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Deutsche militärärztliche
Zeitschrift
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MEDICAL LlBRARyffS
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Deutsche
Militärärztliche Zeitschrift
Herausgegeben
Dr. B. I^euthold, und Dr. O. I*enhartz,
Generalarzt. Stabsarzt.
15. Jahrgang.
Berlin 1886 .
Ernst Siegfried Mittler und Sohn
Königliche Hofbuchhandlung
Kochstmsse 68—70.
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1-2-o-Z.-)
''M 6 * 2 - Inhalt des fünfzehnten Jahrgangs (1886).*)
1. Original-Abhandlungen und Berichte.
Seite
Ans dem Garnison - Lazareth Altona. Bacteriologische Untersuchungen im
Winter 1884/85 von Dr. Pfuhl. 1
Die Eisenbahnzüge der französischen Armee. Von Dr. Körting.32
Antiseptische Beiträge. Von Dr. Port.59
Das spanische Militär-Sanitätswesen. Von Dr. Hümmerich.63
Die ärztliche Untersuchung der Militärpflichtigen im Musterungsgeschäft. Von
Dr. Flashar.. . . 80
Geschichtliche Bemerkung zur Kenntniss sympathischer Augenerkrankungen.
Von Dr. Kern.92
Ergänzungen des Berichts über den neuen, transportablen Krankenheber des
Stabsarztes Dr. Hase in Hannover und Dr. Beck in Bern.93
Bemerkungen über die Behandlung des Heotyphus. Von Oscar Fraentzel . 117
Unter welchen Umständen ist das vom Soldaten im Kriege mitgeführte Ver¬
bandpäckchen von Nutzen? Von Dr. Hochs.125
Zelte und Nothbaracken, deren Gerüste aus Stangen und Draht nach Art der
Baurüstungen zusammengesetzt werden. Von Dr. zur Nie den . . . 161
Ueber Augenuntersuchungen bei Kopfverletzten. Von Dr. A. Ko eh ler . . 174
Ein Fall von Aktinomykosis bei einem Soldaten. Mitgetheilt von Dr. Winter 188
Die Bedeutung des Schultergürtel-Beckenumfanges für die Beurtheilung der
Militärdienstfähigkeit. Von Dr. Lehrnbecher.207
Ueber Fleischconservirung im Felde. Von Dr. Port.228
Ein Fall von Pseudohypertrophie der Muskeln. Von Dr. Weber . . . . 232
Ueber den Entstehungs-Mechanismus traumatischer Rupturen am Augapfel.
Von Dr. Kern.255
Aerztliche Verbandtasche für Manöver- und Feldzwecke. Von Dr. Flashar 271
militärärztlichen Fortbildungscurse zu Berlin im Frühjahr und Herbst 1886 274
Der militärärztliche Fortbildungscursus für das XU. (Königl. Sächsische)
Armee-Corps in den Winterhalbjahren 1884/85 und 1885/86. Von W. Roth,
Generalarzt 1. Classe und Corpsarzt.278
Zur Casuistik der perforirenden Schädelschüsse. Vpn Dr. A. Koehler . . 283
Die neue Beilage 5, § 63 der Kriegs-Sanitäts-Ordnung und die zukünftige
Gestaltung der Kriegs-Antisepsis Deutschlands. Von Dr. Bruberger . 303
Weitere Beiträge zur Kenntniss der Wärmeökonomie des Infanteristen auf dem
Marsche und zur Behandlung des Hitzschlags. Von Dr. A. Hiller 315.
370. 416
Zum Gedächtniss Bruberger’s. Von Dr. Körting.365
•) Ausführliche Sach- und Personen-Register sind am Schluss des VI. und
XIL Jahrgangs ausgegeben. Der Roth’sche Jahresbericht hat sein eigenes Register.
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IV
Seite
Sublimat-Papier als Verbandmaterial. Von Dr. Goedicke.387
Zur Casuistik der pemiciösen Anämie in der Armee. Von Dr. Grimm . . 389
Einklemmung des Wurmfortsatzes. Bruchoperation. Verschluss des Ileum
durch Achsendrehung. Laparotomie. Von Dr. Glasmacher . . . . 434
Darf die Transfusion als ein lebensrettendes Mittel gelten? Von Dr. Klopstech
441. 538
Die 59. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte.465
Ueber Bronchialasthma. Von E. Leyden (Mit einer Abbildung.) .... 515
^^■■•Fortbildungscurse für Stabsärzte j?u Berlin im Herbst 1886 . 571
Ueber Erkältung und Beziehung der Wetfcerfactoren zu Infectionskrankheiten
von Dr. Knoevenagel.574
Zur Casuistik der zweifelhaften Geisteszustände von Dr. Pfuhl.586
II. Referate und Kritiken.
Sanitätsbericht über die Deutschen Heere im Kriege gegen Frankreich 1870/71.
Herausgegeben von der Mil.Medic. Abth. des Preus8.Krieg8.-Minist. 7. Band:
Traumatische, idiopathische und nach In.cctionskrankheiten beobachtete
Erkrankungen des Nervensystems.35
Verhandlungen des Congresses für innere Medicin. Vierter Congress, gehalten
zu Wiesbaden vom 8. bis 11. April 1885. Im Aufträge des Congresses
herausgegeben von Dr. E. Leyden, Geh. Med.-Rath etc., und Dr. Emil
Pfeiffer, prakt. Arzt etc.42
König: Ueber die Principien und die Grenzen der Reinigung von fauligen
und faulnissfähigen Schmutzwassern.45
Tormvaldt: Ueber die Bedeutung der bursa pharyngea für die Erkennung
und Behandlung gewisser Nasenrachenraum-Krankheiten.46
Brass: Kurzes Lehrbuch der normalen Histologie des Menschen und typischer
Thierformen ..46
Bert: Neue Methode der Chloroformirung.47
Schaeffer: Chirurgische Erfahrungen in der Rhinologie und Laryngologie
aus den Jahren 1875—1885 47
Werner: Jean Dominique Larrey. Ein Lebensbild aus der Geschichte
der Chirurgie. Nach seinen Memoiren entworfen.47
Dreschfeld: Ueber Wanderpneumonie.48
Bericht über die allgemeine Deutsche Ausstellung auf dem Gebiete der Hygiene
und des Rettungswesens in Berlin.101
Esmarch: Handbuch der kriegschirurgischen Technik.106
Eisenberg: Bacteriologische Diagnostik.109
Arjona: Cirujia conservadora.112
Lambrey: Outbreak of yellow fever in Sierra Leone 1884 . 112
Heinecke: Compendium der chirurgischen Operations- und Verbandlehre, mit
Berücksichtigung der Orthopädie.112
v. Helmholtz: Handbuch der physiologischen Optik.113
Marchiafava und Celli: Weitere Untersuchungen über die Malariainfection 149
Mo eil er: Mikroskopie der Nahrungs- und Genussmittel aus dem Pflanzenreiche 151
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Wahlberg: Uebung der Feldsanitätstruppen.
Breitang: Ueber den eingewachsenen Nagel.
olffberg: Ueber den differentialdiagnostischen Werth der Farbensinn-
Prüfungen..
Rietschel: Lüftung und Heizung von Schulen.
Lieber: Militär-Hygienisches aus Strassburg i. E.
Hager: Desinfection inücirter Wohnräume.
Klemperer: Ueber die Beziehung der Mikroorganismen zur Eiterung . . .
Ribbert: Ueber experimentelle Myo- und Endocarditis.
Peters: Die Untersuchung des Auswurfs auf Tuberkelbacillen.
Goldscheider: Die Wirkungen des Cocains und anderer Anästhetika auf die
Sinnesnerven der Haut.
Geissler: Sublimatseife.
Longmore: The optical manual: or handbook of instructions for the guidance
of surgeons in testing the ränge and qtiality of vision of Recruits etc.
Annual report of the Surgeon-General U. S. A. 1885 .
Frankel, E. u. Simmonds: Die ätiologische Bedeutung des Typhusbacillus
Duchemin: Ueber die Abdomin&uyphus-Epidemie, welche 1885 unter den
Truppen der für Tonkin bestimmten Reserve-Division im Lager du Pas
des Lanciere gewüthet hat.
Liebermeister: Vorlesungen über Infectionskrankheiten ....*..
Hirt: System der Gesundheitspflege. Für die Universität und die ärztliche Praxis
Scbmid: Die Antisepsis in den beiden Belgrader Hospitälern des deutschen
rothen Kreuzes..
Seite
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Hager: Das Mikroskop und seine Anwendung für Apotheker, Aerzte etc. . 247
Nimier: Aus dem Sanitätsdienst in Tonking 1883—1885 . 288
Fraenkel, A.: Bacteriologische Mittheilungen.295
Anforderungen an ein gutes Trinkwasser.297
Westbrook, Benjamin: Ueber die Anwendung des Antipyrins bei Hitzschlag 298
Shattuck: Die Resultate des Antipyrin-Gebrauchs in dem Boston City Hospital 298
Skrebitzky: Ueber Verbreitung und Intensität der Erblindungen in Russland und
die Vertheilung der Blinden über die verschiedenen Gegenden des Reiches 298
Braune: Instruction der Medicinalabtheilung des englisehen Kriegsministeriums
an die das Expeditionscorps von Suakin 1885 begleitenden Aerzte . . . 352
Die Penjdeh-Seuche.356
Baumgarten: Jahresbericht über die Fortschritte in der Lehre von den patho¬
genen Mikroorganismen, umfassend Bacterien, Pilze und Protozoen . . 357
Erinnerungen an die Weltausstellung in Antwerpen.358
Averbeck: Die acute Neurasthenie, die plötzliche Erschöpfung der nervösen
Energie. Ein ärztliches Culturbild.359
Seal-Encyklopadie der gesammten Heilkunde.360
Die transportable Lazarethbaracke etc. Von Generalarzt 1. CI. Prof.
Dr. v. Langenbeck, Generalarzt 1. CI. Dr. v. Coler und Stabsarzt
Dr. Werner. 394 455
Zeitschrift für Hygiene. Herausgegeben von Dr. R. Koch u. Dr. C. Flügge 395
Grimm: Organisation, Ergänzung, Verwendung und Ausbildung des niederen
Sanitätspersonals der Landarmee in Deutschland, Russland etc.397
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VI
Seite
Schaffer: Die Hygiene und Aesthetik des menschlichen Fusses.400
Seggel: Mittheilungen aus der Augenkrankenstation etc. München .... 402
Schmidt-Rimpler: Augenheilkunde und Ophthalmoskopie.402
Henneberg’s Desinfector in Bezug auf Princip, Construction, Betrieb und
Kosten etc. 403
Sanitätsbericht über die Deutschen Heere im Kriege gegen Frankreich 1870/71
2. Band.449
Vorschriften für die ärztliche Ausrüstung S. M. Schiffe und Fahrzeuge . . . 457
Bericht über die 13. Versammlung des deutschen Vereins für öffentliche Ge¬
sundheitspflege zu Breslau. Nahrungsmittel-Controle, Volksbäder, Canali-
sation, Desinfectionstechnik.498
Sanitätsbericht über die Königl. Bayerische Armee für 1. April 1882 bis
31. März 1884 . 503
Statistique medicale de l’armee Beige. Periode de 1880—1884. Bruxelles 1886 508
Morache: Traite d’Hygiene militaire.510
Bericht über die Verhandlungen der deutschen Gesellschaft für Chirurgie . . 560
1) Schede: Heilung unter dem Blutschorf;
2) Länderer: Transfusion und Infusion;
3) Czerny: Geheilter Rückgratschuss;
4) Bircher: Retention bei Knochenbrüchen;
5) Hausmann: Fixirung der Fragmente bei complicirten Fracturen;
6) Meusel: Schussverletzung des Ellbogengelenks.
Schuchardt: Die heutigen Indicationen zu Gelenkresectionen nach Schuss¬
verletzungen .563
Koehler: Zur Casuistik der Gaumenschüsse.564
Martius, Friedrich: Die Methoden zur Erforschung des, Faserverlaufes im
Centralnervensystem.566
Führer durch das medicinische Berlin.567
Kalender pro 1887 . 567
Gluck: Kriegschirurgische Mittheilungen aus Bulgarien.602
Langenbuch: Kriegschirurgisches aus der Bulgarei.605
Statistischer Sanitätsbericht über die Kaiserlich Deutsche Marine vom
1. April 1883 bis 31. März 1885 608
Baumgarten: Lehrbuch der pathologischen Mykologie etc.613
Veränderungen des Kautschuk beim Lagern.615
III. Mittheilungen.
Etatsvorlagen bezüglich des Militär-Medicinalwesens und ihr Schicksal im
Reichstag.49
Nicolaus Tulpius und Andreas Vesalius . ..52
Aus dem Inhalte der Archives de medecine et de pharmacie militaires. 52. 202. 403
Berliner militärärztliche Gesellschaft. Sitzungsberichte: R o c h s: Demonstration
des Aeby’schen Hirnstrang- etc. Modells, Lenhartz: Encephalitis nach
Masern, Jaeekel: Eisensplitter etc. aus der Netzhaut, Rochs: Juvenile
Muskelatrophie,Bruberger: Hygienische Zustände inNorwegen, Köhler:
Schädelschuss, Riedel: Vermehrung der Bacterien im Wasser, Lenhartz:
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VII
Seite
Reise-Erlebnisse in England, Herrlich: Subphrenische Krankheitsherde etc.
55. 407
Besnard +.56
General-Rapport von den Kranken der Königlich Preussischen Armee, des
XII. (Königlich Sächsischen) und des XIII. (Königlich Württembergischen)
Armee-Corps, sowie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich
Bayerischen Besatzungsbrigade 113. 158. 204. 250. 361. 413. 462.
514. 569. 617
Sterblichkeit der russischen Militärärzte im letzten russisch-türkischen Kriege 115
Die Choleraimpfung.115
Ueber Miryachit, von Jankovsky, Hammond, Neale.156
Fünfzehnter Congress der Gesellschaft für Chirurgie.159
Der fünfte Congress für innere Medicin.159
Dr. Goldscheider: Demonstration von Präparaten, betreffend die Endigung
der Temperatur- und Drucknerven in der menschlichen Haut.200
Sanität8-OfÜziers-Gesell8chaft zu Dresden. 248. 512
Amtlicher Erlass. Dienstverhältnisse im Bayerischen Sanitätscorps betr. . . 251
Ueber die Feier zu Ehren des Oberlazarethgehülfen F. Wiest am 2. Mai. . 299
Jahresessen des Königlich Sächsischen Sanitäts-Offiziercorps.362
Aufforderung zur Betheiligung an der 59. Naturfotscher- etc. Versammlung,
militärärztliche Section.362
Impfung und Wiederimpfung in der österreichischen Armee.406
Kreisarzt-Anstellung in Elsass-Lothringen.407
Programm der 59. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte . . . 458
Tagesordnung der dreizehnten Versammlung des Deutschen Vereins für öffent¬
liche Gesundheitspflege zu Breslau.462
Die Civilpraxis der Militärärzte.568
Kameradschaftlicher Verein der Sanitätsoffiziere des Res.-Landw.-Regts. (1. Berlin)
No. 35.616
Zuber f.617
IV. Allerhöchste Cabinets-Ordres and Ministerial-Verfttgangen.
Amtliches Beiblatt.
Personalien des preussischen und sämmtlicher deutschen Sanitätscorps 6. 16
22. 28. 44. 51. 61. 66. 74. 79. 87. 94
Zusammensetzung der Prüfungs-Commission für die militärärztlichen Prüfungen
des Jahres 1886 1
Krankenröcke, blau und weiss gestreifte betr. 2
Lazareth-Köchinnen, Kostenberechnung durch Fortgewährung des Lohnes bei
Erkrankung. 2. 33
Lazareth-Rechnungsführer, Verwendung halbinvalider Unteroffiziere .... 3
Leder-Pantoffeln in Militär-Lazarethen betr. 3
Geldmittel-Beanspruchung für Baulichkeiten in Gamison-Lazarethen über den
Etat der Corps-Zahlungsstelle. 4
Lazsreth-Bibliotheken, Bücherauswahl. 5
Feuerungs-Portionssätze für Heizanlagen in Lazarethen. 5
Revierkrankenstuben in den Kasernen.11
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VIII
Geisteskranke, Einrichtung besonderer Krankenzimmer für dieselben ....
Senk- und Sieker-Gruben in Lazarethen ..
Zeltbehandlung, Berichterstattung...
Lungentuberculose bei Mannschaften.
Kokoslaüfer für Corridore, Beschaffung derselben.
Seifnäpfe für Waschtische in Krankenstuben.
Bau-Rapporte, periodische Einsendung derselben.
Fortbildungscnrse der Sanitäts-Offiziere, Erweiterung derselben in hygienischer
und bacteriologischer Beziehung.
Eisenchloridlösung zur Reinigung von Trinkwasser.
Entlassung der einjährig-freiwilligen und Unterärzte, Meldungen über Personalien
Anstrich in den Latrinen der Läzarethe.
Einlege-Sohlen aus Badeschwamm bei Fussschweiss..
Lazareth-Köchinnen, Fortbezug des Lohnes bei Erkrankungen .... 2.
Aerztliches Sanitätsmaterial, Neubeschaffung für Garnison-Lazarethe pro 1886/87
Verbindezelt nebst Signalvorrichtung, Beschreibung und Aufrichtung ff. . . .
Krankenträger-Ausbildung für den Krankentransport auf Eisenbahnen . . .
Badegesuche inactiver und activer Mannschaften.% . . .
Bauraten-Beantragung betr.
Latrinen-Einrichtung — Mainzer Tonnenwagen-System.
Kriegs-Sanitäts-Ordnung, Neubearbeitung der Beilage 5 ..
Curerleichterungen in der Wasserheilanstalt Elgersburg i. Th.
Victualien-Verrechnung in den Lazarethen.
Lebensmittel-Lieferung, Aufhebung bezw. Contracts-Verhältnisse.
Badezusätze für Soldatenfrauen und Kinder.
Kriegs-Sanitäts-Ordnung, Beilage 5; Versendung der Zusammenstellung der
Veränderungen an Sanitätsmaterial ff..
Desinfections-Apparate von Rietschel und Henneberg betr.
Namennennung von militärischen Kranken in wissenschaftlichen Arbeiten verboten
Transportfähige Kranke, Ueberführung derselben in andere Garnisonlazarethe
Bandagentoraister, Aufbewahrung.
Baumwollene Socken, Fortsetzung der Trageversuche mit denselben ....
Aufgaben für die militärärztliche Prüfung, Bestimmungen über Bearbeitung
derselben ff..
Kassenwesen bei den Truppen, Bestimmungen auf Grund des § 22 des Reglements
Bädercuren activer Mannschaften, Löhnungszuschuss für die Familien derselben
Sanitätsbericht über die deutschen Heere etc. 2. Bd. Versendung und Beschaffung
Transportable Lazareth-Baracke, Versendung des Werks.
Schneide- und Wickel-Maschine für Verbandmittel nach Gemmel . . . •
Rapporterstattung bei aussergewöhnlichen Erkrankungen.
Kriegsministerium: abgekürzte Bezeichnung der Abtheilungen und provisorische
Aenderung der Geschäfts-Ejntheilung.
Drillichröcke für Lazareth-Gehülfen.
Medicin- und Bandagekasten-Ausrüstung für Friedensmärsche.
Mikroskope, kleine Seibert’sche, Aptirung in grosse.
Prüfungscommission, Zusammensetzung für 1887 .
Lazarefh-GehülJfeit-UpterriQhtsbu^h,, neues # ..
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Deutsche
Militärärztliche Zeitschrift
Redaction:
Dr. Jt. JtttfQeft, Generalarzt,
Berlin, Tanbenitrasae 5,
n. Dr. gR. 31 ni Seiger, Stabsarzt,
Berlin, Hedemnnnstr. 15.
Verlag:
#. §. SBtttCei ft £•?*,
Königliche Hofbachhandlang,
Berlin, Keehetrasee 68—70.
Manntlick erscheint ein Heft von mindestens 3 Druckbogen; dazu ein „Amtliches Beiblatt“. Der
Zeitschrift wird das Werk: „Jahresbericht über die Fortschritte auf dem Gebiete des MilitÄr-
R a ni t it e-Wesens**, herausgegeben vom Generalarzt Dr. Roth, anentgeltlich beigegehen. Bestellung
nehmen alle Postämter und Buchhandlungen an. Preis des Jahrgangs 16 Mark.
XV. Jahrgang._ 1886. Heft 1.
Aus dem ßarnison-Lazareth Altona.
Bacterioskopische Untersuchungen im Winter 1884/85
von
Stabsarzt Dr. Pfuhl.
Die Thatsache, dass in der deutschen militärärztlichen Fachliteratur
bisher noch keinerlei Veröffentlichungen ans dem Gebiete der Bacteriologie
vorliegen — auch ausserdeutsche einschlägliche Arbeiten sind mir nicht
bekannt geworden —, hat mich veranlasst, die nachfolgenden Mittheilongen
gerade unserer Fachzeitschrift za übergehen. Dieselben sind einer Beilage
sum Jahresbericht der inneren Station des Garnison-Lazareths Altona für
du Jahr 1884/85 entnommen und enthalten daher nichts weiter, als eine
chronologische Zusammenstellung der in dem genannten Lazareth in der
Zeit vom December 1884 bis Mitte Mai 1885 ausgeführten bacterio-
ftkopiscben Arbeiten. — Wenn diese nun auch für die Specialisten durch¬
aus nichts Neues darbieten, und ich daher diesen gegenüber einer gewissen
Rechtfertigung bedarf, dass ich, selbst ein Neuling auf diesem grossen
Gebiete der medicinischen Forschung, mir erlaubt habe, jene Arbeiten
an öffentlicher Stelle niederzulegen, so glaube ich doch, der grossen
Mehrzahl der Facbgenossen gegenüber Recht gethan zu haben. Denn
die Specialarbeiten des grossen Meisters Koch und seiner berufenen
Schüler sind einmal nur einer geringen Anzahl von Militärärzten zugänglich,
und dann berühren dieselben grosstentheils nur im Vorübergehen diejenigen
praktischen Gebiete, welche mir zur Bearbeitung Vorgelegen haben. Gerade
1
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diese aber sind es, welche einerseits des Ausbaues harren und anderer¬
seits namentlich für die Militärgesundheitspflege eine hervorragende
Bedeutung besitzen und stets besitzen werden. Es kann daher, meiner
Meinung nach, für die Mehrzahl der Faehgenoesen nicht ganz ohne
Interesse sein, an der Hand eines mitten in der Praxis stehenden
Arbeiters einen, wenn auch noch so kleinen, umschriebenen Bezirk des¬
jenigen Arbeitsfeldes zu durchwandern, von welchem wir Alle für die
Oesammtheit nutzbringende Erträge erwarten.
Ich bin mir allerdings sehr wohl bewusst, dass dasjenige, was ich
zu bieten vermag, nur wenig positive Ergebnisse enthält, und dass
mancher vielleicht enttäuscht die folgenden Blätter bei Seite legen wird.
Indess genügt das Wenige, was sich mit den gebotenen Hulfsmitteln fest¬
stellen liess, dennoch in mancher Beziehung zur Belehrung und zur
Richtigstellung von zwar ziemlich allgemein verbreiteten,
jedoch oft recht irrigen Vorstellungen und Anschauungen über
hygienische Dinge; und giebt ferner deutliche Fingerzeige, nach
welcher Richtung bin sich unsere Wünsche und Forderungen in praktischer
Beziehung auszudehnen haben und wo wir bis auf Weiteres
resigniren müssen.
Bevor ich indess in meinen eigentlichen Bericht eintrete, mochte ich
noch einige orientirende Worte vorausschicken.
Vor einigen Jahren war im Oarnison-Lazareth Altona, dem Sitz des
Corps-Stabsquartiers des 9. Armee-Corps, entsprechend den Fortschritten
auf dem Gebiete der ätiologischen Forschung, speciell der Entdeckung
der mannigfachen organisirten Krankheitserreger, ein besonderes, ledig¬
lich für mikroskopische Untersuchungen bestimmtes Arbeits¬
zimmer errichtet worden. Die Thätigkeit erstreckte sich in diesem
zunächst auf die einschläglichen klinischen Untersuchungen der einzelnen
Stationen, vor Allem die des Auswurfs der Lungenkranken des Lazareths
selbst. Nach Beschaffung der grossen Seibert’schen Mikroskope mit
homogener Immersion (Vit) und Abbe’schem Beleuchtungsapparat für
die Lazarethe des Corps-Stabsquartiers wurden indess auch von aus¬
wärtigen Garnisonen zweifelhafte Objecte (meist Auswurf muthmaasslich
an Lungentuberkulose leidender Soldaten) zur mikroskopischen Unter¬
suchung ein gesandt. So ergab sich gewissermaassen von selbst eine
Centralstelle für die Mikroskopie im Corpsbereich.
Eine wesentliche Erweiterung erfuhren diese mikroskopischen Arbeiten
aber, nachdem durch die Commandirungen von Stabsärzten zu den
Koch'sehen „Choleracursen“ am Reichsgesundheitsamt im Herbst 1884
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3
ein ganz neues Gebiet der militärarztlieben Praxis erschlossen war. Es
galt nunmehr, «machst das in jenen Cursen ad hoc Erlernte im Gedachtniss
zu bewahren und für den eventuellen Aosbruch der Cholera im Corps¬
bereich alles in diagnostischer Beziehung Nothwendige bereit zu halten.
Ferner aber war es Aufgabe eines jeden Theilnehmers, durch zielbewusstes
Fortarbeiten jene Sicherheit und Gewandtheit in der Handhabung aller
der complicirten, minutiösen Arbeiten auf dem weiten Felde der Bacterio-
skopie zu erwerben, welche allein die Gewahr boten, nicht bloss im
speciellen Falle untrügliche diagnostische Resultate zu gewinnen, sondern
auch den übrigen einschläglichen Fragen, soweit es eben die Mittel
gestatteten, für die Zukunft gerecht zu werden.
Mit den für diesen verallgemeinerten Zweck seitens des Kriegs-
ministeriums, M. M. A., bewilligten Geldmitteln fand daher im December
r vorigen Jahres eine Erweiterung des bisherigen „Mikroskopirzimmers“
zu einer Art bacterioskopischen Station statt, welche nunmehr
der schon lange bestehenden „chemischen Untersuchungsstation 14 eben¬
bürtig zur Seite steht.
Die innere Einrichtung dieser Station, an deren Weiterentwicklung
rüstig gearbeitet wird, musste natürlich zunächst auf die allernoth-
wendigsten Anschaffungen beschränkt werden; und so ist es denn bisher
nicht möglich gewesen, grössere Arbeiten ins Werk zu setzen und
sämmtlichen an das junge Institut her an tretenden Anforderungen gerecht
zu werden. Vor Allem wurde der Mangel an Hülfsmitteln und Vor¬
richtungen für die Variirung der Nährböden (z. B. Herstellung von
Blutserum) und für das Thierexperiment empfunden, ohne welches eine
Anzahl von Fragen überhaupt nicht endgültig gelöst werden kann.
Ich lasse zunächst die Besprechung der lediglich im dienstlichen
Interesse ausgeführten Arbeiten folgen, deren Zahl in Rücksicht
auf meine verschiedenen anderweitigen Dienstfunctionen nur eine ver-
haltnisamässig kleine sein konnte, und führe zum Schluss in gedrängter
Kürze einige aus der Reihe der rein privaten Zwecken dienenden
Arbeiten gewonnene, wichtigere Beobachtungsresultate an.
Die auf Befehl bezw. Requisition Vorgesetzter Instanzen vorge¬
nommenen Untersuchungen erstreckten sich zunächst auf Trink- und
Gebrauchswässer, Selterwasser und ßodenmassen.
Am 19. December 1884 wurde der Station auf Befehl des Herrn
Corpa-Generalarztes eine Brunnenwasserprobe aus der Garnison
Wandsbeck zur bacterioskopischen Untersuchung übergeben, welche
einem Brunnen entstammte, der bereits früher wiederholt einer che-
1 *
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mischen Prüfung unterlegen hatte. Der fragliche Brunnen war, wie in
einem Bericht des Oberstabs- und Regimentsarztes Dr. v. Scheven
ausgesprochen wurde, einer Verunreinigung durch Dejectionen, speciell
den Urin infiuenzakranker Pferde, sowie durch das bei der Behandlung
derselben benutzte Wasser ausgesetzt gewesen. Da nun unter den auf
diesen Brunnen angewiesenen Mannschaften der 2. Eskadron des
Hannoverschen Husaren-Regiments No. 15 ziemlich rasch hintereinander
5 Falle von Lungenentzündung aufgetreten waren, so wurde an einen
ursächlichen Zusammenhang zwischen der Influenza der Pferde und den
Lungenentzündungen bei den Mannschaften gedacht und vermuthet, dass
der fragliche Brunnen die Infection vermittelt haben könnte. Dieser
Verdacht wurde dadurch bestärkt, dass das Wasser trübe aussah und
fremdartige Beimengungen erkennen Hess, was bei dem Wasser aus
dem nicht weit entfernt liegenden Brunnen der 1. Eskadron nicht der
Fall war.
Das fragliche Wasser, welches sich in einer verkorkten Weinflasche befand,
war am 14. December entnommen, nachdem an demselben Tage der Uebelstand,
dass die Abwässer aus den Krankenstallen an dem Brunnen vorbeiflossen, be¬
seitigt war.
Ma&roskopisch erschien das Wasser klar und farblos und liess nur beim
Schütteln einige bräunliche Flöckchen und Krümel erkennen. Wegen Mangels
einer (mit Quadratcentimeter-Eintheilung versehenen) Zählplatte konnte damals die
Bestimmung der Menge der in dem Wasser enthaltenen entwickelungsfähigen Keime
leider noch nicht vorgenommen werden; doch zeigte sich in den nach dem Kocti¬
schen Verfahren hergestellten Gelatineplatten nach zwei Tagen eine äusserst dichte
Saat von Colonien, welche anfeine starke Verunreinigung des betreffenden Brunnen¬
wassers schliessen Hess. Sämmtliche Colonien verflüssigten die Nähr-Gelatine
langsam und zeigten sich bei der weiteren Untersuchung hauptsächlich aus zwei
Arten von Mikroorganismen bestehend, nämlich: 1) einem kurzen, dicken, lebhaft
beweglichen Bacillus, welcher der Gelatine, sowohl in den Platten, als auch in
der verflüssigten Umgebung des Impfstichs im Beagenzglase eine eigenthümlich
hellgelbgrüne, schwach fluorescirende Färbung verlieh; und 2) einem kleinen, die
Gelatine gleichfalls, aber ohne Farbstoffbildung, verflüssigenden Mikrococcus.
Dasselbe Verhalten boten die aus den Colonien hergestellten Reinculturen beider
Mikroorganismen dar.
Aus dem Resultat dieser Untersuchungen sowie der Beobachtung
des Verhaltens beider Organismen auf Kartoffeln und Agar-Agar wurden
folgende Schlüsse gezogen: 1) die vorgelegte Wasserprobe ist stark
verunreinigt; 2) die in derselben gefundenen Mikroorganismen ge¬
hören nicht zu den bekannten pathogenen; keiner gleicht im Be¬
sonderen den bei der genuinen Pneumonie des Menschen gefundenen
Kokken; 3) die Influenza der Pferde, deren Infectionsstoff überhaupt noch
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5
Dicht bekannt ist, und die gleichseitig anfgetretenen Lungenentzündungen
unter den Mannschaften des betreffenden Regiments stehen daher in
keinem ursächlichen Zusammenhänge miteinander. Dieses
Urtheil wurde durch eine spätere bacterioskopische Untersuchung des
gleichen Wassers im chemisch-hygienischen Laboratorium im 1. Garnison-
Lazareth zu Berlin durch den damaligen Stabsarzt, jetzigen Regierungs¬
rath Dr. Gaffky lediglich bestätigt. Derselbe hatte die Untersuchung
noch durch einige Thierexperimente erweitert und vervollständigt,
welche ergaben, dass Reinculturen beider Organismen, einem Kaninchen,
einem Meerschweinchen und einer Maus subcutan injicirt, ohne jede
Wirkung auf die Thiere blieben.
Die gleichzeitige Untersuchung des fraglichen Brunnenwassers auf
der chemischen Station des hiesigen Lazaretbs hatte ebenfalls einen höheren
Grad von Verunreinigung desselben ergeben; und zwar nahezu dieselben
Zahlen, wie sie bereits bei früheren Untersuchungen gefunden worden
waren.
In 100 000 Theilen Wasser fanden sich:
Organische Substanzen 10,1
N, O, .
.23,8
N. O, .
.0,0
nh 3 .
. mehr als zulässig
CI . .
.13,49
Gesammthärte . . . 21,2
Permanente Härte. . 16,1
Der genannte Brunnen, welcher schon auf Grund der früheren
chemischen Untersuchungen als zur Benutzung für ungeeigneterklärt worden
war, wurde nunmehr bis auf Weiteres ganz ausser Gebrauch gesetzt und
einer gründlichen Reinigung und Renovation unterworfen.
Eine zweite Untersuchungsreihe erstreckte sich auf Proben von
Füllbodenerde aus der Garnison Stade.
In der mit 22 Mann belegten Stube 3 im Erdgeschoss der Kaserne
Güldenstem, in welcher 298 Mann des Füsilier-Bataillons 1. Hanseatischen
Infanterie-Regiments No. 75 einquartiert sind, waren im Jahre 1883 drei
Typhusezkrankungen und 1884 zwei Lungenentzündungen vorgekommen.
Diese Erkrankungen gaben der Corps-Intendantur des 9. Armee-Corps
Veranlassung, über die Beschaffenheit der Füllbodenerde genannter Ka¬
serne Aufschluss n&chzusuchen. Die zunächst an die chemische Station
gelangten Erdproben wurden, da diese Station sich für incompetent erklärte,
durch das Garnison-Lazareth der bacterioskopischen Station am 22. De-
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6
cember 1884 zur Untersuchung übergeben, welche ungesäumt in Angriff
genommen wurde.
Die betreffenden Erdproben waren am 17. November 1884 entnommen and be¬
fanden sich in zwei kleinen Säckchen. Sie bestanden hauptsächlich ans Bauschutt
und enthielten unter Anderm auch verschiedene grobkörnige Reste von Kalk und
Ziegelsteinen. Organische Beimengungen waren makroskopisch nicht zu erkennen.
Von jeder der Bodenproben wurden zunächst drei Gelatineplatten hergestellt,
und zwar auf folgende Weise:
Mit einem sterilisirten (d. h. unmittelbar vorher gut ausgeglühten und gehörig
abgekühlten) Scalpell wurde von der, übrigens vollkommen trockenen, Erde je eine
minimale Menge entnommen und auf die, in dünner Schiebt auf die Glasplatte aus¬
gegossene, noch nicht völlig erstarrte Gelatine gestreut, etwa so, wie Salz auf ein
Butterbrot. —
Die in Zimmertemperatur gehaltenen Gelatineplatten zeigten nach 2 mal 24 Stunden
eine mässige Menge verschieden gestalteter Colonien, unter denen sich drei ver¬
schiedene Pilzformen (den Penicillium-, Aspergillus- und Mucor-Arten angehörig) fanden.
Eine vierte Art von Colonien von hellgraugelber Farbe und oft leberartig gelappter
Form, welche bei ihrem Wachsthum die Gelatine nicht verflüssigten, bestand aus
einem ziemlich langen, geraden, schlanken Bacillus, welcher lebhafte Eigenbewegung
zeigte. Dieser Bacillus breitete sich im Gelatineröhrchen vom Impfstich aus nur an
der Oberfläche in radiärer Richtung aus und stellte eine flache, völlig kreisrunde
Colonie dar, während sich in der Tiefe nur vereinzelte, graugelbe, körnige Massen
im Verlaufe des Stichcanals entwickelten. Zugleich bildete er einen zähen, grau-
weissen Schleim, welcher sich in langen Fäden ausziehen Hess. Auf Kartoffel-
schnitten wuchs der Bacillus ebenfalls gut, und schon nach 2 Tagen fand sich ein
dünner, körniger, weissgrauer Belag an der Stelle der Aussaat, welcher am 3. Tage
fast die ganze Kartoffelfläche überzogen hatte. In Fuchsinpräparaten zeigten sich
ausserdem reichliche Scheinfäden bildungen.
Nach diesen Beobachtungen musste das Urtheil dahin lauten, dass
in der fraglichen, überhaupt nicht stark verunreinigten Erde be¬
kannte pathogene Mikroorganismen nicht gefunden worden seien;
und dass speciell der Bacillus mit demjenigen des Unterleibstyphus nicht
identisch, die Ursache jener Typhuserkrankungen in der betreffenden
Kaserne durch die Untersuchung also nicht ermittelt worden sei. Von
einer Aehnlichkeit des Bacillus mit den Mikrokokken der Pneumonie
des Menschen konnte überhaupt keine Rede sein. —
In Folge der kriegsministeriellen Verfügung vom 16. December 1884,
M. O. D., betreffend die Untersuchung bezw. Controlirung künst¬
licher Mineralwässer resp. verdächtiger, zur Selterwasser¬
fabrikation benutzter Wasserarten durch die Truppenärzte
wurde auf Veranlassung des Regiments No. 76 der Berichterstatter durch
das 2. Bataillon desselben Regiments mit der Untersuchung des in der
Kantine des Bataillons verkäuflichen Selterwassers beauftragt.
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Eine Flasche des fraglichen Wassers, über welches übrigens seitens der Consu-
menten niemals Klage geführt worden war, gelangte demgemäss am J. Januar in
die bacterioskopische Station des Garnison -Lazareths zu Altona. Es stammte, wie
aus der Etiquette zu ersehen war, aus der Mineralwasserfabrik Carl Kappelhoff
zu Altona und bot makroskopisch ausser einer grösseren Anzahl bräunlicher Flöck¬
chen und Brücke 1, welche sich beim Schütteln zeigten, nichts Auffälliges dar. Noch
an demselben Tage wurde mit der Untersuchung begonnen, und zwar, da mittler¬
weile mit Quadratcentimeter - Eintheilung versehene Zäblplatten beschafft waren,
nach der im Kaiserlichen Gesundheitsamte zu Berlin üblichen Methode, zunächst zur
Feststellung der Zahl der in dem Wasser vorhandenen entwickelungsfähigen Keime
geschritten« Es ergab sich hierbei, dass ein Cubikcentimeter desselben ca. 20 000 der¬
artige Keime enthielt; ein Resultat, welches eine starke Verunreinigung des Wassers
ausdrückte und um so überraschender war, als man gewohnt ist, künstliche Mineral¬
wässer für besonders rein und keimfrei zu halten.
Was die einzelnen Mikroorganismen betrifft, welche die verschiedenen, die Nähr¬
gelatine auf den Platten theils verflüssigenden, theils nicht verflüssigenden Colonien
bildeten, so Hessen sich vier verschieden^ Formen nachweisen:
1) ein kurzer, ziemlich dicker, lebhaft beweglicher, bei seinem Wachsthum die
Gelatine rasch verflüssigender Bacillus, dessen Plattenculturen und Reinculturen in
der Umgebung des Impfstichs im Reagenzglas der Gelatine eine graugelbe Farbe
verHehen; 2) ein nicht verflüssigender, grosser, ovoider Mikrococcus; 3) ein eben¬
solcher, nur etwas kleinerer Mikrococcus (beides wahrscheinlich Hefearten), und
4) ein kleiner, runder, nicht verflüssigender Mikrococcus, dessen Individuen aus
Platten-Colonien und aus Reinculturen im Gelatineröhrchen sowohl in Trockenprä-
paraten, als auch im hängenden Tropfen die Eigenthümlichkeit zeigten, sich fast
ausnahmslos zu Zweien (semmelfÖrmig) aneinander zu lagern.
Obwohl nun auch das destillirte Wasser niemals ganz keimfrei ist, so legte
doch die in dem betreffenden Selterwasser gefimdene enorme Menge von Mikro¬
organismen die Annahme nahe, dass bei der Darstellung desselben kein destillirtes,
sondern im Gegentheil stark verunreinigtes Wasser benutzt worden sei.
Dieses Wasser konnte auch vor der Fabrikation bestimmt nicht gründlich
aufgekocht gewesen sein, weil sonst aller Wahrscheinlichkeit nach wenigstens die
Mikrokokkenarten keimunfähig gemacht worden wären; oder aber es musste eine
nachträgliche Verunreinigung bei der Fabrikation, oder in den Flaschen selbst statt-
gefanden haben« Wahrscheinlich waren alle drei Factoren bei der Verunreinigung
betheiligt gewesen.
Wenn nun auch keiner der gefundenen Mikroorganismen zu den pathogenen
gehörte, so musste dennoch das fragliche Selterwasser vom sanitären Standpunkte
aus beanstandet werden. Denn die Verunreinigung desselben war eine so erhebHche,
dass die Befürchtung nahe lag, es könne bei reichlichem Genuss des Wassers
spedell der in die Klasse der Fäulnissorganismen zu rechnende Bacillus Störungen
von Seiten der Verdauungsorgane (z. B. Alkalescenz des Magensaftes bei Entwickelung
basischer 8paltungsproducte) herbeiführen, durch welche einer eventuellen Invasion
wirklicher Krankheitserreger (Typhus, Cholera u. s. w.) der Weg geebnet
gewesen wäre.
In Folge dieses Gutachten 8 wurde vomTruppencommandodas betreffende
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8
Fabrikat verboten and durch ein anderes künstliches Selterwasser aus der
Fabrik von Erd mann und Jakoby ersetzt, dessen bacterioskopische
Analyse spater noch Erwähnung finden wird.
Weitere Recherchen seitens des Herrn Corpe-Generalanfctes auf Grund
eines bezüglichen Berichts bei der Polizei-Behörde in Altona haben spater
den ausgesprochenen Verdacht hinsichtlich der Fabrikation des Kappel*
ho ff'sehen Selterwassers bestätigt und ergeben, dass in der That von
der betreffenden Fabrik nur gewöhnliches Wasserleitungswasser ohne
jegliche weitere Zubereitung zur Herstellung künstlichen Mineralwassers
benutzt wird. p. Kappelhoff selbst fand auch in seinem Antwortschreiben
an die Polizeibehörde hierin durchaus nichts Befremdliches oder gar
Gravirendes, sondern erklärte diese Herstellungsart besagter Mineralwasser
für allgemein gebräuchlich und auch um so mehr gerechtfertigt, als durch
keine polizeiliche Verordnung etwas Bestimmtes in dieser Richtung aus¬
gesagt, am allerwenigsten aber die Anwendung von filtrirtem oder gar
destillirtem Wasser vorgeschrieben sei. Hierin musste dem Betreffenden
leider Recht gegeben werden.
Nachdem durch obiges Untersuchungsresultat die Aufmerksamkeit
einmal auf die künstlichen Mineralwässer hingelenkt war, ordnete auch
das Garnison-Lazareth die bacterioskopische Prüfung des seit lange daselbst
verabreichten künstlichen Selterwassers aus der Fabrik von Erd¬
mann und Jakoby zu Altona an.
Das Wasser zeichnete sich durch grossen Kohlensäurereichthum und
Wohlgeschmack aus und genoss des Rufes besonderer Reinheit im Ver¬
gleich mit anderen Fabrikaten.
Die Untersuchungen wurden am 10. Februar dieses Jahres begonnen; und zwar
auch hier wieder zunächst die Zahl der in dem Wasser enthaltenen entwickelungs¬
fähigen Keime festgestellt. Das Resultat war ein wesentlich günstigeres, als bei dem
Kappelhoff'schen Fabrikat, indem nur 80 bis 100 entwichelungsfahige Keime auf
einen Cubikcentimeter des Wassers verschiedener Flaschen kamen. Dies würde also
bei einem durchschnittlichen Inhalt der Flaschen von 650 ccm auf die ganze Flasche
etwa 50—60 000 Keime ergeben.
Die in den Gelatineplatten entwickelten Colonien bestanden: 1) aus zwei ver¬
schiedenen, die Gelatine verflüssigenden Arten von geraden, beweglichen Bacillen
von mittlerer Dicke und Länge, deren eine sich durch reichliche Bildung von un¬
gleich langen und gekrümmten Scheinfaden auszeichnete. In den nicht verflüssigenden
Colonien fanden sich: 1) eine Hefeart, durch verschieden grosse, ellipsoide Zellen
ausgezeichnet; 2) ein sehr kleiner Mikrococcus, dessen Einzelindividuen meist paar¬
weise oder zu Vieren zusammengelagert erschienen und 3) ein sehr feiner, kurzer,
gerader und beweglicher Bacillus. Daneben war von Schimmelpilzen noch eine
Aspergillusart vorhanden.
Aach bei der Herstellung dieses Selterwassers war, wie Erkundigungen
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ergaben, nur gewöhnliches Leitungswasser benutzt worden. Da indess
die Verunreinigung des ersteren sich als eine geringe erwies, und ferner
die gefundenen Mikroorganismen keiner der bekannten pathogenen Arten
angehörten, so war gegen die weitere Verabreichung des betreffenden
Fabrikats an die Kranken vom sanitären Standpunkte aus zunächst
nichts einzuwenden. Dasselbe wurde vielmehr auch dem 2. Bataillon
Regiments 76 für die Kantine anstatt des Kappelhoffischen empfohlen,
und, wie bereits bemerkt, auch eingefubrt Warum indess auch hier die
Bereitungsweise des betreffenden Selterwassers hygienische Bedenken
hervorrufen musste, darüber am Schluss noch Weiteres.
Um nun auch die Beschaffenheit des Wassers der Altonaer
städtischen Wasserleitung selbst, welches, wie gesagt, nicht allein
bei der Selterwasserfabrikation von sämmtlichen Altonaer Fabriken
künstlicher Mineralwässer verwandt wird, sondern auch seit 1872 das
Trink- und Gebrauchswasser für das Garnison-Lazareth und
seit 1881 resp. 82 auch für die neuerbauten Casernen No. I, II und
III des 1. Thüringischen Infanterie-Regiments No. 31 liefert, kennen zu
lernen, war durch den Herrn Corps - Generalarzt am 9. Februar d. Js.
eine umfassende bacterioskopische Untersuchung des betreffenden Wassers
befohlen worden.
Zu diesem Zweck wurden im Verlauf der nächsten Wochen Wasserproben an
Tier ganz entfernt von einander gelegenen Stellen entnommen und zwar: 1) Holsten-
atnuse 101; 2) bei der Johanniskirche No. 1: 3) Königstrasse No. 29 und 4) Kl.
Gärtnerstrasse No. 161 (Garnisonlazareth).
Die Entnahme der Proben geschah unter Beachtung folgender Cautelen:
Eine Anzahl noch nicht gebrauchter Medicinflaschen (zu je 200 gr) wurde zu¬
nächst sorgfältig mit Sand und Wasser mechanisch gereinigt, mit concentrirter
Schwefelsäure ausgespült und darauf wiederholt mit destillirtem Wasser bis zu
völlig neutraler Keaction desselben nachgespült. Nach Ablaufenlassen des Wassers
wurden die Beste desselben mit Alkohol aufgenommen, dieser abgegossen und die
letzten Spuren demselben mit Aether aufgenommen, welcher verdampfen gelassen
wurde. Hierauf wurden die Flaschen mit einem fest schliessenden Wattepfropf ver¬
gehen und, um sie keimfrei zu machen, im Trockenschrank bei einer Temperatur
zwischen 160 bis 170° C. D/a Stunden lang der heissen Luft exponirt. Der Watte¬
pfropf erhielt endlich noch einen Verschluss mit im strömenden Dampf (1 Stunde
im Dampf- Sterilisirnngs-Cylinder) sterilisirtem Pergamentpapier und starkem Bind¬
faden.
An Ort und Stelle wurde das Wasser bei völlig geöffnetem Leitungshahn erst
10 Minuten laufen gelassen, dann die Flaschen, wahrend das Pergamentpapier, der
Bindfaden und der Wattepfropf mit sterilisirten (in l°/oo Sublimatlösung) Fingern
gehalten wurden, langsam und ohne den Rand der Flasche zu bespülen bis fast zum
Anfang des Halses gefüllt und sofort wieder verschlossen. Bei dem directen Trans¬
port nach der Untersuchungsstation galt als Regel, die Flaschen senkrecht zu halten,
um jede Berührung des Wassers mit dem Wattepfropf möglichst zu vermeiden.
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- 10 -
Alle ?ier Proben boten dem blossen Auge nichts Auffälliges dar. Sie waren
vollkommen klar und farblos, und nur bei Probe 8 zeigten sich beim Schütteln einige
ganz feine, lockere, graue Bröckel. Von jeder Probe wurden möglichst bald, d. h.
mindestens noch an dem Tage der Entnahme, 3 Gelatineplatten gegossen; und zwar
je zu 1, Vs und Vs ccm des zu prüfenden Wassers. In Probe No. 1, Vs Stunde
nach der Entnahme ausgesät, wurden am 3. Tage im Cubikcentimeter durchschnittlich
40 Colonien gezahlt. Auffällig war hierbei, dass keine derselben die Gelatine ver¬
flüssigte.
Aus No. 2, deren Aussaat ca. 1 Stunde nach Entnahme der Probe erfolgte,
entstanden im Cubikcentimeter ca. 2200 Colonien. Auch hier überwogen bei Weitem
die nicht verflüssigenden. Unter den verflüssigenden befanden sich mehrere, welche
bei ihrem Wachsthum einen hellgelbgrünlichen Farbstoff bildeten und dasselbe leichte
Finoresciren des verflüssigten Nährbodens sowohl in den Platten-Colonien, als auch
in der Umgebung des Impfstiches im Gelatine-Röhrchen zeigten, wie es bei den Co¬
lonien aus dem Wandsbecker Brunnenwasser beobachtet worden war.
Die dritte Probe, von welcher zuerst am 24. Februar, 9 Uhr früh, entnommen
und um 12 Uhr die Aussaat beendet war, zeigte sich ganz enorm verunreinigt. Die
Platten waren so dicht mit Colonien besetzt, dass selbst im Quadratcentimeter (auch
von Platte No. 3 mit Vs ccm Wasser = 10 Tropfen) eine Zahlung weder mit blossem
Auge noch mit der Loupe möglich war. Nach ungefährer Schätzung enthielt der
Quadratcentimeter viele Hunderte, so dass mindestens mehrere Hunderttausend Keime
auf 1 ocm des Wassers gerechnet werden mussten. Da ferner wegen der Dichtheit
der Colonien die Bestimmung der einzelnen Arten der Mikroorganismen unmöglich
war, so wurden am 1. März aus einer neuen Probe, ca. 2 Stunden nach der Ent¬
nahme, abermals 3 Platten angesetzt. Die Zählung ergab zwar ein bedeutend
günstigeres Resultat, indess immerhin noch ca. 8000 Keime auf den Cubikcenti¬
meter Wasser. Auch hier überwogen, wie in No. 2, bei Weitem die nicht verflüssi¬
genden Colonien.
Die Untersuchung der Proben aus dem Garnison-Lazareth (No. 4) hatten gleich¬
falls ein verschiedenes Ergebniss. In einer am 17. Februar, 11 Uhr früh, ent¬
nommenen, wenige Minuten später ausgesäten Probe wurden im Cubikcentimeter
nur 36 entwickelungsfähige Keime gefunden, während eine Probe vom 26. Februar
(lOVsUhr entnommen und 11 Uhr ausgesät) ca. 7400 im Cubikcentimeter aufwies.
Was die Mikroorganismen selbst betrifft, so bestanden die nicht verflüssigenden
Colonien in allen Proben hauptsächlich aus mehreren Kokken-Arten, und nur in der
2. Probe von No. 3 und in der 1. Probe aus dem Lazareth wurden unter denselben
2 Bacillenarten gefunden: eine ganz feine, gerade und eine etwas dickere, gerade
Form, beide mit lebhafter Eigenbewegung. Unter den verflüssigenden Colonien fanden
sich neben der grünlich gefärbten, welche, ausser in No. 1, in allen Proben vorkam,
noch 2 Arten, die keine Farbstoffbildung erkennen Hessen und sich nur durch die
Anordnung ihrer Elemente bei schwacher Vergrösserung von einander unterschieden.
Die chromogenen Colonien bestanden aus einem kurzen, dicken, lebhaft beweglichen
Bacillus, der sich bei seinem Wachsthum in den Platten-Colonien und in Rein-
culturen im Reagenzglas genau so verhielt, wie der im Wandsbecker Brunnenwasser
gefundene, und daher mit demselben identisch sein dürfte. Die beiden übrigen Arten
von verflüssigenden Colonien erwiesen sich ebenfalls als von beweglichen Bacillen
zweier Formen gebildet, deren eine in Reinculturen eigenthümlich lange, mehrfach
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11
gewundene Scheinfäden bildete. Verflüssigende Mikrokokken konnten in keiner
Probe nachgewiesen Werden, ebensowenig mir bekannte pathogene Mikroorganismen.
Dieses Resultat war in mehrfacher Beziehung aber raschend und gab
zu folgenden Bemerkungen Veranlassung:
Zunächst fiel die grosse Verschiedenheit in dem Zahlenverhältnisse
der entwicklungsfähigen Keime bezw. der Grad der Verunreinigung der
einzelnen Wasserproben auf, welche sich bei der gemeinsamen Quelle der
letzteren nur durch locale Verhältnisse erklären liess. Denn eine zu¬
fällige, künstliche Verunreinigung der sterilisirten Gefässe u. 8. w. bei
der Entnahme der Wasserproben wurde wohl, da dieselben einer gleich-
massigen weiteren Behandlung unterlegen hatten, kaum solche Differenzen
ergeben haben, wie bei Probe No. 3:1 und 2, oder No. 3 und No. 1 bezw.
No. 4, Probe 1.
Wahrscheinlich werden sich in den engsten Ausflussrohren, an den
Knickungsstellen oder den Hähnen Ansammlungen von organischen
Massen bilden, welche entweder einen besonders günstigen Nährboden
für die Mikrobien, oder aber directe Herde oder Niederschläge der
letzteren selbst darstellen. Ferner spielt gewiss der Grad der Be¬
nutzung der betreffenden Röhrensysteme hierbei eine wichtige Rolle;
so zwar, dass stark benutzte einen geringen, wenig benutzte einen
grossen Reichthum an Organismen bezw. eine hochgradige Verunreinigung
des betreffenden Wassers in einem Hause oder Stockwerk ergeben
werden. Endlich dürften die Temperaturverhältnisse in dem Abschnitt
eines Rohrensystems das Ihre zu dem Eintritt derartiger Missverhältnisse
verschiedener Wasserproben beitragen. Liegen beispielsweise die
Rohren derartig, dass sie durch mehrere Stockwerke hindurch an den
Schornsteinen oder aber an den Küchenwänden entlang laufen, so
würde die Temperatur des Wassers unter Umständen, besonders im
Sommer, an diesen Stellen etliche 20 Grad betragen können und die
Entwickelung der organischen Keime also eine ganz enorm reichliche
sein. Umgekehrt, wenn die Durchschnittstemperaturen eines Röhren¬
systems im Jahre niedrige sind.
Das Gesammturtheil über die Qualität des untersuchten Wasser-
leitongswassers lautete nach alledem sehr günstig; denn die Proben
No. 1 und No. 4(1) hatten sogar eine dem destillirten Wasser des
Laboratoriums in bacterioskopischem Sinne nahestehende
Reinheit bezw. Keimfreiheit ergeben.
Neuere chemische Untersuchungen des betreffenden Wassers, welche
zu einer directen Vergleichung mit obigem Resultat Gelegenheit geboten
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12
hätten, lagen nicht vor. Die letzte bezügliche Untersuchung fand am
26. August 1884 statt und hatte ein durchaus unbefriedigendes, von
dem bacterioskopischen ganz abweichendes Brgebniss. Wenn auch von
Nitroverbindungen in dem Wasser nichts gefunden wurde, so war doch
die Menge der organischen Stoffe keine besonders geringe; der Chlor¬
gehalt sogar ein sehr hoher (9,25 bezw. 8,25 auf 100 000 Theile
Wasser).
Demnach wurde seitens der Station bezüglich der Benutzung des
fraglichen Leitungswassers als Trinkwasser (in unfiltrirtem oder unge¬
kochtem Zustande) nur auf folgende Punkte hingewiesen: 1) dass von
behördlicher Seite auf möglichste Reinhaltung bezw. obligatorische,
periodische Reinigung der Leitungsröhren, besonders der mit
engerem Querschnitt, also speciell der in den Hausern selbst befindlichen
Röhrensysteme, Bedacht zu nehmen sei; 2) dass es als nächstliegende
hygienische Regel zu gelten habe, das Wasser bei völlig geöffnetem
Hahn erst einige (mindestens 10—15) Minuten laufen zu lassen, ehe
man davon geniesse, weil hierdurch wenigstens einige Sicherheit
gegeben werde, etwaige Niederschläge oder Ansammlungen organischer
Stoffe an den Hähnen und in den Ausflussrohren vorher wegzu¬
schwemmen. 3) In Erwägung des Umstandes, dass die Altonaer
Wasserleitung aus der Elbe dicht unterhalb Blankenese's gespeist werde,
sei es bei dem Herrschen von Epidemien in der Garnison Hamburg-
Altona, speciell der Cholera, absolut nothwendig, das Wasser
vor dem Genuss zu kochen. Dieses gelte alsdann auch für alle
Gebrauchswässer überhaupt. Eis sei diese Vorsicht aber ganz
besonders am Platze, wenn die Cholera zuerst in Blankenese
selbst auftrete, weil die Infection des Elbwassers bei der Lage und
Bauart dieser Stadt (dicht an dem steil ansteigenden rechten Elbufer)
fast unvermeidlich erscheine. (Die Abwässer vieler Rinnsteine, ja selbst
verschiedener Senkgruben bei Regengüssen, gelangen, wovon ich mich
wiederholt überzeugt habe, direct in die Elbe.)
Wenn sich nun auch die Filtervorrichtungen an der Pumpstation der
Wasserleitung, wie die Untersuchung gelehrt, früher als vollkommen
leistungsfähig erwiesen hätten, so wäre doch immerhin zu befurchten,
dass der Cholerakeim bei seiner ausserordentlichen Kleinheit und lebhaften
Eigenbewegung die Poren der Filter mit der Zeit durchdringen und die
Infection also auch in die Stadt Altona und somit auch in die
Kasernen und das Garnison-Lazareth übertragen könnte. —
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13
Ueber die Altonaer Wasserwerke selbst seien an dieser Stelle noch
einige Worte im Besonderen hinzugefugt.*)
Die eigenthdmlicben Grenz- nnd Terrain - Verhältnisse Altona’s
batten es bedingt, dass die Wasserversorgung, dem allgemeinen Grund¬
sätze zuwider, nicht von oberhalb, sondern von unterhalb der Stadt
her erfolgen musste; die betreffenden baulichen Anlagen kamen daher
11 Kilometer westlich von Altona, und zwar dicht unterhalb der oben
genannten kleinen Stadt Blankenese, zur Ausführung. — Das Wasser
gelangt aus der Elbe durch zwei 55 Meter von der Hochwasserlinie ent¬
fernt liegende Saugkasten in zwei je 530 mm weiten Sangröhren in
die Maschinenhäuser, welche dicht am rechten Elbufer liegen. Von hier
wird dasselbe durch Pumpwerke (WoolfTscbe Maschinen) in zwei je
460 mm weiten, Steigeröhren nach dem 91,8 m hohen Baursberg em¬
porgehoben und f)ie88t zunächst in ein mittleres Einlassbassin. Von
diesem gelangt es durch eine Mauer mit hohlen Stossfugen in zwei zu
beiden Seiten gelegene Ablagerungsbassins, woselbst es durch ruhiges
Stehen einen grossen Theil der mechanischen Beimengungen zu Boden
sinken lässt, während die gröbsten Unreinigkeiten in den Einlass- und
Vorbassins bleiben. Das abgelagerte Wasser flieset von den Ablagerungs¬
in acht tiefer liegende Filtrirbassins, in welchen es durch eine starke
Sand- und Kiesschicht durchsickert und dabei alle mechanisch beige¬
mengten Theile oberhalb des Filtrirmaterials zurücklässt. Aus den
Sammelcanälen im Boden dieser Filter geht das nun krystallklare
Wasser in das mitten innerhalb der Filter liegende, bedeckte Rein-
Wasser-Reservoir, welches 3500 Cubikmeter fasst und ca. 52 m oberhalb
des höchsten Punktes Altonas, des Bahnhofsplatzes, liegt. Von hier ge¬
langt das Wasser in zwei je 410 mm weiten Haupt-Speiseleitungen zur
Stadt, in welcher die weitere Vertheilung desselben nach dem Circu-
lationssystem erfolgt. —
Die Bassins liegen in zwei verschiedenen Höhenlagen terrassen¬
förmig übereinander, so dass der tiefste Wasserstand in den oberen,
den Ablagerungsbassins, gleich dem höchsten in den niederen, den
Filtern, ist, und demnach alles in die oberen Bassins gepumpte Wasser
in die unteren abfliessen kann.
Es sind vorhanden 4 Filter zu 818 qm 3 zu 828 qm, und
1 zu 1080 qm, zusammen: 6836 qm, Sandoberfläche. Die Con-
struction der Filter ist durchweg die gleiche, und zwar folgender Art:
*) Di® nachfolgenden Daten verdanke ich dem Director der Altonaer Wasser¬
werke, Herrn Ingenieur Kümmel.
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— 14 —
Id dem horizontalen Boden liegt ein 380 mm vertiefter, 800 mm
breiter and hoher Mittelcanal und auf dem Boden, senkrecht gegen
diesen, 14 mit hohlen Stossfugen gemauerte, 300 mm breite, 230 mm
hohe Quercanäle, welche wie der Mittelcansl mit Sandsteinplatten ab«
gedeckt sind. Der zwischen diesen Canälen verbleibende Raum ist mit
Quarz- und Granitgesteinen, sog. Findlingen, von 150 bis 200 mm Durch¬
messer ausgelegt und darüber das Filtermaterial, Ries und Sand,
welches vorher mit reinem Wasser gewaschen wird, eingebracht, so dass
der Filter, von oben nach unten gerechnet, enthalt:
rein gesiebten scharfen Sand. 920 mm
Kies von Erbsengrosse.75 „
„ „ Bohnengrosse.75 „
„ „ Haselnussgrosse ....... 80 „
„ „ Wallnu8BgrÖ88e.150 „
Kiesel bis Faustgrösse ........ 220 „
Kanäle und grosse Steine. 300 „
Summa 1820 mm.
Ueber diesem Filtermaterial ist noch eine Wasserhöhe von 1230 mm,
dessen höchster Stand 300 mm unter dem Rande des Bassins ist.
Die 8 Filter reinigten an dem Tage der grössten Abgabe: 13 486 cbm,
also der Quadratmeter pro Stunde 41,7 Liter. — Durchschnittlich betrug
die Tagesleistung pro Kopf der 107 000 Einwohner 84,35 Liter; im
Maximum pro Tag 126,0, im Minimum 61,0 Liter.
Die Versorgung erfolgt continuirlich und direct, d. h. ohne die in
Hamburg vorgescbriebenen, aber durchaus verwerflichen, Hausreservoirs.
Die Abgabe ist für Trink- und Gebrauchswasser einheitlich, theils unter
Controle von Wassermessern, theils ä discretion. —
Der Monat April war im Wesentlichen der Untersuchung des Trink¬
wassers in der Kaserne des Infanterie-Regiments No. 76 in
Hamburg gewidmet.
Im Kasernenhofe befinden sich 2 Pumpbrunnen, von denen einer,
an der Südostfront, dem 1., der andere, an der Sud Westfront der Kaserne,
dem 2. Bataillon zugehört Beide Brunnen waren im vorigen Jahre
einer gründlichen Reinigung und Renovirung unterworfen gewesen. Das
Wasser zeichnete sich von jeher durch aussergewöhnliche Frische und
einen, so zu sagen „kräftigen“ Geschmack aus, so dass dasselbe nicht
bloss von den im Casino essenden unverheirateten Offizieren bei Tisch
reichlich genossen, sondern auch von sämmtlichen Offizierfamilien für den
Bedarf des Hauses entnommen wird. Hervorgehoben mag noch sein,
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dass das Regiment bisher von ernsteren Krankheiten der Verdauungs¬
organe, specieU typhöser Natur, verschont geblieben ist, and dass letstere
nur gans vereinzelt im Lauf der Jahre aafgetreten and dann stets
von aussen (Manöver, Urlaub und dergl.) eingesehleppt worden sind«
Hiermit übereinstimmend hat die bacterioskopische Untersuchung
auch eine ganz besondere Reinheit des Wassers beider Brunnen
ergeben. Es wurden bei der wiederholten Feststellung der entwickelungs-
fahigen Keime, welche sich aaf zahlreiche, innerhalb 4—5 Wochen ent¬
nommene Proben erstreckte, dauernd ganz niedrige Zahlen gefunden,
und zwar durchschnittlich etwa 10—50 im Cnbikcentimeter. Allerdings war
dies nur dann der Fall, wenn vor der Entnahme der Probe der be¬
treffende Brunnen jedesmal einige Minuten abgepumpt worden war.
Auf diesen Umstand wurde daher auch hinsichtlich des Gebrauchs des
Wassers als Trinkwasser stets nachdrücklich hingewiesen und die Mann¬
schaften entsprechend belehrt
Bei den gefundenen Mikroorganismen handelte es sich im Wesent¬
lichen um zwei die Gelatine verflüssigende Bacillenarten und eine eben¬
solche, kleine Mikrococcusart. Von den Bacillen bildete die eine Art
wiederum jene, bereits wiederholt erwähnten, hellgelbgrunen Colonien,
während die andere die gewöhnliche graugelbliche Färbung der Colonien
zeigte.
Die nicht verflüssigenden Colonien bestanden lediglich aus Mikro¬
kokken zweier Arten.
Auch die früheren und diesjährigen Resultate der chemischen Unter¬
suchung des betreffenden Brunnenwassers ergaben ausnahmslos einen
verhältnissmäs8ig niedrigen Gehalt an organischen Substanzen und
Stickstoffverbindungen.
Bei den im Juli und August dieses Jahres vorgenommenen Ana¬
lysen wurden beispielsweise folgende Zahlen ermittelt:
Brunnen des 1. Bataillons. Brunnen des 2. Bataillons.
•
Juli. August
Juli. August
Organische Substanz 7,0 — 9,9 1
Mittel.
8,4
5,4 —6,15]
Mittel.
5,77
N, O» . . .
. . 12,2 —14,5
13,3
7,3 —7,63
7,44
H, O,. . .
. . 0—0
0
0-0
0
NH, . .
. . . 0—0
0
0-0
0
CI ... ,
, . . 10,65— 8,87
9,80
3,55—3,90
3,72
Den Schluss der im dienstlichen Interesse in dem genannten Zeit¬
raum vorgenommenen bacterioskopischen Arbeiten bildete die noch-
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malige Untersuchung des Wandsbecker Brunnenwassers. —
In Folge Befehls des Herrn Corps - Generalarztes vom 26. April ge¬
langten seitens des Regimentsarztes des Husaren-Regiments No. 15 am
5. Mai zwei Wasserproben ans dem mittlerweile gereinigten und re-
parirten Brunnen der 2. Eskadron genannten Trnppentheils an den Be¬
richterstatter, um durch die erneute Untersuchung festzustellen, ob das
betreffende Wasser nunmehr dem Gebrauche wieder ubergeben werden
konnte.
Um jede fremde Beimengung oder Verunreinigung von aussen zu vermeiden,
waren von der Station aus zwei sterilisirte Flaschen mit entsprechendem Verschluss und
unter Beifügung einer Anweisung für die zweckentsprechendste Entnahme des frag¬
lichen Wassers nach Wandsbeck geschickt worden.
Das in diesen Flaschen befindliche Wasser war am 5. Mai, früh 8 Uhr, ent¬
nommen und wurde bereits um 11 Uhr Vormittags auf der Station abgegeben. Die
unmittelbar darauf in Angriff genommene Untersuchung hatte ein wesentlich anderes
Ergebniss, als die erste bezw. die im Garnison-Lazareth I zu Berlin ansgeführte.
Es wurden nämlich am 3. Tage in den betreffenden Nähr-Gelatineplatten rund 1000
entwickelnngsfähige Keime in 1 ccm der beiden Wasserproben gezählt.
Die Colonien selbst bestanden, wie bei den früheren Untersuchungen, hauptsächlich
aus jenem, die Gelatine langsam, unter gleichzeitiger Gelbgrünfärbung, verflüssigen¬
den, kurzen, dicken, beweglichen Bacillus. Alle übrigen Colonien verflüssigten den
Nährboden nicht und Hessen vier verschiedene Bacillen- und nur eine, sehr kleine
Coccu8art erkennen. Pathogene Organismen wurden auch diesmal nicht nachgewiesen.
Nach diesem Befunde batte das fragliche Brunnenwasser durch die
vorgenommene Reinigung und Reparatur des Brunnenkessels u. s. w.
eine sehr erhebliche Besserung erfahren. Denn noch Gaffky hatte
in dem Wasser der einen ihm übergebenen Flasche in 1 ccm ca. 120 000,
in dem der anderen Flasche in 1 ccm sogar 150000 entwickelungsfähige
Reime gefunden I Hierbei durfte allerdings nicht übersehen werden, dass
diese Proben nicht in sterilisirten, sondern nur in den auf gewöhnliche
Weise gereinigten Flaschen nach Berlin gelangt und 3 Tage unterwegs
gewesen waren, ehe sie der Untersuchung unterworfen werden konnten.
Indess war die Differenz der in dem Wasser gefundenen Keime zwischen
damals und jetzt denn doch eine so grosse, dass der Wiederbenutzung
des betreffenden Brunnens keine weiteren begründeten sanitären Bedenken
mehr entgegenstanden. Seither sind denn auch keine neuen Klagen über
den betreffenden Brunnen von der Garnison Wandsbeck aus laut geworden.
Der Vollständigkeit'wegen lasse ich übrigens auch das Resultat einer erneuten
chemischen Untersuchung des Wassers nach der Reinigung des fraglichen Bronnens
folgen. Dasselbe datirt vom 24. März, stimmt jedoch mit dem letzten bacterio-
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skopischen Befunde nur wenig überein. Es waren enthalten in 100000 Theilen
Wasser:
Organische Substanz.. 8,3
N 2 0 6 .. 12,0
N* Os.geringe Spuren
NHs . .. Spuren
CI.. 14,5
Gesammthärte.. . 22,7
Permanente Härte.19,9.
Hiernach wurde also bei den organischen Substanzen nur eine sehr geringe,
bei dem Salpetersäuregehalt des Wassers dagegen eine Abnahme um etwa die Hälfte
der im December v. J. gefundenen Menge constatirt. Die gefundenen bezüglichen
Zahlen waren indess für ein Trinkwasser immer noch so hohe, besonders der Chlor¬
gehalt, dass der Chemiker von seinem Standpunkte aus berechtigt gewesen wäre,
dasselbe kurzweg zu verwerfen. —
Indem ich nunmehr auf die Reihe der hauptsächlich der eigenen Beleh¬
rung dienenden bacterioskopischen Arbeiten übergehe, so sei vorausgeschickt,
dass dieselben die mannigfachsten Gebiete berührten. Die wichtigeren,
welche der Erwähnung werth sind, bezogen sich auf verschiedene
Wasserarten, auf Zimmerluft, Staubmassen und endlich
mancherlei klinische Objecte.
Aus der Zahl der gelegentlichen Wasseruntersuchungen verdient nur
die eine ihrer praktischen Consequenzen wegen besonders hervorgehoben
zu werden.
Das betreffende Object stammte aus dem Brunnen einer Gastwirthschaft dicht
am Schiessplatze des 76. Regiments in Eppendorf bei Hamburg, and war anf Grund
früherer chemischer Untersuchungen im Lazareth Altona wegen sehr hohen Gehaltes
an organischen Substanzen vom Gebrauch für die Mannschaften ausgeschlossen worden.
Der Bronnen sollte nenerdings gereinigt und renovirt sein. Die fraglichen Wasser¬
proben worden noch am Tage der Entnahme für die Ermittelung der in ihnen ent¬
haltenen entwickelnngsfahigen Keime hergerichtet. Das Ergebniss war, dass der Cubik-
centimeter des Wassers ca. 400 derartiger Keime beherbergte. Es überwogen unter den
Colonien in den Gelatineplatten bei Weitem die Schimmelpilze (eine Penicillium-, eine
Mncor-Art), und von Bacterien waren nur ganz vereinzelte Colonien vorhanden, nämlich
2 Bacillenformen und ein grosser Mikrococcus. Unter den Bacillen befand sich
abermals der bekannte grünfärbende, verflüssigende und ein feiner, gerader, nicht
verflüssigender Bacillus, dessen Colonien eine lebhafte hellgelbe Farbe zeigten. Auch
der Coccos verflüssigte den Nährboden nicht.
Das betreffende Wasser war hiernach freilich kein besonders reines, indessen
Hess sich durch Filtration der grösste Theil der (meistens snspendirten) organischen
Beimengungen beseitigen. Da nun — abgesehen von den Schimmelpilzen — der
Gehalt an Bacterien ein verhältnissmässig geringer war, und keine der gefundenen
Mikrobien zu den pathogenen gehörte, so liess sich vom bacterioskopischen Stand¬
punkte aus gegen den Genuss des (flltrirten) Wassers nichts Ernstliches einwenden.
Und so wurde der Brunnen wieder zum Gebrauch zugelassen, ohne dass der Genuss
«eines Wassers seither von üblen Folgen gewesen wäre.
*)
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Die übrigen Wasserontersucbungen, welche alle möglichen Wasser-
arten umfassten, wie Hamburger Leitungsw&sser, Elbwasser, Wasser aus
mehreren Privatbrunnen u. s. w., ergaben naturgemäss oft recht ver¬
schiedene Resultate bezüglich der Zahl der entwickelungsfähigen Keime,
glichen indess im Grossen und Ganzen einander auffallend. Charak¬
teristisch war für alle, dass unter den Gelatineplätten-Colonien sich stets
der oft genannte grünfärbende Bacillus fand, wenn anch mitunter
nur in 2 oder 3 Exemplaren.
Was die Luftuntersuchungen betrifft, so fand die Mehrzahl der¬
selben im Januar und Februar statt und beschränkte sich im Wesent¬
lichen auf verschiedene Zimmer des Garnison-Lazareths.
Dasselbe stellt ein in den beiden Hauptfronten nach Süden und Norden
orientirtes, mit zwei Seitenflügeln versehenes, zweistöckiges Gebäude nebst
Erdgeschoss für 212 Betten dar. Die Krankenzimmer (4,70 m hoch)
liegen nach Osten, Süden und Westen. Der Hauptcorridor, an der
Hinterfront des Gebäudes gelegen, ist 3,30 m breit. Im ersten Stock
ist die äussere und combinirte, im zweiten die innere Station unter gebracht.
Innerhalb des Jahres findet ein Wechsel der Stationen statt, und zwar
so, dass eine in Benutzung gewesene Zimmerreihe mehrere Wochen hin¬
durch behufs Reinigung und Lüftung bezw. Desinfection leer stehen bleibt.
Das Lazareth besitzt (auch auf don Corridoren) Warmwasserheizung und
vorzügliche VentilationsVorrichtungen (Ventilator nach van Hecke’schem,
von Jobs. Haag, Augsburg, verbessertem System). Die Fenster der
Corridore und grundsätzlich des Wachsaals der inneren Station sind, auch
im Winter, mehrere Stunden des Tages geöffnet.
Es galt vor Allem der Frage, ob in dem Wachsaal der inneren
Station, oder auf der chirurgischen Station pathogene Mikroorganismen
in der Luft vorhanden seien. Zu diesem Zwecke wurde zuerst am 8.,
20. und 26. Januar, und später am 5., 10. und 18. Februar, jedesmal in
den Stunden zwischen^10 bis 1 Uhr, eine Anzahl Platten mit je 10 ccm
Gelatine, je l 1 /* Stunden lang der Luft verschiedener Krankenzimmer ex-
ponirt. Eine Stunde vorher waren die Fenster geschlossen und ange¬
ordnet worden, dass die nicht bettlägerigen Kranken sich während der ganzen
Zeit bis zur Fortnahme der Platten möglichst ruhig zu verhalten hätten.
Die Platten wurden an verschiedenen Stellen innerhalb der betreffenden
Zimmer (am Fenster, in der Mitte des Zimmers, zwischen den Betten an
den Wänden u. s. w.) auf Krankentischen niedergelegt.
Die Befunde der Gelatineplatten, von denen eine Anzahl zur Ent¬
wickelung etwa vorhandener anaerobiotischer Mikroorganismen mit
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Glimmerblättchen bedeckt worden, waren merkwürdigerweise recht gleich-
massige hinsichtlich der Arten und Formen der entstandenen Colonien.
Der wesentlichste Unterschied bezog sich nnr auf die Quantität, nicht
auf die Qualität der Organismen. Die zahlreichsten Colonien entwickelten
sich, wie von vornherein zu erwarten war, aus der Luft des Wach¬
saals der inneren Station.
In der am dichtesten besetzten Platte betrug die Zahl der entwickelten
Keime ca. 3000. Andere Zimmer, und zwar die kleinen 2 - 6männigen,
batten indess merkwürdigerweise kein wesentlich günstigeres Resultat
Es schwankte die Zahl der in den betreffenden Platten entwickelten Colonien
zwischen 1000 und 1500. Unter den von der äusseren Station gewonnenen
Platten herrschte verhältnissmässig eine grossere numerische Ueberein-
stimmung, doch war die Reinheit der Luft keine nennenswert!) bessere, als
auf der inneren Station. Die Zahl der Platten-Colonien betrug vielmehr
durchschnittlich 1200. In einer Platte aus einem, seit mehreren Wochen leer
stehenden Zimmer wurden ca. 800 Colonien gezählt, darunter vorwiegend
verflüssigende. Aus Mangel an einem Hesse’scben Aspirationsapparat*)
konnte leider diese interessante Frage nicht exact gelost werden. — Die
Mikroorganismen selbst anlangend, so überwogen, mit Uebergehung der
den Aspergillus-, Penicillium- und Mucor-Arten angebörigen Pilze, bei
Weitem die Mikrokokken. Indess auch ihre Formen oder Arten waren
nur beschränkt an Zahl. Mit Sicherheit Hessen sich etwa fünf verschiedene
Formen unterscheiden: Zwei grosse, ovoidc, welche den Hefe- oder Sar-
cine-Arten anzugehören schienen; zwei grössere, runde und eine sehr kleine
Kokkenart, welche gewöhnlich zu Gruppen von 2—4 Einzelindividuen
suaammengelagert erschien. Von Bacillen wurden drei Arten gefunden:
1) Ein langer, gerader, schlanker Bacillus mit lebhafter Eigenbewegung,
welcher die Gelatine ziemlich rasch ohne FarbstofTbildung verflüssigte;
2) ein kleinerer, ziemlich plumper, beweglicher, nicht verflüssigender, dessen
Colonien ein unregelmässig begrenztes, blattförmiges Aussehen hatten, und
3) ein kurzer, sehr schmaler, gerader und beweglicher Bacillus, dessen
Colonien ebenfalls keine Verflüssigung des Nährbodens zeigten, und von
schöner, hellgelber Farbe waren. Von pathogenen Mikrobien konnte da¬
gegen mit Sicherheit keine Art ermittelt werden. Sehr zahlreich, wie
in der Regel, waren, nebenbei bemerkt, die aus der Luft des Mikroskopir-
simmers hervorgegangenen Arten von Mikroorganismen, unter denen
*) Ueber quantitative Bestimmung der in der Luft enthaltenen Mikroorganismen.
Mittheilnngen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, Band I, 1881, Seite 32.
2 *
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besonders sehr schöne Exemplare von Rosa-Hefe und orangefarbiger Sar-
cine zu erwähnen sind.
Erfolgreicher war scheinbar das Resultat der Untersuchung von
Stanbproben ans den Krankenzimmern der „inneren and äusseren
Station“.
Im Laufe der letzten Jahre waren zu verschiedenen Zeiten ganz
plötzlich Erkrankungen an Erysipel bei einzelnen, an anderen
Krankheiten im Lazareth befindlichen Kranken aufgetreten.
Die meisten derartigen Autoinfectionen fielen auf die im östlichen Flügel
des Lazareths gelegene Eckstabe No. 60 der chirurgischen Station, in
welcher im Ganzen 3 Mann erkrankten. Es folgten das daranstossende
Isolirzimraer No. 59 und die gegenüberliegende fünfmännige Stube No. 58,
so wie No. 69 mit je einem Fall. Auch in einzelnen Staben (welche
Nummern, ist nicht mehr bestimmt zu ermitteln gewesen) des 2. Stock¬
werkes, woselbst, wie gesagt, die innere Station untergebracfht ist, waren
bezügliche Erkrankungen beobachtet worden.
Nachdem die Luftuntersucbungen negativ ausgefallen waren, lenkte
sich meine Aufmerksamkeit auf den Staub in den Dielenritzen und vor
Allem auf die selbst bei der grössten Reinlichkeit unvermeidlichen Staub¬
ansammlungen in den Ventilationsschächten.
Im Frühjahr 1880 war nämlich auf No. 60 in dem Bett dicht vor
der Oeffnung des einen Schachtes der an eitriger Kniegelenk¬
entzündung darniederliegende, später am linken Oberschenkel amputirte
Musketier Reitz, 31. Regts., an schwerem Kopferysipel erkrankt. Es folgten
die Musketiere Böttger, Regts. 76, und der Pionier Kristensen, welche
zwar nicht unmittelbar an dem Luftschacht selbst, aber doch nicht weit
entfernt davon inficirt worden waren. Sollte nicht möglicherweise in diesen
Staubablagerungen der Keim des Erysipels zu finden sein? So weit mir be¬
kannt, waren bisher nur der Bacillus des malignen Oedems (Pasteur,
Koch)*) und eine Bacillenart, welche bei Kaninchen, Mäusen und Meer*
schweinchen tödtlichen Tetanus hervorrief, in Bodenmassen gefunden
worden (Nicol aier).**) Die directe Cultivirung obligat - parasitischer
Bacterien aus dem Boden bedarf aber gar in der Regel des Umwegs durch
die Infectionsmetbode, „uro ein möglichst reines Ausgangsmaterial für
Blutserum-Culturen zu gewinnen“ (Hüppe)***). Die Aussichten, mittelst
*) Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, Band I, Seite 56.
**) Ueber infectiösen Tetanus, Deutsche medicinische Wochenschrift 1884,
No. 52.
***) Die Methoden der Bacterienforschung, Seite 162.
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de« einfachen Gelatine verfahrene Etwas zu finden, waren also sehr ge¬
ringe. Und in der That hatten zahlreiche Aassaaten von Staob aas
Dielenritzen and verdächtigen Laftscbäcbten anf Gelatineplatten keinen
Erfolg, so dass ich schon nabe daran war, das Vergebliche meiner Be¬
mühungen einzusehen, als ich im April bei Revision einer Platte aas Luft¬
schacht, Stabe 60, nicht verflüssigende Colonien bemerkte, welche mir
von den übrigen in der Form and Farbe, wohl aach der Körnung bei
schwacher Vergrosserung abzuweichen schienen. Fuchsinpräparate er¬
gaben bei der mikroskopischen Durchsicht einen ziemlich grosskörnigen
exquisiten Kettencoccns. In Präparaten aus dem hängenden Tropfen
and aas Reincaltaren im Gelatineröhrchen fand sich dasselbe charakte¬
ristische Bild. Die weiteren Beobachtungen der Reincaltaren in der 2.
and 3. Generation, auch auf Agar-Agar, stimmten mit den Angaben der
Autoren, Fehleisen’s, Koch’s, Rosenbach’s o. A., so genau überein,
dass ich unter Berücksichtigung der vorgekommenen Infectionen geneigt
war, den Organismus thatsächlich für den Mikrococcus des Erysipels zu
halten. Indess widersprach dieser Annahme allerdings die Grösse der
einzelnen Kokken, sowie das verhältnismässig schnelle Wachsthum der
Colonien, welche schon nach wenigen Tagen ihre grösste Entwickelung
erlangt hatten. Ich habe es damals leider im Drange der Arbeiten unter¬
lassen, Präparate zu conserviren und nebst Reinculturen des Organismus
nach Berlin zu schicken, um mir an competenter Stelle eine Entscheidung
ober den Fund zu erbitten.
Nach diesen Ermittelungen wurde seitens desLazareths die Reinigung
und Desinfection von 12 Zimmern nebst Ventilationsschächten, unter
denen natürlich die an den Erysipelerkrankungen betheiligten Stuben oben¬
an standen, angeordoet. Die Desinfection der Schächte geschah beiläufig
in der Weise, dass dieselben zuerst nach Art der Schornsteine mittelst
aus groben Lappen bergestellten, durch Gewichte beschwerten grossen
Kugeln oder Ballen von oben her abgeecbeuert wurden. Alsdann wurden
5 Tage lang, bei geschlossenen Ventilationsklappen, Cblordämpfe (Chlor¬
kalk und Salzsäure) in den Schächten entwickelt; in den letzten 3 Tagen
mit täglich zweistündiger Ventilation bei geöffneten Klappen. Im Ganzen
wurden für die 12 Zimmer nebst Ventilationscanälen 12 Kilo Chlorkalk
und 10 Kilo Salzsäure verbraucht. Neuerkrankungen an Erysipel sind
seitdem im Lazareth nicht mehr vorgekommen.
Was die auf klinische Gegenstände bezüglichen Untersuchungen be¬
trifft, so wurden zunächst seitens der äusseren Station verschiedener Eit er¬
proben, deren ätiologische Natur zweifelhaft war, der bacterio-
skopischen Station übergeben.
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Meist handelte es sich um Eiterungen von Sehnenscheiden, Absoe-
dirungen von Lymphdrusen, um Senkungsabscesse und ähnliche chronische
Eiterungsprocesse, bei welchen der Verdacht eines tuberkulösen Grund¬
leidens vorlag. Indess weder bei der directen mikroskopischen Unter¬
suchung von Deckglas-Trockenpräparaten, noch bei Culturversuchen iu
Fleischbrühe und auf Agar-Agar (Blutserum stand, wie gesagt, nicht zur
Verfügung) gelang der Nachweis des Tuberkelbacillus. Es gingen zwar auf
den Agarplatten und im Impfstich im Reagenzglase gewöhnlich Colonien
bezw. Culturen von meist hellgraugelber oder bräunlicher, resp. weissgrauer
Farbe auf, welche sich jedoch aus zwei verschiedenen Kokkenarten bestehend
erwiesen. Am häufigsten war nur die erstere Art allein vorhanden, mit¬
unter auch beide zusammen. Sie glichen in ihrem mikroskopischen und
biologischen Verhalten im Ganzen den als Streptococcus pyogenes und
Staphylococcus pyogenes albus von Rosenbach*) beschriebenen Eiter¬
mikrobien. Interessant hinsichtlich des Verlaufs und bacterioskopischen
Befundes ist ein Fall von Phlegmone der rechten Gesichts¬
und Halsseite.
Der Musketier Meyer IV. der 1. Compagnie Regiments 76 erkrankte am
22. November 1884 mit einer Anschwellung der rechten Unterlippenhälfte, die sich
unter lebhafter Röthung der Haut am 24. November bei der Aufnahme ins Lazareth
schon auf die rechte Wange, das Kinn und die Unterkinngegend verbreitet hatte.
Die Härte der Infiltration war bedeutend und nur aus einer kleinen, mit einem Schorf
bedeckten Hautöffnung an der Unterlippe, welche durch Einschnitt erweitert wurde,
entleerte sich auf Druck wenig dicker Eiter. Die anfangs geringe Temperatur¬
erhöhung steigerte sich in den nächsten Tagen bis 39,6, das Allgemeinbefinden wurde
schlecht und der Kranke klagte über Bruststiche rechts und Kurzlufitigkeit. Am
29. November liess sich ein pleuritisches Exsudat rechts hinten unten bis zum
Schulterblattwinkel constatiren. Gleichzeitig bildeten sich im Bereich der Infiltration
im Gesicht viele kleine Eiterherde, die theils spontan durchbrachen, theils durch
Incisionen (im Ganzen 9) geöffnet wurden. Am 8. December traten die Zeichen
einer trockenen Pleuritis linkerseits auf. Die Incisionsöffnungen entleerten (wie am
11. December notirt ist) theils guten Eiter, theils eine dünne, mehr jauchige Flüssig¬
keit. Am 16. December wurde die letzte Incision gemacht und es begann nunmehr
die Schwellung und Härte, welche sich bis zum rechten Ohre und über die rechte
Halsseite ansgebreitet hatte, abzunehmen. Vom 22. December an war Patient fieber¬
frei. Die Incisionen heilten jetzt rasch und waren am 28. December sämmtlich ver¬
narbt. Auch die pleuritischen Erscheinungen, die Dämpfung über der rechten Brust¬
hälfte und das Reiben links, nahmen ab und wurden weniger intensiv. Am 16. Januar
1885 konnte Patient mit einer noch fortbestehenden leichten Dämpfung rechts hinten
unten zur Beurlaubung aus dem Lazareth entlassen werden.
Die aus den Eiterproben aus der Tiefe verschiedener Incisionsöffnungen in
*) Mikroorganismen bei den Wund-Infections-Krankheiten des Menschen.
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Gelatineplatten entwickelten Colonien hatten durchweg die gleiche runde Form und
nahmen allmälig ein dunkelgelbes, bis orangefarbenes Aussehen an. Sie verflüssigten
den Nährboden langsam, ebenso die Umgebung des Impfstiches im Gelatineröhrchen.
Mikroskopisch bestanden dieselben aus einem Mikrococcus, dessen Individuen ent¬
weder einzeln, irregulär, oder aber haufenweise im Trockenpräparat gelagert erschienen.
Agar-Agar wurde nicht verflüssigt* Auch auf Kartofielschnitten gedieh der Coccus
gut. Hiernach war der Organismus mit dem Rosenbach’sehen Staphylococcus
pyogenes aureus und wahrscheinlich dem der Osteomyelids für identisch zu erachten.
Es ist zu bedauern, dass nicht auch von dem Pleuraexsudat Proben zur Unter*
suchung gelangen konnten: denn ich bin überzeugt, dass auch in diesem lediglich der
betreffende Coccus gefunden worden wäre.
Die Versuche, aus Typhusblut und Typhussiühlen den Typhus-
Bacillus zu züchten, waren von keinem Erfolge gewesen. Die Gelatine-
platten blieben im ersteren Falle meist steril; oder es entwickelten sich nur
vereinzelte Colonien, welche aus Mikrokokken bestanden, und wahr¬
scheinlich eine zufällige Verunreinigung darstellten. Im letzteren Falle
wurde die Gelatine bei schwacher Verdünnung auf den Platten von
Fäulnissbacillen entweder so rasch verflüssigt und durchwachsen, dass
eine Isolirung der zahlreichen Bacterienarten nicht gelang; oder aber es
gediehen bei den stärkeren Verdünnungen No. 2 und 3 in den Kothplatten
niemals Organismen, welche bei der weiteren Untersuchung mit dem
Typhusbacillus Aehnlichkeit gehabt hätten.
Somit musste gewartet werden, bis eine gelegentliche Section das nöthige
Material hergab. Indess auch dieses sollte leider nur sehr knapp zugemessen sein.
Denn als am 29. März der Musketier Schnacken berg, Regiments 31, der Krank¬
heit erlag — überhaupt der einzige Todesfall an Typhus im Winter 1884/85 —,
untersagte der Vater des Verstorbenen die Section nnd ich musste mich auf die
Entnahme der Milz beschränken. Das Organ wurde 31 Stunden nach dem Tode
dnreh einen ca. 20 cm langen Schnitt dicht oberhalb des Nabels mit aller Vorsicht
und mühsam genug herausgefordert. Darauf entnahm ich, unter genauer Beachtung
der von Gaffky*) angegebenen Cautelen, von den angelegten Schnittflächen der
Milz Partikelcben, welche sofort in verflüssigte Gelatine zur Herstellung von Platten
übertragen wurden. Eine Anzahl würfelförmiger Stückchen wurde behufs späterer
mikroskopischer Untersuchung aus der Milzsubstanz herausgeschnitten und in abso¬
luten Alkohol eingelegt. Schon in den gleichzeitig aus dem Milziuneren angefertigten
Deckglastrockenpräparaten fanden sich in ziemlicher Menge die Eberth-Koch’schen
Bacillen. Andere Mikrobien waren nicht vorhanden.
In den Geiatineplatten hatten sich zahlreich Colonien entwickelt, von denen
keine die Gelatine verflüssigte. Bei schwacher Vergrösserung fanden sich zwei
Formen, eine fast kreisrunde, gelbbräunlicbe, feinkörnige und eine grauweisse, gelappte,
blattförmig gestaltete, mit eigentümlichen Verzweigungen. Beide bestanden ans
Bacillen, von denen indess nur die eine, aus den runden, bräunlichen Colonien, bei
*) Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, Band II, Seite 386
und 387.
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24
der weiteren Untersuchung (Remculturen im Gelatineröhrchen und auf Kartoffel¬
scheiben) die von Gaffky (1. c.) detaillirt geschilderten Eigentümlichkeiten des
Typhusbacillus zeigte. Doch konnte ich am ungefärbten Präparate — ebenso wie
dieser Autor — keine Geisselfaden an den Bacillen auffinden.
In den Schnittpräparaten aus den in Alkohol gehärteten Milzstuckchen, welche
mit der starken alkalischen (Löffler’schen)*) Methylenblaulösung nach den Angaben
HG pp e’s**) behandeltwaren, fanden sich stets die Bacillen in der charakteristischen
nester- oder herdweisen Anordnung. Die Zahl derselben war so gross t dass
durchschnittlich der 5. bis. 6. von etwa 150 mit dem Doppelmesser ausgefuhrten
Schnitten, je nach der Grösse 2—5 solcher Nester enthielt Auch hier zeigte sich
die Eigentümlichkeit des Typhusbacillus, dass er, wie die Recurrensspirochäten, in
Schnittpräparaten sich schlecht färben lässt.
Neben den Untersuchungen der Typhusstühle fanden solche von
Darmentleerungen der verschiedensten Artstatt Hierunterstanden
die von Kranken mit acuten (mit oder ohne Erbrechen einhergehenden)
Magendarmcatarrhen herruhrenden obenan. Es ist mir indess in
keinem Falle gelungen, weder einen dem Koch’schen Cbolerabacillus,
noch einen dem Finkler-Prior’scben Bacillus in seinem mikroskopischen
und biologischen Verhalten ähnlichen oder gar gleichen Mikroorganismus
zu finden. Auch aus den, mehrere Tage lang in offenen Gefässen der
Fäulniss überlassenen, diarrhoischen Stuhlgängen liess sich niemals, was
ich besonders hervorhebe, ein mit dem vielbesprochenen Organismus der
zuletzt genannten Autoren (bekanntlich wurden im Reichsgesundheitsamt
aus den Finkler-Prior’scben sogenannten „Reinculturen“ ausser
diesem noch drei andere Mikrobien gezüchtet) identischer Bacillus isoliren.
Ob dies neuerdings von anderer Seite gelungen ist, habe ich nieht in
Erfahrung bringen können.
Iro Vorubergehen sei erwähnt, dass für die rasche Auffindung der
Pneumonie-Kokken im Sputum bei jedem Stadium der Krankheit
sich die von Ribbert***) angegebene Färbemethode (Farbstofflosung:
100 Wasser, 50 Alkohol, 12 Vs Eisessig mit Dahlia in der Wärme gesättigt)
sehr gut bewährt hat. Doch mochte ich betonen, dass man sich hierbei
stricte an Ribbert's Vorschriften halten muss: Die Präparate dürfen „nur
eben“, d. h. nur einige Sekunden mit der Farbstofflosung in Berüh¬
rung gebracht werden, um deutliche Bilder und keine Ueberfärbung zu
erhalten. Die Kokken erscheinen alsdann tiefblau, die sogenannte Kapsel
hellblau gefärbt. Ich habe diese Mikrobien in keinem pneumonischen
*) Mittheiluugen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, Band II, Seite 439.
**) 1. c., Seite 63.
***) Deutsche medicinische Wochenschrift 1885, No. 9.
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25
Sputum vermint; and zwar waren dieselben stets am zahlreichsten in
der Periode der rostfarbenen Beschaffenheit des Answurfs. Zur Section
eines Pnenmonikers ist es im Winter 1884/85 nicht gekommen, so dass
ich ober den eventuellen Lungenbefund nichts aassagen kann. Unter¬
suchungsobjecte durch Aspiration aus der Lunge mittelst der Pravaz-
sehen Spritze intra vitam zu gewinnen, hielt ich bei unserem Kranken¬
material — wie ich meine, mit Recht — nicht für angebracht
Untersuchungen von Sputis auf Tuberkelbacillen wurden im
Jahre 1884/85 zusammen bei 107 Kranken ausgefdbrt ln dieser Zahl
sind alle überhaupt mit Lungenkrankheiten (also auch die mit leichten
catarrhalischen Affectionen) zngegangenen Mannschaften, mit Ausnahme
der Pneumoniker, begriffen. Es wurden im Ganzen gerade 400 Prä¬
parate angefertigt — also 4 auf jeden Untersuchten — und im Ganzen
17 Falle von Lungentuberkulose constatirt, von welchen 6 mit dem Tode
abgingen. (Die Leute kamen auffalligerweise meist in so weit vor¬
geschrittenem Stadium der Krankheit in Zugang, dass die Entlassung
nicht mehr rechtzeitig erfolgen konnte.)
Die Untersuchungen selbst geschahen anfangs nach der von mir in Heft 3, Jahr
gang 1884 der „Deutschen Militärärztlichen Zeitschrift“ besprochenen Methode mittelst
einfacher wässriger Fuchsinlösung als Tuberkelfarbe und Malachitgrün als Grundfarbe,
ln letzter Zeit wurde lediglich das modificirte Ehrlich’sche Verfahren nach den
Angaben Gaffky’s*) (Anilinwasser-Methylviolett und Bismarckbraun) angewandt
Bemerkenswerthe Beobachtungen wurden hierbei nicht gemacht; ausser etwa der, dass
ich die betreffenden Bacillen einmal in einem aus Wandsbeck stammenden Urin
(in 4 unter 10 Präparaten) nachweisen konnte. In dem betreffenden Falle wurde bei
der Section Tuberkulose des einen, ich glaube des linken, Nierenbeckens gefunden.
Im Blute habe ich bisher noch bei keinem Tuberkulösen die Bacillen gefunden.
In einem Falle, Sergeant Babbel, Regiments 76, welcher sich durch häufige, mehr
oder minder reichliche Lungenblutungen und deutliche Verdichtungserscheinungen
in der reehten Lungenspitze auszeichnete, konnten in 60 bis 80 Präparaten keine
Bacillen naebgewiesen werden. Der Mann wurde als Invalide entlassen und konnte
daher nicht weiter controlirt werden. — Bei den übrigen Kranken handelte es sich
überall um unzweifelhafte Tuberkulose, wie der weitere Verlauf lehrte, und der
erste Befund des Auswurfs, welcher später stets Bestätigung fand, hatte zur Stellung
der Diagnose genügt. Die sofortige Meldung des betreffenden Kranken alB dienst¬
unbrauchbar an das Lazareth bezw. den Truppentheil war somit gerechtfertigt Die
vorübergehende Anwesenheit von Tuberkelbacillen, wie sie Leyden bei nicht
tuberkulösen Hospitalkranken im Auswurf als zufällige „Verunreinigung“ fand,
wurde hier niemals beobachtet. Immerhin aber mahnen derartige, wenn auch höchst
seltene, Vorkommnisse zur Vorsicht; und man wird gut thun, bei der Beurtheilung
einschläglicher Fälle stets an der alten Regel festzuhalten, bei Gegenwart weniger
Exemplare des Tuberkelbacillus die Untersuchung des Auswurfs an mehreren
Tagen zu wiederholen.
*) Bo er li er’s Reichs-Medicinal-Kalender 1884, Seite 108 u. f.
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Noch einer Untersuchungsreibe möchte ich in Kurze gedenken,
welche, obgleich resultatlos, doch immerhin einiges Interesse in sich
schliesst.
Bisher ist es bekanntlich nicht gelungen, die in die Gruppe der
Spirochäten gehörigen Mikroorganismen (die Spirochäte des Rackfalls¬
typhus sowohl, als die des Zabnschleims) auf künstlichem festen Nähr¬
boden zu cultiviren. Um nun diesem Problem eventuell näher za
kommen, stellte ich mir folgenden Nährboden dar: Von ca. 50 Leicht¬
kranken sammelte ich den Mundspeichel, wie er bei Saugbewegungen in
reichlicherer Menge ausströmt, in einem Kochkolben. Ich gewann auf
diese Weise zu meiner nicht geringen Ueberraschung nicht mehr als ca.
100 ccm Speichel. Diesen behandelte ich genau so, wie es bei Her¬
stellung der Löffler’schen Fleischwasser-Pepton-Gelatine mit dem aus¬
gepressten Fleischwasser geschieht. Es wurden demselben indess nur
10% Gelatine und 1 % Pepton, aber kein Kochsalz zugesetzt, um den
Salzgehalt deB Speichels nicht künstlich zu vermehren, und das Ganze
bis zur Lösung der Gelatine erwärmt. Die Hälfte wurde darauf mit
Natrium carbon. pur. neutralisirt, die andere mit Milchsäure schwach
angesäuert. Hierauf wurde das Gemenge l 1 /* Stunden im Wasserbadc
gekocht und noch warm filtrirt, welche letztere Procedur äusserst
langsam von statten ging, wohl des Schleim geh alta des Speichels wegen.
Das Filtrat war indess verhältnissmässig recht klar, und sah fast aus,
wie ein gut gelungener Agar-Agar-Nährboden. Jetzt suchte ich mir unter
den Kranken des Lazareths einen Mann mit reichlichem Spirochäten¬
gehalt der Mundil ussigkeit bezw. des Zahnschleims und inficirte in der
gewöhnlichen Weise die hergestellte Speichelgelatine. In den Platten
wuchsen regelmässig Colonien, indess stets nur verhältnissmässig wenige.
Darunter waren nur ein kurzer, dicker, den Nährboden ziemlich schnell
verflüssigender Bacillus, und einige Kokkenarten, aber niemals eine
Spirochäte. In dem neutralisirten bezw. schwach alkalisch gemachten
Nährboden gediehen immer zahlreichere Colonien, als in dem schwach¬
saueren; und zwar überwogen in letzterem regelmässig die Schimmelpilze.
Das Resultat war bei vier anderen bezüglichen Kranken dasselbe negative. —
Ob übrigens die interessante Beobachtung von Rosenbacb*), wonach
sich in dem Eiter einer von einem Menscheifbiss herrührenden Wunde am
Daumen neben anderen Bacterien auch „Spirillen in grosser Menge tt fanden,
von anderer Seite Bestätigung gefunden hat, ist mir nicht bekannt. —
*) 1. c., Seite 77 und 78.
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27
Billroth hat allerdings bereits einmal in einem Falle von Noma beider
Wangen nach Variola, bei welchem mehrere Monate nach der Entlassung
ans dem Spital wieder gangränöse Ulceration in der Narbe eingetreten
war, eine feinste „lebhaft springende Spirobacteria 4 gesehen. „Da sich 4 ,
wie Billroth sagt, „Spirillium besonders bei Fäulniss pflanzlicher Stoffe
entwickelt, so vermnthe ich, dass dasselbe aus den zwischen den Zahnen
faulenden Speiseresten (das Kind konnte den Mond nicht offnen) ent¬
standen war. 4
Ebenso fand Frisch in dem Brei eines fast handtellergrossen
phagedänisch-gangränosen Geschwürs am Arm eines Knaben auf der
Billrot huschen Klinik ausser Mikrokokken auch „feinste springende
SpirOlien 4 . Billroth schienen dieselben der Beschreibung nach „mit den
von Obermeier bei Febris recurrens gesehenen Spiriilien übereinzu¬
stimmen *.*)
An die vorstehende Darstellung mochte ich folgende Schlussbe¬
trachtungen anschliessen.
Aus den vorgenommenen Wasseruntersocbungen geht hervor, dass
die Trink- und Gebraucbswässer hiesiger Gegend eine ziemlich ein¬
förmige Flora der niedersten Spaltpflanzen beherbergen. Der in allen
Wasserproben gefundene, einen grünen Farbstoff erzeugende Bacillus
scheint eine sehr weite Verbreitung zu besitzen, oder vielmehr ein con-
stanter Bewohner des Wassers zu sein. Denn auch in den während
des Choleracursus in Berlin untersuchten Wasserarten habe ich ihn
fast regelmässig gesehen.
Die Thatsache, dass die Resultate der chemischen und der bacterio-
skopischen Wasseruntersuchung sich nicht immer decken, ist durch
obige Beobachtungen bestätigt worden. Es folgt hieraus, dass die bis
jetzt fast noch immer in der Militärpraxis üblichen alleinigen chemischen
Untersuchungen der Brunnen, Wasserleitungen u. 8. w. der militärischen
Etablissements keinen sicheren Anhalt für den hygienischen Wertb-
oder Unwerth der betreffenden Wasserarten darbieten können. Ja, es
kann Vorkommen, dass chemisch relativ gutes Wasser einen so grossen
Reichtbum an Mikroorganismen bezw. deren Keimen besitzt, dass es
vom Gebrauch ausgeschlossen werden muss; und umgekehrt, chemisch
stark verunreinigtes Wasser nur wenige Keime zur Entwickelung
kommen lässt. Da nun ausserdem von der chemischen Untersuchung
wohl niemals Aufschluss über die Art der Organismen, ob pathogen,
*) Untersuchungen über die Vegetationsformen von Coccobacteria septica
u. s. w. von Th. Billroth. Berlin 1874 (Seite 93 bezw. 186).
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ob nicht pathogen, erwartet werden darf, so gestaltet sieb die
gleichzeitige hacterioskopische Untersuchung eines zu Nutz-
und Trinkwasser bestimmten Wassers geradezu zur absoluten Not¬
wendigkeit Hiermit soll indess der chemischen Wasseruntersuchung
keineswegs jede Bedeutung abgesprochen werden. Die Bestimmung des
Gehalts eines Wassers an Chlor- und Stickstoffverbindungen wird
vielmehr stets ihren Werth behalten, weil sie, wie Hüppe*) sich aus-
druckt, „einen Anhalt dafür geben, dass das Wasser mit Oertlichkeiten
in Verbindung steht, in denen biologische Processe noch nicht zur Ruhe
gekommen sind, sei es, dass die Nitrite durch Oxydation oder Reduction
entstanden sind“. — Nun sind wir allerdings über den einen Punkt
Alle einig: Wasser, in welchem auch nur ein einziges Individuum
eines pathogenen Mikroorganismus mit Sicherheit als solches
festgestellt wurde, ist sofort ausser Gebrauch zu setzen.
Eine zweite Frage dagegen, unter welchen Bedingungen ist letzteres auch
für ein Wasser gültig, bei welchem dieser Nachweis nicht gelang,
es sich vielmehr nur um die sogenannte „Verunreinigung“ an sich
handelt, harrt noch der Antwort. Ich habe mir hier zu helfen gesucht
und aus rein praktischen Gründen, um direct vergleichbare Werthe zu
gewinnen, den oben geschilderten Wasser Untersuchungen eine bestimmte
Zahl zu Grunde gelegt: eine Wasserart, sei es welche es sei, glaubte
ich vom sanitären Standpunkte aus verwerfen zu sollen, wenn
1 ccm derselben mehr als 500 entwickelungsfähige Keime
enthielt. Wenn man bedenkt, dass dies auf 1 Liter Wasser schon ca.
500000 solcher Keime ansmacht, so wird die genannte Zahl gewiss
nicht als zu niedrig gegriffen erscheinen. Nun wird ja allerdings durch
den Magensaft vielleicht noch eine grössere Anzahl von Keimen ver¬
nichtet bezw. entwickelungsunfahig gemacht Indess sind uns, um mich
so auszudrücken, die „specifischen Energien“, welche die einzelnen
Bacterienarten] dem lebenden Organismus gegenüber besitzen, noch lange
nicht bekannt genug, und wir wissen nicht, wann und unter welchen
Bedingungen einmal ihre Thätigkeit den Chemismus der Magendrüsen
derart beeinträchtigt, dass ernstere Verdauungsstörungen die Folge sind.
Daher ist es gut, hier lieber ein „Zuwenig“, als ein „Zuviel“ zuzulassen.
Ich bemerke indess, um jedem Irrthum vorzubeugen, ausdrücklich, dass
die oben genannte Zahl eine ganz willkürliche ist und nicht etwa die
Bedeutung eines sogenannten „Grenzwerthes“ haben soll.
*) 1. c., S. 162.
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29
Denn wenn sich derartige Grenzwerthe schon bei der chemischen Unter¬
suchung nicht haben halten lassen, so wird dies bei der bacterio-
skopiachen sicherlich noch weniger der Fall sein. Man muss vielmehr
alle Verhältnisse, örtliche, biologische and chemische Untersuchung be¬
rücksichtigen und darauf hin dann sein Urtheil in jedem specieUen
Falle abgeben.
Um rigoroser muss deshalb aber auch bei der Beurtheilung
von künstlichen Mineralwässern vorgegangen werden. Denn gerade hier
lebt das grosse Publikum in dem irrigen Glauben, das betreffende
Wasser sei absolut ungefährlich, und wiegt sich — und die Aerzte
nicht minder — in Zeiten einer Epidemie in Schlummer. Was kann
es z. B. nutzen, wenn man beim Herrschen der Cholera in einem Orte
nur gekochtes Wasser zum Genuss zulässt, und nebenbei Selterwasser
erlaubt, welches, wie das Altonaer, und ich bin überzeugt, das der
meisten anderen Städte, aus gewöhnlichem Fluss- oder Brunnenwasser
hergestellt wird? Den Cholera-Vibrio, den ich durch das Kochen
sämmtlicher Trink- und Gebrauchswässer in einem Hause vernichtet
habe, schleppt die nächste Mineralwasserfabrik wieder ein.
Das ist scr eine kleine Dosis Pettenkofer’scher „zeitlicher und localer
Disposition“! Hierin beruht eben die enorme Gefahr eines derartigen
Geschäfts- und Fabrikbetriebes, welcher nicht scharf genug gegeisselt
werden kann. Die Mainzer Epidemie hat ja bereits einen handgreiflichen
Beweis für diese Verhältnisse geliefert Hoffen wir, das die Behörden
keine weiteren abwarten, sondern es sich angelegen sein lassen werden,
diesen Industriezweig durch gesetzliche Bestimmungen recht bald in
richtige Bahnen zu leiten. Hierher gehört vor Allem bei der Fabri¬
kation von Mineralwässern jeder Art das Verbot der An¬
wendung ungekochten bezw. nicht destillirten Wassers.
Denn durch ’/t~bis lstundiges Kochen werden alle bekannten Keime ge-
tödtet.*) Ich würde indess auch die Anwendung unzweifelhaft guten,
filtrirten Leitungswassers zur Selterwasserbereitung zulassen, wenn
eine sichere Garantie dafür geboten wäre, dass erstens die Filter in be¬
stimmten, möglichst kurz bemessenen Zeitabschnitten gründlich gereinigt
bezw. desinficirt, und zweitens das Wasser selbst einer periodischen
chemisch bacterioskopischen Untersuchung unterworfen würde. Doch
genug mit diesen Andeutungen! —
*) Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, Bd. I., 1881, Seite
322 u. f.
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Bezüglich der Technik der Wasseruntersuchungen sei noch be¬
sonders betont, dass es erstens absolut nothwendig ist, die Wasserproben
in vollkommen sterilisirten Gefässen aufzunehmen, wenn das
Resultat der Untersuchung ein reines sein, d. h. der Wirklichkeit ent¬
sprechen soll. Die Bacterien besitzen eine Schleimhülle, erzeugen eine
Art sahen Klebestoffs (Zoogloeabildungen!), mittelst welches sie an den
Wänden der gebrauchten Gefässe, beim Offenstehen derselben zugleich
mit allen möglichen Staubtheilchen, festbaften. Das blosse beliebte Aus¬
spülen der fraglichen Flaschen mit dem zu untersuchenden Wasser ge¬
nügt daher keineswegs^ wovon ich mich wiederholt uberzeugt habe,
diesen Belag von den Glaswänden fortzunehmen. Wird nun eine so be¬
handelte Flasche noch gar mit einem alten, gebrauchten Bierpfropfen
zugepfropft, so dient dies höchstens nur dazu, den wirklichen That-
bestand noch mehr zu verdunkeln und Verunreinigungen zu schaffen,
welche zu den irrigsten Schlössen und Urtbeilen führen können oder
müssen. Ob nicht z. B. bei den Wasserproben aus Wandsbeck derartige
Verhältnisse zu den verschiedenen Ergebnissen der einzelnen Unter¬
suchungen mitgewirkt haben, lasse ich dahingestellt. Hieraus folgt,
dass innerhalb des Corpsbereichs von der bacterioskopischen Station
aus sicher sterilisirte, mit gleichem Verschluss versehene Gefasse
an den Ort, von welchem das zu untersuchende Wasser entnommen
werden soll, geschickt werden müssen. Diesen ist zugleich eine
schriftliche Anweisung für die zweckmässigste Entnahme der Probe bei¬
zugeben. Zweitens aber ist es von grösster Wichtigkeit, dass die
Untersuchung möglichst unmittelbar nach der Entnahme des
Wassers begonnen und nicht erst 24Stunden damit gewartet werde
Denn schon im Laufe des ersten Tages, bei grosser Hitze innerhalb
weniger Stunden, beginnt die Tbeilung, die Vermehrung der Bacterien.
Da diese nun bekanntlich in ganz colossalen Progressionen vor sich
zu gehen pflegt, so wird das Ergebniss der Untersuchung mit jedem
späteren Tage unrichtiger, und unter Umstanden aus einem an sich
sehr guten, reinen Trinkwasser am Ende ein absolut verwerfliches.
Das sind alles Schwierigkeiten, welche bei der bacterioskopischen
Untersuchung durchaus in Rechnung gezogen werden müssen. Aber
nicht bloss bei der bacterioskopischen, wie mir scheinen will. Nein,
auch der Chemiker muss die Wasserprobe in möglichst unverfälschtem
Zustande in Angriff nehmen. Ich bin überzeugt, dass eine Reihe von
Differenzen zwischen der chemischen und bacterioskopischen Unter¬
suchung zum nicht geringen Theil darauf beraht, dass die beiden
Untersuchungsarten zeitlich zu sehr auseinander lagen.
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Denn eia für beide Untersuchungen gleichzeitig entnommenes
Wasser, welches erst 6—8 Tage im Laboratorium gestanden bat, ehe
an dessen Prüfung herangegangen wurde, hat inzwischen eine ganz
enorme Vermehrung der organischen Keime und durch deren Lebens-
process mancherlei Umwandlungen erfahren (Oxydationen der Stick-
stoffverbindungen und dergleichen), welche der chemischen Reaction
schlechterdings nicht entgehen können. Also auch hier sterile Gefasse
und sofortige Untersuchung! — Die Conseqqenzen für die Praxis im
Corpsbereich ergeben sich hieraus von selbst: Die entfernteren Garni¬
sonen, bei denen der Transport eines Wassers über zweimal 24 Standen
dauert, werden in der Regel auf ein sicheres Untersuchungsresultat ver¬
zichten und sich mit mehr oder minder grossen Wahrscheinlichkeiten
begnügen müssen; es musste denn die Untersuchung zufällig an Ort
und Stelle selbst eingeleitet werden können.
Wenn nun aber innerhalb eines Corpsbereichs die bacterioskopische
Untersuchung eines jeden Trink- und Gebrauchswassers unumgänglich
nothwendig ist, so ist klar, dass die Arbeiten der betreffenden Station
tun ein ganz Bedeutendes zunehmen werden. Die Nothwendig-
keit, dass in jedem Armee-Corps eine bestimmte Persönlichkeit für
diese Untersuchungen commandirt werden muss, welche von anderen
Dienstverrichtnngen, und zwar dauernd, so viel als möglich befreit ist,
tritt daher immer gebieterischer hervor. Denn gerade die bacterio-
skopischen Arbeiten sind äusserst mühevoll und zeitraubend und bean¬
spruchen die vollste Hingabe eines Menschen an die Sache, wenn sie
von Nutzen und Erfolg sein sollen.
Hieraus ergiebt sich aber ferner, dass die betreffenden Stationen
selbst mit viel reicheren Hülfsmitteln und Einrichtungen, vor Allem für
das Thierexperiment, ausgestattet werden müssen, damit die Unter¬
suchungen auch den richtigen Abschluss finden können.
In welcher Weise dies Alles zu erreichen sei, gehört indess nicht
in den Rahmen dieser Arbeit und ich schliesse mit dem Wunsche, dass
die obigen Andeutungen an maassgebender Stelle einer wohlwollenden
Beurtheilong und Erwägung unterworfen werden möchten.
Hamburg, Ende September 1885.
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32
Die Eisenbahn- Sanitätszüge der französischen Armee.
Von Stabsarzt Körting.
Art. 112 der französischen Kriegs-Sanitäts-Ordnung vom 24. August 1884 bezw.
Art. 158 des Reglements über die militärischen Transporte vom 29. October 1884
schreiben für den Evacuationsdienst im Kriege drei Arten von Zügen vor:
1) Trains sanitaires permanente, Lazarethzüge;
2) Tr. sanit improvises Hnlfslazarethzüge;
3) Tr. Bpeciaux oder convois de malades, Krankenzfige;
deren Zweck und Dienstbetrieb sich mit dem der entsprechenden deutschen For¬
mationen (K. S. O. § 139 u. 140) deckt. Hier soll uns die Einrichtung kurz be¬
schäftigen. Die Darstellung wäre schon früher gegeben worden, wenn nicht erst in
neuester Zeit etwas über die Einrichtung der eigentlichen Lazarethzüge rerlaut-
bart wäre. Zur Zeit des Erlasses oben gedachten Reglements war über diesen Punkt
noch nichts beschlossen; auch jetzt sind uns Vorschriften noch nicht zu Gesicht ge¬
kommen. Doch bringt das französische militärärztliche Arehiv # ) aus der Feder des
literarisch wohlbekannten Medecin major Granjux eine ziemlich genaue Mittheilung y
deren Veranlassung in den Zweifeln eines andern französischen Fachschriftstellers
an der Kriegsbereitschaft Frankreichs auf diesem Gebiete zu suchen ist.
Die Bereitstellung der Trains sanitaires permanente ist zu keiner Zeit
aus den Augen gelassen worden. Da aber diese Frage angesichts der ausreichend
vorhandenen Transportmittel für improvisirte Lazarethzüge**) keine drängende war,
hat man erst die bekannten und empfohlenen Systeme studiren wollen, ehe man an
die Beschaffung eines so kostspieligen Materiales ging.
Nach zahlreichen Versuchen ist jetzt folgender Plan festgestellt worden, der
vorbehaltlich einiger noch stattfindender Versuche wohl zur Ausführung gelangen
dürfte: Der Zug besteht, ausschliesslich Maschine und Tender, aus 23 Wagen und
zwar:
16 Krankenwagen zu je 8 Betten,
1 Arztwagen,
1 Gehülfenwagen,
1 Küchen wagen,
1 Küchentender,
1 Apotheken wagen, der auch die Wäschevorräthe aufnimmt,
1 Güterwagen als Lebensmittelmagazin,
1 desgl. für schmutzige Wäsche und Brennmaterial.
*) No. 19 v. 1. Oct. 1885 S. 283.
**) Und angesichts der bisher mangelnden Bereitwilligkeit der französischen
Eisenbahngesellschaften, an ihrem rollenden Material Abänderungen zuzulassen, welche
dessen schnelle Umwandlung in Lazarethzüge gestatten würden. Vgl. du Cazal und
Zuber, Deutsche militärärztl. Zeitsehr. 1883 S. 543.
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33
Wie bei uns, hat man hinsichtlich der Waggons darauf verzichtet, eigene Con-
atructionen hersteilen zu lassen, die im Frieden in den Schuppen verrotten wurden und
dann im Gebrauchsfalle nicht zu benutzen wären. Es ist vielmehr als Grundtypus
der gewöhnliche Güterwagen für Marktwaaren angenommen worden. Man lässt ihn
20 cm höher bauen und mit Federn versehen, die ohne grosse Muhe so vermindert
werden können, dass die Elasticität der Personenwagen 2. CI. erreicht wird. An
den Stirnseiten erhalten die Wagen Thören nebst Gallonen und Laufbrücken für
den Verkehr untereinander, über diesen Thüren werden kleinere Klappfenster an¬
gebracht; grössere, nach Art der in den Personenwagen vorhandenen, kommen' in der
Mittelthür jeder Langwand — die für den Friedensgebrauch der Wagen beibehalten
wird — zur Anwendung. Ein laternenartiger Aufsatz mit Jalousieklappen auf der
Mitte des Waggondaches dient den Zwecken der Erleuchtung wie der Ventilation.
Der Fussboden wird mit Linoleum belegt; er erhält eine verschliessbare Oeffnung,
um Abgänge direct auf die Strecke werfen zu können. Die Heizung wird durch
eiserne Oefen vermittelt.
Im Arztwagen ist ein Aufenthaltsraum mit 3 Bettstellen, ein Büreau, ein Closet etc.
vorgesehen; der Wagen für die Infirmiers erhält dieselbe Lagereinrichtung wie die
Krankenwagen. In den letzteren ruhen die Betttragen (oder Tragbetten, Brancards-
eouchettes) mit beiden Enden auf metallenen Leisten in einem verticalen Holzrahmen,
der seinerseits auf dicken Filzstücken steht. Hier ist ein wesentlicher Unterschied
von den deutschen Einrichtungen, indem nur der Wagen in Federn hängt, nicht
auch die Bettstatt oder ihr Gestell. Jeder Wagen enthält 8 Lagerstellen in der
selben Anordnung, wie beim Hamburger System der deutschen Hülfslazarethzüge.
Der Köchenwagen ist mit einem grossen Kochherd ausgestattet. Ausser dem
sonst nöthigen Inventar besitzt er 4 Wasserbehälter, die sowohl nach Art der Tender
von aussen als auch mittelst einer Pumpe von innen gefüllt werden können. Die
Magazinwagen erhalten keine besondere Einrichtung. Sie sowohl wie alle übrigen,
mit Ausnahme der Krankenwagen, werden mit Bremsen versehen.
Das Inventar der Lazarethzüge verbleibt unter allen Umständen bei denselben
ea wird mit einer auffallenden Marke gezeichnet, um ein Abhandenkommen möglichst
zu verhüten.
Die geschilderte Formation ist im Ganzen den Vorschriften der deutschen Kriegs-
Sanitäts-Ordnung ähnlich. In Einzelheiten war natürlich das in Frankreich gegebene
Material maassgebend. So namentlich hinsichtlich der Krankenwagen, für welche
Güterwagen in Aussicht genommen werden mussten, da es, soviel bekannt, Personen¬
wagen 4. Classe dort nicht giebt. Unschwer erkennt man die rationelle Verwerthung
der Erfahrungen der Berliner Ausstellung von 1883, so besonders in der Annahme
der Betttrage, welcher die bayerische Construction vorgeschwebt zu haben scheint.
Wenden wir uns zu den Trains sanitaires improvises, so begegnen wir
hier einer schon seit längerer Zeit vorbereiteten Organisation, deren genaue Be¬
schreibung in Art 160 und Anl. V des Militär-Transport-Reglements von 1884 ge¬
geben ist Auch hier ist das Vorbild unverkennbar.
Diese Züge werden aus bedeckten, möglichst neuen Güterwagen zusammengesetzt,
welche im Augenblick des Gebrauches von den Evacuationshospitälern (unseren Kranken-
transportcommissionen^ mit der erforderlichen, leicht anzubringenden und zu ent-
3
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34
'lernenden Ausrüstung versehen werden. Die Wagen erhalten dann das Neutralitäts-
Zeichen. Hat der Zug seine Verwundeten abgegeben, so werden jene Zeichen bis
auf diejenigen Wagen entfernt, die das Material dem Evacuationshospfital wieder
znzuführen haben. Der Zug wird folgendennaassen geordnet:
1 Dienstwagen,
6 Krankenwagen,
1 Effectenwagen,
6 Krankenwagen,
1 Wagen für das obere Personal,
5 Krankenwagen,
1 Lebensmittel- und Apothekenwagen,
6 Krankenwagen,
1 Packwagen.
Auch bei grosserem Bedarf soll die Zahl von 35 Wagen für einen Zug nicht über
schritten werden.
Die Befestigung der Tragen geschieht durch Suspension und zwar in einer An¬
ordnung, welche dem System der Tragenaufstellung auf Grund'schen Blattfedern
ähnlich ist. Auch beim französischen System sind rechts und links der Mittelthür
des Waggons 2 Querbalken in geringer Höhe über dem Boden angeordnet, auf denen
je 3 Tragen nebeneinander stehen. Der Unterschied ist der, dass die Tragbalken
nicht auf Federn ruhen, sondern mittelst Federapparaten an den Wänden aufgehängt
sind. Horizontale Schwankungen werden durch eine von der Mitte jedes Tragbalkens
nach dem Fussboden gehende und dort befestigte Spirale ausgeglichen. Im Noth-
falle dürfen Lagerstellen durch Strohsäcke improvisirt werden, die dem Boden
direct aufliegen. Die Verwepdung von Krankentragen ohne federnde Unterlage ist
verboten, mindestens müssen dieselben mit den Enden auf dicken Stroh- oder Reisig¬
rollen sicher befestigt werden. Wie bei den deutschen Zügen Grund’schen Systems,
kommen auch hier nur 6 Kranke auf den Wagen, eine Zahl, die im Verhältniss
zu dem bedeutenden unbenutzt bleibenden Raume des Wagens entschieden zu gering
ist, namentlich in der Zeit, wo man der Hülfslazarethzüge am dringendsten benöthigt,
bei Massenevacuationen nach grossen Schlachten.
Die schon zum Friedensgebrauch vorhandenen Ventilationsöffnungen der Wagen
sollen an einer Seite stets offen gehalten werden. Um Zugluft und das Eindringen
von Staub zu vermindern, ist ihr Verschluss durch Verbandmull empfohlen, der un¬
verbrennlich präparirt werden soll. Zur Erwärmung dienen die mit heissem
Wasser zu füllenden Heizkörper, welche in den Personenwagen üblich sind. Unter
jede Trage soll ein solcher geschoben und rechtzeitig erneut werden. Es dürfte
zu bezweifeln sein, dass hierdurch bei harter Kälte eine genügende Erwärmung zu
erreichen ist.
Beim Verladen der Kranken wird empfohlen, Patienten, die unterwegs ärztlicher
Hülfe bedürfen könnten, in die Mitte zu lagern; immerhin wird schleuniger Beistand
schwer zu haben sein, da eine Communication zwischen den einzelnen Wagen während
der Fahrt ausgeschlossen ist. _
Der Transport sitzender Kranker und Verwundeter geschieht entweder in
gewöhnlichen Zügen, die zum Truppentransport gedient haben, oder in S p e ci al zügen,
die dann den Namen Convois de malades annehmen. Die Wagen 1. und 2. CI-
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sind den Offizieren 'und denjenigen Kranken des Mannschaftsstandes Vorbehalten,
die besonderer Schonung bedürfen. Krankenzüge sollen überhaupt nur zusammen¬
gestellt werden, um aussergewöhnlichen Anhäufungen von Eiranken und Verwundeten
bei Epidemien oder nach grossen Schlachten vorzubeugen. Es ist deshalb ausnahms¬
weise gestattet, auch Transportzüge, welche Truppen herangeführt haben, so wie sie
sind, zur Zurückschaffung sitzend zu befördernder Verwundeter zn benutzen, — der
einzige Fall, in welchem für diese Kategorie von Transporten auch Güterwagen zur
Verwendung kommen.
Ans den allgemeinen Bestimmungen sind folgende erwähnenswerth. Die Trains
sanitaires permanents haben ein ständiges Personal unter Leitung eines Chefarztes.
Den Trains sanitaires improvises wird dasselbe von dem Evacuationshospital mit¬
gegeben, dem ihre Aufstellung zufallt. Convois de malades erhalten kein ärztliches
Personal. Die Verpflegung wird nur auf den eigentlichen Lazarethzügen bereitet;
die beiden anderen Kategorien sind auf die Bahnhofsinfirmerien angewiesen, denen
hinsichtlich der Krankenzüge auch die Besorgung von Nachtquartier und die ärztliche
Revision der Transportarten obliegt. Die Fahrgeschwindigkeit aller Sanitätszüge
soll 40 km in der Stunde nicht überschreiten.
Die freiwillige Krankenpflege hat ebenfalls die Berechtigung, permanente Sanitäts¬
züge aufrustellen. Sie sind in ihrer Organisation den staatlichen durchaus gleich zu
gestalten, stehen nach Vollendung ihrer Mobilisirung zur Verfügung des Kriegs¬
ministeriums und werden von diesem —* genau wie die staatlichen — auf Vorschlag
des Chefs des Feld-Sanitäts-Wesens den einzelnen Armeen zugetheilt. Für den
Dienst der ausschliesslich staatlichen improvisirten Sanitätszüge kann die Gesellschaft
ein von ihr ausgewähltes Personal an Aerzten und Inürmiers zur Verfügung der
Militärbehörde stellen. Die Verwendung desselben wird sodann vom Etappendirector
geregelt. Wir sehen auch hier, wie in der gesummten Organisation des französischen
Rothen Kreuzes,*) dass die Freiwilligkeit mit der Bereitstellung der Mittel im Wesent¬
lichen ihr Ende erreicht, die weitere Verfügung bleibt der Militärbehörde unbeschrankt
▼orbehalten.
Referate und Kritiken.
Sanitätsbericht über die Deutschen Heere im Kriege gegen
Frankreich 1870/71, Herausgegeben von der Mil. Mediz. Abth. des
Prenss. Kriegs-Minist. 7. Band:**) Traumatische, idiopathische und
nachInfectionskrankheiten beobachtete Erkrankungen des Nerven¬
systems. Quart. 480 S. mit 6 lithograpb. Tafel, 1 Tafel in Lichtdruck
and 33 Zeichnungen im Text. Berlin 1885. E. S. Mittler & Sohn.
„Es haben ihr Schicksal die Bücher“ — das Schicksal des vorliegen¬
den wird es sein, nicht nur dem Deutschen Sanitats-Offiziercorps, das in
*) Vergl. Deutsche militärärztl. Zeitschr. 1884 S. 517.
**) Ueber die Stellung dieses Bandes im System des Werkes und die bereits
erschienenen Bände cfr. diese Zeitschr. 1884 S. 432. 467. 500.
3*
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seiner Gesammtheit daran mitgearbeitet hat, zur Ehre* zu gereichen, son¬
dern für jetzt und für kommende Geschlechter eine Zierde zu bilden für
die Wissenschaft und die ganze Nation.
Die selbstlose, entsagende und hingebende Arbeit, welche die Deutschen
Sanitäts-Offiziere am Krankenbett im Felde und im Frieden leisteten, die
Mühe, welche sie verwandten, die einzelnen Krankheitsfälle zu fixiren,
Berichte und Rapporte über ihre Beobachtungen aufzustellen, die sorg¬
fältigen Beurtheilungen in den Invaliden-Attesten und bei Superarbitri-
rungen — all 1 die Arbeit, die sonst als ungehobener Schatz in den Akten
schlummert — tritt hier gesichtet und durch Benutzung der inzwischen
in der Litteratur publicirten Erfahrungen auf den gegenwärtigen Höhe¬
punkt der Wissenschaft emporgehoben, zu einem einheitlichen Ganzen
systematisch verarbeitet an die Oeffentlichkeit.
Dies der Gesammteindruck des Werkes; dass die Berichterstattung
eine so imposante geworden, dankt die Wissenschaft dem Berichterstatter,
der nicht nur mit rastlosem Fleiss das ungeheure Quellenmaterial zusammen¬
trug, sondern mit seltener Kritik und Umsicht ordnete und mit glücklichem
Ingenium das Material zum harmonischen Ganzen, oft in geradezu klassi¬
scher Darstellung, abrundete.
Schwer dürfte es sein, zu entscheiden, ob der grössere Werth des
Werkes in der Bearbeitung liegt oder in dem Quellen-Material; für
Gegenwart wird man der Durcharbeitung zum systematischen Ganzen
einen Hanptwerth beilegen müssen, wer von dem Gedanken zu sehr
durchdrungen ist, dass Theorien wechseln und immer vollkommenere an
Stelle der früheren treten, der mag sich vorwiegend an dem ungeheuren
Quellen-Material erfreuen und sich sagen, dass hier eine Fundgrube ist,
wie sie weder zur Zeit existirt, noch auf Jahrzehnte hinaus wieder auf¬
gedeckt werden dürfte; kein Schriftsteller der Zukunft auf dem Gebiete
der Erkrankungen des Nervensystems darf sich an die Oeffentlichkeit
wagen, der nicht diesen Band des Kriegsberichts genau studirt hätte.
Ein Beispiel genüge für die Charakterisirung des Quellen-Materials: der
Bearbeitung des 9. Capitels: „Graue Entartung der Hinterstränge (tabes
dorsalis)* liegt eine Casuistik von 100 Fällen zu Grunde; die 70 grosse
Quartseiten füllenden Krankengeschichten sind in übersichtliche Tabellen¬
form gebracht, so dass wir mit grösster Leichtigkeit uns orientiren in
Spalte 2: über Stand, Geburt, Familienverhältnisse (verheiratbet, Kinder)
der Kranken, in Spalte 3: über Militärdienstzeit, mitgemaebte Feldzüge,
in Spalte 4: über Heredität und Prädisposition, in Spalte 5: über etwaige
syphilitische Affection, in Spalte 6: über das angenommene ätiologische
Moment, in Spalte 7: über die Initialsymptome 1870/71. In Spalte 8 er¬
fahren wir dann den Krankheitsverlauf, und zwar ist die Beobachtung
fortgeführt bis zum Tode oder, wenn Patient noch lebt, bis zum Jahre
1885. Wo existirt wohl zum zweiten Mal eine Summe von 100 durch
15 Jahre genau beobachteten Krankengeschichten über Tabes?
Aehnlich verhält es sich mit dem Quellen-Material in dep übrigen
Capiteln. Unter Zugrundelegung solch mühselig gesammelten Materials
baut die Bearbeitung dann die einzelnen Capitei zu umfassenden Mono¬
graphien aus, welche den Standpunkt unseres heutigen Wissens wieder¬
geben und darstellen.
In dieser Art finden wir im 1. Cap. behandelt: „traumatische*
im 8. „idiopathische Epilepsie*, im 2. Cap. „Tropboneurosen nach
peripheren Verletzungen*, im 3. traumatische Reflexneurosen,
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secundäre traumatische Lähmung und Drucklähmung u im 4.
„Erkrankungen des Central-Nervensystems und nervöse Störun¬
gen verschiedener Art nach Verletzungen“, im 5. Wundstarr¬
krampf, im 7. „Genickstarre“ (Meningitis cerebrospinalis), im 9.
„Graue Entartung der Hinterstränge“ (tabes dorsalis), im 10.
„Kriegs-Psychosen.“. Dies letzte Capitel beansprucht nicht, eine mono¬
graphische Darstellung der Psychosen überhaupt auf Grundlage von
Feldzugsbeobachtungen zu geben, die Friedens-Psychosen bleiben vielmehr
ausser Betracht, und es wird Antwort auf die Frage ertheilt: giebt es
überhaupt Kriegs-Psychosen, d. h. Geisteskrankheiten, an deren Zustande¬
kommen lediglich der Krieg mit seinen ganz besonderen Situationen die
Schuld trägt. Von ganz hervorragendem Interesse, weil überhaupt noch
wenig bearbeitet, ist das 6. Cap. „Erkrankungen des Nervensystems
nach acuten Infectionskrankheiten“, in ihm kommen eine grosse
Reihe noch unerledigter Fragen zur Abhandlung und werden der Losung
nSher gebracht, so die Fragen nach der Natur und dem Wesen, nach den
einzelnen Formen und der Häufigkeit nervöser Störungen nach Typhus,
Ruhr, Pocken etc. Es wird darin das Feld der nervösen Typbus-Nacb-
kr&nkheiten im Vergleich zu früher auf Grund der Kriegserfahrungen
weiter ’ausgedehnt; bisher wusste man noch nichts über das Auftreten
von Chorea, Paralysis agitans, acuter Ataxie, Moskelhypertrophie, von rein
vasomotorischen Neurosen etc. nach typhösen Erkrankungen im mittleren
Lebensalter. Wer in dieser Beziehung im Anschluss an Selbsterlebtes,
ihm räthselhaft Gebliebenes Belehrung braucht und sucht, dem stand bis¬
her kein Werk, zu Gebote, in Zukunft findet er reiche und gediegene
Information in diesem Capitel.
Die obige Mittheilung der Themata für die 10 Capitel und die Ueber-
legung, dass es sich bei den meisten um umfassende Monographien handelt,
wdche den heutigen Standpunkt der Wissenschaft fixiren, dürfte dem Leser
schon die Ueberzeugung verschafft haben, dass es auch nicht annähernd
möglich ist, im Referat den reichen Inhalt des Werkes zu skizziren; nur
um einen Begriff von der Art der Bearbeitung zu geben, versuchen wir
es, ein Capitel etwas eingehender zu besprechen, und wählen dafür das
5. Cap. „Wundstarrkrampf“, nicht weil dies Cap. uns mehr als die übri¬
gen gefallen hätte, sondern weil es sich um eine seit lange bekannte;
fest und sicher abgegrenzte Krankheit handelt, deren Besprechung im
Vergleich zu anderen Capiteln relativ kurz ansfallen konnte.
Der erste Abschnitt des Capitels „Wundstarrkrampf“ bespricht
die Häufigkeit desselben und zwar I. im Deutsch-Französischen Kriege
und in früheren Feldzügen, II. nach Ort und Zeit der Verwundung und
HI. nach Art und Stelle der Verletzung. Das vorliegende Material bietet
gerade für eine Statistik des Tetanus eine vorzugsweise günstige Unter¬
lage; „der Eindruck, welchen das traurig imposante Krankbeitsbild mit
seinem gewaltigen Symptomen-Complex machte ...., führte zu einem gleich-
maasigen Wetteifer, jedem einzelnen Falle von Wundstarrkrampf ein An¬
denken in den Berichten zu sichern.“ Die Zahlenangaben sind deshalb
in diesem Capitel besonders zuverlässig. Von den 99566 Verwundeten
der deutschen Heere erkrankten 350, mithin 0,35% an Wund¬
starrkrampf. Während nach den Berichten aus dem Amerikanischen Se-
cessionskriege ein Tetanusfall auf 782 Verwundete, bei den Engländern im
Krimkriege 1 auf 465, im Spanisch-Portugiesischen Kriege (1811—1814)
1 auf 803 kam, entfiel auf die Deutschen 1870/71 somit 1 auf etwa 285, bei
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den Franzosen in Italien allerdings 1 auf 116 Verwundete. Die grossen
Unterschiede, welche hier za Tage treten, fahrt der Bericht nach Be¬
sprechung und Zurückweisung anderer Oründe auf die verschiedene Ge¬
nauigkeit der statistischen Unterlagen zurück. Ueber die Häufigkeit des
Tetanus bezüglich des Ortes und der Zeit der Verwundung geben mehrere
Tabellen Auskunft, wir heben daraus hervor, dass um Metz 0,16°/o der auf
dem betr. Kriegsschauplatz Verwundeten (kleinste Procentzahl), auf dem
nördlichen Kriegsschauplatz 1,1 pCt. (höchste Procentzahl) an Tetanus
erkrankten, die Procentzahl der auf den übrigen Tbeilen des Kriegsschau¬
platzes Erkrankten liegt zwischen diesen Grenzwerthen. Bezüglich der
Art und Stelle der Verletzung ist Folgendes hervorzuheben: die ge-
samroten Tetanusfalle der deutschen Verwundeten entstanden nach
Scbussverletzungen, und zwar kamen auf Wunden durch Gewehr-
Projectile 282, anf Granatwunden 68 Falle. 26 mal handelte es sich
darunter um mehrfache Verletzungen. Der verletzten Körpergegend nach
vertheilen sich die Tetanusfalle so, dass auf 100 aller Tetanuskrankeu
20,7 pCt auf am Unterschenkel, 19,3 pCt. auf am Oberschenkel, 12,2 pCt.
auf am Oberarm u. s. w. Verwundete entfallen. Unter gleichzeitiger
Berücksichtigung der Schwere der Verletzungen ergiebt sich eine sehr
bedeutend grösssere Häufigkeit von Tetanus-Erkrankungen nach
schweren Verletzungen (Knochenverletzungen) als nach Weich-
theil8 wunden.
Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit der Aetiologie.
Die ausgedehnten Kriegserfahrungen führten allgemein zu der Ueber-
zeugung, dass in erster Linie die Knochensplitter und die umberspritzenden
Bleitheile „durch ihren Reiz anf die periphere Ausbreitung denjenigen
Erregungszustand der sensiblen Nerven in Scene setzen, welcher für
das Zustandekommen der Krankheit eine nothwendige Bediogung ist.“
Diese durch die Art der Verletzung selbst gegebene Misshandlung der
Wunde fand bei einer grossen Anzahl von Weicbtbeilsschüssen ihr Ana¬
logon; hier waren im Schusscanal zurückgeblieben Fremdkörper — Kugeln,
Tuchfetzen, Waffentheile etc. —- die Quelle jenes Erregungszustandes.
48 mal waren es Geschosse und ihre Theile, 3 mal Steine, 18 mal Tuch¬
fetzen , 3 mal Papierfetzen, 4 mal Blechpartikel, 3 mal Lederstücke, welche
man wahrend des Starrkrampfs oder nachher in den Wundcanälen antraf.
Unter 8 im Schlosslazareth zu Versailles letal endenden Tetanusfällen
wurde 6 mal das Geschoss oder Gescbossfragment aufgefunden. Von
grosser Bedeutung schien ferner die Art und Dauer des aus den Fremdkörpern
in den Wundcanälen rührenden Nervenreizes zu sein. Eine heftige oder
oft wiederholte, wenn auch nur kurze, plötzliche Quetschung der ner¬
vösen Fasern durch bewegliche Fremdkörper birgt grössere Gefahr als
gelinder, gleichmassig anhaltender Druck eines unbeweglichen Körpers
auf die Nervenendigungen. Das häufige Vorkommen von Tetanus beim
Verwundeten-Transport und im Stadium der Wundeiterung erklärt sich
hierdurch. — Dass die Ursache des Tetanus nach oder beim Transport
erst in Erkältung — deren Einfluss in anderen Fällen durchaus nicht aus¬
geschlossen wird — sondern in den Nachtheilen des Transports selbst zu
suchen war, dafür sprachen in vielen Fällen die Veränderungen des
verletzten Gliedes, vor Allem die Wundumgebung. Das Eiterstadium
bietet doppelt günstige Gelegenheit für die Entstehung des Tetanus dar,
einmal durch Lösung der Fremdkörper, sodann durch Zersetzung der
Wundsecrete. Unter 150 der Prüfung zugänglichen Tetanusfällen fiel der
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Beginn des Starrkrampfes 111 mal auf die 8 tägige ominöse Periode
vom 4. bis 11. Tage nach der Verwundung. — Eine genaue Erörterung
erfahrt alsdann die Hypothese, ob der Wundstarrkrampf als eine
Infectionskrankheit zu betrachten sei; das Material des Feldzuges
liefert hierfür keinen positiven Anhalt, aber die Frage ist in ein neues
Stadium getreten durch die in jüngster Zeit (1884) mit Erfolg vorgenom¬
menen Impfungen, nach denen es entschieden zu sein scheint, dass
Tetanus vom Menschen auf Kaninchen übertragen werden kann, spater
wnrde eine Versuchsreihe bekannt, aus welcher hervorgeht, dass durch
Impfung mit mancherlei Erdproben bei Thieren ein dem Tetanus identischer
Symptomencomplex zu Sunde gebracht werden kann; wurden die Eidproben
vor der Impfung auf 190 ° C. erhitzt, so blieb der vorher regelmassig
positive Impferfolg aus. „Hierdurch ist als erwiesen anzuseben, dass
Bacillen existiren, welche bei Thieren, in tiefere Wunden gelangend,
tödüicben Tetanus hervorrufen.“ Für den menschlichen Tetanus mag,
da sich verschiedenerlei Erde als so ergiebige Quelle der Tetanus-Erreger
gezeigt hat, einstweilen die Möglichkeit einer Wundverunreinigung durch
Erde beachtet werden. — Es ist hervorzuheben, dass auch hier bei der
Frage der Tetanus-Aetiologie das Werk nicht auf dem Standpunkt des
Jahres 1870 steht, sondern die Errungenschaften unserer Tage verwertbet
hat — die Impfversuche mit Erde zur Erzeugung von Tetanus sind am
25 December 1884 publicirt — Der dritte Abschnitt handelt von dem
pathologisch-anatomischen Befund.
Die anatomischen Untersuchungen worden wahrend des Feldzuges
an ca. 80 dem Wundtetanus Erlegenen angestellt, sie erstreckten sich
zum Theil nur auf die peripheren, von der Verwundung getroffenen
Nerven, zum Theil auch auf aie Veränderungen des Hirns und Rücken¬
marks, und nur in der Minderzahl der Falle auf das gesammte Nerven¬
system und sammtliche Körperorgane.
Zuerst werden die auf den Tetanus bezüglichen Stellen der Sections-
protokolle originaliter mitgetheilt, dann folgt die Besprechung der in
der reichen Litteratur von verschiedenen Autoren beobachteten patho¬
logischen Befunde, es wird hervorgeboben, dass man nur solche Ver¬
änderungen als Ursache des Tetanus wird gelten lassen können, die
schnell zu entstehen und schnell wieder zu verschwinden im Stande sind,
dass aber tiefer eingreifende Veränderungen, welche sich bei den Sec-
donen in den centralen Organen gefunden haben, als Folgezustande der
Krankheit, nicht aber als ihre Ursache aufgefasst werden müssen.
Häufiger als an den nervösen Centren ergaben die Secdonen an den mit
der Wunde in Verbindung stehenden peripheren Nerven positive Ver¬
änderungen; neben den primären Verletzungen, Zerreissungen, Ein¬
reissungen, Quetschungen etc. fanden sich bei den Tetanus-Sectionen:
Blutergüsse in der Nervenscheide, Neuritis, grünliche Verfärbung der
gequetschten Nervenparden mit Verfettung der Nervenfasern u. 8. w.
Es ist bei der pathologischen Anatomie des Tetanus nicht zu vergessen,
dass durch einzelne, aber ganz sichere Beobachtungen jetzt zur Evidenz
bewiesen ist, dass eine functioneile Erhöhung der Erregbarkeit
eines Nerven bestehen und zum Tetanus Veranlassung geben
kann, ohne dass die Section dann auch nur eine Spur
neuritischer oder perineuritischer Processe finden lässt;
diese supponirte erhöhte Erregbarkeit ist experimentell nachgewiesen
und gemessen: in einem Fall von Tetanus, welcher von einem Schnitt
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in den linken'Daumen aasging, empfand der Kranke am linken Arme
schon bei Anwendung von 8 galvan. Elementen lebhaft brennende Schmerzen,
nnd bei Stromwendnngen erfolgten Zackungen, am rechten gesunden Arm
trat beides erst bei sehr viel höheren Stromstärken ein.
Der vierte Abschnitt schildert die Symptome und den Verl an f
des Tetanus. Die reizvolle Darstellung des Krankheitsbildes ubergehend,
erwähnen wir aus diesem Abschnitt nur, dass der Tetanus auch im
Feldzug 1870/71 rücksichtlich der Prognose seinen hergebrachten üblen
Ruf bewährte. Von den 326 Erkrankten genasen 31, mithin betrug die
Mortalität 90,5%* Das alte chirurgische Gesetz „je später der Wund-
Starrkrampf ausbricht, desto milder verläuft er* bewahrheitete sich, und
auch der Hippokratische Aphorismus „wer mit Tetanus den 4. Tag
überlebt, kommt durch* bat nach den Feldzugs-Erfahrungen viel für
sich. Am Schluss folgen einige interessante Aufzeichnungen über
nervöse Nachkrankheiten des Tetanus.
Der fünfte Abschnitt ist der Behandlung gewidmet. Bei der
chirurgischen Behandlung haben Nerven-Durch- und Ausscbneidung
ebenso wie Amputation des verletzten Gliedes schlechte Resultate
gegeben, die nicht zu ferneren Versuchen ermuntern. Die Amputation
oder Exarticulation eines grösseren Gliedes darf man nur bei der
Unmöglichkeit seiner Erhaltung, niemals aber des Tetanus wegen
für indicirt halten. Die Extraction fremder Körper, welche
theoretisch (cfr. oben) als ein sehr brauchbares Mittel gegen den Wund¬
starrkrampf erklärt zu werden verdient, wurde im Feldzug oftmals
praktisch verwerthet und bewährte sich gut. Man fand bei 26 Tetanischen
während des Lebens das Geschoss, seine Fragmente oder andere Fremd¬
körper und hatte 8 mal die unverhoffte Freude, hiermit die ganze
Krankheit zu beseitigen; nachdem dann noch die sich vielfach wider¬
sprechenden Erfahrungen über die nach dem Feldzug erst in Aufnahme
gekommene Nervendehnung angeführt sind, wendet sich der Abschnitt
zur medicinisch-diätetischen Behandlung. Höchst interessant sind die Mit¬
theilungen über den Werth der Chloralbehandlung: „es machte sich
nach sehr reicher Anwendung dieses Medicaments fast allgemein die
Erkenntniss geltend, durch das Mittel könne wenigstens das Symptom der
Starre mit beinahe stetem Erfolge angegriffen werden. Auch die Reflex¬
krämpfe erlitten durch Eintritt von Schlaf fast immer eine Unterbrechung,
der Kranke konnte sich erholen, der Nabrungszufuhr stand nichts im
Wege. Auf diese Weise gelang es, den raschen Eintritt des Todes zu
verhüten, die Schmerzen zu mildern, den Unglücklichen in ein erträg¬
liches Dasein zu versetzen. Erweckte diese vorübergehende Besserung
schon ein gewisses Zutrauen, so erwarb sich das Cbloral durch eine
Reibe von Heilerfolgen ein noch grösseres Ansehen.* Hier folgt wieder
eine Reihe beweisender Krankengeschichten.
Nach dem Chloral werden die Wirkungen und erzielten Resultate
mit Chloroform-Inhalationen, mit Opiaten, mit Präparaten der Calabar-
Bohne, mit Curare, Bromkalium, Amylnitrit, Elektricität etc. besprochen.
Der vorstehenden flüchtigen Skizzirung des Inhalts des 5. Capitels
würde ein wesentlich charakterisirendes Moment fehlen, wenn wir die
am Schluss desselben gegebene Recapitulation fortliessen. Die lapidare
Form, in welcher in kurzen prägnanten Sätzen die Resultate mühseliger
Untersuchungen zusammengefasst sind, finden wir häufiger in dem
Kriegsbericht, sie sind geradezu charakteristisch für das ganze Werk:
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»Ein Rackblick auf die Erfahrungen des Feldzugs über die Aetio-
iogxe und Therapie dee Wundtetanus ergiebt folgende Sätze:
1) Begünstigend auf den Ausbruch des Wundstarrkrampfs wirkten
vor Allem die in den Wunden zurückgebliebenen Fremdkörper: Kugeln,
Knocbenstücke, Kleiderfetzen, Steine, Verbandgegenstände.
2) Durch die mehr oder weniger leichte Retention dieser Fremd¬
körper war für die Häufigkeit des Tetanus der anatomische Sitz der
Verwundung entscheidend, insofern die Scbnssverletzungen des Ober-
und Unterschenkels den bei Weitem überwiegenden Procentsatz der Er¬
krankungen ausmacben.
3) Ausser der mechanischen Schädigung der Wunden, deren Folgen
auch in der häufigen Erkrankung während des Transportes bemerklich
waren, wirkten chemische und thermische Einflüsse (letztere nicht
immer zweifelsfrei) auf die Tetanusfrequenz begünstigend.
4) Der infectiose Charakter des Wundtetanus fand durch beweisende
Beobachtungen eine genügende Basis nicht
6) Der ad 1 aufgeführte Grund gebietet prophylaktisch die Ent¬
fernung der Fremdkörper. Auch nach dem Eintritt des Starrkrampfes
wurde wiederholt durch Wegnahme des Nervenreizes die Krankheit
direct geheilt Grossere Operationen, welche den Zweck verfolgten, in
der den Reiz leitenden Nervenbahn eine Unterbrechung herzustellen
oder diese Bahn ganz auszuschalten, hatten sehr schlechte Resultate.
Dies gilt bis jetzt auch für die neuerdings von Vogt und Kocher em¬
pfohlene Nervendehnung.
6) Ebenso sehr empfiehlt sich prophylaktisch eine möglichst voll¬
kommene Ruhigstellung des verletzten Gliedes und ein schonender
Transport
7) Die Forderung, die von der Wunde selbst ausgehenden chemischen
Schädlichkeiten für die Entstehung des Tetanus auszuschliessen, macht
eine milde, reizlose Behandlung nothwendig. Die im Jahre 1870 übliche
Wundtherapie erfüllte diese Indication nicht. Grössere Hoffnungen
darf man auf die antiseptische Wundbehandlung setzen, da sie am zu¬
verlässigsten die Zersetzungsprocesse in der Wände hemmt. Zugleich
wird durch dieselbe der aus einem häufigen Verbandwechsel resultirende
und für die Entwickelung des Starrkrampfs günstige mechanische Reiz
vermieden.
8) Wägt man die Zahl der behandelten Fälle und die Zahl der
Heilungen bei demselben medicinisch-therapeutischen Verfahren gegen
einander ab, so gebührt dem Chloralhydrat in grossen Dosen per os et
per anum der Vorzug. Dasselbe verschaffte gleichzeitig die grösste
Schmerzerleichterung und die beste Euthanasie. Das Chloroform erwies
sich unschätzbar, um die locale Behandlung zu ermöglichen; Calabar
und Curare waren nutzlos, die Opiate Ständen dem Chloral an Werth
nach. Ausgezeichnete Erfolge hatte die Elektricität, doch war die Zahl
der Fälle zu klein, um ein definitives Urtheil über ihren Werth abzu¬
geben. —
Man ist bis jetzt gewohnt gewesen, den Tetanus als eine rein
function eile Erkrankung ohne nachweisbare pathologisch-anatomische
Basis zu betrachten. Die Sectionsbefunde während des Krieges haben
Niemanden eines Besseren belehrt
Die tonischen Muskelkrämpfe in den verschiedenen Nervenbahnen be¬
weisen, dass die die Krankheit bedingende centrale Affection
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in dem Rückenmark zu glichen ist, wohin sie bei dem Wandtetanns
durch den Erregungszustand eines peripheren sensiblen Nerven über¬
tragen wird.
Welche Veränderungen ihr hier zu Grunde liegen, dies zu erkennen,
scheinen die heutigen Hülfsmittel nicht auszureichen.
Die Unterscheidung verschiedener Formen des Tetanus, wie sie
noch von einigen Chirurgen des Feldzugs beliebt wurde, ist weggefallen,
da die einzelnen Formen nur Tbeilerscbeinungen des Tetanus sind.
Auch ist von einer Einteilung in eine acute und chronische Form Ab¬
stand genommen. Man kann nie voraussehen, ob die eine oder andere
sich entwickeln wird; in den Symptomen lassen sie nur quantitative
Unterschiede erkennen.“ —
Vorstehende Zeilen können natürlich nur den Zweck haben, durch
die fluchtige Skizzirung des reichen Inhalts eines Capitels zu gründ¬
lichem Studium des jüngst erschienenen, in sich abgeschlossenen Bandes
des Kriegs-Sanitätsbericbtes anzuregen.
„Wer Vieles bringt, wird Manchem Etwas bringen“; in erster Linie
wird dies „Etwas“ natürlich dem Militärarzt in seiner Specialitat ge¬
bracht, aber auch der Friedens-Chirurg, der innere Cliniker, der Epi¬
demiologe, Neurologe und Psychiater finden reiche Belehrung in dem
Werk, auch ihnen allen kann man sagen: Greift nur hinein in’s volle
Dargebrachte,
„Und wo Ihr’s packt, da ist’s interessant!“ B—r.
Verhandlungen des Congresses für innere Medicin. Vierter
Congress, gehalten zu Wiesbaden vom 8. bis 11. April 1885. Im Auf¬
träge des Congresses herausgegeben von Dr. E. Leyden, Geh. Med.-
Rath etc., und Dr. Emil Pfeiffer, prakt. Arzt etc. Mit 13 Abbildungen
und 4 Tafeln. Wiesbaden, Verlag von J. F. Bergmann. 1885.
gr. 8°, 470 S8.
Da es nicht möglich ist, über den reichen Inhalt der auf dem Congress
gehaltenen Vortrage ausführlich zu berichten, so mögen hier vorwiegend
nur die Themata der Verhandlungen aufgezahlt werden, deren Stenogramme
in dem vorliegenden lesenswerthen Bande enthalten sind.
I. Sitzung. Ueber dieBehandlung der Fettleibigkeit. Ref. Ebstein und
Henneberg (letzterer als Vertreter der landwirthschaftlichen Fütterungs¬
lehre).
II. Sitzung. Hack: Ueber chirurgische Behandlung asthmatischer
Zustande.
Lustgarten: Demonstration der Syphilis-Bacillen.
Aug.Pfeiffer: Demonstration von Cholera-Präparaten und -Cultnren,
von besonderem Interesse durch die ad oculos demonstrirten Unterschiede
der Finkler’schen Cholera nostras-Bacillen von den Koch’schen Komma-
Bacillen.
Bostrom: Ueber Actinomycose (mit Demonstration von Actinomycen-
Culturen).
Unna: Ueber einen Fall geheilter Lepra tuberosa.
Immermann: Ueber larvirten Gelenkrheumatismus. Redner bat den
Namen gewählt nach Analogie der larvirten Malaria und versteht darunter
Erkrankungen, welche in jeder Beziehung dem Gelenkrheumatismus
gleichen, nur dass statt der Gelenkaffectionen acute Neuralgieen vor¬
handen sind.
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IH. Sitzung. Ueber Antipyrese. Bef. Filehne, Liebermeister.
Dieses Thema durfte wegen seines allgemeinen Interesses ein ausfuhr-
lieberes Eingehen rechtfertigen.
Bef. Fi leb ne giebt zunächst einen historischen Ueberblick ober die
Entwickelung der Antipjrese und geht schliesslich näher auf die neueren
Antipyretica und die Theorie ihrer Wirkung ein. Corref. Liebermeister
beleuchtet die Frage vom Standpunkte des Praktikers nach seinen all¬
gemein bekannten Grundsätzen; er stellt die wärmeentziehende Behand¬
lung durch Bäder als die Grundlage der Fieberbehandlung bin, neben
welcher die Antipyretica, speciell Chinin und Antipyrin — über welches
letztere er sich günstig aasspricht —, nur eine allerdings nützliche Reserve
bilden. — Bei der Discnssion treten alle die verschiedenen Meinungen
hervor, welche gerade auf diesem Gebiete zur Zeit bestehen.
Man kann als interessantes Factum resumiren, dass, während die
Bäderbehandlnnj; allseitig Zustimmung fand, man vielfach die Be¬
deutung der erhöhten Körpertemperatur im Sinne der Li ebermeister'schen
Doctrin negirte, demnach auch den chemischen temperatur-herabsetzenden
Mitteln eine Nebenrolle zuzuweisen bestrebt war. jedoch auch wieder eine
mögliche Wirksamkeit derselben gegen das Krankheitsgift an deutete.
Fast bei allen Bednern lässt sich constatiren, dass die Vorstellung von
den organisirten Krankheitserregern ihre therapeutischen Bestrebungen
regierte. Noch halb auf Liebermeister^schem Boden stand Bauer,
welcher die abkühlende Methode hochhält, die Wirkung derselben aber
nicht ausschliesslich in einer Herabsetzung der Körpertemperatur erblickt.
Dagegen stellen Strümpell und Henbner den Werth der Antipyrese
überhaupt in Abrede und schieben die Wirkung der Bäder lediglich auf
ihren toniairenden Einfluss. Einen vermittelnden Standpunkt nehmen ein
▼. Jaksch ond Stintzing. Ersterer constatirt, dass die Intensität und
Dauer der Erkrankung im Allgemeinen durch medicamentose Antipyrese
nicht gemildert und abgekürzt wird. Demgemäss sei dieselbe bei Pneu¬
monie ond Erysipelas lediglich auf den Eintritt byperpyretischer Tempe¬
raturen zu beschränken. Indicirt sei sie vorwiegend bei chronischen
Entzondungs- und Eiternngsprocessen, insbesondere bei Tuberculose, um
die Consnmption aufzuhalten; bei Typhus nur gegen hyperpyretische
Temperaturen und im Stadium der Lysis; gerade in der Continua, wo
Liebermeister sie empfiehlt, weist er sie ab. Speciell lässt sich Bedner
aus über Thallin und Antipyrin; beiden Mitteln kommen mächtige anti¬
pyretische Wirkungen zu, jedoch wirkt Thallin stärker, Antipyrin nach¬
haltiger, jenes macht mehr Schüttelfröste als dieses. Stintsing stimmt
nach den in der v. Ziemssen’schen Klinik gemachten Erfahrungen
v. Jakseh darin zu, dass die Antipyretica auf den Verlauf der Krank¬
heit keinen Einfluss üben, jedoch bessern sie — und zwar ganz besonders
Antipyrin — die subjectiven Beschwerden. Dasselbe muss aller¬
dings in grossen Dosen gegeben werden. Es wurden im Allgemeinen,
sobald die Temperatur über 38° stieg, 1—2 g, sobald sie über 39° stieg,
2—3 g Antipyrin gegeben; dabei blieb die Temperatur dann dauernd auf
einem niedrigen Niveau, und der Kranke (Typhus) bot das Aussehen
eines Gesunden, mit freiem Sensorium etc.*— Die Herabsetzung des
Fiebers als solche wird wieder in den Vordergrund des ärztlichen
Handelns gestellt von Bossbach und Thomas. Letzterer empfiehlt die
medicamentose Antipyrese in erster Linie, und erst bei ihrer Nutzlosig¬
keit Kaltwasserbehandlung. Als letzter der Redner schliesst Jürgensen
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wieder die Kette zu Liebermeister, kann sich jedoch ebenfalls nicht
enthalten, in ^er Bäderwirkung etwas mehr zu sehen, als die blosse
Wärmeentziebung. In seinem Schlusswort constatirt Liebermeister,
dass die heilsame Wirkung der Bäder, wenn auch unter verschiedenen
Gesichtspunkten, allgemein anerkannt worden sei, und wendet sich speciell
gegen das von Thomas empfohlene Verfahren, da die Wirkung der
Bäder hauptsächlich in der Verhütung schlimmer Folgezustäude ge¬
legen sei.
Die IV. Sitzung bringt eine Reihe von kleineren Vorträgen.
V. Sitzung. Lieber Bronchial-Asthma. Ref. Curschmann,
Riegel.
VI. Sitzung. Lehr: Ueber künstliche Sprudelbäder.
Rehn-Pfeiffer: Demonstration eines Knaben mit Rheumatismus
nodosus.
Fürbringer: Ueber Albuminurie durch Quecksilber und Syphilis.
“t* Er machte die Beobachtung, dass durch die mercurielle Behandlung
8 pCt der Patienten albuminuriscb wurden, wofür eine individuelle Dis¬
position angenommen werden muss. Diese Albuminurie war stets eine
vorübergehende. Durch die Syphilis entstandene Albuminurie wurde
in 12 pCt. der Fälle beobachtet Sie tritt um den Termin der Akme
der Roseola auf und schwindet durch Mercur.
Fleischer: Ueber Urämie.
Edlofsen: Zur Statistik und Aetiologie des Gelenkrheumatismus.
— Redner berichtet über eine Art von Sammelforschung, welche er über
Gelenkrheumatismus angestellt hat (in Kiel), und bei welcher er
845 Fälle benutzt hat. Er ist hauptsächlich der Frage nach der Aetiologie
nachgegangen, und es hat sich dabei herausgestellt, dass die Erkrankungs-
ziffer an Gelenkrheumatismus in den einzelnen Monaten weder zu der
mittleren Grösse der Temperatorschwankungen, noch zu der mittleren
Mouatstemperatur in Beziehung steht, so dass eine Abhängigkeit dieser
Krankheit von Erkältungseinflüssen sehr unwahrscheinlich ist Dagegen
haben sich Beziehungen zu den Niederschlägen ergeben. Erhebliches
Sinken der Niederschlagsmengen begünstigt die Erkrankung in hohem
Maasse. Steigen der Niederschlagsmenge bei relativ hoher mittlerer
Temperatur hemmt die Entwickelung der Krankheit. Reichlicher Nieder¬
schlag bei relativ niedriger Temperatur vermag weniger die Entstehung
der Krankheit zu verhüten. Bezüglich dieses letzteren Punktes, welcher
die Beobachtung zum Grunde hat, dass der die Zahl der Erkrankungen
herabsetzende Einfluss der zunehmenden Niederschläge sich für die
Wintermonate viel weniger geltend macht als für Sommer und Herbst,
zieht Redner den Umstand zur Erklärung heran, dass der durch das
Heizen veranlagte Luftstrom die im Untergründe nistenden Krankheits¬
organismen in die Wohnungen befördere. Es hat sich nämlich weiterhin
ergeben, dass der Gelenkrheumatismus mit Vorliebe in bestimmten
Häusern vorkomme. Redner nennt ihn deshalb eine Hauskrankheit
und macht die Entstehung derselben abhängig von dem Untergrunde.
Er empfiehlt demnach für Personen, welche eben Gelenkrheumatismus
überstanden haben, Veränderung der Wohnung. Statistisch bemerkt er,
dass die Mortalität seit Einführung der Salicylsäure-Behandlung geringer
geworden ist. — Bei der Discussion macht Jürgensen die beachtens-
werthe Mittheilung, dass sich das Auftreten der Endocarditis schon sehr
früh ankündige durch Fieberbewegungen, welche Mittags culminiren,
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wahrend sie Abende schon vorüber sind und deshalb leicht ubersehen
werden.
.Die VII. Sitzung diente hauptsächlich geschäftlichen Mittheilungen.
Binz sprach „über neuere Arzneimittel*. Goldscheider.
Dr. J. König: „Ueber die Principien und die Grenzen der
Reinigung von fauligen und faulnissfähigen Schinutzwässern*.
(Berlin, Verlag von Julius Springer, 1885.)
Der auf dem Gebiete der Hygiene rühmlich bekannte Verfasser hat
zur Klärung dieser in letzter Zeit viel besprochenen Frage eingehende
Studien gemacht. Er corrigirt in diesem Buche die vielfach irrigen An¬
sichten und unterwirft die üblichen Reinigungsmethoden einer eingehenden
Kritik. Seine Ausführungen beziehen sich nur auf die fauligen industriellen
Abgangswässer, und auf die städtischen nur insofern, als sie, frei von
Abortstoffen, bloss aus den weniger schmutzigen Spülwässern (einschl.
Harn aus öffentlichen Pissoirs) bestehen. Die erste der üblichen
Reinigung8metboden ist die durch Berieselung. Ihre Wirksamkeit wird
gewöhnlich der Absorptionskraft des Bodens zugeschrieben. K. zeigt,
dass gelöste Mineralstoffe weniger durch die Absorptionskraft des
Bodens festgehalten werden, sondern vielmehr von den Pflanzen direct
und um so stärker aufgenommen werden, je grösser deren Bedürfnis an
Mineralstoffen ist. Die suspendirten Schlammstoffe werden allerdings
mechanisch durch den Boden niedergeschlagen, die gelösten organischen
Stoffe absorbirt und oxydirt zu bezw. Kohlensäure, Schwefelsäure und
Salpetersäure. Bei dieser Oxydation spielt die Mitwirkung der Mikro¬
organismen eine Rolle. Diese natürliche Reinigungskraft des Bodens ist
selbstverständlich eine begrenzte; reicht sie nicht aus, so müssen künst¬
liche Verfahren gewählt werden.
Die zweite Methode, die der Filtration durch den Boden, steht
der Berieselung entschieden nach, weil die reinigende Wirkung der Nutz¬
pflanzen fehlt. Soll sie wirksam sein, so brauchte man eine grössere
Filtrationsfläche, als bei der Berieselung nothwendig ist.
Die dritte Methode der Reinigung ist die durch chemische Fällungs¬
mittel. Es ist zuzugeben, dass dieselben wohl suspendirte Schlammstoffe
und üblen Geruch beseitigen, aber ihre Wirksamkeit in Bezug auf gelöste
Fäulnissstoffe bestreitet K. entschieden. Im Gegentheil sollen sich nach
diesem chemischen Reinigungsverfahren, z. B. bei Ueberschuss von Kalk,
die Fäulnissstoffe noch vermehrt zeigen. Es folgt sodann ein kurzer
Ueberblick über die mechanisch wirkenden Reinigungsmethoden, und dem
schliesst K. neue Vorschläge an. Bekanntlich wird durch Sauerstoff¬
zufuhr zu den Schmutzwässern die Oxydation begünstigt und das Auf¬
treten von übelriechenden Fäulnissproductep verhindert, und zwar erfolgt
die Sättigung mit Luftsauerstoff am schnellsten, wenn die Wässer in
feinem Staubregen an der Luft ausgebreitet werden. Ausserdem führt
Schornsteinloft ausser Kohlensäure und fäulnisshemmenden Destillations*
producten solchen Wässern Sauerstoff zu. Beide Factoren benutzt K.
und empfiehlt einen im Detail näher im Original zu studirenden Apparat,
durch den das mit chemischen Fällungsmitteln versetzte Schmutzwasser
zur Aspiration von Schornsteinluft in ein Reservoir gehoben, und wo
dann durch Wasserstrahlpumpen sprühregenartig eine Lüftung des Wassers
erfolgt Diese Reinigungsweise ersetzt eine Bodenberieselung, wo eine
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solche nicht ausführbar ist. Am Schlüsse formulirt K. die Resultate
seiner Arbeit in kurzen Thesen. Das Bach verdient bei der Wichtigkeit
.des Gegenstandes hervorragendes Interesse. Langhoff.
Dr. G. L. Tor m valdt: „Ueber dieBedeutung der bursa'pharyngea
für die Erkennung und Behandlung gewisser Nasenrachen¬
raum- Krankheiten.“ (Wiesbaden, Verlag von J. F. Bergmann,
• 1885.)
Der Verfasser, rhinoskopischer Specialist, behandelt in diesem Buche
die eine. bestimmte Region des Nasenrachenraumes betreffenden Krank¬
heiten, denen eine besondere, bisher nicht gewürdigte Bedeutung
cukommen soll. Die bursa pharyngea ist ein Anhang des Schlundkopf-
gewölbes, in dem Winkel gelegen, wo die pars basilaris des Hinterhaupt¬
beines mit dem Körper des Keilbeines verwachsen ist; ihre Eingangs-
offhung sieht man rhinoskopisch gerade in der Mittellinie des Rachendaches,
ungefähr in der Mitte des Abstandes zwischen oberem Choanenrand und
Protuberanz des Atlas. Die dieser Partie zukommenden Krankheiten
charakterisiren sich als Hypersecretion und Cystenbildung, uod ihre
Symptome vermischen sich mit denen des Nasenrachencatarrhs und
bedingen in anderen Organen Begleiterscheinungen (z. B. Ohrenkrank-
heiten, chronischen Kehlkopfscatarrb, Reflexhasten, Asthma). Die Therapie
bezweckt Heilung oder (galvanocaustische) Zerstörung der erkrankten
bursa. Ausführliche Krankengeschichten stützen die Argumentation des
Verfassers. Das Buch verdient das Interesse der qu. Specialisten.
