Sprache gewänne,
wenn nicht der sichere Raum über allem wäre.
Da die Logik der natürlichen Zusammenhänge
in Zweifel gezogen ist, offenbart sich der Kern
der Einzelheit, seine Wandelbarkeit und sein
berückender Glanz. Kaum je sind Pflanzen so
gemalt worden, kaum je hat man so die Lebens-
säfte gespürt, die in ihnen quellen, die Zartheit
der fortzeugenden Kraft, die sie entsenden.
Mit dem Mißtrauen in die Beständigkeit, mit
dem Gefühl für die drohende Weite der Welt
hängt es zusammen, wenn die Landschaften
Lauterburg's von einer Melancholie ohneglei-
chen sind — ■ wenn der einsame Wagen hilflos
dem zwingenden Lichtglanz einer ersten Laterne
zustrebt, die vielleicht Aufatmen und wohn-
liche Nähe bedeuten könnte
GEMALUE >SEESTETTEN<
Als Ganzes betrachtet ist seine Kunst noch
weit dinglicher, als die der Mense und Schrimpf,
und eben dadurch ist sie produktiv und ein
Kind des heuligen Tages.
Für laute, plakatmäßige Gesten ist im Ex-
pressionismus der Münchener Schule kein Platz.
Man zieht eine stille Konsequenz des allge-
meinen Programms, indem man sich an den Aus-
druckswert der einzelnen, sinnlichen Erschei-
nung erinnert. Das ist dinglicher Expressionis-
mus. Die junge Generation hat das offenbare
Bewußtsein vom Recht ihres eigenen Erlebens
und das deutliche Gefühl für den Wert der
Tradition. Unter dieser darf freilich nicht
Technik und Form verstanden werden, sondern
ein Geistiges: die Wohltat einer befreienden,
anschaulichen Idee und das lebendige Vorbild
reifer Leistung rudolf kömstedt.
Ä
Das menschliche Herz in der Not seiner Sehn-
sucht und in dem dennoch unzerbrech-
lichen Glauben an Vollendung gewinnt sinnlich
greifbaren Ausdruck nur in der Form des Kunst-
werkes. Auf der Fläche eines Gemäldes, im
Abriß eines Verses, in einer Folge von Akkorden
ist innerlichstes Empfinden mitgeteilt, h. d. fr.
Was ist der Künstler? — Der Entdecker
einer neuen Art von Wirklichkeit.
Was ist der Zweck der Kunst? — Ihr Zweck
ist ihr Dasein; Sinn dieses Daseins: Freude.
Was ist schön? — Das Anmutiße und das
Wilde, das Große und Kleine, das Rechte und
Linke, der Himmel und die Erde, das Leben
und der Tod.
Was heißt Kunstgenuß? — Ein Kunstwerk
ernst nehmen, es anschauen, durchschauen, an-
hören, belauschen, in sich ziehen und schließ-
lich in ihm die Welt, die Natur und alle Ge-
schöpfe lieben, sogar sich selbst.
Was ist ein gebildeter Geschmack? — Der-
jenige, der rasch und sicher das Wesentliche
des Kunstwerks erkennt und klare, sinnvolle
Neigungen und Abneigungen bekundet.
Woher das Sprichwort „Die Kunst geht nach
Brot"? — Daß der Schuster nach Brot geht,
ist selbstverständlich; daß die Kunst es tut,
muß eigens ausgesprochen werden, denn es
ist ihrem innern Sinn widersprechend.
Ist Kunst eine Lebensnotwendigkeit? —
Denke Dir aus dem Leben des modernen Men-
schen alles fort, was zur Kunst gehört. Was
bleibt? Ein trauriges lichtloses Gefängnis.
Was heißt „Freiheit der Kunst"? — Frei ist
die Kunst, wenn sie die Möglichkeit hat, nur
ihrem eignen Gesetz Untertan zu sein.
Soll die Kunst den Menschen „erheben"? —
Ja, aber nicht von der Wirklichkeit zum Schein,
sondern vom Schein zur Wirklichkeit.
Welche Kunst ist die „wahre"? — Jede, die
Dir das Glück des reinen Schauens schenkt.
Aber vergiß nicht, daß am höchsten die Meister
stehen, die das Innerliche und Äußerliche zur
objektiven Welt und Gestalt emporschaffen.
Was ist der „künstlerische Mensch"? — Der
spezifisch lebendige Mensch im Gegensatz
zum stumpfen und toten.
Was bedeutet „volkstümliche" Kunst? —
Dreierlei, das sehr verschieden ist; Kunst, die
vom Volk hervorgebracht wird; Kunst, die von
den tiefsten , breitesten Volkskräften lebt ;
Kunst, die vom Volk verstanden und geliebt
wird. Jeder, der von volkstümlicher Kunst
redet, gebe sich genaue Rechenschaft, welche
von den drei Bedeutungen er im Auge hat.
-•t^,.
1
V«iJ»
HANS LASSER MÜNCHEN. . BADENDE»
AUSSTELLUNG DER MÜNCHENER NEUEN SECESSION 1923.
PAUL RÖSSLER-DRESDEN. .FATME.
OTTO SCHUBERT— LOSCHWITZ.
GEMÄLDE »SINTFLUT«
SOMMERAUSSTELLUNG 1923 DER KÜNSTLER-VEREINIGUNG DRESDEN.
Lebendige Vielfalt nach innen, geschlossene
_/ Stoßkraft nach außen war immer schöne
Tradition dieser Gruppe , wie sie sich in ihren
großen Sommerausstellungen an der Lenne-
straße darstellt. Und die löbliche Übung, das
Gesamtbild der Gruppe durch auswärtige Mit-
glieder und Gäste zu erweitern, andererseits
es zu vertiefen durch reichliche Raumgabe an
die, deren Entwicklung den Wunsch nach Über-
schau und Kritik aufkommen ließ, sicherte ihren
Veranstaltungen die fruchtbare Wirkung. Daß
solches Streben heuer durch die Zeitumslände
stark beeinträchtigt wurde, ist allgemeines
Schicksal diesjähriger Veranstaltungen. Aber
auch, daß unterhalb der Hemmung durch äußere
Verhältnisse ein Stillstand, manchmal gar ein
Nachlassen der schaffenden Kräfte eingetreten
zu sein scheint, wird man bei größerem Über-
blick über diediesjährigen Sommerausstellungen
nicht als Sonderfall buchen dürfen. Nach heftig
vorstoßenden Jahren ist innerhalb der bilden-
den Künste eine Entspannung eingetreten, ein
Ausruhen nach Kämpfen und manchen Siegen,
ein Sichsammeln und Besinnen, das bei vielen
ein Rückholen verlassener Wirklichkeiten —
auch im ethischen, nicht nur im formalen Sinn
— im Gefolge hat.
Solcher Situation ist stärkere Beachtung hei-
mischer, bodenständiger Kräfte genehm und
notwendig. So kommt die Zeitlage der inneren
Forderung entgegen und Dresden besonders,
die Stätte gepflegter Tradition, kann hier eine
manchmal beengende Eigenart zur Tugend wen-
den. Daß es nicht in der vollen Möglichkeit ge-
schieht. Hegt an der Zersplitterung der Dresdner
Künstlerschaft in oft kleinlich motivierte Son-
derbündeleien, die auch in dieser für Dresden
repräsentativen Ausstellung kein Gesamtbild
dortigen Kunstlebens aufkommen lassen.
Umso schätzenswerter, was trotzdem ge-
leistet wurde. Zurückhaltung der älteren, in
sicherem Können weiterarbeitenden Genera-
325
Sommerausstellung ig2j der Künstler- Verein igju/g Dresden.
326
E.RICH.
DIKTZE.
»DAMEN-
BILDNIS«
tion, — unter der man Sterl heuer ungern
vermißt — schafft Raum für die Jüngeren.
Paul Rößlers farbenkündendes Temperament
prickelt in Bildnis und Stilleben. In „Fatme"
läßt er Bildraum und Farbraum ineinander-
spielen. Der einzige ausgestellte Kokoschka
gibt ein Bild seiner jüngsten Entwicklung: In
Tiefen und Breiten leuchtet die Farbe über die
Formbegrenzung hinweg, erotische Spannung,
packend gestaltet, durchzittert das glühende
Gemälde. Ludwig von Hof mann zeigt rhyth-
misch kultivierte Kompositionen. Hettner
bannt die Gefahren seiner tiefen Musikalität in
festem Auibau des Porträts. Richard Dreher
überrascht durch abermaligen (wievielten) Stil-
wechsel und zeigt diesmal sehr ruhige, fast
etwas langweilige Landschaften.
Was die Jüngeren ausstellen, spiegelt in per-
sönlichen Abwandlungen die Konstellation heu-
tiger Malerei überhaupt. Warm durchdrungene
Naturdarstellungbringt Dietze in seinen Wald-
stücken, die noch einiger Festigung bedürfen.