_ Langhoff.
Kurzes Lehrbuch der normalen Histologie des Menschen und
typischer Thierformen von Dr. Arnold Brass, Marburg.
Cassel. Fischer 1885. 1. Lieferung, 80 SS. Mark 2. (In 5 bis 6
Lieferungen complet.)
Nach einem kurzen historischen Ueberblick als Einleitung behandelt
der Verfasser im ersten Abschnitt die Zelle und Zelltheilung, und zwar
in der Reihenfolge: allgemeine Eigenschaften der Zelle, allgemeine Ge¬
staltungslehre, allgemeine Lebenserscheinungen, Vermehrung, Untergang,
Grösse und ihr Verhaltniss zur Lebensenergie derselben. Der zweite
Abschnitt ist den Geweben gewidmet. Nach allgemeinen Bemerkungen
über die einfachen und complicirten Gewebe werden einfache Organismen
(Spaltpilze, Protozoen, Mesozoen, Metazoen) abgehandelt, dann wird eine
Uebersicht der wichtigsten Gewebe, welche im höheren Thierkörper
Vorkommen, gegeben. — Einem grossen Theile der Mittheilungen liegen
eigene Untersuchungen des Verfassers zu Grunde, welche leicht von
Jedem controlirt werden können, und sind absichtlich nur solche von
den bisherigen abweichende Beobachtungen mitgetheilt. Von Praparations-
methoden sind die anerkannt einfachsten und besten mitgetheilt* — Die
in den Text gedruckten erläuternden Zeichnungen sind vortrefflich und
durchaus geeignet, dem ganzen Werke zum besonderen Nutzen zu ge¬
reichen. — Das Buch ist populär im besten Sinne des Wortes geschrieben,
es liest sich ausserordentlich angenehm und leicht und wird namentlich
für Studirende, die „des trockenen Tones satt“ sind, eine sehr will¬
kommene Form des Studiums bieten. — Die äussere Ausstattung ist dem
Preise entsprechend. _ Breitung.
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Neve Methode der Chloroformirnng. — Bert. II Morgagni. Napoli
8./VIII. 85. -
Durch zahlreiche Versuche ist B. zu der Erfahrung gelangt, dass es,
um mit Vermeidung jeder Gefahr, eine CHC1 3 Narkose zu erzielen,
nicht auf die Menge des absorbirten Anaestbeticums ankommt, sondern
auf „die Tension 44 oder das Verhältnis der CHC1 3 - Menge zu einem
Liter Luft. Man kann in einigen Stunden einen Hund „colossale“
Mengen CHCls einatbmen lassen in dem Verhaltniss von 4 grau auf
1 Liter Luft, ohne Narkotisirung zu erreichen; dahingegen stirbt der Hund
in wenigen Minuten, wenn der gleichen Menge Luft mehr als 16 grm
Chloroform beigegeben sind. — Die Menge, um eine für chirurgische
Zwecke ausreichende Anaestbesie beim Hunde zu erzielen, beträgt 8 grm
Chloroform auf 100 Liter Luft; um ihn zu todten, ist die doppelte Dosis
erforderlich.
B. beobachtete, dass der Mensch glücklicherweise eine bessere
Widerstandsfähigkeit gegen ein stärkeres Luftgemenge mit Chloroform
besitzt, und dass kein merklicher Unterschied besteht bezüglich der Wir¬
kung beim Erwachsenen, beim Rind, beim Säufer, beim Nüchternen, beim
Kranken und Gesunden.
Cm einen Menschen behufs chirurgischen Eingriffes zu narkotisiren
und jede Gefahr zu vermeiden, ist nur die Beobachtung einer Regel zu
beachten. Verfasser beginnt die Narkose mit einem mehr als ausreichen¬
den Gemenge von 10 grm CHCls auf 100 Liter Luft; ist Anaestbesie
eingetreten, so unterhält er dieselbe durch eine Mischung von geringerer
Tension, nämlich von 6 grm CHCls auf 100 Liter Luft, die genügt. —
Die „rigorose“ Dosirung wird mit einem sehr einfachen Apparat ausge-
fuhrt, der jeden Irrthum vermeiden und mit Leichtigkeit das Mischungs-
verhältniss ändern lässt. Dank diesem Apparat kann man für Stunden
den Chloroformgehalt des Blutes constant erhalten, es findet keine „Accu-
mulation“ statt. Dass die Inspirationsluft dieselbe Tension enthält wie die
Exspirationsluft, beweist folgendes Experiment: Lässt man einen Hund ein
genau dosirtes ChJoroform-Luft-Gemenge einathmen, dessen Exspirations¬
luft einen zweiten, dessen einen dritten, dessen einen vierten inspiriren,
so tritt beim vierten Hund genau zu derselben Zeit die Anaesthesie ein wie
beim ersten, aber zu dieser gesellen sich asphyktische Zustände, welche
durch die der Exspirationsluft beigemengte C0 2 bewirkt werden.
_ Breitung.
Chirurgische Erfahrungen in der Rhinologie und Laryngo-
logie aus den Jahren 1875—1885. Von Dr. med. Max Schaeffer
in Bremen. Mit sieben Abbildungen. Wiesbaden. Verlag von J. F.
Bergmann 1885.
Verf. theilt in anregender Form Erfahrungen aus seiner specia-
lktischen Praxis mit. Goldscheider.
Jean .Dominique Larrey. Ein Lebensbild aus der Geschichte der
Chirurgie. Nach seinen Memoiren entworfen von Dr. med. H. Werner
in Mariegroningen. Stuttgart Verlag von Ferdinand Enke. 1885.
Vert giebt nach Excerpten aus Larrey’s Memoiren ein kurzes Bild
von dem Leben und Wirken dieses erfahrungsreichsten Kriegschirurgen
aller Zeiten. Bei 24 Feldzügen in 3 Erdtheilen hat derselbe nicht nur
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für ßeioe Zeit gewirkt, sondern der Kriegschirurgie and dem ganzen
Kriegssanitätswesen Fortschritte geschaffen, welche ihm nicht mehr
verloren gegangen sind. Diese bestanden hauptsächlich in der Durch¬
führung des Gedankens der Primär-Operationen. Den Schwerver¬
letzten durch möglichst baldige Operationen, namentlich Amputationen
und Exarticulationen, das Leben zu erhalten, während sie bis dahin in
Folge der Schwerfälligkeit der Ambulancen massenhaft zu Grunde
gingen, ehe sie überhaupt der ärztlichen Hülfe theilhafdg wurden,
war sein Ziel. Er schuf zu diesem Zweck die „Ambulance volante“,
welche, leichtbeweglich, den Verwundeten im Feuer die erste Hülfe
brachte und sie den Lazarethen zuführte. Diese Einrichtung hat in den
Napoleonischen Feldzügen segensreich gewirkt und ist auf die anderen
Armeen übergegangen. Von besonderem Interesse sind in der lesens¬
werten Schrift die Schilderungen über die Sanitäts-Verhältnisse in den
Napoleonischen Feldzügen in Egypten und Russland.
Goldscheider.
Dreschfeld: Ueber Wanderpneumonie.
Seit April 1884 konnte Vf. in Manchester eine besondere Form von
Pneumonie beobachten, welche von der gewöhnlichen crouposen Pneumonie
in manchen Stücken abweicht und mehrfache Aehnlichkeiten mit epi¬
demischer Pneumonie zeigt. Er bezeichnet diese als „creeping pneumo-
nia, u weil sie, oft schleichend beginnend, in ziemlich langsamer Weise die
ganze Lunge oder einen Lungenflügel durchwandert, entweder von der Spitze
aus zur Basis oder in umgekehrter Richtung. Die beobachteten Fälle scheinen
sich nach zwei Tagen zu sondern. In der ersten Gruppe, welche die grosse
Mehrzahl der Fälle umfasst, beginnt die Erkrankung ohne Frost, Er¬
brechen, Brustschmerzen und physikalische Symptome. Die ersten
Zeichen sind die der Allgemeinerkrankung, Fieber und Verlust des
Appetites. Am 3. oder 4. Tage zeigen sich die ersten physikalischen
Zeichen der Krankheit: Dämpfung und crepitirendes Rasseln, meist in
der Lungenspitze. Während der nächsten Tage dehnt sich unter mässig
hohem Fieber der pneumonische Process bis zur Basis der ergriffenen
Lunge aus; während die zuerst ergriffenen Theile die Erscheinungen der
Hepatisation geben, findet man in den zuletzt erkrankten Knisterrasseln.
In einigen Fällen greift der Process langsam auf die andere Lunge
über, in anderen bleibt er einseitig. Er zeigt einen etwas protrabirten
Verlauf von 10—20 Tagen, nur in sehr wenigen Fällen kommt es zu
einer wirklichen Krisis, meist zu allmäliger Abnahme der einzelnen
Symptome. Die Temperatur ist niemals sehr hoch, der Puls selten
über 120; Sputum fehlt während der ganzen Dauer der Krankheit,
oder, wo einige Expectoration beobachtet wird, ist doch kein rost¬
farbenes Sputum vorhanden. Dagegen ist die Prostration sehr gross,
Delirien und andere nervöse Symptome begleiten die Erkrankung. In
den meisten Fällen erscheint einige Tage nach dem Beginne der Er¬
krankung Eiweiss im Harne. Die Prognose dieser Form ist eine be¬
denkliche; die Sterblichkeit betrag 40% der beobachteten Fälle. Der
Sectionsbefund ist der gleiche, wie bei genuiner croupöser Pneumonie.
Die zweite Gruppe von Fällen unterscheidet sich von der ersten durch
einige wesentliche Momente. Die Erkrankung beginnt mit Frost und
hoher Temperatursteigerung, bald darauf erscheint als erstes physi¬
kalisches Symptom Knisterrasseln. Nachdem das Fieber einige Tage
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bestanden hat, kommt eine Periode des Fiebernachlasses und darauf
folgt eine zweite Pyrexie, abermals von Frost eingeleitet und von phy¬
sikalischen Zeichen begleitet, welche auf eine Ausdehnung des Processes
scbliessen lassen. Die Abwechselung des Fiebernachlasses und Anstieg
geht, wenn der Process beide Lungenhälften ergreift, über einige Wochen
fort Eine Eigentbümlichkeit dieser Fälle ist die profuse, blutige Ex-
pectoration, so dass das Sputum zuletzt dem phthisischen gleicht Die
Prognose ist eine bessere; von 5 beobachteten Fällen starb nicht einer.
Mehrere Beobachtungen deuten auf die infectiose Natur der in Manchester
beobachteten Form von Pneumonie hin. Es erkrankten häufig mehrere
Mitglieder einer Familie, es wurden gleichzeitig ungewöhnlich viele Fälle
von Spitzenpneumonie ohne Frost und Sputum beobachtet, die nicht über
die Lungenspitze hinausschritten; endlich trat die gleiche Form von
Pneumonie häufig als Complication zu anderen Erkrankungen in der
Inßrmary hinzu.
(The Medical Chronicle; 1885. Aug. — W. M. W., 1885, No. 37.)
Pawlovsky fand bei seinen Versuchen bezüglich der Pneumonie¬
kokken in der Luft, dass 1) die aus der Luft erhaltenen Mikroorga¬
nismen pathogene Eingenschaften besitzen und 2) diese Mikroorganismen
croupose Diplokokken sind.
Em merich fand dieselben in der Zwiscbendeckfüllung eines Ge¬
fängnisses, wo Pneumonie jahrelang endemisch geherrscht hatte. Der¬
selbe erhielt Reinculturen und erzeugte bei verschiedenen Thieren
Pneumonie. (Ebenda.) Besnard—München, f
Mittheiluiigen.
Etatsvorlagen bezüglich des Militär-Medicinalwesens und ihr
Schicksal im Reichstag.
Es ist bekannt, wie unsere unermüdliche Militär-Verwaltung in dem
steten Streben, die Fortschritte der Wissenschaft überall der Armee nutz¬
bar zu machen, seit langer Zeit dem Gedanken näher getreten ist, die
grossartigen Wohltbaten der Antiseptik dem Soldaten im Kriege vom
ersten Verbände ab zu Theil werden zu lassen. Welche ungeheueren
Schwierigkeiten die Durchführung dieses Gedankens mit sich bringt,
dürften sich wenige Aerzte ganz klar gemacht haben; es ist eben etwas
himmelweit Verschiedenes, gelegentlich ein Kriegslazareth — etwa augen¬
blicklich in Serbien, oder Bulgarien — mit antiseptischem Material zu
versehen, oder dafür zu sorgen, dass der gesammten deutschen Armee
io jedem Augenblick, wo die Action es verlangt, die Möglichkeit und
Sicherheit gegeben sei, antiseptisch zu behandeln. Im April 1884 war
auf Anregung Ihrer Maj. der Kaiserin im Kriegsministerium eine Conferenz
zusammengetreten, deren Berathungen sich in erster Linie auf die Ein¬
führung einer strengen und methodischen Antiseptik bei den Sanitäts¬
formationen des Krieges und die dafür erforderlichen Einrichtungen
bezog. Die änsserst bedeutungsvollen Verhandlungen dieser Conferenz,
welcher von der Militärverwaltung jeder nothwendige Einblick in die
jetzige Organisation, in das Material aller Art gewährt wurde, sind nicht
veröffentlicht worden. Heute treten die ersten Resultate zu Tage; gestützt
4
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50
auf die Ergebnisse jener Conferenz, beantragt die Militärverwaltung im
Etat Preussens*} für 1886/87 in Cap. 5 Pos. 48 „zur Beschaffung bezw.
Herrichtung derjenigen Verbandmittel und Geräthe, welche erforderlich
sind, um die antiseptische Wundbehandlung im Felde und in armirten
Festungen, der jetzigen Methode vollständig entsprechend, zur Durchführung
zu bringen, erste Rate 806 000 Mark*. Die Erläuterung hierzu lautet
wie folgt:
„Im Jahre 1884 wurde eine Conferenz veranstaltet zur Besprechung
der während der Ausstellung im Jahre 1883 auf dem Gebiet der Hygiene
und des Rettungswesens gemachten Erfahrungen und des daraus für die
Armee zu ziehenden Nutzens. Diese Conferenz von erfahrenen Sanitäts¬
offizieren und Autoritäten auf dem Gebiet der Chirurgie und des Kranken¬
transportwesens bestätigte einstimmig die Ansicht der Militärverwaltung,
dass es durchaus noth wendig und sehr wohl möglich sei, jedem im
Felde etc. verwundeten Soldaten die Wohlthaten der antiseptischeo
Wundbehandlung angedeihen zu lassen. Die Militärverwaltung hat es
deshalb in Ergänzung der schon vorher in dieser Richtung getroffenen
Maassnahmen nicht unterlassen, die bezüglichen Etats der Knegs-Sanitats-
Ordnung einer Neubearbeitung zu unterziehen, wonach sich ergab, dass
zur Ermöglichung einer vollständigen Durchführung der antiseptischen
Wundbehandlung im Kriege nach der durch Praxis und Wissenschaft
festgesteilten Methode für die preussische Militärverwaltung ein Kosten¬
aufwand von etwa 1180 000 M. zur Zeit erforderlich ist. Hiervon ent¬
fallen auf die schon im Frieden vorräthig zu haltenden antiseptischeo
Verbandmittel. 521000 M.
auf ärztliche Instrumente, Geräthe und Arzneibehältnisse . 439000 „
auf Verbandpäckchen zu Noth verbänden für jeden Soldate n 220 000 „
zusammen wie vor • . 1180 000 M.
Für das Etatsjahr 1886/87 wird beabsichtigt, die Beschaffung und
Umänderung des Materials sämmtlicher Feld-Sanitätsformationen, samrnt-
licher Arzneibebältnisse der Truppen und einzelner Grenzfestungen vor¬
nehmen zu lassen, was einen Kostenaufwand erfordert von
etwa. 806000 M.
während für 1887/88 .. 374000 M.
verbleiben zu den Beschaffungen etc. des antiseptischen Materials des
grössten Theils der Festungslazarethdepots, der Verbandpäckchen für
Soldaten und der gemischten Bestecke für stellvertretende Stabsärzte und
für detachirte Forts.*
Für das Etatsjahr 1886/87 wird also beabsichtigt, die Beschaffung
und Umänderung des Materials sämmtlicher oanitätsformationen,
sämmtlicher Arzneibehältnisse der Truppen und einzelner Grenzfestungen
vornehmen zu lassen. Hierin liegt eine Neueinrichtung, wie sie gross-
artiger in dem Material zur Pflege unserer Verwundeten noch nicht da¬
gewesen ist, in Zukunft werden wir von der Zeit dieser Umwälzung eine
neue Aera für die Kriegs-Chirurgie zu datiren haben. —
Unter den weiteren Etatspositionen des Militär-Medicinalwesens
Preossens werden unsere Leser aus Cap. 5 „einmalige Ausgaben* die
folgenden mit Interesse begrüssen:
*) Für Württemberg und Sachsen sind entsprechend kleinere Summen in den
Etat eingestellt.
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Pos. 40. Neubau eines Wärterwohnhauses und eines Waschhauses
mit De si n f ec tions-Anstalt bei dem 1. Garnison-Lazareth Berlin,
erste Bäte. 80000 M.
Diese Pos. wird gefordert, „weil die jetzige Vorrichtung zur Des-
inficirung der Bettgerätbe, Kleidungsstücke etc., bezw. zur Vernichtung
von Krankbeitserzeugern den neueren, wissenschaftlichen Anforderungen
nicht entspricht“.
Pos. 41. Erweiterung des Garnison - Lazareths in Thorn, dritte
Rate. 300000 M.
Pos. 42. Neubau und Ausstattung eines Garnison-Lazareths in
Rudolstadt, letzte Rate. 21 000 M.
Pos. 43. Neubau und Ausstattung eines Garnison-Lazareths in
Rawitsch, letzte Rate. 40000 M.
Pos. 44. Neubau einer Baracke auf dem Grundstück des Garnison-
Lazareths in Glatz. 23000 M.
Pos. 45. Neubau einer Isolir-Baracke und eines Leichenhauses bei
dem Garni8on-Lazareth in Schwerin. 27 800 M.
Pos. 46. Neubau und Ausstattung eines Garnison-Lazareths in Cassel,
fünfte Rate. 22 500 M.
Pos. 47. Neubau eines Latrinen-Gebäudes bei dem Garnison-Lazareth
in Mainz. 24 300 M.
Schliesslich haben wir Erwähnung zu thun der Pos. 2 in Cap. 24.
Danach haben wir jetzt in Preussen:
15 Generalärzte
davon 7 mit je 7800 M. Gehalt
8 - - 6600 -
255 Oberstabsärzte
davon 32 mit je 5400 M. Gehalt
94 - - 4800 -
129 - - 3600 -
367 Stabsärzte
mit je 2160 M. Gehalt.
An Stelle derjenigen Stabsärzte, welche bereits vor der Aufbesserung
des Gehalts im Jahre 1872 ein solches von 2400 M. bezogen haben,
bezieht eine gleiche Zahl der jüngsten Stabsärzte ein Gehalt von 1920 M.
661 Assistenzärzte
davon 257 mit je 1080 M. Gehalt
404 - - 900 -
Neu bei diesen Ansätzen sind 32 Oberstabsärzte mit je 5400 M.
Gehalt statt bisher 4800. Sehr sympathisch werden eich die Sanitäts¬
offiziere durch die Erläuterung hierzu berührt fühlen, welche lautet:
„Der Ansatz bezweckt eine Gehaltsverbesserung von zunächst 32 Ober¬
stabsärzten I. Classe um je 600 M. und entspricht einem in gleicher
Form zum Etat 1885/86 gestellten Anträge, der trotz Anerkennung seiner
sachlichen Berechtigung nur aus allgemeinen Etatsrücksichten nicht die
Zustimmung der Mehrheit des Reichstages fand. Der Antrag hat wieder
aufgenommen werden müssen, da die für ihn geltend gemachten dienst¬
lichen Interessen und Billigkeitsrücksichten noch fortbestehen bezw. es
erforderlich machen, die im Uebrigen bereits bestehende finanzielle Gleich¬
stellung der Oberstabsärzte I. ClaBse mit den Bataillons-Commandeuren
auch hinsichtlich des Gehalts ein treten zu lassen.“
4*
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52
In den Sitzungen am 15. und 16. December 1885 erledigte der
Reichstag die zweite Lesung des Militär-Etats, die hier besprochenen
Positionen wurden säromtlich genehmigt und durfte damit, da die dritte
Lesung voraussichtlich Aenderungen nicht bringen wird, die definitive
Annahme gesichert sein. — B—r.
Jedem unserer Leser dürften die beiden Bilder bekannt sein, die
man so häufig als schone Decoration im ärztlichen Studirzimmer trifft:
Nicolaus Tulpius, la le 9 ön d’anatomie von Rembrandt, und
Andreas Vesalins am Secirtisch von Hamman. Wahrend der
berühmte Rembrandt, dessen Original zu den ersten Zierden der Ga¬
lerie im Haag gehört, uns den bekannten Anatomen Tulp in sehr rear
lietischer Manier in seiner Thätigkeit, umgeben von sieben Schülern, zeigt,
ist in dem Ham manschen Bilde das wenig künstlerische Object, der
Leichnam, sehr decent gehalten, der herrliche Kopf des Vesal schaut zu
dem Bilde des Gekreuzigten auf und stellt als mächtig versöhnendes Mo¬
ment den inneren Kampf in den Vordergrund, den auch der Mann der
Wissenschaft durchmacht, ehe er an den Menschen das Secirmesser
an legt.
Die Verlagshandlung von E. H. Schröder (Berlin, Möckernstr. 137)
hat es unternommen, die beiden Bilder als Pendants — das erstere von
Süssnapp, das zweite von Milster lithograpbirt — herzustellen und
bietet dieselben in einer Bildergrösse von 32 zu 42 cm, auf chinesischem
Papier (56 zu 72 cm) der ärztlichen Welt zum Kauf an. Der Preis jedes
Blattes betragt Mark 4,50.
Die künstlerische Ausführung ist eine vortreffliche, einem Stich
sehr nahe kommende. B—r.
Aus dem Inhalte der Archives de medecine et de pharmacie
militaires. 1. Sept. bis 1. Dec. 1885.
Band VI, S. 228. R6flexionscliniques surla fi evre typhoide
a forme renale et sur la mort rapide par uremie convulsive,
par Toussaint. Der typhöse Process führt verhältnissmässig häufig zur
Entzündung der Nieren. Die Urinuntersuchung ist daher täglich geboten.
Je mehr und je früher sich Albumen zeigt, um so schwerer ist der Fall.
Ein Theil der plötzlichen Todesfälle im Typhus ist urämischen Ursprungs.
Pathologisch-anatomisch wird die Betheiligung der Nieren lediglich auf
die infectiöse Umache bezogen, auf eine Anhäufung der Bacillen in den
Glomerulis. In solchen Fällen können die Antipyretica nicht so sehr
in Betracht kommen, als Ableitungen auf die Haut und den Darm.
S. 289. Considcrations sur la fi evre intermittentek Ouargla.
Ses causes et ses ma ni festations, par Verdan. Die französische
Sanitätsleitung pflegt bekanntlich topographisch-hygienische Studien aus
den Garnisonen. Vorliegende Arbeit ist wiederum Beweis dafür, wie
richtig sie darin handelt. Die Verhältnisse des beschriebenen arabischen
Militärpostens interessiren an sich den deutschen militärärztlicben Leser
weniger; wer aber Anlass zu geographisch- oder vergleichend pathologischen
Studien hat, findet in dieser Arbeit schätzenswertbe Beiträge über Malaria,
ihr Verhalten zur Cultur des Landes, und ihren Einfluss auf die Be¬
wohner. Verf., der in Ouargla der Tuberculose erlegen ist, hat an sich
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Beitat wie an Anderen noch die Thatsache. bestätigen können, dass Malaria
und Tobercalose sich nicht nur nicht au9schliessen, sondern au höchst
deletärer Wirkung vereinigen können.
8, 320. Deux cas cPempoi sonnement, dont Tun mortel, par
la solntion de Sulfate de Quinine au 1/20, par Bailis. Ein In-
firmier verabreicht einem revierkranken Unteroffizier anstatt der ver-
ordneten vorräthig gehaltenen Lösung von Na. sulph. eine 5 proc. Chinin*
lösnng nnd trinkt selbst davon mit, um dem Andern hinsichtlich des
schlechten Geschmackes Muth zu machen. Jeder der beiden Männer
erhält etwa 6,0 Chinin. Nach einer halben Stunde starkes Ohrensausen,
dann zunehmend Blässe and Kuhle der Haut, kurze ängstliche Respiration,
kleiner, unregelmässiger, aussetzender Puls; übrigens keine gastrischen
oder krampfartigen Symptome. Bewusstsein frei. Die Behandlung bestand
zunächst in Darreichung eines Brechmittels aus 1,0 Rad. Ipecac. mit
0,05 Tart stib. Danach Analeptica (starker Kaffee) und Hautreize
(Frottiren, Sinapismen). Beim Aufheben zum Transport ins Lazareth
wird der Infirmier von einem synkopischen Anfall befallen, der nach
subcutaner Aetberinjection und Besprengung mit kaltem Wasser vorüber-
gebt. Nach der Aufnahme ins Lazareth zweiter Anfall, dem dieser Pat.
erliegt. Der andere Kranke war 6 Stunden nach Einverleibung der
Lösung ausser Gefahr. Die Autopsie des Infirmiers ergab nichts Be*
merkenswertes.
Beide Fälle sind sehr lehrreich durch die Schwere der Erscheinungen
nach einer Chiningabe, welche man als tödtlich bis jetzt nicht ansah.
Säe und Bochefontaine geben die für den Menschen tödtliche Dose
auf 35,0 an. Die Arbeit schliesst mit einer Betrachtung über die hier
beobachtete Unwirksamkeit der Ipecacuanha, welche auf den Congestiv-
zustand der Magenschleimhaut bezogen wird. Vom Tartarus stibiatus
dpricht Verf. nicht, und doch können wir die schwersten Bedenken gegen
die stattgehabte Verabreichung dieses Mittels nicht unterdrücken, welches
sie lähmende Einwirkung der grossen Chiningabe auf das Herz not¬
wendig ins Ungemessene steigern musste. Aus diesem Grunde wurden
auch wir der Ansicht des Verf. zustimmen, in solchen Fällen die Brech-
wirkung lieber durch Apomorphin subcutan zu erzielen.
S. 375. Les injections antiseptiques dans le traitement de
la Blennorrhagie, par Bourgeois. Durchaus Anhänger der Lehre von
der parasitären Natur der Blennorrhoe, verwendet Verf. von Anbeginn
der Erkrankung antiseptische Losungen zur Injection. Seine Versuche
erstreckten sich ausser anderen auf folgende Hauptmittel: Sol. Kali hyper-
mang. 0,05 %. Liqu. van Swieten zu 5 auf 95 Aqu. dest., endlich Chin.
sulph. 1, Aqu. dest. 80, Acid. sulph. nicht mehr, als chemisch genau zur
Lösung des Chinin erforderlich. Die Injectionen werden lauwarm, viermal
täglich gemacht, die letzte in der Nacht — worauf Werth gelegt wird.
Aufgesetzt wird nur bei grossem Schmerz oder starkem Oedem des
Präputiums. Einmal wurde Antipyrin in einprocentiger Lösung versucht. Der
Ausfluss hörte sehr schnell auf, die Nebenerscheinungen, Sohmerzen und
Erectionen, waren aber so stürmisch, dass von Wiederholungen abgesehen
wurde. Nach dem Urtbeile des Verf. ist die skizzirte Behandlung eine
ganz sichere. Bei einer mittleren Behandlungsdauer von 16 Tagen wurden
Recidive stets verhütet, wenn die Injectionen richtig gemacht waren.
Für die Technik folgende Fingerzeige: die Glasspritze soll 8 g fassen.
Ist sie grösser, so soll die Stelle aussen bemerkt werden, bis zu der sie
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8 g enthält. Der Spritzenstempel bleibt dicht, wenn er mit Vaseliue
gefettet wird. Hauptsache endlich ist, die Injectionsflüssigkeit nicht unter
10 Minuten in der Urethra zu lassen, besser noch V* Stunde. Kura vor
der Injection ist zu uriniren, nach derselben möglichst lange nicht.
S. 388. D’un nouveau mode de bretelle de pantalon du
soldat comme appareil hemostatique et comme lien contentif
des fractures, par Senut.
Die Construction dieses neuen n Verband¬
hosen trägers tt ergiebt sich aus der nebenstehen¬
den Reproduction der Abbildung desselben. Vor
dem Esmarch’schen hat er das voraus, dass er
sowohl in halber Länge zu gebrauchen ist, als
auch durch Aneinanderknöpfen mehrerer zuieder
beliebigen Länge gebracht werden kann. Woher
im Felde die nöthige Zahl solcher Träger kommen
soll, darüber bleibt uns Verf. die Antwort ebenso
schuldig wie Esmarch. In Deutschland wenig¬
stens wird der Hosenträger dem Soldaten nicht
geliefert Ausserdem bestehen unsere, bereits
früher*) geltend gemachten Bedenken hinsicht¬
lich der Sauberkeit dieses Materials unvermindert
fort, und endlich ist nicht klar, wer seine Hosen¬
träger im concreten Falle gleich entbehren könnte,
um sie zu Verbandzwecken herzugeben.
S. 436. Quelques considerations sur diverses variötös de
luxations rares, par Saletes. Casuistisehe Beiträge über Luxation des
Daumens im Garpometacarpalgelenk; der zweiten Zehe im Interphalangeal-
gelenk und des Radius allein auf den Condylus externus humeri.
S. 444. Du Cafeisme chronique, par Ouelliot. Union medicale
du Nord-Est, Juillet 1885. Referat. Bei Leuten, welche längere Zeit
hindurch gewohnt waren, täglich */ s —2 1 starken schwarzen Kaffees zu
trinken, beobachtete Verf. Abmagerung, Gesichtsblässe, Erweiterung der
Pupillen, Zittern der Zunge und Lippen, ausserdem dyspeptische Sym¬
ptome und nervöse Depression!; in späteren Stadien absolute sexuelle
Anorexie. Bei der Gemeinsamkeit dieser Symptome mit chronischem
Alkoholismus wurde die Reinheit der Beobachtung dadurch gesichert,
dass Kranke ausgeschlossen blieben, die gleichzeitig dem Alkohol huldigten.
Die Heilung geschah durch allmälige Verminderung des Kaffeequantums
auf die normale mittlere Menge. Der Referent des Archivs ist der An¬
sicht, die wir theilen, dass glücklicherweise die Seltenheit des Kaffeismus
den ausserordentlichen 'Werth des Kaffees für die Armee nicht ver¬
mindert, um so mehr, als hier das Quantum wie der Concentrationsgrad
des Getränks solche Gefahren überhaupt ausschliesst. — . —
*) Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1881, S. 378.
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Berliner militärärztliche Gesellschaft.
Sitzung vom 20. Jnni 1885.
Nachdem Herr Stabsarzt Rochs im Gebäude der Anatomie das von
Herrn Geheimrath Waldeyer zu diesem Zweck zur Disposition gestellte
Aeby’scbe Hirnstrang-Faserung-Modell demonstrirt hat, bespricht Herr
Stabsarzt Martins im Sitzungssaale der Gesellschaft die Methoden zur
Erforschung des Faserverlaufs im Central-Nervensystem mit besonderer
Beziehung auf die System-Erkrankungen. Der letzterwähnte Vortrag
soll in extenso veröffentlicht werden.
Sitzung vom 21. Juli 1885.
Stabsarzt Lenhartz bespricht einen in der Charite beobachteten
Fall von Encephalitis nach Masern. Die daran geknüpften Erörterungen
sollen in extenso veröffentlicht werden.
Stabsarzt Jaeekel stellt sodann zwei Maschinenschlosser vor, denen
im Winter 1883/84 mit dem besten Erfolge für Sehschärfe und Gesichts¬
feld in der Brecht’schen Augenklinik je ein Eisensplitter aus der Netzhaut
mittelst Magneten extrabirt worden ist.
ln beiden Fällen wurde der Eisensplitter mit dem Augenspiegel
aufgefunden und präsentirte sich bei der fast völligen Klarheit der
brechenden Medien im untern innern Quadranten des linken Augen¬
hintergrundes als metallisch glänzender Körper, ln dem einen Falle
hatte der Splitter in der Richtung nach dem obern äussern Quadranten
Hornhaut, Iris und Linse durchsetzt und war mit Hinterlassung einer
Aderhautruptur im obern äussern Quadranten nach unten innen ricochetirt.
Durch sehr zahlreiche mittelst Perimeter vorgenommene Bestim¬
mungen wurde geographische Breite und Länge des Fremdkörpers fest-
gestellt und diese Winkelwerthe an einem Angenmodell in natürlicher
Grösse mit Bezug auf den Hornhautrand nach Millimetern umgereebnet.
In beiden Fallen wurde unter antiseptischen Cautelen so operirt,
dass bei grosser nasaler Conjunctivalwunde und Durchtrennung des
Rectus inferior der Augapfel bis über den Aequator hinaus freigelegt
und möglichst nach oben und aussen rotirt wurde. An der durch
Messung bestimmten Stelle des nun in der Operationswunde liegenden
hintern, innern, untern Quadranten wurde ein meridionaler, 6 Millimeter
langer Schnitt in die Augenhäute gemacht, der Magnet eingeführt, und
nach mehrfachen vergeblichen Versuchen schliesslich mit dem daran¬
haftenden Splitter ausgezogen. Nach Wiederannähung des Rectus inferior
und Vereinigung der Conjunctivalwunde ging unter antiseptischem
Verband die Heilung glatt von statten; 10 Tage nach der Operation
konnte mit dem Augenspiegel constatirt werden, dass an Stelle des Fremd¬
körpers eine etwas längere Narbe lag.
Der Vortragende konnte allen Anwesenden mit Hülfe eines an einem
Perimeter befestigten Ophthalmoskops mit fixirter Linse und Spiegel
das umgekehrte Bild der Narbe und deren Umgebung demonstriren.
Sitzung vom 21. October 1885.
Stabsarzt Roch8 stellt einen28jährigen Mann mit juveniler Muskel¬
atrophie vor. Die Atrophie hat vorzugsweise die gesammte Muskulatur
der rechten oberen Extremität befallen, sowie die Rückenstrecker
(Lordose der Lendenwirbelsäule) und die Oberschenkelmuskeln beider¬
seits. Au den Unterschenkeln besteht Pseudohypertrophie und zwar an
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den Waden lipomatöse, an den Exteusoren des Fasses fibröse. — Die
elektrische Erregbarkeit ist überall da erhalten, wo noch Muskelmasse
vorhanden ist Entartungsreaction und fibrilläre Zuckungen fehlen. —-
Anamnestisch bemerkt der Vortragende, dass Pat. aus einer hereditär
nicht belasteten Familie stammt, und dass das Leiden sich zuerst im 17.
Lebensjahre mit Atrophie des rechten Deltoides und Biceps eingestellt
habe. Allmählich sei dasselbe bis zu dem jetzt bestehenden Bilde fortge¬
schritten. Der Fall steht in der Mitte zwischen der Er buchen juvenilen
Form der Muskelatrophie und der (lipomatosen) Pseudohypertrophie.
Redner hebt zum Schloss die Unterschiede zwischen diesen und der
D uchesne-Aran’schen Atrophie hervor. —
Stabsarzt Bruberger theilt sodann einige Reisebeobachtungen über
hygienische Zustande in Norwegen mit, insbesondere über Aussatz*
spitäler, Volksernährung, Transportmittel und über das Alkohol-Mono¬
pol als Mittel zur Bekämpfung der Trunksucht. Der Inhalt des Vortrages
ist in Heft 11 des vorigen Jahrganges der Deutschen militärärztlichen
Zeitschrift veröffentlicht. Es knüpft sich an diese Mittheilungen eine
kurze Discussion, an welcher sich insbesondere die Herren v. Berg¬
mann und Hahn betheiligen.
Besnard
Wieder einer unserer Veteranen dahin; wieder einer jener Alten uns
entrissen, deren Begeisterung für die Wissenschaft, gepaart mit grösster
persönlicher Herzensgüte, besonders wir Jüngeren uns gern als nachahmens-
werthe und erwärmende Beispiele vor Augen stellen! Und doch, dass
sie gerade am frühesten uns verloren gehen müssen, ist Naturgesetz;
reisst ja selbst aus der Reihe der Gleichaltrigen der Tod schon zu Boden,
sie, die guten Camcraden, „als wär's ein Stück von mir“. Wir wenden
unsere Blicke zum Nachwuchs: Ob der uns theilweise ersetzen kann,
was wir mit jenen verlieren?
Es ist ein reiches Leben gewesen, reich au ernster aber freudiger
Arbeit, welchem am 12. Dec. 1885 auf dem südlichen Friedhofe Münchens
Ziel und Denkstein wurde. Generalarzt a. D. Dr. phil.et med. Anton Besnard,
unseren Lesern auch als einer der getreuesten Mitarbeiter unserer Zeitschrift
von 1871 bis in seinen letzten Lebensmonat hinein bekannt, sah sein Ideal
in der Vervollkommnung der eigenen und der allgemeinen Kenntnisse auf
dem Gebiete der Naturwissenschaft und der Heilkunde, in seinem militär-
ärztlichen Stande aber speciell: in pünktlichster dienstlicher Pflichterfüllung.
Wie der Heimgegangene erreicht, was er gewollt, möge der folgende kurze
Rückblick auf sein Leben uns zeigen.
Anton Franz Besnard wurde am 12. April 1814 zu München als
Sohn eines Ministerialsecretärs geboren, besuchte von 1832 bis 1835 die
Münchener, bis 1836 die Würzburger Universität; an ersterer zog er
bereits durch seine litterarische Thätigkeit in den Naturwissenschaften die
Augeti der Fachmänner auf sich: als 20jähriger Student loste er die
Preisaufgabe der philosophischen Facultät über „Genus, species und
varietas* und wurde dafür am 15. Juli 1835 zum Doctor der Philosophie
promovirt. ln Würzburg promovirte er in der Medicin und absolvirte.
1836, kaum nach München zurückgekehrt, war ihm gleich Gelegenheit
gegeben, die edelste Seite seines Wesens kennen zu lehren: als Cholera¬
arzt bis Frühjahr 1837 mit grösster Selbstverleugnung und Aufopferung
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wirkend, bat er neben dem Rofe eines tüchtigen Arztes auch den der
aufrichtigsten Humanität and Herzensgute sich begründet, den er bis za
seinem letzten Athemzage behielt, derart, dass seine Collegialität und
Liebenswürdigkeit im Lanfe der Zeit geradezu sprichwörtlich wurden.
Bis November 1838 fangirte er als Assistent der medicinischen Klinik und
trat dann in die Armee ein. Er wnrde lj841 Unterarzt in der Garnison
Bayreuth ond diente von 1843 als Bataillons-, dann als Regimentsarzt
im 1. Feldartillerie-Regiment zu München bis 1866, wo er im Feldzage
als Stabs- and Chefarzt des Hauptfddspitals III sich das Ritterkreuz
1. CI. des Militärverdienstordens erwarb. Vom Januar 1869 an Garnisonarzt
in München, wurde er im französischen Feldzug Chefarzt des Hauptfeld-
Bpitals V, Februar 1871 Oberstabsarzt 2. CI. und mit dem Eisernen Kreuze
decorirt; 1872 Oberstabsarzt 1. CI. bei der Commandantur München und
daselbst 1873 Chefarzt des Garnisonlazareths, als welcher er für die in
der Choleraepidemie 1873/74 entwickelte wackere und erfolgreiche Thätig-
keit mit dem Ritterkreuze 1. CI. des Verdienstordens vom heiligen Michael
sowie durch eine Allerhöchste Belobung ausgezeichnet wurde. Am 24. März
1875 wurde ihm der erbetene Ruhestand mit der Charakterisirung als
Generalarzt gewährt. Er lebte von da seiner Wissenschaft, seiner Familie
und seinen Freunden; erkrankte Mitte vorigen Jahres an Furunkulose,
Beginn Octoher an Venenthrombosen des Armes und Oberschenkels und
starb am 9. December unter den Symptomen allgemeiner Erschöpfung.
In die 37jährige Dienstzeit fallt nun auch das reiche literarische
Schaffen Besnard’s, und fallen die Auszeichnungen, die ihm dafür seitens
der gelehrten Corporationen geworden sind. Er war Herausgeber der
Jahresberichte des zoologisch-mineralogischen Vereins zu Regensburg „Die
Mineralogie in ihren neuesten Entdeckungen und Fortschritten“, Band
I—XXXIV. 1848—1881; edirte „Die Mineralien Bayerns nach ihren
Fundstätten“, Kollmann, Augsburg 1854; Nachträge dazu 1855; „Altes
und Neues zur Lehre über die organische Art“, Pustet, Regensburg 1864;
„Bayerns Flora“, Grubert, München 1866; sowie ausserordentlich zahl¬
reiche Kritiken und Referate aus allen Gebieten der Pathologie, Therapie
ond Hygiene. In Anerkennung dieser Leistungen wurde er Ehren- bezw.
correspondirendes Mitglied der Societas physico-medica Erlangensis, der
König!. Leopoldinisch-karolinischen Akademie in Wien, der Senken-
bergischen natur forschen den Gesellschaft zu Frankfurt a. M., der natur¬
historischen Gesellschaft zu Nürnberg, des naturhistorischen Vereins zu
Augsburg, der Regia societas botanica Ratisbonensis, des zoologisch-
mineralogischen Vereins zu Regensburg, der naturforschenden Gesellschaft
zu Bamberg, der Pollichia, naturwissenschaftlichen Gesellschaft der Rhein-
pfftlz, so wie Ehrenmitglied des ärztlichen Vereins München, dessen be¬
währter Bibliothekar er über zwei Decennien gewesen war. Aus dieser
Stelle datirte seine letztere grössere Arbeit: ein musterhafter Catalog der
umfangreichen Vereinsbibliothek.
In seinem Familienleben waltete Glück; er vermählte sich 1845 mit
Fraulein Caroline v. Allweyer, Appellationsgerichtspräsidenten-Tochter
zu München, die ihm 1882 im Tode voranging, und (unterlässt 3 Söhne,
deren zwei der bayerischen Armee als Offiziere angehören.
Aber nicht nur die mediciniscbe und Naturwissenschaft betrauert in
Besnard einen braven Arbeiter, — die ihn kannten, seine Freunde, seine
Vorgesetzten und Untergebenen, verlieren mehr: einen Mann von edelstem
Charakter, in welchem freundliche Menschenliebe, Lebenslust und treu-
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herzigste Gutmäthigkeit mit einer bei seinen wissenschaftlichen Erfolgen
und seiner geradezu phänomenalen Litteraturkenntniss, die ihn zu einem
in dieser Hinsicht täglich aufgesuchten Berather_der wissenschaftlich
arbeitenden Collegen machte, — ungemein liebenswürdigen Bescheidenheit
sich vereinigten. Wie war er stets gerne zur Anerkennung bereit den
Jüngeren gegenüber, geduldig und ermunternd. Selbst ein fleissiger
Mensch, war er davor bewahrt, das fleissige Streben Anderer als Streber¬
thum empfinden zu müssen. Solchen edlen Eigenschaften konnte auch
die segensreiche Wirkung auf die Umgebung nicht fehlen; sie fühlten sich
durch ihn gefordert und angemuthet, sie verehrten ihn als bewahrten
Freund, sie schätzten ihn hoch, die Vorgesetzten, die Gleichstehenden,
die Untergebenen. Nehmt Alles in dem Einen: er war ein Ehrenmann!
Seine Asche ruhe in Frieden. Rotter—München.
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Deutsche
Militärärztliche Zeitschrift.
Radaction:
Dr. 3». ,£<wt9oß, Generalarzt,
Berlin, Tubenstrasse 6.
o. Dr. SR. Streifiger, Stabsarzt,
Berlin, Hedemnnnstr. 15.
Varlag:
f. §. S&ttffrr & $ 09 «,
Königliche Hofbuchhandlnng,
Berlin, Kochstrasse 68—70.
Monatlich erscheint ein Heft von mindestens 3 Druckbogen; dazu ein „Amtliches Beiblatt* 4 . Der
Zeitschrift wird das Werk: „Jahresbericht über die Fortschritte auf dem Gebiete des Militär-
Sanitate*Wesens 44 , heransgegeben vom Generalarzt Dr. Both, anentgeltlich beigegeben. Bestellung
nehmen alle Postämter nnd Buchhandlungen an. Preis des Jahrgangs 15 Mark.
XV. Jahrgang. 1886. Heft 2.
Antiseptische Beiträge.
Von
Oberstabsarzt Dr. Port«
Schon vor längerer Zeit habe ich daranf hingewiesen, dass die auf
Anstrocknang der Wundsecrete abzielenden Verbände mit Torf, Torfmoos,
Holzwolle n. s. w. die geeignetsten antiseptischen Verbände für den
Kriegsgebrauch darzustellen scheinen. Seitdem anch Prof. Esmarch in
der neuesten Auflage seiner kriegschirargischen Technik fnr das Princip
der Secretaostrocknnng Partei ergriffen und die früheren antiseptischen
Verbände wegen ihrer impermeablen Bedeckung als unvollkommen erklärt
hat, kann der hohe Werth der oben genannten Stoffe für die antiseptische
Kriegsausrnstung nicht mehr zweifelhafterscheinen. Diese Stoffe bieten ausser¬
dem den grossen Vortheil, dass sie wenigstens tbeilweise an vielen Orten
leicht zu haben sind, und dass sie daher anch im Felde eine Ergänzung
der Verbandvorräthe auf dem Improvisationswege gestatten.
Bisher hatte ich in Improvisationszwecken hauptsächlich das Torf¬
moos ins Ange gefasst, war aber wegen der verhältnissmässig grossen
Mühe, die das Einsammeln nnd Reinigen desselben verursacht, mit diesem
Stoff nicht ganz zufrieden. In hiesiger Gegend kommt das Torfmoos
nämlich nicht sehr reichlich vor: es ist meist mit anderen Moosarten
ziemlich stark durchwachsen, ferner durch Tannennadeln nnd sonstige
W&ldabfälle verunreinigt; es erfordert daher ein sorgfältiges Anssochen
sowie znr möglichsten Beseitigung von Käfern nnd anderem Gethier viel¬
fältiges Auswaschen; znm Schlüsse wird tüchtiges Aaskochen nicht za
umgehen sein. Ich Hess mich daher durch die empfehlende Erwähnung,
5
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welche Esmarch a. a. O. des neuesten Holzpräparates, der Holzfasern,
thut, mit grosser Bereitwilligkeit auf eine neue Improvisationsspur binleiten.
Meine ersten Versuche mit der Selbstherstellung von Holzfasern waren
allerdings auch nicht sehr ermutbigend, weil ich dazu trocknes Holz ver¬
wendete, welches die Messer beim Schaben stark angreift, einen ziemlichen
Kraftaufwand erfordert und für die aufgewandte Zeit und Mühe einen
viel zu geringen Ertrag liefert. Dagegen gelangen die Versuche in voll¬
kommenster Weise mit grÜDem Holz. Allo Holzarten lassen sich in grünem
Zustande leicht zu* Fasern schaben, die so saugkräftig sind, dass sie im
frischen Zustande sofort in Wasser untersiuken. Neben diesem Vorzüge,
den sie mit der entfetteten Baumwolle gemein haben, besitzen die Holz¬
fasern jedoch eine viel grössere Elasticität als die Baumwollfasern und
ballen sich selbst bei Benutzung niemals nach Art der letzteren zusammen.
Es können sich also die Secrete frei zwischen den Holzfasern ausbreiten,
während sich die Baumwollfasern bekanntlich auf Wunden so eng aneinander
zu legen pflegen, dass leicht Secretverhaltung eintritt.
Die schönsten und längsten Holzfasern liefert der Hollunder. Frisch
geschabt sehen sie locker geschichtetem Sauerkraut nicht unähnlich. Nach
dem Trocknen werden sie gelb, während die aus anderen Holzarten ge¬
wonnenen Fasern weiss bleiben. Die Holzfaserquantitäten, die man durch
Handarbeit hersteilen kann, Bind so bedeutend, dass selbst in einem grossen
Lazareth der tägliche Bedarf an Verbandmaterial von ein paar Reconva-
lescenten in kurzer Zeit zu Stande gebracht werden kann. Da irisches
Holz durchaus pilzfrei ist, so kann bei einiger Vorsicht ein absolut reines
Verbandmaterial gewonnen werden. Sind die Holzfasern getrocknet, so
nehmen sie wie ein trockner Schwamm oder wie getrocknetes Moos das
Wasser nicht augenblicklich an; sie sind dann auch etwas härter als im
feuchten Zustande. Aber vollkommen trocken braucht man sie auch nicht
auf die Wunden zn legen. Man wird sie vielmehr vorher in Sublimatlösung
eintauchen, dann gut ausdrücken und, in ein Stück Mull eingeschlagen,
wie ein Cataplasma auflegen. Derartige Holzfasercataplasmen sind voll¬
kommen weich and lassen sich mit einer darüber geführten Gazebinde
der Körperoberfläche aufs Innigste anscbmiegen. Diese antiseptischen Ver¬
bände sind fast so einfach wie der frühere Charpieverband. Die Haupt¬
sache aber ist, dass sich die Aerzte eine solche antiseptische Ansrüstung
im Nothfall ganz auf eigene Faust beschaffen können. Man lässt vom
nächsten Baum ein paar Aeste abschneiden, lässt sie mit dem Messer oder
mit Glasscherben zu Fasern schaben, packt sie nach dem Trocknen in
gereinigtCoe nservenbüchsen, verschliesst dieselben staubdicht mit einem
Stück Blech ohne zu löthen, und ist nun, wenn man nebenbei noch einen
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61
Vorratb von Sublimat und Gaze auftreiben kann, so vollständig ausgerüstet
als man nnr wünschen kann.
Den Verschloss der Blechbüchsen wird man am besten in folgender
Weise machen. Zuerst wird der Rand der Büchse in der Breite von
einigen Millimetern horizontal auswärts gebördelt; dann wird die Buchse
aof das Blechstuck, welches den Deckel liefern soll, verkehrt gestellt, der
umgebörtelte Rand mit einem spitzen Gegenstand umrissen, und einige
Millimeter ausserhalb des Risses das Deckelblech durchschnitten. Der
Band des Deckelbleches wird hierauf längs der Risslinie in die Höhe
gebogen, und die Buchse verkehrt zwischen die aufgebogenen Ränder
des Deckels gestellt. Man braucht dann bloss noch den Deckelrand rings¬
um ober die ausgebördelten Ränder der Büchse niederzuklopfen, um einen
ganz soliden und staubdichten Verschluss zu erhalten. Der Deckel kann
leicht wieder abgenommen werden, wenn maä die vorstehenden Kanten
desselben aufwärts biegt oder klopft.
Ich halte es für nützlich, in jeder Büchse ausser den Holzfasern
eine entsprechende Zahl zugeschmolzener Glasröhrchen mit je 1 g Sublimat
ferner einige quadratische Stück Mull zur Cataplasmenbildung und eine
Anzahl gestärkter, zur besseren Verpackung möglichst flach geklopfter
Gazebinden unterztfbringen, so dass man bei Eröffnung der Büchse Alles
vorfindet, was zu einem Verband erforderlich ist.
Die zugeschmolzenen Glasröhrchen sind mit einem Feilstrich zu ver¬
sehen, damit man sie leicht zerbrechen kann. Wird der Inhalt in einem
Liter Wasser aufgelöst, so hat man die zur Reinigung der Wunde, zum
Waschen der Hände und zum Eintauchen der Holzfasern erforderliche
Flüssigkeit. Bei Mitnahme von imprägnirten Holzfasern wäre zu besorgen,
dass das Sublimat von den organischen Stoffen, auf denen es ausgebreitet
ist, mit der Zeit reducirt wird. Da man zur Reinigung der Wunde und
der Hände ohnedies meist Sublimatlösung benutzen wird, so ist es viel
zweckmässiger, die Imprägnirung der Holzfasern erst unmittelbar vor dem
Gebrauche auszuführen. Wo die Bereitung einer Sublimatlösung zu um¬
ständlich erscheint, würde man auch ganz unbedenklich die nicht impräg¬
nirten Holzfasern verwenden können, wenn man die Wunde mit Jodoform
bestäubt und eventuell die umgebende Haut mit einem Firnissüberzug versieht.
Um ganz sicher zu sein, dass das Sublimat im Wasser vollständig
aufgelöst wird, wäre es gut, dasselbe nicht gleich in die grosse Quantität
Wasser zu schütten, sondern zuerst in einen Esslöffel voll heissen Wassers,
das man sich in der Büchse oder im schüsselförmig gebogenen Deckel
derselben bereitet. In 100 Theilen kalten Wassers lösen sich 7 Theile
Sublimat, dagegen 53 Theile in kochendem Wasser.
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Holzfasern und Conservenbücbsen betrachte ich als sichere antisep-
tiscbe Rettungsanker in allen Fällen, wo die Aerzte anf Selbstbülfe an¬
gewiesen sind. Sie verdienten eigentlich in die normale Ausrüstung Auf¬
nahme zu finden, weil sie durch andere Hülfsmittel schwerlich übertroffen
werden. _
Um die wegen Wundlaufens oder Wandreitens sich meldenden Patienten
möglichst in dienstfähigem Zustande zu erhalten, brauchen die Truppen¬
ärzte auf Kriegs* und Fried^nsmärschen ein schnell applicirbares Deck¬
mittel, das die excoriirten Stellen vor Reibung schützt, die Secrete nicht
zurückbält und der Zersetzung der letzteren vorbeugt. Das gewöhnlich
verwendete Heftpflaster erfüllt nur einen Theil dieser Indicationen. Besser
dürfte ein mit Jodoform versetztes Leimpflaster entsprechen, weil der
Leim von den Secreten aufgelost wird, so dass dieselben durch die Lein¬
wand nach aussen hindurch treten können, und weil bei der Auflösung
des Leims das darin fixirte Jodoform freigemacht wird. Die Herstellung
eines solchen Pflasters geschieht nach folgender Formel:
Rp. Gelatine pur. 5,0
solve in aq. fervidae 25,0
adde: Glycerini
Jodoformi ä 1,0
S. In mehrfachen Schichten auf Schirting zu streichen.
Glycerin und Jodoform werden für sich zu einem Brei angerührt
und dieser der Leimlösung zugesetzt.
Bei der Anwendung wird das abgeschnittene Stückchen Pflaster in
Wasser getaucht und dann (über der Flamme eines Zündhölzchens) er¬
wärmt, so dass es vollkommen weich und schmiegsam wird. Nach dem
Auflegen wird es mittelst eines Tuches äusserlich trocken getupft.
Um auf Reisen, Excursionen u. 8. w., wo man sich nicht gern durch
die Mitnahme eines chirurgischen Besteckes und voluminöser Verband-
vorräthe beschwert, etwas bei sich zu führen, was die ordnungsmässige
Behandlung einer vorkommenden Verwundung gestattet, ohne einen nennens-
werthen Raum in den Taschen einzunehmen, empfehle ich folgendes
Miniatur-V erband-Etui.
Ein Blechbüchschen von 7—7 1 /* cm Höhe, 2 cm Breite und knapp
l 1 /* cm Dicke von ovalem Querschnitt enthält:
1) ein zugeschmolzenes Glasröhrchen mit 1 g Sublimat,
2) ein do. mit geschabter Eisenchloridcharpie,
3) ein do. mit Jodoform oder Jodoformborsäure,
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4) ein do. mit einer Wandnadel,
6) ein Stückchen Jodoformlei inpflaster,
6) einen Meter Sahlimat-Catgat,
7) eine kleine Pincette,
. 8) ein Bauschchen Watte (im Deckel).
Unter der Voraassetzang, dass man Wasser and eine Schüssel oder
sonstiges Oefass bekommen kann, lasst sich mit obigen Vorräthen eine
Wände mittelst Sublimatlosung reinigen, blutende Oefasse unterbinden,
eine Jodoformbestaabang aaafahren, auch die Wunde mit Catgat vernähen.
Kleinere Wanden, die nicht genaht zu werden brauchen, lassen sich
darch einen Blotschorf, der mit der aufgelegten Eisenchloridcharpie er¬
zeugt wird, oder mittelst des Jodoformleimpflasters antiseptisch verschliessen.
Die Nadel wurde deswegen eingescbmolzen, am sie auch bei längerer
Nichtbenatzang mit Sicherheit rostfrei za erhalten.
Ich mochte bei dieser Gelegenheit, nicht unterlassen, das Eisenchlorid,
das heutzutage in der Chirurgie beinahe verpönt ist, aufs Wärmste zu
empfehlen. Man sagt, es verunreinige die Wunden, sei schmerzhaft und
vermöge stärkere Blutungen doch nicht zu stillen. Das trifft Alles nur
zu bei unrichtiger Anwendung, wenn man nämlich Eisenchlorid pur auf
eine Wunde schüttet, oder wenn man arterielle Blutungen durch grosse
Ballen von aufgelegter Eisenchloridcharpie zu unterdrücken sucht. Bei
spritzenden Gefassen ist das Mittel überhaupt nicht am Platze. Bei
eapillaren Blutungen aber genügen einige Flöckchen der geschabten
Eisenchloridcharpie, um einen fest anhaftenden Blutschorf zu erzeugen,
unter dem die Wunden ohne Eiterung vernarben. Die Verwendung der
feingeschabten Eisenchloridcharpie muss so spärlich erfolgen, dass der
Blutschorf das Niveau der Haut kaum überragt, auch dürfen seitlich keine
Fasern aus dem Schorf heraushangen. Bei dieser ausserst spärlichen
Application ist von Schmerz keine Rede und ebensowenig natürlich von
einer Verunreinigung der Wunden.
Das spanische Militär-Sanitätswesen.
Von
Stabsarzt Dr. Hümmerich.
Bei dem Mangel an Berührungspunkten und bedeutenderem gemein¬
schaftlichen Interesse mit Spanien ist es, ganz abgesehen von anderen
Gründen, natürlich, dass unsere Kenntniss des spanischen Militär-Sani tats-
weseus eine geringe und wenig verbreitete ist Ausser der Schilderung
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des Herrn Generalarztes Henrici*) ans dem Jahre 1861 nnd dem be¬
kannten Buche von Knorr**) stehen uns eingehendere Bearbeitungen
nicht zu Gebote. In den letzten 24 Jahren hat sich aber auch in Spanien
mancherlei geändert, und das Buch von Knorr bleibt uds über so manche
Frage des Dienstbetriebes und der persönlichen Verhältnisse, die für den
Militärarzt von hervorstechendem Interesse ist, die Auskunft schuldig, dass
es wohl gerechtfertigt erscheint, in dem Folgenden die Verhältnisse des
spanischen Sanitätscorps darzulegen. Es sollen dabei namentlich die
augenfälligen Differenzen mit unseren Einrichtungen betont werden und
der Betrieb einiger Dienstzweige, den man aus Mangel***) an einschlägigen
gedruckten Dienstanweisungen nicht anders als durch den Verkehr und
Meinungsaustausch mit den Cameraden kennen lernen kann, Erörterung
finden.
Organisation.
Das spanische Sanitätscorps (cuerpo de sanidad militar) hat zum
Chef einen General der Armee, der als solcher den Titel director general
de sanidad militar fuhrt und selbst wieder dem Kriegsminister unter¬
steht Er ist gleichzeitig Chef der Intendantur (administracion). Die ihm
unterstellte Medicinal-Abtheilung im Kriegsministerium heisst: direccion
general de sanidad militar. In derselben fungiren ein inspector medico
de segunda clase mit dem Titel „secretario“ (so heissen bei den höheren
militärischen Chargen die ersten Adjutanten) als Abtheilungschef, 3 oficiales
mayores (subinspectores 1. und 2. cl.) und 6 oficiales (2 medicos roayores,
3 medicos primeros und 1 farmaceutico primero) als Decernenten bezw.
Hülfsarbeiter.
Das Reglement über die Organisation des Sanitätscorpsf) verleiht
den Offizieren des Sanitätscorps die Rechte und Pflichten der Offiziere
der Armee, theilt sie auch, wie diese, ein in jefes (Stabsoffiziere und
Generalität) und oficiales (Haupdeute und Lieutenants). Das Gehalt,
die Strafgewalt und alle Competenzen sind die der militärischen Charge
entsprechenden. Zur weiteren Charakterisirung der Stellung der spanischen
Militärärzte sei noch Folgendes erwähnt: Sie tragen keine Schärpe, die
in Spanien nur den Generalen und den Offizieren des estado roayor (ungefähr
*) Preussische militararzttiohe Zeitung, 1861, S* 176 ff.
**) Entwickelung des Heeres-Sanitätswesens der europäischen Staaten etc-
***) Alte Reglements sind schwer käuflich zu haben. Vieles ist in Gesetz¬
sammlungen zerstreut. — Für die Bereitwilligkeit, mit der das spanische Kriegs-
ministerium mir die Reglements zu Gebote stellte und mit der die Herren des
Ministeriums und alle Cameraden des Sanitätscorps mir jede Kenntniss erleichterten
und ermöglichten, fühle ich mich denselben zum wärmsten Danke verpflichtet.
f) Reglamento organico del cuerpo de sandidad militar vom 1. September 1673.
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dem Generalst&b entsprechend) zukommt. Aber auch das von dem Offizier
als Abieieheo des Dienstes an einem Kettchen um den Hals getragene
Metallschildchen fuhren sie nicht. Dagegen hat der Chefarzt (director
de hospital) das Recht, das Abzeichen des Commandeurs, den Rohrstock
mit goldenem Knopfe und die seinem Range entsprechende Troddel
(Leder, Seide oder golddurchwirkt), zu fuhren. Das Sanitätscorps hat
sein eigenes Ehrengericht, und wenn ein Angehöriger desselben vor ein
Kriegsgericht gestellt wird, so müssen mindestens zwei Mitglieder des
Corps unter den Richtern sein. Militärische Ehren am Orabe werden den
Aerzten nicht erwiesen.
Ueber Rang-, Gehalts- und Etats Verhältnisse mag die folgende Tabelle
Aufschloss geben:
1. Armee der Halbinsel.
Etat
Bezeichnung der
Charge
Rang
Entsprechender
Rang in der
deutschen Armee
Monatl.
Gebalt in
Pesetas*)
3
Inspector medico de
primera clase
Mariscal de
campo
Generaliieutenant
1250
4
»Inspector medico de
segonda clase
brigadier
Generalmajor
750
14
Sabinspector medico
de primera clase
coro nel
Oberst
575
20
Sabinspector medico
de segonda clase
tenientecoronel
Oberstlientenant
450
68
medico mayor
comandante
Major
400
155
medico primero
capitan
Hanptmann
250
166
medico segnndo
teniente**)
Lieutenant
216,66
2. Colonialarmee.
In8pector
med.
Sub¬
inspector
med.
Medicos
1. cl. 1
2. cl.
1. cl.
2. cl. |
segundos
,
1
1
2
34
85
_
—
—
1
1
3
5
—
—
1
1
2
8
20
—
*) Es giebt nichts dem Servis Entsprechendes in Spanien. Wenn ein Offizier
Dienstwohnung hat (fast alle Kegimentscomm&ndenre haben solche), so erfolgt
dafür kein Abzug. (1 Peseta = 1 Frank.)
*") Es giebt nur eine Lieutenantsclasse.
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Ehe wir die Verkeilung dieser Aerzte auf ihre verschiedenen Dienst¬
stellen untersuchen, mögen einige Angaben über die spanische Armee hier
ihre Stelle finden. Dieselbe zerfallt in:*)
1. Armee der Halbinsel.
Infanterie: 60 Regimenter Infanterie zu 2 Bataillonen; jedes Bataillon
hat 4 Compagnien (und 2 Reserve-Compagnien),
20 Bataillone Jager zu je 4 Compagnien (und 2 Reserve-
Compagnien),
2 Compagnien Königliche Leibgarde,
(100 Reserve-Bataillone zu 4 Compagnien).
Für sämmtliche Truppentheile der Reserve bestehen im
Frieden nur Cadres. Kriegsstarke der Bataillone gleich
1000 Mann.
Ausserdem sind vorhanden
1 Garnison-Regiment für Ceuta,
1 Bataillon Schreiber und Ordonnanzen.
Cavallerie: 24 Regimenter (12 Ulanen-, 10 Jager-, 2 Husaren-) zu 4 Schwadr.«
1 Leibschwadron (escolta real),
2 selbstständige Schwadronen,
20 Reserve-Schwadronen (im Frieden nur Cadres).
Die 6. Batterien
haben keine Ge¬
schütze, bilden i m
Kriege die Muni-
tions-Colonnen.
5 Regimenter Fuss-Artillerie zu 2 Bataillonen ä 4 Compagnien,
(1 Remonte-Schwadron).
Genie: 4 Sappeurs-mineurs zu 2 Bataillonen a 4 Compagnien,
1 Regiment Pontonniere, Telegraphisten und Eisenbahnarbeiter
zu 2 Bataillonen ä 4 Compagnien,
Handwerker- und Transport-Brigaden, Guardia civil (Gen¬
darmerie), carabineros (Zollwächter) und schliesslich die
Sanitäts-Brigade (s. u.) vervollständigen die Armee.
2. Besatzung der Colonien.
a. Armee in Cuba.
(Stärke nicht genau bestimmt, um der Regierung freie Hand zu
lassen bei Unterdrückung der aufständischen Bewegungen.)
*) Knorr, S. 764 ff.
Artillerie: 5 Feld-Regimenter zu 6 Batt. (1 reitende),
2 Positions-Regimenter zu 6 Batterien,
3 Gebirgs-Regimenter - -
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Infanterie: 8 Regimenter za 2 Bataillonen,
50 Jäger-Bataillone,
4 Bataillone mobilisirter Freiwilliger,
1 Provisional-Bataillon,
1 Regiment weisser Milizen (2 Bataillone),
3 Bataillone farbiger Milizen.
Cavallerie: 7 Regimenter Chasseurs za 3 Schwadronen,
4 selbstständige Schwadronen (saeltos) zam Gendarmerie¬
dienste,
1 Central-Cavallerie-Depot,
4 Regimenter disciplinirter Milizen za 4 Schwadronen.
Artillerie: 1 Fass-Regiment von 2 Bataillonen,
1 Regiment Gebirgs-Artillerie von 6 Artillerie-Compagnien
and 1 Arbeiter-Compagnie.
Genie: 1 Bataillon von 8 Compagnien,
1 Depot,
1 Telegraphen-Compagnie,
3 Compagnien farbiger Milizen,
3 - Arbeiter.
Ausserdem 2 Regimenter Guardia civil.
b. Besatzung von Puerto-Rico.
2 Halbbrigaden Infanterie za 2 Bataillonen,
1 Bataillon Artillerie,
1 Compagnie Geniearbeiter,
1 Strafcompagnie,
2 Schwadronen disciplinirter Milizen,
1 Regiment Guardia civil.
c. Besatzung der Philippinen.
7 Regimenter Infanterie zu 6 Compagnien (Eingeborene),
1 Schwadron Ulanen,
1 Regiment Artillerie von 2 Bataillonen zu 4 Compagnien
(einschliesslich 1 Compagnie Gebirgs-Artillerie),
1 Bataillon Geniearbeiter,
2 Compagnien Ingenieartruppen,
2 Regimenter Guardia civil.
Anmerkung. Etatsziffer pro 1877/78 100 000 Mann für die Halbinsel, 4271 für
Puerto-Bico, 10 111 für die Philippinen.
Eine Gliederung des Heeres in Armeecorps, Divisionen etc. besteht
im Frieden nicht, tritt aber bei der mobilen Armee in ganz analoger
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Weise ein, wie in anderen Armeen. Für die Friedenszeit bestehen
— ungefähr den alten Provinzen des Landes entsprechend — Milit&r-
districte (distritos), an deren Spitze ein capitan general steht Diese
distritos sind sehr ungleich nach der Menge der in ihnen stehenden
Truppen. Bei eintretender Mobilmachung werden ohne Rücksicht auf
Districte etc. Armeen (ejercitos) zusammengesetzt, die dann wieder in
Armeecorps (cuerpos de ejerc.) u. s. w. zerfallen. So bestehen zur Zeit
noch Trümmer eines ejercito del norte, Nordarmee, in den baskischen
und angrenzenden Provinzen, dem Hauptsitze des Carlistenthuros. Man
wird diese Einrichtungen erklärlich finden, wenn man sich erinnert, dass
die spanische Armee seit lange gewohnt ist, nur guerrillas, Bandenkriege,
zu führen.
Der Dienst bei den Truppen wird ausnahmslos von den beiden
jüngsten Chargen verrichtet,*) und zwar kommt 1 Arzt auf je 1 Bataillon
Infanterie, Genietruppen und Fussartillerie, 1 Regiment Cavallerie, Gebirge-
und Feldartillerie. Die Aerzte der Infanterie-Regimenter sind die jüngsten,
später werden sie zu anderen Truppentheilen versetzt. —Ausserdem sind die¬
selben Chargen mit Wahrnehmung des ärztlichen Dienstes bei den ver¬
schiedenen militärischen Anstalten etc. (Schulen, Waffen- und Pulver¬
fabriken, nicht regimentirte Offiziere und Mannschaften der Artillerie-
und Ingenieur - Museen, Remontedepots, ärztliche Behandlung der auf
Halbsold gesetzten Offiziere in den drei grössten Städten [Madrid, Barcelona,
Valencia] und dgl.) betraut. Die 22 jüngsten medicos segundos sind ent¬
weder als wachthabende Aerzte in den Lazarethen 1. Ranges oder als
Aerzte bei den Lazarethen der kleinen Gefangenenanstalten an der Nord¬
küste Afrikas beschäftigt.
31 medicos primeros und die medicos mayores versehen den Kranken¬
dienst in den Lazarethen, die übrigen medicos mayores sind event. Chef¬
ärzte kleinerer Lazarethe, 5 sind z. Z. Divisionsärzte der Nordarmee; die
subinspectores 2. cl. sind der Mehrzahl nach Chefärzte oder Garnison¬
ärzte, die subin8p. 1. cl. liefern die Chefärzte für die Hospitäler zu
Madrid und Barcelona; ferner 1 für die direccion general, die übrigen 11
sind directores subinspectores der Militärdistricte, d. h. Chefs des ge-
sammten Sanitätsdienstes innerhalb des Districts.**) Die 4 inspectores
2. cl. sind zur Zeit: Armee-Generalarzt (director subinspector de sanidad
*) Nur für 1 Regiment Guardia civil (Madrid), die Kgl. Leibgarde (Alabarderos)
und das Bataillon Schreiber und Ordonnanzen ist ein medico mayor vorgesehen.
**) Die directores subinspectores ernennen aus den Aerzten des Lazareths sich
einen „secretario“ zur Hälfe, der seinen Stationsdienst aber weiterversieht.
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militar) dee Nordarmee, direct subinsp. von Andalusien, Mitglied der
Junta de sanidad en la superior consultiva de guerra (s. u.) und „Secre-
tario tt der direccion general. Die drei inspectores de 1. clase sind:
1 Präsident der Junta soperior etc. (s. u.) und je ein director subinspector
für Neu-Castillen und Gatalonieu.
Ergänzung des Sanitätscorps.
Sämmtlicbe Militärärzte müssen auf einer spanischen Universität
oder der mediciniscben Schule zu Sevilla*) das Licentiatenexamen ab¬
gelegt haben. Der Doctorgrad, welcher infolge eines späteren Examens
erworben werden kann, ist hierzu, wie zur Ausübung der Praxis nicht
erforderlich, wird aber für Aspiranten der akademischen Laufbahn ver¬
langt. Früher traten die Militärärzte nach Ablegung eines Examens
(vor einer militärärztlichen Commission) in die Carriere ein, seit der
Stiftung der academia de sanidad militar zu Madrid**) (5. October
1877) müssen alle Doctoren oder Licentiaten, nachdem sie an beliebigem
Orte diesen Grad erworben haben, durch diese Akademie hindurchgehen.
Die Aufnahme erfolgt nach einem Examen, und nach Abschluss des ein¬
jährigen Cursus ist ein erneutes Examen abzulegen. Wird dieses Examen
nicht bestanden, so bleibt der Aspirant noch ein Jahr länger auf der
Akademie; besteht er auch dann nicht, so wird er einfach entlassen.
Bedingungen der Aufnahme sind ausser den schon genannten: mili¬
tärische Tauglichkeit, nicht zurückgelegtes 28. Lebensjahr, spanische
Nationalität (angeboren oder erworben). Es sei noch bemerkt, dass die
Militärapotheker durch dieselbe Akademie und unter denselben Bedingungen
gehen.
Während des Aufenthaltes in der Akademie haben die Aspiranten,
nach erfolgter Anstellung durch den König, den Titel: oficial alumno
oder medico alumno, Rang und Gehalt (1950 Franken jährlich) eines al-
ferez (wörtlich Fähnrich, aber als Offizier angesehen). Es können alum-
nos über den Etat angestellt werden, die aber keiu Gehalt beziehen.
Die Stellung in der Qualificationsscala entscheidet über die Anstellung
mit und ohne Gehalt, sowie über das eventuelle Nachrucken in frei-
werdende etatsmässige Stellen. Während des zwangsweisen zweiten
Jahresaufenthaltes nach nicht bestandenem Examen wird kein Gehalt
gezahlt. Die Alumnen haben im Dienst Uniformen zu tragen und dürfen,
*) Diese, von der Provinz gegründet und erhalten, hat alle Rechte der medi-
cinischen Facultäten der Universitäten. Die staatliche medicinische Facultat der
Universität Sevilla befindet sich in Cadiz.
**) Auch escuela de aplicacion de medicina y farroacia militar.
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ausser im Krankheitsfalle, keinen Dienet versäumen, auch nicht beurlaubt
werden. Casernirt sind sie nicht.
Die Unterrichtsgegenstände der Akademie sind:
1) Anatomische und chirurgische Uebungen am Cadaver, Verbände
und Apparate,
2) Kriegschirurgie und chirurgische Klinik (im Hospital militar zu
Madrid),
3) Krankheiten der Heere, des Lagers, der Colonien,
4) Syphilis, Dermatologie, Ophthalmologie,*)
5) Militärhygiene und MedicinalgesetzgebuDg des Königreichs,
6) Dienstinstruction,
7) militärische gerichtliche Medicin mit praktischen Uebungen,
8) theoretische und praktische Studien in chemischer Analyse, Mikro-
skopiren, Spektroskopiren mit Anwendung auf Krankendienst, Hygiene
und gerichtliche Medicin.
An leitendem und Lehrpersonal besitzt die Akademie einen Director
(subinsp. 1. cl.), sechs obere Militärärzte als Professoren, einen oberen
Militärapotheker als Lehrer und zwei Aerzte und einen Pharmaceuten als
Stellvertreter der Professoren.
Die Ernennung zum Professor der Akademie erfolgt auf Meldung
und nach Prüfung der Personalacten der Betreffenden. Alle versehen
nebenbei einen andern Dienst (meist ordinirender Arzt im Lazareth)
und werden, falls auswärts garnisonirt, vorher nach Madrid versetzt
Der Beginn der Curse ist im Herbst. Die Schlussprufung findet vor
einer Commission aus Mitgliedern der Akademie unter Vorsitz des
Directors statt. Nach bestandenem Examen erfolgt die Ernennung zum
medico segundo durch den König.
Die Zahl der Alumnenstellen betrug zuletzt 20. Während des Auf¬
standes auf Cuba war der Bedarf an Militärärzten gross; bald aber war
der Etat mehr als voll, und es konnten neue Aerzte nicht eintreten.
Thatsächlich ist der jüngste medico segundo der Armee von 1880. Seit
mehreren Jahren ist denn auch die Akademie durch Königliche Ordre bis
auf Weiteres geschlossen.
Abschied.
ln Spanien besteht das Gesetz des retiro forzoso, des zwangsweisen
Rücktritts, und zwar:
*) Für diese drei Speci&litäten existiren bis jetät keine gesonderten Lehrstühle
an den medicinischen Facultäten.
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für iospectores mit zurückgelegtem 66. Lebensjahr,
- subinsp. 1. cl. - 64. -
2. cK - - 62.
- übrige Chargen - 60.
Pensionirnng.
Wenn der Aasscheidende (auch nicht zwangsweise Aasscheidende)
20 Dienstjahre bat, so ist er ohne Weiteres pensionsfahig, widrigenfalls
muss Dienstbeschadigung nacbgewiesen werden. Die Pensionirnng erfolgt
auf das zoletzt bezogene Gehalt; wenn der Rücktritt freiwillig geschieht,
so muss dieses Gebalt mindestens zwei Jahre bezogen sein. Die Pensions-
Stufen sind:
nach 20 25 30 31 32 33 34 35 Jahren
Hundertstel des Gehaltes 30 40 60 66 72 78 84 90
Wittwen and Waisen erhalten eine Pension nur, wenn der Verstorbene
sich erst als medico primero verheirathet hatte. Eine Wohlthätigkeits-
casse des Corps soll für dieselben sorgen.*)
Beförderung etc.
Bezüglich des Avancements sei bemerkt, dass der
jüngsie inspector 1. cl. 41 Dienstjahre
2. cl. 36
subinspector 1. cl. 30
2. cl. 27
medico mayor 20
primero 10
z. Z. aufzuweisen hat.
Das Avancement soll streng nach der Anciennetat erfolgen, und es
geschieht auch. Aber hier treffen wir auf eine eigentümliche Einrichtung.
Wenn man nur unter den jüngsten spanischen Cameraden einmal
einen nicht Decorirten vorfindet, so überrascht noch mehr eine genauere
Beachtung der Rangeszeichen.**) Diese werden an drei Stellen getragen:
an der Kopfbedeckung als Gallons, an den Aermeln von Waffenrock
und Paletot als Gallons und hier auch als Sterne. Zahl und Breite
bezw. Grösse und Anzahl der Zacken bei diesen Zeichen unterscheiden
die Chargen.
*) Vermögensnachweis und Prüfung der persönlichen Verhältnisse der Braut
wird (auch bei Offizieren) nicht erfordert. (Die auf Familien bezüglichen Angaben
sind mündliche Mittheilungen des medico mayor Dr. Torres an die direccion general.)
**) Die Uniform der spanischen Militärärzte kann ich übergehen; es sei nur
erwähnt, dass das Abzeichen des Sanitätscorps (Ober- und Hülfspersonal) ein Oliven
iweig am Rockkragen ist.
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Für ein gewisses Verdienst kann nun ein Orden verliehen werden
oder aber statt dessen der höhere „grado“; es werden die Gallons am
Aermel dem nächsthöheren Range assimilirt, alles Uebrige bleibt. Ebenso
bleibt das Gehalt der niederen Charge. Nnr die militärische Ehren¬
bezeugung wird dem grado entsprechend erwiesen. Das kann sich nnn
noch einmal wiederholen, so dass der grado zwei Chargen höher ist.
Jetzt (oder auch schon vorher) kann das höhere „empleo u verliehen
werden: die Sterne werden der höheren Charge entsprechend. Dann
tritt auch das höhere Gehalt sofort hinzu. Dies kann nun in infinitem
fortgeben; der „grado“ kann höchstens zwei Chargen ober dem „empleo“,
dieses nie höher als der grado, aber beliebig über dem eigentlichen Range,
der „categoria“, die sich an den Gallons der Kopfbedeckung zeigt, stehen.
Die categoria kann nur durch das Alter geändert werden, und sie ist
entscheidend für die dienstliche Stellung; der mit höherem empleo und
grado Versehene bleibt stets seinem Vordermann in der categoria dienst¬
lich unterstellt, auch wenn dieser keinen höheren grado oder empleo
besitzt. Verfasser kennt z.> B. zwei medicos primeros, die das empleo
als subinspector 1. cl. besitzen, also an der Mütze Hauptleute, an Gallons
und Sternen des Aermels Obersten sind, und zwar ist es einer derselben
seit fünf Jahren nach seinem Diensteintritt. Die Zahl der Militärärzte,
bei denen die drei Dinge, categoria, empleo, grado, übereinstimmen, ist
verschwindend klein.
Fortbildung der Militärärzte, Akademien.
Aerztliche Fortbildungs- oder Operationscurse bestehen nicht. Die
Aerzte der Lazarethe können aber an den nicht von den Verwandten
reclamirten Leichen der Soldaten Operationsübungen anstellen; auch
verstümmelnde Operationen sind gestattet. Um aber sämmtliche Militär¬
ärzte zu wissenschaftlicher Thätigkeit anzuregen, besteht die Einrichtung
der academias del cuerpo de sanidad militar, d. b. der militärärztlichen
Gesellschaften an den Districtshauptorten, dem Sitze des director sub¬
inspector. In diesen Versammlungen, die durch Königliche Ordre vom
13. November 1877 befohlen sind, hat jeder Arzt des Districts, soweit
sein Dienst ihn nicht daran verhindert, zu erscheinen und nach der
Altersfolge über ein selbstgewähltes oder vom Präsidenten (director
subinspector) gestelltes Thema einen Vortrag zu halten, der auch schriftlich
einzureichen ist, um der Junta superior (s. u.) vorgelegt werden zu
können. Diese Vorträge und die daran sich anschliessende Discussion
bilden die Hauptgrundlage für die Beurtheilung der Tüchtigkeit der
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'Sanitätsoffiziere and für die Vorschläge zar Decoration oder ziir Rang*
erhöhung. Die Versammlangen finden in den letzten Tagen eines jeden
Monats (ansset Juli nnd Angnst) statt. Die Pharmacenten haben diesen
Akademien beiznwohnen and haben ausserdem noch besondere Ver¬
sammlangen (za Madrid).
Junta snperior facoltativa.
Die schon mehrfach erwähnte Junta de sanidad en la snperior
consultiva de guerra oder Janta soperior facoltativa ist eine Art perma¬
nenter wissenschaftlicher Deputation, die dem director general zur Seite
steht, direct dem Minister and dem consejo sopremo de guerra (obersten
Kriegsrath, einer beratenden Behörde des Ministeriums) untergeben ist
Dieselbe besteht aus einem Director, einem Secretär, drei oberen Militär-
ärsten, einem oberen Militärapotheker und, falls es sich um Verwaltungen
an gelegen beiten handelt, einem hinzutretenden Intendanturbeamten. Die
Militärärzte geboren keinem anderen Truppentheile an (einer ist der
Director der Akademie). Die Junta kann beliebige Militärärzte von
Madrid zu bestimmten Berathungen über Specialfächer cooptiren. Sie
muss gehört werden bei allen Aenderungen der Reglements und Instructionen
und bei Neuanschaffungen für die Lazarethe, hat die Prüfung der wissen¬
schaftlichen Arbeiten vorzunehmen und auf Grund derselben die Vor¬
schläge zur Decoration und Rangerhöhung zu machen. — Nebenbei
bemerkt, existirt solche Junta facultativa*) auch für die Specialwaffen,
Artillerie- und Ingenieurcorps.
Dienstbetrieb.
Die Militärärzte haben im Dienste in Uniform zu erscheinen. Ausser
Dienst steht ihnen, wie den Offizieren, das Recht des Civiltragens zu,
ein Recht, von dem der ausgiebigste Gebrauch gemacht wird. Privatpraxis
ist gestattet.
Der Dienst der Truppenärzte besteht in der Abhaltung des Revier¬
dienstes und im Begleiten der Truppe bei Uebungen. (Die Aerzte der
nicht berittenen Truppentheile erhalten im Frieden kein Beförderungs¬
mittel. (Grössere Manöver in grösseren Verbänden finden nicht regelmässig
statt) Ausserdem haben sie die Kranken ihres Truppentheile im Lazareth
wöchentlich mindestens einmal zu besuchen. Ueber die Revierkranken ist
dem Commandeur ein täglicher Rapport, meist persönlich, zu übergeben.
Es ist schon darauf hingewiesen, dass vollständige Trennung der
*) Junta = Versammlung, Commission; facultativa ■= fachmännisch.
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Aerzto der Trappen nnd der Lazarethe besteht und dass kein medioo
mayor oder höherer Militärarzt je Truppenarzt ist (ausgenommen den
Fall, dass grossere Truppen verbände zosam mentreten, wo dann meist
schon von der Brigade ab ein Chef des Sanitätsdienstes znm Stabsquartier
tritt).
Militär-Lazarethe.
Die Verhältnisse der Friedens-Militär-Lazarethe (hospitales militares)
sind durch ein neues Reglement*) vom 18. August 1884 geregelt. Das
Reglement betont die Nothwendigkeit, dass die Lazarethe in Krieg und
Frieden vom Sanitätscorps geleitet werden. Die Befreiung der Aerste
von der ökonomischen Verwaltung wird motivirt durch die Absicht, den¬
selben mehr Zeit zu dem rein ärztlichen Dienste zu lassen. Der L&zareth-
inspector handelt nach seiner Specialinstruction, dem Chefarzt steht aber
das Recht zu, die Bestände des Lazareths zu revidiren und dem Ver¬
waltungsbeamten Befehle (auf Verlangen schriftlich, damit dieser nicht
verantwortlich erscheinen kann) zu ertheilen.
Der Chefarzt (director del hospital) wird durch Königliche Ordre
ernannt. Er ist nur den Sanitätsinstanzen (director subinspector & direccion
general) unterstellt, hat aber dem militärischen Commandanten des Platzes
einen täglichen Krankenrapport zu senden. Er besitzt über alle im
Lazareth dauernd oder vorübergehend Beschäftigten, auch die Kranken, die
seinem militärischen Range entsprechende Strafgewalt.**) Der rangälteste
Arzt des Lazareths hat als zweiter Chef (segundo jefe oder jefe de detail
oder jefe de servicios) die Vertretung des Directors, die Lazarethbehandlung
der Offiziere, die Verwaltung der Instrumente***) undBandagen, die meteoro¬
logische Beobachtung und Rapporte, und im Hospital zu Madrid das
anatomisch-pathologische Museum und chemisch-histologische Laboratorium
zu leiten.
Für den Krankendienst ist Stationsbehandlung vorgeschrieben. Auf
einen Arzt dürfen nicht mehr kommen als 40 chirurgische oder 50 innere
*) Reglamento de hospitales militares etc.
**) Jeder Offizier und Arzt hat Strafgewalt über seine Untergebenen. Der Arzt
des Bataillons kann einen Soldaten desselben bestrafen, muss aber dem Compagnie,
chef Anzeige erstatten und dessen Bestätigung nachsuchen. Entsprechend steht es
mit dem Subalternoffizier. — Jeder Offizier kann auch den an Rang jüngeren
Offizier seiner eigenen Truppe bestrafen.
***) Sämmtliche Lazarethe haben ein vollständiges Instrumentarium, auch alle
Instrumente zur Krankenuntersnchung sind vorhanden.
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oder 60 syphilitische Kranke.*) Der Stationsarzt hat Strafgewalt über
Bedienstete und Kranke, muss aber dem Chefarzt von erfolgter Bestrafung
Anzeige machen. Assistenzarztlicher Dienst existirt nicht, jeder Arzt
muss also mindestens 2 Visiten täglich machen. Wachthabende Aerzte
(aus den Jüngsten genommen) giebt es nur in den Lazarethen ersten
Ranges; sie haben keinen Stationsdienst Nicht alle Garnisonen haben
Militärlazarethe. Erst bei einem durchschnittlichen Krankenstand von
30 wird ein Militarhospital errichtet. Falls kein solches am Orte ist,
finden die Kranken Aufnahme in dem Civilhospital, und wenn auch ein
solches nicht am Orte, in einer sog. enfermeria, Krankenstube bezw.
provisorischen Lazareth, wo denn der Truppenarzt die Behandlung behalt.
Die Zahl der Militärlazarethe ist 29.
Brigada sanitaria.
Das Hülfspersonal des Sanitatscorps ist die brigada sanitaria.**)
Es sind dies die von der Truppe ganz gelösten Lazarethgehülfen, die zur
Dienstleistung und Instruction den Lazarethen überwiesen sind. Diese über
das ganze Königreich vertheilte (in den Colonicn entsprechend eingerichtete)
Truppe steht unter Leitung eines subin9pector 2. cl., dem noch zwei
Aerzte zur Hülfe beigegeben siod. Die brigada besteht
für Spanien aus 24 Offizieren, 500 sanitarios (Soldaten und
Unteroffiziere)
„ Cuba ,, 7 „ 400 „
„ Philippinen „ 2 „ 136 „
„ Puerto-Ricö „ 1 Offizier 26 „
Die Offiziere zerfallen in ayudantes 1., 2., 3. cl. mit monatlich 250,
191,66 und 162,50 Pesetas Gehalt; sie gehen aus den sanitarios selbst
hervor und fungiren als eine Art Revieraufseher in den grösseren Lazarethen.
Zum Eintritt in die brigada sanitaria werden nur ausgebildete Leute von
tadelloser Führung zugelassen. Ein grosser Theil der sanitarios besteht
aus Studenten der Medicin, die sich nicht loskaufen (s. unter Rekrutirung),
*) Im Falle der Ueberfüllung der Stationen kann der director subinspector Aerzte
der Truppen (nach Einholung der Genehmigung des capitau general) zum Lazareth-
dienst heranziehen, oder Civilärzte zu medicos auxiliäres (mit 75 frcs. monatl. Gehalt
im Frieden, 100 frcs. im Kriege) ernennen. Dem Chefarzt steht die Ernennung solcher
medicos auxiliäres ebenfalls zu, wenn er nicht am selben Orte mit dem director
nbinspector lebt. (Reglam. organ. und Reglam. de hospitales.)
**) In dieser Form geschaffen am 7. September 1860 durch O'Donnel für den
afrikanischen Feldzug zunächst versuchsweise, seit 12. November 1862 definitiv ein¬
gerichtet.
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and denen man die Gelegenheit zur Betreibung ihrer Stadien ia aus¬
gedehntem Ma&sse gewährt. Die übrigen treten theils auf Wanseh ein,
theils werden sie (neuerdings schon bei der Aushebung) aasgewählt, und
zwar aas allen Trappentheilen. Ihre Instruction ist im Wesentlichen die
unserer Lazarethgehülfen, sie werden aber auch in der Handhabung der
Krankentragen, der Nothverbäode und dergl. geübt. Dem Truppenarzt
stehen keine sanitarios zu Gebote.
Krankenträger.
Sein Hälfspersonal wählt er aus den als Krankenträger aus der
Compagnie etc. (vier pro Jahr und Compagnie, bei anderen Truppen als
der Infanterie etwas weniger) von ihm ausgebildeten Mannschaften; diese
Geholfen heissen practicantes.*)
Feld-Sani täts wesen.
Die Feld-Sanitätsforma tionen zerfallen in hospitales permanentes
(stehende Kriegslazarethe), hospitales de campana (Feldlazarethe) and
ambulancias oder hospitales de sangre {„Bluthospitäler“, zur ersten Auf¬
nahme der Verwundeten und Kranken bestimmt). Sehen wir von den
beiden ersteren ab, deren Einrichtung, Etat etc. aus der älteren Instruction
(vom 18. Mai 1873) nicht klar hervorgeht, und betrachten wir den Sanitäts¬
dienst auf dem Schlachtfelde.
Jeder Brigade des Heeres entspricht eine Abtheilung der Sanitäts-
Brigade. Das Reglement der brigada sanitaria nennt diese Abtheilung:
Compania, im älteren Lazarethreglement heissen sie „brigada“. Diese
compaüia wird so getheilt, dass jedem Bataillon Infanterie eine „seccion u
zukommt, die aus 1 Unteroffizier**), 2 Gefreiten***) und 2 sanitarios
besteht, zu denen 25 Krankenträger des Bataillons treten, die beim
Gefecht ihre Waffen und Gepäck beim Bataillon abgeben und die nöthigen
Tragen ergreifen (6). Diese Section tritt unter Befehl des Truppenarztes
und fuhrt ihm die Verwundeten nach dem Truppenverbandplatz, von wo
sie weiter zur ambulancia geschafft werden. Die Section hat dem Bataillon
zu folgen. — Bei der ambulancia verfugt eine Brigade über 4 Aerzte,
9 sanitarios und 12 aus den Truppen gezogene Soldaten als Kranken¬
wärter. Zur Unterkunft führt sie 5 Zelte verschiedener Grösse (12 Meter,
*) Militärische Krankenwärter giebt es nicht, wohl aber Civil-Krankenwärter
(enfermeros), zu den niederen Verrichtungen.
**) Sargento segundo.
***) Cabo primero und 1 segundo.
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6, 5, 4 Meter lang). Für eine Division aus 2 Brigaden tritt eine dritte
ambnlancia hinzu mit einem Arzte mehr, für ein Armeecorps ans
2 Divisionen ebenfalls eine neue (7.) und für eine Armee ans mehreren
Corps stets wieder eine neue Ambalance, so dass beispielsweise für eine
Armee ans 3 Corps 22 „brigadas de ambnlancia 44 angesetzt sind.
Der Arzt des Stabsquartiers leitet den Sanitätsdienst auf dem
Schlachtfelde nach Einholung der Befehle des Commandeurs.
Bezüglich des Materials treffen wir auf die Lazarethgehülfen-Verband¬
tasche, das Verbandpäckchen (bolsa personal), den Bandagentornister,
den Medicin- und Bandagenkasten für jede Truppenabtheilung, die einen
Arzt, hat; anch Instrumente zu Operationen, darunter ein kleines leicht
transportables Besteck mit auseinanderzunehmenden Instrumenten für
grossere Operationen. Bei der Brigade und demnächst der Division
grossere Depots von Verband- und Arzneimitteln.*) Was das Material
zum Transport der Verwundeten und Kranken betrifft, so verfügt eine
Brigade bei ihrer Ambulance über 50 Tragen, dazu kommen 4,
welche bei den Truppen mitgeführt werden, bei den Infanterie-Bataillonen
6 Tragsessel (aus Gort und Leder), 25 Cacolets (artolas genannt),
1 auf einem Manlthiere zu lagernde Trage, 2 Krankentransport-
Wagen. Von Letzteren finden sich zwei- und vierrädrige; es existiren
ein- und zweistöckige, für die Evacuation sogar dreistöckige (mit Hebe¬
vorrichtung für die Tragen), die Tragen der Letzteren sind verkürzbar.
Die gewöhnliche Trage kann auseinandergenommen und von 2 Mann
bequem transportirt werden. Eine eingehende Beschreibung des Materials
würde zu weit führen und kaum lohnend erscheinen.
Sämmtliche8 Sanitatsmaterial, soweit es nicht im Gebrauch ist, wird
im Parque sanitario zu Madrid aufbewahrt und verwaltet. Director
desselben ist ein snbinspector 2. cl., dem ein medico primero und
das nothige Hülfspersonal von sanitarios zur Seite steht.
Rapportwesen.
Aerztliche Berichterstattung findet nur statt seitens der
Lazarethe und zwar täglich, monatlich vierteljährlich und jährlich. Den
Berichten über grössere Zeiträume ist eine LJebersicht der Epidemien,
Todesfälle und Dienstentlassungen beigegeben. Sämmtliche Berichte
gehen durch den director subinspector an die direccion general, wo sie
*) Das Bataillon führt Material für 250 „Verbände“, die Brigade ausserdem
für 1500, die Division für 5000.
6 * .
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zu8ammeoge8tellt werden. — Die Trappenarzte berichten, ausser dem
täglichen Rapport an den Commandeur, nicht.
Rekratirong.
Die Rekrutirang (reeluta oder quinta) vollzieht sich auf den
Principien allgemeiner Wehrpflicht. Die Dienstpflicht dauert acht Jahre,
davon drei Jahre activen Dienststandes, fünf Jahre Reserve. Einjährig
freiwilliger Dienst existirt nicht, wohl aber besteht die Möglichkeit des
Loskaufs für 1500 (bis vor Kurzem 2000) Franken. Im Herbste werden
die Zwanzigjährigen von der Ortsbehörde (ayuntamiento) aufgefordert, sich
zu stellen und zunächst von einem (gewöhnlich beamteten) Civilarzt
untersucht, im November oder December erfolgt dann die Vorstellung
vor der Rekrutirungscommission (caja de reeluta), welche aus Civil- und
Ortsbehörde, einem Offizier, einem Militär- und einem Civilarzt, welche
letztere beiden zu diesem Zwecke eigens von der Militär- bezw. Civil-
behörde ernannt werden, besteht. Das Urtheil der ärztlichen Commission
ist bindend. Falls die beiden Aerzte sich nicht einigen, so tritt eine
neue und event. eine 3. Commission zusammen. Eine neue Commission
tritt auch in Fnnction, wenn der Rekrut oder die übrigen Mitglieder mit
dem Urtheil nicht einverstanden sind. Der Zweck der Gegenwart des
Civilarztes soll sein, ein Gegengewicht zu schaffen gegen den Militärarzt,
der möglichst rigoros urtheilt, und dass somit ein sachverständiger Anwalt
des Untersuchten vorhanden ist.*) Das Reglement über die Unbrauch¬
barkeitserklärung (Reglamento para la declaracion de exenciones del
servicio en el ejercito etc., Theil des Rekrutirongsgesetzes vom
28. August 1878) unterscheidet drei Classen von Fehlern: 1. Classe:
solche Fehler, auf welche hin die Ortsbehörde ohne ärztliches Urtheil
die Unbrauchbarkeit aussprechen kann (grobe Verstümmelungen und
Verbildungen z. B.); 2. Classe: Fehler, auf welche hin die Unbrauch¬
barkeitserklärung von der caja de reeluta erfolgt; 3. Classe: Fehler,
welche erst durch versuchsweise Einstellung zu beweisen sind (namentlich
solche, die simulirt oder übertrieben werden könnten: Epilepsie, Idiotismus,
andere Nervenleiden, Haemoptoe etc.). Das Minimalmaass ist 148 cm,
der geringste zulässige Brustumfang bei der Exspiration 72 cm.**)
*) Torres und Castillo, gaceta de sanidad militar No. 211 (October 1883),
pag. 513 ff. \
**) Mündliche Mittheilung; im genannten Reglement fehlen diese Angaben.
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Dieustunbraucbbarkeit bereits eingestellter Mannschaften.
Stellt sich bei einem im Dienste Befindlichen Unbrauchbarkeit
ein, so ist das Verfahren zur Entlassung folgendes: Der Betreffende wird
dem Lazaretbe des Districtshauptortes überwiesen und dort auf die eigens
für voraussichtlich Unbrauchbare bestehende Abtheilung (Sala de presuntos
inotiles oder de comprobacion) aufgenommen. Dort wird ein Journal
über ihn geführt, und falls der beobachtende Arzt die Ueberzeugung ge¬
winnt, dass Unbrauchbarkeit vorliegt, so wird ein „tribunal medico“ aus
einer Anzahl (3 bis 4) Aerzten des Lazareths unter Vorsitz des capitan
general del distrito zusammenberufen und nach Verlesung des Journals
und Untersuchung des Betreffenden das Urtheil gesprochen und schriftlich
niedergelegt. Der director subinspector del distrito ist ärztlicher Präses
der Commission.
Wahrend eine Reserve der Truppen existirt, fehlt eine solche für das
Sanitätsoffiziercorps. Der Bedarf im Kriegsfälle wird gedeckt durch
solche, die auf Halbsold gesetzt sind, die schon erwähnten medicos
auxiliäres etc. Durch die gedienten Mediciner, denen nach' Vollendung
ihrer Stadien auf ihr Ansuchen der Titel medico provisional mit dem
Range und Gehalt als alferez — ohne die Möglichkeit, aufzusteigen —
verliehen werden kann.
Colonialarmee.
Die Colonialarmee wird mit Aerzten der Halbinsel versorgt. Die
Auswahl geschieht auf Antrag oder * auch durch das Loos. Der zur
Colonialarmee übertretende Arzt erhält sofort den nächst höheren grado
und empleo und das vierfache Gehalt des heimathlichen empleo. Tritt
er zurück, so verbleibt ihm empleo und das demselben in der Heimath
entsprechende Gehalt. Nach 7 Jahren ist der Rücktritt zur Armee der
Halbinsel obligatorisch, bei Krankheitsfällen kann er schon früher er¬
folgen. Für die nächste Zeit sind die schon einmal in den Colonien
verwendeten Aerzte von der erneuten Versetzung dahin ausgeschlossen.
Militärapotheker.
Die Militärapotheker sind Offiziere des Sanitätscorps. Das
Apotheken wesen der Militärbospitäler ist sehr vollkommen organisirt.
Alle Arzneien werden aus dem Laboratorio central zu Madrid bezogen
wo sie aus den Rohproducten dargestellt werden. Auf diese Weise stehen
die Militärapotheken gänzlich unabhängig von den Civilapotheken da.
Jedes Militärlazareth hat einen, die grösseren mehrere Apotheker. Aq-
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spruch auf Verabfolgung von Arzneien aus den Militärapotheken für sich
und ihre Familie haben auch die Offiziere, wenn sie sich von dem zu¬
ständigen Militärarzt behandeln lassen; doch sind die Militärapotheker
nur während der ihnen angesagten Dienststunden zur Abfertigung solcher
Recepte verpflichtet.
Die ärztliche Untersuchung der Militärpflichtigen im Musternngs-
geschäft.
Von
Stabsarzt Dr. Flashar.
So vorzüglich die Anleitung ist, welche die Dienstanweisung vom
8. April 1877 dem Arzt zur Untersuchung und Beurtheilung der Militär¬
pflichtigen giebt, erscheint es doch nicht unzweckmässig, auf Grundlage
dieser Instruction eine weitere Verständigung und Vereinbarung über
einzelne Punkte anzustreben und dadurch die schwierige Aufgabe, welche
dem Arzt, besonders wenn ihm die langjährige Uebung abgeht, beim
Musterungsgeschäft erwächst, zu erleichtern. Bei der heutigen Dienst¬
zeit des Stabsarztes, welcher etwa 13 Mal das Musternngsgeschäft mit¬
zumachen hat, wird schliesslich durch die Länge der Zeit ein Jeder sich
eine gewisse Erfahrung und Routine aneignen; er wird auf Grund der¬
selben im Musterungsgeschäft nach bestimmten Maximen zu arbeiten
gelernt haben. Im Interesse der Armee aber wie der Militärpflichtigen
muss es liegen, wenn diese Grundsätze eine möglichst grosse Einheit er¬
langen, die auch dem jüngeren Arzt schon zur Richtschnur dienen können.
Dass aber auf Grund der Dienstanweisung diese Einheit noch nicht ans¬
reichend erzielt wird, ergiebt sieb aus der Erfahrung, dass die verschiedenen
Aerzte bei Lösung ihrer Aufgabe immerhin noch so verschieden verfahren,
dass eine allgemeine Richtschnur kaum vorhanden zu sein scheint Es
ist daher nicht unangebracht, die Grundsätze, nach denen der Eine oder
Andre verfährt, in die Oeffentlichkeit und so zur Besprechung zu bringen.
Mit dem Worte „Musterung“ ist die Aufgabe des Arztes beim
Musterungsgeschäft richtig genug bezeichnet. Es handelt sich bei diesem
nicht darum allein und besonders, die dienstbrauebbaren Mannschaften
für die Armee auszuwählen, sondern um eine Sichtung des vorhandenen
Menschenmaterials in verschiedene Gruppen; freilich ergiebt sich durch
diese Sichtung auch die für die Armee wichtigste Gruppe der zum Dienst
Tauglichen. Das Resultat der Musterung ist einerseits die Zurückstellung
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der Militärpflichtigen, andererseits ihre Verthei]ung auf die verschiedenen
Vorstellungslisten, anf Grand deren beim Ober-Ersatz- oder Aushebungs-
gescbäft die definitiven Entscheidungen getroffen werden.
Aus den alphabetischen Listen der einzelnen Ortschaften und Alters-
elassen werden die in §. 49 der Ersatz-Ordnung genannten Listen auf¬
gestellt und zwar die meisten derselben auf Grund eines ärztlichen Gut¬
achtens, das bei der Musterung abgegeben war. So werden in die Vor-
stellungsliste B. die wegen geistiger und körperlicher Gebrechen dauernd
Untauglichen, in die Liste C. die wegen zeitiger Untauglicbkeit und
wegen bedingter Tauglichkeit zur Ersatz-Reserve 2. Classe in Vorschlag
Gebrachten, in die Liste D. die wegen geringer körperlicher Fehler und
wegen vorübergehender Untauglichkeit zur Ersatz-Reserve 1. Gasse (mit
Trennung der Uebungs- und nicht Uebungspflichtigen) Designirten, in
die Liste E. die zur Aushebung in Vorschlag gebrachten Militärpflichtigen
der Landbevülkerung eingetragen.
[Es würde sich vielleicht empfehlen, den Gemusterten über das
(nicht definitive) Untersuchungs-Resultat, dessen Renntniss ihn event.
bestimmen kann, bis zum Ober-Ersatzgeschäft Dienstentziehungsversuche
zu machen, in Zweifel zu lassen und zu dem Zweck in die alphabetische
Liste nicht das Urtheil wie „Reserve I übungspflichtig“, oder „tauglich
Infanterie“ u. 8. w. aufzunehmen, sondern dafür zu sagen „Liste D.“
„Liste E.“ u. s. w. Die wenigen Buchstaben würden sich dem Gedächt-
niss leicht einprägen und würde der Arzt sich besser bewusst bleiben,
dass er eigentlich für die Listen arbeitet.]
Je sorgfältiger nun die Vertheilung der Gemusterten in die ver¬
schiedenen Listen stattgefunden hat, um so mehr wird sich der aushebende
Arzt beim Ober-Ersatzgeschäft nur mit den tauglich Befundenen be¬
schäftigen können und um so sicherer wird damit der Armee das gesündeste
und beste Material zugeführt werden können. Die Musterung ist daher
indirect eine sehr wichtige Vorarbeit für die Einstellung des Ersatzes.
Fehler sollten beim Musterungsgeschäft nie übersehen sein, besonders
solche nicht, die grundsätzlich eine andere Entscheidung bedingen, da
nach §. 72, 3 der Ersatz-Ordnung namentliche Uebertragungen aus einer
Liste in die andere nicht stattfinden dürfen.
Die richtige Rubricirung kann aber nur auf Grund einer sehr sorg¬
fältigen Untersuchung der Militärpflichtigen stattfinden, welche nach §. 4
ad 6 der Dienstanweisung nur dann abgebrochen werden darf, wenn ein
dauernd untauglich machender Fehler gefunden wird, in allen übrigen
Fällen aber vollständig vorgenommen werden muss.
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Bedenkt man nun, dass dem Arzt für jede Untersuchung höchstens
3 Minuten Zeit bleiben, in welchen gleichzeitig ein richtiges und ver¬
antwortliches Urtheil abzugeben ist, so ist klar, dass der Arzt einerseits
in der Untersuchung sehr geübt sein, andererseits die genaueste Eenntniss
der Instruction bis in die kleinsten Details besitzen muss. Bei der
compendiösen Form der Dienstanweisung ist jedes Wort derselben von
einer Bedeutung, welche bei nicht genauer und wiederholter Lectüre zu
leicht unterschätzt wird; die Dienstanweisung will studirt und immer wieder
studirt sein, und selbst der Geübteste fühlt sich genothigt, sich immer von
Neuem wieder vor die Seele zu führen, was er aus der Instruction für
da« bevorstehende Musterungsgeschäft zu entnehmen hat; wieviel mehr
der Anfänger, für den diese Zeilen besonders berechnet sind!
Der Untersuchungsaufgabe beim Musterungsgeschäft entspricht es
nicht, einer gewissen Specialistik nach dieser oder jener Richtung nach¬
zugehen ; nicht, dass der Arzt aus zufälliger persönlicher Erfahrung oder
Liebhaberei sich mit einer Reihe von Fehlern oder einzelnen Eörpertheilen
vornehmlich beschäftigen will; nicht, dass man seinen Ruhm darein setze,
einige Simulanten (ob sicher?) zu entlarven, oder das grosse Pensum in
kürzester Zeit zu absolviren.
Die Aufgabe ist die, ein sachgemässes gediegenes Urtheil über jeden
Militärpflichtigen so abzugeben, dass bei der Aushebung nichts dagegen
einzuwenden ist. Wer das cito mit dem tutto vereinigen kann, ist am
besten dran, aber nie darf das cito dem tutto voranstehen. Von erfahreneren
Bezirk8commandenren ist oft die Bemerkung zu hören, wie sie alljährlich
die Beobachtung machen könnten, dass jeder Arzt sein besonderes Stecken¬
pferd habe, wie auch, dass Jeder nach anderen Principen untersuche und
urtheile.
Und doch müsste der Untersuchuogsmodus, der Instruction entsprechend,
überall derselbe sein, müsste, wenn die grosse Aufgabe im Auge behalten
wird, Steckenpferd nur das sein^ dass nach der Instruction jeder Militär¬
pflichtige den richtigen Bescheid erhalte.
In §. 4 ad 6 lehrt die Dienstanweisung, es solle zunächst der Körper¬
bau im Allgemeinen, die Haltung beim Gehen und Stehen geprüft werden;
alsdann sei jeder einzelne Körpertheil besonders, jede Region, und zwar
in einer bestimmten Reihenfolge, zu untersuchen. Die Untersuchungs¬
methode ist damit ganz genau präcisirt und es handelt sich nur darum,
sie ein- für allemal festzuhalten und anzuwenden.
Bevor wir uns mit der Untersuchung selbst beschäftigen, wären noch
einzelne Punkte besonders zu berühren:
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Man lasse sich, namentlich bei Anfang des Musterungsgeschäfts,
nicht dnrch die 8orge bestechen, dass nicht genug brauchbares Material
herausgefunden würde und dadurch in seinem Urtheil beeinträchtigen
und umgekehrt, „weil der Bedarf gedeckt ist tt ; man gebe sein Gutachten
onr nach der genauen Untersuchung und reiflichen Ueberlegung in Betreff
der Felddienstfähigkeit ab.
An Mannschaften des ältesten Jahrganges thut man gut, der Alteife-
entwickelung entsprechend, etwas grossere Ansprüche au stellen; nicht
geringere, damit sie, der Entscheidung nah, nur ja nicht dem Militär¬
dienst entgehen. Was ein Haken werden solli krümmt sich bei Zeiten,
das gilt auch vom Militärpflichtigen. Sie sind sehr häufig der schlechteste
Ersatz, für welchen gute und gediegene Mannschaften zur Auslosung
gelangen. Aus den Zusammenstellungen in den statistischen Sanitäts¬
berichten muss auffallen, dass die Entlassenen im ersten Dienstjahr und
zweiundzwanzigsten Lebensjahr correspondirend die grössten Zahlen geben.
Es ist darauf hinzuwirken, dass Mannschaften, bei denen im 1. und
1 Dienstj&hr nach genauer Untersuchung ein definitives Urtheil abge¬
geben werden kann, aus den alphabetischen in die Vorstellungslisten über¬
tragen werden, damit die alphabetischen Listen entlastet und damit das
Menschenmaterial für das folgende Jahr an Zahl möglichst verringert
werde. Gerade die Ansammlungen erschweren das Musterungsgeschäft
gegen die Vorschrift ganz erheblich.
Man bat zu trennen zwischen dem Gutachten und der Bezeichnung
der Fehler nach den Anlagen. Wenn auch im Allgemeinen die Anlagen
1—4 einen meist sicheren Anhalt zur Abgabe des Urtbeils geben, so ist
doch nicht immer gesagt, dass z. B. der Fehler, welcher in Rubrik 2
verzeichnet ist, und oft verschiedene Grade zulässt, durchaus bloss bedingt
tauglich macht: so wird sich Anlage 2o. heut sogar zur Einstellung
eignen. Anlage 4, 69 wird nicht immer dauernd untauglich machen,
sondern je nach dem Grade der möglichen Heilbarkeit event noch zu
Reserve II. einstellen lassen u. 8. w. Ueberdies ergiebt sich diese
Scheidung von Fehlerbenennung und Urtheil aus der Vorschrift über
Ausstellung von Attesten, wonach Mannschaften, die nach Anlage 4 dienst-
unbrauchbar beurtheiltwerden,doch nur nach Anlage 3 (für j etzt unbrauch¬
bar) bezeichnet werden dürfen.
Jeder, auch der geringste, Fehler muss aufnotirt werden, weil er
beim Ober-Ersatzgeschäft für die Beurtheilung von Bedeutung werden
und, in das Nationale eingetragen, oft guten Anhalt zur Abweisung von
späteren Invalidenansprüchen geben kann.
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Mao versäume uicbt die kostbare Zeit, deren Verlust schliesslich nur
durch oberflächliche Untersuchung anderer Militärpflichtiger wieder ein¬
gebracht werden kann, mit Untersuchungen, die nicht zu einem sicheren
Ziel fuhren können. In einzelnen berechtigten Fällen soll der Instruction
gemäss eine genaue Untersuchung erst nach Schluss des Musterungs¬
geschäftes vorgenommen werden. Die Instruction selbst giebt zu, dass
Untersuchungen der Brust, Seh- und Hörorgane nicht mit der erschöpfen¬
den Genauigkeit geprüft werden können und verweist daher auf den
Truppenarzt. Es steht das nicht in Widerspruch mit §. 4 ad 3, wo es
heisst: „Wo die blosse Besichtigung nicht ausreicht, sind zur Erlangung
eines zuverlässigen Untersuchungsergehnisses alle Hülfsmittel anzuwenden,
welche die wissenschaftliche Diagnostik an die Hand giebt“ Es ist dies
cum grano salis zu verstehen. Spektroskopie und Mikroskopie, Becken¬
messung, Harnanalyse und Magensondirung wird nicht verlangt; Augen¬
spiegel (ohne Atropin und Beleuchtung!) wohl auch nicht Apparate zur
Entlarvung von Simulation haben keinen Zweck, weil sie in der kurzen
Zeit nie ein Urtheil erreichen lassen, das man vor Gericht vertreten konnte.
Und doch scheint gerade dieser Passus §. 4 ad 3 der Dienstanweisung
Veranlassung geworden zu sein, dass man- sich müht, Instrumente zu er¬
finden, mit denen man Refraction und Sehschärfe schnell bestimmen
könne. Der Schreiber dieses hat Grund, die Verwendbarkeit dieser Apparate
anzuzweifeln.
In demselben §. 4 ad 7 ist aber weiter genau gesagt, dass heim
Ersatzgeschäft die Prüfung der Sehfähigkeit in der Regel nur mittelst
Sehproben zu erfolgen hat. Es sind also der wissenschaftlichen Diagnostik
Grenzen gezogen, die sich überdies von selbst verstehen, wenn die ganze
Aufgabe des Musterungsgeschäfts im Auge behalten wird.
In der Bemerkung zu Anlage 1 h. in Beilage III der Dienstanweisung
ist allerdings gesagt, „selbstverständlich nach CorrectiouetwaigerRefractions-
fehler“, daraus würde für das Musterungsgeschäfit die NothWendigkeit des
Brillenkastens zu folgern sein! Aber die Anlagen 1—4 sind nicht bloss
für das Musterungsgeschäft, sondern auch für die weiteren Untersuchungen
nach der Einstellung geschrieben, und auf diese nur kann sich die An¬
merkung beziehen. Es ist ja auch thatsächlich unmöglich, bei Leuten,
die den Arzt vielleicht gar belügen wollen, mit allen Gläsern zu proben
und dann noch ein sicheres Urtheil abgeben zu können! Also nur mit
den Sehproben prüfen! Sie genügen vollständig, um den Mann, der
Jäger werden will, als Dissimulanten zu entlarven, denn wenn er die
verlangten Proben nicht lesen kann, so ist er entlarvt und das genügt.
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Was hat der Musterungsarzt für Utensilien bei sich zn fuhren?
Mehrere Bandmaasse zur Messung des Brustumfanges, am besten
die eiofachen Bänder, da stählerne zu tief in die Haut einscbneiden; die
Bänder aber müssen nicht bloss zu Anfang ihres Gebrauchs, sondern
besonders bei längerem Gebrauch am Maassstab geprüft werden, da sie
durch Dehnung sich ändern und dann ersetzt werden müssen.
Ein Horrohr, mit welchem in einzelnen eclatanten' Fällen aus¬
gesprochener Herzfehler, Schwindsuchtsanlage sichere Urtheile zur Abgabe
eines Gutachtens erreicht werden können; man darf sich eben nur mit
dem Möglichen begnügen, aber dieses gründlich machen.
Eine Linse zur schiefen Beleuchtung des Auges (aus dem Augen¬
spiegel-Etui), mit welcher ohne Zeitverlust eine gute Beurtheilung der
Hornhaut und Linse erlangt werden kann.
Sebproben (nach Vorschrift Sn eilen, für Analphabeten eignen sich
die Burchardt’schen Tüpfelproben) cfr. §. 4, 8, und Wollfäden, in
denen sich Roth, Grün und Weiss befinden müssen, zur Prüfung des
Farbensinnes.
Ohren Spiegel mit Reflector.
Das Bandmaass wird auch zur vergleichenden Messung von Glied-
maassen zu benutzen sein. Dies genügt und mehr ist nicht in Anwendung
zu ziehen, wenn man nicht auf Kosten des Ganzen Specialistik treiben will.
Wichtiger als Alles ist das geübte sichere Auge. Wie dem geübten
Soldaten äuge die geringste Abweichung der Linie auffällt, so muss dem
Arzt, der mit kritischem Blick das Untersuchungsobject betrachtet, jede
Abnormität, jede Asymmetrie sofort entgegenleuchten; dem prüfenden
Blick muss sofort die körperliche Leistungsfähigkeit klar werden. Dazu
bedarf es aber der vielfachsten Uebung des Auges durch vielfaches Be¬
sichtigen nackter Körper und dann namentlich des Wissens, was dem
Auge auffallen soll. Gerade zur Uebung des Auges muss der jüngere
Arzt die ihm jetzt durch seine Commandirung zum Musterungsgeschäft
gegebene Gelegenheit benutzen, und darum sollte er keinen Tag versäumen,
nackte Körper zu sehen.
Nur diese Vorübung ermöglicht das cito mit dem tutto zu verbinden.
Der Musterungsarzt thut wohl daran, vor Beginn des Musterungs¬
geschäfts sich über die Localität zu informiren und den Platz sich aus-
zosuchen, den er für seine Untersuchungen braucht Begnügt man sich
stets mit dem unpassenden Plätzchen, das vielleicht Schreiber dem
Arzt angewiesen haben, so kann man von vornherein darauf ver¬
zichten, verantwortliche ärztliche Gutachten auf Grund einer Untersuchung
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ab zugeben. Aue Pflichtgefühl muss der Arzt den Platz beanspruchen,
der sich für seine Zwecke eignet und im Fall dagegen Schwierigkeiten
erhoben werden, „weil es so viele Jahre hindurch immer so gegangen
sei“, genügt der Hinweis auf §. 63, 2 der Ersatz-Ordnung, um den Militär-
Vorsitzenden eine Aenderung herbeiführen zu lassen, da derselbe für die
Gründlichkeit der ärztlichen Untersuchung verantwortlich ist und gerecht¬
fertigten Forderungen des Arztes gern nachkomoien wird. Man vergesse
nicht, dass 150 bis 200 Mann genau untersucht und beurtheilt werden
sollen, dass die Sinne und besonders das Auge des Arztes in beständiger und
anstrengender Thätigkeit bleiben. Dazu bedarf es des Lichts und genügen¬
den Raumes. — Das Licht, das auf den zu Untersuchenden fallt, muss
ein gleich massiges sein; wie directes Sonnenlicht, namentlich auf den
Fus8boden fallendes, zu vermeiden ist, ebenso muss man bedacht sein,
dass nicht der Schatten eines Mauerpfeilers oder gar der des unter¬
suchenden Arztes einzelne Körpergegenden verdunkle. Er hat sich also
in der Nähe von Fenstern seinen Platz so zu wählen, dass das Licht
von vorn und von beiden Seiten auf den Körper falle. Die Stelle, wo
der Militärpflichtige sich hinzustellen hat, wird durch zwei kurze aber
dicke Parallelstriche mit Kreide flzirt und event im weiteren Verlauf
des Vormittags verlegt, je nachdem die Lichtquelle dies erfordert.
Wenn irgend möglich, muss der Arzt darauf bedacht sein, diese
Stellung in Entfernung von 6 bis 8 Fuss dem Maassstab gegenüber ein¬
zunehmen. Bei genügender Beleuchtung wird in dieser Entfernung (dem
Sehwinkel entsprechend) am besten der Totaleindruck eines Körpers ge¬
wonnen. Man lasse daher den zu Untersuchenden nie früher an sich
berantreten, bis man sich aus dieser Entfernung mit ihm zu beschäftigen
angefangen hat. Steht einmal der Körper dicht vor oder neben dem Arzt,
so wird der Totaleindruck sicher ein anderer, weil man nicht mehr die
ganze Figur mit dem Auge aufnehmen kann.
Mit dieser Prüfung beginnt die allgemeine Untersuchung; nun lässt
man den Mann auf sich zukommen, so dass während des weiteren Vorgehens
Zeit und Gelegenheit gegeben bleibt, die Gesichtsfarbe und den Gesiebts¬
ausdruck, die allgemeinen Formen des Körpers, der Muskulatur, die
Figuration des Brustkastens, die Bewegung des Körpers, die Gehfähigkeit
ins Auge zu fassen, Erhöhungen von Schulter und Hüfte, Differenzen im
Gliederbau, Beschaffenheit der Gelenke, Stellung der Gliedmaassen werden
dabei schon geprüft. Auch empfiehlt sich, schon jetzt die Sehrichtung
der Augen zu taxiren, die bei Abnormitäten der Sehfähigkeit in der
Entfernung oft eine andere ist, als wenn in der Nähe mit beiden Augen
das Sehobject erfasst werden kann.
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Entweder bald oder nach beendigter specieüer Untersuchung in der
Nahe lässt man den Untersuchten 4 bis 5 Schritt so vorgehen, dass er
in dieser Entfernung noch von der Rückseite her im Allgemeinen besichtigt
waden kann. Oft ist diese letzte Besichtigung ausschlaggebend, wenn man
über die körperliche Tüchtigkeit im Zweifel gewesen war. §. 5 der
Dienstanweisung lehrt uns, welche allgemeine Anforderungen an die zum
Dienst mit der Waffe zu designirenden Militärpflichtigen zu stellen sind;
dieser Anforderungen muss der Arzt sich nicht nur genau bewusst sein, er
muss sich durch vielfache Uebung auch den richtigen Maassstab ver¬
schaffen. Gerade im Musterungsgeschäft, wo alle möglichen und unmög¬
lichen Figuren sich dem Auge präsentiren, gebt dem Arzt der ver¬
gleichende Maassstab viel leichter verloren, als im Aushebnngsgeschäft,
wo die brauchbaren kräftigen Leute zusammen vorgestellt werden und
eine schlecht gebaute Figur viel eher auffallen muss.
Es ist daher für den Musterungsarzt sehr wichtig, sich immer zu
vergegenwärtigen, dass „nur solche Leute, deren Gesundheit und Körper¬
bau die erforderliche Ausdauer bei den Anstrengungen des Dienstes zu¬
versichtlich hoffen lässt“, in Liste E. eingetragen werden.
Es empfiehlt sich nicht, die specielle Untersuchung mit der Messung
des Brustumfanges zu beginnen, weil schon das Ergebniss derselben den
Vorsitzenden zur Abgabe seiner Entscheidung veranlassen kann und da¬
durch die anderweitige Untersuchung der ersten beiden Jahrgänge auf¬
gehoben wird. Hierdurch gerade wird eine Reihe von Mannschaften,
bei denen nach vollständiger Untersuchung schon eine Entscheidung zu
treffen gewesen wäre, zum Nachtheil des ganzen Musterungsgeschäfts
noch länger in den alphabetischen Listen erhalten.
Wenn jeder einzelne Körpertheil, jede Region des Körpers geprüft
werden soll, muss der Arzt auch genau wissen, welche Fehler und Ab¬
normitäten, die das Urtheil beeinflussen können, überall vorzukommen
pflegen; daher muss eine genaue Kenntniss der in den vier Anlagen der
R. O. verzeichneten Fehler die Bedingung zur richtigen Untersuchung
sein. Nicht bloss das, was dem Auge sich zufällig bietet, muss beachtet
werden, es soll vielmehr io allen Theilen und Regionen geforscht werden,
ob die und die Fehler vorhanden sind: deshalb ist die methodische Unter¬
suchung des Militärpflichtigen von entscheidendem Werth für die Losung
der ganzen Aufgabe.
Am natürlichsten fängt die Untersuchung mit dem Kopfe an. Bei¬
spielsweise hat der prüfende Arzt auf Kopfausschläge, die Art des
Haarwuchses, auf Narben und Knochendefecte, auf Form Veränderungen
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des Schädels u. 8. w. za achten. Der Kopf wird also mit beiden Händen
an den Schläfen gefasst and so* gebeugt, dass Haarwachs and Kopfhaut
besehen werden kann; dann wird mit der Hand tastend aber die Kopf¬
fläche gegangen, am (den Mangel von) Deformitäten etc. za constatiren.
Schon während dieser Manipulationen beginnt das sehr wichtige
Examen des Militärpflichtigen durch Unterredung; sie ist während der
weiteren Untersuchung fortzusetzen, bis man erfahren, was za wissen noth-
wendig; sie ist erforderlich, am Taubheit und Stammheit resp. beide
festzastellen, am die Sprache auf Stottern za prüfen, um auf Wolfsrachen
and andere Abnormitäten in Mond und Nase aufmerksam za werden, am
die Intelligenz resp. deren Mangel zu constatiren. Sie ist ferner wichtig
für die Anamnese and überhaupt für die ganze Untersuchung von grösstem
Werth. Die Fragen dürften lauten: Was sind Sie von Haus? Sind Sie
gesnnd, sind Sie noch nie krank gewesen? Leben die Eltern noch?
Haben Sie Geschwister verloren? Haben Sie einen Fehler an sich?
Können Sie gut sehen and hören? a. s w. Die Bedeatang der Fragen
ergiebt sich von selbst: der Beruf wird aaf besondere Krankheits-Dispo¬
sitionen, die mit jenem oft im Zusammenhang stehen, hin weisen, und
wird die Wahl für Specialwaffen und Oekonomiehandwerker erleichtern;
erbliche Belastung (Schwindsucht) wird zur strengeren Kritik des ganzen
Habitus, des Brustkorbes und zur Prüfung der Lungen führen,, mindestens
wird die Notirung der erblichen Belastung in der Liste von grossem
Werth für .weitere Beurtheilung sein. Eine Reihe von Fehlern, die sonst
der Untersuchung zu entgehen pflegen, werden zur Kenntniss des Unter¬
suchenden gebracht, wie Knochenbrüche, Fistelleiden, tiefere Ohr- und
Augenleiden etc.
Es folgt die Untersuchung dieser letzteren selbst, indem mit dem
Daumen beiderseits das untere Lid ektropionirt und besichtigt wird.
Prüfung der Blickrichtung, der Hornhaut, der Linse event. mit Glas ist
schnell durchzuführen, auch Thränensackleiden werden leicht auffallen.
Wo Prüfung der Sehschärfe erforderlich, kann sie sofort mit den Seh¬
proben (cfr. oben) in kurzer Zeit, event. nach Schluss der ganzen
Besichtigung vorgenommen werden (Farbenproben). Dem Geübten
wird das Vergleichen von Angaben mit dem durch diese Untersuchung
gegebenen Resultat in vielen Fällen genügen, um sich ein Urtheil za
bilden; in zweifelhaften Fällen empfiehlt sich nur, den Truppenarzt durch
Notiz der angeblichen Beschwerden zur genauem Untersuchung des Seh¬
organes zu veranlassen. Desgleichen wird die mangelhafte Horfahigkeit
nicht immer zu constatiren sein, doch mehr Glauben finden lassen, wenn
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das Obr krank befanden wird; man fasst das Obr an der Muschel, drebt
ohne Gewalt den Kopf seitwärts, inspicirt den Gehörgang, um Ausfluss
event. Perforation des Trommelfells zu constatiren (Ohrspiegel).
Die Nase ist zu inspiciren auf Verkrüppelung, Ozaena und beut um
so mehr zu beachten, als sie häufig für Anlage 4 No. 46 die heilbare
materielle Grundlage abzugeben geeignet ist.
Am Mund werde die Oberlippe durch die Daumen leicht in die Höhe
gedrängt, um die Zahnpartie zu beachten, deren Bedeutung für den Feld-
soldaten auch heute nicht zu unterschätzen ist, da ohne gute Zähne der
Magen nicht leisten kann, was er soll; überdies muss schlechtes Zahn¬
werk eher auf Fehler der Körperconstitution hinweisen. Gaumendefecte
werden durch Oeffnung des Mundes ersehen.
Ein Blick auf den Hals informirt über Drüsengebilde, Gebirgshals
und Kropf; von diesen zu trennen ist eine häufig zu findende bis apfel¬
grosse Geschwulst zwischen Kehlkopf und Brustbeinrand, die wohl aller¬
meist eine Cyste vorstellt und die Dienstfähigkeit beeinträchtigen kann.
Jetzt wird das Schlüsselbein schnellen Griffs beiderseits mit den Fingern
betastet, um alte Fracturen oder Verkrüppelungen zu constatiren; man
geht dann gleich mit der Hand über die Schultern auf die Arme, sie von
rückwärts betastend, herunter bis an die Handgelenke, hebt nun die ganze
Extremität beiderseits gleichzeitig in die Höhe, besieht Hände und Finger
auf die häufigen Abnormitäten, prüft die Beweglichkeit dieser, danach die
Beweglichkeit der Hand-, Ellenbogen- und Schultergelenke, prüft die
Gleichmässigkeit der Muskulatur, der Länge mit schnellem Blick und
streckt danach die Arme wagerecht seitlich aus zur officiellen Armstellung,
wobei noch Verkrümmungen des Ellenbogengelenkes etc. auffallen müssen.
Nun wird das Brustmaass vorsebriftsmässig genommen. Dadurch soll
der Umfang und noch mehr die Ausdehnungsfähigkeit des Brustkorbes
festgestellt werden. Niemals fast stellt der zu Untersuchende sich in der
Art an, wie für die Messung erforderlich; gewöhnlich wird der Leib
eingezogen und der Brustkorb möglichst in die Höhe geschoben, so dass
die höchste Expansion erreicht scheint; begnügt man sich damit zur
Messung und lässt jetzt den Brustkasten herunterfallen, um das Minimum
zu erreichen, so hat man in den meisten Fällen ein falsches Maass, das
hei der Untersuchung fünf Minuten später sich schon ändert. Nach
eigener Erfahrung wird bei der Messung am besten so verfahren: Nach¬
dem das Maass unter den Armen hindurch über die Schulterblätter so
herumgeführt ist, dass es den untern Winkel derselben berührt und vorn
unter die Brustwarzen — aber dicht unter dieselben — zu liegen kommt,
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ordnet man an, dass der Rekrnt den Brustkasten ganz fallen lasst, d. h.
der Baach darf nicht mehr eingezogen erscheinen, sondern mit den
seitlichen Rippenpartien eine fortlaufende gerade Fläche ohne sichtbare
Qrenze bilden (je mehr der Bauch vorgestreckt erscheint, um so mehr ist
die tiefste Exspirationsstellung erreicht). Nun lässt man so tief wie möglich
einathmen, merkt sich die Centimeterzahl der Inspirationshohe und lässt
jetzt noch ganz exspiriren, so dass mindestens die vorher beschriebene
Stellung von Bauch und Brustkasten erreicht wird und merkt jetzt die
Centimeterzahl. Das Maass wird dabei am Körper so fest gehalten, dass
es, ohne zu rutschen, die In- und Exspiration mitmacht; auch thut man
gut, die Enden des Maasses nicht gerade über dem tiefer liegenden Sternum,
sondern seitlich zu vereinigen, da sie an die Seite des Thorax sich besser
anschmiegen.
Durch die ganze Manipulation wird das Messen zwar etwas erschwert,
aber da heutigen Tages auf das Brustmaass so sehr viel Werth gelegt
wird, muss man auch die Art, diesen Werth zu erreichen, genügend
würdigen; oft ist nothig, die In- und Exspiration zweimal zu wiederholen,
um das richtige Maass sicher zu erhalten. Immer muss das Maass am
Körper dicht anliegen, damit es den Bewegungen desselben folgen kann,
ohne zu rutschen. Man kommt bei dieser Messmethode sehr häufig unter
80 cm, erhält aber einen grösseren Ausdehnungsspielraum, 80 bis 88 ist
dann nicht so gut, als 78 bis 88, und doch ist das officielle Maass da,
denn hat der Rekrut 78 bis 88, so hat er auch 80 bis 88 cm. Der
Brustumfang soll nie allein entscheiden, daher bedarf der Brustkorb als
solcher noch weiterer Inspection; oft stellt sich heraus, dass das scheinbar
weite Brustmaass von einer starken Lordose beeinflusst war. Was unter
normal gebauter Brust zu verstehen, ergiebt sich aus der Anmerkung zu
§. 5 der Dienstanweisung. (Seite 5.)
Nachdem hiernach der Brustkasten taxirt ist, wird der übrige Körper
inspicirt; oft ist auf den Nabel zu achten, der wie eine Nuss hervorsteht
und als kleine Geschwulst hinderlich werden kann.
Jetzt wird auf Unterleibsbrüche gefahndet, wenn nicht solche sich
vorher schon sichtbar kenntlich gemacht und zur Aufhebung der weitern
Untersuchung geführt hatten. Hin und wieder sind in der Bauchgegend
Hautdruckstellen sichtbar, oder stellen sich die Mannschaften mit Bruch¬
band vor; manche derselben tragen solches unnöthigerweise aus alter
Gewohnheit, andere wissen nicht, dass sie einen Bruch haben oder sind
zu gleichgültig dagegen, dass sie nichts davon erwähnen. Stets ist daher
die übliche Untersuchung durch Einführen des Fingers in den Leisten-
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Wm
— 91 —
canal resp. Ring vorzunehmen. Daran schliesst sich die Betastung des
Scrotams auf Fehler der Testike), die gelegentlich am oder im Baachring
za finden sind, auf Varicocele nnd Hydrocele etc.
Ueber Schwellungen in der Leistengegend (Hoden im Bauchring)
wird ein kurzer Blick orientiren und event. Veranlassung zu Forschung
aafVenerie geben, die aus sanitätspolizeilichen Gründen alsbald gemeldet
werden muss.
Der Oberschenkel ist schnell auf die beiderseitige Gleichmässigkeit
der Muse ul atur, event. durch vergleichende Maasse zu prüfen; die gleiche
Länge derselben, wie der ganzen Extremität wird durch Betrachtung
der Gcsässfalte und damit zugleich die Beckenstellung taxirt; dann
orientirt man sich über die Kniegelenke, ob sie Schwellungen haben und
ganz durchgedrückt werden können. An den Unterschenkeln ist neben
der Muskulatur auf Krampfadern zu achten, auf Geschwürsnarben und
Knochenerkrankungen, die dort am häufigsten zu finden sind. Das Fass-
gelenk ist auf Verdickungen, die Zehen sind auf ihre Stellung, ihre Zahl,
auf Defecte, Abnormitäten aller Art zu untersuchen. Am Fuss selbst ist
auf harte oder weiche Schwellungen (Ueberbeine), Narben mit Sehnen-
verletzung, auf falsche Ballenstellung und Beschaffenheit der Fussform
(Plattfuss etc.) zu achten.
Nachdem so der ganze Körper durchvisitirt, lässt man, wenn dies
nicht schon vorher geschehen, den Mann auf 4 bis 5 Schritt zurücktreten
und sich umdrehen, um den Eindruck vom Rücken her zu gewinnen.
Dabei ist event. noch auf Krampfadern zu inspiciren, besonders der
ganze Rücken, die Wirbelsäule einer kurzen Betrachtung zu unterziehen
und vielleicht durch Aufheben der Fusssohle nach rückwärts die Unter¬
suchung auf Plattfüssigkeit zu vervollständigen.
Bei scharfem Blick und unausgesetzter schneller Thätigkeit ist die
ganze Prüfung meist in der dafür disponiblen Zeit durchzuführen, zumal
nicht bei jedem Einzelnen Sehprüfungen, Untersuchung der Brustorgane,
die am meisten aufhalten, erforderlich sind. Wenigstens sprechen die
Erfahrungen für die Ausführbarkeit der geschilderten Untersuchungsart.
Vorstehende Besprechung wird voraussichtlich Anlass geben, auch
anderweitige Erfahrungen, die beim Musterungsgeschäft gemacht sind,
zur weiteren Kenntniss zu bringen und so hoffentlich dazu beitragen,
dass mit der Zeit eine für alle Aerzte gütige genauere Anleitung zur
gründlichen Durchführung der schweren Aufgabe erreicht wird.
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Geschichtliche Bemerkung zur Kenntniss sympathischer
Augenerkrankungen.
Von]
Stabsarzt Dr. Kern.
Dass für eine ganze Kategorie von Augenleiden, wie die sympathischen,
welche heutzutage eine so hervorragende Bedeutung beanspruchen, die
ätiologischen Beziehungen trotz ihrer bestimmten Charakteristik bis in
das laufende Jahrhundert hinein so völlig unbekannt und ungewurdigt
bleiben konnten, hat von jeher das Interesse erregt und es dürfte hiernach
auch im gegenwärtigen Zeitstadium noch nicht müssig sein, älteren Beob¬
achtungen dieser Art Aufmerksamkeit zu schenken, zumal wenn solche
weit hinter den bekannt gewordenen zurückliegen.
Mooren in seiner Monographie über sympathische Gesichtsstörungen
(Berlin 1869) hat den Anfang dieses Jahrhunderts als frühesten Zeitpunkt
der Kenntniss sympathischer Gesichtsstörungen angenommen. Von dem
Versuch Brondeau’s (Des affections sympathiques de Tun des yeux, ä la
suite d'une blessure de l’autre oeil, Paris 1858), aus der älteren Litteratur
(Thomas Bartolinus 1696, Bidloo 1649—1713 u. A.) den Nachweis
über das Vorkommen sympathischer Augenentzündungen zu liefern, sagt
Mooren mit Recht, dass er ihn zu keinem völlig beglaubigten Resultat
geführt zu haben scheine.*) Der letztgenannte Autor selbst lässt es indess
auf Grund der Zeugnisse Arlt’s als nicht unwahrscheinlich gelten, dass
zu Anfang dieses Jahrhunderts von den Ophthalmologen der Wiener
Schule einige Beobachtungen über den sympathischen Einfluss einer trauma¬
tischen Entzündung des ersten Auges auf das zweite gemacht wurden.
Bis jetzt sei es unzweifelhaft, dass Demours der erste Arzt in Frank¬
reich war, der schon im Jahre 1818 das Vorkommen sympathischer Er¬
blindung constatirt hat.
Die Geschichte vor Makenzie’s Auftreten ergänzend, hat Hirsch¬
berg (Archiv für Augen- u. Ohrenheilk. V. Band 1. Abthl. 1876) noch
*) Die wesentlichen Worte der genannten Autoren sind nach Mooren’s Citaten
folgende:
1) (Thom. Bart.) .... cujus dexter oculus vulnere per cultrum •.. visu orbatus
eo vero oculo persanato, sed sine visu, sinistrum oculum antea sanum cataracta inci-
piens aggreditur.
2) (Bidl.) (Holzsplitter im Auge) .... L’inflammation fut extreme, eile se commu-
niqua ä l’autre oeil, et se ne fut qu’avec grande peine qu’on fut conserver celui-ci.
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darauf aufmerksam gemacht, dass im Jahre 1835 v. Ammon von sym¬
pathischen Erankheitsbeziebangen der beiden Augen mit Bezug auf Iritis
gesprochen hat.
Demgegenüber ist es gewiss nicht ohne Bedeutung, hier auf eine
bisher in der Litteratur unbekannt gebliebene Thatsache hinzuweisen,
welche eine kriegschirurgische Schrift aus der Mitte des vorigen Jahr¬
hunderts als älteste Quelle der Kenntniss sympathischer Augenerkran-
kuogen i führen lässt.
Le Dran in der Schrift „Trait£ ou reflexions tirües de la pratique
sur les playes d’arm es ä feu. Amsterdam 1741“*) sagt auf Seite 96
Folgendes:
„Si les incisions, les saignees, le regime et Fusage des colires
convenables ne calment pas Finflammation du globe de Foeil, il pourra
se faire abces dans son Interieur; et, suppose qu’ii s’en fasse, il faut
fendre le globe d’un cöt4 ä Fautre pour le vuider, des qu'on connoit
par des eignes süffisante, que le pus commence a s’y faire. On le connoit
principalement par le gonflement du globe, et par les ülancements que
le malade y ressent Si comme aux abces qui se font ailleurs, on
attend que le pus soit fait, le malade pourra perdre la vue par
l’inflammation qui se communiquera ä l’autre oeil, le long
du nerf optique.“
Nicht nur die drohende Gefahr der sympathischen Entzündung,
sondern auch der Weg, auf dem dieselbe sich von einem zum
andern Auge fortpflanzt, ist hier auf das bestimmteste bezeichnet.
Ergänzungen des Berichts Aber den neuen, transportablen Kranken¬
heber des Stabsarztes Dr. Hase in Hannover nnd Dr. Beck in Bern.
(XDL Jahrgang dies. Zeitschr. 1884, Heft 5. S. 245.)
Im Jahre 1884 bot sich Gelegenheit, in dieser Zeitschrift eine ein¬
gehendere Beschreibung und Besprechung eines transportablenEranken-
*) Die Schrift ist auch in deutscher Sprache erschienen unter dem Titel: Le
Dran. Tractat oder Abhandlung von der Cur derer Schuss-Wunden, welche von
demselben statt eines dritten Theiles Seiner Chirurgischen Anmerkungen in Franzö¬
sischer Sprache herausgegeben, nunmehr aber in die Deutsche auf das sorgfältigste
übersetzt worden. Nürnberg 1740.
7»
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heb er 8 zu geben,*) welcher nach neuen Principien vom Stabsarzt Dr. Hase
in Hannover construirt und gemeinsam mit Herrn Dr. Beck, Redacteur
der illustrirten Monatsschrift für ärztliche Polytechnik in Bern, zu einem
allen gerechten Anforderungen entsprechenden, leicht beweglichen Hebe¬
apparat vervollständigt worden war.
Obgleich damals nur kurze Zeit zur Prüfung des hierselbst auf-
gestellten Apparates zu Gebote stand, so glaubte ich doch hiernach schon
ein günstiges Urtheil über die Brauchbarkeit desselben abgeben und die
sofort in die Augen springenden, grossen Wohlthaten und Erleichterungen
hervorheben zu müssen, welche die Benutzung der neuen Hebevorrichtung
für Schwerkranke und deren Pfleger unbedingt herbeiführen müsse.
Inzwischen hat der Hase-Beck’sche Krankenheber trotz Seines nicht
geringen Preises von 200 Mark**) sich in viele Krankenanstalten Eingang
verschafft. Auch sind von allen Seiten bereits ärztliche Berichte über
die vorzüglichen Leistungen und Erfolge eingegangen, welche mit dem
Apparat in der Krankenpflege erzielt worden sind. Der Wunsch und
die Hoffnung, welche hinsichtlich seiner baldigen Einbürgerung und prak¬
tischen Bewährung im Krankcudienste schon früher ausgesprochen wurden,
scheinen somit sich bereits verwirklichen zu wollen zum Segen manches
Leidenden und seiner Pfleger.
Da hier die Versuche nicht mit solchen Kranken angestellt werden
konnten, denen jede Bewegung oder Erschütterung Schmerzen und Un¬
bequemlichkeiten verursacht, so dürfte es für die richtige Würdigung des
Werthes dieses neuen Hebeapparates von Interesse und zugleich eine
werthvolle und nothwendige Ergänzung sein, von den Urtheilen Kenntniss
zu nehmen, welche der Hase-Beck’sche Krankenheber sich bei der prak¬
tischen Anwendung nun wirklich, auch in solchen Fällen erworben hat,
welche für seine Brauchbarkeit und seinen wahren Nutzen erst als ent¬
scheidend und maassgebend angesehen werden müssen.
Zum richtigen Verständniss der Beurtheilungen, welche der Hase-
*) Weitere, zum grossen Theil durch Abbildungen illustrirte Beschreibungen
finden sich, ausser in dieser Zeitschr. 1884, Heft 5, S. 245, aus welcher sie zum
Theil entnommen sind, in der Deutsch, medic. Zeitung 1884, No. 67, S. 177, Central¬
blatt f. Chir. 1884, No. 14, Illustr. Mon.-Schr. f. ärztL Polytecb. 1883, S. 123 und
1884, Heft 7, S. 150.
**) Der Krankenheber, welcher zur Zeit ohne Charnierfuss 200 Mark, mit dem¬
selben 240 Mark incl. Lackirung der Stangen und Polsterung der Zangen, zollfrei
ab Schweizergrenze kostet, ist durch Vermittelung des Herrn Dr. med. Beck in Bern
zu beziehen; in Moskau wird derselbe vom Kaiserl. Hoflieferanten F. Schwabe an¬
gefertigt.
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B ec k’sche Krankenheber sich bei seiner praktischen Benutzung im Kranken-
dienst erworben hat, dürfte ein kurzer Rückblick auf das Wesentlichste
seiner Construction kaum unerwünscht sein.
Das eigentlich neue Princip beruht bei dieser Hebevorrichtung in
der Anwendung grosser, ungleicharmiger Stahlzangen zum Um¬
hissen des Körpers von oben, welche an ihren kurzen Armen durch
starke Ledergurte über einer wagerecht aufgehängten, eisernen Tragestange
verschiebbar befestigt sind. Die somit nach abwärts hangenden langen
Zangenarme sind an ihren Enden den menschlichen Händen entsprechend,
löffelformig gestaltet, in einem etwas spitzen Winkel nach innen um¬
gebogen, mit Leder überzogen und gut gepolstert. Hierdurch wird es
möglich, Schultern, Rumpf, Gesäss und Beine des zu hebenden Kranken
von oben und den beiden Seiten her mit den Zangen zu umgreifen.
Da aber die weichen, glatten Löffel der Zangen noch leichter wie die
menschlichen Hände unter die betreffenden Körperstellen des Liegenden
gleiten resp. geschoben werden können, so umgreifen und stützen sie den
Körper auch von unten, und zwar sicherer und fester, wie die unter¬
geschobenen Hände es könnten. Der liegende Kranke muss daher mittelst
dieser Zangen leicht und ohne bewegt werden zu brauchen umfasst und
vermittelst der Tragestange, an der die Zangen hangen, viel leichter,
sicherer und gleichmassiger vom Lager emporgehoben werden können,
wie dies durch Menschenhände, mögen die Leute auch die beste Schulung
and Uebung besitzen, ausführbar sein würde; da ferner die wagerechte,
die Zangen tragende Eisenstange durch ein Winde werk leicht und gleich¬
massig in die Höhe gezogen wird, so kann jede Bewegung und Erschütterung
des Kranken, wie auch jedes ungleiche, oder ruckweise An- und Hoch¬
heben der einzelnen Körpertheile, wie solches beim Heben durch Menschen¬
hände auch bei der grössten Vorsicht nie zu vermeiden ist, absolut aus¬
geschlossen, ja geradezu unmöglich gemacht werden. Die Aufhängungs¬
weise der Zangen endlich an ihren kurzen Armen hindert beim Heben
jedes Auseinander weichen der langen, den Körper umgreifenden Arme
absolut sicher; je, je schwerer die auf den Löffeln ruhende Last ist,
desto fester müssen die Zangen schliessen, also jedes Herausgleiten des
Gehobenen unmöglich machen. Ihre Verschiebbarkeit an der Tragestange
gestattet es ferner, sie gerade dort den Körper umgreifen zu lassen, wo
dies schmerzlos geschehen kann, wie andererseits Wunden, Operations¬
stellen etc., von allen Seiten, oben und unten, zugänglich zu lassen
oder zu machen, z. B. Decubitus am Kreuzbein u. s. w.
Zum gleichmässigen, sichern und leichten Heben und Senken
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dieser mit den Hase’schen Zangen versehenen Tragestange und somit
des von diesen umfassten und von unten gestutzten Kranken ist dann
von Herrn Dr. Beck ein festes, solides und dennoch gefälliges Qestell
von Eisen construirt, welches sich leicht durch das Zimmer rollen lässt.
Hierdurch durfte die Hebevorrichtung eine fast unübertreffbare Vollkommen¬
heit erreicht haben, besonders seitdem die (S. 248 dieser Zeitschr. 1884
durch Zeichnung erläuterte) Windevorrichtung des Dr. Hase mit
„Schraube ohne Ende“ das frühere Sperrrad ersetzt hat. Das Heben
und Senken des Kranken erfolgt hierdurch noch gleichmässiger, leichter
und geräuschloser wie bisher; auch bedarf diese Windevorrichtung keiner
besonderen Sperrvorrichtung. Durch die Schraube ohne Ende ist jedes
unbeabsichtigte Ruckwärtsgehen oder Zurückfliegen der Drehkurbel and
somit jedes unbeabsichtigte Tiefersinken des Gehobenen selbst dann fast
unmöglich gemacht, wenn irgend ein Zufall eine unvorhergesehene Unter¬
brechung des Emporwindens nothwendig, ein plötzliches, schnelles Los¬
lassen der Drehkurbel erforderlich machen und das Feststellen der noch
zum Ueberfluss angebrachten Hemmschraube versäumt sein, oder die
Kurbel unvorsichtigerweise durch Anstossen oder dgl. bewegt werden
sollte. Bei solchen Windevorrichtungen mit „Schraube ohne Ende tf
bleibt nämlich das durch letztere bewegte Zahnrad, welches hier das
Heben und Senken der Tragestange u. s. w. bewirkt, jedesmal in der
Stellung stehen, in welcher es sich beim Loslassen der Drehkurbel be^
fand, auch wenn diese nicht festgestellt, gesperrt oder dgl. worden ist.
Das von Dr. Beck construirte Gestell ist ferner auch in seiner Länge
verstellbar, es kann vermöge der mit Rollen versehenen Fussgestelle leicht
durchs Zimmer geschoben werden, beansprucht trotz seiner Festigkeit
und Sicherheit wenig Platz, ist schnell und leicht auseinanderzunehmen
und wiederaufzastellen — wobei die mit den Seitenstangen resp. ihren
Strebepfeilern durch sinnreiche Gelenkconstruction*) verbundenen Fass-
*) Dr. Beck beschreibt diese Construction in der Illastr. Monatsschr. d. ärztl.
Polytech. 1884, Heft 7, S. 155, wie folgt: Der Fuss jeder Seitenstange ist so
eingerichtet, dass die 3 Arme des Fnsses mit derselben durch besondere Charnier-
gelenke, die S pitzen der Fussarme ebenfalls mittelst Charniergelenken mit den Strebe¬
pfeilern und diese wiederum in gleicher Weise mit den die Seitenstange umfassen¬
den, verschiebbaren Muffen verbunden sind. Zum Transport werden demnach die
3 Fussarme an der Stange heraufgezogen, bis jeder Strebepfeiler mit Beinern ent¬
sprechenden Fussarm eine gerade Linie bildet und somit flach an der Seitenstange
anliegt. Zum Gebrauch wird einfach die Seitenstange aufgerichtet und die an der
Muffe befindliche Schraube gelöst. Der Fuss fällt dann durch seine eigene Schwere
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gestelle an diesen Stangen hinanfgezogen werden, so dass sie sich den¬
selben flach anlegen. — Für den Transport lässt sich somit der ganze
Hebeapparat leicht zn einem langen, ziemlich dünnen Rollstück verpacken,
welches ein Mann mit Leichtigkeit tragen kann; derselbe ist daher schnell
überall hinznbringen.
Schon diese kurze Betrachtung dürfte zeigen, wie einerseits un-
bestritten die Erfindung der Hauptbestandteile dieses Hebeapparates
Dr. Hase zufällt, andererseits aber, was im ersten Berichte leider zu
herab, bis die Fussarme, horizontal stehend, den Fussboden berühren und hierdurch
den festen Stand der Stange bedingen. Ein in der Stange angebrachter Stift be¬
zeichnet den tiefsten Stand, welchen die Muffe erreichen muss, eine Daumenschranbe
hält die Muffe in dieser Stellung fest.
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wenig betont ist, Dr. Beck das Verdienst gebahrt, in richtiger Würdigung
des Werthes des Hase'sehen Principes durch unermüdliche Verarbeitung
und Erprobung desselben wie der von Beiden gemeinsam projectirten
Verbesserungen zur Herstellung eines Apparates gelangt zu sein, welcher
wohl das Beste darstellt, was bisher auf diesem Gebiete hervorgebracht
worden ist. — Dieser Anerkennung und Würdigung der Mitarbeit des
Dr. Beck gab denn auch Dr. Hase Ausdruck in dem Vorschläge, dem
ganzen Apparate den Namen: „Hase-Beck’scher transportabler Kranken¬
heber“ beizulegen.
Werfen wir nun einen prüfenden Blick auf die vorstehende Ab¬
bildung des Krankenhebers, wie sie nach einer Photographie angefertigt
ist, so wird uns die geradezu frappirende Einfachheit der Hase'schen
Construction sofort einleuchten. Ebenso werden die wichtigen Vorzüge,
welche diese Hebevorrichtung in ihrer jetzigen Form vor allen anderen
ähnlichen Apparaten voraus hat, so in die Augen springen, dass es leicht
wird, dieselben kurz aufzuzählen.
Der H ase-Beck’sche Krankenheber gestattetes selbst schwächlichen
Personen, ohne besondere Einübung auch den schwersten Kranken von
seinem Lager emporzuheben, und zwar ohne Anstrengung, dabei sicher
und ohne dem Kranken Schmerz zu verursachen. Der Kranke braucht
hierbei seine Lage nicht zu ändern, jede Bewegung und Erschütternng,
selbst das Anfassen des zu Hebenden kann vermieden werden. — Mit
Hülfe des Hebeapparates können Verbände, Operationen etc., ohne deu
Kranken drehen etc. zu müssen, leicht und für den Kranken wie
seine Pfleger bequem auch dort überall gut angelegt und ausgefnhrt
werden, wo die Vermeidung aller Bewegungen und Lageveränderungen
der Schmerzen wegen oder aus anderen Gründen erwünscht oder noth-
wendig erscheint. — Eine Umlagerung des Kranken auf ein anderes
Lager, den Operationstisch etc., kann mit diesem Heber erforderlichen¬
falls durch eine Person schnell besorgt werden, ohne dass der Leidende
aus seiner Lage gebracht werden, oder sich bewegen braucht. —
Alle diese Handhabungen können ohne Kraftanstrengung, leicht,
schnell, sicher und geräuschlos, ohne Unbequemlichkeit für den
Kranken wie Wärter durch Jeden, der gerade zur Hand ist, ohne
Schulung ausgeführt werden. Rechnet man hierzu die Leichtigkeit nnd
Schnelligkeit, mit welcher der Heber trotz seiner Sicherheit und Festig¬
keit auseinandergenommen, wieder aufgestellt und von einem Ort zum
andern bequem und ohne besondere Umstände transportirt werden
kann — was namentlich den Krankenheber zum leihweisen Gebrauch in
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Privatfamilien etc., z. B. von den freiwilligen Hülfsvereinen, Stiften etc.,
besonders geeignet machen muss — dann wird man schon auf theoreti¬
schem Wege zu dem Schlüsse kommen müssen, dass diese Kranken-
hebevorrichtung wohl ziemlich allen, an einen solchen Apparat zu stellen¬
den Anforderungen entsprechen und manchem armen Kranken wie seinem
Pfleger eine grosse Wohlthat und Erleichterung sein durfte.
Dass diese Vorzüge sich aber auch beim praktischen Gebrauche
in der Krankenpflege wirklich nach allen Richtungen hin voll bewährt
haben, und dass der Krankenheber sich die grösste Anerkennung aller
Aerzte und Kranken, welche diese Vorzüge erprobt haben, erworben hat,
das durften schon die nachstehenden Auszuge aus den vielen vorliegenden
Berichten bezeugen und als völlig gesicherte Thatsache feststellen.
Zunächst möge eine eingehendere Schilderung aus dem Berichte des
Neu-Strelitzer (Mecklenburg) Krankenhauses — Karolinenstift — von
Herrn'Dr.'Rudolphi in ihrem wesentlichsten Theil Gehör finden: „Der
Apparat (Hase-Beck) wurde für paraplegische Kranke beschafft, welche
gar oft aus Mangel an Geschick und Kraft der Pflegenden allein zu Grunde
gehen. Zunächst wurde derselbe jedoch bei einer ca. 70 jährigen Dame
mit Fractura colli femoris nothwendiger, welche ans Furcht vor Schmerzen
beim Aufheben durch Menschenkräfte unter sich liess und Decubitus mit
consecutivem Fieber bekommen hatte. Das erste Mal klagte die sehr
nervöse und geschwächte Dame bei der Anwendung des Hase-Beck*sehen
Apparates über geringen Druck der Pelotten an den Zangenenden. Sie
ward aber bald so entzückt von seinen Wohlthaten, dass sie nach
xwei Monaten noch nicht davon ablassen wollte. — Während vorher
4 bis 5 Menschen zu den nothwendigsten Hülfeleistungen, welche dann
unter Wimmern und Geschrei der Patientin vor sich gingen, requirirt
werden mussten, so genügte nach kurzer Einübung eine Wärterin, um,
ohne Schmerzen zu erregen, mittelst des Apparates das Erheben zur
Defacation, zum Verbinden der Wunden und später zur Uebertragung
aof die Chaiselongue beliebig oft auszuführen. — In diesem Falle, wo der
Selbstbestimmung der Patientin und ihrer Furcht vor Schmerzen zu ihrem
Verderben zu grosser Spielraum gelassen war, ist dem Hebeapparat
geradezu ihre Lebensrettung zu danken gewesen, wie ich die Sache an-
sehen muss. — Weitere Proben berechtigen mich zu der Aeusserung, dass
der Hase-Beck’sche Krankenheber mir der beste von allen scheint, die
bislang gebraucht worden sind. — Seit 20 Jahren benutze ich zu solchen
Zwecken einen Holzrahmen mit Gurten, der durch eine Winde Vorrichtung
erhoben werden konnte. Gerade die grossen Mängel desselben lassen die
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bedeutende Superiorität der neuen Hebevorrichtung vollauf erkennen. —
Denn ganz abgesehen von der Leichtigkeit und Beweglichkeit in der
Handhabung, kein anderer Apparat giebt dasselbe Maass von freier
Zugänglichkeit der betreffenden Korpertheile bei gleicher Sicherheit der
Lagerung. — Ich freue mich daher sehr, im Besitze einer so höchst
schätzenswerthen Bereicherung in der Krankenpflege zu sein.“
Des Weiteren dürfte wohl folgende Stelle aus dem Berichte der
gynäkologischen Klinik des Herrn Professor Ta uff er aus Budapest
vom Herrn Dr. Dirner, ersten Assistenten daselbst, Erwähnung ver¬
dienen:
„Der Apparat functionirt vorzüglich. Wir constatiren es frei und
offen, dass der Heber uns bei Laparotomirten, die lange, so zu sagen,
regungslos liegen müssen, so beim Bettwäschewechseln, als bei Lager¬
veränderungen, Polsterunterschieben etc. etc., die unersetzlichsten Dienste
leistete; wobei ich der vorzüglichen Einrichtung mit den zerlegbaren,
gepolsterten Zangen ganz besonders gedenken muss. — Die Kranken
liegen mit einem Sicherheitsgefühl und ohne Furcht, klagen über
keinen Druck und kein Rütteln. Dabei ist Alles sehr solid und tadellos;
die Zerlegbarkeit sehr erwünscht und für den Transport sehr geeignet.“
Endlich dürfte wohl noch das Urtheil aus der chirurgischen Klinik
des Herrn Professor v. Volk mann in Halle von ganz besonderem
Werthe sein. Herr Professor Dr. Oberst, erster Assistent der Klinik,
schreibt unter Anderem:
„Der Krankenheber ist in der Klinik in Fällen von ausgedehntem
Decubitus, grossen Wunden der Gesäss- und Kreuzgegend, beim Verband¬
wechsel etc. in Anwendung gekommen und hat sich derselbe hierbei vortreff¬
lich bewährt. Er ist bequem, sicher, leicht transportabel und von einer
Person mit Leichtigkeit zu handhaben. Ich wüsste in der That keinen
Mangel des Apparates anzuführen, es sei denn der ziemlich hohe Preis,
welcher die Einbürgerung in wenig dotirte Anstalten leider natürlich
erschweren wird.“
Die vorstehenden Mittheilungen aus den verschiedenen, aus ärztlichen
Kreisen vorliegenden Urtheilen, welche ausnahmslos die äusserst schätz¬
baren und wichtigen Vorzüge dieser neuen Hebevorrichtung besonders
für die Behandlung und Pflege solcher Kranken hervorheben, für welche
eine längere, möglichst absolute Ruhe, gleichmässige Körperlage und
Vermeidung jeder Bewegung und Erschütterung das dringendste Bedürfnis
und wichtigste Erforderniss für eine ungestörte, rasche und sichere
Wiederherstellung bleibt, — diese Mittheilungen dürften wohl schon als
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sichere Beweise dafür genügen, dass der Hase-Beck’sche Krankenheber
sich auch bei seiner praktischen Verwendung ganz so vorzüglich bewahrt
hat, wie dies schon die theoretische Betrachtung mit Sicherheit Voraus¬
sagen Hess.
Schliesslich dürfte wohl noch die Mittheilung von allgemeinerem
Interesse sein, dass ein Exemplar dieses mit allen bewahrt gefundenen
Verbesserungen ausgestatteten transportablen Hase-Beck’schen Kranken¬
hebers dem Hygienemuseum in Berlin einverleibt werden soll, so dass
schon in nächster Zeit derselbe der Beurtheilung aller sich hierfür inter-
essirenden Kreise zu Gebote stehen und sicher deren Aufmerksamkeit
auf sich ziehen dürfte, hoffentlich zum Wohle und Nutzen weiterer Schwer¬
leidenden und deren Pfleger.
Hannover, 28. November 1885. Dr. Carl Richter,
Stabs- and Abtheilangsarzt
Referate nnd Kritiken.
Bericht über die allgemeine Deutsche Ausstellung auf dem
Gebiete der Hygiene und des Rettungs wesens in Berlin 1882—83.
Mit Unterstützung des Minist der geistl., Unterrichts- und Medicinal-
Angelegenheiten herausgegeben von P. Börner. H. Band mit 133 Text-
Illustrationen. Breslau, S. Schottlander 1885.
Nachdem wir über das Erscheinen und den Inhalt des I. Bandes dieses
hochbedeutsamen Werkes in dieser Zeitschrift 1885 S. 185 berichtet, liegt
es uns ob, dem eben erschienenen II. Bande eine eingehendere Besprechung zu
Theil werden zu lassen, da gerade hier die für das Militär-Sanitäts wesen
wichtigsten Abschnitte untergebracht sind.
. Aus dem Vorwort dieses Bandes erfahren wir zunächst, dass nach
dem Tode P. Börner’s, dessen Namen das Titelblatt als Herausgeber
trägt, Herr Ingenieur H. Albrecht — rühmlichst bekannt ausser anderen
Arbeiten durch die Bearbeitung des Capitels „Humanitäre Anstalten.
Armenpflege* aus dem 1. Band — mit Zustimmung des obengenannten
Ministeriums es übernommen hat, für die Vollendung des Berichtes Sorge
zu tragen.
Durch den Umstand, dass die Berichte, welche in dem II. Bande
Unterkommen finden mussten, viel umfangreicher geworden sind, als ur¬
sprünglich im Plane lag, eine Kürzung ohne Schädigung des innern
Werthes aber nicht möglich war, ist es gekommen, das das Werk statt
der anfangs für ausreichend erachteten 60 Druckbogen, eine Ausdehnung
von ca. 110 Bogen erhalten wird. Der Herausgeber hielt es deshalb
für angemessen, das Werk nicht in zwei, sondern in drei Bänden er¬
scheinen zu lassen; der dritte und Schlussband soll in einigen Monaten
n&chfolgen.
Der allgemeine Eindruck, den das der Vollendung nahe Werk
macht, ist ein hochbedeutsamer im edelsten Sinne des Wortes. Wenn
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die Ausstellung von 1883 selbst den Zweck hatte, ein Bild von dem heu¬
tigen Stande unseres Wissens und Könnens anf dem Gebiete der Hygiene
und des Rettungswesens zu geben, so wächst der Bericht aber dieselbe
immer mehr zu der Bedeutung eines Gesammtbildes empor, welches uns
nicht nur den heutigen Stand, sondern auch die Entwickelung zu dem¬
selben und die idealen Ziele für die Zukunft vor das entzückte Auge
führt; aus dem oft genug noch bunten Neben- und Durcheinander der
Ausstellung ist ein wohlgeordnetes Ganzes herausgearbeitet, in eine Un¬
summe ungeordneten tbatsächlichen Materials ist Theorie und System
gebracht, das Augenblicksbild der Ausstellung wird zu einem fertigen,
auf zukünftige Geschlechter zu vererbenden unvertilgbaren Gesafnmt-
gemälde. Dabei treten überall in dem Berichte, noch mehr als bei der
Ausstellung selbst, die idealen Ziele der Bestrebungen hervor gegenüber
den Einlass heischenden materiellen Begehrlichkeiten, so wird der Bericht
eine bleibende Errungenschaft, von hervorragender Bedeutung für alle
Zukunft.
Wenn wir es versuchen in den folgenden Zeilen die einzelnen Artikel
zu skizziren, so kann es selbstverständlich nur Absicht sein, unseren
Lesern eine ganz allgemeine Idee von dem reichen Inhalt zu geben und
einige für das Militär-Sanitätswesen besonders wichtige Einzelheiten her¬
vorzuheben.
Während in dem I. Bande über die Gruppen I bis incl.X der Ausstellung
berichtet wurde, umfasst der II. Band den Bericht über die Gruppen
XI bis XIX. Ausser einem Vorwort finden wir folgende Artikel:
„Oeffentliche Gebäude.“ 1) Theater, von Architekt F. O. Kuhn,
2) Concerthäuser, von demselben, 3) Schlachthäuser und Viehhofe, von
Oekonomierath Haus bürg und F. O. Kuhn.
„Kranken- und Pflege-Anstalten.“ 1) Krankenhäuser, von
F. O. Kuhn. Nachdem durch die Forschungen der Neuzeit für die
Wund- und eine Reihe anderer Infectionskrankheiten festere Grund¬
lagen gegeben waren und in der Desinfection ein Mittel gegen sie ge¬
wonnen war, musste damit die Krankenhaushygiene aufs entschiedenste
beeinflusst werden. Auf der einen Seite war es nicht mehr nothwendig,
an die Ausdehnung des Bauplatzes so weitgehende Forderungen zu ptellen,
auf der andern Seite wurden bezüglich der Fernhaltung und Zerstörung
der Infectionskeime an die Technik früher nicht gekannte Ansprüche ge¬
stellt. Welche Resultate daraus hervorgegangen oder angebahnt sind,
was man im Krankenhausbau in sanitärer Beziehung selbst auf ganz un¬
günstigen Terrains zu leisten vermag, das ergiebt das Studium dieses
Artikels. Von Civilhospitälern kommen uuter Anderen zur Besprechung:
das städtische Krankenhaus im Friedrichshain in Berlin, das in Moabit,
die Tsolir-Baracke der Charite, der Evacuations - Pavillon in Bethanien,
der chirurgische Pavillon des Hamburger allgemeinen Krankenhauses, das
allgemeine Krankenhaus in Wiesbaden, das Königl. Entbindungs-Institut
in Dresden u. 8. w., sämmtlich mit Plänen und Schnitten, welche die
Construction verdeutlichen. Bei den Militärhospitälern wird der
grösseren Schwierigkeit einer Durchführung der hygienischen Forderungen
gedacht, da disciplinare Gründe mitsprechen: es kommen zur detailiirten
Besprechung das 2. Garnison-Lazareth für Berlin bei Tempelhof, das in
seiner ökonomischen und doch den wichtigsten Anforderungen der Hy¬
giene voll entsprechenden Ausbildung als eine mustergiltige Lösung der
Lazarethfr&ge hingestellt wird; ferner das wegen des beschränkten
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Terrains, welches zur Verfügung stand, besonders interessante Garnison-
Lazareth von Ehrenbreitstein, und endlich das Garnison-Lazareth in
Dresden. Rücksichtlich der Universitäts- Kliniken war das Bedürf-
niss neuer Anstalten sehr dringend geworden, und doch darf man es als
einen glücklichen Umstand bezeichnen, dass nicht früher mit den Bauten
begonnen wurde, so kommen die reichen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte
den jüngsten Neubauten zn Gute; wie diese Erfahrungen verwerthet
worden sind, davon legt Zengniss ab die detaillirte Beschreibung der
Königl. chirurg. Klinik in Berlin, der geburtshülflich gynäkologischen Kli¬
nik in Berlin, der medicinischen Lehrinstitute der Universitäten Halle, Bonn,
Königsberg, Kiel, Heidelberg u. s. w. *— Das in gedrängter Kürze zu¬
sammengestellte Material lässt in vieler Beziehung eine Uebereinstimmung
mit den Principien erkennen, welche zuerst im Friedrichshain Gestalt ge¬
wannen.
An die Krankenhäuser schliessen sich 2) Irrenanstalten, deren
Entwickelungsgeschichte von Dr. Pelm an, die allgemeine Uebersicht
des auf der Ausstellung gebotenen Materials von Dr. Hallervorden,
und die einzelnen auf der Ausstellung vertretenen Irrenanstalten von
P. Börner und Hallervorden bearbeitet sind.
Der Artikel „Verhütung von Volkskrankheiten“ ist von
Wernich geschrieben, wir finden darin besprochen a) Mittel und Vor¬
richtungen zur Desinfection, unter denen der transportable Desinfections-
Apparat von Merke-Schimmel besondere Beachtung verdient, b) Qua¬
rantäne und deren Einrichtungen, für welche das preisgekrönte Modell
einer Desinfections-Anstalt von Petruschky in Königsberg besonders
in Betracht kommt, dasselbe kann sowohl für Einfallspforten epidemischer
Krankheiten, wie auch für Centralstellen, von denen aus etwa eine Ent¬
lassung infectionsverdächtiger Truppenkörper und dergleichen stattzufinden
hat, mit Ueberzeugung empfohlen werden, c) Schutzimpfung und Impf-
Institute.
Der jetzt folgende Artikel „Erste Hülfe bei Kranken, Verun¬
glückten und Verletzten“ stammt aus der gewandten Feder Villaret’s;
er bietet eine belehrende Uebersicht über die Fortschritte der „Einrich¬
tungen zur Gewährung der ersten Hülfe“, wie solche die Ausstellung darbot.
Es ist wohl natürlich, dass Vf. nach der Beschreibung der Ausstellungs-
Objecte des deutschen Samariter-Vereins uns auch sein Urtbeil über
diese Schöpfung Estearch’s nicht vorentbält. V. sagt: „Dank dieser Ein¬
richtung wird der Name Esmarch’s in heisser Dankbarkeit genannt
werden, sei es von denen, welchen Dank des Beistandes eines Samariter¬
schülers qualvolle Leiden erspart wurden, sei es von Angehörigen, denen
ein theures Familienglied in schwerer Noth erhalten blieb, weil die aus¬
reichende, rechtzeitige Hülfe eines Samariters zur Stelle war und den
schon die Hand nach seinem Opfer ausstreckenden Tod durch seine rettende
Thätigkeit bannte.“ — W ir zweifeln, ob schon jemals ein Samariterschüler
den Tod gebannt hat, und sind der Ansicht, dass er mit seinem Be¬
streben, technisch durch Verbandanlegung zu helfen, im besten Fall etwas
lieberflüssiges leisten wird, dagegen durften Fälle, wie jüngst auf der
Klinik Bardeleben’s, sich in Zukunft mehren; dort hatte ein Samariter
eine arterielle Blutung aus einer Wunde des Armes durch Anlegung einer
elastischen Binde oberhalb der blutenden Wunde stillen wollen, die Binde
wirkte wie eine Aderlassbinde und brachte den Verletzten dem Verblu-
tnngstode nahe. — Unter den Ausstellungsobjecten des Vereins ist ein
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grösserer and ein kleinerer Arznei- and Bandagen kästen hervorzuheben,
der letztere für Eisenbahn-Postwagen, welche nach Anordnung Stepfa&n’s
sämmtlich mit solchen Kästen versehen werden. Dem günstigen Urtheil
Villaret’s über die Ausstellung des bayerischen Stabsarztes Dr. Rotter
„Rettungs-Anweisung“ schliessen wir uns aus Ueberzeugung an. — Die
Gewährung der ersten Hülfe durch Sani täte wachen war auf der Aus¬
stellung durch eine vollständig eingerichtete solche Wache repräsentirt,
welche während der Dauer der ganzen Ausstellung in Function blieb.
Zweck dieser Wachen ist in erster Linie die Beschaffung ärztlicher
Hülfe dem zu gewährleisten) der solche begehrt Sämmtliche Hülfsein-
richtnngen, wie Samariterdienst, Sanitätswachen, Krankentransport, Feaer-
Wasserwehr etc., fasst die Wiener freiwillige Rettungsgesellschaft in sich
zusammen. Nach einer für die Gesellschaft sehr einnehmenden Besprechung,
ihrer Organisation und bisherigen Leistungen werden ihre Ausstellungs-
objecte beschrieben, unter Anderen ein Transportwagen für Kranke und
Verwundete, ein Wagen für mit Infectionskrankheiten Behaftete, ein
Coupä für den Transport von Geisteskranken, gedeckte Krankentrage,
Feldtrage etc. Leider ist die finanzielle Lage dieser grossartigen huma¬
nitären Einrichtung keine glänzende; wozu dann der kostspielige Versuch
der Anwendung des elektrischen Lichts zur Absuchung der Schlachtfelder
bei Nacht? Sollte irgend Jemand hoffen, damit in absehbarer Zukunft
praktische Erfolge erzielen zu können?
Bei dem Artikel „Krankenpflege“ musste das ebenso umfangreiche
wie verschiedenartige Material der Gruppe XVI der Ausstellung mehreren
Referenten ubergeben werden. Gerade in diesem Artikel findet sich die
grösste Zahl der für jeden Arzt wichtigsten Einzelheiten besprochen,
welche durchzugehen im Rahmen eines Referates g^nz unmöglich ist.
Ueber Krankenbetten, -Tische, -Stühle, -Wagen una^Tragen referirt
Beely, die Apparate, Instrumente und Bandagen werden von Beely,
Horstmaon und A. Eulenburg besprochen (wir heben *ier nur den
von Sn eilen angegebenen Apparat zum Nachweisen der Simulation ein¬
seitiger Blindheit hervor, S. 2b6). Verbandmaterial und Prothesen von
Beely, pbarmaceutische Präparate von Apotheker Lohmann\ Mineral-
brunnen und Kurorte ebenso wie die Pfuscherei auf der Ausstellung von
P. Börner. \
Der hieran sich scbliessende Artikel „Militär- and Älirine-
Sanitätswesen“ ist wieder von Villaret. \
P. Börner rühmt in den einleitenden Worten dem Verf. nach, es
sei ihm gelungen, das reiche Material nach grossen Gesichtspunkten zu
ordnen, klar und verständlich zu beschreiben und immer den Zusammen¬
hang mit der allgemeinen Hygiene festzuhalten. Bei der Besprechung
schliesst sich V. nicht der durch das Programm gegebenen Eintheilung jder
Gruppe in fünf Unterabtheilungen an, sondern folgt dem rein praktischen
Gesichtspunkte, die einzelnen Ausstellungsobjecte zu schildern, wie 'fic
in das Leben des Soldaten sich einfügen, auch die Gegenstände, welche
die Pflege des verwundeten Soldaten betreffen, werden in der Reihenfolge
besprochen, wie sie mit dem Verwundeten in Berührung kommen. Der
erste Abschnitt „Leben des Soldaten im Frieden“ schildert dementsprechend
zuerst die Unterkunft des Soldaten, die Kasernen und den Einfluss, den,
die grossartigen Anstrengungen auf diesem Gebiet auf die Gesundheit der
Armee gehabt haben, dann die Kleidung, mit welcher die Sorge für
körperliche Reinlichkeit (Beschreibung der Brause-Badeapparate, Wasch-
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105
maschinen) eng verknüpft ist, und endlich die Ernährong des Soldaten
samrot den hierauf bezüglichen Ausstellungsgegenständen. Der Schwer-
paukt der Ausstellung auf dem Gebiete des Militar-Sanitätswesens liegt
natorgemäss in dem zweiten Abschnitt „Leben des Soldaten im Kriege u .
Hier werden zuerst Vergleiche zwischen sonst und jetzt rücksichtlich der
Belastung des Soldaten, seiner Bekleidung und Ernährung angestellt.
Bezüglich der Ernährung durch Conserven zeigte die Ausstellung manche
Lücke, von den so wichtigen Brotconserven war nichts ausgestellt; hierauf
folgt das Capitel „Erste Hülfe 44 , in welchem das Verbandpäckchen,
seine Geschichte und Zusammensetzung beschrieben, dann Abbildung und
Beschreibung der in der preussischen Armee eingeführten Lazarethgehülfen-
taschen, Truppen-Medi ein- und Bandagen kästen, Bandagentornister,
Truppen-Medicinwagen etc. gegeben werden, immer unter Berücksichtigung
der zu ähnlichem Zweck auf der Ausstellung vorhandenen Objecte; dann
folgt die Darstellung der Organisation der ersten Hülfe sonst und jetzt.
Beim Verwundetentransport vom Schlachtfelde zum Verbandplatz kommen
die verschiedenen Krankentragen unter Veranstaltung der reglementarischen
preussischen Tragen zur Besprechung, an deren Verbandtornister eine
Verbesserung für erwünscht erachtet wird, nämlich die Anbringung von
Fröschen an den Schmalseiten, damit der Tornister nach dem Auf¬
schnallen sich breit öffne. Zur Besprechung kommen ferner die beiden
Modelle von Niese, die österreichische Feldtragbahre, die des bayerischen
Landes-Hülfs Vereins, des Niederländischen Rothen Kreuzes, die Rühle-
mann’schen Tragbahren etc.; für besonders praktisch wird in Ueberein-
stimmung mit dem allgemeinen Urtheil die federnde Militär-Kranken¬
trage erklärts leider wird auch hier wieder die Trage Herrn Epner zu¬
geschrieben und nach ihm benannt, der Erfinder ist aber Herr Merke,
Verwaltung8director des Barackenlazareths Moabit, und nur seinen Namen
darf die Trage in Zukunft führen (cfr. diese Zeitschrift 1883 S. 497). —
Id dem Capitel „Hülfe in der zweiten Linie 44 werden die Verwundeten-
Transport wagen und deren Improvisationen aus Arbeitswagen, darauf die
Zusammensetzung und Einrichtung der Feldlazarethe sammt Zelten und
Baracken mit ihrem gesammten Inventar besprochen; das Material der
Ausstellung auf diesem Gebiete bot Gelegenheit zu erschöpfender Ver¬
gleichung, da ausser dem preussischen und österreichischen Kriegs-
ministerium eine grosse Zahl von Hülfsvereinen ihr Material geschickt
batten. Aus dem etablirten Feldlazareth wird beim Vorrücken des
Armeecorps das stehende Kriegslazareth. Die „Hülfe in der dritten
Linie 14 widmet der Organisation der freiwilligen Krankenpflege sympathische
Worte.
Nachdem hierauf die Ausstellungsobjecte des Marine-Sanitätswesens
geschildert, folgt ein erster Anhang „zum Sanitätswesen der Handels¬
marine 44 , ein zweiter: „Antiseptik im Kriege 44 und ein dritter mit Benutzung
des zur Nieden'sehen Vortrags auf der Ausstellung über diesen Gegen¬
stand von P. Börner geschriebener: „Transport von Verwundeten und
Kranken auf der Eisenbahn."
Der jetzt folgende höchst interessante Artikel „Leichenwesen 41 ist
von H. Albrecht mit Unterstützung von Siemens bearbeitet. Er
enthält in dem Capitel Beerdigungswesen die Beschreibung der Friedhofs¬
anlagen und Leichenhallen und führt uns in dem Abschnitt Leichen Ver¬
brennung in das Gebiet der lebhaftesten Tagesdiscussion.
V
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106
Der letzte Artikel „Veterinärwesen“ ist von P. Börner.
Was die vornehme und musterhafte Ausstattung des Werkes anl&ngt,
so gilt für den II. Band des Berichte, was wir (1. c.) vom I. gesagt
haben. B—r.
Handbuch der kriegschirurgischen Technik. Eine gekrönte Preis¬
schrift von Dr. F. Esmarch, Prof. etc. 3. Auflage. Kiel, bei Lipsius
und Tischer. 1885. Octav. I. Theil: Verbandlehre. 166 S. mit
289 Holzschnitten. Jt 6,—. II. Theil: Operationslehre. 237 S. mit
358 Holzschnitten. Jt 12,—.
Der neuen Bearbeitung des Esmarch’sehen Handbuches ist von
vielen Seiten mit Spannung entgegengesehen worden. Und nicht ohne
Grund. Denn seit dem Erscheinen der ersten Auflage im Jahre 1877*)
hat zuvörderst die Wundbehandlung im Sinne einer Weiterentwickelung
der antiseptischen Grundsätze durch die Arbeiten deutscher Chirurgen
und des Reichs-Gesundheits-Amtes Fortschritte gemacht, welche den
damaligen Standpunkt nur als eine erste Etappe auf dem erstrebten Ge¬
biete ansehen lassen. Ferner ist erst seit jener Zeit durch v. Berg man n,
den wir Militärärzte mit Stolz den Unsern nennen, im Kriege von 1877/78
in überaus verdienstvoller Weise der Nachweis erbracht worden, dass die
Antiseptik im Felde durchführbar und zu fordern sei. Drittens haben
seitdem durch die Fürsorge der Centralleitung fast sämmtliche activen
und ein namhafter Theil der Militärärzte des Beurlaubtenstandes Gelegen¬
heit gefunden, in den Fortbildungscursen zu Berlin wie an den Provinzial-
Universitäten ihr chirurgisch-technisches Wissen aufzufrischen, und dadurch
naturgeinäss den Wunsch gewonnen, in einem handlichen Repetitorium
die wichtigsten modernen Operations- und Verbandmethoden vereinigt
zu erhalten.
Sehen wir, in welcher Weise das vorliegende Werk diesen, wie ge¬
sagt, von vielen Seiten gehegten Erwartungen gerecht wird.
Im Aeus8ern ist die 3. Auflage handlicher wie die früheren; das
Format ist wesentlich verkleinert. Die beiden „Bände“ werden durch
zwei noch nicht fingerstarke Hefte repräsentirt. Der Text ist kurz und
bestimmt, die Stichwörter sind durch fettere Schrift hervorgehoben; im
Uebrigen ist die äussere Erscheinung nicht ganz die gewählte der 1. Auf¬
lage. Die Abbildungen sind sehr zahlreich und mit einzelnen Ausnahmen
auch dem beabsichtigten Zweck entsprechend. Eine Anzahl ist net! hin¬
zugekommen, dafür sind andere weggefallen; die farbigen Tafeln der
1. Auflage sind durch farblose Holzschnitte im Text ersetzt, die man
selbstverständlich nicht als neue in Anrechnung bringen kann.
Verf. beginnt mit den Vorbereitungen alles dessen, was zur Rein¬
lichkeit des Operateurs und seiner Gehülfen, des Kranken, der Luft und
der Materialien gehört. Es folgt die Reinigung der Wunde, die Blutstil¬
lung innerhalb derselben, die Vereinigung der Wundränder, Naht und
Drainage. Der Abschnitt Wundverband giebt Gelegenheit, der ver¬
schiedenartigen Stoffe zu gedenken, welche jetzt zur Verwendung kommen ;
hier finden Mull, Gaze, Watte, Torf und Torfmoos, Holz- und Wergprä¬
parate ihre Stelle, ebenso die jetzt wesentlich eingeschränkten undurch-
*) Die 2. Auflage war ein unveränderter Abdruck der ersten.
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107
lässigen Stoffe. Eine kurze Charakteristik der Antiseptica und die Auf¬
zählung der Punkte, welche beim Verbandwechsel in Betracht kommen,
schiiesst dieses Capitel. An demselben wäre nur auszusetzen, dass es
ausser dem jetzt gerade in der Kieler Klinik gebräuchlichen Polsterver-
bande keine derjenigen Gestalten des antiseptischen Verbandes berücksich¬
tigt, welche anderswo, z. B. bei v. Bergmann, v. Volkmann, v. Nuss¬
baum geübt werden und vielen Militärärzten geläufiger sind, als die
Kieler Methode. Eine solche Rücksichtnahme wäre um so mehr angezeigt
G ewesen, als es dem Verf. nicht unbekannt sein konnte, dass die deutsche
eldsanitätsausrüstung gerade auf Polsterverbände nicht zugeschnitten ist.
Den übrigen Tneil des 1. Bandes nimmt derjenige Abschnitt der
Verbandlehre ein, der an sich, d. h. unmittelbar, mit der Antiseptik
nichts za thun hat. Hier ist unter „Antiphlogose“ die Suspension, die
Wärmeentziehung, die Berieselung abgehandelt, des Weiteren die ganze
Bindentechnik, fast in der Ausdehnung, wie sie uns Aelteren vom sei.
Troschel her im Gedächtniss ist. Dass die mannigfache Anwendung
des vom Verf. mit mehr Ausdauer wie Nachfolge wieder zu beleben ver¬
suchten Mouchoir de Mayor, des dreieckigen Tuches, nicht fehlt,
ist selbstverständlich. Die nun folgende Beschreibung und Abbildung
zahlreicher Lagerungs- und Schienenapparate, sowie der Extensions¬
und Contentiwerbände wird dadurch ermüdend, dass bei den Lagerungs-
etc. Apparaten eine unverhältnissmässig grosse Menge von Dingen in den
Kreis der Betrachtung gezogen ist, welche die heutige Chirurgie über
Bord geworfen hat. Verf. hat das selbst gefühlt und erklärt es damit,
dass das Buch auch von Anfängern im medicinischen Studium gebraucht
werden solle, und dass deshalb die Berücksichtigung von Uebungsstücken
und für die historische Entwickelung der Verbandtechnik interessanten
Gegenständen geboten gewesen sei. War dieser Standpunkt wirklich der
allein bestimmende, so ist er dem vornehmsten Zweck des Buches ent¬
gegen. Nach der Preisaufgabe sollte es „den jetzigen Standpunkt der
kriegschirnrgischen Technik in prägnanter Kürze wiedergeben, so dass
es zum unentbehrlichen Begleiter für jeden Feldarzt werde“. Nun, dazu
hätte es weder der Abbildung allbekannter Dinge, wie der Irrigatoren,
Eiterbecken, Badewannen, noch all des Gerümpels von Verbandapparaten
vorantiseptischer Zeit bedurft, welches jetzt den Inhalt des Buches zu
seinem Titel in Gegensatz setzt und den Umfang vermehrt, ohne die
Brauchbarkeit für den Feldarzt zu erhöhen, für den es zunächst bestimmt
sein soll —
Der 2. Theil beginnt mit der Narkose und einem recht übersicht¬
lich bearbeiteten Abschnitt über secundäre Antiseptik, welcher auch
die Behandlung complicirter Fracturen und Gelenkverletzungen im All¬
gemeinen umfasst. Hier sind auch bereits die Indicationen für die Ab¬
setzung der Glieder und die Methoden zur Entfernung von Fremdkörpern
(Projectilen) aus Wunden behandelt. Es folgt die Lehre von der Blut¬
stillung in der Gontinuität, mit welcher bei Besprechung der elasti¬
schen Constriction auch die Darstellung der künstlichen Blutleere ver¬
bunden ist. Die Methoden der Unterbindung, denen der nächste Abschnitt
gewidmet ist, weichen in nichts von der 1. Auflage ab. Einige anato¬
mische Abbildungen des Verlaufes der in Betracht kommenden Arterien,
sowie eine stehende menschliche Figur mit Andeutung sämmtlicher
Ligaturstellen sind neu hinzugekommen, dafür sind die bildlichen (früher
farbigen) Darstellungen der einzelnen Unterbindungen weggeblieben
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und durch Holzschnitte ersetzt, welche nur die innerhalb der Operations¬
wunde gelegenen Partien der alten Illustrationen wiedergeben. Das
Weglassen der für die Orientirung durchaus nothwendigen Umgebung
einer Unterbindungsstelle ist eine mehr neue wie gute Idee. Für die
Richtigkeit der auszuführenden Operation ist die Lage des Hautschnittes
maassgebend. Zur schnellen Erinnerung ist daher dem Feldarzt die Dar¬
stellung der den ersten Schnitt bestimmenden Punkte der Umgebung ganz
unerlässlich und ebenso wichtig, wie die Details im Innern der Operations¬
wunde. Abbildungen der aus ihrer Umgebung völlig losgelösten Schnitte
haben daher nur einen geringen Werth, und die Orientirung an der oben¬
erwähnten Figur ist bei der Kleinheit derselben um so weniger im Stande,
diesen fundamentalen Mangel zu ersetzen, als die Schnitte hier an einem
stehenden Körper, d. h. an einer Situation veranschaulicht sind, in der
sich der zu Operirende niemals befindet. Zu erwähnen ist endlich, dass
die früher bei den Abbildungen gegebene Bezeichnung der blossgelegten
Theile mit vollem Namen viel zweckentsprechender war, als die diesmal be¬
liebte Andeutung durch Buchstaben, deren Erklärung erst im Text zu
suchen ist. Diese Ausstellung trifft auch die Gliederdurchschnitte, welche
dem letzten Abschnitt des 2. Theiles angehören. In der Besprechung
der Amputationsmethoden ist nichts geändert.- Den Resectionen
geht eine recht praktische Darstellung der Indicationen vorauf, welche
sich gegenüber den Verletzungen der einzelnen grösseren Gelenke ergeben.
Ueberhaupt ist das Capitel von den Resectionen bei einzelnen Gelenken
vortheilhaft erweitert; so durch die Nachbehandlung nach Knie- und
Ellenbogengelenkresection, durch Hinzufügung neuer Methoden beim
Knie* und Hüftgelenk u. s. w. Den Schluss bilden die früher in anderer
Reihenfolge abgehandelten, in der vorliegenden Auflage ebenfalls erweiter¬
ten Beschreibungen der Trepanation, Thoracocenthese einschl. der Rippen-
resection, der Darmnaht und Darmresection, des Harnröhren- und Blasen¬
schnittes und endlich der hypodermatiscben Injection. Hier ist die Dar¬
stellung der Darmnaht am wenigsten gelungen. Beim Blasenschnitt, Sectio
alta, ist zwar auf die Schwierigkeit der Operation bei Tiefstand der Blase
hingewiesen, aber nicht erwähnt, wie das Organ künstlich in die Höhe
gerückt wird, um die Operation zu erleichtern«
Eine uneingeschränkte Empfehlung des Werkes, mit deren Wunsch
wir an die Lektüre desselben gegangen sind, ist durch die Menge des
Ueberflüssigeo und den unverbältnissmässig hohen Preis wesentlich er¬
schwert Hatte Verf. sich darauf beschränkt, entsprechend der ursprüng¬
lichen Preisaufgabe ein handliches Buch über die kriegschirurgische
Technik nach dem heutigen Standpunkte des Wissens und der Feldsani¬
tätsausrüstung zu geben, ferner anstatt der Abbildung und Beschreibung
zahlreicher allgemein bekannter oder obsoleter Instrumente und Apparate
nur das geboten, was der Feldchirurg zur Zeit wirklich nöthig. hat, so
würde — bei der Hälfte des jetzigen Umfanges und Preises — sich eine
grössere Verbreitung des Buches unter den Militärärzten haben progno-
sticiren lassen. Angesichts dessen, was jetzt vorliegt, sind die Aeusse-
rungcn einer gewissen Enttäuschung nur zu erklärlich, welche schon nach
dem Erscheinen des ersten Bandes von vielen Seiten laut wurden und
durch den Eindruck des Ganzen nicht entkräftet sind. — - —
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Bacteriologische Diagnostik. Hülfe - Tabellen beim praktischen
Arbeiten, von Dr. James Eisenberg. Hamborg und Leipzig, Verlag
von Leopold Voss. 1886.
Von* dem Gesichtspunkte ausgehend, dass jeder mit praktischen
bacteriologischen Arbeiten sich Beschäftigende das Bedürfnis empfindet,
eine Zusammenstellung bisher bekannter Bacterienarten zu besitzen, aus
welcher er die einzelnen Unterschiede letzterer übersichtlich geordnet
ersehen kann, hat Verfasser „den Versuch gewagt", kurze Tabellen zu
liefern, „an der Hand deren es Jedem ermöglicht sein soll, sich über das
Wesen der einzelnen Organismen schnell zu unterrichten und nach dem
entworfenen Schema eventuelle weitere Aufzeichnungen vorzunehmen, zu
welchem Zwecke auch eine leere Tabelle beigegeben ist". — Jeder der
einzelnen Mikroorganismen wird nach seinen anatomischen und bio¬
logischen Eigenschaften geschildert, und nur diejenigen haben in den Tabellen
Aufnahme gefunden, die ihm ein specifiscbes Erkennungszeichen geben.
Der Gang der vorzunehmenden Untersuchung entspricht dem von Geh.
Rath Prof. Dr. R. Koch verfolgten, in dessen hygienischem Laboratorium
die Arbeit entstand.
Dass es sich bei seipem Versuche „um nichts Vollständiges" handeln
könne, erkennt Verfasser ausdrücklich an, und von den vielleicht nach
Hunderten und noch mehr zahlenden Mikroorganismen sind eben nur
einige wenige herausgegriffen, und zwar diejenigen, welche einem sehr
häufig begegnen, und die besonders charakterisirt sind.
Die Eintheilung, nach welcher die Bacterien aufgeführt sind, ist
folgende:
I. Nicht pathogene Bacterien: A. Die Gelatine verflüssigend.
B. DieGelatine nicht verflüssigend. II. Pathogene Bacterien: A. Ausser¬
halb des Thierkorpers gezüchtet. B. Ausserhalb des Thierkorpers noch
nicht gezüchtet. Hl. Anhang. Pilze.
Die Tabellen selbst enthalten die Spalten:
1. Nummer; 2. Fundort; 3. Name, Entdecker, Litteratur; 4. Form,
Anordnung; 5. Beweglichkeit; 6. Wachsthum (auf Platten, in Stichculturen,
aaf Kartoffeln, auf Blutserum); 7. Temperaturverhaltnisse; 8. Schnelligkeit
des Wachsthums; 9. Sporenbildung; 10. Luftbedürfniss; 11. Gasproduction;
12. Verhalten zu Gelatine; 13. Farbenproduction; 14. Pathogenesis.
Die Anordnung des Stoffes hat es nothig gemacht, die Tabellen in
Gross-Quartformat erscheinen zu lassen, wodurch sie an Uebersichtlichkeit
wesentlich gewinnen.
Aus obiger kurzer Inhaltsangabe wird zur Genüge hervorgehen, dass
die Bisenberg'schen Tabellen m der That einem dringenden Bedürfnis
abhelfen, nud dass kein praktischer Arbeiter auf dem einschlaglichen
Specialgebiete dieselben wird entbehren können. Ganz besonders mögen
dieselben allen Herren Collegen angelegentlichst empfohlen sein, welche
an den „Choleracursen" im Reichsgesundheitsamte Theil genommen haben.
Der Boden, aus welchem die Arbeit erwachsen ist, verleiht derselben nur
einen um so höheren Werth und stellt ihr eine weite Verbreitung in
Aussicht. —
Bei einer eventuellen spateren Auflage dürften einige störende Druck¬
fehler leicht zu vermeiden sein, wie z. B. in Tabelle 23 No. 57 „Phtysikers."
Die Ausstattung des Buches ist im Uebrigen eine saubere, der Druck
ein guter. Pfuhl.
8 *
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110
Anatomische, pathologische and klinische Stadien aber Hyperplasie der
Rachentonsille sowie chirurgische Behandlung der Hyperplasie zur
Verhütung von Erkrankungen des Gehörorgans von Dr. F. Traut¬
mann, Oberstabsarzt 1. CI. Gross Quart, 150 S. mit 7 lithographischen
Tafeln und 12 Photographien. Berlin 1886. Hirschwald.
Das Werk, von hervorragender Bedeutung für den Otiatriker, muss
auch dem Militärarzt zugänglich sein, da die Erkrankungen des Nasen¬
rachenraums die häufigste Veranlassung zu pathologischen Veränderungen
am Gehörorgan geben.
ln dem ersten Capitel wird eine klare und pracise Darstellung der
Anatomie und Histologie der normalen Rachentonsille und des Nasen¬
rachenraums gegeben, die um so mehr am Platze ist, als aus Handbüchern
der Anatomie ausreichende Belehrung über die Rachentonsille und die
Topographie nicht zu erholen ist. Die pars basilaris des Keilbeins und des
Hinterhauptbeins werden von der Fibrocartilago basilaris, mit der sie
sehr innig verwachsen sind, bedeckt, an diese Fibrocartilago ist die
Rachentonsille durch lockeres Bindegewebe angeheftet, sie hebt sich hier
durch die markige Beschaffenheit und gelblich weisse Farbe mit rothem
Timbre von dem übrigen Gewebe auffallend hb, ihr Längsdurchmesser
betragt bis zum ersten Lebensjahre 1 cm, bis zum dritten etwa 1,5 cm,
die Dicke des Gewebes betragt etwa 7 mm. Von Bedeutung ist nicht so
sehr die absolute Grösse wie das Verhältnis zur Grösse des Nasen¬
rachenraums; ist die Dicke des Gewebes unproportional, so werden
pathologische Störungen hervorgerufen. Die arteriellen Gefässe im Nasen¬
rachenraum sind derart vertheilt, dass die Entfernung der Rachentonsille
an der Schädelbasis grössere Arterienzweige nicht verletzen kann. Aus
der Anordnung der Venen ergiebt eich, dass wenn es bei pathologischen
Veränderungen im Nasenrachenraum zu Stauungserscheinungen kommt,
diese insbesondere in den cavernösen Hohlraumen der Nasenmuscheln statt¬
finden müssen.
Das zweite Capitel beschäftigt sich mit der pathologischen Anatomie
und Histologie. Da sich die in der Litteratur vorhandenen Angaben über
Hyperplasie der Rachentonsille fast sammtlich auf Beobachtungen an
Lebenden beziehen, giebt T. hier zunächst einen Bericht über 15 Sectionen.
Um nur ein Beispiel anzuführen, so sagt Protocoll No. 14 bezüglich der
Section des Nasenrachenraums: „Die Längsleisten der Nasenrachen¬
tonsille sind durch Querschnitte vielfach getheilt, wodurch das Gewebe
in Zapfen zerfallt. Die Länge der Zapfen beträgt 2 cm und verlegen
dieselben das ostium pharyngeum tubae beiderseits, ebenso füllen sie
die Rosenmüller’scben Drüben aus, lassen sich aber aus denselben
herausheben. Das Gewebe selbst ist ziemlich derb, nicht sehr blutreich.
Die Choanen werden nicht vollständig durch die Hyperplasie verlegt.
Die untere und mittlere Muschel sind geschwollen; der Tubenwulst
hat ein granulirtes Ansehen; ostium tubae verkleinert, aber für Sonde
gut bis zum Mittelohr durchgängig. Trommelfell beiderseits glanzlos,
Hammergriff undeutlich. Mittelohr mit schleimig-eitrigem Secret erfüllt,
Paukenschleimhaut geschwollen, so dass der Steigbügel beinahe ein¬
gebettet ist; derselbe ist jedoch gut beweglich.“
Im Allgemeinen geht aus den Sectionsprotocollen hervor, dass sich
die Hyperplasie der Rachentonsille genau an die normale Formation an-
schliesst, in erster Linie werden die im sagittalen Durchmesser der Ton¬
sille verlaufenden Längsleisten hyperplastisch, dies kann in so hohem
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111
Grade geschehen, dass das hyperplastische Gewebe gardinenartig hinter
den Choanen herabhängt, die Seitenzüge der Tonsillen werden ebenfalls
hyperplastisch and fallen die Rosenmall er'sehen Graben aas, das
kraokhafte Gewebe lässt sich jedoch' aas denselben herausheben. Die
Gaumentonsillen sind fast stets gleichzeitig hyperplastisch.
Im dritten Capitel, den „ Ursachen“ der Hyperplasie, wird der schwäch¬
lichen Constitution and der Scrophalose besonderes Gewicht beigelegt
Das vierte enthält die Symptomatologie: Das gewöhnlich im Alter
von 5 bis 16 Jahren befindliche Individuum ist meist schwächlich, zeigt
eingesunkenen Thorax, Lippen, Nase, Augenlider sind oft geschwollen,
das Offenhalten des Mandes wird dadurch hervorgerufen, dass die Hyper*
plasie die Cboanen verlegt, die Inspiration bleibt länger möglich als die
Exspiration durch die Nase, die Kranken verlernen das Schnäuzen, beim
Intoniren hebt sich der weiche Gaumen erst, die Stimme erhält ein
nasales Timbre, derartige Kranke sagen statt Zimmermann „Zibberbad u
statt Gesang „Gesagk u , dabei kommt es häufig zu Blutungen auf die
Oberfläche und Blutungen in das Gewebe.
Nachdem hierauf die Diagnose, welche aüch auf genaue Untersuchung
der Ohren Rücksicht zu nehmen bat, erörtert ist, folgt das Capitel
„Therapie* 4 . Es wird darin besprochen 1) die Beseitigung der Hyper¬
plasie durch Zertbeilung (Klima, Soolbäder, Leberthran); 2) durch
Zerstörung und zwar a. mittelst Aetzen der Wucherungen, b. mittelst
Zerquetschens derselben mit dem Zeigefinger; 3) die Beseitigung der Hyper¬
plasie durch Entfernung, und zwar a.durch schlingenförmige Instrumente,
b. durch schneidende Instrumente von der Nase aus, c. durch schneidende
oder zerquetschende Instrumente, welche hinter dem weichen Gaumen
eingeführt werden. T. redet dem scharfen Löffel — den er in drei
Grössen mit besonderer Biegung des Stiels sich construirt hat — als
zweckentsprechendstem Instrument zur Entfernung der Rachentonsille das
Wort, da er am wenigsten schmerzhaft ist, am schnellsten und sichersten
zum Ziele fuhrt und sich bei Kranken jeden Alters gebrauchen lässt. Der
Kopf wird gut fixirt, die Zunge mit einem Spatel herabgedrückt, der
Löffel hinter den weichen Gaumen geführt, „man schiebt ihn vor bis an
den Vomer, drückt ihn fest an das Dach und zieht ihn, während man fest
mit dem Zeigefinger auf den Stiel des Löffels drückt, nach unten bis
zur Mitte der hinteren Wand, dreht dann den Löffel nach rechts und
schneidet das abgetrennte Stück mit der Seiten wand des Löffels ab; dreht
dann beim Herausziehen des Löffels die Höhlung desselben nach dem
weichen Gaumen, und drückt das abgelöste Stück, welches sich im Löffel
befindet, mit dem Spatel fest an, damit es nicht in den Larynx fallen kann,
und zieht so den durch den Spatel gedeckten Löffel heraus 44 . Zweck¬
mässig theilt man sich das Dach des Nasenrachenraums in drei gleiche
Längsabschnitte, und entfernt mit dem grössten Löffel den mittleren
Theu, dann mit der kleineren Nummer die beiden äusseren Theile. Die
Blutung ist meist keine grosse und steht auf Eiswasser-Gurgelnngen,
zweimal beobachtete T. Nachblutungen, welche einmal nur Tamponade
uothwendig machten.
Bezüglich der Prägen „soll man zuerst die Ganmentonsillen oder die
Rachentonsille entfernen ? sollen die Exsudate im Mittelohr vor oder nach
der Operation der hyperplastischcn Rachentonsille entfernt werden?
Giebt es Gründe, welche die Anwendung des scharfen Löffels verbieten ?*
o. 8. w. ist das Original einzusehen.
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Es folgt zom Schluss eine Gasaistik von 150 Fallen, eine statistische
Uebersichtstabelle nnd eine Schiassübersicht.
Besonders hervorzuheben ist die vortreffliche and anschauliche Aus¬
führung der lithographischen Tafeln nnd der stereoskopischen Photographien.
B—r.
Cirujia conservadora por D. Manuel Rabudän Arjona, medico mayor
gradnado 1°. La gazeta de sanidad et militar. Madrid, 25/1V. 85.
Am 3. November 1879 wurde N. N. anlässlich eines Aafrnhrs schwer
verletzt. Die Verletzung bestand in einer Comminutiv-Fractur des oberen
Drittels des linken Humerus und vollständiger Zerfleischung der Weich-
theile des Armes bis herauf zum Schultergelenk; die Zahl der Wunden,
von jeder Grosse und Tiefe, sowie nach lulen Richtungen, betrug 20. —
Der Verletzte hatte den Arm wie einen Schild vorgehalten, um die Hiebe
zu pariren. Nur das Gefass- und Nerven-Paket an der Innenseite war
relativ unverletzt Nachdem zunächst die Blutung gestillt war, erwies
sich die Antwort auf die Frage: Was thun? als recht schwierig. — Bine
Amputation oberhalb der Fractur war unmöglich, weil die Weichtheile
fehlten. Es blieb nichts weiter übrig, als unter antiseptischen Cautelen ein
conservativ-exspectatives Verfahren einzuschlagen. — Der Arm wurde
auf vier mit Fenstern versehenen Holzschienen so suspendirt, dass die Bruche
stücke coaptirt waren. Bei dem ziemlich häufigen Verbandwechsel wurde
dann in der Weise vorgegangen, dass man die Richtungslinie des Armes
durch Stützung auf je 2 Schienen erhielt, während man die andern beiden
entfernt hatte, um zu den Verletzungen freien Zugang za haben. Der
Verlauf war ein wunderbar günstiger und bot im Allgemeinen nichts Ab¬
sonderliches. 16 Knochensplitter wurden entfernt, am 36. Tage nach dem
Unfall war Heilung eingetreten; der Arm war schwach, aber es konnten
doch langsame Bewegungen mit Vorsicht gemacht werden. Der Fall
dürfte auf das militärarztliche Interesse wohl Anspruch erheben.
Breitang.
Outbreak of yellow fever in Sierra Leone 1884. By J. J. Lambrey,
surgeon army medical staff. (Brit. med. Journ. 26/IX. 85.)
Verfasser berichtet, dass in Freetown, der Hauptstadt von Sierra Leone,
die Zone des gelben Fiebers im Mai, Juni, Juli, August 1884 genau ab-
gegrenzt war. Die Sterblichkeit betrug für die Eingeborenen 35 per 1000,
für die Europäer 6 per 100. Verfasser nimmt ein locales specifisches
Infections-Agens an. (In einer Arbeit, welche in der spanischen militär-
ärztlichen Zeitung erschienen, veröffentlicht Fr ei re—Rio de Janeiro seine
Untersuchungen über die bacteriologische Grundlage des gelben Fiebers
und wird über dieselben event. noch genauer berichtet werden.)
______ Breitung.
Compendium der chirurgischen Operations- und Verbandlehre,
mit Berücksichtigung der Orthopädie, von Dr. W. Heinecke,
Prof, in Erlangen. 3. Aufl. II. SpecieJler Theil mit 253 Holzschnitten.
Erlangen 1886. E. Besold.
Dem im Sommer 1884 ausgegebenen I. Allgemeinen Theil der dritten
Auflage des bekannten Heinecke’schen Compendiums, mit welchem
unsere Zeitschrift sich schon mehrfach zu beschäftigen Gelegenheit hatte
(cfr. V. Jahrgang S. 366 und XIII. S. 372), folgt jetzt der II. Specielle
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Tlieil, welcher die neue Auflage abscbliesst. Die Paginirung des
I. Theils setzt sich im II. fort, so dass beide Theile einen Band von
920 Seiten bilden, in welchem durch Inhalts-Uebersicht sowie durch Sach-
nnd Personen-Register die Orientirung sehr erleichtert ist.
Die neue Auflage ist gegenüber der im Jahre 1876 abgeschlossenen
zweiten eine vollständig umgearbeitete und vermehrte zu nennen, in
welcher die Errungenschaften der letzten neun Jahre vollständig ver¬
arbeitet sind. Hauptvorsüge des Werks sind Vollständigkeit und Genauig¬
keit. Die Nothwendigkeit einer dritten Auflage spricht gewiss für die
allseitige Anerkennung, die das Werk gefunden hat. B—-r.
Handbuch der physiologischen Optik von H. v. Helmholtz. —
Zweite umgearbeitete Auflage. Mit zahlreichen in den Text einge¬
druckten Holzschnitten. Erste Lieferung. 80 Seiten gross 8°. —
Leipzig. Leopold Voss.
Nachdem seit einer Reihe von Jahren das vorliegende Buch aus dem
Buchhandel verschwunden war, tritt es in neuer Auflage wieder auf und
darf wohl als ein wissenschaftliches Ereigniss begrüsst werden. — Für
ein Buch, das mit dem Namen des Verfassers zugleich geweiht und gefeit
ist, bedeutet diese Anzeige der Existenz zugleich die seiues Werthes und
würde jedes weitere Wort des Lobes einer lächerlichen Anmaassung
gleichkommen. — Was die Ausstattung des Buches anlangt, so können
wir uns die Bemerkung nicht versagen, dass für ein Helmholtz’sches
Buch das vorliegende Gewand uns nicht vornehm genug erscheint. Der
matte Druck macht bei Licht — mindestens verdriesslich. — Bei dem
festgesetzten Preise — 10 Hefte a M. 3 — wate wohl, meinen wir, besseres
Papier, besserer, klarerer Druck erwünscht. — Gerade die besten Dia¬
manten pflegt man doch nicht in Talmigold zu fassen. Breitung.
MittheiloDgen.
General-Rapport
von den Kranken der Königlich Preussischen Armee, des XII. (Königlich
Sächsischen) und des XIII. (Königlich Württembergischen) Armee-Corps,
sowie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich Bayerischen
Besatzungsbrigade pro Monat October 1885.
1) Bestand am 30. September 1885:
6 682 Mann und 53 Invaliden.
2) Zugang:
im Lazareth 6 266 Mann und — Invaliden,
im Revie r 9 377 2
Su mma 15 643 Mann und 2 Invaliden.
Mithin Summa des Bestandes und Zuganges 22 325 Mann und 55 Invaliden,
in Procenten der Effectivstärke 7,3 % und 19,9%.
3) Abgang:
geheilt. 14 796 Maqn, 6 Invaliden,
gestorben .... 63 —
invalide ..... 203 —-
dienstunbrauchbar . 213 - —
anderweitig . . . . 443 - —
Summa . . 15 718 Mann, 6 Invaliden.
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114
4) Hiernach sind:
geheilt 66,3 % der Kranken der Armee und 10,9 °/ 0 der erkrankten In¬
validen,
gestorben 0,28 % der Kranken der Armee und — % der erkrankten In¬
validen.
5) Mithin Bestand:
am 31. October 1885 6 607 Mann und 49 Invaliden,
in Procenten der Effectivstärke 2,2 % und 17,7 %.
Von diesem Krankenstände befanden sich:
im Lazareth 4 598 Mann und 4 Invaliden,
im Revier 2009 - - 45
Es sind also von 354 Kranken 234,6 geheilt, 1,0 gestorben, 3,2 als
invalide, 3,4 als dienstunbrauchbar, 7,0 anderweitig abgegangen, 104,8 im
Bestand geblieben.
Von den Gestorbenen der activen Truppen haben gelitten an: Blut¬
vergiftung 2, Unterleibstyphus 21, epidemischer Genickstarre 2, Bluter¬
krankheit 1, Hirn- und Hirnhautentzündung 4, Lungenentzündung 6,
Lungenblutung 1, Lungenschwindsucht 12, Brustfellentzündung 1, Lungen¬
brand 1, Magenkrebs 1, innerem Darm Verschluss 1, Blinddarmentzündung 1,
Bauchfellentzündung 5, Nierenleiden 1, Hüftgelenkentzündung 1; an den
Folgen einer Verunglückung: Sturz aus dem Fenster 1; an den Folgen
eines Selbstmordversuches: Erscbiessen 1.
Mit Hinzurechnung der nicht in militärärztlicher Behandlung Ver¬
storbenen sind in der Armee im Ganzen noch 12 Todesfälle vorgekommen,
davon 4 durch Krankheiten, 3 durch Verunglückung, 5 durch Selbstmord;
von den Invaliden: durch Krankheit 1; so dass die Armee im Ganzen
75 Mann und 1 Invaliden durch den Tod verloren hat.
Nachträglich verstorben:
pro August er.:
1 Mann an Geistesstörung, 1 Mann an Lungenschwindsucht (Urlaub);
pro September er.:
1 Invalide an einer unbekannten Krankheit.
General-Rappor t
von den Kranken der Königlich Preussischen Armee, des XII. (Königlich
Sächsischen) und des XIII. (Königlich Württembergischen) Armee-Corps,
sowie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich Bayerischen
Besatzungsbrigade pro Monat November 1885.
1) Bestand am 31. Octooer 1885: 6 607 Mann und 49 Invaliden.
2) Zugang:
im Lazareth 11185 Mann und 2 Invaliden,
im Revi er 14 215 - - 7
Su mma 25 400 Mann und 9 Invaliden.
Mithin Summa des Bestandes und Zuganges 32 007 Mann und 58 Invaliden,
in Procenten der Effectivstärke 8,6 % und 20,7 %.
3) Abgang:
geheilt ....
. 20 436 Mann,
7 Invaliden,
gestorben....
70 -
1
invalide ....
235 -
—
dienstunbrauchbar
416 -
—
anderweitig . . .
319 -
1 .
Summa .
. 21 476 Mann,
9 Invaliden.
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115 —
4) Hiernach sind: .
geheilt 63,8 % der Kranken der Armee und 12,1 %> der erkrankten In¬
validen,
gestorben 0,22 % der Kranken der Armee und 1,7 % der erkrankten In¬
validen.
6) Mithin Bestand:
am 30. November 1885 10 531 Mann und 49 Invaliden,
in Procenten der Effectivstärke 2,8 % und 17,5 •/<>.
Von diesem Krankenstände befanden sich:
im Lazareth 7 484 Mann und 7 Invaliden,
im Revier 3 047 - 42
Es sind also von 457 Kranken 291,8 geheilt, 1,0 gestorben, 3,4 als
invalide, 5,9 als dienstonbranchbar, 4,6 anderweitig abgegangen, 150,3 im
Bestand geblieben.
Von den Oestorbenen der activen Truppen haben gelitten an: Schar¬
lach 3, Blutvergiftung 1, Unterleibstyphus 9, bösartigen Geschwülsten 2,
Hirn- und Hirnhautleiden 4, Rucken marksleiden 1, Lungenentzündung^ 8,
Lungenschwindsucht 17, Brustfellentzündung 2, Herzleiden 2, Darmentzün¬
dung 1, Leberleiden 3, Milskrankheiten 1, Bauchfellentzündung 5, Nieren¬
leiden 3, constitutioneller Syphilis 1, Knochenentzündung 1; an den Folgen
einer Verunglückung: Sturz aus dem Kasernenfenster 1, Sturz mit dem
Pferde 1, Bruch der Wirbelsäule durch Verschütten 1, Unbekannt
(XII. Armee-Corps) 1; an den Folgen eines Selbstmordversuches: Er-
schiessen 1, Sturz aus dem Fenster 1. Von den Invaliden: Rücken-
marksleiden 1.
Mit Hinzurechnung der nicht in militärärztlicher Behandlung Ver¬
storbenen sind in der Armee im Ganzen noch 35 Todesfälle vorgekommen,
davon ^5 durch Krankheiten, 9 durch Verunglückung, 21 durch Selbst¬
mord; von den Invaliden: durch Altersschwache 1; so dass die Armee
im Ganzen 105 Mann und 2 Invaliden durch den Tod verloren hat.
Nachträglich pro October:
1 Selbstmord durch Erschiessen.
Sterblichkeit der russischen Militärärzte im letzten russisch¬
türkischen Kriege.
Wenige Menschen dürften eine Ahnung haben, wie verheerend der
rassisch-türkische Krieg für die Aerzte der russischen Armee war. Zum
Andenken an das traurige Verhängniss ist jüngst auf dem Alexander-Platz
in Sophia eine Steinpyramide errichtet worden, auf welcher die Namen
der Gestorbenen, zu deren Gedächtnis« sie errichtet, eingravirt sind. Die
Basis trägt die Inschrift: Den in dem russisch-türkischen Kriege 1877/78
gestorbenen Sanitäts-Offizieren. Die Zahl der Namen beträgt 53L
(Brit. med. Journ. Dec. 12. 1885.) B—r.
Die Choleraimpfung. (Aus der La Plata-Post. Wochenblatt der
Deutschen La Plata-Zeitung, Buenos Aires, den 8. October 1885.)
Obgleich über den Werth und Unwerth der vielbesprochenen Cholera¬
impfungen des spanischen Arztes Ferran die Acten noch nicht ge¬
schlossen sind, und obwohl der „Correo Espanol“ (Spanische Zeitung
in B. A.) sogar über Anerkennungsschreiben zweier berühmter Aerzte
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116
(englischer), wie Gameron and Spencer Wells, berichtet, so wird doch,
je mehr man darüber erfahrt, die Annahme immer wahrscheinlicher, dass
Dr. Ferran ein Charlatan and sein berühmtes (ängstlich geheim gehaltenes)
Mittel ein Hambag ist Das ist auch die Ansicht eines amerikanischen
Arztes, Dr. La Gr an ja, der in Berlin unter dem berühmten „Bacillenvater 44
Koch seine Stadien gemacht and sich zar Erprobung des Ferran’schen
Verfahrens nach Spanien begehen hat — Derselbe hat, da Ferran
irgend welche Aufschlüsse entschieden verweigerte, sich in Verkleidung
unter die impfbegierige Menge gemischt and die Impfang an sich selbst
vollziehen lassen. Die Procedur war folgende:
Ferran stiess ihm mit einer Lancette oberhalb des linken Ellen¬
bogens ein Loch unter die Haut, führte eine bräunliche Salbe in die
Wände ein und klebte ein Stück Heftpflaster darüber.
Dabei sagte er, dass an der Impfstelle sich ein Ausschlag bilden
und dass darauf heftiger Durchfall — „künstliche Cholera 44 — folgen
werde.
Als weitere Hülfe gab er drei Pillen zum ßinnehmen.
Der amerikanische Arzt berichtet nun wörtlich weiter:
„Obschon ich mich sehr beeilte, aus dem Menschengewühl herans-
zukommen und nach meinem Gasthause zu laufen, vergingen darüber
doch 20 Minuten. Sobald ich die Thüre hinter mir fest verschlossen
hatte, riss ich das Heftpflaster ab und zog so viel von dem Stoffe aus der
Wunde, wie ich konnte. — Nun, es ist ja möglich, dass auch Mikroben
in dem Zeug waren, aber meine Analyse zeigte mir das Vorhandensein
ganz anderer Stoffe, nämlich Elatorium, Crotonpl und Vaseline. — In
den drei Pillen fanden sich dieselben Stoffe, — deren beide ersten heftig
wirkende Abführmittel sind.
Spater erfuhr ich, dass alle Geimpften diese Pillen einnehmen müssen.
Jeder Arzt weiss, ebenso wie jeder Apotheker, wie das wirken
muss. — Die ganze Geschichte ist ein grossartiger Schwindel. — Wenn
nicht in meinem besonderen Falle ein anderer Stoff verwendet wurde, so
besteht die Impfung in der Einführung heftig treibender Abführmittel
(hydragogue cathartics) unter die Haut und (in Pillenform) in den Magen.
Das Crotonol unter der Haut bewirkt einen eiternden Ausschlag mit sehr
schmerzhafter Pustelbildung. Das Elatorium verstärkt diese Wirkung
des Crotonols, bewirkt ausserdem heftige Ausscheidungen, als deren Folge
einen Zustand, welcher mit dem durch die Cholera herbeigeführten
Collapsus Aebnlicbkeiten hat. Die Ausscheidungen selbst sind den „Reis-
wasser^-Entleerungen ähnlich, welche zu den Kennzeichen der Cholera
f ehoren. In der Tbat ist die Wirkung der ganzen Behandlung die
lervorbringung eines Zustandes, der auffallende Aebnlicbkeiten mit der
gefürchteten Seuche hat Wer es bezweifelt, der braufeht nur mit den
oben genannten Stoffen einen Versuch in der oben beschriebenen Weise
anzustellen.
Ich staune über die Geriebenheit dieses Spaniers und will nur hoffen,
dass er nicht ein verkleideter Yankee ist Wenigstens hat die Geschichte
bedenkliche Aehnlichkeit mit der von den „hölzernen Muskatnüssen 44 . 14
Oednickt in der Königlichen Hofbuchdruckerei von E. & Mittler und Sohn in Berlin SW., Koehetraeee
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Deutsche
Militärärztliche Zeitschrift.
Radactian: %
Dr. 9U Generalarzt, j
Berlin, Tanbenstrasse 5, \
u. Dr. 38nt0erger, Stabsarzt, j
Berlin, Hedemannstr. 15. >
Verlag:
£. $. SKttto &
Königliche Hofbuchhandlung,
Berlin, Kochstrasse 68—70.
Monatlich erscheint ein Heft von mindestens 3 Druckbogen; dazn ein „Amtliches Beiblatt“. Der
Zeitschrift wird das Werk: „Jahresbericht über die Fortschritte auf dem Gebiete des Milittr-
Sanitlts-Wesens“, heraasgegeben vom Generalarzt Dr. Both, unentgeltlich beigegeben. Bestellung
nehmen alle Postämter und Buchhandlungen an. Preis des Jahrgangs 15 Mark.
XV. Jahrgang. 1886.
Heft 3.
Bemerkungen Aber die Behandlung des lleotyphus.
Von
Oscar Fraentzel.
(Nach einem Vortrag in der Berl. Militärärztl. Gesellschaft gehalten am 21. Jan. 1886.)
Die Thatsache, dass die Zahl der Erkrankungen an lleotyphus im
Laufe der letzten zehn bis fünfzehn Jahre abgenommen hat und anderer¬
seits die Beobachtung, dass die Mortalität der behandelten Fälle eine er¬
heblich geringere geworden ist, hat dahin geführt, dass die Kliniker in
Deutschland in der allerletzten Zeit an verschiedenen Stellen versucht
haben, diese .Erscheinungen zu erklären. So ist dies von Nothnagel io
Wien, von Ebstein in Göttingen, von Naunyn in Königsberg, von
Fiedler in Dresden, von Vogel in München und von Senator in
Berlin versucht worden. An den Vortrag des letzteren hat sich in der
hiesigen Allg. medic. Gesellschaft eine längere Discussion geknüpft. Ganz
neuerdings hat Guttstadt die hier in Betracht kommenden Fragen vom
Standpunkt des Hygienikers mit sehr reichlichem und sehr gutem
statistischen Material ausgerüstet im Verein für „innere Medicin tf hiereelbst
durch einen sehr interessanten Vortrag zur Discussion gebracht. Ich
glaube nicht fehl zu gehen, meine Herren, mit der Annahme, dass auch
bei Ihnen die Besprechung der hier in Betracht kommenden Verhältnisse
ein hohes Interesse erregen wird, weil ja im Kriege und im Frieden der
lleotyphus eine häufige Armeekrankheit ist, bei der immer geringere Ver¬
breitung und immer geringere Mortalität zu erzielen unser Streben sein
9
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und bleiben wird. Drei Fragen sind dabei wesentlich za erörtern:
1) In wie weit trägt die Hygiene zur Erlangung der bisherigen
Resultate bei? 2) Ist die Intensität der Erkrankungen an Heo-
typhus überhaupt geringer geworden? 3) Hat unsere Therapie
einen Einfluss auf die verminderte Mortalität? Welcher Einfluss ist der
Anwendung des kalten Wassers, welcher dem Gebrauch der Medicamente,
speciell der sogenannten Antipyretica, zuzuschreiben, welche Bedeutung
haben schliesslich die verbesserten allgemeinen diätetischen und hygienischen
Maassregeln für den Kranken?
Wenn ich hier auch nicht auf die Statistik im Besondern eingehen
will, die ja namentlich zur Entscheidung therapeutischer Fragen immer
nur in grosser Beschränkung angewendet werden kann, so will ich doch
hier mit einigen Worten darauf zurückkommen, dass der Ileotyphus nicht
immer so leicht zu diagnosticiren ist, wie manche Aerzte meinen. Einer¬
seits verlaufen eine Reibe von Fällen so leicht, dass die Temperatur¬
erhöhung dauernd unter 39 Grad bleibt, oft nur acht Tage anhält, sich eine
nur geringe, vielleicht gar keine Milzechwellung nach weisen lässt, und
dabei sehr geringe gastrische Störungen erscheinen. In diesen Fällen
wird es oft in der Willkür des einzelnen Beobachters liegen, ob er sie
zum Ileotyphus rechnen will oder nicht. In den letzten Jahren ist es
mir aufgefallen, dass ich durchaus nicht allzu selten in derartigen Fällen,
bei welchen die Diagnose zweifelhaft war, und wo das Fieber schon
wieder vor Ablauf von acht Tagen verschwunden war, am achten Tage
deutliche Roseolaflecke an der Oberbauch- und Unterbrustgegend er¬
scheinen sah, die an den nächsten Tagen sich noch vermehrten, aber
meistens vor dem vierzehnten Krankheitstage gänzlich verschwunden
waren. Andererseits muss immer von Neuem betont werden, dass auch
ausgesprochene Fälle von Ileotyphus sehr leicht einmal mit einer Menin¬
gitis cerebro-spinalis, einer acuten miliaren Tuberkulose, einer tiefen
Zellhautentzündung und dergleichen mehr verwechselt werden können.
Wird keine Autopsie gemacht, so bleibt der Irrthum unerkannt. Wenn
auch diese Fälle, bei denen der Ileotyphus irrthümlich diagnosticirt war,
zu den Seltenheiten gehören, so werden diese wohl wie die leichten Er¬
krankungen am sogenannten gastrischen Fieber immerhin einen gewissen
Einfluss auf die Zahlen der Statistik üben. Immerhin beweist uns die
letztere, wenn wir die Verhältnisse von Berlin zunächst in Betracht
ziehen, dass mit der allgemeinen Verbesserung der sanitären Verhältnisse
die Häufigkeit der Erkrankungen an Ileotyphus wesentlich abgenommen
hat. Wir müssen nothwendigerweise diese Abnahme mit der nllroälig
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119
fortschreitenden Entwickelung unseres Canalisationssystems in Zusammen¬
hang bringen. Der Versorgung Berlins mit Trinkwasser möchte ich
keinen erheblichen Einfluss zuerkennen, denn wir haben noch sehr
ausgedehnte und schwere Epidemien in Stadtgegenden gesehen, wo
lange Zeit bereits die Wasserleitung bestand, und erst nachdem die
Canalisation in Wirksamkeit trat, bemerkten wir in den betreffenden
Gegenden eine auffällige Abnahme in der Häufigkeit der Erkrankungen.
Wir müssen, was den Einfluss der Wasserleitung anbelangt, uns auch
vollkommen darüber klar sein, dass wir von unserer hiesigen Leitung
nicht gleiche hygienische Vortheile erwarten können, wie von den
Leitungen anderer Städte, wie z. B. in Wien, in Frankfurt am Main und
in München, wo das beste Quellwasser die Leitungen speist. In Berlin
werden wir aus naheliegenden Gründen wohl für immer auf Quell-
wasser verzichten müssen. Dass die Canalisation in erster Linie und in
ihrem Anschluss die Versorgung der Städte mit gutem Trinkwasser das
häufigere Auftreten von Ileotyphus wesentlich verhindern, beweisen nun
auch einerseits die Beispiele anderer deutscher Städte, welche ebenfalls
im Laufe der Jahre Canalisation und Wasserleitung eingeführt haben (ich
nenne nur München), andererseits das verheerende Auftreten der Krank¬
heit in Städten, wo diese Hauptmittel des hygienischen Fortschrittes
fehlen und überhaupt sanitäre Verhältnisse herrschen, die der Hygiene
geradezu Hohn sprechen (ich nenne nur Paris mit seiner letzt verflossenen
Ileotypbus-Epidemie).
Die geringere Mortalität unter den Typhusfällen ist von einzelnen
Klinikern, namentlich von Fiedler in Dresden, dadurch erklärt worden,
dass die Krankheit jetzt einen milderen Verlauf nähme wie vor zehn
und mehr Jahren. Es fragt sich dabei zunächst, woran sollen wir uns
halten, um die Schwere oder Leichtheit eines Typhusfalles zu beur¬
teilen. Dass die Höhe der Temperaturen dabei nicht stricte maass¬
gebend ist, habe ich selbst vor einigen Jahren in einem Aufsatz hervor¬
gehoben, welcher in der Zeitschrift für innere Medicin erschienen ist,
und in welchem ich betonte, während des Krieges 1870/71 eine grössere
Zahl von Typhen mit auffallend niedrigen Temperaturen beobachtet zu
haben (manchmal verliefen diese Fälle sogar ganz afebril), bei denen
sehr schwere nervöse Erscheinungen bestanden und der Tod sehr häufig
und in sehr frühen Stadien der Krankheit erfolgte.
Ich beschrieb dabei noch einen Fall, wo auf meiner Abtheilung in
der Charite ein Schwindsüchtiger am Typhus erkrankt und unter ebenfalls
sehr geringen Temperaturerhöhungen und schweren nervösen Erschei-
9 *
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120
nungen sehr bald za Grunde gegangen war. Spater sind diese Beobach¬
tungen von Gerhardt, Naunyn und anderen bestätigt worden, und
allmälig ist immer mehr die Auffassung zur Anerkennung gekommen,
welche ich schon damals ausspracb, dass die hohen Temperaturen der
Typhuskranken es durchaus nicht sind, welche das Leben der Kranken
in erster Linie in Gefahr bringen, wenn man vielleicht absieht von solchen
Fällen, wo die Temperaturen Tage lang über 41 Grad bleiben.
Wir sehen dann andere Epidemien von lleotyphus, in denen besonders
häufig Complicationen mit Pneumonie Vorkommen, andere, bei denen
Darmblutungen und Darmperforationen besonders häufig beobachtet werden.
Wir werden .daher wohl am besten dann von einem leichten Fall von
lleotyphus sprechen, wenn es sich um Krankheitsfälle handelt, bei denen
die Temperaturen weder auffallend hoch noch auffallend niedrig sind, bei
denen das Sensorium nicht tief und nicht auf längere Zeit benommen ist,
bei denen aber auch die Zeichen der versatilen Form und schwere Com¬
plicationen fehlen.
Wenn ich nun meine eigenen Erfahrungen aus dem letzten Jahrzehnt
vergleiche mit meinen früheren, und namentlich den allerfrühesten aus
den Jahren 1859—1860 stammenden, so glaube ich Fiedler’s An¬
schauung bis zu einem gewissen Punkte bestätigen zu müssen. Die Fälle,
bei denen Temperaturen Morgens und Abends Tage lang über 41 Grad
blieben, gehören unter meinen neueren Beobachtungen zu den allergrössten
Seltenheiten, die versatile Form sehe ich selten, auch schwere Compli¬
cationen gelangen weniger häufig zu meiner Wahrnehmung. Ich glaube
mich darin nicht zu irren und nicht durch die Thatsache, dass wir jetzt
in Berlin überhaupt weniger Typhen behandeln wie früher — wir also
auch absolut weniger viel schwere Fälle sehen —, zu einem Fehlschluss
verleitet zu sein. Dagegen bin ich weit davon entfernt zu behaupten,
dass die geringere Mortalität dadurch allein zu erklären wäre, dass die
Fälle leichter geworden sind. Im Gegentheil glaube ich, dass unsere
Therapie bei der Behandlung des lleotyphus sehr wesentliche Erfolge zu
verzeichnen hat. Unter den Behandlungsmethoden spielt die Kaltwasser¬
behandlung die wesentlichste Rolle. Dieselbe ist in der verschiedensten
Weise bald rigoros und schematisch, bald in milderer Form und mehr
dem einzelnen Individuum angepasst, angewandt worden. Sie ist bei
ihrer ersten Anwendung vielfach angegriffen worden, und auch jetzt er¬
hebt sich wieder die Meinung, dass die Methode entbehrlich, überflüssig,
wenn nicht schädlich sei.
Als ich im Jahre 1859 als Zuhörer auf die Tr au begehe Klinik
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121
kam and als ich 1860 dort als Unterarzt auf der Klinik functionirte,
wurden Typhuskranke mit kalten, nassen Einwickelungen, die mehrmals
am Tage vorgenommen wurden, behandelt. Leute mit sehr hohen
Temperaturen und starkem Stupor erhielten kalte Bäder von 18 Grad
Celsius und zugleich kalte Uebergiessungen von ein bis zwei Eimern
Wasser. Patienten mit der versatilen Form erhielten laue Bäder von
24 Grad und laue Uebergiessungen von 24—28 Grad. Als der sehr
robuste Oberwärter der Klinik, der die Einwickelungen in vorzüglicher
Weise besorgte, an Haemoptoe erkrankte, fand sich Niemand, der die Ein¬
wickelungen in ausreichender Weise machte, deshalb wurden sie ganz ver¬
lassen und mit Bädern vertauscht; die Uebergiessungen liess Traube auch
allmälig aus seiner Therapie weg. Die Bäder wurden in späteren Jahren
meist zu 20 Grad gegeben, von seltenen Ausnahmen abgesehen, höchstens
zwei am Tage. Dieser Therapie blieb Traube bis zu seinem Lebens¬
ende getreu, er hat sich nie entschlossen, kalter und häufiger baden zu
lassen, niemals auch von den verschiedenen Antipyreticis systematischen
Gebrauch gemacht. J
Ich selbst habe mich im Grossen und Ganzen in den Bahnen ge¬
halten, die mir mein Lehrer vorgezeichnet hat, und habe in den meisten Fällen
der Febris nervosa stupida, wenn auch Morgens die Temperaturen über
40 Grad stiegen, küble Bäder von 22 Grad Celsius und zehn Minuten
lauger Dauer, zwei bis drei Mal am Tage, gereicht, bei Complicationen mit
Darm Perforation, mit Darmblutung und mit Lungenentzündung die Bäder
unterlassen, bei der versatilen Form wärmere Bäder von 26—28 Grad und
Morphium in Gebrauch gezogen. Meist wurde ausserdem, wenn wir . von
letzterer Form absehen, in den ersten 14 Tagen der Krankheit, oder rich¬
tiger gesagt, bis zum Beginn des Stadium hecticum eine Eisblase auf den
Kopf gelegt. Natürlich erforderten verschiedenartige Complicationen noch
anderweitige mannigfache Ordinationen.
Als nun 1861 Brand in Stettin zuerst eine viel energischere und
schematische Kaltwasserbehandlung anrieth, wobei, wie er behauptete, die
Typhus-Mortalität eigentlich auf Null herabsänke, als eine ziemlich analoge
Behandlung im Laufe der 60er Jahre von Bartels und Jürgensen,
von v. Ziemssen, Liebermeister und Immermann den Fachgenossen
auf das wärmste empfohlen wurde, machte ich im Winter 1869—1870
in dem hiesigen Garnison-Lazareth von dieser selben Methode Gebrauch.
Die dabei erzielten Resultate waren viel ungünstigere, wie ich sie bisher
erfahren hatte. Es gab eine nicht unbeträchtliche Zahl von Kranken,
welche erst in der vierten Woche Morgens einen Nachlass des Fiebers
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unter 39 Grad zeigten und welche dann noch, oder ohne diesen Nachlass
überhaupt zu zeigen, zu Grunde gingen, ohne dass intra vitam oder post
mortem nennenswerthe Complicationen vorhanden gewesen waren. Nor
im Darm sah man neben in der Vernarbung begriffenen Geschwüren
frische markige Schwellungen, neben gereinigten Geschwüren eben
erst gebildete Schorfe. Ich hatte den Eindruck, als wenn gerade bei
diesen so oft und so kalt gebadeten Kranken immer wieder neue und
neue Schübe der Darmerkrankung entstanden wären. Seit dieser Zeit
habe ich keine weiteren Versuche mit letzterer Methode gemacht Ich
bin auch schon damals zu der Ansicht gekommen, dass die Bäder nicht
antipyretisch wirken, sondern als excitans frigidum, dessen Wirkung leicht
übertrieben werden kann, durch zu häufige Anwendung und durch die
Grösse des Reizes (zu kaltes Wasser).
Wir sehen ja erstens, dass oft unmittelbar nach dem Bade die Tempe¬
ratur höher ist als vor dem Bade; hier kann also wohl von einer anti¬
pyretischen Wirkung nich} die Rede sein. Andererseits wissen wir aber,
dass ^ich Typhuskranke mit Temperaturen von 40 Grad und mehr, wenn
sie frei von Complicationen bleiben und wenige Bäder von 22 Grad Celsius
ihr Sensorium ziemlich frei erhalten, trotz der hohen Temperatur
leidlich wohl fühlen, während Kranke mit auffallend niedrigen Tempe¬
raturen uns von vornherein den Eindruck machen, als ob sie viel
kränker sind. Wir sind ja bei der veränderten Anschauung, welche wir
über die Infectionskrankheiten seit der Entwickelung der Bacterienlehre
bekommen haben, immer mehr zu der Ueberzeugung gelangt, dass
zum Verlauf dieser Bacterienerkrankungen, zum plötzlichen oder allmäligeu
Absterben der Mikroben oft beträchtliche Temperaturerhöhungen noth-
wendig sind.
Der Anwendung der kühlen Bäder als excitans frigidum werfe ich
stets als einer wichtigen Errungenschaft unserer Therapie weiter das
Wort reden, während ich von der rigorosen Anwendung kälterer Bäder
weder selbst noch auch bei anderen Collegen rühmenswerthe Resultate
gesehen habe. In ähnlicher Weise hat sich auch Goldammer, gestützt
auf seine Erfahrungen in Bethanien, ausgesprochen. Die viel günstigeren
Heilreeul täte, die von verschiedenen Seiten aus den Provinzen über die Tjerapie
nach Brandt berichtet werden, kann ich natürlich nicht bestreiten'hier in
Berlin haben wir ähnliche Resultate nicht zu erzielen vermocht Abc darauf
möchte ich doch aufmerksam machen, dass eine grosse Zahl vonKliniiern, die
zu den begeistertsten Anhängern der strengen Kaltwassermethod* gehört
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haben, allmalig von derselben mehr und mehr zurückgekommen ist. Ich
mochte hier besonders Liebermeister nennen, der ja auf dem
vorigen Congress für innere Medicin in Wiesbaden sich von der strengen
Kaltwasserbehandlung ganz bekehrt zeigte. Ich glaube, dass weitere
Beobachtungen und Erfahrungen wohl noch immer grossere Kreise
von den allzu rigorosen und schematischen Anwendungen von kalten
Bädern zurückbringen werden, wenngleich man immer zugeben wird,
dass ein und dieselbe Krankheit an dem einen Orte mit eingreifenderen
Medicamenten behandelt werden muss wie an einem andern. Es wird nur
ein Streit von geringerem Werthe sein, ob man kühler oder warmer badet,
wenn wir im Allgemeinen darüber einig sind, dass die Behandlung mit
Bädern die besten Resultate bei der Behandlung des lleotyphus giebt.
Ganz ablehnend mochte ich mich gegen den Gebrauch der sogenannten
Antipyretica aussprechen. Es steht entschieden fest, dass man mit einer
grossen Zahl derselben die Körpertemperatur auf einige Stunden herab¬
setzen, zuweilen sogar vorübergehend bis zur Norm zurückführen kann.
Was haben wir damit erreicht? Wir liefern den Angehörigen des Kranken
bezw. dem Kranken selbst wohl einen Beweis unseres ärztlichen Könnens,
es gelingt, die Temperatur herunter zu drücken, aber andererseits auch
unseres Unvermögens, die Temperatur niedrig zu erhalten. Dabei ist die
Anwendung aller dieser Mittel direct nachtheilig für den Kranken; denn
alle diese antipyretischen Mittel haben zunächst einen nachtheiligen Ein¬
fluss auf den Digestionsapparat, dessen Functionen schon an und für sich
so schwer geschädigt sind. Zweitens aber wird durch dieselben die
Leistung des Herzens beeinträchtigt, selbst wenn, wie gewöhnlich bei
Darreichung von Chinin, Antipyrin und Thallin, die Erscheinungen
eines schweren allgemeinen Collapses vermieden werden. Man sieht fast
regelmässig nach Anwendung aller beliebten antipyretischen Mittel
eine Steigerung der Pulsfrequenz eintreten, die sehr leicht bis in die
Hohe von 120 Schlägen in der Minute hinaufgebt und dann direct als
das Leben bedrohend angesehen werden muss. Denn das müssen wir
als feststehend ansehen, dass beim lleotyphus selbst die höchsten Tempe¬
raturen, beim Fehlen sonstiger Complicationen, immer noch gut über¬
wunden werden, wenn die Pulsfrequenz niedrig bleibt, dass aber die
Prognose sieb ungünstig gestaltet, wenn auch die Temperaturen nicht
allzu hoch sind, sobald die Pulsfrequenz sehr in die Höhe geht, und
schlecht wird, wenn sie über 120 steigt. Aus diesen Gründen rathe ich,
von den Antipyreticis keinen Gebrauch zu machen, um so mehr, als sich
auch das subjective Befinden der Kranken beim Gebrauch dieser Medica-
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124
mente sowohl durch den bei dem Sinken der Temperatur eintretenden
Collaps als auch durch das oft mit Schüttelfrost einhergehende Wieder¬
ansteigen der Temperatur sehr ungünstig gestaltet. Der günstige Ein¬
druck , den der nach Effect haschende Arzt bei der Umgebung des
Kranken durch das Herabdrücken der Temperatur macht, wird reichlich
durch diese Storung des subjectiven Befindens aufgewogen. Ich will hier
nicht im Detail auf die Wirkung der verschiedenen Antipyretica ein-
gehen, welche im Laufe der Jahre in Gebrauch gezogen sind — der
dauernde Wechsel der verschiedensten der in dieser Weise wirkenden
Mittel beweist am besten, dass keins bis jetzt genügt hat — möchte nur
erwähnen, dass ich Grammdosen von Chinin noch am wenigsten nach¬
theilig gefunden habe, beim Kairin sah ich die unangenehmsten sub-
jectivan Beschwerden. Das salicylsaure Natron ist ganz zu verwerfen,
es wirkt in vielen Fallen direct atzend auf die Magenschleimhaut. Die
Erfahrungen, die Ries8 darüber aus dem hiesigen städtischen Kranken¬
hause mittheilt, wo er durch das Medicament bei seinen Typhuskranken
dauernd die Temperatur unter 39 Grad gehalten und dabei eine Mortali¬
tät von über 24 pCt. zu beklagen gehabt hat, haben das Mittel in meinen
Augen für immer gerichtet
Schliesslich will ich gern anerkennen, dass neben den milde ange¬
wandten Bädern, die ich oben erwähnt habe, die Wartung und Pflege
des Kranken, welche eine stetig bessere geworden ist, einen wesentlichen
Antheil hat an den jetzigen günstigeren Heilerfolgen des Ileotyphus. Die
Statistik weist uns nach, wie gross die Zahl der im letzten Jahrzehnt
erbauten neuen Krankenhäuser ist. Dadurch ist es schon möglich ge¬
worden, mehr Typhuskranke in Krankenhäusern aufznnehmen wie früher,
obgleich die Zahl der Krankenhäuser für die besseren Stände noch immer
nicht gross genug ist Dann aber sind die Krankenhäuser der Neuzeit
wesentlich besser geworden in Bezug auf Licht und Luft Weiterhin hat
unser Kranken wartpersonal durch die humanen Bestrebungen der Jetztzeit,
an deren Spitze die ersten fürstlichen Frauen Deutschlands stehen, ganz
besonders gewonnen, so dass einzelne Complicationen, die wesentlich die
Folge schlechter Pflege waren, wie der Decubitus, nur äusserst selten
noch bei Typhuskranken beobachtet werden. Unsere Grundsätze über die
Nahrung, welche man solchen Kranken reicht, sind sichere geworden,
man weiss, dass man mit Milch, Bouillon, etwas Gelbei und Wein so lange
ausreicht, bis das Fieber ganz verschwunden ist. Man weiss, dass man
durch Darreichung von reichlichem passenden Getränk den Kranken nicht
bloss labt, sondern auch seine Krankheit günstig beeinflusst. Sie sehen
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125
also, meine Herren, dass man mit Recht sagen kann, dass es dem Arzte
gelangen ist, dem Auftreten und dem schlechten Verlaufe des lleotyphus
erheblich engere Grenzen zu ziehen, wie früher, dass wir hier einen ärzt¬
lichen Erfolg erzielt haben, auf den wir mit Recht stolz sein können,
und dass die Statistik gerade den Militärärzten als den glücklichsten
Therapeuten des lleotyphus den ersten Preis zuerkennt.
Unter welchen Umständen ist das vom Soldaten im Kriege mit-
geführte Verbandpäckchen von Nutzen?
Von
Stabsarzt Dr. Rochs.
Das Jahr 1884 bezeichnet unstreitig einen wichtigen Markstein
ia der Entwickelung der Kriegs Chirurgie. Tagte doch im Sommer
dieses Jahres auf Allerhöchsten Befehl in Berlin eine Conferenz von
Chirurgen, deren Aufgabe keine geringere war, als die, die Segnungen
der antiseptischen Wundbehandlung auch den Opfern künftiger Kriege
zu Theil werden zu lassen; und die im Frieden wie im Kriege gleich
erprobten Erfahrungen dieser Männer, deren Namen nicht nur auf den
Blättern heimischer, sondern auch fremdländischer Kriegsheilkunst für
alle Zeiten mit goldenen Lettern eingeschrieben sind, bärgen für ein Resultat,
gleich heilsam für den verwundeten Krieger, wie ehrenvoll für die deutsche
Wissenschaft. Natürlich wurde bei dieser Gelegenheit auch die Frage
über die Nothwendigkeit und Zweckmässigkeit eines selbstverständlich
aseptischen Boidaten-Verbandpäckchens erörtert. Von jeher ist in den
letzten drei Lustren das Verbindezeug des Soldaten das Schoosskind nicht
weniger deutscher Chirurgen und Militärärzte gewesen; und es giebt in
der That kaum eine Materie in der Kriegschirurgie, über welche seit
jener Zeit in Deutschland mehr discutirt und geschrieben worden ist, als
gerade hierüber.
Bei Weitem nicht mit derselben Zärtlichkeit dagegen ist das Soldaten-
Verbandpäckchen von anderen Nationen behandelt worden; und während
sowohl noch auf dem Berliner Chirurgencongress 1884, als auch auf dem
internationalen medicinischen zu Kopenhagen desselben Jahres die Dis-
cussion über diesen Gegenstand wieder in den Vordergrund gerückt und
die Nothwendigkeit eines Soldaten-Verbandpäckchens von Neuem hervor¬
gehoben worden ist, hat sich beispielsweise in Frankreich ausser Djil-
walski und Fix überhaupt nur Delorme in einem unlängst erschienenen
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Artikel mit diesem Thema beschäftigt.*) Die Deductionen des letzt¬
erwähnten Autors gipfeln darin, dass er das Verbandpäckchen für den
Soldaten als eine überflüssige Last, für den Staat als einen finanziellen
Verlast erklärt;**) und Körting,***) welcher die Delorme’schen
Schlussfolgerungen Wort für Wort unterschreibt, freut sich über jeden
Militärarzt, der das Ding beim rechten Namen nennt. Gleichwohl werde
der Druck verallgemeinerter Hamanitätsbestrebungen den Staat vorder¬
hand zwingen, das Verbandpäckchen als moralisches Beruhigungsmittel
des aasrückenden Soldaten beizubehalten.
Gewiss tbeilt die überwiegende Zahl der Kriegschirurgen und der
Militärärzte überhaupt heutzutage diesen Standpunkt. Jedenfalls spielt die
ganze Frage von dem Verbandpäckchen eine sehr untergeordnete Rolle;
und nicht zum ersten Male in der Geschichte der Medicin hat auch hier
die practische Erfahrung den Nimbus von einem therapeutischen Vor¬
schläge gerissen, der denselben bei seinem ersten Auftauchen zu umgeben
schien. Das Verbandpäckchen ist eben in die ihm gebührenden Schranken
zurückgewiesen worden. Ob dasselbe indessen so ganz absolut entbehr¬
lich oder allein von dem Körting’schen Standpunkte aus zu statuiren
ist, darüber kann man denn doch discutiren; und von diesem Gesichts¬
punkte aus möchte ich nachfolgendes Bruchstück einer bereits vor längerer
Zeit unternommenen Arbeit der Oeffentlichkeit übergeben, welches eines-
theils nichts weiter sein soll, als eine historisch-kritische Studie über den
Entwickelungsgang des Verbandpäckchens, um zum anderen Theil die
hieraus resultirenden Consequenzen für die eventuelle Zweckmässigkeit
desselben zu ziehen.
Nachdem bereits beim Beginne des bayerischen Erbfolgekrieges 177ö
den Compagniechefs anempfohlen war, einem jeden Soldaten eine Ader¬
lass- und noch eine acht Ellen lange Binde, als eine zu den kleinen
Montirung88tücken gehörige Sache, zur Feldequipage mitzugeben, +) be¬
stimmte das Königlich preussische Feldlazareth-Reglement vom 16. Sep¬
tember 1787,ff) dass bei Ausbruch eines Krieges jeder Soldat V* Pfund
Charpie und zwei Binden von bestimmter Länge und Breite von dem
*) Archive* de inedecine et de pharuiacie militaires 1884. p. 406.
**) 1. c. S. 410.
***) Deutsche militärärztliche Zeitschrift, 1885, S. 46.
f) A. L. Richter, Ueber Organisation des Feld-Lazareth Wesens und von
Transport-Compagnien für Verwundete. S. 50.
ff) v. Richthofen, Die Medicinal-Einrichtungen des Königlich Preussischen
Heeres. I. Theil. S. 94.
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127
Regiments Wundarzt erhalten sollte. Dieser letztere war angewiesen, das
hierzu erforderliche Geld aus dem Fonds der Mobilmachung zu ent¬
nehmen.
Ob von diesen Verbandmittein während der nächsten Feldzuge
— Rheincampagne 1792—1795, napoleonischen 1806, und in den Freiheits¬
kriegen 1813—1815 — vielfach Gebrauch gemacht worden ist, ist sehr
fraglich. Jedenfalls finden sich in der einschlägigen Litteratur darüber
nur sehr dürftige Angaben;*) und nach Richter**) ist diese Maass¬
regel entweder gar nicht oder nur zum Theil beobachtet und dem Gut¬
dünken der Truppencommandeqre überlassen gewesen. Auch betont der
letzterwähnte Autor, dass meist durch Abwesenheit des Medicin- und
Bandagenwagens Mangel an Verbandmaterial vorhanden gewesen sei,
sowie dass in den Freiheitskriegen Frauenvereine Verbandstücke zur Ver¬
keilung für die Armee geliefert hätten.
Zweifellos scheint festzustehen, dass dieses Verbindezeug recht häufig
gefehlt hat, und dass der Schwerpunkt der Sorgfalt für den Verwundeten
in dem Herausbringen desselben aus den Reihen der Fechtenden — zu¬
erst durch combattante Leute, vermittelst Allerhöchster Cabinets-Ordre
vom 5. Januar 1814 durch besondere Krankenträger***)— nach den Ver¬
bindeplätzen der beweglichen Feldlazarethe bestanden hat, woselbst dann
aus den sehr reichlichen Vorräthen derselben der erste Verband von den
dort anwesenden Aerzten und Chirurgen angelegt wurde. Wenn, was
nach Görcke und Rustf) sich recht oft ereignete, Aerzte, die den
Streitern io das Feuer gefolgt waren, Verwundete an Ort und Stelle
verbanden, so scheint dies in den weitaus meisten Fällen mit Verband-
mittelo, welche die Aerzte selbst mitbrachten, geschehen zu sein. So
*) Siehe hierüber u. A. Görcke, Kurze Beschreibung der bei der Königlich
Preußischen Armee stattfindenden Kranken-Transportmittel für die auf dem
Schlacbtfelde schwer Verwundeten, ferner
G. P. Mi chaelis, Ueber die zweckmässigstc Einrichtung der Feldhospitäler,
sowie
• Rust, Magazin für die gesammte Heilkunde, Band 1, 5 u. 6,
Charpie und Bandagen, ein zwiefaches Gesetz der Menschenliebe, und die
historischen Einleitungen in Fischers Handbuch der Kriegschirurgie (II. Band)
S. 448 ff. und E. Richter, Chirurgie der Schuss Verletzungen, S. 427 ff.
**) Richter, 1. c. Ebendaselbst.
***) Görcke und v. Richthofen in den bezw. citirten Werken S. 3 und S. 272
(1. Theil).
t) Rust, Magazin für die gesammte Heilkunde, 4. Band, S. 7 u. 8, und
1. Band, S. 498 fl*. (Danach blieben in den Freiheitskriegen 8 Aerzte vor dem
Feind und 18 wurden schwer verwundet.)
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sagt u. A. ein ungenannter Patriot:*) eigentlich musste nach dem
preussischen Feldlazarett-Regle ment heim Ausbruch eines Krieges jeder
Soldat mit y 4 Pfund Charpie und zwei Binden versehen sein; und aus
einer Anmerkung ebendaseihst geht hervor, dass man vielfach die Hemden
der Blessirten als Verbandmittel verwendete. Vorsichtigere Soldaten, sagt
v. Rieht hofen,**) nahmen hin und wieder von selbst einiges Ver¬
bandmaterial mit.
Wie reichlich übrigens die Vorräthe der beweglichen oder fliegenden
Feldlazarethe bemessen waren, erhellt aus dem mehrfach angezogenen
Feldlazareth-Reglement; sie führten ausser einer grossen vollständigen
und mit sechs Pferden bespannten Feldapotheke, sowie noch einer kleineren
für ein detachirtes Corps, zwei vierspännige Wagen mit Bandagen, Charpie
und chirurgischen Instrumenten mit sich.
Dass, zumal gegen das Ende der Freiheitskriege, die erste Hülfe auf
dem Schlacbtfelde in der preussischen Armee sich sehr vervollkommnet
hatte, dafür spricht beispielsweise Rust's**'*) Schilderung über die
Blessirten pflege nach den blutigen Schlachten vom 16. und 18. Juni 1815,
sowie in den späteren Gefechten auf französischem Boden, bei Le Bourget,
St. Denis, Aubervilliers, St. Germain, Versailles und Paris. — So unzu¬
länglich die Feld-Sanitätseinrichtungen der damaligen Zeit für die Ver¬
wundetenverhältnisse einer Schlacht bei Leipzig waren — 8. h. Reil’sf)
mit den schwärzesten Farben gezeichnetes Bild über die Schicksale der
Verwundeten nach dieser Schlacht — so versichert doch Rust,ff) dem
die Leitung des gesammten Sanitätsdienstes bei diesen Gefechten ins¬
besondere anvertraut war, und leistet mit seiner Ehre Bürgschaft, dass
nicht Ein Mann auch nur eine Stunde, viel weniger Tage lang auf dem
Kampfplatz liegen blieb. — Die speciell nach der Schlacht bei Belle-
Alliance damals bereits erhobenen Beschuldigungen, dass viele Verwundete
mehrere Tage nach der Schlacht unverbunden auf der Wahlstatt gelegen
hätten — auch Fisch er fff) erwähnt dies iu seinem bereits citirten
Werke — weist Rust zurück, da genaue Nachforschungen ergaben, dass
*) Charpie und Bandagen. 8. öd.
**) v. Richthofen, 1. c. S. 46.
***) Rust, 1. c. S. 7 ff. und S. 11 ff.
f) Pertz, Das Leben des Ministers Freiherrn vom Stein, 6. Band (1812 bis
1814). S. 467—442. Reifs Bericht an diesen; Reil selbst starb einige Tage später
am Typhus.
ti*) Magazin für die gesummte Heilkunde. 8. 16 im 4. Band,
ttt) Fischer, Handbuch der Kriegschirurgie, II. Band. S. 440,
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diese Individuen keineswegs auf deru Schlachtfeld liegen geblieben, sondern
in dem angrenzenden Dorfe Marbes verbunden und verpflegt worden
waren. Auch uberzeugte sich Rust am 21. Juni auf dem Schlachtfelde
selbst von der ausreichenden Hülfe, wiewohl durch den so unerwartet
ansbrechenden Krieg die Feld-Sanitätsanstalten begreiflicherweise nur un¬
vollkommen zur Stelle sein konnten.
In der französischen Armee war zur Zeit der napoleonischen Kriege,
wie auch noch heutzutage der Combattant selbst nicht mit Verbandzeug
versehen; indessen hatte hier Larrey durch seine so ausserordentlich
beweglichen Ambulanzen*) bereits 1792 eine eminente Vervollkommnung
für die erste Hülfe im Felde geschaffen. Diese bewährten sich zuerst
im italienischen Feldzuge 1797, und bei Abukir**) soll nach Larrey’s
Aassage kein Verwundeter länger als V* Stunde unverbunden geblieben
sein. Ist das vielleicht auch übertrieben, so viel steht fest, dass zu der
genannten Zeit die französische Armee in dieser segensreichen Einrichtung
für die erste Hülfe auf dem Schlachtfelde von keiner anderen über¬
troffen wurde.
In der langen Friedensepoche, welche auf die welterschütternden
Kämpfe zu Anfang des Jahrhunderts folgte, wurde in den meisten
Armeen die Frage nach Verbesserung***) der Feld-Sanitätsanstalten schon
aos dem Grunde lebhafter ventilirt, weil jetzt zupieist Landeskinder die
stehenden Heere bildeten, für welche in vollkommnerem Grade zu sorgen
der Staat die Verpflichtung batte, als für Miethstruppen. Im Zusammen¬
hang hiermit nahm die Sorge für die im Felde verwundeten und erkrankten
Krieger eine andere Gestalt an durch die Privathülfe und die freiwillige
Krankenpflege, einen Factor, dem zum ersten Male staatlicherseits in den
Freiheitskriegen eine tiefgehende Bedeutung eingeräumt wurde, einen
Factor, mit welchem alle späteren Feldzüge rechnen konnten bezw. mussten,
und durch dessen Organisation unter Aufsicht der Staatsbehörde das Loos
des hilfsbedürftigen Kriegers ausserordentlich gebessert worden ist.
Rechnet man hierzu noch die Nutzbarmachung der Dampfkraft als
relativ bequemes und vollkommneres Krankentransportmittel, sowie die
der Electricität zur Requisition schleuniger Hülfe, so erscheint es be¬
greiflich, dass in Anbetracht aller dieser Fortschritte die Frage nach der
*) Richter, Chirurgie der Schussverletzuugen, S. 429 ff. und Fischer, Hand¬
buch der Kriegschirurgie, S. 448.
**) E. Richter, 1. c. S. 430 und A. L. Richter, 1. c. S. 60.
***) S. h. A. L. Richter, 1. c. S. 49 ff.
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Zweckmässigkeit bezw. Nothwendigkeit eines Soldaten-Verbandpäckchena
in den Hintergrund trat.
Zuerst spricht Löffler,*) welcher 1849 nur Offiziere im Besitz von
Verbandmitteln fand,**) von einem solchen und erwähnt, dass bei der im
Jahre 1859 aus Veranlassung des italienischen Krieges erfolgten Mobil¬
machung der preussischen Truppen ein jeder Soldat des 12. Infanterie-
Regiments, dessen Regimentsarzt Löffler zu jener Zeit war, nach seinen
Angaben ein etwa drei Zoll langes und 1 Zoll dickes Verbandpäckchen
mit sich führte.***) Dasselbe enthielt zwei Stücke alter, weicher,
sauberer Leinwand von bestimmter Länge und Breite, ein ebenso langes,
aber nur halb so breites Stück von feinem Wachstafiet, einen kleinen
Bausch krauser Charpie und eine Binde.
Indessen hatte bereits wenige Jahre vorher England 1855 bei seinen
Truppen im Krimfeldzuge ein Soldaten-Verbandpäckchen reglementarisch
eingeführt. Durch ein Decret des Kriegsministers vom 27. Mai 1855+)
wurde jeder Soldat mit einem „soldier’s first dressing tt ausgerüstet, das
er bei sich in der Tasche führte, und nach Körting ff) ist es seitdem
in allen Feldzügen Englands angewandt. So trugen die britischen Truppen
in dem Ashantikriege nach Dziewonski und Fix fff) in einer Tasche
auf der linken Seite der Brust ein Verbandpäckchen, bestehend aus Lint,
einer einfachen Salbe in Glanzpapier, einem dreieckigen Tuch, 2 Sicher¬
heitsnadeln und einigen gewöhnlichen Stecknadeln. Das Ganze, in wasser¬
dichtes Papier eingehüllt, bildete ein glattes Päckchen, 4 Zoll lang,
3 </a Zoll breit und 1 Zoll dick. Im Anschluss hieran wurden im Kaffern-
kriege und bei der Expedition gegen die Jovakis in Ostindien die Mann¬
schaften in chirurgischen Grundsätzen unterrichtet.*!) Dabei ist noch
hervorzuheben, dass die Engländer bei ihren Expeditionen zum Theil einen
ausserordentlich grossen Ambulanztrain bei sich führten. So wurde bei
dem Marsche von Kabul auf Kandahar ein Corps von 10 000 Mann von
nicht weniger als 2192 Krankenträgern begleitet,**!) und ausserdem führte
*) Löf fl er, Grundsätze und Kegeln für die Behandlung der Schusswunden
im Kriege. I. Abth. S. 90 ff.
**) Löffler, Das Preussische Militär-Sanitätswesen und seine Reform nach
der Kriegserfahrung von 1866. 2. Theil. S. 221.
***) Löffler, Grundsätze und Regeln u. s. w. Theil 1. S. 91.
f) Dziewonski et Fix, Antisepsie primitive sur le champ de bataille, S. 52.
ff) Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1881. S. 365.
fff) 1. c. S. 51 und Esmarch, Die erste Hülfe bei Verletzungen, S. 58.
*!) Roth, Jahresbericht 1878 und 1879, S. 57 und 104.
**f) Derselbe, Jahresbericht 1881—82, 8. 307.
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man 11 Dborlies, 231 Dandies, 286 Ponies und 43 Esel als Kranken-
transportmittel mit. Auch waren in diesen Feldzügen die Verluste theilweise
so gering, dass — wie z. B. im Zulukriege — von einem irgend wie er¬
heblichen Gebrauch deS Verbandpäckchens keine Rede sein konnte.*)
Es ist übrigens charakteristisch, dass gerade die Engländer, welche
im ersten Winter des Krimfeldzuges den kriegsgeübteren Franzosen
gegenüber in allen militärischen wie sanitären Verhältnissen überaus
Dachstanden, die sich aber aus den bitteren Erfahrungen die entsprechen¬
den Lehren zogen und sich auf diese Weise im nächsten Winter in einer
im Vergleich zu ihren Verbündeten bei Weitem günstigeren Lage befanden,
and namentlich in sanitärer Beziehung,**) dass gerade die Engländer die
Nothwendigkeit eines soldier’s first dressing erkannten und reglementarisch
einführten.
In dem nächsten grosseren europäischen Kriege, dem italienischen,
im Jahre 1859, war weder in der österreichischen, noch in der fran¬
zösischen wie der piemontesischen Armee der Combattant officiell mit
einem Verbindezeug versehen. Die Noth in diesem Feldzuge nach der
Schlacht bei Solferino, namentlich bei den Franzosen, ist aus DunantV
düsterem Nachtgemälde — souv6nir de Solferino — sattsam bekannt.
Chenu berichtet u. A., dass einzelne Verwundete erst am 30. Juni von
dem Schlachtf^lde in die Ambulanzen gebracht wurden, wiewohl die
Schlacht bereits am 24. geschlagen worden war.
Einen wohlthuenden Gegensatz zu diesen Bildern bietet der nord¬
amerikanische Secessionskrieg von 1861—1865, zumal in seinen letzten
Phasen. Nachdem es beim Beginn dieses gewaltigen Ringens an dem
Allernothwendigsten in Bezug auf das Kriegsheilwesen gefehlt hatte,
erregte der nordamerikanische Unionskrieg sehr bald durch den Erfolg,
mit welchem trotz der colossalen Dimensionen des Hülfsbedürfnisses für
die Verwundeten und die Kranken gesorgt wurde,***) das allergrösste
Erstaunen.f) Auch hier war der Combattant officiell nicht mit einem
Verbindezeug versehen.
Dagegen war im deutsch*dänischen Feldzuge 1864 nach Löfflerff)
*) The Lancet, 187S. p. 259.
**) Chenu, Manuel de la Dame de Charite, du Brancardier et de rinfirmier,
S. 16 und 17.
***) v. Haurowitz, Das Militär - Sanitätswesen der Vereinigten Staaten von
Nordamerika während des letzten Krieges, S. 55 u. a. a. O.
t) E. Richter, Chirurgie der Schussverletzungen, S. 447.
tt) Löffler, Das preussische Militär-Sanitätswesen etc., II. Theil, S. 221.
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bei nicht wenigen Truppen die Mannschaft derart mit einem Verband¬
päckchen versorgt, wie es dieser Autor bereits 1859 empfohlen hatte,
und dasselbe*) ist bei vielen preussischen Truppentheilen im böhmischen
Kriege 1866 der Fall gewesen; allein das kleine Päckchen wurde hier
im Brotbeutel, dort im Tornister getragen, so dass das Suchen danach
Zeit raubte; und waren die Tornister vor dem Gefecht abgelegt, so konnte
es gerade im Momente des Bedarfs überhaupt fehlen.
Schon vor Beginn des böhmischen Krieges von 1866 war in Preussen
eine Reform des Militär-Medicinalwesens angebahnt, welche, durch den
Feldzug unterbrochen, unmittelbar nach Beendigung desselben wieder
aufgenommen wurde. Gleichzeitig traten auf die Initiative von Aller¬
höchster Stelle aus die bedeutendsten Autoritäten auf dem Gebiete der
Kriegschirurgie in Berlin zu einer Conferenz zusammen, um ihre Er¬
fahrungen in den letzten Feldzügen zum Heile der Opfer künftiger Kriege
zu verwerthen.**) Im Schoosse dieser Conferenz wurde auch die Frage
discutirt, ob es zweckmässig sei, den Soldaten selbst seinen eigenen
eventuellen Bedarf für einen ersten Verband bei sich tragen zu lassen.
Man entschied sich dafür; und so wurde in der „Instruction über
das Sanitätswesen der Armee im Felde vom 29. April 1869“***) durch
den §. 3 bestimmt, dass jeder Soldat der norddeutschen Armee mit
gewissen Verband-Gegenständen bei Ausbruch eines Krieges versehen
werden sollte, welche bei der Infanterie in der linken Hosentasche, von
den Husaren und den Ulanen, eingenäht in den Vorderschooss des Attila
resp. der Ulanka, von den übrigen berittenen Mannschaften in der hinteren
Rocktasche getragen wurden.
Der Gedanke, den Soldaten selbst seinen „ersten Verband auf dem
Schlachtfelde“ bei sich tragen 2 u lassen, fand auch in Kreisen, welche
der Armee ferner standen lebhaften Anklang; und namentlich war es
Esmarch, welcher demselben in Wort und Schriftf) die grösste Theil-
nahme zuwendete und dadurch das durch die Kriege von 1864 und 1866 ohne¬
hin für diese Sache gesteigerte Interesse im grossen Publicum wach und rege
erhielt. Er redete anstatt der Binde dem dreieckigen Tuchff) a ^ 8 Ver-
*) Löffler, Das preussische Militär-Sanitätswesen etc., II. Theil, S. 221.
**) Löffler, 1. c. S. 1.
***) Siehe diese, S. 2.
+) Esmarch, Der erste Verband auf dem Schlachtfelde.
Derselbe, Verbandplatz und Feldlazareth (namentlich 1. Vortrag), utid in
späterer Zeit derselbe, Die erste Hülfe bei Verletzungen, S. 57 u. f.
tt) Verbandplatz etc., S. 11.
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baudmittel eifrigst das Wort ond fugte dasselbe in natura, mit Zeich¬
nungen versehen, welche den technischen Oebranch versinnlichen sollten,
seiner kleinen Schrift: „Der erste Verband anf dem Schlachtfelde“ bei.
Ausserdem empfahl er 2 mit einer Mischung von 1 Theil Carbolsäure
auf 10 Theile Fett bestrichene Läppchen, welche nebst 2 kleinen Ballen
Charpie oder präparirter Watte in gefirnisstes Seidenpapier eingewickelt,
dem dreieckigen Tach beigefugt werden sollten. Das ganze Päckchen
stellte ein Quadrat dar und wog 47 Gramm. Esmarch schlug vor,
dasselbe in der Tasche des Waffenrocks oder im Brotbeutel zu tragen,
nicht im Tornister.
Der nach kaum mehr als Jahresfrist ausbrechende deutsch-französische
Krieg sollte bald Gelegenheit geben, Erfahrungen über den Nutzen des
Verbandpäckchens, welches in der Form, wie es die oben angezogene In¬
struction vorschrieb, von den deutschen Truppen mitgeführt wurde, zu
sammeln.
Uebrigens waren auch in der französischen Armee manche Truppen-
theile mit Verbindezeug versehen.*)
Auf der Conferenz im Sanitätspavillon der Wiener Weltausstellung
im Jahre 1873 war der „erste Verband des Soldaten“ Gegenstand leb¬
hafter Erörterungen**) und wurde auf Vorschlag von v. Langenbeck,
Billroth und Esmarch nach dem von dem letztgenannten Autor vor¬
geschlagenen Muster für die combattante Mannschaft aller Armeen
empfohlen.
Deutschland, England und Russland hatten damals schon ein Soldaten-
Verbindezeug eingeführt.***)
Gleichwohl scheint dasselbe im letzten russisch-türkischen Kriege
1877—78 bei den Russen sich nur auf dem Papier befunden zu haben.
Dasselbe sollte reglementarisch in den wasserdichten und mit einem
imdurchlässigen Stoffef) überzogenen Brotbeuteln, deren Präparation
nach Gori Geheimniss und Eigenthum des Fabrikanten August Reim in
St. Petersburg ist, getragen werden und nach Chassagne und Emery,
Debrousses+f) *u8 einer Compresse und zwei Binden — sogenannte
*) Dziewonski et Fix 1. c. S. 50.
**) Gori, la Chirurgie militaire et les societes de secours ä l'Exposition uni¬
verselle de Vienne 1873, S. 87; s. auch Chassagne et Emery, Debrousses-
Guide medical pratique de l’officier, S. 192.
***) Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1881. S. 360 und 361.
t) Gori 1. c. S. 86.
tf) Guide medical pratique de Tofficier, S. 174.
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v.
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chirurgische Munition — bestehen; indessen waren nach Knorr*) nur
die Feldscherer, nicht aber die combattante Mannschaft mit Verband¬
zeug versehen. Auch Kocher**) erwähnt weder in seiner In¬
struction für den Sanitätsdienst auf Verbandplätzen, noch in seinem
Werke „ Sani täts wesen bei Plewna“ überhaupt einer derartigen Institution.
Ebenso sagt Grim m***) in dieser Beziehung vom Leib-Garde-Jäger-
Regiment, dessen Oberarzt er während des Feldzuges war, nur dass
dasselbe mancherlei an Verbandmaterial vor seinem Ausrücken aus
St. Petersburg angeschafft habe. Möglicherweise hat sich darunter zum
Theil Soldatenverbindezeug befunden; denn nach Privatmittheilungen von
Herrn v. Bergmann ist die russische Garde mit solchem ausgerüstet
gewesen, trug dasselbe jedoch nicht im Brotbeutel, sondern im Tornister,
welche letztere sowohl bei Gorny-Dubnjak als auch bei Telesch, ehe die
Garde zum Sturm antrat, abgelegt wurden. Herr v. Bergmann glaubt
nicht, dass von diesem Verbandmaterial überhaupt Gebrauch gemacht
worden ist, oder doch nur in ausserordentlich sporadischen Fällen.
Dementsprechend findet sich auch in der einschlägigen Litteratur nur
zwei Mal eine diesbezügliche Notiz. Die eine betrifft 154 Päckchen
„erster Verband u f)> welche das Centralcomite der deutschen Vereine zur
Pflege im Felde verwundeter oder erkrankter Krieger für die russische Armee
spendete. Dass diese für eine Heeresmacht von 464 526 Mann — das
war die Durchschnitts Kopfstärke derselben im Jahre 1878f+) — überhaupt
nicht in Betracht kommt, bedarf keiuer Erwähnung. In der zweiten
handelt es sich nach dem russischen militär-medicinischen Journal —
Octoberheft des Jahres 1678ftt) — um einen Mann des 4. Grenadier-
Regiments, welcher sich mit einem in seiner Tasche befindlichen Ver¬
bandmaterial sein zerschossenes Auge verband.
Während des österreichischen Feldzuges in Bosnien war nach
Myrdacz*f) jeder zweite Mann des Kriegsstandes mit einem Verband¬
päckchen versehen. Bereits in einem Erlasse des K. K. Reichs-Kriegs-
*) Knorr, Das rassische Heeres-Sanitätswesen, S. 17.
**) S. Knorr, Anlage A. Instruction etc. entworfen im Mai 1877 für das
IX. Armee-Corps.
***) Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1879, S. 129.
t) Knorr, Das russische Heeres-Sanitätswesen, S. 219.
ff) Roth, Jahresbericht 1881—82, S. 290.
fff) S. dieses, Reich, Erkrankungen des Sehorgans bei Schussverletzungen des
Kopfes, S. 229.
*+) Myrdacz, Sanitätsgeschichte und Statistik der Occupation Bosniens und
der Herzegowina 1878, S. 11.
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ministeriums vom 7. April 1877 war der Inhalt desselben bestimmt: ein
dreieckiges Tuch von leichtem Calicot, 2 Meter Binde von demselben
Stoffe, 5 Gramm Baumwolle und 2 Sicherheitsnadeln. Dieser Inhalt sollte,
in einem versiegelten Säckchen aus leichtem, mit Firniss getränkten
Calicot verwahrt, bei den Fusstrnppen in der linken Hosentasche, bei
den berittenen in der rechten oberen, mit einigen Heftstichen zu ver-
schliessenden Blousentasche getragen werden.
Indessen kam es nach Myrdacz*) vorläufig nicht zur Anschaffung
von Verbandpäckchen nach diesem Muster, weil der österreichische
patriotische Hulfsverein zu Wien ähnliche Päckchen im Laufe des Jahres
1877 der Eriegsverwaltung wiederholt in grosseren Partien’ zur Ver¬
fügung stellte. Dieselben ersetzten die Binde durch eine Compresse,
entbehrten dagegen der Sicherheitsnadeln. Um diesen so modificirten
Inhalt wurde eine Hülle von wasserdichtem Stoff geschlagen, so dass das
Päckchen eine länglich viereckige Gestalt von 12‘/s cm Länge und 10 cm
Breite erhielt.
In der süddalmatinisch-berzegowinischen Insurrection 1882 war nach
Kirchenberger**) jeder combattante Mann mit einem Verbandpäckchen
versehen.
Zum Schluss sei hier noch erwähnt, dass dasselbe bei den nieder¬
ländischen Truppen der Fall war, welche im Jahre 1873 die Expedition
gegen Atchin unternahmen.***)
Bei der Beurtheilung über die Zweckmässigkeit und den Nutzen des
Soldaten-Verbindezeugs kommen nach unserer Ansicht folgende Gesichts¬
punkte in Betracht.
Zunächst ist als Prämisse und als Grundlage für die ganze folgende
Betrachtung festzuhalten, dass der mit dem Verbindezeug des Combattanten
anzulegende Verband immer nur ein Notbverband xar* efoj^V ist, und dass
es ausserordentlicher Umstände bedarf, um zu diesen Verbandmittelu
greifen zu müssen. Dieser Auffassung tragen auch alle die Staaten
Rechnung, welche den „Ersten Verband“ in die Ausrüstung des Soldaten
aufgenommen haben, indem sie den zur Hülfe berufenen Sanitätsorganen
*) Myrdacz, Sanitätsgeschichte und Statistik der Occupation Bosniens und
der Herzegowina 1878, S. 11.
**) Roth, Jahresbericht, 1881—82, S. 303.
***) Roth, Die Tbätigkeit des Sanitätsdienstes im Kriege der Holländer gegen
Atschin. — Separatabdruck aus der Deutschen militärärztlichen Zeitschrift, S. 25.
10 *
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136
einen eigenen und so reichlichen Vorrath an Verbandmaterial mitgeben*),
wie er sich eben mit der Schlagfertigkeit der Armee und der zum Theil
sehr nothwendigen Beweglichkeit der Feld-Sanitätsanstalten verträgt.
Wir mochten infolge dessen Fischer**) nicht beipflichten, wenn
er es u. A. für die Aufgabe der Truppenverbandplätze hält die Wunden
mit dem Verbandzeug, welches jeder Soldat bei sich trägt, zu verbinden,
selbst wenn dasselbe sicherer und besser eingerichtet wäre als bisher;
denn man wird ohne Weiteres zugeben müssen, dass das Verbandpäckchen
des Feldsoldaten immer den Stempel des Unvollkommenen und höchst
Provisorischen an der Stirn trägt
Der Inhalt desselben sollte nur dann Verwendung finden,
wenn der Verwundete durch besondere Umstände von der Hülfe
der hierzu berufenen Sanitätsorgane für längere Zeit abge¬
schnitten ist, oder wenn diese letzteren, wiewohl anwesend,
durch ungünstige Combinationen ihrer eigenen Verband-
mittel ermangeln.
Von nicht wenigen und hei vorragenden Kriegschirurgen werden in¬
dessen die Soldaten-Verbandpäckchen überhaupt für überflüssig gehalten.
Nun, darüber ist sich wohl Jedermann klar, dass es aus mehr als einem
Grunde wünschenswerth wäre, den Feldsoldaten von demselben zu entlasten;
immerhin muss es befremdlich erscheinen, dass sich im Verlauf mehrerer
Feldzüge, in welchen von wohl organisirten Armeen Combattanten-Ver¬
bindezeug mitgeführt wurde, noch eine solche Divergenz der Meinungen
erhalten hat. Diese wird indessen begreiflich, und es erklärt sich, dass
der Eine eine Institution lobt, wenn gerade der Zufall die Umstände und
Ereignisse so herbeiführt, dass der unmittelbare* Nutzen einer solchen in
die Augen springt, der Andere dieselbe für überflüssig erklärt, wenn das
Gegentheil stattfindet.
Es fragt sich indessen: Ist wirklich der Nutzen des Verbandpäckchens
*) Deutsche Armee: Kriegs-Sanitätsordnung, S. 23 und Beilage 1 zu §. 25,
Beilage 5 zu §. 63 und Seite 287 u. f.
Oesterreichische Armee: Reglement für den Sanitätsdienst des K. K. Heeres,
4. Theil S. 24 und 25, Beilage VII. und VIII. zu §. 97. Seite 39 und 40.
Russische Armee: u. A. Knorr. Das russische Heeres-Sanitätswesen während
des Feldzuges 1877—78. S. 16, 17, 18.
Pirogoff, Kriegs-Sanitätswesen und die Privathülfe auf dem Kriegsschauplatz
in Bulgarien und im Rücken der operirenden Armee 1877—78. S. 378 u. f.
Italienische Armee: Servizio Sanitario in Guerra, S. 129 dieser Arbeit.
**) Fischer, Kriegschirurgie 2. Bd. S. 698.
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137
so ganz vom Zufall abhängig, oder haben die Feldzugserfahrungen gewisse
Gesichtspunkte gezeitigt, welche in diese blinden Zufälligkeiten ein be¬
stimmtes System zu bringen im Stande sind?
Wir glauben, diese Frage mit „Ja tt beantworten und für den Nutzen
und die Zweckmässigkeit des Soldaten-Verbindezeugs 2 Hauptgesichts¬
punkte aufstellen zu müssen, welche hierbei von entscheidender Be¬
deutung sind.
Erstens sind es die grossen Bewegungskriege, welche gegenüber den
Positionskriegen derartige Situationen in der Kriegslage schaffen können,
dass der Feld-Sanitätsdienst trotz einer noch so scharfsinnig geplanten
Organisation sich als unzulänglich erweist, und in dieser Nothlage wird
man unter Umständen auch auf Noth-Verbandmaterial, id est Soldaten-
Verbindezeug, zurückgreifen.
Ausgeschlossen hiervon sind die Positionskriege, ln diesen wird
man mehr oder minder im Stande sein, die Actionen vorherzusehen und
sich infolge dessen auf dieselben mit der Sorgfalt vorzubereiten, welche
die concentrirten Hülfsquellen des Staates und der freiwilligen Kranken¬
pflege bieten. So war z. B. nach Löffler*) in dem deutsch-dänischen
Feldzuge 1864, welcher seinem ganzen Charakter nach im Wesentlichen
das Gepräge eines Positionskrieges trug, den Verwundeten so viel und
so geschickter Beistand zur Seite, wie in keinem früheren Kriege.
Die Bewegungskriege dagegen, in welchen ja allerdings auch immer
Episoden Vorkommen werden, welche den Positionskriegen gleichen, wie,
am von zahlreichen Beispielen nur eins aus der neuesten Kriegsgeschichte
anzofuhren, der Donauübergang der Russen im Jahre 1877**), rechnen mit
ganz anderen Verhältnissen.
Es bedarf keines weiteren Beweises, dass es in solchen Feldzügen,
wenn dieselben in Feindesland geführt werden, den Feld-Sanitätsanstalten
am so schwerer werden wird, den Truppen alsbald und rechtzeitig zu
folgen, je schneller die Armee vorrückt, je häufiger die Kämpfe auf ein¬
ander folgen, je grösser sich demnach das Hülfebedürfniss herausstellt, je
schlechter die Communicationen des Landes sind, und je feindseliger und
fanatischer sich die Bevölkerung verhält.
Kommt hierzu noch ein an Hülfsquellen armer Kriegsschauplatz,
*) Löffler, Generalbericht über den Gesundheitsdienst im Feldzuge gegen
Dänemark 1864, 1. Theil S. 45.
**) Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1879, S. 60 und 61.
Fischer, Kriegschirurgie, 2. Theil, S. 697.
Köcher, 1. o. S. 33.
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138
beispielsweise Mangel an grossen Städten, so wird bei Aenderung der
Etappen, zeitweiligem Aufgeben der Verbindungen, die zeitgemässe Er¬
gänzung des Materials auf die grössten Schwierigkeiten stossen. Vor
Allem aber ist es eine unter solchen ungünstigen concurrir enden
Nebenumständen plötzlich und unerwartet hereinbrechende
grosse Feldschlacht, welche die Verbandmittel der Sanitäts-
organe zu erschöpfen vermag.
Auf den Eriegstbeatern der Feldzüge von 1859, 1866, 1877—78 —
um nur diese zu erwähnen — spielen sich folgende Scenen ab.
Man denke beispielsweise an die Rapiditat, mit weicher 1866 vor der
Entscheidungsschlacht des 3. Juli die Kämpfe unter stetigen, rastlosen
und anstrengendsten Märschen an Zahl und Bedeutung verliefen; man
denke an die mangelhaften Communicationen auf der böhmischen Erde;
und man vergegenwärtige sich schliesslich die Hauptschlacht bei König-
grätz! Die Dörfer in der Nähe ausgesogen und verödet, keine grössere
Stadt mit ihren Hülfsquellen in der Nähe! Man stelle sich diese Zahl
von Blessirten*) vor in einer Schlacht, welche, erst in der Nacht vorher
beschlossen, auf einem über 2 Meilen breiten und 1 Meile tiefen wald-
nnd schluchtenreichen Schauplatz sich abspielt, und man wird zweifeln,
ob nic^t auch bei den erreichbar vollkommensten Feld-Sanitätsanstalten
und selbst unter günstigeren Verhältnissen das Verbandmaterial erschöpft
werden kann! Das war bei Königgrätz thatsächlich der Fall.**)
Zweifellos würden sich die Verwundeten Verhältnisse hier günstiger
gestaltet haben, wenn man zur Deckung des ersten Hülfebedarfs über
Verbandmaterial von Verwundeten resp. von Gefallenen hätte verfügen
können. Wären doch wenigstens die Wunden während der langen Zeit,***)
welche einige Unglückliche auf der Wablstatt zubringen mussten, vor
Witterungseinflüssen, vor Staub und Schmutz geschützt gewesen, ganz abge¬
sehen von dem psychischen Effect, welchen der erste Verband, als Anfang
der Hülfe, auf den Verwundeten auszuüben pflegt.
Die Erfahrungen des jüngsten russisch-türkischen Krieges lassen sich
in Bezug auf den Werth oder den Un werth eines Soldaten-Verband¬
päckchens nur in beschränktem Grade heranziehen. Allerdings hat sich,
so oft die russische Armee, namentlich im Anfänge des Feldzuges, auf
grössere Truppenmassen, als vermuthet, stiess, das Unzulängliche der
*) Löffler, 1. c. S. 102.
**) Löffler, 1. c. S. 98.
***) Löffler, 1. c. S. 96.
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139
ersten Hülfe trotz des grossen etatsmässigen Sanitätstrains*) derselben
zuweilen in der crassesten Weise gezeigt und sich vielfach speciell in
Mangel an Verbandmaterial**) documentirt. So fehlte es beispielsweise
in Nicopol***) an den Kriegshospitälern und in den verlustreichen Juli¬
schlachten um Plewna sogar an den Divisiönslazarethen.
Pirogofff) betont, dass es auf den Transporten für die Leute oft
an Verbandmitteln gefehlt habe, und dass dieselben mehrfach dem
„rotben Kreuz tt entlehnt werden mussten.
IndeS8 kommen hier hauptsächlich als für die Verwundetenpflege
besonders ungünstige Verhältnisse, abgesehen u. A. von dem an Hülfs-
quellen aller Art armen Kriegsschauplatz und der Missachtung aller
Principien der Genfer Convention von Seiten der Türken,ff) vor Allem
die Mängel in Betracht, welche nach Kocher in der Organisation des
Feld-Sanitätsdienstes selbst lagen.fft)
Es kann sich ja für uns selbstverständlich nur. um den Nachweis
bandeln, dass trotz einer möglichst vollkommenen und zweckentsprechenden
Organisation des Kriegsheil Wesens dennoch gewisse Situationen in der
Kriegslage Noib verband material, von den Truppen selbst mitgeführt,
dringend wünschenswert machen; denn mangelhaften Einrichtungen des
Feld-Sanitätsdienstes wird dasselbe unter allen Umständen zu Gute
kommen.
Wer wollte daran zweifeln, dass das Schicksal der Verwundeten vor
Plewna sich in vielen Fällen, namentlich bei der Abwesenheit der
Divisionslazarethe, durch Mitführung von Combattanten-Verbindemitteln
günstiger gestaltet hätte!
Wenn daher Kocher*f) und Pirogoff der Meinung sind, dass durch
eine zeitgemässe Reform des Militär-Sanitätswesens die Misserfolge des¬
selben zu vermeiden gewesen wären, und diese Autoren dem Combattanten -
Verbindezeug wenig Gewicht beizulegen geneigt scheinen,**f) so steht es
*) U. A. Deutsche militärärztliche Zeitschrift, 1881, S. 260.
**) Pirogoff, Das Kriegs-Sanitätswesen und die Privathölfe auf dem Kriegs¬
schauplatz in Bulgarien und im Rücken der operirenden Armee, 8. 378.
***) Köcher, Sanitätswesen bei Plewna, II. Th. S. 61. Dieselben traten erst
tun 16. und 17. October nach dem Sturm auf Gomy-Dubnjack und Bogot und
Slagewitz in Thätigkeit.
f) Pirogoff, 1. c. ebendaselbst.
tt) Köcher, 1. c. S. 45.
tÜO Derselbe S. 74 u. f.
*t) Sanitätswesen bei Plewna, II. Theil, S. 80 u. f.
* # t) Pirogoff erwähnt nur ein Mal das preussische Verbandpäckchen (S. 397).
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140
uns am allerwenigsten an, die Ansichten so gediegener Kenner des
Militär-Medicinalwesens za kritisiren. Nur ein Postulat Kochers, von
dessen Erfüllung er ebenfalls die erfolgreiche Thatigkeit der Feld-Sanitäts-
anstalten abhängig macht, hat gerade nach dem oben Ausgeführten gewisse
Beziehungen zu der Frage üb'er die Zweckmässigkeit eines Combattanten-
Yerbindezeugs. — Kocher betont nämlich ausdrücklich, dass vor allen
grösseren Actionen eine diesbezügliche Verständigung der Militär- Sanitäts-
chefs durch den Truppenführer erfolgen müsse.
Wer pflichtete dem nicht unbedingt bei, und welche Truppen-
commandeure würden für diesen Zweck die nöthige Auskunft verweigern!
Liegt es doch zu sehr in ihrem eigensten Interesse, sich über das Schicksal
ihrer Verwundeten zu beruhigen und denselben den grösstmöglichen
Nutzen angedeihen zu lassen! Leider sind sie aber selbst vielfach gar
nicht in der Lage, hierüber orientirt zu sein, und können es auch gar
nicht sein. Hängt doch gerade bei der modernen Kriegführung häufig
genug der Erfolg von rascher Entschlussfähigkeit und plötzlicher Aenderung
aller getroffenen Dispositionen ab! Wie oft entspinnt sich aus kleineren
Scharmützeln ein bedeutendes Gefecht, und wie häufig drängen unvorher¬
gesehene Ereignisse den Heerführer zu ernsteren Actionen, die er gar
nicht beabsichtigte! Aber gerade diese sind es, welche jene Katastrophen
herbeiführen, unter denen die Feld-Sanitätsanstalten trotz einer im Uebrigen
vollkommenen Organisation auf Noth-Verbindezeug angewiesen sein können.
Ja, die neuere Kriegsgeschichte ist nicht arm an Beispielen, wo sich
grosse Armeen ganz unvermuthet trafen, und wo sich Schlachten mit
einem so colossalen Hülfebedürfniss entwickelten, von denen selbst die
Heerführer auch nur wenige Standen vorher nicht die geringste Ahnung
gehabt haben.
Oder hat man die Umstände vergessen, unter welchen sich das Drama
von Solferino abspielte?
Zu gegenseitiger Ueberraschung stiess man in der Morgenfrühe des
24. Juni 1859 auf einander.*) Auf keiner Seite wurde eine Schlacht
vermuthet; und so stand auch hier, wie 7 Jahre später bei Königgrätz,
der Feld-Sanitätsdienst vor der grossen, unerwarteten Feldschlacht Daher
dieselbe Unzulänglichkeit der Hülfe, dieselbe Erschöpfung des Verband¬
materials,**) namentlich bei den Franzosen! Mögen auch hier wiederum
*) Bulle, Geschichte der neuesten Zeit. S. 319.
**) Esmarch, Ueber den Kampf der Humanität gegen die Schrecken des
Krieges. S. 9.
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bei diesen die mangelhaften Etatsverhältnisse ihrer Ambulanzen*) einen
Theil der Schuld getragen haben, und ziehen wir in Betracht, dass man
für den ersten Beistand die Regimentsmusiker verwendete, deren Zahl
hier für diesen Zweck durchaus ungenügend war, und denen ebenso, wie
den in späteren Kriegen verwendeten Trainsoldaten**) die erforderliche
Technik fehlte, so ist doch die Frage wohl berechtigt, ob nicht bei solcher
Lage der Verhältnisse auch eine vollkommenere Organisation des Feld-
Sanitätsdienstes unter so plötzlichen und völlig unerwartet hereinbrechen-
den grossen Verlusten ihr Verbandmaterial erschöpft und mit Freude auf
Noth-Verbindemittel von Combattanten recurrirt hätte.
Man konnte den eben besprochenen Kriegen den nordamerikanischen
1861—65 entgegenstellen, als einen der gewaltigsten in der Kriegs¬
geschichte der neueren Zeit, in welchem sich das Bedürfniss nach einem
Soldaten-Verbandpäckchen absolut nicht fühlbar gemacht hat. Gewiss!
Allein die Verhältnisse dieses Feldzuges waren so eigenartige, dass sie
sich mit europäischen gar nicht vergleichen lassen.
ln diesem Kampfe, welcher sich namentlich in seinen letzten Phasen
auf einem relativ kleinen Raume abspielte, war man nach Richter***)
nicht selten im Stande, Tage lang vor der Schlacht die Vorbereitungen
für die Verbandplätze zu treffen, Zeltlazarethe aufzuschlagen und sie mit
den reichlichsten Mitteln auszurüsten, so dass das Ganze einer wohl-
geordneten Klinik glich, welche sich bei ausreichendstem Personal und
Material für den Empfang zahlreicher Verwundeter mit Sorgfalt vor¬
bereitete. Ausserdem war durch die so berühmt gewordene Sanitäts-
Commissionf) auf der einen Seite ein so vollkommenes und mustergültiges
System der Sorge für die Verwundeten, und speciell für die erste Hülfe
derselben, durchgeführt und auf der anderen Seite der hierfür nothige,
natürlicherweise ausserordentlich grosse und wegen der Eigenartigkeit
der Krieg8führung die Schlagfertigkeit der Armee dennoch nicht beein¬
trächtigende Ambulanztrain vorhanden, dass beispielsweise in der Schlacht
bei Fredericksburgff) am 13. December 1862, in welcher die Union von
110000 Streitern 13 000 an Todten und Verwundeten, d. i. ll,8pCt. verlor,
*) Fischer, Kriegs Chirurgie II. Th. S. 449.
**) Chenu, I. c. S. 51 und L4on le Fort, la Chirurgie militaire et les soeietes
de secours en France et ä l’Etranger, S. 130.
***) E. Richter, Chirurgie der Schussverletzungen, S. 518.
t) v. Haurowitz, Das Militär-Sanitätswesen der Vereinigten Staaten von
Nordamerika, S. 108 u- f.
ft) E. Richter, 1. c. S. 61.
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142
kein Verwundeter langer als zwei Stunden ohne Hülfe auf dem Sehlacht¬
felde lag.*) — Die gewaltige Schlacht bei Gettysburg vom 1. bis
3. Juli 1863 führte den Verbandplätzen der Unionsarmee 20 995 Ver¬
wundete von Freund und Feind zu, und doch lag am Morgen des 4. Juli
kein Verwundeter mehr auf dem von der Unionsarmee beherrschten
Schlachtfelde.
Rechnet man hierzu noch die dilatorische Art und Weise der Kriegs¬
führung — die Schlachten folgten stets in grosseren Pausen — sowie
die Hülfsmittel, welche Zeit und Land reichlichst darboten, und schliess¬
lich die Respectirung der PrincipieU der Genfer Convention, ehe dieselbe
überhaupt ins Leben trat, so vereinigte sich eben Alles, um trotz des
colossalen Hülfebedürfnisses die Zulanglichkeit des Feld-Sanitätsdienstes
zu sichern und auf die Mitführung von Soldaten-Verbindezeug zu ver¬
zichten.
Dagegen sind die Ansichten der Autoren über den Werth des Ver¬
bandpäckchens im deutsch-französischen Kriege 1870—71, welcher eben¬
falls im Ganzen und Grossen für die Anwendung desselben recht un¬
geeignete Verhältnisse bot, doch mindestens getheilt.
Auf die verlustreichen Augustschlachten des Jahres 1870 war die
angreifende deutsche Armee unter den günstigsten Bedingungen vorbereitet.
Sie focht fast vor den Thoren Deutschlands, in einem Lande mit bequemen
Communicationswegen und grossem Reichthum an Hülfsquellen aller Art —
So fand denn auch Leon le Fort,**) als er am Morgen nach der Schlacht
bei Boruy und 12 Stunden nach der Beendigung des Kampfes die
preussischen Feldlazarethe um Metz besuchte, um verwundete Gefangene
auszutauschen, Alle, Freund wie Feind, gelagert und mit definitiven, ihren
Verwundungen entsprechenden Verbänden versehen; und in der Schlacht
von St. Privat, bei welcher die 2. Garde-Infanterie-Division erst um
5 Uhr Nachmittags in den Kampf eingriff und an Todten und Verwundeten
3723 Mann verlor, war bis zum nächsten Mittag das Schlachtfeld voll¬
ständig aufgeräumt und gründlich abgesucht.***)
Auch in den späteren Phasen dieses Feldzuges, nach dem gewaltigen
Ringen um Metz, liessen sowohl der Charakter des Kriegstheaters als
auch zum Theil bereits erwähnte günstige concurrirende Umstände den
Gebrauch des Soldaten-Verbandpäckchens wohl nur in sehr seltenen
*) Fischer. 1. c. II. Th. S. 467.
**) L6on le Fort, la Chirurgie militaire et les societes de seconrs en France et
ä l’Etranger, S. 131 und 132.
***) Fischer, 1. c. S. 467.
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143
Fällen nöthig erscheinen, und es darf uns daher nicht wandern, wenn
gerade Erfahrungen dieses Krieges, als des ersten grossen, in welchem,
abgesehen von dem englischen Expeditionscorps in der Krim, der Soldat
einer wohlorganisirten Armee mit eigenen Verbandmitteln ausgerüstet
war, im Allgemeinen dazu angethan erschienen, die Nothwendigkeit und
den Werth eines Combattanten-Verbindezeugs zu discreditiren.
So sieht Beck*) dasselbe geradezu für unnothig und überflüssig an,
da es die Mannschaften, wie voraussichtlich, gleich im Anfang des Krieges
theils verschleudert, theils zu anderen Zwecken benutzt hätten. Während
des ganzen Feldzuges hat er es nur bei 2 Verwundeten gefunden.**)
Auch Nicolai***) giebt zu, dass die Soldaten sich ihrer Verbandmittel
vielfach entledigt hätten, weil sie dieselben für überflüssig hielten und
zum Theil mit abergläubischer Scheu betrachteten. Uebrigens bemerkt
dieser Autorf) zu den Beck 1 sehen Erfahrungen, dass die badischen
Truppen — auf diese dürften sich die Beck’sehen Beobachtungen wohl
hauptsächlich beziehen — ihre Verbandpäckchen im Tornister bei sich
führten.
v. Schevenff) wünscht, dass von der Benutzung des von dem
Infanteristen in der linken Hosentasche mitzutragenden Verbandmaterials
unter allen Umständen abzusehen sei; auch Münnichü-f) spricht sich —
wenn auch hur implicite — gegen dasselbe aus.
Auf einem noch exponirteren Standpunkte steht der ungenannte Ver¬
fasser^) eines im 8. Heft der Deutschen militärärztlichen Zeitschrift
von 1881 erschienenen Artikels, welcher die Verbandpäckchen für überflüssig,
um nicht zu sagen für schädlich hält. Nach ihm sollen die Kranken¬
träger weder von ihren mitgeführten Verbandmitteln, noch von denen
der Verwundeten Gebrauch machen, da alle diese Verbände in mehr oder
weniger kurzer Zeit auf dem Hauptverbandplatz doch wieder abgenommen
werden müssten. Diese ganze Procedur des Verbandanlegens und des
Wiederabnehmens koste nur Zeit und sei den Wunden nicht forderlich.
Gegenüber diesen Autoren, von welchen übrigens Nicolai**+) trotz-
*) Beck, Schussverletzungen, S. 40 und 41.
**) Tageblatt der 56. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Frei¬
burg (18. bis 21. September 1883) Militär-Sanitätswesen.
Deutsche militärfirztliche Zeitschrift 1883, S. 490.
f) Deutsche militärfirztliche Zeitschrift 1883, S. 490.
ft) Dieselbe 1877, S. 282.
f-f-f) Deutsche militärfirztliche Zeitschrift 1880, S. 77.
•f) Zur Antisepsis im Felde, S. 196.
**f) S. Deutsche militärfirztliche Zeitschrift 1. e.
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144
dem lebhaft für den Werth des Verbandpäckchens eintritt, hebt Villaret*)
hervor, dass, wie die Erfahrung gelehrt habe, die deutschen Soldaten sich
nie ihres Verbindezengs entäussert, während sie sonst ihre Tornister
nach allen Richtungen hin erleichtert hätten. Nach Privatmittheilungen
von Herrn Villaret beziehen sich seine Beobachtungen hauptsächlich
auf preussische Landwehr.
Auch An schütz**) redet dem Soldaten-Verbindezeug, trotzdem
dasselbe nur ein Gegenstand von untergeordneter Bedeutung zu sein
scheine, und es nicht an gewichtigen Stimmen fehle, welche es nach den
Feldzugserfahrungen von 1870—71 für vollständig entbehrlich erklären,
sehr warm das Wort, und ebenso hält Lau6***) Combattanten-Verband-
mittel für nöthig, will jedoch davon nur Gebrauch gemacht wissen, wenn
den Sanitätsdetachements ihr Material ausgegangen ist. Andere Autoren,
wie Lühe,f) Port,ff) Brnns^ftt) v. Nussbaum,*+) wenn sie auch
nicht direct den Nutzen eines Soldaten-Verbandpäckchens erörtern, er¬
kennen dnrch Vorschläge für die Materialien seine Zweckmässigkeit aD.
Ob dasselbe im letzten deutsch-französischen Krieg geradezu über¬
flüssig gewesen ist, eine Ansicht, welche sehr viele Militärärzte nach den
praktischen Erfahrungen dieses Feldzuges dem Verfasser gegenüber ge-
äussert haben, wollen wir hier nicht entscheiden; vielleicht würde seine
Zweckmässigkeit klarer hervorgetreten sein, wenn man statt nach Westen
gen Osten marschirt wäre.
Uebrigens haben wir die Ueberzeugung, dass, wenn auch nur für
1 pCt. der Verwundeten ein Nutzen durch das Verbandpäckchen gestiftet
wird, man unter keinen Umständen von der Mitführung desselben ab-
strahiren darf.
Den zweiten für die Zweckmässigkeit des Verbandpäckchens sicher¬
lich nicht minderwerthigen Gesichtspunkt bieten die Verhältnisse, wie sie
gegenüber den grossen Bewegungskriegen die Kämpfe kleinerer Truppen-
Abtheilungen mit sich bringen. Hierher sind namentlich plötzliche Vor¬
posten- und Patrouillengefechte zu rechnen, letztere namentlich bei dem
Aufklärungsdienste der Cavallerie. Man vergegenwärtige sich des Weiteren
*) Yirchow-Hirsch, Jahresbericht 1882, S. 598.
**) Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1885, S. 413.
***) Deutsche militärärztliche Zeitschrift, 1879. S. 236.
f) Dieselbe, 1879. S. 55 u. f.
f+) Deutsche militärärztliche Zeitschrift, 1877. S. 283 u. f.
fff) Dieselbe 1879, S. 611 u. f.
*f) Virchow-Hirsch, Jahresbericht 1882, S. 598.
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145
beispielsweise die isolirte Position einer detachirten Compagnie, welche
eia Gehöft besetzt halt und längere Zeit nur auf die sanitäre'Hülfe ihres
Lazarethgehülfen angewiesen ist! Kann nicht bei grosseren Verlusten
leicht das Verbandmaterial desselben erschöpft werden, und sind diesem
die Verbindezeuge der Verwundeten selbst nicht alsdann von wesent¬
lichem Nutzen?
Hierher ist auch eine Kriegslage zu rechnen, wie sie sich auf über¬
seeischen Schauplätzen, im Kampfe gegen Naturvölker abspielt; denn ein
solcher setzt sich im Wesentlichen aus einer Summe von Gefechtslagen
der eben beschriebenen Art zusammen. So hatten sie beispielsweise die
Engländer, beziehungsweise die Holländer, bei ihren Expeditionen gegen
die Ashantis bezw. die Atchinesen zu bestehen.
Um es korz zu sagen, so ist das soldiers first dressing in allen Feld¬
zügen Englands benutzt und hat befriedigt;*) und wenn auch bei den
Holländern im Kriege gegen Atchin die von ihnen mitgeführten Verband¬
tücher infolge günstiger Combinationen keine Verwendung fanden, so
verringert dieser Umstand den Werth derselben nach Roth**) in keiner
Weise, und man sollte sie in künftigen Kriegen immer wieder mit ins
Feld nehmen. '
Vor Allem aber sind es Kämpfe in sehr coupirtem Terrain, Gebirgs-
kriege, bei welchen der Nutzen eines Soldaten-Verbandpäckchens sich in
ausserordentlicher Weise zu documentiren vermag.
ln einem wilden, mit vielfachen Wasserläufen, Gräben und Hügeln
durchzogenen Terrain und bei den schon hierdurch bedingten schlechten
und mangelhaften Communicationswegen vermögen die Feld-Sanitäts-
anstalten oft gar nicht den Truppen rechtzeitig und namentlich nicht
überallhin zu folgen, und auf diese Weise sind, vorzugsweise da, wo
kleinere Truppenkörper sich mit dem Feinde engagiren, diese noth-
wendigerweise auf die Hülfe ihrer Combattanten - Verbindezeuge an¬
gewiesen.
Handelt es sich, wie so häufig in Gebirgskriegen, um Kämpfe gegen
Guerrillabanden, so ist der Truppenführer bei der gerade hier in Eil- und
Flankenmärschen bestehenden Taktik auch selten in der Lage, zu be¬
rechnen, wann und wo auf dem Kriegstheater er den Feind antreffen
und zu einer eventuellen Gegenwehr veranlassen könne.
*) Deutsche militärätztliche Zeitschrift 1881, S. 365.
Die Thätigkeit des Sanitätsdienstes im Kriege der Holländer gegen Atchin.
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Unter solchen Verhältnissen wird die instructionsmässige Handhabung
eines im Uebrigen zweckmässigen Kriegsheilwesens nur in beschränktem
Maasse stattfinden können. Kommen hierzu noch dieselben ungünstigen
Nebenumstände, wie sie bereits bei der Besprechung des ersten Gesichts¬
punktes angeführt sind, als Eilmärsche, ein an Hölfsquellen armer Kriegs¬
schauplatz, feindselige und fanatische Bevölkerung u. 8. w., so erscheint
es um so mehr geboten, einen eintretenden Mangel an Verbandmaterial
durch Mitführung von Nothverbindezeug, id est Soldaten-Verbandpäckchen,
zu compensiren.
Unter den modernen Feldzügen illustrirt keiner eine derartige Kriegs¬
lage prägnanter als die Bekämpfung der bosnischen Insurrection durch
die Oe8terreicber im Jahre 1878.
So berichtet Myrdacz*) von diesem Kriegsschauplatz, einem aus¬
gesprochenen Gebirgsland mit zum Tbeil ungangbaren türkischen Saum¬
pfaden und den oben beschriebenen Bodenverhältnissen,**) dass nament¬
lich da, wo sich kleinere Truppenkörper mit dem Feinde schlugen,
Verwundete sich selbst oder mit Beihülfe von Kameraden mit ihren
eigenen Verbandmitteln verbanden.
Nach demselben Autor gerieth beispielsweise am 21. September 1878
eine detachirte Compaguie des 44. Infanterie-Regiments, allein auf ihre
Blessirtenträger angewiesen, auf der Majevica planina ins Gefecht;***)
dieselben, deren umsichtiges Verhalten Myrdacz übrigens lobt, errichteten
selbstständig einen Verbandplatz, auf welchem sie von dem Verbindezeug
der Verwundeten Gebrauch machten. — Dass bei solchen Gelegenheiten
Blessirte, wenn sie nicht selbst fähig waren, zu gehen, von Combattanten
zu den Verbandplätzen geschafft wurden, erklärt sich hinlänglich aus der
Unmenschlicbkeit des Feindes, f)
Tbeils aus diesem Grunde, wegen der Unsicherheit der Strassen, theils
wegen der schlechten Communicationswege nach rückwärts und der an
Hülfsmitteln jeglicher Art so ausserordentlich armen Gegend, musste der
Abschub der Verwundeten vielfach nach vorn stattfinden. Auf diese
Weise wurden dieselben längere Zeit hindurch beim Vorrücken der
Truppen mitgeführt.
Mit Recht betont daher Myrdacz auch von diesem Gesichtspunkte
aus die Zweckmässigkeit des Verbandpäckchens bei sachgemässer An-
*) Myrdacz, 1. c. S. 105.
**) Militärarzt 1879. S. 161.
***) Myrdacz, 1. c. S. 104.
+) Militärarzt 1879. S. 160.
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147
Wendung, weil hierdurch die Yorräthe au Verbandmaterial bei den Truppen
oud den Sanitätsanstalten vor allzu schneller Erschöpfung bewahrt wurden.
Dies war auf dem bosnischen Kriegsschauplatz bei der Schwierigkeit
einer zeitgerechten Ergänzung von um so grösserer Wichtigkeit, als auch
die Truppentheile viel Sanitätsmaterial für die Marodenhäuser abgeben
mussten. — Schliesslich leisteten nach Myrdacz die Verbandpäckchen
auch auf Märschen, im Lager, bei zufälligen Verletzungen und äusseren
Erkrankungen gute Dienste.
Infolge dessen beklagt es dieser Autor,*) dass gerade bei der durch
die Eigenartigkeit dieses Kriegstheaters und der Kampfesweise gebotenen
Verwendung des Verbandpäckchens die Blessirtenträger nicht überall in
dem erwünschten Maasse von demselben Gebrauch gemacht haben, und
schiebt die Schuld hierfür der Neuheit der Einführung, der ungenügenden
Belehrung der Mannschaften**) und der Bequemlichkeit der Blessirten-
träger zu, welche lieber das Verbandmaterial ihrem Brotsacke entnahmen,
als es in der linken Hosentasche des Verwundeten zu suchen, wo sie es
öfters allerdings auch nicht gefunden haben würden. Nicht selten kam
es nämlich vor, dass dasselbe in den Tornistern verwahrt wurde.
Auch der ungenannte Verfasser***) eines Artikels im „Militärarzt“
von 1879 spricht sich in seinen „militärärztlichen Erfahrungen, gesammelt
auf dem Occupationsschauplatz in Bosnien in dem Jahre 1878“, sehr an¬
erkennend über den Nutzen der Verbandpäckchen aus. Ueberhaupt sind
in der österreichischen Armee alle Stimmen über den W T erth und die
Zweckmässigkeit derselben einig;f) nur Tiroch dürfte nach Körting+t)
der erste sein, welcher sich gegen sie erhebt.
Die Feldzugserfahrungen über das Verbandpäckchen in dem bos¬
nischen Insurrectionskriege resumirt Myrdaczfff) dahin, dass zweck¬
mässig ein jeder Mann des streitbaren Standes damit zu versehen und
eingehend darüber zu belehren sei.
Während des süddalmatinisch-herzegowinischen Aufstandes 1882 er¬
hielt nach Kirchenberger*t) jeder auf dem Occupationsgebiet befindliche
*) Myrdacz, 1. c. 8. 103.
**) Einige Aerzte pflegten vor dem Gefechte die Mannschaften über die Nutz¬
anwendung der Verbandpäckchen zu belehren; 1. c. S. 104.
***) Militärarzt 1879. S. 25, 57, 121 etc.
f) Militärarzt 1879. S. 161.
ff) Deutsche militärärztliche Zeitschrift, 1881. S. 361.
tff) Myrdacz, 1. c. S. 112.
*f) Militärarzt 1882. S. 83.
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148
Soldat ein solches, and waren die Blessirtenträger strenge angewiesen,
zum ersten Nothverbände sich in erster Linie nur der Verbandpäckchen
zu bedienen. Wenn das auch in so principieller Fassung vielleicht nicht
vonnothen war, denn die Oesterreicher standen dieser zweiten Insurrection
nach einer mehr denn dreijährigen Besetzung des Landes viel gewapp¬
neter gegenüber als 1878, — auch waren die Verluste im Laufe des ganzen
Feldzuges sehr geringe*) — so beweist doch dieser Umstand, einen wie
grossen Werth im Gebirgskriege erfahrene Militärärzte dem Soldaten-
Verbandpäckchen beilegen.
In gewissem Sinne entspricht die letzterwähnte Kirchen herger’sche
Vorschrift allerdings dem „Reglement für den Sanitätsdienst des K. K.
Heeres“,**) insofern dasselbe die Mitverwendung des Verbandpäckchens,
das der Soldat bei sich trägt, den Blessirtentragern bei Anlegung eines
Nothverbandes besonders vorschreibt. Uebrigens scheinen die Verbinde¬
zeuge der österreifchischen Truppen im letztgenannten Insurrection kriege
einer so ausnahmslosen Verwendung gegenüber recht wenig genügt zu
haben, denn die trotz einer wasserdichten Umhüllung meist feuchte
Charpie wurde vielfach mit Staub und Mist beschmutzt vorgefunden.***)
Eine um so grössere Sorgfalt zeigt dagegen die italienische Armee¬
verwaltung wohl schon aus dem Grunde für das Combattanten-Verbinde¬
zeug, weil die Servizio Sanitario in Guerraf) bei der Besprechung der
Aufgaben der Truppenverbandplätze es im § 7 als allgemeinen Grund¬
satz hinstellt, dass man für den Verband eines Soldaten sein Verband¬
päckchen zu benutzen habe. Wenn auch diese Bestimmung der hier
wiederholt betonten Auffassung über die Verwendung dieses letzteren
zuwiderläuft, so muss doch berücksichtigt werden, dass einmal die
italienische Kriegs-Sanitätsordnung ganz unzweifelhaft gerade den Ver¬
hältnissen eines Gebirgskrieges speciell Rechnung trägt,ff) was bei der
geographischen Lage dieses Staates nicht befremdend erscheint, und so¬
dann, anscheinend im Anschluss hieran, das Comhattanten-Verbindezeug
in gewissem Sinne allerdings vervollkommnet hat.
*) Cfr. Roth, Jahresbericht 1881 u. 1882. S. 305.
**) S. dieses, 1Y. Theil, Sanitätsdienst im Felde. S. 36.
***) Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1883. S. 504.
t) S. diese Cap. HI. S. 24. No. 68.
+t) L T . A. namentlich Spechio G., caricamento regolamentare della tasca di
sanita per i portaferiti: Ausrüstung der Krankenträger mit ledernen Klapptaschen,
welche ausser einem abnehmbaren, rinnenartig ausgehöhlten und als Blechschiene oder
Eiterbecken etc. zu benutzenden Deckel, u. A. analeptische Medicamente, 6 Binden, 80g
Charpie, 12Compressen,4 Sicherheitsnadeln enthalten und mit einer Laterne versehen sind.
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149
Wahrend nämlich die im Jahre 1875*) in die italienische Armee
eingefnhrten Pacchetti da medicazione sich nicht gerade durch eine prak¬
tische Trageweise auszeichneten — die Infanteristen führten dieselben im
Tornister, die Cavalleristen im Mantelsacke mit — bestimmte das Kriegs-
Ministerium unter dem 23. Mai 1882,**) dass dieselben in den Ueber-
röcken der Linien-Infanterie und des Ingenieurcorps in einer besonderen
Tasche am hinteren rechten Rockschooss, und in den Rocken der
Cavallerie, der Artillerie, der Fussjäger, der Alpenmannschaften und der
Train-Compagnien des Ingenieurcorps im hinteren, von den beiden blinden
Taschen begrenzten Theil des Rockschoosses, in einer horizontal gelegenen
Tasche, deren Oeffnung der rechten blinden entspricht, getragen werden
sollen. Auch die Zusammensetzung des Pacchetto da medicazione (wie¬
wohl nicht aseptisch) ist abgesehen hiervon eine zweckentsprechende.
Diese Erörterungen haben uns etwas von dem directen Thema dieses
Capitels abgeführt, aber nur insoweit, um die Bedeutung zu illustriren,
welche die italienische Armee-Verwaltung dem Verbandpäckchen ganz
zweifellos für den Oebirgskrieg beilegt.
Resumirend und unter Zugrundelegung der an die Spitze dieser Be¬
trachtung gestellten Prämisse wird das Verbandpäckchen des Soldaten
von Nutzen sein,
a. wenn in Bewegungskriegen unter besonders ungünstigen Con-
stellationen das Verbandmaterial der für die erste Hülfe berufenen
Sanitatsorgane erschöpft ist — und besonders kommt hier eine
unter diesen Verhältnissen plötzlich und unerwartete Feldschlacht
in Betracht — und
b. wenn in Kriegen mit sehr coupirtem Terrain — Gebirgskrieg —
die Feld-Sanitätsanstalten iofolge dieser schwierigen Bodenver¬
hältnisse den Truppen nicht überall hin zu folgen vermögen.
Referate and Kritiken.
Weitere Untersuchungen über die Malariainfection. Von Prof.
E. Marchiafava und Dr. A. Celli. (Aus dem pathologisch-ana¬
tomischen Institut in Rom.) Mit einer Tafel. (Originalmittheilung in
„Fortschritte der Medicin tt No. 24, 1885. Aus dem italienischen
Manuscript ins Deutsche übersetzt von Dr. C. Günther in Berlin.)
Die Verff. haben bereits in ihrer ersten Abhandlung (Fortschritte
*) Militärarzt 1882. S. 121.
**) Giomale Militare Ufflciale 1882. No. 17. Parte L
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150
der Medicin No. 18, 1883) über die Malariainfection ausgeführt, dass bei
der Melanämie sieb im Blute, und besonders in den rothen Blutscheibeo,
Pigment entwickelt im Innern von homogenen Massen, welche sich mit
einigen Anilinfarben (Methylenblau, Yesuvin etc.) tingiren. Vor Ent¬
stehung des Pigments, und zugleich mit den pigmentirten Massen, fänden
sich in denselben rothen Blutkörperchen „mikrococcenförmige Körperchen tt ,
welche sie für parasitärer Natur hielten.
In einer späteren Publikation (Fortschr. d. Med. No. 11, 1885)
wurde gezeigt, dass im frischen Blut sich im Innern der rothen Blnt-
scheiben häufig Körperchen finden, die mit lebhaften amöboiden
Bewegungen begabt sind und sich mit denselben Anilinfarben färben.
Die pigmentirten Formen Hessen, wenngleich nur selten (in 4 von 42
Fällen) Geissein erkennen (zuerst von Laverau beschrieben) - und
spalteten sich in Körperchen. Endlich wurde die Malariainfection
mittelst des Blutes auf den Menschen übertragbar gefunden, was sowohl
durch den typischen Fieberverlauf und die specifiscbe Einwirkuog des
Chinins, als auch besonders durch die Gegenwart der genannten Kör¬
perchen im Innern der rothen Blutscheiben und durch das Vorhanden¬
sein des schwarzen Pigments innerhalb der weissen Blutkörperchen
sichergestellt wurde.
Diese Untersuchungen haben die Verff. nun während des Herrschens
einer sehr schweren Malariaepidemie im vergangenen Jahre sowohl in
Rom, als auch in der Gegend der Pontinischen Sümpfe an reichlich vor¬
handenem Krankenmaterifu (120 Fälle) fortgesetzt. Das Ergebniss dieser
an interessanten Einzelheiten reichen Studien ist in der ob$n bezeichnet«n
dritten Veröffentlichung, unter gedrängter Anführung der wichtigsten
Casuistik und gleichzeitiger Prüfung der Resultate anderer Autoren ober
den einschläglichen Gegenstand, ausführlich dargelegt. Die Arbeit
gipfelt in folgenden Sätzen, die wir ihrer Wichtigkeit wegen wörtlich
wiedergeben:
„1. Im Blute der an frischer Malariainfection leidenden Individuen
finden sich im Innern der rothen Blutscheiben Organismen, welche aus
einem homogenen Protoplasmapartikelchen bestehen, mit sehr lebhafter
amöboider Bewegung begabt sind und sich distinct färben lassen. Diese
Charakteristica und der Umstand, dass sich diese Organismen ausschliesslich
bei Malariainfection finden, berechtigen uns, dieselben als Plasmodien
oder Hämoplasmodien der Malaria zu bezeichnen.
2. Im Innern dieser Hämoplasmodien findet sich oft röthliches oder
schwarzes Pigment, das jedoch kein integrirender Bestandtheil derselben
ist, sondern hervorgeht aus der Transformation des Hämoglobins, das die
Plasmodien den befallenen rothen Blutscheiben entzogen haben, in
Melanie. Je nachdem nun diese Pigmentproduction statt hat oder nicht,
so resultirt die Malariainfection mit oder ohne Melanämie; diese letztere
Thatsache bestätigt sich auch in den schwersten (pernieiöse Fieber) und
tödtlichen Fällen.
3. Die Hämoplasmodien verwandeln sich durch einen Spaltungs-
process in Haufen von Körperchen, welche, wenngleich sie keine
amöboide Bewegung besitzen, sich doch in gefärbten Präparaten als
identisch erweisen mit den pigmentlosen, in den rothen Blutscheiben ent¬
haltenen Hämoplasmodien. Diese Spaltung geschieht ebenso in den
pigmenttragenden Plasmodien, wie in denen ohne Pigment (Gehirn-
capillaren); und es ist sehr wahrscheinlich, dass sie die Art und Weise
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der Vermehrung der Plasmodien in dem menschlichen Organismus
darstellt.
4. Die Malariainfection ist auf den Menschen übertragbar mittelst
der intravenösen Injection von Malariablnt; dies wird sichergestellt nicht
allein durch den klinischen Verlauf, sondern auch dadurch, dass man in
dem Blute des Geimpften die Hämoplasmodien wiederfindet, welche ge¬
wöhnlich mit der Progression der lnfection allmalig in dem Blute zu-
nebmen, andererseits rapide sich vermindern, unbeweglich werden und
endlich verschwinden mit der Abnahme der lnfection und unter der
specifischen Behandlung. tt —
Die beigegebene Tafel VI zeigt in 30 Figuren das Verhalten bezw.
die Formveränderungen des Plasmodium malariae innerhalb rother
Blutkörperchen. —
C. Friedländer, welcher Gelegenheit hatte in einem Theil der
Dauerpräparate Marchiafava’s die beschriebenen Dinge selbst zu sehen,
hebt in einem Nachwort zu der Mittheilung der beiden italienischen
Autoren hervor, dass dieselbe nicht verfehlen dürfte, „in allen wissen¬
schaftlichen Kreisen lebhaftes Interesse zu erregen 0 . Ein Mikroorga¬
nismus, der im Innern der rothen Blutkörperchen des Menschen ein pa¬
rasitäres Dasein führe, und zwar nur bei einer bestimmten infectiösen
Krankheit — etwas Aehnliches sei bisher nicht bekannt gewesen, nicht
einmal vermuthet worden. — Die von Klebs und Tommasi-Crudeli
früher beschriebenen „Bacillen der Malaria 0 könnten als endgültig be¬
seitigt angesehen werden. —
Wenn wir nun auch die grosse Tragweite der Beobachtungen
Marchiafava’s und Celli’s (welche sich übrigens mit den Koch’schen
Untersuchungsmethoden wohl vertraut zeigen) an sich keineswegs ver¬
kennen, so scheint uns doch gerade die Neuheit und Isolirtheit derselben
immerhin noeh eine gewisse Reserve hinsichtlich der aus ihnen gezogenen
Schlussfolgerungen auferlegen zu sollen. —
Was schliesslich die Fra^e der Verff. (Seite 803) betrifft: „Wer hat
z. B. den Abdominaltyphus mit Hülfe des specifischen Bacillus künstlich
hervorgebracht? 0 so können wir dieselben nur auf die kurze Mittheilung
von Dr. Eug. Fraenkel und Dr. M. Simmonds (Zur Aetiologie des
Abdominaltypbus, Centralblatt für klinische Medicin, 1885, No. 44) ver¬
weisen, denen die Uebertragung von Typhusculturen auf Kaninchen,
Meerschweinchen und Mäuse in der vollkommensten Weise gelungen ist.
Pfuhl.
Mikroskopie der Nährungs- und Genussmittel aus dem Pflanzen¬
reiche. Von Dr. Moeller-Wien. Mit 308 in den Text gedruckten
Original-Holzschnitten. Berlin — Springer — 1886. 394 Seiten.
M. 16.
Das letzte Lustrum bat viele und gute Bücher über Nahrungs- und
Genussmittel gebracht und gerade die rührige Verlagsbuchhandlung von
Springer hat nicht Weniges geleistet, hat die Analyse der Genussmittel
von James Bell, die Chemie von König der Oeffentlichkeit übergeben.
An einem Buche fehlte es aber noch, an einer Anleitung zur methodischen
mikroskopischen Untersuchung — diese Lücke ist jetzt ausgefüllt.
Der Verfasser lehrt in der Einleitung die Präparation, die Kenntniss
der Reagentien, das Messen, betont das Zeichnen als ein wichtiges Er¬
forderniss zu erfolgreichen Studien. „Wer nicht zeichnet, wird die Objecte
11 *
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niemals in allen Einzelheiten und so gründlich erfassen, wie derjenige,
welcher sich die Aufgabe setzt, dieselben zu reproduciren.* — Für den
Nutzen des Zeichnens liefern dann die beigedruckten Bilder allerdings
einen schlagenden Beweis, so ein Querschnitt durch eine Rippe des
Tabaksblattes, so ein „Blumenblatt der Calendola tt , „Querschnitt durch
die Senfschale* ist geradezu entzückend.
Jeder Arzt, überhaupt Jedermann, der mit dem Mikroskop umzngehen
weiss, wird an der Hand des vorliegenden Führers im Dankei der ge¬
wöhnlichen Fälschungen sehen und erkennen können und als beste An¬
erkennung kann dem Verfasser vielleicht ausgesprochen werden, dass die
Zunft der Fälscher ihm und seinem Buche nicht sympathisch gegenüber¬
stehen dürfte. Breitung.
Dr. C. F. Wahlberg „Uebung der Feldsanitätstruppen* (aus dem
Schwedischen übersetzt). Helsingfors 1886. Druckerei der Finnischen
Litteraturgesellschaft
Die vorliegende Broschüre bietet in deutscher Uebersetzung die Aus¬
arbeitung eines Reglements zur Ausbildung der Sanitätstruppen im Feld¬
dienste. Der leitende Gedanke ist der, dass die Sanitätstruppen zu einer
technischen Waffe ausgebildet werden müssen nach dem Vorbilde und im
gleichen Range einer Militärtruppe. Nach den Erfahrungen der Kriegs¬
geschichte bleibt, nach Verfassers Ansicht, das bestorganisirte S&nitats-
corps hinter den berechtigten Erwartungen und Anforderungen zurück,
weil es in Folge mangelhafter Schulung sich nicht mit der nöthigen
Schnelligkeit, Genauigkeit und Aufopferung bewegt Die Verbandplätze
werden zu weit hinter der Kampflinie angelegt, weil sie dem feindlichen
Feuer nicht ausgesetzt sein sollen; die Hauptverbandplätze werden in
Folge mangelhafter Etablirung überhäuft; concentrirt sich der Kampf, so
handeln die Krankenträger viel zu sehr nach eigenem Belieben. Diese
Uebelstände beruhen nach Verfasser auf dem Mangel an bestimmten In¬
structionen für die Thätigkeit der Sanitätstrappen im Felde. Diese
Thätigkeit wird im Frieden zu wenig praktisch geübt, und deshalb werden
die Regeln dafür im Felde zu wenig angewendet. Der Militärarzt sollte
auch eine militärische Ausbildung erhalten, die ihn zur Truppenführung
befähigt, er bedarf militärtecbnischer Kenntnisse zur Wahl des Verband¬
platzes, zur Terrainrecognoscirung etc. Das vom Verfasser ausgearbeitete
Reglement berücksichtigt die Aufstellung der Sanitätstruppen in drei
Linien: 1) die eigentlichen Feldsanitätstruppen, 2) die Feldlazarethe mit
ihren Trägercompagnien, 3) das Etappen wesen mit festen Kriegsbospitälern.
Die Organisation dieser Formation ist im Original näher nachzulesen.
Das im 1. Capitel aufgestellte Reglement zur Ausbildung des einzelnen
Sanitätssoldaten zum Krankenträger ist dem unseren sehr ähnlich, sogar
bis auf die Commandos; doch liegt das Commando durchaus in der Hand
des Arztes; militärische Vorgesetzte sind gar nicht vorgesehen. Das
zweite Capitel behandelt die Ausbildung der Lazarethmannschaften im
Felddienste. Hierfür werden auch Hebungen gefordert zur Fortschaffung
der Wagen und zur Herstellung des Verbandplatzes, d. h. Uebungen im
Gebrauch des Feldspatens, um Wege schnell fahrbar zu machen; im Ge¬
brauch der Feldaxt zur Improvisation von Brücken über Gräben etc.;
ferner für den Verbandplatz Uebungen im Aufwerfen von Erdwällen,
Eingraben von Röhrenbrunnen, Ausschachten von Feldöfen, Aufschlagen
# von Zeltdächern. Das im nächsten Capitel aufgestellte Reglement für die
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Uebungen einer je einem Bataillon coordinirten Sanitätsabtheilung ent¬
hält genaue Vorschriften und Commandos für die Aufstellung hinter dem
Bataillon, für den Uebergang aus dieser Aufstellung in die Marschforma¬
tion und aus der Marschformation in die Gefechtsformation. Diese Sanitäts¬
abteilungen folgen unter dem directen Befehl des ärztlichen Ab¬
theil ungschefs allen Bewegungen des Bataillons; zieht sich das Bataillon
in Schützenkette auseinander, so zerstreut sich ebenso die Sanitäts¬
abteilung in eine Sanitätskette, die an Länge der Schützenkette entspricht,
damit bei coupirtem oder waldigem Terrain kein Verwundeter übersehen
wird. Der Verbandplatz wird mindestens 700, höchstens 2000 Schritt
hinter der Sanitätskette etablirt. Die nächstgrossere Formation, die
unter dem Commando des Sanitätsbrigadechefs stehende Sanitätsbrigade,
entwickelt sich in ähnlicher Weise zum Gefecht. Zum Schluss giebt
Verfasser, zur lllustrirung seines Reglements, das Programm einer Feld¬
dienstübung mit der Sanitätsabteilung des 3. Finnischen Scharfschützen-
Bataillons, das im Truppenlager bei Willmannstrand im Jahre 1885 ver¬
suchsweise zur Ausführung gelangte mit Beifügung von Generalidee,
Gefechtsbericht, Kritik und 2 Croquis. Die sehr interessante Broschüre
bietet viele neue Gesichtspunkte und verdient eingehenderes Studium.
Langhoff.
Breitang, Max: „Ueber den eingewachsenen Nagel* (Sonderabdruck
aus „Deutsche Medicinal-Zeitung“ 1885 No. 103—104).
Die Arbeit verdankt wohl ihre Entstehung der Erfahrung, die Ver¬
fasser mit anderen Collegen gemacht hat, dass nämlich die gebräuchlichen
Lehrbücher der Chirurgie das qu. Thema etwas zu summarisch behandeln,
während zumal der junge Militärarzt über ein Leiden, das fast zu seiner
täglichen Praxis gehört, sich auch theoretisch etwas eingehender orien-
tiren möchte. Br. hat sich der verdienstvollen Arbeit unterzogen, die
zerstreuten litterarischen Beiträge zu dieser Frage zu sammeln und zu
sichten. Nach einer Recapitulation der neuesten Theorien über das
Nagelwachsthum setzt er die Ansichten über das Entstehen des einge¬
wachsenen Nagels auseinander. Von wesentlichster Bedeutung ist für
diese Entstehung die angeborene Stellung der grossen Zehe, die mit zu¬
nehmender Entwickelung und unter dem Einfluss unrationeller Fuss-
bekleidung Verbildungen erfährt in dem Sinne, dass die durch Druck
erzeugte Verschiebung die Längsrichtung des wachsenden Nagels modi-
ficirt. Nor das Längswachsthum des Nagels ist am Ein wachsen bethei¬
ligt, das oft angenommene Breiter werden des Nagels ist nach Br. eine
optische Täuschung.
Zorn Schluss giebt Br. eine Kritik der verschiedenen Operations-
methoden und schlägt vor, um schnell das Leiden zu beseitigen, die Repro-
doction des Nagels sicherzustellen und vor Recidiven zu schützen, als beste
die Methode zu wählen, bei der der Nagel abgetragen, und nachher die
Haut der Nagelfurche bis auf die Nagelwurzel durchschnitten wird. —
Die sachlichen Ausführungen Br’*, sind klar und übersichtlich.
Langhoff.
Wolffberg: Ueber den differentialdiagnostischen Werth der
Farbensinn Prüfungen. (Separat-Abdruck aus dem Bericht der
ophthalmologiscben Gesellschaft zu Heidelberg 1885.)
Es wurde bereits früher des Apparates von W. zur Prüfung des
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Lichtsinnes und die bezügliche Abhandlung eingehend besprochen und
von der Handhabung der Methoden W’s. ein Erfolg für die Rekruten*
Untersuchungen in Aussicht gestellt. — Seggel hat denn auch seit a / 4
Jahren den Apparat benutzt und ihn «ganz ausserordentlich werthvoll
gefunden". Die Refractionsamblyopie ist durch eine Frage an den Re¬
kruten zu diagnosticiren. «Aus dem Verhaltniss zwischen Sehschärfe und
Farbensinnmaximum ergiebt sich stets, ob eine Refractionsamblyopie
oder ein pathologischer Zustand vorliegt tf Es ist dies für eine rein ob-
jective Untersuchung von grösster Bedeutung. — Es ist sehr zu bedauern,
dass der doch immerhin nicht geringe Preis des Apparates seiner allge¬
meineren Einführung in die Kreise der Sanitätsoffiziere entgegen steht
Es scheint die volle Brauchbarkeit desselben bis jetzt zweifellos erwiesen
zu sein. — Beati possidentes! — Breitung.
Rietschel, Herrmann, Professor an der Königlichen Technischen Hoch¬
schule zu Berlin: «Lüftung und Heizung von Schulen". Berlin,
Verlag von Julius Springer 1886.
Die grosse Frage der Lüftung und Heizung hat der Verfasser im
amtlichen Aufträge und an der Hand eines stattlichen Materials, das ihm
die verschiedenen Constructionsanlagen von 12 Berliner Lehranstalten lie¬
ferten, von Grund aus studirt und seine Erfahrungen in diesem recht
eigentlich «Handbuch" zu nennenden Werke niedergelegt. Wo es gilt,
ähnliche Anlagen neu zu beschaffen, da kann zum vorbereitenden Studium
und zur völligen Orientirung über die einschlägigen hygienischen und
bautechnischen Fragen das Buch auf das Wärmste empfohlen werden.
Wenn auch die Anlage von Centralheizungen für Kasernen wohl noch
längere Zeit ein frommer Wunsch bleiben wird, so wird dieselbe doch
bei Neubauten von Lazarethen heutzutage in erster Linie in Betracht
kommen, schon der ventilatorischen Wirkung wegen, und gerade in dieser
Hinsicht bietet das vorliegende Buch eine Fülle des interessantesten
Materiales. Im 1. Abschnitt des Buches giebt Verfasser die Ergebnisse
seiner Untersuchungen, die sich beziehen auf Ermittelung des Kohlen-
säuregehaltes der Luft in den qu. Räumen, auf Messungen und Be¬
obachtungen über die Luftbewegung in den Luftleitungscanälen und in
den Klassenräumen, ferner auf Messungen über die Wärmevertheilung
und über den Feuchtigkeitsgehalt der Luft. Die Ergebnisse werden
in übersichtlichen Tabellen zusammengefasst. Im 2. Abschnitt bespricht
R. die Forderungen, die in Bezug auf die Luftbeschaffenheit an die
technischen Einrichtungen gestellt werden dürfen. Der 3. Abschnitt stellt
die Ansichten R’s. über Wahl, Anordnung, Ausführung und Bedienung
solcher Lüftungs- und Heizungsanlagen zusammen. Die praktische Brauch¬
barkeit dieses Abschnittes wird noch erhöht durch Hinzufügung von Vor¬
schlägen über die Ausschreibung, sowie von Bedingungen für Ausführung
derartiger Anlagen.
Die leidige Erfahrung, dass nach Neuanlage solcher kostspieligen
Einrichtungen sich alsbald erhebliche Mängel im Betriebe herauszustellen
pflegen, giebt dem Verfasser Veranlassung, wiederholt darauf zu dringen,
dass vor allen Dingen niemals zu kostspielige Anlagen projectirt werden,
deren ordnungsmässigen Betrieb nachher ein zu knapper Etat nicht er¬
laubt, und dass andererseits stets die sachgemässe Bedienung der Anlagen
gesichert werde und nicht etwa aus falscher Sparsamkeit das Heizeramt
unberufenen Händen als Nebenamt übertragen werde. Als leistungsfähigste
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stellt R. am Schlüsse einer Zusammenstellung der gebräuchlichen Anlagen
die Warmwasser-Niederdruckheiznng hin mit freistehenden, wenig Wasser
enthaltenden Säulenofen und ununterbrochenem Betrieb, wenn der ge-
sarnmte Betrieb der Heizungs- und Lüftnngsanlage, die Controle und
Regelang der Temperatur- und Luftleitung nach den qu. Raumen vom
Kellergeschoss aus erfolgen kann. Langhoff.
Dr. Lieber, Oberstabs- und Garnisonarzt: Militär-Hygienisches aus
Stra8sbnrg LE. (Separat-Abdruck aus der Festschrift für die Natur¬
forscherversammlung 1885.)
Für die in der Gestalt der „hygienischen Topographie von Strassburg*
der Naturforscherversammlung 1885 gewidmete Festgabe hat auch L.
einen Beitrag geliefert, indem er den militärbygienischen Theil dieser
Topographie bearbeitete. Diese Arbeit ist als Broschüre reproducirt und
bietet einen sehr interessanten Ueberblick über Bau und Anlage der elf
Kasernen Strassburgs, über deren innere Einrichtungen Bezog auf Wasser¬
versorgung, Latrinen, Badeanstalten, Küchen, ferner über die Militär Wasch¬
anstalt, das Garnison-Lazareth, den Militärfriedhof. Bei der Besprechung
des Gesundheitszustandes der Garnison ist von besonderem Interesse die
Gegenüberstellung der Morbiditäts- und Mortalitätsstatistik zur Zeit der
französischen und der deutschen Herrschaft und deren Vergleich mit
anderen grossen Garnisonen Deutschlands. Aus diesen Ziffern geht zur
Evidenz hervor, dass vielfache hygienische Verbesserungen, die der Ini¬
tiative der Militär- und auch der Stadtverwaltung entsprangen und nament¬
lich die Trinkwasserversorgung, die Entwässerungs- und Latrinenanlagen
im Auge hatten, den Gesundheitszustand der Garnison gegen früher er¬
heblich gebessert und Strassburg zu einer der gesünderen Garnisonen
gemacht haben. Langhoff.
Dr. Heim. Hager: „Desinfection inficirter Wohn räume 44 , Industrie-
Blätter, Wcnschft. f. gemeinnützige Erfindungen etc. und Gesundheits¬
pflege, Berlin 1886, No. 5.*)
Vf. warnt vor Anwendung der von Prof. Koenig vorgeschlagenen
Sablimaträucherungen mit nachfolgender Schwefelverbrennung, die das
noch vorhandene Quecksilber unschädlich machen soll. Er gesteht zu,
dass der Dampf des Sublimats in die Poren der Wände, Decke und
Dielen eindringt und sich hier in Form kleinster mikroskopischer Krystalle
aosetzt; beweist aber durch das Experiment, dass diese Krystalle durch
Sehwefeldampf keine oder höchstens eine oberflächliche Zersetzung resp.
eine minimale Ueberführung in Sulfid erfahren. In einen hölzernen
Kasten „wurden Sublimatdämpfe, später Schwefeldämpfe geleitet, auch
etwas Schwefel abgebrannt*, aber das Wasser, womit der Kasten am
folgenden Tage ausgespült wurde und das zu diesem Zwecke mit Wein¬
geist versetzt war, enthielt eine reichliche Menge Sublimat. Vf. schliesst
daraus bestimmtest, dass mit Schwefelung die Sublimatatome nicht völlig
ca beseitigen oder ganz unschädlich zu machen sind. Berücksichtigt
man neben dieser Anschauung einer anerkannten chemischen Autorität
die Thatsache, dass in den Zwischendeckenfüllungen geheizter Wohn-
ritime relativ sehr hohe Temperaturen Vorkommen, so muss der dauernde
*) Vgl. Referat Tiber Koenig's ,Desinfection inficirter Raume“, diese Zeitschrift
1885, S. 300.
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Aufenthalt in einmal nach Koenig’s Vorschlag behandelten Wohnräumen
entschieden für gesundheitsschädlich gelten. Kef. prüfte das Hag ergehe
Experiment noch mit Sublimat und Schwefel im Verbältniss von 1:10
und bestätigt die Behauptung Vfs., dass Sublimat reichlich übrigbleibt.
__ Rotter (München).
Mittheilongen.
Ueber Miryachit, eine eigentümliche, epidemische Nerven¬
krankheit und verwandte Zustande.
1) Dr. Jankovsky veröffentlicht in der Zeitschrift „Vratsch“ 1885
No. 36 einen interessanten Aufsatz über eine Epidemie dieser sonderbaren
Krankheit, welche er an dem ostsibirischen Gestade beobachtet hat.
Die erste Bekanntschaft mit der Affection machte er im Jahre 1876 als
Arzt beim 1. Ostsibirischen Infanterie-Bataillon: Eines schönen Tages
kam der du jour habende Feldscherer mit der eiligen Meldung zu ihm,
es seien 15 verrückte Soldaten ins Lazareth geliefert worden. Als J.
sich sofort nach dem Lazareth begab, fand er dort einen Haufen von
Patienten, die er mit der Frage anredete „was ist denn hier los“? Zu
seiner nicht geringen Verwunderung antworteten sammtlicbe 15 Kranke
im Chor „was ist denn hier los*; er redete den nächsten mit der Frage
an „was thut denn weh?“, sofort rief der ganze Chor, „was thut denn weh*,
kurz jedes Wort, das er sprach, wurde von allen Patienten wiederholt.