Diese bringt, ein gemäßigter Erbe des Kubismus,
Nadler, in dem eine feine klassizistische Note
schlummert. Auch Bern dt und Bernhard
Müller sind mit guten Landschaften hierher
HANS NADLER GRÖDEN. .SOMMERTAG.
SOMUERAUSSTKLLUNG DER KÜNSTLER- VEREINIGUNG — DRESDEN 1923.
SIEGFRIED BERNDT. »BERGLANDSCHAFT«
i
HANS NADLER. »LANDSCHAFT MIT KUHHERDEc
PETER AUG. BÖCKSTIEGEL. »BAUERN AM ABEND.
AUSSTELLUNG kOnSTLKR-VKRKINIGÜNQ DRESDEN.
Sominerausstelliing igjj der Küusller- Vereinigung Dresden.
BERNHARD KRETZSCHMAR.
GEMÄLDE » WINTER-SZENEc
ZU rechnen. Reichliches Gefühl belastet die
Malereien der Cassel, Hennig, Mutter und
des zarten Schönberg. Durch Betonung eigen-
artiger Begabung suchen Josef Hegenbarth,
Jörg Klemm, Westphal und der ernst stre-
bende Wilhelm Rudolf ihren Stil. Zum Schluß
die auf Präzision drängende, das Naturbild auf
nackte Kahlheit reduzierende Art der Lachnit
und Trepte (letzterer cdlzu gesucht), deren
Bilder hier als Prototype einer sich langsam
festigenden jüngsten Sehweise gelten dürfen.
Daß deren Verkünder ihr künstlerisches Aus-
maß erst zu erweisen haben durch Leistungen,
die solche Beschränkung untergründet zeigen
von breiter künstlerischer xind menschlicher
Persönlichkeit, wird auch vor diesen Bildern
deutlich. In diese der Klärung dienliche Klassi-
fizierung fügen sich Otto Schubert, stärker
in zuckender Lebendigkeit seiner Szenen als
in gobelinhaft verwobener Monotonie seiner
übrigen Bilder, der dekorativ begabte Jvo
Hauptmann und Arno Drescher mit kleinen
fein empfundenen Blumenstücken.
In der Plastik dieser Gruppe ähnliche Spiege-
lung allgemeiner Kunstsituation. Sicher- erfaßte
Naturanschauung in den Porträtbüsten Georg
Wrbas, von dessen reichem Schaffen auf zeich-
nerischem Gebiet aquarellierte Studien zeugen.
in Arthur Langes ruhig ausgewogenen Sta-
tuen, in der vornehm zurückhaltenden Art Carl
Albikers, der eine schöne Kollektion großer
Skulpturen zeigt, überzeugend in der plasti-
schen Ausponderierung, reizvoll im Gegensatz
zusammengehaltener Massen und auflockernder
plastischer Kleinbewegung. Dann gefühlsbe-
tonte Kompositionen der Werner, Moeller,
Türke, Peters und Löhner. Begabung für
Groteske zeigt Otto Krischer. In Fritz
Maskos tritt wieder jene direkte, oft naiv kari-
kierende Wirklichkeitsdarstellung auf, die im
Spiel kleiner plastischer Teile — wie der Hände,
der Schleifen etc. — voll lebendiger, manchmal
kindlich-spontaner Reize ist.
Problem der Ausstellung, nicht ihr Erlebnis,
sind Sonderkollektionen dreier junger Dresd-
ner, die in ihrem Radikalismus aus dem Rahmen
des Ganzen stark herausfallen. Böckstiegel
behängt einen großen Saal voll schreiender
Farbstücke, deren jedes einzelne Begabung und
Können zeigt, die als Gesamtes einen traurigen
Schluß auf die Urteilsfähigkeit dieses Künstlers
erzwingen. Jugendliches Pathos kann schön
sein — die Anfänge des Expressionismus haben
es erwiesen — , dann aber muß Ruhe eintreten,
Sammlung und Tiefe. Radikedes Getue, nur der
Opposition wegen, wirkt plump. Böckstiegel
XXVI September 1^23.
WILHELM LACMNIT. .BILDNIS EINER JUNGEN FRAU.
AUSSTELLUNG KÜNSTLER-VEREINIGUNG— DRESDEN.
Sommcrausstcllimg ig2j der Künstler - Vereinigung Dresden.
kreiert einen „Gelbismus" der Farben, einen
„Kurvismus" der Formen, die in die Flucht
schlagen, die einiiJe schöne Charakteristiken
seiner Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen
nicht genießen lassen. Auch Felix müller
steht noch zu starr in seinen begabten Anfängen,
als daß ihm wirkliche Malerei gelingen könnte.
Seine jüngsten Bilder erstreben Weite, auch
hier mit Hilfe zurückgeholten Naturbilds, doch
kann man aus dem wenigen Entwicklung noch
nicht verbürgen. Das kann man bei Bern-
hard Kretzschmar, der sich aus allzugroßer
Geschicklichkeit und einigem Revolutions-
ressentiment allmählich den Weg bahnt zu recht
eigener, in tiefer Farbigkeit leuchtender Ma-
lerei. Seine „Straße am Sonntag" und „End-
station" stoßen künstlerische Weiten auf, die
zu den Bchönsten dieser Ausstellung gehören.
— Erlebnis der Ausstellung ist die reiche Kol-
lektion Corinth, mit der die Vereinigung ihren
Mittelsaal wuchtig füllt. Fast zwei Jahrzehnte
dieses sprudelnden Schaffens ziehen hier am
Betrachter vorüber. Große, im Gegenstand
noch tief gebundene Kompositionen von 1907
(Martyrium), temperamentvolle Porträts (Fritz
Prölss, 1913), Raumerlebnisse in schlündende
Farbtiefen hinunter aus 1912, fegender Farben-
sturz um 1916 und die glühenden Landschaf-
ten der letzten Jahre treten wie Siege hervor
aus diesem prachtvollen Kampf um Schauen und
Zeigen. Daß es der Künstlervereinigung gelun-
gen ist, trotz aller Zeitnot solche Überschau
über das Werk des Meisters zu schenken, sei
ihr besonders gedankt dr. qskar schürer.
EIN DEUTSCHER KUNSTKRITIKER DES 18. JAHRHUNDERTS.
zu MERCKS, DES GOETHEFREÜNDES, AUFSÄTZEN ÜBER DIE KUNST.
(SCHLUSS AUS DEM JULIBEFT )
Der Aufsalz hat die Belehrung eines gebil-
deten, kunstbegierigen Laien durch einen
Künstler zum Gegenstand. Der Aulbau ist
dialogisch; daher stehen Meinung und Gegen-
meinung scharf und bestimmt gegeneinander
und die Prägungen lassen an Deutlichkeit nichts
zu wünschen übrig.
Zuvörderst reklamiert der Laie in diesem
Gespräch, wie er es immer und heute noch tut,
das Recht auf seinen persönlichen Geschmack,
auf sein subjektives Gefallen. Dagegen macht
der Künstler in längeren Ausführungen das Vor-
recht und die objektivere Gültigkeit des erzo-
genen, des geschulten Geschmacks geltend.
Dann geht das Gespräch hinüber zur unvermeid-
lichen Frage der Naturwahrheit im Kunstwerk.
„Wahrheit, Wahrheit, meine Herren," sagt
der Laie, „auch in der Kunst, auch bei der
Nachahmung des Schönen, und wenn Sie mir
diese zeigen, so bin ich der erste, der sein Knie
davor beugt." Der Künstler fängt diese For-
derung geschickt auf, stellt aber sogleich die
notgedrungene subjektive Beimischung in der
künstlerischen Wahrheit fest: „Auch ich bin
Ihrer Meinung. Ich lechze so sehr nach Wahr-
heit als der strengste Philosoph. Aber woher
wird sie kommen? Aus den Händen ihres
großen Urhebers selbst, oder wird sie uns durch
Menschen zugebracht? Und so lange dies ist,
wird sie von der Farbe des Mediums annehmen,
wodurch sie gegangen ist." Er versucht das
deutlicher zu machen, indem er auf das Men-
schengestaltige selbst der intellektuellen Ein-
sichten verweist : „Was haben Sie in Ihrer Phi-
losophie selbst mehr als Systeme? Wo haben
Sie Eine Wahrheit, die nicht hieße Leibnizens
oder Newtons Wahrheit?"
Dies glaubt der Gegner bestreiten zu können
mit einem Argument, das trotz seiner Roheit
heute noch nicht abgebraucht ist: „Dieser Fall
paßt nicht. In der Philosophie beschäftigt man
sich mit intellektuellen, unsichtbaren Gegen-
ständen .... aber bei der Kunst hat man mit
lauter Dingen zu tun, die in die Sinne fallen.