Bei der Untersuchung constatirte er in jedem Fall vermehrten Spitzenstoss,
raschen Puls, Unruhe von Armen und Beinen, vermehrte Hautsensibilitat,
Erweiterung oder Verengerung der Pupillen und Disposition zum Lachen
ohne jeglichen Grund. Wahrend der Untersuchung erschien einer der
Vorgesetzten Offiziere und berichtete, sammtlicbe Leute hatten zum Abend¬
essen Kartoffeln erhalten, welche mit einem von einem koreanischen
Händler gekauften Hanföl zubereitet gewesen waren. Als die Kranken
ihren Commandeur das Wort „Oel“ aussprechen /hörten, wiederholten sie,
alle Disciplin verhöhnend, fortwährend „Oel, Oel, Oel“ in den verschie¬
densten Variationen. Therapeutisch erhielt jeder Einzelne jetzt ein
Emeticum und Abführmittel, darauf schliefen sic die Nacht ruhig und
waren am nächsten Morgen gesund, nur eine vage Erinnerung des Geschehenen
wie nach einem Traum war ihnen geblieben. Die weitere Forschung
stellte fest, dass der koreanische Kaufmann an der Krankheit „Miryachit*
litt, und dass nur solche Soldaten erkrankt waren, welche ihn gesehen
oder mit ihm gesprochen batten. — Eine andere kleine Endemie der
Krankheit beobachtete J. 1878 in Vladivostok, wo vier Kinder derselben
Familie im Alter von 3 bis 7 Jahren erkrankt waren. Sporadische
Fälle der Affection sind häufig; der Verlauf ist in der Regel chronisch
mit spontanen Remissionen, die Gesammt-Constitution bleibt intact —
2) Dieselbe Krankheit behandelt der surgeon general der Vereinigten-
Staaten-Armee Hammond in einem Vortrage vor der Gesellschaft für
Nervenkrankheiten in New-York, indem er sich hauptsächlich auf einen
von dem Marine-Departement veröffentlichten Bericht*) stützt; danach
soll die Krankheit ihre Heimath haben in der Gegend, wo sich der Ussuri
*) Observations upon the Korean coast made during a journey June 3. to Sep¬
tember 8. 1882*. Published by the United States Navy department, Washington 1883.
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in den Amur ergiesst. Ans der dem oben entworfenen Bilde sehr ähnlichen
Beschreibung ist hervorzuheben, dass die Kranken nicht nnr Alles nach-
sprechen, sondern anch gegen ihren Willen alle auffälligen Bewegungen
nacbmachen: so sahen die Berichterstatter einen erkrankten Schiffs-Steward
dem Capitän alle Bewegungen nachmachen, als der Letztere rasch auf
den Steward zuschreitend, in die Hände klatschte und dabei ausgleitend
unsanft auf Deck fiel, klatschte auch dieser in die Hände, strauchelte und
fiel in derselben unsanften Art wie der Capitän. H. erinnert dabei an
die Beschreibung, die Beard von den sogenannten „Springern“ (Jumpers
oder Jumping Frencbmen) von Maine und dem nördlichen New-Hampshire
gegeben bat, diese Leute thaten auf ausdrücklichen Befehl, was ihnen
geheissen wurde, sie sprangen zum Fenster hinaus, prügelten ihren besten
Freund und sprachen den ersten Vers der Aeneide oder Ilias nach, ohne
je einen lateinischen oder griechischen Vers gehört zu haben. Eine
weitere Analogie findet H. in der Somnolenz und Schlaftrunkenheit, wo
sie einen so hoben Grad erreicht, dass das plötzlich erweckte Individuum
einen zusammenhangslosen Gewaltact, oft einen Mordversuch oder dergl.
unternimmt. Ein Mann träumt, es rufe ihm eine Stimme zu, er solle
zum Fenster hinausspringen, er steht auf und springt 10 Fuss hoch zum
Fenster hinaus; einen anderen weckt seine Frau, weil sie die Thürklingel
läuten hört, er steht auf, windet die Betttücher, ohne auf seine Frau zu
hören, zu einem Strick zusammen und sagt, als es der Frau endlich ge¬
lingt, ihn zu sich zu bringen, er habe an Feuer geglaubt und vermittelst
der zum Strick zusammengedrehten Betttücher sich retten wollen. Eine
Erklärung der eigenthümlichen Phänomene bei „Miryachit“, den „Jumpers“
oder bei den Fällen tiefster Schlaftrunkenheit versucht H. nicht zu geben,
sie haben indess alle das Eine gemeinsam, dass ein Bewegungs-Impuls
ausgelöst wird durch bestimmte Wahrnehmungen ohne gleichzeitig vor¬
handene Willensthätigkeit; sie sind deshalb den Reflexactionen analog,
namentlich gewissen epileptischen Paroxysmen, die durch einen Reflex¬
reiz hervorgerufen werden. —
3) R. Neale berichtet, angeregt durch Hammond’s Vortrag, dass auf
Java viele Eingeborne an ähnlichen Affecten leiden, man nennt solche
Leute dort „Lata“. Sie sind geradezu unfähig, dem Nachahmungstrieb zu
widerstehen, wenn plötzlich ein Geräusch oder eine Bewegung in ihrer
Nachbarschaft gemacht wird. Jede Attitüde — sei sie noch so grotesque,
die mau eine Person vor ihnen einnehmen lässt, müssen sie nacbmachen;
dieser unwiderstehliche Trieb ist so intensiv, dass man daraus Vortbeil
ziehen kann. N. wollte einer jungen, mit der Krankheit behafteten Frau
einen Zahn ausziehen, sie war nicht zu bewegen, den Mund zu öffnen,
da setzte er sich endlich auf einen Stuhl ihr gegenüber, sie that dasselbe,
er näherte den Stuhl seinem Vis-ä-vis, sie machte die Bewegung nach,
jetzt gähnte er und verdrehte die Augen zum Himmel; als auch die Frau
den Mund weit aufriss und nach oben blickte, fasste er rasch den Zahn
und zog ihn aus, bevor sie widerstehen konnte.
Etymologisch sei noch bemerkt, dass der Name „Miryachit“, wie die
Krankheit jetzt am häufigsten in der Litteratur genannt wird, ein ver¬
dorbenes russisches Wort ist, das russische Verb „miriatchitje“ bedeutet
«den Narren oder Verrückten spielen“. —
(Brit raed. journ. 1884, pag. 758, 884 und 1885 pag. 82.) B—r.
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General-Rapport
von den Kranken der Königlich Preußischen Armee, des XII. (Königlich
Sächsischen) und des XIII. (Königlich Württembergischen) Armee-Corps,
sowie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich Bayerischen
Besatzungsbrigade pro Monat December 1885.
1) Bestand am 30. November 1885: 10 531 Mann und 49 Invaliden
2) Zugang:
im Lasareth 9 418 Mann und 2 Invaliden,
im Revi er 14 737 - - 4
Su mma 24 155 Mann und 6 Invaliden.
Mithin Summa des Bestandes und Zuganges 34 686 Mann und 55 Invaliden,
in Procenten der Effectivstarke 9,0% und 19,6%.
3) Abgang:
geheilt ....
. 24 306 Mann, 4 Invaliden,
gestorben....
65 - 2
invalide ....
205 - —
dienstunbrauchbar
517 - —
anderweitig . . .
302 - —
Summa .
• 25 395 Mann, 6 Invaliden.
4) Hiernach sind:
geheilt 70,1 % der Kranken der Armee und 7,3 % der erkrankten In¬
validen,
gestorben 0,19 % der Kranken der Armee und 3,6 % der erkrankten In¬
validen.
5) Mithin Bestand:
am 31. December 1885 9 291 Mann und 49 Invaliden,
in Procenten der Effectivstarke 2,4% und 17,4%.
Von diesem Krankenstände befanden sich:
im Lasareth 6 308 Mann und 7 Invaliden,
. im Revier 2 983 - - 42
Es sind also von 534 Kranken 374,2 geheilt, 1,0 gestorben, 3,2 als
invalide, 8,0 als dienstunbrauchbar, 4,6 anderweitig abgegangen, 143,0 im
Bestand geblieben.
Von den Gestorbenen der activen Truppen haben gelitten an: Schar¬
lach 1, Rose 1, Diphtberitis 1, Blutvergiftung 6, Unterleibstyphus 5,
acuter Alcoholvergiftung 1, Hirn- und Hirnhautleiden 5, Lungenent¬
zündung 13, Lungenblutung 1, Lungenschwindsucht 11, Brustfellent¬
zündung 2, Herzleiden 1, Magengeschwür 2, Leberleiden 1, Bauchfellent¬
zündung 5, Nierenleiden 2, Knochenentzündung 2, Kniegelenkentzündung 1;
an den Folgen einer Verunglückung: Schadelbruch 1, Sturz in die Tiefe 2,
Unbekannt (XII. Armee-Corps) 1. Von den Invaliden: Lungenschlag 1,
Gehirnschlag 1.
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Mit Hinzurechnung der nicht in militärärztlicher Behandlung Ver¬
storbenen sind in der Armee im Ganzen noch 27 Todesfälle vorgekommen,
davon 7 durch Krankheiten, 5 durch Verunglückung, 15 durch Selbst¬
mord; von den Invaliden: durch Krankheiten 2; so dass die Armee
im Ganzen 92 Mann und 4 Invaliden durch den Tod verloren hat.
Nachträglich pro October 1885:
1 Selbstmord durch Ertränken.
pro November 1885 verstorben:
1 Mann an Bauchfellentzündung auf Urlaub.
Fünfzehnter Gongress der Gesellschaft für Chirurgie. Berlin
7. bis 10. April 1886.
Begrüssung 6. April Abends von 8 Uhr ab im Hötel du Nord.
Nachmittagssitzungen am 7. April, Mittag von 12Vs—4 Uhr, an den
anderen Tagen von 2—4 Uhr in der Anla der Königlichen Universität.
Morgensitzungen, für Demonstrationen von Präparaten und Kranken -
Vorstellung bestimmt, von 10—1 Uhr im Konigl. Universitats-Clinicun»
und in der Konigl. Charitö.
In den Morgensitzungen vorzustellende auswärtige Kranke können
im Konigl. Clinicum (Berlin, N., Ziegelstrasse No. 5—9) Aufnahme finden,
Präparate, Bandagen, Instrumente u. 8. w. ebendahin gesandt werden.
Ausschuss-Sitzung zur Aufnahme neuer Mitglieder am 6. April,
Abends 9 Uhr, im Hötel du Nord.
Am letzten Sitzungstage des zwölften Congresses wurde der Be¬
schluss gefasst (s. Protocolle S. 106), dass die Themata der zur
Discossion sich eignenden Vorträge und Mittheilungen zuvor
an den Vorsitzenden eingesandt und demnächst allen Mitgliedern kund¬
gegeben werden sollten.
Ankündigungen von Vorträgen, Mittheilungen und Demonstrationen
bitte ich bis zum 1. März Herrn Geheimen Medicinal-Rath und Professor
Dr. G url t (Bernburgerstrasse 15/16,Berlin SW.) zugehen zu lassen. Im vorigen
CoDgress ist für die Tagesordnung dieses Congresses beschlossen worden:
3) Fortsetzung der Discussion über die Tuberculose nach den von
Herrn v. Volk mann aufgestellten Thesen.
2) Mittheilung weiterer Erfahrungen über die Endresultate der Operation
complicirter Hasenscharten.
3) Discussion über die Operationen an der Harnblase, incl. hohen und
Median-Steinschnitts (Antrag des Herrn König).
Gemeinschaftliches Mittagsmahl 8. April, 5 Uhr Abends, im Hötel
du Nord. Für die Tbeilnehmer wird ein Bogen zur Einzeichnung der
Namen am 6. April Abends im Hötel du Nord und am 7. April Mittags
in der Sitzung ausliegen.
Wiesbaden,, 20. Januar 1886.
B. v. Langenbeck, d. Z. Vorsitzender.
l)er fünfte Congress für innereMedicinfindet vom 14. bis 17.
April 1886 zu Wiesbaden statt unter dem Präsidium des Herrn Gebeim-
rath Leyden (Berlin). Folgende Themata sollen zur Verhandlung
kommen: Am ersten Sitzungstage, Mittwoch den 14. April: Ueber die
Pathologie und Therapie des Diabetes melitus. Referenten: Herr
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Stokvis (Amsterdam) und Herr Hoffmann (Dorpat). Am zweiten
Sitzungstage, Donnerstag den 15. April: Ueber operative Behandlung der
Pleuraexsudate. Referenten: Herr O. Fräntzel (Berlin) und Herr
W eber (Halle). Am dritten Sitzungstage, Freitag den 16. April:
Ueber die Therapie der Syphilis. Referenten: Herr Kaposi (Wien) und
Herr Neiseer (Breslau). Nachstehende Vorträge sind bereitsangemeldet:
Herr Thomas (Freiburg): Ueber Korperwägnngen. Herr Riess
(Berlin): Aus dem Gebiete der Antipyrese. Herr Brieger (Berlin):
Ueber Ptöroaine. Herr Ziegler (Tübingen): Ueber die Vererbung er¬
worbener pathologischer Eigenschaften. Herr Fick (Wurzburg): Ueber
die Blutdruckschwankungen im Herzventrikel bei Morphiumnarkose.
L
OJmckt in <ler Königlichen Hofhuehdrnckerei von E. 8. Mittler und lohn, Berlin Korhatrasne CS-70.
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Deutsche
Militärärztliche Zeitschrift.
Redaction: ?
Dr. 3t. <feutQoto, Generalarzt, \
Berlin, Tanbenstraase 5, s
o. Dr. lämlftger, Stabsarzt, j
Berlin, Hedemannstr. 15. $
Monatlich erscheint ein Heft von mindestens 3 Druckbogen; dazu ein „Amtliches Beiblatt**. Der
Zeitschrift wird das Werk: „Jahresbericht- über die Fortschritte auf dem Gebiete des Milit&r-
Sanittts-Wesens* 4 , herausgegeben vom Generalarzt Dr. Roth, unentgeltlich beigegeben. Bestellung
nehmen alle Postämter und Buchhandlungen an. Preis des Jahrgangs 15 Mark.
XV. Jahrgang. 1886. Heft 4.
Zelte und Nothbaracken, deren Gerüste ans Stangen nnd Draht
nach Art der Banrüstungen zusammengesetzt werden.
Von Dr. zur Nieden,
Regierungs- und Bauratb zu Berlin.
Zar Unterbringung der Verwundeten für die Falle, in denen in der
Nähe des Schlachtfeldes Gebäude überhaupt nicht oder aber nicht in
genügender Zahl zur Verfügung stehen, führt unsere Armee bekanntlich
Zelte mit sich, deren Form in der letzten Zeit mehrfach gewechselt hat.
Die deutsche Kriegs-Sanitäts-Ordnung vom Jahre 1878 zeigt uns Zelte,
deren Gerippe aus Gasrohren gebildet ist; diese Zelte haben sich in¬
sofern nicht bewährt, als durch Winddruck sowie durch das Abbrechen
und Transportiren der Zelte leicht Verbiegungen eintreten, welche das
Wiederaufrichten der Gerippe verhindern oder mindestens sehr erschweren.
In der Hygiene-Ausstellung des Jahres 1883 führte nns deshalb die 1
preussische Militär-Behörde ein Zelt mit einem Gerippe von Holz vor — '
sie war somit anf ältere Constrnctionsarten zurückgegangen, hatte aber
den Forderungen unserer Zeit gemäss eine Verbesserung in der Richtung
eintreten lassen, dass unter Zuhülfenahme einer über das ganze Zelt
reichenden doppelten Decke in der First eine Ventilation zur Anwendung j
gebracht war. — In der letzten Zeit hat man versucht, für die Unter- 1
bringung von Verwundeten und Kranken transportable Unterkunftsräume
io schaffen, welche auch für den Winter genügen, d. h. also transportable
12
Verlag:
f. p !Ute & £oQtt,
Königliche Hofbuchhandlung,
Berlin, Kochstraase 68—70.
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162
Baracken. Dass diese Versuche so ausserordentlich weitgehende worden,
verdanken wir der Opferwilligkeit Ihrer. Majestät der Kaiserin von
Deutschland,*) anf deren Anregung sehr zahlreiche Constractionen dieser
Art in der Separatansstellang zu Antwerpen im September 1885 aus
allen Ländern eingegangen waren. Hält man an einem Punkt des Landes
einen Vorrath von fliegenden Baracken dieser Art, so wird man für Orte,
welche durch Epidemien heimgesucht werden, Unterkunftsstätten leicht
schaffen können; weniger geeignet werden diese Gonstructionen für Kriegs¬
zwecke gefunden werden. Alle Erfahrungen der letzten Kriege dürften
nämlich die Militärbehörden dahin, drängen, das Streben auf eine
Minderung des Trosses der Armeen zu richten, jedenfalls aber eine
Mehrung desselben zu verhüten,**) ebenso müssen wir Eisenbahnleute
mahnen, nicht noch grossere Leistungen von den Eisenbahnen zu fordern.
Diese Mahnung bezieht sich auf alle Kriegstransporte, insbesondere aber
auf die Leistungen, welche für Verwundete und Kranke nothwendig
werden. Zu den Zeitpunkten, in welchen die letzteren Leistungen
besonders umfangreiche zu sein pflegen, d. h. also nach grossen Schlachten,
ist das Streben der Militärverwaltung dahin gerichtet, Ersatz an
Mannschaften und Kriegsmaterial, sowie Nahrungsmittel nach dem Kriegs¬
schauplätze zu bringen. Diesen Transporten gegenüber haben in dem
deutsch-französischen Kriege, wie ich in meinem Werk „Der Eisenbahn-
Transport verwundeter und erkrankter Krieger“***) näher dargelegt habe,
die Sanitätszüge stets zurückstehen, zeitweise sogar haben sie umkehren
müssen, ohne zur Ladungsstelle gelangt zu sein. Aus diesen Erfahrungen
habe ich gefolgert, dass die Hülfslazarethzüge in der Zeit der Ueberlastung
der Eisenbahnen vor den Lazarethzügen den Vorzug verdienen, weil erstere
die vom Kriegsschauplätze leer zurückgehenden Wagen benutzen und
ausser diesen nur weniger Wagen zum Hintransport der Bahren und
sonstigen Ausrüstungsstücke, sowie der Lebensmittel bedürfen. Die Hülfs¬
lazarethzüge belasten somit das zum Kriegsschauplätze gehende Geleise
möglichst wenig, sie haben ausserdem das Verdienst, dass sie die in der
Nähe des Schlachtfeldes liegenden Bahnhöfe von leeren Wagen frei
*) Ihre Majestät hatte bekanntlich einen Preis von 4000 M. nebst einer goldenen
Medaille für die beste Construction einer transportablen Baracke ansgesetzt.
**) „Die russische Armee führte im Kriege 1877/78 pro Division eine Heilanstalt,
die für 30 bis 40 Kranke in maximo eingerichtet ist.Die Anstalt konnte
sehr oft nicht folgen, musste weit Zurückbleiben, weil sie zu schwer war und den
Train behinderte* .... Oesterr. militar. Zeitschr. 1881. (2. Bd.) S. 65.
***) Vergl. Seite 5, sowie 21 ff. der zweiten Auflage.
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machen and eie somit entlasten. Treten ruhigere Perioden ein, so mögen
die Lazarethzüge an die Stelle der Hülfslazarethzüge treten, denn es muss
das Streben dahin gehen, möglichst vollkommene Mittel für die Rück¬
beförderung der leidenden Krieger zu stellen. Ans den vorentwickelten
Gesichtspunkten haben wir auch die Anwendbarkeit der transportablen
Baracken, wie die Antwerpener Ausstellung sie zeigte, zu prüfen. Die
durch das Vorschieben derselben entstehenden Transporte werden die
Eisenbahnen stark in Anspruch nehmen, und es ist deshalb zu folgern
dass man die Baracken nur in den ruhigeren Zeiten an die
Bedarfsstelle wird bringen können; zu den Zeiten der Ueber-
lastung der Eisenbahnen werden sie zurückstehen müssen
wie die Krankentransporte, und so werden derartige Unterkunfts¬
stätten da fehlen, wo man ihrer am meisten bedarf, d. h. also insbesondere
nach grossen Schlachten. Für diese Zeiten, welche sioh als Zeiten der j
höchsten Noth meist darzustellen pflegen, bedürfen wir der Noth- I
Constructionen. Dieselben müssen so gebildet werden, dass ihre Her- j
Stellung möglichst unabhängig von den Leistungen der Eisenbahnen ist; i
die erste Bedingung für die Entwürfe ist deshalb so zu fassen:
Sämmtliche Baumaterialien der Unterkunftsstätten sollen an J
Ort und Stelle gekauft oder im Requisitionswege beschafft >
werden können.
lu gleicher Weise wie die Unabhängigkeit von den Eisenbahnen als
Bedingung hingestellt ist, muss auch dahin gestrebt werden, dass die
Herstellung der Unterkunftsstätten nicht von dem Vorhandensein bestimmter
Handwerker abhängig werde, dass die Constructionen vielmehr von jedem
Handwerker zusammengefugt werden können. Hiernach würde die
zweite Bedingung für die Entwürfe etwa, wie folgt, lauten müssen:
Die Zubereitung des Zeltes und die Aufstellung desselben S
soll auch von wenig geübten Handwerkern (ev. von Angehörigen j
des Feldlazareth-Personals, yon Mitgliedern der freiwiUigen Kranken- ;
pflege etc.) bewirkt werden können.
Die dritte Bedingung leitete ich aus Folgendem her. Die im <
deutsch-französischen Kriege verwendeten Zelte hatten im Vergleich mit
den Baracken meist den Nachtheil, dass sie Luft und Licht nicht in dem
Ma&sse wie jene den Eintritt gestatteten; genügten zu diesem Zweck die
Eiogangsöffnungen nicht, so musste man die Zehwände vom Boden auf¬
beben, um Licht und Luft einzulassen. Dies geht bei schlechtem Wetter
oft nicht an, und man befindet sich dann in Verlegenheit Dieselbe wird bis¬
weilen dadurch gemehrt, dass bei anhaltendem Regen das Zelt mit
12 *
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-
— 164 —
| Wasserdunst sich fallt v welcher eine starke Abkühlung bewirkt. Diese
f Missstande wird man vermeiden, und ebenso wird man die nnter den
f Zelten im Sommer eintretende Hitze mindern können, wenn man bei dem
l Zeltban die Baracken-Gonstruction nachahmt and in der First Oeffnangen
' schafft. Hieraus leitete ich die dritte Bedingung ab: Auch für das
• improvisirte Zelt sind Ventilations-Vorrichtungen erforderlich«
Figur 1.
Grundriss des Zeltes.
•3
I Um die erste Bedingung zu erfüllen, ist das nachstehend dargestellte
| Zelt*) so zusammengefügt, dass Pfahle und Stangen, wie sie in einer
1 Kiefern- oder TaDnenschonung oder auch in einem Laubholzwald leicht
| gewonnen werden können, zur Herstellung des Zeltgerippes verwendet
I-
{ *) Von Baracken ist weiter unten die Rede.
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165
werden.*) Die Verbindungen erfolgen dnrch Bindedraht, wie solcher bei
Baorüstungen benutzt wird, oder in Ermangelung desselben mit Stricken.
Es entstehen somit ähnliche Bane, wie der Indianer seine Heimstätten
entstehen lässt Dieselben sind in den Fignren 1 bis 7 znr Darstellung
gebracht
Die Decke des Zeltes und die Wände werden atn besten aus Segeltuch
hergestellt; fehlt dasselbe, so wird man Leinwand und andere Zeuge
wählen nnd sie ungetheert oder aber getheert verwenden, im Nothfalle
wird man auch auf alte Mäntel, leere Säcke etc. zurückgreifeo. Bei
Verwendung von Mänteln, Säcken oder anderen Eindeckuqgen, bei denen
viele Nähte entstehen, wird es sich empfehlen, zwischen den Sparren ein
Netz von Stricken (starken Schnüren) herznstellen, welches der Eindeckung
als Unterlage dient — Auch Dachpappe würde unter Znhülfenahme von
Dachlatten Anwendung finden können..
Figur 3.
Figur 4. Querschnitt des Zeltes. Figur 5.
Die zweite Forderung wird insbesondere dadurch erfüllt, dass die 1
Construction des Zeltes den Aufbau und ebenso den Abbruch ohne An- •
Wendung von Rüstungen gestattet Die Errichtung des Zeltes erfolgt ;
nämlich in folgender Weise: Zuerst werden die senkrechten Pfähle a der
Langwand (siehe die Figuren 2 und 3) paarweise in den Boden getrieben, ;
wobei nach Beschaffenheit des Bodens ein Vorschlagpfahl oder auch ein
Erdbohrer zu benutzen ist. An diese senkrechten Pfähle werden mit
Draht (Stricken) die wagerechten Holme b der Langwand so befestigt,
wie dies bei Baurüstungen zu geschehen pflegt. Für die Verbindung der
*) Die Pfahle sind 3,2—3,5 m lang 0,08 m stark. Die Sparren 8,2 m lang und
0,10 am Zopfende stark. Die Holme bedürfen einer Stärke von etwa 0,06 m; ihrer *
Länge nach (15 m und mehr) können sie aus zwei ev. auch mehreren Theilen her¬
gestellt werden, die Längenverbindung erfolgt mit einem Drahtband, welches sich
in einige mit der Säge oder dem Messer gemachte Einschnitte legt.
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Sparren c wird zunächst auf dem Erdboden eine Lehre nach Figur 4 in
der Weise gebildet, dass man Pfahle A B und G in die Erde einschlägt,
um die Fusspunkte A und C der Stangen und die Ueberschneidung B zu
bestimmen; an diese Lehre werden die Stangenpaare gelegt und an der
Ueberschneidung mit Draht verbunden. Die also zusammengefugten
Stangenpaare richtet man auf und trägt sie zur Baustelle, dort schiebt
man sie auf den Holmen der Langwände von der Giebelseite her vor, bis
sie am richtigen Punkt angekommen sind. Eine feste Lage erhalten die
Sparren, indem man an ihrem Fusspunkt die kurzen Pfähle d einschlägt
und zwischen den Pfählen und Sparren durch Draht Verbindungen ber¬
steilt (vergl. Fig. 2 und 3).*) Das ganze Gerüst hat hierdurch so viele
Festigkeit erhalten, dass man Leitern anlegen und die Firstfette e (Figur 2)
aufbringen kann. Nachdem die Fette mit den Sparrenpaaren verbunden
und die senkrechten Holzer g (Figur 1) der Giebelseiten angebracht sind,
ist das Gerüst in den Hauptbestandteilen beendet; es fehlen nur noch
die vier Sturmbänder, welche von der Firstfette her nach vier in den
Erdboden getriebenen Pfählen h (Figur 6) gezogen werden. Dieselben
Figur 6.
Perspectiyische Skizze des Zeltes.
Figur 7.
Befestigung der Leinwand
I auf den Sparren.
\ sollen dem Winddruck, -welcher in der Längsrichtung des Baues angreift,
\ in gleicher Weise Widerstand leisten, wie die bis zum Boden herunter
!- geführten Sparren c dies in der Breitenricbtung bewirken. Die Sturm-
r bänder sind aus Draht nach Art der bei Telegraphenleitungen üblichen
l Drahtanker gebildet; sie werden hergestellt, indem man in eine zwischen
den beiden Festpunkten (hier dem Pfahl im Boden und der Firstfette e)
eine Drahtschleife anbringt, in dieselbe einen Nagel oder ein anderes kleines
*) Bei der ersten Ausführung waren an den Fusspunkten noch Ueberlagshölzer
parallel den Fetten angeordnet, so dass die Drahtverbindungen Ueberlagshölzer,
Pfahle und Sparren verbanden; diese Hölzer erschienen indess als nicht erforderlich.
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Eiseostück steckt und dieses so lange dreht, bis der Anker die erforderliche
Spannung erhalten hat. — Für die Sparrenverbindung ist eine Versatzung
(nach Fig. 5) zu empfehlen; bei kräftigem [Anziehen der Bindedrähte
wird dieselbe aber auch entbehrt werden können. Um die Firstfette wird
eine Packung aus Stroh hergestellt; dieselbe wird so gestaltet, dass sich
in der First eine Rundung bildet, welche verhütet, dass die Enden der
Sparren die Leinwand durchscheuern.
Die oben unter III geforderte Ventilation soll an heissen Tagen da¬
durch erreicht werden, dass man die Langwände des Zeltes in die Hohe
hebt; demgemäss sind diese beweglich, und nur die Zeltdecke und die
Giebelwände — letztere natürlich ausschliesslich der Eingangsthüren —
sitsen auf dem Oerippe fest. Die Zeltdecke wird an ihrem unteren Ende
an einen Strick genäht, welcher von Sparren zu Sparren gezogen wird;
die Giebel wände sind an den Ecksäulen und Endsparren festgenagelt;
ausserdem wird an den Säulen und über die Sparren hin noch die in
Figur 7 dargestellte Befestigung angewendet: man legt über die Lein¬
wand a b die dünnen Latten c und nagelt sie auf die 8äulen oder Sparren
mit dünnen Nägeln fest. Die Leinwand der Langwände ist nur an ihrem
oberen Ende an den Holmen b befestigt (s. Fig. 3); in das untere Ende ist eine
lange Holzstange 1 eingewickelt, welche durch ihr Gewicht die Leinwand
herunterzieht, wenn das Zelt geschlossen sein soll; sollen die Langwände
gehoben werden, so dreht man die Stange mehrfach herum und wickelt
ao die Leinwand auf; schliesslich hängt man die Stange in Seilschleifen
aof^ welche an den Holmen b festsitzen.*) — Das Heben der Leinwand
an den Langwänden verbietet sich bei nassem Wetter von selbst; es muss
dann ein anderes Mittel der Lüftung eintreten, um zu verhüten, dass
Wasserdanst im Zelt sich bildet. Dieses Mittel ist durch zwei Lüftungs¬
klappen im Dach gewonnen. Die Klappen i i (siehe Figur 3) sind aus
je zwei neben der Firstfette in der Dachfläche liegenden und drei
schräg darunter befindlichen wagerechten Knüppeln gebildet; die
obersten wagerechten Knüppel sind durch zwei Drahtbänder unter sich
oder aber mit der Firstfette lose verbunden, so dass die Bewegung der
Knüppel nicht gehindert ist. Die auf jeder Dachseite liegenden zwei
geneigten und drei wagerechten Knüppel haben an ihren Kreuzungspunkten
*) Statt einer Stange kann man auch mehrere anwenden, indem man die Lein¬
wand nach der Länge des Zeltes in zwei oder noch mehrere Theile zerlegt; die
einzelnen Leinwandflächen müssen sich dann um etwa zehn Centimeter überdecken.
Ein in Tempelhof aufgestelltes Probezeit mit 14 Betten, wie in Figur 1 f f skizzirt,
hatte nur eine Stange an jeder Langwand; bei einer Zerlegung der Wandfläche in
2 Theile wäre das Aufwickeln der Leinwand leichter gewesen.
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; feste Drahtbänder; die hierdurch gebildeten mit Leinwand gedeckten
| Klappen werden in folgender Weise auf nnd nieder bewegt: An den
| mittleren wagerechten Knüppeln sind gelochte Stangen m angebracht,
) deren Lochnngen auf Stifte der unter den Klappen stehenden senkrechten
| Pfahle f geschoben werden können; je nachdem hoher oder niedriger
j gelegene Locher eingestellt sind, werden die Klappen weniger oder mehr
[ gehoben. Muss bei lebhaftem Winde gelüftet werden, so kann man die
I dem Winde abgekehrten Klappen allein heben, so dass ein Saugen des
Windes eintritt. In Figur 3 sind die Klappen geschlossen, in Figur 6
geöffnet gezeichnet.
Der Boden des Zeltes wird mit Kies oder Coaksasche gedeckt; man
wurde auch Fussboden anwenden können, es wird hierzu aber oft Zeit
< und Material fehlen.
\ Die Anfügung des Aborts an den Zeltbau erhellt aus den Zeichnungen
; ohne Weiteres; in Betreff der Construction für die Aufnahme der Excre*
! mente will ich noch Folgendes erwähnen: Das in Tempelhof errichtete
; Zelt hat unter den Sitzen des Abortes zwei Hälften eines Petroleumfaases,
| welche auf einer Holzplatte stehen; der Holzplatte sind Tier aus Holz-
; scheiben gebildete Räder gegeben, so dass man die vollen Fässer leicht
ausfahren nnd leere einschieben kann. Der ganze Apparat ist mehrfach
getheert und bewährt sich gut
In dem Grundriss des Zeltes, wie ihn Figur 1 darstellt, sind der in
Tempelhof erfolgten Ausführung entsprechend 14 Betten angenommen; diese
Zahl ist nicht durch die Construction des Zeltes bedingt, es durfte sich
vielmehr empfehlen die Aufnahmefähigkeit auf 24 Betten, oder welche
Zahl man sonst für die Leistungsfähigkeit eines Wärters bemessen will,
: durch Verlängerung des Zeltes nach der Längsachse zu steigern.
Die Construction des Zeltes, wie sie vorstehend besprochen ist, kam
< schneller, wie dies bei Vorschlägen dieser Art zu sein pflegt, iber das
Gebiet des Entwurfes hinaus und zur praktischen Erprobung: Während
ich mit der Anfertigung des ersten Modelles beschäftigt war, richtete der
Vorstand der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte an mich
die Aufforderung, vor der im September 1884 in Magdeburg abzuhalten¬
den 57. Versammlung eine Frage aus der Kriegs-Hygiene zu besprechen;
als erwünschtes Thema wurde bezeichnet „Die provisorische Unter¬
bringung grosser Krankenzahlen im Kriege“. Dieser Vortrag, welchem
, eine grössere Anzahl von Militär-Aerzten beiwohnte, und die sich daran
schliessende Besprechung forderten die Frage wesentlich; eine noch be¬
deutendere Förderung erfuhr die Sache dadurch, dass Herr Oberst Golz,
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Commandear des Eisenbahn-Regiments, die Gute batte, im Frühjahr 1885
nach dem Modell eine Ausführung in richtiger Grosse auf dem Uebungs-
platz des Regiments ausführen zu lassen. Die praktischen Erfahrungen
welche Offiziere und Mannschaften des Regiments in Improvisationen
dieser Art bereits besassen, fanden bei der Ausführung reiche Verwerthung;*)
ausserdem gab der Ban Veranlassung zu einer Prüfung der Einrichtung,
welche auf Anordnung Sr. Excellenz des Herrn Kriegsministers eine
Commission der Militär-Medicinal-Abtheilung, bestehend aus den Herren
Generalarzt Dr. von Coler, Wirkl. Geb. Kriegsrath Zehr, Oberstabs¬
arzt Dr. Strube nnd Stabsarzt Dr. Körting, vornahm. Infolge dieser
Prüfung wurde seitens des Königlichen Kriegsministeriums beschlossen,
ein Zelt dieser Construction im Anschluss an ein Berliner Militärlazareth
zu errichten und mit Kranken zu belegen; die Ausführung dieses Beschlusses
erfolgte im Sommer 1885 und zwar in den Anlagen des 2. Garnison-
lasareths zu Tempelhof.
Wenn gleich diese Ausführung eines Nothzeltes allen Ansprüchen
genügt hat, so sind doch meine Wünsche in dieser Sache noch nicht er¬
füllt; dieselben gehen dahin, dass aus dem Zelt eine Nothbaracke gebildet
werde, welche auch als Schutz für die kältere Zeit des Jahres genügt.
Für diese Nothbaracke werden dieselben drei Grundbedingungen, zu
stellen sein, welche ich oben für das Zelt notirte; auch soll das Gerüst
wesentliche Veränderungen nicht erfahren, nur sollen die Seiten wände
etwas hoher sein, wie bei dem Zelt Dies scheint insbesondere deshalb
geboten, weil der Luftraum der Nothbaracke grosser sein muss,
wie bei einem Zelt, dessen Wände für die Lufterneuerung mitwirken.
Der Luftraum des Zeltes betragt 6,2 (2,1 +-^) 14,4 = 303,8 cbm also
303 6
-jj 1 - = 21,7 cbm für jedes Bett.
( 2 g\
2,5 4- -yj 14,4 = 339,3 cbm
also auf 24,2 cbm für das Bett vermehrt.
Durch die Erhöhung der Seitenwände bietet sich ferner die Gelegen¬
heit, unter dem Schutze des Dachüberstandes**) eine Fensterreihe ber-
zostellen, welche an der ganzen Langseite durchgehen soll, damit eine
vollkommene Erleuchtung des Raumes erzielt werde. Diese Aenderung
*) Die Ausführung erfolgte unter Leitung des Herrn Roenneberg, Hauptmann
im Königl. Eisenbahn-Regiment.
**) Lasst man den Ueberstand weit aber die Seitenwand hinausragen, so wird
der dadurch gebildete Schutz auch gestatten, fehlende Fensterscheiben für kurze Zeit
durch Papier zu ersetzen.
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170
erscheint deshalb erforderlich, weil an die Stelle der Leinwanddecke
eine Brettbekleidnng, wie Figur 8 sie darstellt, oder glatte Schalung
mit Dachpappe nnd an die Stelle des Zelttnches der Wände Brett-
schalnng treten soll. Die Brettschalnng der Wände ist anf der Innen¬
seite der Pfähle angenommen, weil es für die Reinigung des Raumes
wünschens werth ist, eine möglichst glatte Wandfläche zn haben; es
gestattet diese Anordnung ferner folgende Verstärkung des durch die
Wände zu bewirkenden Schutzes, welche bei niedrigen Temperaturen
in Anwendung kommen soll: An die Aussenfläche der senkrechten
Stiele werden Faschinen gelegt, wie Figur 8 dies andeutet, an die
Faschinen wird Erde geworfen. Doppelte Wände in diesen Anordnungen sind
ein guter Schutz gegen die Kälte; sie liefern daneben sehr trockene Räume,
wenn der Figur 8 gemäss bei Entnahme der Erde für die Wände Gräben
gebildet werden, welche dem Boden der Baracke die Feuchtigkeit entr
ziehen. Es wird sich empfehlen, den Wall (and je nach Beschaffenheit
des Bodens auch den Graben) an einer Giebelseite durchgehend und
an der zweiten soweit herzustellen, wie die Thüranlage dies gestattet.
Figur 9. Figur 8 . Sofern dem Vorstehenden gemäss
^uTsbodenpiatte^ ^Nothbaracke. er das Aeussere der Baracke so gestaltet
ist, dass es in den Hauptflächen Dach¬
pappe, Glas und Erde zeigt, ist die
Uebertragung von Feuer von
einer Baracke zur andern nach
Möglichkeit ausgeschlossen.
In dem Innern des Zeltes, welches
probeweise in Tempelhof in Be¬
nutzung genommen war, wurde vor
der Belegung die Grasnarbe beseitigt
und dann aus Coaksasche
Grundriss der Nothbaracke. ein Boden gebildet Für
den Sommer genügte dies,
ob es aber auch für die
kältere Jahreszeit der Fall
sein wird, glaube ich be¬
zweifeln zu müssen. Es
wird dann für die Kranken,
welche zeitweise das Bett
verlassen können, ein Holzboden wünschenswerth sein. Stellt mau
denselben nach Figur 9 in derselben Weise her, dass man aus mehreren
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171
Brettern Platten mit Unterlagen bildet and mit diesen den Mittelgang
und die Raume zwischen je zwei Betten belegt, so hat man den
Vortheil, dass man den Fassboden auch nach der Belegung der
Baracke noch einbringen kann, dass man ferner die einzelnen Platten aus
dem Raume jederzeit herausnehmen und im Freien reinigen und desinfi-
ciren kann. Damit diese Arbeit keine Schwierigkeiten biete, scheint es
wunschenswerth, für die Platten ungehobelte Bretter nicht zu benutzen; eben¬
so würde ein durchgehender Fussboden nur aus behobelten Brettern zu
bilden sein, es sind aber für derartige Nothbaracken meines Erachtens
die Platten dem durchgehenden Fussboden vorzuziehen.
Eine wichtige Frage bildet die Anordnung der Heizung: In den"
Kriegsbaracken des Jahres 1870/71 hatte man eiserne Oefen angewendet
und die Heizfläche derselben dadurch gemehrt, dass man die eisernen
Ofenrohre auf eine gewisse Entfernung wagerecht im Raum und dann
senkrecht durch die Decke führte. Die strahlende Wärme der Oefen
und Rohre wurde oftmals den nächstgelegenen Kranken lästig — ein
Gebelstand, welcher für die entworfene Mothbaracke in höherem Maasse
wird zu befürchten sein, weil die Dimensionen geringer sind, wie bei
den Kriegsbaracken des deutsch-französischen Krieges. Mit Rücksicht
hierauf scheint sich folgende Anordnung zu empfehlen, welche in den Figuren
9 und 10 zur Darstellung gekommen ist: In eine Ecke der Baracke und
zwar an der Giebelseite, welche der Eingangsthür gegenüber liegt, wird
ein eiserner Ofen hinter einem aus Ziegelsteinen gemauerten Schirm au¬
geordnet Der Schirm ist so gebildet, dass ihm mehrere Züge (wie bei
den Kachelöfen) gegeben werden; das Rauchrohr des eisernen Ofens
wird in den ersten Zug des gemauerten Schirmes von oben eingeführt,
der erste Zug steht an seinem unteren Ende mit dem 2., dieser an seinem
oberen Ende mit dem 3. in Verbindung; ebenso besteht zwischen dem 3.
und 4. Zuge eine Verbindung am unteren Ende. Nachdem das Feuer so
zweimal wieder nach unten geleitet ist, geht es durch ein eisernes Rohr
zum Dache hinaus. Dieses Eisenrohr sitzt in einem weiteren Rohr mit
Blechplatte, welche sich auf die Dachschalung legt; das Rohr kommt
also mit dem Holz nicht in Berührung. Ausser diesem Feuerschutz wird
ein fernerer auf den Holzflächen am eisernen Ofen nöthig; derselbe wird
durch Bedecken der Holztheile mit Blech oder Dachpappe erreicht —
Dem Vorstehenden gemäss bildet die Heizanlage eine Vereinigung eines
eisernen Ofens und eines Kachelofens. Constructionen dieser Art haben
sich in den Bahnwärterbuden, welche wegen des Zu- und Abgehens der
Wärter schwer warm zu erhalten sind, als sehr zweckmässig bewährt.
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172 —
Für die Nothb&racken werden sie noch den besonderen Vortheil bieten,
dass die gemauerten Theile da, wo kein Nachtdienst der Krankenwärter
stattfindet, die Wärme lange halten, ohne dass Fullofen cor Anwendung
kommen, es wurde somit während der Nacht eine starke Abkühlung des
Raumes nicht an befurchten sein. — Die eisernen Oefon können auch in
gewisser Weise einen Ersata der Theeküche liefern, welche die Kriegs¬
baracke des deutschen Heeres bekanntlich hat. In einem Wassergefiss,
welches auf dem Ofen steht, wird allerdings das Wasser meist nicht zum
Kochen kommen, aber es wird hieran eine geringe Nachhülfe mit Spiritus
genügen; ausserdem kann der Ofen, wenn man eine geeignete Form
* wählt, daan dienen, den fertigen Thee warm an stellen. Der bei dem
Wärmen nnd Kochen des Wassers entwickelte Dampf wird ausserdem
ein willkommenes Mittel bieten, das Austrocknen der Luft, welches eiserne
Oefen au eraeugen pflegen, in wirksamer Weise au verhindern. Diesem
Aostrocknen wird auch der Luftwechsel entgegenwirken, welcher für
die Nothbaracke in gleicher Weise, wie für das Zelt erstrebt wird, so "
lange es sich um die Benotaung bei Sommerwärme und bei mittleren
Temperaturen handelt. Die Klappen wird man indess nicht mit Lein¬
wand, sondern mit Dachpappe and awar in der Weise bedecken, dass
wie Figur 8 dies andeutet, ein Dachpappenstreifen über beide Klappen
reicht und in der Mitte einen Wulst bildet. Dieser Wulst wird verhüten,
dass bei häufiger Bewegung der Klappen die Dachpappe brüchig werde. Soll
diese Firstventilation in Thätigkeit treten, so werden die Klappen ent¬
weder beiderseitig gehoben, so dass die Form der Firstventilation der
Baracke des deutschen Heeres entsteht, oder aber man öffnet die Klappen
nur einseitig und awar in der von dem Winde abgewendeten Richtung.
Ersteres wird, wie bereits oben erwähnt, sich bei ruhigem Wetter empfehlen,
letzteres bei stärkerem Winde, welchen man nicht direct will in die
Baracke eintreten lassen; bei der letateren Anordnung wirkt der Wind
durch Absaugen der Luft. Tritt eine Temperatur ein, welche die Heizung
der Baracke nothig macht, so werden die Oeffnuugen der Ventilations¬
klappen als au gross, so wird die Luftzuführuug als zu kräftig sich
erweisen,*) und es soll dann eine mit der Heizung verbundene
*) Es wird sieb sogar für grosse Kälte vielleicht empfehlen, die Fuge zwischen
Dach nnd Klappe zu dichten, indem man an die anfliegenden Theile der Klappen
von unten schmale Kissen annagelt. — Will man im Winter, solange die Erdwälle
an der Nothbaracke bestehen, zum Desinficiren den unteren Tbeilen des Baracken¬
raumes Luft zuführen, so dienen hierzu Thonröhren, welche in die Wälle gelegt
werden (siehe p p in Figur 8).
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173
Ventilation in Benutzung genommen werden. Das eiserne Rauchrohr,
welches ans dem Steinofen senkrecht durch die Dachfläche geht, wird
mit einem weiteren Rohre ummantelt; zwischen beiden Rohren wird eine
süfsteigende Bewegung der Luft eintreten, sobald geheizt wird. Durch
diese Bewegung wird dem Krankenraume zeitweise eine grossere Menge
Luft entfuhrt werden, wie dies mit Rücksicht auf die Erwärmung des
Brames zulässig ist, und es muss deshalb das Abzugsrohr zeitweise
geschlossen werden können. Hierzu dient eine in der Zeichnung (Fig. 8)
mit o bezeichnete Schiebervorrichtung.
Zu solchen Zeiten, wo eine zu starke Loftentziehung zu furchten
ist, kann den dem Eingänge zunächst liegenden Kranken auch die Luft¬
zufuhren g lästig werden, welche bei dem Oeffnen der Eingangsthür ein¬
treten muss. Als Schutzmittel wird ein an der aufschlagenden Seite der
Thür aufzustellender Holzschirm passende Verwendung finden, weniger
empfehlenswerth erscheint eine Windhausanlage vor der Eingangsthür,
denn diese wurde bei entstehendem Feuer der raschen Räumung der
Baracke ein Hinderniss bieten können.
Die Nothwendigkeit, Bauten wie die vorbeschriebenen zu errichten,
wird selbstverständlich zunächst da eintreten, wo Häuser zur Aufnahme
der Verwundeten in der Nähe des Schlachtfeldes fehlen. Ferner werden
sie durch die Anlage der Krankensammelstellen bedingt werden; diese
Sammelstellen werden bekanntlich in der Nähe der Bahnhöfe erforderlich,
um den Verwundeten und Kranken, welche der Eisenbahn Zuströmen,
bis zu ihrer Aufnahme in die Züge Aufenthaltsräume und Schutz gegen
die Witterung, sowie die nöthige Pflege zu geben. Ebenso sind für die
Insassen der Krankenzüge, welche sitzend die Fahrt zur Heimath zurück¬
legen, Unterkunftsräume zum Aufenthalt während der Nacht nöthig, weil
sie längere Fahrten ohne Unterbrechung nicht machen können, theilweise
auch« weil in Feindesland der Eisenbahnbetrieb bei Nacht zu ruhen pflegt
(Uebernachtungs-Stationen). Alle diese Bauten bedingen eine kurze
Herstellongszeit, und es ist daneben wünschenswert, dass sie aus leicht
zu beschaffenden Materialien und auch von wenig geübten Leuten her¬
gestellt werden können. — Aber nicht allein zur Aufnahme von Kranken
sollten meines Erachtens Bauten dieser Art passende Verwendung finden
rach für Gesunde werden derartige Unterkunftsstätten unter Umständen
erforderlich werden. Michaelis,*) welcher die durch Eirankheiten
*) Oesterr. militär. Zeitschrift 1881 (2. Bd.), S. 55 ff. Die militärischen Ursachen
and Folgen des Flecktyphus auf der Balkan-Halbinsel im russischen Heere 1877/78.
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erzeagteo Verloste der rassischen Armee im Kriege 1877/78 einem ein¬
gehenden Stadium unterzog, findet die Ursachen des Flecktyphus, welcher
dieser Armee so verhängnisvoll wurde, im Wesentlichen darin, dass die
Truppen unerwartet bei Kissenew Halt machen und dott in äusserst
dichten Gantonnements überwintern mussten, ohne dass ein stehendes
Lager errichtet worden wäre. Das hierdurch veranlasste Zusammen-
drängen von Menschen auf einen relativ geringen Raum, daneben die
geringe Reinlichkeit, welche überall zu Tage trat, und endlich die mangelnde
Sorge für ausreichende Desinfection, lieferte die Grundbedingungen für den
Ausbruch und insbesondere für das gewaltige Umsichgreifen der Krankheit.
In letzterer Beziehung kommt Michaelis zu dem Schluss, dass die
* ursprüngliche“ Invasions-Armee fast ganz allein durch Flecktyphus
consumirt ist.
Wie nun hier durch die schleunige Herstellung eines stehenden
Lagers der Entstehung der Krankheit wahrscheinlich hätte vorgebengt
werden, jedenfalls aber das Umsichgreifen der Seuche hätte eingedämmt
werden können, so sind ferner die Fälle in Betracht zu ziehen, in welchen
das von der Armee betretene oder durchzogene Land stellenweise den
Flecktyphus oder eine andere Seuche bereits zeigt, so dass es geboten
erscheint, die Berührungsflächen mit der 8euche so weit wie möglich
einzuschränken und aus diesem Grunde Unterkunftsstätten zu errichten. —
Endlich können auch Belagerungen von Festungen, welche im Winter
durchgeführt werden müssen, die Ausführung von provisorischen Bauten
im grossen Umfange bedingen.
Die Ausbildung solcher Einrichtungen erscheint somit als eine Frage,
welche einer eingehenden Erwägung werth ist
Ueber Augenuntersuchungen bei Kopfverletzten.
(Nach einem in der Berliner militarärztlichen Gesellschaft gehaltenen Vortrag.)
Von
Stabsarzt Dr. A. Koehler.
Eine grosse Zahl kasuistischer Mittheilungen aus den letzten Jahren,
sowie die häufig wiederkebrende Ermahnung an Aerzte, namentlich Chi¬
rurgen, mehr als bisher auf den Zusammenhang zwischen Sehstörungen
resp. Veränderungen am Sehorgan und Kopfverletzungen zu achten, be¬
weisen, dass durch die wichtigen, von Holder, Berlin, Reich,
v. Oettingen, v. Bergmann u. A. gelieferten Abhandlungen die all-
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— 175 -
gemeinere Aufmerksamkeit auf dieses Thema gelenkt ist. Es dürfte des¬
halb nicht überflüssig erscheinen, die wenn auch geringen positiven Er¬
gebnisse der. Aogennntersnchungen mitzntheilen, welche ich im Laufe des
letsten Jahres an einer grossen Reihe von Kopfverletsten (107) auf der
chirurgischen Abtheilung des Charitökrankenhauses vorgenommen habe.
Chirurgische und ophthalmologische Erfahrungen müssen Zusammen¬
kommen, wenn für diese Frage brauchbare, annähernd vollständige Resultate
ersieh werden sollen. Dem Chirurgen entgehen naturgemass fast alle
diejenigen Falle, bei denen das Augenleiden sich erst spater zeigt, viel¬
leicht, wenn man kaum noch an die Kopfverletzung denkt; dem Ophthalmo¬
logen aber diejenigen, welche infolge schwerer Verletzungen schnell
so Gründe gehen, oder nach leichterem Trauma die chirurgischen Ab¬
teilungen geheilt verlassen. Auch wenn diese letzteren nicht über Seh-
störung klagen, so können doch Veränderungen im Bulbus vorhanden seid,
welche auf die Verletzung zu beziehen sind, und bei denen ein Einfluss
auf das Sehvermögen sich vorläufig nicht oder überhaupt nicht geltend
macht Man muss deshalb eine genaue Untersuchung der Augen auch
bei leichteren Kopfverletzungen und bei solchen, welche gar nicht die
Umgebung der Augen, sondern eine beliebige Stelle des Kopfes trafen,
nicht für nebensächlich halten. Es ist sehr wohl denkbar, dass ein Befund
am oder im Auge uns bei der Behandlung einer anscheinend leichten
Kopfverletzung zur Vorsicht mahnt. Da wir nun oft sehen, dass der¬
artige Patienten eine Herabsetzung der Sehschärfe auf einem Auge nur
anfällig entdecken oder erst bei der Untersuchung zugeben, müssen wir
die letztere möglichst früh und möglichst vollständig vornehmen. Das
wird nicht schwer durchzufübren sein, weil bei geringen Verletzungen
eine Untersuchung der Augen einfach und leicht zu sein pflegt« Ein
positiver oder negativer Befand aus der ersten Zeit der Beobachtung kann
zach für eine gerichtsärztliche Beurtheilung, vielleicht lange Zeit nach
der Verletzung, sehr wichtig sein. Für die Fremdkörper in der Orbita
hat Berlin ermittelt, dass sie in 6% bei der Arbeit, 45% durch un¬
glücklichen Zufall und 49% durch activen Eingriff anderer Personen
acqnirirt waren; von diesen gehörten 7 % der Kriegschirurgie an, 41 %
stellten Körperverletzungen im Sinne des Strafgesetzbuches dar (Berlin,
Verletzungen der Orbita, Graefe-Saemisch, Bd. VI, pag.631). Wir werden
nicht fehlgehen, wenn wir für alle Kopfverletzungen ein ähnliches Ver-
haltniss annehmen; ja, hier wird die Schuld anderer Personen noch
häufiger anzunehmen sein und demgemäss die Frage nach dem ursächlichen
Zos&mmenhang von Sehstörung und Kopfverletzung recht oft gestellt
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176
werden. Fast in der Hälfte der von mir untersuchten Fälle handelt es
sich um Schlägereien, die andere Hälfte besteht zu ziemlich gleichen
Theilen aus gewerblichen Verletzungen, bei denen spätere Entschädigungs¬
ansprüche auch nicht selten sind, und aus solchen, bei denen die Schuld
eines Dritten auszuschliessen war; also mindestens */> der Fälle konnten
eventuell zu gerichtlichen Verhandlungen Veranlassung geben.
Eine grosse Zahl früher rathselhafter Sehstörungen nach solchen
Traumen, welche entfernt vom Auge, vielleicht nicht einmal am Hopfe,
eingewirkt hatten, ist zuerst durch die Untersuchungen Hölder’s in ihrer
Entstehungsweise klargelegt Er sammelte, wie Berlin berichtet, in
einer 32 jährigen, meist gerichtsärztlichen Thätigkeit 124 Fälle von
Schädelfractur; darunter waren 86 Basisbruche und unter diesen 79 mit
Brüchen des Orbitaldaches, ln */s dieser Fälle war die Wand des Ganalis
opticus mltzerbrochen, nicht nur bei Einwirkung der Gewalt in der Nähe
der Orbita, sondern auch als directe Fortsetzung eines Bruches des Stirn¬
beins, Sohläfebeins, Scheitel-, sogar des Hinterhauptbeins, oder als indirecte
Bruche bei Einwirkung der Gewalt z. B. auf den Hinterkopf. (Vergl. auch
v. Bergmann, Die Lehre von den Kopfverletzungen, pag. 209.)
Zu ähnlichen Schlüssen kamen Reich und v. Oettingen, speciell
für Schnssfracturen des Schädels. Vossius berichtet über einen Patienten,
der beim Turnen auf die Tubera ischii gefallen war und nach 3 Tagen
rechts fast vollständige Amaurose und Hemiparese zeigte. Letztere ging
zuruck, das Sehvermögen besserte sich etwas (nach 8 Mon. *%<>, grün und
roth verkannt). Die Papille zeigte atrophische Veränderungen. Vossius
nimmt deshalb, obwohl die sonstigen Hauptsymptome einer Basisfractur
fehlten, eine solche an mit Fortsetzung durch den Canal, opticus und
Bluterguss (Zehender’s Monatsblätter XXI. pag. 284). Schweigger
berichtet über eine 6 Tage anhaltende Amaurose nach Fall auf die Ober¬
kiefergegend (Archivf. Augenheilk. XIII. pag.244), Page, Denti, Hirsch¬
berg, Baas u. A. haben ähnliche interessante Beobachtungen veröffentlicht.
Letzterer hat einen sehr merkwürdigen Fall von Amaurose, infolge einer
ganz geringen Verletzung des linken oberen Augenlides, beschrieben.
(Zehender, XXII. pag. 280.)
Ein 54 Jahre alter Mann streifte den vorstehenden Zinken einer Gabel,
so dass eine oberflächliche strichförmige Abschürfung der Haut und eine
kleine Stichwunde im linken Oberlid entstand. Kein Schmerz, keine
Blutung. „Damit kein Staub hineinkomme" trug Patient 4 Tage lang
einen Verband, ohne einen Arzt aufzusuchen; als er dann den Verband
abnahm, constatirte er selbst vollständige Blindheit links. Er behauptete
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— 177 —
ganz bestimmt, früher hier so gut wie rechts geseheo zu haben. Baas
fand eine ganz kleine unbedeutende Narbe; sonst waren Lider, Sklera,
Hornhaut, vOtdere Kammer, Pupille, Iris — Alles, auch der Augenhintergrund
bis in die äusserste Peripherie, normal. Nach 3 Wochen wurde „hell
and dunkel“ wieder unterschieden. Ba&s betont mit Recht, dass man
in diesem Falle nicht einmal eine Erschütterung des Sehnerven resp. der
Netzhaut annehmen könne, welche mehrfach einen ähnlichen Symptomen-
complex herbeigeführt hat und fast immer durch diffuse milchweisse
Trübung der Netzhaut mit zahlreichen Blutungen auch ophthalmoskopisch
diagnosticirt werden konnte. An die räthselhafte Dupoy tren’sche Reflex¬
blindheit darf nur dann gedacht werden, wenn eine traumatische Neuralgie
des Supra- oder Infraorbitalis mit einer Sehstorung zugleich erscheint und
verschwindet (v. Bergmann, 1. c. pag. 33, Hoffmann, Hdb. d. gerichtl.
Medicin, pag. 424.)
Dass Beobachtungen, wie die vorstehend kurz referirten, gar nicht so selten
sind, ist ein Grund mehr, eine möglichst frühzeitige Augenuntersuchung
and Beobachtung auch bei geringeren Kopfverletzungen für mehr als nur
wÜDSchenswerth zu halten; und wenn auch bei den von mir angestellten
Untersuchungen mit jedem neuen Dutzend meine Hoffnungen auf einen
reichen Ertrag geringer, und die Zahl derer grösser wurde, welche „mit
blauem Auge“ davongekommen waren, so hat doch eine so grosse Reihe
von Untersuchungen immer einen gewissen Werth.
Ehe ich zur Besprechung der Fälle übergehe, möchte ich noch einiges,
für Augenunterauchungen bei Kopfverletzten Wichtige hervorheben.
Man beginnt — und muss häufig beginnen — mit der objectiven
Untersuchung, und zwar mit der Betrachtung und Betastung der Um¬
gebung der Augen. Schwellung, Verfärbung, Temperatur, Consistenz
(z. ß. Emphysem), locale Schmerzhaftigkeit und allgemeine Sensibilitäts¬
störungen. Gleichzeitig achten wir auf Ptosis, Lagophthalmus und auf
die Tension und Beweglichkeit des Augapfels. Sind zu Anfang die Lider
so geschwollen,*) dass sie nur mit einem Lidheber zu öffnen sind, dann
suchen wir uns bei möglichst schonender Anwendung eines solchen von
der Reaction der Pupille zu überzeugen; ist diese normal, dann sind wahr¬
scheinlich keine tiefergreifenden Veränderungen oder hochgradigen Seh¬
störungen vorhanden (vergl. Berlin, 1. c. pag. 580). Bei diesem kurzen
Einblick werden uns Bluterguss in die vordere Kammer und Sugillationen
*) Auch tief Bewusstlose kneifen zuweilen die Augen fest zusammen, wenn man
die Lider auseinanderziehen will; hierdurch sowie durch das „Fliehen“ der Augen
nach oben kann die Untersuchung recht erschwert werden.
13
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178
unter der Conjunct. bulbi auch nicht entgehen. Von den letzteren
wissen wir, dass sie, kurze Zeit nach der Verletzung und gleichzeitig
mit Lidsugillationen auftretend, die Diagnose einer directen Orbital-
wandfractur unterstützen, und dass sie, wenn ihr Erscheinen längere Zeit
nach der Verletzung dem der Lidsugillationen noch vorausgeht, zu den
Symptomen der Basisfractur mit Fortsetzung durch das Orbitaldach
gerechnet werden (Bardeleben, pag. 48, v. Bergmann, pag. 227). Das
sogen, „blaue Auge“, die Lidsugillationen allein haben bei Kopfverletzungen
nur dann Bedeutung, wenn sie indirect entstanden sind, wenn das Trauma
nicht das Auge selbst oder seine nächste Umgebung getroffen hat. Die
oberflächlichen und deshalb fast immer hellrothen, keilförmig oder wie
gespritzt aussehenden Blutergusse innerhalb der Conjunct. bulbi, wie sie
auch bei heftigem Husten, Niesen, Würgen etc. Vorkommen, haben an
und für sich keine Bedeutung. Sehr häufig finden wir, ausser der Lid¬
schwellung, den Augapfel vorgetrieben; der Grad der Protrusion lässt sich
io Ermangelung eines Exophthalmometers (Zehender) auch annähernd
bestimmen, wenn man einen Stab gegen den unteren Orbitalrand hält
und von der Seite her visirt, wie weit der Hornhautscheitel hervorragt.
Selbstverständlich muss dies des Vergleiches wegen auch auf dem anderen
Auge constatirt werden. Für die weitere diagnostische und prognostische
Beurtheiluog der Protrusion ist es wichtig, erstens, ob sie pulsirt, oder
ob pulsirende Geschwülste sich in ihrer Nähe befinden, und zweitens, ob
sie gleich oder erst längere Zeit nach der Kopfverletzung aufgetreten ist.
ln letzterem Falle nehmen wir an, dass ein Bluterguss an der Basis sich
durch die Fissurae orbitales in die Orbita fortbewegt hat Entsteht die
Protrusion gleich oder bald nach der Verletzung, dann ist sie durch
Blutung ans den retrobulbären Gefässen bedingt und pflegt auf Druck¬
verband bald zurückzugehen. Nur in sehr seltenen Fällen entsteht diese
Blutung im Fettpolster hinter dem Bulbus ohne Bruch der Orbitalwände,
freilich ist in solchen leichteren Fällen selten Gelegenheit zur Section
gegeben; Protrusion, Lid- und Bindehautsugillationen schwinden unter
geeigneter Behandlung; wir glauben oft einen Orbitalbruch ausschliessen
zu können, aber beweisen können wir sein Fehlen leider oder glücklicher¬
weise nicht (vergl. v. Bergmann, 1. c. pag. 226). Retrobulbäre Blut¬
ergüsse durch stumpfe Gewalt, welche nur den Bulbus traf, hat erst vor
Kurzem Morian experimentell hervorgerofen. (Langenbeck's Archiv,
Bd. 28 pag. 803.)
Eine Vordrängung des Augapfels, ein sogen. Glotzauge, kann auch
durch Emphysem in der Orbita bedingt sein, wenn die Siebbein zellen mit
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einer Orbita) wandfissur in Verbindung stehen. Das emphysematose Knistern
and die Verstärkung der Protrusion beim Niesen, Schneuzen, oder einem
dem Val8alratschen ähnlichen Versuch wurden die Diagnose erleichtern.
Ist das Emphysem auf Lidbaut und Umgebung beschränkt, dann beweist
es nur Durchgängigkeit der Lamin. papyr. (ganz vorne) oder Verletzung
.der vorderen Wand eines Sinus frontalis. Als fernere Ursachen für Pro¬
trusion des Augapfels sind noch zu berücksichtigen: venöse Stauung
(höchster Grad bei Erstickten), ferner Krampf des von Müller entdeckten,
vom Sympathicus innervirten Musculus orbito-ocularis (Hofmann, 1. c.
psg. 455, Jacobson,*) pag. 98), Raumbeschränkung in der Augenhöhle
durch abgebrochene Theile der Orbital wand, Lähmung sämmtlicher oder
doch aller vom Ooulimotoiius abhängigen Augenmuskeln, sogen, paraly¬
tischer Exophthalmus — alles Zustände, welche nicht selten nach Kopf¬
verletzungen beobachtet werden.
Von Luxationen (Avulsionen) des Augapfels können wir hier absehen;
finden wir einen traumatischen pulsirenden Exophthalmus, dann werden
wir, wenn er gleich nach der Verletzung mit starken Sugillationen an
Bulbus und Lidern auftrat, an ein Aneurysma spurium der Arter. ophthalm.
denken können, obgleich ein solches noch nie nachgewiesen und als
Ursache für den pulsirenden Exophthalmus gewiss sehr selten ist. In
den (weitaus) meisten Fällen zeigt sich die Pulsation erst später, nach
Wochen, Monaten. Nach den Forschungen von Sattler, Schläffke u. A.
(s. Sattler in Graefe-Saemisch, Bd. VI) hat sich dann ein Aneurysma
arterioso-veno8um durch Verletzung der Carotis int. im Sinns cavernos.
oder noch innerhalb des Felsenbeines im Canalis carotic. gebildet Die
Arterie kann gequetscht sein und später an der gequetschten Stelle bersten;
sie kann auch direct durch den verletzenden Gegenstand (Messer, lange
Nadel, Geschoss von der Orbita, von der Ohrgegend, vom Gaumen aus)
getroffen sein« Am häufigsten waren es Knochensplitter bei Basisbrüchen,
speciell solchen der mittleren Schädelgrube. Durch irgend einen günstigen
Zufall muss dabei der Riss im Gefäss recht klein geworden und geblieben
sein, sonst würde es wohl zu schnellem Tod, entweder sofort oder unter
rapide zunehmenden Druckerscheinnngen resp. Blutungen gekommen sein.
Zuweilen ist die Pulsation sichtbar; meist ist sie nur durch die aufgelegte
Hand wahrzunehmen. Später werden auch aus den kleinen Venen der
Orbita, der Lid- und Gesichtshaut, pulsirende Tumoren; die betreffende
Gesichtshälfte bekommt ein diffus hypertrophisches „varicose aneurismati-
*) Beziehungen der Krankheiten des Sehorgans zu pilgern. Leiden. Leipzig 1885.
13*
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180
cal tt Ansehen (Morton bei Sattler, pag. 873), so dass ein Bild furcht¬
barer Entstellung sich entwickeln kann. Bei Compression der entsprechenden
Carotis schwinden oder werden diese Schwellungen, sowie subjectiv and
objectiv an Orbita und Kopf wahrnehmbare, sehr verschieden beschriebene
Geräusche geringer. Sehr hantig sind dabei bleibende Lähmungen des
Abduce ns und vorübergehende Lähmungen anderer Augenmuskeln beobachtet.
Der übrige Tbeil der objectiven Untersuchung schliesst sich am
besten dieser Betrachtung und Betastung des Auges und seiner Umgebung
unmittelbar an, wenn nicht allzu pralle Lidschwellung es unmöglich macht.
Beweglichkeit und Sensibilität lassen sich natürlich nur feststellen, wenn
der Patient wenigstens etwas reagirt, dem vorgehaltenen Finger mit den
Augen folgen, sensible Veränderungen angeben kann.
Zunächst betrachten wir die Pupille; wenn auch geringe Verschieden¬
heiten zwischen rechts und links häufig bei Gesunden Vorkommen, so
lasst sich doch oft aus Ungleichheiten der Pupillen in Weite und Reaction
auf Sitz, Ausdehnung und Art der Kopfverletzung schliessen. Die Weite
resp. Enge, Mydriasis resp. Myosis der Pupille hangt, ob nun ein be¬
sonderer Dilatator existirt, oder nicht, vom Oculimotorius und Sympathicus
ab, so dass die Reizung des einen dieselben Symptome an der Pupille
hervorruft, wie Lähmung des anderen. Ist der Oculimotorius gelähmt,
dann ist die Pupille mittel weit und starr, reagirt weder auf Licht, noch
bei Convergenz resp. Accommodation. Eine solche, nur den Sphincter
iridis betreffend, finden wir öfters als einfach traumatische Lähmung bei
Contusion des Bulbus; Pupille mittelweit, starr; oder schief und auf Licht
reagirend bis auf die der Lähmung entsprechende erweiterte Stelle, wenn
die Contusion nur an beschränkter Stelle eingewirkt hat. Die Iris ist
dabei meist verfärbt, wenn man will, sugillirt; zuweilen treten auf ihr
kleine Blutstippchen zu Tage, zuweilen liegt ein Bluterguss in der vor¬
deren Kammer. Dabei kann der übrige Bulbus intact, das Sehvermögen
gut geblieben sein. Ausser der Lähmung des Oculimotorius nehmen wir
noch eine Reizung der Dilatationscentren (Sympathicus) an, wenn wir die
Pupille ad roaximum erweitert finden; bei Gehirnanämie nach starken
Blutverlusten, bei höheren Graden von traumatischem Hirndruck (Kuss-
maul-Tenner). Bei der traumatischen Meningitis ist das Verhalten der
Pupille unsicher und wechselnd; am häufigsten ist Myosis infolge ent¬
zündlicher Reizung des Oculimotorius; kommt es im späteren Verlaufe
zu Exsudaten, dann tritt wieder die Druck- event Lähmungs-Erweiterung
auf. Ausserdem sind dabei Hippus, zuckende Pupillen Veränderungen und
nystag musähnliche rollende Bewegungen der Augen beobachtet (v. Berg-
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181
mann, pag. 349, Jacobson, pag. 102). In einem derartigen Falle fiel mir
die Incougruenz io den Bewegungen beider Augen auf; das Zusammen¬
wirken der. beiderseitigen Augenmuskeln schien vollständig aufgehört zu
haben (Fall, Dobberberg, No. 98). Die Erweiterung der Pupille bei
Hautreizen (sehr deutlich bei Berührung der Nasenschleimhaut) scheint
aof sympathischen Fasern zu beruhen, welche im Trigeminus verlaufen,
im Oangl. Gassen, ciliare und intraocularen Ganglien entsprungen sind.
Facialis, Acustic., Glossoph. und Hypoglossus scheinen auch derartige
Fasern zu fuhren.
Fehlt an der Pupille die Reaction auf Licht bei vorhandener Ver¬
engerung anf Convergenz resp. Accommodation, dann hat nicht der
Oculimotorius, wohl aber die reflectorische Bahn zwischen ihm und der
Netzhaut gelitten, und wir haben die Ursache am Nerv, optic. zwischen
Chissma und Retina zu suchen. Verletzung eines Tractus hat auf dies
Verhalten der Pupille keinen Einfluss; Zerstörung des Chiasma bedingt
natürlich mittelweite, aufLicbtreiz nicht reagirende, bei Convergenz sich
verengernde Pupillen bei absoluter Amaurose auf beiden Augen. Zer¬
störungen hinter dem Chiasma, event. bis zu der jüngst sehr angefochtenen
Munk'schen Sehsphäre im Occipitallappen, müssten, ähnlich wie die Zer¬
störungen eines Tractus, wegen der Semidecussation im Chiasma, gleich¬
seitige Hemianopsie zur Folge haben, ohne Veränderung der Pupillar-
reaction, wenn man den Lichtreiz auf die empfindende Netzhauthälfte
einwirken lasst.
Die weitere Untersuchung hat sich bei focaler Beleuchtung mit der
Hornhaut, deren Sensibilität wir schon geprüft hatten, um event. auf
neuroparalytische Keratitis gefasst zu sein, mit der vorderen Kammer und
dem Irisgewebe (Blutungen, Zerreissungen, Dialysen) und schliesslich bei
ophthalmoskopischer Durchleuchtung mit Glaskörper und Augenhinter-
grund zu beschäftigen. Wir finden an diesen Theilen nach Kopfverletzungen
die Zeichen der verschiedenen Grade von Erschütterung, Blutung, Stauung
und früher oder später Entzündung mit dem häufigen Ausgang in Atrophie.
Hornhaut, vordere Kammer, Iris und Linse werden, wenn nicht das
Aoge selbst oder die nächste Umgebung getroffen ist, zu Anfaug kaum
deutliche Veränderungen zeigen. Die etwa im Glaskörper gefundenen
Blutungen fordern zu genauer Untersuchung der Aderhaut resp. Netzhaut
auf; sie senken sich zuweilen, bei Bewegungen ihren Platz ändernd, im
Glaskörper nieder und verursachen, wie Netzhautablösungen, eine Lücke
im Gesichtsfeld. Blutungen am Augenhintergrund mit weisslicher diffuser
Trübung der Netzhaut gelten für Symptome der Netzhauterscbütterung
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(Knapp, Archiv f. Aogenheiik. Bd. X. pag. 337, Berlin, Zehender’s
Monateblätter, 1873 pag. 42—78, Leber, Graefe-Saemisch V. pag. 747,
Hir8chberg, Berl. klin. Wocbenschr. 1875 No. 22 u. 8. w.). Die Blut-
extravasate allein, welche oft vollständig wieder verschwinden, nachdem
sie eine Zeit lang weiss, wie Locher, in denen die Sklera freilag, aus-
gesehen hatten, lassen das Sehvermögen, wenn sie nicht die Macala ein¬
nehmen, ganz intact. Stannngserscheinnngen am Angenhintergrond, also
enge Arterien, weite geschlängelte, oft schwarze Venen, machen, wenn
sie nicht za hochgradig sind, anfangs auch keine Sehstörong; früher oder
später treten aber doch Ernährungsstörungen auf, die Linse kann cataractos
werden (Michel, „Das Verhalten des Auges bei Störungen im Circulations-
gebiete der Carotis* in den Beiträgen zur Ophthalmologie, Wiesbaden 1881),
Sehnerv und Netzhaut können, mit oder ohne dazwischenliegende ent¬
zündliche Erscheinungen, mit oder ohne Stauungspapille, atrophisch werden.
Einfache, nicht plötzlich entstandene, nicht zu hochgradige Stauung kann
Monate lang bestehen, ohne das Sehvermögen zu schädigen. Ist die
Stauung freilich so, dass der Augenhintergrund das Bild einer Embolie
der Arteria centralis retinae darbietet, dann ist sofortige Blindheit nächste,
und bleibende Blindheit durch Atrophie die weitere Folge, weil bei
Kopfverletzungen die Ursachen dieser absoluten Stauungen, ausgedehnte
Blutungen intracraniell, oder in der Sehnervenscheide, oder sehr grosse
retrobulbäre Blutungen zu häufig mit Verletzung des Nerven selbst ver¬
bunden sind. Einer Zerreissung desselben folgt natürlich unfehlbar die
Atrophie, und zwar zuweilen, ohne dass anfangs Papille und Netzhaut
überhaupt Veränderungen gezeigt hätten. So finden wir, wenn die Zer¬
quetschung, Zerreissung, Durchschueidung des Nervus opticus hinter der
Stelle des Eintritte der Centralgefässe (12—15 mm hinter dem Bulbus)
stattfand, sofortige bleibende Amaurose, anfangs ohne Befund; später,
meist nach drei Wochen, mit dem der Atroph, nerv, optici bei normalen
Gefässen (vergl. Denti, Ref. im Archiv f. Augenheilkunde XIII. pag. 525;
HirBchberg, Centralbl. f. prakt. Augenheilk. VIII. pag. 212; Leber im
Handb. von Graefe-Saemisch; Vossius, Zehender’s Monateblätter
XXI. pag. 282; 8. u. Fall Hofmann (No. 21); Aschmann, Beitr. zu der
Lehre von den Wanden de9 Sehnerven, Inaug.-Dissert. Zürich 1885, u. s.w.).
Eine Zerreissung vor dieser Stelle liefert wieder das Bild einer Embolie
der Centralis und sehr bald Trübung und Atrophie.
Die functioneile Untersuchung ist oft gar nicht möglich; sei es, dass
die Patienten aus der Bewusstlosigkeit nicht wieder erwachen, sei es,
dass sie längere Zeit unfähig sind, brauchbare Angaben zu machen.
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183
Wenn sie erwachen und eine Sehstörung angeben, dann bleibt es unge¬
wiss, ob dieselbe in unmittelbarem Anschluss an die Kopfverletzung oder
allmälig während der Bewusstlosigkeit entstanden war.
Die Untersuchung selbst geschieht in der bekannten Weise mit be¬
sonderer Berücksichtigung des Gesichtsfeldes und der Farbenerkennung
event der Drnckempfindlichkeit der Netzhaut (Fhosphens). Sie muss in
zweifelhaften Fällen öfter wiederholt werden, immer zugleich mit der ob-
jectiven Untersuchung, damit auch später auftretende, auf entzündlichen
Veränderungen beruhende Sehstörungen uns nicht entgehen.
Das letzte entscheidende Wort über die Entstehungsweise von Ano¬
malien des Sehorgans bei Kopfverletzungen, oft auch bei solchen, welche
eine objective und functionelle Untersuchung zuliessen, spricht die Section.
Diese ist einzige Quelle der Kenntniss in den häufigen Fällen, in denen
der Tod ein trat, ohne dass eine genauere Untersuchung möglich war.
Der Vertreter der pathologischen Anatomie wird uns seine werthvolle
Hilfe dabei oft versagen müssen, weil es sich in den weitaus meisten
Fällen um gerichtliche Sectionen handelt; hier tritt der Gerichtsarzt für
ihn ein, und wie wesentlich ein solcher zur Klärung dieser oft schwierigen
Beziehungen beitragen kann, das beweisen die grossartigen Leistungen
Hölder’s.
In meiner Liste befinden sich 99 Männer und 8 Frauen; alle zur
Aufnahme gelangenden Kopfverletzungen zu untersuchen, war äusserer
Umstände wegeu nicht möglich, doch wird das obige Verhältnis auch
im Allgemeinen zutreffend sein. Während unter den Frauen eine durch
Unfall und sechs durch activen Eingriff anderer Personen Verletzte und
ein Selbstmordversuch sich befinden, ist das Verhältnis bei den Männern
so, dass auf 41 Schlägereien der verschiedensten Art 58 anderweitige
Verletzungen kommen. Unter diesen sind wieder 23 gewerbliche Ver¬
letzungen (Fall vom Baugerüst, Verschüttetwerden u. s. w.), mehrere
Ueberfahrene (eine Eisenbahn Verletzung), vier im epileptischen Anfall
Verletzte, vier Selbstmordversuche (zweimal durch Schuss, Gutheri No. 2
and Tornau No. 99; einmal Sprung ins Wasser, All stein No. 65, ein¬
mal Sprung aus dem Fenster (drei Etagen), Faulhaber No. 32). Mit
Erysipel wurden drei Patienten aufgenommen (No. 4, 17, 3 [Frau]); nur
einer (No. 56) bekam Erysipel, nachdem er acht Tage auf der Abtheilung
gelegen hatte; ein sehr günstiges Verhältnis, wenn man bedenkt, wie
viele wirklich schauderhaft vernachlässigte Wunden, vorgeschrittene Phleg¬
monen und Erysipele zur Aufnahme gelangen.
In einem Falle (Petigk No. 9) war überhaupt eine Untersuchung
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nicht möglich, weil der Patient, in der Nacht anfgenommen, schon nach
einigen Standen starb. In sieben Fällen konnte, oft mit vieler Mähe,
wohl eine objective, aber keine functioneile Prüfung vorgenommen werden
(Fall Gutheri No. 2, Schlotte No. 46, Blumenreich No. 47, Dobber¬
berg No. 98, Faulhaber No. 32, Friese No. 15, Allstein No. 65, die
beiden letzteren waren zu schwachsinnig, die anderen bis zum Tode be¬
wusstlos, oder, wie Faulhaber, geisteskrank). Gestorben sind Gutheri,
Schlotte, Blumenreich, Dobberberg, Faolhaber, Petigk, also
sechs. Die Obductionen waren sämmtlich gerichtlich, mit Ausnahme der
von Gutheri ond Dobberberg.
Die weitere Betrachtung unserer langen Liste ergab erstens die be¬
kannte Thatsache, dass das Gros der Eopfverletzten, wie schon anfangs
betont, mit blauem Auge davon kommt; zweitens aber, dass wir bei an¬
scheinend geringen Verletzungen Veränderungen am Sehorgan finden,
welche wir wieder vergebens suchen in manchen anscheinend recht
schweren Fällen. Fall 95 (Jordan) zeigt uns Netzhautblutungen in der
Peripherie ohne Sehstorung nnd spurlos vorübergehend, ohne die sonst
bei Netzhauterschütterung beobachtete milchweisse Trübung bei einer
oberflächlichen Quetschwunde; p. Jordan war sonst vollkommen ge¬
sund. Einen ähnlichen, noch geringeren Befund (eine kleine Blutung
in der Nähe der Papille) bei voller S zeigte Fall 62 (Hirscher). Das
Bild einer sehr schweren Verletzung bot Frau Couball (No. 8) dar; es
war ihr ein Wagen über den Kopf gefahren, sie war bewusstlos, stöhnend
eingeliefert Der Schädel mit Stirn und Augengegend war durch einen
colossalen Bluterguss aufgetrieben wie ein Kürbiss; die untere Gesichts¬
hälfte hing wie ein kleiner Fortsatz an dieser unförmlichen Masse. Die
Kranke erwachte und konnte nicht hören und nicht sprechen; es zeigte
sich aber später, dass dies nicht Folge des Unfalles, sondern dass um¬
gekehrt der Unfall Folge ihrer Taubstummheit war. ln einigen Tagen
schwollen die Lider ab, die Conj. bulbi et palp. war beiderseits frei von
Sugillation. Es bestand Emmetr., volle S, ophth. keine Abnormitäten. Im
weiteren Verlaufe wurde, da es unsicher war, ob das vorhandene Fieber
allein der Resorption des grossen Blutergusses zuzuschreiben war, unter
antiseptischen Cautelen geöffnet und eine grosse Menge serös-blutiger Flüssig¬
keit mit grossen Blutklumpen entleert. Es erfolgte vollständige Heilung.
Directe Verletzungen des Bulbus waren dreimal vorgekommen:
1) Zerquetschung des linken Bulbus durch Stoss mit einem Schirm; dieser
hatte, wie sich bei der Enucleation zeigte, die obere Orbital wand ge-
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troffen, entblösst, aber nicht zerbrochen (für die Prognose wichtig!)*)
(Fall 90, Thon).
2) Fauatschlag gegen das rechte Ange; die Sklera zeigte einen (noch
tod Conjonctiva bedeckten) Spalt, der mehr als die Hälfte der Hornhant
umgab; Bulbus stark gespannt, vordere Kammer mit Blut dicht angefüllt,
kleinste Flamme wurde erkannt, die Projection war aber unsicher. Das
unvermeidliche Resultat war Phthisis bulbi nach chron. Entzündung.**)
(Linkes Auge Hornhautnarben, Frau Kloschinska, No. 7.)
3) Contusion des Oberkiefers, Jochbeins und Bulbus links; Patient
war im Dunkeln gegen die Kante eines Brettes gerannt. Hier hatte der
untere Orbitalrand, welcher sehr schmerzhaft war, aber eine Fractur
nicht deutlich erkennen liess, die Gewalt des Stosses aufgehalten und
den Bulbus soweit beschützt, dass er, ausser starken Sugillationen in
seiner unteren Hälfte, nur eine Lähmung des Sphincter iridis mit Ver¬
färbung und kleinen Blutpünktchen an der Iris zeigte; im Uebrigen war
der Bulbus und das Sehvermögen bis auf die aufgehobene Accommo-
dation intact (Fall 78, Brauer).
Am 21. XI. war die linke Pupille noch etwas weiter, reagirte aber
wieder, ermüdete noch leicht (Patient konnte noch nicht lange lesen),
ophth. Alles normal. Sugillationen verfärbten sich. Es erfolgte in kurzer
Zeit vollständige Heilung.
Wir haben auch einen jener interessanten Fälle von Zerquetschung
des Sehnerven in der Orbita und hinter der Eintrittsstelle der Centralgefässe
zu verzeichnen (Fall 21, Hofmann). Mit starkem Glotzauge rechts und
einer kleinen nicht blutenden Wunde am rechten Innenwinkel, geringen
Schmerzen kam Patient zur Abtbeilung. Er war — und ist es geblieben —
absolut blind, während er vorher rechts gut sah (eine kleine oberflächliche
nicht centrale Hornhauttrübung wird wenig genirt haben). Bulbus un¬
beweglich, Pupille mittel weit, reactionslos. In ca. 8 Tagen functionirten
die Muskeln wieder, die Pupille reagirte bei Convergenz, nicht auf Licht¬
reiz. Dabei ophth. zuerst enge Arterien, weite geschlängelte Venen. Die
Protrusion verlor sich auf Druckverband in einigen Tagen, zugleich
schwanden die Stauungserscheinungen. Jetzt, nach 8 Monaten, R. Pup. — L.
bei mittlerer Beleuchtung, Bulbus frei beweglich, ophth. Atrophia opt.,
Arterien und Venen eng, Papille blassgrünlich und scharfrandig. Ab-
*) Bulbus war ein schlaffer Sack mit einer vorderen von der zerplatzten Horn¬
haut umgebenen und einer oberen Oeffnung. *
**) Zu Anfang starke Protrusion, vielleicht hier retrobulbärer Bluterguss ohne
Fractur an der Orbita!
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solate Amaurose. Die rechte Papille re&girt bei Convergenz and bei
Beleachtang des anderen Auges, sonst nicht
Die Schassverletzang des Oaamens (Fall 99, Tornan) mit nach¬
folgenden multiplen Lähmungen (im Gebiete des 3., 4., 6., 7. and 8. Basal¬
nerven) and pulsirendem Exophthalmus wird an anderer Stelle genauer
beschrieben werden. Hier sei nur erwähnt, dass in diesem Falle eine
Schuss Verletzung der Basis wahrscheinlich ohne Läsion (indir. Brach)
des Canalis optic. und des Orbitaldaches vorliegt, wie das lange lotact-
bleiben des Opticus und das Fehlen jeglicher Sugillatiouen an den Augen
annehmen lassen. Freilich war ein Revolver mit nur 7 mm Galiber be¬
nutzt. Der Patient befindet sich noch iu Behandlung, es geht ihm sehr
viel besser, so dass man vielleicht hoffen darf, eine Heilung durch Com-
pression und ohne Unterbindung der Car. comm. zu erreichen.
In die folgende Liste sind nur die uns specieller interessirenden
Fälle aufgenommen; die 4 Epileptiker und die 4 mit Erysipelas boten
ophthalmologisch nichts Bemerkenswertes; fortgelassen habe ich auch
die grosse Zahl leichterer Verletzungen, bei denen nichts gefunden wurde,
sowie eine Anzahl schwererer Verletzungen ohne Befund. Die im Vor¬
stehenden. beschriebenen Fälle sind in der Liste nur kurz erwähnt. Die
an verschiedenen Stellen angeführten Nummern beziehen sich nicht auf
die folgende kleine, sondern auf die des Raumes wegen nur auszugsweise
wiedergegebene Gesammtliste.
Faulhaber,*) Schriftsteller, 41 J., 19. IX. 84, + 5. X. 84. Sturz
aus dem Fenster (3 Etagen). Geisteskrank. Multiple Fracturen an den
Extremitäten, Fractur der Nasenbeine, Quetschwunde an der Stirn. Starke
Sugillationen an den Lidern. Keine Druckerscheinungen.
S nicht zu untersuchen, ophth. auch schwer; nichts Abnormes.
Section gerichtlich.
Thon, Schlächter, 20 J., 14. 1. 85, 29. I. geh. Stoss mit Schirm
ins linke Auge, Zerquetschung des Bulbus, Enucleation (s. o. pag. 185).
Matzutt, Knecht, 26 J., 17. I. 85, 26. I. geh. Fall von der Leiter
auf den Hinterkopf (gefrorener Boden), Schwindelgefuhl, Blut aus dem
rechten Ohr, starkes Brummen im Kopf, ist 2 Tage lang fast taub, hört
in 4 Tagen wieder normal. Puls und Respiration normal. S u. ophth. normal.
Hofmann, Bäcker, 21 J., 7. III. 85, 26. III. geb. a. W. Verletzung
mit einem Schirm am rechten innern Augenwinkel. Ruptura nervi optici
# ) Von den beiden neben einander stehenden Daten ist das erste immer das
der Aufnahme, das zweite das der Entlassung resp. des Todes.
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(8.o. pag. 185). Spater Atrophie, (ln der Sitzung der militärärztl. Gesellscb.
vom 21. XI. 85 vorgestellt)
Gutheri, Kfm., 31 J., 20. V. 85, 23. V. f. Suicid. Schuss durch die
rechte Schlafe ins Gehirn, Ausfluss von Hirnsubstanz. Puls frequent,
unregelmässig. Athmung stertoros, Bewusstlosigkeit. Nach 2 Tagen Delirien.
Pupillen ad max. verengt, reactionslos; S nicht zu untersuchen, ophth. auch
schwer, nichts Abnormes gefunden.
Section: Haemorrh. extra, intra et intermeningealis, Encephalomalacia
rubra.
Petigk, Arbeiter, 25. VI. 85. Fall von der Treppe. Bewusstlosigkeit, Blut
aus Mund und rechtem Ohr. Keine Lähmung, Contracturen, keine Druck-
erscheinungen. + 2 Stunden nach der Aufnahme, deshalb nicht ophth.
untersucht
Section gerichtlich.
Tornau, Malerlehrling, 20 J., 5. VI. 85. Schuss mit 7 mm Revolver
in den Mund. Pulsir. Exophth. (s. o. pag. 186).
Hirscher, Hausdiener, 25 J., 26. VII. 85, 3. VIII. geh. Schlag mit
Bierseidel, so dass es zerbrach; keine Hirnerscheinungen. Quetschwunde
an dem rechten Scheitelbein, Knochen intact. Emmetr., volle S, ophth.
oben innen von der rechten Papille eine kleine Blutung (in einigen Tagen
schwindend), sonst normal. (Gfr. pag. 184.)
Jordan, Schlosser, 55 J., 27. VII. 85, 5. VIII. geh. a. W. Fall auf
Steine, keine Hirnerscheinungen. Quetschwunde über dem linken Auge,
Knochen intact. Lider stark sugillirt. S beiderseits **/ 3 o (kleine alte Horn¬
hauttrübung). Links zahlreiche kleine Blutungen in der Peripherie, nament¬
lich oben innen. Rechts normal. Am Entlassungstage: Flecke sehr spärlich,
8 dieselbe, Farben richtig. (Gfr. pag. 184.)
Schlotte, Kfm., 29 J., 14. IX. 85, 13. X. f. Eisenbahnverletzung,
confu8e Angaben. Multiple Fracturen (colli fern, sin., coct. X dextr., proc.
spinös, vertebr. dors. X), Pleuropneumonie. Quetschwunde am Hinter¬
kopf, Knochen intact. S nicht zu untersuchen, ophth. normal.
Section gerichtlich.
Rüssel, Arbeiter, 49 J., 29. IX. 85. Fall ca. 1 Etage, keine Hirn¬
erscheinungen. Sofort Schiefheit des Kopfes, Steifigkeit, Schmerzen, Pro¬
minenz im Schlunde (Fractur des Atlas).
Hyperopsie ca. */§, S 15 / 3 o, ophth. Astigm., sonst normal (1., 4. X. u.
19. XI. untersucht).
Blumenreich, Kfm., 48 J. 85, 17. X., 19. X. f* Von einer Droschke
überfahren. Bewusstlosigkeit, Erbrechen. Am 18. früh schon 39,0, Respir.40,
Puls 86 voll. Blut aus den Ohren. Pupillen sehr eng, reactionslos.
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S nicht festzustellen. Ophth. links zahlreiche Glaskörper- and
Netzhautbiotangen. Papille hochroth, nicht geschwollen. Rechts Stau¬
ungspapille, keine Blutungen, Lider und Bulbi ohne Sugillatiooen.
Schulte, Arbeiter, 31 J., 26. X. 85, 21. XI. geh. Fall auf Strasse,
keine Bewusstlosigkeit, Blut aus Nase und rechtem Ohr. Sugillirt nur Lider.
Vom 3.—8. XI. Reizungserscbeinungen, grosse Unruhe, frequenter Puls,
Fieber, Unbesinnlichkeit etc. Ophth. hyperäm. Papillen, sonst normal.
S 1& /so 9 Emmetr. (gleich nach dem Fall und hei der Entlassung). Untersucht
am 28. X., 7. XL, 17. XI.
Brauer, Lacksieder, 39 J., 15. XI. 85. Stoss mit dem Gesicht gegen
die Kante eines Brettes (s. o. pag. 185).
Dobberberg, 18. XI. 85,20. XI. +. Fall von der Treppe, bewusst¬
los eingeliefert und geblieben; Blut aus Nase und linkem Ohr, kleine Sogil-
lationen an beiden inneren Augenwinkeln und am linken Bulbus. Am 19. XI.
schon 38,0, Puls 120—140, keine Lähmung, Contracturen unsicher.
S nicht zu bestimmen. Rollende, ganz incongruente Augenbewegungen;
rechte Pupille etwas weiter als links, trage Reaction. Ophth. nur mit
Elevateur möglich: keine Stauungspapille, keine Blutungen; aber Arterien
und Venen eng, der ganze Augenhintergrund weisslich (rechts); links
flieht das Auge so nach oben, dass eine Untersuchung nicht möglich ist.
Section ergiebt Schädelfractur, und zwar ist die Basis durch eine
grosse Zahl Fissuren fast zersplittert; eine Spalte geht durch das rechte
Orbitaldach bis zur Lam. cribrosa. Sehnervenscheide intact, von Blot aus¬
gedehnt, am Bulbus am meisten (fast ampullenartig). Blutergüsse im
Fettgewebe hinter dem Bulbus. (Cfr. pag. 181.)
Von den Frauen sind Kloschinska (s. o. pag. 185) und Co'uball
(8. o. pag. 184) schon beschrieben; die übrigen hatten nur leichtere Ver¬
letzungen und normale S bei normalem ophthalmoskopischen Befund.
Ein Fall von Aktinomykosis bei einem Soldaten.
Mitgetheilt von Dr. Winter,
Stabs- and Bataillons-Arzt des 1. Bataillons 6. Westfälischen Infanterie-Regiments No. 56 in Soest.
Bei meiner Rückkehr vom letzten Manöver fand ich am 17. September
im Garnison - Lazareth den Ulanen Rafflenbeul des 5. Westfälischen
Ulanen-Regiments vor, welcher vor fünf Tagen von der manövrirenden
Truppe dorthin geschickt war. Im rechten äusseren Gehörgang des wenig
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kräftigen Menschen wucherten polypöse Granulationen mit geringfügiger
Eiterabsonderung. Zwischen der Ohrmuschel und dem Warzenfortsatz
befand sich eine Incisionswunde mit ebenfalls geringer Eiterabsonderung.
Beide Ulcerationen communicirten miteinander. — Sonst keine Compli-
cationen, der Warzenfortsatz nicht geschwollen, auch nicht besonders
empfindlich.
Die Anamnese betreffend, so mag hier gleich Alles angeführt werden,
was Patient bei den spateren genaueren Recherchen angab. Danach hat
er früher am Ohre noch nicht gelitten und will Mitte August 1885 zuerst
Ton Sehmerzen in der Gegend des rechten Unterkieferwinkels befallen
sein. Infolge dessen habe er den Mund nicht gut öffnen können. Zahn¬
geschwüre oder sonstige Erkrankungen der Kiefer stellte er in Abrede.
Bald hatten sich auch Schmerzen im rechten Ohre eingestellt, doch wäre
bei der im Revier erfolgenden Untersuchung nichts Krankhaftes gefunden
worden. — Patient rückte zum Manöver mit aus und soll sich nun am
7. resp. 8. September „ein Geschwür im Ohre von selbst geöffnet“ haben.
Die zugleich entstandene schmerzhafte Schwellung hinter dem Ohre sei
am 11. September incidirt und Patient am folgenden Tage nach Soest
geschickt worden.
Es zeigte sich nun alsbald eine beträchtliche Neigung zur Eitersenkung
resp. Fistelbildung am Halse. Obwohl sofort stets Gegenöffnungen an
den tiefsten Stellen gemacht wurden, breitete sich allmalig über die ganze
rechte Halsseite eine starke Schwellung mit massiger Röthung aus, nach
onten bis zum Schlüsselbein, nach links bis zum Kehlkopf. Dabei war
die Schwellung zum grössten Theil bedingt durch ein derbes Infiltrat im
Unterhautgewebe. Das Gesicht war ganz nach links gewendet, im Ge¬
biete der rechten Jugularvenen deutliche Stauung, sowohl im Gesicht als
in der Mundhöhle. An mehreren Stellen bildeten sich fluctuirende Stellen,
deren Incision aber nur theil weise Eiter lieferte, theil weise ein stark
blutendes Granulationsgewebe.
Patient magerte bei allabendlichem massigen Fieber (38,5 bis 38,8)
ab, hatte indessen stets guten Appetit und bekam selbstverständlich
stärkende Kost Trotz häufiger Incisionen absolut keine Neigung zur
Heilung, die Eiterung blieb stets unbedeutend, aus den Fistelöffnungen
wucherten üppige glasige Granulationen hervor.
Dieser Verlauf war ganz unverständlich. Keinerlei Dyscrasie lag
bei R. vor, keine Lymphdrüse war geschwollen, die Lungen gesund. Der
Warzenfortsatz war entschieden nicht betheiligt.
Da die Fistelgänge ziemlich unregelmässig verliefen, theilweise direct
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in die Tiefe, so wurden nur einzelne oberflächlichere Gänge gespalten
und das Granulationsgewebe durch Auflegen von Watte zerstört, die
längere Zeit in einer Mischung von Liq. Ferri und Aq. destillata aa. ge¬
legen hatte. Der Erfolg war jedesmal ein vortrefflicher, die Granulationen
hätten durch Auskratzen nicht besser entfernt werden können, aber sie
waren in einigen Tagen stets in alter Starke wieder da. So schlich die
Zellgewebsentzündung bis zum linken Kopfnicker und Brustbein, während
nach hinten eine vom Warzenfortsatz gezogene Verticale die Grenze
bildete. Vor dem Kehlkopfe bildete sich ein gut wallnussgrosser Abseess.
Da erinnerte ich mich, in verschiedenen Journalen über Akünomykose
gelesen zu haben. Ich suchte und fand darüber mehrfache kürzere
Referate, die genügten, den Verdacht der aktinomykotischen Natur der
vorliegenden Zellgewebsentzündung zu bestärken. Ich fand auch sofpyt
in dem spärlichen Eiter, der sich aus jeder einzelnen der bereits be¬
stehenden Fistelöffnungen hervordrücken liess, die charakteristischen, meist
gries- bis hirsekorngrossen, grünlichen, bräunlichen oder gelblichen Kör¬
per von schmieriger Consistenz, doch immerhin so derb, dass sie sich
leicht isoliren Hessen. Jedes Korn zeigte sich umhüllt von einer kleinen
Eiterschicht und dann zusammengesetzt aus kleineren Kügelchen nach
Art einer Brombeere.
Diese letzteren Kügelchen nun waren, wie das Mikroskop darthat,
aus lauter winzigkleinen kugeligen Drusen gebildet, und jede Druse endlich
liess schon bei schwächeren Vergrösserungen (Seibert III Ocul. II) die
alleinige Zusammensetzung aus Pilzfaden erkennen. Besonders an etwas
plattgedrückten Körnern sieht man aus dem Centrum einer Druse ein
äusserst dichtes Geflecht von Fäden nach allen Punkten der Oberfläche
laufen. Gegen die Peripherie sind die Fäden etwas geschlängelt. Am
schönsten präsentiren sie sich mit Seibert V Ocul. II. Man erkennt
dann an abgequetscbten Stückchen eine reiche, scheinbar dichotomische
Verästelung der Fäden und bei noch stärkerer Vergrösserung (Homog.
Immers v.» Ocul. II), dass sie keine glatten Conturen haben, sondern
rauh sind, wie mit zahllosen kleinen Emergenzen resp. mit Detritus
gleichmässig besetzt. Auf Aetherzusatz blieben die Fäden völlig unver¬
ändert.
Dass hier der Strahlenpilz — Actinomyces — vorlag, konnte bei
der ausgezeichnet strahligen Anordnung der Fäden nicht mehr gut
zweifelhaft sein, und dass dieselben nicht von aussen während der Be¬
handlung in die Fistelöffnungen gelangt sein konnten, dafür leistete die
streng antiseptische Behandlung Bürgschaft. Dazu konnte gerade der
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frische Abscess vor dem Kehlkopf geöffnet werden, welcher einen guten
Esslöffel voll Eiter mit zahlreichen Pilzkörnchen lieferte. Ich sandte einen
Theil desselben umgebend nach Bonn an den Herrn Professor Ribbert,
welcher mir sehr bald mittheilte, dass unzweifelhaft ein Fall von Aktino-
Eijkosis Vorlage.
Eins war auch mir sofort aufgefallen, dass nämlich den Pilzfaden
die von Ponfick und Israel beschriebenen charakteristischen keulen¬
förmigen Endstücke fehlten. Doch konnte es auch nicht zweifelhaft
sein, dass die vorliegenden Pilzgenerationen wie überhaupt der ganze
Fall relativ noch sehr jungen Datums waren, während die von Ponfick
und Israel mitgetheilten Fälle sehr viel älter waren, in denen die Pilze
ihre Gesammtentwickelung wohl vollendet hatten. Ganz fehlten übrigens
die Keulen doch nicht, einzelne fanden sich schon in frischen Präparaten.
Als ich dann zufällig etwas Eiter im Uhrglase vier Tage an einem
massig kühlen Ort batte stehen lassen, fand ich die Pilzdrusen fast dicht
besetzt mit kleinen Keulen, eben den Endstücken der Fäden. Also hatten
sie sich wahrscheinlich noch nachträglich entwickelt.
Uebrigens muss hier auf die Beschreibung des Formenreichthums des
Strahlenpilzes hingewiesen werden, die J. Israel in seiner Monographie
„Die Aktinomykose des Menschen, Berlin 1885“ am Schlüsse der mit¬
getheilten Fälle giebt. Dort findet sich genau die Form ohne Keulen
erwähnt, wie sie in unserem Falle sich präsentirte.
Was nun zunächst den weiteren Verlauf des Falles betrifft, so war
mit der richtigen Diagnose ja auch die Erkenntniss gewonnen worden,
dass möglichst schnell die Pilze zerstört werden mussten, um Heilung zq
erzielen. Die in der Monographie Israel’s aufgeführten Fälle Hessen
allerdings die Prognose nicht besonders günstig stellen, denn die Actino-
roycesknoten durchwachsen und zerstören genau wie die bekannten
malignen Neubildungen alle entgegen stehenden Gewebe ohne jede ana¬
tomische Grenze.
Operativ konnte nicht mehr viel gemacht werden, denn die Fistel-
gange verliefen in zu beträchtliche Tiefen; so gelangte die Sonde von
der ersten Incisionsöffnung hinter dem Ohr fast 10 cm schräg nach unten
und vorn gegen das Brustbein und war hier der Knopf nicht durchzufühlen.
Dazu blutete das Granulationsgewebe, welches mitunter ein gelbgesprenkeltes
Ansehen hatte, meist recht intensiv. Deshalb wurde zunächst versucht,
mit etwas gewaltsamen Durchspritzungen von fünfprocentiger Carbollösung
durch das fistulöse Gewebe die Pilzmassen zu tödten; der Erfolg war
nicht bedeutend, doch immerhin sichtbar. Der Process breitete sich nicht
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weiter Dach der Fläche aas, die ödematöse Schwellung nahm ab, während
die derbe schwartige Infiltration eines grossen Theils der rechten Hals¬
seite blieb. Die Pilzkorner verringerten sich an Menge. Innerlich erhielt
Patient Sol. Fowleri. Er erholte sich entschieden, das Fieber schwand
völlig.
Anfang November wurden nun Sublimat-Durchspritzungen gemacht
(1,0 :1000,0) und zwar mit allerbestem Erfolge. Bereits nach acht Tagen
war jedes Pilzkorn in dem sparsamen Eiter der vielen Gänge geschwunden
und konnte seitdem auch keine mehr ans Tageslicht befördert werden.
Damit begann dann auch endlich die Vernarbung der Fisteln, und war
dieselbe nach vierzehn Tagen vollendet. Der Kopf konnte ziemlich gerade
getragen werden, doch restirte noch immer die derbe Infiltration des
Unterhautgewebes in ca. handtellergrosser Ausdehnung an der rechten
Seite des Halses. Patient wurde am 21. November seinem Truppentheil
nach Düsseldorf als vorläufig geheilt überwiesen.
Dass die Heilung eine dauernde sein sollte, ist kaum anzunehmen,
denn nach Israel werden gerade die schwartigen Gewebsmassen von
den Pilzrasen durchsetzt, welche sich dann von hier aus langsam weiter
verbreiten. Der Verlauf der Aktinom^kose ist ja ein äusserst chronischer
und erstreckt sich oft über mehrere resp. viele Jahre. Eine gründliche
operative Entfernung der erkrankten Theile wäre jedenfalls indicirt ge¬
wesen, wenn sich die Ausbreitung des Processes hätte jeder Zeit über¬
sehen lassen. Man hätte aber mindestens die Zeit der acuteren Ent¬
zündung vorübergehen lassen müssen, um dann einen grossen Theil der
Haut und Weichtheile der rechten Halsseite bis in unbestimmbare Tiefen
heraus zu präpariren. — Vielleicht wird später ein operatives Eingreifen
noch erforderlich.
Noch eine Frage bliebe zu erörtern, die der Infectionsquelle.
Nach Israel sind die Fälle von Gesichts- resp. Halsaktinomykose
wohl immer auf eine Infection von der Mundhöhle aus zurückzuführen,
und zwar am häufigsten von einem cariösen Zahn aus resp. von einem
entzündlichen Herd des Pharynx oder der Tonsillen. Auch unser Patient
hatte rechts hinten unten zwei tief cariöse Backenzähne, und da er ausser¬
dem angab, bereits längere Zeit vor dem Auftreten des Processes im
Ohre Schmerzen am rechten Unterkieferwinkel, Beschwerden, den Mund
zu öffnen etc. gehabt zu haben, so liegt es nahe, auch in diesem Falle
an eine Infection vom Munde resp. von den Zähnen aus zu denken.
Allerdings stellte Patient jedes entzündliche Leiden in der Mundhöhle
bestimmt in Abrede; ich konnte in den hohlen Zähnen den Strahlenpilz
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nicht nachweisen, doch spricht dies ebensowenig gegen eine solche In-
feetion wie die zur Zeit gesunde Nachbarschaft der kranken Zahne. Die
Krankheit ist entschieden von grossem Interesse und erlaube ich mir
noch besonders auf die mehrfach genannte Monographie Israelis hin-
raweisen.
Referate und Kritiken.
Ueber die Beziehung der Mikroorganismen zur Eiterung.
(Aus dem Laboratorium der II. medicinischen Klinik zu Berlin.) Ge¬
krönte Preisarbeit von Georg Klempener, cand. med. (mit zwei Zeich¬
nungen).
Verf. ist es in Uebereinstimmung mit Straus (Comptes rendus heb-
dom. des seances de la Societe de biologie, Sitzg. vom 15. Dec. 1883,
S. 651) und Scheuerlen (Archiv f. klin. Chirurgie, Bd. 32, H. 2, S. 5C0)
gelungen, die in letzter Zeit viel discutirte, aber in widersprechendem
Sinne beantwortete, wichtige Frage: „Giebt es Eiterungen ohne Inter¬
vention von Mikroorganismen ? a durch eine überaus fleissige Experimental¬
arbeit endgültig zum Abschluss zu bringen.
Er bediente sich zu seinen Versuchen in Kürze folgenden Verfahrens:
Von der in Handtellergrösse geschorenen und rasirten, mit fünfpro-
centiger CarbollösuDg desinficirten Haut des Versuchstieres wurde— nach
dem Vorgänge von Straus — eine markstückgrosse Stelle mit einem glühen¬
den Eisen verschorft, durch den Schorf hindurch der Injectionsstich mit
sterilisirter Spritze gemacht und sofort nach der Einspritzung der sterili-
sirten Flüssigkeit der Sticbcanal auf das sorgfältigste wieder verschorft.
Um gleichzeitig die Mikrobien der Luft nach Möglichkeit auszuschliessen,
wurde vor der Injection ungefähr 15 Minuten lang eine l°/ 0 o Sublimat-
lösnng über das Operationsterrain gesprayt. Tisch und Vivisectionsbrett
waren vor jedem Versuch sorgfältig mit fünfprocentiger Carboilösung abge¬
rieben und Hände und Finger des Experimentirenden und des Gehülfen nach
allen Regeln der Antisepsis desinficirt worden. —
Die Iniectionsflüssigkeit selbst befand sich in einer dünnwandigen,
auf beiden Seiten in Spitzen ausgezogenen, nur zur Hälfte gefüllten Glas¬
röhre, welche bei 150* 3 Stunden geglüht und alsdann in fünfprocentiger
Carbollösung aufbewahrt war.
Nach Präparation des Versuchsthieres wurden beide Spitzen der Röhre
mit aasgeglühter Pincette abgebrochen und in demselben Augenblick die
Flüssigkeit in einen kurz vorher ausgeglühten Platintiegel entleert, dessen
Deckel ein Gehülfe mit ausgeglühter Pincette einen Augenblick abhob.
Als Injectionsflüssigkeiten dienten:
Schwefelsäure, Essigsäure und Natronlauge in verschiedenen Con-
ceiitrationsgraden, Cantharidin, Senfol, Petroleum, Terpentinöl, Crotonöl
und Quecksilber.
Von Thieren wurden verwandt:
Kaninchen, Meerschweinchen und Mäuse. —
Die in der Arbeit niedergelegten, äusserst lehrreichen Einzelbeob¬
achtangen sind in einem kurzen Referat schwer wiederzugeben und es
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mögen daher hier nur folgende, von dem Verf. am Schlosse seiner Mit-
theüungen in kurze Sätze zusammengefasste Hauptresultate derselben
ihren Platz finden:
1) Die Injection von Alkalien und Säuren erzeugt bei Fernhaltung
von Mikroorganismen niemals Eiterung.
2) Gantbaridin, ol. Sinapis, Petroleum erzeugen heftige Entzündung,
niemals Eiterung.
3) Crotonöl, Terpentin und Quecksilber sind als die am stärksten
entzündungserregend wirkenden Stoffe anzusehen. Die Injection kleiner
Mengen erzeugt seröse Entzündung.
4) Die Injection grösserer Mengen Terpentinöl und Groton in öliger
Lösung und Quecksilber erzeugt das Bild der Goagulationsuekrose
(Weigert) zugleich mit fibrinöser Entzündung.
5) Die Injection grösserer Mengen alkoholischer Lösung von
Terpentinöl und Grotonöl erzeugt seröse Entzündung, weil jene zur schnel¬
leren Resorption gelangt.
6) In dem bei der Injection etwa gebildeten Eiter lassen sich stets
Mikroorganismen nachweiseh; dieselben sind auf künstlichen Nähr¬
böden zu züchten, wenn die Uebertragung vor dem muthmaasslichen Ab¬
sterben der Mikrobien erfolgt.
7) Die Eiterung beruht auf einer quantitativen und qualitativen
Aenderung des entzündlichen Processes. Die quantitative Besonderheit
liegt in der stärkeren Extravasition weisser Blutkörperchen, in der Pro¬
gredienz des Processes und der oft eintretenden Störung der Allgemein¬
functionen des befallenen Organismus. Die qualitative Differenz liegt
in dem Flüssigbleiben des eitrigen Exsudats, trotzdem die anfäng¬
liche Anwesenheit der Fibringeneratoren nicht zu bezweifeln ist
8) Die stärkere Auswanderung weisser Blutkörperchen, sowie die
Störung der Allgemeinfunctionen erklärt sich aus der muthmaasslichen
Absonderung phlogogener resp. allgemein giftiger Stoffwecbselproducte
der Mikrococcen. Die Progredienz beruht auf dem Fortkriechen der
Coccen entlang der Gefässe u. 8. w. —
Das Nichtgerinnen des Eiters beruht auf dem Fehlen des Fibrinogens.
Es ist wahrscheinlich, dass dieser Fibringenerator durch die Goccen in
Pepton umgewandelt wird.
Das Peptonisirungsvermögen der Coccen, sowie der Peptongehalt des
Eiters ist nachgewiesen. —
Indem wir dem Hauptsatze des Verf.: „Mikroorganismen sind
die Veranlassung jeder Eiterung“ voll und ganz beitreten, geben
wir zugleich der Hoffnung Ausdruck, dass es recht bald gelingen möge,
nun auch jene giftigen Stoffwecbselproducte bezw. chemischen Agentien
zu isoliren resp. rein darzustellen, welche den Eitermikrococcen erst ihre
specifische Wirksamkeit verleihen.
Möglich, dass wir alsdann im Stande sein werden, ohne die Gegen¬
wart der Coccen selbst, mit diesen Substanzen allein eine eitrige Ent¬
zündung hervorzurufen. — Pfuhl.
Ueber experimentelle Myo- und Endocarditis. Von Prof. Dr.
Ribbert in Bonn (Fortschritte der Medicin 1886, No. 1, mit 1. Tafel). —
Wyssokowitsch (Centralbl. f. d. m. Wiss. 1885, No. 33), der unter
der Leitung Orth'8 arbeitete, hatte durch Verletzung der Aortenklappen
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mittelst einer durch die -Carotis eingefübrten Sonde nnd nachherige In-
jection von Stapbylococcen und Streptococcen ins Blut endocarditische
Processe der verletzten Klappen erzeugt.
Die injicirten Pilze siedelten sich auf der Oberfläche derselben an
und drangen von hier aus in die Tiefe des Gewebes vor.
Der Verf. war nun im Stande, auch ohne voraufgegangene Verletzung
der Klappen endocarditische Vorgänge an denselben hervorzurufen, wo¬
rüber er bereits kurz auf der Naturforscherversammlung in Strassborg
berichtet hat.
Die Ergebnisse weiterer einschläglicher Experimente bilden den In¬
halt vorliegender interessanter Original-Mittheilung.
Zar Verwendung kam der Staphylococcus aureus (vonW yssoko witsch
and Weichselbaum bei Endocarditis aufgefunden); und zwar in Form
einer Emulsion von Kartoffelculturen des Pilzes, welche so grosse
Bröckchen enthielt, als es die Weite der Canüle einer Pravaz’schen Spritze
erlaubte.
Aeltere mehr in die Tiefe der Kartoffel vorgedrungene Gulturen er¬
wiesen sich als geeigneter, als jüngere, nur auf der Oberfläche ge¬
wachsene. — Die Injectionen geschahen nur bei Kaninchen in die Ohr¬
vene.
Je mehr injicirt wurde und je dichter die Emulsion war, desto
racher gingen die Thiere zu Grunde. Eine ganze Spritze todtete ge¬
wöhnlich innerhalb 20—24 Stunden; geringere Mengen in längerer Zeit;
nur wenige Thiere blieben jedoch bis zu 5 Tagen am Leben. Wurde
weniger als */« der Spritze injicirt, so starben die Thiere zwar später,
indess trat keine Endocarditis ein. —
Die durch den Staphylococcus zunächst gesetzten Veränderungen,
welche detaillirt in makroskopischer und mikroskopischer Beziehung
beschrieben werden, bestehen in einer von dem Embolus ausgehenden
Nekrose der Herzmuskulatur, die sich allmälig in die Umgebung verliert,
einer entzündlichen Hyperämie in einer weiteren Zone, und einer Ab¬
lagerung von Kalksalzen. — Hieran schliesst sich bald eine den Infeclions-
herd demarkirende Entzündung.
Wegen des frühzeitigen Todes der Versuchstiere konnte Verf. das
weitere Schicksal der Coccencolonie nicht verfolgen. —
Wichtiger als die myocarditischen sind die endocarditischen
Processe. Bei Jnjection von mindestens */* Spritze kamen ganz regel¬
mässig Ansiedlungen der Coccen an den Klappen zu Stande;
and zwar nur an der Mitralis und Tricuspidalis, während die Aorten-
ood Pulmonalklappen stets verschont blieben.
Die Natur der daselbst gefundenen Mikrococcenhaufen wurde durch
die Züchtung controlirt
Die Ansiedlung geschah mit Vorliebe auf den dem freien Rande
nähergelegenen Theilen der Sehnenfäden. An der Klappe selbst fanden
rieh die Colonien an beiden Flächen, oft an der äusseren besonders Zahlreich-
Genaueren Aufschluss über den Ablauf des gesammten Processes er.
gab die miskroskopische Untersuchung an Schnitten (Bräunung in Os-
miumsäure, oder Färbung entweder allein mit Picrocarmin und Behand¬
lung mit Salzsäure-Glycerin, oder Picrocarmin mit Anilinwasser-Gentiana-
violett und Extraction in Alkohol). Fünf Figuren illustriren den mikros¬
kopischen Befund. —
Auch bei der Einwirkung des Pilzes auf das Klappengewebe
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handelt es sich, wie bei dem Myocard, zunächst om eine Nekrose
des angrenzenden Bezirks and weiter aussen eine entzündliche
Reaction. Ferner aber ruft der Goccenhaufen auch die Abscheidung
einer thrombotischen Masse aus dem vorbeiströmenden Blute
hervor. —
Verf. glaubt, die experimentell gewonnenen Veränderungen der Klappen
als gleichwertbig mit den beim Menschen beobachteten Processen ansehen
und demgemäss als endocarditische bezeichnen zu dürfen.
Während nun die Myocarditis unzweifelhaft embolischer Natur ist,
so handelt es sich dagegen bei der Endocarditis des Versuchsthiers stets
um eine primäre Entwickelung der Coccen auf der Oberfläche der Klappen.
Ob dieser Vorgang aber auch für die menschliche Endocarditis ohoe
Weiteres Gültigkeit habe, lässt Verf. unentschieden. Hier kommen jeden¬
falls, wie die Untersuchung Koester’s dargethan (Virchow’s Archiv,
Bd. 72), sehr wesentlich embolische Vorgänge in Betracht. — Auch
in rein anatomischer Beziehung bleibt noch eine Reihe Differenzen zwischen
experimenteller und menschlicher Endocarditis übrig.
Wenn die Arbeit somit auch zu keinem abschliessenden Resultat ge¬
führt hat, so ist Ref. doch mit dem Verf. darin einverstanden, dass die
am Versuchsthier begründete Genese der fraglichen Krankheit „auch beim
Menschen in grösserem oder geringerem Umfange“ wird in Betracht ge¬
zogen werden müssen. — Pfuhl.
Die Untersuchung des Auswurfs auf Tuberkelbacillen. Von
Dr. med. Hermann Peters, prakt. Arzt in Bad Elster (Königreich
Sachsen). Leipzig, Verlag von Otto Wigand. 1886.
Das von dem Verf. beschriebene Verfahren, welches im Wesentlichen
darin besteht, statt Salpetersäure oder Essigsäure zur Entfärbung das
noch etwas räthselhafte Natriumhydrosulphid einzuführen, stellt eine ganz
unmotivirte Erschwerung des Nachweises der Tuberkelbacillen dar und
dürfte keine Nachahmung finden.
Dass sich Schimmelbildung in wässerigen Farbstofflösungen sehr
einfach durch Hinzufügen eines Stückchens Kampfer verhüten lässt,
scheint dem Verf. nicht bekannt zu sein.
Ueberra8chend ist auch die Mittheilung, dass die Anilinwasser-
Gentiauaviolettlösung „vom Augenblick der Bereitung an für Tuberkel¬
bacillen nur einen Tag ihre Färbekraft behält“. —
_ Pfuhl (Hamburg).
Dr. A. Goldscheider: „Die Wirkungen des Cocains und anderer
Anästhetica auf die Sinnesnerven der Haut.“ (Monatshefte für
praktische Dermatologie. V. Band 1886. No. 2.)
G. bat seine interessanten Untersuchungen über die Hautsinnesnerven
(veröffentlicht in den obigen Monatsheften 1881 No. 7—10 und 1885 No. 1
und in dem Archiv für Anatomie und Physiologie, Supplementband 1885)
bedeutend erweitert und hat den dort niedergelegten interessanten That-
sachen eine bemerkenswerthe praktische Nutzanwendung gegeben, indem
er die Wirkungen gewisser Arzneistoffe auf die Sinnesnerven der Hast
in längeren Versuchsreihen studirte. Diese umfassen ausser dem io
letzter Zeit so viel verwendeten und noch mehr besprochenen Cocain
noch das Carbol, ferner das von Lewin gerühmte Cawa-Cawa, das
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Chloroform and da8 besonders auch bei Nasenaffectionen mit entschiedenem
Erfolg in Anwendung gesogene Menthol. G.’s originell erdachte und mit
eingehender Sorgfalt ausgefnhrte und beschriebene Untersuchungen, deren
Anordnung wir detaillirt hier nicht auseinandersetzen können, suchen
festzustellen, wie sich die Wirkungen dieser Stoffe zu den verschiedenen
Qualitäten der Hautnerven, nämlich zu den Kälte-, Wärme-, Gefühls-
uud Drucknerven stellen. Wir referiren in Folgendem die wichtigsten
Gesichtspunkte und die interessantesten Ergebnisse dieser Untersuchungen.
Die sehr interessante Frage, ob die Temperaturempfindungen überhaupt
vom Cocain beeinflusst werden, beantworten die Versuche bei äusserer
Application und subcutaner Injection dahin, „dass bald nach Anwendung
des Cocains die Sensation eines Anschwellens der Haut eintritt, und
gleichzeitig damit die Temperaturempfindlichkeit sich abstumpft und
schliesslich absolut aufgehoben wird. Das eigentliche Schmerzgefühl
dagegen wird durch Cocain nur herabgesetzt, nicht aufgehoben, ebenso
Drocksinn und Ortsgefuhl. Es leiden also sämmtliche Qualitäten unter
der lähmenden Wirkung des Cocain. Diese zunächst an der Zunge
aufgefundenen Wirkungen controlirte G. durch Versuche, in denen das
Cocain auf Hautstellen des Vorderarms aufgetragen wurde, an denen
mittelst Collod. canthar. vorher Blasenbildung bewirkt war. An der
wunden cocainisirten Haut fand er die hervorragendste Empfindlichkeit
an den Haarinsertionsstellen. Bei der Cocainisirung beobachtete G. eine,
ohne Betheiligung der Wärmenerven auftretende, Hyperalgesie gegen
Wärmereize und folgert daraus, dass das Cocain zuerst einen Erregungs¬
zustand bewirkt und nicht von vornherein eine Lähmung. Bei Injection
einer zehnprocentigen Lösung trat die bemerkenswerthe Erscheinung ein,
dass die Anästhesie in centrifugaler Richtung genau im Verlauf des
Nerven fortschritt, was man wohl dahin deuten muss, dass das Cocain
auch auf die Stämme der Nerven, nicht nur auf die Endausbreitungen
derselben wirkt. Auch in Bezug auf die räumliche Ausbreitung des
anästhetischen Gebietes wird am meisten das Temperaturgefühl vom
Cocain betroffen; an Stellen, wo der Drucksinn erst kaum Herabgesetzt
ist, erscheint der Temperatursinn erheblich abgeschwächt, Cocain ver¬
ursacht also in gewisser Weise eine partielle Empfindungslähmung “.
Das Resumö ist also: „Cocain bewirkt einen Erregungszustand der
Gefuhlsnerven, lähmt dann Temperatur-, Gefühls-, Druck- und Geschmacks¬
nerven und zwar in der beschriebenen Reihenfolge, es wirkt endlich nicht
nor auf die Endigungen der centripetalen Nerven, sondern auch auf die
Nervenstämme. — Einen ähnlichen Modus der Einwirkung auf die Haut¬
sinnesnerven beobachtete G. beim Carbol, nur ist die Wirkung schneller
vorübergehend und von mehr localem Charakter. In funfprocentiger Lösung
auf die Zunge gebracht, löscht es Schmeckfähigkeit und Temperaturempfind¬
lichkeit aus, setzt Druck- und Schmerzempfindlichkeit herab. In 2i/ 2 pro-
centiger Lösung injicirt, hebt es an der Injectionsstelle selbst die Schmerz-
empfindlichkeit auf. Die Anästhesie folgt dabei dem Verlauf auch der
stärkeren im Subcutangewebe verlaufenden Nervenstämmchen. In dem
von diesen versorgten Hauptgebiet ist die Wirkung sehr prompt, immerhin
aber weniger intensiv als beim Cocain. — Cawa-Cawa hat ähnliche
Wirkungen wie Cocain, äussert sich aber schwächer. Injectionen des
durch leichtes Erwärmen verflüssigten a-Harzes bewirken an der Injections¬
stelle Aufhebung des Temperatursinnes, Herabsetzung des Druck- und
Schmerzgefühles; die Wirkung ist jedoch exquisit local, ihre Fähigkeit,
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1
die Gewebe zu durchdringen, wegen mangelhafter Resorption nur gering.
Uebrigens warnt G. vor Jojectionen des Cawa-Harzes, sie brachten ihm
Bildung schmerzhafter Abscesse ein, aus deren Incisionswunden sich nach
18 Tagen einige Tropfen dickflüssigen Harzes entleerten. Dass auch
beim Cawa-Cawa wieder zuerst Störung des Temperatarsinnes Auftritt,
veranlasst G., für alle localen Anästhetica diese Stufenfolge der Einwirkung
auf Temperatur-, Druck-, Schmerzgefühl, Kitzelgefübl und Geschmack
als eine gesetzmassige zu statuiren. Auch für Chloroform bestätigt sich
dieses Gesetz. Man kann mit Chloroformapplication völlige Aufhebung
des Temperaturgefühles beiErhaltung des Druckgefühles erzielen. Interessant
sind die analogen Wirkungen des Menthol, die G. nicht durch die durch
die Flüchtigkeit bewirkte Verdunstung, sondern durch directe chemische
Reizung der Kälte- und Wärmenerven erklärt; dabei wird das
Vorherrschen der Kälteempfindung bedingt durch das numerische Ueber-
gewicbt der Kältenerven. Beim Menthol findet sich Hyperästhesie für
Kältereize, der dann Aufhebung des Temperatur-, Herabsetzung des
Druck- und Schmerzgefühls folgt. Dieses die interessantesten Ergebnisse
der G.’schen Untersuchungen, deren näheres Studium sich sehr wohl verlohnt
Langhoff.
Dr. E. Geisel er: „Sublimatsei fe tt . (Pharmäceutische Centralballe
1886 No. 5.)
Die Bestrebungen, gerade für die vorbereitende Desinfection der Hände
des Operateurs und des Operationsfeldes ein sicher wirkendes Desinfections-
mittel zu finden, haben Dr. Geissler zur Fabrikation einer Snblimatseife
geführt, die allen billigen Anforderungen zu genügen scheint! Die
technischen Schwierigkeiten der Herstellung waren bedingt durch die
geringe Haltbarkeit solcher Sublimatseffen. Die G.’sche Sublimatseife,
deren Darstellung nicht genauer angegeben ist, garantirt Haltbarkeit (bis
zu 4 Monaten erprobt) und durchgreifende Wirksamkeit, die von Professor
Johne nachgewiesen ist durch Desinfectionsversuche. Mit Milzbrand¬
sporen inficirte Seidenfäden wurden in Sublimatseifenschaum gelegt;
Einwirkung dieses Schaumes während einer halben Minute genügte, diese
bekanntlich doch enorm widerstandsfähigen Sporen zu todten. Wir hätten
also in dieser Seife ein handliches, haltbares, transportirbares Desinfections-
mittel, das für die Haut Reinigungs-, Entfettungs- und sicherwirkendes
Desinfectionsmittel zugleich ist. Langhoff.
The optical manual: or bandbook of instructions for the guidance
of surgeons in testing the ränge and quality of vision of Recruits and
otbers seeking employment in the military Services of Great Britain
(Ophthalmologisches Handbuch; oder Instructions-Handbuch zur Anleitung
von Aerzten bei Prüfung des Umfangs und der Qualität des Sehens
von Rekruten und anderen Leuten, welche sich um Anstellung im
Heeresdienst Grossbritanniens bewerben) by Surgeon - general
Longmore. Third edition 1885.
Das Werk Longmore's ist im Titel charakterisirt; seine Wichtigkeit
kann kaum überschätzt werden, denn die Schlagfertigkeit jeder Armee
hängt in hohem Grade davon ab, dass die Soldaten für den Gebrauch
sehr weittragender Feuerwaffen körperlich qualificirt sind, solches sind
sie nicht ohne gute Sehschärfe. In dieser Beziehung hat der Sanitats-
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Offizier zuerst za entscheiden, ist des Mannes Sehschärfe, auf jedem Auge
besonders geprüft, gleich 1, ferner ist der Mann frei vom Verdacht auf
Farbenblindheit. Aber auch andere Fragen sind zu beantworten: Sind
die Aogen nicht vollständig emmetropiscb, so ist in der englischen Armee
zu entscheiden, ob der Mann tauglich ist für die Miliz oder das Frei-
willigen-Corps, für das Commissariat oder den Train, oder eine andere
Abtheilang des Heeresdienstes. Bei Offiziers-Aspiranten handelt es sich
um die Frage, sind dieselben strengen Regeln wie bei Einstellung der
Soldaten maassgebend. Eine wichtige Frage ist ferner die: schliesst ein geringer
Fehler der Refraction vom Eintritt in die Armee überhaupt oder von
gewissen Branchen aus. In einer andern Reibe von Fallen hat der
Militärarzt zu entscheiden, ob durch die Folgen einer Verletzung oder
Krankheit des Soldaten Gesichtssinn so gelitten bat, dass er zu fernerem
Dienst untauglich geworden ist
Surgeon-General Longmore’s Werk erschöpft all diese Fragen von
Grund aus, es ist überhaupt eines der vollkommensten and praktischsten
Werke über Diagnose von Augenerkrankungen, welches je veröffentlicht
worden. ,
Das Handbuch beginnt mit einem mit bemerkenswerther Klarheit
geschriebenen, einleitenden Capitel aus der Optik, es folgt dann die
Besprechung der Affectionen, die auf Refractions-Anomalien beruhen,
dann Anweisung zum Gebrauch von Ophthalmoskop und Keratoskop. Im
4. und 5. Capitel werden Accommodationskrankheiten, weiter Defecte des
Farbensinns und Schielen gründlich und geschickt abgehandelt, daran
schliesst sich die Diagnose der übrigen Augenaffectionen, zuletzt werden
die maassgebenden Bestimmungen der britischen und anderer Armeen
rucksichtlich der Mangel des Gesichtssinns zusammengestellt und was
davon unbrauchbar zum Militärdienst macht mit grosser Präcision for-
mulirt. (Brit. med. Journ. No. 1312.) B— r.
Annual report of the Surgeon-General U. S. A. 1885.
Wer die vorliegenden Jahresberichte verfolgt hat, wird sich der Er-
kenntniss nicht verschliessen, dass dieselben an Bedeutung immer mehr
gewinnen. Wenn dieselben mit den Sanitatsberichten des Kgl. Preuss.
Kriegsministeriums M. M. A. auch kaum genannt werden können, so
dürfen sie doch das Interesse des Militär-Statistikers und des Sanitäts¬
offiziers wohl für sich in Anspruch nehmen. — Um nur Einzelnes hervor-
zoheben, wird von Murray die Einführung von Desinfections-Oefen zur
Verbrennung aller Abfälle in ausgiebigster Weise bei drohender Cholera-
Gefahr empfohlen, auch wird eindringlich der hier und da sich geltend
machenden Neigung, die Quartiere zu überlegen, entgegengetreten; überhaupt
scheinen die Rules der indischen Armee den amerikanischen Bestimmungen
zu Grunde gelegt. — In hygienischem Interesse wird ferner eine aus¬
reichende Beschaffung von Eismaschinen für die Armee angestrebt —
Die Nothwendigkeit der Einrichtung leistungsfähiger hospital corps wird
auch diesmal wieder betont —
Im Anhang wird eine Casuistik mitgetheilt von zwei Schusswunden,
einer compiicirten Fractur des Stirnbeines nach einem Hieb mit dem
Schaft eines Revolvers mit Ausgang in Heilung nach Trepanation, sowie
ein Bericht über eine Typhus-Epidemie in Vancouver barracks im
September und October 1884.
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Der Bericht wird durch 8 Tafeln graphisch dargestellter Morbiditäts-
verhältnisse erläutert, aus denen man mit Interesse mancherlei bei uns ge¬
machte Beobachtungen auch bei der U. S. A. in Ansatz gebracht sieht —
Breitung.
Mittheilnngen.
In der physiologischen Gesellschaft zu Berlin hielt Dr. Goldscheider,
Assistenzarzt 1. Classe im Eisenbahn-Regiment, einen Vortrag: „De¬
monstration von Präparaten, betreffend die Endigung der
Temperatur- und Drucknerven in der menschlichen Haut*
Wir geben in dem Folgenden einen Auszug aus dem Vortrag nach einem
Separat-Abzug aus den „Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft
zu Berlin* 1885—86 No. 3 und 4.
Die Kenntniss der Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut
des Menschen bietet zwei allgemeine Lücken. Einmal sind zwar eine
erhebliche Menge von Endigungen beschrieben, aber nur wenige sicher¬
gestellt. Weiter entbehren selbst die nachgewiesenen Endigungen einer
sicheren physiologischen Deutung. Der Nachweis der auf der em¬
pfindenden Hautoberfläche räumlich getrennten Sinnespunkte für den
Druck-, Kälte- und Wärmesinn ist geeignet, diese letztere Lücke auszu¬
füllen, insofern der physiologischen Deutung der histologischen Befunde
durch jene Thatsachen eine neue fruchtbare Aussicht eröffnet wird. Die
Berücksichtigung der discontinuirlichen Sinnespunkte ist für die Histologie
geradezu ein Postulat. Um dieses zu realisiren, griff G., da eine andere
Methode ihm nicht erfindlich war, dazu, sich selbst kleinste Hautstückchen,
welche je nur einen Sinnespunkt enthielten, zu exstirpiren. Nach Auf¬
suchung und Bezeichnung eines Kälte-, Wärme- oder Druckpunktes am
linken Unterarm wurde eine krumme Nadel dicht neben dem Punkt ein¬
gestochen, unter demselben durchgeführt und auf der anderen Seite des¬
selben ausgestochen; während die Nadel sodann, und mit ihr der gerade
auf ihr liegende Sinnespunkt etwas angehoben wurde, führte G. einen
Schnitt unmittelbar an dem unteren convexen Rand der Nadel durch die
Haut. Auf diese Weise erhielt er Hautkegel, deren Basis die Oberhaut
bildete, von einer ausserordentlichen Kleinheit; die Narben sind kaum zu
sehen; Schmerz war bei den Temperaturpunkten minimal oder gar
nicht vorhanden; bei den Druckpunkten war er erheblicher. Die
Stückchen wurden in O^procentiger Arsensäure angesäuert, kamen sodann in
1—2procentige Goldchloridlösung um in lprocentiger Arsensäure reducirt
zu werden (Mays’sches Verfahren, auf der histologischen Abtheilung des
physiologischen Instituts durch den Assistenten Herrn Dr. Bend a modificirt
und durch Herrn Prof. Fritsch mir gütigst empfohlen). Sodann wurden die
Stückchen in Serieschnitte zerlegt. Bei der Mehrzahl der Stückchen wurde
vor der Exstirpation genau an dem Sinnespunkt eine feine Nadel senk¬
recht in die Epidermis eingestochen; dies machte sich an den Schnitten
in Gestalt eines die Zellenlagen der Oberhaut durchsetzenden Canals
kenntlich. Nach diesem Verfahren war die Schlussfolgerung berechtigt,
dass diejenigen Nervenenden, welche sich im mikroskopischen Bilde in
der unmittelbaren Nähe des künstlichen Oberhautcanals finden würden,
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der betreffenden Sinnesqualität zurorechnen seien. Die Präparate haben
folgendes ergeben:
1) Ohne Ausnahme findet sich an jedem Sinnespunkt eine auffallende
Nervenanbäufung, derart, dass nicht bloss eine relativ grossere Dichtig¬
keit derselben besteht, sondern dass aus der Tiefe der Cutis ein Bündel
von Nervenfasern schräg aufsteigt und direct dem Punkt zustrebt, wo
dann eine Ramification derselben Platz greift. Es zeigt somit die Inner¬
vation der Haut einen discontinuirlichen Charakter, genau entsprechend
den physiologischen Feststellungen über die discontinuirlich angeordneten
8innespunkte.
2) Die Endausbreitung der Nerven verhält sich bei den Druck¬
punkten einerseits und den Temperaturpunkten andererseits ver¬
schieden. Druckpunkt: Einige zusammenliegende Nervenfasern steigen
aus der Tiefe der Cutis gegen die Papillarregion auf und gelangen
ziemlich nahe an die Epithelgrenze. Dann zerfallen sie in mehrere Aestchen,
welche vorwiegend in zwei entgegengesetzten Hauptrichtungen verlaufen.
Dieselben kriechen in leicht wellenförmiger Gestalt eine längere Strecke
unter dem Stratum mucosum fort, vielfache Fäden gegen das letztere empor¬
sendend. Diejenigen Schnitte, welche die grösste Concentration von
Nervenfasern zeigen, entbehren gewöhnlich der Gefässe fast ganz. Die
Endfäden konnten im Allgemeinen nur bis an die unterste Zellenreihe
verfolgt werden; zuweilen schien das zugespitzte Ende zwischen die Zellen
der untersten Reihen einzudringen. Eine celiuläre Endigung konnte nicht
constatirt werdeu; Endknöpfchen wurden zuweilen gesehen, jedoch halte
ich es nicht für erwiesen, dass hier immer präformirte Bildungen zu
Grunde lagen, die spitze Endigung war viel häufiger.
Temperaturpunkt: In ähnlicher Weise wie beim Druckpunkt steigt
ein Nervenbündel in der Cutis schräg aufwärts; dasselbe löst sich gewöhnlich
schon in grösserer Tiefe als die Druckneiven in eine Anzahl von Aestchen
auf. Letztere kriechen jedoch nicht unter dem Epithel hin, sondern steigen
in kurzem Verlauf theils gerade, theils schräg gegen dasselbe auf, so dass
sie eine Art Büschel von umgekehrt kegelförmiger Gestalt bilden. Sie
sind feiner als die Aestchen der Drucknerven und bilden auf relativ engem
Raume eine Art von Plexus, welcher sich bald erst dicht unter dem
Epithel, bald schon etwas tiefer in der Cutis entwickelt. Schliesslich
tritt eine Anzahl von Fäden bis an das Epithel heran, wo sie nicht weiter
zu verfolgen sind; auch scheinen Fäden in der Cutis zu endigen. Diese
Ramification findet sich stets in unmittelbarer Nachbarschaft von Capillar-
schliogen, an welche auch Fasern herantreten; jedoch endigen dieselben
wahrscheinlich nicht in denselben, sondern gelangen an ihnen vorbei, um
sich dann gleichsam zwischen Capillaren und Epithel einzukeilen. Eine
besondere Art der letzten Endigung konnte nicht constatirt werden,
speeiell auch nicht eine Fortsetzung in das Epithel. Ein Unterschied
zwischen Kälte- und Wärmenerven, bezüglich der Endausbreitung, konnte
mit Sicherheit nicht festgestellt werden.
3) Von der Existenz von Epidermisnerven in dem Sinne von Langer¬
bans, Ranvier u. A. habe ich mich nicht überzeugen können, obwohl
solche Bilder, wie sie auch von den Autoren gezeichnet werden, vielfach
gesehen wurden. Zu den Gründen, welche bereits gegen die Epithel¬
nerven vorgebracht sind (W. Wolff), möchte ich noch hinzufügen, dass
die Häufigkeit dieser schwarzen Fäden in der Oberhaut, welche als
Epidermisnerven interpretirt worden sind, in meinen Präparaten in
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keinem Verhältniss stand zu dem discontinuirliehen Auftreten der Nerven-
anhäufungen an der Epithel-Grenze, vielmehr eiqe überall ziemlieh
gleichmäs8ige war.
4) Von besonderem Interesse dürfte es sein, dass sich an den Druck¬
punkten keine Tastkörperchen fanden. Ich kann denselben eine
integrirende Bedeutung für die Tastwahrnehmungen als solche nicht zuer¬
kennen, halte dieselben vielmehr in der Hauptsache für Schutzorgane der
Nervenenden.
5) Es ist immerhin möglich, dass an den Endigungen speciell der
Temperaturnerven noch irgendwelche zarten Gebilde sich befinden, welche
durch die eingreifende Präparation zerstört werden; im Uebrigen dürfte
man sich auch vorstellen können, dass die plexusäbnliche Art der
Endramification auch an sich schon genügen möchte, um Dichtigkeits¬
veränderungen des Gewebes, wie sie ohne Zweifel durch die Temperatur¬
reize hervorgebraebt werden, aufzufangen. Die Beziehung der Gefässe
zu den Temperaturnerven - Enden halte ich nicht von reizvermittelnder
Bedeutung, sondern darin gipfelnd, dass die letzteren möglichst unter
den unmittelbaren Einfluss der Blutwärme gesetzt werden.
Die Untersuchungen sind auf der histologischen Abtheilung des
physiologischen Instituts, unter wohlwollender Unterstützung durch Herrn
Professor Fritsch, angestellt
Aus dem Inhalt der Archives de medecine et de pharmacie
militaires. 1. Januar bis 1. März 1886 und ein Nachtrag aus
dem Heft vom 1. Sept. 1885.
VI. 174. Des ptomaines. Leur histoire chimique, leur
preparation, leursreactionß, leur röle physiologiqueet patholo-
gique. In neuester Zeit sind aus faulenden Stoffen eine Reihe von
basischen Producten dargestellt worden, welche sich in Reactionen den
vegetabilischen Alkaloiden gleich verhalten und mit dem Namen Ptomaine
belegt worden sind. Die Entdeckung dieser Körper ist vielleicht berufen,
dereinst in der Aetiologie gewisser lnfectionskrankheiten Manches neu zu
beleuchten. Vorläufig kann man sich dem Eindruck nicht verschliessen,
dass einige Punkte auf diesem Gebiete wieder weniger einfach, weniger
leicht erklärlich erscheinen, als nach den neueren Ergebnissen der
Forschung schien. Nach der zeitigen Theorie werden die Ptomaine als
Producte gedacht, welche von den Spaltpilzen in und ans den thierischen
Geweben gebildet werden. Sind jene Producte erst sämmtlicb gefunden,
so würde es weniger schwierig sein, ihre toxischen Wirkungen zu unter¬
suchen und festzustellen, welche Rolle ihnen bei der Entwickelung der
durch Spaltpilze hervorgerufenen Krankheiten zufällt.
Vorliegende Arbeit behandelt an der Hand der Untersuchungen
Brouardel’s und Boutmy’s die Darstellung und die Reactionen der
Ptomaine im Allgemeinen. Es wird darauf aufmerksam gemacht, wie
schwierig nunmehr wiederum z. B. der forensische Nachweis vegetabilischer
Alkaloide in Leichen geworden, nachdem es keine völlig einwandfreie
Reaction giebt, welche jedes der hier in Betracht kommenden Alkaloide
von etwa in die Erscheinung getretenen Ptomainen sicher zu trennen im
Stande wäre. — Einen weiteren Blick eröffnet die Entdeckung dieser
Körper auf die Erklärung der Noxen, welchen die Infection bei Genoss
faulender Nahrungsmittel wie Brot, Wurst, Fleisch, Käse u. s. w. io-
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susehreiben ist Verf. geht sogar so weit, dass er eine truppenhygienische
WasserunterSQchung künftig nicht für vollständig anseben würde, wenn
nicht auch nach der Anwesenheit von Ptomainen geforscht wäre.
VII. 14. Note sur l’al teration des conserves pari es ptomaines,
p. Camus. Die Familie eines Offiziers in Bou-Saäda (Algier) verspeist
die Hälfte einer Büchse conservirten Hammers, der ebenso gut schmeckt
wie bekommt. Der Rest wird in der Speisekammer so kühl, wie es dort
möglich, in einer Schale mit frischem Wasser aafbewahrt und am nächsten
Tage genossen. Geschmack und Geruch tadellos. 2 Stunden nach der
Mahlzeit erkranken Alle, die davon gegessen, mit Brechdurchfall acutester
Art, verbunden mit schwerer Abgeschlagenheit der Kräfte. Die Er¬
scheinungen gehen in 24 Stunden vorüber, lassen jedoch eine langdauernde
Schwache der Verdauung zurück. Verf. schiebt die beobachtete Vergiftung
nach sorgfältiger Ausschliessung aller anderen Momente auf die Entwickelung
cadaveröser Alkaloide in dem conservirten, nach Oeffnung der Büchse
der Luft ausgesetzten Hummerfleisch. Die Bedingungen waren in der
Temperatur gegeben, welche selbst in den kühlsten Nachtstunden nicht
unter 34 Grad herabging. Schon Arnould hat in seinen Nouveaux
elements d’hygiene 1881 darauf aufmerksam gemacht, wie einmal geöffnete
Conserven unter günstigen Bedingungen (Luftzutritt, Wärme) in wenigen
Stunden giftige Eigenschaften annehmen können, welche sich weder durch
den Geschmack noch durch den Geruch verrathen. Der Schluss daraus
für die Truppenhygiene lautet: Conservenbüchsen für Sommergebrauch
nicht grösser zu wählen, als dass sie mit einem Male verbraucht werden
können, da Luft und Hitze auch bei bester Beschaffenheit der Conserven
sehr schnell zur Entwickelung von Ptomainen Veranlassung geben können,
deren Einverleibung zuweilen schwere Vergiftungen nach sich zieht.
S. 2. Chute sur l'epaule gauche; paralysie de la sensibilite
du membre superieur, de la face et du tronc ä gauche; mal
perforant palmaire; nystagmus, p. Michaud. Fall vom Pferde auf
die linke Seite und den Ellenbogen. Quetschung des N. ulnaris. Zunächst
Ameisenkriechen in den von diesem Nerven versorgten Fingern, später
auch in den vom Medianus versorgten. Weiterhin Lähmung der Finger
und Anästhesie der Hand. Infolge dessen Ungeschicklichkeit beim Reiten,
und häufigeres Fallen, welches seinerseits den bestehenden Reizzustand
im Gebiete der betroffenen Nerven steigert. Es entwickelt sich eine
chronische aufsteigende Neuritis, die langsam das Halsmark erreicht und
die hier gelegenen Nervencentren in Mitleidenschaft zieht. Daher im
weiteren Verlauf Anästhesie der linken Gesichts-, Hals- und Brustseite,
doppelseitiger Nystagmus, Pupillenerweiterung, motorische und sensible
Lähmung des linken Armes und trophische Störungen, als deren Symptom
Verminderung des Muskelgefühles, sowie der elektrischen Erregbarkeit
einerseits; schwielige Verdickung der Haut in der Hand, Schrundenbildung
und torpide Ulceratiön andrerseits in die Erscheinung treten. In diesem
Zustande erst wird Patient aufgenommen. Die Heilung des Geschwürs
erfolgt langsam, in den übrigen Symptomen war bei der Entlassung als
unbrauchbar keine Besserung erzielt. Prognose ungünstig bei dem augen¬
scheinlichen Weiterkriechen des Processes. Der Fall ist lehrreich für
die Vorsicht, welche bei Beurtheilung derartiger, nicht eben seltener
primärer Dienstbeschädigungen geboten ist
S. 24. De la tröpanation du cräne chez les indigenes de
TAurbs (Algerie), p. Vedrfenes. Historische und akiurgische Studie
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204
aber die Verbreitung der Trepanation in einem geographisch kleinen
Bezirk Algiers, wo dieselbe seit unvordenklichen Zeiten von Specialiaten
mit den primitivsten Instrumenten in ausserordentlicher Häufigkeit aus-
geübt wird. Verf. hat aus der Praxis von 11 Trepaneuren 953 Fälle
sammeln können! Die Kunst wird in bestimmten Familien vererbt, die
Operation als so ungefährlich angesehen, dass sie hin und wieder gemacht
wird, um eine Kopfverletzung als wichtiger darzustellen, wie sie wirklich
war, um eine grössere Entschädigung vom Gegner zu erlangen. Besonders
merkwürdig ist der Umstand, dass das Verfahren in geringer Entfernung
vom Aurfes völlig unbekannt ist
S. 137. Relation d'un cas de Perforation de la main par
une bagnette de fusil, p. Krantz. Ein Soldat reinigt den Lauf seines
Gewehres mit dem eisernen Entladestock, dessen unteres Ende er mit
einem Putzlappen umwickelt bat. Der Lappen keilt sich im Lauf ein.
Um ihn nach unten ausstossen zu können, presst der Mann mit grösster
Kraft auf das äussere Ende des Stockes, nachdem er die Hand durch
Umwickelung mit mehreren Lagen Tuch geschützt hat. Plötzlich durch¬
bohrt das obere Ende des Stockes sowohl die Umwickelung der Hand,
als diese selbst völlig, so dass es noch 10 cm zum Handrücken hinausragt.
Unbedeutende Blutung. Entfernung von 2 Tuchfetzen aus der Wunde,
reactiooslose Heilung in 16 Tagen. Man stelle sich die Gewalt vor,
welche nöthig war, um ca. 10 Lagen Tuch und eine schwielige Mannes¬
hand mit einem Instrument zu durchbohren, dessen Ende vollkommen
flach ist und */ s cm Durchmesser hat.
S. 145. De TEpidemie de fievre typhoide au camp du Pas-
des-Lanciers 1885, p. Duchemin. Wird besonders besprochen.
General-Rapport
von den Kranken der Königlich Preussischen Armee, des XII. (Königlich
Sächsischen) und des XIII. (Königlich Wurttemberjpschen) Armee-Corps,
so wie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich Bayerischen
Besatzungs-Brigade pro Monat Januar 1886.
1) Bestand am 31. December 1885: 9 291 Mann und 49 Invaliden
2) Zugang:
im Lazareth 13 505 Mann und 2 Invaliden,
im Revier 21672 - 7
Summ a 35 177 Mann und 9 Invaliden.
Mithin Summa des Bestandes und Zuganges 44 468 Mann und 58 Invaliden,
in Procenten der Effectivstärke 11,5 °/ 0 und 20,9 °/o.
3) Abgang:
geheilt ....
. 29 826 Mann,
1 Invalide,
gestorben . . .
70 -
1
invalide ....
173 -
0
dienstunbrauchbar
431 -
—
anderweitig. . .
244 -
2
Summa .
• 30 744 Mann,
4 Invaliden.
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— 205
4) Hiernach sind:
geheilt 67,1 % der Kranken der Armee und 1,7 % der erkrankten In¬
validen,
gestorben 0,16 % der Kranken der Armee und 1,7 % der erkrankten In¬
validen.
5) Mithin Bestand:
am 31. Januar 1886 13 724 Mann und 54 Invaliden,
in Procenten der Effectivstärke 3,5 % und 19,4 °/ 0 .
Ton diesem Krankenstände befanden sich:
im Lazareth 9 407 Mann und 8 Invaliden,
im Revier 4 317 - 46
Es sind also von 635 Kranken 425,9 geheilt, 1,0 gestorben, 2,5 als
invalide, 6,2 als dienstunbrauchbar, 3,5 anderweitig abgegangen, 195,9 im
Bestände geblieben.
Von den Gestorbenen der activen Truppen haben gelitten an: Schar¬
lach 1, Blutvergiftung 1, Unterleibstyphus 5, acutem Gelenkrheumatismus 5,
bösartigen Geschwülsten 1, Hirn- und Hirnhautleiden 5. Kehlkopfent¬
zündung 1, Lungenentzündung 19, Lungenblutung 2 , Lungenschwindsucht 18,
Brustfellentzündung 2, Blinddarmentzündung 1, Bauchfellentzündung 4,
Nierenleiden 2, Knochenentzündung 1; an den Folgen einer Verunglückung:
Ueberfahren durch die Eisenbahn 1, Sturz vom Turngerüst bei einer ausser-
dienstlichen Uebung 1. Von den Invaliden: an chronischem Lungen-
catarrh 1.
Mit Hinzurechnung der nicht in militärärztlicher Behandlung Ver¬
storbenen sind in der Armee im Ganzen noch 27 Todesfälle vorgekommen,
davon 9 durch Krankheiten, 6 durch Verunglückung, 12 durch Selbst¬
mord; von den Invaliden: durch Krankheiten 3; so dass die Armee im
Ganzen 97 Mann und 4 Invaliden durch den Tod verloren hat.
Nachträglich pro November 1885:
1 Verunglückung durch Ertrinken.
Gedruckt in der Königlichen Hofbuchdruckerei von E. S. Mittler und Sohn Berlin S Vf. Kochstruiee 68— 70.
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Deutsche
Militärärztliche Zeitschrift.
Redaction: \ Verlag:
Dr ‘ ^L^**?* 1 *’ Generalarzt ’ f. §- Sttittfet & $•$#,
u. Dr. SR. m *•«**, Stabsarzt, Komgliche Hofbuchhandlung,
o .. „ . _/ , c \ Berlin, Kochstrasee 68-70.
Berlin, Hedemannstr. 16.
Monatlich erscheint ein Heft von mindestens 3 Druckbogen; dazu ein „Amtliches Beiblatt 14 . Dez
Zeitschrift wird das Werk: „Jahresbericht über die. Fortschritte auf dem Gebiete des Militix-
Sanitats-Wesens 4 *, heransgegeben vom Generalarzt Dr. Roth, unentgeltlich beigegeben. Bestellung
nehmen alle Postämter und Buchhandlungen an. Preis des Jahrgangs 16 Mark.
XV. Jahrgang. 1886. Heft 5.
Die Bedeutung des Schultergttrtel-Beckenumfanges für die
Beurtheilung der Militärdienstfähigkeit
Von Stabsarzt Dr. Lehmbecher,
im Königl. Bayerischen 9. Infanterie-Regiment.'
Die Benrtheilang der Militärdienstfähigkeit gehört zu den wichtigsten
und schwierigsten Aufgaben des Militärarztes. Der Bedarf der Armee
an Ersatzmannschaften ist ein sehr grosser, die an die körperliche
Leistungsfähigkeit des Soldaten sowohl im Frieden als im Kriege ge¬
stellten Anforderungen sind jedoch so beträchtlich, dass nur Derjenige
ihnen genügen kann, welcher im vollen Besitze der Gesundheit ist und
die entsprechende Kraft hat. Die Frage der Gesundheit ist eine ärzt¬
liche und wird durch die ärztliche Untersuchung nnd Anamnese ent¬
schieden. Die Tauglichkeit fordert jedoch, dass der gesnnde Organismus
des Militärpflichtigen auch die entsprechende körperliche Kraft besitze,
d. h. hinreichend entwickelt sei. Die körperliche Entwickelung des Sol¬
daten mnss im Verhältnisse zu den Anfordernngen and Beschwerden des
Militärdienstes stehen; diese nun zu erkennen ist die Schwierigkeit Nach
Ausweis des statistischen Sanitätsberichtes über die Königl. Bayerische
Armee wurden in den Altersklassen 1847—1851 von den bei dem Ersatz¬
geschäfte Untersuchten 21114 Mann oder 9,8 pCt. aller Untersuchten wegen
allgemeiner Schwächlichkeit dienstunbrauchbar befunden, ein Beweis,
wie viele der Untersachten die für den Militärdienst nöthige Entwickelung
15
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nicht besessen, and wie häufig der Militärarzt iu die Lage kam, ein
Urtheil in diesem Punkte abzogeben.
In Bezog aaf die körperliche Entwickelung der Soldaten ist von den
Staaten ein Minim alm&ass der Grosse festgesetzt worden, unter welchem
ein Mann zum Dienst nicht mehr eingestellt werden soll. Dasselbe ist
in den einzelnen Staaten zu verschiedenen Zeiten ein verschiedenes ge¬
wesen; im Deutschen Reiche gilt gegenwärtig als Minimalmaass die Grosse
von 157 cm. Es ist klar, dass bei Feststellung des Minimalmaasses die
Forderung eines gewissen Grades körperlicher Kraft und Entwickelung
maassgebend war, für welchen das Minimalmaass Ausdruck und unterste
Grenze darstellte. Die tägliche Erfahrung zeigt, dass die Grosse kein
adäquater Ausdruck für Kraft und Entwickelung eines Mannes ist, dass
gegebenen Falles ein Mann von 160 cm Grosse weniger kräftig sein
kann als ein solcher von 157 cm. Da für das Urtheil in diesem Falle
kein bestimmtes Maass gegeben war, so trat vorerst der praktische Blick
in seine Rechte. Derselbe übersieht an den ihm vorgestellten Militär¬
pflichtigen zu gleicher Zeit eine grossere Anzahl von Verhältnissen und
Eigenschaften und vergleicht sie mit dem Bilde, welches er sich auf
Grund seiner Erfahrungen von einem taoglichen Soldaten gemacht hat.
In vielen Fällen tritt der praktische Blick das Richtige und findet hier¬
mit seine Berechtigung, dennoch kann er sichere Resultate nicht liefern,
da ihm für seine Vergleichung bestimmte Maasse fehlen. Es entstand
denn auch bei den Militärärzten das Streben, Maasse zu finden, welche
für Soldaten bei gegebener Körpergrösse den Grad der nothwendigen
körperlichen Entwickelung und Kraft anzeigen sollten.
Seit einer Reihe von Jahren wurden vielfache Messungen des Brust¬
umfanges vorgenommen, aus deren Resultaten bestimmte Schlüsse für Be-
urtheilung der Kriegstüchtigkeit abgeleitet wurden; man behauptete, dass
ein bestimmter Brustumfang die Tauglichkeit entweder zuliess oder aus¬
schloss, namentlich sollte der Brustspielraam einen direkten Schluss auf
die körperliche Kraft des Untersuchten gestatten. Man schloss hierbei:
Brustumfang und Brustspielraum entsprechen einem bestimmten Lungen¬
volumen und einer bestimmten Atbemgrosse, von dieser hänge der Grad
des Stoffumsatzes ab und von diesem die körperliche Kraft. Es hat sich
nun gezeigt, dass diese Schlüsse nicht richtig sind. Wir wissen, dass
zwischen Brustumfang und Langenvolumen ein bestimmtes Verhältnis
nicht besteht, dass auch die Athemgrösse von dem Lungenvolumen nicht
abhängig ist, dass vielmehr die Quantität des aufgenommenen Sauerstoffes
und die hiervon abhängige Intensität der Zersetzungsvorgänge im Körper
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209
Ton der Quantität des vorhandenen Eiweisses and mithin in letzter Linie
von dem Grade seiner Ernährung bedingt werde. Der menschliche
Körper ist eine Kraftmaschine, deren Leistangsfähigkeit in Beziehung za
dem Vorrathe an Kraft Steht, welche durch Zersetzung der eingeführten
Nahrung erzeugt wird. Der Brustumfang gestattet demnach keinen
directen Schluss auf die Leistungsfähigkeit des Körpers und hat für
dessen Entwickelung die gleiche Bedeutung, welche ein anderes Körper*
maass, z. B. der Schultergürtel, besitzt. Dieser Werth des Brustumfangs-
maasees wird jedoch durch die jetzt vorzüglich gebrauchte Messungsart
am grössten Umfange über Brustwarzen und unteren Winkel des Schulter¬
blattes, welche nur unsichere Resultate liefert, stark beeinträchtigt. Der
Umfang des Thorax ändert sich nach der Haltung des Körpers und der
wechselnden Stellung in den verschiedenen Momenten der Athmung; diese
'Aenderang beeinflusst die Messung, lässt sich aber in verschiedenen Zeiten
nicht genau fixiren. Die angegebenen Verhältnisse waren denn auch der
Grand, weshalb die bei der Messung des Brustumfanges und namentlich
des Brustspielraumes erhaltenen Werthe sehr stark differirten. Im Zu¬
sammenhang mit den eben angeführten Thatsachen steht auch die Be¬
stimmung in den Vorschriften für die Beurtheilong der Militärdienstfähig¬
keit, dass der Brustumfang nicht für sich allein für die Diensttauglich¬
keit maassgebend sein darf, sondern dass derselbe mit Rücksicht auf den
übrigen Körperbau beurtheilt werden muss. Feste elastische Haut, starke
breite Schultern, starke Knochen und kräftig entwickelte Muskeln seien
die Neuerlich wahrnehmbaren Zeichen eines kräftigen Körperbaues.
Unter, diesen Umständen erscheint es gerechtfertigt und angezeigt,
noch andere Ausdehnungen des Körpers in das Auge zu fassen, um
weitere Maasse für die Beurtheilung seiner Entwickelung zu erhalten.
Seit langer Zeit sind in den Lehren der plastischen Anatomie auf Grund
empirischer Messung und idealer Vorstellung Maasse festgesetzt, welchen
in der künstlerischen Darstellung Gestalt und deren Glieder unterworfen
sein müssen, wenn das Abbild in seinen Proportionen den wirklichen
Verhältnissen nnd unserem Schönheitssinne entsprechen soll. Beträgt
gegebenen Falles die Totalhöhe des Körpers 1000,
ao soll die ganze Beinlänge 505,
die Entfernung von der Halsgrube bis zum Schamberge 290,
die 8chulterbreite in der Mitte der Deltamuskel 265,
die Hüftbreite 167,
die schmälste Stelle der Taille 150 betragen.
Nach diesem Vorgänge könnte wohl auch in Rücksicht auf militärische
15*
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Zwecke die Frage gestellt werden, welche Maasse ein Mann haben muss,
wenn er die für den Militärdienst hinreichende Entwickelung hat Der
Unterschied besteht darin, dass für die plastische Anatomie nur das
Moment der äusseren Gestaltung, für militärische Zwecke auch das der
körperlichen Kraft in Betracht kommt. Es ist wohl klar, dass die äussere
Gestaltung des Körpers dessen Kraft nicht vollkommen ausdrückt, den*
noch dürfte es gestattet sein, bei mehr gleichartig entwickelten Individuen
aus der Gestalt, deren Ausdehnung durch mehrfache Messungen bestimmt
wird, unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Gewichtes, auf die körper¬
liche Kraft einen Schluss zu ziehen, um so mehr, da die Kraft in letzter
Linie von der Ernährung abhangt, welche Gewicht und Ausdehnung be¬
einflusst Allgemein gilt als Ausdruck für die Kraft eines Körpers bei
gegebener Lange dessen Wachsthum in die Breite. Die Kraft des Muskels
ist gleich der Quadratflache seines Querschnittes, die Tragfähigkeit des
Knochens nimmt als die eines festen Körpers bei sonst gleichen Verhält¬
nissen mit der Flache seines Querschnittes zu, mit der zunehmenden Breite
vergrössert sich der Raum der Körperhöhlen und die Ausdehnung der
ihren Inhalt bildenden Organe, welche das Leben des Organismus ver¬
mitteln.
Bei Betrachtung des menschlichen Körpers treten der Schulter- und
Beckengürtel als diejenigen Theile hervor, an welchen das horizontale
Wachsthum am stärksten zum Ausdruck gekommen ist. Denkt man sich
durch Schulter- und Beckengürtel einen Querschnitt gelegt, so erhält
man Flächen, in welchen zu gleicher Zeit die Grundflächen des Stammes
und der an diesem befestigten Extremitäten liegen, deren Ausdehnung
mithin im Verhältniss zur Grösse der Entwickelung von Rumpf und
Gliedern steht. Den Querschnitt des Schultergürtels erhält man durch
eine Ebene, welche den Körper vorne an der Fuge zwischen Handhabe
und Körper des Brustbeines, an den Seiten in der Mitte des Deltamuskels und
an der Rückenfiäche 2 cm abwärts von der Spina scapulae schneidet Diese
Ebene hat horizontale Lage und fallt mit der sogenannten ersten Mess¬
ebene des Brustumfanges zusammen; sie durchschneidet am Thorax den
Brustraum in seinem oberen Abschnitte und geht durch die oberen Lappen
beider Lungen, an der äusseren Wand fallen von den Muskeln der grosse
und kleine Brustmuskel, der Kapuzenmuskel und die langen Strecker der
Wirbelsäule, an den oberen Gliedmaassen die Deltamuskel in diesen
Schnitt und zwar an Stellen, an welchen diese Muskel die grösste Ent¬
wickelung zeigen. Den Querschnitt des Beckengürtels erhält man durch
eine Ebene, welche nach rückwärts das Gesäss in dessen grösstem Um-
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fange, nach vorwärts den oberen Rand der Symphyse schneidet und
seitwärts etwas unter den grossen Trocbanteren verlauft. Bei diesem
Querschnitt kommen weniger die Organe des Inhaltes der Beckenhoble
als vielmehr Skeletttheile und Muskelgebilde in Betracht, welche zur Ent¬
wickelung des ganzen Körpers und zur Muskulatur des Gesässes, die
die Last des Stammes zu tragen und zu stutzen hat, in Beziehung treten.
Durch die eben beschriebene Lage der Querschnittsebene des Schulter¬
rad Beckengurtels ist auch der Verlauf ihrer Messlinien gegeben. Die
Messung selbst wird in aufrechter Haltung des zu Messenden vorgenommen,
welcher mit an den Körper anliegenden Armen, mit angezogenen Knieen
and geschlossenen Fersen sich vor dem Arzte befindet Bei der Messung
des Schultergürtelumfanges markirt man den Brustbeinpunkt an der
Foge zwischen Handhabe und Körper des Brustbeines damit, dass man
Zeige- und Mittelfinger so über den Knorpel legt, dass die Kante desselben
zwischen beiden zu liegen kommt; die Lage des Schulterblattpunktes
erhalt man, wenn man mit den Vordergliedern von Zeige- und Mittel¬
finger am unteren Rande der Crista einen Eindruck macht, während der
Oberarmpunkt in der Mitte der Deltamuskel aus dem Augenmaasse und aus
dem horizontalen Verlaufe der Messlinie sich ergiebt. Die durch den
Fingerdruck herbeige führte Verfärbung der Haut giebt genau die Stellen
so, an welchen der obere Rand des Messbandes zu liegen kommt. Der
Sehnltergurtelumfang wird in der Athempause gemessen. Bei der Messung
des Oesässumfanges ist der Verlauf der Messlinie rückwärts durch die
grösste Wölbung des Gesässes, vorwärts durch den oberen Rand des
Schambeins gegeben, während die seitliche Lage abwärts der grossen
Trocbanteren aus dem horizontalen Verlaufe, welcher durch die erwähnten
Prakte schon bestimmt ist, sich ergiebt. Mit Hülfe der angegebenen
Punkte ist eine genaue Messung des Schultergürtel- und Beckenumfanges
ermöglicht. Um diese Genauigkeit zu prüfen, habe ich an 10 Mann zu*
verschiedenen Zeiten und ohne besondere Sorgfalt drei Messungen vor¬
genommen, deren Resultate folgende sind:
Schulter, Becken; Schulter, Becken; Schulter, Becken.
1)
103
89
103
89
103
90
2)
104
89
105
90
104
90
3)
101
84
100
83
101
84
4)
101
85
100
85
101
86
5)
102
84
102
84
108
84
6)
102
91
102
92
101
91
7)
108
86
106
87
107
86
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212
Schulter, Becken;
Schulter,
Becken;
Schulter, Becken;
8)
110
92
110
92
108
92
9)
101
92
102
91
101
91
10)
103
90
103
89
104
88
Man sieht, dass die grösste Differenz für den Umfang des Schulter¬
gürtels zweimal 2 cm, für den Umfang des Beckengürtels mehr als 1 cm
beträgt. Eine Verschiedenheit der Messungsresultate nm 1 cm kann nicht
vermieden werden, weil das Messband nicht jedesmal gleich stark angesogen
wird and weil halbe Centimeter nicht abgelesen werden. DifFerenaen
von 2 cm lassen sich bei hinreichender Sorgfalt vermeiden.
Unter Anwendung der eben beschriebenen Messlinien für Schalter-
gartel-Beckenumfang habe ich non eine Anzahl Messungen an ausgebildeter
Mannschaft and an Rekruten vorgenommen. Bei der ausgebildeten
Mannschaft habe ich zugleich das Körpergewicht bestimmt Betrachtet
man die Querschnitte des Schalter- und Beckengurtels als Grund- und
Deckfläche des abgestumpften Kegels des menschlichen Stammes, so kann
man die Frage stellen, in welchem Verhältnisse die Ausdehnung dieses
Kegels, als dessen Hohe die Hohe des ganzen Körpers angenommen
wird, za dem Gewichte des Körpers steht Die Schwere eines Körpers
im Allgemeinen ist durch dessen Ausdehnung and Masse bestimmt; ist
das specifische Gewicht uBd die Ausdehnung bekannt, so lässt sich das
absolute Gewicht durch Rechnung Anden. Da in unserem Falle das
specifische Gewicht ausser Acht bleiben kann, so entsteht die Frage, in
welchem Verhältnias die durch Länge, Schultergurtel- und Beckenumfang
bestimmte Ausdehnung des Körpers zu seinem Gewichte steht. Zur
Beantwortung dieser Frage habe ich eine Tabelle hergestellt, aus welcher
sich ergeben wird, wie weit eine Uebereinstimmung zwischen beiden
Werthen besteht
Vor Darlegung der durch die angestellten Messungen und Wägnngen
erlangten Resultate halte ich es für zweckmässig, die wichtige Frage zu
besprechen, welches Körpergewicht als Minimalgewicht für den Dienst
mit der Waffe zu betrachten ist Von den Autoren werden 60, 55, 50 kg
angegeben; meine Erfahrungen hierüber gründen sich auf verschiedene Be¬
obachtungen. Seit mehreren Jahren werden übungspflichtige Ersatzreaer-
visten einberufen, um in verhältnissmässiger Zeit so weit ausgebildet zn
werden, dass sie als Ersatz für erlittenen Verlast sofort in Dienst gestellt
werden können. Unter ihnen befinden sich Leute mit geringen körper¬
lichen Gebrechen und namentlich ziemlich viele Mindermässige; die an die
körperliche Leistungsfähigkeit dieser Leute gestellten Anforderungen sind
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jedoch sehr beträchtliche. Ich habe non 80 Mann solcher Ersatzreservisten
eines Infanterie-Bataillons gewogen and hierbei gefunden, dass
unter 120 Pfund*) = 60 Mann
- 110 - = 25 -
106 - = 11 Mann Körpergewicht hatten.
Die 10 niedersten Gewichte waren: lx 105, lx 104, lx 106, 5x 102,
Jx 101, lx 100, worunter 6 Mindern)ässige. Von diesen Ersatzreservisten
meldeten sich während einer lOwochentlichen Uebung 32 Mann, darunter
3 zehnmal, mithin im Ganzen 25 Mann krank und waren 66 Tage
lazareth- und 65 Tage revierkrank; meistens bestanden äussere Leiden,
die theilweise aus der Zeit vor der Einberufung datirten, und nur in
4 Fällen war innere Erkrankung (Magen-Darmkatarrh) vorhanden. Es
ist hieraus zu ersehen, dass die lOwochentliche Uebung von diesen
Reservisten ohne erkennbaren Nachtheil für ihre Gesundheit ertragen
worden ist, wobei nur bemerkt werden muss, dass dieselben sehr gut
verpflegt waren.
Von 460 Mann ausgebildeter Mannschaft befanden sich
unter 120 Pfund = 100
- 110 - m* 8
- 106 - =2,
die 10 niedersten Gewichte waren: 4x 109, 3x 107, 2x 106, lx 105.
Ich habe dann von Reservisten und Landwehrleuten, welche zu
lOtagiger Uebung einberufen waren, 90 Mann gewogen; von diesen
befanden sich unter 120 Pfund = 25
- 110 - = 3
- 106 - = 2;
die 10 niedersten Gewichte waren: lx 115, 2x 114, lx 113, 2x 112,
lx 110, lx 109, lx 105, lx 100.