Man macht nichts als was man sieht." Es ist
dasselbe Argument, das heute noch in allen
laienhaften Kunstmeinungen wiederkehrt, der
naive Glaube, das sinnliche Weltbild sei
nicht subjektiv bestimmt, es sei für alle das
gleiche. Der Künstler erledigt den Einwand
kurz durch die Bemerkung, daß das „Sehen"
des Künstlers denn doch eine andre Sache sei
als das ungeübteAuffassen derLaien. „Glauben
Sie," sagt er, „daß das Sehen so bald getan ist?
Das Sehen ist bei uns Künstlern, was die Kunst
zu leben bei den Menschen überhaupt ist."
Der Laie aber kommt einstweilen von dem
Aberglauben an eine für jedes Auge gleiche
Wirklichkeit nicht los und vermengt ihn noch
mit dem daraus abgeleiteten Aberglauben an
eine endgültige, beste, „richtige", für alle ver-
bindUche Darstellungsweise : „Wenn ich in eine
Galerie trete , so ist's mir wie eine Sprache-
wirrung beim Turmbau. Immer die Abbildung
desselben menschUchen Geschöpfs, und das in
so mancherlei Begriffen von Schönheit, so vielen
Manieren, daß man tappt und tappt, um am
Ende zu wissen, welches die beste ist." Dem
333
Ein den f sc her Kunstkritiker des 1 8. Jahrhunderts.
334
Einwand des Künstlers, bei großen Meislern
sei keine die beste, sondern alle seien gut, hält
er triumphierend entgegen: „Und so wäre denn
das Kolorit von Rubens, von Tizian, von Rem-
brandt, von Spagnolett, von Guercino alle Eins,
und gleich gut, gleich natürlich? Ich wäre sehr
neugierig zu sehen, wie Sic mir dieses erklären
wollen." Und er besteht abermals darauf: Wie
können alle die verschiedenen Manieren gut
sein? Manier ist keine Na tur. In der Ant-
wort, die der Künstler darauf gibt, liegt nun
eine knappe, sehr hübsche Zurückweisung der
naturalistischen Grundanschauung: „Ja wohl,
so wenig Leinwand und Farbe Fleisch ist und
Züge von Linien Körper sind. Sie ist das Sup-
positum, sie ist das Phantom der Natur. Und
mehr versprach wohl der Künstler nicht zu geben
als Phantom." Das Wort Phantom stört den
Laien; er findet, was der Künstler ihm gesagt
habe, sei eine „traurige Wahrheit", denn er
entnimmt daraus nur, daß sein barbarisches Ver-
langen, in der Kunst Natur und Wirklichkeit
zu finden, irre gehe. Der Künstler stellt nun
in wenigen ausgezeichneten Sätzen das ewig
Relative und doch Endgültige jeder subjektiven
Künstlerwelt und Künstlerauffassung heraus:
„Jede Schule hat bei uns ihren eigenen End-
zweck, so wie jedes Jahrhundert den seinigen
hat, und jeder Meister hat nach seinen Kräften,
Fähigkeiten, Organen seinen besonderen. Und
haben Sie diesen ausfindig gemacht und beur-
teilen ihn darnach, so ist Ihre Kritik gerecht."
KARL ALBIKER. .Li i ALS PIERROT.
KARL ALBIKER. .STEHENDER TORSOc
AUSSTELLUNG KUNST LER - VEREI N IGU N G DRESDEN 1923.
Ein deutscher K^mstkritikcr des 18. Jalirlnindcrts.
Diese Sätze — die viel
auffallender und neuar-
tiger in ihrer Zeit stehen,
als wir es heute denken
können — heben mit
der Sicherheit des walir-
haftKundigen eineWahr-
heit ins Licht, die erst
in unsern Tagen, z. B.
durch Hermann Nohls
Lehre von den verschie-
denen, weltanschaulich
gesonderten Künstler-
typen, eine endgültige
Prägung gefunden hat.
Es ist bei früherer Ge-
legenheit in diesen Blät-
tern ausgeführt worden,
welche Erweiterung des
Blickfelds, welche Ent-
lastung der Kunsterör-
terung von unnötigen
Konfliktsstoffen diese
Typenlehre bedeutet.
Wir sind zwar des Aber-
glaubens, als sei in der
Kunst die eine, be-
stimmte, stets gleiche
Wirklichkeit zu finden,
seit langem entledigt.
Aber der andre Aber-
glaube, daß hinter den
verschiedenen künstle-
rischen Weltdeutungen
eine endgültige und
„ideale" stehen müsse,
ist noch in voller Blüte.
Auf ihm beruht die
Übung, kÜDstlerischeEr-
scheinungen mit Vorbil-
dern zu vergleichen, die
wohl für eine künstle-
rische Weltanschauung,
nicht aber für alle vor-
bildlich sind. Auf ihm
beruht insbesondere das
Messen neuer Erscheinungen an Maßstäben,
die gerechter Weise gar nicht in Betracht kom-
men können. Auf ihm beruht das ganze uferlose
Gerede von der wahren, der echten, der hohen
Kunst. Auf ihm beruht ein gutes Teil des un-
vernünftigen und unfruchtbaren Widerstandes,
dem künstlerische Dinge so oft begegnen.
Merck hat denn auch die weitertragende Be-
deutung seiner Sätze wohl gefühlt. Er läßt
seinen Laien einwerfen: „Es wäre doch aber
besser, wenn alle Teile gleich gut erreicht
OTTO KRISCHER. PLASTIK »MADCHEN«
wären." Der Künstler
meint darauf: „Freilich
wäre es besser, wenn
der Mensch ein Gott
wäre. Aber da dieses
eine Lästerung ist, so
wollen wir uns mit dem
begnügen, was er sein
kann. Wer nach allen
Endzwecken jagt, er-
reicht keinen. Nun muß
man fragen, ob der
Künstler de nEndz weck
erreicht hat, den ersieh
vorsetzte: und alsdann
ist er, wenn dieser einzi-
ge Endzweck der Kunst
entspricht und würdig
ist, ein großer Meister.
Wenn Rubens eine Göt-
ternacktheit darstellt , so
fordern Sie doch von
ihm nicht die Wahrheit
des Fleisches von Van
Dyck? Aber Sie wer-
den diese Wahrheit mit
Vergnügen wieder in
einem Gemälde finden,
wo Niemand als er, sei-
ne Frau und Kinder und
sein Hund stehen soll-
ten." — Der Laie be-
ginnt darauf einzusehen,
daß er dazu geführt wer-
den soll, alle verschie-
denen „Sekten" in der
Kunst genau so zu re-
spektieren wie die Sek-
ten in der Philosophie ;
und er meint: „Ich weiß
gar wohl , was Vergleich-
ung für ein schädliches
Ding ist und wie man
auch dem größten Ver-
dienste dadurch eine
tödhche Wunde schla-
gen kann. Aber davon wimmelts in allen Kunst-
büchern, in allen Beschreibungen von Italien,
in Kritiken von Gemäldeausstellungen, räson-
nierenden Katalogen von Galerien usw." Der
Künstler weist diese Manie des fälschlichen
Vergleichens als stümperhaft ab: „Man würde
von diesem Übel nichts wissen , wenn diese
Bücher von Künstlern geschrieben wären. . . .
Alle Künstler sind tolerant in ihren Urteilen,
gerade weil sie wissen, was man leisten kann.'
— Dies im wesentlichen der Gedankengang des
337
Ein deutscher Kunstkritiker des iS. [ahrhunderts.
338
Aufsatzes. Man kann nicht sagen, daß Merck
in ihm schon bis zur klaren Erkenntnis der
weit anschaulichen Verschiedenheit der zahl-
reichen künstlerischen Weltdeulungen gelangt
wäre. Aber er hat immerhin in einer Zeit, die
in normativen Kunstanschauungen stark be-
fangen war, das Einzigartige und Unvergleich-
bare jeder selbständigen Künstlerwelt empfun-
den und unterstrichen. Damit eilt er seiner
Zeit entschieden voraus. — Ein bedeutender
Kenner, ein scharfsehender und äußerst sen-
sibler Kritiker, ein be-
geisterter Amateur mit
beträchtlicher kunst-
wissenschafthcher An-
lage, dazu Meister ei-
ner entzückend leich-
ten und geschliffenen
Sprachhandhabung —
so zeichnet sichMercks
Bild als Kunstschrift-
steller. Er gehört nicht
zu denen , die den
Geist eines Zeitalters
schöpferisch deuten
und Zukunft bestim-
men. Aber neben dem
Lob, das diesen Schöp-
fern ewig tönt, soll-
ten die Verdienste de-
rer nicht vergessen
werden, die je und je
so vieles zur Erleuch-
tung der Zeitgenossen,
zum regen Austausch
geistiger Güter, zur
Befeuerung der Ent-
wicklung und somit zur
Mehrung des Le-
bens beigetragen ha-
ben. Merck selbst hat
gelegenthch darüber
gewitzelt, daß er unter
den Literatoren nicht
zur produktiven, son-
dern leider nur zur
„sterilen" Klasse ge-
höre. Aber ein Mann,
der mit einer einzigen
kritischen Bemerkung
seinem Freund Goethe
Stoff zu jahrelang wie-
derholtemNachdenken
und fruchtbeu-sten An-
stoß gab, kannimErnst
nicht steril genannt
werden, wllh. michel.
Wenn die gesunde Natur des Menschen als
ein Ganzes wirkt, wenn er sich in der
Welt als in einem großen, schönen, würdigen
und werten Ganzen fühlt, wenn das harmonische
Behagen ihm ein reines, freies Entzücken ge-
währt: dann würde das Weltall, wenn es sich
selbst empfinden könnte, als an sein Ziel ge-
langt, aufjauchzen und den Gipfel des eigenen
Werdens und Wesens bewundern. Denn wozu
dient alle der Aufwand der Sonnen und Pla-
neten und Monden, von Sternen und Milch-
straßen, von Kometen
und Nebelflecken, von
gewordenen und wer-
denden Welten, wenn
sich nicht zuletzt ein
glücklicher Mensch un-
bewußt seines Daseins
erfreut? .... goethe.
«
Die Erscheinungen
dieser Welt sind
zu kompliziert, als daß
sie unbedingt gut oder
schlecht wären, und
wir tun besser, statt zu
verurteilen, verstehen
zu suchen, c. schuch.
*
Es kann keine objek-
tive Geschmacks-
regel,die durchBegriffe
bestimmte, was schön
sei, geben. Ein Prinzip
des Geschmacks, wel-
ches das allgemeine
Kriterium des Schönen
durch bestimmte Be-
griffe angäbe, zu su-
chen, ist eine frucht-
lose Bemühung, weil,
was gesucht wird, un-
möglich und an sich
selbst widersprechend
ist. . . . IMANUEL KANT.
D'
ARTHUR LANGE DRESDEN- -WEIBLICHE FIGUR«
kie alten Weisen
sagten, daß ein
Gedicht, ein Gemälde
ohne sichtbare Gestalt
sei, und ein Gemälde
formgewordene Poe-
sie. Diese Worte sind
mir stets vor Augen.
KUO HSI (CHINESISCHER
MALER DES XI. JAHRHUN-
DERTS NACH CHRISTI.)
ARCHITEKT LEO NACHTLICHT. AUS DEM »FEIERLICHEN. RAUM.
OKOSSK BEBXINEK KÜNSTAUSSTELLDNO 192S.
ARCHITEST LEO NACHTLICHT.
AUS DEM »FESTLICHEN« RAUM.
DREI RAUM-IDEEN VON LEO NACHTLICHT.
Die Große Berliner Kunstausstellung
im Glaspalast zeigte in diesem Sommer
zum ersten Mal eine Abteilung für angewandte
Kunst. Architekt Leo Nachtlicht hat darin
drei Raum-Ideen verwirklicht, und damit der
breiten Öffentlichkeit ein Lehrbeispiel und ein
Experiment geboten.
Diese Räume sind nicht das Resultat einiger
Wochen Arbeit. Um zu diesen Raumgestal-
tungen zu gelcmgen, war eine Entwicklung von
ca. 20 Jahren notwendig, angefemgen von den
modernen Linien Van de Veldes bis zu den
Eisenbeton-Bauten, vom Impressionismus bis
zum Expressionismus, von der klassischen
Plastik Hildebrandts über Rodin bis zur mo-
dernen abstrakten Plastik. Alle diese Phasen
in den bildenden Künsten haben an diesen Ar-
beiten ihren Einfluß mit ausgeübt. Der ver-
schriene Futurismus als ausgezeichneter Pionier
einer Flächenteilung, die Abstraktion des mo-
dernen Bildhauers als gegebener Architekturstil
und der Eisenbeton als Mittel zur Raum-Neu-
bildung — alles wundervolle Elemente einer
neuen Baukunst, aber nur dann, wenn die Zu-
sammencirbeit konsequent zwischen Maler, Bild-
bauer und Architekt, möglichst mit denselben
Menschen, Jahre hindurch fortgeführt wird,
oder wenn die einzelnen Künstler in ihrem
Empfinden und ihrer Anlage übereinstimmen.
Um irgend ein Beispiel herauszugreifen: ein
herber Maler, ein süßlicher Architekt werden
nie zusammen arbeiten können. Dasselbe be-
zieht sich auch auf den Bildhauer. Das A und
0 geht jedoch vom Architekten aus. Wenn der
Architekt den Raum nicht empfindet, sondern
„komponiert, zusammensetzt", wird niemals
eine harmonische, geschweige denn entwick-
lungsfähige Schöpfung entstehen können. Wenn
der Architekt aber selbst Maler und Bild-
hauer wäre, so wäre das der idealste Fall.
In der Renaissance waren Maler, Bildhauer
und Architekt in einer Person vereint. Diese
Zeiten sind vorüber. Unsere mehr auf wissen-
schaftlichem Denken beruhende Erziehung
nimmt soviel Zeit in Anspruch, daß bei der
späteren künstlerischen Durchbildung nur noch
341
XlCVl. September 1923. 4
ARCHITEKT LEO NACHTLICHT. .FESTLICHER« RAUM.
WANDMALEREI VON PROF. c£SAR KLEIN— BERLIN.
ARCHITEKT LEO NACHTLICHT. >FESTLICHER. RAUM.
GROSSE BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG 1923.
ARCHITEKT LEO NACHTLICHT. »WOHNLICHER. RAUM.
WANDMALEREI VON EUGEN SCHÜFFTAN.
LEO NACHTLICHT. KAMINSEITE IM .WOHNLICHEN. RAUM.
GROSSE BERLINER KUNSTAUSSTELLUNG l'J23.
Drei Ran»i-Idccn vo7i Leo Nachtlicht.
Zeit für ein einziges Fach übrig bleibt. Es ist
daher nicht möglich, daß der Architekt ohne
die Mitarbeit von Maler, Bildhauer, die Raum-
stimmung restlos löst. — Sehen wir nun zu, wie
in unserem Falle die Aufgaben gelöst worden
sind. Im wohnlichen Raum ist die ganze Kom-
position, auch die des Malers, auf das breit Ge-
lagerte, Horizontale abgestimmt; das heißt, für
das Auge ist der Raum in der Höhe noch mehr
zusammengedrückt. Sehr wichtig für die Flächen-
Malerei ist, daß der Maßstab für jeden Raum
richtig getroffen ist. Den Maßstab für jeden
Raum gibt der Mensch, und zwar unbewußt für
den Laien, bewußt für den Fachmann. Wenn die
Decke sich knapp über dem Kopfe des Men-
schen befinden würde, so hätte er das Gefühl
des Druckes, daher nennt man diese Raum-
wirkung „gedrückt". Nehmen wir nun an, die
Decke wäre beweglich und könnte nach oben
verschoben werden, so würde der Mensch
sich immer freier fühlen, je höher die Decke
empor gehoben wird. Er würde aber sofort
das Gefühl einer gewissen Kleinheit bekommen,
das heißt, der Raum würde ihm erhaben dün-
ken, wenn die Decke weit über ihn sich ver-
lieren würde. Die Wirkungen des Raumes sind
also körperlicher Art. Haben wir nun eine be-
stimmte Raumhöhe, so kann man die beabsich-
tigte Wirkung, also in diesem Fall die „wohn-
liche", noch dadurch verstärken, daß man
den Maßstab der einzelnen Bildelemente kleiner
nimmt, als der durchschnittlichen Größe des
Menschen entspricht. Die Schwierigkeit für
den Maler beruht dann darin, den für diese
Raumgröße besten Maßstab für die Wandlösung
zu finden. Man sehe sich auf diesen Maß-
stab hin und auf den Rhythmus der Wand-
teilung die einzelnen Abbildungen an. So wie
Schüfftan im „wohnlichen", hat Cäsar Klein
im „festlichen" Raum, vor dessen Wänden man
sich bewegte Menschenmassen vorstellen muß,
die Flächen gelöst, daher die vertikale und hori-
zontale Linienführung. Der feierliche Raum zeigt
eine vollkommen eu-chitektonische Wandlösung
von Jacke 1, nur durch Farbenabstufung vom
Braun über Rot ucd Blau. Die Stimmung im
festlichen und im feierlichen Raum ist durch die
Deckenlösungen noch besonders gesteigert, r. r.
ARTÜR HELBIG— BERLIN. ^STEHLAMPE« MESSING.
ARTUR HELBIG-BERLIN. >LEUCHTERKRONE.
ARTUH HELBIG— BERLIN.
»STANDLAMPEN« MESSING.
ARTUR HELBIG'S LAMPEN.