Wurde man 120 Pfund == 60 kg als das Minimalgewicht der Tauglichen
annehmen, so mussten nach den Ergebnissen der angestellten Wägungen
29,3 pCt von gegenwärtig tauglichen Mannschaften als untauglich erklärt
werden; bei einem Minimalgewichte von 110 Pfund = 55 kg wäre dieses
bei 5,9 pCt. der Fall, bei einem solchen von 106 Pfund = 53 kg würden
von der ausgebildeten Mannschaft und den Reservisten 4 Mann, von der
Er8atsmannschaft 11 Mann unter diese. Grenze fallen. Obwohl nun
lagestanden werden muss, dass ein Mann mit 120 Pfund Körpergewicht
besser geeignet wäre, die Anstrengungen des Militärdienstes zu ertragen,
•oist kaum nöthig zu erwähnen, dass bei weiterer Ausschliessung von 29,3 pCt.
*) Pfund = Va bg.
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214
Militärpflichtiger von dem activen Dienste der jetzige Bedarf der Armee
an Ergänzung8mannschaften nicht gedeckt werden konnte. Ferner
besitzen Leute von 110 bis 106 Pfund Körpergewicht, wie sich aus den
Beobachtungen bei den Ersatzmannschaften ergiebt, bei sonstiger guter
Verpflegung die für den Dienst nötbige körperliche Entwickelung. Man
kann also aus diesen Thatsachen den Schluss ziehen, dass das Minimal¬
körpergewicht zwischen 110—106 Pfund = 55—53 kg liege.
Nach den im Vorstehenden näher geschilderten Gesichtspunkten
wurden nachfolgende Bestimmungen ausgefuhrt: Eis wurde an 460 Mann
ausgebildeter Mannschaft eines Infanterie-Bataillons vor dem Abmarsche
zu den Herbstmanövern der Brustumfang, der ScHultergurtel- und Becken¬
umfang gemessen und das Körpergewicht gewogen; ferner wurden bei
dem Ersatzgeschäft an 436 Mann Militärpflichtiger, von welchen
240 - tauglich,
139 - körperschwach,
57 - mindermässig waren, desgleichen Brust¬
umfang, Schultergurtei-Beckenumfang gemessen. Aus den hierbei erhaltenen
Werthen wurden nun Mittelwerthe hergestellt und zwar derart, dass
einmal die Körpergrösse, das andere Mal der Brustumfang als Eintbeilungs-
grund angenommen wurde, mit welchem dann die berechneten Werthe in
ein Verhältnis gesetzt wurden. Auf diese Weise entstanden Tabelle I
und II. Die Herstellung des Verhältnisses der berechneten Werthe zum
Brustumfang hielt ich für nöthig, um diese mit bereits bekannten Werthen
vergleichen zu können.
Aus dieser Tabelle lassen sich folgende allgemeine Sätze ableiten:
I. Verhalten des Brustumfanges zum Schultergürtelumfang.
1) Der mittlere Scbultergürtelumfang beträgt
a. bei der ausgebildeten Mannschaft 105.2 cm : 87,5 mittlerer Brustumf.
* b. bei den Rekruten 103,4 - :87,0
c. bei den Körperschwachen 93,4 - : 77,0
d. bei den Mindermässigen 95,0 - : 78,0
Der mittlere Schultergürtelumfang beträgt demnach im Durchschnitt
nahezu um 17 cm mehr als der Brustumfang, er ist bei der ausgebildeten
Mannschaft und den Mindermässigen im Mittel etwas höher als bei den
Rekruten und Körperschwachen.
2) Mit dem Wachsthum des Brustumfanges wächst der Schulter-
gurtelumfang, abgesehen von geringen Schwankungen in den einzelnen
Längsstufen, ziemlich gleichmässig an, so dass Linien, welche den Verlauf
beider graphisch darstellen, nahezu parallel liegen.
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— 215 —
II. Verhalten des Brustumfanges zum Beckengürtelumfang.
3) Der mittlere Beckengurtelumfang betragt:
a. bei der ausgebildeten Mannschaft 86,6 cm : 87,5 mittlerer Brustumf.
b. bei den Rekruten
90,9 -
: 87,0
-
c. bei den Körperschwachen
82,5 -
: 77,0
-
d. bei den Mindermässigen
81,9 -
: 78,0
*
Der mittlere Beckengurtelumfang ist demnach im Durchschnitte
3,1 cm grosser als der Brustumfang, zeigt jedoch bei den vier Kategorien
von Mannschaften grossere Differenzen, indem der Beckengurtelumfang
bei den Rekruten, Körperschwachen und Mindermässigen über dem Brust*
umfang, bei den ausgebildeten unter demselben steht.
4) Mit dem Wachsen des Brustumfanges nimmt der Beokengürtel
weniger stark zu, so dass eine den Verlauf des Beckengürtels darstellende
Linie zur Linie des Brustumfanges geneigt ist.
5) Aus vorstehenden Sätzen folgt, dass das Breitenwachsthum im
Beckengürtel und. Schultergürtel im Verhältnis zum Brustumfang bei den
aasgebildeten. Mannschaften und in den höheren Längsstufen mehr im
Schultergürtel, bei den Rekruten, Körperschwacben und in den unteren
Langsstufen mehr im Becken Ausdruck gefunden hat
Zur näheren Betrachtung des Verhaltens der Körpergrösse zu den
anderen Maassen wurde die Tabelle III berechnet In der Tabelle II ist
die Erkennung einer vorhandenen Gesetzmässigkeit, namentlich in dem
Verhalten der Maasse mit zunehmender Körpergrösse, dadurch erschwert,
dass diese zwar im Allgemeinen eine mit zunehmender Körpergrösse
wachsende Grösse zeigen, einer regelmässig fortschreitenden Progression
aber entbehren. Man kann nun mit Hülfe der Gleichungen
tn = a 4- (n—1) d
Sn = (a 4- tn) £
arithmetische Progressionen erhalten, indem man
n = Anzahl der Glieder
Sn = Summe sämmtlicher Glieder
a = erstes Glied der Reihe
aus der Tabelle II als bekannt erhält, während
d = constante Differenz
tn = letztes Glied der Reihe
durch Rechnung gefunden werden. Mit Hülfe dieser Gleichungen wurde
Tabelle III hergestellt
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111. Verhalten der Korpergrosse zum Brustumfang.
6) Der mittlere Brustumfang beträgt:
a. bei der ausgebildeten Mannschaft 85,8 cm: 168,5 mittlere Grosse
b. bei den Rekruten
83,5
- : 167,0
-
c. bei den Körperschwachen
’ 77,6
- : 165,5
-
d. bei den Mindermässigen
77,7
- : 151,5
-
7) Mit dem Wachsen der Korpergrosse nimmt der Brustumfang im
Allgemeinen, jedoch nicht gleichmässig zu; derselbe betragt bei dem aus¬
gebildeten Manne bis zur Hohe von 172 cm und bei den Rekruten bis
166 cm mehr als die Hälfte, der Grosse, bei den Korperschwachen
erreicht er in keiner Grosse die Hälfte und bei den Mindermässigen
beträgt er in allen, mit Ausnahme einer, mehr als die Hälfte der Grosse.
Nach Tabelle III beträgt die Zunahme des Brustumfanges für 1 cm Länge
bei der ausgebildeten Mannschaft 0,35, bei den Rekruten 0,29, bei den
Korperschwachen 0,05 cm.
8) Das Wacbsthum an der Brust ist demnach bei den Tauglichen
und Mindermässigen ein stärkeres als bei den Korperschwachen, und die
Tauglichkeit nimmt ab mit dem U eberschreiten des Längenwachstbums
über das Doppelte des Brustumfanges.
IV. Verhalten der Korpergrosse zum Schultergürtelumfang.
9) Der mittlere Scbultergurtelun^fang beträgt bei mittlerer Grosse
a. bei der ausgebildeten Mannschaft
104,9 = 19,1 mehr als der mittlere Brustumfang;
b. bei den Rekruten
101,1 = 17,6 mehr als der mittlere Brustumfang;
c. bei den Korperschwachen
94,2 = 16,6 mehr als der mittlere Brustumfang;
d. bei den Mindermässigen
93,0 = 15,3 mehr als der mittlere Brustumfang;
im Mittel demnach 17,1 mehr als der mittlere Brustumfang.
10) Mit dem Wachsen der Korpergrosse nimmt der Schultergurtei
im Allgemeinen zu, bei den Rekruten und Körperschwachen jedoch in
viel geringerem Grade als bei der ausgebildeten Mannschaft. Nach
Tabelle HI beträgt die Zunahme bei der ausgebildeten Mannschaft 0,45,
bei den Rekruten 0,05, bei den Korperschwachen 0,03 für 1 cm Länge.
11) Das Wachsthum am Schultergürtel ist demnach bei der aus¬
gebildeten Mannschaft und den Rekruten ein bedeutenderes als bei den
Korperschwachen und Mindermässigen und es ist zu erkennen, dass der
Schultergürtelumfang in naher Beziehung zum Brustumfang steht, indem
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bei der ausgebildeten Mannschaft, bei welcher der Brustumfang am stärksten
zur Entwickelung gekommen ist, auch der 8chultergurtelumfang am
meisten ober das Mittel sich erhebt
V. Verhalten der Korpergrosse zum Beckenumfang.
12) Der mittlere Beckenumfang betragt bei mittlerer Korpergrosse
a. bei der ausgebildeten Mannschaft
86 5 ^»7 grosser als der Beckenumfang,
’ ~~~ 18,4 kleiner als der Schultergurteiumfang;
b. bei den Rekruten
87,9
83,0 =
80,5 =
3,9 grosser als der Beckenumfang,
13,7 kleiner als der Schultergurtelumfang;
c. bei den Körpersch wachen
5,4 grosser als der Beckenumfang,
11,2 kleiner als der Schultergurtelumfang;
d. bei den Mindermassigen
2,8 grosser als der Beckenumfang,
12,5 kleiner als der Schultergurtelumfang.
18) Mit dem Wachsen der Körpergrosse nimmt der Beckenumfang su,
jedoch in verschiedenem Grade bei den vier Kategorien. Diese Zunahme
betragt nach Tabelle III bei der ausgebildeten Mannschaft 0,35, bei den
Rekruten 0,25, bei den Körperschwachen 0,15 für 1 cm Körperlange.
14) Das Wachsthum am Beckengurtel ist demnach bei den Rekruten,
Körperschwachen und in den niederen Längsstufen ein bedeutenderes als
bei der ausgebildeten Mannschaft, welche jedoch in den höheren Längs¬
stofen durch stärkere Zunahme dieses Wachsthums wieder an Umfang
gewinnt
VI. Verhalten der Korpergrosse zum Schultergurtei-Beckenumfang.
15) Der mittlere Schultergurtelumfang beträgt bei mittlerer Grösse
a. bei den ausgebildeten Mannschaften
191.4 s 22,9 grösser als die Korpergrosse;
b. bei den Rekruten
188.5 cs 21,5 grösser als die Körpergrösse;
e. bei den Körperschwachen
177,2 = 11,7 grösser als die Korpergrosse;
d. bei den Mindermässigen
173.5 = 22,0 grösser als die Korpergrosse.
16) Mit der Korpergrosse nimmt der Schultergurtei-Beckenumfang
im Allgemeinen su und es beträgt diese Zunahme nach Tabelle 111 bei
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der aasgebildeten Mannschaft 0,80, bei den Rekruten 0,30, bei den Körper-
schwachen 0,21 für 1 cm Länge.
17) Das Wachsthum in der Breite im Verhältnis rar Länge ist
demnach bei der aasgebildeten Mannschaft und den Rehruten ein bei
Weitem stärkeres als bei den Körperschwachen und es nimmt auch mit
zunehmender Länge das Breitenwachsthum bei der ausgebildeten Mannschaft
stärker zu, als bei den Rekruten und Körperschwachen.
VII. Verhalten der Körpergrösse zum Gewichte.
18) Das mittlere Gewicht beträgt bei der ausgebildeten Mannschaft
130,0 Pfunll = 65,0 kg bei einer mittleren Grösse von 168,5 cm.
19) Das Gewicht nimmt mit der Länge zu und es beträgt die Zunahme
nahezu 1,5 Pfund = 0,75 kg für 1 cm Höhe.
Aus vorstehenden Sätzen ergiebt sich zur Genüge, dass das Breiten¬
wachsthum bei der ausgebildeten Mannschaft mehr in den Dimensionen
des Schultergürtels und der Brust, besonders in den höheren Längsstufen,
zur Ausbildung gekommen ist, während dasselbe bei den Rekruten und
vorzüglich bei den Körperschwachen unter Zurückbleiben an der Brust
und im Schultergürtel mehr in den Querdimensionen des Beckens, besonders
in den unteren Längsstufen, Ausdruck gefunden hat. Das Wachsthum
und der Bau des menschlichen Körpers ist demnach bestimmt durch die
Grösse seiner Dimensionen am Thoräx und am Becken, deren Berück¬
sichtigung daher Bedingung seiner Brkenntniss ist.
Die bisherigen Berechnungen ergaben nur Mittelwerthe für einzelne
Dimensionen des Körpers. Es ist klar, dass sich von diesen zwar
allgemeine Sätze ableiten lassen zur Kenntniss der Gesetze, welche im
Bau des menschlichen Körpers ausgedrückt sind, dass sie jedoch für die
Beurtheilung des einzelnen Falles nur geringe Anhaltspunkte gewähren.
Die Längsstufen des Körpers haben sehr verschiedene Maxima und
Minima der Querdimensionen, welche sich zwar in einem gemeinsamen
Mittelwerthe auflösen, bei dem Individuum jedoch wieder zum Vorschein
kommen und in ihrer Bedeutung gewürdigt werden müssen; namentlich
sind die Minima für den Militärarzt von grösster Wichtigkeit, welcher im
gegebenen Falle wissen möchte, welche niederste Querdimension einer
gewissenKörpergrösse mit der Militärdiensttauglichkeit sich noch vereinbart
Es soll nun in nachfolgender Darstellung der Weg gezeigt werden, auf
dem der Militärarzt Anhaltspunkte für das Urtheil im einzelnen Falle
findet
Bringt man die bei den Wägungen und Messungen der ausgebildeten
Mannschaft erhaltenen Werthe für Schultergürtel-Beckenumfang und Gewicht
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zugleich in ein Verbaltniß zur Körpergröße, so ergiebt sich Tabelle IV.
Id dieser ist somit die Körpergrosse zugleich durch das Gewicht und die
Querdimension vom Schultergurtei - Beckenumfang bestimmt; bei einer
Körpergröße von 170 cm beträgt z. B. der Schul tergürtel-Becken umfang
im Mittel 192,6 cm, das Körpergewicht 132,9 Pfund. Aus dieser einfachen
Tabelle lässt sich eine zweite ableiten, in welcher das Körpergewicht
berechnet wird, wenn in derselben Längsstufe der Sch ulte rgürtel-Becken-
umfang um eine bestimmte Grösse zu- oder abnimmt, also um 1 cm
schwankt. Bei dieser Berechnung ist die Annahme gemacht, dass das
Gewicht um Gleiches zu- oder abnimmt, wenn die Querdimension um gleiche
Größe sich ändert Diese Annahme enthält in sich keinen Widerspruch
und empfiehlt sich, um der ganzen Berechnung eine gewisse Gleich-
mässigkeit zu geben. Durch diese Rechnung wurde Tabelle V hergestellt,
deren Einrichtung und Gebrauchsweise sich aus einem Ueberblicke sofort
ergiebt Hat z. B. ein Mann eine Grösse von 170 cm und einen Schulter-
gurtel-Beckenumfang von 180 cm, so beträgt sein Gewicht 124,5 Pfund.
Es fragt sich nun, wie weit diese dureh Rechnung gefundenen Werthe
der Tabelle V mit dem wirklichen Gewicht übereinstimmen, wie weit
dieselben also Anspruch auf Wahrheit haben. Ich habe zur Entscheidung
dieser Frage eine Anzahl Messungen und Wägungen an Reservisten,
welche zu zehntägiger Uebung einberufen waren, sowie an Reconvalescenten
verschiedener Krankheiten vorgenommen, und die hierbei erhaltenen
Werthe mit den in der Tabelle berechneten in Vergleich gesetzt; diese
Zusammenstellungen sind in Tabelle VI enthalten. Die Rubrik „Be^
merkungen* wurde nach dem Augenmaasse und möglichst wenig beein¬
flusst von dem Ergebnisse der Messungen ausgefüllt; während in der
Zusammenstellung A nur ein allgemeines Urtheil über Tauglichkeit
angeführt ist, wurde in der Zusammenstellung B der Ernährungsstand
näher angegeben. Man sieht, dass in vielen Fällen die wirklichen
Gewichte von den berechneten nur wenig diflferiren; dieses zeigt sich bei
Leuten, welche einen guten Ernährungsstand haben. In anderen Fällen
besteht eine kleinere oder größere Minus- und Plusdifferenz, d. h. das
wirkliche Gewicht ist geringer oder grösser als das berechnete; dieses
Verhältniß besteht bei Leuten, die weniger gut genährt und mager oder
mehr fett und sehr fett waren. Will man für die verschiedenen Grade
des Ernährungsstandes eine bestimmte Zahl einsetzen, so kann man nach
dem Ergebnisse der Zusammenstellung B für den Ernährungsstand
«weniger gut genährt und mager* eine Minusdifferenz von 6 Pfund und
12 Pfund und für den Ernährungsstand «mehr fett und sehr fett* eine
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— 220 —
Plusdifferenz von 6 Pfand aod 12 Pfand oder 3 and 6 kg annehmen.
In der Zusammenstellung A sind 4 Falle aofgefuhrt, welche als un¬
tauglich and an der Grenze der Tauglichkeit befindlich angegeben sind. Die
zugehörigen bedeutenden Minusdifferenzen zeigen an, dass die betreffenden
Leute den Ernährungsstand „mager“ hatten. Aus dem ganzen Sachverhalte
ergiebt sich zur Genüge, dass die durch die Zahlen der Tabelle V be¬
rechneten Werthe von den wirklichen nur wenig differiren bei Leuten,
die gut genährt sind, dass sie jedoch kleinere und grössere Differenzen
bei Leoten, die weniger gut genährt und mager oder mehr fett und sehr
fett sind, anfweisen. Da sich diese Differenzen des Ernährungsstandes durch
den Augenschein leicht erkennen lassen, so kann man mit Hülfe der
Tabelle V einen ziemlich genauen Einblick in die Ernährungs- und
Constitutionsverbältnisse eines Individuums erlangen.
Ich komme nun dazu, für Gewicht und Querdimension (Schnlter-
gürtel-Beckenumfang) in den verschiedenen Längsstofen die Minimalwerthe
zu bestimmen, welche noch vorhanden sein müssen, wenn Militärdienst-
tanglichkeit bestehen soll. Zu diesem Zwecke habe ich für jede Körper-
grosse zwei Fälle niedersten Gewichtes, ferner zwei Fälle niederster
Querdimension bei der ausgebildeten Mannschaft und einen Fall bei den
Rekruten in der Tabelle VII zusammengestellt. Diese Minimalwerthe
zeigen, wie man sieht, kein mit der Grösse gleichmässiges Fortschreiten,
sondern bewegen sich in kleineren und grösseren Schwankungen fort;
mit Hülfe der für arithmetische Progressionen geltenden Gleichungen
kann man jedoch, wie dies bereits früher geschehen ist, für die fraglichen
Minimalwerthe gleichmässig fortschreitende Zahlenreihen hersteilen. Bei
dieser Rechnung wurde als erstes Glied der Reihe für das Gewicht im
Zusammenhänge mit den bereits entwickelten Gründen 55 kg = 110 Pfund
und als erstes Glied der Querdimension 180 cm angenommen, welche
Werthe thatsächlich nur in wenigen Fällen überschritten wurden. Auf
diese Weise entstanden die zwei letzten Colonnen der Tabelle VII.
Markirt man in Tabelle V die den Minimalwerthen für Schultergürtel-
Beckenumfang entsprechenden Gewichte, ebenso die den berechneten
Minimalgewichten nächstgelegenen, so sieht man, dass beide Curven ziemlich
stark von einander differiren und graphisch dargestellt einen Raum zwischen
sich einschliessen, welcher von den unteren zu den oberen Längsstofen
an Ausdehnung zunimmt. Es besteht Tauglichkeit bei einem Körper¬
gewichte, welches einer bedeutend geringeren Querdimension als der
berechneten Minimaldimension entspricht, ferner Tauglichkeit bei einer
Querdimension, die ein viel höheres Gewicht als das berechnete Minimal-
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gewicht ausweist. Wenn wir einen concreten Fall annehmen, so war in
der Längsstafe 180 cm ein M&nn mit 185 cm Umfang and ein solcher
mit 126 Pfand Gewicht tauglich; das Gewicht 126 Pfand entspricht aber
einem Umfange von 170 cm, welches nm 15 cm tiefer als der berechnete
Minimalomfang ist, der Umfang 185 cm dem Gewichte 137 Pfand,
welches am 11 Pfand aber dem Minimalgewichte liegt. Wir wissen
bereits, dass die Zahlenwerthe der Tabelle V dem Ernährangsstande „gut
genährt 11 entsprechen and dass Minusdifferenzen sich ergeben, wenn der
Emabrnngsstand sinkt. Berechnet man die Differenzen, welche zwischen
dem berechneten Minimalgewichte in Tabelle VII and dem Gewichte
bestehen, welches den berechneten Minimaldimensionen in Tabelle V ent¬
spricht, so erhält man in Tabelle VIII Zahlenreihen, welche in den Längs-
stnfen 157 cm und 169 cm von 2,9 and 6,6 zu 11,6 Pfand in der Stufe
180 cm ansteigen. Diese Werthe sind Minusdifferenzen and bedeuten
nach Tabelle VI einen Ernährungsstand „weniger gut genährt und mager*.
Wenn wir obigen concreten Fall nochmals anziehen, so war der Mann,
welcher mit 126 Pfund in der Längsstafe 180 cm noch tauglich war,
mager, hatte jedoch eine Minimaldimension von 185 cm.
Wenn man die für die Minimal-Querdimension gefundenen Werthe
abrundet, und den Ernährungsstand, welcher sich aas den Tabellen VI
and VIII ergiebt, für die einzelnen Körpergrössen einträgt, so erhält man
für die Minimal werthe des Schultergürtel-Beckenumfanges die ergänzte
and abgerundete Tabelle IX. Mit Hülfe dieser Tabelle kann man sich
non, da der Ernährungsstand durch den Augenschein sich erkennen lässt,
ein Urtbeil über die Militärdienstfäbigkeit eines Militärpflichtigen bilden.
Ein Mann, welcher 157 cm gross ist, muss eine Querdimension von 180 cm
haben und gut genährt sein, ein Mann von 180 cm Grösse und 185 cm
Breite ist tauglich, auch wenn er mager ist.
Ich habe zum Schluss noch die Richtigkeit der angewendeten Methode
za erörtern, nach welcher von den Grössen- und Gewicbtsverhältnissen
im Dienst stehender tauglicher Mannschaften ein Schluss auf die Taug¬
lichkeit überhaupt gemacht wird. Man erhebt den Vor warf, dass diese Schluss¬
folgerung sich im Kreise bewege und verlangt, dass man bei Feststellung
der Minimalgrenze eine grosse Anzahl Individuen von verschiedenen
Körpermaassen während ihrer ganzen Dienstzeit beobachte, um das ge¬
ringste für die Felddienstbraachbarkeit noch erforderliche Maass durch
directe Beobachtung zu erhalten. Darauf kann Folgendes erwidert werden:
Durch Wägung and Messung einer grösseren Anzahl tauglicher Mann¬
schaften, z. B. eines Infanterie-Bataillons, erhält man eine gewisse Ge-
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222
sammtgrosse für Maass und Gewicht; die daraus zu berechnenden Mittel-
werthe haben zwar für Beurtheilung des Einzelnen keinen grossen Vor*
theil, lassen sich jedoch, wie dies in Tabelle V geschehen ist, zerlegen
und weiter theilen und ergeben einen Maassstab, mit dem man den
Einzelnen messen kann. Der Arzt hat das Verhalten der Dimensionen
des Körpers und das Verhalten von Maass und Gewicht zu suchen; die
Entscheidung darüber, wie weit in denselben bei Einsteilang Militär¬
pflichtiger zum Dienst hcruntergegangen wird, liegt meistens nicht in
seiner Hand. Die Feststellung der Minimalwerthe geschieht dann da¬
durch, dass man der Beobachtung und Rechnung die Maass- und Ge¬
wichtsverhaltnisse von korpenschwachen Leuten zu Grunde legt, welche
bei den jetzigen Anforderungen noch Dienst thun. Zur richtigen
Durchführung dieser Methode halte ich die Beobachtung nachfolgender
Punkte für geboten:
1) Man wiege und messe Mannschaften der Infanterie, welche bereits
ein Jahr im Dienste stehen.
2) Von der Messung und Wägung werden diejenigen Soldaten aus¬
geschlossen, welche im Laufe ihrer Dienstzeit wiederholt und längere
Zeit krank waren, namentlich an Leiden, die mit einer Affection der
Lungen und des Herzens im Zusammenhang stehen.
3) Es ist eine grosse Anzahl von Soldaten zu wiegen und zu messen,
um für die Ableitung allgemeiner Satze eine hinreichend breite Basis zu
erhalten. Die Mannschaft eines Bataillons dürfte zur Feststellung end¬
gültiger Satze zu klein sein.
Würde in gleicher Weise eine grossere Anzahl Militärpflichtiger ge¬
messen und gewogen, so konnten die verschiedenen hierbei gewonnenen
Maasse einer Vergleichung unterstellt werden, und man wäre in der Lage,
die Differenzen feststellen zu können, welche zwischen den Maassen und
Gewichten der ausgebildeten Mannschaft, der Rekruten und Körper-
schwachen bestehen und bestehen dürfen. Ich bin überzeugt, dass auf
dem angegebenen Wege neue Anhaltspunkte für die so schwierige Be¬
urtheilung der Militardienstfahigkeit gewonnen werden dürften.
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Vergleichende Zusammenstellung berechneter und wirklicher Gewichte bei Reservisten und Reconvalescenten. Tabelle VI.
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— 228 —
lieber Fleisch conservirung im Felde.
Von Oberstabsarzt Dr. Port
Es tritt im Kriege mitunter der Fall ein, dass momentan übergrosse
Fleischvorräthe sich ansammeln, die nutzlos verderben, wenn sie nicht
auf irgend eine Art für spätere Verwendung conservirt werden. Ich
erinnere nur an die Verlegenheiten, die im Jahre 1870 durch ansteckende
Krankheiten unter den Rinderheerden den Verpflegsabtheilungen entstanden.
Es mussten die gesund gebliebenen Thiere der inficirten Heerden schleunigst
getödtet und mit den dadurch erhaltenen Fleischvorräthen gleichfalls
schleunigst aufgeräumt werden. Dass bei solchen Veranlassungen mit
dem Material verschwenderisch umgegangen wird, und dass dasselbe auch
vielfach ganz unverwerthet zu Grunde geht, wird zwar meist der Krieg¬
führung keinen directen Nachtbeil bringen, weil die Armeebedürfnisse durch
neue Zufuhren doch gewöhnlich wieder gedeckt werden können, aber
ganz anders gestalten sich die Verhältnisse, wenn eine Deckung der
Verluste durch frische Zufuhren ausgeschlossen ist Hier muss jede
Verschleuderung von Nahrungsmitteln die Waffenerfolge in unmittelbarster
Weise gefährden.
Die in Metz eingeschlossene französische Armee hätte die Uebergabe
jedenfalls um Wochen hinausziehen können, wenn die Pferde rechtzeitig
geschlachtet und die Fleischvorräthe in zweckmässiger Weise conservirt
worden wären. Die sehr verspäteten Conservirungsversuche, die erst
begannen, als die Hälfte der Pferde verhungert und die andere Hälfte
zum Skelett abgemagert war, konnten um so weniger einen Erfolg erzielen,
als man obendrein noch eine unzweckmässige Conservirungsmethode
an wendete. Man versuchte es nämlich mit der Conservirung in Blechbüchsen,
deren Anfertigung aber anfangs viel zu langsam ging, und die sich, als
man die Anfertigung forcirte, grossentheils als undicht herausstellten.
(Grellois, Histoire medicale du blocus de Metz.)
Man scheint also im vorigen Kriege auf eine feldmässige Conservirungs¬
methode weder auf deutscher noch französischer Seite vorbereitet gewesen
zu sein. Die Ermittelung eines den Kriegsverhältnissen angepassten Impro¬
visationsverfahrens zur Herstellung von Fleischconserven ist für kommende
Kriege ein offenbares Bedürfnis. Es gehört unter die Aufgaben der Kriegs*
Vorbereitung, auch für diese Nothfälle durch Experimente zur Friedenszeit
eine Methode festzustellen, die augenblickliches sicheres Handeln gestattet
Von den im Frieden gebräuchlichen Conservirungsmethoden lässt sich
meines Erachtens nur eine den Kriegsverhältnissen anpassen, nämlich die
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Austrocknung, die anderen .sind alle zu complicirt und zu zeitraubend.
Aber aach das Aastrocknen muss in anderer Weise geschehen, als bei
der Herstellung des Fleiscbpulvers. Nach meinen Versuchen lässt sich
in folgender Weise am raschesten zum Ziele kommen.
Das rohe Fleisch wird gehackt oder gewiegt, mit Mehl unter Salz¬
zusatz zu einem Teige angeknetet und dann im Ofen bis zu möglichster
Austrocknung gebacken. Die frischen Fleischstacke werden dadurch im
Laufe von 2—3 Standen in Fleiscbzwieback, also in eine nicht nur sehr
haltbare, sondern auch direct geniessbare Speise verwandelt. Es ist
keinerlei Umhüllung erforderlich, durch welche die Herstellungsarbeit
und das Gewicht vermehrt wird. Wenn die Brote in solcher Grosse
angefertigt werden, dass sie einer Tagesportion entsprechen, so ist auch
die Vertheilung sehr einfach und bequem. Man kann 100 g zerkleinertes
Fleisch ohne Wasserzusatz mit 70 g Mehl zusammenkneten. Zur Unter¬
bringung von mehr Mehl muss etwas Wasser zugesetzt werden. Um die
Albuminate und Kohlehydrate in das für die Ernährung richtige Verhältnis
zu bringen, wären nach Prof. v. Voit's „Anhaltspunkte zur Beurtheilung
des eisernen Bestandes" und zwar nach Ansatz a (S. 15) auf 100 g Fleisch
120 g Mehl zu nehmen.
Es wird sich fragen, ob man dieser Mischung nicht auch gleich das
dritte Ingredienz, das für einen vollen eisernen Bestand nothwendig ist,
das Fett, beisetzen solle. Ich mochte diese Frage verneinen. Erstens
wird durch die Beifügung des Fettes die Herstellung der Fleischconserve
umständlicher. Zweitens ist die Aufnahmsfähigkeit für Fett nicht nur
bei den einzelnen Individuen, sondern auch nach dem jeweiligen Gesundheits¬
zustand der Verdauung8organe eine sehr ungleiche. Ich halte es für besser f
das Fett für sich zu conserviren, d. h. auszulassen und es neben dem
Fleischzwieback zur Vertheilung zu bringen, damit Jeder davon soviel
verbrauchen kann, als ihm zusagt.
Aus den Fleischzwieback- und Fettportionen können sich die Soldaten
dreierlei wohlschmeckende Gerichte darstellen:
1) Der trockene Zwieback wird im heissen Fett gebacken und kann dann
wie geröstetes Brot pur gegessen werden (Herstellungszeit 3 bis 4 Minuten).
2) Der Zwieback wird grob zerstückelt und über Nacht in kaltem Wasser
eingeweicht. Am andern Morgen werden die angequollenen Stucke leicht
abgetrocknet und dann in Fett gebacken. Man erhält auf diese Weise
einen consistenten Schmarren, der im Brotsack untergebracht und im Lauf
des Tages nach Bedarf verzehrt werden kann (Herstellungszeit circa
5 Minuten).
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3) Die unter 1) gewonnenen gerosteten, Zwieback stücke werden mit
Wasser aufgekocht and liefern eine Einbrennsuppe. (Herstellungszeit ca.
Va Stunde, unter der Voraussetzung, dass der Zwieback vor dem Ein¬
bringen in das Wasser gehörig zerkleinert wurde.)
Von diesen verschiedenen Zubereitungsweisen, die dem etwas an*
spruchsvollen Geschmack der Soldaten lauter wohlbekannte und beliebte
Speisen bieten, durfte der Schmarren besonders bei gesundem, die Ein*
brennsuppe bei angegriffenem Zustand der Verdauungsorgane zu em¬
pfehlen sein. —
Richtige Improvisationen bilden in vielen Pallen die Wegweiser für
die regulären Einrichtungen und Maassregeln. Ich glaube, dass auch ans
der vorliegenden Improvisationsstudie sich ein Fingerzeig für die normale
Verpflegung der Truppen wenigstens unter gewissen Verhältnissen er¬
geben durfte. Unsere Administration hat im letzten Kriege in glücklichster
Weise die schwierige Aufgabe gelost, selbst bei den angestrengten Märschen,
die den grossen Aktionen vorauszugehen pflegen, den Truppen fast bis
zu ihrem Eintritt ins Gefecht frisches Fleisch und frischen Speck zu
liefern. Aber hat dieser Triumph der administrativen Umsicht den
Truppen wirklich viel genutzt? Ich glaube nicht. Bei angestrengten
Märschen hilft es dem Soldaten nichts, wenn ihm ein Stuck rohes Fleisch
ausgehändigt wird. Er ist viel zu müde, um sich mit dem Kochen des¬
selben abzugeben. Sein Hauptbedurfniss ist der Schlaf und dieses wird
befriedigt auf Kosten der Ernährung. Beim Aufbruch am Morgen liegt
das Tags vorher empfangene Fleisch noch ungekocht da; vielleicht bleibt
sogar der Speck liegen, wenn kein Brot geliefert wird, weil viele Sol¬
daten nicht wissen, wie sich Zwieback und Speck zu einem schmackhaf¬
ten Nahrungsmittel vereinigen lassen. So kommt es, dass trotz der regel¬
rechtesten Verpflegung die bedeutenden Ausgaben, die der Körper des
Soldaten zu leisten hat, auch nicht im entferntesten gedeckt werden.
Mit dem Beginn forcirter Märsche sollte meines Erachtens den Sol¬
daten Fleischzwieback und Fett gereicht werden, nachdem ihnen schon
in Friedenszeiten die obigen Bereitungsweisen geläufig gemacht worden
sind. Sie können sich dann aus dem über Nacht eingeweichten Fleisch¬
zwieback neben dem Morgenkaffee einen Schmarren machen und erhalten
auf diese Weise mit dem denkbar geringsten Zeitaufwand nicht nur jenes
anregende und substantielle Frühstück, das im Gebirge für anstrengende
Touren besonders geschätzt wird, sondern haben sich mit dem übrig¬
bleibenden Schmarren gleichzeitig für den ganzen Tag verproviantirt.
Durch einen Griff in den Brotsack können sie unter Tags zu jederZeit,
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\
ob sie auf dem Marsch, auf Vorposten oder im Gefecht sich befinden,
den ein tretenden Hunger stillen. Eine sehr wichtige Eigenschaft des
Schmarrens ist, dass er wie alle fetten Speisen nicht viel Durst macht.
Auf einfachere Weise durfte sich eine Verköstigung, die zur vollen
Erhaltung der Körperkräfte selbst bei grossen Anstrengungen ausreicht,
kaum erhalten lassen.
Damit die Feld-Intendanturen überall, wo es erforderlich ist, recht¬
zeitige Vertheilungen von Fleiscbzwieback an die Truppen machen können,
ist es durchaus nicht nothwendig, etwa schon im Frieden Vorräthe davon
anxulegen oder bei Ausbruch des Krieges Fabriken zu errichten. Die
Bereitung des Fleiscbzwiebacks ist so einfach, dass sie in jeder Privat^
kuche mit Leichtigkeit ausgeführt werden kann. Bei Ausbruch eines
Krieges hat Jedermann den Drang, sich den ausmarschirenden Truppen
in irgend einer Weise nützlich und dienstbar zu erweisen. Es geschieht
den Zurückbleibenden der grösste Gefallen, wenn man ihnen zeigt, auf
welchem Wege sie ihren patriotischen Eifer in zw eck massigster Weise
betbatigen können. Die Kriegsverwaltungen brauchten bei Beginn eines
Feldzuges nur in den Tagesblattern die Anweisung zur Bereitung des
Fleischzwiebacks (400 g Fleisch auf 480 g Mehl für eine Tagesportion)
nebst dem dafür gewünschten Format bekannt zu geben und Lusttragende
zur Angabe der von ihnen gegen eine bestimmte Entschädigung zu über¬
nehmenden Portionen einzuladen. Die besten Familien würden wetteifern
in der Betheiligung an einer solchen gemeinnützigen Leistung; sie würden
einen Stolz darein setzen, den Vertbeidigern des Vaterlandes in eigener
Küche den Kraftstoff für die Schlachttage bereiten zu lassen. Damit
waren die Kriegs Verwaltungen einerseits der Mühe der Selbstherstellung
des Fleischzwiebacks überhoben, andererseits vor den Fälschungen und
der Verwendung minderwerthiger Waare, die bei der Verdingung der
Lieferungen an Accordanten immer zu furchten sind, sichergestellt
Durch die Vertheilung der Arbeit auf die breite Masse der Bevölkerung
könnte jeder noch so grosse Bedarf in der kürzesten Zeit gedeckt werden.
Mit dem Fleischzwieback könnte auch einem anderen sehr dringenden
Bedürfoiss im Kriege abgeholfen werden, nämlich einer zweckmassigeren
Verpflegung der Verwundeten auf den Verbandplätzen. Hier ist das um¬
ständliche Fleischkochen gerade so wenig am Platz, als auf forcirten
Marschen. Dagegen wäre eine aus Fleischzwieback bereitete Einbrenn-
«wppe ein viel rascher herzosteilendes und gewiss in jeder Beziehung sehr
entsprechendes Nahrungsmittel für die Verwundeten.
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Ein Fall von Psendohypertrophie der Muskeln.
Von Dr. Weber,
Stabs- und Bataillonsarzt des Hannoverschen Pionier-Bataillons No. 10.
Da dieses Leiden immerhin zu den selteneren gehört, so dürfte viel¬
leicht die Veröffentlichung eines Falles von einigem Interesse sein. In
den meisten Handbüchern der speciellen Pathologie und Therapie ist die
Krankheit gar nicht erwähnt. Von den Lehrbüchern, die mir zu Oebote
standen, fand ich nur in dem von Eichhorst eine Schilderung derselben.
Hiernach sind im Ganzen bis jetzt etwas über 100 Falle bekannt geworden.
Das Hauptsymptom der Krankheit äussert sich in Umfangszunabme
einzelner Muskelgruppen bei abnehmender Kraft und Leistungsfähigkeit
derselben. Im Nachfolgenden soll durchaus keine Erörterung über das
Wesen der Krankheit und die durch sie hervorgerufenen resp. sie be¬
dingenden anatomischen Veränderungen erfolgen, sondern nur eine kurze
Schilderung eines beobachteten Falles.
Der Rekrut Jakob D., 20 Jahre alt, aus Weiher a. L. im Eisass,
wurde am 6. November a. er. beim hiesigen Pionier-Bataillon in Dienst
gestellt. Derselbe gab gleich bei der ersten ärztlichen Untersuchung an,
dass er an Schwäche in den Gliedern leide, dies sei schon seit der Jugend
der Fall, in den letzten Jahren habe es noch zugenommen. Besonders
nach der Ruhe könne er die Glieder anfangs nur sehr schlecht bewegen,
dieselben wären dann ganz steif. Die Eltern leben und sollen im Allge¬
meinen gesund sein; von seinen Geschwistern, drei Brüdern und zwei
Schwestern, soll der älteste Bruder, 32 Jahre alt, an demselben Uebel
leiden; die beiden anderen Brüder sind Soldat gewesen, einer von ihnen
ist angeblich wegen einer FussVerletzung, die er sich beim Turnen zu¬
gezogen, entlassen worden. Eine Schwester ist, 36 Jahre alt, gestorben,
angeblich an einem fieberhaften Lungenleiden, die lebende Schwester soll
kränklich (brustkrank) sein. Es ist dem Manne nicht bekannt, dass von
seinen Grosseltern oder von sonstigen Verwandten noch irgend einer an
demselben Uebel gelitten habe resp. leide. Vor 4 Jahren will er einmal
einige Zeit an einem Hautausschlage (wahrscheinlich Krätze) und vor
3 Jahren mehrere Wochen an Geschwüren in der linken Fusssohle ge¬
litten haben, im Uebrigen stets gesund gewesen sein. Der Mann istKorb-
macher, er hat dieses Geschäft angeblich deshalb ergriffen, weil er wegen
Schwäche in den Armen und Beinen andere Arbeit und Beschäftigung
nicht betreiben konnte. Schon in der Schule hat er nicht wie die anderen
Kinder ordentlich und schnell gehen und laufen, noch schlechter springen
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233
und tarnen können, was in seiner Heimath allgemein bekannt sei. D. wurde
in der ersten Zeit wiederholt untersucht, jedoch zunächst zum Dienst heran¬
gezogen, um seine Ausbildungsfähigkeit kennen zu lernen, nachher wurde
er zur genaueren Beobachtung ins Lazareth aufgenommen. Hier wurde
nachstehender Befund constatirt: Soll der Mann, nachdem er einige Zeit
gesessen oder gelegen hat, plötzlich aufstehen und gehen, so macht er
dies sehr ungeschickt, schwerfällig, steif, ähnlich wie Leute, die durch
Alter und Schwäche oder wegen Schmerzen (z. B. bei rheumatischen
Affectioneti, Knochenleiden) nicht oder nicht mehr im Stande sind, ihre
Glieder schnell, frei und kräftig zu bewegen; der Gang ist sehr wenig
fest und sicher, wackelnd, der ganze Körper fällt bei jedem Schritt etwas
nach der Seite über, die Kniee werden nicht ordentlich durchgedruckt,
dann knickt er bei jedem Tritt in den Knieen etwas ein. Der Gang ist
ähnlich, wie bei einem Menschen, der nach langem angestrengten Marsche
schon sehr ermüdet ist, und die ermüdeten, schmerzhaften Glieder mit
Mühe nachzieht. Die geringe Festigkeit und die Unsicherheit beim Gehen
fallen noch mehr auf, wenn man ihn langsamen Schritt üben lässt; er
kann sich dann kaum auf dem einen Beine halten, wankt hin und her,
fallt öfter, noch bevor er den weiteren Schritt machen soll, schon mit dem
andern Fusse auf. Gefragt, weshalb er nicht ordentlich stramm gehe
wie die anderen Soldaten, sagt er, er könne nicht, er besitze keine Kraft
dazu und habe Schmerzen, hauptsächlich in der Gegend der Kniekehlen.
Nach längerem Gehen klagt er über Schmerzen in den Muskeln des
Ober- und Unterschenkels * sowie in der untern Wirbelsäolengegend.
Schon nach ganz kurzem Marschiren keucht er stark, den Kopf halt er
dabei stets nach hinten, angeblich weil er sonst keine Luft habe. Ganz
besonders auffallend ist die Muskelschwäche seiner Beine beim Treppen¬
steigen, er kann nur langsam, ähnlich wie alte schwache Leute, von Stiege
zuStiege hinaufgehen; die sehr bequeme Lazarethtreppe z. B. wie jeder
andere junge Mensch hinauf zu laufen, etwa mit Ueberspringung eines
Trittes, ist ihm absolut unmöglich. Legt er sich mit ausgestrecktem
Leibe auf den Boden hin, so vermag er nur mit grosser Mühe und vieler
Anstrengung, unter allerhand Windungen und Drehungen des Körpers,
laogsam sich wieder zu erheben, ebenso wenn er sich auf den Boden
binsetzt und dann aufstehen soll; schon beim einfachen Hinsetzen auf
einen Stuhl stützt er sich zuerst mit den Händen auf. Beim Exerciren
ist er auch mehrmals hingefallen und hat sich dann nur sehr schwer
wieder erheben können. Länger wie V 2 bis 3 /j Stunden hat er überhaupt
die Exercirübungen nicht ausgehalten, er war dann vollständig ermüdet
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and musste längere Zeit ausruhen. Den beschriebenen nnsicbern and
anfesten Charakter behalten die Bewegungen bei, auch nachdem er einige
Zeit gegangen ist. Aehnlich ist es mit den Bewegungen der Arme.
Soll er dieselben in horizontaler Richtung aasstrecken, so macht er dies
langsam, gar nicht straff, im Ellenbogen bleiben die Arme sogar etwas
gekrümmt; soll er sie einige Zeit in dieser Stellung halten, so zittern
dieselben and beginnen bald nach unten zu sinken. Die geringe Kraft
zeigt sieh besonders deutlich, wenn er einen Gegenstand halten soll.
Einen Stahl, den ich mit einem Arme in horizontaler Streckung ganz gut
einige Zeit halten kann, vermag D. nicht mit beiden Armen zu halten,
die Arme zittern stark and sinken sofort nach unten. Aach hierbei klagt
er aber Schmerzen and Steifigkeit in den Gliedern. Mit den in letzter
Zeit mehrfach veröffentlichten Fällen von Thomsen’scher Krankheit
stimmt das Krankheitsbild unseres Untersuchten insoweit durchaus nicht,
als hier nicht nur die Anfangsbewegungen, nach der Ruhe, besonders
behindert und schwer ausführbar sind, sondern dieselben auch spater un¬
sicher und unfest bleiben und schnelle, vollständige Ermüdung eintritt
D. ist 166 cm gross, der Brustumfang beträgt 83—90cm, der Er¬
nährungszustand ist ein guter, der Panniculus adiposus ziemlich stark ent-
wickelt, und beim blossen Anblick sollte man denselben für einen recht
kräftigen Menschen halten. Die Muskulatur am Rumpfe und an den
Armen erscheint ziemlich normal, weder besonders fest noch schlaff,
weder deutlich atrophisch noch hypertrophisch. Die Muskulatur der Beine
dagegen erscheint auffallend stark entwickelt (hypertrophisch) wie die
eines Athleten, die Muskeln fühlen sich auch recht fest und straff an.
Das stärkste Volumen haben die Wadenmuskeln und die Extensoren der
Oberschenkel, dann ist noch besonders in die Augen fallend und charakte¬
ristisch die ganz aussergewohnliche Volumenszunahme des Muse, sterno-
cleidomastoideus. Beide Korperhälften sind überall gleichmässig entwickelt
Die Haatsensibilität scheint eine ziemlich normale zu sein, jedenfalls ist
sie nicht erhöht, eher vielleicht etwas herabgesetzt. Der Patellarreflex ist
nur schwach ausgesprochen, jedoch deutlich vorhanden. Die elektrische
Reizbarkeit der Muskeln (Faradisation) ist an den unteren Gliedmaassen
bedeutend herabgesetzt (was Vergleiche mit anderen Leuten sehr deutlich
zeigen), an den oberen Gliedmaassen und dem Rumpfe ist sie auch herab¬
gesetzt, jedoch weniger wie an den Beinen. Sehr auffallend im Gegen¬
satz hierzu ist die wesentlich erhöhte elektrische Muskelsensibilität. Der
Untersuchte windet sich und schreit auf vor Schmerz bei einer Strom¬
stärke, die andere Patienten und Lazarethgehülfen ganz gut ertragen, ohne
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cor dos geringste Schmerzgefühl za äussern. Dieses Symptom ist bei
wiederholten Versuchen stets beobachtet worden. Die Untersuchung der
inneren Organe ergiebt nichts wesentlich Abweichendes. Herztone rein,
72 Schlage in der Minute, eine Herzvergrösserung ist nicht nachweisbar,
Puls massig voll und kräftig. Sämmtliche Organe functioniren normal,
Appetit und Schlaf sind gut, Stuhlgang regelmässig, täglich, der Urin
enthält weder Eiweiss noch Zucker, Gesicht und Gehör sind gut. Die
Haut hat ein normales Aussehen, die Schweisssecretion scheint vermindert
zu sein; Patient giebt an, dass er erst nach längerer, stärkerer Körper-
Anstrengung anfange wenig zu schwitzen, dagegen in der Ruhe oder bei
nur massiger Bewegung auch in der warmen Jahreszeit nie schwitze;
es sei ihm jedoch umgekehrt leicht zu kühl und er habe stets kalte
Fasse. Der Gesichtsausdruck hat etwas Gedunsenes, kindlich Blödes, je¬
doch durchaus nichts Blödsinniges. Der Schädel ist symmetrisch geformt,
die geistigen Fähigkeiten sind normal entwickelt. Die Wirbelsäule ist
im unteren Brusttheile ganz wenig nach links gebogen. Die Leisten-
ond Schenkeldrüsen sind etwas angeschwollen und wenig schmerzhaft,
was angeblich vom Marschiren herrührt. Sonstige Abweichungen oder
Fonctionsstörungen sind nicht nachzuweisen. Nicht uninteressant dürfte
Doch eine kurze Erwähnung der Ergebnisse von Recherchen sein, welche
in dem Heimathsorte des Mannes angestellt wurden.
Der Bürgermeister erklärt, dass p. D., nach Aussage der Eltern, in
serner Jagend oft nervenkrank war, besonders sei die Zahnperiode für
ihn eine schlimme Zeit gewesen, im 4. Lebensjahre habe er noch nicht
gehen können; dann ferner, dass Gang und Haltung aller Mitglieder dieser
Familie eine fehlerhafte Körperconstitution zu verrathen scheinen. Der
Lehrer des Patienten giebt Folgendes an: Krank ist derselbe nie gewesen,
folgte nach einer Unterrichtsstunde eine Pause, so kostete es ihm immer
ordentlich Mühe sich zu erheben und den Mitschülern ins Freie zu folgen,
man bekam dabei die Meinung, als seien seine Beine ohne Gelenke, ein
leichter Stoss hätte ihn wohl zu Boden gestreckt. Schnell gehen und
laufen oder gar springen habe ich denselben nie gesehen, von den Turn¬
übungen habe ich ihn deshalb meistens dispensirt. Verschiedene Mit¬
schüler machen ähnliche Angaben, sie sagen, D. habe nie ordentlich
laufen und die meisten Turnübungen nicht mitmachen können, sei er beim
Spielen hingefallen, so hätten sie ihm beim Aufstehen behülflich sein
<• *
müssen.
Diesämmtlichen im Vorstehenden erwähnten Angaben und beschriebenen
Symptom^ charakterisiren aufs Deutlichste und unzweifelhafteste das Krank-
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heitsbild einer Pseudohypertrophia musculorum, welches Leiden in nnserm
Falle entweder angeboren ist, oder wenigstens schon in froher Kindheit
begonnen hat
Der Mann wurde selbstverständlich als dienstnnbranchbar eingegeben
und entlassen.
Minden, im December 1885.
Referate and Kritiken.
Die ätiologische Bedeutung des Typhusbacillus. Untersuchungen
aus dem allgemeinen Kranken hause zu Hamburg, von Dr. Bugen Frankel
und Dr. M. Simmonds. Mit 3 Farbentafeln. Hamburg und Leipzig,
Verlag von Leopold Voss. 1886. Preis 5 Mark.
Nach der Entdeckung der Bacillen des Abdominaltyphus durch
Eberth und R. Koch und nach der Darlegung der biologischen Ver¬
hältnisse des in Reinculturen gezüchteten Typhusbacillus durch Gaffky
blieb als wichtigste, noch zu losende Aufgabe die Sicherstellung der
ätiologischen Bedeutung der neu gefundenen Mikroorganismen für den
Typbu8proceSB übrig: d. h. es musste in exacter Weise dargethan werden,
dass die fraglichen Bacillen in der That die eigentliche causa morbi dar¬
stellten.
Zum Zweck dieses Nachweises haben die Verfasser — Beide Sobüler
Koch's — im vergangenen Sommer gelegentlich einer heftigen, ausge¬
breiteten Typhosepidemie in Hamburg am allgemeinen Krankenhause
eine grössere Reihe Leichenuntersuchungen und Thierexperimente vorge¬
nommen, deren Resultate bereits in No. 44 des Centralblatts für klio.
Medicin, 1885, kurz mitgetheilt sind.
Die vorliegende, vortreffliche Arbeit, welche von Neuem Zeugniss
ablegt von der Classicität der Koch'sehen Methodik und dem Meister
sowohl wie den Verfassern zur Ehre gereicht, enthält die ausführliche
Darstellung sämmtlicher, auch nach jener Zeit noch hinzugekommenea
Untersuchungen über den fraglichen Gegenstand.
Sie zerfällt in folgende Abschnitte: 1) Untersuchungen an Typhus¬
leichen; 2) Untersuchungen an Typhuskranken; 3) Uebertragungsversuche
auf Thiere; 4) Erklärung der Abbildungen.
Der 1. Abschnitt enthält zunächst die gedrängte Beschreibung von
33 untersuchten Sectionsfällen, bei denen es sich in der überwiegenden
Mehrzahl um frische Erkrankungen handelte. Mittelst des Plattenverfahrens
gelang es, aus den Milzen, abgesehen von 4 Fällen, deren Platten verun¬
glückten, in den übrigen 29 Fällen 25 mal die Typhusbacillen, und
zwar stets in Reinculturen, nachzuweisen. Bei den vier übrigen
Fällen blieben die Platten steril, da es sich stets um Individuen handelte,
bei denen der typhöse Process als abgelaufen zu betrachten war und
nur noch Residuen von Geschwüren im Darm Vorlagen. Dass indess
auch in derartigen Stadien der Krankheit die Bacillen sich dennoch sehr
lange im Organismus halten können, beweist ein Fall, wo trotz voll-
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ständiger Reinigung and Vernarbung der Geschwüre sich doch noch
reichlich Typhusbacillen in der Milz nachweisen Hessen. Diese Be¬
obachtung verdient deshalb besonders hervorgehoben zu werden, weil sie
uns ein Verständniss für die in späteren Abschnitten des Typhus bis¬
weilen auftretenden Recidive giebt.
Ein bestimmtes Verhältnis zwischen der Zahl der Bacillen im Milz¬
gewebe und der Intensität der Erkrankung wurde nicht constatirt; ebenso¬
wenig ermittelt, ob die Zahl in frischen Fällen eine grossere, in späteren
Krankheitsabschnitten eine geringere sei. Dagegen konnten die Verfasser
die Angaben der oben genannten Autoren bezüglich der Form und Grosse
der Typhusbacillen durchaus bestätigen, betonen indess, gegenüber allen
früheren Arheiten, ausdrücklich den grossen Wechsel in Form und
Grösse bei den fraglichen Mikroorganismen. Dieser Umstand, sowie
die Thatsache, dass manche andere Stäbchen mikroskopisch vollständig
den Typbusbacillen gleichen, beweisen zur Genüge die Unzuverlässig¬
keit der Erkenntniss dieses Pilzes durch die rtikroskopische
Untersuchung allein und verlangen in allen zweifelhaften Fällen zur
Sicherung der Diagnose die Anwendung der verschiedenen Culturverfahren.
Von diesen bietet das Verhalten bezw. das Wachstbum des Typhus-
fiacillos, wie bereits Gaffky besonders hervorgehoben hat, auf gekochten
Kartoffeln das sicherste Kriterium für die Entscheidung der
Frage, welche Stäbe als Typhusbacillen angesehen werden können, und
welche nicht; Die mit dem Pilze besäte Kartoffel fläche nämlich lässt in
den ersten Tagen, abgesehen von einem leicht feuchten Glanze im Be¬
reich der Impfung nichts wahrnehmen, obwohl schon jetzt durch das
Mikroskop die Anwesenheit einer üppigen Pilz Vegetation constatirt werden
kann. — Erst bei längerem Stehen bildet sich eine blassgraue, kaum er¬
kennbare Cultur, die sich durch völlige Geruchlosigkeit auszeichnet.
(Alle übrigen bekannten Mikroorganismen bilden im Gegensatz hierzu
schon nach zweimal 24 Stunden meist einen mehrere Millimeter dicken
Belag oder Rasen von höckeriger, unebener Beschaffenheit mit oder ohne
Farbstoffentwickelung, auf der Schnittfläche der Kartoffel und gewöhnlich
einem specifischen, meist mehr oder minder unangenehmen Geruch. Ref.)
Bei den Untersuchungen der Gewebe, speciell von Schnitten aus der
Milz (gefärbt mit alkalischer Methylenblaulösung), Hessen sich die
charakteristischen Bacillenherde, falls das Organ kurze Zeit nach dem
Tode (3 — 12 Stunden) in Alkohol eingelegt worden war, entweder gar
nicht oder nur in geringer Zahl nachweisen. Wurden dagegen Milzstücke
erst nach 1—4tägiger Aufbewahrung unter Glasglocken und in anti¬
septischer Umhüllung zur Härtung eingelegt, so fand sich in den Schnitten
Zahl und Grösse der Bacillenherde um so beträchtlicher, je später das
betreffende Milzstück in den Alkohol gebracht worden war. Für diese
postmortale Bildung und Weiterentwickelung der fraglichen Bacillen-
berde werden noch weitere (im Original nachzulesende) Beweise erbracht,
so dass sich die Verfasser der Ansicht Re her’s (Archiv für experim.
Pathologie und Pbarmacologie 1885, Bd. XX. $. 420) anschliessen müssen,
dass „eben die im lebenden Organ vorhandenen Bedingungen eine der¬
artige Wucherung der Typhuspilze in Haufen nicht zulassen“.
Die vor Allem in hygienischer Beziehung wichtige Frage, ob auch
bei weiterem Fortschreiten der Fäulniss die Bacillen sich noch vermehren,
— was ja eine weit verbreitete Tagesmeinung ist, — oder ob sie im
Kampf mit den üppiger wuchernden Fäulnisspilzen zu Grunde gehen,
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238
konnten die Verfasser nnr in negativem Sinne beantworten: Aus einer in
Erde eingegrabenen, einer in einem Gefäss mit Leitnngswasser eingelegten
und einer unbedeckt, in einer feuchten Glocke aufbewahrten Milz kamen
in den nach 8 — 10 Tagen angefertigten Platten wohl massenhaft Faulniss-
pilze, aber niemals eine Typbusbacillencolonie zur Entwickelung. (So¬
mit zeigt also der Typhusbacillus den Fäulnissproeessen gegenüber genau
dasselbe Verhalten, wie der Choleravibrio! Ref.) —
In der Leber fanden die Verfasser ebenfalls die Typhusbacillen in
der von Gaffky beschriebenen herdweisen Anordnung, jedoch nicht in
derselben Häufigkeit wie dieser Forscher. (Unter 15 Fällen 8 mal,
2 mal im Gewebe, 6 mal in Capillaren, parallel zur Gefässwand gelagert)
Daneben waren regelmässig jene bereits vielfach beschriebenen Ver¬
änderungen, eine mehr oder minder ausgesprochene kleinzellige In¬
filtration des Bindegewebes und jene eigentümlichen, als Lymphome
bezeichneten Bildungen vorhanden. Die Verfasser deuten diese Herde
ihrem tinctoriellen Verhalten nach als coagulations-nekrotische Gewebes-
abschnitte und neigen zu der Annahme, dass es sich ursprünglich um
kleine, circumscripte Degenerationsherde handelt, deren Folge reactive
Vorgänge mit Anhäufung von Rundzellen in den nekrotischen Partien
seien. Ob diese Gebilde mit der Anwesenheit der Typhusbacillen in
directem Zusammenhang stehen, wird als unwahrscheinlich hingestellt
Sehr interessant und in pathogenetischer Beziehung beteutungsvoll
ist der Nachweis, dass der Typhusbacillus als solcher niemals im Stande
ist, Entzündung und Eiterung zu erzeugen. Bei 6 mit Complicationen zur
Section gelangten Fällen (1 eitrige Parotitis, 1 lobuläre und 2 lobäre
Pneumonien, 1 eitrige Meningitis und Pleuritis und 1 retrotonsilläre
Phlegmone) wurden in den Nährsubstraten niemals Typhusbacillen, sondern
stets Micrococcen verschiedener Arten (in Fall 1 Staphylococcus aureus)
resp. andere, völlig differente Mikroorganismen gefunden. —
Der 2. Abschnitt beschäftigt sich mit dem Nachweis des Typhusbacillus
am Lebenden; und zwar zunächst mit der Frage, ob dieser Nachweis
am Krankenbette nicht möglicherweise für die Differentialdiagnose
des Typhus von anderen unter ähnlichem Symptomencomplex verlaufenden
Krankheiten verwerthet werden könnte.
Die Versuche indess, aus dem Blute von Typhuskranken die Bacillen
darzustellen, ergaben in 6 verschiedenen, den ersten 3 Wochen der Er¬
krankung angehorenden Fällen ein völlig negatives Resultat.*) Die Platten
blieben stets steril.
Glücklicher waren die Verfasser bei Untersuchung der Darm¬
entleerungen von Typhuskranken. Es gelang ihnen in 11 Fällen
mittelst der gewöhnlichen Koch’schen Gelatinemischung — im Gegensatz
zu P ei ff er, welcher den mühevolleren Weg der Agar-Agar-Platten mit
Erfolg gewählt hatte — 3 mal Typhusbacillenherde ■ aufzufinden, 2 mal
in grosserer, 1 mal nur in sehr geringer Zahl. Obgleich somit die dia¬
gnostische Bedeutung dieser Untersuchungsmethode durch den
überwiegend negativen Erfolg in jenen Fällen stark beeinträchtigt
wird, so dienen doch andererseits die positiven Resultate der alten An¬
schauung von der Gefährlichkeit der Typhusentleerungen zur
wesentlichen Stütze.
*) Dieser Nachweis ist mittlerweile Neuhaus gelungen. (Berl. klin. Wochen¬
schrift 1886. No. 6.) Ref.
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239
Im 3. Abschnitt werden die Beobachtungen und Resultate der Ueber-
tmgungsversuche des Typhusbacillus auf Thiere, welche merkwürdiger¬
weise von Gaffky ohne Erfolg angestellt worden waren, abgehandelt.
Zu den Versuchen dienten: Meerschweinchen, graue Hausmäuse und
Kaoinehen. Die ersten beiden Gruppen wurden nur zu Injectionen einer
ziemlich <$oncentrirten Aufschwemmung von Typhusculturen auf Kar¬
toffeln in sterilisirtem, destillirtem Wasser, welche von 11 verschiedenen
Typbusfallen stammten, in die Bauchhöhle benutzt. Bei den Kaninchen
geschah die Uebertragung auf verschiedene Weise: 1) durch Einspritzung
in die Ohrvene; 2) direct in die Bauchhöhle; 3) durch Einbringung ins
Jejunum oder Duodenum nach vorheriger Laparotomie; 4) durch mehr¬
malige Inhalation zerstäubter Culturen und 5) durch Injection ins subcutane
Gewebe der Rückenhaut und in die Lungen.
Die Infection gelang in der Regel um so sicherer, je concentrirter
die Injectionsflüssigkeit war.
Von den 3 Meerschweinchen (6 Injectionen) ging nur eins zu Grunde,
wahrend sich die Mäuse gegen das Typhusgift sehr wenig widerstandsfähig
zeigten. Es erlagen von 31 Mänsen (35 Infectionsversuche) 27.
Bei den 50 Kaninchen (mit 79 Uebertragungsversuchen) blieben
die oben unter No. 3 bis 5 angeführten Versuche gänzlich resultatlos;
die Thiere zeigten nicht einmal irgend welche wahrnehmbare Kran k hei ts-
erocheinungen. Anders dagegen bei der directen Einverleibung der Rein-
colturen in die Blutbahn oder in die Bauchhöhle.
Hier boten die meisten inficirten Thiere schon einige Stunden nach
der Injection deutlich ausgesprochene Krankheitssymptome, welche beson¬
ders bei den Kaninchen leicht zu beobachten waren: 1) grosse Hinfällig¬
keit und Trägheit der Bewegungen, 2) verminderte oder aufgehobene
Fresslust, 3) bei vielen Thieren bis zum Tode andauernde diarrhoische
Entleerungen. Der Tod erfolgte meist innerhalb des 1. Tages, ausnahms¬
weise schon nach 3—4 Stunden, selten nach 2—4 Tagen. Ueberlebten
die Thiere die Infection, so fiel eine, oft äusserst rasch auftretende, höch-
gradige Abmagerung derselben auf. —
Was die Sectionsergebnisse der spontan zu Grunde gegangenen Thiere
betrifft, so sind dieselben bei allen Arten ganz typische und durchaus
übereinstimmende: Frischer Milztumor, Anschwellung der bisweilen
auch hämorrhagisch gefärbten Mesenterialdrüsen, hochgradige,
namentlich anden Peyer’schen Haufen ausgesprochene markige
Schwellung (3 mal bei Kaninchen mit exquisiter Verschorfung an
den intumescirten und zwar den solitären wie conglobirten
Follikeln). Ausser dieser „im Anschluss an die gelungene Infection mit
mathematischer Sicherheit auftretenden pathologisch - anatomischen Sym¬
ptomen-Trias 8 worden auch an anderen Organen, wenn auch weniger
coustant, Veränderungen beobachtet, und zwar: Vergrösserung der in den
Achselgruben und Leistenbeugen befindlichen Lymphdrüsen; in einigen
Fällen kleinfleckige Blutungen in der Darmschleimhaut und an serösen
Häuten (der Lungenpleura und dem Epicard); endlich bei den meisten
obducirten Thieren deutliche parenchymatöse Schwellung und auf
Durchschnitten trübe Beschaffenheit der Nieren und Leber. Daneben
tls constantes Sectionsergebniss der Mangel von Reizerscheinungen
&n denjenigen Localitäten, von denen aus die Infection einge¬
leitet worden war. —
Bei allen an der Infection eingegangenen Thieren gelang es den
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Verfassern, sowohl durch das Plattenverfahren, als mit Hülfe des
Mikroskops die zur Infection verwaudteu Bacillen in den Organen
der Versuchsthiere wieder aufzufinden. Die Lage und Anordnung der
Bacillen war speciell in Milz und Leber genau dieselbe, wie beim Menschen.
Mit Feststellung dieser experimentellen Thatsachen war also nicht
bloss der unanfechtbare Beweis für die Pathogenität des Typbusbacillus
geliefert, sondern die an den Versuchstieren hervorgerufenen Krankbeits-
erscheinungen batten sogar eine auffallende Aebnlicbkeit mit dem beim
menschlichen Abdominaltyphus beobachteten klinischen und anatomischen
Befunde! —
Am Schluss ihrer Arbeit lassen die Verfasser noch eine Analyse
sämmtlicher an Kaninchen angestellten Versuche folgen, der indess nur
Folgendes entnommen sei: Zwischen verschiedenen Thierarten sowohl,
als auch verschiedenen Exemplaren derselben Gattung besteht eine ver¬
schiedenartige Disposition bezw. Vulnerabilität gegenüber dem Typbnsgift.
Thiere, welche bereits eine einmalige Infection überstanden haben,
sterben auch bei wiederholten Uebertragungsversuchen nicht; erlangen
also — wie Analoges ja beim Menschen längst beobachtet ist — durch
die erste Erkrankung eine nahezu absolute Immunität gegen das Typhns-
gift. Mit diesem letzten Resultat, welches die Verfasser als das Endziel
einer bacteriologischen Untersuchung vom praktisch-medicinischen Stand¬
punkt aus hinstellen, sind in der That „neue Gesichtspunkte für eine,
etwa durch die Vornahme prophylaktischer Impfungen zu erreichende,
wirksame Verhütung des Abdominal typhus beim Menschen * eröffnet
worden. —
Druck und Ausführung der Farbentafeln sind mustergültig. —
Nach obiger Skizzirung des reichen Inhaltes wird das vorliegende
Werk keiner weiteren Empfehlung bedürfen: es stellt einen Markstein in
der Geschichte des Abdominal typhus dar, an welchem kein späterer
Forscher ohne Rast zu halten vorübergehen kann. —
•Mit besonderer Befriedigung erfüllt es den Referenten, dass es ihm
nicht bloss vergönnt war, einem grossen Theil der betreffenden Unter¬
suchungen beizuwohnen und sich von der Richtigkeit der Beobachtungen
durch den Augenschein zu überzeugen, sondern dass er auch durch spätere
eigene Experimente Gelegenheit hatte, die Resultate der Verfasser io
jedem Punkte zu bestätigen. — Pfuhl (Hamburg).
Ueber die Abdominaltyphus-Epidemie, welche 1885 unter den
Truppen der für Tonkin bestimmten Reserve-Division im
Lager du Pas des Lanciere gewüthet )iat. Von Duchemin,
M6d. principal 2. cl. Arch. de Med. et de Pharm, mil. 1886. S. 145.
In Aussicht weiterer Verwickelungen mit China wurde im Mai 1885
aus verschiedenen Truppentheilen der französischen Armee eine „Reserve-
Division für Tonkin u gebildet und zunächst im Lager du Pas des Lanciers
nördlich Marseille versammelt. Das Lager bestand bereits für die jähr¬
lichen Schiessübuogen der Marseiller Garnison, wurde aber für vorliegenden
Zweck bedeutend erweitert. Das Terrain stellt ein Kalkplateau dar,
welches mit einer festen Mergelschicht bedeckt ist. Zahlreiche Spalten
in dieser Decke erlauben den Ausdünstungen des Grundwassers, mit der
Aussenluft in Verbindung zu treten. Die Tage waren in dieser Jahreszeit
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glühend heiss, die Nächte kalt und reich an Than. Der herrschende Nord¬
wind (Mistral) erhob nicht nnr Wolken von Staub, sondern erreichte
einige Male eine solche Gewalt, dass er die Zelte umwarf, den Soldaten
seines einzigen Schutzes beraubend.
Für die Aufnahme der Truppen war in folgender Weise gesorgt
An Wasser stand Quell- und Brunnenwasser, jedoch nicht gerade
reichlich, zur Verfügung. Ausserdem ein Bach (la Cadiöre), dessen
Wasser jedoch wegen allzu grossen Gehaltes an organischen Bestand-
theilen nicht zum Trinken zugelassen wurde. Hinsichtlich der Latrinen
masgte man bei der Härte des Bodens leider auf die Anlage von Wechsel¬
graben verzichten. Man liess deshalb Dauergruben ausheben, welche zur
Aufnahme von je 6 getheerten Zinkbehältern dienen sollten. Der Urin
wurde durch eine besondere Rinne unter dem Sitze abgeleitet. Die Des-
infection geschah durch Sol. Ferr. sulph. 1:100. Eine Marseiller Ge¬
sellschaft war für die tägliche Abfuhr sowohl dieser als auch der Behälter
für die Küchenabfalle u. s. w. engagirt. Leider erlaubte das Terrain
sieht, die Gruben so zu vertheilen, dass nicht ein Th eil des Lagers bei
des herrschenden Winden unter den Ausdünstungen zu leiden gehabt
hätte. Ausserdem aber blieb Manches frommer Wunsch. Die Fertig¬
stellung der Behälter und Einrichtung der Gruben verzögerte sich, die
Abfuhr fand Schwierigkeiten, die geplante Desinfection missglückte nach
den verschiedensten Versuchen gänzlich; kurz, die putride Infection des
Bodens spottete bald jeder Gegenanstrengung und trug zur Verbreitung
der Epidemie wesentlich bei.
Zur Unterkunft der Leute dienten conische Zelte, die anfangs mit
12, später mit 10 Mann belegt, oder besser überlegt waren. Die Ven¬
tilation in den Zelten war ungenügend. Zur Lagerstatt diente ein Stroh¬
sack, dessen Inhalt monatlich einmal entleert und verbrannt werden sollte.
Aas Sparsamkeit wurde indess das gebrauchte Stroh ausserhalb des Lagers
gesammelt und verkauft.
In der Kleidung wurde nichts geändert. Sie blieb unter der Sonne
der Provence dieselbe wie im Norden und Westen Frankreichs. Zwar
lagerten Korkhelme und Flanellblousen für die Division in Marseille, sie
wurden'aber nicht ausgegeben, und erst auf Antrag des M6d. Inspecteur
des 6. Armeebezirks erreichte man wenigstens die Vertheilung von wollenen
Leibbinden und Nackenschleiern.
Die Verpflegung war qualitativ gut. Nur hatte man es nicht ge¬
nügend berücksichtigt, dass das dauernde Leben im Freien den Appetit
mächtig steigert uod dass die Concentration einer grossen Anzahl von
Menschen in einem armen Laudstrich bald eine bedeutende Steigerung der
Preise der freihändig zu beschaffenden Lebensmittel im Gefolge haben
musste. Die „Indemnitä de rassemblement“, etwa zu übersetzen mit „Kriegs-
Verpflegungszuschuss“, war nicht bewilligt worden und daher manche er¬
wünschte Verbesserung der Ernährung ausgeschlossen. Vom 1. Juli ab
worden übrigens die Mittel für eine Branntweinration bewilligt.
Der Sanitätsdienst der Division war nach dem Feld - Sanitäts-
Reglement vom 25. August 1884 geordnet. Da die hiernach etatsmässige
Ambulanz jedoch erst auf dem Kriegsschauplätze in Function treten
sollte, so batte man ihr vorderhand nur das technische Personal, aber
weder Infirmiers, noch Material, noch besondere Zelte zugetheilt. Daher
mossten alle, auch die leichtest Kranken nach Marseille evaeuirt werden.
Erst unter dem Druck der Epidemie, Ende Juni, errichtete man eine
17*
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Zeltetation für die der Cholera verdächtigen Diarrhoen and erst am
8. Juli, nachdem die Lazarethe in Marseille and einer Anzahl nahe ge¬
legener Garnisonen aberfallt waren, trat ein Feldlazareth im Lager in
Function.
Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass die ans dem Norden, Westen
und Centrum Frankreichs stammende und in keiner Weise acclimatisirte
junge Mannschaft namentlich in den ersten Wochen ihres Zusammenseins
durch schweren Dienst und harte Arbeit stark mitgenommen wurde«
Rechnet man hierzu die glühende Hitze unter den directen Sonnenstrahlen,
die wolkenbruchähnlichen Regengüsse und die heftigen Stürme, welche
den Leuten oft die unter den Zelten an sich schon mangelhafte Nacht¬
ruhe raubten, so ergiebt sich eine Summe von Einflüssen, die einen ausser¬
gewohnlichen Zustand von Erschöpfung herbeiführte und unterhielt und
die Empfänglichkeit für krankmachende Potenzen in hohem Grade
steigerte.
Die Division war aus dem 22. Jäger-Bataillon (aus Moriaix), je
2 Bataillonen des 47. (Saint-Malo), 63. (Limoges), 62. (Lorient) und 123.
(La Rochelle) Infanterie-Regiments, 2 Batterien des 13. Artillerie- und
einer Compagnie des 1. Genie-Regiments gebildet worden. Dieselbe ruckte
mit 192 Offizieren und 2312 Mann am 14. Mai 1885 ins Lager und er¬
höhte sich durch Einziehung von Reserven auf 199 Offiziere und 8416
Mann. Die Leute waren vor dem Ausmarsch besonders ausgesucht und
für durchaus felddienstfähig erklärt worden. Eis erkrankten und wurden
an Lazarethe abgegeben in den 74 Tagen der Belegung des Lagers:
2902 Mann einschliesslich 15 Offiziere. Aus dieser Zahl waren 1560
Mann vom Abdomi naltypbus befallen, der bei 610 das typische
Bild des schweren Typbus in allen seinen Erscheinungen darbot, wahrend
950 Fälle mehr oder weniger unvollständig und leichter blieben. Die Krank¬
heit ist nach dem Urtheile gleichzeitiger Veröffentlichungen, denen Verfasser
allerdings widerspricht, durch das 62. Iof. Regt, eingescbleppt worden.
In der Garnison desselben herrschte der Typhus. Das Regiment liess
bereite auf dem Marsche 2 Verdächtige in Limoges zurück und gab
gleich nach dem Einrücken ins Lager 3 Typhöse nach Marseille ab.
ln den ersten Wochen hatte es sodann zwar nur gastrische Fieber, aber
doch von Anbeginn mehr als die anderen Truppen. Ende Mai zeigten
sich in der Division häufiger Diarrhöen, die man zunächst als Cholerinen
ansah. Bis Mitte Juni jedoch war die Typhusepidemie offenbar, nachdem
grosse Regengüsse dazu geholfen batten, die unter den früher geschilderten
Missständen hervorgerufene putride Infection des Bodens weit zu verbreiten.
Die Betheiligung der Truppentheile der Division an den Erkran¬
kungen geht aus nebenstehender Tabelle hervor. Hinsichtlich des täg¬
lichen Zuganges sei auf das Original verwiesen.
Wie die Sache lag, erwiesen sich alle Palliativmittel ohnmächtig.
Der Krankenzugang wuchs in erschreckender Progression. Nachdem
der Typhus den inneren Zusammenhang der Division bereits
erschüttert, ihre Verwendungsfähigkeit für den Krieg ver¬
nichtet batte, blieb nichts übrig, als sie so schleunig wie
möglich aus dem völlig verseuchten Lager zu entfernen, um
den Rest der Leute zu retten. Wäre der Friede mit China nicht
gesichert gewesen, so hätte von diesen Truppentheilen kein Einziger nach
dem Kriegsschauplätze abgehen können.
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Truppentheile
Während des Aufenthalts im
Lager
Nach Ver¬
lassen des
Lagers
Total an
Typhus
3^ ©
davon Typhen
OB
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2
P
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(Offiziere eingeschlossen)
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bildete
ortive
Todten
i
g
0
1
22. Jäger-Bataillon .
818
178
23
24
5
15
1
67
6
47. Infant. - Regiment
1855
315
22
68
4
78
5
172
9
62.
1829
826
141
337
32
24
32
1
534
33
63. -
1634
588
112
183
38
B:
40
2
335
40
123. -
1647
833
163
302
39
SS
28
4
499
43
Artillerie.
489
98
8
30
3
B
*)
—
Genie.
138
27
—
3
1
9
Train.
Stäbe u. Verwaltungs-
127
( 37
3
m
angegeben
Personal .
78
J
■
Auf den Vorschlag des zur Untersuchung der Sachlage entsandten
Medecin Inspectenr general Didiot hob der Kriegsminister Anfang Juli
das Lager auf. Der Verband der Division wurde aufgelost und der
Rückmarsch der Truppen in ihre Garnisonen in der Zeit vom 16. bis
24. Juli ausgeführt. Um eine Verbreitung des Typhus in der Bevölkerung
za verhüten, liess man die Regimenter etc. jedoch nicht sofort ihre Ca-
aeroen, sondern in der Nachbarschaft der Garnisonen abgesonderte Lager
beziehen, in denen sie theilweise bis September Quarantäne halten mussten.
Dass das nicht überflüssig war, zeigt die Zahl der nach Verlassen des
Lagers du Pas des Lanciers noch Erkrankten; nämlich: 39 auf dem
Rückmarsch, 193 in der Heimath, mit 13 Todesfällen. Eine Weiterver¬
breitung der Epidemie auf andere Bewohner trat nicht ein.
Seine Ansichten über die Genese der besprochenen Epidemie legt
Verf. in einer längeren Auseinandersetzung dar, von der hier nur die
Haoptsätze wiedergegeben werden können. In der politischen wie medi-
cinischen Tagespresse wurde, wie bereits erwähnt, das 62. Regiment an¬
geschuldigt, die Krankheit mitgebracht zu haben. Verf. glaubt nicht daran
und stützt seine Ansicht hauptsächlich damit, dass das Regiment nach
Abgabe der drei mitgebrachten Typhuskranken bis zum allgemeinen Aus¬
brach der Seuche ebenso frei gewesen sei, wie die anderen Truppentheile.
Er glaubt auch nicht an Contagion oder Bodeninfection, da von den zahl¬
reichen Bewohnern der Ortschaften in der Umgebung des Lagers Nie¬
mand erkrankte, obwohl diese Leute dieselbe Luft athmeten, dasselbe
Waaser tranken wie die Soldaten und fortwährend mit ihnen in Berührung
kamen. Der putriden Ausdünstung der niemals ordentlich entleerten und
de8inficirten Latrinen schreibt Verf. wohl einen accidentellen Einfluss im
Allgemeinen, nicht aber einen bestimmenden auf die Fortpflanzung der
Infection zu. Er legt das Hauptgewicht auf die Auto-Infection**), das
*) Nicht angegeben. Im Text steht: „an assez grand nombre*.
**) Die Zaelzer z. B. auch zulässt. Vergl. Eulenburg, Real - Encyclopädie.
2. Aufl. L 27.
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heisst, auf die iufectiöse Wirkung der Schädlichkeiten, welche durch Ueber-
anstrengung und Erschöpfung im Körper entstehen und unter der Fort¬
dauer genannter Einflüsse nicht eliminirt werden, was sonst während der
Ruhe und Erholung nach der Anstrengung regelmässig zu geschehen
pflegt Ein vom Verf. citirter Autor, Prof. Peter, nennt dies die Auto-
typhisation par exces de fatigue. Verf. hält den acuten, hochfebrilen,
contagiös oder miasmatisch entstandenen Abdominaltyphus, wie er den
kräftigen, bis dahin gesunden Organismus befällt, für eine wesentlich
andere Affection, als den in allen Kriegen und auch hier beobachteten
schleichend entstehenden ambulatorischen Typhus, bei dem nach der sehr
späten Offenbarung des Leidens als erstes Anzeichen eine ganz ausser¬
gewohnliche Prostratio virium in die Erscheinung tritt, das Fieber dagegen
oft fehlt. In der Reserve-Division für Tonkin kam Alles zusammen,
was diesen adynamischen Zustand herbeizuführen geeignet ist. Jäher
Wechsel der gesammten Lebensbedingungen für die Mannschaften,
strammer Dienst bei übermässiger Sonnengluth ohne Erfrischung in der
dienstfreien Zeit, psychische Alteration durch die Ungewissheit des Ge¬
schickes und endlich die hygienischen Missstände dieses Lagers, welche
den Einfluss des concentrirten Zusammenlebens einer grossen Menschen¬
menge auf engem Raum nur steigern konnten.
Wenn wir vorerst von der Auto-Infectionstheorie des Verfs. absehen,
so ist die Schilderung des Lager- oder Kriegstyphus eine treffende. Bei
dem grossen Antheil, mit welchem alle Armeen von jeher an der Typhus¬
frequenz ihrer Länder betheiligt sind, ist es schwer zu begreifen, dass
man selbst in den modernsten Lehrbüchern diese Form und die Momente
so wenig gewürdigt findet, welche zu ihrer Ausbildung wesentlich bei¬
tragen.*) Militärärztliche Veröffentlichungen werden eben nicht nach
Gebühr beachtet.
Im Uebrigen wird gegenüber der vom Verf. vertretenen Ansicht von
der autochthonen Entstehung de^ Typhusgiftes im Körper etwas Skepsis
geboten sein. Ref. kann den Exclusionsbeweis hinsichtlich der Ein¬
schleppung durch das 62. Regiment nicht für .geführt erachten, zumal
es bei der grossen Dauerhaftigkeit des Typhudgiftes nichts Befremd¬
liches hat, eine Art relativer Latenz desselben bis zu dem Zeitpunkt
zuzulassen, wo die grossen Regengüsse und die inzwischen eingetretene
Ueberfüllung der Latrinengruben eine weite Verbreitung desselben ans
dem ursprünglich vielleicht begrenzten Herde erleichterten. Auch ist be¬
kannt, dass die hygienischen Missstände im Lager du Pas des Lanciere,
welche der Militärverwaltung zum Vorwurf gereichen, in der That
schlimmer waren, als Verf. in dem von derselben Militärverwaltung her¬
ausgegebenen Organ auszusprechen wagen könnte. Es ist von seinem
Standpunkt aus verständlich, dass er die Einschleppung des Typhus durch
das 62. Regiment zu widerlegen bemüht ist, weil ein Zugeständnis die
*) Nach 1870/71 wurde auf den „Inanitionstyphus* u. A. hingewiesen von
Fraentzel, Zeitschr. f. klinische Medicin II. 217, Strube, Berl. klin. Wochen¬
schrift 1871 No. 30. Beobachtungen ans Tunis brachte nach den Archives de med.
milit. die Deutsche Militärärztliche Zeitschr. 1884 S. 109 u. 375, nach dem Bulletin
internat. de la Croix rouge, dieselbe Zeitschr. 1882 S. 55. Aus den Feldzögen der
Oesterreicher in Bosnien nach Myrdacz, dieselbe Zeitschr. 1882 S. 103 und 1885
S. 447. Excessive Kälte hatte den gleichen Einfluss auf das Zustandekommen der
Erschöpfung wie übermässige Hitze.
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Sorglosigkeit der maassgebenden Behörde in einem ebenso üblen Liebte
erscheinen lassen würde, wie 1881 die Entsendung des inficirten 142. Regi¬
ments nach Tunis*) mit ihren verhängnisvollen Folgen.
Dies beiseit, ist die Arbeit nach Anlage nnd Durchführung ein recht
gründlicher Beitrag zur Epidemiologie der Armeen. Ihre Lectüre kann
zu Nutz und Frommen Allen empfohlen werden, die es angeht.
Vorlesungen über Infectionskrankheiten von D. Liebermeister,
o.o. Prof, in Tübingen. Mit 7 Abbildungen. Leipzig bei Vogel 1885.
303 8. 5 M.
Der auf dem einschlägigen Gebiete berühmte Verf. beginnt mit dem
vorliegenden Bande die Veröffentlichung von Vorlesungen, welche er
während seiner akademischen Lehrthätigkeit regelmässig gehalten hat.
Zweck ist ihm hauptsächlich, die Gruppe der Infectionskrankheiten in
solcher Weise zusammenfassend darzustellen, dass dadurch die klinische
Vorführung des Einzelfalles ihre notbwendige Ergänzung erhält. Dass
solche Vervollständigung auch gegenüber den Einzelbildern der ärztlichen
Praxis willkommen sein muss, liegt auf der Hand. Man kann es daher
nur begrüssen, wenn die erforderliche Repetition dem beschäftigten Arzt
durch ein Werk ermöglicht wird, welches, wie das vorliegende, in
knapper Form Alles bietet, was für die Beurtheilung wünschenswert
ist Namentlich möchten wir die Aufmerksamkeit der Collegen auf den
allgemeinen Theil lenken, der das Wesen der Infectionskrankheiten, ihr
Vorkommen und ihre Bedeutung, ihre -Eintheilung, allgemeine Aetiologie,
Symptomatologie und Therapie in grossen Zügen und unter Berücksichti¬
gung der neuesten Forschungen zur Darstellung bringt. Dass in der
Therapie — namentlich der hochfebrilen Infectionskrankheiten— Lieber¬
meister die antipyretischen Indicationen mehr in den. Vordergrund
rückt, als nach den allerneuesten Veröffentlichungen seitens der Berliner
Schule im Allgemeinen geschieht, darf bei einem klinischen Lehrer von
so fest ausgeprägter individueller Stellung zu diesen Fragen nicht Wunder
nehmen. Dem Werth des Buches als Nachschlage- und Hülfsbuch für
den kritisch urtheilenden und selbständig verantwortlichen Arzt thut
dies keinen Eintrag, und der Student soll in verba magistri schwören.
Ein nicht geringer Vortheil des Werkes ist angesichts seines reichen
Inhaltes der niedrige Preis. Derselbe fällt ins Gewicht, wenn man er¬
wägt, zu welcher maasslosen Höhe allmälig die Preise für so vergäng¬
liche Objecte gestiegen sind, wie medicinische Lehrbücher darstellen.
System der Gesundheitspflege. Für die Universität und die
ärztliche Praxis von Dr. L. Hirt, a. ö. Prof, in Breslau. 8. ver¬
besserte Auflage. 247 S. mit 26 Illustrationen. Breslau, Maruschke
u. Berendt. 1885. 4 M.
Ein alter Bekannter in neuem Gewände. Den Hauptzweck der Ge-
sammtanlage, wie er im Vorwort zur ersten Auflage 1876 ausgesprochen
ist: „zur Arbeit, zum Studium anzuregen a , hat Verf. auch hier
*) Deutsche Militärarzt!. Zeitschr. 1684 8. 374.
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246
unverrückt festgehalten. Hierin besteht sowohl die Beschränkung, als
der Werth des kleinen Buches. In gedrängter Kürze sind nach einem
geschichtlichen Abriss über die Entwickelung der Hygiene als Wissen¬
schaft, in den einzelnen Abschnitten Luft, Wasser, Boden, die zymotischen
Krankheiten und ihre Verhütung, die Nahrungsmittel, Kleidung and
Pflege des Körpers, die Berufsarten und ihr Einfluss auf den Gesundheits¬
zustand, endlich die zum Aufenthalt von Menschen dienenden Räume
behandelt. Eine Uebersicht über die hygienische Seite des Beerdiguugs-
wesens schliesst die Arbeit, deren praktischer Werth durch ein genaaes
Sachregister noch erhöht wird. Den grossartigen Fortschritten der
Bacteriologie und den Vervollkommnungen der Untersuchungsmethoden
auf diesem Gebiet ist besonders in den ersten drei Abschnitten eingehend
Rechnung getragen; auch bei den übrigen Capiteln sind die Umwandlungen
genau berücksichtigt, die viele hygienische Fragen innerhalb der letzten
Jahre in Folge epochemachender Entdeckungen erfahren haben. Das Be¬
dürfnis des Arztes ist überall in den Vordergrund gerückt Dies in Ver¬
bindung mit den ausserordentlich genauen, kritisch gesichteten Literatur¬
verzeichnissen bei jedem Abschnitt erklärt die Beliebtheit, deren sich das
Büchlein besonders bei den Physikatscandidaten erfreut. Im Uebrigen
hebt Verf. hervor, und die Darstellung bestätigt seine Ansicht, dass
er nichts weniger beabsichtigt habe, als ein „Paukbuch“ im engeren
Sinne zu schreiben.
Eine specielle Rücksichtnahme auf die Militärhygiene lag nicht im
Plane des Buches. Trotzdem kann dasselbe dem Militärarzt sehr
empfohlen werden. Eis wird ihm in den mannigfachen an ihn heran¬
tretenden Fragen, deren Beantwortung oft eine ebenso grosse Summe von
Kenntnissen erfordert, wie Verantwortung mit sich bringt, ein zuverlässiger
Wegweiser zu schneller Orientirung sein.
Der Preis ist so niedrig, dass er die Anschaffung jeweiliger neuer
Auflagen und somit die Currenterhaltung der nothwendigen Lehrbücher
auf diesem Gebiet leicht gestattet. — . —
Dr. Hans Schmid: „Die Antisepsis in den beiden Belgrader
Hospitälern des deutschen rothen Kreuzes.* (Centralblatt für
Chirurgie 1886, No. 12.)
Die im Aufträge des deutschen rothen Kreuzes nach Serbien ge¬
schickten ärztlichen Expeditionen haben jetzt nach ihrer Rückkehr
Rechenschaftsberichte von ihrer dortigen Thätigkeit in den Fachjouroalen
niedergelegt, so Dr. Sch. in dem März-Schlusshefte des Centralblattes
für Chirurgie. Alle diese Arbeiten zeigen insofern eine gewisse Ueber-
einstimmung, als sie nicht eigentlich über Erfolge einer antiseptischeo
Wundbehandlung auf dem Kriegsschauplätze berichten und zur Losung
dieser brennenden Frage Beiträge liefern, sondern über ein Gebiet der
Antisepsis, das kennen zu lernen in unseren Krankenhäusern sich glück¬
licherweise immer weniger Gelegenheit bietet; wir meinen die secuudäre
Antisepsis. Auch die Sch.’schen Berichte geben eine Bestätigung dafür,
dass die heutige Methode und Technik der Antiseptik nicht nur auf dem
Gebiete der vorbeugenden Wundbehandlung Grosses leistet, sondern dass
sie auch im Stande ist, in schweren septischen Fällen noch eine Asepsis
zu erreichen. Insofern sind diese Mittheilungen sehr lehrreich. Die
unter Sch.’s Leitung thätige Mission fand in Belgrad Gelegenheit, noch
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197 Verwundeten die erwünschte Hülfe zu Theil werden zu lassen. Die
Resultate dieser Behandlung waren recht gute. Von den 197 Ver¬
wundeten, die iheilweise erst nach lOtägiger gänzlicher Vernachlässigung
zur Behandlung kamen, starben nur 3, davon 2 an Tetanus, der dritte
an Entkräftung nach Zertrümmerung des Oberschenkels, lange andauernder
Jaucbung und zuletzt ausgeführter Hüftgelenksexarticulation. An son¬
stigen eingreifenden Operationen wurden 5 Amputationen und 4 Resec-
tionen mit Erfolg noch ausgeführt. Dass es gelang, bei schwer vernach¬
lässigten Wunden in späten Stadien noch Asepsis zu erzielen, ist um so
anerkennenswert!) er, als die Verhältnisse der Hospital hygiene bei der
Uebernahme die denkbar dürftigsten waren; im Hospital selbst fand
keine Infection statt, ln 172 Fällen konnte durch eine erste gründliche
Desinfection und den ersten operativen Eingriff (Incision, Drainage,
Gegenöffnung, Splitter- und Fremdkörperextraction, partielle oder totale
Resection) noch eine Asepsis erzielt werden, die spätere operative Ein¬
griffe unnöthig machte. Von den anderen 25, zum Theil desolaten, Fällen,
die nach 4—5 Wochen mit schlecht aussehenden Wunden, weitgehenden
Phlegmonen, schweren Eiterverhaltungen, hohem Fieber zur Behandlung
kamen, wurden z. B. 13 Knochenschüsse mit Fractur, 3 ohne Fractur,
8 Gelenkschüsse zur Heilung gebracht. Was die Behandlung anlangt, so
wurde als flüssiges Antisepticum Sublimat gebraucht, sonst Jodoform in
Gestalt von Pulver und Mull; zur Drainage meist Jodoform-Mullstreifen.
— Auf das Detail der Fälle brauchen wir hier nicht einzugehen, zumal
Sch. über seine und der anderen Missionen Thätigkeit noch detaillirteren
Bericht in Aussicht stellt. Langhoff.
Das Mikroskop und seine Anwendung. Ein Leitfaden bei mikro¬
skopischen Untersuchungen für Apotheker, Aerzte, Medicinalbeamte etc.
von Dr. Hermann Hager. 7. Auflage mit 316 Abbildungen. Berlin 1886.
Verlag von J. Springer. Preis M. 4,—.
Das Werk beschäftigt sich in den ersten Capiteln mit der Technik
des Instruments; Kürze, Prägnanz und Klarheit machen es hier besonders
für den Neuling im Mikroskopiren zu einem sehr werthvollen Selbst-
belehrung8-Werk, aber auch der Geübtere findet vielfach Belehrung; nach¬
dem dann die Darstellung und Aufbewahrung mikroskopischer Präparate be¬
sprochen, folgen die „Mikroskopischen Objecte 41 . Von den einfachen
wellen, Stärkemehlkörnchen etc., den Gewürzen, Nahrungs- und Genuss¬
mitteln, von den physiologischen Flüssigkeiten Milch, Blot, Harn bis zu
den pathologischen Producten Eiter, Sputum, und den pflanzlichen
and thierischen kleinsten Lebewesen, kommt so ziemlich Alles zur
Abhandlung, was Gegenstand mikroskopischer Untersuchung werden
kann. 316 in den Text gedruckte, meist instructive Abbildungen unter¬
stützen den Anschauungs-Unterricht. —
Es braucht wohl nicht hervorgehoben zu werden, dass Verf. in den
Capiteln „Bacterien“, „Spirillen 44 , „Kommabacillen 41 , „Tuberkelbacillen 44 etc.
nur beansprucht eine orientirende Grundlage zu geben, nicht eine das
Thema erschöpfende, wissenschaftliche Abhandlung.
Die Ausstattung des Buches ist eine vortreffliche und wir glauben
der Verlagshandlung es besonders nachrühmen zu sollen, dass sie ein Buch
mit 316 zum Theil recht complicirteu Abbildungen für den sehr billigen
Preis von 4 Mark herstellt, dass jetzt die 7. Auflage nöthig geworden,
ist ein Beweis, welche Verbreitung in weiten Kreisen das Werk gefunden
hat, B—r.
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248
Mittheilnngen.
Sanitäts-Offiziers-Gesellschaft za Dresden.
1. (161.) Sitzang 1886.
Donnerstag, den 21. Janaar.
Vorsitzender: Generalarzt 1. CI. Dr. Roth.
Stabsarzt Dr. Maller: Statistische Mitteilungen aber die
Krankenbewegung in dem XII. (Königl. Sachs.) Armee-Corps
in den letzten drei Rapportjabren.
Seit Einführung der neuen, aus dem Jahre 1882 datirenden
Rapport- und Berichterstattung, welche infolge des Wegfalls der Schonungs¬
kranken neue, im Allgemeinen mit den früheren Jahren nicht vergleich¬
bare Morbiditätsverhaltnisse darstellt, hat das Sachs. Armee-Corps bei
einer durchschnittlichen Iststärke von 27000 Mann ca. 20000 Kranke
pro Jahr mit 280000 Behandlungstagen gehabt. Der grösste Zuwachs
erfolgte im Januar, der niedrigste iip September und October. Während
die Erkrankungsziffern in den einzelnen Krankheitsgruppen in den drei
Jahren überAschend conform waren, erkrankten die einzelnen Garnisonen
und Truppengattungen sehr ungleichmässig. Pegau und Zittau, Train
und Pioniere, hatten den höchsten, Lausigk und Grossenhain, Artillerie
und Cavallerie, den niedrigsten Zugang. Auffallend sind die grossen
Differenzen in der Morbiditätsziffer einzelner gleichartiger, unter gleichen
äusseren Verhältnissen stehender Truppentheile, die mit Bezug .auf die in
Dresden garnisonirenden Infanterie-Regimenter in detaillirter Weise be¬
sprochen werden. Hinsichtlich der einzelnen Krankheitsgruppen erwähnt der
Vortragende die Typhusepidemie in Oschatz 1882, weist die Zunahme des
Gelenkrheumatismus im ganzen Armee-Corps nach und erörtert die Er¬
krankungen der Athmungsorgane und die Ernährungskrankheiten. Aus
dem Zusammenhänge des zeitlichen Verlaufes der Mandelentzündungen
mit dem Gange der Erkrankungen der Athmungsorgane und allgemeinen
Erkrankungen folgert er die Zweckmässigkeit, dieselben auch im Rapport-
Schema der einen oder der anderen der letztgenannten Krankheiten zu-
zutheilen. Während die venerischen Krankheiten im Allgemeinen ab-
nahroen, wuchs die Zahl der constitutionell Syphilitischen — eine Folge
der Concentration der Truppen in grossen Industriestädten. Rekruten, die
bei ihrem Eintreffen mit venerischen Krankheiten behaftet vorgefunden
werden, sollten als zeitig untauglich entlassen werden, wenn ihreHeilung nicht
in kürzester Zeit zu erwarten stände. Unter den anderen Erkrankungen
waren die mechanischen Verletzungen die häufigsten, jährlich gegen
5000 Fälle mit 57000 Behandlungstagen; hauptsächlich in ihrer Anzahl
beeinflusst durch die Fälle von Wundlaufen und Wundreiten, welche mit
einer so constanten Ziffer alljährlich im Rapport vertreten sind, dass die
Annahme entstehen muss, es sei in der Bevölkerung ein bestimmter Pro¬
centsatz durch besondere Reizbarkeit und Empfindlichkeit der Haut für
dergleichen Erkrankungen prädisponirt. Die Mortalität des Armee-Corps
betrug im letzten Decennium 3,7°/oo, wovon x / b allein auf Selbstmord
kommt. Eine Zusammenstellung über den Verbrauch von Arznei- und
Verbandmitteln ergiebt, dass jeder Kranke durchschnittlich für 3 ^Arznei¬
mittel und für 2 A Verbandmittel bekam.
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249
Der Vorsitzende bemerkt hierzu, dass das IV. Corps nahezu die
gleiche Zahl von Selbstmordfallen habe, wie das XII. und dass diesem
das XIII. (Königl. Württembergische), XI. and V. Corps sich anschliessen.
Stabsarzt Dr. Evers: Referat aber „P. Chasseriaad, Au Tonkin tt .
Da Ch&sseriaad (französischer Marinearzt) in der Schlacht beiBac-
L6 verwundet wurde und dabei seiner Aufzeichnungen verlustig ging,
beschränkte er sich darauf, persönliche Beobachtungen mit einer detaillir-
ten Casuistik zu geben. Nach einer Schilderung von Land und Leuten
in Tonkin beschreibt Verf. die von den Franzosen eingerichteten Laza-
rethe und verbreitet sich über die Wundkrankheiten, sowie über die epi¬
demischen und inneren Krankheiten der Expeditionstruppen und Ein¬
geborenen selbst. Zum Schlüsse folgen hygienische Rathschläge für die
in Tonkin sich aufhaltenden Europäer.
Der Vorsitzende bemerkt, dass wegen der Art der Kriegführung
und der ausserordentlichen Inanspruchnahme der dort thätig gewesenen
Militärärzte die sanitären Verhältnisse im Kriege gegen Tonkin wohl
nie eine vollständige Darstellung finden würden; er habe auch von
Vallin keine eingehende Auskunft erhalten können. Die bei der Ex¬
pedition vorgekommenen Choleraerkrankungen seien unzweifelhaft, die
Cholera aber bei dieser Gelegenheit sicher nach Südfrankreich ver¬
schleppt worden.
2. (162). Sitzung 1886.
Donnerstag, den 18. Februar.
Vorsitzender: Generalarzt 1. CI. Dr. Roth.
Stabsarzt Dr. Seile demonstrirt eine Anzahl kriegschirargisch er
Apparate, die er aus Kiel und München bezogen.
1) Ein neues Spiralfeder-Tourniquet, welches aus vernickelten mit
Handschuhleder überzogenen Messingspiralen besteht und einen sehr ein¬
fachen Schlussapparat hat. 2) Schienen aus Telegraphendraht. 3) Die
bekannten Blumentopfgitter aus gekreuzten Holzstäben. 4) Eine Reihe
von Instrumenten mit gewöhnlichem Holzgriff, welcher galvanisch über-
kupfert und dann vernickelt war. 5) Sublimatwatte - Bäuschchen nach
Professor Helferich, die sich auch besonders für das Feld empfehlen.
Oberarzt Dr. Wahlberg: Ueber die Betbeiligung des finnischen
Garde-Schützen-Bataillons am letzten russisch-türkischen
Feldzu ge.
Vortragender schildert mit lebhaften Farben die Schicksale des Bataillons,
welchem er selbst angehört, vom Befehl zur Mobilisirung an bis zum
Friedensschluss, speciell die Gefechte um Plewna und bei Gorny-
Dnbniak, sowie den Balkan -Uebergang; er entwirft dabei eine Reihe
Stimmungsbilder und verweist wegen speciellerer Daten auf das von ihm
über denselben Gegenstand geschriebene Bucb. Eine Anfrage des Vor¬
sitzenden, ob ihm persönlich bekannt geworden, dass die Türken Ver¬
wundete massakrirt, beantwortet er verneinend.
Hierauf verliest der Vorsitzende noch einen Brief des Stabsarztes ä la
suite Dr. Wolffvom 28. April 1885, welcher der Kassai-Expedition unter
Lieutenant W iss mann angehört. Der Brief schildert die Expedition
wischen Kassai und Labilosch, wobei der noch nie von Europäern be-
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suchte Strom der Bakuba erreicht wurde und gab eine Fülle von Details
über diese vom Stabsarzt Wolff selbstständig ausgeführte Expedition.
Spätere Briefe, die eher eiogegangen waren hatten, schon die glückliche
Beschiffung des Eassai gemeldet.
General-Rapport
von den Kranken der Königlich Preussischen Armee, des XII. (Königlich
Sächsischen) und des XIII. (Königlich Württembergischen) Armee-Corps,
so wie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich Bayerischen
Besatzungs-Brigade pro Monat Februar 1886.
1) Bestand am 31. Januar 1886: 13 724 Mann und 54 Invaliden
2) Zugang:
im Lazareth 12 359 Mann und 1 Invalide,
im Revier 22 576 - - 8 _
Summ a 34 935 Mann und 9 Invaliden.
Mithin Summa des Bestandes und Zuganges 48 659 Mann und 63 Invaliden,
in Procenten der Effectivstärke 12,6% und 22,16%.
3) Abgang:
geheilt.
32 131
Mann, 11
Invaliden,
gestorben ....
78
1
-
invalide.
162
—
-
dienstunbrauchbar .
351
- —
-
anderweitig . . .
275
—
-
Summa . .
32 997 Mann, 12 Invaliden.
4) Hiernach sind:
geheilt 66,0% der Kranken der Armee und 17,5% der erkrankten In¬
validen,
gestorben 0,12% der Kranken der Armee und 1,6% der erkrankten In¬
validen.
5) Mithin Bestand:
am 28. Februar 1886 15 662 Mann und 51 Invaliden,
in Procenten der Effectivstärke 4,1% und 18,3%.
Von diesem Krankenstände befanden sieb:
im Lazareth 10 210 Mann und 6 Invaliden,
im Revier 5 452 - - 45
Es sind also von 624 Kranken 412,0 geheilt, 1,0 gestorben, 2,1 ah
invalide, 4,5 als dienstunbrauchbar, 3,5 anderweitig abgegangen, 200,9 io
Bestand geblieben.
Von den Gestorbenen der activen Truppen haben gelitten an: Schar¬
lach 1, Rose 1, Diphtheritis 1, Blutvergiftung 1, Unterleibstyphus 8,
acutem Gelenkrheumatismus 1, Blutarmuth 1, Hirn- und Hirnhautleiden 4,
Lungenentzündung 21, Lungenblutung 1, Lungenschwindsucht 18, Brust¬
fellentzündung 1, Herzleiden 2, innerem Darm Verschluss 1, Blinddarm¬
entzündung 2, Leberleiden 3, Bauchfellentzündung 6, Nierenleiden h
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251
Mittelohrcatarrh 2, Knochenentzündung 1; an den Folgen eines Selbst¬
mordversuches: Erschiessen 1. Von den Invaliden: Lungenschwindsucht 1.
Mit Hinzurechnung der nicht in militärärztlicher Behandlung Ver¬
storbenen sind in der Armee im O&nzen noch 30 Todesfälle vorgekömmen,
davon 11 dnrch Krankheiten, 4 durch Verunglückung, 15 dctrch Selbst¬
mord; von den Invaliden: durch Krankheiten 2; so dass die Armee im
Ganzen 108 Mann und 3 Invaliden durch den Tod verloren hat.
Nachträglich pro December 1885:
1 Mann in Westafrika an Malaria verstorben.
Amtlicher Erlass.
(Dienstverhältnisse im Bayerischen Sanitätscorps betr.)
Seine Majestät der König haben durch Allerhöchste Entschliessung,
d. d. Hohenschwangau den 17. Februar 1. Js., nachstehende ergänzende
Bestimmungen über die Dienstverhältnisse in der Königlich Bayerischen
Armee — Sanitätscorps — unter Aufhebung aller entgegenstehenden
Vorschriften Allergnädigst zu genehmigen und zugleich das Kriegs¬
ministerium zu ermächtigen geruht, etwa nothwendig werdende Erläute¬
rungen und Zusätze beziehungsweise Abänderungen nicht principieller
Natur in eigener Zuständigkeit zu erlassen.
München, 26. Februar 1886.
Kriegsministerium,
v. Heinleth.
Der Chef der Central-Abtheilung:
Sixt, Oberst z. D.
Ergänzende Bestimmungen über Stellung, Pflichten und Be¬
fugnisse der Oberstabsärzte, Stabsärzte und Assistenzärzte.
Die Oberstabsärzte verrichten bei den' Truppentheilen den Dienst
als Regimentsärzte, die Stabsärzte als Bataillonsärzte bezw. als Ab¬
theilungsärzte. Beide zählen zur Kategorie der oberen Militärärzte.
Die Assistenzärzte besorgen in der Regel die hülfsärztlichen Ge¬
schäfte.
1) Die Regimentsärzte bei den Infanterie- und Feldardllerie-
Begimentern versehen einerseits den obermilitärärzdichen Dienst stets bei
demjenigen Bataillon (oder derjenigen Abtheilung), welchem der Regi¬
mentsstab attachirt ist, andererseits dienen sie den Regimentscomman-
deuren als technische Sachverständige für den Betrieb des Sanitätsdienstes
beim Regiment und haben denselben über alle diesen Dienstzweig be¬
treffenden Angelegenheiten Vortrag zu erstatten, sowie die zur einheitlichen
Verwaltung dieses Dienstes nöthigen Anordnungen zu beantragen. Der
Regimentsarzt der Cavallerie, welcher analog den obermilitärärzdichen
Dienst beim Regiment versieht, verhält sich in gleicher Weise.
Der Regimentsarzt ist in Bezug auf den obermilitärärzdichen Dienst,
welchen er bei seinem Bataillon bezw. seiner Abtheilung wahrzunehmen
hat, auch dem betreffenden Bataillons- (Abtbeilungs-) Commandeur
onterstellt, im Uebrigen jedoch dem Regimentscommandeur, in ärztlich-
wissenschafdichen Dingen dagegen dem betreffenden Divisionsärzte sowie
dem Corpsarzte unmittelbar untergeordnet.
Die vom Regimentscommandeur, sowie vom Corps- oder Divisions¬
uzte erhaltenen Befehle — letztere nach vorgängiger Bekanntgabe an
den Regimentscommandeur — bringt derselbe zum technischen Vollzüge,
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indem er die etwa nothigen Detailverfugungen an die ihm unterstellten
Aerzte bekannt giebt und deren Ausführung überwacht
Gr vermittelt ferner die vorgeschriebenen Rapporte und Mittheilungen
über den Sanitätsdienst und die Krankenbewegung der anderen Bataillone
bezw. Abtheilungen des Regiments, welche an ihn gerichtet werden, an
den Divisionsarzt oder Chefarzt (vide Instruction zur Ausführung der
ärztlichen Rapport- und Berichterstattung) und regulirt das etwa nöthige
au8sergewöhnliche Rapportwesen beim Regiment nach seinem Ermessen.
Stehen mehrere Bataillone bezw. Abtheilungen des Regiments in
einer Garnison, so hat der Regimentsarzt hinsichtlich der Vertheilong
der beim Regiment in Zugang gekommenen einjährig-freiwilligen Aerzte
und Unterärzte zu den Bataillonen bezw. den Abtheilungen die ent*
sprechenden Vorschläge zu machen. Der Befehl hierzu erfolgt vom
Regiment8Commandeur.
Ein gleiches Verfahren hat auch bei den Lazarethgehülfen bezüg¬
lich ihrer Verwendung beim Truppentheil oder im Lazareth Platz zu greifen.
Von jeder durch Regimentsbefehl erfolgten Veränderung in der
Diensteintheilung der Aerzte und Lazarethgehülfen ist vom Regiments-
arzte dem Corpsarzte Meldung zu erstatten.
Ebenso hat der Regimentsarzt dem Regimentscommandeur die erforder¬
lichen Assistenzärzte, Unterärzte oder einjährig-freiwilligen Aerzte —
mit möglichster Berücksichtigung eines entsprechenden Wechsels zur
Theilnahme bei Manövern, grösseren Märschen oder anderweitigen Com-
maodoe vorzuschlagen, insofern hierzu ausnahmsweise Lazarethgehülfen
als nicht hinreichend erachtet werden können.
Die Einleitung der Maassregeln gegen contagiöse und Infections-
krankheiten concentrirt sich für alle an einem Orte befindlichen Ba¬
taillone bezw. Abtheilungen des Regiments — unbeschadet der Rechte
und Pflichten des Corpsarztes — in den Anordnungen des Regiments-
arztes, bei welchen er sich jedoch mit den betreffenden Bataillons- bezw.
den Abtheilungsärzten der seiner unmittelbaren ärztlichen Pflege nicht
anvertrauten Bataillone etc. zu verständigen hat. In Kasernen, in welchen
verschiedene Truppentheile untergebracht sind, trifft der dienstälteste
Regimentsarzt unter den gleichen Voraussetzungen die nothigen Anord¬
nungen.
2) Den Bataillons- bezw. Abtheilungsärzten, welche von den Re-
gimentscommandeuren bei den Bataillonen bezw. den Abtheilungen eio-
getheilt werden, liegt der specielle obermilitärärztliche .Sanitätsdienst des
betreffenden Bataillons bezw. der Abtheilung ob.
In militärdienstlicher Beziehung stehen sie unter dem directen Befehl
des Bataillons- bezw. Abtheil ungscommandeurs.
Dieselben haben den Dienst an die ihnen unterstellten Assistenz¬
ärzte, Unterärzte und einjährig-freiwilligen Aerzte und an die ihnen
untergebenen Lazarethgehülfen zu vertheilen, ebenso die erforderlichen
sanitätspolizeilichen Maassregeln, die Vorkehrungen gegen contagiöse ond
Infectionskrankheiten in ihrem Truppentheile, sowie die Einleitung des
Vaccinations- und Revaccinationsgeschäftes, nach den Directiven des
Regimentsarztes und im Einklänge mit den militärdienstlichen Verhält¬
nissen zu treffen.
Dagegen sind dieselben in Betreff der übrigen ärztlichen Dienste, der
Krankenbehandlung und der Ausstellung von amtlichen Attesten voll¬
kommen selbstständig and unabhängig von dem Regimentsarzte.
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253
Dieses gilt auch von den vorgeschriebenen oder von den Militär-
Vorgesetzten geforderten Untersuchungen der ihrem Bataillon bezw. ihrer
Abtheilung zugetheilten Rekruten, der zum Eintritte bei demselben sich
meldenden Dreijährig- und Einjahrig-Freiwilligen und überhaupt sämmt-
licher Mannschaften des Bataillons resp. der Abtheilung in Bezug auf
Diensttauglichkeit oder Untauglichkeit resp. Invalidität.
3) Die bei detachirten Bataillonen bezw. Abtheilungen befindlichen
Bataillons- oder Abtheilungsärzte — Stabsärzte — haben in allen An¬
gelegenheiten des Sanitätsdienstes, namentlich auch zur Zeit des Auf¬
tretens contagiöser oder Infectionskrankheiten bei ihren Bataillonen bezw.
Abtheiluogen die Pflicht der Initiative und berichten hierüber unmittelbar
an den Corpsarzt bei gleichzeitiger Meldung an den Regimentsarzt, wenn
es sich um aussergewohnliche Vorkommnisse handelt.
Im Uebrigen sind ihre Pflichten und Befugnisse die im Vorher¬
gehenden (sub 2) aufgeführten.
4) Die Stabsärzte — Bataillonsärzte — der Fussartillerie-Regimenter
und der Jäger-, Pionier- und Train-Bataillone verrichten als erste Aerzte
ihres Truppentheils den Dienst gleich den Regimentsärzten und haben
ihren Commandeuren gegenüber dieselben Pflichten wie diese.
5) Die Assistenzärzte bei den Truppentheilen sind dem Regiments¬
stabe (bezw. Bataillonsstabe) einverleibt und werden von dem Regiments-
commandeur auf Vorschlag des ersten Arztes des Truppentheils den
Bataillonen resp. Abtheilungen oder Escadronen zu ärztlichen Dienst¬
leistungen beigegeben, insofern nicht vom Kriegsministerium oder vom
betreffenden Generalcommando über dieselben anderweitig verfügt worden
ist. Sie unterstehen in dienstlicher Beziehung ihrem Bataillons- resp.
Abtheilungscommandeur.
Die Assistenzärzte können auch mit der Vertretung von Obermilitär¬
ärzten und mit Wahrnehmung vacanter obermilitärärztlicher Stellen auf
Vorschlag des Corpsarztes vom betreffenden Generalcommando für kürzere
und längere Zeit beauftragt werden und fungiren in diesem Falle dann
als Obermilitärärzte mit allen denselben zukommenden Pflichten und
Befugnissen.
Die bei detachirten Escadronen etc. eingetheilten Assistenzärzte
können zwar in ärztlicher Beziehung bei denselben selbstständig fungiren
auch als Chefärzte —, dagegen fällt ihnen die Ausstellung militär-
ärztlicher Atteste nicht ohne weiteres zu, sondern sie müssen damit vom
Generalcommando nach Aqhören des Corpsarztes besonders beauftragt
sein. In gleicher Lage sind die bei anderen Behörden eingetheilten oder
commandirten Assistenzärzte.
Garnisonen, in welchen sich kein Obermilitärarzt befindet, sind behufs
Revision der Lazarethe, der Controle des ärztlichen Dienstes etc. jährlich
in.der Regel einmal seitens des betreffenden Regimentsarztes zu bereisen.
In wichtigen Krankheitsfällen kann auch ausserdem der Regiments¬
arzt zu einem detachirten Truppentheil beordert werden.
Diese Bestimmungen sind nur für die gewöhnlichen Sanitätszustände
der Truppen maassgebend, nicht aber für aussergewöhnliche Ereignisse,
als vorkommende Epidemien etc., durch welche besondere Maassregeln
nothwendig werden können.
6) Zur Regelung des ärztlichen Dienstes in Garnisonen, in welchen
neben Infanterie- etc. Truppentheilen mit oberen Militärärzten Cavallerie-
oder Fu8sartillerie mit Assistenzärzten steht, wird Nachstehendes bestimmt:
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254
Ein oberer Militärarzt bei einem Infanterie- etc. Bataillon, eventuell
einer Artillerie-Abtheilang ist ordinirender Arzt für alle Lazarethkranken,
die der Cavallerie bezw. Fussartillerie nicht ausgeschlossen. Derselbe
ist verpflichtet, den von Seiten letzterer Commandos an ihn gerichteten
Requisitionen um Auskunft über ihre Lazarethkranken zu entsprechen.
(Sinngemäss hat dieses auch für den Fall Geltung, wenn mehrere Sta¬
tionen gebildet werden.)
Der Lazarethwachdienst für diese Garnisonen wechselt unter den
Assistenzärzten der Garnison, insofern hierfür nicht besondere Bestim¬
mungen getroffen worden sind. Zu denselben können auch Unterärzte
und einjährig-freiwillige Aerzte beigezogen werden.
Ebenso ist der Dienst in der Dispensiranstalt nach der bestehenden
Vorschrift wahrzunehmen.
In der Function des ordinirenden Arztes resp. Chefarztes des
Lazareths wird der obere Militärarzt der Infanterie etc. im Falle von
Erkrankung, Beurlaubung oder dienstlicher Abwesenheit — sollte kein
weiterer oberer Militärarzt in der Garnison sein — durch deu dienst-
ältesten Assistenzarzt in derselben vertreten, in seinen übrigen Functionen
hingegen beim Truppentheil durch einen Arzt desselben. Für ander¬
weitige vertretungsweise Verrichtung des ärztlichen Dienstes in der¬
artigen Garnisonen hat der Garnisonsarzt oder der einschlägige obere
Militärarzt Sorge zu tragen und hierüber dem Corpsarzte Meldung zu
erstatten.
Abgesehen von der Behandlung der Lazarethkranken wird der ärzt¬
liche Dienst bei der Cavallerie bezw. Fussartillerie, namentlich die Be¬
handlung der Revierkranken durch den Assistenzarzt derselben, selbst¬
ständig, d. h. ohne dienstliche Concurrenz eines oberen Militärarztes der
Garnison, versehen.
Diese Selbstständigkeit des Assistenzarztes bei der Cavallerie bezw.
Fussartillerie alterirt natürlich dessen dienstliches Verhältnis zu seinem
Regimentsarzt in keiner Weise. Er hat letzterem die vorgeschriebenen
Rapporte etc. zu erstatten, Berichte über Lazarethkranke seiner Ab¬
theilung jedoch nur mit Vor wissen des ordinirenden Arztes resp. Chef¬
arztes zu fertigen.
Die Beurtheilung und Attestirung der Diensttauglichkeit, Dienst-
untanglichkeit oder Invalidität der in Rede stehenden Cavallerie- bezw.
Fus8artilierie-Mann8chaften geschieht — wenn der Assistenzarzt genannter
Truppentheile nicht, mit der Ausstellung von Attesten betraut ist — durch
einen oberen Militärarzt der an dem gleichen Orte garnisonirenden In¬
fanterie etc., welcher von dem Commando des Cavallerie- oder Fuss-
artillerie-Regiments durch Vermittelung des ihm Vorgesetzten Trnppen-
commandos requirirt wird. Die von ihm abgegebenen Urtheile und aus¬
gestellten Atteste unterliegen nicht mehr dem Superarbitriura des Regi¬
mentsarztes der Cavallerie bezw. Stabsarztes der Fussartillerie.
Wenn letztere Aerzte im Aufträge des Regimentscommandeurs oder
sonst dienstlich in der Garnison ihrer detachirten Abtheilungen sich be¬
finden und die Kranken derselben im Lazareth besuchen wollen, so ist
der Chefarzt desselben vorher hiervon zu benachrichtigen. Eine Ein¬
wirkung auf die ärztliche Behandlung dieser Kranken steht denselben
nicht, eventuell nur mittelst collegialischer Berathung mit dem ordiniren¬
den Arzte zu.
Gedruckt in der KSniflichen Hofbuchdruckerei von E. 8. Mittler und Sohn, Berlin, Kochetram M—70.
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- Jff-
Deutsche
Militärärztliche Zeitschrift.
Rriaction:
Dr. fU Generalarzt,
Berlin, Tubenstraaee 5,
u. Dr. 3&. Stabsarzt,
Berlin, Hedem&nnstr. 15.
Verlag:
f. §. 3Büitet &
Königliche Hofbnchhandlung,
Berlin, Kochstrasse 68—70.
Monatlich erscheint ein Heft Ton mindestens 3 Druckbogen; dazu ein „Amtliches Beiblatt' 1 . Der
Zeitschrift wird das Werk: „Jahresbericht über die Fortschritte anf dem Gebiete des Militir-
Sanitlto-Weeens 14 , heransgegeben Tom Generalarzt Dr. Roth, unentgeltlich beigegeben. Bestellung
nehmen alle Postämter nnd Buchhandlungen an. Preis des Jahrgangs 15 Mark.
XV. Jahrgang. 1886. Heft 6.
Ueber den Entatchungs-Mechanismus traumatischer Rupturen am
Augapfel.
Von Stabsarzt Dr. Kern.
Die mechanischen Vorgänge bei tranmatischer Gestaltveränderung
des Augapfels haben die lebhafteste and anch bis jetzt noch keineswegs
abgeschlossene Discnssion in der Frage aber die Entstehung der in-
directen Chorioideal-Rupturen gefunden. SKmisch, Knapp, Berlin,
Arlt and Becker*) haben selbstständige Erklärungen des Entstebungs-
Mechanismue gegeben, ohne dass indess die Erklärungen fehlerfrei oder
erschöpfend wären.
Sämisch hebt hervor, dass durch die zahlreichen Gefässe, welche
nach Durchbohrung der Sclera in die Chorioidea eintreten, diese beiden
Häute besonders im hinteren Bnlbasabschnitt innig verbunden sind nnd
Zerreissungen von Membranen in Folge von Bulbnsqoetschnng immer an
solchen Stellen auftreten werden, wo der Zusammenhang derselben
mit ihrer Unterlage ein innigerer ist. Gewiss kann ein solches
*) Samisch in Klm. Mon. Bl. f. Augenb. IV. Band 1866 nnd V. Band 1867.
Knapp in Arch. f. Augen- und Obrenh. I. Band 1869.
Berlin in Klin. Mon. BL f. Augenh. XL Band 1873 und in Berlin. Klin.
Woch. 31. Band 1881.
Arlt. Ueber die Verletzungen des Auges. Wien 1875.
Becker in Klin. Mon. Bl. f. Augenh. XVI. Band 1878.
18
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ätiologisches Moment bei den Folgen der Bulbusquetschung in Betracht
kommen, aber allein konnte es höchstens ansreichen, am den Prädilections-
sitz solcher Zerreissangen, nicht am diese selbst in ihrem Entstehungs-
Mechanismus za erklären.
Knapp nimmt den Contrecoup in Anspruch und stutzt sich auf
die Lehre vom Contrecoup bei Schädelbrachen. Aber die hierin be¬
hauptete Analogie zwischen Bulbus und Schädel ist nicht nur, wie Arlt
bemerkt, wegen der verschiedenartigen Elasticitätsverhältnisse — ein
nur gradueller Unterschied —, sondern vor Allem deshalb fehlerhaft,
weil der Bulbus nicht die freie Lage des Schädels besitzt, vielmehr in
der Orbita zum grosseren Theile fest umschlossen ist und deshalb Gestalt-
Veränderungen nicht in gleicher Art wie am Schädel Platz greifen können.
Berlin lässt zwar gleichfalls den Gegendruck in den Vordergrund
treten, aber in einem Sinne, welcher von dem Knapp’schen weit ab¬
weicht Gerade der den Bulbus einschliessende Orbitalinhalt ist es bei
Berlin, welcher das Zustandekommen des Gegendrucks ermöglichen
soll. Die verletzende Gewalt bewirke, deducirt Berlin, zunächst an der
direct getroffenen Stelle einen Eindruck, eine Dehnung, aber gleichzeitig
auch eine Locomotion des ganzen, so leicht beweglichen Bulbus, d. h.
in praxi werde der Augapfel meistentheils stark gegen den Inhalt der
Orbita angepresst und die Augenwandung auch hier eingedruckt
werden, als ob auf dieser (der entgegengesetzten) Seite ebenfalls eiu
stumpfer Körper einwirkte und dadurch zur Dehnung der hinteren Theile
der Umhüllung8hänte des Bulbus führte. Der hierin von Berlin betonte
Vorgang der Dehnung, so richtig er an sich ist, wie die späteren Er¬
örterungen zeigen werden, ist in den Deductionen Berlin’s auf ein
falsches Zwischenglied, die Gestaltveränderung (das Eingedrucktwerden)
der Augenwandung, bezogen, während er zunächst nur aus der erhöhten
Tension des flüssigen Bulbusinhalts resultirt, welche Berlin ausser
Betracht lässt. Daher ist der in seinen Deductionen zum Gipfelpunkt
erhobene Vorgang einer Dehnung der Umhüllungshäute trotz aller seiner
Richtigkeit doch physikalisch nicht in zutreffender Weise deducirt und
fälschlich als partielle Dehnung aufgefasst. Den letztgenannten Fehler
hat Arlt mit unbestreitbarem Recht hervorgehoben mit dem Vermerk,
dass eine partielle Compression des Bulbus an der dem Angriffspunkt dia¬
metral entgegengesetzten Seite — vermöge der gleichmässigen, dicken
und elastischen Auspolsterung des Lagers des Bulbus in mehr als der
Hälfte seines Umfanges — nicht zu Stande kommen könne, und dass,
auch hiervon abgesehen, der nicht compressible, flüssige Bulbusinhalt
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(Glaskörper und Kammerwasser) den Druck nach allen Theilen der
amscbiiessenden Wandung fortpflanze. Trotzdem ist die Annahme nicht
za verwerfen, dass die dem Angriffspunkt gegenüberliegende Stelle vor¬
wiegend betroffen wird. Die Cohäsion der Wassermoleküle und noch
mehr die Cohäsion des consistenteren Glaskörpers und Kammerwassers ist
nicht einfach ausser Rechnung zu stellen, sie ist immerhin gross genug, um
einen partiell wirkenden Druck bis zur entgegengesetzten Wandung zum
Theil noch in der Richtung der Gewalteinwirkung fortzupflanzen und
hier eine vorwiegende Compression gegen den Orbitalinhalt entfalten zu
lassen.
Arlt legt seinen Erklärungsversuchen ganz ausschliesslich die all¬
gemeine, nach allen Seiten erfolgende Fortpflanzung des ausgeübten
Druckes zu Grunde. Der Bulbus, in der Gegend des vorderen Pols ab¬
geplattet und in der Gegend des hinteren Pols an das elastische Fett¬
polster angedrückt, soll momentan im Aequatorialdurchmesser grösser
werden, die Erweiterung in der Aequatorialzone ihr Summum erreichen.
Bei dieser Schlussfolgerung liegen aber zwei Fehler zu Grunde; erstens
der, dass die Erweiterung der Aequatorialzone des Bulbus, zumal wenn
derselbe durch Druck von vorn her in die Orbita hineingepresst wird
auch ihrerseits durch den Widerstand des äquatorial gelagerten Orbital¬
polsters verhindert oder beschränkt wird, und zweitens der, dass Arlt
ober der Formveränderung der Umhüllungshäute deren Anpassungsfähigkeit
an solche Formveränderung vergisst. Für nahezu starre Hüllen, z. B.
die Schädelknochen, welche durch eigene Kraft an ihrer Form festhalten,
wären seine Behauptungen richtig, nicht aber für die schmiegsamen
Häute des Bulbus, für welche die Formveränderung als dehnendes
Moment nicht an sich, sondern nur vermöge des sein Volumen beibe¬
haltenden Inhalts in Betracht kommt; d. h. nicht die Form Veränderung
der Umhüllungshäute als solche führt zu Dehnungsvorgängen, sondern
der aas der Kugelform gebrachte und deshalb eine grössere Oberflächenaus¬
dehnung beanspruchende Bulbusinhalt bedingt die Dehnung der Um-
hällung8häute, deshalb aber nicht eine local (auf den Aequator) be¬
schränkte, sondern eine ganz allgemeine Dehnung. Gerade der
charakteristische Punkt der Erklärung Arlt’s fällt damit in sich zu¬
sammen.
Schliesslich hat Becker einen eigenartigen Weg eingeschlagen und
mit mancherlei beachtenswerten Gründen einen Vorgang gestützt,
welchem die Einmündung des Sehnerven in den Bulbus als be¬
dingendes Moment zu Grunde gelegt ist Wenn eine stumpfe Gewalt
18 *
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vorn auf das Auge in derjenigen Richtung einwirkt, in welcher sieh
hinten der Sehnerv an die Sclerotica ansetzt, so werde sich eine con-
centrisch zum Sehnerven gelagerte Einknickung der formgebenden Haute
bilden müssen, welche letzteren dadurch Zerrung und Dehnung erleiden, i
Becker setzt dabei offenbar voraus, dass die Resistenz des Sehnerven I
gegen den fraglichen Druck starker sei, als die des retrobulbären Fett¬
gewebes, and führt zur Erläuterung des Vorganges ausserdem noch an,
dass sich ein matsch gewordenes Leichenauge theilweise über den Seh¬
nerven hinüberstülpen lasse, so dass der letztere sich in den Bulbns
einsenke, wie etwa der Stiel eines Apfels oder einer Kirsche in die
Frucht So einleuchtend ein solcher Vorgang auch an weichen Augen
sein mag, so bleibt doch der Beweis noch zu führen, ob der Sehnerv in
seiner Consistenz wirklich im Stande sein könne, dem Anpressen eines
lebenden Bulbus von normaler Spannung und Härte irgend welchen in
Betracht kommenden Widerstand zu leisten, zumal derart, dass es hier¬
durch zu einer Zerrung, Dehnung und Beratung der Formhäute, wenn
auch nur der Chorioidea, kommen kann. Und es fällt noch schwerer
gegen den zureichenden Einfluss des gedachten Vorganges ins Gewicht,
dass er von vornherein nur für diejenigen Chorioideal-Rupturen passen
würde, welche auf Contusionen der vorderen Bulbus-Peripherie zurück¬
zuführen sind, nicht aber für die bei Schussverletzungen so häufigen
Fälle, in denen Quetschung des Bulbus durch dislocirte Knochentheile
der Orbital Wandungen, also vor Allem seitliche Quetschungen desselben,
Chorioidealrupturen zur Folge haben, — ein Ein wand, welcher auch den
Erklärungsversuchen Berlin’s und Arlt’s ihrem Wortlaut nach nicht
zu ersparen ist Immerhin hat Becker damit ein Moment zur Sprache
gebracht, welches in seiner Mechanik möglich und dessen Mitwirkung
unter Umstanden wohl denkbar ist.
Das allgemein maassgebende, das typische Moment bei Verletzung
und Contusion des Augapfels ist die Gestaltveränderung, die Abweichung
von der Kugel form,*) wie und wo auch die Gewalteinwirkung ein-
setzen mag. Nach mathematischen Gesetzen ist die Kugelform diejenige
der kleinsten Oberflächenausdehnung bei gegebenem Inhalt Ist, wie beim
*) Obwohl im strengen Sinne der Baibus nicht eine vollkommene Kagelform
besitzt, so steht er letzterer doch so nahe, dass keine traumatische Gestaltveränderung
ihn der Kugelform näher bringen, sondern nur noch weiter von ihr entfernen kann.
Unter dieser Voraussetzung steht die Berechtigung nicht in Zweifel, bei den hier zu
gebenden physikalischen Deductionen die mathematische Kugelform als Ausgangs¬
punkt zu benutzen.
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Augapfel, der lohalt unveränderlich and incompressibel, so resaltirt aas jeder
Gestaltveränderang eine Distorsion der Hallen in tangentialer Richtung
mit Compre88ion derselben in radiärer Richtung, und auch die letztge¬
nannte Compression, wie jede Gewebscompression, ist in ihrem wesent¬
lichen Effect gleichfalls wieder eine Distorsion, ein Aaseinandertreiben
der nebengelagerten Gewebselemente vertical auf die Druckrichtuug. Der
überall beobachtete Effect solcher Distorsionsvorgänge ist zunächst das
Bersten von Blutgefässen, sei es von Capillaren, sei es von mehr oder
weniger starken Venenstämmchen; daher die Blutextravasate von punkt¬
förmiger bis zu flächenhafter Ausdehnung, welche eine kaum fehlende
Begleiterscheinung aller höheren Grade der Quetschung sind, zumal wenn
die Quetschung einen solchen Grad erreicht, dass die beregte Distorsion
über die Cohäsion der zarten Gefässe hinaus auch diejenige der häutigen
Flächen selbst und sogar die Cohäsion der Sclera zu überwinden vermag.
Dieser allgemeine, principielle Effect der Contusion wird jedoch
beeinflusst erstens durch die Umgebung des Bulbus, zweitens durch die
Art der Gewalteinwirkung.
Betreffend die Umgebung des Bulbus kommt in erster Reihe das
Fettgewebe der Orbita und die knöchernen Orbitalwandungen in Betracht;
Das Fettgewebe giebt theils durch seine Verschiebbarkeit, theils durch
Entleerung seines Blutgehalts, theils auch durch die eigene Compressibilität,
Alles in Allem durch seine physikalische Elasticität dem Andrängen des
Bulbus bis zu einem gewissen Grade nach und ermöglicht hierdurch aller¬
dings, dass die vorbesprochene allgemeine Gestaltveränderung des Bulbus
und deren Folgen auch an dessen hinteren und den seitlichen Abschnitten
sur Geltung kommen können. Indess nur bis zu einem gewissen Grade;
darüber hinaus tritt das orbitale Fettgewebe, zumal in den vorderen
dünnen Schichten, im Verein mit den knöchernen Orbitalwandungen einer
Gestaltveränderung des Bulbus hindernd entgegen. Letztere ist unbehindert
nur an der vorderen Peripherie desselben möglich; ihre Folgen treten in
diesem Bereich völlig typisch zu Tage, in den bekannten Formen der
Sderalrupturen und den totalen und partiellen Beratungen der Cornea.
Einen stärkeren Widerstand als das peribulbäre Fettgewebe mag, wie
Becker angenommen, wohl der starre Sehnervenstamm einem etwaigen
Andrängen des Bulbus entgegensetzen und hierdurch weiteren localen
Einfluss dem vorgenannten hinzufügen.
Mannigfaltiger gestaltet sich der Einfluss, welchen Art und Ort der
Gewalteinwirkung ausübt. Am deletärsten äussert sich dieselbe bei
Orbitalfracturen und den damit verbundenen Enochendislocationen, welche
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den Bulbus völlig zerquetschen können, welche ihn häufig von den Seiten
her comprimiren und zu derart ausgedehnten Rupturen der Sclera und
Cornea führen, dass der Bulbusinhalt ganz oder zum grössten Theil ent¬
leert wird. Dieselben Folgen ruft aber in nur graduellem Unterschiede
auch local beschränktere Gewalteinwirkung hervor. Der Aggregatzustand
des nahezu flüssigen Bulbosinhalts gestaltet die zunächst locale Druck¬
wirkung sofort zu einer allgemeinen um, bewirkt allgemeine Druck¬
steigerung im Inneren des Bulbus und deren vorstehend bereits ausein¬
andergesetzte Folgen. Doch ist dies nicht der einzige Effect, vielmehr
ist gleichfalls bereits erörtert, dass — im Gegensatz zu gasförmigem In¬
halt — die Medien des Glaskörpers, der Linse und des Kammerwassers
vermöge ihres Aggregatzustandes den Einfluss der Cohäsion nicht ver¬
leugnen. Es tritt ein weiterer Effect hinzu, bestehend in der separaten
Fortpflanzung einer Componente der Contusionskraft in der Richtung der
Gewalteinwirkung. Findet die letztere an der vorderen Peripherie des
Bulbus statt, so wird — nächst der Angriffsstelle selbst — ein Theil der
hinteren Peripherie desselben vorwiegend betroffen, d. h. an dieser Stelle
die consecutive Distorsions Wirkung sich am stärksten geltend machen,
und umgekehrt.
Und ausserdem greift hier der directe Contusionseffect ein,
welchen die Angriffsstelle selbst erleidet, unter Mitwirkung der vorbe¬
sprochenen indirecten Folgen. Durch jegliche Contusion erleidet die
zunächst getroffene Stelle des Bulbus eine Abplattung. Da zwischen
zwei Punkten die gerade Linie die kürzeste ist, würde eine solche Ab¬
plattung an sich eine Entspannung der Häute bedeuten, — wenn der
Inhalt freien Ausfluss hätte und wenn die Hüllen gleich einer ideellen
mathematischen Kageloberfläche keine Dickenausdehnung hätten!! Da
beides nicht zutrifft, ist die Sachlage eine andere.
Der Inhalt vermindert sein Volumen nicht, sondern strebt die Bei¬
behaltung der Kugelform an, tritt jeder Gestaltveränderung der Höllen
zunächst entgegen und lässt eine solche nur insofern zu, als die Ober¬
fläche des quetschenden Körpers dazu zwingt; letztere ist also das allein
Maassgebende für die Form Veränderung. Eine Abflachung tritt demnach
auch im günstigsten Falle lediglich für denjenigen Theil der Bulbusober¬
fläche ein, welcher mit dem quetschenden Körper in directe Berührung
tritt; je kleiner diese Berührungsfläche, desto kleiner die Ausdehnung der
Abflachung, am kleinsten bei spitzen Körpern.
Eine punktförmige Spitze würde nur für den einen berührten Punkt
der Oberfläche eine solche Abflachung erzeugen können. Schon die
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nächste Umgebung dagegen wird eine Zerrung erleiden; sobald als erster
anmittelbarer Effect der minimale Ausgleich »wischen punktförmiger
Kugelflache und punktförmiger Ebene (einem mathematischen Differential
vergleichbar) erreicht und überwunden ist, wird die getroffene Stelle und
deren Umgebung nach innen gebuchtet und nun doppelt gezerrt, erstens
durch die Theilnahme an der allgemeinen Oberflächendistorsion, zweitens
durch das hier hinzutretende Plus des Einbuchtung, d. h. der in gegen-
tbeiügem Sinne eintretenden Abweichung von der mathematischen Ebene.
Hiernach wirken spitze Körper vorwiegend im Sinne der local beschrankten,
stumpfere im Sinne der allgemeinen Distorsion der Bulbuskapsel.
Hiermit ist indess der örtliche Effect noch nicht erschöpft. Nacl^
dem Vorstehenden wurde ein quetschender Gegenstand mit ebener An¬
griffsfläche örtlich am wenigsten nachtheilig wirken. Aber selbst wenn
dieser denkbar günstigste Fall angenommen wird, tritt dem örtlichen
Eotspannungseinfluss der Nachtheil unheilvoll entgegen, den die reelle
Dickenausdehnung der Hüllen ausübt Die Entspannung oder vielmehr
Compression der Gewebselemente findet nur an der äusseren Oberfläche
statt. Wären die successive nach innen gelegenen ideellen Flächen
gegenseitig frei verschiebbar, dann würde jede sich gleichfalls abflachen,
aber sie sind es nicht; vielmehr ist jede derselben gleichsam Punkt für
Punkt mit der nächst äusseren verwachsen, ingleichen jede innere Um-
hüllungsmembran mit der nächst äusseren. Die Folge hiervon ist, dass
die mehr nach innen gelegenen Flächen, welche ja als concentrische
Kogelschalen an Ausdehnung kleiner wie die äusseren sind, eine Dehnung
erleiden, welche jene mit diesen bezüglich der Grosse in Uebereinstimmung
bringt, eine Dehnung, die mit dem Moment beginnt, wo die etwa mög¬
liche Verkürzung der äussersten Flächen ihre Grenze erreicht hat. Als
Beispiel kann die Cornea dienen. Deren äussere Oberfläche als unver¬
änderlich angenommen, werden die nach dem Krümmungsmittelpunkt
convergirenden Krümmungsradien schliesslich in parallele oder diver-
girende Linien verwandelt und dadurch die homonymen Punkte jener
Radien von einander entfernt werden müssen; und die Differenz gegen¬
über dem ursprünglichen Verhältnis wird um so grosser, je näher dem
Centrum jene homonymen Punkte gelegen sind, in Wirklichkeit also an
der inneren Hornhautfläche, welche hierdurch den stärksten Grad der
Dehnung erleidet.
Ein reelles Bild zur Erläuterung dieser Verhältnisse ist der Schädel
unter der Einwirkung von Contusionen durch stumpfe Gewalt (u. A. auch
Schnsscontusionen), Compression an der äusseren, Distorsion an der
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inneren Flache, — und «war bedingt durch die Flächenverwachsuug. Da¬
her die Sprunge der Tabula vitrea bei Integrität der Tabula externa.
Und wie bei der Cfornea, die vorher als Beispiel gedacht war, das
Resultat zur Ruptur der inneren Flächen neigt, so wird es bei lose zu¬
sammenhängenden Flächen (z. B. Retina und Chorioidea) mitunter auch
zur Trennung der Flächenverwachsung (zur Ablösung) neigen, zumal
wenn die bezüglichen Flächen verschiedene Dehnungsfahigkeit besitzen.
Mit diesen theoretischen Voraussetzungen, welche in Nachstehendem
ihre Ergänzung und praktische Erläuterung finden sollen, übrigens in
ihren subtileren Bedingungen zum Theil auch vernachlässigt werden
können, sollen die häufiger beobachteten Gruppen von Zerreissungen am
Bulbus in ihrem Entstehungs-Mechanismus erörtert werden.
Allgemein ist es der Fall, dass die ausgeprägtesten Zerstorungsvor-
gänge am leichtesten ihre angemessene Erklärung finden, während sich
gerade die subtileren recht spröde gegen ihre Deutung verhalten. So
auch hier, wo die Fälle einer völligen Zerquetschung des Augapfels
durch irgend welche Gewalteinwirkung ohne Weiteres in ihrem Ent¬
stehungsvorgang durchsichtig sind. Discreter bereits sind Vorkommnisse,
wie sie bei Schussverletzungen der Orbita besonders häufig beobachtet
sind, in welchen die gebrochenen Orbitalknochen den Bulbus seitlich
bis zu einem solchen Grade zusammenquetschen, dass die freie, nicht
unterstützte Vorderfläche desselben platzt, der Inhalt bisweilen ganz her¬
ausgeschleudert wird und dann die Fetzen des geborstenen Bulbus vorn
aus der Orbita heraushängen. Bisweilen werden die geplatzten Augäpfel
noch ausdrücklich als prolabirt bezeichnet, es finden sich sogar Fälle, in
denen auf solche Weise die Augäpfel ohne gleichzeitige Beratung aus
der Orbita herausgedrängt werden,*) und endlich solche, in denen die
Augäpfel völlig verschwunden sind.**) Letztere Vorkommnisse haben
nur deshalb hier Erwähnung gefunden, um den Mechanismus des Bersten*
unter solchen Umständen zu erläutern, nämlich durch die plötzliche
*) cfr. z. B. Zander und Geissler, Die Verletzungen des Auges. Leipzig
und Heidelberg. 1864. S. 312 ff.
Dupuytren, Traite theorique et pratique des blessures par armes de guerre.
Paris 1834. Mouat in Army med. dep. report for 1865.
**) cfr. z. B. Haschek in Allg. Wiener med. Zeitung. 1867 No. 10. Genthin
Klin. Mon. Bl. f. Augenh. 1871.
Solche Fälle verlieren den Schein des Wunderbaren um so mehr, wenn die
Schussrichtung eine derartige war, dass der luxirte Bulbus durch das austretende
Geschoss in einem zweiten Gewaltact noch von den letzt bestehen gebliebenen Ver¬
bindungen abgerissen werden konnte.
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Drueksteigerung, welche der Orbit&linh< und unter Umstanden vor¬
wiegend der Bulbusinhalt durch das Andrängen der Orbitalknochen er¬
fahrt bei Schussverletzungen, in denen das Projectil selbst den Bulbus
gar nicht berührt.
Unmittelbar reihen sich den vorerwähnten die Fälle der typischen
Scleralrupturen an, welche, concentrisch und unweit dem Hornhaut¬
rande, ihren Site meist am oberen Bulbusabschnitt haben. Arlt (1. c.)
bat auf diese, übrigens nicht die Sclera allein, sondern die ganze Conti-
nuität der Bulbuskapsel einnehmenden Risse, welche nach Einwirkung
stumpfer Gewalt auf den Bulbus entstehen, seine oben bereits zurückge¬
wiesene Erklärungstheorie von dem äquatorialen Spannnngs-Maximum
angewandt, welche sich hierbei auch nach einer anderen Richtung als
unhaltbar erweist „Nimmt man an tt , sagt Arlt, „dass grossere fremde
Körper den Bulbus nicht leicht von anderswoher als von unten
oder ünten aussen treffen können, und das Auge im Moment der herein-
brechenden Gefahr wohl meistens (mit dem Hornhautcentrum) nach oben
oder innen oben flieht, so fällt der Angriffspunkt wohl meistens unten
oder unten aussen zwischen Cornealrand und Aequalor bulbi auf die
Sclera. Dann kommt aber die Stelle des Scleralrisses ziemlich genau in
den Kreis zu liegen, welcher in Bezug auf die Verbindungslinie zwischen
Angriffs- und Gegenpunkt als Aequator bezeichnet werden kann. Kein
Wunder also, dass die Sclera in diesem Kreise die grösste Spannung
erfahren muss, und dass sie in jener Gegend dieses grössten Kreises
bersten wird, welcher in actu laesionis relativ am wenigsten von aussen
unterstützt ist“ Abgesehen davon, dass ein solches äquatoriales
8pannung8- Maximum am Bulbus principiell nicht eintritt, liegt in der
wiedergegebenen Erklärung*) noch der besondere Fehler, dass, wenn
Angriffspunkt und Gegenpunkt als Pole und der hierauf bezogene
Aequatorialkreis als Sitz der stärksten Spannung oder Dehnung bezeichnet
werden, selbst bei Zugeständnis zu diesen Annahmen, der Riss nicht
innerhalb oder parallel jener Kreislinie, sondern senkrecht zu derselben
liegen müsste, was genau in derselben Weise auch gegen die Arlt’sche
Erklärung der Ghorioidealrupturen und deren Lage (concentrisch zum
Sehnerven) zu sagen ist Vielmehr kann für die Entstehung der hier
zunächst in Betracht gezogenen Scleralrisse lediglich die allgemeine
Erhöhung des intraocularen Drucks geltend gemacht werden, welche
den Bulbus an einer nicht unterstützten Stelle platzen lässt, wo gleich-
*) Die von Arlt zu Grunde gelegte Erklärung, welche Manz hierfür gegeben
bat, ist viel richtiger, als die oben citirte Deduction Arlt’s.
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zeitig — wie Manz vordem ganz richtig gesagt hatte — die relativ
geringste Cohäsion besteht, d. h. nicht in der Cornea, sondern in der
Solera. Und für die concentrische Lage solcher Rnptoren zum Hornhaut*
ran de mag der von Arlt anhangsweise als mitwirkend berahrte«Umstand
za Recht bestehen, dass die Fasern der Sdera im Bereiche der Zone des
Ciliarkörpers vor waltend concentrisch zum Cornealrande verlaufen. Dass
die Rnpturstellen im Allgemeinen der Einwirkung der Gewalt gegenüber
liegen, erklärt sich leicht daraus, dass die Stelle der Gewalteinwirkung
selbst als unterstützt betrachtet werden muss, daher hier die Ruptur
nicht eintreten kann, wahrend andererseits nach den früher gegebenen
Deductionen die gegenüberliegende Stelle und deren Umgebung einen
prävalirenden Dehnungs-Insult erleidet durch directe und partielle Fort*
pflanzung des Insults in dessen ursprünglicher Richtung. Natürlich tritt
im Moment des Berstens meist Entleerung eines Theils des flüssigen
Bulbusinbalts ein und in unmittelbarer Consequenz hiervon bisweilen eine
gleichgerichtete Dislocation der Linse, was einer weitergehenden Er¬
örterung nicht bedarf.
In anderen Groppen von traumatischen Affectionen des Augapfels
ist es, ohne das Zwischenglied der intraocularen Druckerhöhung, vielmehr
die Gestaltveränderung selbst, welche in directen ätiologischen Zusammen¬
hang mit der erzeugten Affection tritt. So z. B. bei den circumscripten
Trübungen der Cornea nach Contusion des Bulbus, welche aufisolirte
Beratung der Descemet'schen Membran bezogen werden. Ein Fall dieser
Art, welcher durch seine einfache Klarheit besonders werthvoll erscheint,
ist von Cohn*) beschrieben worden. Die Affection der Cornea in jenem
Falle — scheibenförmige leicht graue Trübung im Parenchym ohne Ver¬
letzungsspuren an der Oberfläche, mit dauernder Hinterlassung einer
schmalen strichförmigen Trübung — ist nicht anders aufzufassen, denn
als Beratung ihrer hinteren Oberfläche (in Folge eines Streifschusses des
oberen Augenlids ohne Tarsus Verletzung), und der Entstehungs-Mecha¬
nismus ist einfach genug, wenn man die isolirten Sprünge der Tabula
interna des Schädels zum Vergleich heranzieht. Wird die Cornea nach
innen gebuchtet oder auch nur abgeflacht, so reisst eben aus den ange¬
führten Gründen deren innere Oberfläche auseinander und der entstandene
Riss bleibt nach Restitution des umgebenden Cornealgewebes als weisser
Streif bestehen. Allerdings würde ich den gezogenen Vergleich mit dem
Schädel nur auf die Cornea — vermöge ihres festen internen Zusammen*
*) Schussverletzungen des Auges. Erlangen 1872. Beob. 24.
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haogB und der starken intraocularen Spannung — angewendet wissen
wollen, nicht aof andere Theile der Bulboskapsel. Uebrigens sind der¬
gleichen Hornhaut-Affectionen von Berlin*) auch experimentell am
Eanincbenange durch Contusion erzeugt worden. „Die Hornhaut zeigt,,
wenn direct getroffen, natürlich oft Epitbelialabschürfungen, aber ausser- •;
dem diffuse, manchmal in Form paralleler Streifen angeordnete Trübungen ;
ihres Parenchyms, welche letzteren auch dann beobachtet werden, wenn
der Schlag mehr die 8clera und nur den Rand der Hornhaut traf.* Die
letztangefugte Bemerkung Berlin’s ist besonders wichtig, weil sie zeigt,
wie die Gestaltveränderung, die Abflachung auch noch in gewisser Ent¬
fernung von der direct getroffenen Bulbuspartie die gekrümmte Cornea
betheiligt.
Andersartig werden natürlich die im Innern des Augapfels ausge¬
spannten Membranen bei Gestaltveränderungen der Kapsel desselben
betroffen. Bei der LFIs sind es hauptsächlich Dialysen, partielle Ab¬
lösungen der Iris vom Ciliarkörper. Der Sitz dieser Dialysen stimmt in
vielen Fallen überein mit der Stelle der Gewalteinwirkung, indem durch
den Anprall eines mehr oder weniger stumpfen Körpers die Sclera nach
innen gebuchtet oder abgeflacht wird, hierbei einen nach rückwärts ge¬
richteten Zug auf die ciliare Peripherie der Iris ausübt und sich von der
infolge der Contusion plötzlich stark contrahirten Iris trennt.**) In
anderen Fällen .tritt die Irisdialyse an der gegenüberliegenden Seite ein.
Und ohne Beeinträchtigung der voracceptirten Theorie Anden auch diese
Fälle eine ungezwungene Erklärung, wenn man erwägt, dass die Sclera
hier genau in derselben Weise an den Orbitalrand angepresst und nach
innen gebuchtet wird, wie in den ersteren Fällen durch den Stoss direct.
Arlt hat auch hierfür seine Theorie von der E^reiterung des Corneo-
Sderalringes zu verwerthen gesucht und dieselbe auch auf die Entstehung
von Läsionen des Linsensystems übertragen. Um aber auf die
Schwäche dieser Theorie, die hier nicht einmal recht einleuchtend er¬
scheint, nicht nochmals einzugehen, die Erklärung bezüglich der letzt¬
genannten Läsionen liegt viel näher; es scheint nur wunderbar, dass
dieselbe überhaupt im Dunklen bleiben konnte. Der Hohlraum des
Augapfels ist durch das Linsensystem in zwei, von einander völlig
getrennte, communicationslose Abschnitte getheilt, deren einer von dem
Kammerwasser, deren anderer von dem Glaskörper ausgefullt wird.
Beide siftd getrennt durch die Linse mit ihren Befestigungsmitteln, welche
*) Zur sog. Commotio retinae. Klin. Mon. Bl. f. Augenh. 1873. S. 74.
**) cfr. Schmidt-Rimpier im Archiv f. Augenh. XII. S. 146.
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nicht lose flottirend oder leicht beweglich, sondern derart straff gespannt
sind, dass sogar im Ruhezustände der Accommodation die Form der
Linse entgegen ihrem elastischen Gleichgewicht hierdurch abgeflacht er*
halten wird. Spannung der Zonola und Spannung der Linsenkapsel
stellen den physiologischen Ruhezustand des Auges dar. Demnach muss
jede Contusion mit ihrer consecutiven Steigerung des intraocularen
Druckes auch zur weitergehenden Dehnung dieser straff gespannten
Scheidewand fahren, sei es, dass die Drucksteigerung zunächst (bei
Contusionen der vorderen Peripherie) das Kammerwasser oder (bei
Contusionen der seitlichen und hinteren Peripherie) den Glaskörper
betrifft. Und ist die Drucksteigerung eine heftige und plötzliche, so
fuhrt sie auf diesem höchst einfachen Wege nicht bloss zu weitergehender
Dehnung, sondern zu Zerreissung im Bereiche der Zonola und der Linsen¬
kapsel. Es leuchtet unmittelbar ein, warum die häufigere Läsionsfolge
die Ruptur der Zonula, die seltenere diejenige der Linsenkapsel ist:
letztere stellt gleichsam eine verdoppelte und durch die Linse selbst
gefestigte Gewebslage dar. Es leuchtet nicht weniger ein, dass die un¬
gleiche Dehnung der vorderen und der hinteren Linsenfläche in jedem
einzelnen Falle auch ohne Kapselriss so Berstungen und consecutiven
Trübungen des Linsengewebes fuhren kann, wiewohl das thatsächliche
Vorkommen solcher Fälle noch nicht unbestritten steht Und es hat
schliesslich nichts Befremdendes, dass auch allgemeine Erschütterungen
des Kopfes oder des Gesammtkörpers zu den besprochenen Rupturen
führen. Ein Fall auf den Hinterkopf z. B. veranlasst nothwendigerweise
bei plötzlicher Hinderung der Rückwärtsbewegung des Kopfes ein ebenso
plötzliches Andrängen (des Glaskörpers gegen die hintere Bulbuskapsel
und) des Kammerwassers gegen das Linsensystem, was ja auch bei dem
local beschränkten Effect der Contusion des Bulbus von vorn der Fall
ist. Der unklare Begriff einer mittelbaren Erschütterung des Augapfels
wird dadurch aufgelost in seine wirksamen Componenten.
Zurückkehrend zu den Läsionen der Iris klärt auch hier ein Theil
durch den gleichen Vorgangs-Mechanismus sich befriedigend auf. Die
Rupturen der inneren Peripherie bei verengerter und gespannter Iris, die
Umstülpung bei erschlaffter Iris, die traumatische Irideremie unter be¬
sonderer Ungunst der Verhältnisse, — Alles das sind einfache Folgen
des plötzlichen Andrängens des Kammerwassers von vorn her auf die
Regenbogenhaut, zumal wenn letztere bei enger Anlagerung an die LinsO
mit dieser oder vielmehr deren Centrum ein andersartig combinirtes
Septum bildet und die Communication zwischen den beiden Kammern
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gleichfalls sperrt, im entgegengesetzten Sinne, wenn ein plötzlicher Ab¬
schluss des Kammerwassers die Linse und das hintere Kammerwasser
von hinten her gegen die Iris andrängen lässt Ob übrigens der gleiche
Mechanismus nicht auch für die Entstehung der Dialysen der Iris der
maassgebende ist, soll zunächst nur angedeutet werden, obwohl eine
zustimmende Beantwortung dieser Frage berechtigt erscheint
Im hinteren Bulbus - Abschnitt sind das häufigste Yorkommniss
ßefässzerreissungen und als deren Folge Blutextravasate, bedingt
durch die mannigfaltigsten DehnungsVorgänge, welche einer nochmaligen
Erörterung nicht bedürfen. Bei den dünnwandigen Gefäss- besonders
Venenstämmchen genügt offenbar jede plötzliche Dehnung, um Zer-
reÜBungen herbeizuführen; die stärkeren Stämmchen, zumal die Arterien,
laufen Gefahr mehr dann, wenn die Dehnung in der Nähe eines stärker
befestigten Punktes, einer Durchtrittsstelle stattfindet, wodurch die
Verschiebbarkeit des Oefässes vermindert wird. Für den Entstehungs-
Meehanismns ist es dann gleichgiltig, ob der Bluterguss zwischen Chorio-
idea und Sclera oder zwischen Chorioidea und Retina sich ausbreitet, ob
er letztere durchbrechend in den Glaskörper eindringt oder vielleicht auf
das Gewebe der genannten Membranen beschränkt bleibt.
Eine geschlossene und charakteristische Gruppe, obwohl dem Ur¬
sprünge nach sehr verschiedenartig zu deuten, bilden die Ablösungen
der Netzhaut In erster Reibe für die Deutung ihrer Entstehung
kommt die Zeit derselben in Betracht Und entgegen der absoluten
Häufigkeit dieser Affectionen erscheint es nothwendig zu betonen, wie im
unmittelbaren Anschluss an die stattgehabte Verletzung Netzhautab¬
lösungen relativ selten zum Nachweis gelangt sind. Die weit überwiegende
Mehrzahl ist erst in einem späten Zeitstadium festgestellt und lässt dann
zunächst immer einen secundären Ursprung vermuthen. Dass Netzhaut-
ablösungen umfangreicher und bleibender Art als unmittelbare Consequenz
von subretinalen Blutergüssen auftreten, ist nicht zu bezweifeln. Einer
der ausgeprägtesten Fälle dieser Art ist von Höring*) veröffentlicht
worden. Ebenso zweifellos aber sind bald nach der Verletzung auch
Ablösungen der Netzhaut mit unblutiger, seröser Flüssigkeitsansammlung
nachgewiesen worden, und es scheint dann kaum anders möglich als an¬
zunehmen, dass jene Flüssigkeitsansammlung aus dem Glaskörper durch
eine Rupturstelle unter die Netzhaut eingedrnngen sei, da es unerklärlich
ist, wie andernfalls zwischen den eng an einander liegenden Membranen
*) Oculistische Kriegs-Casuistik aas der Augenklinik in Ludwigsburg. Klin.
Mon. Bl. f. Augenh. 1871.
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der Netzhaut und der Aderhaut sich ohne Extravasations- und Entzun-
dungsvorgänge eine solche Flüssigkeitsansammlung bilden sollte. Auch
wenn man einen primären Ablosungsvorgang voraussetzt, liegt immerhin
noch kein Motiv vor für die Flussigkeitsansammlung, der entgegen
vielmehr durch den intraocularen Druck die Netzhaut an die Aderhaut
fest angedruckt erhalten werden musste. Die Möglichkeit dazu wird
erst durch die Ruptur der Netzhaut herbeigeführt. Es bedarf nach den
allgemein gegebenen Erörterungen keiner besonderen Discussion, wie be¬
liebige ungleichmäs8ige Dehnungsvorgänge an der Bulbuskapsel zu solchen
Rupturen der zarten Netzhaut fuhren können, zumal deren Sitz an keiner¬
lei Regeln gebunden ist Indess bedingt eine blosse Ruptur immerhin
nicht ohne Weiteres auch Ablösung der Umgebung, und thatsächlich
kommen ja auch dergleichen Rupturen ohne coincidirende Ablösung vor.
Das Punctum saliens liegt vielmehr in der Frage, wie die Ablösung
sich zur Ruptur gesellt Und hierfür liegt es allerdings am nächsten,
die Ablösung als Folge der Ruptur gelten zu lassen, insofern die letztere
Bedingungen erzeugt, unter denen die anpressende Druckwirkung des
Glaskörpers modificirt wird. Die Ruptur bietet die Möglichkeit, dass —
selbst nur unter der normalen Spannung der Netzhaut — letztere sich
retrahirt oder dass die Kugelkappe sich der Basalfläche des beliebig
grossen Kugelsegments nähert, unter allmählichem passiven Eindringen
von Glaskörperfiüssigkeit zwischen Netz- und Aderhaut Die Leichtig¬
keit, mit welcher am geöffneten Leichenauge sich die Netzhaut von der
Aderhaut spontan ahhebt, die Häufigkeit von Netzhautablösungen am
Lebenden nach den mannigfaltigsten Ursachen, die übliche Vergrösserung
bestehender Netzhautahlösungen mit der Zeitdauer ihres Bestehens —
sind Beweise für die allgemeine Disposition der Netzhaut zur Ablösung
von der Chorioidea, für die zarte Natur der Verbindung dieser beiden
Membranen, denen übrigens auch jede Gefässverbindung fehlt; für so ge¬
staltete Verhältnisse genügt dann auch die leichteste gegenseitige Ver¬
schiebung, um die Trennung der Contiguität herbeizuführen. Kommen
hierneben noch locale Einflüsse in Betracht mit einer auch nur minimalen
Mitwirkung auf geringe Verschiebung der Netzhaut gegen ihre Unterlage,
so wird der geschilderte Vorgang nur um so wahrscheinlicher und durch¬
sichtiger. Wir haben damit zwei Formen von traumatischer Netzhaut¬
ablösung gewonnen, diejenige durch subretinale Blutextravasate und die¬
jenige durch Ruptur der Netzhaut. Um die Aetiologie der Netzhautab¬
lösungen zu erschöpfen, sei noch binzugefügt, dass die späten Ablösungen
sich anders erklären, nämlich durch Schrumpfungsvorgänge im Glas-
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269
körper oder Krümmungsanomalien der Bulbuskapsel, mögen directe
Verletzungen, Rupturen, organisirte Blntextravasate zu Grunde liegen.
Und nun endlich zuruck zu dem Ausgangspunkte dieser Erörterungen,
den Chorioidealrupturen und deren Entstehung. Zunächst bedarf die
diagnostische Beceichnungsweise noch einer kurzen Klarstellung. Mit
dem Namen der Chorioidealrupturen sind zwei wesentlich differirende
Reihen von intraocularen Veränderungen bezeichnet worden. Der Unter¬
schied in dem objectiven Befund besteht darin, dass die einen als schmale,
meist bogenförmig die Papille umkreisende, weiss gefärbte Streifen oder
Sicheln beschrieben sind, die anderen dagegen als ausgedehnte Plaques
von verschiedensten Formen, gleichfalls weiss gefärbt, aber ohne be¬
stimmten Sitz und meist mit ganz bedeutender Pigmentanhäufung in un¬
mittelbarer und weiterer Umgebung. Als Prototyp der letzteren Kategorie
kann ein von Cohn*) veröffentlichter Fall in Bezug genommen werden,
welcher nachher in der Litterator viel umstritten worden ist Cohn
selbst hat unter Anführung des Wald ey er'sehen Sectionsresultats die
Affection als Chorioretinitis mit fibröser Entartung der Retina und Atrophia
Chorioideae gedeutet Dem gegenüber hat v. Oettingen**) in jenem
selbigen Falle die constatirten Veränderungen auf einen complicirten
Chorioidealriss mit bedeutender entzündlicher Reaction bezogen unter
Vergleich mit einer Anzahl eigener Beobachtungen; er beruft sich für
diese Auffassung unter Anderem auf den pathologisch-anatomischen Be¬
fand nach welchem „im Bereich der weissen exsudirten Stellen die
Chorioidea sich nur noch durch das Vorhandensein vereinzelter pigmen-
tirter Zellen 46 markirte. Goldzieher***) zieht jenen Fall von Neuem her¬
an, um gegenüber der Diagnose von Aderhautruptur diejenige der
plastischen Chorioretinitis zu stützen; der letztgenannte Autor beruft
sich hierfür auf den Befund „einer exsudativ - entzündlichen aus der
Chorioidea hervorgegangenen Masse, in welche Retina und Chorioidea
anfgegangen waren 44 . Berlinf) endlich tritt dieser Auffassung unter
eingehender Detaillirung des Sectionsbefundes entgegen, betont die aus¬
gesprochene Zellenarmuth der sogenannten exsudativen Producte, die
Atrophie des chorioidealen Gewebes und die Integrität des Corpus ciliare,
and charakterisirt den pathologischen Process als regressive Metamorphose
*) Schussverletzungen des Auges. Erlangen 1872. Beob. 28.
**) Die indirecten Läsionen des Auges bei Schussverletzungen der Orbitalgegend.
Stuttgart 1879. S. 62.
***) Wiener med. Wochenschrift. 1881. No. 16 und 17.
f) Ibidem No. 27 und 28.
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einfach hämorrhagischer Prodacte. Es ist gerechtfertigt, bei dieser Auf¬
fassang stehen za bleiben and auf Grand der Ton Berlin näher ausge¬
führten Deductionen auch die zahlreichen analogen Fälle der Litteratur,
d. h. die ganze oben zosammengefasste Kategorie, za deaten als Aasdruck
umfangreicher regressiver Metamorphose der Retina and Chorioidea, be¬
dingt durch chorioideale and sabchorioideale Blatangen, zum Theil mit
Organisation des Extravasats.
Die eingreifende Wichtigkeit des gewonnenen Resultats für die hier
in Frage stehenden Verhältnisse springt in die Aogeq und rechtfertigt
wohl die scheinbare Abschweifung. Nicht die etwaige Chorioidealser-
reissung tritt in jener ganzen Kategorie von Fällen in den Vordergrund,
sondern die Folge der Gefässraptar, welcher letzteren gegenüber es im
Endeffect von untergeordneter Bedeutung ist, ob gleichzeitig eine Zer¬
reissang des Chorioidealgewebes stattgefanden habe oder nicht. Mit
welchem Recht aber darf man die Zerreissung von Chorioidealgefässen
von den Zerreissungen des Chorioidealgewebes abtrennen? Principiell
and genetisch ist in allen diesen Fällen die Zerreissang des an sich ge-
fässhaltigen Chorioidealgewebes das za Grande Liegende, and es ist
lediglich ein Zufall, ob die Raptar an einer gefässreichen oder gefäss-
armen bezw. gefässlosen Stelle der Chorioidea eintritt Mit Fug und
Recht würde man vielmehr nur Chorioidealruptaren mit Blatextrav&s&t
and solche ohne (erheblichere) Blatang za unterscheiden haben. Damit
fällt aber die ganze Charakteristik, welche ans der Oertlichkeit der sog.
typischen Chorioidealruptaren entspringt, als gegenstandslps in sich zu¬
sammen, die auf jene gestützten Erklärungen des Entstehungs-Mechanismus
werden hinfällig und — sie werden überflüssig. Als bedingendes
Moment bleibt nur die Dehnung der Balbuskapsel bestehen, in deren
Gefolge die Chorioidea hier und da Continuitätstrennungen erfahren kann,
ohne wesentlichen Unterschied der Localität, nur mit den hiervon ab»
hängigen Folgen grosserer oder geringerer Blutextravasate. Dass in
diesem Sinne Chorioidealzerreissangen an der Stelle der Gewalteinwirkung
infolge der örtlichen Impression und Dehnung der Kapsel häufig sind,
bedarf nach den allgemeinen Erörterungen nur dieser Erwähnung, dass
sie auch an anderen Stellen Vorkommen kann, hat als Folge der allge¬
meinen Dehnungsvorgänge nichts Befremdendes, und dass sie in den
letztgenannten Fällen mit Vorliebe in der Umgebung des Sehnervenein¬
tritts and concentrisch zur Papille auftreten, dafür dürfen die eingangs
dieser Erörterungen unbeanstandet gebliebenen Lagerangs- und Textar-
verhältnisse etc. gewiss geltend gemacht werden, wenn auch nicht mehr
mit dem Anspruch aaf die gleiche ausschlaggebende Bedeutung.
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'*■ ■
- 271 —
Das Gesammtresultat der im Vorstehenden nnternommenen
Erörterungen gipfelt hiernach in dem ausschliesslichen Recurs
auf directe örtliche oder auf allgemeine Dehnungsvorgänge
an der Bulbuskapsel, daneben auf solche, an deren intr&ocu-
larer Scheidewand (Linsensystem und Iris); nur die Intensität
und Localität der Gewalteinwirkung bedingt die selbstver¬
ständlichen Unterschiede der oonsecutiven Affectionen.
Aerztliche Verbandtasche för Manöver- nnd Feldzwecke.
(Ungefärbtes Kleidertuch als Verbandstoff.)
Von Stabsarzt Dr. Ftashar.
Im Manöver wie im Felde soll der Arzt Verbandtasche (und etwas
Verbandmaterial) stets bei sich fuhren. Die Frage aber, wie und wo er
dasselbe unterzubringen habe, ist bei den antiseptischen Anforderungen
heut noch schwieriger zu beantworten, als früher. Jedenfalls sieht es mit
der Antiseptik „faul“ aus, wenn Verbandmaterial in durchschwitzten
Taschen oder im Verein mit dem Frühstucksbrötchen und dergl. con-
servirt werden muss.
Wohl Jeder suchte dem factisch vorhandenen und empfundenen
Nothstande auf irgend eine passende Art abzuhelfen. Ich möchte nach¬
stehend eine besonders construirte Verbandtasche beschreiben, die sich
mir seit ca. 4 Jahren recht gut bewährt hat
Da man das Verbandzeug in den Kleidern nicht antiseptisch erhalten
kann, muss es nothwendigerweise ausserhalb derselben getragen werden.