Heibig kommt aus Bruno Pauls Anstalt. Er
ist nicht allein. Mit einem Schlag —
möchte man sagen — hat das „Museum" eine
Schar von Kunstgewerbe-Bildhauern heraus-
gebracht, die was können, die sicher und mutig
an der Stelle stehen, wo um die Weiterbewegung
handwerklicher Form gekämpft wird. Zuerst
gab es bei Paul fast nur Fiächenkunst. Schrift,
Gebrauchsgraphik, Plakat waren schon zu An-
fang gut, bald sah man auch hervorragende
Druckmuster, Tapeten, dekorative Malereien,
Stickereientwürfe. Langsamer ging es mit den
Abteilungen Plastik und Handwerk. Sie waren
abhängig von Werkstätten. Und die konnten
nur Schritt für Schritt eingerichtet und mit
Meistern besetzt werden. Aber die Arbeit am
Material, in der Werkstatt hat auch sofort
Früchte getragen. Wenn der bildhauerische
Nachwuchs des Museums jetzt in Metall, Holz,
Keramik glänzt, so hat das pädagogische Prin-
zip, der Begabung freien Lauf zu lassen, viel
dazu mitgewirkt. Aber ohne die ehrliche
Werkstattarbeit wären doch nur wieder Mu-
stermacher entstanden.
Diese jungen Bildhauer sind mit Ungestüm
in die Berliner Kunstindustrie eingebrochen.
Überall stehen ihre Modelle. Artur Heibig —
der auch im FigürUchen und in der Keramik
was bedeutet — wird hier mit seinen Lampen
nur als ein Beispiel aus der Gruppe herausge-
griffen. Was von ihm gezeigt und gesagt wird,
gilt mehr oder weniger auch für die Kollegen.
Diese junge Schar — die Schade, Düttmann,
Lemke, Kruse, Elster, Schnitzer, Rämisch, Hei-
big, Kulemann usw. — sie haben ihre Marke.
Der Kenner spürt die Blume des Jahrgangs.
Die kunststudierende Jugend ist naturgemäß
Anregungen und Einflüssen in besonderem
Maße zugänglich. Früher schwor der Schüler
auf die Weise des Lehrers. Heute, wo die
Meister selbst ihre Weise zu wechseln lieben,
kennt auch der Lehrling keine Einseitigkeit,
keine Dogmen mehr. Die Jugend ist über alles
informiert, über die neuesten Richtungen in
Paris und Mo5kau, über die entlegensten Ka-
pitel der Kunstgeschichte, nur über diese, über
die jüngsten Ausgrabungen in Peru und Mexiko.
Über die Zumutung, die eigene Ausbildung der
natürlichen Entwicklung, wie sie in der Kunst-
geschichte vorliegt, anzupassen, lächeln sie. Sie
operieren ausschließlich mit den letzten Pro-
blemen, mit den Lieblingsmotiven des Tages.
XXVI. September 1923 5
Artitr Hclbig's Lampen.
350
ARTUR HELBIG— BERLIN.
Die geistige Akrobatik, die diese letzten Ismen
voraussetzen, wird mit Leichtigkeit geleistet.
Denn sie sind begabt, diese Jungen, unheimlich
begabt. Ein Glück, daß hinter ihnen der große
Zuchtmeister steht, der sie auf die Erde zwingt.
Das Handwerk ist ihre Rettung.
Auch der Expressionismus hatte in den jun-
gen Gehirnen seine Wellen geschlagen. Man
hat mit Blitzen und Zacken gearbeitet und mit
den spitzovalen Blättern, die nun mal dazu ge-
hören. Aber der klugen Führung gelang es
doch, den expressionistischen Jugendstil fern-
zuhalten. Und man ist auch selbst sehr kritisch I
Das hat aber nicht den Kotau vor Afrika und
Mexiko verhindern können. Was hat ein Ber-
liner Bildhauerlehrling mit Negermasken zu tun?
0, sehr viel. Sie sind seine Bibel. Es wurde
chick, auf Negerstil zu studieren, wie Nigger-
tänze zu tanzen. Noch stärker beinahe war das
Echo, das die Ausgrabungen mexikanischer
Vorzeit in der Prinz Albrechtsstraße fanden.
Immerhin gab es einige Nachdenkliche, wie Gies,
die auf das Persönliche nicht ganz verzichten,
die die primitive Form ins Geistige steigern
wollten. Andere aber kamen über die etnolo-
»LEUCHTERKRONK« MESSING.
gische Weltreise zu einer eigenen Auffassung
des Handwerks, das ihnen in der primitiven
Urform am reinsten und am kräftigsten erschien.
In der Keramik der Kulemann und Konsorten
sehen wir dieses Urtümliche, das so starke Reize
hat. Die Kulemann geht z. B. soweit, ihre
Töpfe nicht zu drehen, sie knetet sie. Die Er-
findung der Töpferscheibe — in der späteren
Eiszeit — gilt ihr als moderne Errungenschaft,
die den Adel des Tons verwischt. Die Quali-
tätsschmecker unserer Salons berühren sich
hier mit der paradiesischen Roheit ältester
Menschheitsstufen.
Andere von unserm Bildhauernachwuchs
knüpften am ungefügen Volkshandwerk an oder
sie schlugen kühne Brücken von der Latenezeit
zur erstarrten Grazie spanischer Prunksäle.
Man darf sich nicht vorstellen, daß diese
Jugend schwer stöhnt unter der Last der Tra-
ditionen. Sie spielen Ball mit den Jahrhunder-
ten, mit den Stilen, mit den Überzeugungen,
Sie lernen — ohne Pietät. Sie kämpfen — ohne
zu glauben. Sie sind kühn — aus Wurschtig-
keit. In der Großen Berliner Ausstellung haben
sie sich jetzt neben der Novembergruppe ange-
ARTUR HELBIG BERLIN. LEUCHTER-KRONE.
ARTUR
HELBIG-
BERLIN.
»WAND-
LEUCHTER«
MESSING.
ARTUR
HELBIG-
BERUN.
»NACHT-
TISCH-
LAMPEN«
ARTUR HELBIG-BERLIN. .STANDLAMPE. NUSSBAUM.
Artnr Heibig' s Lai/ipm.
siedelt. Die einen verbrennen sich in Proble-
men, die andern drechseln aus dem „Sturm"
der Malerjugend reifes, raffiniertes Kunstge-
werbe. Mit Sicherheit ist vorauszusagen, daß
in ein, zwei Jahren diese fabelhaften Begabungen
auch den Kubismus, den Konstruktionismus
usw. salonfähig umgebogen haben werden.
Artur Heibig ringt um die Synthese. Ringt
ist zuviel gesagt. Er setzt sie glatt hin. Das
Indianische, Biedermeierliche, Expressionisti-
sche, wer will die Rassenmischung definieren?
Doch das alles teilt er mit den andern. Eigen
scheint mir sein Verhältnis zum Handwerk. Er
geht nicht den Weg, daß er Formen aufstellt
und sie in der passendsten Technik wieder-
geben läßt. Die Technik des Handwerks liefert
ihm umgekehrt die Urformen und diese ver-
arbeitet er, richtiger, er setzt sie zusammen.
Typisch ist schon die erste Siänderlampe. Man
kann die Teile numerieren: Der gewundene
Stamm, der Teller, die gebogenen Füße. Jede
Partie war vorher vorhanden, mit ihrem alten
handwerklichen Namen. Bei den Modellen, die
zum Abdrehen bestimmt sind, hast du deutlich
die Kugeln, Zylinder, Kegel. Die menschliche
Figur wird erklärt als Zylinderrumpf, der auf
Röhren steht. Obenauf eine Kugel. „Das Pferd
hat einen walzenförmigen Rumpf usw." wie
wirs aus der Schule kennen
Bei den großen Leuchter-Kronen wird die
wünschenswerte Fülle, das Volumen erreicht
durch handwerklichen Reichtum , der sich in
vielfältiger Art äußert, durch die Einführung
von Bändern, Tellern, Vasen, Buckeln. Alles
ist säuberlich getrennt. Wie in der Werkstatt.
Jeder Geselle macht sein Teil. Was so ent-
steht, sind nicht Embeiten aus einem Linienfluß,
nicht Architekturstücke. Eher genossenschaft-
liche Erzeugnisse, wo der Gießer, der Dreher,
der Schmied, jeder mit einem charakteristischen
Stück vertreten sind. Der einheitUche Hand-
werkergeist hält alles zusammen.
Aber letzten Endes wird dochauch das Hand-
werk artistisch genommen. Die gestückte Ein-
heit ist ein Reiz, wie die plumpe Zierlichkeit,
und die entliehene, mit Kabareltgeist versetzte
Naivität A.NTÜN JAUMANN.
Der echte, der große Künstler, dem es im
Innersten glüht, der einfach nicht anders
kann, der ringt sich zu der Gewißheit durch, daß
die eigene Kunst das eigene Leben ist. Er lebt
sie, lebt ihr, nicht Lohn von außen erwartend,
sondern den Lohn in ihr selbst schon empfan-
gend. Im Übrigen: Arbeit ist alles, und wem
die Arbeit Lebensgenuß geworden, der leistet's,
ein Lebensverdiener und Lebensverschönerer
zu sein ernst zahn.