Ich habe mir zu dem Zweck eine Tasche anfertigen lassen, die äusser-
lich dem Futteral eines Krimstechers täuschend ähnlich sieht und ebenso
wie dieser getragen wird. Von diesem unterscheidet sie sich nur durch
steife Wandungen. Die Grössen Verhältnisse dieser Tasche sind folgende:
GeBammthöhe (geschlossen).15,0 cm,
Hohe ohne Deckel.13,0 -
Deckelrand ..3,0 -
LängsdurchmesBer oben .15,0 -
do. unten .14,0 -
Querdurchmesser oben.8,0 -
do. unten .5,0 -
Beim Verschluss überdeckt der Deckel, welcher sich an einem Leder-
chamier nach rückwärts öffnet, um ca 1 cm die Tasche, so dass diese fest
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geschlossen ist, wenn der Deckel mit einem kleinen Riemchen an einer
an der Tasche befindlichen Schnalle festgezogen wird. Auf der Innenseite
des Deckels ist in der Mitte ein Täschchen befestigt, welches Nadeln
und Seide enthält. Dieses Täschchen wird durch eine feste lederne
Klappe, die sich in entgegengesetzter Richtung, wie der Deckel offnen
lässt und gleichsam einen doppelten Boden des Deckels bildet, völlig ver¬
deckt. Auf der Innenseite dieser Klappe sind durch Lederösen befestigt
die nöthigsten Instrumente der Verbandtasche, wie Doppelbistourie, Scheere,
Sonde, Lancette, Schieber- und Hakenpincette bequem untergebracbt.
Wenn diese Klappe umgelegt und der Deckel der Tasche geschlossen ist,
liegt das Instrumentarium fest und übt auf den übrigen Inhalt der Tasche
einen ausreichend festen Druck aus, um auch diesen in unverrückbarer
Lage zu erhalten.
Der Raum der Tasche selbst ist folgendermaassen verwerthet. An
der nach vorn gelegenen innern Fläche befindet sich in der Mitte eia
senkrecht gerichtetes Täschchen von der Breite und Tiefe, dass eine
Pravaz’sche Spritze genau hineinpasst und durch Zug von oben her leicht
hervorgezogen werden kann. Beiderseits von diesem Täschchen sind je
drei rundliche lederne Behälter angebracht, in denen genau einpassende
Fläschchen (also 6), von ca. 5,5 cm Höhe und mit Glasstöpseln versehen,
fest Unterkommen. Die Glasstöpsel ragen über den Rand der Tasche
nach oben und werden bei Schliessung der Tasche durch deren Deckel
in ihrer Lage so fest erhalten, dass eine Verschüttung des Inhalts unmöglich
ist. Die Fläschchen sind signirt und enthalten einerseits Stoffe zur sab-
cutanen Injection, wie Chinin-, Morphium-, Carbolsäurelösung und Spirit,
aether.; andererseits Jodoform und Sublimat zu Verbänden. — In dem noch
übrigen Raum der Tasche sind untergebracht 2 Mullbinden, die schon
einen grösseren Verband ermöglichen (5 cm breit), ein in Wachspapier
zusammengepresstes vorher carbolisirtes Badeschwämmchen, ein kleines
Holzbüchschen mit Heftpfiasterstreifen (PauIcke, Leipzig), ein Stack
Wachstaffet, 2 Federposen, ein kleines Glas trieb terchen (6 cm hoch) und ca.
30 cm schwarzen Gummischlauchs. Letzterer dient event. zur Compression
bei Blutungen, andererseits ist er mit dem Glastrichter zusammen als
Hörrohr zu benutzen (Trichter auf die zu behorchende Körpergegend,
Gummischlauch mit freiem Ende in den Gehörgang); im Verein mit der
Federpose sind Trichter und Schlauch auch als kleiner Irrigator zu ver¬
wenden; Federpose ist event. als Drainrohr zu brauchen.
Ausser dem Genannten ist in der Tasche noch in Wachspapier ein-
gewickeltes antiseptisches Verbandmaterial enthalten, das unten besonders
beschrieben werden soll.
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Der Raum der Tasche ist hierdurch ausgefüllt, allenfalls konnte noch
ein kleines Päckchen comprimirter Verbandwatte Platz finden.
Die Tasche ist ans Leder fest gearbeitet, so dass sie aoch Wind und
Wetter abersteht, äusserlich von der Farbe and Form des Krimstecher-
Fotter&ls, so dass sie nach unten *u im Querdurchmesser sich etwas ver¬
jüngt and wird an einem schwarzen Riemen, welcher in Oesen am die
Tasche herumführt, wie ein Krimstecber getragen. Durch einen zweiten
Riemen, welcher in 2 Oesen an der Rückseite der Tasche läuft und jeder¬
zeit leicht entfernt werden kann, lässt sie sich beim Reiten am Leib so
befestigen, dass sie ihre Lage behält
Die Tasche hat sich mir bisher gut bewährt; sie war vor mehreren
Jahren (1881) durch Vermittelung des Instrumentenmachers Thamm in
Berlin angefertigt und kostete ohne Inhalt 12,50 Jft.*)
Oegen die Art, sie zu tragen, dürfte nicht viel einzuwenden sein; ein¬
mal herrscht die Nothwendigkeit vor, das Instrumentarium ausserhalb
des eigenen Körpers unterzubringec; ausserdem trägt der Offizier den
Krimstecher so vielfach in gleicher Weise, dass es nicht auffallen kann,
wenn der Arzt scheinbar dasselbe Ding mit anderem Inhalt ebenso trägt.
Für Interessenten bin ich zu genaueren Angaben, wie sie zur Anfertigung
erforderlich sind, gern bereit. —
Das antiseptische Verbandmaterial, das ich bisher in jener Tasche
führte, ist ungefärbtes Kleidertuch von besserer Sorte als Commisstuch.
Es sieht aus, wie weisser Flanell, hat aber viel dichteres und dickeres
Gewebe.
Ich hatte aus einer Tuchfabrik 1 Meter Tuch in ungefärbtem Zustande
bezogen, dasselbe mit der Münnich-Bruns’schen Masse (unter Zusatz
von Jodoform) imprägnirt und dann in Stücke von 10—15 qcm geschnitten.
Solche imprägnirte Verbandstücke sind in Wachspapier (ca. 3—4 Stück)
in der Tasche untergebracht.
Die ersten Versuche vor ca. 3—4 Jahren ergaben, dass ein Stück
Rindfleisch in solch imprägnirtes Tuch fest eingewickelt über V 4 Jahr
im Sommer in freier Luft Tag und Nacht bei Regen und Sonnenschein
hingen konnte, ohne zu verderben (es war nur eingetrocknet). Die
imprägnirten Tuchstücke wurden nachdem in Wachspapier in einer vier¬
eckigen Blechbüchse verwahrt und haben auch heut noch antiseptische
Kraft, obgleich mehrere Jahre darüber vergangen sind.
Auf diese Imprägnirung kommt es heut wohl nicht mehr an, da solcher
*) Genau nach dem ersten Muster fertigt sie jetzt nach dem Tode Thamm’s
Herr Instrumentenmacher Detert, Berlin W., FransOsischestr. 53.
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andere Stoffe, besonders Soblimatlösung, vorgezogen werden wurden. Ich
habe mich aber seither immer mit der Vorstellung getragen, dass ungefärbtes
Kleidertuch, etwas stärker wie Commisstuch, für Feldzwecke ein recht
passendes Verbandmaterial abgeben musste.
Man wird ja immer trennen müssen zwischen Verbandmaterial für
Feld- und Kriegslazarethe einerseits und für Verbandplätze auf dem Schlacht¬
feld (incl. Krankenträger) andererseits. Bei letzteren, namentlich bei den
Krankenträgern, kommt es doch vornehmlich darauf an, den Verwundeten
transportfähig zu machen und vor Sepsis zu schützen. Es erscheint nichts
einfacher, als die Wunde mit einem Sublimat-Tuchstück von oben genanntem
Umfang event. in doppelter bis dreifacher Lage zu bedecken und dieses
mit dreieckigem Tuch oder Binde zu befestigen. Die Imbibitionsfähigkeit
des Tuches ist für die Transportzeit ausreichend und doch nicht zu gross,
schliesslich auch durch doppelte bis dreifache Lage resp. durch Befeuchtung
zu modificiren. Mit einem Tuchballen aber von 25 Metern, aus dem sich
nach und nach ca. 1500—2000 Tuchstücke schneiden lassen und welcher
als ganzes Stück wenig Platz braucht, kann ein Sanitäts-Detachement
viele Schlachten hindurch, ja selbst für einen kurzen Feldzug auskommen
mit Unkosten von ca. 150 Mark. Tuchstreifen von etwa 0,5 cm Breite
werden sich ausserdem auch zur Ableitung von Secreten benutzen lassen,
wenn sie statt Drainrohren in Wunden eingeführt werden; auch Binden
aus Tuchstoffen würden oft gute Verwendung für antiseptische Zwecke
finden.
Die militärärztlichen Fortbildungscurse za Berlin im Frühjahr 1886.
Nachdem in diesem Jahre das Programm der militärärztlichen Fort¬
bildungscurse zu Berlin einen gewissen Abschluss erfahren hat, wird es
für die Leser der Zeitschrift interessant sein, sich einmal im Zusammen¬
hänge zu vergegenwärtigen, was Ihnen bei dieser Oelegenheit geboten
wird, und wie sich der Verlauf der Curse zu gestalten pflegt.
Es ist bekannt, dass ausser den Berliner Cursen auch in Königsberg,
Greifswald, Halle, Breslau, Marburg, Bonn, Rostock, Gottingen, Giessen,
Freiburg und Strassburg alljährlich Fortbildungscurse von gleichfalls
dreiwöchentlicher Dauer für Assistenzärzte des Beurlaubten- und des
Friedensstandes gehalten werden. Ein näheres Eingehen auf diese Curse
ist nicht beabsichtigt. Sie unterscheiden sich in den Hauptfächern nicht
wesentlich von den Berliner Cursen, welche als Prototyp der ganzen
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Einrichtung dienen können. Anf einzelne Verschiedenheiten wird, wo es
hingehört, Bezug genommen werden.
Die Frühjahrscurse in Berlin sind in zeitlicher Folge für Assistenz-
ond Oberstabsarzte bestimmt; der Stabsarztcnrsus fallt in den Herbst.
Zorn Assistenzarztcursus, der vom 8. bis 27. März fiel, waren
30 Assistenzärzte der Armee, 2 der Marine* commandirt, unter ersteren
2 vom XIIL (Königlich Wurttembergischen) Armeecorps.
Am Oberstabsarztcursus waren 27 preussiscbe und zwei württem-
bergiscbe Oberstabsärzte betheiligt, ausserdem — ausnahmsweise —
2 Stabsärzte der Armee und einer der Marine. Dieser Cursus begann
am 29. März und schloss am 17. April.
Das Lehrprogramm umfasste, wie bisher:
1. Topographische Anatomie. Lehrer Geh. Med. R. Prof. Dr.
Waldeyer, diesmal durch Krankheit an der Abhaltung des Unterrichts
fast ganz verhindert und durch den Prosector Prof. Dr. Hartmann
vertreten.
2. Operationsubungen an der Leiche. Dieselben wurden während
des Assistenzarztcursus vom Geh. O. M. R. Prof. Barde leben, unterstützt
vom Oberstabsarzt Köhler, geleitet; während des Oberstabsarztcursus
vom Geh. Med. R. Prof. v. Bergmann.
3. Medicinische Curse verbunden mit praktisch diagnostischen
Uebungen, unter Leitung des Prof. Fraentzel.
4. Ophthalmologischer und ophthalmoskopischer Cursus
unter Leitung des Geh. Med. R. Prof. Sch weigger (nur für die Oberstabs¬
ärzte).
5. Hygienische Curse unter Leitung des Geh. Med. R. Prof. Koch
und seiner Assistenten. Diese Curse wurden für die Assistenzärzte in
Gestalt praktischer Uebungen, für die Oberstabsärzte als Vorlesung mit
Demonstrationen abgehalten.
Zur geschäftlichen Assistenz der Lehrer war Stabsarzt Roch8 vom
Friedrich-Wilhelms-Institut commandirt. Derselbe betheiligte sich auch
tls wissenschaftlicher Assistent, wo sich ihm Gelegenheit bot.
Die Durchführung des reichhaltigen Programms gestaltete sich
folgendermaassen.
In der Anatomie wurde gleichartig in beiden Cursen die Topographie
des ganzen Körpers an der Hand frischer und conservirter Präparate
dorchgenommen. Hierbei wurde vornehmlich auf diejenigen Gegenden
gerücksichtigt, welche bei chirurgischen Eingriffen eingehendere Rücksicht
erfordern. Eine Stunde für sich war der Demonstration des Situs gewidmet.
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Die Einrichtung der Operationsüb ungen unterschied sich im All*
gemeinen nicht von der aberall üblichen. Das Leichenmaterial, im
Mittel V/i Leichen auf den Theilnehmer, erlaubte eine reichliche Be¬
schäftigung jedes einzelnen, so dass die meisten Commandirten die wichtigeren
Operationen mehr als einmal ausführen konnten. Als eine sehr wesent¬
liche Bereicherung des Programmes und mit lebhaftestem Dank wurde
es aufgenommen, dass Geh. R. v. Bergmann in der letzten Woche die
Oberstabsarzte zu Krankenvorstellungen und Operationen in die chirurgische
Universitätsklinik einlud und dort die Technik des antiseptischen Dauer¬
verbandes eingehend demonstrirte. Es sei hier bemerkt, dass auch in den
Provinzialcursen ausnahmslos der regelmassige Besuch der chirurgischen
Klinik seitens der Herren Professoren als Cursnslehrern nicht nur gestattet,
sondern gewünscht, und zu einem der interessantesten Abschnitte des Gursus
gemacht wird.
Prof. Fraentzel wiederholte auf seiner Abtheilung in der Charitö
mit den Commandirten das Gebiet der medicinischen Diagnostik in
allen ihren Einzelfachern. An die systematische Erörterung der Unter¬
suchungsmethoden schlossen sich praktische Uebungen im Auscultiren,
Percutiren, Laryngoskopiren etc. sowie mikroskopische Uebungen in der
Untersuchung von Sputis auf Tuberkelbacillen. Die Einfügung dieses
letztgedachten Abschnittes in den medicinischen Gursus war von 2 Jahren
von der Militar-Medicinal- Abtheilung des Kriegsministeriums angeordnet
worden, um die Diagnose phthisischer Lungenerkrankungen seitens der
Militärärzte so früh wie möglich zu sichern, und die Entlassung derartig
Kranker schon in den ersten Stadien des Leidens zu ermöglichen. Mit
besonderem Dank wurde eine Reihe von lichtvollen Vortragen entgegen¬
genommen, die Prof. Fraentzel den Oberstabsärzten über neuere
therapeutische Fragen und Anschauungen hielt Er erörterte hier die
Behandlung des Typhus, der Pleuritis und anderer wichtiger Affiectionen
an der Hand seiner maassgebenden Arbeiten und Erfahrungen eingehend
und begründete namentlich auch den nicht selten von den herkömmlichen
Anschauungen abweichenden Standpunkt der heutigen Berliner Schule
mit besonderer Genauigkeit und Kritik.
Im ophthalmologischen Gursus nahm Prof. Schweigger in der
ersten Woche die Refractionsanomalien durch, deren Kenntniss und
objective Feststellung für den Militärarzt von besonderer Wichtigkeit
ist Hieran schlossen sich praktische Uebungen im Gebrauche des
Ophthalmoskops, sowie Kranken Vorstellungen, bei denen die Gelegenheit
nicht fehlte, die derzeitige ophthalmologische Operations- und Verband*
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technik, namentlich auch die Anwendung der Antiseptik in der Augen¬
heilkunde, kennen zu lernen.
Mit besonderer Erwartung hatten die Commandirten den hygienischen
Cursen entgegengesehen; und in der That, das Gebotene entschädigte
für die damit verbundene, nicht unerhebliche Vermehrung des täglichen
Arbeitspensums. Wie bereits erwähnt, war für die Stabs- und Assistenz-
inte eine praktische, für die Oberstabsärzte eine theoretische Unter¬
weisung in Aussicht genommen worden. Zu diesem Zweck hatte die
Behörde Fürsorge getroffen, dass die grossen, mit homogener Immersion
versehenen Mikroskope, deren sich die Lazarethe an den Corps-Stabs¬
quartieren-seit einigen Jahren erfreuen, den Assistenzärzten nach Berlin
mitgegeben wurden, um hier im hygienischen Institut zur Hand zu sein.
Geh. Med. R. Koch liess die commandirten Assistenzärzte in zwei Ab¬
heilungen abwechselnd unter Leitung seiner militärärztlichen Assistenten
täglich von 11—4 Uhr praktisch arbeiten.
Bei diesen Uebnngen wurden zuerst die allgemeinen Untersuchungs-
metboden in der von Koch angegebenen unübertroffenen Weise gelehrt.
Es folgten die Reinculturen, die Bereitung von Nährgelatine und Gelatine-
platten, Färbung der Bakterien, Anfertigung und Färbung von Schnitt¬
präparaten. Ferner Untersuchung pathogener Mikroorganismen, von
Eher-, Typhus-, Tuberkelbacillen, Pneumoniekokken mit Einfach- und
Doppelfärbung. Untersuchung von frischem Choleramaterial; Reinculturen
im hohlgeschliffenen Objectträger, Fertigung von Deckglaspräparaten,
die den Anfertigern verblieben.
An die bakteriologischen Arbeiten schlossen sich täglich einstündige
chemische Untersuchungen und Demonstrationen unter specieller Leitung
des chemischen Assistenten des Instituts Dr. Proskauer. In diesen
Stunden wurden Luft, Wasser, Boden, Milch und alkoholische Getränke
zum Gegenstände der Betrachtung gemacht. Endlich hielt Geh. R. Koch
persönlich von 4—5 täglich Vorträge über die Mikroorganismen in Wasser,
Loft und Boden, ihre Dauerformen, Sporenbildung und Stoffwechsel; über
Iufection und Infectionsmethoden bezw. Krankheiten, sowie über Desin-
feciion. Specieü wurde auch hier die Cholera erörtert.
Die Lehrgegenstände waren im Oberstabsarztcursus von den vor¬
stehend aufgeführten nicht verschieden, wenngleich sie den Commandirten
nur in Gestalt von Vorträgen mit Demonstrationen durch die bereits
genannten Herren vorgefübrt wurden.
Es ist nicht nöthig besonders hervorzuheben, dass die Befriedigung
über das Gebotene allgemein war und dass die sämmtlichen Lehrer
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wohl wiederholt den Ausdruck des herzlichen Dankes haben entgegen¬
nehmen können, den ihnen die Coznmandirten gern aassprachen. Der
Bericht wurde aber unvollständig sein, wollte man nicht anch der That-
sache gedenken, dass mit jedem der Fortbildnngscnrse, in Berlin wie
draussen, eine Pflege der Kameradschaft verbunden ist, deren fordernder
Einfluss sich jetzt bereits offenbart Sind anch die Berliner Verhältnisse
nicht danach angethan, den Commandirten die Vorzüge der überaus
gastfreundlichen Aufnahme zn gewahren, welche dieselben in den Provinzial-
Universitäten überall im Kreise der Offiziercorps finden, so geben doch
auch hier die Abendstunden Gelegenheit zn fröhlichem und anregendem
Meinungsaustausch. Abgesehen hiervon nahmen jedoch, alter guter
Gewohnheit folgend, beide Curse Gelegenheit, einen besonderen Festabend
in Gesellschaft der Lehrer zu verbringen. So versammelten sich am
18. Marz die Assistenzärzte in den Kaiserhallen; die Oberstabsärzte am
16. April im Hotel Impdrial. War bei dem enteren Fest Geh. R. Barde¬
leben der Mittelpunkt der Verehrung, so concentrirte sich bei letzterem
der Ausdruck der allgemeinen Werthschätzung auf Geh. R. v. Berg¬
mann. Beide gefeierten Lehrer brachten, nachdem man ihrer dankbar
gedacht, das Wohl des SanitätscorpB aus, dem beide selbst angehören
und dauernd ihr Wohlwollen, ihr wissenschaftliches Können und ihr
lebhaftes Interesse seit langem bethätigen. Auch sei nicht vergessen,
dass bei dem Abschiedsessen des Oberstabsarztcursus ein schnell und
allgemein beliebt gewordener Gast desselben, der finnische Oberarzt
Dr. Wahlberg, in warmer und aufrichtiger Herzensäusserung deutscher
Gastfreundschaft und deutscher Wissenschaft gedachte und mit seinem
Hoch auf unser Vaterland jubelnden Beifall erntete.
Der Gesammteindrack beider Fortbildnngscnrse lässt es ohne Rück¬
halt aussprechen, dass sowohl die leitende Behörde im Interesse der
Armee wie jeder einzelne Theilnehmer im eigenen Interesse mit dem
Verlaufe zufrieden sein kann. — . —
Der militärärztliche Fortbildungs-Curaus für das XII. (Königl.
Sächsische) Armee-Corps in den Winterhalbjahren 1884/85
und 1885/86.
Von W. Roth,
Generalarzt 1. Classe and Corpsarzt.
Wie früher, fanden auch in den beiden verflossenen Wintern in Dresden
militärärztliche Fortbildungs-Curse und zwar der 14. (vom 13. X. 84
bis 7. II. 85) und der 15. (vom 12. X. 85 bis 12. II. 86) statt.
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Zu den erwähnten Cnrsen waren 1884: 6 Stabsärzte, 5 Assistenzärzte
und 5 einjährig - freiwillige Aerzte commandirt, 1885: 5 Stabsärzte,
3 Assistenzärzte, 1 Unterarzt, 10 einjährig-freiwillige Aerzte; ansser diesen
nahmen im Jahre 1884 noch 6 Assistenzärzte 1. Claas©, 1886 3 Assistenz¬
ärzte 1. Classe des Benrlanbtenstandes während einer dreiwöchentlichen
Dienstleistung behufs Erlangung der Qaalification zum Stabsarzt der
Reserve besw. Landwehr an den Operations-Uebungen Theil. Von aus¬
ländischen Sanitäts-Offizieren betheiligten sich mit Genehmigung des
Königlichen Kriegsministeriums noch im Jahre 1884 der Königlich Nor¬
wegische Militärarzt Ly che, 1885/86 der Kaiserlich Japanische Stabs-
arztMori sowie der Oberarzt Wahlberg vom finnischen Garde-Schützen-
Bataillon an den Vorträgen.
In der Dauer der Vorträge war insofern den früheren Jahren gegen¬
über eine Abänderung getroffen worden, als der Curaus für die von aus¬
wärtigen Garnisonen befehligten Militärärzte nur bis zu Weihnachten
dauerte, während für die in Dresden selbst stationirten Curstheilnehmer
die Uebungen und Vorträge bis zu dem obengenannten Datum fortgesetzt
worden.
Verschiedene Veränderungen sind in dem Lehrpersonal zu verzeichnen.
Die bisher vom Oberstabsarzt 1. Classe Tie tz geleiteten ophthalmoskopischen
Uebnngen wurden in Folge Ausscheidens desselben aus dem activen
Dienst im Jahre 1885 an den Stabsarzt Fischer übertragen und als
Assistent bezw. Stellvertreter desselben trat Stabsarzt Hey mann ein.
In Folge Berufung des bisherigen Lehrers der pathologisch-anato¬
mischen Uebungen, des Herrn Midicinalraths Birch-Hirschfeld zu der
durch das Ableben des Professors C o h n h ei m erledigten Professur für Patho¬
logie an die Universität Leipzig wurden während des letzten Cursus diese
Uebnngen an den neuernannten Prosector des hiesigen städtischen Kranken¬
hauses, Herrn Professor Nee Isen, übertragen.
Herr Stabsarzt a. D. Credö, welcher in früheren Jahren chirurgisch-
klinische Vorträge gehalten hatte, trat von seiner Lehrthätigkeit zurück.
Der Lehrer der Operations-Uebungen, Stabsarzt Seile, hat die durch den
Rücktritt des genannten Herrn entstandene Lücke in dem Lehrplan aus-
gefüllt
Ferner erledigte sich im Vorjahre auch noch die bisher vom Ober¬
stabsarzt Z ocher innegehabte Stelle als Lehrer für Militär-Medicinal-
Verfassung durch Versetzung desselben nach Strassburg. Als Nachfolger
desselben ist der Stabsarzt Müller eingetreten.
Den genannten vier, aus dem Lehrverband ausgeschiedenen Herren
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ist das Königlich Sächsische Sanitäts- Corps für ihre langjährige Lehr¬
tätigkeit zu aufrichtigstem Danke verpflichtet.
Als neues Lehrfach ist zu den bisherigen im letzten Fortbildungsr-
Cursus noch „Diagnostik der Brustkrankheiten Ä hinzugekommen, mit deren
Leitung der Stabsarzt Balmer beauftragt wurde.
Die einzelnen Lehrgegenstände angehend, so wurden die pathologisch¬
anatomischen Uebungen im Winter 1884/85 von Professor Birch-
Hirschfeld, im Winter 1885/86, wie erwähnt, von Professor Neelsen
geleitet. Die Zahl der Sectionen betrug in beiden Wintern über 50 und
wurde denselben das für gerichtsärztliche Sectionen gültige Schema zu
Grunde gelegt. Gleichzeitig wurde pathologisch-anatomisches Material
von über 250 anderweitigen Sectionen verwerthet, auch Gelegenheit zu
mikroskopischen und bacteriologischen Untersuchungen geboten.
In dem vom Stabsarzt 8elle abgehaltenen Operations-Curaus
wurden an 16 mit Wickersheimer’s Conservirungs-Flüssigkeit recht gut
erhaltenen Leichen von 22 (bezw. 26) Theilnebmern in 50 (bezw. 54) Stunden
948 (bezw. 964) Operationen ausgefuhrt.
Gelegentlich der Vorlesungen aus der Kriegs-Chirurgie wurden die
Grundsätze für die Behandlung der Schussverletzungen der Brust-, Becken-
und Bauchhöhle, sowie der Gelenkschusswunden und Resectionen eingehend
besprochen. Gleichzeitig fanden praktische Uebungen im Anlegen von
Verbänden, besonders der Immobilisirungs- und Transportverbände, statt.
Der im Jahre 1884/85 zum ersten Mal vom Stabsarzt Fischer
geleitete Unterricht über Augen - Untersuchungen wurde in 26
(bezw. 19) Stunden von 18 (bezw. 21) Zuhörern in derselben Weise, wie
er bisher vom Oberstabsarzt Tietz gehandhabt worden war, ertheilt,
wonach im 1. Theil des Cursus die objective Untersuchung insbesondere
mit dem Augenspiegel, in der 2. Hälfte vorwiegend die functionelle
Prüfung geübt wurde. Als pathologisches Material gelangten in beiden
Cursen zur Demonstration und Untersuchung: 48 Hornhaut-, 23 LinBen-,
8 Glaskörpertrübungen, 26 Netz- und Aderhautentzündungen, 8 Sehnerven-
Atrophien, 79 Fälle von Kurzsichtigkeit, 57 Fälle von Hypermetropie,
38 Fälle von Astigmatismus. Bei der functionellen Prüfung fand der
Raum-, Licht- und Farbensinn, sowie die Simulation eingehende Be¬
sprechung.
ln dem wie früher vom Oberstabsarzt Becker in 24 (bezw. 20)
Stunden ertheilten Unterricht über Ohrenkrankheiten waren an der
Hand praktischer Untersuchungen Ohrenkranker seitens der 16 (bezw. 17)
Curstheilnehmer die wesentlichsten Capitel der Ohrenheilkunde Gegen-
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281
stand der Besprechung. Es kamen iosgesammt 278 Kranke car Unter¬
suchung and Behandlung, welche an 388 Affectionen des Gehörorgans,
sowie an verschiedenen, für den Militärarzt wissenswerthen Erkrankungen
des Nasen* und Rachenraums and Kehlkopfes litten.
Ueber innere Militär-Medicin hielt, wie in früheren Jahren,
Oberstabsarzt Stecher 9 (bezw. 10) Vorlesungen and kamen in den*
selben die wichtigsten Soldaten-Krankheiten an vorgeführten Patienten
zur Besprechung. Erwähnt seien der Unterleibstyphus unter besonderer
Würdigung seines epidemischen Auftretens in Armeen und der Massen¬
behandlung im Felde, die Malaria-Krankheiten, wobei gelegentlich der
Verfälschung von Chininpräparaten gedacht und die Wirkung des Kairin
and Antipyrin als Antipyretica eingehend besprochen wurde, die croupose
Pneumonie und der acute Gelenkrheumatismus, Lähmungen peripherer
Nervenstämme, die chronischen Herzkrankheiten und deren Beziehungen
tum Militärdienste, Epilepsie mit besonderer Rücksicht auf Diagnose,
Simulation und Militärtauglichkeit
Die Vorträge über Militär-Medicinal-Verfassung wurden, wie
erwähnt, während des letzten Cursus zum ersten Male vom Stabsarzt
Müller gehalten. Nach einer eingehenden Darstellung der Geschichte
des Militär -Medicinal -Wesens wurden die wichtigsten Reglements be¬
sprochen und im Anschluss seine praktischen Uebungen im Ausheben,
in der Beurtheilung von Militärdienstfähigkeit und Invalidität, Ausstellung
von militärärztlichen Zeugnissen und Anfertigung sonstiger schriftlicher
Arbeiten abgehalten.
In dem im Vorjahre zum ersten Male abgehaltenen Cursus über
Diagnostik der Brustkrankheiten, mit deren Leitung der Stabs¬
arzt Balm er beauftragt war, wurde entsprechend der gestellten Aufgabe
das Hauptgewicht auf das sichere Handhaben der diagnostischen Hülfs-
mittel gelegt, daneben jedoch auch Aetiologie, Prognose und Therapie,
soweit erforderlich, besprochen. Die Art des Auftretens und der Ver¬
breitung der genannten Krankheiten im Heere, ihr Einfluss auf den
Dienst und ihr Verhältniss zur Dienstuntauglichkeit bezw. Invalidität
fanden eingehende Erörterung.
Die Vorlesungen des Generalarztes 1. Classe Roth über Militär-
Gesundheitslehre erfuhren während des Winters 1884/85 in Folge
Erkrankung des Vortragenden eine empfindliche Unterbrechung, während
dieselben in dem letzten Cursus in der planmässigen Weise abgehalten
werden konnten. In der ersten Hälfte der Vorträge — bis zu Weihnachten
— wurde in eingehender Weise die allgemeine Hygiene: Wasser, Boden,
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Laft, Ventilation, Heizung, Beleuchtung, Beseitigung der Abfallstoffe,
behandelt, wahrend in dem zweiten Theile die epecielle Militär-Hygiene:
Gasernemente, Lazarethe, Biwaks, im Lager, Marschhygiene und beweg¬
liche Lazarethe besprochen wurden.
Ferner wurde im Anschluss an diese Vorlesungen eine Reihe
hygienisch interessanter Anstalten besichtigt. Diese Besichtigungen
betrafen mehrere Kasernen, das Garnison-Lazareth, die städtischen Wasser¬
werk e, das Dresdener Hoftheater, das Zellengefangniss, die grosse Kunst¬
muhle in Plauen bei Dresden, die Droguen-Appretur-Anstalt von Gehr
& Co., die Gasanstalt, das Montirungsdepot, die Militär-Waschanstalt,
Militär-Bäckerei, das Kornermagazin sowie schliesslich das Stadtkranken¬
haus zu Dresden. Schliesslich hielt Herr Hofrath Professor Topler in
beiden Gursen einen ausführlichen hochinteressanten Experimental-Vortrag
über die neuesten Fortschritte auf dem Gebiete der Electricität und zeigte
insbesondere die Anwendung von Projections-Apparaten zum Zweck der
Demonstration chemischer und physikalischer Vorgänge vor einer grosseren
Zuhörerzahl. Es sei gestattet, ihm an dieser Stelle noch besonderen
Dank auszusprechen.
Die vom Oberstabsarzt Helbig gehaltenen Vorträge und Demon¬
strationen über hygienische Chemie verbreiteten sich über die all¬
gemeinen Eigenschaften der Gase, Wasser, speciell Trinkwasser- und Luft¬
untersuchungen. Im Anschluss an diese Vorträge fanden Uebungen in
hygienischer Chemie statt Diese waren im Einzelnen dieselben wie in
den Vorjahren und erstreckten sich vorwiegend auf Luft- und Wasser*
Untersuchungen. Ausserdem worden von den in chemischen Arbeiten
bereits Geübten Untersuchungen von Milch, Bier, Petroleum sowie
quantitative Bestimmungen der Salpetersäure nach Schulze, ferner Kohlen¬
säure-Bestimmungen im Leuchtgase nach Rüdorff, Harn-Untersuchungen
u. 8. w. durchgenommen.
Mit der Leitung der bacteriologischen Vorträge und Demon¬
strationen war, wie in den Vorjahren, der Stabsarzt Schill beauftragt
Nach eingehender geschichtlicher Entwickelung der Bacteriologie unter
besonderer Würdigung des heutigen Standes der Wissenschaft sowie
nach Besprechung derjenigen Krankheiten, als deren Enstehnngsursacben
Mikroorganismen zur Zeit angenommen werden müssen, wurden die all¬
gemeinen Lebensbedingungen der verschiedenen Spaltpilze, ihre Fort¬
pflanzung, Nachweieung und Züchtung sowie deren Resistenz gegen
chemische thermische Einflüsse, die Bedingungen der Wachsthum«*
behinderung bezw. ihre Vernichtung und endlich dielmmunitätsfrage erörtert.
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Die Vorträge über Train dienst sowie der Unterricht im Reiten
wurden vom Lieutenant Maller des Train-Bataillons No. 12 in der
üblichen Weise abgehalten nnd erstreckten sich die ersten aaf Beurtheilung
and Wartung der Pferde, Stalldienst, Hufbeschlag unter Berücksichtigung
der besonderen anatomischen Verhältnisse, Beschreibung des Reitzeuges
und Geschirrs, Pferde-Krankheiten und den Traindienst bei der mobilen
Armee. Der Reitunterricht wurde in 48 (bezw. 47) Stunden an je 10
Theilnehmer ertheilt. Das angestrebte Ziel, ein Pferd in allen Gangarten
mit Sicherheit und richtigem Tempo zu reiten, wurde von fast allen
Theilnehmern in durchaus zufriedenstellender Weise erreicht.
Der Bericht kann nicht ohne den Ausdruck des ehrerbietigsten
Dankes an das Königliche Kriegsministerium geschlossen werden, welches
von Neuem dem Fortbildungs-Cursus reichliche Mittel für die Anschaffung
weiteren Lehrmaterials gewährt hat.
Zar Casaistik der perforirenden Schädelschttsse.
(Nach einem in der Berliner militärärztlichen Gesellschaft gehaltenen Vortrag.)
Von Stabsarzt Dr. A. Koehler.
M. H.l Durch die Güte des Herrn Geheimraths v. Bergmann bin
ich in der Lage, Ihnen einen geheilten perforirenden Schädelschuss und
das Präparat einer schnell letal verlaufenen derartigen Verletzung zu
demonstriren.
An dem geheilten Patienten sehen und fühlen Sie von seiner ge¬
fährlichen Verletzung nichts mehr, als an der rechten Stirnseite die kaum
linsengrosse, nicht empfindliche, nicht pulsirende, ganz wenig eingezogene
Narbe, welche noch mit einem kleinen Schorfe bedeckt ist. Weder an
den Augen, nodh sonst im Gesicht und an den Extremitäten sind motorische
oder sensible Storungen aufzufinden. Die Sprache ist normal, der Gang
ist sicher, fest, nicht schwankend.
Der Patient, 17 Jahre alt, hat sich vor drei Wochen mit einem
Teschin (wie er angiebt, 6mm-Caliber) die Verletzung beigebracht. In
der Königlichen Universitätsklinik ist ca. 10 Minuten später nach Rasiren,
Reinigen und Desinficiren die Schussoffnung, ohne dass nach Kugel oder
Knochensplittern gesucht wäre, mit einem Sublimatgazeverband bedeckt
und ist unter demselben p. pr., ohne locale oder allgemeine Reaction,
ohne Eiterung verheilt. Patient war eigentlich nur die vier ersten Tage
krank; er klagte über Kopfschmerz, war benommen, schlief viel und
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hatte deutliche Pulsverlangsamung (50 bis 60 pro Minute), dagegen
fehlten: Bewusstlosigkeit, Erbrechen, Blutung aus Nase oder Ohr, Sugil-
lationen an Lidern und Conj. bulbi. Ebenso fehlte jede Spur lähmungs-
oder krampfartiger Zustande. Pulsverlangsamung und Schlafsucht bestanden
nur vier Tage; seitdem hat Patient gar keine Beschwerden mehr; seit
ca. acht Tagen ist er ausser Bett, geht den ganzen Tag umher und wird
in nächster Zeit entlassen werden.
Der Fall ist in mehrfacher Beziehung interessant; erstens als Bei¬
spiel der Heilung eines Schusscanals p. pr. unter dem feuchten aseptischen
Blutschorf, auch ohne Entfernung der Kugel, und zweitens als neuer
Beweis für die Toleranz der Stirnlappen. Eine Läsion im Bereiche der¬
selben (rechterseits) müssen wir, auch ohne dass sie direct oder durch
Sondenunter8nchung nachgewiesen wäre, annehmen. Die Stelle der
Schussöffnung, die vier Tage anhaltende Benommenheit mit Pulsver¬
langsamung sprechen dafür. Sie kann durch die Kugel selbst, durch
abgesprengte Stücke der Tabula vitrea, oder durch einen comprimirenden
Bluterguss oder durch mehrere dieser Ursachen zugleich bedingt sein.
Es ist ja bekannt, dass an den Vorderlappen grosse durch Trauma oder
durch das Wachsthum eines Tumors bedingte Defecte ohne Hirner¬
scheinungen verlaufen können. Von anderer Seite wird wieder berichtet,
die betreffenden Patienten hätten an Gedächtnissschwäche, Abnahme der
Intelligenz gelitten; seien theilnahmlos bis zur Stupidität, unsicher in
ihren Bewegungen geworden. So waren diese Erscheinungen in einem
Falle von Durante in Rom (Ret in Lancet 30. I. 86) mit der Ent¬
wickelung des schliesslich apfelgrossen Tumors im linken Vorderlappen
aufgetreten und waren nach der erfolgreichen Exstirpation desselben
wieder geschwunden. Meynert (W. m. W. 86. No. 13) und Munk ver-
muthen in den Vorderlappen die Centren für die Muskulatur des Stammes,
welche die Wirbelsäule fixirt, die Haltung des Rumpfes auf den unteren
Gliedmaassen und so die Möglichkeit des aufrechten Ganges bewirkt.
Jedenfalls müssen über diese Verhältnisse und darüber, ob zwischen rechts
und links dabei Unterschiede bestehen, noch weitere klinische Erfahrungen
gesammelt werden. Unser Patient zeigt nichts von alledem; weder
psychische noch motorische Defecte sind an ihm zu entdecken. Es ist
natürlich, dass wir auch in diesem Falle, wie bei allen Schädel Verletzungen,
mit der Prognose trotz des günstigen Verlaufes vorsichtig sind. Es
können noch nach langer Zeit bedenkliche Erscheinungen auftreten
(Parö’s 100 Tage); wir müssen auch die Möglichkeit zugeben, dass das
zurückgebliebene Geschoss durch Lageveränderungen oder aus anderen
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Ursachen gefährlich werden kann, wenn hier nicht die höchst seltene
definitive Einheilnng und Abkapselung einer Kugel im Schädel (vergl.
v. Bergmann, Lehre von den Kopfverletzungen S. 185, Bardeleben,
Bandbuch S. 75) stattgefunden hat
Im Anschluss an diesen geheilten Fall besprechen wir das sehr
interessante Präparat eines Doppelschädelschusses.
Wir fanden während des letzten von Herrn Geheimrath v. Berg¬
mann geleiteten Operationscurses eines Morgens unter den aufgelegten
Cadavern .den eines unbekannten (nicht mit Erkennungszettel versehenen)
erwachsenen (anscheinend 30 bis 40 Jahre alten) Mannes mit hoch¬
gradigen rhachitischen Verbiegungen und Verkrümmungen namentlich an
den unteren Extremitäten.
Auf eine ausführliche Darstellung aller vorhandenen rhachitischen
Veränderungen mochte ich hier wegen der Kürze der Zeit nicht ein-
gehen; ich mochte nur hervorheben, dass in diesem Falle der Anfang
der Krankheit nicht im ersten Lebensjahre, sondern erst später stattge-
fnnden haben kann, als das betreffende Individuum schon umherlief. Man
konnte das aus den fast monströsen Krümmungen der Beine schliessen,
während die Wirbelsäule nicht so hochgradig verbogen und der Schädel
ungefähr das Gegentheil von Craniotabes oder Pergamentschädel war,
wie Sife gleich sehen werden. Was uns noch mehr als diese Veränderung
interessirte, waren zwei Schussoffnungen am Kopf; eine kleinere an der
rechten Schläfe, eine grossere, in deren Grunde diese erste Kugel lag,
dicht oberhalb der Nasenwurzel. Die erstere als Eingangs-, die letztere
als Ausgangsoffnung anzunehmen ging nicht an; denn das beinahe trichter¬
förmige Loch im Proc. nasal, war ebenfalls im Grunde und nächster Um¬
gebung verbrannt und geschwärzt (ohne die Scrzka 1 sehen Platzwunden
der Haut). Es mussten deshalb zwei Schüsse angenommen und noch
eine zweite 'Kugel gefunden werden. Der Schädel wurde von seinen
Weichtheildecken entblosst und dicht oberhalb der ziemlich in einer
Horizontalen liegenden Schussoffnung durchsägt. Das war sehr schwierig;
die Säge arbeitete stellenweise so tief, dass sie mitten durchs Gehirn zu
gehen schien, und dennoch sass das Dach unverrückbar fest. Endlich
konnte es abgenommen werden und zeigte nur diese auffallend unregel¬
mässige Verdickung der Basis, des Stirn- und Hinterhauptbeins; weniger
au den den Epiphysen entsprechenden Randpartien der Scbädelknochen
und in der Gegend der sehr erweiterten Nähte und Fontanellen; stellen¬
weise hatte die Dicke der Knochen nicht zu- sondern, abgenommen, so
dass man l*/i Zoll dicke und dünne durchsichtige Partien nebeneinander
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sieht. Der eine Schass hatte die dickste, der andere fast die dünnste Stelle
des Schädels getroffen; der erstere perforirte nicht; ein Sinas frontal,
war gar nicht vorhanden. Die Kagel war hier in die weiche, die
Spongiosa vertretende osteoide Masse wie in eine Matratze eingeschlagen
ohne jede Spar von Fissuren in der Umgebung oder an der Tabula
vitrea. Der Schass in der Schlafengegend hatte perforirt, hatte ein kegel¬
förmiges Stück (Basis innen) heraas- oder vielmehr hineingeschlagen
(das Stück fand eich in der Nahe der Oeffnung in zertrümmerter Hirn-
subst&nz), war durch den rechten Seitenventrikel, durch das Foram.
Monroi in den linken Seitenventrikel hinein zu verfolgen, and hier lag
diese zweite Kagel im Unterhirn. Das Gehirn ist infolge eines Versehens
nicht aufgehoben; es war aber durch den Schuss und durch unsere Sage-
versuche so derangirt, dass jetzt doch nicht viel mehr daran zu demon-
striren sein würde. Die rechte Mening. med. war an ihrer Theilungs-
stelle zerrissen; es fand sich aber kein Blut zwischen Schädel und Dura,
sondern inter- und intra-meningeal; die Hirnfurchen rechterseits waren
in allen Verzweigungen wie mit Blut ausgegossen. Die Bulbi wurden
mit den Opticusstümpfen exstirpirt; es zeigte sich (ohne Fissur am Or¬
bitaldach oder an der Decke des Canal, opt) die rechte Sehnervenscheide
durch Blut ausgedehnt.
Anamnestische Bemühungen hatten nur ein sehr dürftiges Resultat;
der Mann war bewusstlos, moribund im Krankenbause am Friediichs-
hain eingeliefert und nach einigen Stunden gestorben. Mehr war nicht
zu eruiren; er war nicht recognoscirt, folglich blieb auch sein näheres
wie früheres Vorleben dunkel.
Das Präparat kann man wohl als Unicum bezeichnen; es ist wichtig:
erstens durch die hochgradigen Veränderungen an den Knochen des
Schädels durch die Form und Grosse desselben (der normal entwickelte
Gesichtstheil hängt wie ein kleiner Processus daran). Der Umfang des
Schädels (dicht über dem Margo supraorb. horizontal gemessen, eine
Protub. occip. ext. existirt nicht) beträgt 61 cm, der sagittale Durchmesser
20Vicm, der grösste Breitendurchmesser (hier am hinteren Theile der
stark verdickten Stirnbeine) 16 Vs cm.*) Auffallend ist die Asymmetrie
an Schädel- und Gesichtsknochen. Die vordere Schädelhälfte ist rechts
sehr viel stärker als links; am Hinterhaupttheil ist das Verhältnis um¬
gekehrt. Die linke Schläfenbeinschuppe, das linke Jochbein, sogar der
*) An einem Schädel von gewöhnlicher Grösse betrugen diese Maasse: Um¬
fang 51cm, sagittaJer Durchmesser 18 cm, grösster Breitendurchmesser 14^/2cm. (Die
beiden letzten nach He nie 17 und 14 cm.)
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horizontale Ast der linken Unterkieferhälfte sind fast kolbig verdickt,
fiel stärker entwickelt als rechts. (Locale Hyperostose, Leontiasis ossea,
Virchow.) Die vordere Oeffnnng der linken Augenhöhle ist qneroval,
die der rechten fast rund. Trotz der enormen Grosse des Schädels ist
die Schädelhohle, wegen der Verdickung der Wände anscheinend nicht
grösser als die eines normalen Schädels, der ungefähr halb so gross ist.
Eine genauere Ermittelung der Capacität und des Gewichtes soll erst
vorgenommen werden, wenn der Schädel macerirt ist; es hängen jetzt
noch zu viele mit Scheere und Pincette nicht oder nur sehr schwer zu
eotfernende Periost- und andere Weichtheile daran. Zweitens ist das
Präparat für den Chirurgen interessant; eine bei rapide zunehmenden
Himdruckerscheinungen oder aus anderen Ursachen nothwendige Trepa¬
nation wurde hier mit den grössten Schwierigkeiten verbunden und wegen
der Beschaffenheit der Blutung (das Blut lag in den Ventrikeln und in
den Forchen der Oberfläche) auch ohne Erfolg gewesen sein. Das Prä¬
parat zeigt ferner, wie unnütz bei solchen und ähnlichen Fällen das
Sondiren nach der Kugel, das Suchen nach Knochensplittern ist, welche
nicht ganz nahe der Oeffnung liegen. Ophthalmologisch interessant ist
das Präparat wegen des Blutergusses in die Sehnervenscheide, der hier
aus dem subduralen Raum stammen musste. Unter welchen Bedingungen
ein derartiger Befund sich zu Lebzeiten durch Anämie des Augenhinter-
grundes oder durch venöse Stauung, oder endlich durch die trübe
Schwellung der Papille, die sog. Stauungspapille, zu erkennen jgiebt, ist
noch nicht festgestellt — auch in diesem Falle war eine genauere Unter¬
suchung intra vitam nicht möglich.
Endlich hat das Präparat noch hervorragendes forensisches Interesse.
Dass es sich nicht um Mord, sondern um Selbstmord handelt, können
wir hier als sicher annehmen — denn sonst würde die Section gericht¬
lieh und der Fall für uns verloren gewesen sein. Bei einem Selbstmord
ist aber der Befund zweier Schädelschüsse immer eine Seltenheit; wo
man sie fand, waren beide fast immer nahe bei einander, wie z. B. in
dem von Naegeli (Vierteljahresschrift f. ger. Med. Bd. 41) berichteten
Falle, und nicht, wie hier, der eine dicht über der Nasenwurzel, also in
der Mittellinie, und der andere in der Schläfengegend. Freilich müssen
wir den letzteren als den zweiten und den Stirnschuss als den ersten an-
oehmen, darüber kann kein Zweifel sein. Der Schläfenschuss war ab¬
solut todtlich, der Stirnschuss hat vielleicht, bei der Beschaffenheit des
Knochens an dieser Stelle, wenig Eindruck auf den Selbstmörder ge¬
macht; er blieb bei Bewusstsein und im Stande, den zweiten Schuss auf
20
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sich abzageben; Huguenin kennt eine ganze Reibe von Schädelschüsseo
ohne Bewusstseinsstörung — der vorhin vorgestellte junge Mann ist ein
weiteres Beispiel dafür.
Dass wir bei diesen Selbstmordversuchen so selten total perforirende
Schüsse, viel häufiger nur eine Eingangsöffnung sehen, ja oft die Kugel
zwischen Haut und Schädel flach und breitgedruckt wie einen Knopf
finden, werden wir nicht, wie Atkinson (Br. M. J. 23. 1. 86), darauf
zurück fahren, dass das Geschoss erst in einiger Entfernung von der
Waffe seine volle Flugkraft bekommt. Es liegt wohl näher, dafür die
geringe Percussionskraft der bei solchen Gelegenheiten am häufigsten
verwendeten Terzerole, Revolver u. 8. w. verantwortlich zu machen.
Referate nnd Kritiken.
Au8 dem Sanitätsdienst in Tonking 1883—1885. Von Nimier,
Med. maj. 2. cl. Archives de medecine et de pharmacie militaires. 1886.
Heft 6., 7., 8.
Als Material zu einer Sanitätsgeschicbte des Feldzuges io Tonking
theilt Verf. seine Erfahrungen über die Verhältnisse mit, unter denen
sich dort der Sanitätsdienst vollzog und besonders über die erste Hülfe bei
Verwundungen. Beide Ziele verpflichteten unsere Zeitschrift, die Arbeit
eingehend zu referiren, abgesehen davon, dass dieselbe auch sonst, namentlich
casuistisch, des Interessanten die Fülle bietet.
I. Bedingungen, mit denen der Sanitätsdienst zu rechnen hatte.
1. Bewaffnung der Gegner. Die Bewaffnung der chinesischen
Regulären bestand zu ca. 95% aus modernen Hinterladern, unter denen
die Systeme Remington, Peabody, Martini-Henry, Mauser,
Snider, Winchester und Winchester-Repetir vertreten waren.
Auch Wallbüchsen von 2—3 m Länge und 15-—20 mm Caliber kamen
zur Verwendung. Die Projectile waren fast ausnahmslos cylindro-ogivaL,
von 10,5—13,5 mm C. Nur bei Lang-Son wurden häufiger Verwundungen
durch ein Winchester-Carabiner-Geschoss von 8 mm C. beobachtet, und
der günstige Verlauf der Wanden hat wieder gezeigt, wie sehr im In¬
teresse berechtigter Humanität eine Reduction des Geschosscalibers ca
wünschen ist.*) Die Deformation der Geschosse war, selbst bei reinen
Weichtheilschüssen durchgängig bemerkbar, oft beträchtlich. Das Feuer
der Chinesen war meist verschwenderisch. Verf. meint, dass der Satf,
nach welchem im Kriege der Tod eines Mannes das Gewicht desselben
an Blei erfordere, für diesen Feldzug noch unter der Wirklichkeit bleibe,
auch wenn man das von französischer Seite verschossene Blei mitrecbne.
Von ihrer Artillerie wussten die Chinesen nicht viel Gebrauch zu machen.
Der Effect ihrer Vavasseur- und Krupp-Geschütze war gleich Null; auch
*) Ein Wunsch, der nicht ohne Aussicht auf Erfüllung sein dürfte, weil er mit
dem militärischen Interesse der Vermehrung der Patronenzahl ohne stärkere Be¬
lastung des Mannes zusammentrifft. Vgl. D. militärärzt). Zeitschr. 1885. S. 243.
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— 289 —
tod den Nordenfeit-Mitrailleusen, welche in Bac-Ninh and L&ng-Son ge¬
funden wurden, wurden keine Verwundungen beobachtet. Alte Vorder-
lad-Kanonen, aus denen eiserne Vollkugeln von 4—10 cm C. gefeuert
wurden, verursachten bei Sontay einige Verluste.
Von blanken Waffen waren Lanzen und Bajonette in Gebrauch;
ausserdem ein kurzer, schwerer, sehr scharfer Säbel, den die Franzosen
nach seinem häufigsten Gebrauch Coupe-cou tauften. Verwundete, welche
den'Chinesen in die Hände fielen, wurden massacrirt. Besonders beliebt
war das Kopfabschneiden, da der Franzosenkopf bezahlt wurde. Verf.
nimmt an, dass etwa 96 seiner Landsleute so umgekommen sind. Bei
der Belagerung von Tuyen-Quan machten die Chinesen auch von Minen
Gebrauch, und nicht ohne Erfolg. Endlich kamen bei der Verteidigung
fester Plätze Bambuspallisaden, und als Weghindernisse versenkte Bambus¬
pfähle in Anwendung, deren eben zu Tage tretende äusserst harte, scharfe
Enden den Fussen der Marschirenden, besonders der barfussigen
tonkinesischen Tirailleurs gefährlich wurden.
2. Entfernung und Stellung der Kämpfenden in ihren Be¬
ziehungen zu den Verwundungen. Die meisten Schusswunden
kamen bei 200—400 m Entfernung vor, nur bei dem nicht seltenen Sturm
auf feste Stellungen wurden Nahschüsse häufiger beobachtet. Uebrigens
schossen die Chinesen fast immer aus verschanzten Stellungen, sowohl
stehend hinter Brustwehren als niedergekauert in Gräben, welche die
Forts verbanden. Die angreifenden Franzosen waren dem Feuer ganz
schutzlos aosgesetzt. Von 1709 Verwundungen entfielen 155 auf den
Kopf, 327 auf Hals und Rumpf, 535 auf die obere und 692 auf die
untere Extremität. Diese Gesammtzahl erhebt auf absolute Genauigkeit
keinen Anspruch; Verf. selbst hält sie für erheblich zu niedrig.
3. Sanitätspersonal und Material. Bis zum Februar 1884 be¬
fand sich der Sanitätsdienst in den Händen der Marineärzte. Als General
Millot das Commando übernahm, brachte er — ausser den zu seiner
Division gehörigen Truppenärzten — eine vollständige Ambalance unter
dem Commando des M6d. principal Driout mit. Doch blieb auch jetzt
noch und bis zu Ende der Kämpfe, d. h. bis Mai 1885, der Lazarethdienst
beim Marineressort Verf. lässt durchblicken, dass diese Zweitheilung
administrativ wie wissenschaftlich viele Schwierigkeiten im Gefolge hatte;
eine alte Erfahrung. —
Das Klima des tropischen Sumpf- und Berglandes, die Bodenbeschaffen¬
heit, der Mangel an Wegen und die Kampfes weise des Feindes stellten
an den Sanitätsdienst besondere Anforderungen. Jeder Truppentheil
wurde von seinem Arzt und den etatsmässigen Truppenkrankenträgern
begleitet, denen Tragen und das vorschriftsmässige Sanitätsmaterial zu
Gebote standen. Ausserdem befand sich bei jedem Regiment eine
Anzahl Culis als Träger. Vor dem Marsch wurden die Schwächlichen
ausgesucht und zuruckgelassen; sie bildeten die Besatzung der Etappen-
punkte. Im Gefecht errichteten die Truppenärzte die vorgeschriebenen
Verbandplätze. Nicht selten zwangen jedoch die Verhältnisse, hiervon
abzustehen, die Verwundeten in der Feuerlinie zu verbinden und direct
an die Ambalance zu senden. Letztere etablirte gewöhnlich ihre beiden
Sectionen getrennt. Eine vorgeschobene Section wurde neben der
Artillerie aufgestellt, nahm hier zunächst Verwundete auf und beförderte
sie dann weiter. Dies war zulässig, weil man mit der Artillerie des
Feindes nicht zu rechnen hatte, und praktisch, weil dieser Platz auch
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— 290 —
bei ausgedehnter Gefechtslinie von den Krankenträgern leicht gefunden
wurde. Die 2. Section lag als Gros weiter zurück. Hier wurden typische
Verbände und etwaige Operationen gemacht und die Verwundeten bis
zu ihrem weiteren Rücktransport gepflegt.
4. Verwundetentransport. Wo die französischen Krankenträger
nicht ausreichten, mussten für den ersten Transport annamitische Calis
eintreten. Da dieselben aber zu schwach waren, die Tragen in den
Fäusten fortzubrtngen, so hängten sie, nach Landessitte, die Trage an
einem Bambus auf, den vorn und hinten je zwei Culis auf ihren Schultern
trugen. Für diese Art der Fortschaffung eigneten sich die Hängematten
der Marine besser als die Armeetragen. Jene bestanden aus einem festen
Rahmen, mit Segeltuch überspannt und mit ebensolchen Seitentheilen,
so dass der Kranke vor dem Herausfallen geschützt war. Uebrigens
construirte man auch in der Armee unter dem Zwange der Verhältnisse
bald leichtere Tragen aus 2 Bambusstangen, zwischen denen Zeltleine¬
wand ausgespannt wurde [also nach Art der deutschen Marinetrage].
Diese Transportart entsprach dem Bedürfniss und wurde auf weiten
Strecken benutzt, wenn es gelang, die Culis am Davonlaufen zu hindern
und zu strammem Marschiren anzutreiben, was nicht leicht war. — Bei
den Chinesen war jeder Combattant von 2 Dienern begleitet, wie der
Ritter von seinen Knappen. Wurde der Krieger verwundet, so steckten
ihm die beiden einen langen Bambus durch den Gürtel, befestigten
Hände und Füsse des Verwundeten an der Stange und trugen ihn so
aus dem Gefechtsbereich. So auch mit den Todten. Aus diesem Grunde
wurden selbst nach heissen Gefechten nur sehr wenig Todte, noch seltener
Blessirte des Feindes gefunden.
Vom Wassertransport auf Hanoi und Hai-Phong wurde bei dem
sehr entwickelten System der Wasserwege ein weitgehender Gebr&ach
gemacht. Meist benutzte man vorhandene Dschunken; doch nahmen
auch die Kanonenboote und Schaluppen der Kriegsflottille Verwundete
mit, oder dienten als Remorqueure. In einem Gefecht konnte sogar Verf.
seinen Verbandplatz an Bord eines Kanonenbootes errichten wie die
Oesterreicher in Bosnien 1882.*) Bei dem Dampfschiffstransport wurde
die schon 1870**) gemachte Erfahrung wieder bestätigt, dass die Er¬
schütterungen der kleinen Fahrzeuge durch die Schiffsschraube einzelnen
Verwundeten unerträglich wurden und zur Ausschiffung derselben
zwangen. Die Dschunken boten Platz für 2—25 und mehr Kranke.
Wo man sie besonders herrichten konnte, wurden sie mit einem Fass¬
boden versehen und die Leute auf diesem senkrecht zum Kiel gelagert.
5. Art der Verwundungen. Die Gewehrschusswunden boten nichts,
was diesem Feldzuge eigenthümlich gewesen wäre. Von Wunden durch
grobes Geschoss werden aus 1883 5 Fälle auf 626 Verwundungen, aus
1884 1 Fall und aus 1885 6 auf ca. 1100 mitgetheilt, im Ganzen 0,65%.
Hinsichtlich der Casuistik wird auf das Original verwiesen; die Fälle
sind dort kurz referirt, jedoch meist vom Verf. nicht zu Ende beobachtet.
Eine eigentümliche Reihe von Verletzungen entstand durch Splitter
der eisernen Schutzdächer (Paraballes), welche man auf den Kanonen¬
booten zum Schutze der vom Deck feuernden Matrosen errichtet hatte.
Das auf den Schirm aufschlagende Geschoss erzeugte am Treffpunkt
*) Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1885. S. 445.
**) Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1883. S. 555.
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291
eine Depression, an der inneren Seite einen Vorsprang, von welchem
doreh die Gewalt des Aufschlages kleine Metalltheilchen losgesprengt
wurden. Die hierdurch veranlassten Wunden blieben mit Ausnahme
zweier Falle auf die Haut beschränkt.
Von Wunden durch blanke Waffen theilt Verf. 9 Fälle mit, unter
denen eine Eröffnung des Spinalcanals in der Gegend des 6. Brustwirbels
durch Säbelhieb, mit nachfolgender Paraplegie und tödtlichem Ausgange
Erwähnung verdient.
Durch die früher erwähnten versenkten Bambuspfähle wurden oft
Riss- und Stichverletzungen an den Fussen verursacht; schwer genug,
nm die Marschfähigkeit für einige Zeit aufzuheben. In einem Falle drang
ein solcher Splitter zwischen Schien- und Wadenbein bis zur Wade durch,
die Fibula fracturirend. Auch Nates und Dammgegend waren in dieser
Weise oft gefährdet, wenn die Leute sich unvorsichtig niederwarfen, um
auszuruben. Einem Araber durchbohrte bei solcher Gelegenheit der
Bambus Perinaeum und Blase; der Mann behielt eine Urinfistel.
Durch Explosion von Pulvervorräthen und Minen wurde eine Anzahl
von Verbrennungen hervorgebracht, die hier und da durch ihre Ausdehnung
gefährlich wurden. Bemerkenswerther waren Erscheinungen von all¬
gemeiner Commotion, welche bei Leuten auftraten, die in die Höhe
geschleudert waren. Ausser dem Verlust des Bewusstseins und verschiedenen
Lähmungssymptomen fielen constant Schmerzen in der Nierengegend auf,
welche Verf. auf die Distorsion der Wirbelsäule bei dem urplötzlichen
Auffliegen bezieht. Die Casuistik ist hier besonders wichtig und interessant.
6. Statistisches. Von 1883—1885 wurden nach Tonking, Annam
und Formosa gesandt: 6877 Mann Marine-Infanterie und Artillerie;
31 950 Mann von der Armee incl. Offiziere. In Tonking belief sich die
Verpfiegungsstärke im April 1885 auf rund 21 000 Mann; ausserdem waren
5517 Mann eingeborener Truppen vorhanden. Die Verluste in 33 ver¬
schiedenen Gefechten werden auf 1592 Mann berechnet, darunter 495 Todte.
Hinsichtlich der Vertheilung der Verwundungen auf die verschiedenen
Körpergegenden vergl. S. 289. Wissenschaftlich verwerthbare Genauigkeit
wohnt keiner der mitgetheilten Zahlen bei.
II. Kriegschirurgi8che8.
1. Erster Verband. Die Truppen waren nicht mit Verbandpäckchen
versehen. Dennoch haben die Verhältnisse des Feldzuges Gelegenheit ge¬
geben, die von Delorme*) gegen dasselbe geltend gemachten Grunde an
den beobachteten Verwundungsfällen und ihren Nebenumständen zu prüfen.
Verf. hält sich durch diese seine Erfahrung zu dem Schlüsse berechtigt,
dass das Verbandpäckchen in der Hand des Verwundeten ebenso über¬
flüssig ist, wie in der des Krankenträgers. Die Soldaten waren, abgesehen
von ihrer Kleidung und Bewaffnung, mit dem Tornister, einer Zeltbahn,
Lebensmitteln und 120 Patronen belastet. Unter solchen Umständen, ohne
sich zu entkleiden, nach dem Packet zu suchen, ist überall schwierig,
wie viel mehr im feindlichen Feuer! Hat aber ausserdem, wie in Ton¬
king, der Verwundete die gegründetste Anwartschaft, seinen Hals ab¬
geschnitten zu sehen, wenn er in feindliche Hände fällt, so liegt ihm die
Sorge seiner Entfernung uni jeden Preis näher als die, sich zu verbinden.
Ist er an den oberen Gliedmaassen verletzt, so wird er das Packet entweder
*) Deutsche militärarztliche Zeitschrift 1885. S. 45 u. 399.
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292
aus der Tasche oder gar aus dem Rockfatter nicht hervorholen können
und, wenn ihm dies gelingt, es mit einer Hand anzulegen nicht im Stande
sein. Bei Kopfwanden — aach ohne Bewusstlosigkeit etc. — kann die
Selbstanlegung keine genaue sein, da der Verwundete die Wunde nicht
sehen kann. Dasselbe gilt für die seichteren Schusswunden am Rücken,
abgesehen davon, dass für diese, wie für Fleischschüsse an der Vorder¬
seite des Stammes die Entkleidung eine nothwendige Vorbedingung des
Verbandes ist, die der Verwundete wiederum nicht selbst erfüllen kann.
Für penetrirende Wunden dürfte auch der eifrigste Vertheidiger des
Päckchens ein Selbsteingreifen des Verwundeten nicht für möglich oder
angezeigt erachten. Bei den unteren Gliedmaassen wird die Streifung
eines Knochens genügen, um dem Verwundeten die Lust zu Verband¬
versuchen zu benehmen, auch hier würde ausserdem die Vorbedingung
der Entkleidung die Ausführbarkeit des Unternehmens in Frage stellen.
Nun der Krankenträger. Er würde das Päckchen benutzen können.
Aber man vergegenwärtige sich die Lage dieser Leute im Feuer, um
einzusehen, dass sie weder die erforderliche Ruhe, noch die Zeit haben,
an Ort und Stelle an etwas anderes zu denken, als den Verwundeten
aufzuheben und schleunigst mit ihm zurückzugehen. Endlich aber: Die
wesentlichste Forderung der Antiseptik ist die Sauberkeit; würde diese
mit dem Päckchen je zu erreichen sein, wenn man erwägt, welche
Beschaffenheit dasselbe nach allen bisherigen Erfahrungen im Kriege bald
annimmt, welche Hände dasselbe verwenden und unter welchen Umstanden
es gebraucht werden würde? Nach alledem tritt Verf. dafür ein, die
Sanitätswagen, namentlich die der Trappen, recht vollständig mit Ver¬
banden auszurüsten, um den Aerzten die ihnen allein zukommende Ver-
bandthätigkeit möglichst zu erleichtern. Ein Verzug von einigen Stunden,
wie er nach Verletzungen im Frieden ganz gewöhnlich ist, hat an sich
noch nie die Infection einer Wunde herbeigeführt; innerhalb 12 Stunden
aber waren in Tonking nach allen Gefechten die Verwundeten regelrecht
verbunden. Hiermit sind die Ausführungen des Verfs. noch nicht er¬
schöpft, der Raum verbietet aber, näher auf sie einzugehen. Nur
das sei noch betont, dass Verf. seine Grundsätze auch in europäischen
Kriegen für durchführbar hält, da dort gegenüber der viel grösseren
Anzahl von Verwundeten auch ein viel grosseres Personal an Aerzten
und ad hoc geschulten Lazarethgehülfen zur Verfügung steht. Natürlich
fordert Verf. ein vollständig vorbereitetes antiseptisches Verbandmaterial,
welches er, nach Verbänden geordnet, in einem grösseren und einem
kleineren Muster zur Hand zu haben wünscht.
2. 3. Verfahren in der Ambulanz. Gewöhnlich trafen die Ver¬
wundeten ohne oder mit einem provisorischen Carbolcharpie- bezw. Carbol-
watteverband bei der Ambulanz ein. Einige Male, wo es die Zeit
gestattete, hatten auch schon die Truppenärzte definitive antiseptische
Verbände angelegt, deren Wechsel weder in der Ambulanz noch wahrend
des folgenden Transportes erforderlich wurde. Als oberster Grundsatz
für das ärztliche Handeln war vom Chefarzt Driout die weitgehendste
Anwendung des conservativen Princips anempfohlen worden — gerade
das, was Herr Audet auf dem ersten französischen Chirurgencongress 1885
mit lächerlichem Chauvinismus als die „methode allemande“ zu verurtheilen
für gut befunden hat.*) In Folge der Directiven Driout’s basirte die
*) Archives de m6d. et de pharm, milit Bd. V. S. 354. Deutsche milit&rarztl.
Zeitschr. 1885. S. 398.
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293
Beartbeiluiig der Verletzungen auf der anatomischen Kenntniss des
getroffenen Theiles, auf den sensiblen und motorischen Störungen und
den Erfahrungen der Aerzte. Die Exploration der Wunden war streng
Terboten. So kam es wohl vor, dass man hin und wieder eine noth-
wendige Operation nicht ausführte; sicher aber wurden unnütze Eingriffe
Termiedeo und Complicationen ausgeschlossen, die man als die Folge von
Explorationen furchten gelernt hat.
War die Erhaltung des verwundeten Eörpertheiles beschlossen, so
wurde nach Blosslegung der Wunde die Umgebung derselben weithin auf
das sorgfältigste gereinigt und bei dieser Gelegenheit jeder Fremdkörper
entfernt, der sich sichtbar präsentirte. Hiermit verband man eine vor¬
läufige Durchspülung des Wundcanales mit 2,5 procentiger Carbollösung.
Es folgte dann die Bedeckung der Wunde mit vorräthiger*) Listergaze und
darüber mit Charpie, welche man vor dem Gebrauch mit Carbol tränkte.
Hierüber wurde der Körpertheil mit einer weit umfassenden Lage Wund¬
watte eingehüllt und diese mit einer Binde befestigt. Nun erst folgten
etwaige immobilisirende Verbände. Zu letzteren dienten vorzüglich Draht¬
schienen; doch halfen sich die französischen Aerzte vielfach mitBambus-
schienen, auch boten die rinnen förmigen untern Enden der Blattstiele des
Pinang (Areca catechu) vortreffliche elastische Laden dar, welche das
hineingelagerte Glied sehr gut umschlossen. Auch Rohr und Reisig kam
zur Herstellung von Schienen etc. zur Verwendung, die unseren Stroh¬
schienen ähnlich gewesen sein mögen.
Die beschriebenen Verbände leisteten im Ganzen Genügendes, um
die Wunden bis zur Ankunft des Verwundeten im Lazareth vor Sepsis
zu bewahren. Wenn auch Septichämie selten blieb, so machte sich doch
die schnelle Durchfeuchtung der Verbände oft eben so störend geltend,
wie der Reiz, den die Listergaze und Charpie ausübten, wenn sie aus¬
getrocknet und indurirt waren. Dies ist verständlich, da die Verband-
ltgen nicht sehr dick waren und eine Verwendung undurchlässiger Stoffe
nicht stattgefunden zu haben scheint
4. Entfernung von Fremdkörpern und Splittern. Nach den
im Vorstehenden skizzirten Grundsätzen für das erste Handeln versteht
es sich, dass nach Fremdkörpern etc. primär nicht gesucht wurde. Man ent¬
fernte diejenigen Fremdkörper, welche man ohne Gewalt entfernen konnte;
auch nahm man Projectile heraus, die unter der Haut fühlbar waren.
Angesichts der Verfilzung der stets deformirten Geschosse mit den Ge¬
weben erwies es sich als vorteilhafter, das Projectil nach dem Haut¬
schnitt mit der Spitze des Bistouri aus seinen Verbindungen zu lösen, als es
drehend und ziehend unter grossen Beschwerden für den Patienten her-
auaznbefördern.
Auch im Hospital beeilte man sich nicht mit Extractionsversuchen.
Man überlegte, dass die Anwesenheit eines Projectils die Schwere einer
Verletzung an sich nicht nennenswerth erhöht und dass andererseits bei
schon ungünstigem Verlauf die Extraction keine bedeutende Besserung
in der Prognose herbeizuführen im Stande ist. Mehrere Beispiele aus
des Verfs. Casuistik belegen die Richtigkeit dieses Grundsatzes. Was end¬
lich die wichtige und seit langer Zeit von den verschiedensten Gesichts-
•) Die Arbeit enth< leider keine Andeutung über die wichtigen Fragen, wo¬
her diese Gaze stammte und wie lange sie unter dem tropischen Klima ihren Car-
bolgehalt feethielt.
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294
punkten ans beleuchtete Frage der Splitterextraction betrifft, so wurde
auch hier das Nicht - Interventionsprincip befolgt. Man wartete im All¬
gemeinen ab, bis die Heilungsvorgange offenbart hatten, welche der vor¬
handenen Splitter wieder angewachsen, welche necrotisirt wären. Ein
endgültiges Urtheil über die Berechtigung dieses Verfahrens ist jedoch
nicht gewonnen worden. Das wird erst möglich sein, wenn eine Ueber-
sicht über die Heilungs- bezw. Sterblichkeitsziffer der insgesammt be¬
obachteten Schussfracturen vorliegt
5. Operationen, ln der Zeit, wo der Sanitätsdienst allein von
den Marineärzten wahrgenommen wurde, ist nicht nennenswerth primär
operirt worden. Es liegt das mit daran, dass die Verwundeten von des
Hauptgefechten sich in weniger als 24 Stunden nach der Verwundung
im Hospital zu Hanoi befanden. Letzteres sowohl, wie das zu Hai-Pbong
waren 1883 in den alten Kasernen etablirt, welche seit 1875 zum Aufent¬
halt der Marine - Infanterie gedient hatten. Hospitalbrand, Septichämie
und Pyämie horten in ihnen nicht auf. Erst M4d. princ. Driout schof
1884 in der Citadelle von Hanoi ein geräumiges Hospital, welches nach¬
her die erspriesslichsten Dienste leistete. Auch in den Jahren 1884 und
1885 ist indessen nicht viel primär operirt worden, in Oemässheit der
früher besprochenen Directiven zu möglichst conservativem Verhalten.
Die vom Verf. mitgetheilten Operationsfälle gliedern sich folgendermaassen:
a. Auf dem Schlachtfelde
*
72
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gestorben
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Gangrän
acute
Anämie
nicht
bezeichnet
Exartic. humeri
1
■
B
II
■
■
■
Amput. hum.
1
2
B
B
Exartic. cubiti
_
B
■
1
1
Am put. antibrach.
—
11
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I
II
1
A. et E. digitorum
2
B
B
B
1
II
Amput. femoris
1
B
21
B
b. Später (meist intermediär)
Exartic. hum.
B
B
1
B
2
B
■
Amput. hum.
2
9
—
■
2
Amput. antibr.
1
n
—
—
Amput. digit.
|
B
—
B
—
Amput. femoris
1
■1
6
2
Amput. cruri8
1
1
B
1*11
—
1
Amput. halucis
—
1
— 1
-
—
—
-
—
Eine nähere Betrachtung dieser Zahlen würde bei den aphoristischen
Angaben des Verfs. zwecklos bleiben.
Verf. hält sich nach seinen Mittheilungen nicht für berechtigt, allgemeine
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Schlüsse za ziehen. Erst wenn eine officielle Darstellung nach den
Berichten der Betheiligten, namentlich auch nach den Acten deijenigen
Lazarethe in Frankreich and Algier vorliegt, in denen sich vielfach die
Beendigung der Einzelfalle abspielte, — erst dann wird es möglich sein,
aas den gemachten Erfahrungen Nutzanwendungen za entnehmen. Be¬
merkenswerth erscheint dem Verf. der Umstand, dass in Tonking zam
ersten Male Sectionen der Verstorbenen ausgeführt worden sind. Die
Ergebnisse hieraus dürften werthvolle Beiträge zur Beantwortung einer
Reibe von kriegschirurgischen Fragen liefern, welche heut noch streitig
sind. Verf. hat hiermit vollkommen Recht, und es ist zu wünschen, dass
in dem officiellen Bericht diesen wissenschaftlichen Forderungen Rechnung
getragen werde.
Ni mi er’s Arbeit bietet trotz ihrer Lücken eine solche Summe von
interessanten Erfahrungen über wichtige Abschnitte des feldärztlichen
Dienstes, dass ihre Bedeutung auch bei uns nicht unterschätzt werden
wird. — . —
Bacteriologische Mittheilungen. (Aus dem Laboratorium der
L med. Klinik zu Berlin.) Von rrof. A. Fraenkel. (Hierzu 1 Tafel.)
Die interessante, fleissige Arbeit enthält Beobachtungen, welche Verf.
während der letzten beiden Jahre theils auf rein experimentellem Wege,
theils unter Mitbenutzung des Materials der genannten Klinik zu machen
Gelegenheit hatte.
Den Ausgangspunkt der Untersuchungen bildete die genuine croupöse
Pneumonie. Einiger der gewonnenen Resultate ist bereits auf dem
III. Gongress für innere Medicin Erwähnung geschehen. — Die vorlie¬
genden Mittheilungen bewegen sich hauptsächlich auf ätiologischem Ge¬
biet und erörtern die äusserst wichtige Frage nach den Beziehungen der
Pneumoniecoccen zu denjenigen Mikroben, welche sich „unter Umständen
bereits in der Mundhöhle gesunder Individuen finden“.
Im I. Abschnitt werden die Mikroben der vom Verf. sogenannten
„Sputumsepticämie“, im II. die Mikrococcen der Pneumonie und im III.
die Beziehungen beider Organismen-Arten zu einander abgehandelt. Den
beiden ersten Abschnitten ist eine historisch-kritische Uebersicht sämmt-
licber einschläglicher litterarischer Erzeugnisse voraasgeschickt.
Das Ergehniss der früheren und der in der Arbeit niedergelegten
Untersuchungen über die parasitäre Natur der Pneumonie lässt sich kurz
in Folgendem zusammenfassen:
Es giebt verschiedene wohl charakterisirte Spaltpilze, welche an¬
scheinend die Eigenschaft besitzen, bei ihrem Eindringen in das Gewebe
der menschlichen Lunge echte lobäre Pneumonie zu erzeugen. Von
diesen sind bisher zwei Arten aus dem entzündlichen Infiltrat isolirt:
1) Der Friedlaender’sche Coccus und 2) ein lanzettförmig gestalteter
Doppelcoccus, welcher zuweilen bereits in den oberen Respirationswegen
gesunder Menschen angetroffen wird (Sputumsepticämie-Coccus des Verfs.).
Wenn es dem Verf. einigemale gelungen ist, auch in Verdichtungs¬
herden in den Lungen Typhuskranker „in reichlichster Menge“ kleine
Bacillen, und zwar „zum Theil in herdförmiger Anordnung“ sowohl
innerhalb der Alveolen, wie in dem interstitiellen Lungengewebe aufzu-
finden (S. 439), so kann Ref. der Annahme, dass die Ursache der Spleni-
aation in diesen Fällen in der Ansiedelung der Typhusstäbchen in den
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atelectatisch gewordenen Langenp&rtien za suchen sei, nicht beitreten.
Denn erstens unterblieb die Identificirang dieser Stäbchen mit dem Typhus-
bacillas durch die Züchtung auf der Kartoffel; und ferner widerspricht
jene Annahme direct den Beobachtungen und experimentellen Feststellungen
von £. Fraenkel und Simmonds (die ätiologische Bedeutung des
Typhusbacillus), sowie denen des Ref. selbst —
Der Friedlaender’sche und A. Fraenkel’sche Coccus stellen zwei
durchaus verschiedene Species dar, sowohl hinsichtlich ihrer differenten
Wirkung auf die Versuchstiere, als auch besonders des makroskopischen
und mikroskopischen Verhaltens der Reinculturen.
Der Friedlaender’sche „Coccus“ —welcher des verhältnissmässig
reichlichen Vorkommens von verschieden grossen Stäbchen formen wegen
besser den Bacillen zugerechnet und daher statt „Pneumococcus“ richtiger
„Pneumobacillus“ genannt werden durfte — gedeiht bereits bei
Zimmertemperatur auf Gelatine und ist durch ein ausserordentlich ener¬
gisches Wachsthum ausgezeichnet. Im Gegensatz hierzu ist das Wachs¬
thum des zweiten Spaltpilzes ein verhältnissmässig kümmerliches. Es
findet in reger Weise nur bei erhöhter Temperatur statt, um selbst unter
diesen günstigen Lebensbedingungen bei längerer Berührung mit der Luft
gänzlich zu erlösehen. In den Reinculturen desselben werden aus¬
schliesslich nur ovaläre Doppelcoccen gefunden, niemals
stäbchenförmige Elemente.
Der Friedlaender’sche Mikrobe vermag Mäuse schon durch In¬
halation zu tödten, während der lanzettförmige Coccus nicht entfernt
eine derartige Virulenz besitzt. Es gelang dem Verf. niemals, durch In¬
halation einer Culturaufschwemmung eine schädliche Wirkung bei Kanin¬
chen, Meerschweinchen und Mäusen zu erzielen.
Nur in einer Beziehung herrscht Uebereinstimmung in ihren patho¬
genen Eigenschaften Thieren gegenüber: Es gelingt nicht, durch
Inoculation derselben mit Sicherheit eine der lobären fibri¬
nösen Pneumonie des Menschen entsprechende typische Ent¬
zündung zu erzeugen, selbst dann nicht, wenn das Virus
direct in die Lunge injicirt wird. —
Hinsichtlich des Häufigkeitsverhältnisses der beiden bisher bekannten
Mikroben zur Zahl der Pneumoniefälle lassen sich z. Z. noch keine be¬
stimmten Angaben machen. Doch ist Verf. geneigt, aus dem Umstande,
dass im Aus warf der Pneumoniker der mit dem lanzettförmigen Pneu-
moniecoccus identische Mikrobe der Sputumsepticämie so sehr viel öfter
gefunden wird, als in demjenigen Gesunder, den Schluss zu ziehen, dass
dieser Pilz der häufigere und gewöhnliche Erreger der Pneu¬
monie ist Hierfür spricht auch die Thatsache, dass ob bisher nicht
gelangen ist, den Friedlaender’schen Bacillus aus dem rostfarbenen
Auswurf direct zu isoliren.
Was schliesslich die Entstehungsweise der Pneumonie beim Menschen
betrifft, so befindet sich Ref. hinsichtlich einiger, besonders betonter all¬
gemeiner Gesichtspunkte mit dem Verf. im vollsten Einverständniss.
Ohne Weiteres ist zuzugeben, dass das die Lungenentzündung er¬
zeugende Virus sehr verschiedene Intensitätsgrade aufweist und in einigen
Fällen eine ganz besonders maligne Beschaffenheit besitzt. Unter solchen
Umständen mag vielleicht bisweilen, selbst bei geringer Disposition eines
Individuums, das blosse Eindringen des Krankheitserregers mit dem Luft¬
strom in die Luftwege bezw. die Lunge zur Entstehung der Entzündung
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geoogen. „Aber es wäre durchaus falsch, diesen so zu sagen einfachsten
Hergang für alle Fälle in Anspruch nehmen zu wollen/ 1 Selbst die
anfälligsten Beispiele streng localisirter Epidemien sind nicht im Stande,
die Thatsache aus dem Wege zu räumen, dass die genuine Pneumonie
in vielen, ja in den meisten Fällen in mehr sporadischer Verbreitung
aoftritt — immerhin noch ein gewisser Einfluss von Jahreszeit und
Temperatur auf die Zahl der Erkrankungen zugestanden — und dass
bestimmte Gelegenheitsursachen bei ihrer Entstehung wirksam sind.- Das
Pneumonievirus gehört eben, gleich den Eitermikroben, zu den ubiquitären
Krankheitsgiften, welche, obwohl sie unter besonders günstigen Umstän¬
den an bestimmten Localitäten sich zu einem ausnahmsweisen Grade von
Virulenz entwickeln können, doch im Grossen und Ganzen stets und
überall vorhanden sind. Unter den Gelegenheitsursachen nimmt,
nach der grössten Mehrzahl der Erfahrungen, Erkältung den
ersten Platz ein.
Wenn wir nun auch über die Art und Weise der Einwirkung der Ge-
legenheitsursacbe in den meisten Fällen noch im Unklaren sind, so wird
doch zugestanden werden müssen, dass die Pathogenese der Lungenent¬
zündung „sehr viel verständlicher durch den Nachweis wird, dass der sie
verursachende Spaltpilz zeitweise bereits in den Respirationswegen ganz
gesunder Menschen angetroffen wird a . — Pfuhl (Hamburg).
Anforderungen an ein gutes Trinkwasser. Gesundheits-
Ingenieur. 1886. No. 7.
Der 6. internationale pharmaceutische Congress zu Brüssel stellte
folgende Sätze über die Eigenschaften auf, welche ein gutes, den An-
fordernngen der Hygiene und Physiologie entsprechendes Trinkwasser
haben soll:
1) Das Wasser muss klar, durchsichtig, färb- und geruchlos, frei
von suspendirten Stoffen sein.
2) Es muss frisch sein und von angenehmem Geschmack; Temperatur
nicht über 15° C.
3) Es muss Luft und eine gewisse Menge Kohlensäure enthalten;
diese Luft muss reicher an Sauerstoff sein, als die gewöhnliche.
4) Es darf nicht mehr als 20 mg organische Substanzen im Liter
enthalten, als Oxalsäure berechnet.
5) Die stickstoffhaltigen organischen Stoffe, mit Kaliumpermanganat
oxydirt, dürfen nicht mehr als 0.1 mg Eiweissstickstoff im Liter liefern.
*6) Es darf nicht mehr als 0,5 mg Ammoniak im Liter enthalten sein.
7) Ein Liter Wasser darf nicht mehr als 0,5 mg Mineralsalze,
60 mg Schwefelsäureanhydrid, 8 mg Chlor, 2 mg Salpetersäureanhydrid,
200 mg Oxyde alcalischer Erden, 30 mg Silicium und 3 mg Eisen ent¬
halten. Das Trinkwasser darf weder Nitrite, noch Schwefelwasserstoff,
noch Sulfide, noch durch Schwefelwasserstoff oder Scbwefelammonium
fällbare Metallsalze enthalten; ausser Spuren von Eisen, Aluminium oder
Magnesium.
8) Das Wasser darf, in einem verschlossenen oder offenen Gefässe
aufbewahrt, keinen unangenehmen Geschmack annehmen.
9) Es darf keine Saprophyten, Leptotrix, Leptonuten, Hyphaeotrix
und andere weisse Algen, zahlreiche Infusorien und Bacterien enthalten.
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10) Die Zugabe von weissem Zocker darf darin keine Entwiekelong
von Pilzen hervorrufen.
11) Auf Gelatine cultivirt, darf das Wasser innerhalb 8 Tagen keine
die Gelatine verflüssigenden Bacteriencolonien prodnciren. — . —
Benjamin Westbrook (New York). Ueber die Anwendung des
Antipyrin8 bei Hitzschlag (Sunstroke). The New York medic. journ.
25. Juli 1885, S. 92.
Shattuck (Boston). Die Resultate des Antipyrin-Gebrauchs in dem Boston
City Hospital. The Boston medic. and surgic. journ. 23. Juli 1885.
S. 78.
Mag man Jacubasch’s Dreitheilung des Hitzschlages annehmen
oder nicht, jedenfalls wird man die hohe Temperatur des Blutes und
der Gewebe als das wesentliche Moment für die Pathologie der ein¬
schlägigen Erankheitsformen anerkennen müssen. Wie diese Hyperpyrexie
entstanden ist, ist offenbar erst eine Frage zweiter Ordnung. Ist aber
diese Prämisse richtig, so ist diejenige Methode der Behandlung die beste,
weiche die rascheste Abkühlung des Körpers herbeizuführen vermag.
Yon diesem Gesichtspunkte aus erscheinen daher Versuche mit den
neuen, die Temperatur prompt herabsetzenden Antipyreticis höchst rationell
und mit ihnen etwa erreichte Resultate sehr beachtenswerth.
Westb rook bat nun in 2 Fällen von schwerem, comatösem „Sunstroke*
die subcutane Darreichung von Antipyrin versucht Zwei Ein¬
spritzungen von ca. je 2 Gramm desselben in 50 procenti^er Losung und in
Zwischenräumen von */* Stunde applicirt, bewirkten einen Temperatur¬
abfall von 42,8° resp. 43,6° C. auf ca. 37° C. Nach Erzielung dieses
riesigen Abfalls wurden die bisher zur Unterstützung angewandten Eis-
uir schlage auf Kopf und Körper fortgelassen und durch warme trockene
Tücher ersetzt, sowie Reizmittel, Whiskey, subcutan gegeben. In beiden
Fällen erfolgte GeuesuDg, in einem derselben wurden wegen der noch
fortdauernden tetanischen Muskel-Zuckungen später ausserdem noch
2 gr Chloralhydrat per rectum verabreicht
Auch Shattuck hat in seinem Bericht über das Antipyrin im
Bostoner Hospital einen Fall von „Sunstroke* aufgeführt, in welchem
gleichfalls durch eine Dosis von 2 gr Antipyrin subcutan innerhalb
1 '/* Stunden ein Temperaturabfall von 42° C. auf 37° erreicht wurde
und Genesung eintrat.
So gering die Zahl dieser Fälle auch sein mag, so sehr fordern sie
zur Wiederholung der Versuche auf. Lühe, Demmin.
Dr. A. J. Skrebitzky. „Ueber Verbreitung und Intensität der
Erblindungen in Russland und die Vertheilung der Blinden
über die verschiedenen Gegenden des Reiches.* (Separatab¬
druck der St. Petersburger Medicinischen Wochenschrift No. 4. 1886.)
Der von Sk. auf dem I. Congress der russischen Aerzte im De-
cember 1885 gehaltene Vortrag stellt einen geradezu erschreckenden
socialen Nothstand in ein grelles Licht und ist ein lauter Mahnruf an
Aerzte und Behörden. In ärztlichen Kreisen Russlands war schon wieder¬
holt der ungewöhnlich hohe Procentsatz der Bevölkerung an Blinden
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anfgefallen; Sk. liess es sich deshalb angelegen sein, für die Benrtheilang
dieser Frage statistische Daten zu sammeln, und zwar wählte er als
genau controlirbares Actenmaterial die bezüglichen Ergebnisse bei der
Rekrutirung während der Jahre 1879—1883. Der Vorwurf, dass gerade
diese Zahlen für die Allgemeinheit der Bevölkerung einen zu ungünstigen
Ma&ssstab abgeben, weil sie auf Geschlecht und Alter nicht Rücksicht
nehmen, trifft nicht zu; denn erstens halten sich, nach den Ergebnissen
der Statistik, in Betreff der Blinden, die Zahl der Männer und Weiber
das Gleichgewicht; zweitens könnten in Bezug auf das Alter, die bei
Berücksichtigung der Wehrpflichtigen gewonnene Zahl der Blinden höchstens
za niedrig sein, da die Altersclassen von 40—80 Jahren den höchsten
Procentsatz an Blinden liefern. Sk. hat nun festgestellt, dass von
1388 761 besichtigten Wehrpflichtigen 13 686 blind waren. (Dabei sind
noch nicht mitgerechnet 6287 Mann mit resp. Hornhautnarben, Exoph¬
thalmus, Blepharophimosis, Staphyloma und 9059 Mann mit Herabsetzung
der Sehschärfe bis zur Hälfte.) Es kommt oft ein Blinder auf 100 Sehende.
Diese Zahlen müssen durch ihre erdrückende Grossartigkeit in Erstaunen
versetzen. In der tabellarischen Uebersicht finden sich sogar Provinzen,
wo 1 Blinder auf 60 sehende Wehrpflichtige kommt Wenn man dagegen
erwägt, dass man bei uns in Deutschland schon in dieser Beziehung von
einer Calamität spricht, wo vielleicht unter 1400—1500 Personen der
Bevölkerung 1 Blinder vorkommt, so reden diese Zahlen eine deutliche
Sprache und werfen zum mindesten doch noch bedenkliche Streiflichter
auf die numerische Unzulänglichkeit ärztlicher Hülfe und auch wohl auf
trostlose Zustände im Hebeammenwesen in Russland, denn auch Sk.
deutet an, dass die Mehrzahl dieser Erblindungen wohl auf blennorrhoischer
Infection im Kindesalter beruht Jedenfalls haben die russischen Behörden
hier ein reiches Feld der Thätigkeit vor sich; und wenn man sieht, wie
in Deutschland auf diesem Gebiete auf ärztliche Mahnrufe hin gerade in
letzter Zeit Vieles geleistet ist, kann man diese Arbeit nicht für aussichts¬
los halten. Langhoff.
Mittheilnngen.
Ueber die Feier zu Ehren des nun in Ruhestand tretenden, in
weiteren Kreisen bekannten und beliebten Oberlazarethgehülfen
F. Wiest geht uns folgender näherer Bericht aus Freiburg vom 2. Mai zu.
Am heutigen Tage vollzog sich hier eine Feier, welche nicht nur
für die Kreise unserer engeren Garnison, sondern für das gesammte
Unteroffiziercorps des XIV. Armeecorps kn Besonderen, sowie des ge¬
lammten Deutschen im Allgemeinen von Bedeutung ist. Ein Mann, der
auf eben bescheidenen Wirkungskreis angewiesen, es dennoch verstanden
hat, durch seine ausserordentliche Pflichttreue und Hingebung, durch seine
stramme und stets humane Gesinnung, durch sein stolzes Hochhalten
seines Standes als Unteroffizier neben taktvollster und treu ergebenster
Diensterfüllung sich die volle Achtung seiner Unterstellten und das Wohl¬
wollen, ja die Freundschaft seiner höheren und hohen Vorgesetzten zu
erwerben und bis an seben Lebensabend zu erhalten; ein Mann, der im
Krieg und Frieden stets nur an seine Pflicht, nie an sich selbst dachte,
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300
schied heute aus seiner Dienststellung, um in den wohlverdienten Ruhe¬
stand eu treten. Der in hiesiger Stadt und in den altbadischen Regimentern
wohlbekannte Oberlazaretbgebülfe und Feldwebel Wiest wurde heute
von seinem Regiment und von dem Sanitäts - Corps nach 46 jähriger,
ununterbrochener activer Dienstzeit verabschiedet Ferdinand Wiest ist
am 12. Oktober 1819 zu Rothweil am Kaiserstuhl geboren und trat am
1. April 1840 in das damalige Leib-Infanterie-Regiment ein. Heute
durfte Wiest der älteste und längstgediente Unteroffizier der deutschen
Armee sein.
Die verschiedenen Phasen, welche er in seiner Dienstzeit durch¬
zumachen hatte, geben ein Bild der Entwickelung des Sanitätsdienstes in
der vormals badischen Felddivision, jetzt XIV. Armeecorps. Als gemeiner
Soldat zum Bandagentaschenträger und später als Wundarzneidiener aus¬
gebildet, wurde er im Jahre 1842 zum Gefreiten und im Jahre 1845 zum
Unteroffizier befördert. Im Jahre 1848 machte er das Gefecht bei Kandern
mit und nahm an dem Ausmarsch nach Schleswig-Holstein Theil. Von
dort zurückgekehrt wurde er im Jahre 1849 in Karlsruhe in dem im
Grossherzoglich Badischen Cadettenhause etablirten Lazarethe als Wund¬
arzneidiener verwendet und 1850 dem IV. Infanterie-Bataillon, späteren
2. Badischen Infanterie-Regiment in Rastatt zugetheilt. Dort erregte er
durch sein persönliches Geschick und seine Anstelligkeit, sowie durch
seine Zuverlässigkeit die Aufmerksamkeit seines damaligen Regiments¬
arztes, jetzigen Corps-Generalarztes, des Herrn Dr. v. Beck, welcher
ihn für seine persönliche Assistenz bei Operationen und bei der Behandlung
schwieriger chirurgischer Fälle besonders ausbildete. Im Jahre 1857
wurde er io das 3. Badische Infanterie-Regiment in Rastatt versetzt, doch
veranlasste Generalarzt v. Beck schon im Jahre 1858, als er selbst in
die Garnison Freiburg zom 2. Füsilier'Bataillon versetzt wurde, die Mit¬
versetzung seines ihm werth gewordenen Heilgebülfen. Als im Jahre 1859
unter der Leitung des jetzigen Herrn Generalarztes die Grossherzoglich
Badische Sanitäts-Compagnie formirt wurde, ist Wiest zum Feldwebel
derselben befördert worden. In dieser Stellung machte er den Feldzug
1866 mit und hier war ihm bei den Gefechten von Hundbeim, Würzburg,
Tauberbischofsheim, Gerchsheim etc. Gelegenheit geboten, seine ganze
Umsicht und Thatkraft an den Tag zu legen. Die badische Sanitäts-
Compagnie galt als eine Mustertruppe, sowohl hinsichtlich ihrer Organi¬
sation als auch in ihrer dienstlichen Wirksamkeit. Diesen Posten be¬
kleidete Wiest bis zum Juli 1868, wo die Sanitäts-Compagnie aufgelöst
und das preussische Reglement für die Krankenpflege im Felde adoptirt
wurde. Wiest trat von da ab dauernd zur 9. Compagnie des 5. Badischen
Infanterie-Regiments, jetzt No. 113, über. Bei der Mobilmachung 1870
wurde er dem 1. Badischen Feldlazareth als erster Revier-Aufseher zu-
§ etheilt und machte bei demselben den Feldzug gegen Frankreich mit.
eine ausserordentliche Pflichttreue und Aufopferung trug ihm schon bei
der ersten Engagirung seines Lazaretbs in der Schlacht bei Worth das
Eiserne Kreuz ein, so dass er der erste badische Unteroffizier war, dem
diese Ehrenauszeichnung zu Theil wurde, gleichwie sein Chef, der da¬
malige Oberstabsarzt Dr. Beck, als erster der badischen Sanitäts-Offiziere
diese Decoration erhielt Seine Betheiligung am Feldzug fällt zusammen
mit der Kriegsgeschichte des badischen Corps in demselben, insofern als
sein Lazareth bei allen grösseren Actionen, und nachdem dieselben beendigt
waren, noch an der Verpflegung von Typhuskranken sich im reichlichsten
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Maasse betheiligte. Eine grosse Zahl von Decorationen schmückt die
Brost des Veteranen: Im Jahre 1858 wurde ihm die badische Civil-
Verdienstmedaille, 1866 die silberne und 1870/71 die goldene Medaille
des Earl-Friedrich-Ordens, sowie das Eiserne Kreuz 2. Klasse ertheilt
Ausser den badischen Felddienstmedaillen von 1866 und 1870/71 und der
deutschen Feldzugsmedaille von 1870/71 besitzt er die Dienstauszeichnuog
1. Klasse und das allgemeine Ehrenzeichen. Bei Abschluss der Militär-
Convention wurde Wiest als Oberlazarethgehülfe mit dem Range eines
Feldwebels und mit seinen früheren Competenzen als solcher übernommen.
Heute wurde demselben io feierlicher Weise von dem Regiments-
Commandeur des 5. Badischen Infanterie-Regiments No. 113 der ihm
Allerhöchst verliehene Königlich preossische Kronen-Orden 4. Klasse und
eine Dedication des Offiziercorps des Regiments in Gestalt einer werth -
▼ollen Wanduhr mit Warnungstafel überreicht. Um 11 Uhr hatten sich
in dem festlich decorirten Aufnahmezimmer des Garnisonlazareths in
reichlichen Abordnungen die Sanitäts- Offiziere des Armeecorps versammelt,
an der Spitze der Herr Generalarzt Dr. v. Beck, sowie als Vertreter
des Regiments der stellvertretende Regiments-Commandeur, Herr Oberst¬
lieutenant v. Winning, der Bataillons-Commandeur Herr Major Dieck¬
mann und der Compagniechef Freiherr v. Kirchbach; ausserdem die
Herren Professoren Kraske, Oberstabsarzt der Reserve, und Herr Hof¬
rath Schinzinger, sowie eine Anzahl früherer badischer Feldärzte. Der
Jubilar wurde durch seinen Bataillonsarzt Herrn Stabsarzt Dr. Saarboorg
eingeführt und von dem Herrn Generalarzt Dr. v. Beck in einer ebenso
ehrenden als warmen, den Redner nicht weniger als den Angeredeten
ergreifenden und die gesammte Zuhörerschaft tief bewegenden Rede
angesprochen. Darauf wurde ihm von Seiten des Herrn Generalarztes
die Beglückwünschung Sr. Königl. Hoheit des Grossherzogs unter Ueber-
reichung der grossen goldenen Verdienstmedaille ausgesprochen. Seine
Königliche Hoheit hatten den Herrn Generalarzt allergnädigst zu beauftragen
geruht, dem Seiner Königlichen Hoheit persönlich wohlbekannten Wiest
die Allerhöchste Anerkennung und Dankbarkeit für seine langjährigen,
treuen Dienste auszudrücken. Ebenso hatte der Herr Redner die Beglück¬
wünschung und die Anerkennung des commandirenden Generals des
XIV. Armeecorps, Excellenz v. Obernitz, zu übermitteln, und in
seinem Namen ihm die Hand zu drücken zum Zeichen seiner hohen
Werthschätzung, welche er als Soldat für einen braven alten Kameraden
empfinde. Der Generalstabsarzt der Armee, Excellenz v. Lauer hatte
durch ein offenes Handschreiben dem Jubilar seine Anerkennung im
Namen des gesammten deutschen Sanitatscorp9 anszusprechen und in
einem Telegramm an den Herrn Generalarzt nochmals zu wiederholen die
Qüte gehabt Eine Anzahl Schreiben von der Familie des Herrn Corps-
Generalarztes bringen die Sympathien zum Ausdrucke, welche dieselbe
für den altbewährten Ehrenmann empfindet. Zum Schluss wurde ihm
das Bildniss des Herrn Corps-Generalarztes Dr. v. Beck mit persönlicher
Widmung sowie ein schöner Ruhesessel als Ehrengabe des Sanitäts-
Offiziercorps des Armeecorps überreicht
Um 1 Uhr versammelte sich die Festgesellschaft zu einem solennen
Mahle im Hotel zum Pfauen. Nach dem vom Herrn Generalarzt aus¬
gebrachten Toaste auf Se. Majestät den Kaiser als obersten Kriegsherrn
und auf Se. Königliche Hoheit den Grossherzog als Landesherrn des
Jubilars vervollständigte derselbe in einer tief empfundenen Rede das
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Bild, welches er von dem Ehrengäste als Soldat entworfen hatte, indem
er dessen Tugenden als Mensch sowohl im Dienste der Humanität als
auch in seinen Beziehungen zu der Familie des Herrn Redners in das
richtige Licht stellte. Seit 36 Jahren hatte er an ihm sowohl einen
treuen Gehülfen in der Ausübung seines ärztlichen Berufs, als auch eine
thatkräftige und viel bewährte Stütze in den verschiedenen Lebens- |
Schicksalen seiner eigenen Familie würdigen, schätzen und verehren ge¬
lernt Demnächst begrüsste der Herr Oberstabs- und Divisionsarzt Dr.
Deimling die Vertreter des Offiziercorps und dankte denselben für ihr
Erscheinen, durch das sowohl dem Jubilar als auch dem Sanitatscorps
ein Beweis der Werthschätzung der Dienste des Letzteren für die Armee
erbracht werde. Nach verschiedenen ferneren Toasten, in welchen der
Herr Generalarzt als Vertreter des Sani täte-Offiziercorps die theilnehmen-
den Professoren der Universität, sowie die anwesenden früheren badischen
Feldärzte feierte, und nach so mancher froher und erhebender Gegenrede
wurde die Feier geschlossen. Mittlerweile waren noch mehrfach Glück¬
wunschtelegramme, sowie auch Dedicationen für den Jubilar eingetroffen.
Diese Feier möge auch in weiteren Kreisen der Armee als ein Zeichen
gelten, wie sehr eine treue und selbstlose Pflichterfüllung, ein standhaftes
Ausharren im Dienst unseres Allerhöchsten Kriegsherrn zu allen Zeiten
geehrt und geschätzt wird, und wie in einer Persönlichkeit, wie die des
scheidenden alten verdienten Feldwebels nicht nur ihm selbst, sondern
zu gleicher Zeit seinem Stande und seinem Wirkungskreise, den er so treu
und vollständig auszufüllen wusste, die gebührende Anerkennung nnd
Hochachtung von Höchster und Allerhöchster Stelle in ehrender Weise j
entgegengebracht wird. —i.
Gedruckt in der Stattlichen Hofbuchdruckerei von E 8. Mittler nnd 8ohn, Berlin SW., Kochetratte ßfi-fat
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Am 28. Juni 1886, Vormittags 10 Uhr, entschlief sanft
nach schweren Leiden, im 43. Lebensjahre, der langjährige
Mitredacteur der „Deutschen Militärärztlichen Zeitschrift“
Dr. med. Max Bruberger,
Stabs- und Bataillonsarzt im Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiment No. 2,
Ritter des Eisernen Kreuzes 2. CI. a. w. B., des Kronen-Ordens 3. CI. und
des Rothen Adler-Ordens 4, CI., Offizier des Ordens Stern von Rumänien
mit Schwertern.
Seit 1876 der Redaction angehörend, hat der Verblichene,
geleitet von der wärmsten Hingabe für den Königlichen Dienst
wie für die Wissenschaft, sein Ganzes, Bestes eingesetzt, um
unserer Zeitschrift diejenige Stellung in der Fachliteratur zu
erringen, deren sie sich jetzt erfreut. Oft mit den tiefgreifenden
Störungen kämpfend, die ihm sein chronisch-destructives Nieren¬
leiden seit fast acht Jahren immer wieder auferlegte, und nicht
im Unklaren über sein Geschick, — ist er trotz alledem rastlos
thätig gewesen, Mitarbeiter zu gewinnen und zu erhalten; hat
hier anregend und fördernd, dort beschwichtigend und aus¬
gleichend gewirkt und in dieser Thätigkeit unwandelbar das
volle Vertrauen Aller genossen, die ihm nahe getreten sind.
Noch die vorliegende Nummer lässt in seiner letzten
Arbeit, die er schon schwerkrank vollendete, das ganze
lebendige Interesse erkennen, welches er der von ihm ver¬
tretenen Sache entgegenbrachte.
Was er dem Allerhöchsten Dienst, was er seiner tief¬
gebeugten Gattin — die in schweren Zeiten treu zu ihm
gestanden —, was er seinen Freunden gewesen, wird ander¬
weitig gewürdigt. Hier ist es schmerzliche Pflicht der Redaction
und der Verlagsbuchhandlung, dem heimgegangenen Mitarbeiter
einen herzlichen Abscliiedsgruss in die Ewigkeit nachzurufen!
Sein Andenken wird in Treuen bewahrt bleiben.
Leicht sei ihm die Erde!
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Deutsche
Militärärztliche Zeitschrift.
Redaction:
Dr. *. Generalarzt,
Berlin, Tenbenstneee 6,
n. Dr. 9U gtatfcfftt, Stabsarzt,
Berlin, Hedemumstr. 15.
Verlag:
§. §. k £o?«,
Königliche Hofbachhandlang,
Berlin, Kochstraase 68—70.
Monatlich «scheint ein Heft Ton mindestens 8 Druckbogen; dun ein „Amtliches Beiblatt“. Der
Zeitschrift wird, du Werk: „Jahresbericht über die Fortschritte auf dem Gebiete des Milittr-
9anitxt»>Wesens M , herausgegeben rom Generalarzt Dr. Botb, unentgeltlich heigegeben. Bestellung
nehmen alle Postämter und Buchhandlungen an. Preis des Jahrgangs 15 Muk.
XV. Jahrgang._ 1886. _Heft 7.
Die neue Beilage 5, § 63 der Kriegs-Sanitäts-Ordnong und die
inkttnftige Gestaltung der Kriegs-Antisepsis Deutschlands.
Im amtlichen Beiblatt des letzten Heftes dieser Zeitschrift S. 51
befindet sich der Erlass Sr. Exc. des Kriegsministers, welcher von der
Neubearbeitung der Beilage 5 der Kriegs-Sanitäts-Ordnung
— enthaltend den medicinisch - chirurgischen Etat der Feld-Sanitäts-
Formationen — Kenntnis« gieht Die über 9 Druckbogen starke Beilage
ist durch die Königl. Hofbuchhandlung von E. S. Mittler n. Sohn za
beziehen (Preis 1 Mark). —
Die Neubearbeitung war nötbig geworden hauptsächlich durch die
Umwälzungen, die die Einführung der Antiseptik in den Etats-Positionen
für Antiseptica für Verbandstoffe und Utensilien hervorgerufen hatte, zu
gleicher Zeit ist den Etats eingefügt worden, was die Chirurgie in den
8 Jahren seit Erscheinen der K. S. O. Zweckmässiges bezüglich der
Wundbehandlung zu Tage befördert hat, so dass das Material, was der
Staat im Feldlazareth, beim Sanitätsdetachement etc. zum Zweck der
Verwundeten-Behandlung und des Transports derselben zur Verfügung
stellt, jetzt wieder vollkommen anf der Höhe der modernen Chirurgie
steht Entsprechend der früheren Beilage 5 zerfällt auch die neue in
Abtheilungen:
A. Medicinischer Etat B. Chirurgischer Etat C. Packordnungen.
D. Verladungsordnnng für ein Lazareth- Reserve-Depot Neu hinzuge¬
kommen ist: E. Anleitung zur Zubereitung und Verwendung
des antiseptischen Verbandmaterials (Sublimat-Verband).
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Jeder Chirurg, der diese Anleitung in die Hand nimmt, wird ebenso
sehr über die Zweckmässigkeit wie über die Einfachheit des Verfahrens
erstaunt sein. Wer im Jahre 1875*) in Deutschland sich mit der Technik
des antiseptischen Verfahrens bekannt machen wollte, dem standen zu
diesem Zweck als gute Bücher zur Verfügung das 283 Seiten um¬
fassende Werk Lister’s, ins Deutsche übertragen von O. Thamhayn
(cfr. diese Zeitschr. 1875 S. 221), oder das in demselben Jahre von
v. Nussbäum unter dem Titel „Die chirurgische Klinik in München im
Jahre 1875* herausgegebene, sich ausschliesslich mit der Technik des
antiseptischen Verbandes beschäftigende Werkchen. Auch dies letztere
Werk braucht, um in knappester Form die Technik auseinanderzusetzen,
noch 60 enggedruckte Seiten. Heute genügen der K. S. O. drei und eine
halbe Seite, um die Anwendung des antiseptischen Verbandes nicht^nur
zu erläutern, sondern auch ein vollkommenes Verfahren für die Zubereitung
des Verbandmaterials zu geben. Auf so einfache Formen ist das ur¬
sprünglich so complicirte Verfahren zurückgeführt worden. Verschwunden
sind der Spray, Silk Protective, Mackintosh, das 5- und lOpro-
centige Carbolol, die Salycil-Emulsion, die 8procentige Chlorzink¬
losung, die Salicylwatte und Jute, der Borlint etc. Oeblieben oder neu
eingefuhrt sind Sublimat als souveränes Antisepticum, für einzelne Fälle
Jodoform, Carbol nur noch zur Desinficirung der Instrumente; als Ver¬
bandstoffe figuriren ausser den Binden zur Befestigung einzig Mull und Watte.
Erst mit der einfachen Gestaltung, die das antiseptische Verfahren
jetzt nach 12jährigen ausgedehntesten Studien und Versuchen in Deutsch¬
land angenommen hat, ist dasselbe wohl nach allgemeiner Ueberzeugung
so recht „felddienstfähig* geworden, dem Staate aber ist viel Geld er¬
spart worden dadurch, dass die Centralleitung entsagend genug war, mit
der hundert Mal energisch geforderten Einführung der Antiseptik in die
Kriegspraxis zu warten, bis die unendlich vielen Wandelungen der noch
immer interessanten Frage der antiseptischen Wundbehandlung überwunden
und jetzt für voraussichtlich recht lange Zeit maassgebende einfache
Formen gefunden wurden.
Als Strohmeyer während seiner Thätigkeit vor Paris im Jahre
1870/71 die Ansicht aussprach, die Behandlung der Verwundeten müsse
durch eine amtliche Instruction geregelt werden, wurde er viel verlacht,
es hatte den Anschein, als beabsichtige er die ganze Chirurgie in eine
*) 3 Jahre nachdem Stabsarzt A. W. Schulze in dieser Zeitschrift zuerst
(cfr. Jahrgang I S. 287) die berühmt gebliebene Arbeit veröffentlichte, welche dem
bislang in Deutschland nicht beachteten oder angefeindeten Lister-Verband die
Wege öffnete. —
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paragraphirte Dienst-Ordnung umzu wandeln; wenn er mit seinem Aassprach
meinte, dass die Art der Wundbehandlung dienstlich vorgeschrieben werden
misse, dann scheint dem vorausschauenden Geiste in der That etwas
der heutigen „Anleitung zur Zubereitung und Verwendung des antiseptischen
Verbandmaterials 11 Aebnliches vorgeschwebt zu haben. Der Individualität
des Arztes bleibt auch mit der heutigen „ Anleitung“ in der Hand Bewegungs¬
freiheit genug, um für specielle Zwecke specielle Verbände innerhalb
des gegebenen Schemas zu ersinnen, nur ein Rahmen ist ihm gezogen,
der nicht überschritten werden darf, er darf nicht verlangen, dass ihm
im Felde Verbandmaterialien wie Holzwolle, Torfmoos, Oacum etc. oder
Antiseptica etwa wie Thymol, essigsaure Thonerde, Bismuthum subnitricum
etc. geliefert werden, falls er zu Hause mit dergleichen Materialien ge¬
arbeitet hatte und darauf eingeübt ist Im Uebrigen, wenn er Sublimat
als Andsepticum acceptirt und Mull und Watte als Verbandstoffe, kann er
anch heute noch die Wundbehandlung leiten, wie es seiner Individualität
and seiner Ausbildung entspricht. Gerade in der grossen Vereinfachung
des ursprünglich so gewaltig complicirten Apparates für die Antiseptik
Hegt ja die Möglichkeit ihrer Durchführung im Kriege.
Bei der grossen Wichtigkeit der Frage lohnt es, eine kurze Betrachtung
anzustellen, wie sich nach dem Inkrafttreten der neuen Beilage 5
zur K. 8. O. die Antiseptik im Felde wenigstens in den vordersten
Limen gestalten wird.
Antiseptisches Verbandmaterial liefert der Staat bei den verschiedenen
Formationen reichlich an den verschiedensten Stellen.*)
I. Für die Feuerlinie und die Truppen-Verbandplätze dicht
hinter derselben kommt in Betracht (ausser dem Verbandpäckchen, was
jeder Soldat event. bei sich trägt) 1) Wundwatte (in Pressstücken zu
100 g) in jeder Lazarethgehülfentasche 1, im Bandagentornister 10,
im Medicin- und Bandagenkasten 10, im Medicinwagen und -Karren 10. —
2) Mullcompressen (40 cm lang und 30 cm breit) im Medicinwagen
500. — 3) Verbandpäckchen in wasserdichtem Verbandstoff (enthaltend
1 Binde von Cambric zu 3 m, 2 Mullcompressen, 1 Sicherheitsnadel)
in jeder Lazarethgehülfentasche 5, im Bandagentornister 15, im Medicin-
ond Bandagenkasten 25, im Medicinwagen und -Karren 50. 4) Der
Inhalt der Verbandmitteltaschen an den Krankentragen der Sanitäts-
Detachements (unter Anderem in jeder Tasche 4 Cambric-Binden,
*) Die Zubereitung des fertig mitzuführenden antiseptischen Verbandmaterials
der FelfLSanitätsformationen erfolgt nach befohlener Mobilmachung, jedoch vor dem
Verlassen des Mobilmachungsortes (cfr. S. 404 s Beil. 5.)
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6 Verbandpäckchen, 1 Preasstück Wundwatte ca 100 g etc.). —
5) Jodoform im Bandagentornister 100 g, im Medicin- and Bandagenkaaten
300, im Medicin wagen nnd -Karren 500 g so event. noth wendigen Pulver-
verbänden.
Wie die Verhältnisse sich auch in der Feuerlinie gestalten, mögen,
man wird zugebeu müssen, dass an den verschiedensten Stellen antiseptisches
Material für einen provisorischen Occlnsionsverband vorhanden ist, so
dass, wenn wirklich in der Feuerlinie ein Verband angelegt werden must,
dasselbe kaum fehlen kann. Bei grosseren Gefechten wird es immer
die Regel bleiben müssen, dass in der Feuerlinie nicht verbunden wird,
der Verwundete ist zunächst zu bergen und nach dem Hauptverband¬
platz zu schaffen, dort erst ist die Stelle, wo der erste Verband angelegt
wird; handelt es sich nur um kleinere oder um.Recognoscirungs-Gefechte
und wird kein Sani täte- Detachement etablirt — also auch kein Haupt¬
verbandplatz aufgeschlagen, dann ist es mit dem aufgeführten Verband¬
material möglich und durchaus durchführbar, allen Wunden einen ausreichend
sicheren, provisorischen Occlnsionsverband zukommen zu lassen.
II. In der zweiten Linie, d. h. auf dem Hauptverbandplatz
des Sanitäts-Detachements, stehen an Materialien*) zum antiseptischen
Verband zur Verfügung: 1) Wund watte, a. Pressstücke zu 1 kg 18 Stück,
b. Pressstücke zu 100 g 56 Stück, c. gewöhnliche ungeleimte Watte 12 kg,
zusammen 35,6 kg Watte. 2) Mullcompressen (wie unter I ad 2)
1000 Stück. 3) Entfetteter Mull 1600 m. 4) Verbandpäckchen (wie
unter I ad 3) 672. 5) Jodoform 3600 g. 6) a. Hydrarg. bichlorat.
1000 g, b. Liq. Hydrarg. bichlorati (1 g = 0,2 Hydr. bichldr. = 16 Tropfen)
1400 g. 7) Acid. carbol. liquefsct. 2600 g.
Mit dem hier aufgeführten Material wird es nicht nur möglioh sein,
eine antiseptische Occlusion herzustellen, wenn in der Feuerlinie über¬
haupt verbunden wird, sondern auch grosse Operationswunden definitiv zu
verbinden, überhaupt alle complicirten Verbände herzustellen. Für Irri-
gationsfiüssigkeiten haben wir nicht nur das nicht ganz leicht lösliche
Sublimat in Substanz zur Verfügung, sondern auch einen Sublimat-Liquor,
mit Hülfe dessen wir in der kürzesten Zeit uns jede beliebige Verdünnung
oder Goncentration der Berieselnngsflüssigkeiten hersteilen können.
Es ist im Uebrigen ein so colossales Verbandmaterial, welches die
Sanitäts-Detachements mitschleppen, dass nach unserer oberflächlichen
*) Wir fuhren hier nur die eigentlichen Verbandstoffe und Antiseptica auf,
selbstverständlich sind auch alle Hülfsniaterialien wie Draius, Catgut, Seide, Gaze-,
Cambric-Binden, Verbandtücher etc. ausreichend vorhanden.
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Schätzung, aueh wenn ein Armee-Corps an drei Schlachten, wie die am
14^ 16. and 18. August 1870 bei Metz, betheiligt sein sollte, man noch
dem letzten Verwundeten werde gerecht werden können, wenn eine halb-
wegs gleichmässige Vertheilang der Sanitäts-Detachements aof dem Ge¬
fechtsfeld durchführbar ist
111. In der dritten Linie, im Feldlazareth, stehen an Mate¬
rialien zum antiseptischen Verband zur Verfügung: 1) Wandwatte,
a. Presssticke ca 1 kg 24 Stick, h. gewöhnliche, angeleimte Watte
16 kg. 2) Mullcompressen (wie unter I ad 2 und unter II ad 2)
1000 Stoek. 3) Entfetteter Mall 2400 m. 4) Jodoform 4000 g.
5) Hydrarg. bichlorst 1000 g. 6) Acid. carbol. liquefact 14 000 g.
Gegenüber den Materialien des Sanitats-Detachements fehlen hier
die „Verbandpäckchen“ ganz; im Feldlazareth wird eben nicht mehr
provisorisch occludirt, sondern Definitives geleistet; ferner fehlt der für
lasche Improviairung der Berieselungsflissigkeiten nothwendige Liq.
Hydrarg. bichlorat (cfr. II ad 6 b), die Irrigationsflüssigkeiten können
hier in der im Defectbuch verschriebenen Stärke bezogen werden. Die
1000 Stock abgepasster Mullcompressen werden in den ersten Tagen der
Etablirung des Lazareths, wo alle Hände beschäftigt sind, gute Dienste
leisten, später bei grosserer Ruhe kann die gewünschte Form leicht vom
Lazarethpersonal aus den grossen Beständen zugeschnitten werden.
Wie lange ein Feldlazareth mit den von ihm selbst mitgeschafften
Verbandmaterialien ausreichen könne, ist schwer zu taxiren; dasselbe ist
bekanntlich für die Aufnahme von 200 Verwundeten und Kranken ein¬
gerichtet. Eine oberflächliche Schätzung, bei der wir die Annahme zu
Grande legen, dass ein* etablirtes Feldlazareth fünf Mal mehr Verband¬
material braucht als eine der Zahl nach gleich starke äussere Station
eines Friedenslazareths, und weiter annehmen, dass dasselbe ausschliess¬
lich mit Verwundeten bis auf den letzten Platz gefüllt sei, hat ans heraus¬
rechnen lassen, dass das Verbandmaterial 2>/a bis 37* Wochen reichen
werde, jedenfalls also lange genug, um für geregelten Nachschub za sorgen.
Für diejenigen Sanitäts-Offiziere, welche noch nicht auf eine ge¬
nügende eigene Erfahrung über die Sublimat-Antiseptik verfügen, dürfte
es nicht ohne Werth sein, klargestellt za sehen, was das jetzt officielle
sntiseptische Verfahren zu leisten vermag, namentlich mit Rück¬
rieht auf die accidentellen Wundkrankheiten, deren Auftreten in gewissem
Sinne als^Gradmesser für die Beurtheilnng der in Anwendung gekommenen
chirurgischen Verbandtechnik zu gelten hat. Ich halte mich in dieser
Bwiehnng zu folgendem Ausspruch für berechtigt;
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Wenn auf einer grossen chirurgischen Station seitlich und
örtlich ringsumher Erysipelas, Diphtherie und andere All¬
gemein-Erkrankungen Vorkommen und es tritt bei keiner
mit Sublimat-Antiseptik behandelten Wunde oder Operation
in dem Zeiträume eines halben Jahres und darüber Erysipelas
auf, so ist dies nicht Zufall, sondern der Beweis der Vermeid¬
barkeit dieser Krankheit durch die eingeschlagene Therapie.
Hospitalbrand, Pyamie und Septicamie muss jede Antiseptik
vermeiden können; auch Erysipel zu vermeiden war bei der
früheren Carbol- etc. Antiseptik und vor Allem bei Jodoform¬
behandlung nicht mit Sicherheit möglich, bei Sublimat-Anti¬
septik gehört auch das Wund-Erysipel zu den vermeidbaren
Krankheiten.
Dieser Ausspruch ist abgeleitet nicht aus Erfahrungen, die an einem
wohl situirten, namentlich über ein stetiges zuverlässiges Huifspersonal
verfügenden Hospital gewonnen sind, sondern aus Erfahrungen, die im
Militärlazareth gemacht wurden, wo ein fortwährender Wechsel des Hülfe-
Personals stattfinden muss, weil das Militarlazareth eben auch die Auf¬
gabe hat, alljährlich eine recht erhebliche Zahl von Lazarethgehulfen-
Lehrlingen auszubilden; gerade deshalb aber, weil die guten Resultate
der Sublimat-Antiseptik mit fast ganz ungeschultem Huifspersonal er¬
reicht sind, lege ich um so grösseres Gewicht darauf. Hinzuzufugen ist
noch, dass die Resultate erreicht sind mit einem im Wesentlichen der
jetzt officiellen „Anleitung zur Zubereitung und Verwendung etc.“ ganz
gleichen Verfahren; der einzige Unterschied war, dass die Verband-
Materialien nicht mit einer wässerig-Spirituosen Sublimatlösung, sondern
nur mit einer einfach-spirituösen durchtränkt wurden und im Prosen tr
gehalt um ein Geringes differirten.
Als weitere Vortheile der Sublimat-Antiseptik ist noch kurz anzu¬
führen Folgendes: Die Wunden und Operationen heilen rascher als bei
jeder andern Antiseptik, die Secretion dabei ist so gering, dass die Ver¬
bände fast stets acht Tage liegen bleiben können, Nachblutungen kommen
kaum noch vor, parenchymatöse Blutungen machen nicht annähernd die
Schwierigkeit wie bei Carbol-Antiseptik, z. B. nach Conatriction, von In-
toxicationserscheinungen hat Berichterstatter, trotzdem die Snblimatr
lösungen bei jeder Gelegenheit recht abundant flössen, nur einmal ein
ungefährliches Erythem beobachtet.
Zum Schluss möge es gestattet sein, noch mit ein paar Worten
auf einige Details der „Anleitung zur Zubereitung und Ver-
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Wendung des antiseptisehen Verbandmaterials* 1 eineugehen; bei der äusserst
knappen and präcisen Form der Anleitung, die es verschmäht, auch nur
ein einziges unnöthiges Wort zu sagen, durften einige Fingerzeige aus
der Praxis willkommen sein.
Die Anleitung giebt an,' dass man mit 15 1 der spirituös-wässerigen
Sublimatlösung (cfr. das der Anleitung beigegebene Recept) etwa 400 m
Mull dnrchtränken, d. h. aseptisch präpariren könne; uns gelang es
bei grösstmöglicher Ausnutzung der Lösung nur 375 m zu durchtränken,
die Imbibitionsfähigkeit verschiedenen Mulls ist gewiss nicht immer ganz
gleich, daher die geringe Differenz.
Mit . 11 der nach der officiellen Receptformel hergestellten Sublimat-
löteuDg ist mau also im Stande, c. 26,6 m Mull zu imprägniren, und da diese
ziemlich genau 1000 g wiegen, darf man als einfachste, dem Gedächtniss
sich am leichtesten einprägende Formel die Rechnung aufsetzen: 1 1
(=* 1 kg) der officiellen Sublimatlösung imprägnirt gleiche
Gewichtstheile Mull — nämlich ca. 25 m.
Beim Verschreiben der Flüssigkeit zur Bereitung des Verbandmaterials
io unseren Friedenslazaretheu erweist es sich als praktisch, den fünften
Theil des officiellen Originalreceptes zu verschreiben, man hat dann ein¬
fache runde Zahlen, die das Abwiegen sehr leicht machen, und kann
mk der verschriebenen Menge 75 m Mull imprägniren, was ungefähr dem
Bedarf eines halben Monats auf der Aeusseren Station unserer grossen
Garnisonlasarethe mit einem täglichen Krankenstand zwischen 110 bis
140Mann entspricht; die Formel wurde dann lauten:
Rp. Hydrarg. bichlorat. 10,0 = 0,05 M.
Spir. vini. 1000,0 = 0,90 „
Aq. deetill. 1500,0 = 0,15 „
Glycerini. 500,0 = 0,50 „
Fuchsin .. 0,1 = 0,01 „
3000,0 = 1,61 M.
75 m Mull (ä 14 Pf.).= 10,50 *
75 m Sublimatmull.= 12,10 M.
oder
1 m Sublimatmall kostet .... = 0,16 M.
Von der Verbandwatte ist man im Stande bei grösstmöglicher
Ausnutzung der Flüssigkeit mit 1 1 der officiellen spirituos-wässerigen
Sublimatlösung 650 g zu imprägniren. Während man also beim Mull mit
der officiellen Lösung ziemlich genau das gleiche Gewichtsvolumen
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310
durchtränkt, kaon man von der Watte nnr 6 bis 7 Zehntel des Gewichts*
volnmens aseptisch machen.
1 kg entfettete Watte kostet 1,67 M.
1550 g zur Imprägnirnng nöthige Flüssigkeit = 0,84 „
Demnach kostet 1 kg selbstbereitete Sublim&twatte 2,51 M. gegenüber
6,50 M. billigsten Ladenpreises.
Die Znbereitnng selbst des Snblimatmnlls and der Watte ist
sehr einfach und geht rasch von statten. Am zweckmassigsten übergiesst
man 10 m Mull in achtfacher Lage in einer grossen irdenen Schüssel mit
der Flüssigkeit, lasst dieselben durchkneten, dann wringen zwei Gehalten,
die an beiden Enden anfassen, das Stück, indem sie es zu einem Seil
zusammendrehen, mit Aufbietung grosser Kraft so lange aus, als noeh
ein Tropfen zurück in die irdene Schüssel flieset. — Aus den Watte¬
pressstücken zu 1 kg lassen sich fast stets vier (250 g) oder fünf (200 g)
ziemlich gleich grosse Abtheilungen bilden, die auseinander gefaltet eine
grössere Tafel bilden; diese Tafeln werden in gleicher Weise in der
irdenen Schüssel durchgeknetet und gleichfalls unter Zusammendreheo
zu einem Strang energisch ausgepresst. Der Zusatz von Fuchsin zur
Impragnirungsflüssigkeit erweist sich insofern als sehr praktisch, als
die Rothfarbung erkennen lässt, ob alle, auch die zu innerst gelegenen
Theile von der Flüssigkeit durchdrungen worden sind. — Ersetzt man,
was die officielle Anleitung dem ärztlichen Ermessen anheimstellt, in dem
Originalrecept einen Theil oder das ganze Wasser durch Spiritus, so
erzielt man zwei Vortheile, die Lösung dorchtränkt viel rascher und
gleichmässiger und ohne Anwendung von so grosser physischer Kraft
die Verbandstoffe, und zweitens trocknen letztere — was namentlich im
Winter von Belang sein kann — rascher, dafür steigt allerdings der
Preis nicht unerheblich, indem 1 m mit rein spirituoser Sublimatlösuug
getränkten Mulls um 4 Pf. theurer wird, nämlich 0,20 M. kostet; der
Preis des Kilo Watte steigt bei der gleichen Bereitung von 2,51 M. aaf
3,17 M., immer noch billig gegenüber den 6,50 M. Ladenpreis.
Der Procentgehalt unserer Verbandstoffe an Sublimat berechnet
sich folgendermaassen:
1000 g Mull = 25 m enthalten 3,3 g Sublimat, unser Verbandmull ist
also 0,33procentig;
650 g Watte enthalten 3,3 g Sublimat, 1 kg Watte also fast genau
5,0 g; unsere Verbandwatte ist also 0,5procentig.
Sehr interessant ist die Uebereinstimmung dieses Procentgehalts mit
den in dieser Beziehung von Lister gestellten Forderungen. Lister
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311
sprach am 23. Februar 1884 io der militararztlichen Gesellschaft zu
Woolwich*) über die Vereinfachung der antiseptischen Methoden fürs
Feld und sagte etwa wörtlich: „Man kann hoffen, im Kriege sich gutes
antiseptisches Verbandmaterial zu verschaffen, wenn man nur Sublimat
und eine grosse Menge leinener Ueberzuge, Com pressen etc. zur Verfügung
hat; man würde nur nothig haben, Sublimat mit dem gleichen Gewichts-
tbeil Glycerin in 200 Theilen Wasser zu losen, die Verbandstücke einzn-
taochen und dann zum Trocknen zu hangen.* Alte Leinwand braucht
etwa dieselbe Menge Impragnirungsflüssigkeit wie Mull. Nach Lister
wurden also benothigen 1 kg alte Leinwand 1 1 seiner Sublimatlosung
(enthaltend 5,0 g Sublimat).
Also auch das Li sterische improvisirte Verbandmaterial würde
0,5 pCt Sublimatgehalt haben. — Wer den oben citirten Aufsatz Lister’s
genauer durchliest, muss sich freuen, dass volle Uebereinstimmung in
allen wesentlichen Punkten herrscht zwischen den Ansichten des Alt¬
meisters der englischen Chirurgie und unserer deutschen officiellen An¬
leitung, gewiss liegt auch hierin, da beide Theile unabhängig von einander
in denselben Resultaten gekommen sind, eine Bürgschaft, dass nicht
sobald wieder ein Wandel der Ansichten eintreten werde, dass vielmehr
auf Jahrzehnte hinaus die Wundbehandlung im Kriege in den bestimmten,
sicheren, nach langer, mühseliger Arbeit gefundenen Normen sich be¬
wegen wird.
Im Vorstehenden haben wir nur auf die fundamentalen Neuerungen
in unserem medicinisch-chirurgischen Kriegsetat hin weisen können, es ist
ganz unmöglich, auf die tausend Einzelheiten einzugehen, der Chirurg
besitzt in der Beil. 5 der K. S. O. nicht nur eine Zusammenstellung
unendlich vieler hochwichtiger Details, die er jeden Augenblick braucht
und die er doch nicht dem Gedachtniss an vertrauen kann, weil zuviel
vergessliche Zahlen dabei sind, sondern auch eine Quelle mannigfacher
Belehrung; um nur ein Beispiel herauszugreifen, mochte ich fragen, wie
fiele Chirurgen schon die unter No. 19 des Verbandmitteletats aufgeführte
Asbestpappe kennen, mit welcher der Staat die Sanitäts-Detachements und
Feldlazarethe ausstattet zum Zweck, eine schmiegsame nach dem Erkalten
sehr fest werdende Stutze für gebrochene Knochen zu liefern. — Pie
Packordnungen und Verladungsordnungen durchzustudiren, ohne
die gleichzeitige Möglichkeit, die einzelnen Gegenstände in die dafür
bestimmten Fächer und Behälter hineinzupassen, ist ein Ding der Un-
*) cfr. diese Zeitschrift 1884 S. 204.
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möglichkeit; bei oberflächlicher Durchsicht gewinnt man den Eindruck,
als stecke eine Unsumme von Fleiss und Arbeit darin, das gedämmte
Material zur Pflege und Behandlung von Tausenden von Verwundeten so
auf relativ wenig Transportfahrzeugen unterzubringen, dass nicht bloss
jedes Stück vom Operationstisch, vom Bettlaken und Stechbecken an bis rar
Tracheotomie-Canüle und dem Catheter, die jeden Augenblick gebraucht
werden können, mitgeschleppt wird, sondern dass es auch von jedem aus
der Fremde zugereist kommenden Arzte mit der Beil. 5 in der Hund
rasch gefunden und zogängig gemacht werden kann. Diese wunderbare
Ordnung in dem buntscheckigen Mosaik des verschiedenartigsten Materials
hat etwas Imponirendes, sie ist im Uebrigen nur ein Stück guter, alt-
preussischer Tradition; Jeder, der auch auf diesem beschränkten Gebiete
einen Einblick in die Instructionen unseres Vaterlandes nimmt, muss mit
dem Gefühl vermehrter Achtung und Liebe erfüllt werden, die ganze
Armee aber schuldet für die hier besprochene Neubearbeitung eines der
wichtigsten Theile der K. S. O., deren segensreiche Folgen in jedem zu¬
künftigen Eiriege hervor treten müssen, dem preussischen Kriegsministerium
den allerwärmsten und aufrichtigsten Dank. Bruberger.
Nachtrag.
Der vorstehende Aufsatz war im Druck vollendet, als uns in
No. 45 der Pharmaceutischen Zeitung (Verlag von J. Springer in
Berlin) ein Artikel „Darstellung von Verbandstoffen“ zuging, welcher
eine in hohem Maasse abfällige Kritik über die offfcielle „Anleitung zur
Zubereitung des antiseptischen Verbandmaterials“ enthält. Der Tenor
dieses Artikels lautet wörtlich:
„Nachdem vor 2 Jahren unter dem Protectorate Ihrer Majestät der Kaiserin*
Königin Augusta eine Versammlung der Koryphäen unserer Chirurgie hier getagt
und über die zweckmäßigsten und geeignetsten antiseptischen Verbandstoffe berathen
hat, so durfte man wohl erwarten, dass auf Grund der damaligen B&rathungen und
unter Befragen der einzelnen Mitglieder dieser Commission eine zweckmässigere
und auf etwas mehr Sachkenntnis beruhende Anleitung verfasst und
erlassen würde etc.“.
Wenn der mit F. M. Th. unterzeichnende Referent der Pharm. Ztg.
nur diese abstracto Kritik lieferte, könnte man ihn mit Stillschweigen
übergehen, da er sich aber die Miene eines ernsten Kritikers giebt und
mit scheinbar thatsächlichen Angaben gegen die „Anleitung“ polemisirend
sein abfälliges Urtheil begründet, muss ihm Antwort auf seine thatsäch¬
lichen Angaben werden. Mit letzteren verhält es sich folgendermaassen:
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313
1) Der pharmaceatische Kritiker sagt bezüglich der Her8teil qd g
des Snblimatmolls:
„Wenn der Arbeiter nach Absatz 3 (sc. der officiellen Anleitung) bei dem
Imprägniren verfahrt und nach dem Durchkneten u. s. w. den Mull presst, so
dürfte wohl reichlich i/s» wenn nicht fast die Hälfte der Flüssigkeit
ablaufen, somit der Mull auch nur dementsprechend 3 /io pCt. Sublimat enthalten.
. . . . Das Volumen der zur Bereitung des Sublimatmulls dienenden Flüssigkeit ist
mit einem Worte gesagt zu gross .... und dürfte sich nach jahrelanger (?) Er¬
fahrung wohl die Reduction des Volumens auf 10 Kilo (statt 15. Ref.) derGesammt-
flöscigkeR empfehlen.“
Die Wahrheit ist: dass nicht ’/a oder gar die Hälfte der Flüssigkeit
abläuft, sondern dass man, wie oben S. 310 ausein&ndergesetzt, bei grosst-
möglicher Ausnützung der Imprägnirnngsflüssigkeit kaum im Stande ist, die
abgegebene Mullmasse ganz zu durchtränken. Verfasser hat mit seinem
derzeitigen Assistenten an der Aeusseren Station des Garmson-Lazareths
Tempelhof, Herrn Dr. Goldscheider, die Versuche in der Art angestellt,
dass Mallstücke von 25 and 10 Meter Länge nach ihrer Durchknetang in
einer irdenen Schüssel von zwei besonders starken Gehülfen über der
Schüssel zum Strang gedreht, so stark aosgewrungen wurden, dass kein
Tropfen mehr aaszuquetschen war, die 15 Liter Imprägnirnngsflüssigkeit
reichten ans nie für volle 400 Meter Mull, sondern nur für 375 — der
pharmaceatische Kritiker lässt ein Drittel, wenn nicht die Hälfte der
Flüssigkeit abfliessen.
2) Der pharmaceatische Kritiker sagt in demselben Absatz:
„Da nach den gültigen Submissionsbedingungen das Stück Mull von 40 Meter
in der Regel 1 Kilo wiegt.'
In Wahrheit ist auch diese Angabe ganz falsch, wir haben Mull
von Kahnemann and Siebenlist gewogen, ein Weniges mehr als
26 Meter wiegen in Wirklichkeit 1 Kilo, wir glaubten uns deshalb
berechtigt, in vorstehendem Artikel abrnndend zu sagen:
Die offlcielle Sublimatlösung imprägnirt das gleiche Gewichts«
Volumen MulL
15 Liter Sublimatlösung imprägniren 400 Meter Moll,
1 „ =1 Kilo imprägnirt 26Vs Meter Mull = 1 Kilo,
sUo 1 Liter Flüssigkeit = 1 Kilo Mull.
3) Welchen Werth sollen wir der Berechnung des Proceutgehalts
der Verbandstoffe an Sublimat, die der pharmaceutische Kritiker liefert,
beilegen, wenn derselbe mit so groben Irrthümern rechnet? —
4) Der pharmaceatische Kritiker sagt:
„Nun, wer jemals zum Imprägniren der Watten wässerige Lösnngen benutzt
uod wer jemals das Anlegen von grösseren Verbänden mit solchen wässerigen
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314
Watten beobachtet hat, wird es unbegreiflich finden, dass bei einer so tief ein¬
greifenden Anleitung för die ganze Armee mit so -wenig Sachkenntniss vorgegangen
worden ist. Nach Absatz 9 soll die Watte recht (gedruckt steht „nicht“. Ref.)
locker bei dem Trocknen liegen, der arme Pharmaceut oder Lazarethgehülfe mag
sehen, wie er diesem Absatz nachkommt! Der verbindende Stabsarzt wird von der
nach Vorschrift hergestellten Watte wenig genug erbaut sein; zum Imprägniren der
Watte darf eben nur eine spirituöse, aber niemals eine wässerige Losung ge¬
nommen werden.“
In Wahrheit ist auch die mit wässerig-spirituoser Sublimatloeung
ixnprignirte Watte ein ganz vortreffliches Verbandmaterial, die, nachdem
sie, ebenso wie der Mull in Stricke zusammengedreht, ansgepresst wurde,
über Waschleinen rasch trocknet (12 Standen) and nach dem Trocknen
schon locker and zam sofortigen Verband geeignet ist Nachdem Ver-
fasser sowohl mit Spirituosen wie mit wässerigen Watten genügsam ge¬
arbeitet, zieht er mit Rücksicht auf den Preisunterschied (cfr. S. 309)
die letzteren vor.
5) Was der pharmaceutische Kritiker von dem Mürbe- and Zerreiblich-
werden des Catgats sagt, bedarf keiner Zurückweisung, die offfcielle
Anleitung lässt weder Catgut noch Seide in öprocentige Sublimatlösong
legen, sondern in 5promillige. —
Wir kennen die Pharmaceutische Zeitung als ernstes wissenschaftliches
Organ, die Verlagshandlung derselben erfreut sich in medicinischen
Kreisen des besten Rufes, um so mehr müssen Redaction und Verlag
bemüht sein, eine sachliche Prüfung vorzunehmen, sie werden es alBdann
für Pflicht halten,*) ihren irrenden und übelwollenden Referenten zu
corrigiren. Bruberger.
*) Mit Freude ersehen wir, dass die Pharmaceutische Zeitung schon von selbst
dieser Pflicht nachgekommen ist, sie bringt in No. 47 folgende Berichtigung:
„Wir brachten in No. 45 der Pharmaceutisehen Zeitung eine uns zugesandte
Kritik des vom Preussischen Kriegs-Ministerium neu eingeführten Verfahrens zur
Darstellung von Verbandstoffen, worin dieses Verfahren als ein unbrauchbares und
einer sofortigen Abänderung bedürftiges bezeichnet wird. Es geht uns nunmehr
von anderer sachkundiger Seite die Mitteilung zu, dass jene Kritik eine durchaus
unberechtigte und unbegründete war. Das betreffende Verfahren ist ein von Auto¬
ritäten der Kriegs - Chirurgie gebilligtes, welches erst nach zahlreichen sorgfältigen
Versuchen angenommen worden ist.“
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315
Weitere Beiträge znr Kenntniss der WärmeSkonomie
des Infanteristen anf dem Marsche nnd znr Behandlung
des Hitzschiages.
, Von
Dr. A. Hiller,
Stabs- and Bntaillonsarzt im 2. Schlesischen Grenadier-Regiment No. 11 nnd Priratdocent an der
Universität Breslau.
Die Fortsetzung meiner Untersuchungen über die Wärmeökonomie
des Infanteristen auf dem Marsche hat zu Ergebnissen geführt, welche
die in der ersten Arbeit*) gemachten Angaben wesentlich erweitern
und befestigen, zn einem kleinen Theile sogar berichtigen. Die Er¬
weiterung besieht sich auf das Verhalten der Eigenwärme des Infante¬
risten anf dem Marsche, auf die genaue Berechnung der während des
Marsches durch die Kleidung im Körper zuruckgehaltenen Wärme und
die darauf begründete Schätzung der während der Marschleistung vom
Körper überhaupt gebildeten Wärme, sowie anf die Vergleichung der
Wirkung des von mir zur Abkühlung hitzschlagkranker Soldaten empfoh¬
lenen Verfahrens mit der Wirkung kühler Bäder und die praktische Er¬
probung dieses Verfahrens an fiebernden Typhuskranken; die Berichtigung
endlich betrifft die unmittelbare Anwendung der in den rein physikalischen
Versuchen der Reihe D. „Abkühlungsversuche“ (Seite 361 a. a. O.
und Seite 53 des S.-A.) gewonnenen Erfahrungen betreffs der Ab-
kühlungszeit bei schwitzender Oberfläche und in bewegter Luft auf die
Abkühlungszeit beim erhitzten (hitzschlagkranken) Menschen.
Ihrer Natur nach und entsprechend ihrem verschiedenartigen Inhalt
habe ich diese Zusätze zu der ersten Arbeit in Form kleinerer Abhand¬
lungen nachfolgend zusammengestellt, von denen die erste die Eigen¬
wärme des Infanteristen auf dem Marsche, die zweite die Wir¬
kung des von mir empfohlenen Abkühlungsverfahrens beim
Menschen behandelt; als dritte Mittheilung habe ich, infolge einer
Aufforderung von Offizieren, eine Erörterung über die wünschens¬
werten Erleichterungen in der Kleidung des Infanteristen
im Sommer hinzngefugt.
*) Ueber Erwärmung und AbkGhlung des Infanteristen auf dem Marsche und
den Einfluss der Kleidung darauf. — Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1885 %
Heft 7 u, 8.
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316
I. Das Verhalten der Eigenwärme des Infanteristen auf
dem Marsche.
Die Eigenwärme des Menschen wird bestimmt durch swei Factoren
von entgegengesetzter Tendenz, welche während des Lebens in beständiger
Bewegnng begriffen sind, nämlich dnrch die Einnahmen des Organismus
an Wärme and die Ausgaben an solcher.
Die Einnahmequellen an Wärme sind für den marschirenden
Infanteristen zur Sommerzeit, wie wir in der früheren Arbeit gesehen
haben, dreierlei Art:
1) die vom Organismus im Zustande der Ruhe gebildete Wärme,
2) die durch Muskelarbeit beim Marschiren mit Qepäck erzeugte
Wärme, und
3) die Erwärmung durch Bestrahlung von der Sonne.
Von diesen drei Quellen sind die beiden ersteren, wie wir sahen,
auf dem Marsche continuirlich wirksam, während die letztere in der
Regel nur zeitweise, selten während der ganzen Dauer eines Marsches,
thätig ist. Die Grösse der Wärme-Einnahmen hatten wir für den Zu¬
stand der Ruhe und die Dauer einer Stunde auf Grund der calori-
metrischen Untersuchungen von Hirn*) auf durchschnittlich 155 Ca-
*) Die von Hirn für die Ruhe erhaltenen Werthe erscheinen, verglichen mit
der von Helmholtz durch Rechnung ermittelten Zahl, als beträchtlich zu gross.
Auch a priori war, nach den von Ludwig, Clausius und Liebermeister geltend
gemachten Fehlerquellen an Hirn’s Calorimeter, ein zu grosser Werth zu erwarten.
Dennoch haben diese Versuche, wie Liebermeister (Handbuch der Pathologie
und Therapie des Fiebers. Leipzig 1875. Seite 192) anerkennt, „eine grosse
relative Beweiskraft, um so mehr, da nach der Anordnung des Versuchs und
der Rechnung zu erwarten ist, dass die während der Arbeit erhaltenen Werthe im
Vergleich zu den in der Ruhe erhaltenen jedenfalls zu gering ausfallen mussten. 6
Es wird hierdurch der Fehler bei der ersten Berechnung (für die Wärmeproduction
in der Ruhe) einigermaassen wieder ausgeglichen. Wir können daher die für die
Muskelarbeit ermittelten Werthe, welche wir unserer Berechnung der Wärme-
production durch die einstündige Marschleistung des Infanteristen zu Grunde legten,
als annähernd richtig annehmen.
Ich lasse hier, zur Vervollständigung meiner früheren Angaben, einige Resultate
der Hirn'sehen Versuche im Auszuge folgen: Ein Mann von 42 Jahren lieferte in
6 verschiedenen Versuchen in der Ruhe: 144, 147, 148, 155, 170, 170 Calorien,
während der Arbeit (Gehens auf dem beweglichen Tret-rade) in 12 Versuchen:
246, 284, 302, 309, 334, 251, 203, 351, 292, 269, 251, 255 Calorien, mithin im
Mittel in der Ruhe 155, in der Arbeit 251 Calorien. — Bei einem 18 jährigen
Manne betrug die st&udliche Wärmeabgabe in der Ruhe 161, während der Arbeit
264 Calorien; bei einem 18jährigen Frauenzimmer in der Ruhe 129, während der
Arbeit 252 Calorien; bei einem 47jährigen Manne in der Ruhe 140—148, während
der Arbeit 229—251—280 Calorien. — Man vergl. bezüglich der Kritik dieser
Versuche Liebermeister, a. a. O. Seite 138—142.
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317
lorien angenommen (nach der theoretischen Berechnung von Helmholt*
würde sie nur etwa 114 Calorien pro Stande betragen). Die darch ein-
stündiges Marschiren in vollständig kriegsmässiger Aus¬
rüstung, d. h. also durch das Forttragen der Körperlast -f- 35 kg Be-
kleidang and Aasrastang, gebildete Warme hatte ich, gleichfalls unter
Zugrundelegung der von Hirn für geleistete mechanische Arbeit von
bestimmter Grösse gefundenen Werthe, auf ungefähr 300 Calorien oder
das Doppelte der in der Rahe gebildeten Warme berechnet
Endlich für die erwärmende Kraft der Sonnenstrahlen auf einem ein»
ständigen Marsche hatte ich* unausgesetzte Bestrahlung and nahezu senk¬
rechte Incidenz der Sonnenstrahlen vorausgesetzt, auf Grund des von
0. Hagen durch directe Versuche ermittelten absoluten Erwärmungs-
werthes ( 1,76 g Calorien pro , bei 800 qcm bestrahlter Haut¬
oberflache des Körpers des Infanteristen eine Einnahme von 84,48 Ca¬
lorien angenommen, wobei die gleichzeitige, nicht unbeträchtliche
Erwärmung der Kleidungs- und Ausrüstungsstücke durch die Sonne (vergl.
Versuchsreihe A. der ersten Arbeit, a. a. O. Seite 332) ganz ausser
Rechnung gelassen wurde.
Die ge8ammten Einnahmen an Wärme während eines ein-
stündigen Marsches im Sommer zur Mittagszeit in voller
kriegsmässiger Ausrüstung wurden daher auf rund 385 Ca¬
lorien oder das 27>fache der in der Ruhe gebildeten Wärme
berechnet Der Zuwachs an Wärme-Einnahmen durch die Marsch¬
leistung unter den genannten Bedingungen beträgt demnach etwa 235 Ca¬
lorien (oder wahrscheinlich mehr, wenn wir die von Hirn für die Ruhe
ermittelten Werthe als zu gross annehmen). Diese 235 Calorien
würden die Körpertemperatur eines Mannes von 70kg Gewicht
und 0,83 specifischer Wärme bei gleichbleibender, d. h. nicht
gesteigerter Wärmeabgabe um 2,8° C., d. h. von 37,5° bis auf
40,3° C. erhöhen. Wir werden unter den nachfolgenden Messungen der
Körpertemperatur von Infanteristen nach Marschleistungen von bestimmter
Grösse eine solche Messung Anden (Lazarethgehülfe Hämel, VH. Beob.
am 17. 9. 85, Seite 334), in welcher bei fast völliger Gleichheit der Ver¬
suchsbedingungen — % ständiger Marsch zur Mittagszeit bei + 27 ° C. Luft¬
temperatur, unausgesetzter Bestrahlung und massigem Winde — die ge¬
nannte Körpertemperatur, nämlich +40,2° C. im After, thatsächlich
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318
erreicht wurde.*) Schoner kann die Uebereinstimmung zwischen
theoretischer Berechnung und praktischem Versuch, zumal bei der Mannig¬
faltigkeit und Veränderlichkeit der gleichzeitigen, die Abkühlung des
Körpers beeinflussenden Bedingungen (Witterung, Kleidung, Schweits-
ab8onderung), wohl nicht gedacht werden! —
Was nun die Ausgaben des Organismus an Wärme während
eines einstündigen Marsches anbetrifft, so hatten wir darüber Folgendes
ermittelt:
In der Ruhe entsprechen die abgegebenen Wärmemengen genau den
eingenommenen; es besteht vollkommene Wärmebilance. Der Organismus
giebt demnach in 24 Stunden nach Helmholtz 2736 Calorien, nach Hirn
3720 Calorien nach aussen ab, im Mittel 3216 Calorien oder pro Stunde
134 Calorien.
Von diesen Wärmemengen werden (in der Ruhe) etwa 4/* (nach
Helmholtz 77,5 pCt, nach J. Rosenthal und Vierordt 85 pCu)
durch die Haut ausgeschieden, der Rest, etwa */») durch die Lungen
abgegeben und zur Erwärmung aufgenommener Speisen und Getränke
verwendet.
Die Haut ist demnach das bei weitem wichtigste Abkuhlungsorgan
des Menschen. Sie giebt die Wärme des Körpers auf drei verschiedene
Weisen nach aussen ab: durch Leitung, Strahlung und Wasser-
verdunst'ung. Alle diese drei Vorgänge stehen in strenger Abhängig¬
keit von dem Verhalten der atmosphärischen Luft, welche den
Körper umspult, und zwar von der Temperatur, dem Feuchtigkeits¬
gehalt und dem Bewegungsgrade derselben. Da die Grösse dieser
einzelnen Factoren und damit die Grösse der Wärmeabgabe durch Leitung,
Strahlung und Verdunstung je nach Zone, Klima, Jahres- und Tageszeit
einem beständigen und ausgiebigen Wechsel unterworfen ist, so bedarf
der menschliche Organismus, um schwere Störungen seiner Wärmebilance
zu verhüten, auch seinerseits der Fähigkeit, die Grösse der Wärmeabgabe
von der Haut durch Leitung, Strahlung und Verdunstung variiren
und den wechselnden atmosphärischen Einflüssen anpassen zu können.
Diese Regulirung der Wärmeabgabe erfolgt bekanntlich durch Er¬
weiterung und Verengerung der Blutgefässe lind dadurch herbeigefuhrte
wechselnde Blutfulle der Haut einerseits, durch Veränderung der Grösse
*) Die geringere Belastung des Lazarethgehülfen im Vergleich zum Infanteristen
(durchschnittlich im Manöver 12,5 kg gegen 33,5 resp. 35 kg, also + Körpergewicht
[65 kg] = 77,5 kg gegen 100 kg, oder s /4 4er Gesammtlast des Infanteristen) wurde
in diesem Falle .durch die um */4 grössere Weglänge bezw. Marschdauer compen9irt.
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319
der Schweißabsonderung andererseits, und zwar in so vollkommenem
Grade, tdass für gewöhnlich, im Zustande der Rohe, der Mensch im
Winter f nnd im Sommer, am Aeqoator nnd in der gemässigten Zone,
immer die gleiche Körpertemperatur hat
Die grosse Veränderlichkeit dieses Wärmeregulirungs-Mechanismus
der Haut bei wechselnden äusseren Bedingungen und selbst schon aus
mannigfachen inneren Ursachen (psychische Vorgänge, Verdauung, Fieber)
maeht es fast unmöglich, die Grosse der Wärmeabgabe der Haut durch
Leitung, Strahlung und Verdunstung bei bestimmter Lufttemperatur, be¬
stimmtem Bewegungsgrad und Feuchtigkeitsgehalt derselben mit hin¬
reichender Genauigkeit zu bestimmen. Nicht nur ist die Weite der
Hautgefässe und damit der Blutgehalt der Haut bei Anwendung ver¬
schiedener Lufttemperaturen sehr verschieden, sondern es wechselt auch
das Caliber und der Blutgehalt im Verlaufe eines Versuches sehr erheblich
je nach der Intensität des Reizes, welchen die Wärmeentziehung ent¬
sprechend ihrer verschiedenen Schnelligkeit auf die Hautgefässe ausübt.
Man kann wohl rein physikalisch die Grosse der Wärmeentziehung
durch Wasserverdunstung einerseits und durch Leitung und Strahläng
andererseits bei verschiedener Temperatur, Feuchtigkeit und Geschwindig¬
keit der Luft feststellen; doch dürfen die auf diese Weise ermittelten
Werthe nicht ohne Weiteres auf die Wärmeabgabe der menschlichen
Haut übertragen werden. Für die Wasser Verdunstung hat Helm-
holtz*) die Grosse der Wärmeentziehung bei verschiedener Lufttemperatur
Temperatur
der
Atmosphäre
0 Celsius
A.
Sättigungsgrad der Luft mit Feuchtigkeit
B.
Ohne
Verdunstung
50«/.
70«/.
90»/.
100«/.
35
11,6
8,0
4,3
2,4
0,5
30
15,0
12,1
9,3
7,9
1,7
25
17,9
15,8
13,6
12.5
2,9
20
20,5
18,9
17,3
16,5
4,2
15
22,9
21,7
20,5
19,9
5,6
10
25,1
24,2
23,3
22,9
6,9
5
27,2
26,5
25,9
25,5
7,4
0
29,1
28,6
28,2
28,0
9,9
# ) Encyklopädisches Wörterbuch, Band XXXV, S. 553. Artikel: Wärme
(1846). — Die Calor, der Tabelle sind kleine oder sog. Gramm- Cal.
22
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320
and verschiedenem Sättigungsgrade der Luft mit Feuchtigkeit theoretisch
berechnet und in einer Tabelle zusatnmengestellt. Da dieselbe wenig be¬
kannt sein dürfte, gebe ich sie hier (S. 319) wieder. Es sind darin diejenigen
Wärmemengen berechnet, welche 1 g Luft bei 760 mm Atmosphärendruck
einer stets 37° G. warmen Haut entziehen würde; Golumne A. giebt die
Werthe für die schwitzende Haut, B. diejenigen für die trockene Haut an.
Also bei 20° R. (25° C.) würde hiernach 1 cbm Luft*) mit 50 pCt
relativer Feuchtigkeit der schwitzenden menschlichen Haut 21,2 Calorien
Wärme entziehen können, wenn die Temperatur, der Blutgehalt und die
Feuchtigkeit der Haut immer die gleiche bliebe. Um dem marschirenden
und schwitzenden Infanteristen die in einer Stunde insgesammt (in maximo)
eingenommenen 385 Calorien wieder zu entziehen, würden demnach bei
20° R. und 50 pCt. relativer Feuchtigkeit nur 18,15 cbm Loft erforderlich
sein, vorausgesetzt, dass dieselbe sich vollständig mit Wasserdampf sättigte
und gleichzeitig bis auf 37° (Hauttemperatur) erwärmte. Selbst bei
trockener, also gar nicht schwitzender Haut würden, um dem Körper die
genannten Wärmemengen zu entziehen, doch nur 113 cbm Luft erforder¬
lich sein, wofern dieselbe sich von 25° auf 37° C. erwärmte. Nimmt
man an, was der Wirklichkeit viel näher kommt, dass die Luft sich
hierbei nur bis auf 29° C. erwärmte — welche Temperatur, wie ich in
der vorigen Arbeit gezeigt habe, von der Luft der äusseren Kleider¬
schichten, selbst bei weit niedrigerer Aussentemperatur, thatsächlich ganz
gewöhnlich erreicht wird —, so würden, um jene 385 Calorien von der
Haut aufzunehmen, bei nicht schwitzendem Körper nur 339 cbm
Luft pro Stande and bei schwitzendem Körper and 100 pCt
relativer Feuchtigkeit, also unter den denkbar ungünstigsten Ver¬
hältnissen, sogar nur 114 cbm pro Stunde erforderlich sein.
Wäre der Körper des Infanteristen nackt, nur von seinen noth-
wendigen Ausrüstungsstücken (Tornister, Gewehr, Patronentasohen, Seiten¬
gewehr, Brotbeutel, Feldflasche, Schanzzeug) bedeckt, und böte etwa
1,0 qm freier Hautoberfläche**) der atmosphärischen Luft zur Abkühlung
dar, so brauchte dieselbe unter den genannten Bedingungen, also bei
*) 11 Luft wiegt bei 0° und 760 mm barometr. Druck 1,293 g. Bei 25° C. hat 1 g
Luft ein Volumen von 0,8441. 1 cbm Luft wiegt demnach bei 25° C. = 1184,8 g und
17 9
kann (bei 50 pCt. rel. Feuchtigkeit) 1184.8 X —= 21,2 Calorien aufnehmen.
**) Die gesammte Hautoberfläche hatte ich in der früheren Arbeit auf rund
1,75 qm berechnet. Vierordt giebt sie, wie ich nachträglich gefunden habe, fast
ebenso gross an, nämlich auf 1,65 qm.
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321
+ 85° C. aod gar nicht schwitzendem Körper, nor eine Ge¬
schwindigkeit von 0,91 m in der Secunde, ja bei schwitzendem
Körper nnd vollständiger Sättigung der Luft mit Wasser¬
dampf sogar nur eine Geschwindigkeit von 0,31 m in der
Seennde haben, nm 385 Calorien im Verlaufe einer Stunde von der
Bant aufzunehmen; in beiden Fällen wurde die Luft von der Haut als be¬
wegt gar nicht verspürt werden. Da der Infanterist aber auf dem Marsche
sich selber mit einer Geschwindigkeit von durchschnittlich 1,4 m in der
Seennde (1 km in 12 Minuten) fortbewegt, so brauchte in beiden Fällen
die Luft überhaupt gar nicht bewegt zu sein, sondern es konnte absolute
Windstille bestehen, welche in Wirklichkeit indessen im Freien niemals
vorkommt
Man ersieht aus diesen Betrachtungen, dass der Körper des In¬
fanteristen an und für sich auch unter den denkbar ungünstigsten atmo¬
sphärischen Bedingungen-f- 25° C., 100pCt. relativer Feuchtigkeit
und absoluter Windstille!— mit Leichtigkeit im Stande ist, sich der
wahrend eines einstündigen Marsches im Sommer zur Mittagszeit bei
vollständiger kriegsmässiger Belastung in maximo aufgenommenen Wärme¬
menge von etwa 885 Calorien wieder zu entledigen. Auch wenn, wie
es sehr wahrscheinlich ist, angenommen werden muss, dass die Haut in
diesem Falle nicht constant 37° C. warm bliebe, sondern sich bis auf
36° C. abkühlte, dass ferner durch die infolge des Abkühlungsvorganges
ein tretende Verengerung der Hautgefässe der Blutgehalt der Haut auf
oder unter das Durchschnittsmasse sänke und die Schweisssecretion
beständig innerhalb mittlerer Grenzen sich hielte, ja endlich, dass auch
die den Körper umspülende atmosphärische Luft bei der nur kurz dauern¬
den Berührung mit der Hautoberfläche sich nicht um 4°C., sondern nur
mn 1° C. erwärmte, so würden doch die enormen Luftmengen, welche in
Wirklichkeit beim Marschiren im Freien während einer Stunde die
Korperoberfiäche des Soldaten bestreichen, vollkommen ausreichen, um
die durch die Marschleistung mehr gebildete Wärme dem Körper wieder
za entziehen. Um jenes Maximum von 385 Calorien während einer
Stande dem Körper zu entziehen, müsste die umgebende Luft pro
Seennde 1,069 Calorien aufnehmen. Die hierzu erforderliche Luft¬
menge beträgt, wenn wir einen im Sommer häufig vorkommenden und
erfkhrungsgemäss so überaus leicht zum Auftreten von Hitzschlag führen¬
den Fall annehmen, nämlich + 30° C. (24° R.) und 70 pCt. R. F.,
bei nur 1 qm bestrichener, aber schwitzender Hautoberfläche, und Er¬
wärmung der Luft dabei nur um 1° C. voraasgesetzt, bei vollständiger
22 *
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322
Sättigung bis 100 pCt. pro Secunde = 112 1 oder pro Stunde 40,6 cbm,*)
und bei unvollständiger Sättigung der Luft mit Wasserdampf s. B. nur
bis zu 80 pCt. R. F., etwa das Dreifache oder rund 120 cbm pro
Stunde, ln Wirklichkeit werden aber dem Körper des Infanteristen auf
dem Marsche, bei nur 4m Wind- und Marschgeschwindigkeit, also bei
ruhigem Wetter, in der Secunde schon 4 cbm, in einer Stunde demnach
360 x 4 = 1440 cbm Luft zugeführt; diese 1440 cbm Luft wären im
Stande, unter den angeführten, dem Auftreten von Hitzschlag erfahrungs-
gemäss höchst günstigen Bedingungen, das Zwölffache an Wärme dem
Körper des Infanteristen zu entziehen.
Soviel erhellt aus diesen Berechnungen, dass es an den atmosphäri¬
schen Verhältnissen unseres Glimas und an dem Organismus des In¬
fanteristen nicht liegen kann, wenn trotzdem so häufig im Sommer
schwere Störungen der Wärmebilanz seines Körpers mit beträchtlicher
Wärmeanhäufung und excessiver Steigerung der Körpertemperatur bis
zur tödtlichen Höhe des Hitzschlages (+ 44° C.I) Vorkommen. Vielmehr
ist der Grund hierfür, wie ich in der früheren Arbeit ausführlich dar¬
gelegt habe, lediglich in der Kleidung des Infanteristen zu suchen,
und zwar nicht etwa in der Kleidung an und für sich, sondern in der
Art seiner Bekleidung.
Führt man obige Berechnung der Wärmeentziehung durch die Loft
nach der Tabelle von Helm hol tz für niedrigere Temperaturen, wie sie
in unserem Clima im Frühjahr, Herbst und Winter herrschen, weiter
durch, so überzeugt man sich bald, dass die dem nackten Körper ent¬
zogenen Wärmemengen weit grösser werden, als das Bedürfnisse zumal
des ruhenden Körpers, erheischt. Um sich daher gegen übermässige,
dem Organismus nachtheilige Verluste an Wärme zu schützen, bedarf
der Mensch unseres Climas der Kleidung. Da aber das Bedürfniss nach
einem Schutzmittel gegen zu starke Abkühlung der Haut in deu einzelnen
Jahreszeiten verschieden gross ist, so wird die Kleidung von der Be¬
völkerung instinctiv so gewählt, dass sie ihren Körper in der kühleren
Jahreszeit mit zahlreicheren und in der Regel auch dickeren Schichten
*) 1 g Luft von 30° C. hat ein Volumen von 0,858 1. 1000 1 oder 1 cbm Luft
von 30° wiegen demnach 1165,5 g. lg dieser Luft von 70 pCt. relativer Feuchtig¬
keit kann der schwitzenden menschlichen Haut von 37° C., bei Erwärmung um nur
1° — also bis 31° — 8,13 kl. Calorien entziehen. 1 cbm Luft von gleicher
_8,13
1000
Beschaffenheit demnach 1165,5 X
= 9,475 Calorien (Liter - Calorien).
385 Calorien erfordern demnach pro Stunde 40,6 cbm.
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323
von schlechten Wärmeleitern umgiebt, als in der wärmeren Zeit. Ganz
allgemein unterscheidet man in der Civilbevölkerung in den nur einiger-
Insassen begüterten Classen einen Sommeranzug und einen Winter¬
anzug und hat selbst bei diesen noch Modifikationen (Sommer- und
Winteruberzieher, Unterkleider), welche ein genauestes Anpassen dieser
Hemmungsvorrichtung für .den Wärmeabfluss des Körpers an das jeweilige
nnd so mannigfach wechselnde Abkühlungsbedürfniss in den verschiedenen
Jahres- und selbst Tageszeiten ermöglichen.
Anders der Infanterist. Oekonomische und militärisch-praktische
Grunde haben dahin geführt, dem Soldaten für alle Jahreszeiten nur
einen Anzug zu geben. Der gegenwärtige Anzng der preussischen
Infanterie ist aber, wie ich in der ersten Arbeit bereits darlegte, in
ausgesprochenem Maasse ein Winter an zag, Mehr als %o der Korper-
oberfläche des Infanteristen ist mit einer zwei- bis dreifachen Schicht
von Kleiderstoffen umgeben, welche in der Reihe der schlechten Wärme¬
leiter obenanstehen nnd die Wärmeabgabe der Haut durch Leitung und
Strahlung energisch hindern; die Dichtigkeit des Gewebes dieser Stoffe,
die allseitige Umfriedigung von Rumpf und Extremitäten mit diesen
Stoffen, endlich das feste Andrücken derselben an die Korperoberfläche
durch die Befestigungsart und die Last der Ausrüstungsstücke (Tornister,
Patronentaschen, Mantel, Schanzzeug, Feldflasche, Brotbeutel, Gewehr)
aetst der Schweissverdunstung auf der Haut und der Lufterneuerung auf
der Korperoberfläche — diesen wichtigsten Abkühlungsfactoren des
Infanteristen auf dem Marsche — kräftigen, an manchen Stellen (Schultern,
Brust, Lenden) fast unüberwindlichen Widerstand entgegen.
Ich habe sodann durch eine grossere Reihe von Versuchen den die
Abkühlung hemmenden Einfluss dieser Kleidung an einer mit warmem
Wasser gefüllten Glasflasche ziffermässig festzustellen gesucht, indem ich
die Abkühlungszeit der nackten und der militärisch (mit Hemde und
Waffenrock) bekleideten Flasche von 44° und 36° C. (Hitzschlag-
Temperaturbreite), in schwitzendem und nicht schwitzendem Zustande,
bei bestimmter Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit und Windgeschwindigkeit
mit einander verglich (S. 361—377 a. a. O. oder S. 53—69 des Separat-
Abdrucks). Es ergab sich, dass die Bekleidung mit Hemde und Waffen¬
rock die Abkühlung der Flasche bei trockener Oberfläche um das
3—5fache, bei schwitzender Oberfläche um das 4 »/j fache an Zeit
verzögerte oder, mit anderen Worten, in der gleichen Zeit das 3—5 fache
reap. 3*/i—4 J /ifache an Wärmeeinheiten in der Flasche zurückhielt. Der
den Wärmeabfluss hemmende Einfluss der Kleidung war demnach grosser
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bei trockener als bei schwitzender Oberfläche, d. h. die Kleidung hemmte
die Wärmeabgabe durch Leitang and Strahlung in höherem Grade, als
diejenige durch SchweissVerdunstung, zumal bei bewegter Loft von
3—4 m Geschwindigkeit.
In folgender Tabelle habe ich die Resultate der hier in Betracht
kommenden Versuchsreihen zusammengestellt.
A. Oberfläche trocken.
Unbekleidet
Mit Hemde bekleidet
Mit Hemde und Waffenrock
bekleidet
q Temperatur
3 Bewegung ^
Feuchtigkeit
Ab-
gekühlt
von
° C.
in
Minuten
q Temperatur
Luft
tc
Sd
4>
£
a
m
% , Ab-
.5? i gekühlt
| von
i\ °c.
in Minuten
^ Temperatur
3 Bewegung g>
«-
%
f
<y
°/o
Ab¬
gekühlt
von
°c.
in Minuten
i7 ; 0
33
1 44—36
57'
20
0
34 44—36
85'
17,5
0
52
44—36
134
19 1
22
i 44—36
36'
—
—
I
—
14
i
75 1
44—36
69
13 2
43
44—36
22'
__
—
—
15
2
41
44—36
77'
17 3
38
44—36
18’ 15"
—
—
— —
—
15
3
44
44—36
76'
T
31
44—36
15
23
4
36 44—36
41"
15
4
69
44—36
75'
Von diesen Ergebnissen sind am besten vergleichbar, wegen Ueber-
einstimmung der Lufttemperatur, diejenigen bei Windstille; es verhalt
sich hierbei die Abkühlungszeit der unbekleideten znr militärisch be¬
kleideten Flasche (unter fast gleichen Bedingungen) wie 1:2,4.
Bemerkenswerth ist, dass trotz wachsender Windgeschwindigkeit von 2
bis zu 4 m in der Secunde, bei gleicher Lufttemperatur, die militärische
Kleidung die Abkühlung der Flasche in fast genau gleichem Grade
hinderte. Es erklärt sich dies aus der Dichtigkeit des Tuchgewebes,
welche die unmittelbare Einwirkung des Windes auf die Oberfläche des
warmen Gefässes hinderte. Im Mittel verhält sich die Abkühlungszeit
der nackten zu derjenigen der bekleideten Flasche bei 3 m Windgeschwin¬
digkeit und 17° bezw. 15° C. Temperatur wie 1:4,7.
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B. Oberfläche schwitzend.
Mit Hemde bekleidet
Luft-
s |
Ab-
2 1
jil
in
2 1 5
.SP gekühlt
0h 1
2
Minuten
S |
H «
£
°C.| m
ö
0
©
Mit Hemde und Waffenrock
bekleidet
in i»i*i
r*TTii
326
stets feucht erhalten) bei weit geöffnetem Kragen jind fast freiem Habe
(ohne Halsbinde) stattfand.
Wir sehen also, dass zwei Momente vorhanden sind, welche Störung«
in der Wärmeökonomie des Infanteristen auf dem Marsche herbeizufuhren
im Stande sind, einerseits die Steigerung der Einnahmen an Wärme Ins
aaf das Doppelte der normalen Wärme und darüber, andererseits die
erhebliche Verminderung der Ausgaben an Wärme durch die Kleidung
des Infanteristen und zwar um das Drei- bis Vierfache der Ausgaben
des unbekleideten Körpers.
Die erstere Grösse bleibt, bei gleicher Belastung und gleicher Dauer
der Marschleistung des Infanteristen, bis auf den wechselnden Einfluss der
Bestrahlung durch die Sonne, unter allen Verhältnissen annähernd
constant; die Behinderung des Wärmeabflusses durch die Kleidung hin¬
gegen erweist sich in ausgesprochenem Maasse abhängig von den
wechselnden meteorologischen Zuständen der atmosphärischen Luft, ins¬
besondere von der Temperatur, von der Windgeschwindigkeit und dem
Feuchtigkeitsgehalt der Luft.
Es wird daher zunächst die Aufgabe sein, festzustellen, unter welchen
meteorologischen Bedingungen eine Störung der Wärmebilanz des In¬
fanteristen unter dem Einflüsse der Kleidung, gleiche Marschleistung und
damit gleiche Wärmeeinnahmen vorausgesetzt, zu Stande kommt Dies
war nur zu ermitteln durch Messungen der Körpertemperatur des
Infanteristen bei verschiedenartigem Wetter, nach Zurück¬
legung eines Marsches von bestimmter Dauer.
Diese Messungen habe ich theils im letzten Manöver, tbeils im
laufenden Frühjahr (Monat Mai 1886) in hiesiger Garnison an Mann¬
schaften meines Truppentheils ausgeführt. Es stehen mir gegenwärtig
72 solcher Beobachtungen zu Gebote. Alle Temperaturbestimmungeo
wurden im After der Leute gemacht; Bestimmungen der Achselhöhlen¬
temperator — allerdings sehr viel leichter ausführbar und öfter von
meinen Lazarethgehülfen unaufgefordert gemacht — wurden grundsätzlich
zurückgewiesen, da die Haut der Leute nach dem Marsche stets schwitzt
und es nicht möglich ist, die Achselhöhle beim Messen hermetisch gegen
die Aus8enluft abzuschliessen. Die Messungen wurden nur mit brauch¬
baren und vorher regulirten Krankenthermometern mit Zehntel-Theilung
gemacht. Bei 44 Beobachtungen und zwar den zuletzt (in der Garnison)
ausgeführten war die Bestimmung der Aftertemperatur eine doppelte,
^ nämlich kurz vor dem Marsche und nach Beendigung des Marsches; bei
der Mehrzahl derselben wurde ausserdem gleichzeitig die Temperatur in
i
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327
den Kleidungsstücken des Infanteristen (Helm, Mütze, Waffenrock, Mantel,
Patronentasche, Tornister) in der früher angegebenen Weise bestimmt.
£s dienten stets dieselben Leute zn diesen Messnngen. Von Allen wurde
das Körpergewicht vor der Versuchsreihe bestimmt. Jeder hatte sein
besonderes Thermometer, mit welchem alle Temperaturbestimmongen an
ihm gemacht wurden. Diese 44 Beobachtungen sind daher in jeder
Beziehung die genauesten; sie gestatten auch, wie wir sehen werden,
einige weitere, nicht unwichtige Schlussfolgerungen.
A. Beobachtungen im Manöver.
Temperaturbestimmungen im After von Infanteristen wahrend eines
Manövers haben, wie jeder Militärarzt weiss, ihre ganz besonderen
Schwierigkeiten. Einestheils ist die Schamhaftigkeit der Leute, anderen-
theils die Schwierigkeit, dieselben den Blicken der Cameraden und neu¬
gieriger Einwohner zu entziehen, diesen Beobachtungen sehr hinderlich.
Die erstere gelang es durch Zureden und durch die Aussicht auf eine
gute Belohnung, welche nach jeder Messung ausgezahlt wurde, sowie
auch durch allmälige Gewöhnung an das unvermeidlich Komische der
Procedur zu überwinden; bezüglich der letzteren Schwierigkeit indessen
war ich ganz auf die mehr oder weniger zufällige Anwesenheit eines
Gebüsches oder hohen Maisfeldes am Ende eines Marsches angewiesen.
Oft genug musste die Messung im Manöver wegen Mangels eines solchen
natürlichen Schutzes — Gebäude und Räumlichkeiten in bewohnten
Orten waren zu diesen Messungen, wie die Erfahrung bald lehrte, gar
nicht zu gebrauchen — unterbleiben.
Als Personen zur Bestimmung der Körpertemperatur dienten mir die
drei Lazarethgehülfen meines Bataillons und acht Füsiliere der 12. Com¬
pagnie, welche mir wiederum Herr Hauptmann Kr aus 8 bereitwilligst
rar Verfügung gestellt hatte. Diese Letzteren bildeten eine Section,
welche an Marschtagen, unter Führung des Sergeanten K., am Ende
des Bataillons marschirte, zusammen mit den Lazarethgehülfen. Auf ein
von mir gegebenes Zeichen schwenkte diese Section vom Wege ab, um
in einem in der Nähe befindlichen Gebüsch oder Maisfeld zu verschwinden,
woselbst nach möglichst schneller Lüftung der Kleider und Entblössung
der Hüften — es vergingen darüber immer 1—2 1 /* Minuten — die Ein¬
führung des Thermometers in den After durch die Lazarethgehülfen und
mich vorgenommen wurde. Sergeant K. hielt vor dem Busch Wache.
Für die Beurtheilung der erhaltenen Temperaturgrade ist in Betracht
«u ziehen die durch das Entkleiden bedingte unvermeidliche Verzögerung
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328
der Messung, sowie die relative schnelle Abkühlung des durch den Manch
erhitzten Körpers bei eintretender Ruhe und theilweiser Entkleidung des¬
selben. Rechnet man dazu die Dauer der Messung bis zur Erreichung
des höchsten Standes des Quecksilbers durchschnittlich zu 4—5 Min uten,
so ergiebt sich, dass die erhaltenen Werthe für die Körpertemperatur
durchweg als etwas zu niedrig anzusehen sind. Die Erniedrigung
fallt nach Controlmessungen (durch weiteres Liegenlassen der Thermo¬
meter und Beobachtung der Abkühlungsgeschwindigkeit) sehr verschieden
aus, je nach der Grosse der Differenz zwischen der Körpertemperatur
und der ausseren Lufttemperatur; sie schwankt für die bei unseren Messungen
in Betracht kommenden Temperaturgrenzen und für die Dauer von
5 Minuten zwischen 0,1 und 0,3° C. Diese Grösse wäre also streng
genommen zu dem abgelesenen Temperaturgrade hinzuzuaddiren, um die
wahrend des Marsches erreichte höchste Körpertemperatur mit Genauig¬
keit zu bestimmen.
Die meteorologischen Daten habe ich stets am Orte und Tage
der Beobachtung selbst bestimmt, in der Regel erst wahrend des Marsches.
Ich hatte zu diesem Zwecke ein gutes Luftthermometer in starkem
Holzfutteral (Reise - Thermometer), ein Aneroid-Barometer*), «n
Reise-Hygrometer nach August **) (bezogen von Warmbruan,
Quilitz & Co. in Berlin) und einen Com pass zur Bestimmung der
*) Das AneroTd-Barometer — von einem „Optiker und Mechaniker* in Breslau
x bezogen — stellte sich bald als für wissenschaftliche Beobachtungen ganz unbrauch¬
bar heraus. Zum Glück waren die Bestimmungen des Luftdrucks an Beobachtnngs-
tagen von allen meteorologischen Bestimmungen die am wenigsten wichtigen. Allen¬
falls konnte man die Thatsache des Steigens und Fallens von einem Tage zum
andern an dem Instrument wahrnehmen, aber mehr auch nicht; der auf der Skai»
angezeigte Luftdruck differirte oft um mehr als 10 mm (!) von dem Stande eines
guten Quecksilber-Barometers. Noch Aergeres kann man wahrnehmen, wenn maa
— wie ich es hier in Breslau gethan habe — mehrere Tage hintereinander die
in dem Schaufenster eines grösseren Geschäftes ausgestellten AneroTd-Barometer
regelmässig abliest. Die Differenzen sowohl untereinander als auch in der Gangart
des einzelnen Instruments sind ganz unglaubliche. Unter 28 ansgestellten Instrumenten
fand ich nicht zwei (!), die unter sich oder mit dem Gange eines Heber-Barometers
übereinstimmten.
**) Das Reise-Hygrometer kann ich für ähnliche Zwecke sehr empfehlen, so¬
wohl hinsichtlich, der Dauerhaftigkeit als auch der Zuverlässigkeit. Es hat allen
Fährlichkeiten und Erschütterungen einer vierwöchigen Reise über Land auf unge¬
federtem „Vorspannwagen“ ohne Schaden widerstanden und zeigte nach der Rück¬
kehr, verglichen mit einem Psychrometer von August, noch annähernd so genan,
wie bei der Abreise.
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329
Windrichtung mitgenommen; die Windgeschwindigkeit dagegen konnte
nur nach den in der gebräuchlichen Landskala gegebenen sichtbaren
Anhaltspunkten (Rauch, Wimpel, Zweige, Bäume, — siehe Seite 363 der
früheren Arbeit bezw. Seite 55 des S.-A.), sowie nach dem Hautgefühl
geschätxt werden.
Was die Grosse der Arbeitsleistung und damit zusammenhängend
der Wärmeproduction des Organismus auf dem Marsche anbetrifft,
so ist noch zu erwähnen, dass der Infanterist im Manöver nicht die volle
Last trägt, welche er im Kriege zu tragen hat, da das nicht unbeträcht¬
liche Gewicht der 80 scharfen Patronen, sowie einer Menge von Kleinig¬
keiten und Lebensbedürfnissen im Manöver in Wegfall kommt. Ich habe
theils durch Rechnung, theils durch directe Wägung die Belastung des
Infanteristen im Manöver (Kleidung und Ausrüstung) zu durchschnitt¬
lich 21,970 kg oder rund 22 kg angenommen, was für manche Marsch¬
tage, z. B. bei Rückkehr in dasselbe Quartier, entschieden noch zu hoch
ist Die Belastung der Lazarethgehülfen ist noch eine geringere, da sie
in der Regel keinen Tornister und keinen Mantel tragen und das Gewicht
des Gewehres und der Patronentaschen nur ersetzt ist durch das Gewicht
der Medicin- und Bandagentasche (ca. 3,5 kg); im Ganzen beträgt die
Last des Lazarethgehülfen im Manöver ungefähr 12,15 kg.
Rs betrug demnach die auf dem Marsche durch Muskelarbeit fort-
zntragende gesammte Last:
Beim
Körpergewicht
Kleidung u.
Ausrüstung
Gesammtlast
Lazarethgehülfen H. . .
• • 67 kg
12,15 kg
79,15 kg
Unterlazarethgehülfen L.
• . 61,5 .
12,15 „
73,65 „
. W.
• • 61 ,
12,15 ,
73,15 „
Füsilier Sp.
. . 59 „
22 ,
81,0 ,
„ p..
• • 62 ,
22 .
84,0 ,
» M.
. • 57,5 „
22 ,
79,5 „
L..
. . 59,5.
22 „
81,5 .
* D. . . . . •
• • 63,5 ,
22 „
85,5 „
„ F. . ... .
. . 63,0 „
22 .
85,0 .
Y> .
. . 66,0 „
22 ,
88,0 ,
,, W..
• • 61,5 .
22 ,
83,5 „
In der früheren Berechnung hatte ich für den kriegsmässig ausge¬
rüsteten Infanteristen ein Durchschnitts-Körpergewicht von 70 kg und
eine Belastung durch Kleidung, Waffen und Gepäck von 35 kg ange¬
nommen und daraus auf Grund von Hirn ’ s calorimetrischen Bestimmungen
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für den arbeitenden Menschen eine Wärmeprodnction von etwa 300 Ca-
lorien wahrend eines einstündigen Marsches berechnet. Diese
Zahl würde also für die Marschleidtang im Manöver zu beschränken seio,
da die Gesammtlast des Infanteristen von 105 kg auf durchschnittlich
83,5 kg oder 4 /> herabsinkt. Wenn wir dementsprechend auch die Warme-
production um etwa */» gegen die frühere Berechnung geringer ansetzen,
so beträgt die durchschnittliche Wärmeprodnction des marschirendeo
Füsiliers pro Stunde ungefähr 240 Calorien und diejenige des mar-
ßchirenden Lazarethgehülfen, mit durchschnittlich 76,5 kg Gesammtlast,
etwa 3 /« des obigen Werthes oder ungefähr 230 Calorien.
Würde nur die Hälfte dieser Wärme nach aussen abgegeben, dk
andere Hälfte dagegen im Körper des Infanteristen (durch die Kleidang)
zurückgehalten, so würde sich dadurch die Körpertemperatur des Füsiliers
von durchschnittlich 68,5 kg Gewicht nach einstündigem Marsche um I
1,6 ° C. oder von 37,5 ° auf 39,1 ° C., diejenige des Lazarethgehülfen
von durchschnittlich 63,5 kg Körpergewicht um 1,5 0 C. oder von 37,5 0 j
auf 39,0 ° C. erhöhen. Dass diese Berechnungen, trotz aller scheinbaren |
Kühnheit, sich doch thatsächlich innerhalb der Grenzen der Wahrschein- j
lichkeit bewegen, wird durch die nachstehend aufgeführten Ergebnisse
der directen Bestimmung der Körpertemperatur von Füsilieren und Lazareth- 1
gehülfen im Manöver nach Marschleistangen überzeugend dargethau.
Ich lasse nunmehr die Beobachtungen im Einzelnen folgen:
1. Beobachtung: Sonntag, den 23. August 1885.
Marsch von Bahnhof Löwen nach dem Schiessplatz bei Friedland O. S. von Mittags
11 Vs Uhr bis 5 Uhr Nachmittags, mit zwei Unterbrechungen von 10 Minuten resp.
1 Stunde Dauer.
2. Mar schperiode: nach 10 Minuten Aufenthalt folgt ein 5 /4ständiger
Marsch von 12 3 /i—2 Uhr Mittags auf offener Chaussee von Gr. Mangersdorf bis
hinter Falkenberg.
Temp.: 4- 15° R. (19° C.); Wind: SW, ziemlich frisch (4— 7m); Rel.
Feucht.: 44 pCt.; Wetter: bewölkt.
Unmittelbar nach beendigtem Marsche wird gefunden;
Beim im After
Lazarethgehülfen H.4- 88,6° C.
Unterlazarethgehölfen L.4- 88,8° C.
„ W.4- 88,9° C.
Alle drei Personen hatten massig geschwitzt; die Haut der sichtbaren Körper-
theile war geröthet und feucht; das Hemde stark feucht. Subjectives W&nnegefühl
massig erhöht. Wenige Minuten nach dem Entkleiden fiel die Temperatur, im After
ziemlich schnell; dies war wohl der Grund, dass bei H. die Temperatur um 0,2
resp. 0,3 ° niedriger w r ar.
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11. Beobachtung: An demselben Tage.
Nach einstündiger Rast bei FalkenbeTg mit reichlicher Einnahme von Speise
and Trank folgt von 3—5* Uhr Nachmittags ein zweistündiger Marsch fas 1
ganz durch Wald (Nadel- und Laubhölzer, stellenweise mit dichtem Unterholz);
nur kurz vor dem Schiessplatz wurde noch eine 20 Minuten lange freie Strecke
passirt, auf welcher frischer und kühlender SW-Wind blies.
Temp.: 4- 15° R. (19° C.); Wind: im Walde still, sonst SW 2 (4—7m);
Rel. Feucht.: 52 pCt.; Wetter: fast heiter.
Messung kurz vor dem Ziel, im Walde.
Lazarethgehülfe H. . ' . 4 - 89,4° C.
Unterlazarethgehülfe L. . 4- 89,8° C.
„ W.4- 89,4° C.
Man erkennt hier sofort den bedeutenden Einfluss der Windgeschwindigkeit
auf die Abkühlung des Körpers. Alle drei schwitzten reichlich; das Hemde war
nass. Kragen und oberster Knopf des Waffenrocks waren während des Marsches
geöffnet. Trotzdem eine ziemlich erhebliche Steigerung der Körpertemperatur um
fast 2° C.l
HI. Beobachtung: Dienstag, den 1 . September 1885.
Rückmarsch vom Schiessplatz nach Löwen. Abmarsch Morgens Uhr.
Herbstlich kühler Morgen; sogenanntes „gutes Marschwetter“. Um 6 l /4 Uhr 10 Mi¬
nuten Rast im Walde. Dann folgt ein Marsch von 1 Stunde und 25 Mi¬
nuten Dauer auf der Chaussee, grösstentheils noch durch Wald. Kragen und
oberster Knopf waren geöffnet.
• Temp.: + 9,5 ° R. (12 ° C.); Wind: NW, meist still (Wald); Rel. Feucht.:
82 pCt.; Wetter: trübe, nebelig.
Messung in dichtem Gebüsch.
Lazarethgehülfe H. 4 - 89,1° C.
Unterlazarethgehülfe L. 4 - 88,9° C.
„ W. 4- 88,8° C.
Bei W. war das Thermometer, wie beim Herausziehen festgestellt wurde, nicht
so tief in den After eingeführt als bei H. Dies dürfte die gefundenen Unterschiede,
trotz der Gleichheit aller übrigen Bedingungen, hinreichend erklären.
Also auch hier war die Temperatursteigerung eine ziemlich beträchtliche, etwa
1,5 0 C. betragend, trotz der niedrigen Lufttemperatur, offenbar wegen der geringen
Luftbewegung und dem hohen Feuchtigkeitsgehalt der Luft.
IV. Beobachtung: An demselben Tage.
Nach fast einstündiger Rast mit Einnahme von Speise und Trank folgt ein
einstündiger Marsch von 8 3 / 4 — 9 3 /4 Uhr Vormittags bis dicht vor Löwen.
Hierselbst Messung von acht Füsilieren in einem nahe der Chaussee gelegenen
Busch.
Temp.: + 10,5° R. (13,0° C.); Wind: NW 1 (schwach); Rel. Feucht.:
58 pCt.; Wetter: trübe.
Füsilier Sp.4- 88,9° C.
„ P.4- 88,8° C.
, M. 4- 89,0° C.
, L. . *' . . .. 4- 89,1° C.
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332
Füsilier D. + 88*8° C.
, K. . . .. 4- 89,0° C.
. F.4- 88,7° C.
„ W.4- 88,8° C.
Die Leute waren massig erhitzt, doch alle ziemlich lebhaft im Schweiss. Da
die Messung gut vorbereitet war, so ging sie ziemlich schnell von statten; daher
auch die ziemlich gute Uebereinstimmung der Resultate. — Mittlere Körper¬
temperatur = 38,9° C. oder etwa 1,5° über der Norm.
V. Beobachtung: Mittwoch, den 2. September 1885.
Marsch von Löwen nach Mollwitz, von 5 3 /4 Uhr Morgens ab. Um 7 1 /* Uhr
10 Minuten Rast. Dann folgt Marsch von 1 Stunde und 10 Minuten Dauer
(7 Uhr 40 Minuten bis 8 Uhr 50 Minuten) auf offener Landstrasse, mit freiem
Zutritt der Lufit.
Temp.: 4- 8° R. (10° C.l); Wind: NW, ziemlich frisch, 1—2, (4 —6m
in der Secunde); Rel. Feucht.: 63 pCt.; Wetter: bewölkt. — Hautgefühl:
Sehr frisch, kalter Wind.
Um 8 Uhr 55 Minuten wurde gefunden bei:
Füsilier K.. . 4" 88,2° C.
„ M. .4" 88,8° C.
. P.4- 88,8° C.
Bei zwei Leuten (F. und Sp.) glitt das Thermometer infolge angeregter
peristaltischer Bewegung des Mastdarms unvorhergesehenerweise aus dem After
wieder heraus. Die übrigen drei Leute waren zu spät zur Stelle, so dass die Messung
nicht mehr vorgenommen wurde. Ueberhaupt war die Ausführung der Messung
diesmal wegen Schwierigkeit der Auffindung eines schützenden Ortes um etwa
5—7 Minuten nach beendigtem Marsche verzögert worden, was (bei vollständig
bekleidetem Körper) eine Differenz von etwa 0,15 bis 0,2° C. ausmacht
VI. Beobachtung: Dienstag, den 8. September 1885.
Marsch von Mollwitz nach Prieborn. Abmarsch 6 Uhr 45 Minuten Morgens.
Um 9 Uhr Ysstündige Rast bei Bankau, mit Einnahme von Nahrung. Dann folgt
ein D/zstündiger Marsch von 9Ya—H Uhr Vormittags, meist auf ganz freier
Chaussee in etwas hügeligem Terrain.
Temp.: 4- 15° R. (19° C.); Wind: W, ganz schwach (1—2 na); Rel.
Feucht.: 83 pCt. (!); Wetter: trübe; vorübergehend einige Regentropfen. —
üautgefühl: weiche, laue, fast schwüle Luft; in der Ruhe für die Haut sehr
angenehm, bei längerem Marschiren dagegen drückend.
Die nachfolgende Messung, welche sehr wichtige Resultate ergab, verdanke
ich wesentlich der Umsicht des Sergeanten K., welcher, etwa Yä Stunde vor
Prieborn, die am Ende des Bataillons marschirende Beobachtungs-Section plötzlich
ganz selbstständig, ohne meinen Befehl hierzu abzuwarten, vom Wege abschwenken
und in ein über mannshohes Maisfeld eintreten liess. Es stellte sich hinterher heraus,
dass in der That auf der noch übrigen Strecke keine Gelegenheit mehr zur Aus¬
führung der Messungen gewesen wäre.
Die ungesäumt in dem dichten Maisfelde vorgenommene Messung ergab über¬
raschende Werthe, nämlich bei:
Füsilier Sp. :. .....4- 89,8° C.
„ P. . . . ... 4-89,7° C.
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*333
Füsilier M..4- 89,4° C.
„ L.. 4- 89,4° C.
„ D.+ 89,8° C.
, K.-f 40,1° C .(!)
„ F.. 4- 89,2° C.
^ W. 4-40,0° C.
K. brach während der Messung ohnmächtig zusammen, in dem Augenblicke,
als das noch im Steigen begriffene Thermometer 40,1° C. erreicht hatte, erholte sich
im Freien jedoch schnell wieder und marschirte bis zu Ende weiter. Er gab an,
dass ihm im Maisfelde plötzlich schwarz vor den Augen und ganz schwindelig ge¬
worden wäre; es sei ihm vorher sehr heiss gewesen, doch habe er noch bis zum
Eintreten in das Maisfeld klares Bewusstsein gehabt. — Alle Leute waren stark
erhitzt, das Gesicht hochroth und etwas gedunsen, Gesicht und Hände mit Schweiss
bedeckt, das Hemde nass; die Athmung war bei Allen frequent (über 48!), dabei
ziemlich tief und meist mit hörbarem Geräusch verbunden; der Mund weit geöffnet,
der Blick starr. Puls konnte qiclit gezählt werden.
Dies Ergebniss überraschte mich in hohem Grade. Ich hatte eine
derartige Steigerung bei so milder Lufttemperatur (4- 15° R.) nicht er¬
wartet. Also bei angenehmer Zimmertemperatur, aber in
ruhiger, wenig bewegter und mit Feuchtigkeit fast ge¬
sättigter Luft bewirkte eine Marschleistung von 1 */aständiger
Dauer auf hügeligem Terrain eine Steigerung der Körper¬
temperatur des Infanteristen um durchschnittlich 2,0 bis
2,5° C., d. h. auf volle Fieberhohe (4-39,2° bis 40,1° C.).
Dieses Resultat gab mir in mancher Beziehung zu denken. Es
drängte sich mir auf dem Weitermarsche namentlich die Frage auf nach
der Ursache des sogenannten Schlaffwerdens auf dem Marsche,
das im Sommer bekanntlich so häufig auftritt und der Vorbote, ja ge-
wissermaassen das Warnungssignal einer Truppe für Hitzschlaggefahr
zu sein pflegt; ferner die Frage, ob physische Ermüdung auf dem
Marsche und sogenanntes Schlaffwerden (Erschlaffung)*) wirklich,
wie man bisher gewöhnlich annimmt, identisch oder nicht vielmehr grund¬
verschieden seien, ob nicht jene (die Ermüdung) im Wesentlichen ein
durch die Arbeitsleistung bedingtes Muskel-Phänomen, diese (die Er¬
schlaffung) aber im Wesentlichen ein durch die Erhitzung bedingtes
nervöses Phänomen sei. Es fiel mir ein, dass im Beginne fieberhafter
*) Der specifische Berliner und mit ihm — soviel mir bekannt — die ganze
Armee sagt: „Schlapp'werden“ oder „Schlappe“, anstatt Schlaffwerden
nnd Schlaffe oder Erschlaffte. Jener Ausdruck ist aber in keinem deutschen
Wörterbuche zu finden. Offenbar ist die Bezeichnung nachgebildet dem ebenso
sprachlich uncorrecten Worte „stramm“ anstatt „straff“, dessen Heimath auch Berlin
«ein dürfte.
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334
Krankheiten bei plötzlich eintretender Temper&ture teigerung etwas ganz
Aehnliches, eine allgemeine nervöse Erschlaffnng and Hinfälligkeit des
Körpers, sich steigernd bis za wirklicher Ohnmacht, wesentlich als Folge
der Einwirkung der erhöhten Körpertemperatur auf das Nervensystem
beobachtet werde; es entstand daher die Frage, ob nicht die im Wesent¬
lichen gleichfalls nervösen Krankheitssymptome beim Hitssehlage —
die Benommenheit des Kopfes, die Störung der Sinnesfunction (Schwarz¬
werden vor den Augen), das Schwindelgefuhl, der taumelnde Gang, das
Schwinden des Bewusstseins, das Zittern der Hände, die enorme Steigerung
der Puls- und Athemfrequenz, endlich die Convulsionen — in ihrer Ent¬
stehung auf einem ganz ähnlichen Vorgänge beruhen, mit anderen Worten,
ob nicht das fieberhafte Allgemeinleiden, das Schlaffwerden auf dem
Marsche und der Hitzschlag pathogenetisch verwandt und nur dem Grade
und ihrer Ursache nach verschieden seien. Doch genug der Hypothesen!
Weiter unten (s. die Schlussfolgerungen) wird näher auf diese Frage
eingegangen werden.
VII. Beobachtung: Donnerstag, den 17. September 1885.
Divisionsübung bei Peilau von Uhr Morgens bis gegen 3 Uhr Mittags. Der
Morgen war kühl, das Wetter heiter; von 10 Uhr ab wurde es warm. Es war
einer der heissesten Tage im Manöver. — Der Rückmarsch der Truppen erfolgte
bald nach 12 Uhr. Das Füsilier-Bataillon war ganz auseinandergezogen worden;
die Compagnien traten getrennt den Rückmarsch an. Ich wollte diesen Rückmarsch
zur Messung der acht Füsiliere benutzen; doch habe ich die 12. Compagnie nicht
mehr zu sehen bekommen. Die Lazarethgehülfen waren bei ihren Compagnien.
Ich marschirte mit der 11. Compagnie, bei welcher der Lazarethgehülfe H. sich
befand. Diesen ersuchte ich, die Messung an sich selbst vorzunehmen.
Um 1 Uhr 10 Minuten ward ein 15 Minuten langer Aufenthalt bei einem
Dorfe gemacht mit reichlicher Einnahme von Wasser und Bier. Dann folgte ein
Inständiger ununterbrochener Marsch bis in das Quartier.
Terap.: +22° R. (27,5° C.!); Wind: SW, 1—2, frisch, auf der letzten
Strecke (im Thale) dagegen wehte nur schwacher Wind; Rel. Feucht.: 32 pCt;
Wetter: heiter; die Sonne brannte heiss. — Der Weg war gewöhnlicher Landweg
ohne Schatten. Die Leute waren bei der Ankunft aufs äusserste erhitzt und
erschöpft; sie schlichen langsam in ihre Quartiere, entkleideten sich schnell bis aufs
Hemd, tranken nochmals reichlich Wasser und legten sich dann lang hin auf den
Erdboden. Keiner hatte Verlangen nach Mittagessen, obwohl es überall bereit stand.
Lazarethgehülfe H. hatte
vor dem letzten Marsche (vollständig abgekühlt) eine Körpertemperatur von 4-37*9° C.
nach dem l l /4ständigen Marsche, „ B „ 4 -40*2° C.,
mithin eine Steigerung der Eigenwärme um 2,3° C.! Die Messung war mit aller
Genauigkeit und möglichst geringem Zeitverlust ausgeführt worden, mithin durchaus
zuverlässig und dadurch besonders werthvoll für mich. Wie bedauerte ioh, nicht
mehr Messungen an diesem Tage haben machen zu können!
Das Körpergewicht voo H. betrug zur» Zeit der Messung 67 kg.
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335
Die epecifische Wärme des Körpers ist 0,83. Mithin entsprechen 2,3° C.
einer Wärmemenge von 185,66 Calorien, welche also während des
*/< ständigen Marsches durch die Kleidung im Körper zurückgehalten
wurden. Mithin muss die durch die Muskelarbeit beim Mar-
9chiren gebildete und durch Bestrahlung von der Sonne ein¬
genommene Wärme weit mehr als 186 Calorien betragen haben.
Wir hatten oben durch Rechnung die Wärme-Einnahme eines mgr-
schirenden Lazaretbgebülfen, unter Berücksichtigung seiner Belastung,
pro Stunde auf 230 Calorien abgescbätzt. Nehmen wir hiervon, auf
Grund früherer Berechnungen a. a. O. (Seite 313), etwa die Hälfte als
in der Ruhe gebildet an, also 115 Calorien — was übrigens mit dem
von Helmholtz angegebenen Wertbe (114 Calorien) fast identisch
ist! — so bleibt für die Muskelarbeit des 7< ständigen Marsches eine
Wirmeproduction von gleichfalls 7« x 115 = 143,7 Calorien; dazu
kommt durch 7«Bändige Bestrahlung von der Sonne eine Wärme-Ein¬
nahme von 7< X 84,48 = 105,6 Calorien.
Es betrug also beim Lazarethgehülfen H. während des 7« ständigen
Marsches
die gesammte Einnahme an Wärme (berechnet)
in der Ruhe. ( 6 /aX 115) = 143,7 Calorien,
durch Muskelarbeit.143,7 „
durch Bestrahlung von 800 qc m Haut . . 105,6 „
zusammen 393,0 Calorien.
Von diesen 393 Calorien wurden:
im Körper zurückgehalten (laut der Messung) 185,7 Calorien.
Es wurden mithin durch Abkühlung nach aussen an die Luft
abgegeben 207,3 Calorien oder nur 63,6 Calorien mehr als in der
Ruhe.
Der Zuwachs an Wärme - Einnahme betrug demnach ungefähr
249,3 Calorien; dem gegenüber war aber die Wärme-Abgabe nur um
63,6 Calorien gesteigert. Es hinderte demnach die Kleidung des p. H.
die Wärme-Abgabe seines Körpers um mehr als das 37sfache. Es
stimmt dieses Resultat absolut genau mit dem (siehe oben S. 325)
auf dem Wege des Versuchs, durch Vergleichung der Abküb-
luogsgeschwindigkeit der bekleideten und der unbekleideten
schwitzenden Glasflasche (bei 4- 23° C. und 2 m Windgeschwindig¬
keit), ermittelten Werthe überein(!).
Bevor ich die zweite Beobachtungsreihe mittheile, stelle ich die Re¬
sultate der ersten Reihe noch einmal übersichtlich zusammen.
23
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336
17. 9. 85
Mittags 1 i/j — 3 Uhr
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2. 9. 85
Vorm. 8 — 9 Uhr
1. 9. 95
Vorm. 9 — 10 Uhr
1. 9. 85
Morgens 6 1 /*—8 Uhr
23. 8. 85
Nachm. 3 — 5 Uhr
23. 8. 85
Mittags 12 — 2 Uhr
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337
Diese Beobachtungen lehren, dass schon unter meteorologischen Ver-
iltnissen, welche der Wärme-Abgabe des Körpers verhältnissmässig
onstig sind, wie z. B. bei einer Lufttemperatur von + 9,5° bis 15° R.
p(12° bis 19° G.)i durch eine ein- bis zweistündige Marschleistung Steige¬
rangen der Körpertemperatur bis auf 39,55° C. (im Mittel) zu Stande
kommen können, wofern hierbei die Luft nur schwach bewegt und hoher
als bis 50 pCt. mit Feuchtigkeit gesättigt ist.
Noch hoher, nämlich bis auf 40,2° C. — also bis zu einer dem
Hitzschlage äusserst nahe kommenden Grenze — steigt die Eigenwärme
des Infanteristen unter dem Einflüsse seiner Winterkleidung nach Instän¬
digem Marsche bei 22° R. Lufttemperatur und strahlender Mittagssonne,
selbst wenn hierbei ein frischer Wind (über 4 m Geschwindigkeit!) bläst
und die Luft nur 32 pCt. Feuchtigkeit enthält — also unter meteoro¬
logischen Verhältnissen, wie sie in unserm Klima im Sommer ganz ge¬
wöhnlich Vorkommen.
Einen noch grosseren Werth für die Beurtheilung des Grades der
Temperatursteigerung würden diese Messungen haben, wenn gleichzeitig,
wie in der letzten Beobachtung, vor dem Marsche die Temperatur im
After bestimmt worden wäre. Diese Lücke habe ich durch die nach¬
folgende Beobachtungsreihe auszufüllen gesucht.
B. Beobachtungen in der Garnison.
Dieselben fielen in die Zeit vom 19. Mai bis 3. Juni 1886, also in
das milde und Wechsel warme Frühjahr.
Es dienten zu diesen Beobachtungen 1 Lazarethgehülfe und 4 Füsiliere
in ziemlich vollständiger kriegsmässiger (sogen, feldmarschmässiger) Aus¬
rüstung. Die Tornister waren gepackt, die Feldflaschen gefüllt; jeder
Mann trug seine 80 scharfen Patronen. Der Anzug war der vorschrifts¬
massige Tuchanzug. Das Gewicht bezw. die fortzutragende Last der
Leute betrug:
Unterlazarethgehülfe W. . . ,
Körper¬
gewicht
. . . 61 kg
Gepäck
(feldmarsch-
mässig)
12,15 kg
Gesammt-
last
73,15 kg
Füsilier L.
. . . 70 -
26 -
96,0 -
- p.
. . . 67 -
26 -
93,0 -
- Scb.
. . . 60 -
26 -
86,0 -
- Bl.
, . . 66,5 -
26 -
94,5 -
23*
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338
Id einer besonderen Reihe von Beobachtangen werde der An sag und
die Belastung behufs Stadiums des Einflusses derselben auf die Warme*
Ökonomie variirt. Es marschirte
1 Mann feldmarschmässig;
1 Mann (Lazarethgehülfe) modificirt feldmarschmässig: Mütze,
Halsbinde, Tuchrock, leinenes Hemde, Drillichhose, Seitengewehr, Labe*
flasche, gefüllte Medicin- und Bandagentasche;
1 Mann leicht gekleidet: Mütze, Halsbinde, Litefke, Drillichhose.,
leinenes Hemde; Seitengewehr, 2 Patronentaschen, 80 Patronen, Gewehr;
Mantel mit Kochgeschirr, Feldflasche, Brotbeutel;
1 Mann ganz leicht* gekleidet: Mütze oder Helm, Halsbinde
(durfte auf dem Marsche nach Bedürfnis abgenommen werden), wollenes
Hemde, Drillichrock, Drillichhose; Waffen-und Ausrüstungsstücke wie
vorstehend.
Es betrug das Gewicht:
der feldmarschmässigen Belastung. . ..26 kg
t der modificirt feldmarschmässigen Belastung (Lazarethgehülfe) . 11,17 „
des leichten Marschanzuges (Litefke etc.).18,5 „
des ganz leichten Marschanzuges (ganz Drillich mit Wollenbemd) 18,25 „
Die Personen wechselten in der Art der Bekleidung.
Die meteorologischen Daten an den einzelnen Beobachtungs¬
tagen sind den Messungen der hiesigen Universitäts-Sternwarte entnommen,
also so genau als nur wünschenswert!].
I. Beobachtung: Mittwoch, den 29. Mai 1886.
Inständiger Marsch von 12!/2—2 Uhr Mittags. Weg durch die Stadt auf der
Chaussee nach Gandau und zurück in meine Wohnung. Anzug feldmarsch,
massig.
Temp.: 4- 20° R. (-|- 25° C.): Wind: SO, 1, massig; Rel. Feucht.: 31 pCt:
Wetter: heiter, sonnig.
Vor dem Marsch Nach dem Marsch Zunahme
Upterlazarethgehülfe W.
87,7° C.
89,9° C. (!)
2,2° C. (
Füsilier L.
88,0° C.
89,8° C.
1,3° C.
. p.
88,0° C.
89,4° C.
1,4° C.
» Sch.
87,9° C.
89,8° C.
1,4° C.
im Mittel
87,9° C.
39,3° C.
1,4° C.
Bei W. glaubte ich anfänglich, dass ein Irrthum vorläge. Allein die gleich
nachher vorgenommene Nachprüfung des Thermometers ergab die volle Richtig,
keit des Ganges desselben. Offenbar haben hier individuelle Einflüsse Vor¬
gelegen. Es fiel mir auch auf,* dass W. bei der Ankunft blass aussah, der Blick
starr und das Auge gläsern war, die Haut fast gar nicht schwitzte, obwohl
das Hemde nass war, und an den Händen zitterte; auf Befragen gab er an, er sei
absichtlich immer in der Sonne marschirt (!) und habe unterwegs nicht getrunken:
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es sei ihm zwar auf dem Rückmarsch sehr schwül geworden, doch fühle er sich „so¬
weit ganz wohl“.
Offenbar hat hier die cessirende Schweisssecretion auf dem Rückmärsche in
Verbindung mit unausgesetzter Bestrahlung das ungewöhnlich hohe Ansteigen der
Körpertemperatur veranlasst. Jedenfalls kann ich die Richtigkeit der Messung
verbürgen.
Der Einfluss der Bestrahlung auf diesem Marsche geht noch hervor aus
mehreren Bestimmungen der Kleidertemperatur, welche ich, genau in der
früher angegebenen Weise, bei einzelnen Leuten angestellt habe. Es hatten während
des Marsches
Unterlazarethgehülfe W.
im Helm.eine Temperatur von 39,4° C.
Füsilier L.
im Helm. „ * , 42 °C.
Füsilier Sch.
im Helm. „ * * 39,5° C.
in der Tornister-Seitentasche » n , 58,0° C.
Im Kochgeschirr . . . „ ,, „ 37,6° C.
in der Patronentasche . „ „ „ 36,4° C.
Bei L. war die Quecksilberkugel des (freischwebend befestigten) Thermometers
im Hehn sehr nahe dem Lederdach gekommen.
II. Beobachtung: Donnerstag, den 20. Mai 1886.
D/ 4 ständiger Marsch bis vor Gandau und zurück, von l*/2 bis 2 3 /4 Uhr Mittags.
Die Hälfte des Weges führt durch die Stadt. Anfang und Ende des Marsches war
vor Wind geschützt. — Anzug: feldmarschmässig.
Temp.: -f- 22° R. (27,5° C.); Wind: SO, 2 (4—7 m); Rel. Feucht.: 31 pCt.
Wetter: heiter, sonnig.
Vor dem Marsch Nach dem Marsch Zunahme
Unterlazarethgehülfe W.4- 87,6° C. 40,7° C. (!) 84° C. (!)
Füsilier L. .. 87,5° C. 88,8° C. 1,8° C.
P. 87,5° C. 88,9° C. 1,4° C.
, Sch. 87,7° C. 88,9° C. 1,2° C.
im Mittel: 88,9° C. 1,8° C.
Wiederum zeigte W. eine excessiv hohe Temperatur nach dem Marsch. Das
meist bei ihm eingeführte Thermometer stieg sehr schnell, innerhalb 2 Minuten
bis nahe auf 42° C. (!). Da ich glaubte, dass mit dem Thermometer etwas passirt
sei, zog ich es heraus und führte schnell ein anderes, stets in Reserve gehaltenes
Krankenthermometer in den After ein. Auch dieses stieg erstaunlich schnell und
erreichte innerhalb 2 Minuten den oben angegebenen Grad von 40,7°. In Wirk¬
lichkeit, wenn wir die erste Messung als richtig annehmen, was durchaus wahrschein¬
lich ist, muss also die Körpertemperatur noch höher gewesen sein, nämlich etwa
41,8° bis 42,0° C. — Dem entsprach auch das ganze Verhalten W’s. Sofort als
er in das Zimmer hereintrat, fragte ich ihn erschrocken und wiederholt: w Ist Ihnen
•chlecht geworden? Wird Ihnen ohnmächtig?“ Ich hatte den Eindruck, dass W.
augenblicklich zusammenbrechen würde. Die Haut des Gesichts und der Hände
war auffallend blass, fast cyanotiscb, schwitzte gar nicht (!); der
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340
Gesichtsausdruck war stupide, benommen, der Blick verschleiert, die Athmung sehr
frequent. Meine erste Frage beantwortete er nicht, als ob er sie nicht gehört hätte. —
Es wurden sofort alle Kleider gelüftet, W. erhielt während der Messung reichlich
Wasser zu trinken und erholte sich im Verlaufe einer halben Stunde soweit, dass
er in die Caserne gehen konnte. — An den folgenden Tagen klagte er noch über
Mattigkeit und grosse Muskelschwäche.
Als Ursache dieser excessiven Temperatursteigerung ist theils wiederum die
gänzliche Enthaltung vom Wassertrinken auf dem Marsche, dadurch bedingtes Ver¬
siegen der Schweisssecretion, und das unausgesetzte Exponiren des Körpers der
strahlenden Mittagssonne anzusehen, theils vielleicht der Umstand, dass W. bereite
am Vormittage eine fünfstündige, ziemlich anstrengende Uebung (von 6—11 Uhr)
mitgemacht hatte.
Auffallend und neu in dem Krankheitsbilde war mir die Blässe der Haut,
sowohl gestern als auch heute, ja heute mit einem deutlichen Anflug von Cyanose.
Möglicherweise lässt diese Erscheinung auf eine abnorm gesteigerte Erregbarkeit
der Hautgefässe schliessen, welche ihrerseits schon wesentlich dazu beitragen würde,
die Temperatur im. Innern des Körpers zu erhöhen, theils durch Steigerung der
Blutfülle der inneren Organe, theils durch Verminderung der Wärmeabgabe durch
die Haut.
Eine ähnliche Beobachtung habe ich bisher in der Hitzschlaglitteratur nicht
gefunden. Jedenfalls verdient sie Beachtung.
III. Beobachtung: Sonnabend, den 22. Mai 1886.
s / 46 tündiger Marsch von der Füsiliercaserne in der Richtung nach Gandau,
bis zu dem Gasthof „Zum letzten Heller*, in welchem die Messung vorgenommen
wurde. Mittags l 8 /4—21/g Uhr.
Temp.: -f- 23,8° R. (29,7° C.); Wind: S, 1 (1—4 m); innerhalb der Stadt
wenig Wind; Rel. Feucht: 25pCt; Wetter: heiter, sehr sonnig.
Anzug theils feldmarschmässig, theils ganz leichter Marschanzug.
Unterlazarethgehülfe W. (modificirt
Vor dem Marsch
Nach dem Marsch
Zunahme
feldmarschmässig).
87,8° C.
89,2° C.
M° c -
Füsilier L. (feldmarschmässig) . .
87,9° C.
89,2° C.
1*8° C.
Füsilier P. (feldmarschmässig) . .
Füsilier Sch. (ganz leichter Marsch¬
•j
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O
894° C.
M° c -
anzug) .
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o
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88,4° C.
0,6° C.
Also in feldmarschmässiger Ausrüstung wurde nach % ständigem Marsche eine
Körpertemperatur von 39,2° C. (im Mittel), d. h. eine Steigerung um 1,4° C.,
erreicht; im ganz leichten Marschanzuge (wollenes Hemde, Drillich, ohne Tornister)
stieg die Temperatur im After hur bis auf 38,4° oder um 0,6° C.
IV. Beobachtung: An demselben Tage.
Einstündiger Marsch auf der Chaussee von Gandau in die Stadt zurück
bis zu meiner Wohnung, von 2 Uhr 50 Minuten bis 3 Uhr 50 Minuten.
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Witterung wie vorstehend. Der Wind war auf dem Rückmärsche lebhafter.
Es wurden vor dem Abmarsch aus dem Gasthof „Zum letzten Heller* noch
Thermometer in verschiedene Kleidungs- und Ausrüstungsstücke eingelegt. — Anzug
wie in der III. Beobachtung; Kragen und oberster Knopf am Rock waren geöffnet.
Vor dem Marsch Nach dem Marsch Zunahme
Unterlazarethgehülfe W. (modificirt
feldmarschmäßig).
87,9° C.
89,4° C.
1,5° C.
Füsilier L. (feldmarschmässig) . .
87,8° C.
8»4° c.
1,8° C.
Füsilier P. (feldmarschmässig). .
87,7° C.
89,1° C.
1,4° C.
Füsilier Sch. (ganz leichterMarsch-
anzug).
87,9° C.
88,4° C.
0,6° C.
Wiederum ist die Differenz der Temperatursteigerung bei verschiedenem Anzuge
in die Augen fallend. Sch. im Drillichanzuge mit Wollenhemd (ohne Tornister)
bat nur eine Steigerung um 0,5° resp. bis 38,4° C., während die beiden feld-
(uarschmässig ausgerüsteten Füsiliere wiederum eine Steigerung um 1,4° C., d. h.
bi« 39,1° C. aufweisen. W. hat wiederum, trotz seiner erleichterten Last und
leichteren Kleidung (Mütze, Drillichhose) die höchste Temperatur (39,4°) und die
grösste Zunahme (um 1,5° C.). Es kann hiernach wohl keinem Zweifel unterliegen,
dass individuelle Besonderheiten bei W. eine Rolle spielen, welche ihn zu
abnormen Temperatursteigerungen im Innern des Körpers, mithin auch zur Er¬
krankung an Hitzschlag (vergl. Beobachtung I und II) ganz besonders disponirt
erscheinen lassen.
Die in den Kleidungs- und Ausrüstungsstücken auf diesem Marsche erreichten
Temperaturen waren folgende:
W.: Mütze ..44,0° C. (!)*)
L.: Helm.38,8° C.
Mantel (gerollt). 36,9° C.**)
Kochgeschirr.39,5° C.
Patronentasche .'.33,0° C.
P.: Helm.38,0° C.
Waffenrock, Brust.34,5° C.***)
Kochgeschirr.41,3° C.
Patronentasche.34*0° C.
Sch.: Drillichrock, Brust.38,2° C.***)
Patronentasche.38,9° C.
Der Einfluss der Bestrahlung auf die Temperatur der Kleidungs-
und Ausrüstungsstücke ist auch hier wieder evident (vergl. Versuchsreihe A.
der früheren Arbeit, Seite 332 a. a. O.). Im Helm, in der Mütze, im
*) Thermometer im Deckelfutter mittelst Sicherheitsnadeln befestigt
**) Thermometer im Schultertheil unter der obersten Schicht befestigt
***) Thermometer am Futter in der Herzgegend mit Sicherheitsnadeln befestigt
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342
Kochgeschirr and in der Patronentasche wurde die Körpertemperatur des
Infanteristen mehr oder weniger hoch überschritten (bis 44° C.); im
Waffenrock und im Mantel wurde sie nahezu erreicht Es bedarf keines
erneuten Hinweises darauf, dass durch eine derartige Erwarmung der
Kleidungsstücke ihre Fähigkeit, die Warme des Körpers von der mensch¬
lichen Haut nach aussen fortzuleiten, gänzlich aufgehoben wird, ja sogar
dieselben unter Umstanden zu neuen Wärmequellen für den ohnehin mit
Wärme überladenen Organismus des Infanteristen werden können. Es
erhellt weiterhin daraus, dass unter solchen Verhätnissen die Wärme¬
abgabe der Haut des Infanteristen fast ausschliesslich auf die Schweiss-
verdunstung und die Lufterneuerung auf der Haut angewiesen ist, und
dass mithin von der Ausgiebigkeit und dem Fortbestehen dieser letzteren
im Wesentlichen die Entscheidung über die Frage abhängt, ob die
Wärmebilanz im Körper und damit das Temperaturgleichgewicht des¬
selben, wenn auch vielleicht für einen höheren Temperaturgrad als den
normalen, während der Dauer eines Marsches aufrecht erhalten wird
oder ob die Temperatur continuirlich, von Minute zu Minute, steigt
und der dem Hitzschlag eigenthümliche, für den Organismus tödtliche Grad
(+ 44° C.) erreicht wird. Die am Unterlazarethgehülfen W. in Beob¬
achtung I und II gemachten Wahrnehmungen sind in dieser Beziehung
sehr lehrreich.
V. Beobachtung: Mittwoch, den 26. Mai 1886.
3 / 4 ständiger Marsch, wie in Beobachtung III. Mittags 2—2 3 /< Uhr. — Die Luft
war warm, aber ziemlich stark bewegt.
Temp.: 4- 21° R. (26,2° C.); Wind: S, 2, frisch (4—7 m); Rel. Feucht.
30pCt.; Wetter: ziemlich heiter, sonnig.
Vor dem Marsch Nach dem Marsch Zunahme
Unterlazarethgehülfe W. (modifl-
cirt feldmarach massig) . . .
88,2° C.
88,8° C.
0,6° C.
Füsilier L. (ganz feldmarschmässig)
Füsilier P. (ganz leichter Marsch-
37,9° C.
38,5° C.
0,6° C.
anzug).
Füsilier Sch. (ganz leichter Marsch-
38,0° C.
88,8° C.
0,3° C.
anzug).
37,9° C.
88,2° C.
0,3° C.
(Letzterer in der Mütze 44,6° C.!)
Im feldmarschmässigen Anzuge wurde mithin nach 3 / 4 Stündigem Marsche eine
Temperatur von 38,65° im Mittel, d. h. eine Steigerung um 0,6° erreicht, im ganz
leichten Marschanzuge dagegen nur eine Temperatur von 38,25° im Mittel, d. i.
eine Zunahme um 0,3° C.
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343
VI. Beobachtung: An demselben Tage.
3 / 4 Stfindiger Rückmarsch in die Stadt von 3— 3 3 /4 Uhr.
Witterung dieselbe, nur war der Wind ausserhalb der Stadt noch etwas leb¬
hafter. — Anzug unverändert.
Vor dem Marsch Nach dem Marsch Zunahme
Unterlazarethgehülfe W. (modifi-
cirt feldmarschmässig) . . .
Füsilier L. (ganz feldmarsch-
88,2° C.
88,8° C.
0,6° C.
massig).
.38,0° C.
88,6° C.
0,3° c.
Füsilier P. (ganz leichter Marsch- i
anzug).
87,9° C.
38,1° C.
0,2° C.
Füsilier Sch. (ganz leichter
Marschanzug).
88,0° C.
88,8° C.
0,8° C'.,
Das Resultat war mithin fast identisch mit dem vorigen, wie bei der Gleich¬
heit der Bedingungen zu erwarten war.
VII. Beobachtung: Donnerstag, den 27. Mai 1886.
3 / 48 tündiger Marsch zum „Letzten Heller“, von ltys — 2*/4 Uhr Mittags. —
Warmes, sonniges, aber sehr windiges und staubiges Wetter.
Temp.: 4- 23,5° R. (29,2° C.) \
( Welcher Contrast!
Wind: S, 3, scharf (7—11) )
Rel. Feucht: I9pCt; Wetter: heiter sonnig.
Vor dem Marsch
Nach dem Marsch
Zunahme
Unterlazarethgehülfe W. (modifi-
cirt feldmarschmässig) . . .
88,1° C.
38,6° C. .
0,5° C.
Füsilier P. (feldmarschmässig) .
37,9° C.
38,4° C.
0,5° C.
Füsilier L. (ganz leichter Marsch-
anzug).
37,9° C.
88,4° C.
0,5° C.
Füsilier Sch. (ganz leichter
Marschanzug).
37,8° C.
38,2° C.
o
p
Dieses Ergebnis ist sehr merkwürdig. Es überraschte mich. Trotz
der erheblichen Verschiedenheit in der Bekleidung und der
Belastung der Leute doch bei Allen fast die gleiche Tempe¬
ratursteigerung!
Vergleicht man hiermit Beobachtung III, wo bei gleicher Marsch¬
dauer dieselbe Luftwarme, Luftfeuchtigkeit und Sonnigkeit herrschte, so
kommt man sofort zu der Einsicht, dass nur die beträchtliche Ver¬
schiedenheit in der Starke des Windes diese eigenthumliche Er¬
scheinung bedingen kann.
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344
Dort war bei schwachem Südwinde (S 1) im feld marsch massigen
Anzüge eine Steigerung der Eigenwärme um ^,4° (I), im ganz leichten
Marschanzuge um 0,6° erreicht worden; hier bei scharfem Südwinde
(S 3), aber sonst ganz gleichen Bedingungen, im feldmarschmässigen
Anzuge eine Steigerung um 0,5°, im ganz leichten Marschanzuge um
O, 45° G. Hieraus lässt sich schliessen, dass der scharfe Wind von
7—11 m Geschwindigkeit dem feldmarschmässig gekleideten Infanteristen
2,8 Mal oder fast 3 Mal mehr Wärme entzogen hat als der schwache
Wind, dem ganz leicht gekleideten Infanteristen dagegen nur IVa Mal
mehr.
Dieser Unterschied ist auf den ersten Blick auffallend, namentlich
mit Rücksicht auf die der Wärmeabgabe günstigere Kleidung des in
Drillich gekleideten Infanteristen. Diese paradoxe Erscheinung erklärt
sich aber leicht, wenn man hierbei das Verhalten des Wärme¬
regulirungsmechanismus in Betracht zieht. Der ganz feldmarsch¬
mässig belastete und gekleidete Infanterist producirt in der Zeiteinheit
offenbar mehr Wärme auf dem Marsche, als der weniger belastete nnd
leichter gekleidete Infanterist. Bei Jenem ist also das Abkühlungsbedürfniss
behufs Erhaltung der Wärmebilanz grösser als bei dem Letzteren. Die
Einrichtung des Wärmeregulirungsmechanismus der Haut kommt diesem
Bedürfniss, wie bekannt, dadurch entgegen, dass sich bei Jenem die Haut*
gefässe stärker erweitern und die Schweissdrüsen stärker secerniren, als
bei Letzterem. In der That schwitzten auf dem letzten Marsche W. und
P. , wie der Augenschein lehrte, ungleich viel stärker als B. und Sch.; ja
die letzteren Beiden zeigten kaum bemerkbare Symptome der Erhitzung
und waren, wie sie selbst angaben, kaum in Schweiss gekommen. Wie
beträchtlich verschieden aber die Abkühlung eines stark schwitzenden
und eines wenig schwitzenden Körpers bei einem Winde von mehr als
4 m Geschwindigkeit ist, haben meine früher mitgetheilten Abkühlungs¬
versuche an der Glasflasche hinreichend dargelban. So ist also das
scheinbare Paradoxon der letzten Beobachtung, wie ich glaube, in voll¬
kommen befriedigender Weise erklärt.
Immer und immer wieder werden wir in diesen Beobachtungen auf
den enormen Einfluss des Schwitzens auf die Abkühlung des marschiren-
den Infanteristen hingewiesen, von welchem wir schon in der ersten
Arbeit nachweisen konnten, dass sie auf dem Marsche zur Sommerzeit,
wo die Kleidungsstücke des Infanteristen bis auf und selbst über die
Körpertemperatur erwärmt sind, von den drei Abkühlungsfactoren des
Organismus — Leitung, Strahlung und Schweissverdunstung — fast ganz
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345
»Hein thätig ist und ganz allein die schwierige Aufgabe za
losen bat, den beträchtlichen Ueberschnss an Wärmeein¬
nahmen auf dem Marsche wieder abzuführen.
VIII. Beobachtung: An demselben Tage.
D/^stündiger Marsch, Nachmittags 2 3 /4—4 Uhr vom „Letzten Heller* mit
einem Umwege über Dorf Cosel, Pöpelwitz-Eichenpark, die Schiessstände zurück in die
Stadt Der Weg führte von Cosel an bis zur Stadt am Oderdamm entlang.
Witterung dieselbe wie vorher. Lebhafter S 3-Wind.
Vor dem Marsch Nach dem Marsch Zunahme
Unterlazarethgehülfe W. (modificirt
feldmarschmassig).88,2° C.
Füsilier P. (ganz feldmarschmässig) 87,9° C.
Füsilier L. (ganz leicht gekleidet) 87,9° C.
Füsilier Sch. (ganz leicht gekleidet) 88,1° C.
Die Temperatursteigerung verhält sich also ganz ähnlich wie in der vorigen
Beobachtung. — Nimmt man dagegen aus den beiden letzteren Messungen das
Mittel = 0,4° an, so ist die Steigerung im ganz leichten Marschanzuge diesmal
um Vs geringer, als in feldmarschmässiger Ausrüstung. Dieses für die leichte
Kleidung günstigere Verhältniss ist dadurch erklärlich, dass einestheils durch die
grössere Marschleistung, andemtheils durch die reichliche Flüssigkeitsaufnahme
anmittelbar vor dem Abmarsch — jeder Mann hatte im „Letzten Heller* zur
Erfrischung und Aufmunterung ein Glas Bier erhalten — die Schweisssecretion
auch bei den leicht gekleideten Füsilieren L. und Sch. in stärkerem Grade angeregt
worden war, als auf dem Hinmärsche (Beobachtung VII).
Den Einfluss der Bestrahlung durch die Sonne, trotz des scharfen Windes,
zeigt wiederum die Temperatur der Eleidungs- und Ausrüstungsstücke. Es wurde
gefunden
in
beim
Helm
Mütze
Waffen¬
rock
(Brust)
Drillich¬
rock
(Brust)
Patronen¬
tasche
Mantel
(gerollt)
Unterlazarethgehölfen W.
—
d
o
36,4° C.
—
—
—
Füsilier P.
39,8° C.
—
35,5° C.
—
33,3° C.
—
. L- .
—
S
o*
o
p
—
33,2° C.
d
O
O
CO
d
0
H
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» Sch.
—
Cr*
oo
o
O
O
1
39,0° C.
32,6° C.
—
Bemerkenswerth ist hier wiederum, dass die Mütze sich sehr viel stärker
erwärmt auf dem Kopfe bei Sonnenschein, als der Helm bezw. die Luft im Helm;
die Luftlöcher in der Helmspitze und die freie Verdunstung des Schweisses auf der
Stirn wirken offenbar der starken Erwärmung entgegen. Immerhin ist ein 1 Pfd.
88,8° C.
38,5° C.
88,4° C.
88,4° C.
0,6° C.
0,6° C.
0,5° C.\ im
X ^ Mittel
0,8° C./ 0,4°.
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346
schwerer und heisser Lederbehälter mit ca. 1 1 Luft von 39,8° G. auf dem Kopfe
sicherlich keine Annehmlichkeit für den Infanteristen auf dem Marsche.
IX. Beobachtung: Sonnabend, den 29. Mai 1886.
3 / 48 tündiger Marsch bis zum „Letzten Heller“. Nachmittags 374—4 Uhr. *
Alle vier Leute in verschiedenem Anzuge (siehe oben). '
Temp.: -f-19,6° R. (4- 24,7° C.); Wind: Mittags still, von 2 l / 2 -Uhr ab
kühler Nord wind von 3—4 m Geschwindigkeit (N 1); Rel. Feucht.: 52pCt:
Wetter: bewölkt. Während über Mittag die Luft für das Hautgefühl schwül
war, wurde sie Nachmittags, mit dem unerwarteten Eintritt des Nordwindes, für die
Hautempfindung kühl.
Vor dem Marsch Nach dem Marsch Zunahme
Unterlazarethgehülfe W. (modifi¬
cirt feldmarschmassig) . . .
88,2° C.
88,55° C.
0,35° C.
Füsilier L. (ganz feldmarseh-
mässig).
37,8° C.
38,8 0 C.
0,5 0 C.
Füsilier P. (leichter Marsch¬
anzug [Litefke etc.]) . . .
38,0° G,
38,25° C.
0,25° C.
Füsilier Sch. (ganz leichter
Marschanzug [Drillich etc.]) .
37,8° C.
38,0 ° C.
0,2 0 C.
Die Steigerung der Körpertemperatur war also, entsprechend der kühleren
Witterung, im Allgemeinen gering. Dennoch lassen sich deutliche, wenn auch
nicht grosse Unterschiede zwischen den einzelnen Bekleidungsarten erkennen.
Es ergab, unter den genannten Bedingungen,
der feldmarschmfissige Anzug .... einen Zuwachs um 0,5 ° C.
der modificirt feldmarschmässige Anzug
(Mütze, Drillichhose, ohne Tornister). , , „ 0,35° C.
der leichte Marschanzug (Mütze, Litefke,
Drillichhose, ohne Tornister).... „ * „ 0,25° C.
der ganz leichte Marschanzug (Wollen¬
hemd, Mütze, Drillichrock, Drillich¬
hose, ohne Tornister). , n , 0,2 ° C.
X. Beobachtung: An demselben Tage.
3 /4 ständiger Rückmarsch in die Caserne, von 472—574 Uhr.
Temp.: -1- 18,5° R. (23° C.). Sonst dieselbe Witterung.
Vor dem Marsch Nach dem Marsch Zunahme
Unterlazarethgchülfe W. (modifi-
cirt feldmarschmässig) . . .
38,3° G.
88,8° C.
0,5° C.
Füsilier L. (ganz feldmarsch-
massig) ..
37,8° C.
88,2° C.
0,4° C.
Füsilier P. (Litefke etc.) . . .
38,0° C.
38,2° C.
0,2° C.
Sch. (Drillich etc.) . .
37,8° C.
88,0° C.
o,2° e.
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347
Also im Wesentlichen dasselbe Resultat wie in Beobachtung IX.
In den Kleidungsstücken wurde gefunden:
in
Helm Mütze Waffenrock Litefke Drillichrock Patronen-
(Brust) (Brust) (Brust) tasche
bei W. — 31,1° C. 33,3° C. — — —
„ L.33,7° C. — 31,2° C. — — 30,0° C.
„ P. — 31,0° C. — 32,8° C. — 28,4° C.
, Sch. ... — 34,0° C. — — 34,7° C. 31,2° C.
Es erwies sich somit auch der erwärmende Einfluss der Bestrahlung durch die
Sonne in. diesen beiden Beobachtungen als gering, woraus die nur geringe Zunahme
der Körpertemperatur erklärlich wird.
Ganz ähnlich verhält es sich in der folgenden, letzten Beobachtung: gänzlicher
Mangel an Sonnenschein, kühler und mässig bewegter Nordwind nach vorauf¬
gegangener Tagesschwüle (hoher Luftfeuchtigkeit), in Verbindung mit sehr reich¬
licher Schweisssecretion, hinderten hier — trotz Inständigen Marsches im gewöhn¬
lichen Tempo — ein irgend erhebliches Ansteigen der Körpertemperatur.
XI. Beobachtung: Donnerstag, den 3. Juni 1886.
Die schwüle, feuchtwarme Luft bei bedecktem Himmel, welche am Vormittag
bis gegen Mittag herrschte, hatte mich veranlasst, trotzdem dass ein Feiertag
(Himmelfahrt) war, einen Marsch ausführen zu lassen. l ] / 2 Stündiger Marsch
von 2 bis 3*/a Uhr Nachmittags, auf offenem Landwege nordwestlich von
Breslau, zurück in meine Wohnung.
Temp.: -4- 20,0° R. (25,5° C.). Wind: N 1 (2—4m). Rel. Feucht.: 47 pCt.
Wetter: Bewölkt. Abends Regen, Nachts starkes Gewitter.
Für Füsilier L. war Füs. Bl. eingetreten, ein kräftig gebauter Mann von 69 kg
Körpergewicht, für Sch. Füs. PI. mit ebenfalls 69 kg Gewicht.
Vor dem Marsch Nach dem Marsch Zunahme
Füsilier P., ganz feldmarsch-
mässig.
88,8° C.
38,5° C.
0,5° C.
Füsilier Bl., leichter Marsch-
anzug (Litefke etc.)... .
88,1° C.
88,4° G.
0,3° C.
Füs. PI., ganz leichter Marsch-
anzug (Drillich etc.) . .
88,2° G.
38,5° C.
0,3° C.
In
Helm
Waffenrock
Patronen¬
(Brust)
tasche
Füs. P., ganz feldmarschmäss. 35 ° C.
33,2° C.
CO
o
o
p
„ B1., leichter Marschanzug
(Litefke etc.) . .
. . 35,5° C.
34,8° C.
32,4° C.
„ PI., ganz 1. Marschanzug
(Drillich etc.). .
. . 34 ° C.
32,3° C.
32,0° C.
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348
Ein feuchter, kubier Wind oder auch ein trockener, kühler Wind
(N1), wenn er eine feuchte (schwitzende) Oberfläche bestreicht, kühlt
demnach beträchtlich ab und ist im Stande, der durch die Muskelarbeit
auf dem Marsche allein (ohne Sonoe) herbeigeführten Ueberprodnction
an Warme fast vollkommen das Gleichgewicht zu halten; selbst die
dichtere Bekleidung und die stärkere Belastung des feldmarschmassig
ausgerüsteten Infanteristen ändert an diesem Verhältniss nichts oder doch
nicht viel.
Dass die Körperob er fläche der drei Füsiliere, und zwar sowohl
die unbekleidete, als auch die bekleidete Oberfläche, thatsächlich feucht
war, davon konnte man sich hier durch den Augenschein leicht über¬
zeugen. Alle drei Leute hatten auf dem Marsche so stark ge¬
schwitzt, dass nicht bloss das Hemde zum Ausringen nass war,
sondern auch der Waffenrock an mehreren fast handgrossen
Stellen nach aussen durchgeschwitzt war. Damit war also die
Möglichkeit einer sehr vollkommenen und bei allen drei Füsilieren fast
gleichmässigen Wärmeentziehung auf dem Marsche gegeben.
Ueber die Grösse der Schweisssecretion lässt sich ans der
Grösse der Wassereinnahme während des Marsches ein annähernd
richtiges Urtheil fällen. Die Feldflaschen der drei Leute, je 500 g
Wasser haltend, waren auf der ersten Hälfte des Marsches schon geleert;
im Beginne des Rückmarsches wurde an einem Bauernhöfe von Jedem
frisches Brunnenwasser in reichlicher Menge (ca. 200 g) getrunken.
Keiner hatte auf dem Marsche Harn gelassen; Keiner hatte nach der
Ankunft ein Bedürfniss danach. Während der letzten »/* Stunde des
Marsches war kein Wasser mehr getrunken worden. Nimmt man an,
dass bei Beendigung des Marsches im Innern des Körpers noch eben¬
soviel Wasser vorhanden war, als bei dem Abmarsch, so sind also
während des l’/sStündigen Marsches ungefähr 700 "cbcm
Wasser in Form von Schweiss durch die Haut ausgeschieden
worden.
Diese Menge erscheint, gegenüber der in der Ruhe von der Haut
abgegebenen Menge des Schweisses, als ganz beträchtlich. Vierordt
berechnet die vom menschlichen Körrper im Zustande der Ruhe durch
Schweissverdunstung in 24 Stunden ausgeschiedene Wassermenge auf
660 g und die zu ihrer Verdampfung erforderliche Wärmemenge zu
384,12 Calorien. Nehmen wir an, dass von jenen secernirten 700 cbcm
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Wasser nur etwa die Hälfte, also 350 g, verdunstet, die andere
Hälfte dagegen in tropfbarer Form von den Kleidungsstücken (Hemde,
Unterhose, Halsbinde, Hose, Rock) aufgesogen worden ist, so wurden
dadurch allein schon 206,8 Calorien Warme wahrend des l’/sStündigen
Marsches dem Körper des Infanteristen entzogen. Die Wärme-
production des Füsiliers während dieser Zeit berechnet sich, bei 26 kg
Belastung, auf l 1 /* x 282 = 423 Calorien. Zieht man hiervon die
durch Schweissverdunstung abgegebenen 207 Calorien, sowie die im
Körper zurückgehaltenen, aus 0,5° C. Temperatursteigerung berechneten
43,6 Calorien, also zusammen 251 Calorien ab, so bleibt ein Rest von
172 Calorien, welche also theils durch Leitung und Strahlung von der
Körperoberfläche, theils durch den Atbmungsprocess (Erwärmung der
Athmungsluft, Wasserverdunstung in Lungen und Luftwegen) nach aussen
abgegeben wurden.
Man erhält demnach folgende Wärmebilanz für den l’/s ständigen
Marsch des feldmarschmässig gekleideten Füsiliers P.:
Wärme-Einnahmen Wärme* Abgaben
während des Marsches (ohne Bestrahlung) bei •+■ 20,4° R., 47 pCt. rel. Feucht, und
bei 67 H- 26 = 93 kg Körperlast. N 1 (2—4 m).
In der Ruhe in l 1 /* Stunden Durch Verdunstung von
(n. Helmholtz). 172 Cal. k 350 g Wasser. 207 Cal.
Durch Muskelarbeit (n. Hirn) 251 Cal. Durch den Athmungsp’rocess
(= 19,9 pCt.). 84,2 Cal.
£ Durch Leitung und Strahlung
von Haut- und Kleider¬
oberfläche . 88,2 Cal.
Zusammen 379,4 Cal.
Im Körper zurückgehalten,
berechnet aus 0,5 ° C.
Temperatursteigerung . . . 43,6 Cal.
Summa 423 Cal. Summa 423 Cal.
Die Wärmeabgabe durch den Athmungsprocess haben wir
als gleich derjenigen in der Ruhe (vergl. S. 318 der früheren Arbeit)
angenommen, hauptsächlich aus dem Grunde, weil über die Veränderung
desselben bei der Muskelarbeit nichts bekannt ist; jedenfalls correspondirt
die Grosse dieser Art von Wärmeabgabe mit der Grosse des Luft¬
wechsels bei der Athmung, welche letztere bekanntlich bei Beschleunigung
der Athemzüge durch Muskelarbeit keine wesentliche Aenderung erfährt,
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350
da mit der grosseren Frequenz gleichseitig ihre Ausgiebigkeit abnimmt*)
— Wir sehen in obiger Rechnung, dass die Wärmeabgabe durch
Schweissverdunstung während des Marsches beträchtlich, nämlich
von 14,5 pCt in der Ruhe (Vierordt) bis auf 49 pCt. gesteigert,
die Wärme-Abgabe durch Leitung und Strahlung hingegen
von 70,5 pCt. (in Ruhe) auf 20,8 pCt. herabgesunken ist Die
Steigerung der Schweisssecretion ist Wirkung des Wärmeregulirungs-
Mechanismus der Haut, also eine physiologische Erscheinung, hervor¬
gerufen dorch die Steigerung der Wärmeproduction im Körper; zu diesem
Mechanismus gehört das erhöhte Durstgefühl der Leute auf dem Marsche
und die gesteigerte Aufnahme von Wasser. Die beträchtliche Abnahme
der Wärmeabgabe durch Leitung und Strahlung von 70,5 auf 20,8 pCt
hingegen ist — wie in der früheren Arbeit ausführlich dargelegt wurde —
Wirkung der Kleidung des Infanteristen. Vergleicht man den
hier erhaltenen Werth für die Verminderung der Wärme-Abgabe durch
die Kleidung (im schwitzenden Zustande!) mit den in den Abkühlungs¬
versuchen der ersten Arbeit (S. 371 u. folg, und S. 325 dieser Arbeit)
unter fast gleichen Bedingungen — bei 128° C. Lufttemperatur, Wind von
2 m Geschwindigkeit und 44 pCt. rel. Feucht. — erhaltenen Zahlen, so
findet man abermals zwischen beiden eine fast vollkommene Ueber-
einstimmung, nämlich bei letzteren Versuchen ein Verhältnis
von 1 : 3,65, bei der erstereri Berechnung ein solches von
1 : 3,39.
Schoner kann die Übereinstimmung zwischen theoretischer Berech¬
nung und praktischem Versuch, zumal unter so complicirten Bedingungen,
wohl nicht gedacht werden!
Ich gebe zunächst wieder eine tabellarische Zusammenstellung
der Resultate dieser Beobachtungsreihe.
*) Eine weit wichtigere Holle spielt das Athmungsorgan bei der Abkühlung
des Hundes. Da der Hund bekanntlich durch den Mangel an Sehweissdrüsen
ausgezeichnet ist, so übernimmt hier das Athmungsorgan die wichtige Function der¬
selben; bei gesteigerter Wärmeproduction in Folge von Jagen und Laufen, ja
schon bei anhaltender Bestrahlung durch die Sonne im ruhigen Liegen, wird die
Athmungsfrequenz enorm beschleunigt (bis über 100 in der Minute), das Maul weit
aufgesperrt, die Zunge lang herausgestreckt behufs Vergrösserung der Abkühiungs-
oberfläche, während gleichzeitig der Speichel in so überreichlichem Grade seeemirt
wird, dass er von den Mundwinkeln herabtropft. Es ist dies das bekannte Bild
des Lechzens beim Hunde. Ein Jagdhund kann daher auch im erhitzten Zustaude
ungestraft in das Wasser springen.
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feldmarschmftswig — 11,17 kg; y. leichter Marschanzug (Lltofko oto.) —* 1 8 , ft kg; '«fi ganz 1. Marechanzug (Drillich etc.) «» 18,26 kg.
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(Schloss folgt.) 24
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i) Füsilier BL 68,5 kg. a) Füsilier PL, 69 kg.
352
Referate und Kritiken.
Instruction der Medicinalabtheilung des englischen Kriegs
ministerinms an die das Expeditionscorps von Saakin 1885
begleitenden Aerzte. Von Dr. Braune, Marine-Stabsarzt.
Beiheft znm Marineverordnungsblatt No. 63 Seite 1—18. Berlin 1886.
E. S. Mittler and Sohn, Koaigl. Hofbachhandlang.
Schon einmal ist in dieser Zeitschrift (1885 S. 610) auf den »hoch-
interessanten 0 Anhang VII des Berichtes der englischen Militär-Medici nal-
abtheilung für das Jahr 1883 aufmerksam gemacht worden, welcher die
von dem zeitigen Generalstabsarzt der englischen Armee, Crawford, er¬
lassene Information für Offiziere and Aerzte der Expeditionstrappen in
Saakin enthält. Braune hat nun mit Genehmigung des Herrn Verfassers
das, was darin von allgemeinerem Interesse ist, znsammengestellt and
dadurch die mit bewundernswürdiger Umsicht and Präcision abgefasste
Instruction aach weiteren Kreisen zugänglich gemacht, weshalb auch wir
hier etwas genauer auf dieselbe eingehen wollen. Nachdem die noch
weiter unten zu besprechenden, zur Disposition des Expeditionscorps
stehenden Lazaretheinrichtungen aufgeführt sind, werden die klimatischeu
Verhältnisse des Landes sowie deren Einfluss erörtert. Als Hauptfactoren
für die Entstehung der Armeekrankheiten gelten die Ermüdung und die
unzulängliche Ernährung, während klimatische Verhältnisse insofern
untergeordnet sind, als sie durch Vermeidung der ersteren und durch
ergiebige Maassnahmen gegen die letztere mehr oder weniger überwunden
werden können. Die ägyptische Augenkrankheit muss wegen ihrer
specifischen Eigenschaften dem Schmutz, der Ueberfüllung und den Fliegen
zugeschrieben werden. Bei den grossen täglichen Temperaturschwankungen
ist es von grösster Bedeutung für die Verhütung von Unterleibserkrankungen,
die Mannschaften durch Beaufsichtigung ihrer Bekleidung (flanellne Leib¬
binden) gegen die Abkühlung bei Sonnenuntergang zu schützen. Alle
Fälle von Durchfall, welche mit Temperatursteigerung (Fieber) einher¬
gehen, sollen so lange als Typhus behandelt werden, bis eine weitere
Beobachtung das Gegentheil festgestellt hat. Hieran schliesst sich folgende
wohl zu beachtende Bemerkung. Nicht selten wird bei der in jedem
Feldzuge allgemein verbreiteten Disposition zu Durchfällen ein Unterleibs-
Typhus übersehen, sicherlich bleibt die angegebene Zahl der während
eines Feldzuges daran Erkrankten hinter der Wirklichkeit sehr zurück;
und der hohe Procentsatz der Sterblichkeit an dieser Krankheit ist zweifel¬
los vor allen Dingen der Thatsache zuzuschreiben, dass unter Kriegs¬
verhältnissen nur die schweren und deutlicher ausgesprochenen Formen
als Unterleibstyphus diagnosticirt und zurückgesandt werden. Aerztliche
Hülfsraittel der mannigfaltigsten Art müssen gerade gegen diese Krank¬
heit in ausreichender Menge vorgesehen werden.
Jeder Arzt ist mit einem tragbaren Lederetui, welches die notbigen
chemischen Reagentien zu einer vorläufigen Wasseruntersuchung enthalt,
ausgerüstet; stets ist auch eine eingehende Besichtigung der Quellen
vorzunehmen. Zwei Fahrzeuge zum Wasserdestilliren, von denen jedes
täglich 150 Tons condensiren kann, sind in Suakin stationirt und liefern
das Wasser für die Truppen soweit dies möglich ist. Die Mannschaften
haben ihre Wasserflaschen mit kaltem Thee, mit einem Zusatz von Limonen-
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353
saft and Zucker zu füllen; alle Truppen erhalten Alaun als vorzügliches
Mittel, das Wasser von suspendirten Verunreinigungen zu befreien; 0,4 g
reinigen 4,5 1 Nilwasser in 10 bis 12 Stunden; Brackwasser ist möglichst
nur zum Kochen zu benutzen; ausserdem hat jeder Soldat einen Taschen¬
filter resp. werden solche leicht mit Hülfe von reinem Sand und einem
Stück Leinewand oder Flanell improvisirt; als vorzügliches Reinigungs¬
mittel von organischen Substanzen wird Holzkohle empfohlen.
Die Feldration besteht aus 560 g Brot oder 450 g Zwieback, 560 g
frischem oder 450 g präservirtem Fleisch, 340 g Kartoffeln oder frischem
Gemüse, 9,5 g Thee, 9,5 g Kaffee, 64 g Zucker, 14 g Salz. Für gelegent¬
liche Abwechselungen mit Erbswurst, Marmelade u. s. w. ist Sorge ge¬
tragen. Wird praservirter Proviant ausgegeben, so hat eine tägliche
Verausgabung von Limonensaft stattzufinden; auf alle Falle muss dies
geschehen, wenn Kartoffeln oder frische Gemüse nicht geliefert werden.
Aerztliche Stärkungsmittel sind in reicher Auswahl vorgesehen: Cham¬
pagner, Roth wein, Portwein, Cognac, Ale, Porter, Beefessenz, peptonisirter
Cacao für Typhus- und Ruhrkranke, Geflügel u. s. w., selbst für Eis ist
gesorgt.
In Betreff der Gesundheitspflege bestimmt die Instruction zunächst,
dass an Bord wie an Land Einrichtungen für die Behandlung von Infections-
krankheiten zu treffen sind, wobei folgende Hauptregeln in Betracht
kommen: Isolirung der Angesteckten, reichliche Vergrosserung der Grund¬
fläche für die übrigen Kranken und Wechsel der Oertlichkeit. Es folgen
alsdann Bestimmungen über die Dichtigkeit der Belegung mit Truppen
je nach der Grundfläche für die einzelnen Zelte. Die Latrinen sind stets
in Lee und wenigstens 50—100 m, die Urinabzüge, in Form schmaler
Graben, 20—25 m von den Zelten entfernt, Kochplätze mit Gräben für
Abwässer an der entgegengesetzten Seite anzulegen. Zur Desinfection
dient trockne Erde mit einem Desinfectionsmittel gemischt; die desinficirten
Stühle von Typhus-, Cholera- und Ruhrkranken sind abgesondert in sicherer
Entfernung zu vergraben; ebenso alle Abfallstoffe, sofern sie nicht ver¬
brannt werden können. Thierleichen sind auf der Leeseite von Sand-
hügeln zu vergraben; ist hierzu keine Zeit, so hat dies wenigstens mit
den Eingeweiden zu geschehen, während im Rumpf des Thieres mit Ge¬
strüpp ein Feuer anzuzünden ist.
Die Bekleidung ist dem tropischen Klima entsprechend eingerichtet
(Schleier, Nackenschleier, Staubbrillen u. s. w.).
Nur stationäre Lazarethe gewähren Krankenbeköstigung, während
die beweglichen Feldlazarethe durch die Feldration verpflegt werden.
Den Krankentransport sichert zunächst ein zahlreiches Krankentransport¬
corps, beim Eisenbahntransport sind in die mit Heu oder Stroh bedeckten
Fussboden der Güterwagen Latrinenlocber zu schneiden. Für systematische
Evakuirung der Verwundeten ist ausreichend zu sorgen, „es ist sehr viel
besser, die Gefahr eines frühzeitigen Transports, als die einer Ueber-
häufung Verwundeter auf sich zu nehmen und ratbsamer, chirurgische
Fälle zu vertheilen als sie zu vereinigen.“ Stets sind antiseptische Ver¬
bände anzulegen, mögen sie auch noch so roh und einfach sein. Für
den Rücktransport Kranker und Verwundeter ist ein Transport-Etappen¬
system einzurichten.
Aerztliche Untersuchungen der Truppentheile, die „natürlich
keine Paraden oder reine Formalitäten sein dürfen“, sind so oft wie
möglich, beim Auftreten einer Infectionskrankheit sogar täglich vorzu-
24*
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354
nehmen. Wenn Truppen Ortschaften besetzt halten, so sind die Schnapsläden
des Ortes za schliessen oder unter militärische Polizeiaufsicht zu stellen.
Vor übermässiger Verabreichung von Arzneimitteln wird gewarnt,
„je tüchtiger der Arzt ist, einer um so geringeren Zahl von Arzneimitteln
wird er im Felde und an der Front zur wirksamen Behandlung Kranker
und Verwundeter bedürfen“.
Die nun folgenden Bemerkungen und Vorschriften über die
Verwundetenpflege während des Gefechts sind so ausgezeichnet,
dass wir sie der Hauptsache nach wörtlich folgen lassen. „Die Annahme,
dass eine Nothwendigkeit oder die Möglichkeit vorläge, für einen Ver¬
wundeten im Feuer oder unmittelbar nach einem Gefecht viel zu thuu,
beruht auf einem Irrthum, es sei denn, dass man ihm in dem, was
dringend nothwendig ist, hilft und ihn vorsichtig nach einem Sicherheits¬
orte bringt, wo ihm die nöthige Zeit und Aufmerksamkeit zu Theil
werden und weitere Schritte von einer eingehenden Untersuchung ab¬
hängig gemacht werden können. Schwere Blutungen zu stillen, die
Folgen des Shocks abzuwenden, einen gebrochenen Knochen zu stützen,
gehört natürlich zu diesem Nothwendigen. Auch ist es sehr wünschens¬
wert, den moralischen Effect eines ersten Verbandes zu sichern, der
darin beRteht, dass man das Blut und die Verletzung dem Anblick
des Verwundeten und seiner Kameraden entzieht. Perforirende Wanden
am Rumpf sind diejenigen, welche vor allen Dingen die sofortige per¬
sönliche Besichtigung des Arztes beanspruchen. Die gegenwärtige
Organisation ist wahrscheinlich die beste, weiche erdacht werden kann,
um das Schlachtfeld schnell von den Verwundeten zu säubern, und für
europäische Kriege, in denen Artillerie und Präcisionswaffen in Gebrauch
sind, sind Krankenträger-Compagnien und Verbandstationen wesentlich
zum Sammeln und Verbinden der Verwundeten und zu ihrer Vertheilang
auf die verschiedenen Feldlazarethe. Unzweifelhaft ist es in hohem
Grade wünschenswert, eine Gewehrschusswunde aseptisch zu erhalten,
aber es wird allgemein angenommen, dass die Entblössung und Berührung
derselben das Gegenteil zu bewirken geeignet sind, und das Anlegen
eines ersten Verbandes ist, wie die Erfahrung lehrt, nicht allein eine
überflüssige Thätigkeit — denn gewöhnlich ist er nur dazu da, um bei
der ersten Verbandstation oder beim Feldlazareth wieder abgeschnitten
zu werden — sondern er wird sich wahrscheinlich nicht selten auch als
schädlich erweisen. Auch darf man nicht vergessen, dass die Natur
Menschen und Thiere gewissermaassen mit einem ersten Verbände aus¬
gerüstet hat, welchen sie stets bei sich tragen, bereit, im Momente der
Verwundung in Wirksamkeit zu treten, nämlich das Blut; — frisch-
geronnenes Blut ist der beste aseptische Pfropf, der zum Verschluss
einer Wunde angebracht werden kann. Die lebenden Gewebe und das
normale, nicht durch verdorbene Flüssigkeiten oder Fäulnissproducte
inflcirte Serum besitzen die Kraft, den Wirkungen und der Entwickelung
der Bacterien zu widerstehen. Wenn diese Bemerkungen auf Thatsachen
beruhen, so folgt, dass die Ausübung der Antiseptik in der Form eines
ersten Verbandes im Kriege, welche durch das gelieferte Wundpäckcben
bewirkt wird, wahrscheinlich einen beschränkteren Anwendungskreis hat,
als man gewöhnlich annimmt.*) Die Art des ersten Verbandes ist eine
Detailfrage, über die man noch nicht zu einer endgültigen Entscheidung
*) Vergl. hierzu die Ausführungen Nimiers auf S. 291.
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355
gekommen so sein scheint. Es ist ganz klar, dass er die allerein fachst e
Form haben muss, doch so, dass er antiseptische Wirkung hat. In der
grossen Mehrzahl der Fälle ist Alles, was bei der ersten Hülfeleistung
geschehen kann, temporärer and provisorischer Natur and sollte sich
aaf einen Verschloss oder eine Bedeckung der Wände beschränken, wo¬
zu in Ermangelung von Anderem ein Stück Protective genügen kann,
ferner auf eine passende Lagerung des verletzten Theils und in gewissen
Fällen auf die Unbeweglichmachang desselben. Kurz v ein Verwundeter
soll in der Regel so schnell und so schonend wie möglich zu einem
Feldlazareth gebracht werden, wo die antiseptische Chirurgie und Ver¬
bandmethode kunstgemäss angewandt werden können, und hierfür ist das,
was in den meisten Kriegen mangelhaft bleibt, erforderlich, nämlich der
Transport. Die Principien der modernen Chirurgie sind: eine Wände,
wenn möglich ganz und gar aseptisch zu erhalten; wenn dies nicht gelingt,
sie antiseptisch zu machen, sie in einem Zustande physiologischer, d. i.
absoluter Ruhe zu halten und den Abfluss zu sichern. Bei allen Kugel-
Fleischwunden thue man nichts, sondire, berühre, wasche oder störe sie
in keiner Weise, nur versuche man sie in denselben Zustand zu bringen,
wie eine Wunde der subcutanen Chirurgie, z. B. bei der Tenotomie. Die
Natur hat das Streben, dies provisorisch zu thon, indem sie sie mit ge¬
ronnenem Blute verschliesst. Selbst bei ausgedehnten Verletzungen eines
Knochens oder anderer Theile,' namentlich eines Gelenks, ist es rathsam,
möglichst wenig zu thun, ausser dass man die Wunde mit einem Anti-
septicum bedeckt, für möglichste Unbeweglichkeit der Theile Sorge tragt
and den Patienten nach dem nächsten Feldlazareth transportirt, wo alles
Erforderliche überlegt und bestimmt und wirksam ahsgeführt werden
kann. Seitlichen Halt kann man durch irgendwelche Schienen erreichen,
die mit spiralförmig unterbrochenen Binden befestigt werden; jedoch
sollten Schienen stets von einem Arzte oder wenigstens unter seiner per¬
sönlichen Leitung angelegt werden. Ist Sepsis und Eiterung eingetreten,
so ist es schlimmer als blo &9 nutzlos, äusserlich einen antiseptischen Ver¬
band anzulegen und die Wunde und Höhle mit antiseptischen Polstern
oder mit Gaze und wasserdichtem Stoff zu bedecken. Man muss zuvor
den Eiter entleeren, die ganze Höhle mit einer antiseptischen Flüssigkeit
sorgfältig auswaschen, ein weites Drainrohr, das sich nach abwärts öffnet,
einfuhren und dann erst das antiseptische aufsaugende Polster auflegen
and mit einem dreieckigen Tuche befestigen. Rollbinden sind in der
Regel za vermeiden. Jede chirurgische Hülfeleistung oder jeder Verband,
die nicht einen ganz bestimmten Zweck im Auge haben, sind unüberlegt,
und das ist für das aseptische oder antiseptische Verfahren gefährlich.*
Das ist ungefähr der Inhalt der für den ersten Verband gegebenen
Directiven, von denen wir nur hoffen wollen, dass sie recht bald in
succum et sanguinem aller Militärärzte übergehen möchten.
Im Anschluss hieran wird empfohlen, stets ein gutes Taschenmesser
ood eine kurze, starke Scheere bei sich zu führen, ausserdem Morphium
io Pulvern und Lösung. Nach Entfernung der Kleider soll die Wunde
irad die benachbarte Haut mit 5procentiger Carbollösung sorgfältig gereinigt,
dann mit Jodoformpulver leicht bestreut, mit in Carbollösung getauchtem
Protective bedeckt und, nachdem hierüber ein paar Lagen Rorlint gelegt,
mit einer Gazebinde verschlossen werden. Für die stehenden Lazarethe
wird die Irrigation als sehr wirksames Verfahren empfohlen. Bandagen,
Gummistoff und Schwämme sind nach dem Gebrauch stets zu vernichten.
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Ein Mann mit schlechtem Wnndheilongsprocess soll sofort verlegt werden.
Die Aerzte haben aber alle wichtigen Fälle Krankenjonrnale za fahren.
Gegen die Augenentzündung wird ausser den allgemein bekannten Maass-
regeln das Bestäuben der Innenhaut der Augenlider mit einer Mischung
von Jodoform und Arrowrootmebl im Verhältnis von Vs bis V* Jodoform
empfohlen.
Das für die Expedition zur Disposition gestellte Sanitätsmaterial
war kurz folgendes: Bei jedem Infanterie- und Cavallerie-Regiment ein
Arzt, ein Corporal, ein Gemeiner, ein Paar Feld-Medicinpackkörbe, ein
Medicintornister mit Wasserflasche, eine Verband-Umhängetasche, ein
Verbandzelt. Zwei Kranken träger-Compagnien, die eine mit Kranken¬
transportwagen, die andere mit Krankentragen ausgerüstet, sollen soviel
wie möglich bei den Feldlazarethen verbleiben. 100 Lushai-Dandiea
mit Trägern aus Indien sichern den ersten Krankentransport. 4 Feld-
lazarethe, jedes zu 100 Betten, werden je eins jeder Brigade zugetbeilt.
Ein stationäres Lazareth zu 200 Betten für die Etappenstrasse. Zwei
Lazarethschiffe zu 200 Betten und ein Lazarethdepotschiff in Suakin.
Ein Hauptlazareth zu 300 Betten an der Basis der Expedition. — Be¬
stimmungen über die Verwaltung der Lazarethe sowie allgemeine Be¬
merkungen über Ausrüstungsgegenstände, Rapportwesen etc. beschliessen
diese Instructionen, deren Durchsicht gewiss jedem unbefangenen Leser
die Ueberzeugung aufdrängt, dass die Engländer die bisherigen Erfahrungen
der Kriegschirurgie und Militärhygiene sehr richtig aufgefasst und in
rühmenswerther Fürsorge für ihre unter den schwierigsten Verhältnissen
kämpfenden Truppen mustergiltig verwerthet haben.
Goebel.
Die Penjdeh-Seuche. Im St Petersburger Herold befindet sieh
ein Referat über einen Vortrag, den ein russischer Arzt vor General
Komaroff und den versammelten Offizieren der Garnison Askabad ge¬
halten hat über die sogenannte Penjdeh-Plage, eine Epidemie, welche
nicht weniger als 90% der Truppen des Murghab-Detachements in der
Zeit zwischen Januar und November vorigen Jahres befallen hatte.
Die Krankheit besteht in einer Eruption von Beulen und Schwären
über den ganzen Körper, welche, obwohl sie nicht besonders schmerzhaft
sind und auch das Allgemeinbefinden nicht wesentlich alteriren, doch die
grösste Mehrzahl der damit Behafteten unfähig machen, den activen
örenzdiesst zu verrichten. Der betreffende Arzt war durch kaiserliche
Ordre an Ort und Stelle gesandt und hatte die Krankheit mehrere Monate
hindurch studirt Zuweilen traten bei einem Mann zwischen 40—90 Beulen
successive auf, von denen jede 4—6 Monate bestehen blieb. Der Arzt
fertigte zum Studium der Krankheit in allen Stadien ihrer Entwickelung
bemalte Gypsabgüsse an. Die Ursache der Krankheit schreibt er einer
Bacterien-Art zu, die in der Luft des Murghab-Thales sehr verbreitet
Ist, dieselben werden mit Nebel und Sand zusammen leicht dnrch die
Sommerkleidang hindurchgeblasen und durchdringen die Haut. Der
Mikrococcus stammt aus dem Murghab-Wasser, von dem ein Tropfen
mehrere Millionen dieser Organismen bergen soll. Eine Reihe von Todes¬
fällen haben sich nach dem Genuss des Wassers dieses Bachs ereignet
und wurden ausschliesslich diesem Genuss zugeschrieben. Dreizehn¬
hundert Krankheitsfälle wurden analysirt und durch Impfung auf ver-
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357 —
achiedene Thiere ganz ähnliche Beulen erzengt. Der Vortragende ent¬
wickelt die Mittel and Wege, am in Zukunft das Observations-Corps an
der Afghanischen Grenze vor der Krankheit zu schützen, bespricht die
milderen Heilmittel und empfiehlt, wenn rasche Heilung nothwendig ist,
die Cauterisation.
(Brit. med. Journ. May 8. 1886.) B—r.
Jahresbericht über die Fortschritte in der Lehre von den pathogenen
Mikroorganismen, umfassend Bacterien, Pilze und Protozoen.
Von Dr. med. P. Baum garten, Prof, an der Universität Königsberg.
Erster Jahrgang 1885. Mit 2 Holzschnitten und einer lithographirten
Tafel. Braunschweig, Leopold Bruhn, Verlagsbuchhandlung für
Naturwissenschaft und Medicin 1886. —
Baumgarten hat mit seinem Jahresbericht einen sehr glücklichen
Griff gethan, welcher den Dank und die Anerkennung der Fachgenossen
im höchsten Maasse verdient Der Name des Autors allein, als der eines
erfahrenen pathologischen Anatomen und Mikroskopikera, genügt, um für
die Gründlichkeit und Sachgemässheit der Arbeit zu bürgen.
Der Bericht bringt zum ersten Male in gedrängter Kürze eine Ueber-
aicht über die sämmtlichen letztjährigen Leistungen des In- und Auslandes
auf dem Gebiete der die Pathologie interessirenden niederen Mikro¬
organismen. Der wesentliche Inhalt der einschläglichen bacteriologischen
Arbeiten wird treu und gewissenhaft wiedergegeben. Als ein ganz be¬
sonderer Vorzug des Berichts sind die dem Referate an zahlreichen
Stehen beigefügten kritischen Bemerkungen (im Ganzen 190) hervor-
zoheben. Ein Beispiel möge als Belag hierfür dienen. Auf Seite 110
wird eine Arbeit des berüchtigten Ferran („Ueber die Morphologie des
Kommabacillus“), dessen Cholera-Schutzimpfungen seiner Zeit so viel un¬
nützen Staub aufgewirbelt haben, mit folgenden kurzen Worten abgetban:
„Die Angaben Ferran’s mussten von vornherein wegen der man¬
gelnden Analogie mit den bisher über die Form ent wickelungsgescb ich te
von Bacillen, Vibrionen und Spirillen festgestellten Thatsachen, und
wegen der Unzuverlässigkeit der angewandten Ünterauchungsmethode die
erheblichsten Zweifel erregen. Die Controluntersuchungen von Rapt-
schewski, v. Ermen gern , Koch u. A. (siehe später) haben die Hin¬
fälligkeit der Deutungen, welche Ferran seinen Beobachtungen gegeben,
dargethan.“
In ähnlicher Art, bald ergänzend, bald einschränkend bezw. berich¬
tigend, sind alle übrigen Bemerkungen gehalten.
Dem Specialisten wird es durch eine übersichtliche Inhaltsangabe
(Autoren-, Sachregister) des Berichts wesentlich erleichtert, aus der grossen
Zahl der Originalarbeiten die ihm vorzüglich wichtigen ohne Zeitverlust
aoszowählen. Vor Allem aber ist nunmehr dem praktischen Arzt
Gelegenheit gegeben, die Entwickelung dieses neuen medicinischen
Forschungsgebiets zu verfolgen und sich auf der Höhe der Wissenschaft
zq erhalten.
Mögen dem verdienstvollen Unternehmen durch eine rege Betheiligung
der Fachgenossen sein Bestehen und sein regelrechter Fortgang gesichert
»ein! — _ Pfuhl (Hamburg).
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358
Erinnerungen an die Weltausstellung in Antwerpen. Wett¬
bewerb um den von Ihrer Majestät der Kaiserin von Deutsch¬
land ausgesetzten Preis von 5000 Francs für das beste trans¬
portable Baracken-La zareth. Von einem Mitglieds der inter¬
nationalen Jury. Centralblatt für allgemeine Gesundheitspflege, 5. Jahrg.
4. und 5. Heft.
Die für die Benutzung im Kriegsfall oder bei grosseren Epidemien
gedachten Baracken sollten folgenden Anforderungen entsprechen: 1) die¬
selben müssen sich leicht abbrechen lassen, 2) sie müssen ebenso leicht
auf Feld wagen wie auf der Eisenbahn von einem Orte zum andern zu
transportiren sein und 3) man muss im Stande sein, sie in kürzester Zeit
aufzubauen und zur Aufnahme von Kranken und Verwundeten einzu¬
richten. Ihre einzelnen Theile müssen dabei fest genug zusammengefügt
sein, um allen Unbilden der Witterung, namentlich der Gewalt des
Windes, Widerstand leisten zu können.
Ausserdem wurde gewünscht, dass das angewandte Material un¬
durchdringlich gegen den Regen und möglichst auch unverbrennlich sein
solle. Das Aufbauen und Abbrechen der Baracke solle keine besonders
geschulten Arbeiter voraussetzen, sie solle deshalb auch aus gleichartigen,
nach möglichst wenig Typen construirten Stücken bestehen, die sich leicht
aneinanderfügen lassen, und endlich wurde ein möglichst geringes Gewicht
und ein niedriger Preis zur Bedingung gemacht.
Es waren ca. 60 Aussteller erschienen, von denen indessen mehrere
(Ungarns Rothes Kreuz) auf die Theil nähme am Wettbewerb verzichteten.
Modelle und Zeichnungen wogen vor, unter den mehr oder weniger aus¬
geführten Baulichkeiten war eine einzige vollständig als Feldlazarett]
eingerichtet — die von William M. Ducker aus Brooklyn.
Die internationale Jury hat geglaubt, den 1. Preis dem System
Doecker ertheilen zu müssen, das wir hier wohl als bekannt voraus¬
setzen dürfen, nachdem es probeweise in mehreren unserer Militär-
Lazarethe den Sommer und Winter hindurch belegt war und auf der
Berliner Hygiene-Ausstellung zur allgemeinen Ansicht ausgestellt war.
Der Preis einer Baracke für 12 Betten mit 2 Oefen betrug 5200--5600 Frcs.
und sie wog 3387 Kilo.
Der ungenannte Verfasser der vorliegenden Arbeit sagt: „Obgleich
die verschiedenen Vorzüge der prämiirten Baracke sofort ins Auge fallen,
wurde die Mehrzahl der Besucher der Ausstellung durch die Entscheidung der
Jury überrascht; auch in den Kreisen der Sachverständigen hatte mau viel¬
fach dem Feldlazareth William M Ducker’s aus Brooklyn den Vor¬
zug eingeräumt.“
Dies letztere besteht aus Rahmen von Holz, die mit wasserdichtem,
zugleich feuerfestem, hier aber (im Gegensatz zu Doecker’s grauem
Ueberzug) weissem Stoffe, aus zwei Lagen Segeltuch, dazwischen Filz,
überzogen sind. Je zwei Rahmen sind durch dauerhafte Charniere zu
einer Section verbunden, welche zugleich die unentbehrlichste Einrichtung
des Krankenraumes (Bett, Tisch, Klappstuhl, Rückenkissen) enthält Die
genannten Theile lassen sich gegen die innere Füllung der einzelnen
Rahmen aufklappen und zwar Tisch und Stuhl an den Rahmen, in
welchem sich das mit einer Jalousie verschliessbare Fenster befindet, an
den anderen das Bett, hinter dem eine unzerbrechliche Schiefertafel mit
Stift angebracht ist Die Charniere gestatten, dass die Rahmen einer
solchen Section zusammengeklappt werden, wie die beiden Deckel eines
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369
Buches; auf die Art entsteht ein solides, leicht transportables Gepäckstück
— ein Stück der Barackenwand zugleich mit dem entsprechenden Theile
der inneren Ausstattung. Besonders hervorgehoben muss noch werden,
dass sich die Rahmen (im Gegensatz zu Doecker) auch auf unebenem
Boden sofort horizontal aufstellen lassen, da man ihre Füsse dauerhaft
and schnell beliebig verlängern kann. —
Das ganze William Ducker’sche Gebäude besteht aus ebensovielen
vollkommen gleichen Sectionen, wie es Kranke aufnehmen soll. Die
Länge des ganzen für 12 Kranke berechneten Raumes beträgt 10,6 m.
Das Dach besteht am First aus einem resp. mehreren aneinandergefugten
Längsstücken und aus genau abgepassten, vollständig gleichen Sparren,
die sich leicht einfügen lassen und auf denen die Decke aus Segeltuch
ruht Die Baracke kann durch Einfügung weiterer Sectionen und gleich¬
zeitiger Vermehrung der Dachsparren beliebig vergrossert werden. An
die Giebelseiten stosst ein Raum für die Heizung und für die Abtritte.
Zwei Personen können angeblich die Baracke in der Zeit von
l’/i Stunden aufschlagen und in kürzerer Zeit abbrechen und verladen;
besondere Kästen für die Verladung sind nicht nöthig. Das Gesammt-
gewicht der Baracke mit Einrichtung beträgt heute, nachdem Ducker
nachträglich noch Verbesserungen angebracht hat, 2800 Pfund, der Preis
1750 Francs.
Die Mitglieder der Jury, deren Namen — wie der ungenannte Ver¬
fasser hervorbebt — volle Unparteilichkeit bei der Beurtheilung gewähr¬
leisten, haben dem amerikanischen Feld-Lazareth, System Ducker, bei
allen seinen Vorzügen nur die silberne Medaille zuerkannt Die Arbeit
lasst zur Genüge erkennen, dass das ungenannte Jury-Mitglied den
Majoritätsbeschluss nicht theilt, sondern mit den vorliegenden Zeilen ein
Separat-Votum abgiebt
Am Schluss des Artikels werden noch kurz besprochen das mit der
goldenen Medaille ausgezeichnete System Tollet, die vom französischen
Kriegsministerium angenommene Ambulance; ferner das System Emerich
v. Jvänka (Ungarisches Rothes Kreuz) und die Baracke von Putzey. —
Am Schluss präcisirt Verfasser die Forderungen, welche nach seiner
Ansicht an die beste derartige Baracke gestellt werden müssen, sie
werden nach seiner Ansicht sämmtlich von dem amerikanischen System
Ducker und zwar von diesem allein erfüllt.
Gewiss bleibt es jedem Jury-Mitglied unbenommen, eine von dem
Majoritäts-Votum abweichende Ansicht vor die Oeffentlicbkeit zu bringen
und mit Gründen zu vertretenf — das hat der ungenannte Verfasser in
sacbgemässer Weise gethan — aber wozu die Anonymität, wir gestehen
offen, dass das System Ducker uns sympathischer geworden wäre, wenn
ein bekannter und nicht ein im Dunkeln bleibender Sachverständiger es
uns empfohlen hätte. B—r.
Die acute Neurasthenie, die plötzliche Erschöpfung der
nervösen Energie. Ein ärztliches Culturbild von Dr. med. Averbeck,
dirig. Arzt und Besitzer von Heilanstalt und Bad Laubach a. Rh.
Sonder»Abdruck aus „Deutsche Medicinal-Zeitung“. Berlin 1886. Verlag
von Eugen Grosser. 57 Seiten.
Nachdem Verfasser die acute Neurasthenie als eine functionelle
Storung des Centralnervensystems ohne pathologisch-anatomisch nach-
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360
weisbare Veränderung bezeichnet hat, bespricht er als Ursachen dieser
Erkrankung den Gebrauch und Missbrauch der Reiz- und Genussmittel,
preist den Vegetarianismus sowie die militärische Erziehung als mächtige
Schutz waffen gegen die acute Neurasthenie, welche er in die acute
Cerebrasthenie, die Erschöpfung der nervösen Energie des Gehirns, die
acute Myelasthenie, die plötzliche Erschöpfung der nervösen Energie des
Rückenmarks, die acute Sympathicoasthenie, die acute Erschöpfung der
nervösen Centren des sympathischen Nervensystems und in die allgemeine
acute Neurasthenie, die sich mehr oder weniger über das gesammte
Centralnervensystem erstreckende Erschöpfung der vitalen Energie, ein-
t heilt. Nach Besprechung der Diagnose und der Folgen der acnten
Neurasthenie wendet sich Verfasser zu der Prophylaxe, welche er haupt¬
sächlich io dem Vegetarianismus, verbesserter körperlicher Erziehung der
Jugend sowie in der Gründung einer Gesellschaft „Gesundheit sieht,
welch letztere es jedem körperlich-geistig arbeitenden Culturmenschen
ermöglichen soll, alle drei oder fünf Jahre einen Kurort, eine Sommer¬
frische oder einen Landaufenthalt für die Dauer von drei bis acht Wochen
zu besuchen. Die Behandlung der acuten Neurasthenie soll in der
Regelung der Diät und des hygienischen Verhaltens, einer streng iodivi-
dualisirenden Kaltwasserkur, der Heilgymnastik und der Massage be¬
stehen.
Durch das ganze Buch, das weniger eine mediciniscbe Studie als —
was es auch sein wollte — ein Culturbild vom ärztlichen Standpunkte
aus ist, zieht sich eine neurasthenisch*pessimistische Stimmung; sicherlich
aber bat sich Verfasser in seiner Hoffnung, dass seine Betrachtungen,
wenn nicht immer die Zustimmung, so doch das Interesse der Collegen
erregen werden, nicht getäuscht. GoebeL
Real-Encyclopädie der gesammten Heilkunde. Medicinisch-
chirurgisches Handwörterbuch für praktische Aerzte. Unter Mitwirkung
zahlreicher Gelehrter herausgegeben von A. Eulenburg. Verlag von
Urban u. Schwarzenberg.
Im 14. Jahrgang (1885) dieser Zeitschrift haben wir Seite 39 auf
das Erscheinen der zweiten Auflage dieses hochbedeutsamen Werkes
hingewiesen und Seite 604 von dem raschen Fortschreiten der Veröffentr
lichnng unseren Lesern Kenntniss gegeben. Jetzt liegt mit der 50. Lieferung
der fünfte Band vollendet vor; ausser sehr zahlreichen kleineren Arbeiten
finden wir in dem Bande eine stattliche Reihe vortrefflicher Original-
Artikel; so lasen wir mit grösstem Interesse die Artikel über Decubitus
(Küster), Delirium (Mendel), Desinfection (Wernich), Diabetes melli¬
tus (Ewald), Digitalis (Schulz-Greifswald), Dyspnoe (Landocs) etc.
Redaction und Verlagshandlung wetteifern, um das Werk zu ver¬
vollständigen und zu verbessern.
Der leichteren Anschaffung wegen ist das Werk auch in Lieferungen
zum Preise von M. 1,50 zu beziehen. B—r.
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361
Unter den im Mai zur Besprechung eingegangenen Werken befindet
sich die 2. gänzlich umgearbeitete Auflage von G. Morache’s Traite
d’Hygifene militaire. Die Zeitschrift wird in einer der nächsten
Nummern eine ausführliche Analyse dieses ausgezeichneten Werkes
bringen. Eine frühere Fertigstellung hat sich bei dem Umfange desselben
and der dienstlichen Inanspruchnahme unseres Herrn Referenten nicht
ermöglichen lassen.
fflittheilnngeii.
General-Rapport
von den Kranken der Königlich Preussischen Armee, des XII. (Königlich
Sächsischen) und des XIII. (Königlich Württembergischen) Armee-Corps,
sowie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich Bayerischen
Besatzungs-Brigade pro Monat März 1886.
1) Bestand am 28. Februar 1886: 15 662 Mann und 51 Invaliden
2) Zogang:
im Lazareth 13 134 Mann und 1 Invalide,
im Revier 24 352 - - 8 _
Summ a 37 486 Mann und 9 Invaliden.
Mithin Summa des Bestandes und Zuganges 53 148 Mann und 60 Invaliden,
in Procenten der Effectivstärke 13,7% und 21,4%.
3) Abgang:
geheilt.
38 256 Mann, 5 Invaliden,
gestorben ....
112 - 2
invalide.
207 - —
dienstunbrauchbar .
389 - —
anderweitig . . .
346 - — -
Summa . .
39 310 Mann, 7 Invaliden.
4) Hiernach sind:
geheilt 72,0% der Kranken der Armee und 8,3% der erkrankten In¬
validen,
gestorben 0,21% der Kranken der Armee und 3,3% der erkrankten In¬
validen.
5) Mithin Bestand:
im 31. März 1886 13 838 Mann und 53 Invaliden,
in Procenten der Effectivstärke 3,6% und 18,9%.
Von diesem Eirankenstande befanden sich:
im Lazareth 9444 Mann und 6 Invaliden,
im Revier 4 394 - - 47
Es sind also von 475 Kranken 341,9 geheilt, 1,0 gestorben, 1,9 als
invalide, 3,5 als dienstunbrauchbar, 3,0 anderweitig abgegangen, 123,7 im
Bestand geblieben.
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362
Von den Gestorbenen der activen Truppen haben gelitten an: Masern 1,
Rose 2, Blutvergiftung 1, Unterleibstyphus 9, epidemischer Genickstarre 2,
Blutarmuth 1, bösartigen Geschwülsten 1, Hirn- und Hirnhautleiden 7,
Rückenmarksleiden 2, Lungenentzündung 39, Lungenschwindsucht 23,
Brustfellentzündung 6, Herzleiden 1, Lymphgefäss Vereiterung 1, Leber¬
leiden 1, Bauchfellentzündung 6, Nierenleiden 3, constitutioneller
Syphilis 2, Zellgewebsentzündung 1, Knochenmarkentzündung 1; an den
Folgen einer Verunglückung: Hufschlag 1; an den Folgen eines Selbst¬
mordversuches: Vergiftung 1. Von den Invaliden: Blasencatarrh 1,
Altersschwache 1.
Mit Hinzurechnung der nicht in militärär Etlicher Behandlung Ver¬
storbenen sind in der Armee im Ganzen noch 21 Todesfälle vorgekommen,
davon 3 durch Krankheiten, 3 durch Verunglückung, 15 durch Selbst¬
mord; von den Invaliden: durch Krankheit 1; so dass die Armee im
Ganzen 133 Mann und 3 Invaliden durch den Tod verloren hat.
Nachträglich:
pro November 1885:
1 Verunglückung durch Ertrinken;
pro December 1885:
1 Selbstmord durch Ertranken.
Jahresessen des Königlich Sächsischen Sanitäts-
Offiziercorps.
Am 2. Juni a. c. Nachmittags 5 Uhr fand in den Räumen des
Königlichen Belvedere der Brühl’schen Terrasse zu Dresden das Jahres¬
essen des Königlich Sächsischen Sani täte-Offiziercorps statt. Zahlreiche
Gäste vom Offiziercorps wie vom Civil, ferner eine Deputation Königlich
preussischer Sanitäts-Offiziere unter Führung des Oberstabsarztes 1. CI.
Dr. Gras nick Namens der Militärärztlichen Gesellschaft zu Berlin und
zwei Sanitäts-Offiziere aus Görlitz beehrten das Fest mit ihrer Gegenwart,
welches in der gehobensten Stimmung verlief.
Nachdem das begeisterte Hoch auf Se. Majestät den Kaiser und Se.
Majestät den König verklungen war, begrüsste Generalarzt 1. CI. Prof.
Dr. Roth die Gäste, von denen Se. Excellenz Generallieutenant v. Funke
Namens der Offiziere, Oberstabsarzt 1. CI. Dr. Gras nick Namens der
preussischen Sanitäts-Offfziere, Hofrath Dr. Stelzner Namens des Stadt-
Krankenhauses zu Dresden und Geheimer Medicinalrath Prof. Schmidt
Namens der Universität Leipzig erwiderten. Den Worten des Oberstaba¬
arztes 1. CI. Dr. Ziegler, der die zahlreich erschienenen Sanitäts-Offiziere
der Reserve begrüsste, antwortete Stabsarzt der Reserve Dr. Ritter. —
Am darauffolgenden Tage fand die Besichtigung der Casernen sowie des
Garnisonlazareths seitens der preussischen Cameraden statt, worauf ein
kleines Essen im Sanitäts - Offiziercasino des Garnisonlazareths einen
heiteren Nachklang zu dem Feste bildete.
Den rangältesten Sanitäts-Offizieren der verschiedenen Regimenter,
militärischer Anstalten etc. ist zur Mittheilung an die unterstellten Aerzte
das folgende Schreiben zugegangen:
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Seine Excellenz der Herr Generalstabsarzt der Armee ist za seinem
lebhaften Bedanern wahrend des Tagens der Naturforscher- etc. Ver¬
sammlung von Berlin ferngehalten und somit verhindert, sich an den
Verhandlungen derselben zu betheiligen.
Aus diesem Grunde haben unter dem Vorsitz d6s Herrn General-
Stabsarztes die Unterzeichneten sich zusammengethan, zunächst um die
einleitenden Schritte für die Bildung einer militärärztlichen Section der
Naturforscher-Versammlung zu veranlassen, welche ihre Sitzungen natur-
und sachgemäss in den hierzu besonders geeigneten Räumen des medi-
cinisch-chirurgischen Friedrich-Wilhelms-Instituts — Friedrichstr. 140 —
abhalten wird.
Wir wenden uns somit an die Herren Sanitäts-Offiziere und besonders
an Euer Hochwohlgeboren, dass Sie in freundlicher Weise unsere Bestre¬
bungen namentlich durch Ihr eigenes .Erscheinen und das möglichst
zahlreiche auch der übrigen Militärärzte — soweit es die dienstlichen
Interessen gestatten — zu fördern suchen, und beehren uns Euer Hoch¬
wohlgeboren zu diesem Zwecke . . . Abdrucke dieser Einladung zur ge¬
eigneten Vertheilung in Ihrem Corpsbereich hiermit zur Verfügung zu
stellen.
Zur Annahme von Anmeldungen zu Vorträgen für die Sitzungstage
bis spätestens zum 1. August a. c. wird gern jeder der Unterzeichneten,
in erster Reihe aber der Schriftführer, der auch zur Ertheilung weiterer
Auskunft stets bereit ist, zur Verfügung stehen.
Berlin, den 20. Mai 1886.
Dr. Wegner, Dr. v. Stuckrad, Dr. Schubert,
Generalarzt 1. CI, Generalarzt 1. CI., Generalarzt 1. CL,
NW. Dorotheenstr. 50. W.KöniginAugustastr.34. NW. Friedrichstr. 141.
Dr. v. Coler, Dr. Wenzel,
Generalarzt 1. CI., W. Matthäikirch- Generalarzt 1. CI., SW. Schelling-
strasse 4.
Strasse 13.
Dr. Bardeleben,
Generalarzt 1. CI. ä 1. s. des Sanitäts-
Corps, W. Potsdamerstr. 118 b.
Dr. Grasnick,
Oberstabsarzt 1. CJ., SW. Ritter¬
strasse 77/78.
Dr. v. Bergmann,
Generalarzt 1. CI. ä 1. s. des .
Corps, NW. Kronprinzen-Ufer 11.
Dr. Am ende,
Stabsarzt, als Schriftführer,
NW. Friedrichstr. 140.
Oedtockt in der Königlichen Hofbuchdruckerei van E. S. Mittler and Sohn, Berlin SW., Kochstrsue 68 - 70.
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Deutsche
Militärärztliche Zeitschrift.
Redaction:
Dr. 3t. St* tfoft, Generalarzt,
Berlin, Taubenstrasse 6.
Verlag:
f. §. pttffet ft £*$«,
Königliche Hofbuchhandlung,
Berlin, Kochstrasse 68—70.
Monatlich erscheint ein Heft von mindestens 3 Druckbogen; dazu ein „Amtliches Beiblatt* 4 . Der
Zeitschrift wird das Werk: „Jahresbericht über die Fortschritte auf dem Gebiete des Milit&r-
Sanitlto-Wesens**, heraasgegeben vom Generalarzt Dr. Both, unentgeltlich beigegeben. Bestellung
nehmen alle Postämter und Buchhandlungen an. Preis, des Jahrgangs 1& Mark.
XV. Jahrgang. 1886. Heft 8.
Zum Gedächtnis» Bruberger’s.
Durch die Anzeige im Juliheft ist den Lesern der Zeitschrift Knnde
von dem erschütternden Ende des Mitredactenrs derselben, Stabsarztes
Br. Max Brnberger geworden. Seine litterarische Wirksamkeit hat
ibn mit vielen Menschen in Berührung gebracht, so dass er sowohl dem
Namen wie der Person nach in weiteren Kreisen bekannt und werth
geworden ist. Da ist es denn am Platze, einen Rückblick auf dieses
reiche, vorzeitig abgeschnittene Leben zu werfen. Der Unterzeichnete
erfüllt damit in tiefer Wehmnth gleichzeitig den letzten Liebesdienst, den
er den Manen des heim gegangenen theuren Freundes weihen kann.
B. werde am 15. April 1844 zu Neisse geboren, wo sein Vater als
Oberstabs- und Regimentsarzt stand. Nach Absolvirung des Gymnasiums
seiner Vaterstadt trat er am 1. October 1863 als Studirender in das
Friedrich-Wilhelms-Institut, dem er bis 1867 angehorte. Ans dieser Zeit
stammt das freundschaftliche Verhältnis, welches den Verblichenen
dauernd mit einem kleinen Kreise der Studiengenossen verband, dem
unter Anderen auch der 1884 abbernfene Paul Sachse angehorte. Schon
in der Studienzeit fand B. Gelegenheit zn praktischer ßethätigung seines
wissenschaftlichen Eifers, als im Kriegsjahre 1866 die Cholera in Berlin
herrschte. Er war damals in einem Choleralazareth unter Goltdammer’s
Leitung eifrig bemüht zn helfen und sein Wissen zn erweitern. Eine
pathologisch-anatomische Studie, die in Vircbow’s Archiv veröffentlicht
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wurde, war die Frucht dieser Arbeitszeit. Vom 1. October 1867 bis
dahin 1868 genügte er als Charite Unterarzt seiner einjährigen Dienst¬
pflicht Am 1. October 1868 wurde er, inzwischen promovirt, zum
Unterarzt im Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiment ernannt, bald danach
unter Beauftragung mit Wahrnehmung einer vacanten Assistenzarztstelle
zum. Garde-FÜ8ilier-Regiment versetzt. Am 1. März 1869 schloss er das
Staatsexamen mit der Note „Sehr gut tt ; am 22. Mai wurde er zum
Assistenzarzt im Hohenzollernschen Füsilier-Regiment No. 40 befördert
Während des Feldzuges 1870/71 gehörte er bis zum 15. October 1870
dem 3. Sanitäts-Detachement VIII. Armeecorps an, mit welchem er am
16. August bei Gorze und am 18. bei Gravelotte thätig war. Die fernere
Zeit des mobilen Verhältnisses fand ihn beim 9. Feldlazareth desselben
Corps. Unterm 26. März 1871 wurde ihm das wohlverdiente Eiserne
Kreuz 2. CI. a. w. B. verliehen. Nur kurze Zeit noch seiner Garnison
Cöln angehörend, und ganz vorübergehend (vom 27. Januar bis 18. Juni 1872)
bei der in Lippstadt detachirten Escadron des 1. Westfäl. Husaren-Regiments
No. 8 in Dienst, ward er am letztgenannten Tage zum 2. Garde-Feld-
Artillerie-Regiment nach Berlin versetzt und trat noch in demselben Jahre
als Assistent beim Augusta-Hospital ein. Die innere Abtheilung des
Krankenhauses leitete damals Oberstabsarzt Prof. Fraentzel, die chirur¬
gische der noch jetzt in derselben Stellung befindliche Prof. Kuester.
Bei beiden hatte B. Gelegenheit zur Fortbildung, wie sie nicht oft geboten
wird. In erster Linie zog ihn jedoch die chirurgische Thätigkeit an.
Dieselbe bot zu jener Zeit ein besonderes Interesse durch die allmälig den
deutschen Verhältnissen sich anpassende antiseptische Wundbehandlung,
für deren Uebertragung auf Feldverhältnisse die Studien damals begannen.
B. widmete sich dem Studium dieser Frage, die sein lebhaftes Interesse
bis zum Ende seines Lebens fesselte, mit grösstem Eifer. Unterzeichneter
hat Ende 1872 während eines längeren Urlaubes täglich im Augusta-
Hospital verkehrt und aus des Freundes Erfahrungen manche Anregung
geschöpft.
1876 wurde B. zum Stabsarzt am Friedrich-Wilhelms-Institut be¬
fördert. In demselben Jahre trat er in die Redaction der Zeitschrift ein.
Bald darauf fand er Gelegenheit, die früher erworbene chirurgische
Ausbildung unter den grossartigen Verhältnissen des Russisch-Rumänisch-
Türkischen Krieges zu erproben. Er wurde der preussischen militär-
ärztlichen Mission beigegeben, welche vom 1. October . 1877 bis Ende
Januar 1878 in Rumänischen Kriegslazarethen thätig war. Wie sehr
sich B. hier, und zwar besonders in Bukarest, der Anerkennung, selbst
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367
der Allerhöchsten Kreise za erfreuen hatte, zeigen ausser den Auszeich¬
nungen des Offizier - Kreuzes des Stern b Ton Rumänien mit Schwertern
und des Donankreuzes die zahlreichen Briefe, Bilder und sonstigen
Erinnerungszeichen, welche er zum Andenken an diese bewegte Zeit
aufbewahrte. Die wissenschaftliche Frucht derselben war sein ent¬
schiedenes Eintreten in Wort und Schrift für die Antiseptik im Felde,
deren Durchführbarkeit in diesem Kriege endgültig bewiesen war. B.’s
letxte Arbeit im Juliheft der Zeitschrift war diesem Gegenstände gewidmet,
nachdem er noch die Freude erlebt hatte, in der neuen Beilage 5 zur
Kriegs - Sanitätsordnung die antiseptische Wundbehandlung bei den
Deutschen Feldsanitätsformationen obligatorisch gemacht zu sehen. Nach
der Rückkehr aus Rumänien wurde B. mit dem Rothen Adler-Orden
4. CL decorirt
Höhere Weihe gab seinem Wirken der Sommer 1878, indem er nach
dem Juni-Attentat als Assistent des Leibarztes, jetzigen General-Stabsarztes
Dr. y. Lauer zur Dienstleistung bei unserem schwer verletzten Herrn
und Kaiser berufen wurde. Wie er hier mit Hingebung und Erfolg
thätig gewesen und wie er es verstanden hat, sich die Allerhöchste Zu¬
friedenheit zu erwerben, zeigte ihm die bei der Rückkehr Sr. Majestät im
December 1878 erfolgte unmittelbare Zustellung des Kronen-Ordens 3. CI.,
den ein Stabsarzt im Frieden bisher nicht erhalten hat. Mehr jedoch, als
die äussere Auszeichnung, hob ihn das stolze Bewusstsein, zu den Wenigen
gehört zu haben, die damals auserwählt waren, dem Hohen Leidenden
ihren Beistand zu gewähren.
Noch in anderer Hinsicht war ihm das Jahr 1878 ein glückliches.
Denn da knüpfte ihm die Liebe das Band, welches seither immer fester
werdend durch Freude und schwere Prüfungen gehalten hat, bis der Tod
es zerriss. B. verlobte sich im Herbst mit seiner, heute tiefgebeugt ihn
überlebenden Gattin. Frisch und lebendig, wie er damals war, konnte
diese Verbindung, die ihn in einen grossen, vielseitig anregenden Familien¬
kreis führte, nur fordernd auf ihn wirken. Der erste Schatten fiel auf
sein Dasein, als e* gleich nach der Verlobung in Eisenach unter Erschei¬
nungen schwer erkrankte, die als Ileus betrachtet, von dem Eisenacher
Arzt jedoch bereits auf ein Nierenleiden bezogen wurden.
Im März 1879 führte B. die Braut heim. Im Herbst desselben Jahres
wurde er zum Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiment versetzt, dem er
bis zuletzt angehorte. Seitdem theilte er sein Leben zwischen dem Dienst,
den Redactionsgeschäften, der Familie und — leider — seiner Krankheit.
Aus der dienstlichen Thätigkeit eines Stabsarztes ist nicht viel her-
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vorzuheben. Die Einzelheiten einer solchen sind den Lesern der Zeitschrift
bekannt B. that schlicht und recht seine Pflicht und erfreute sich im
Truppentheil wie im Lazar,eth des vollen Vertrauens seiner Pflegebefoh¬
lenen. Namentlich wurde er als ordinirender Arzt der chirurgischen Station
im Garnisonlazareth zu Tempelhof von den assistirenden Aerzten, wie vom
Unterpersonal als ein ebenso belehrender wie liebenswürdiger Vorgesetzter
geschätzt. Noch im laufenden Sommer versah er den Dienst auf dieser
Station, und war daselbst noch thätig, als bereits Schüttelfröste und Fieber¬
schauer seine letzte Leidenszeit bedrohlich einleiteten.
. Was er als Redacteur der Zeitschrift geleistet, wird durch die letzten
10 Jahrgange derselben ausreichend dargethan. Und zwar besonders,
wenn man berücksichtigt, dass ihm die Geschäftsführung in der Redaction
wahrend der letzten fünf Jahre fast allein zufiel. Nicht jedoch ist aus
den Banden zu ersehen, welche Summe von persönlicher wie materieller
Uneigennützigkeit er diesem Amt entgegenbrachte. Kleinere Leiden sind
mit jeder derartigen Thatigkeit verbunden; sie steigern sich, wenn, wie hier,
nur ein verhaltnissmassig kleiner Leserkreis ein Journal stützt und wenn
auf Mitarbeiter, Leser und Kritiker mehr sachliche und persönliche Rück¬
sichten genommen werden müssen, als in der nichtmilitarischen Fach¬
presse. Dass und wie B. es verstanden hat, in diesen Schwierigkeiten,
die er mir oft geklagt, die rechte Vermittelung zu finden, und jede An¬
gelegenheit zu einem für die Zeitschrift gedeihlichen Ziele zu führen,
zeigte sich in der einstimmigen Anerkennung, die diese Seite seiner
Thatigkeit allseitig gefunden hat. Sein ruhiges, klares Urtheil, seine Ge¬
wandtheit und die Lauterkeit seines Charakters sicherten ihm unter allen
Umstanden das Vertrauen.
Es hangt mit seiner dienstlichen und redactionellen Thatigkeit eng
zusammen und wirkte fordernd auf beide, dass er ein warmes Herz für
den Stand hatte, dem er angehörte. Alle Entwickelungsphasen des Sani-
tatscorps erregten lebhaft sein Interesse. Gern betheiligte er sich an
einschlagenden wissenschaftlichen Untersuchungen und Arbeiten. So hat
er einen wesentlichen Antheil an der Gestaltung des — nachher im y 4. Bande
des Kriegs - Sanitatsberichtes für 1870/71 veröffentlichten — Cataloges
der kriegschirurgischen Sammlung des Friedrich-Wilhelms-Institutes ge¬
nommen; so hat er ferner jahrelang das Amt eines Schriftführers der
Berliner militärärztlichen Gesellschaft versehen und die Sitzungsberichte
regelmassig für die Zeitschrift bearbeitet. —
Und nun sein Haus. In einer auf vollkommener Uebereinstimmung
der Charaktere und Lebensanschauungen wohlgegründeten Ehe fand er,
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wenn ihtn auch Kinder versagt blieben, in diesen sieben Jahren ein
glückliches Loos. Bin kleiner Freundeskreis hat dies mit durchleben
dürfen. Jeder, der die gern gebotene Gastlichkeit in dem traulichen,
reich und mit feinem Geschmack ausgestatteten Heim in derHedemann-
strasse genossen hat, wird mit dem Verluste des Hausherrn auch den
dieses harmonischen und freundlichen Vereinigungspunktes schmerzlich
beklagen.
Leider wurde das Glück bald getrübt. Schon 1879 hatte B., wie
man jetzt beurtheilen kann, Nierencoliken. 1880 trat die erste ernstere
Attacke der Pyelitis auf, freilich damals als fieberhafter Magendarmkatarrh
gedeutet. Seit 1881 war ihm die Bedeutung der abgehenden Concremente
als aus der Niere stammend selbst klar. Wiederholte Curen in Carlsbad,
Graefenberg, Wildungen konnten neue Anfälle leider nicht dauernd ver¬
hüten. Der Winter von 1882 auf 83 gefährdete durch das erstmalige Auftreten
urämischer Intoxication das Leben des Leidenden aufs Aeusserste. Seine
starke Natur überwand den Stoss, doch blieb er körperlich angegriffen und sein
Gemüth voll schwerer Besorgniss; nur selten noch konnte er den harm¬
losen Frohsinn zeigen, den er in früheren Jahren hatte. Doch kamen
noch zwei gute Jahre. 1884 und 85 schien es, als sollte er ganz genesen.
Er war merklich frischer und ertrug z. B. im Herbst 1885 die Anstren¬
gungen einer sechswochentlichen Nordlandsreise in Begleitung seinerGemah-
ÜQ ausgezeichnet. Im Frühjahr 1886 peinigten ihn wiederum Schmerzen;
im Juni traten Schüttelfröste und Fieber ein, die er leider nur zu richtig
selber auf einen sich vorbereitenden todtlichen Rückfall deutete. Am
19. Juni legte er sich, wurde wenige Tage darauf bewusstlos — urä¬
misch — und blieb so, bis am Montag den 28. Juni, Vormittags 10 Uhr,
der Tod seinen Leiden ein Ziel setzte.
Am 1. Juli betteten wir ihn zur letzten Ruhe.
Ursprünglich ein frischer, heiterer Gesell, arbeitsfroh und froh ge¬
niessend, dabei ein ehrlicher, gerader Charakter, so war Bruberger; und
hieran ändert es nichts, dass er in den letzten Jahren, als trübe Ahnun¬
gen seine Stimmung oft verdüsterten, manches Ding herber beurtheilte,
als vordem.
Dies das Bild eines Mannes, der, wie jeder Sterbliche, wohl in seinem
Wirken ersetzt werden kann, nicht aber im Herzen seiner Gattin und in
der kleinen Gemeinschaft seiner Freunde. Hier bleibt die Lücke unge¬
schlossen, die sein früher Tod gerissen.
Berlin, im Juli 1886. Körting.
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370
Weitere Beitrage zur Kenntnis» der Wärmeökonomie
des Infanteristen anf dem Marsche und zur Behandlung
des Hitzschlages.
Von
Dr. A. Miller,
Stabs- and B&Uillonsarzt im 2. Schlesischen Grenadier-Regiment No. 11 and Priratdooent an der
Universität Breslau.
(Fortsetzung statt Schluss.)
Schlussfolgerungen ans diesen Beobachtungen.
1) Vor Eintritt in die Besprechung der Ergebnisse vorstehender
Beobachtungen ist darauf hinzuweisen, dass dieselben sämmtlich to-
gestellt wurden im Frühjahr, also in einer verhältnissmässig noch
kühlen oder doch wechselwarmen Jahreszeit. Eigentliche Sommer-
Beobachtungen — und auf diese war es gerade rücksichtlich des Zweckes
dieser Arbeit abgesehen — fehlen noch. Zwar kommen auch im Monat
Mai bereits recht warme Tage vor, Tage mit heiterem Himmel und un¬
unterbrochenem Sonnenschein; doch treffen hier die erwärmenden
Sonnenstrahlen in der Regel noch auf kühles Erdreioh, kühles Wasser,
kühle Häuser und verschieden kühle Luftschichten. Es werden auf
diese Weise Bewegungen und Strömungen in der Luft auf der Erd¬
oberfläche erzeugt, oft von solcher Intensität, dass sie den Charakter von
lebhaften Winden annehmen, welche bei lachendem Himmel und unaus¬
gesetztem Sonnenschein wehen und die Erwärmung des schwitzenden
Mannes wirksam hindern (vergl. Beob. V—VIII). Es entstehen auf
diese Weise nicht nur merkwürdige Contraste in der Physiognomie der
Witterung (s. Beob. VII: 29,2° C. und heftiger S3-Wind bei heiterem
Himmel), sondern auch auffallende Verschiedenheiten in dem Grade der
Temperatursteigerung auf dem Marsche. Man vergleiche in dieser Be¬
ziehung nur Beob. Vll und Beob. IH; bei fast gleicher Lufttemperatur
(29,2° resp. 29,7° C.), gleicher Marschdauer, gleicher Wegbeschaffenheit,
gleicher Kleidung und Belastung und gleich heiterem Himmel betrug die
Zunahme der Körpertemperatur
bei einem Winde S3 (7—lim i. d. Sec.) im Durchschnitt 0,5° C.,
- S1 (1—4m - - - ) - - 1,4° C.,
also beinahe das Dreifache.
Diese Erfahrungen bestätigen somit von Neuem den bereits in den
Beobachtungen der ersten Arbeit constatirten und anlässlich dessen durch
eine Reihe methodischer Abkühlungsversuche genauer studirten, mächtigen
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371
and von Meter zu Meter Geschwindigkeit wachsenden Einfluss des
W indes auf die Abkühlung des durch die Marschleistung erhitzten
Körpers des Infanteristen, zumal bei schwitzender Oberfläche. Es zeigen
diese letzteren Beobachtungen (No. VII und VIII), dass es bei einem Winde
von 7—lim Geschwindigkeit, trotz hoher Lufttemperatur (24 bis 25°R.I)
und unausgesetzter Bestrahlung durch die Mittagssonne, zum Auftreten
von Hitzschlag nicht wohl kommen kann, so lange der Organismus des
Infanteristen nicht an Wasser verarmt und nicht die Fähigkeit verliert,
Schweiss zu secerniren.
Noch in einer anderen Weise zeigt sich der abkühlende Einfluss des
Windes in vorstehenden Beobachtungen. Auch seine Herkunft oder
mit anderen Worten seine Temperatur ist, wie die Beobachtungen IX,
X und XI lehren, dabei bestimmend. Ein kühler Nordwind von nur
massiger Geschwindigkeit (1—4 m), allerdings bei relativ feuchter Be¬
schaffenheit der Luft (47 bis 54 pCt.), hatte dieselben, ja sogar noch
grossere abkühlende Wirkungen, als der lebhafte, aber wärmere und
trockenere Südwind.
2) Umgekehrt sehen wir bei schwachen Winden (1—4 m), auch
wenn eine relativ niedrige Lufttemperatur (20° R.) herrscht, nach
1 Vs ständiger Marschleistung regelmassig Körpertemperaturen von mehr
als 39° C. (39,1° bis 40,7° C.) zu Stande kommen. Bei warmem sonnigen
Wetter (24,5° R.) wurden diese hohen Temperaturen sogar schon nach
ViStündigem Marsche erreicht (Beoh. III).
Am evidentesten ist dieser Einfluss bei Windstille, welche z. B. auf
den Marschen im Walde (Beob. II und III der Reihe A) herrschte. Bei
einer Lufttemperatur von nur 9,5° R. betrug hier die Körpertemperatur nach
l’/s ständigem Marsche im Mittel 38,95° C., bei 15° R. Lufttemperatur
nach zweistündigem Marsche 39,4° C.
Man kann sagen: Bei Windstille und schwachem Winde
dominirt der Einfluss der Lufttemperatur auf die Erwarmung
des Infanteristen; bei frischem Winde von 4—11 m Geschwin¬
digkeit (No. 2—3 der Landscala) hingegen überwiegt der ab-
knhlende Einfluss dieses letzteren auf den schwitzenden Körper
des Infanteristen in solchem Grade, dass es selbst bei hoher
Lufttemperatur unseres Klimas (24 bis 25° R. im Schatten) und
bei Sonnenschein nach ö / 4 ständigem Marsche nicht zu einer
erheblichen und gefahrbringenden Steigerung der Eigenwarme
kommt, wenigstens so lange, als der Infanterist hierbei aus-
giebigschwitzt.
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372
3) Von der Bestrahlung durch die Sonne gilt dasselbe, wie von
der Lufttemperatur. Ihr erwärmender Einfluss ist bedeutend bei Wind¬
stille und schwachem Winde (Beob. VII der Reihe A und I und UI der
Reihe B); aber dieser Einfluss verschwindet gegenüber der Herrschaft eines
frischen und lebhaft bewegten Windes, wie ganz eclatant Beob. VII, B.
lehrt. Indirect aber kann die Bestrahlung auch im letzteren Falle noch er¬
wärmend oder abkühlungshemmend wirken, indem sie die Kleidungen und
Ausrüstungsstücke auf und selbst weit über Körpertemperatur erwärmt
(s. Beob. IV und VIII B).
4) Der Einfluss der Luftfeuchtigkeit fängt nach den Erfahrungen
beider Beobachtungsreihen eigentlich erst dann an bemerkbar, zu werden,
wenn der Sättigungsgrad der Luft mehr als 50 pOt. beträgt. Bei
niedrigerem Procentgehalt überwiegt über denselben der Einfluss des
Windes und der Lufttemperatur. Auch bei höherem Procentgehalt
(83 pCt.) wird dieser die Abkühlung durch Schweissverdunstung hemmende
Einfluss erst vorherrschend, wenn nur ein ganz schwacher Wind bläst
und die Sonne nicht scheint (Beob. VI, A). Unser Hautgefühl — bei
einiger Uebung ein guter Wetteranzeiger im Felde und auf Märschen im
Frieden — empfindet eine solche Combination der Luft bekanntlich als
schwül und drückend.
Einen entgegengesetzten und ziemlich bedeutend abkühlenden Ein¬
fluss scheint feuchte Luft (47—54pCt.) zu haben, wenn gleichzeitig ein
kühler N-Wind bläst (Beob. IX, X und XI, B). Wahrscheinlich beruht
dies darauf, dass das Wärmeleitungsvermögen der Luft durch zunehmen¬
den Feuchtigkeitsgehalt derselben beträchtlich erhöht wird.
5) Das Verhalten des Luftdruckes habe ich in der letzten Be¬
obachtungsreihe, obwohl ich es an der Hand der Messungen der hiesigen
Sternwarte fortlaufend verfolgt habe, nicht angegeben. Es wird genügen,
hier darauf hinzuweisen, dass ich einen directen Einfluss desselben auf
die Eigenwärme des Infanteristen nicht habe constatiren können. Höch¬
stens konnte der Barometerstand als Indicator für die jeweilig vorherr¬
schenden meteorologischen Verhältnisse gelten, insofern tiefer Barometer¬
stand in der Regel auf das Vorhandensein oder Vorherrschen von
südlichen und westlichen, also wärmeren und wasserreicheren Luftströ¬
mungen hindeutet, hoher Barometerstand aber gewöhnlich durch vor¬
wiegend nördliche und östliche, also kalte, trockene und den Himmel
wolkenfrei erhaltende Luftströmungen bedingt ist. Doch ist dies keines¬
wegs constant und zuverlässig. Die directe Beobachtung der letzteren
meteorologischen Erscheinungen (Luft-Temperatur, -Bewegung, -Feuchtig¬
keit) bleibt jedenfalls vorzuziehen.
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373
6) Marschdauer and Weglänge. Alle Märsche fanden auf ebener
Erde, auf goten chaussirten oder festen Landwegen statt; nur in Beob. VI
der Beihe A war das Terrain hügelig. Da ferner die Marschgeschwindig¬
keit bei gut aasgebildeten Füsilieren — and am solche handelt es sich
hier — wohl stets als die gleiche anzanehmen ist, so lässt sich die Weg¬
länge aas der Dauer des Marsches leicht berechnen. Der preassische
Infanterist macht bekanntlich durchschnittlich 112 Schritte in der Mi¬
nute;*) dies ergiebt, bei einer reglementsmässigen Schrittlänge von 0,8 m,
pro Stande eine Weglänge von 5,38km.
Die Marschdaner schwankte in beiden Beobachtangsreihen zwischen
*/« and 2 Standen, also zwischen 4,0 and 10,76 km Weges. Bei diesen
beträchtlichen Schwankungen in der Dauer und Länge des Weges und
damit in der Grosse der geleisteten Muskelarbeit sollte man a priori er¬
warten, dass auch das Verhalten der Eigenwärme des Infanteristen diesen
Schwankungen entsprechend sehr verschieden sich verhalte. Dies ist je¬
doch, wie ein Blick auf die tabellarische Zusammenstellung lehrt, keines¬
wegs der Fall. Vielmehr müssen wir die höchst auffällige Er¬
scheinung constatiren, dass unter fast genau gleichen meteoro¬
logischen Bedingungen (Beob. IX und XI, Reihe B) die Körper¬
temperatur nach einem l’/sStündigen Marsche noch nicht um
einen Zehntel-Grad hoher gefunden wird, als nach einem
^ständigen Marsche, mit anderen Worten, dass die nach Zurück¬
legung von 4km erreichte Körpertemperatur bei Zurücklegung
von weiteren 4km, bei gleicher Belastung und Kleidung, un¬
verändert dieselbe bleibt. Ja, wenn wir die anderen Beobachtungen
daraufhin miteinander vergleichen, so besonders Beob. I und II, III und
IV, VII und VIII, so finden wir hier ganz dieselbe Erscheinung wieder, näm¬
lich gleiche meteorologische Verhältnisse, ungleiche Marsch¬
dauer und Weglänge, gleiche Temperatursteigerung des
Körpers.
7) Diese Wahrnehmung führt uns auf eine eigentümliche Erscheinung
hinsichtlich des Verhaltens der Eigenwärme des Infanteristen
auf Märschen, welche wissenschaftlich von dem grössten Interesse ist
und für welche wir in der Experimental-Physiologie bereits analoge Er¬
fahrungen besitzen. J. Rosenthal**) machte meines Wissens zuerst
•) Man vergl. hierüber C. Kirchner, Lehrbuch der Militär-Hygiene.
IL Auflage. 1877. S. 466.
**) J. Rosenthal, Zur Kenntniss der Wärmeregulirung bei den warmblütigen
Thieren. Erlangen, 1872. S. 15 u. ff.
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374
darauf aufmerksam, dass bei Kaninchen, welchen man durch starke Be¬
hinderung der Wärmeabgabe im Wärmekasten von 32 bis 36° C. die
Körpertemperatur künstlich in die Hohe treibt, die Eigenwärme bald auf
41° bis 42° C. steigt, dann aber constant bleibt und sich Stunden,
.ja Tage lang auf dieser Höhe erhält. Die Wärmeregulirung des
Thieres hat sich, wie man hier sagt, für den genannten Temperaturgrad
eingestellt, in ähnlicher Weise, wie unter normalen Bedingungen für die
Grenzen der Normaltemperatur.
Ganz dasselbe Verhalten zeigt also auch die Eigenwärme des In¬
fanteristen auf dem Marsche. Es fragt sich nun, wie diese Erscheinung
zu erklären ist.
Dies wird am besten an einem concreten Beispiel erläutert Nehmen
wir an, ein Mann von 70 kg Gewicht und 37,9° C. Temperatur (im After)
trete mit einem Gepäck, welches dem halben Gewicht des Körpers ent¬
spricht, einen Marsch von gleich massiger Geschwindigkeit an. Er wird,
nach Hirn 1 s Versuchen, auf dem Marsche ungefähr das Doppelte an
Wärme produciren, als vorher in der Ruhe. Die letztere Grösse soll
114 Cal. pro Stunde (nach Helmholtz) betragen, oder pro Minute
3,8 Cal. Beim Antritt des Marsches ist die Wärmeabgabe während der
ersten Minuten noch gleich derjenigen in der Ruhe; sie steigt erst, wenn
die Ueberproduction und Anhäufung von Wärme im Körper einen solchen
Grad erreicht hat, dass die Körpertemperatur anfangt die Grenzen der
Norm zu überschreiten. Die Hautgefässe erweitern sich alsdann, die
Schweissdrüseu secerniren stärker. Aber die Grosse der Wärmeabgabe
erreicht nicht sogleich im Anfang ihre volle Höbe, sondern sie ent¬
faltet sich, wie schon der Augenschein und die Erfahrung am eigenen
Körper lehrt, während eines Marsches ganz allmälig. Es steigt sowohl
die Weite der Hautgefässe, als auch die Menge des secernirten Schweisses
von Minute zu Minute, und es dauert stets eine gewisse Zeit, z. B. 20 Mi¬
nuten, bis die Haut roth geworden ist und sichtbar schwitzt.
Hieraus ergiebt sich folgendes Verhältniss zwischen Wärmeeinahme
und Wärmeabgabe auf dem Marsche: während der ersten fünf Minuten
Wärmeabgabe in der Ruhe (3,8 Cal.), dagegen doppelte Wärmeeinnahmen
von 7,6 Cal. in der Minute. Dies ergiebt mithin nach Ablauf der fünf
Minuten einen Ueberschuss von 19,0 Cal., welche die Körpertemperatur
des Mannes um 0,22° C., also auf 38,12° C. erhöhen. Jetzt beginnt die
Wärmeregulirung in Thätigkeit zu treten, aber, da das Bedürfnis nach
gesteigerter Wärmeabgabe zunächst noch ein geringes ist, anfänglich in
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375
sehr beschranktem Maasse. Nehmen wir an, die Steigerung der Abgabe
durch die Haut betrage in der ersten Minute der Thätigkeit der Wärme-
regulirung 0,2 C&L und wachse nun von Minute zu Minute gleichmässig
um ebensoviel, so würdet weitere 19 Minuten erforderlich sein, bis die
Grosse der Wärmeabgabe der Grösse der Wärmeproduction gleich ge¬
worden ist. Es hat mithin in diesem Falle gerade 24 Minuten
gedauert, bis die Wärmeeinnahmen den Ausgaben gleich ge¬
worden sind, d. h. volle Wärmebilance eingetreten ist. Die
Körpertemperatur bleibt jetzt constant. Inzwischen hat aber der
Organismus einen beträchtlichen Ueberschuss an Wärme eingenommen,
nämlich in den ersten fünf Minuten 19,0 Cal., in jeder folgenden Minute
0,2 Cal. weniger als in der voraufgegangenen, also 3,6, 3,4, 3,2 u. s. w.
Dies ergiebt nach Ablauf von 24 Minuten einen Ueberschuss von 19,0
+40,2=59,2 Cal., welche die Körpertemperatur von 37,9° auf 38,6° C.
erhöhen. Diese schon nach 24 Minuten Marschdauer erreichte Körper¬
temperatur des Infanteristen wird also, vorausgesetzt, dass die Bedingungen
für die Wärmeabgabe die gleichen bleiben, noch nach Ablauf von einer
Stunde oder 1 >/a Stunden bei der Messung gefunden.
Die Höhe der Körpertemperatur, welche während eines Marsches
mit Gepäck von dem Infanteristen erreicht wird, ist also — stets gleiche
Wärmeproduction vorausgesetzt — abhängig von der Zeit, welche ver¬
streicht vom Beginn des Marsches bis zum Eintritt vollkommener Wärme¬
bilance. Diese Zeit ist aber ihrerseits wieder abhängig von den während
des Marsches herrschenden meteorologischen Verhältnissen und von dem
Maasse, in welchem dieselben der Wärmeabgabe des Körpers günstig
oder ungünstig sind. Bei niedriger Lufttemperatur und stärkerer Luft¬
bewegung erfolgt die Wärmeabgabe von der Haut bei gesteigerten Ein¬
nahmen leichter; es wird in der Zeiteinheit mehr Wärme abgegeben, mit^
hin der Zustand vollkommener Wärmebilance schneller erreicht; der
Ueberschuss des Körpers an Wärmeeinnahmen bleibt gering, die Körper¬
temperatur steigt nur um Weniges (vergl. Beob. V, Reihe A). Bei warmer
Lufttemperatur (+25° R.), bei Windstille und hohem Feuchtigkeitsgehalt
dagegen sind die Bedingungen für eine Steigerung der Wärmeabgabe
von der Haut ungünstig; es dauert erheblich länger, bis die Wärme¬
ausgaben den Einnahmen völlig gleich geworden sind; die Körpertemperatur
steigt infolge dessen beträchtlich höher (vergl. Beob. VI, Reihe A).
Es braucht natürlich die Steigerung der Wärmeabgabe, wie hier der
Einfachheit der Rechnung wegen angenommen wurde, nicht immer eine
gleichmässige zu sein. Es ist vielmehr sogar wahrscheinlich, dass die
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376
Wärmeabgabe stets ungleichmässig und zwar in abnehmendem Maasse
wächst. Es spricht hierfür die Erfahrung, dass die Verdunstung von
Schweiss auf der Haut bezw. die dadurch bedingte Wärmeentziehung
einen Reiz für die Hautgefässe abgiebt, welcher dieselben zur Zusammen¬
ziehung zwingt. Diese Verengerung der Hautgefässe wirkt aber der
Thätigkeit des Wärmeregulirungs-Mechanismus entgegen, sie hemmt die
ursprünglich gesteigerte Wärmeabgabe von der Haut wieder. Es wird
also das Ziel, die völlige Gleichstellung der Ausgaben mit den Einnahmen
an Wärme, seitens des Organismus später erreicht, als es nach der oben
aufgestellten Rechnung zu erwarten war.
Wie lange der auf diese Weise erreichte Zustand vollkommener
Bilance bei einer bestimmten Temperaturhohe des Organismus, z. B. 38,6° C.,
bestehen bleibt, ist hiernach leicht zu ermitteln, so lange nämlich, als
die Bedingungen für die Wärmeabgabe des Organismus auf dem Marsche
unverändert bleiben. Die Wärmeproduction des Infanteristen bleibt
während der Dauer eines Marsches annähernd die gleiche. Auch die
atmosphärischen Bedingungen für die Wärmeabgabe, also die Lufttempe¬
ratur, Windgeschwindigkeit und die relative Feuchtigkeit der Luft, pflegen
sich während eines Marsches von 1 bis höchstens 2 Stunden Dauer nicht
wesentlich zu ändern. Wohl aber kann sich andern erstens die Intensi¬
tät der Bestrahlung durch die Sonne, welche bekanntlich ein
mächtiges Hinderniss für die Wärmeabgabe bildet, theile durch directe
Erwärmung des Körpers, theils durch Erwärmung der Kleider, und
zweitens die Ausgiebigkeit der Schweisssecretion, infolge von Ver¬
armung des Organismus an Wasser oder durch Erlahmung der Schweiss-
drüsen.
Beides sind Momente, welche auf die Wärmeabgabe der Haut hemmend
bezw. beschränkend einwirken. Mit ihrem Eintritt beginnt mithin eine
neue Phase der Störung der Wärmebilance. Es steigen wiederum
die Einnahmen an Wärme .über die Ausgaben, und die Körpertemperatur
geht von Neuem in die Höhe. Welcher Temperaturgrad nunmehr erreicht
wird bis zur Herstellung erneuten Gleichgewichts, ja ob dieser Gleich¬
gewichtszustand vom Organismus überhaupt wieder erreicht wird, diese
wichtige Entscheidung ist wesentlich abhängig von dem Grade und der
Dauer der neuen Störung der Wärmeabgabe, sowie von der Grösse der
Leistungsfähigkeit des Wärmeregulirungs-Mechanismus unter den be¬
stehenden meteorologischen Bedingungen.
Erläutern wir diese zweite Phase der Störung wieder an einem concreten
Beispiel. In Beob. III der Reihe B wurde nach ^ständigem Marsche
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bei 29,7° C., heiterem Sonnenschein and S1 von Füsilier L. in feld¬
marschmassiger Ausrüstung eine Körpertemperatur von 39,2 ° C. erreicht.
Die Steigerung betragt 1,3° C., der Zuwachs an Warme 109,6 Cal. oder
durchschnittlich pro Minute 2,4 Cal« Zur Zeit der Messung ist
vollkommenes Wärmegleichgewicht eingetreten. Aber die Leistungs¬
fähigkeit des Wärmeregulirungsvermögens ist gleichzeitig auf ihren höch¬
sten Orad angelangt; die Hautgefässe sind strotzend gefüllt, die Haut
ist dunkelroth und gedunsen, der Schweiss rinnt in grossen Tropfen her¬
ab. Mühsam hält der Organismus das Gleichgewicht aufrecht und die
Körpertemperatur auf 39,2° coostant. Jetzt fuhrt der Weg in einen
Wald. Statt S 1 herrscht hier vollkommene Windstille, die Feuchtigkeit
der Luft steigt von 25 pCt. auf 35 pCt., die Temperatur ist die gleiche.
Sonnenschein und Muskelarbeit dauern unverändert fort Sofort sinkt die
352
Wärmeabgabe wieder, und zwar von =5,9 Cal. in der Minute (Gleich¬
gewichtszustand) auf 3,0 Cal« Wiederum steigt seine Körpertemperatur
und zwar, falls diese Abnahme constant bleibt, nach Verlauf von weiteren
V« Stunden um 130,5 Cal. = 1,55° oder auf 40,75° C. Nach Zuruck-
legung von im Ganzen 2 Stunden Weges hat seine Körpertemperatur
41,8° C« erreicht; sie ist somit der Grenze des Hitzschlages äusserst
nahe gekommen.
Mit dieser zweiten Phase der Störung beginnt mithin erst
die eigentliche Gefahr für den Organismus; denn nunmehr sind
alle Chancen gegeben, jene excessiv hohe Körpertemperatur (-4-42° und
darüber) zu erreichen, welche, wie wir früher gesehen haben, den Eintritt
von Hitzschlag bedingt. Sind jene meteorologischen Bedingungen dem
Wärmeregulirungs-Mechanismus ungünstig, ist die Luft zwischen +20°
und 25° R. warm, dabei wenig bewegt oder mit Feuchtigkeit in höherem
Grade gesättigt und sind die Hautgefässe bereits vorher nahe ad
maximum erweitert, so ist die Aussicht, das erneute Ueberwiegen der
Einnahmen über die Ausgaben wieder auszugleichen, sehr gering; die
Körpertemperatur steigt continuirlich in die Höhe. Wird nicht
der Marsch rechtzeitig beendet oder (absichtlich oder unabsichtlich) unter¬
brochen, so ist der Infanterist unrettbar verloren und dem Hitzschlage
verfallen. Wird dagegen der Marsch zu einer Zeit unterbrochen, wo die
Körpertemperatur erst 42° C. erreicht hat, und hört also nunmehr die
gesteigerte Wärmeproduction des Organismus auf, so kann, wie die Er¬
fahrung lehrt und die Versuche J. RosenthaFs bestätigen, noch voll¬
kommene Erholung eintreten. Es sind dies diejenigen Fälle von Hitzschlag,
welche, wenn rechtzeitig erkannt, in Genesung enden.
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Es braucht natürlich, wie leicht ersichtlich, die Ausgleichung der
beim Beginn eines Marsches eintretenden Storung der W&rmeokonomie
durch den Wärmeregulirungs-Mechanismus nicht immer in der Weise
zu erfolgen, dass nach einer bestimmten Zeit Wärmegleichgewicht,
allerdings bei einer höheren Körpertemperatur, erzielt wird; sondern es
können von vornherein die Bedingungen für die Wärmeabgabe der Haut
so ungünstig sein, dass es dem Wärmeregulirungs-Mechanismus überhaupt
nicht gelingt, die Wärmeabgabefähigkeit der Haut bis zur gleichen Höbe
mit der Wärmeeinoahme zu steigern. Alsdann wird die Körpertemperatur
natürlich continuirlich, wenn auch langsam, ansteigen und nach Verlauf
kurzer Zeit, z. B. einer Stunde, jene excessive und tödtliche Höhe des
Hitzschlages erreichen. Diese Fälle sind in unserem Klima selten, aber
sie kommen vor.
8) Aus vorstehenden Erörterungen über das eigenthümliche Ver¬
halten der Eigenwärme und der Wärmeregulirung des Infanteristen auf
dem Marsche, welche zugleich auf die Pathogenese des Hitzschlages ein
ganz neues Licht werfen, folgt weiterhin, dass die Deutung der
beim Infanteristen nach Zurücklegung eines Marsches gefun¬
denen Analtemperatur eine ganz andere sein muss, als sie
nach den landläufigen Vorstellungen über die Wärmeökonomie bisher
war. Es erscheint gegenwärtig nicht mehr zulässig, die am Ende eines
Marsches von längerer Dauer gefundene Temperatur als Maassstab dafür
anzusehen, in welchem Maasse die Wärmeabgabe des Körpers während
der ganzen Dauer des Marsches behindert gewesen ist; dies würde nur
angängig sein, wenn der Marsch von kürzerer Dauer ist (7i—*/ 4 Stunde)
oder die Bedingungen für die Wärmeabgabe der Haut relativ ungünstig
gewesen sind, so dass angenommen werden kann, dass der Zeitpunkt der
Messung mit dem Zeitpunkt der erreichten Ausgleichung zwischen Ein¬
nahmen und Ausgaben zusammenfällt. Das letztere war der Fall in
der Beob. VII der Reihe A (Lazarethgehülfe H., 40,2° C.), für
welche ich daher die oben im Anschluss an dieselbe aufgestellte calori-
metrische Berechnung der Einnahmen und Ausgaben an Wärme aufrecht
erhalten möchte, umsomehr als das Resultat dieser Berechnung mit
früheren ähnlichen Berechnungen eine auffallend gute Uebereinstimmung
zeigt.
Der gefundene Temperaturgrad muss jetzt vielmehr angesehen werden
als ein Maassstab für die Grösse des Hindernisses, welches die Wärme¬
regulirung zu überwinden hatte, um vollkommene Gleichheit zwischen
Einnahmen und Ausgaben herzustellen, oder mit anderen Worten, als ein
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Maassstab für die Lange der Zeit, welche die Wärmeregnlirung unter
bestimmten meteorologischen Bedingungen gebrauchte, um jenen Gleich¬
gewichtszustand zu erreichen. In diesem Sinne gieht also der nach
einem Marsche gefundene Grad der Temperatursteigerung des Körpers
immerhin einen brauchbaren relativen Maassstab ab für die Grosse der
Störung der Wärmeabgabe während eines Marsches, wenn auch eine
absolute (calorimetrische) Berechnung dieser Grösse nicht oder doch nur
unter Bedingungen zulässig erscheint.*)
9) Aller Wahrscheinlichkeit nach giebt es auch unter den Menschen
individuelle Verschiedenheiten in der Fähigkeit der Wärmeregu¬
lirung, eingetretene Störungen der Wärmebilance wieder auszugleichen.
Wenigstens lässt die beim Unterlazarethgehulfen W. fast constant
beobachtete höhere, ja einige Male sogar ungewöhnlich hohe Eigen¬
wärme im Vergleich mit den drei Füsilieren kaum eine andere Erklärung
zu, als die, dass bei ihm die Fähigkeit der Wärmeregulirung bezw. der
Haatgefässe, sich dem je nach der Grösse der Störung verschieden
grossen Bedürfnisse nach Steigerung der Wärmeabgabe schneller oder
langsamer anzupassen, vermindert ist. Andernfalls wäre es auch zulässig,
hier eine infolge der Wasserverdunstung auf der Haut eingetretene
tetanische Verengerung der Hautgefasse, also eine gesteigerte Irritabilität
der glatten Muskelfasern derselben als Ursache der excessiven Temperatur¬
steigerung anzunehmen; ja, die thatsächlich bei ihm beide Male (Beob. I
und II, B) beobachtete auffallende Blässe der Haut, das letzte Mal ge¬
steigert bis zu leichter Cyanose, ist dieser Annahme entschieden günstig.
Ohne Zweifel kann die Fähigkeit der Anpassung der Wärmeregu-
*) Am besten kann diese Berechnung noch in Beob. III, B durchgeführt werden,
wo beide Bedingungen, kürzere Marschdauer und beträchtliche Behinderung der
Wärmeabgabe durch die atmosphärische Luft, Zusammentreffen. In 45 Minuten,
bei 29,7° C. (24° R.!) Lufttemperatur, S 1, 25 pCt. relativer Feuchtigkeit und Sonnen¬
schein, stieg die Körpertemperatur
bei W. um 1,4° C.; es wurden also im Körper zurückgehalten 102,9 Calorien oder
43,6 pCt. der während des Marsches eingenommenen Wärme (236 Cal.),
bei L. um 1,3° C.; es wurden also im Körper zurückgehalten 109,6 Calorien oder
38,0 pCt. der während des Marsches eingenommenen Wärme (288 Cal.),
bei P. um 1,4° C.; es wurden also im Körper zurückgehalten 113,0 Calorien oder
40,0 pCt. der während des Marsches eingenommenen Wärme (282 Cal.),
bei Sch. (ganz leicht gekleidet) um 0,6° C.; es wurden also im Körper zurück-
gehalten 43,4 Calorien oder 16,3 pCt. der während des Marsches einge¬
nommenen Wärme (265 Cal.).
Der Einfluss der verschiedenen Bekleidung auf die Wärmeabgabe während des
Marsches ist hierbei evident.
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lirnng der Haut an das gesteigerte Abkühlungsbedürfniss auf dem Marsche
durch Uebang gesteigert, also gewissermaassen ercogen werden. Dem¬
entsprechend würden also ältere Infanteristen, namentlich Berufssoldaten
(Unteroffiziere. Offiziere) bei eintretender Ueberprodnction von Wärme
auf dem Marsche viel schneller den vom Organismus erstrebten Gleich¬
gewichtszustand zwischen Einnahmen und Ausgaben an Wärme erreichen
und mithin eine geringere Erhöhung der Eigenwärme unter gleichen Be¬
dingungen zeigen, als junge an das Marschiren in Uniform mit Gepäck
noch wenig gewohnte Soldaten, wie Rekruten, Einjährig-Freiwillige, ein-
gezogene Reservisten und Reserve-Offiziere. Wenn ich mich recht er¬
innere, so liefern gerade die genannten Kategorien von Soldaten das
grösste Contingent an Hitzschlagkraqken auf dem Marsche. Auch meine
Lazarethgehülfen, besonders der Unterlazarethgehülfe W., waren zur Zeit
der Beobachtungen an das Marschiren mit Gepäck noch wenig gewöhnt.
10) Der Einfluss der Bekleidung auf die Grösse der Tempe¬
ratursteigerung des Infanteristen auf Märschen ist in den Beobachtungen
evident. Die feldmarschmässig gekleideten und ausgerüsteten (a) Füsiliere
hatten durchweg die höchste Körpertemperatur; die leicht und ganz
leicht gekleideten (y und 8) Füsiliere unterschieden sich nicht wesentlich
von einander, hatten jedoch stets (ausgenommen Beob. VII, B) erheblich
niedrigere Temperaturen, als die a-Füsiliere. Es war im Durchschnitt
die Temperatursteigerung bei beiden letzteren Bekleidungs¬
arten (Litefke, Leinenhemd, Mütze oder Helm, Drillichhose, ohne
Tornister — ganz Drillich, Wollenhemd, sonst ebenso) nm die Hälfte
geringer, als bei den feldmarschmässig gekleideten Mann¬
schaften.
Es betrug die Temperatursteigerung im
a f 8
feldmarschmässigen leichten Marsch- ganz leichten
Anzuge anzuge (Litefke) Marschanzuge (Drillich)
Beobachtung III:
1,4°
—
0,6°
-
IV:
1,4°
—
0,5°
-
V:
0,6»
—
0,3°
-
VI:
0,6°
—
0,25°
-
VIII:
o
o*
0
—
0,3° (0,5°)
-
IX:
0,5°
0,25°
0,25°
-
X:
P
o
0,2°
0,2°
-
XI:
0,5»
o
*03
O
0,3°
An
warmen
Tagen,
an welchen die Steigerung
der Eigenwärme
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beträchtlicher ist, werden natürlich auch die Unterschiede der Steige«
rang bei den einzelnen Bekleidnngsarten deutlicher und frappanter.
Hier gewinnt man denn auch die Ueberzeugung, dass nicht die ver¬
schiedene Belastung — ihre Unterschiede sind nicht so bedeutend
(8. Seite 329), — sondern wesentlich die verschiedene Bekleidung und
deren Einfluss auf die Wärmeabgabe der Haut diese Unterschiede bedingt.
Leider ist die Zahl der Beobachtungen nach dieser Richtung hin noch
gering.
11) Ueber die Wirkungen der erhöhten Körpertemperatur
auf die Leistungsfähigkeit des Infanteristen auf Märschen.
Es liegt auf der Hand, dass eine Fiebertemperatur von 39,4° C. während
der Dauer eines mehrstündigen Marsches an Sommertagen für die Marsch-
Fähigkeit des Infanteristen keine gleichgültige Sache ist, sondern ihre
Wirkungen hat, welche sich hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des
Körpers in nachtheiliger Weise bemerkbar machen. Diese Wirkungen
werden bei aufmerksamer Beobachtung einer marschirenden Truppe leicht
wahrgenommen; sie betreffen theils die Ernährung, theils das Nerven¬
system des Infanteristen.
Betrachtet man einen Infanteristen nach zwei oder drei vorauf-
gegangenen ziemlich weiten Märschen zur Sommerzeit an dem darauf
folgenden Ruhetage, so wird man regelmässig finden, dass sein Gesicht
nicht bloss brauner, sondern auch dass es magerer geworden ist; lässt
man ihn sich auskleiden, so scheint der ganze Körper von seiner früheren
Randung und Fülle eingebüsst zu haben. Bei manchen Leuten, z. B.
Unteroffizieren, die mir schon in der Garnison hinsichtlich ihres Er¬
nährungszustandes gut bekannt waren, war mir die Abmagerung nach
grosseren Märschen, bei gleichzeitiger stärkerer Bräunung des Gesichts,
im Manöver sehr auffallend. Leider habe ich Wägungen bisher nicht
aasführen können. Hat der Mann gesunde Verdauungsorgane und gute
Quartiere, so hat diese Erscheinung nicht viel zu bedeuten; er holt den
Verlust an Korpersubstanz bald wieder ein und kehrt sogar nicht selten,
wenn das Manöver nicht anstrengend war, mit grösserem Körpergewicht
in die Garnison zurück, als er ausgerückt war.
Früher nahm ich an, dass diese Abmagerung nach Märschen auf
den gesteigerten Verbrauch von Körpermaterial durch die Muskelarbeit
beruhe, dass das im circulirenden Blute vorhandene und durch die Nah¬
rung anfgenommene Nährmaterial für die gesteigerte Arbeitsleistung
nicht ausreiche, und daher das Fettdepot des Körpers, das seinen haupt¬
sächlichen Sitz unter der Haut hat, in Angriff genommen werde. Theil-
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weise mag dies auch wohl zutreffen. Allein in Anbetracht der gewöhn¬
lich reichlichen Nahrungsaufnahme vor einem Marsche und während des¬
selben erscheint die Abmagerung in der Regel doch zu gross, um hier¬
aus allein erklärt werden zu können. Ausserdem ist durch Versuche an
Thieren direct nachgewiesen worden, dass Warmblüter, welchen ohne
jegliche Muskelarbeit, einfach durch starke Behinderung der Wärme¬
abgabe im Wärmekasten die Körpertemperatur künstlich in die Hohe ge¬
trieben worden ist, bei längerer Dauer dieses Zustandes beträchtlich an
Körpergewicht verlieren und bedeutend abmagern [Litten,*) J. Rosen¬
thal**)]. Auch die beträchtliche Abmagerung von fiebernden Kranken,
z. B. Typbuskranken, ist Lieber meist er***) geneigt, zum Theil wenig¬
stens auf die Wirkung der erhöhten Temperatur Zurückzufuhren, was
auch nach den vorher erwähnten Thierversuchen entschieden begründet
ist Ohne Zweifel muss daher auch die nach Märschen an heissen Tagen
zu beobachtende Abmagerung des Infanteristen zu einem Theile auf die
Wirkung der erhöhten Körpertemperatur zurückgeführt werden.
Als Ursache der Abnahme des Körpergewichts in solchen Fällen ist
nach den Untersuchungen Litten’s und Anderer hauptsächlich ein ge¬
steigerter Zerfall von Ei weises ubs tanzen (u. a. rothen Blutkörperchen)
im Körper anzusehen, welcher sich durch eine beträchtliche Vermehrung
der Harnstoffausscheidung kundgiebt; möglicherweise sind auch die von
Litten in seinen Versuchen constant gefundenen Verfettungen in inneren
Organen (Leber, Nieren, Herz, Muskeln) für die Gewichtsabnahme in An¬
spruch zu nehmen. Ueber aao Verhalten des Fettpolsters, überhaupt des
abgelagerten Fettes im Thierkörper, fehlt es dagegen noch an Unter¬
suchungen.
Die zweite sichtbare Wirkung der erhöhten Körpertemperatur auf
dem Marsche ist diejenige auf das Central nervensystem. Ich habe
bereits oben anlässlich des Falles K. (Beob. VI, A) Gelegenheit ge¬
habt, die hier in Betracht kommenden Störungen kurz anzudeuten. Seit
jenem Falle habe ich unausgesetzt mein Augenmerk auf die an erhitzten
*) M. Litten, Ueber die Einwirkung erhöhter Temperaturen auf
den Organismus. Yirch. Archiv, Band LXX, Heft 1. S.-A. „Jedesmal zeigten
die dem Versuch unterworfenen Thiere eine colossale Abmagerung, welche nicht
vom Hunger allein abhängt.“
**) J. Rosenthal, ZurKenntniss der Wärmeregulirung bei den warm¬
blütigen Thieren. Erlangen, 1872, S. 16. — Hermann’s Handbuch der
Physiologie, Band IV, 2. S. 335.
***) C. Liebermeister, Handbuch der Pathologie und Therapie des Fiebers.
Leipzig, 1875, S. 409.
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Infanteristen wahrxunehmenden Veränderungen in der Körperhaltung,
Gemätbsstimmung, im Wesen, in den Aensserungeu der Seelenthätigkeit,
im Bewusstsein, in der Sprache und in der Sinneswahrnehmung gerichtet.