355
ARTÜE HELBIG- BERLIN.
»TISCHLAMPEN« NÜSSBADM.
ARTUR HELBIG. .TISCHLAMPE. NUSSBAUM.
VOM MESSING-GERÄT.
Die launischste aller Gebieterinnen, die
Mode, hat mit einem Schlage wieder Ge-
schirre aus Messing ins deutscheHeim eingeführt.
Vielleicht geschah das wegen der kindlichen
Augenfreudigkeit, die die spiegelnden Gegen-
stände uns bieten, indem sie auf ihren konkaven
und konvexen Wölbungen die Bilder der Um-
welt verzerren und verzeichnen. Dadurch ist
uns das Messing zum Metall der Munterkeit
und des Frohsinns geworden. Gewiß hat aber
auch die Not der Zeil zu diesem Siegeszug ein
bestimmendes Wort mitgeredet, denn heutzu-
tage , wo die Edelmetalle unerschwinglich für
die meisten geworden sind, bekommt das
Messing schon eine gewisse ansehnliche Kost-
barkeit. Es wird Sache des Kunsthandwer-
kers, durch geschickte Bearbeitung dieses un-
edlen, aber herrlichen Metalls den Stücken
einen Kunstwert zu geben, der den Material-
wert in Schatten stellt. Dies geschieht vor allem
durch die Wahl von edlen, vornehmen Formen,
die in erster Linie den Metallcharakter zur
Geltung bringen. In Werkstätten und Fabri-
ken wird mit Fleiß getrieben, und geschmolzen
und gehämmert, bis erlesene Stücke fertig ge-
stellt sind. Der gute Geschmack wird der Be-
rater der geschickten Hand, und Frau Mode
zeigt ihre Allmacht, wenn sie die Stücke bald
glatt poUert, bald matt schillernd, bald rauh
gencirbt, bald mit zierlichen, eingepunzten Or-
namenten oder mit plastischem Reliefschmuck
will. Und nach und nach wandern alle diese
Stücke ins Haus und bürgern sich ein, neben
den Leuchterkronen, Lampen und gewichtigen
Kerzenhaltern , die Kannen und Kännchen,
Schalen imd Dosen, Platten und Teller und
Kästchen, gebauchte und geschweifte, glatte
und einfache, verzierte und unverzierte Stücke
aus dem Metall der Munterkeit und des Froh-
sinns, und erfreuen Besitzer und Gäste, h. sch.
ARIUR HELBIG-BERLIN. ^KERZENHALTER.
357
XXVI. September 1923. 6
ULLI VETTER HOHEN ASCH AU. STICKEREI >> KYRIE ELEISON <
LILU VETTER— HOHENASCHAU.
-WüLLSTICKKREI AUF LEINEN*
STICKEREIEN VON ULLI VETTER.
Vielleicht muß man gleich obenan schreiben:
„ Lilli Vetter ist keine Stickerin, sie ist bloß
ein Künstler", und doch ist sie gerade ein
Handwerker, ein so eminenter, der nie fehlt.
Ebensogut könnte man wohl auch sagen: sie ist
ja gar keine Malerin, und doch ist in ihren Ar-
beiten die Farbe so rein der Träger ihrer Emp-
findung, wie fast bei niemand heute.
Wer es einst unternehmen wird, die Wertung
der Kunst und des Kunstgewerbes dieser Tage
vorzunehmen, der wird vor der Erscheinung
Lilli Vetters in arge Bedrängnis geraten. Nir-
gendwo will sie hereinpassen, nirgends ver-
wandt sein, nirgends mag sie zur Unnatur ge-
hören und wird doch diejenige sein, die an
erster Stelle steht und mit ihrer Nadel jeden
Zwang gebrochen bat, den selbst edelstes
Handwerk dem hohen Wollen auferlegt.
Absichtlich vermeide ich hier von einzelnen
Arbeiten zu reden, kommt man doch allzuleicht
in ein unzulängliches Beschreibenwollen und
verliert den Zweck, für eine Kunst wie diese
hier Sinn und Verständnis zu wecken, die es
unternimmt, nur mit der kleinen, blanken Nadel
und mit den abertausenden kleinen Stichen
ein tiefes Innere zu enthüllen, ja eine Welt vor
uns auszubreiten. Das tut sie und das ist das
Staunenswerteste an Lilli Vetter.
Erst müssen wir alle Voreingenommenheit
wegräumen, jenes Gewöhntsein an das gewisse
Gewerbliche, das die Stickerei so vielfach hat,
oder jenes Auffallenwollen durch das Motiv,
das ja sowieso der Tod vieler guten Dinge ist;
vieler guten Dinge, die aus der Ausstellungsluft
herausgenommen, in ruhigem Zuhause jene
fremde Atmosphäre verbreiten und sie uns
auch für alle Nachbardinge aufzwingen wollen.
— Erst wer stark genug fühlt, wie UDZünftig die
Arbeiten Lilli Vetters sind, wird das trotzdem
Edle und Selbstverständliche ihres Handwerks
voll ermessen und von dieser edlen Zunft-
losigkeit aus allmählich den Faden finden in ihr
Wunderland, ihre Freiheit als Befreiung, ihre
Persönlichkeit als Naturkraft, ihre Fessellosig-
keit als streuenden Reichtum erfahren und so
die Beschäftigung mit ihrer Arbeit als beglük-
kendstes Geschehen tief empfinden.
Auf der Münchner Gewerbeschau war an
wenig bevorzugtem Platze ein Wandbehang
von ihr zu sehen, eine Aufnäharbeit teil-
weise reichgeslickt, die mich als reichste Arbeit
dieser Ausstellung immer wieder an sich zog.
Ich entdeckte, daß es Anderen auch so erging
und weiß seitdem, daß es gilt, die Aufmerk-
samkeit auf solche Werke zu lenken, um die
Zahl der Anbeter vermehren zu helfen. Das
sollen und werden auch diese Zeilen tun, weil
sie den Lesern sagen, daß ein Berühren mit
solcher Zaubermacht, mit der Harmonie einer
befreiten Persönlichkeit, durch edelstes Hand-
werk selbstverständlich ausgesprochen, allen
Lebenssinn gelegt in eine kleine Nadel, ihr
eigenes Menschenglück tiefer macht.
Welchen Reichtum trägt uns ein Umschlag-
tuch Lilli Vetters entgegen, welche ernteschwere
Überfülle ohne Chaos, ohne Phrase — es ist
ein Schenken ohne Ende — . Welche Fülle
bekommen bei ihr Gold- und Silberfäden, welche
fast sinnbetörenden Reize hat ein Pantöffelchen
von ihrer Hand — schon ist man außer Raum
und Zeit und spinnt in sein Glänzen versunken
ein Märchen von einem jungen Herrscher, der
ULLI VETTER-HOHENASCHAU. WIEDERKEHR DER SONNE«
BESITZER: LANDESGEWERBEMUSEOU— STUTTGAST.
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Stickereien von LiUi Vetter.
großen Kriegszug rüstet, um dem geliebten
Wesen die sagenhaften Schmuckstücke zu er-
obern, wenn auch mit viel Jünglingsblut und
Entbehrungen. Klänge wie nach Symphonien
werden in uns durch ihre gestickten Bildkom-
positionen wach und lösen ein Weltverlorensein
in uns aus, wie sonst nur Musik es vermag.
Bei keiner Arbeit fühlt man das Vorgenom-
mene, alles ist wie Blumen gewachsen, eine
Einheit im Machen und Empfinden wirkt sich
aus, die alle Knoten löst und uns endlich jen-
seits des Kritisierens läßt, ja uns „jenseits von
Gut und Böse" führt horst-schul7e.
Ich bin oft Menschen begegnet, die behauptet
haben, „Sie müssen doch wenigstens zu-
geben, daß es gewisse Gesetze der Komposi-
tion gibt". Und mit einer wichtigen Miene
glaubten sie an die Wahrheit ihrer Behauptung.
Ich aber meine, daß Komposition nur ein Mittel
ist, um andern mögUchst klar und zwingend
unsere Gedanken mitzuteilen, und ich bin über-
zeugt, daß die Gedanken von selbst die besten
Ausdrucksmittel finden., jean fra>'' ois millet.
E
s sind die heiteren Regionen, wo die rei-
nen Formen wohnen schiller.
LILLI VETTER. .BEUTEL« PERL- UND CHENILLE-STICKEREI.
I
AKTUR HELBIG-
BERLIN.
Inhalts-Verzeichnis.
BAND LH
April 1923 -September 1923.
TEXT-BEITRAGE:
Seite
Ruisiiche Kunst. Von Pawel Barcban —
Berlin 3 — 8
Die »Lüge« der Kunst. Von Curt Bauer
— Schlachtenjee 9
Die Gewalt der Form. Von W. F. . . 11
Die Kunst im Zusammenhang der nationalen
Kultur. Von H. Ritter 19
Gemälde der italienischen Renaissance im
Kaiser Friedrich-Museum zu Berlin. Von
Dr. W. Kurth— Berlin 23— 3°
Landhaus de Vriess in Marsberg i. W. Von
C. B 43—44
Ausdruckskunst. Von Karl Heckel —
Schöngeising 47 — 50
Kunst vmd — Können. Von Curt Bauer
— Schlachtensee 50
Frühstückszimmer F. A. Breuhaus. Von
Albert Haberton 53 — 54
Ludwig Kozma als Buchkünstler. Von E m -
merich Kner — Gyoma 57
•
Bruno Krauskopf . Von Dr. Joachim Kirch-
ner— Berlin 63 — 66
Theodor Volbehr — Magdeburg. Von Ernst
von Niebelschütz — Magdeburg . . 66 — 68
Eisenguß. Von Dr. G. ▼. Pechmann . . 69
Max Fleischer, der Forscher und Künstler.
Von Hans Schüler 71 — 72
Eduard Dollerschell— Elberfeld. Von Dr.
Jobst A. Kissenkoetter-Mülheima.R. 77 — 81
Rolf Winter und Harold Winter. Von Prof.
Hans Cornelius — Oberursel. . . . 81 — 83
20 Jahre »Wiener Werkstätte«. Von Dr.
Adolf Vetter — Wien 87—93
Dagobert Peche f 100 — loi
Was ist »Naturalistische Kunst« ? Von
Erich Kramstal 107 — 108
Die Sorge um die Zukunft der Kunst. Von
Prof. Theodor Volbehr — München . iiz — 114
•
Aujusta von Zitzewitz— Berlin. Von Dr.
Alfred Kuhn — Berlin 117 — 118
Die Kunst des Bildnisses. Vo» M. . . .
Der Aufbruch zur Wirklichkeit. Von H.Ritter
Russische Tänzerinnen. Von Pawel Bar-
chan— Berlin
Eine Grabkirche von Ivan Mestrovic. Von
Prof. Josef Strzygowski — Wien . .
Geistige Zuversicht. Von H. W. . . .
Die Lotus-Tafel. Von Kuno Graf v. Har-
denberg— Darmstadt
•
Die Ausstellung »Deutsche Kunst 1923«
Dannstadt. Von Wilhelm Michel —
Darmstadt
Ein deutscher Kunstkritiker des iS. Jahr-
hunderts
Der Maler Richard Geßner. Von R. Bongs.
Deutsche Kunst und französische Kunst.
Von Ernst von Niebelschütz —
Magdeburg 200-
Der Altar des Michael Pacher. Von Rein-
hold Ewald
Das Kunstwerk als Organismus. Von Wil-
helm Michel
Ein Landhaus in Blankenese. Erbaut von
Prof. Bruno Paul — Berlin. Von Baurat
Hans Rolffsen
Neue Formen? Von Dr. E. Zschimmer
Die natürliche Einheit. Von Anton Jau-
mann — Berlin
Vom BUdungswert der Kunst. Von Ha-
rald Scholderer
Mein Arbeitszimmer. Von H. Geron . .
•
Die verjüngte Berliner Akademie. Von Dr.
Max Osborn — Berlin
Gustav Schaffer. Von E. Kurt Fischer .
Porzellan. Von Anton Jaumann — Berlin
Das Wesen des Porzellans. Von Max
Adolf Pfeiffer— Meißen
Zwei Räume von F. A. Breuhaus — ^Botm.
Von Hans Heinz Lüttgen — Cöln
Von chinesischem Kunstgewerbe. Von O.
Münsterberg .
Seite
121
123—124
127
127 — 136
138
161
•75— '«3
185—195
199
-204, 231
209 — 221
223 — 224
227 — 229
230
233
236 — 238
241
247—263
267—173
277—278
291
298
298
Wachsfiguren Ton Ciaire Selmair.
Von Ferdinand Götz — München . .
Künstlerelend
•
Ausstellung der »Münchener Neuen Secession«
Sommer 1923. Von Dr. Rudolf Köm-
stedt
Sommerausstellung 1923 der Künstler- Ver-
einigung Dresden. Von Dr. Oskar
Schürer — Dresden
Ein deutscher Kunstkritiker des 1 8 . Jahrhund.
Von Wilhelm Michel — Darmstadt .
Drei Raum-Ideen Von R. R
Artur Helbigs Lampen. Von Anton Jau-
mann — Berlin
Vom Messing-Gerät. Von H. Seh. . . .
Stickereien von Lilli Vetter. Von Professor
Horst-Schulze — Leipzig
Seite
305
306
309—321
325—333
333—338
34«. 346
349-355
357
359—362
Gemälde » Trommelschläger t. Von Prof. Karl Seite
Hofer — Berlin-Grunewald 246
Gemälde »Frauenkopf«. Von Eugeij Zak — Berlin 256
Gemälde »Bildnis«. Von Gustav Schaffer —
Chemnitz 266
Porzellanplastü »Dame mit Putto«. Von Paul
Scheurich 276
Porzellanplastik »Diana«. Von Paul Scheurich . 282
Gemälde >Halbakt<. Von Willi Nowak-München 308
Gemälde »Einzug in Jerusalem«. Von Karl Caspar
— München 314
Gemälde »Fatme«. Von Prof. Paul Rößler —
Dresden 324
Gemälde »Bauern am Abend«. Von Peter Aug.
BSckstiegel 330
»Feierlicher Raum«. Von Arch. Leo Nachtlicht
— Berlin 340
SEPIATON- UND FARBDRUCKE:
Gemälde »Bildnis: Frl. Tischtschenko«. Von S.
Ssorin
Gemälde »Bildnis: Frau Andrejeff«. Von W.
Schuchajew
Gemälde »Selbstbildnis«. Von Vecellio Tiziano
Gemälde »Auferstehung Christi«. Von Giovaimi
Bellini
»Eingangspforte«. Von Prof. Heinrich Straumer
—Berlin
»Blick in den Garten des Künstlers«. Von Fritz
Aug. Breuhaus — Köln
Gemälde »Bildnis«. Von Bruno Krauskopf — Berlin
Gemälde »Selbstbildnis«. Von Eduard Doller-
scheU— Elberfeld
»Kandelaber«. ! Wiener Werkstätte ■ — Wien.
Gemälde »Selbstbildnis«. Von Augusta v. Zitze-
witz— Berlin
Plastik »Madonna auf dem Hauptaltar«. Von
Prof. Ivan Mestrovic
Plastik »Hauptaltar«. Von Ivan Mestrovic . .
Plastik »St. Rochus«. Von Ivan Mestrovic .
Plastik »Xeilansicht eines Engels«. Von Ivan
Mestrovic
Gemälde »Wallfahrtskirche auf Elba«. Von Ri-
chard Seewald — München
Gemälde »Stilleben«. Von Alexander Kanoldt —
München
Gemälde »Industrie«. Von Richard GeBner —
Düsseldorf
Altarbild »Beschneidung Christi«. Von Michael
Pacher
»Terrassenseite eines Hauses in BUnkenese«.
Von Prof. Bruno Paul — Berlin
»Wohnzimmer«. Landhaus Hamburg-Blankenese.
Von Prof. Bruno Paul — Berlin
ABBILDUNGEN
(SACHLICH ZUSAMMENGESTELLT):
Seite Altar S. 208 — 224; Anhänger S. 112; Architektur und
Grundrisse S 42 — 47, 59, 226 — 229; Ausstellungsräume
2 S. 340—345; Bettdecken S. iio — iii; Beutel S. 362;
Bildnisbüsten S. 334 — 335; Boudoir S. 300 — 301; Bü-
15 cherschrank S. 242, 299; Buchschmuck und Initialen S.
22 56 — 60; Deckchen S. 106— 107; Dielen S. 48 — 49, 231;
Edelmetall-Arbeiten S. 94 — 99, 112; Emailbilder S. 100
31 —103; Eßzimmers. 236; Frühstückszimmer S. 53 — 55;
Garderobe S. 230; Gartenanlagen S. 44 — 47, 52; Ge-
42 mälde S. 2 — 9, 11 — 15, 18, 22 — 40, 62—80, 116 —
124, 174 — 193, 198 — 209, 212 — 213, 222, 227, 246 —
52 258, 263, 266 — 273, 308 — 322, 324 — 332; Gläser-
62 schrank S. 237; Grabkirche in Dalmätien S. 126 — 172;
Herrenzimmer S. 296; Holzschnitte S. 58 — 59; Holz-
76 Schnitzerei S. 86, 232 — 233, 259 — 262, 356; Innenräume
86 S. 340 — 345; Kaffee- imd Teeservice S. 94, 97, 98 —
99; Kaminanlagen S. 48 — 49, 55, 240, 243; Keramik
116 S. 104 — 105, IIJ — 113; Kerzenhalter S. 357, 364;
Kinderweste S. 361; Kleinplastik S. 104 — 105, 112 —
126 113, 194 — 196, 276 — 285, 288 — 294; Klöppelarbeiten
139 S. 106 — 109; Krüge S. 99; Leuchtetkronen S. 88 — 89,
'49 93> 348. 350 — 35'; Metallarbeiten S. 87 — 93, 114, 348
— 353- 355. 357. 364; Musikzimmer S. 23 4 — 235; Oefen
159 S. 235, 238; Photographien russischer Tänzeriimen zwi-
schen S. 124 und 125; Plaketten S. 277, 287; Plastik,
•74 figürliches. 10, 20, 82 — 84, 194 — 196, 264, 274, 276
— 285, 288 — 294, 334 — 338; Porzellanplastik S. 276 —
188 294; Simovar S. 95; Schreibtisch S. 297; Silberarbeiten
S. 94 — 99; Stickereien S. 358 — 362; Studiertisch S. 92;
198 Tisch- imd Standiampen S. 86 — 87, 90 — 91, 97, 346,
349. 353 — 35^1 Tochterzimmer S. 244; Treppenanlagen
208 S. 231 — 233; Tüllarbeiten S. 110 — iii; Vasen tmd
Schalen S. 98; Vitrine S. 235; Wachs-Puppen S. 304
226 — 306; Wandleuchter S. 352; Wandmalereien S. 53, 55;
Wartezimmer S. 302; Wohnräume S. 240, 344 — 34S;
240 Zeichnungen S. 17, 56 — 60.
Namen -Verzeichnis.
Seite
Albiker, Carl— Dresden 196, 335— 3j6
Babberger, August — Karlsruhe 186
Barchan, Pawel — Berlin 3 — 6, 127
Barlach, Ernst — Güstrow J59— 262, 283
Bauer, Curt — Berlin-Schlachtensee .... 9. 5°
Bellini, Giovanni 31
Bemdt, Siegfried — Dresden 328
Böckstiegel, Peter Aug. — Dresden .... 330
Bömer, Paul— Meißen 277, 286, 287
Bongs, R 199
Botticelli, Sandro 35i 37
Breuhaus, Architekt Fritz August — Köln-
Bonn 52 — 55. 296 — 297, 299 — 302
Caravaggio 30
Caspar, Professor Karl— München . ... 314
Caspar-FUser, Maria — München 311
Cornelius, Prof. Hans— Oberursel .... 81—83
Cosimo, di Piero 39
Cossa, Francesco 27
Davringhausen, Heinrich — München ... 179
Deppe, Paula f 321
Dietze, E. Richard — Dresden 326
DoUerschell, Eduard— Elberfeld .... 76—80
Eben, Josef — München 180, 319
Esser, Max— Meißen 291 — 294
Ewald, Reinhold — Hanau .... 181, 209—221
Fabriano, Gentile da 34
Fiori, Emesto de 274
Fischer, Dr. Kurt E.— Chemnitz .... 267—273
Fleischer, Professor Max — Berlin .... 70 — 73
Franciabigio 25
Qaul, Professor August f 288 — 290
Geron, Heinrich 241
Geßner, Richard— Düsseldorf 198 — 206
Götz, Ferdinand — München 305
Grigorjew, Boris 12 — 13
Grünewald, Matthias 74
Haberton, Albert 53—54
Hardenberg, Kuno Graf von — Dannitadt . 161
Heckel, Karl — Schöngeising 47 — 50
Heckendorf, Franz — Berlin 252
Heibig, Artur— Berlin 346—357. 3^4
Heß, Julius — München 318
Hofer, Professor Karl — Berlin 246 — 247
Hoffmann, Professor Josef — Wien . 94 — 95, 98—99
Horst- Schulze, Professor P. — Leipzig . . . 359 — 362
Jaeckel, Willi— Berlin 190 — 191
Jaumann, Anton— Berlin . 233, 277 — 278, 349 — 255
Kandier, Joh. Joachim 284—285
Seite
Kaiser Friedrich-Museum.— Berlin .... 22 — 40
Kanoldt, Ale.\ander — München-Pasing 176, 188 — 189
Kirchner, Dr. Joachim — Berlin-Wilmersdorf 63 — 66
Kissenkoetter, Dr. Jobst A. — Mülheim a. R. 77 — 81
Klein, Cfear — Berlin 341 — 343
Kner, Emerich — Gyoma 57
Kömstedt, Dr. Rudolf — Berlin 309 — 321
Kogan, Alexander — Berlin 2 — 18
Kohlhoff, Wilhelm— Heidelberg .... 163
Kokoschka, Oskar — Dresden 249
Kozma, Architekt Ludwig — Budapest . . 56 — 60
Kramstal, Erich 107 — 108
Kramstyk, Roman — Berlin 248
Krauskopf, Bruno — Berlin 62 — 69
Kretzschmar, Bernhard — Gostritz .... 331
Krischer, Otto — Dresden 337
Krymow, W 14
Kuhn, Dr. Alfred — Berlin-Friedenau . . . 117 — 118
Kurth, Dr. W. — Berlin 23 — 30
Lachnit, Wilhelm — Dresden 332
Lange, Arthur — Dresden 338
Lasser, Hans — München 322
Lauterburg, Martin — München 312
Levy, Rudolf— Berlin 258
Likarz, M. — Wien 100 — 103
Lörcher, Alfred— Stuttgart 194 — 195
Lüttgen, Hans Heinz — Köln 298
Lukomsky, G 17
Mantegna, Andrea 40
Maskos, Fritz — Dresden 334
Mense, Carl — München .... 178, 184, 319, 320
Mestrovic, Professor Ivan — Agram . . 20, 126 — 172
Michel, Wilhelm —Darmstadt 175 — 183, 185 — 195, 223
— 2»4. 333—338
Münchener Neue Secession — München . . 308 — 322
Mfinsterberg, 0 298
Munch, E. — Christiania 251
Nachtlicht, Leo— Berlin 340—345
Nadler, Hans— Gröden 327, 328
Niebelschütz, Ernst von — Magdeburg 66-68, 200-204, 231
Nowak, Willi — München 308
Oäboin, Dr. Max— Berlin 247—263
Fächer, Michael 208 — 224
Paul, Professor Bruno^Berlin 226 — 244
Peche, Dag. f 86 — 93, 97—99, 106-107,109 — 112, 114
Pechmann, Dr. G. von — Ilsenburg ... 69
Pechstein, Professor Max— BerUn .... 192 — 193
Pfeiffer, Max Adolf — Meißen 291
Plontke, Paul — Berlin 253
Seite
Porz«llanMAnufaktur, Staatliche— Meißen . 276—294
Raffael 28—29
Remisow, N, 7
Ritter, H ig, 123—124. 170—172
Roberti, Ercole de 26
Roerich, Nikolai 3
Rößler, Professor Paul — Dresden .... 324
Rolffsen, Hans — Hamburg 227 — 229
Rosa, Salvator 33
Russische Kunst — Berlin 125
Schaffer, Gustav — Chemnitz 266 — 273
Schaschl, Reni — Wien 104, 112 — 113
Scheurich, Paul — Berlin 276, 27g — 281
Schinnerer, Adolf — München 310
Scholderer, Harald 236 — 238
Schrimpf, Georg — München . . 182, 185, 316 — 317
Schröder — Wien io8 — 109
Schubert, Otto — Loschwitz 325
Schuchajew, Wassili Si 9i '5
Schuf f tan, Eugen — Berlin 341 — 345
Schüler, Hans 71 — 72
Schürer, Dr. Oskar — Dresden 325 — 333
Seewald, Richard — München
Selmair, Ciaire — München . , . .
Singer, Susi — Wien
Sintenis, Ren^e — Berlin
Ssorin, Sawely
Straumer, Professor Heinrich — Berlin
StrzygowsUi, Professor Josef — Wien .
Thesing, Paul — Darmstadt ....
Thöny, Wilhelm — München ....
Tintoretto, Jacopo
Tischler, Fr. — Charlottenburg . . .
Tiziano, Vecellio
Unold, Max — München
Vetter, Dr. Adolf— Wien ....
Vetter, Lilli — Hohenaschau ....
Volbehr, Prof. Dr. Theodor — München
Weiß, Professor E. R.— Berlin . .
Wiener Werkstätte — Wien ....
Winter, Harold — Oberursel ....
Wrubel, Michail A
Zak, Eugen — Berlin
Zitzewitz, Augusta von — Berlin
74-175
Seite
183, 312
304—306
104 — 105
196, 264
2, 8, 18
42—50
127—136
177
309
23
»54
22, 38
315
87-93
358-362
112 — 114
250
86—114
82—84
10 — II
»56—257
116 — 124
MAX KÖRNER— NOkNBERO.
N Deutsche Kirnst und Dekoration
3
D^
Bd. 50
PLEASE DO NOT REMOVE
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