Diese Beobachtungen haben mich mit stetig wachsender Bestimmtheit xu
der Ueberseugung gedrängt, dass das, was wir „Hitzschlag* nennen,
durchaus kein plötzlich eintretendes, den Soldaten unerwartet und „schlag¬
artig* treffendes Ereigniss ist, sondern dass der „Hitsschlag* eine Krank¬
heit ist, welche ihre bestimmten Symptome und ihre Vorboten hat, und
welche in mehrfachen Abstufungen von ganz leichten ungefährlichen
Formen bis zu den schweren, todtlich verlaufenden Fällen bei marschiren-
deo Truppen vorkommt
Man kann zweckmässig drei Grade der Einwirkung der erhöhten
Körpertemperatur auf das Centralnervensystem des Infanteristen unter¬
scheiden. Erster Grad: Die Körpertemperatur ist ungefähr
«wischen 88,0° und 39,0° C. stabil geworden. Die Erscheinungen
sind ähnlich denjenigen, welche im Beginne fieberhafter Krankheiten beim
ersten Ansteigen der Körpertemperatur beobachtet werden. Der Mann
wird zunächst still auf dem Marsche; er hört auf zu singen, wird wortkarg
und zeigt Abneigung gegen Unterhaltung mit Cameraden. Sein Gesichts¬
ausdruck wird ernst, fast trübe und verdriesslich; man sieht ihm die
Empfindung des Unbehagens an, als ob ihn etwas bedruckt oder beengt,
oder als ob er etwas zu leisten habe, was ihm Muhe macht. Das Be¬
wusstsein ist dabei vollkommen klar. Sein Gang ist sicher, seine Haltong
gewöhnlich, wie bei den meisten Leuten, etwas vornüber gebeugt, der
zweck massigeren Vertheilung der Last zum Schwerpunkt wegen. Auch
seine Sprache ist noch klar und deutlich, nur spart er seine Worte und
giebt ungern Antwort. Wird ein Halt gemacht, so hat er die Neigung,
sich sofort zu setzen oder hinzulegen, ein Beweis, dass er sich schlaff
und abgeschlagen fühlt. Gewöhnlich hält man diese Erscheinungen für
Symptome der Ermüdung; dass sie dies nicht sind, erkennt man leicht
an wärmeren Marschtagen, an welchen die Symptome der Depression
und Abgeschlagenbeit bei einer Truppe bereits zu einer Zeit wahr¬
genommen werden, wann von physischer Ermüdung bei so kräftigen
jungen Leuten noch nicht die Rede sein kann. — Dieser Zustand ist
natürlich ganz ungefährlich. Wird ein längerer Halt gemacht, so erholt
sich der Mann schnell und gewinnt bald seine frühere Munterkeit und
Rüstigkeit wieder.
Zweiter Grad der Erhitzung: Die Körpertemperatur ist
unter allmäligem Anstieg binnen 7*—1 Stunde zwischen 39,0°
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384
und 40,5° C. stabil geworden. Der Mann zeigt die beim ersten Orade
angeführten Erscheinungen in viel ausgeprägterem Maasse. Er macht«
den Eindruck der Benommenheit; er marschirt apathisch und theilnahm-
los, wie in Gedanken versunken, vorwärts, hat keine oder nur geringe
Aufmerksamkeit mehr für die Vorgänge in seiner Umgehung, kein Inter¬
esse mehr für landschaftliche Reize und Abwechselung. Auf Fragen
giebt er nur zögernd und mit Unlust Antwort. Sein Gesicbtoaus-
druck hat etwas Starres, oft Stupides. Das Gesicht ist dunkel ge-
röthet und gedunsen; von Stirn und Schläfen rieseln Sch weisstropfen her¬
ab; die Augen erscheinen glotzend, gerothet und starr auf den Boden
geheftet; der Mund ist geöffnet, die Athmung beschleunigt, dabei gewöhn¬
lich etwas vertieft und hörbar. Die Haltung ist die beim ersten Grade
beschriebene. Der Gang, anfänglich noch fest und sicher, wird sehr
bald mühsam und schleppend; der Mann stösst leicht an kleine Hinder¬
nisse an und hat augenscheinlich Mühe, sich und seine Last davon zu
tragen. Es tritt nun alsbald ein Zustand der Erschlaffung und selbst tiefer
Erschöpfung ein. Dem Manne wird dabei nicht selten schwarz vor den
Augen, und mit dem Gefühle der Ohnmacht tritt er alsdann, falls er
noch bei Bewusstsein ist, aus Reihe und Glied heraus, um zur Seite des
Weges niederzusinken oder sich an den Rand des Grabens zu setzen.
Es ist dies das bekannte, aber bisher nur wenig beachtete und mit
Unrecht geringschätzig behandelte Bild des Schlaff Werdens auf dem
Marsche.*) Ein rechtzeitig eingeführtes Thermometer, welches eine
Analtemperatur zwischen 39° und 40° C. oder darüber anzeigt, wurde
den Arzt sofort darüber belehren, dass es sich in der That hier um
ernste Störungen handelt, welche, im Wesentlichen derselben Art und des¬
selben Ursprungs sind, wie der echte Hitzschlag, und sich nur durch ihre
geringere Schwere und ihre geringere Gefährlichkeit von demselben
unterscheiden. Schlaffe (Marode) pflegen dem Auftreten von wirklichem
Hitzschlag auf Märschen in grösserer Anzahl voraufzugehen. Diese
Vorboten sollen den Truppen stets ein Warnungssignal sein! Man kann
es nur als ein Glück betrachten, dass diese Leute rechtzeitig erschlafften;
denn diese Mannschaften, die augenscheinlich für Erkrankung an Hitz¬
schlag besonders disponirt sind, schützten sich dadurch gewissermaassen
gegen diese Gefahr. Von beiden Uebeln ist das Schlaff werden offenbar
das kleinere.
*) Selbstverständlich sind hiervon zu trennen die Fälle von Marodewerden
infolge von wunden und schmerzhaften Füssen, oder infolge von anderen nach¬
weisbaren äusseren oder inneren Krankheiten.
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385
Ich sagte: „besonders disponirt sind“. Ich komme damit auf eineu
bisher noch nicht erörterten Punkt Ohne Zweifel giebt es eine Dis¬
position, welche den Einen weniger, den Anderen mehr geneigt macht
sar geschilderten Erkrankung infolge von Ueberhitzung. Nach obigen
Darlegungen ist diese Disposition zu suchen in einer verschiedenen
•Erregbarkeit oder, anders ausgedruckt, in einer verschiedenen
Energie des Centralnervensystems. Personen mit sog. „schwachen“
Nerven, welche durch psychische Alterationen leicht erregt werden,
welche nach geistiger Beschäftigung oder lebhafter Thätigkeit der
Sinnesorgane leicht ermüden, deren Hautnerven schon gegen Aenderungen
der Au88entemperatur empfindlich sind, und endlich solche, welche durch
Abusus 8pirituosorum (Bier, Schnaps), durch den Gebrauch von Narcoticis
(Morphium, Opium) oder durch zu reichlichen Genuss von Tabak und
starkem Caffee, wie man sagt, „nervös“ geworden sind, d. h. ein abnorm
empfindliches und erregbares Centralnervensystem besitzen; diese Per¬
sonen müssen als besonders disponirt für das „Schlaffwerden auf dem
Marsche“ und für die Erkrankung an Hitzschlag angesehen werden. Das
ganze grosse Gebiet der „Neurasthenie“ (Neurasthenia cerebralis, Nerven¬
schwäche) — dieser Modekrankheit der Neuzeit — wurde hiernach das
Hanptcontingent an Hitzschlag-Candidaten, besonders aus den wohlhabenden
and gelehrten Gesellschaftskreisen, stellen. — Auf der anderen Seite er¬
scheinen Personen mit gesunden Nerven, welche eine gute Ernährung
and gesunden Schlaf haben, welche mässig in ihren Lebensgenüssen
and nüchtern sind, — und diese Leute bilden in unserer Infanterie glück¬
licherweise die Mehrzahl — sehr wohl befähigt, eine stabile Körper¬
temperatur zwischen 39,5° und 40,5° C. etwa eine Stande lang auf dem
Marsche ohne erhebliche Beschwerden zu ertragen; es wird dies nament¬
lich bei solchen Soldaten der Fall sein, welche bereits mehrere Jahre
dienen nnd an die Erhöhung der Eigenwärme auf Märschen im Sommer
einigermaas8en gewohnt sind. Es kommt hier noch hinzu, dass bei
solchen älteren Infanteristen, wie oben bereits ausgeführt wurde, der
Wärmeregulirangs-Mechanismus der Haut gewöhnlich durch Uebung zu
einer schnelleren. Steigerung der Wärmeabgabe erzogen worden ist, so
dass dag Stadium der Ausgleichung zwischen Einnahmen und Ausgaben
früher erreicht wird und die Körpertemperatur mithin weniger hoch an¬
steigt
Dritter Grad der Erhitzung: Die Körpertemperatur hat
41,0°C. erreicht und steigt noch weiter in die Hohe (Hitzschlag).
Die vorher beschriebenen Symptome schreiten weiter fort und nehmen
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386
nunmehr einen bedrohlichen Charakter an. Der Mann verliert nach and
nach das Bewusstsein; za der Eingenommenheit des Kopfes gesellt sich
Schwindelgefühl, so dass er beim Marschiren schwankt; es wird ihm
schwarz vor den Augen, er sieht and hört nicht mehr deutlich, so dass
er auf Fragen nicht mehr antwortet. Die Athmung wird dabei gewöhn¬
lich äusserst frequent and oberflächlich, der Pols fliegend and anzählbar.
Gleichzeitig wird in der Regel die Haut, infolge Erlöschens der Schweiss-
secretion and Lähmang der Haatgefasse, trocken und cyanotisch. Taumelnd
bewegt er sich, dem Pflichtgefühl and der Gewohnheit mechanisch fol¬
gend, noch einige Schritte weiter, am dann bewusstlos zusammen za
brechen. Manchmal sind ausgesprochene Gehirnerscheinangen, and
zwar in der Regel Reizangserscheinungen, damit verbanden, besonders
Zackangen in einzelnen Maskelgrappen and selbst aasgesprochene Con-
vulsionen. Aach tetanische Krämpfe in einzelnen Maakelgebieten von über
24 Stunden Dauer habe ich kürzlich in einem Hitzschlagfalle gesehen.
Endlich sind bisweilen auch Delirien, grosse psychische Unrahe and Auf¬
geregtheit, H&llacinationen, selbst Mania transitoria dabei beobachtet worden.
Dieses Stadinm der Wärmewirkang auf das Centralnervensystem ist
bekanntlich immer in hohem Grade lebensgefährlich. Um den todtlichen
Ausgang der Erkrankang fern za halten, ist es von grosser Wichtigkeit
erstens, dass die Gefahr frühzeitig erkannt und der Mann aas Reihe
and Glied herausgebracht wird, and zweitens, dass er möglichst schnell
bis auf eine niedrigere, ungefährliche Körpertemperatur abgekühlt wird.
Bezüglich des ersten Punktes habe ich in den alljährlichen Instructionen
über Hitzschlag den Offizieren und Unteroffizieren meines Bataillons
dringend anempfohlen, auf Märschen an heissen Tagen, sobald sich eine
Ermattung der Truppe bemerklich macht, die ihnen unterstellten Leute
stets im Auge zu behalten, die Einzelnen, insbesondere solche, welche za
schwanken scheinen, von Zeit zu Zeit laut mit ihrem Namen anzu-
rafen. Man hat in der Anrufung bezw. im Namensaufruf ein ganz gutes
Mittel, auf dem Marsche sich davon za überzeugen, ob ein Mann noch
bei Bewasstsein ist. Schwinden des Bewusstseins ist aber das
erste Symptom der eintretenden Lebensgefahr.
Das zweite Erfordemiss anlangend, so habe ich in der früheren Ar¬
beit (a. a. 0. Seite 369) ein einfaches and sehr wirksames Abkühlnngs-
verfahren angegeben, von welchem in dem folgenden Abschnitt II dieser
Arbeit noch die Rede sein wird. (Schloss folgt.)
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Sublimat-Papier als Verbandmaterial.
Von
Stabsarzt Dr. Goedicke.
Die in No. 6 1886 dieser Zeitschrift von Stabsarzt Flashar empfohlene
Verbandtasche wird Viele, als einem wirklichen Bedürfnis entgegen¬
kommend, interessirt haben. An Stelle des Kleidertnchs als Verband¬
material kann natürlich jedes andere Material benutzt werden.
Die Priorität des Gedankens, imprägnirtes Papier za Verbandzwecken
zu benutzen, gebührt meines Wissens Prof. Petersen in Kiel. Seine
näheren Angaben darüber sind mir aber unbekannt. Seit reichlich einem
Jahre nun lasse ich mir auf diese Anregung hin in der Apotheke Filtrir-
Papier mit 2%. Sublimatlosuug unter Zusatz von 5 % Glycerin tränken
and benutze dieses getrocknet vielfach in der Hospital- und auch der
Privat-Praxis als antiseptisches Verbandmaterial.
Dasselbe ist billig, sehr compendiös, bequem zu handhaben und erfüllt
durch seine stark aufsaugende und völlig aseptische Eigenschaft alle
Anforderungen, welche man an ein Material für einen ersten Verband
stellen kann, sofern er kein Dauerverband sein soll. Die Art der An¬
wendung ist die, dass man die Wunde je nach der zu erwartenden
Menge des Secrets mit 2—8 Schichten des Papiers bedeckt und dieses
mit einer trockenen Binde (am besten Mull oder Cambric) befestigt.
Als ich die ersten Versuche mit diesem Papier machte, nahm ich
es nur bei kleineren, genähten Wunden, z. B. gleich anfangs einmal nach
Ausschälung eines Atheroms auf dem Kopfe bei bestehender Glatze.
Ich fixirte es nur mit Collodium, darüber wurde eine Perrücke getragen
und es trat ohne jegliche Reaction prima intentio ein. Da mir mehrere
Wunden so ohne alle Reaction ‘heilten, wurde ich vertrauensvoller und
verband damit grössere Wunden, vorzugsweise frische, genähte. So sah
ich einen Daumen anheilen, welcher durch einen Beilhieb fast ganz
abgetrennt war, Wunden nach Exstirpation von Drüsenpacketen am
Halse, nach Exarticulation von Zehen und Fingern heilten reactionslos;
einmal habe ich sogar eine frische Amputationswunde am Oberschenkel
damit verbunden und fast völlige prima intentio erreicht. Die Wunde
war nicht drainirt, nur sehr sorgfältig genäht, auch die Periostlappen
und die Muskelstümpfe. Der erste Verband war 10 Tage liegen geblieben,
weil jede Reaction fehlte — ein Verfahren, was ich jetzt übrigens nicht
mehr beobachten werde, nachdem ich das Material besser kennen gelernt
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habe. Statt der Drainage Hess ich in der Regel den untersten Wand¬
winkel etwas offen.
Schliesslich verbuchte ich das Filtrirpapier auch bei älteren, schon
eiternden Wunden als Verbandmaterial, hier kann ich es aber nicht
empfehlen. Die Wunden waren natürlich vor dem Verbände gehörig
gesäubert und aseptisch gemacht, ln einem besonders prägnanten Falle,
einer enormen gerissenen Wunde, durch Ueberfahren entstanden, welche
vom Knie bis zum Fussgelenk reichte, verband ich, sobald die Wände
sich gereinigt hatte, mit Papier. Die Kranke, ein 12jähriges Mädchen,
befand sich vollkommen wohl, Fieber und Schmerzen fehlten gänzlich,
und so Hess ich den Verband reichlich eine Woche liegen. Als ich ihn
abnahm fand ich das Papier in der Umgebung der Wunde mit der Haat
durch eingetrocknete Secrete fest verklebt, über der Wunde das Papier
feucht, durchtränkt mit seröser Flüssigkeit, unter der Papierschicht einen
dicken, völlig geruchlosen Eiter, welcher die Wunde bedeckte, die Wunde
selbst aber vom besten Aussehen ohne entzündliche Reaction, die Ver¬
narbung gut fortgeschritten. Nun ist das ja gewiss kein Fall, der zur
Nachahmung auffordert, er lehrt aber soviel, dass wir mit Sublimat-
Papier verbundene Wunden im Nothfalle auch einmal längere Zeit un¬
berührt lassen dürfen, ohne septische Zersetzung der Secrete zu furchten.
Dass die Eiterkörperchen zurückgehalten werden und der Eiter condensirt
wird, liegt natürlich in der Eigenschaft des Materials als Filtrir-Papier.
Wie ich mich aber in mehreren Fällen überzeugt habe, bleibt der Eiter asep¬
tisch. Wie sich die Sache gestalten würde, wenn wir eine frische Schass¬
oder tiefe Stichwunde zu verbinden hätten, darüber habe ich keine Erfahrung
machen können, doch glaube ich sicher, dass eine entsprechend dickere
Lage Papier im Stande sein würde, die Wundsecrete für 1—2 Tage völlig
aufzusaugen und die Wunde aseptisch zu erhalten und das ist doch für
einen Nothverband vorläufig immer die Hauptsache — nach Ablauf dieser
Zeit wird sich wohl immer Gelegenheit, finden, einen regelrechten
Danerverband anzulegen.
Meine Erfahrungen würde ich in die Sätze zusammenfassen:
1) Mit 2 %o Sublimat]ösung imprägnirtes Filtrirpapier ist ein sehr
brauchbares Verbandmaterial.
2) Zum Verband ist nach vorheriger Reinigung der Wunde nur
Papier, je nach Umständen in zwei- bis achtfacher Lage, und eine Binde
erforderlich.
3) Der Verband eignet sich vorzugsweise für frische Wunden.
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4) Bei complicirten Fingerverletzungen wirkt eine mehrfache Lage
Papier xngleich immobiliairend.
5) Der Verband soll im Allgemeinen nur 2—3 Tage liegen bleiben.
6) In Ermangelung eines anderen antiseptischen Materials können
auch ältere, schon eiternde Wanden für kurze Zeit mit 8ublimat-Papier
verbunden und aseptisch erhalten werden.
Zur Casnistik der perniciösen Anämie in der Armee.
Von
Stabsarzt Dr. Grimm in Spandau.
Sergeant M. vom Schleswig. Inf.-Regt. No. 84 wurde am 21. October
1885 der inneren Station des Garnison-Lazareths zu Spandau überwiesen,
naehdem er zuvor vom 25. September ab im Lazareth des Festungs-
gefäognisses ärztlich behandelt war. M., z. Z. im 30. Lebensjahre, ist in
Ost'Preussen auf dem Lande geboren. Sein Vater, massig kräftig, ver¬
starb im 57. Lebensjahre angeblich an einem Lungenleiden, die noch
lebende Mutter soll gesund und kräftig sein. Vier Geschwister sind gesund,
our soll eine ältere Schwester stets bleich ausgesehen, eine jüngere
Schwester und ein Bruder in den Jugendjahren häufig an Nasenbluten
gelitten haben. Der Grossvater mütterlicherseits ist geisteskrank ge¬
storben. Bluterkrankheit soll in der Familie nie bestanden haben.
Seine Kindheit verbrachte M. im elterlichen Hause. Im 6. oder
7. Lebensjahre überstand er Wechselfieber, im achten Masern und im
neunten eine scharlachartige Krankheit. Als junger Mann litt er zeit¬
weise an anhaltendem Nasenbluten, nach welchem er sich stets sehr er¬
mattet fühlte. Er sah ständig blass aus und galt bei den Angehörigen
für krank, obgleich die Ernährung eine gute und kräftige war; nur die
Wobnungsverhältnisse Hessen zu wünschen übrig. Vom 15.—18. Lebens¬
jahre erlernte er die Kürschnerei, ohne hierbei mit Pelzsacben in Be¬
rührung zu kommen, deren Zurichtung durch Arsenikbehandlung be¬
werkstelligt wurde. Uebermässigen Anstrengungen war er in seiner
Beruf8thätigkeit nicht ausgesetzt. Vom 18. bis 21. Lebensjahre wurde
er auf der Unteroffizierschule zu Weissenfels erzogen. Hier hoben sich
seine Körperkräfte schnell. Er blieb gesund; nur im 2. Dienstjahre trat
einmal ein so starkes Nasenbluten ein, dass demselben eine tiefe Ohn¬
macht folgte.
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Von 1877 ab stand er 6 Jahre hindurch im Frontdienst in Schleswig. Br
fühlte sich gesund und kräftig und hatte nur selten kurz dauerndes Nasenbluten.
Am 1. October 1883 wurde er zum Festungs-Gefangniss in Spandau
commandirt. Hier bestand seine dienstliche Thätigkeit während der
ersten 9 Monate hauptsächlich in der Beaufsichtigung der Gefangenen in
den Arbeitssälen, in denen er sich 9 bis 10 Stunden aufhalten mnsste.
Auch der übrige Dienst wurde nur in geschlossenen Räumen abgehalten.
Vom Juli 1884 ab bis zu seiner Erkrankung am 25. September 1885
wurde ihm der sehr schwierige Aufsichtsdienst über die isolirten Festungs-
Gefangenen zugetheilt Dieser Dienst wurde in den verschlossenen
Corridoren, oder in den Isolirzellen, oder im Schulsaale abgemacht, and
somit dem M. nur wenig Gelegenheit geboten, an die frische Luft za
kommen. Im ersten Jahre seines Commandos fühlte er sich wohl,
schon im zweiten traten ab und zu Verdauungsstörungen ein. I>er
Appetit fehlte und die Stuhlfunction war meist träge. Diese Er¬
scheinungen steigerten sich allmälig, er bekam ein bleiches Aussehen,
fühlte sich nie mehr völlig wohl, wurde leichter müde als früher, litt
oft an Kopfschmerzen und war ausserdem infolge von Verdriesslichkeiten
leicht erregt und missgestimmt. Seit Beginn des Jahres 1885 empfand
er oft Schmerzen und Schwere in den Beinen, bemerkte zeitweise eine
Schwellung der Fussgelenke; seine Umgebung machte ihn wiederholt
auf die ständige Zunahme seiner Gesichtsblässe aufmerksam und er selbst
fühlte sich mehr und mehr abgeschlagen und matt. Endlich am 25. Sep¬
tember 1885 konnte er infolge hochgradiger Steigerung der eben an¬
geführten Beschwerden nicht mehr seinen dienstlichen Obliegenheiten
genügen. Er meldete sich krank und fand sofortige Aufnahme in dem
Lazareth des Festungsgefängnisses, demnächst im hiesigen Garnison-
Lazareth.
Als anamnestische Momente will ich noch anführen, dass M. nie
Erdesser gewesen, nie mit Ziegel- oder Bergwerks-Arbeitern in engere
Berührung gekommen sein und nie in Gegenden gelebt haben will, in
denen es auffallend viel bleich aussehende Menschen gab.
Der im Garnison-Lazareth festgestellte Krankheitsbefund und
Krankheitsverlauf war folgender: Hervorragende Blässe des Mannes;
die Haut hatte ein wachsartiges, leicht durchscheinendes Aussehen mit
einem Stich ins Grüngelbliche, was besonders am Lippenroth und den
Fingern hervortrat Die sichtbaren Schleimhäute waren sehr bleich and
schienen völlig blutleer. An der Conjunctiva bulbi fiel ein matter
Glanz mit einer leichten Gelbfärbung auf. Das Gesicht schien gedunsen.
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Hydropische Erg aase der serösen Hohlen waren nie nachweisbar.
Deutliche Oedeme traten erst in der letzten Zeit der Krankheit constant
auf and beschränkten sich aaf Fasse and Unterschenkel, an denen sie
meist am die Malleolen sichtbar waren. Der Ernährungszustand war
dürftig, der Mann stark abgemagert and das Fettpolster nur spärlich vor¬
handen.
Der Mann fühlte sich sehr hinfällig and konnte fast nur in der
Bettlage verbleiben, denn beim Aufsichten traten leicht Schwindelanfälle
und Ohnmächten ein. Vielfach bekundete er Apathie gegen Alles in der
Umgebung and seine matten Blicke Hessen deutlich Uebermüdung und
.Schwäche erkennen. Das Denken ging langsamer von Statten, wie
es bei ihm sonst wohl der Fall war, und Kopfschmerzen von grosser
Heftigkeit plagten ihn ständig. Häufig störte ein lästiges starkes Herz¬
klopfen den Schlaf und erzeugte Schmerzgefühl in der Herzgegend. DieHerz-
thitigkeit war meist frequent und veränderUch. Der Puls klein, weich, leicht
wegdruckbar, 100—120 Schläge in der Minute, sein Rhythmus ungestört.
Der dpitzenstoss, im fünften Intercostalraum etwa in der Mitte zwischen
Brustwarzenlinie und Brustbeinrand am deutlichsten fühlbar, erzeugte
wellenförmige Bewegungen, welche von der Brustwarze bis zum Brust¬
beinrande sichtbar waren. Eine besondere Hervorwolbung der Anschlag¬
stelle bestand nicht Durch Palpation war eine Verstärkung oder Ver¬
breiterung des Spitzenstosses nicht wahrzunehmen, nur fühlte man zu¬
weilen an einzelnen Stellen des Herzens ein ganz leichtes Schwirren.
Eine Erweiterung der Herzdämpfung nach links oder rechts hin liess sich
nicht constatiren. Bei der Auscultation hörte man am Spitzenstoss, sowie
an allen vier Ostien beide Herztone deutlich, den zweiten Ton etwas
verstärkt, daneben aber überall bei der Systole ein sehr lautes anä¬
misches Blasen, am deuüichsten über der Pulmonalis, mit einem weichen
schlürfenden Charakter.
An den grossen Halsgefässen sah man fortdauernd ein heftiges
Pulsiren und^ horte über den Arterien blasende systolische Geräusche
und über den Venen, welche nie besonders geschwollen waren, ein
lautes Nonnensausen (bruit de diable.) Die blasenden systoHschen Ge¬
räusche konnte man auch an der Arteria temporalis und cruralis
deutlich wahrnehmen, während dieselben in den Handtellern und an
den Fusssohlen nicht beobachtet wurden. An den grossen Halsgefässen
waren die Geräusche als ein deutliches Schwirren fühlbar. Der Mann
klagte ständig über sausende Geräusche in den Ohren, die besonders
links häufig so stark wurden, dass sie die Horfähigkeit beeinträchtigten.
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Die Re8piration8organe zeigten keine Abweichung von der Norm.
In der Magengrube verspürte der Mann stets ein wehes Gefühl and
nach Genuss von Speisen ein Rollen und Poltern im Magen. Die Magen-
gegend war nie aufgetrieben, eher eingesunken. Die Palpation ergab
Druckempfindlichkeit, die Percussion zeigte keine Ectasie. Nach ein¬
genommener Mahlzeit empfand der Mann Schwere im Magen, litt aber
nicht an Aufstossen. Der Appetit lag meist darnieder. Wurden Speisen
ausnahmsweise mit Appetit gegessen, so traten Uebelkeiten und Erbrechen
fast nie ein, wurden sie aber, wie das fast immer der Fall war, wider-
willig genommen, so zeigten sich diese Erscheinungen sofort. Zeitweise
trat auch spontanes Erbrechen ein, insonderheit nach Anstrengungen.
Unmittelbar nach dem Erbrechen hatte der Mann oft ein starkes Hunger¬
gefühl. Zuweilen quälte ihn anhaltendes Uebelsein und zwar mehr in
den Abend- als in den Morgenstunden. Das Erbrochene enthielt meist
Speisereste und zähe gallig gefärbte Schleimmassen, aber nie Blotbei¬
mengungen. Durch das Mikroskop konnten in dem Erbrochenen nie
andere als den Speiseresten und Schleimmasseu Angehörige Bestandtheile
aufgefunden werden. Die Zunge war bei dünner Epitheldecke meist
schwach belegt. Ueber Empfindlichkeit derselben, wie auch über Wund¬
sein im Munde wurde erst gegen Ende der Krankheit geklagt, ohne dass
sich Erosionen nachweisen Hessen.
Der Stuhlgang blieb trage und konnte bis auf wenige Ausnahmen
nur durch Infusionen erzielt werden. Faeces meist fest und knollig,
normal gefärbt, ohne Blutbeimengungen. Eier von Ankylostoma wurden
nie entdeckt, auch nicht nach Extract. filic. maris oder Kosso.
Eine Steigerung der Speichelabsonderung bestand nie, ebensowenig Nei¬
gung zum Genüsse absonderlicher Dinge. Die Leberdampfung reichte
in der Axillarlinie bis zum 7., in der Brustwarzenlinie bis zum 6. Zwischen*
rippenraume, in der Parasternallinie bis zum unteren Rippenbogen, nach
links hin etwa 1 cm über die linea alba hinweg. !Die Milzdämpfung
begann in der Axillarlinie an der 7. Rippe und erreichte nach unten
hin den Rippenbogen. Ihr Durchmesser betrug 12 cm. Urin in Menge
und Farbe normal, frei von Eiweiss und Gallenfarbstoff. Die Körper¬
temperatur war nie erhöht. Schweisse und Durstgefühl fehlten. Die
Haut zeigte geringe Talgabsonderung und neigte mehr zur Trockenheit
Zeitweise empfand der Mann heftige Schmerzen an verschiedenen Körper-
stellen, eine Zeit lang besonders in der rechten Ferse. Er bezeichnet®
als deren Sitz die Knochen.
Wiederholt traten reichliches Nasenbluten und Blutungen aus dem
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Zahnfleische ein. Petechien der Haut fehlten, dagegen wurden Retinal-
Hämorrhagien wiederholt nachgewiesen. Dieselben zeigten sich besonders
io der Nähe des Sehnerveneintritts längs der Gefässe als kleine unregel¬
mässig gestaltete, hellroth gefärbte Blutaustritte. Seit Beginn der
schweren Krankheitserscheinungen batte der Mann eine Abnahme seiner
Sehkraft bemerkt. Vorgehaltene Schrift vermochte er nur mit Muhe
io lesen, angeblich weil ihm die Scbriftzeichen bald verschwanden, und
auch grossere Schriftzeichen war er ausser Stande in weiterer Entfernung
zu erkennen. Richtete er seinen Blick längere Zeit angestrengt auf
einen Gegenstand, so trat in der Regel ein Flimmern vor den Augen
ein. Das dem Körper frisch entnommene Blut war heller als normal
ood schied sich bald in eine zum grössten Theile seröse, zum kleineren
blutig gefärbte Masse. Die mikroskopische Untersuchung des Blutes
leigte im Gesichtsfelde eine Vermehrung der weissen Blutkörperchen, so¬
wie veränderte Grösse und Form der rothen Blutkörperchen; die Grösse
derselben war sehr ungleich, die Gestalt oval oder zeigte die Pessarien-,
Keulen- oder Pilzform. Geldrollenbildung wurde vermisst. Schliesslich
sah man im Gesichtsfelde noch eine Anzahl unregelmässig gestalteter,
theils vereinzelter, theils .zusammenliegender Plättchen und zuweilen auch
rothe Blutkörperchen, welche schon zum Theil zerfallen waren.
Während des ganzen Krankheitsverlaufes traten diese eben angeführten
Erscheinungen bald im grösseren, bald im geringeren Umfange zu Tage.
Eine kurze Zeit lang schien die Krankheit sich zum Bessern wenden zu
wollen, denn der Appetit begann sich zu heben und die Kräfte insoweit
zu bessern, dass der Mann einige Stunden am Tage das Bett verlassen
und auf dem Krankenstuhle sitzend zubringen konnte. Allein die
Kachexie und der progressive Charakter der Krankheit machten sich
bald wieder geltend. In den letzten Wochen seines Lebens nahm die
Nahrungsaufnahme stetig ab und war schliesslich eine ganz geringe.
Der Mann glich zuletzt mehr einem Todten als einem Lebenden.
Vier Tage vor seinem Tode stellte sich plötzlich eine ganz erhebliche
Schwerhörigkeit ein; der Mann fühlte eine derartige Mattigkeit, dass er
nicht vermochte die Arme zu heben und leichte Gegenstände mit den
Händen zu halten. Bald darauf trat Benommenheit des Sensoriums und
Somnolenz, an den folgenden Tagen auch Coma ein. Der Puls wurde
fadenförmig und fehlte zuweilen ganz. Unter Zunahme dieser Er¬
scheinungen am 10. 2. 86 Exitus letalis.
Die Obduction wurde seitens der Angehörigen versagt.
Nach dem im Vorstehenden gegebenen Krank hei tsbilde unterliegt es
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wohl keinem Zweifel, dass wir es hier mit einer perniciosen Anämie zu
thnn haben. Die fast dieselben Krankheitserscheinangen verursachende
Ankylostomiasis ist sicher auszuschliessen, denn die leicht za er¬
kennenden Bier des Ankylostoma wurden weder in den Faeces, noch
in den erbrochenen Massen gefunden. Auch fehlte jeder anamnestische
Anhaltepnnkt für dieses Leiden. Ebenso konnten diese Erscheinungen
weder durch ein chronisches Magengeschwür, noch durch Krebs bedingt
sein, weil die für diese Krankheiten specifischen Magensymptome völlig
mangelten. Endlich ist die Annahme einer Herzkrankheit auszuschliessen,
weil das Blasen stets ein systolisches blieh und an allen vier Ostien, am
1 autesten über der Lungenarterie, neben den Herztonen gehört warde, und
die Herzdämpfung nicht vergrossert war.
Für die Entstehungsweise und weitere Entwickelung der Krankheit
giebt die Anamnese genügende Anhaltepunkte. Durch diese erfahren wir,
dass M. nie ein besonders kräftig entwickelter Mensch war, sowohl
in den Jugend- wie auch in den späteren Lebensjahren vielfach an
Nasenbluten litt and meist bleich aussah, ferner bei seinem Commando
im Festnngsgefängni88 nicht allein anstrengende dienstliche Verrichtungen
zn versehen batte, sondern auch gezwungen war, dieselben in geschlossenen
Gefangenenräumen zu thun, dabei vielfachen Verdriesslichkeiten und Er-
regungen ausgesetzt war and nnr selten an die frische Lnft kommen
konnte.
Der Mann neigte von Jugend auf zur Anämie nnd war während
seines Commandos zum Festungsgefängniss einer Summe von Einflüssen
ausgesetzt, die für ihn zu ebensoviel Schädlichkeiten wurden. Es scheint
zweifellos, dass letzterer Umstand günstige Bedingungen für einen erneuten
Ausbruch und die weitere Entwickelung der Anämie gab, und schliesslich
deren Endstadium, die perniciöse Anämie, herbeiführte.
Referate und Kritiken.
Die transportable Lazarethbaracke mit besonderer Berücksichtigung
der von Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Augusts hervor«
gerufenen Baracken-Ausstellung in Antwerpen im September 1885.
Herausgegeben von Generalarzt 1. Classe Professor Dr. v. Lange abeck,
Generalarzt 1. Gasse Dr. v. Coler und Stabsarzt Dr. Werner. Mit
24 litbogr. Tafeln und Holzschnitten im Text. Verlag von A. Hirsch¬
wald in Berlin 1886.
Von einem Werke, dessen Widmung Ihre Majestät die Kaiserin
angenommen hat, lässt sich von vornherein annehmen, dass es formell
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wie inhaltlich hohen Ansprüchen genügen werde. Es ist bekannt, dass
seitens der Internationalen Conferenz der Gesellschaften vom Rothen Kreuz
xu Genf 1884 ein von Ihrer Majestät der Kaiserin bewilligter namhafter
Preis für das beste Modell einer transportablen Lazarethbaracke ausgesetzt
war.*) Die Baracken erschienen in stattlicher Anzahl auf der Antwerpener
Ausstellung im September 1885, deren Ergebnis die Zeitschrift seiner
Zeit mitgetheilt hat.**) Vorliegendes Werk nimmt den Bericht über diese
Concurrenz zum Ausgangspunkt, um die ganze Barackenfrage in ihrer
ausserordentlichen Bedeutung für Feldverhältnisse wie für Seuchen im
Frieden gründlich zu beleuchten. Hierbei ergab es sich von selbst, auch
die Entwickelung der immobilen Baracke in einem historischen Rückblick
zur Anschauung zu bringen; und dieser, bei dem Mangel jeder Litteratur
besonders schwierigen Aufgabe ist die Bearbeitung in einer Weise gerecht
geworden, wie es die Namen der Verfasser a priori erwarten liessen.
Es ist erstaunlich zu sehen, wie viele der in neuerer Zeit erfundenen
Vervollkommnungen in Bau und hygienischer Vorsorge bereits vor langen
Jahren in Einzelfallen bekannt gewesen und zur Anwendung gekommen,
aber der Vergessenheit anheimgefalien sind. Indem diese militärärztliche
Studie zum ersten Mal alle Errungenschaften früherer Zeit nebst den
neuesten, durch die Ausstellung bekannt gewordenen technischen Fort¬
schritten sammelt, sichtet, kritisch beleuchtet und in zahlreichen, sehr
guten Abbildungen vor Augen führt, schafft sie ein Fundament, auf dem
für lange Zeit Jeder stehen wird, der diesen Dingen näher zu treten hat.
Die genauere Analyse des Werkes ist einer bewährten technischen
Kraft Vorbehalten. Zweck vorstehender Zeilen war es, im Interesse des
Heeres-Sanitätswesens auf die hohe Bedeutung einer Arbeit aufmerksam
tu machen, welche in ihrer Art ohne Vorgang ist. — . —
Zeitschrift^für Hygiene: Herausgegeben von Dr. R. Koch und
Dr. C. Flügge. Erster Band, erstes Heft. Mit 10 Abbildungen im
Text und 3 Tafeln. Leipzig, Verlag von Veit u. Comp. 1886.
Das Erscheinen obiger Zeitschrift ist als ein Tagesereigniss ersten
Ranges für die mediciniscbe Wissenschaft zu bezeichnen: trägt sie doch
die Namen der beiden grössten Bacteriologen der Gegenwart auf ihrem
Titelblatt! — Am freudigsten wird das Werk von allen Hygienikern
begrüsst werden, welche der Koch’schen exacten Schule angehören.
Für diese stellt es gewissermaassen ein Centrum aller einscbläglichen
Bestrebungen dar und bietet Gelegenheit, die gemeinsamen literarischen
Erzeugnisse wie in einem Brennpunkte zu vereinigen. Welche Vortheile
sich hieraus aber wiederum für die Gesammtwissenschaft ergeben, bedarf
keiner besonderen Betonung.
Die Zeitschrift wird mit einem Vorwort: „Zur Einführung“ ein¬
geleitet, in welcher der Standpunkt der Herausgeber und die Tendenz
des Unternehmens selbst klar und präcise dargelegt sind. Der Wichtigkeit
der Sache wegen und um den Leser völlig zu orientiren haben wir geglaubt,
diese „Einführung 0 im Wortlaut wiedergeben zu sollen:
„Die hygienische Lehre und Forschung hat innerhalb des letzten
Jahrzehnts eine bedeutungsvolle Umwandlung dadurch erfahren, dass neben
*) cf. Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1884 S. 620 u. 1885 S. 142.
**) 1885 S. 507.
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der empirischen Beobachtung, welche bis dahin fast ihre ausschliessliche
Basis bildete, mehr und mehr die Methode der naturwissenschaftlichen
Beobachtung und des Experiments zur Lösung der mannigfaltigen und
schwierigen hygienischen Aufgaben herangezogen wurde. Durch die
Begründung eigener Institute ist es seit Kurzem möglich geworden, in
der neuen Richtung energisch und erfolgreich vorzugehen; und es ist
vorauszusehen, das$ fortan in rasch steigender Zahl experimentelle Unter¬
suchungen hygienischer Fragen unternommen werden.
Im engen Anschluss an diesen Zuwachs neuer Methoden wird aber
auch die Form der Mittheilungen hygienischer Arbeiten zum Theil eine
andere werden müssen. Experimentelle Untersuchungen lassen eine
genaue Mittheilung der Methode und der Versuchsprotokolle wünschens¬
wert erscheinen, da ohne solche eine Cootrole und Vergleichung mit
anderen Versuchsreihen unmöglich wird; Publicationen speciell bacterio-
logiscben Inhalts erfordern ferner oft eine Erläuterung durch schwierig
herzustellende Abbildungen, z. B. durch Photogramme, welche allein
zur Wiedergabe absolut naturgetreuer Bilder geeignet sind, oder durch
8orgfältigst ausgeführte lithographische Tafeln, in welchen feinere
morphologische Details entsprechenden Ausdruck finden.
Derartige Mitteilungen experimentell gewonnener Resultate wurden
in letzter Zeit oft in notgedrungener Kürze in den wöchentlich erschei¬
nenden Fachjournalen oder aber in grösserer Ausdehnung in einzelnen
Broschüren veröffentlicht, somit in einer Form, welche dem Interesse des
Autors so wenig wie dem des Publicums entspricht. Die „Zeitschrift für
Hygiene u soll in dieser Beziehung ergänzend eintreteu, indem sie auch
Versuchsprotokollen, Tabellen und erläuternden Abbildungen ausreichend
Raum gewährt und dadurch der Erweiterung des Arbeitsgebiets der
Hygiene im vollsten Maasse Rechnung trägt.
Unter den einer experimentellen Behandlung zugänglichen Gapiteln
der Hygiene ist gegenwärtig die Bacteriologie in den Vordergrund des
Interesses gedrängt; und da dieses Gebiet gleichzeitig ein neubebautes und
ungemein ertragsfähiges Terrain darstellt, so ist es wohl verständlich,
dass in den nächsten Jahren auch in der „Zeitschrift für Hygiene 44
grös8tentheils Arbeiten bacteriologischen Inhalts erscheinen werdeo.
Von vornherein möchten wir aber der irrthümlichen Anschauung
entgegen treten, dass die Zeitschrift einen specifisch bacteriologischen
Charakter tragen solle; so wenig wie die Hygiene in der Bacteriologie auf-
zugehen bestimmt ist, ebensowenig wird die „Zeitschrift für Hygiene 44 einen
einseitigen Standpunkt vertreten. Sie hat vielmehr die Aufgabe, Arbeiten
aus allen Theilen der Experimentalhygiene, aus der hygienischen Statistik
und aus der öffentlichen Gesundheitspflege io gleicher Weise Raum zu
gewähren. Ihr Ziel ist die Förderung exacter wissenschaftlicher
Arbeit auf dem ganzen Gebiete der Hygiene 44 . —
Das erste Heft enthält folgende Arbeiten:
1) W. Wyssokowitsch, Ueber die Schicksale der ins Blut injicirten
Mikroorganismen im Körper der Warmblüter. Mitgetheilt von C. Flügge
(hierzu Tafel I);
2) R. Deneke, Ueber die Bestimmung der Luftfeuchtigkeit zu
hygienischen Zwecken. Mitgetheilt von C. Flügge;
3) Meade Bolten, Ueber das Verhalten verschiedener Bacterienarten
im Trinkwasser. Mitgetheilt von C. Flügge;
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4) Paal Liborius, Beiträge zur Kenntniss des Sauerstoffbedürfnisses
der Bacterien. Mitgetheilt von C. Flügge (hierzu Tafel II und III.);
5) W. Hesse, Ueber Wasserfiltration.
Die ersten vier Arbeiten sind in dem hygienischen Institut zu Gottingen
entstanden; iur das zweite Heft wird eine Anzahl einschläglicher Arbeiten
aas dem gleichen Institut zu Berlin in Aussicht gestellt.
Die ,.Zeit8chrift für Hygiene“ erscheint in zwanglosen Heften von
8 bis 10 Druckbogen Stärke, von den denen 3 bis 4 einen Band bilden.
Die Verpflichtung zur Abnahme erstreckt sich auf einen Band;
einzelne Hefte werden nur soweit überzählig vorhanden und zu erhöhtem
Preise geliefert. —
Indem wir uns für heut mit dieser Ankündigung der neuen Zeitschrift
begnügen, behalten wir uns unserer Aufgabe gemäss die Besprechung
der in derselben niedergelegten wichtigeren Arbeiten rein bacteriologischen
Iohalts für später vor. Pfuhl (Hamburg).
Organisation, Ergänzung, Verwendung und Ausbildung des
niederen Sanitätspersonals der Landarmee in Deutschland, Russ¬
land, Oesterreich-Ungarn, England, Frankreich, Italien und der Schweiz
nach den in den einzelnen Armeen bestehenden Bestimmungen etc.
zusammengestellt von Dr. Grimm, Stabs- und Bataillonsarzt des
Füsilier-Bataillons 4. Garde-Regiments z. F.
Die vorliegende Arbeit, welche das 3. und 4. Heft des Beiheftes zum
Militär-Wochenblatt 1886 (Seite 83 bis 193) ausfüllt, muss als ein sehr
dankenswerter Beitrag zur Kenntniss der Gestaltung des Heeres-Sanitäts-
wesens der europäischen Grossstaaten bezeichnet werden, zumal nur ein
diese gesammte Materie freilich sehr eingehend, aber mehr vom militärisch -
geschichtlichen Standpunkte aus, behandelndes Werk, das von Knorr,
vorhanden ist, wohingegen Berichte über das Sanitätswesen einzelner
Staaten Bich mehrfach besonders in unserer Zeitschrift vorfinden. Verf.
behandelt zuerst das niedere Sanitätspersonal Deutschlands excl.
Bayerns — Lazarethgehülfen, Krankenwärter, Krankenträger und Hüils-
krankeuträger — an der Hand der bestehenden Bestimmungen und In¬
structionen. In Betreff der Krankenträger wünscht G., dass jedem aus-
zubildenden Mann ein Unterrichtsbuch in die Hand gegeben werde, ferner,
dass die Zahl der praktischen Uebungen sowohl am Feld-Sanitätsmaterial
wie auch im Terrain vermehrt würden, und endlich, dass sie während
der Ausbildung für kurze Zeit an ein Lazareth commandirt werden
möchten. In Bayern ist erst seit März 1879 die Ausbildung des niederen
Sanitätspersonals fast dieselbe geworden wie in der übrigen deutschen
Armee. Indess besteht für jedes der beiden bayerischen Armee-Corps
noch je eine Sanitätscompagnie in Verbindung mit einer K ranken wärter-
abtheilung als ein integrirender Bestandtheil des Train-Bataillons. Die
Mannschaften dieser Sanitätscompagnien erhalten nur eine Sanitätsaus¬
bildung als Krankenträger, im Uebrigen haben sie noch den Wach- und
Arbeitsdienst beim Train-Bataillon zu versehen und nur ausnahmsweise
dürfen sie im Bedarfsfälle als Krankenwärter in ein Lazareth comman¬
dirt werden. Im Felde bilden sie ausschliesslich das Krankenträger-
personal der Sanitäts-Detachements. Hülfskrankenträger werden nicht
nur bei der Infanterie, den Jägern und der Cavallerie, sondern auch bei
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der Artillerie, dem Pionier-Bataillon nnd der Eisenbahn-Compagnie aus-
gebildet.
Die Rassische Armee hat drei Classen niederen Sanitätspersonals:
Feldscheere, Hospitaldiener nnd Sanitäre. Die Feldscheere, die unter
allen Verhältnissen allein der militärischen Commando- nnd Disciplinar-
gewalt unterstellt sind, nnd deren es pro Bataillon im Frieden 6, im
Kriege bis 20 giebt, ergänzen sich aus Mannschaften, welche ein soge¬
nanntes Progymn&8inm (gute Elementarschule) durchgemacht haben nnd
alsdann drei Jahre in Feldscheerschulen, deren es drei .giebt, ausgebildet
sind. Sie erhalten in diesen Feldscheerschulen Unterricht in Religion,
Mathematik, Geographie und Geschichte, Latein, Physik, Anatomie,
Physiologie, Pathologie und Therapie, Hygiene u. 8. w., kurz eine
Halbbildung aus allen möglichen Gebieten. Während der Ferienzeit
werden sie behufs Erlernung des Truppen - Sanitätsdienstes den ver¬
schiedenen Feldlagern zugetheilt. Nach absolvirtem Examen treten sie
als Feldscheere niederer Ordnung (Unteroffiziere) zu den Compagnien etc.
oder sie werden Hospitälern zugetheilt. Ausser diesen „gelehrten“ Feid-
scheeren werden aus Mannschaften des zweiten Dienstjahres je nach
Bedarf befähigte Soldaten auf drei Jahre behufs praktischer und theore¬
tischer Ausbildung in ein Lazareth commandirt, sogenannte Feldscheer-
schüler der Truppe, um nach Absolvirung des Cursus gleichfalls als Com-
pagniefeldscheere eingestellt zu werden. Die Hospitaldiener werden etwa
unseren Krankenwärtern analog und die Sanitäre ganz nach dem Master
unserer Krankenträger ausgebildet und verwendet, nur besteht die gewiss
sehr empfehlenswerthe Einrichtung, dass während der Regiments- nnd
Brigade-Uebungen praktische Krankenträger-Uebungen ausgefuhrt werden.
Oesterreich-Ungarn besitzt eine Sanitätstruppe, welche im Frieden
in das Sanitätstruppen-Commando und 26 Sanitäts-Abtheilungen zerfallt,
die von Sanitätstruppen-Offizieren (Hauptleuten) befehligt werden. Sani¬
tätsoffiziere gehören weder im Frieden noch im Kriege zum Stande der
Sanitätstruppe. Die Ergänzung der Sanitätsmannschaft im Frieden erfolgt
hauptsächlich durch Einstellen von für die Sanitätstruppe ausgehobenen
Ersatzrekruten, durch Versetzen von geeigneten Mannschaften aus anderen
Truppenkörpern, sowie durch Eintritt von Freiwilligen und Einjährig-
Freiwilligen. Die Ausbildung zerfällt in die militärische und in die fach¬
technische: erstere dauert vier bis sechs Wochen, alsdann tritt der Sani¬
tätsrekrut in die Mannschaftsschule, macht dort einen drei- bis vier¬
monatlichen Curaus durch, um alsdann dem Militärspitale seiner Abtheilung
zur Verwendung überwiesen zu werden. Zu Unteroffizieren werden be¬
fähigte Leute in Unteroffizierschulen ausgebildet; ihre Auswahl trifft der
Sanität8abtheilungs-Commandant.
Für den Krieg wird die Sanitätstruppe durch Sanitäts-Feldübungen,
sowie durch Erlernung der Grundzüge des praktischen Pionierdienstes
herangebildet. Aus den Einjährig-Freiwilligen sollen die Reserveoffiziere
für die Sanitätstruppe hervorgehen. Im Frieden findet die Sanitätstruppe
hauptsächlich in den Garnisonspitälern Verwendung, ferner liegt ihr der
Transport der Erkrankten in die Sanitätsanstalten, sowie der Sanitäts-
Hülfsdienst in Lagern, auf Märschen u. 8. w. ob; im Kriege wird sie bei
den Divisions-Sanitätsanstalten, Feldspitalen,Eisenbabn-Sanitätszügenu. s. w.
verwendet Ferner gehören zu dem niederen Sanitätspersonal die militär¬
ärztlichen Eleven, Candidaten der Medicin, welche während der ein¬
jährigen Dienstzeit eine gewisse fachtechniscbe Ausbildung als Militärärzte
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erhalten. Endlich werden zum niederen Sanitätsdienst bei der eigenen
Trappe noch Blessirten- und Bandagenträger aasgebildet Die Ausbildungs¬
zeit währt vom October bis April, während welcher Zeit sie keinenei
Dienst bei der Truppe thun, hingegen auf zwei bis drei Monate zu den
Trappenspitälern commandirt werden.
Auch in England besteht für den niederen Sanitätsdienst der Land¬
armee ein in sich abgeschlossener Truppentbeil, das Army-hospital-corps,
dessen Mitglieder aber — Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften —
den Sanitätsoffizieren (Arroy-medical-officers) unterstellt sind. Das Army-
hospital-corps ergänzt sich durch freiwilligen Uebertritt von Unteroffi¬
zieren und Mannschaften der Truppen und durch Anwerbung von Rekruten,
und zwar werden Alle erst sechs Monate auf Probe eingestellt. Ihre Aus¬
bildung erfolgt in der Training-school im Lager zu Aldershot sowohl als
Lazarethgehülfen, wie als Krankenträger, Koche, Wäscher, Schreiber u. s. w.
Nach erfolgter Ausbildung werden Unteroffiziere und Mannschaften in
den Lazarethen je nach Geschick und praktischer Befähigung in den
eiozelnen Dienstzweigen beschäftigt. Als Truppen-Eirankenträger im
Felde hat jede Compagnie zwei dazu ausgebildete Mannschaften. Für
den niederen Sanitätsdienst bei der Truppe im Frieden werden nur aus¬
nahmsweise Mannschaften des Army-hospital-corps commandirt, sonst
liegt derselbe ausschliesslich den mit dem Truppendienst beauftragten
Sanitätsoffizieren ob. In den General-hospitals und anderen grosseren
Lazarethen sind officiell Krankenpflegerinnen (Nurses) angestellt, welche
in disciplinarer Beziehung einer Lady Superintendent resp. der Lady
Soperintendent-General of nurses unterstellt sind. Die Krankenwärter
haben den Nurses Folge zu leisten.
In Bezug auf die Organisation des niederen Sanitätspersonals in
Frankreich und Italien schliesst sich Verfasser eng den in der Zeit¬
schrift veröffentlichten Arbeiten Kortin g’s (1884, S. 341) und Kern’s
(1885, S. 9) an. Wir können uns daher, um Wiederholungen zu ver¬
meiden, darauf beschränken, auf diese bezw. auf das Original zu ver¬
weisen.
Die Schweiz besitztauch eine Sanitätstruppe, die aber ebensowenig
wie die übrige Schweizerische Armee ein stehender Truppenkörper ist.
Die Sanitätstruppe steht unter der Befehls- und Disciplinargewalt der
Sanitätsoffiziere und ergänzt sich durch eigens für sie aasgehobene
Rekruten. Dieselben werden in 11 (I) Tagen militärisch ausgebildet, um
alsdann in den Sanitätsrekruten-Schulen, deren es 12 giebt, während fünf
Wochen durch Sanitätsinstructoren (Militärärzte) ihre fachtechnische Er¬
ziehung zu geniessen. Je nach Befähigung werden die Mannschaften
nach Schluss des Cursus in Krankenwärter und Krankenträger getheilt.
Entere machen noch einen dreiwöchentlichen Cursus in einem Civilspital
durch und sind die eigentlichen Arztgehülfen, während die Krankenträger
zum Verwundetentransport und als Gehülfen der Krankenwärter dienen
sollen. Specialcurse für die Unteroffiziere der Sanitätstrappe, Wieder-
holangscurse für die Mannschaften, grössere Feld-Sanitätsübungen, sowie
häufige praktische Sanitätsübungen am Material und im Terrain vervoll¬
ständigen die Ausbildung.
Das Studium des sehr gewandt und übersichtlich zusammengestellten
Werkes kann allen Cameraden dringend empfohlen werden. Ist doch
die Ausbildung des niederen Sanitätspersonals ein gewiss nicht zu unter¬
schätzender Factor bei der Beurtheilung der Leistungsfähigkeit des ge-
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400
sammten Heeres-Sanitätswesens eines Staates, und kein deatscber Militär¬
arzt wird es sich verhehlen können, dass insbesondere die Ausbildung
unserer Lazarethgehülfen noch so mancher Verbesserung fähig sein
durfte. GoebeL
Dr. Ludwig Schaffer, k. k. Regimentsarzt etc. „Die Hygiene und
Aesthetik des menschlichen Fusses.“ (Wien 1886, Wilhelm
Braumüller.)
Die Frage nach einer rationellen Fussbekleidung hat neuerdings, be¬
sonders in militärischen Kreisen, ein hervorragendes Interesse gewonnen,
und jeder von berufener Hand stammende literarische Beitrag zu dieser
Frage wird mit Freuden begrüsst. So auch das auf reichhaltiger praktischer
Erfahrung und eingehendem theoretischen Studium basirte, obenbezeich-
nete Werk, das eine Fülle interessanten Materials enthält. Sch. giebt da¬
rin zunächst einen kurzen geschichtlichen Ueberblick über die Entwicke¬
lung einer menschlichen Schuhform und kritisirt scharf die auf diesem
Gebiet noch jetzt herrschende Indolenz und Modetyrannei. Er kommt
dann zu einer Betrachtung der Anatomie des Fusses und der Mechanik
seiner Functionen. Er charakterisirt den Fuss als einen complicirteo
zweiarmigen Hebel, in einer im Original naher zu studirenden Analysiruog
der einzelnen Theile desselben. Die einheitliche Mechanik des Fusses
geht mit stetigen Formveränderungen desselben einher, die für die Con-
struction der mechanischen Fusshülle entscheidend sind. Die Füsse nennt
er „untere Hände“ und verlangt für die grösse Zehe die Bewegungsmog-
lichkeit des Daumens. Der Fuss verdient Beachtung nicht nur als Be¬
wegungsorgan, sondern auch deshalb, weil durch die Mechanik des Gehens
das Gesammtskelett, und fast alle Muskeln mit in Thätigkeit versetzt
werden. So können durch das Balancement des durch hohe Absätze
unrichtig unterstützten Körpers Krümmungen der Wirbelsäule entstehen,
die, zumal beim weiblichen Geschlecht, durch Beeinflussung der Becken-
organe schlimme Folgen haben können.
Den dann folgenden, in Anlehnung an das Werk von Burmeister
ziemlich breit ausgeführten Betrachtungen über die Aesthetik des Fasses
wollen wir hier nicht nachgehen; denn die Gesichtspunkte der Aesthetik
kommen für militärische Verhältnisse erst in letzter Instanz in Betracht,
und die etwas kühnen Schlussfolgerungen, dass man aus Fuss- und Schuh¬
werk Schlüsse auf Charakter und Intelligenz des Besitzers ziehen könne,
wären auf militärischem Gebiete absurd.
Sehr interessant sind dagegen die Darstellungen der praktischen
Seiten der Erzeugung und Conservirung des Schuhwerkes und der Hy¬
giene des Fusses, die wir, ohne uns streng an die Disposition des Ver¬
fassers zu binden, hier kurz skizziren wollen. Bei der Sohlenconstruotion
sollten eigentlich die Mittelfuss-Zehengelenke entsprechende Vertiefungen
in der Ledersohle vorgebildet haben, ebenso sollten die Hauptlager für
die wichtigsten Stellen der Gelenkserbabenheiten vorgeformt sein; es darf
die Pufferwirkung des Fettpolsters, der Ferse und der Sohle nicht beein¬
trächtigt sein. Da aber längeres Gehen in solchen Stiefeln ermüden wurde,
so ist es praktischer, den dem Fass beim Gehen eigentümlichen, Seiten-
sebub durch eine schiefe Ebene, die durch entsprechende Einlagen gegen
den äusseren Rand ansteigt, auszugleichen. Solche wechselbaren Einlagen
können gleichzeitig als Träger eines Desinficiens benutzt werden und con-
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serviren das Schuh werk durch Aufsaugen der Feuchtigkeit Der Absatz
soll niedrig und breit sein; die Absatzeisen sollen als geschlossener Reif
auf die Absatzränder aufgepresst werden. Ausser dieser peripheren Be¬
festigung soll das Absatzeisen noch eine centrale erhalten in Gestalt einer
verzinkten Schraube, die durch die Sohle hindurchgeht, im Schuhriemen
einen flachen Nietenkopf hat und im Absatz durch eine versenkte Schrau¬
benmutter fixirt wird. Das Fusssohlengelenk (der Theil zwischen Absatz
ond eigentlicher Gangsohle) soll schmal und durch eine Stahl federein läge
genügend festgemacht sein. Zur Conservirung des Sohlenleders empfehlen
sich häufiger Theeranstrich odef tägliche Imprägnirung mit conserviren-
den flüssigen Stoffen (Harzen, Fetten oder den zum Anstreichen des
Riemenzeuges gebräuchlichen Lacksorten). Der Strumpf soll keine
Ferse und keiue Spitze besitzen, sondern einen Sack darstellen, da nicht
der Fuss dem Strumpfe folgen soll, sondern der elastische Strumpf sich
plastisch der Ferse, dem Fassriste and den Zehen anschmiegen kann.
Die Fusslappen sollten aus alten, durch vieles Waschen weichgewordenen
Militärleintüchern genommen werden. Letztere sollten aus reiner Baum¬
wolle gefertigt werden, ohne Naht mit durchgehenden rothen Fäden, die
die zukünftigen Fusslappen vorzeichnen. Ein solches Leintuch könnte
15 Fusslappen liefern und machte sich zu einem Theile bezahlt durch
Ersparung der Beschaffungskosten für Fusslappen. Die Häufigkeit der
Fussschäden erklärt sich dadurch, dass bei feuchter Wärme und bei al¬
kalischer Einwirkung der ammoniakalischen Hautsecrete auf die durch
die Fettsäuren und ihre Verbindungen macerirten oberen Hautschichten die
niedrigen pflanzlichen Organismen („Schuhgift 0 ) einen sehr gedeihlichen
Boden finden. Der Schuh sammt Inhalt ist ein ausgezeichneter Nähr¬
boden für niedere Pilzculturen. Nie sollten stärkehaltige Klebemittel zur
Festigung der Sohle gebraucht werden (weil sie es sind, die den Leder-
wurm anziehen), sondern Kautschuk- oder Schellacklösungen. Die Sohlen¬
zwischenschichten sollen das antiseptische Depot des Schuhwerks bilden.
Die beim Infanteristen fast wie eine Berufskrankheit auftretenden Fuss-
kraokheiten sind zu beseitigen durch Belehrung und Bestrafung (im Sinne
einer Selbstbeschädigung). Belehrung über Pflege und Conservirung des
Fasses stellt Sch. an Wichtigkeit parallel der Belehrung über die com-
pücirte Mechanik des Gewehres. Zur Wichse sollen pilzhemmende
Mischungen genommen werden. Für die antiseptische Behandlung der
Fussschäden empfiehlt Sch. Quecksilberpflaster (mit grauer und gelber
Salbe). Für die Prophylaxe sind Abends Waschungen 1—3procentiger
Carbollösung vorzunehmen und zwar en gros in einem im Mannschaftszimmer
aufgestellten Badefass. Als „SoldatenBeifen“ sindTheer- und Carbolseifen
einzubürgern. Die Stiefel sind in regelmässigen Pausen mit Carbolsäure
zu desinficiren. „Schweissfuss“ ist nie als eine Krankheit, sondern als
strafbare Nachlässigkeit anzusehen und sollte nie Grund zur Dienstun-
brauehbarkeits-Erklärung sein, da diese sogenannte Krankheit meistens
sehr gesunde Leute betrifft und von Jedem producirt werden kann. Für
die Form des zu construirenden Schubzeuges formulirt Sch. vier Bedin¬
gungen
1) Entsprechende Form und Länge der Schuhsohle,
2) Beweglichkeit des Gelenkes der Ledersohle,
3) Eine entsprechende Schuhspitze als Bewegungs- und Ventilations¬
raum für alle Zehen,
4) Breite und niedrige Absätze.
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402
Die weiteren Ausführungen dieser Punkte und die am Schluss auf¬
gestellten Thesen sind im Original nachzulesen. Langhoff.
Oberstabsarzt Dr. S egg eis „Mittheilungen aus der Augenkr anken-
Station des König). Garnisonlazareths München. 44 (Münchener
medicinische Wochenschrift. 1886. No. 16.)
S. veröffentlicht zwei interessante Falle von partieller Peritomie
der Hornhaut und redet dieser von v. Graefe in die ophthalmo-
logische Praxis eingeführten, neuerdings aber wenig geübten Operations¬
methode das Wort. In beiden Fallen wurde nicht die totale Circumcision
gemacht, sondern nur eine partielle Gefassdurcbschneidung ausgeführt.
1m ersten Falle handelte es sich um ein ausgedehntes parenchymatöses
Hornhautinfiltrat. Das Resultat der Operation war vollständige Auf¬
hellung der Hornhaut mit Wiederherstellung normaler Sehschärfe. Der
zweite Fall, in dem es sich ebenfalls um ausgedehnte Geschwürsbildung
mit reichlicher Gefässbildung handelte, ist dadurch besonders interessant,
dass die gerade in letzter Zeit von vielen Seiten als durchaus leistungs¬
fähig anerkannte Methode der Cauterisation mit dem Galvanocauter in
Stich gelassen hatte, wahrend die partielle Peritomie ein sehr gutes Ope¬
rationsresultat bot Besonders hervorgehoben wird noch die völlige Ün-
gefahrlichkeit des operativen Eingriffes. Der dritte Fall betrifft die mit
besonderem Geschick ausgeführte Extraction eines Eisensplitters aos dem
Auge mittelst des Elektromagneten. Der Fall bietet insofern hervor¬
ragendes Interesse, als der Eisensplitter ausserordentlich klein war (l*/ 4 mm
lang, */« mm breit und nur 0,0002 g schwer) uud nicht mit der vorher
magnetisirten Lanze herausbefordert werden konnte, sondern durch den
ganz besonderen Kunstgriff des Aufsetzens des Magnetpoles auf die Lanze.
Das functioneile Resultat in Bezug auf die Sehschärfe wurde dadurch be¬
einträchtigt, dass durch das lauge Verweilen des Fremdkörpers io der
Linse eine spinnwebenartige Trübung der Linsencapsel bewirkt worden
war. Langhoff.
Augenheilkunde und Ophthalmoskopie von Prof. Dr. Hermann
Schmidt-Rimpier in Marburg. Braunschweig 1886. Wreden.
642 Seiten. M. 14. 2. verbesserte Auflage.
Wenn es keines besonderen Scharfblickes bedurfte, dem Schm.-Röschen
Lehrbuche bei seinem Erscheinen eine glanzende Aufnahme in ärztlichen
Kreisen vorherzusagen, so sind die Erwartungen nach dieser Richtung
noch übertroffen worden. Eine zweite Auflage nach kaum l*/t Jahren
bedeutet für ein Lehrbuch wohl zweifellos einen grossen Erfolg, über
den Verfasser wie Verleger eine vollberechtigte Freude empfinden durften.
In der' vorliegenden, als „verbessert 41 bezeichneten zweiten Auflage ist
u. A. neu hinzugetreten: Abhandlung über die Anwendung des Cocain,
exactere Methode der Lichtsinn-Messungen etc. Mit Gefallen wird man
bemerken, dass auch den militararztlicben Bedürfnissen besonders Rechnung
getragen. So dürfte z. B. eine unter „Simulation von Amaurose“ an¬
geführte Methode der Ueberführung vielleicht Manchem neu und wegen
ihrer leichten sondirenden Anwendbarkeit interessant sein. — Das Ver¬
fahren besteht — bei Simulation doppelseitiger Erblindung — darin, dem
Simulanten den eigenen Finger nach verschiedenen Richtungen hin vor-
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zuhalten und ihn za veranlassen, denselben anzasehen. — Der Blinde
richtet seine Augen darauf oder giebt sich wenigstens Mähe, den Angen
die entsprechende Richtung zu geben, da er durch das Allgemeingefühl
über die Lage der Hand und der Finger unterrichtet ist Die Simulanten
halten die Aufforderung für eine Falle und drehen die Augen absichtlich
nach ganz entgegengesetzten Richtungen. — Es steht diese Thatsache
in Parallele mit der, dass Taube sich umdrehen, wenn hinter ihnen ein
Gegenstand zur Erde fallt, was durch die Erschütterung ihnen zur Per-
ception gelangt, während Simulanten nichts bemerken.
Sehr zahlreiche und vorzügliche Abbildungen und eine Farbendruck-
tafel mit 7 Figuren — Normaler Augenhintergrund mit macul. lutea,
Staphyloma posticum, Retinitis albuminurica, Atrophia nervi optici,
Chorioiditis, Netzhautablösung, Papillitis bei Hirntumor — geben dem
Text nicht nur ein instructives Relief, sondern verleihen auch dem äussern
Gewände, in dem sich das Buch präsentirt, einen gewissen Reiz, den
man gern auf sich wirken lässt. — Wenn alle Lehrbücher sich in so
anziehendem Kleide vorstellten, wie das vorliegend?, so würde sicherlich
mancher Studirende manchen Abend sich auch in der Gesellschaft derselben
wohler fühlen und aus diesem Umgang mehr Nutzen ziehen als aus anderm.
Breitung.
Henneberg’s Desinfector in Bezug auf Princip, Construction,
Betrieb und Kosten etc. (Berlin, H. S. Hermann, Beuthstrasse.)
H. hat einen Desinfectionsapparat construirt, der auf der Anwendung
des heissen stromenden Wasserdampfes basirt, sich durch Einfachheit der
Construction auch in dem Sinne auszeichnet, dass man zur Erzeugung
der Dämpfe eines der Concessiouspfiicbt unterworfenen Dampfkessels
nicht bedarf. Er empfiehlt sich deshalb, sowie bei seinem verhältniss-
mMssig geringen Preise und den mässigen Unterhaltungskosten besonders
für kleinere Anstalten.
In der v. Bergmann 1 sehen Klinik hat sich dieser Apparat, dessen
Constructiou im Original zu studiren ist, sehr gut bewährt.
Langhoff.
Mittheilangeii.
Aus dem Inhalte der Archives de Medecine et de Pharmacie
militaires, 16. März bis 1. Juni 1886.
S. 225. Recherches sur la transmission, l’incubation et la
prophylaxie de la Rougeoie p. Geschwind, M. M. 1 cl. Auf
Grund seiner Erfahrungen bei einer Masernepidemie im 13. Infanterie-
Regiment zu Nevers 1885 kommt Verfasser zu folgenden Schlüssen:
1) Die Uebertragung kann bereits vor Ausbruch des Exanthems statt¬
finden; dies dürfte sogar die Regel sein. 2) Die Incubationsdauer beträgt
bis zu den ersten Symptomen, nicht bis zum Erscheinen des Exanthems,
10 bis 13 Tage. 3) Die Isolirung der Kranken bleibt aus dem zu 1) er¬
wähnten Grunde hinsichtlich der Weiterverbreitung gewöhnlich wirkungslos.
4) Deshalb ist die Entleerung einer inficirten CaSerne von zweifelhaftem
Werth; der Transport kann aber für die bereits Iuficirten gefährliche
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Folgen haben. 5) Die Desinfection der Zimmer, Kleider und Betten mit
schwefliger Säure ist wirkungslos, abgesehen davon, dass sie meistens
unausführbar ist.
S. 273 und 307. Etüde generale sur les luxations du Meta-
tarse p. Claudot, M. P. Monographische Studie über die Luxatiouen
und Subluxationen im Bereich der Lisfranc'schen Gelenkverbindungen.
Au der Hand eigener Beobachtungen und einer sehr genauen Würdigung
der in der Litteratur vorhandenen Casuistik wird die Eintheilung, Aetio-
logie, Entstehung, Symptomatologie, pathologische Anatomie, Prognose
und Behauchung dargestellt, auch die militärdienstliche Seite eingehend
berücksichtigt. Die Arbeit wird als Quelle von Nutzen sein.
S. 343. Observations de trois cas de traumatisme de la
moelle avec integrite du rachis p. Sorel. Drei Fälle von Ver¬
letzungen der Medulla spinalis ohne Beschädigung der Wirbelsäule.
1) Vollständige motorische und sensible Lähmung der unteren Hälfte des
Körpers, plötzlich entstanden bei einer grossen Kraftanstrengung zum
Heben eines Geschützes. Nach sechs Monaten noch sehr unvollständige
Herstellung. 2) Fall auf den Nacken von 1 m Höhe. Paralyse der vier
Extremitäten, vasomotorische Lähmung im Gebiete des Gesichtes. Zurück¬
bleiben eines Zustandes von Hemiparese und Hemianaesthesie mit theil-
weiser Muskelatrophie und Contracturen. 3) Ganz ähnlicher Fall nach
Sturz in einen Bach von ca. 60 cm Tiefe.
S. 357. De la constatation objective de l’Astigmatisme
par les images cornöennes p. Chauvel, M. P. 1 cl., Prof, am Val
de Gräce. Die Französische Ersatzinstruction vom 27. Februar 1877
bestimmt im § 152: Astigmatismus, welcher gewöhnlich die Kurz- und
Uebersichtigkeit begleitet, bedingt Untauglichkeit, wenn er die Sehschärfe
rechts unter y*i links unter Vis herabsetzt. Da die Correction des A.
militärdienstlich nicht vorgesehen ist, so genügt die Feststellung des Zu¬
standes zur Begründung des militärärztlichen Urtheils. Die Untersuchung
erstreckt sich nur auf den Hornhautastigmatismus, der der Linse bleibt,
als irrelevant für das militärpflichtige Alter, ausser Betracht. Verfasser
bedient sich des Keratoskops. Der Apparat besteht aus einer mit weissem
Papier überzogenen Metallscheibe von 14 cm Durchmesser, welche um
eine centrale Oeffuung von 1 cm drei schwarze concentrische Ringe von
3 mm Dicke und 1 cm Randdistanz trägt, ausserdem mit einem wage¬
rechten Durchmesser und einem auf diesem senkrecht stehenden Radius
von gleicher Dicke versehen ist. Hinter dem Sehloch befindet sich eine
Vorrichtung zur Aufnahme eines Convexglases von 4 D behufs Ver-
grösserung des Cornealbildes. Bei der Untersuchung ist für genau senk¬
rechte Haltung des Kopfes des Untersuchten und des Instrumentes, sowie
für volle Beleuchtung des letzteren Sorge zu tragen. Verfasser schliesst
aus den Befunden Folgendes: 1) Das Bild ist die exacte Wiedergabe des
Keratoskops, dann ist entweder kein A. vorhanden, oder einer, der 2 D
nicht überschreitet, also vernachlässigt werden kann. 2) An Stelle der
Kreise erscheinen Ellipsen, und zwar gewöhnlich mit horizontaler
grosser Axe. Es handelt sich um regelmässigen A., dessen Grad
bis auf 1,5 — 2 D aus der Erfahrung vom Verfasser leicht geschätzt
wird. Weitere Untersuchungen desselben Mannes durch mehrere Tage
[also nach versuchsweiser Einstellung; Ref.] lässt dann leicht den Grad
des A. und die Beeinträchtigung von S. erkennen. 3) Das Cornealbild
ist unregelmässig verzerrt, die Kreise erscheinen wellenförmig, auch wohl
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405
unterbrochen, in mannigfaltigem Wechsel. Es ist unregelmässiger A. vor¬
handen, der stets die Tauglichkeit beeinflusst. Die Feststellung, desselben
fuhrt nicht selten noch zur Entdeckung von Opacitäten der Cornea,
welche vorher selbst bei schiefer Durchleuchtung derselben entgangen
sein können.
Verfasser verwendet sein Verfahren bei allen militärdienstlichen
Untersuchungen und empfiehlt dasselbe der Prüfung der Militärärzte.
Seine ausserordentliche, tägliche Uebung und Erfahrung erlaubt ihm aus
dieser Prüfung weitgehende Schlüsse. Den meisten, ihm hierin nicht
gleich geübten Militärärzten sei die Keratoskopie unter dem Vorbehalt
empfohlen, dass sie dieselbe als ein schnell undobjectiv orieutirendes,
nicht als ein bestimmendes Mittel für ihre verantwortlichen Aussprüche
betrachten, sobald es sich um Schlüsse auf gleichzeitig vorhandene Ame¬
tropie oder Sehschwäche handelt.
S. 362. Appareil pour la contention des fractures de l’hu-
merus par coup de feu. Appareil Hennequin modifie p. De-
lorme, M. M. 1 cl., Prof, am Val de Gräce. D. schlägt für die
Behandlung der Oberarm-Schussfracturen den hier abgebildeten Apparat
vor, der die Vortheile der permanenten Extension
mit denen des Conteutivverbandes vereinigen
soll. In acht bis zehnfacher Lage, aus Zeug
geschnitten und mit Gyps getränkt, ist diese
Schiene von Hennequin in der Friedenspraxis
viel erprobt worden. Für den Krieg will D. sie
aus Zink gefertigt wissen. Die in der Zeichnung
gegebenen Maasse sind Grenzwerthe, die jedes¬
mal erforderliche Länge des Mittelstücks soll
am gesunden Arm gemessen werden. Nach
guter Polsterung der Achselhöhle und Ellenbeuge
bezw. nach Anlegung eines antiseptischen Ver¬
bandes wird der Apparat in der Weise ver¬
wandt, dass der obere Ausschnitt in die Achsel¬
höhle kommt. Nun wird der Unterarm bei
guter Extension so durch den unteren Ausschnitt
geführt, dass nach rechtwinkliger Beugung des
Cubitos die Ellenbeuge sich gegen den Rand
dieses Ausschuittes stützt. Dann wird die Schiene
um den Arm zusammengebogen und unter Zn-
hülfenahme der vorhandenen Löcher durch
Schnürung vereinigt; die oberen Enden werden
über der Schulter gekreuzt und durch Binden-
8treifen über dem Thorax fixirt, die unteren in
Achtertouren um den rechtwinklig gehaltenen
Unterarm geführt und mit einer Binde in dieser
Lage gehalten. Der Sinn ist der, dass der
Unterarm als Hebel auf dem Hypomochlion des
unteren Ausschnittes der Schiene die Extension
des gleichzeitig geschienten Oberarms besorgt.
Der Hauptein wand ergiebt sich hieraus von selbst.
Verfasser sucht ihn im Voraus zu entkräften, indem
er sagt, dass häufige Verwendung der Schiene ihm den Beweis geliefert
habe, dass man wegen etwaigen einseitigen Druckes gegen Achsel und
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Ellenbeuge keine Besorgniss zu hegen brauche. Wir geben dies für den
Gypsapparat zu, der in plastischer Beschaffenheit angelegt wird — wagen
aber hinsichtlich der von vornherein starren Zinkschiene einige Zweifel
zu hegen, die auch dadurch genährt werden, dass die Achselhöhle uod
Eflenbeuge bei ungezwungener Haltung des Armes in zwei rechtwinklig
aufeinandersteheuden Ebenen liegen, während beide Ausschnitte der. Zink¬
schiene sich in derselben befinden.
S. 385. De la valeur des resections traumatiques, an point
de vue des rösultats cliniques et fonctionnels. Von demselben
Verfasser. Die Arbeit ist ein Auszug aus einer seitens des Kriegsmini¬
steriums veranlassten und preisgekrönten Abhandlung, deren Wiedergabe
im Ganzen der Raum des Archivs verboten hat. Verfasser geht an der
Hand seiner umfangreichen Studien und unter Berücksichtigung der ein¬
schlägigen Litteratur*) die für traumatische Resectionen in Betracht
kommenden Gelenke Einzeln durch. Unter Beigabe klarer Abbildungen
wird die anatomische Structur der betreffenden Knochen und die Art und
Weise der Splitterung zur Darstellung gebracht, welche gleichsam typisch
nach Schussverletzungen zur Beobachtung kommt. Hiernach werden die
Indicationen für die Resection festgestellt und besonders genau die Grenzen
angegeben, innerhalb deren diese Operation mit Aussicht auf Erfolg noch
gestattet werden kann. Die Arbeit ist von praktischer Bedeutung und
hat unseres Wissens keiuen Vorgang. Wir können sie den deutschen
Feldärzten als Ergänzung zu jedem Handbuch der Chirurgie und Opera¬
tionslehre empfehlen. — . —
Impfung nnd Wiederimpfung in der Oesterreichischen A*rmee.
Durch das Normal-Verordnungsblatt für das k. k. Heer 1886.'
16. Stück ist § 16 des Sanitätsdienst-Reglements folgendermaassen abge¬
ändert worden:
1. Alle im Präsenzdienste stehenden Personen des k. k. Heeres
unterliegen dem Impfzwange.
2. Personen, die bei ihrem Eintritt in das k. k. Heer in eine Rang¬
klasse eingereiht werden oder in Gagebezug gelangen, sind verpflichtet,
falls sie noch nicht geimpft sind, sich zu diesem Zeitpunkte impfen zu
lassen.
3. Sämmtliche Rekruten sind sofort nach ihrem Einrücken zu impfen,
bezw. der Wiederimpfung zu unterziehen.
4. Jene Mannschaft, welche über die gesetzliche Linien-Dienstzeit
präsent bleibt, ist erneuert zu impfen, wenn seit ihrer letzten Impfung
und Wiederimpfung mehr als 5 Jahre verflossen sind. Die Wieder¬
impfung dieser Mannschaft hat gleichzeitig mit der Impfung der Rekruten
zu geschehen.
5. Bei normalem Verlaufe der Impferscheinungen können die Ge¬
impften zu allen Diensten herangezogen werden, die nicht eine stärkere
mechanische Reizung der Impfstellen zur Folge haben. Die Commandanten
haben in dieser Richtung die Beschäftigung der betreffenden Mannschaft
zu regeln, insolange und soweit dies nach dem ärztlichen Anträge er¬
forderlich ist
•) Die deutsche des letzten Krieges nach Gurlt Der in Aussicht stehende
3. Band des officiellen Kriegs-Sanit&tsberichts dürfte das Urtheil über die Resecirten
in mehr wie einer Hinsicht klarer stellen, als dies G. möglich war.
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6. Die geimpfte Mannschaft ist dem impfenden Militärärzte an dem
von ihm bestimmten Tage zur Constatirong des Impferfolges vorzuführen.
Erstgeimpfte, bei denen eip deutlicher Erfolg nicht nachweisbar ist,
müssen erneuert geimpft werden.
7. Auch von den Offizieren, Beamten und sonstigen im Oagebezug
stehenden Personen des k. k. Heeres wird erwartet, dass sie sich zur
Wahrung gegen Blatterninfection nach angemessenen Zeiträumen der
Wiederimpfung unterziehen, da die zeitweilige Wiederholung dieser
Schutzmaassnahme nothwendig ist.
8. Diese Bestimmungen über die Durchführung der Impfung und
Wiederimpfung finden auch für die,Zöglinge der Militär-Erziehungs- und
Bildungsanstalten, dann für die Frequentanten der ( Kadettenschulen volle
Anwendung.
9. Zur Impfung und Wiederimpfung ist, soweit nur thunlich. animaler
Impfstoff zu verwenden. Den Sanitätschefs der Militär-Territorial-
Commanden liegt es ob, die Einleitung zur Erlangung des nothigen
Impfstoffes stets derart zu treffen, dass die Durchführung der erörterten
Schutzmaassnahme zur vorgeschriebenen Zeit in ihrem vollen Umfange
erfolgen kann.
10. Ueber die Impfung und Wiederimpfung haben die Militärärzte
ein Impfjournal zu führen, welches gleichzeitig den Zweck hat, den
vorgesetzen Commanden und Behörden zur Information über die Durch¬
führung der Impfung und Wiederimpfung zu dienen. Die Zahl der
Impfungen und Wiederimpfungen sowie deren Erfolg ist jährlich in den
Sanitätsberichten auszuweisen.
• Wir machen namentlich* auf Satz 4 und 7 dieser erschöpfenden
Vorschrift aufmerksam, beide sind von hervorragender Wichtigkeit für
den beabsichtigten vollen Erfolg der Maassregel. Interessant ist auch
Satz 9, in welchem die Oesterreichische Militärverwaltung als die erste
sich ganz auf die Seite der Verfechter der animalen Impfung stellt.
Durch Erlass des Kaiserlichen Statthalters in Eisass-
Lothringen vom* 26. September 1885 ist eine neue Prüfungs-Ordnung
für die Befähigung zur Anstellung als Kreisarzt in Elsass-Lothringen
erlassen worden. Das Reglement ist fast unverändert dem für das
preussische Physikatsexamen nachgebildet, namentlich ist auch hier die
Doctorwürde obligatorische Vorbedingung. Entbunden von der Prüfung
sind Bewerber, welche bereits in einem deutschen Bundesstaate die Be¬
fähigung zu entsprechenden Aemtern (als Kreisphysicus, Staatsarzt, Ge¬
richts- oder Polizeiarzt etc.) nachgewiesen haben. Ausserdem hat sich
das Ministerium die Befugniss Vorbehalten, solchen einheimischen Aerzten
Dispens zu ertheilen, welche durch ihre praktische Thätigkeit den Beweis
für ihre Befähigung zum Amt eines Kreisarztes geliefert haben. D. V.
f. offen tl, Gesundheitspfi. 18. Bd. 1886. S. 307. — . —
Berliner militärärztliche Gesellschaft.
Sitzung vom 21. April 1886.
Nachdem Stabsarzt Köhler einen rhacbitischen Schädel mit unge¬
wöhnlicher Verdickung, sodann einen geheilten Fall von perforirendem
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408
Schädelschuss demonstrirt hat,*) berichtet der Assistenzarzt 1. Claase
Dr.jRiedel über die „Vermehrung der Bacterien im W^asser“.**)
Noch bis vor Kurzem war es fast ausschliesslich die chemische
Untersuchung, deren Resultate die Entscheidung über die Zulässigkeit
eines Wassers als Trinkwasser abgaben. Man hatte dabei den Grundsatz,
dass gewisse Stoffe, wie Ammoniak und salpetrige Saure, in einem guten
Trinkwasser überhaupt nicht Vorkommen dürften, wahrend man für
andere Bestandteile, wie für Nitrate und Chloride und für die durch
Kaliumpermanganat oxydirbaren Stoffe Grenzwerthe festsetzte. Die Auf¬
stellung dieser Grenzwerthe hatte etwas Willkürliches, war aber nothig
für die Bedürfnisse der Praxis und der Executive. Ammoniak und
salpetrige Saure waren verpönt, nicht weil sie an und für sich eine
Schädlichkeit bedingten, sondern weil sie einen Anhaltspunkt dafür ab¬
gaben, dass die verunreinigenden Stoffe die Stadien des oxydirenden Zer-
setzungsprocesses noch nicht völlig durchlaufen haben. Man hatte das
Wasser früher auch mikroskopisch auf morphotische Bestandteile unter¬
sucht und beim Nachweis des Vorhandenseins von Stäbchen u. dergl.
diese in bestimmten ursächlichen Zusammenhang mit schädlichen Folgen
gebracht, die nach dem Genüsse des fraglichen Wassers zu Tage getreten
waren, eine Schlussfolgerung, welcher eine Berechtigung nicht zuerkannt
werden darf, da der mikroskopische Befund in der Regel nicht gestatten
dürfte, etwaige pathogene Mikroorganismen von harmlosen Formen mit
Sicherheit zu unterscheiden.
Erst seitdem die Kocb’sche Methode des festen Nährbodens auch
für die bacterioskopische Wasseruntersucbung verwertet worden, ist
man in die Lage gekommen, die im Wassser vorhandenen Mikroorganismen
ihrer Zahl und Art nach zu erkennen, und der Aussicht etwas näher ge¬
rückt, einen Zusammenhang zwischen bestimmten Krankheiten und be¬
stimmten, im Wasser in Gestalt von Mikroorganismen enthaltenen Ver¬
unreinigungen nachzuweisen.
Die Methode ist bekannt. Es wird eine bestimmte Menge des zu
untersuchenden Wassers, abhängig von der vermuteten Keimzahl, bei
Trink wässern meist 1 ccm oder V 2 ccm, mit einem Röhrchen verflüssigter
Gelatine vermischt und zu einer Gelatineplatte ausgegossen, auf welcher
dann nach einigen Tagen die zur Entwickelung gekommenen Colonien
gezählt werden. Die Zählung geschieht mit der Lupe und wird mit dem
von Wolffhügel angegebenen Zählapparat ansgeführt, bei welchem die
auf einem dunklen Grunde ruhende Platte mit einer in Quadratcentimeter
eingetheilten Glasplatte überdeckt wird.
Das verschiedene charakteristische Aussehen der einzelnen Colonien
gewährt uns die Möglichkeit, die etwa vorhandenen, bekannten pathogeneu
Mikroorganismen zu erkennen, während bis dahin unbekannte Arten
isolirt studirt und auf ihre Pathogeuität geprüft werden können.
*) Vergl. Heft 6 des laufenden Jahrganges dieser Zeitschrift: »Köhler,
Zur Casuistik der perforirenden Sehädelsehüsse.*
**) Die betreffenden Versuche und Ergebnisse sind inzwischen in den * Arbeiten
aus dem Kaiserlichen Gesuncfheitaamte. Erster Band. Drittes bis Fünftes Heft.
Berlin. 1886.“ ausführlich mitgetlieilt. (Die Vermehrung der Bacterien im Wasser.
Experimentelle Ermittelungen von Regieruugsrath Dr. Wolffhügel und Assistenz¬
arzt 1. CI. Dr. O. Riedel.)
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/
- 409 -
( Es sind nun im Laufe der letzten l 1 /* Jahre von Regierungsrath
Wolffhügel und mir auf der hygienischen Abtheilung eine Reihe von
Wasseruntersuchungen ausgeführt worden, welche einerseits den Zweck
[. hatten, an der Hand der beschriebenen Methode die Vermehrungsbe-
I dingungen der im Wasser meist vorhandenen indifferenten Mikroorganismen
festzustellen; andererseits zu prüfen, ob das Wasser geeignet sei, den
1 pathogenen Mikroorganismen menschlicher Infectionskrankheiten als Nähr¬
boden zu dienen. Die Ergebnisse dieser Versuche sind inzwischen in
den „Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte* Bd. I, Heft 3—5,
S. 455—480, veröffentlicht worden.
Als Resultat der bezüglich der ersten Frage angestellten Unter¬
suchungen ergab sich, dass in einer zur Prüfung entnommenen Wasser¬
probe von der Entnahme ab eine Aenderung der Keimzahl der im Wasser
enthaltenen, sowie der in keimfreies Wasser eingesäten Mikroorganismen
eintritt, welche bei günstiger, erhöhter Temperatur in einer rapiden Ver¬
mehrung besteht. Durch Kälteeinwirkung dagegen wird eine deutliche
Abnahme der Mikroorganismen erzielt, eine Verminderung, die sich aber
nicht auf alle Formen erstreckt. Der Einfluss der Erschütterung auf
Zu- oder Abnahme der Mikroorganismen im Wasser ist noch nicht end¬
gültig entschieden.
Aus dem Gesagten erhellt, dass, wenn man aus der bacterioskapischen
Untersuchung eine genaue Zahlenangabe der im Wasser vorhandenen
Keime gewinnen will, diese Untersuchung unmittelbar nach der Ent¬
nahme der Proben, nicht Tage oder viele Stunden darauf und nicht
nach einem weiteren Transport ausgeführt werden darf.
Eine weitere Frage, deren Entscheidung Berufeneren überlassen
bleibt, ist die, inwieweit überhaupt die Keimzahl an sich zur Verwerfung
eines Wassers als Trinkwasser von Bedeutung ist. Der Satz, dass, je
zahlreicher die im Wasser vorhandenen Keime sind, mit um so grösserer
Wahrscheinlichkeit sich darunter auch pathogene befinden, ist nicht als
richtig anzuerkennen. Richtiger würde es sein, anzunehmen, dass, je
mehr verschiedene Arten von Mikroorganismen sich vorfinden, um so
wahrscheinlicher unter diesen auch pathogene seien. — Die absolute
Keimzahl ist z. B. bei Pumpbrunnen von Zufälligkeiten, Gebrauch u. s. w.,
abhängig, indem bei länger fortgesetztem Pumpen durch Nachdringen
keimfreien Grundwassers der Keimgehalt in auffallendster Weise herab¬
gesetzt werden kann, während bei längerer Ruhe und namentlich günstiger
Temperatur die Vermehrung der Mikroorganismen eine enorme werden
kann.
Aus den dem Verhalten der pathogenen Mikroorganismen im Wasser
gewidmeten Versuchen mag Folgendes hervorgehoben werden:
1) Milzbrandbacillen können in sterilisirtem Pankewasser, auch
wenn dasselbe stark mit destillirtem Wasser verdünnt wird, bei Tempe¬
raturen von 15° und darüber sich vorzüglich weiter entwickeln und stark
vermehren, während sie bei niedrigerer Temperatur (7— 10° C.) in einigen
Tagen zu Grunde gehen.
2) Typhusbacillen können sich in sterilisirtem Flusswasser bei
ib° C. und darüber vermehren, während sie bei 8° C. noch längere Zeit
lebensfähig bleiben.
In unreinem Brunnenwasser und selbst in Berliner Wasserleitungs¬
wasser, welche gleichfalls durch Hitze sterilisirt waren, wurden die ein¬
geimpften Typhusbacillen bis zum 32. Tage lebensfähig nachgewiesen.
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Es geht daraus hervor, dass ein Wasser, welches nach Maassgabe
seiner chemischen Beschaffenheit als Trink- und Nutzwasser nicht zu
beanstanden ist, immerhin seiner Zusammensetzung nach noch die ge¬
eigneten Bedingungen zu einer vorübergehenden Vermehrung, sicherlich
aber zu einer wochenlangen Erhaltung der Entwickelungsfahigkeit der
Typhuskeime darbieten kann.
Die Typhusbacillen zeigen aber auch eine bemerkenswerthe Wider¬
standsfähigkeit gegen niedere Temperaturen. Sie bleiben in gefrorenem
Zustande lebensfähig, so dass die Möglichkeit einer Typhusinfection
durch Eis nicht ausgeschlossen erscheint.
Die namentlich von englischen Autoren als Vehikel des Typhusgiftes
aDgeschuldigte Milch erwies sich in sterilisirtem Zustande in der That
als ein für das Wachsthum von Typhusbacillen ausserordentlich günstiges
Nährmedium.
3) Cholerabacillen, in sterilisirte Wasserproben eingesät, zeigten
bei 16—20° C. ein typisches Verhalten, indem regelmässig in den ersten
Tagen eine starke Abnahme der Keime stattfand, welche Verminderung
in dem nährstoffarmen Wasserleitungswasser am weitesten ging, weniger
stark im unreinen Pankewasser sich geltend machte, während darauf in
8ämmtlicben Proben (Fluss-, Brunnen- und Leitungswasser) eine pro¬
gressive Zunahme der Cholerabacillen erfolgte, welche ungefähr am
7. Tage das Maximum erreichte. Darauf trat wieder eine allmälige Ab¬
nahme ein, doch so dass die Bacillen noch nach 82 Tagen als Vielfaches
der Einsaat zahlenmässig nachgewiesen wurden. Uebrigens zeigten die
geimpften Wässer zum Theil noch nach 4 Monaten einen reichlichen
Gehalt an entwickelungsfähigen Cholerakeimen, entweder als Reincultur
oder neben Verunreinigungen durch andere Mikroorganismen.
Im destillirten Wasser gingen die Cholerabacillen der Regel nach
schnell zu Grunde.
Im nicht sterilisirten Wasser wurden die aus Bouillon- oder Gelatine-
culturen eingesäten Cholerabacillen bald völlig oder fast völlig von den
im Wasser heimischen Mikroorganismen verdrängt, doch zeigten aus
Wasserculturen eingesäte Cholerabacillen eine grössere Widerstandsfähig¬
keit. Diese bereits an das Wasser adaptirten Cholerakeime unterschieden
sich von den direct aus Bouillon oder Gelatine entnommenen dadurch,
dass sie, in sterilisirtes Wasser eingesät, schon vom ersten Tage ab eine
Vermehrung zeigten.
Eine Uebertragung der bei der Einsaat von Cholerabacillen in nicht
sterilisirte Wässer gewonnenen Resultate auf die natürlichen Verhältnisse
erscheint nicht ohne Weiteres zulässig, da es sich bei diesen nicht um
eine gleichmässige Vermischung der nebeneinander vorkommenden Mikro¬
organismen handelt, wie sie bei den Versuchen im Glaskolben durch
Umschütteln zu Ungunsten der weniger widerstandsfähigen und concurrenz-
fähigen Arten hergestellt wird. Vielmehr ist anzunehmen, wie Koch
gelegentlich der zweiten Choleraconferenz andeutete, dass in stagnirenden
Wässern nebeneinander verschiedene Bacterienarten ansiedelungsweise
als Reincultur Vorkommen können.
An den Vortrag schliesst sich eine kurze Discussion, an welcher
sich insbesondere die Herren Wegner, Schubert, Loeffler und Riedel
betheiligen.
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V Sitzung vom 21. Mai 1886.
[ Nachdem der Geheime Medicinalrath Professor Dr. Leydeo auf
[ seinen Antrag als Mitglied in die Gesellschaft aufgenommen ist, berichtet
Stabsarzt Lenhartz ober seine Reise-Erlebnisse in England. Derselbe
giebt eia Bild des höheren Unterrichtswesens in England überhaupt, mit
besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse des medicinischen Studiums;
berichtet über den Besuch einer höheren Lehranstalt in Schottland und
nimmt Gelegenheit, einige Bemerkungen über die Pflege der nationalen
Spiele und die Freiwilligenbataillone in England anzuscbliessen. Bei
Besprechung des Studienganges der englischen Mediciner legt Vortragender
die Zustande zu Grunde, welche er in Edinburg und London bei mehr-
mooatlicher Beobachtung kennen gelernt hat.
An den Vortrag schliesst sich eine Discussion über die Kranken¬
häuser Londons in baulicher Beziehung, Ventilation der Krankensäle und
über die praktische Ausbildung der Studirenden in der inneren Medicin.
Au der Discussion betheiligeu sich insbesondere die Generalärzte v. Coler,
Schubert, Mehlhausen, Geheimer Rath Leyden und Stabsarzt Len¬
hartz.
Sitzung vom 21. Juni 1886.
Vortrag des Stabsarztes Herrlich: Ueber die operative Be¬
handlung subphrenisch gelegener Krankheitsherde durch In-
cision des Zwerchfells.
Der Vortragende stellt eine 35jährige Frau vor, bei welcher im Juni
v. J. ein in der rechten Thoraxseite unterhalb des Zwerchfells gelegener
jauchiger Abscess eröffnet und zur Heilung gebracht wurde. Dies ge¬
schah durch eine Operation, welche nach dem Typus der Thoracotomie
mit Resection der siebenten Rippe angelegt, sich von einer gewöhnlichen
Empyem-Operation nur dadurch unterschied, dass noch die Incision des
Zwerchfells von der oberen Seite aus hinzugefügt werden musste, um
die Entleerung des Jaucheherdes nach aussen zu bewirken. Die Incisions-
stelle der stark nach oben in den Thoraxraum emporgedrängten Zwerch¬
fellshälfte musste in die äussere Wunde hineingezogen und mit ihr ver¬
näht werden, um den Abfluss zu sichern. Wie sich bei der Operation
herausstellte, handelte es sich um einen verjauchten, von der Convexität
der Leber ausgehenden Echinococcus. — Im Anschluss an diesen Fall
bespricht der Vortragende Diagnose und operative Behandlung derartig
subphrenisch gelegener, in auffälliger Weise ihre Wachsthumsrichtung
nach oben in den Thoraxraum nehmender Eiteransammlungen. Die nicht
lufthaltigen, subphrenischen, auf der rechten Seite zwischen Convexität
der Leber und Zwerchfellskuppel ein^eschlossenen Abscesse, welche in
ätiologischer Hinsicht und ihrem numerischen Vorkommen nach am meisten
von vereiterten Echinococcen der Leberconvexität abhängig sind, kommen
in diagnostischer Beziehung vorwiegend in die Lage, mit pleuritischen
Exsudaten verwechselt zn werden. Auch in dem vorgestellten Falle be¬
stand vor der Operation der Symptomencomplex eines grosseren pleuri¬
tischen Exsudates. Handelt es sich um lufthaltige, abgekapselt unter
einer Zwerchfellshälfte gelegene und zugleich nach oben in den respira¬
torischen Abschnitt des Brustkorbes hinaufragende Abscessräume, wie
dieselben in Gefolgschaft von Perforations-Peritonitis, nach Gasaustritt
unter die Kuppel des Zwerchfells, zur Entwickelung kommen, so con-
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statirt die Untersuchung am Thorax das Vorhandensein eines Gas und
Flüssigkeit zugleich enthaltenden Hohl raumes an fast allen für wirklichen
Pyopneumothorax charakteristischen Zeichen. Es besteht nur der ana¬
tomische Unterschied, dass die im Thorax gelegene gashaltige Jauche¬
hohle von dem emporgedrängten Zwerchfell überdacht wird, nicht ober¬
halb, sondern unterhalb desselben gelegen ist. Der führende Gesichts¬
punkt für die richtige differentielle Diagnose derartiger Krankheitsbefunde
wird vorwiegend gegeben durch die anamnestisch festzustellenden Vor¬
gänge der Krankheit und die den Krankheitsprocess einleitenden und be¬
gleitenden Symptome, welche auf eine schwere Erkrankung der
abdominellen Organe hinweisen und sich u. A. durch Kolikanfalle,
Icterus, vor Allem aber durch Zeichen voraufgegangener Perforations-
Peritonitis bemerkbar machen. Das übrige differentiell diagnostische
Detail ist sehr reichhaltig und werthvoll, jedoch giebt es keine auf alle
Fälle anwendbaren und absolut sicheren pathognomonischen Zeichen.
Die operative Technik hat davon auszugehen, dass die in Frage
stehenden subphrenischen Krankheitsherde wegen ihres Emporragens in
einen hoher gelegenen Thoraxabschnitt, gauz besonders auf der rechten
Seite bei ihrer Lage zwischen Leberconvexität und Zwerchfellkoppe, von
der Abdominalhohle aus den operativen Eingriffen nicht zu¬
gänglich sind. Dementsprechend kommt nur die Eröffnung von der
Thoraxseite und der oberen Fläche des Zwerchfells nach voraufgegangener
Kippenresection in Frage. Da es sich fast immer um die Eröffnung
jauchiger, das Leben direct bedrohender Abscesshöhlen handelt, ist die
Dringlichkeit und Berechtigung auch eingreifender Operationsverfabren
ausser Frage. Als Ort der Operation empfiehlt sich die Seitenwand des
Thorax in der mittleren und hinteren Axillarlinie mit Incision auf die 7.
bis 9. Rippe. In der Seitenwand hat man die meiste Aussicht, da hier
die seröse Spalte im sogen. Complementärraum am tiefsten herabsteigt,
die Pleurablätter miteinander verwachsen zu finden und bis zum Zwerch¬
fell Vordringen zu können, ohne einen erheblichen Pneumothorax herbei¬
zuführen.
Ein weiterer und günstiger Fall ist der, dass man hinter der Thorax¬
wand zunächst ein abgekapseltes pleuritisches Exsudat vorfindet und von
hier aus auf gesicherter Bann zum Zwerchfell und zu dem subphrenischen
Jaucheherd gelangt. — Der Vortragende erörtert noch die bei freier,
nicht obliterirler Pleurahöhle gegenüber subphrenischen Krankheitsherden
in Frage kommenden Operationsmethoden, welche darauf gerichtet sind,
die Eröffnung der Pleurahöhler möglichst aseptisch unter beschränktem
Lufteintritt vorzunehmen und des Weiteren in zwei Zeiten zu operiren,
d. h. die Incision des Zwerchfells erst vorzunehmen, nachdem im Ope¬
rationsgebiet Verwachsung der Pleurablätter erzielt ist. Derartige glück¬
liche Operationsfälle liegen bereits von Volk mann, Israel u. A. vor.
Endlich wird darauf hingewiesen, dass die Operationsmetboden nach den
vorgetrageuen verschiedenen Typen fruchtbar zu machen sind für die
chirurgische Behandlung der Leberabscesse. welche zu einem Drittel der
Fälle ihren Sitz an der Convexität des Organs haben, eine ausgesprochene
Neigung zeigen, in die Lungen durchzubrecben, sich also für die in
Frage stehenden Zwerchfell - Operationen in jeder Beziehung günstig
formiren.
Stabsarzt Dr. Falkenstein knüpft daran Mittheilungen über eiuen
kürzlich im Garnisonlazareth I. zu Berlin beobachteten, ungünstig ver-
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laufenen Fall von subphrenischem Abscess. Oberstabsarzt Hahn betont
die Wichtigkeit der physikalischen Zeichen für die Diagnose eines
derartigen Abscesses. In Verfolg einer Bemerkung des Stabsarztes
Hommerich über einen in Mainz vorgekommenen Fall, in welchem bei
der unmittelbar nach der Operation vorgenommenen Ausspülung der
Hohle so lange Flüssigkeit hineinlief, bis der Tod erfolgte, hebt Stabs¬
arzt Herrlich hervor, dass die Ausspülung allerdings sehr vorsichtig
stattflnden müsse, da anderen Falls viel Unheil angerichtet werden könne.
Vor Allem müsse bei der ganzen Operation durchaus aseptisch vorge¬
gangen werden. _
General-Rapport
von den Kranken der Königlich Preussischen Armee, des XII. (Königlich
Sächsischen) und des XIII. (Königlich Württembergischen) Armee-Corps,
sowie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich Bayerischen
Besatzungs-Brigade pro Monat April 1886.
1) Bestand am 31. März 1886: 13 838 Mann und 53 Invaliden
2) Zugang:
im Lazareth 9632 Mann und 1 Invalide,
im Revier 15755 - - 18 _
Summa 25 387 Mann und 19 Invaliden.
Mithin 8umma des Bestandes und Zuganges 39 225 Mann und 72 Invaliden,
in Procenten der Effectivstarke 10,1% und 25,4%.
3) Abgang:
geheut.
27123
Mann,
15
Invaliden,
gestorben ....
111
-
—
-
invalide.
148
-
—
-
dienstunbrauchbar .
302
-
—
-
anderweitig . . .
314
-
—
-
Summa • •
27 998
Mann,
15
Invaliden.
4) Hiernach sind:
geheilt 69,1% der Kranken der Armee und 20,8% der erkrankten In¬
validen,
gestorben 0,28% der Kranken der Armee und — % der erkrankten In¬
validen.
5) Mithin Bestand:
am 30. April 1886 11 227 Mann und 57 Invaliden,
in Procenten der Effectivstarke 2,9% und 20,0%*
Von diesem Krankenstände befanden sich:
im Lazareth 7 613 Mann und 8 Invaliden,
im Revier 3 614 - - 49
Es sind also von 353 Kranken 244,0 geheilt, 1,0 gestorben, 1,3 als
invalide, 2,7 als dienstunbrauchbar, 2,8 anderweitig abgegangen, 101,2 im
Bestand geblieben.
Von den Gestorbenen der activen Truppen haben gelitten an: Schar¬
lach 5, Rose 2, Diphtheritis 2, Unterleibstyphus 10, epidemischer Genick¬
starre 2, acutem Gelenkrheumatismus 1, Blutarmuth 1, Hirn- und Hirn¬
hautleiden 15, Kehlkopfcatarrh 1, Lungenentzündung 22, Lungenschwind¬
sucht 17, Brustfellentzündung 7, Herzleiden 4, Blinddarmentzündung 3,
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414 —
Leberleiden 1, Bauchfellentzündung 4, Nierenleiden 7, Ohrenleiden 1,
Zellgewebsentzündung 3, chronischer Hüftgelenkentzündung 1; an den
Folgen einer Verunglückung: Hufschlag 1; an den Folgen eines Selbst¬
mordversuches: Erschlössen 1.
Mit Hinzurechnung der nicht in militarärztlicher Behandlung Ver¬
storbenen sind in der Armee im Ganzen noch 24 Todesfälle vorgekommen,
davon 8 durch Krankheiten, 5 durch Verunglückung, 11 durch Selbst¬
mord; von den Invaliden: durch Krankheit 2; so dass die Armee im
Ganzen 135 Mann und 2 Invaliden durch den Tod verloren hat.
Nachträglich:
pro Februar er.:
1 Selbstmord durch Ertranken.
Gedroekt in der KOnlflieben Hofbachdruckerei von B. 8. Mittler and Sohn, Berlin SW., Kochstnuee 88.70.
Digitized by LjOOQle
Deutsche
Militärärztliche Zeitschrift.
Redaction:
Dr. 3L <£etttQoR», Generalarzt,
Berlin, Taubenstrasse 6,
n. Dr. <£titQar$, Stabsarzt,
Berlin, Kaiser Franz Grenadier-Platz 11/12.
Verlag:
$. $. JBttffrr & $o$tt,
Königliche Hofbuchhandlung,
Berlin, Kochstrasse 68—70.
Monatlich erscheint ein Heft von mindestens 3 Druckbogen; dazu ein „Amtliches Beiblatt“. Der
Zeitschrift wird das Werk: „Jahresbericht über die Fortschritte auf dem Gebiete des Milit&r-
Sanitats-Wesens“, herausgegeben vom Generalarzt Dr. Roth, unentgeltlich beigegeben. Bestellung
nehmen alle Postämter und Buchhandlungen an. Preis des Jahrgangs 16 Mark.
XV. Jahrgang. 1886. Heft 9.
An die Leser!
Deo Herren Lesern der Zeitschrift wird hierdurch bekannt gemacht,
dass an Stelle des verewigten Stabsarztes Dr. Bruberger Herr Dr. Len-
hartz, Stabsarzt beim Reserve-Landwehr-Regiment (1. Berlin) No. 35,
in die Redaction eingetreten ist. Freundliche Beiträge wurden an die
Adresse desselben, Berlin SO., Kaiser Franz Grenadier-Platz 11/12 (Bureau
des Reserve-Landwehr-Regiments No. 35), oder an die Verlagsbuchhand¬
lang einzusenden sein. Erwünscht sind nach wie vor besonders kürzere
Originalartikel, Besprechungen und Mittheilungen aus den einschlägigen
Gebieten. Ebenso wird jeder der Herren Cameraden, die das Blatt bis
jetzt so freundlich gestützt haben, gebeten, in seinem Kreise für ver¬
mehrte Betheiligung zu wirken, da sieb nur hierdurch diejenige Erweite¬
rung and Vertiefung des Journals sichern lässt, welche den oft geäusserten
Wünschen des Sanitäts-Corps entsprechen würde.
Redaction und Verlag
der
Deutschen Militärärztlichen Zeitschrift.
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Weitere Beiträge zur Kenntniss der Wärmeökonomie
des Infanteristen auf dem Marsche und znr Behandlung
des Hitzschlages.
Von
Dr. A. Hiller,
Stabs- and Bataillonsarzt im 2. Schlesischen Grenadier-Regiment No. II and Privatdocent an der
Universit&t Breslau.
(Schluss.)
II. Ueber die Abkühlung des hi tzsch lagk ranken Soldaten
durch Wasserverdunstung auf der Haut in bewegter Luft
Die Versuche, welche ich angestellt hatte, um den bei allen Beob¬
achtungen der ersten Arbeit so auffällig hervorgetretenen Einfluss des
Winde8 auf die Abkühlung des Körpers und der Kleidungsstücke des
Infanteristen auf dem Marsche genauer festzustellen (vergl. Seite 361
Deutsche miliiärärztl. Zeitschr. 1885, Reihe E., Abkühlungsversuche),
hatten mich die ganz bedeutende wärmeentziehende Wirkung kennen ge¬
lehrt, welche die Wasserverdnnstung auf der Oberfläche eines 36° bis
44° C. warmen Körpers in bewegter Luft von 1—4 m Geschwindigkeit bei
Zimmertemperatur (17—19° C.) erzeugt. Diese Erfahrungen hatten un¬
willkürlich dahin geführt, ein Verfahren znr Abkühlung des hitzschlag-
kranken Soldaten zu ersinnen, welches im Wesentlichen darin besteht,
den nackten oder bis auf Hose und Stiefel vollständig entkleideten Körper
mit Wasser aus der Feldflasche möglichst gleichmassig zu besprengen,
wahrend ein zweiter Gehülfe, über den Hüften des Kranken stehend, mit
dem zwischen den Händen ausgebreiteten und im Tempo des Parade¬
marsches kräftig auf und nieder geschwungenen Waffenrock des Mannes
Wind von 4—5 m Geschwindigkeit macht (vergl. a. a. O. S. 369).
Dies Verfahren hat, abgesehen von seiner bedeutenden Wirksamkeit,
auch den militärisch wichtigen Vorzug der Einfachheit für sich. Es be¬
ansprucht keinerlei Vorbereitungen oder mitgenommene Apparate; es ist
überall auf dem Marsche, selbst mitten im heissen Sommer und auf
offener Landstrasse, auch von den ungeübten Händen der Soldaten leicht
ausführbar. Der mit der energischen Abkühlung verbundene kräftige
Hautreiz macht ausserdem die sonst übliche Anwendung voti Ammoniak,
Hoffmannstropfen, künstlicher Athmung und anderen beim Hitzschlag
mehr oder weniger problematischen Mitteln überflüssig.
Um den Grad der Wirksamkeit dieser Abküblungsmethode ge¬
nauer festzustellen, schlug ich bereits am Schlüsse der früheren Arbeit
den Weg der Vergleichung derselben mit der Abkühlung im
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lauen Wasser bade ein (a. a. O. S. 377). Von vornherein musste an¬
genommen werden, dass die wärmeentziehende Wirkung des Bades be¬
trächtlicher sein werde, als diejenige der Wasserverdnnstung in bewegter
Loft, da Wasser die Wärme nngleich viel besser leitet als Loft und zu¬
gleich eine viel grössere Wärmecapacität (1,0:0,2377) bat. Das Ergeb¬
nis aber war, dass die Abkühlung des Wärmegefässes in einem Wasser¬
bade mit dem 57ifachen Volumen Wasser, bei gleicher Temperatur, nur
am ein Dritttheil schneller erfolgt, als durch Wasserverdunstung
and Wind von 4 m Geschwindigkeit. Die 1,43 1 warmen Wassers haltende
Glasflasche mit 808 qcm Glasoberfläche kühlte von 44° bis 30° C. —
also um 14° C.I — ab. im Bade von 17° C. während 8 */* Minuten, be¬
sprengt in Luft von 17° und 4 m Geschwindigkeit während 1374 Minuten.
Diese Versuche Hessen indessen in mehrfacher Beziehung eine Ver¬
vollständigung wünscbenswerth erscheinen. Namentlich war die in Ver¬
gleich gezogene Abkuhlungs-Temperaturbreite eine viel zu grosse, wie sie
in Wirklichkeit beim bitzschlagkranken Soldaten nicht in Betracht kommt.
Hier handelt es sich in der Regel nur um die Breite von 4-42° bis 38° C.,
also um 4 Grade, bei welchen die Zeitdifferenz zwischen beiden Verfahren
natürlich erheblich geringer ausfallen muss. Eine Vergleichung inner¬
halb dieser Grenzen war aber bei den früheren Versuchen nicht aus¬
führbar, da bei der Abkühlung im Bade wegen gewisser Unvollkommen¬
heiten in der Versuchsanordnung nur die beiden Endtemperaturen (44°
und 30°) genau bestimmt werden konnten. Ausserdem waren die Ver¬
suche noch zu wenig zahlreich, um den Einfluss der Badetemperatur
auf die Abkühlungsgeschwindigkeit genügend beurtheilen zu können.
Ich habe daher diese Abkühlungsversuche im Wasserbade mit noch
grösserer Genauigkeit fortgesetzt. Wiederum wurde dabei die Wirkung
des Wassers im ruhigen und im bewegten Zustande miteinander verglichen.
Eine 1,35 1 warmen Wassers haltende Glasflascbe, welche durch einen mit
einem Thermometer armirten Kautschukstopfen luftdicht verschlossen war, wurde
in einem mit 8 1 kühleren Wassers gefüllten Blecheimer bis an den Hals unter¬
getaucht und durch eine geeignete Befestigung in dieser Stellung schwebend er¬
halten. Das Thermometer hatte diesmal eine solche Länge, dass die Quecksilber¬
kugel ziemlich genau in der Mitte der Flasche stand und der obere für die Beob¬
achtung allein in Betracht kommende Theil der Skala (von 35° an aufwärts)
oberhalb des Stopfens sichtbar war. — Um den Einfluss des bewegten Wassers
zu ermitteln, wurde nicht das Wasser mit bestimmter Geschwindigkeit bewegt,
— es war das bei der geringen Menge Wassers im Eimer nicht gut ausführbar —
sondern es wurde die Flasche im Wasser kreisförmig mit einer Geschwindigkeit
von 0,5 Metern in der Sekunde herumgeführt, was natürlich für die Abkühlung
den gleichen Effect haben musste.
Ich lasse die Resultate dieser Versuche wieder tabellarisch geordnet folgen:
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Abkühlung im Wasserbade,
a. Wasser ruhig. (Temp. in ° C.)
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Verfolgt man den Gang der Abkühlung in den einzelnen Versuchen, so fallt
sofort die Unregelmässigkeit der Temperaturabnahme von 15 zu 15 Secunden in die
Augen. Dieselbe ist am auffälligsten am Anfänge der Beobachtung; gegen Ende
wird die Abkuhlungsgeschwindigkeit in der Regel viel gleichmässiger. Es erklärt
sich dies aus den mannigfachen Bewegungen des Wassers, welche trotz scheinbarer
äusserer Ruhe in diesem überaus labilen, dabei starr umfriedigten Medium theils
durch Fortpflanzung von Erschütterungen des Tisches, theils durch Ausgleichsbe¬
wegungen der verschieden erwärmten Flüssigkeitsschichten, theils endlich, zumal im
Anfang der Beobachtung, als Nachwirkung der durch das Eintauchen der Flasche
hervorgerufenen Bewegungen, Vorkommen. Obwohl die Beobachtung schon bei
50° C. begann, war doch wohl bei der Abkühlung bis auf 44° noch keine voll¬
kommene Ruhe eingetreten.
Diese Wahrnehmung deutet also bereits den sehr bemerkenswerthen Einfluss
des Bewegungsgrades des Wassers auf die Abkühlungsgeschwindigkeit eines
wannen Körpers an. Noch evidenter geht dieser Einfluss aus den folgenden
Versuchen hervor:
b. Wasser bewegt (o = 0,5 m).
(Tabelle umseitig.)
ln dieser Beobachtungsreihe ist die Unregelmässigkeit der Abkühlung von 15
zu 15 Sec. noch viel auffälliger. Offenbar sind dieselben nur durch Ungleich-
mässigkeit der Massenbewegung des Wassers, zum Theil auch wohl durch Bewe¬
gungen des Wassers innerhalb der Flasche (da dieselbe rotirend bewegt wurde)
zu erklären.
Stellt man die Resultate beider Reihen einander gegenüber, so ist
der Unterschied in der Abkühlungsgeschwindigkeit in der That ganz auf¬
fallend. Es kühlte die 1,351 warmen Wassers haltende Glasflasche ab
von 44° bis 36° C. im Bade von 81 (6 x 1,35) Wasser
bei unbewegt bewegt
17° C.
Badetemperatur in 5 Min.
—
Sec.
—
Min. —
Sec.
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-
3
- 40
20° C.
- 6 -
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-
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- 7 -
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-
4
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24° C.
- 7 -
51
-
4
- 50
26° C.
- 8 -
25
-
5
- 30
27° C.
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6
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28° C.
- 9 -
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-
6
- 15
30° C.
- 11 -
5
-
—
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Es übertrifft demnach die Wärmeentziehung des bewegten
Wassers von ca. 0,5m Geschwindigkeit diejenige des ruhenden
Wassers bei gleicher Temperatur um beinahe ein Dritttheil
der Zeit (genauer um 4 /n)• Es ist Grund zu der Annahme vorhanden,
dass, analog den Versuchsergebnissen mit bewegter Luft, bei noch
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Dauer Dauer
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Bad von
421
f stärkerer Bewegung des Wassers die Wärmeentziehung eine noch viel
lebhaftere sein wird. Leider Hessen sich höhere Grade von Bewegung
in dem beschränkten Raume eines Wassereimers nicht ausführen.
In diesen höchst einfachen Versuchen ist zugleich der Schlüssel enthalten
zur Erklärung des altbekannten Unterschiedes in der Wirkung zwischen einem
Wannenbade und einem Flussbade, zwischen dem Bade im ruhigen Binnen¬
see und dem Bade im offenen Meere, ja selbst zwischen einem Ostsee- und
einem Nordseebade; sie erklären ferner die bekannte energische, haut¬
reizende Wirkung des Wellenbades, des Sturzbades und der kalten Douche.
Nächst der Temperatur ist lediglich der verschiedene Bewegungs¬
grad des Wassers in den angeführten Arten von Bädern für ihre ver¬
schiedene, d. h. verschieden intensive Wirkung auf die Haut entscheidend.
Die diätetische Wirkung dieser Bäder beruht höchst wahrschein¬
lich nicht so sehr auf der Wärmeentziehung an und für sich — denn
diese ist in einem kurzdauernden Bade von mittlerer Temperatur (18° R.)
bei Gesunden überhaupt nicht sehr bedeutend —, sondern weit mehr auf
dem Reize, welchen die Wärmeentziehung je nach ihrer Ausgiebigkeit
auf die sensiblen Nerven der Haut und damit auf das gesammte Central¬
nervensystem einerseits, sowie auf die contractilen glatten Muskelfasern
der Haut, die Mm. arrectores pilorum und die Muskulatur der kleineren
Gefässe, andererseits ausübt. Die erstere Art der Wirkung zeigt sich in
dem Gefühle der Erfrischung während eines Bades und nach demselben,
welches je nach Individualität und je nach der Intensität des Reizes sich
steigert bis zur starken Erregung des Nervensystems. Viele Personen
werden bekanntlich nach einem Seebade aufgeregt, schlaflos. Benommene
Typbuskranke kommen im kühlen Wannenbade wieder zum Bewusstsein.
Die andere diätetisch wichtigere Einwirkung auf die contractilen
Elemente der Haut erkennt man unmittelbar an der im Bade eintretenden
Blässe und GänsebautbilduDg, in der Regel verbunden mit subjectivem
Frostgefühl, sowie mittelbar, nach Verlauf von Wochen (bei täglichem
Baden), an der nunmehr durch fortgesetzte Uebung erlangten Fähigkeit
der Hautgefässe, bei plötzlich eintretenden intensiveren Abkühlungs¬
vorgängen auf der Haut sich schneller und ausgiebiger als früher zu¬
sammenzuziehen, dadurch die Wärmeentziehung von der Haut zu be¬
schränken und den Körper gegen „Erkältung* zu schützen. Bekanntlich
wird diese Fähigkeit gemeinhin „Abhärtung* genannt. Eine bei vor¬
handener Neigung zu Erkältungen zum Zwecke der Stärkung der Wider¬
standsfähigkeit bezw. der Abhärtung unternommene vierwöchige Badecur
in einem Nordseebade oder einer Kaltwasserheilanstalt ist somit, physio¬
logisch betrachtet, nichts Anderes, als eine auf ärztliche Anordnung unter¬
nommene vierwöchige Uebung der contractilen Elemente der Haut in der
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Fähigkeit, sich zusammenzuziehen.*) Beim Nordseebade, zumal auf
einer kleinen Insel (Norderney, Helgoland > Sylt), kommt hierzu noch
die bemerkenswerte diätetische Wirkung der Seeluft, welche durch die
grosse Gleichmässigkeit und Stetigkeit ihrer Bewegung, sowie durch
ihren grösseren Feuchtigkeitsgehalt, im Vergleich mit der Landluft, die
Wärmeabgabe der Haut und damit die Wärmeproduction, sowie den
Stoffumsatz im Körper (Appetit) in gleichmässiger und meist angenehm
empfundener Weise steigert.
Die oben mitgetheilten Abkühlungsversuche im Wasserbade zeigen,
verglichen mit der Abkühlung in bewegter Luft bei schwitzender Ober¬
fläche, wiederum das schon a priori zu erwartende Uebergewicht der
Bäder über die letztgenannte Methode. Doch ist zur Ermittelung des
Grades dieser Superiorität eine genaue Gegenüberstellung von Parallel¬
versuchen beider Reihen erforderlich.
Ich habe zu diesem Zwecke zwei neue Reihen von Abkühlungsver¬
suchen der letzteren Art angestellt, welche der Uebereinstimmung der
Temperatur wegen besser mit jenen vergleichbar sind,
a. Abkühlung bei schwitzender Oberfläche, -f-22° c. Lufttemperatur und 36% rel.
Luftfeuchtigkeit.
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*) E. du Bois-Reymond nennt es in seiner geistvollen Rede „Ueber die
Uebung“, gehalten am Stiftungstage der militärärztlichen Bildungsanstalten am
2. August 1881 (Berlin, 1881, A. Hirschwald), ganz treffend „Turnen der
glatten Hautmuskulatur“. Die Badeärzte haben, als Turnlehrer, hier ent¬
schieden noch ein Feld zur Vervollkommnung der Uebungsmethode.
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b. Bei 4-28° C. und 30 O/o rel. Feuchtigkeit.
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Nehmen wir ans allen diesen Versuchen die gerade in der Mitte
der gewählten Abkühlungsbreite (44°—36°) liegende, für die Abkühlung
des hitzschlagkranken Soldaten fast ausschliesslich in Betracht kommende
Temperaturbreite von 42° bis 38° C. zum Vergleiche beider Methoden an,
so erhalten wir folgende Zusammenstellung:
Es kühlte die Flasche von 42° bis 38° G. ab
in Luft von 4m im Wasserbade,
bei Geschwindigkeit unbewegt ( bewegt
22° C. in .... 4 Min. 22 Sec.3 Min. 30 Sec.2 Min. 10 Sec.
28° C. in .... 5 Min. 16 Sec.4 Min. 24 Sec.3 Min. 8 Sec.
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Der Unterschied ist auch hier za Gunsten des bewegten Wasserbad es
evident; doch sind die Zeitdifferenzen, nach ihrem absoluten Werthe be¬
trachtet, nicht sehr erheblich; sie betragen bei beiden Temperaturgraden
etwa 2 ! /e Minuten. Es ist hiernach die Abkühlung durch Wasser¬
verdunstung in bewegter Luft von -+*16° R. (20° C.) und 4m Ge¬
schwindigkeit ungefähr der abkühlenden Wirkung eines wenig
bewegten Wannenbades von +24° R. (30° C.) gleichzusetzen.
Dies wird auch durch die Erfahrungen bestätigt, welche ich privatim
gelegentlich der Behandlung eines Typhuskranken, bei welchem
die sonst übliche Wärmeentziehung durch kalte Bäder zeitweise durch
mein Abkühlungsverfahren ersetzt wurde, machen konnte.
Es handelte sich um einen mittelschweren Ileotyphus in der
Mitte der zweiten Woche bei einem ziemlich kräftigen Manne. Die
Behandlung bestand bis dabin in der Anwendung von abkühlenden Bädern
und Darreichung von Salzsäure, ohne Antipyretica. Bei diesem Kranken
wurde 7 Mal die Abkühlung anstatt durch ein Bad durch mein Ver¬
fahren ausgeführt.
1) Am 15. Juni, Abends 7 Uhr.
Pat. war an diesem Tage bereits dreimal gebadet worden, je 15 Minuten
lang in Wasser von —|—20° R., um 8 Uhr, 1 Uhr und 4*/2 Uhr. Temperatur in
der Achselhöhle um 7 Uhr früh: 39,2°; lUhr: 39,8°: 4 Uhr: 40,1°; 7 Uhr: 40,0°.
SenBorium ziemlich stark benommen. Zimmertemperatur: 20,5° R.
Pat. wird vom Hemde entkleidet und im Bette auf die rechte Seite gelegt.
Bettunterlage aus Wachstuch. Die Haut des ganzen Körpers, soweit sie freilag,
wurde alsdann mittels einer Blumengiesskanne mit Wasser von -P20° R. fein und
gleichmässig besprengt, während ein Assistent mit einem grossen Damenfacher *)
über dem Körper Wind von circa 2—3 m Geschwindigkeit machte.
Dauer der Abkühlung 15 Minuten, von 7 Uhr 10 Minuten bis 7 Uhr
25 Minuten.
Körpertemperatur vor der Abkühlung nach der Abkühlung Differenz
in der Achselhöhle . . 40,0°.38,9° C. 14°
im After. 40,75°.40,5° C. 0,25°
Pat. hat lebhaftes Frostgefühl während der Abkühlung, gerade so wie im
Bade, und ist zu sich gekommen. Die Haut zeigte, namentlich im Beginn des
Versuchs, intensive Gänsehautbildung, Blässe und an einzelnen Stellen deutliche
Cyanose. — Nach beendetem Versuch wird der Körper abgetrocknet, die Bett¬
unterlage entfernt und Pat. wieder wie vorher gebettet. Nachwenigen Minuten
schon tritt starke Erweiterung der Hautgefässe und lebhafte Haut-
*) Der in der Regel zart gebaute Damenfächer ist für diese Zwecke nicht sehr
geeignet. Der Arm ermüdet sehr bald vom Schwingen. Besser ist ein mit einer
Handhabe versehener ausgebreiteter Schwanenflügel oder Gänseflügel.
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röthang am ganzen Körper, verbunden mit erhöhtem Wärmegefühl,
ein. Offenbar muss durch diese nachfolgende Reaction die Wärmeabgabe von der
Haut durch Leitung und Strahlung noch nachträglich erheblich gesteigert werden
und gleichzeitig durch die starke Fluxion des Blutes aus dem Körperinnern zur
Haut hin die Temperatur im Innern noch nachträglich mehr oder minder beträcht¬
lich sinken. Dies wird durch entsprechende, weiter unten folgende Beobachtungen
in der That bestätigt. — . . ...
2) Am 17. Juni 1885, Morgens 8 Uhr.
Zimmertemperatur: 19° R. — Temp. des Wassers -4-19° R. Abkühlung in
derselben Weise, 15 Minuten lang.
Temperatur vor der Abkühlung nach der Abkühlung Differenz
in der Achselhöhle . • 89,4°.87,7°.1,7°
im After. 89,9° .....! 89,7° ..... 0,2°
Pat. hat wieder starkes Frostgefühl gehabt und ist vollkommen bei Besinnung
gewesen. —
3) Am 17. Juni, Abends 8 Uhr.
Zimmertemperatur: 20° R. — Temperatur des Wassers: 19,5° R. Dauer der
Abkühlung 12 Va Minuten.
Temperatur vor der Abkühlung nach der Abkühlung Differenz
in der Achselhöhle . 89,8°.85,6° (!) .... 8,7°
im After. 40,0°.89,7°.0,8°
Gänsehautbildung und partielle Cyanose der Haut waren auch hier wieder in¬
tensiv, ebenso die nachher im Bett eintretende allgemeine Röthung der Haut mit
erhöhtem Wärmegefühl.
4) Am 18. Juni, Abends 772 Uhr.
Zimmertemperatur: -4-19° B- — Temperatur des Wassers 4-19° R. Dauer der
Abkühlung 12 Minuten.
Temperatur vor der Abkühlung nach der Abkühlung Differenz
in der Achselhöhle . . 89,6°.37,6°.2,0°
im After. 40,0°.89,4°.0,6°
Die Erscheinungen während und nach der Abkühlung wie vorstehend. —
In den noch folgenden 3 Beobachtungen wurde die Temperatur im After nicht
bloss vor und unmittelbar nach der Abkühlung — das Thermometer blieb gewöhnlich
im After liegen — bestimmt, sondern auch noch 20 bis 30 Minuten später, um die
theils aus der Wärmevertheilung im Körper während der Abkühlung zu schliessende
theils aus dem beobachteten Verhalten der Blutcirculation und der Wärmeregulirung
nach der Abkühlung zu folgernde nachträgliche Temperaturerniedrigung
^m Körperinnern festzustellen.
5) Am 18. Juni 1885, Morgens 7*/4 Uhr.
Zimmertemperatur: 18° R. — Temperatur des Wassers: 18° R. Dauer
15 Minuten.
vor nach
Temperatur der Abkühlung Differenz Vs Stunde später Differenz
i. d. Achselhöhle 89,0° 87,4° . 1,6° .... 88,6° . . . 0,4°
im After . . 89,5° 89,1° . 0,4° .... 88,0° . . . 1,5°
Erscheinungen wie früher.
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426
6) Am 18. Juni 1885, Mittags l 1 /? Uhr.
Zimmertemperatur: 19° R. — Temperatur des Wassers: 18,5° R. Dauer
15 Minuten.
vor nach
Temperatur der Abkühlung Differenz Va Stunde später Differenz
i. d. Achselhöhle 40,8° 88,8° . . 1,5°.—.—
im After. . . 40,8° 40 4 ° . . 0,2° .... 88,2° .... 2,1°
7) Am 19. Juni 1885, Nachmittags 4 Uhr.
Zimmertemperatur: 19° R. — Wassertemperatur: 19° R.
vor nach
Temperatur der Abkühlung Differenz 20 Minuten später Differenz
i. d. Achselhöhle 89,4° 87,2° . . 2,2°. . . . . —.—
im After . . 39,9° 89,6° . . 0,3° ..... 88,1° .... 1,8°
Der Fieberverlauf des Pat. zeigte von dieser Zeit an bereits deutliche spon¬
tane Remissionen, mit welchen eine Abnahme sämmtlicher Krankheitserscheinungen
und am Ende der 3. Woche vollständige Entfieberung eintrat. Bäder oder Ab
kühlungen nach meiner Methode wurden daher seit dem 19. Juni nicht mehr
gemacht. Die Reconvalescenz erfolgte ohne irgend welche Störung. —
Uebersic'ht der Ergebnisse beim Menschen (Typhnskrauken
in der Mitte der «weiten Woche).
No.
Temperatur
Luft Wasser
Ort der
Messung
vor¬
her
n ? ch * Diff.
her ||
20 Min.
später
I
30 Min.
später (
Diff.
I
20,5° R.
20° R.
Acbselh.
After
40,0°C.
40,75°
38,9° 1,1°
40,5° 0,25°
—
11
19° R.
19° R.
Acbselh.
After
39,4°
39,9°
37,7° 1,7°
39,7° ,0,2°
—
—
hi
20° R.
19,5° R.
Acbselh.
After
89,8°
40 , 0 °
35,6° 3,7°
39,7° 0,3°
—
_ .
.
IV
19° R.
19° R.
Acbselh.
After
39,6°
40,0° ;
37,6° 2,0°
39,4° 0,6°
V
18° R.
18° R.
Acbselh.
After
39,0°
39,5°
37,4° 1,6°
39,1° 0,4°
38,6°
38,0°
0 , 4 °
1 . 5 ° 1
VI
19° R.
18,5° R.
Achselh.
After
40,3°
40,3°
38,8° 1,5°
40,1° 0,2°
38,2°
2 , 1 °
VII
19° R.
19° R.
Achselh.
After
39,4°
39,9°
!l I
37,2° 2,2°
39,6o 0,3°
II
1 38,1°
1 1
—
1 , 8 °
Diese Versuche zeigen somit eine grosse Uebereinstimmung der
Wirkungsweise meiner Abkuhlungsmethode mit der Wirkungsweise kühler
Bäder bei Typhuskranken. Die Abkühlung zeigt sich zunächst am
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427
stärksten in der Haut und den angrenzenden peripherischen
Schichten des Körpers; sie schwankt in der Achselhöhle eines Typhös-
kranken auf der Hohe des Fiebers, bei durchschnittlich 19° R. Luft- und
Wassertemperatur, zwischen 1,1° und 3,7° C. Im Innern des Körpers
dagegen ist die Abkohlung am Ende der Wärmeentziehung (12 bis
15 Minuten) zunächst nur gering; die Temperaturabnahme im After
schwankt nm diese Zeit zwischen 0,2° uud 0,6° C.; sie nimmt aber im
Verlauf von weiteren 20—30 Minuten noch mehr und zwar beträchtlich
zu und erreicht dann eine Abnahme um 1,5° bis 2,1° €. Im Mittel be¬
trägt die Temperaturerniedrigung durch Wasserverdunstung
auf der Haut von 15 Min. Dauer in der Achselhöhle 2,0° C., im
After unmittelbar nachher 0,3° C., V* Stande später 1,8° C. An
dem Zustandekommen dieser Nachwirkung der Wärmeentziehung,
die in derselben Weise, wenn auch wohl kaum in diesem Umfange, auch
bei der Abkohlung durch Bäder und zwar sowohl bei Fieberkranken,
als auch bei Gesunden beobachtet worden ist (Liebermeister, Jürgen-
sen u. A.), ist einesteils die mit dem Aufhoren der Wärmeentziehung
alsbald eintretende Ausgleichung der Wärme im Körper zwischen Rinde
und Kern, anderntheils die nachträgliche starke Erweiterung der Haut-
gefässe und die dadurch bedingte vermehrte Wärmeabgabe von der Haut
durch Leitung und Strahlung betheiligt.
Aus dieser ungleichen Wärmevertheilung im Körper nach
der Abkohlung ergiebt sich auch die Unmöglichkeit, aus der gefundenen
Temperaturabnahme in der Achselhöhle und im After die Wirkungs¬
grösse des Verfahrens calorimetrisch zu bestimmen, in ähnlicher Weise,
wie dies Liebermeister und Hagenbach, Bartels, Jorgensen,
E. v. Wahl, Barth, Kernig, Hattwich u. A. bei den abkühlenden
Bädern gethan haben. Auch der Versuch, die Grösse der Wärme¬
entziehung aus der zur Abkühlung verbrauchten Wassermenge, unter
Anwendung der von Regnault für die Grösse der Verdampfungswärme
des Wassers bei bestimmter Temperatur aufgestellten Formel, zu be¬
rechnen, misslang; stets fielen die erhaltenen Werthe viel zu gross aus,
was sich daraus erklärt, dass die zum Verdampfen verbrauchte Wärme¬
menge nicht allein der Haut des Kranken, sondern auch und wohl zum
überwiegenden Theile der umgebenden Luft entzogen wird.
Eine annähernd richtige Vorstellung von der Wirkungsgrösse des
von mir zur Abkühlung hitzschlagkranker Soldaten empfohlenen Ver¬
fahrens erhält man, wenn man die Wirkung desselben mit der Wirkung
von Bädern unter den gleichen Bedingungen, also möglichst an derselben
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428
Person und in demselben Fieberstadium, vergleicht. Ich habe diese Ver¬
gleichung an jenem Typhuskranken an zwei Tagen anstellen können.
1. Vergleich: 15. Juni 1885.
Lufttemperatur: 20,5° R. — Wassertemperatur: 20° R. Bad von 20° R. und
15 Minuten Dauer.
Um 4Va Uhr Nachmittags.
Temperatur vorher nachher Differenz
in der Achselhöhle . . . 40,1° . • . 38,0° .... 2,1°
im After 40,2° . . . 39,6° .... 0,6°
Abkühlung nach meinem Verfahren. Um 7*/4 Uhr Abends.
vorher nachher Differenz
40,0°.38,9°. 14°
40,75°.40,5°. 0,25°
2. Vergleich: 17. Juni 1885.
Lufttemperatur: 19° R.
Bad von 19° R. Abkühlung mit Wasser von 19° R.
Abends 5 Uhr. Morgens 8 Uhr.
Temperatur vorher nachher Differenz vorher nachher Differenz
i.d. Achselhöhle 39,8° . 37,6 . . . 2,2° . . 39,4° . 37,7° . . 1,7°
im After . 40,4° . 39,1 . . . 1,8° . . 39,9° . 39,7° . . 0,2°
Man ersieht hieraus, dass die Abkühlung durch Wasserverdunstong
derjenigen durch ein Bad von gleicher Temperatur und gleicher Dauer
an Wirksamkeit nicht unerheblich nachsteht. Immerhin erscheint aber
der abkühlende Effect der ersteren Methode au und für sich, wie obige
Zusammenstellung beweist, doch ziemlich bedeutend, und er wird heim
Hitzschlagkranken ohne Zweifel noch viel grosser ausfallen, da hei diesem
die Ueherproduction an Wärme, welche beim fiebernden Typhnskranken
während und nach dem Bade fortdauert, mit dem Eintritt der körper¬
lichen Ruhe sofort aufhort. Soviel leuchtet jedenfalls aus allen hierüber
angestellten Versuchen ein, dass die Abkühlung des bitzschlag¬
kranken Soldaten auf dem Marsche durch die Anwendung jenes
Verfahrens, das keinerlei besondere Vorbereitungen erfordert
und überall ausführbar ist, ganz beträchtlich beschleunigt
werden kann. Nicht zu unterschätzen ist dabei die gleich¬
zeitige intensiv reizende Einwirkung des Verfahrens auf die
sensiblen Nerven der Haut und damit auf das ganze Central¬
nervensystem, welche die Anwendung aller anderen bisher
gebräuchlichen roedicamentosen Mittel entbehrlich macht.
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429
III. Ueber die wünschenswertben Erleichterungen
der Kleidung des Infanteristen auf Märschen im Sommer.
Die oben mitgetheilten Beobachtungen über das Verhalten der Körper¬
wärme des Infanteristen auf Märschen haben gezeigt, dass die bisher ge¬
statteten Erleichterungen in der Kleidung desselben, das Oeffnen des
Waffenrockkragens und der zwei obersten Rockknopfe — es wurde im
weitesten Umfange von ihnen Gebrauch gemacht — nicht genügen, auf
Märschen eine beträchtliche und unter Umständen gefahrdrohende Steige¬
rung der Körpertemperatur des Soldaten zu verhindern. Man wird sich
also früher oder später zu weitergehenden Erleichterungen entschliessen
müssen.
Es stehen in dieser Hinsicht zwei Wege offen, welche zum Ziele
fuhren, nämlich gänzliche Umänderung des bisherigen Be¬
kleidungssystems oder Beibehaltung des bisherigen Systems
und Abänderung desselben nur für den Sommer. Ich bin aus
mehrfachen Gründen für den letzteren Weg.
Da in unserem Klima die kühleren Jahreszeiten, d. i. die Jahres¬
zeiten mit einer mittleren Lufttemperatur unter -hlO°R., die Majorität
haben, auch diejenigen Nachbarländer, in welche kriegerische Verwicke¬
lungen unsere Truppen in absehbarer Zeit führen können, ein ähnliches
Verhältnis aufweisen,*) so geht daraus hervor, dass der Infanterist einen
hauptsächlich für diese klimatischen Verhältnisse berechneten Anzug, den
ich kurz Winteranzug nennen will, haben muss. Unsere bisherige
Uniform hat sich auch für den Winter, den Herbst und das Frühjahr,
soviel mir bekannt ist, bewährt. Ich bin daher im Princip für Beibe¬
haltung des bisherigen Systems.
Es bedarf also nur gewisser Abänderungen dieses Systems für die
drei Sommermonate Juni, Juli und August. Nach mannigfachen Er¬
wägungen der vielen hierbei in Betracht kommenden praktischen Rück¬
sichten bin ich zu der Ueberzeugung gekommen, dass eine wirksame Er¬
leichterung der bisherigen Bekleidung nur möglich ist dadurch, dass man
dem Infanteristen einen besonderen Sommeranzug giebt. Wer die freie
Wahl in seiner Kleidung hat, kleidet sich instinctiv im Sommer leichter
als im Winter; in der Civilbevölkerung hat jeder nur einigermaassen
Bemittelte einen Sommeranzug und einen Winteranzug.
*) In MGller-Pouill et’s „Lehrbuch der Physik*, Braunschweig 1852, Band II,
Seite 623—627, findet man eine Zusammenstellung der mittleren Temperatur der
Jahreszeiten von 123 Orten der Erde, die für klimatische Fragen der genannten
Art einen sehr guten Anhalt giebt.
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430
In der Armee konnte man daran denken, die Mannschaften im Sommer
ganz in Drillich gekleidet, sonst aber vorschriftsmässig aasgerüstet
marschiren zu lassen. Es ist dies jedoch vom hygienischen Standpunkt
aus durchaus zu verwerfen, da ein mit leinenem Hemde und Drillich¬
jacke bekleideter Mann, sobald — was bekanntlich auf dem Marsche
im Sommer sehr schnell eintritt — Hemde und Jacke durch geschwitzt
sind, durch die nun eintretende intensive Verdunstung auf der dem Körper
enganliegenden Kleideroberflache der Gefahr der Erkaltung in hohem
Maasse ausgesetzt ist. Bei der sehr locker und luftig sitzenden Drillich¬
hose ist dies nicht zu befürchten; das Tragen derselben im Sommer ist
daher auch reglementsmässig gestattet.
In neuester Zeit ist vielfach die versuchsweise bei einzelnen Truppen-
theilen als Ersatz für die Drillichjacke eingeführte sogenannte Litefke
— eine Art von blousenartigem, locker sitzendem Waffenrock aus blauem
ungefüttertem Tuch — als Sommer-Uniform bei kleineren Uebungen in
Anwendung gekommen. Auch ich habe einige Male von einem Füsilier
Marsche darin ausführen lassen (s. oben), stets verbunden mit wesentlichen
Erleichterungen des Gepäcks (ohne Tornister, statt Helm Mütze). Obwohl
diese Beobachtungen noch sehr spärlich sind und bei relativ der Abkühlung
günstigen meteorologischen Verhältnissen angestellt sind, lassen sie doch
einen Unterschied in der Erwärmung des Körpers von der feldmarsch-
mässigen Ausrüstung zu Gunsten der Litefke erkennen. Es bedarf dies
jedoch vor Abgabe eines definitiven Urtheils noch einer umfassenderen
Prüfung, besonders auf Märschen an wirklich warmen und windstillen
Sommertagen. Abgesehen davon weicht aber der Sitz und der Schnitt
dieses Kleidungsstückes so sehr von der hergebrachten knappen Form
des preussischen Waffenrocks ab, dass das Auge des älteren Militärs,
soviel ich darüber bisher in Erfahrung gebracht habe, sich nur schwer
daran gewöhnt. Es ist dies ein Punkt, welcher in der Bekleidung einer
Armee, die, wie die unsrige, so viel auf ihre äussere Erscheinung in
Körperhaltung und Kleidung giebt, sicherlich die vollste Berücksichtigung
verdient.
Alle diese Erwägungen — die Rücksichtnahme auf die Forderungen
der Gesundheitspflege des Soldaten, auf seine äussere Erscheinung und
auf eine möglichst geringe Abweichung von der hergebrachten, in vieler
Beziehung bewährten Bekleidungsform — haben mich im Laufe des ver¬
flossenen Jahres auf ein Project einer Sommer-Kleidung unserer
Infanterie geführt, welches ich kurz skizzirt nachfolgend zu veröffent¬
lichen wage.
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— 431 ' —
Die Bestandteile dieser Sommerkleidung, als Marschanzug
betrachtet, sind folgende:
Innere Schicht: Wollenes Hemde, ungefärbt
Halsbinde.
Baumwollene Unterhose.
Wollene Strümpfe bezw. Fusslappen aus Parchend
oder Flanell.
Aeussere Schiebt: Helm (oder Mütze).
Waffenrock aus blauem Drillich; genau vom
Schnitt des bisherigen, mit metallenen Knöpfen,
mit aufgenähtem rothen Kragen und Aermel-
besatze, mit Achselklappen und Rangabzeichen,
alles aus waschbarem, leinenem oder baum¬
wollenem Stoff.
Drillichhose, naturfarben oder dunkelblau gefärbt.
Lederstiefel.
Ausrüstung: Mantel, gerollt; daran festgeschnallt
Kochgeschirr, enthaltend 40 scharfe Patronen und
Victualien.
Seitengewehr mit Leibriemen.
2 Patronentaschen mit je 20 scharfen Patronen.
Brotbeutel.
Feldflasche.
Schanzzeug.
Gewehr.
Das Gewicht dieses Anzuges beträgt, alles in allem, 17,5 Kilogramm.
Für den Marsch gelten hierbei dieselben Vorschriften wie bisher: an
wärmeren Tagen können der Kragen und die beiden oberen Knopfe ge¬
öffnet werden; an besonders warmen Tagen, oder wenn die Mannschaft
Symptome stärkerer Erhitzung zeigt, darf auch die Halsbinde abgenommen
und der Hemdenkragen geöffnet werden.
Den Kern obigen Entwurfs bilden drei von dem Herkömmlichen
wesentlich abweichende Forderungen. 1) Die Einführung wollener
Hemden in die Armeean Stelle der leinenen, 2) Die Einführung
eines Sommer - Waffenrocks aus blauem Drillich, sonst dem
bisherigen Winter-Waffenrock in Schnitt und Abzeichen ähnlich, und
3) ein viel ausgiebigerer Gebrauch vom Mantel als bisher.
Ueber die Vorzüge des wollenen Hemdes vor dem leinenen bei
Personen, welche leicht schwitzen und daher zu Erkältungen neigen,
29
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432
— und der Infanterist schwitzt beständig and mehr oder weniger beträcht¬
lich auf dem Marsche — ist heutzutage kaum noch ein Wort zu verlieren.
Praktische Erfahrung und wissenschaftliche Untersuchung haben
den Vorzug der Wolle als unmittelbares Bekleidungsmittel für die Haut
hinlänglich begründet. Das wollene Gewebe ist, nach den Versuchen von
Coulier und von v. Pettenkofer (vergl. meine frühere Arbeit, Deutsche
militärärztl. Zeitschrift 1885, Heft 7 u. 8, S. 326), bedeutend hygro¬
skopischer als Leinwand; es vermag, bei gleichem Gewicht des Stoffes,
das Drei- bis Vierfache an Wasser der letzteren aufzunehmen.
Sowohl die Aufsaugung des Schweisses als auch die Verdunstung desselben
geht beim Wollengewebe langsamer vor sich als bei der Leinwand;
die dadurch bedingte Abkühlung der Haut ist also bei einem wollenen
Hemde viel weniger rapide und damit die Gefahr der Erkältung eine
viel geringere. Jedermann weiss, dass ein nasses, sch weissgetränktes
Leinenhemde beim Auskleiden sofort, zumal in Zugluft, das Gefühl eisiger
Kälte auf der Haut erzeugt, während das wollene Hemde in einem solchen
Falle eine kaum merkliche Kälteempfindung erzeugt. Das wollene Gewebe
ist ferner, wie v. Pettenkofer gezeigt hat, viel durchgängiger für
Luft und Wasserdampf als Leinwand (Verhältniss 10,4 : 6,0).
Endlich kommt hierbei in Betracht die grossere Elastizität des
wollenen Gewebes gegenüber dem leinenen, welche den Druck der Riemen
und Ausrüstungsstücke auf die Haut des Infanteristen wesentlich mildert
Bei der Fassbekleidung haben dieselben Gründe bekanntlich schon lange
zu der Bevorzugung des wollen Strumpfes (bezw. Fusslappens) vor dem
baumwollenen geführt. Kurzum, ich würde in der Einführung
wollener Hemden in die Armee einen wichtigen Fortschritt
in der Gesundheitspflege unseres Heeres erblicken.
Was den Sommer-Waffenrock anbetrifft, so erscheint mir Drillich
vorläufig als der geeignetste Stoff dazu. Ein solcher Rock ist leicht,
dünn und luftig; er stellt der Wärmeabgabe von der Haut bezw. der
Wasserverdunstung von der Oberfläche des Wollenhemdes nur ein geringes
Hinderniss entgegen, namentlich im Vergleich mit dem gefütterten Tnch-
Waffenrock. Der blauen Farbe, ungeiähr von der Nuance des bisherigen
Militärtuches, habe ich aus naheliegenden praktischen Gründen den Vor¬
zug- gegeben. Der Rock soll waschbar sein. Wie oft das Waschen
erforderlich ist, muss erst die Erfahrung ergeben. Aus diesem Grunde
müssen die Knopfe leicht entfernbar angebracht sein. Die Art der
Befestigung derselben an den Offizier-Drillichröcken mittels spiral förmiger
Drahtringe scheint mir hierfür empfehlenswert!! zu sein. Die Grad-
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433
abzeichen (Tressen) mussten gleichfalls aus waschbarem Stoff und fest
aofgenäht sein*).
Eine derartige Sommerbekleidung unserer Truppen ist jedoch praktisch
nor ausführbar, wenn gleichzeitig vom Mantel ein viel ausgiebigerer
Gebrauch gemacht wird als bisher. Mitgenommen wird er ja gewöhnlich
auf Märschen und Uebungen im Sommer, aber nur selten gebraucht
Beim Sommer-Waffenrock ist seine häufigere Benutzung unerlässlich
z. B. auf dem Manöver, im Quartier, wenn der Drillichrock vom Regen
oder vom Schweiss durchnässt ist und getrocknet werden soll, an Ruhe¬
tagen, wenn der Drillichrock gewaschen werden muss, im Biwak an
kühlen Herbsttagen, besonders des Abends und Nachts.
Einen gewissen Grad von Vollkommenheit in hygienischer Beziehung
würde dieser Sommer-Anzug haben, wenn es gelänge, Waffenrock
und Drillichhose wasserdicht oder richtiger undurchlässig für
Regentropfen zu machen. In der That gelingt dies, wie ja vom Zelt-
tucb, Segeltuch, von den Schober-Plänen u. 8. w. bekannt ist, und zwar
durch Imprägnation mit gewissen Salzen (essigsaurer Thonerde), ohne
dass die Permeabilität des Gewebes für Luft dadurch wesentlich beein¬
trächtigt wird. Allein der Gehalt des Rockes an essigsaurer Thonerde
gebt, wie ich an meinem eigenen Drillichrock nachweisen konnte, bei
fortgesetztem Tragen durch Ausfallen des Salzes allmälig verloren, ebenso
beim jedesmaligen Waschen; es müsste also der Waffenrock nach
jeder Wäsche von Neuem imprägnirt werden, was praktisch umständlich
ist. Dagegen mochte ich dringend empfehlen, an Stelle des Drillichrockes
den Mantel des Soldaten durch Imprägnation mit solchen Salzen
„wasserdicht“ zu machen. Auch diese Procedur müsste, wenn sie
wirksam sein soll, in jedem Jahre ein Mal erneuert werden. Doch ist
das Verfahren der Imprägnation so einfach, dass es sehr leicht von dem
Kammerunteroffizier erlerut und ausgeführt werden kann. Bei eintretendem
Regenwetter auf Märschen, bei Uebungen, im Biwak und auf Posten wäre
der Mantel jedesmal umzuhängen. Der Soldat würde auf diese Weise
ziemlich wirksam geschützt werden können gegen Durchnässung.
Den Einfluss dieser Sommerkleidung auf die Wärmeabgabe des
Infanteristen auf dem Marsche habe ich bereits oben gelegentlich der
Temperaturmessungen in der Marschreihe B. erörtert. Der dort an-
*) Solche Drillich-Waffenröcke, an Farbe, Schnitt und Rangabzeichen dem bis¬
herigen vollkommen ähnlich, habe ich inzwischen, nachdem die angestellten Färbe¬
versuche in Bezug auf Nuance und Haltbarkeit ein günstiges Resultat ergeben haben,
probeweise anfertigen lassen.
29*
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434
geführte „ganz leichte Marschanzug“ ist im Wesentlichen mit dem
hier beschriebenen Sommeranzog identisch; statt des blauen Drillich-
Waffenrocks wurde nur der gewöhnliche graue Drillichrock unserer
Unteroffiziere benutzt. Das Resultat war insofern für diese Bekleidungs¬
art günstig, als der so gekleidete Füsilier Sch. auf allen Marschen die
niedrigste Körpertemperatur hatte, ja, seine Körpertemperatur überhaupt
niemals die Grenze von 38,5° C. überschritt. Seine Feuerprobe würde
indess der projectirte „Sommeranzug“ erst bestehen können, wenn an
wirklich heissen Sommertagen bei geringer Luftbewegung und unausge¬
setzter Bestrahlung durch die Sonne grössere Marschleistungen, wie sie
im Kriege Vorkommen, von dem Infanteristen gefordert werden. Vielleicht
bietet mir der bevorstehende Sommer hierzu die erwünschte Gelegenheit.
Einklemmung des Wurmfortsatzes. Bruchoperation.
Verschluss des Ileum durch Achsendrehung. Laparotomie.
Nach einem im Allgemeinen ärztlichen Vereine in Cöln gehaltenen Vortrage von
Dr. Glasmacher, Stabsarzt im 3. Westfäl. Inf. Regt. No. 16.
Füsilier M. vom 5. Rhein. Inf. Regt. No. 65 war am 5. November 1884
eingestellt worden. Bei der ersten Untersuchung war in der rechten Leiste
eine taubeneigrosse Geschwulst gefunden worden, welche im Leisten-
canale dem Bauchringe anlag. Da man dieselbe für eine Samenstraug-
cyste hielt, blieb der Mann im Dienste. Fast ein Jahr lang hatte der¬
selbe allen Dienst gethan und nie über Beschwerden, die von der Ge¬
schwulst herrührten, geklagt. Vier Tage vor seiner Aufnahme ius
Garnisonlazareth hatte Patient plötzlich in der Nacht sehr heftige
Schmerzen im Unterleibe, hauptsächlich in der Nabelgegend, verspürt
Keine Stuhlverstopfung lag vor, kein St098 hatte ihn getroffen, er hatte
keine Lasten gehoben. Am folgenden Tage war nur noch sehr geringe
Empfindlichkeit im Unterleibe, besonders in der rechten Seite, zurückge¬
blieben; Stuhlgang war von selbst erfolgt. Am Tage vor seiner Aufnahme
fühlte sich der Kranke so wohl, dass er mit Kameraden ausgegangen war.
In der Nacht aber stellten sich wieder sehr heftige Schmerzen in der
rechten Unterbauch- und Nabelgegend ein. Der Befund bei der Aufnahme
insLazaretham27.10 1885ergab: Brechneigung, Sensorium benommen, Unter¬
leib massig meteoristisch aufgetrieben, auf Druck und Percussion sehr empfind¬
lich, Zwerchfell etwas nach oben gedruckt, Athmung oberflächlich, Puls
klein, 90 in der Minute, Temperatur 39,2° C. Als Patient am folgenden
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435
! Morgen auch aber Schmerzen in der rechten Leiste klagte, and in dieser
die pralle Geschwulst sich fand, wurde er der aasseren Abtheilung aber¬
wiesen. Temperatur 38,9, Puls klein, 86 in der Minute, Klagen über
Schmerz in der rechten Leiste, Unterbaach- und Nabelgegend. Meteoris-
mos war ziemlich gross, Stahlgang und Abgang von Darmgasen war
seit 3 Tagen nicht erfolgt. An der inneren Seite des rechten Samen¬
stranges wurde eine sehr pralle, taubeneigrosse Geschwulst gefunden,
welche dicht vor dem Eintritte des Canales in den Unterleib lag. Bei
der Kleinheit derselben ergab die Percussion keinerlei Anhaltspunkte über
den Inhalt; oberhalb des Poupart’schen Bandes liess sich eine deutlich
gedämpfte Zone von Handbreite nachweisen. Percussion und Palpation
des Unterleibes ergaben sonst nur die Zeichen von hochgradigem
Meteorismus.
Bei den A llgomeinerscheinungen von Bauchfellentzünd ung, Brechneigung,
viertägiger Obstipation und der prallen, schmerzhaften Geschwulst in der
Leiste musste an eine Darm- oder Netzeinklemmung gedacht werden.
In Narcose wurde die Taxis versucht, als diese aber erfolglos blieb,
machte ich den Bruchschuitt. Langsam drang ich auf die Geschwulst
vor von der aussern Seite her, wo selbige mit dem Samenstrange ver-
l wachsen war. In der Absicht, den Bruchsack zu eröffenen, incidirte ich
! eine Cyste, die einen Tbeelöffel voll normalen, eingedickten Eiters ent¬
hielt. Weder Fremdkörper, noch Koth, noch Darmgase kamen in der
Cyste zum Vorschein; die Umgebung der Cyste war massig entzündet.
Nachdem die Cystenwäode herauspräparirt und von dem Samenstrang
isolirt waren, fand sich ein Strang von Gänsefederkiel-Dicke, welcher zur
i Bauchhöhle führte; nachdem auch dieser vom Samenstrange isolirt war,
wurde er mit Catgut unterbunden und in die Bauchhöhle reponirt. Die
Brucbpforte wurde vollständig frei gefunden. Ich vernähte sorgfältig,
! drainirte und verband antiseptisch. Abends war Temperatur normal,
| Puls hatte sich etwas gehoben, Patient fühlte sich relativ wohl, Senaorium
war bedeutend freier. Medioation: Tinct. opii, Eispillen und Eisblase
' auf Unterleib. In der Nacht stellte sich sehr starkes, andauerndes Er¬
brechen galliger, nicht fäculenter Massen ein. Patient war dadurch am
Morgen aufs Aeusserste erschöpft. Nach dem Vorschläge von Prof,
i Dr. K u88maul und den Erfahrungen von Prof. Dr. Bardeleben
applicirte icb die Magensonde und spülte den Magen so lange aus, bis die
Flüssigkeit klar ablief; drei Liter Wasser waren dazu nothwendig. So¬
gleich nachher verabreichte ich durch die Magensonde Cocain, mur. 0,05
in wenig Wasser gelöst. Die Brechneigung hörte sofort auf, und nach
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5 Minuten schlief Patient ein. Den Tag aber blieb der Zastand befriedigend,
Defäcation und Abgang von Darmgasen erfolgte nicht. Am zweiten
Tage nach der Operation fohlte Patient keine Schmerzen, der Meteoris¬
mus hatte aber bedeutend zugenommen: Zwerchfell stand sehr hoch,
Leberdämpfung war kaum zo constatiren, Herzstoss war nach oben ge¬
ruckt, Puls sehr schwach, 90 in der Minute, Athmung sehr behindert
Bei dem relativ leidlichem Kräftezustande entschloss ich mich am 29.10. zur
Hebung des etwaigen Hindernisses in der Darmpassage zur Laparatomie.
Ich operirte in der Linea alba. Das Netz bekam man nicht zu sehen.
Es fielen keine Darmschlingen vor, weil dieselben durch die Entzündung
unter sich und den Bauchdecken adhärent waren. Das Coecum, das
Ende des Ileum und die nahegelegenen Darmschlingen waren mit
dicken Eiterlagen bedeckt. Das Coecum lag der Bauchöffoung des
Leistencanales fest auf und war fast leer von Darminhalt. Durch sanften
Zug mobilisirte ich das Ende des Coecum und fand, dass nur ein ganz
minimales Stückchen Wurmfortsatz daran war. Ein Hinderniss, welches
die Darropassage hinderte, konnte in der Coecalgegend nicht gefunden
werden, es fanden sich dort nur Zeichen und Producte weit vorgeschrittener
Bauchfellentzündung. Eine kurze Strecke vom Coecum entfernt nahm
das Ileum eine bedeutende Injection an, die nach dem Mesenterium zn
so bedeutend zunabm, dass in der Hohle des Nabels am Ende des Bauch-
schnittes der Darm schwarzbraun aussah. Zur genaueren Uebersicht
wurde der Bauchschnitt noch etwa 5 cm nach dem Magen zu erweitert;
die stark ausgedehnten Darmschlingen wurden dann von ihren peri-
tonitischen Verwachsungen gelost, in warme, mit Salicylsäurelosung ge¬
tränkte Tücher gehüllt gegen den Magen zu hinaufgeschlagen. So über¬
sah man den ganzen entzündeten, fast brandigen Dünndarm. Eine
Achsendrehung oder ein sonstiges Hinderniss konnte nicht gefunden
werden; der Darm war nach oben und unten gleichmässig stark ausge¬
dehnt. Zur Verminderung der Spannung durch Darmgase und Darm-
inhalt punktirte ich den Darm ausserhalb der Peritonealhohle durch einen
sehr weiten Troicart und entleerte eine bedeutende Menge von dünner
fäculenter Flüssigkeit und von Darmgasen. Zum Verschlüsse der Darm-
wunde, die etwa 1 cm weit eingerissen war, legte ich 4 Catgut-Näbte an
in der Weise, wie es Lembert vorgeschlagen. Auch jetzt, da der ent¬
färbte Dünndarm bedeutend weniger gespannt war, konnte kein Hioder-
niss nachgewiesen werden. Die zunehmende Schwäche mahnte zur
Beendigung der Operation. Die Bauchhöhle wurde auf das Peinlichste
mit Oazetampons, die in beisser Salicylsäurelosung gelegen, gereinigt, die
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D&rmschlingen ebenfalls desinficirt und reponirt. Zur Vereinigung des
Bauchschnittes wurden 20 Nahte, tbeils tiefe durch Musculatur und
Peritoneum gehende, theils Hautnähte, angelegt. Während des anti-
septischen Verbandes wurden Campheröl-Injectionen nothwendig; nach
demselben wurde durch Umwickeln von Armen und Beinen Autotrans-
fosion bewirkt. 12 Stunden nach der Operation starb Patient am
29. 10. a. p.
Die Obduction der Leiche wurde verweigert, es wurde nur gestattet,
die Nähte nochmals zu losen. In der Bauchhöhle fand sich kein freies
Exsudat, das Netz war ganz nach oben gegen Colon transversum ver¬
schoben; der ganze Dünndarm war durch peritonitische Entzündungs-
producte lose verklebt und durch Darmgase hochgradig gespannt. Nach¬
dem die obersten Darmschlingen zur Seite geschoben, fiel die fast brandige
Darmpartie wieder auf; die hochgradigen Erscheinungen von Darm¬
entzündung begannen 5 cm vom Coecum, nahmen im weiteren Verlaufe
nach oben stetig zu; in der Hobe der Radix mesenterii änderte der Darm
plötzlich seine Richtung, er bog nach links ab und war gleichsam um¬
geschlagen. Als man diese Dünndarmpartie von den unteren peritonitischen
Adhäsionen löste und nach oben schlug, konnte man den Darminhalt;
, Oase und Flüssigkeit, beliebig von rechts nach links und umgekehrt im
■ Lumen des Darmes verschieben. Liess man aber den Darm wieder
los, so schlug derselbe wieder nach unten um, und der Verschluss war
wieder perfect: es liess sich alsdann kein Darminhalt über die durch die halbe
Achsendrehung des Dünndarmes verengte Stelle wegdrücken. Der Stiel
des Mesenterium war sehr schmal. Das Coecum lag dicht auf der
Bauchöffnung des Leistencanales und war dort durch eiterig fibrinöse
Auflagerung verklebt. An dem Coecum wurde nur ein minimales
Stückchen vom wurmförmigen Fortsatze gefunden.
Die Leichenöffnung zeigte also, dass das Coecum gleichsam auf der
Darmbeinschaufel nach unten geglitten, und der wurmförmige Fortsatz
io den Leistencanal vorgefallen und mit dem Samenstrange verwachsen
war. Als sich nun noch in dem Wurmfortsätze eine Cyste entwickelte,
die die Reposition hinderte, waren die Verhältnisse für Entstehen von
. Einklemmung ausserordentlich geeignet. Als diese nun ein trat, und die
* Peristaltik des Darmes sich enorm steigerte und der Darm selbst sich
bedeutend ausdehnte, ist es bei der Schmalheit des Mesenterialstieles
leicht erklärlich, dass sich der Dünndarm gleichsam überschlug, eine
halbe Achsendrehung machte und so den Verschluss herbeifuhrte.
Die Stelle des Abschlusses wurde jedoch bei der Operation nicht ge-
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fanden, weil durch das Hinaufschlagen der Dünndarinschlingen eben diese
halbe Achsendrehung gehoben wurde. Bei der Operation musste ich
mich daher damit zufrieden geben, durch Entleerung von Oasen und
Flüssigkeiten günstigere Verhältnisse für die reguläre Darmpassage zu
schaffen. Von einer Resection des ganzen brandigen Darmabscbnitts
konnte bei der ohnehin weit ausgebreiteten Bauchfellentzündung keine
Rede sein. Das Einzige, was bei genauerer Kennntuiss der thatsächlichen
Verhältnisse hätte noch in Ueberlegung gezogen werden können, wäre
die Anlage eines künstlichen Afters oberhalb der abgeschnürten Stelle
gewesen, nachdem vorher die eingeschlagene Darmpartie nach oben zu-
rückgebracht und angenäht worden. Ob man diese Operation mit einem
Schimmer von Wahrscheinlichkeit lür einen günstigen Erfolg instituirt
hätte, glaube ich nicht.
Wenn man dem wurm förmigen Fortsatze im Ganzen keinen physio¬
logischen Werth vindicirt, ihn vielmehr nur als unnöthigen Anhang de*
Blinddarmes betrachtet, so liegt doch in pathologischer Veränderung
desselben und in Veränderung der Lage manche Gefahr für Leben und
Gesundheit. Die mannigfachsten pathologischen Processe spielen sich
darin ab: von dem einfachen Catarrh mit Schwellung der Schleimhaut
und Prominenz der Follikel mit schleimiger und eitriger Secretion, von
Verstopfung desselben durch Fremdkörper (Fruchtkerne, Gräten, Schrot¬
kügelchen) bis zum Durchbruche und selbst vollständigem, necrotischem
Verfalle, von tuberculöser Geschwürsbildung bis zu krebsartiger Geschwulst¬
bildung. In anderer Hinsicht sind Fälle bekanut (Leichtenstern,
Ziemssen Sammelwerk), in denen sich der Wurmfortsatz eng spiralig
oder schneckenartig aufgewunden hatte. Tritt dann eine Darm- (meist
Ileum>) schlinge durch, so wird sie entweder in die Spirale eingeklemmt
oder sie verwandelt den Ring in einen rechten Wurmfortsatzknoten
Prof. Leichtenstern führt für die Häufigskeitsverhältnisse dieser Ein¬
klemmungsarten aus der Litteratur folgende Zahlen an: von 36 Fällen
waren: 28 Fälle Einklemmung unter den adhärenten Wurmfortsatz,
4 durch den spiralförmig verdrehten Wurmfortsatz, 4 durch Knotenbildung.
Prof. Leichtenstern betont, dass sich allenthalben die Meinung einge¬
bürgert habe, dass bei Wurmfortsatz-Einklemmungen das weibliche
Geschlecht prävalire und zwar, weil durch Beckenperitonitiden der Fort¬
satz häufiger Gelegenheit habe adhärent zu werden; doch zeigen Zahlen
das entgegengesetzte Verhältnis: von 106 Wurmfortsatz-Entzündungen
kamen 89 auf das männliche, 17 auf das weibliche Geschlecht und
von 34 Einklemmungen 21 auf das männliche, 13 auf das weibliche
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439
Geschlecht, Die Diagnose dieser Zustände wird immer nur eine Wahr¬
scheinlichkeitsdiagnose sein, sie wird sich immer an geringere und
grossere Mitbetheiligung des Bauchfelles anlehnen müssen unter Berück¬
sichtigung der Hinderung der Darmpaseage. In therapeutischer Be¬
ziehung wird daher die Entscheidung der Frage, ob die Entzündungs-
Vorgänge intra- oder retroperitoneal liegen, von Wichtigkeit sein. Das
wichtigste objective Symptom für einen therapeutischen Eingriff wird der
Nachweis einer Geschwulst in der Bauchhöhle oder von Eiter über dem
Po upa raschen Bande oder mehr in der Lendengegend sein. Andauernde
Hinderung in der freien Darmpassage wird die Eröffnung der Bauch¬
höhle bedingen.
Von anderen Lageveränderungen des Processus vermiformis ist noch
zu erwähnen, dass derselbe, wie jedes andere Eingeweide, durch eine
Bruchpforte vorfallen kann und so auch gelegentlich Einklemmungen
erleidet, die das Leben bedrohen.
Davies-Colley (Guys hospital reports 1884) hat 4 selbst beobachtete
Fälle dieser Art zusammengestellt und erwähnt 5 sonst in der Litteratur
geschilderte Fälle. Der erste der selbst beobachteten war eine Femoral-
hernie, deren Inhalt der Wurmfortsatz war. Der Bruch war acut durch
Heben einer schweren Last entstanden und gab zu häufigen Einklemmungs-
Erscheinungen Veranlassung. 3 Tage vor der Operation war bei regel¬
mässigem Stuhle Einklemmung eingetreten; bei der Operation fand sich
der 3 Zoll lange Wurmfortsatz; der Bruchsack wurde vernäht und der
Wurmfortsatz reponirt. Die Heilung erfolgte in einigen Wochen. Im
zweiten Falle handelte es sich um eine rechtsseitige Leistenhernie,
welche seit 30 Jahren irreponibel gewesen war. 4 Tage vor der Operation
traten mit Stublverhaltung und Fieber Einklemmungssymptome auf.
Bei der Operation fand sich als Bruchinhalt angewachsenes Netz und
Proc. vermif. Beide Theile wurden abgetragen und eine Seitenligatur
angelegt. Tod erfolgte nach acht Tagen durch acute Peritonitis und
Einklemmung des Ileum. Bei der Obduction waren die abgeschnittenen
Enden des Netzes und Wurmfortsatzes der Bruchpforte adhärent. Beim
dritten Falle bestand seit 3 Tagen Obstipation und unstillbares Erbrechen,
jedoch reichlicher Abgang von Flatus. Im Bruchsack fand man einen
perforirten necrotischen Processus. Heilung trat ein unter Zurücklassung
einer Kothfistel. Der 4. Fall war wieder ein Schenkelbrucb, in dessen
Bruchsack sich zwei Unzen Serum und ein darmähnlicher an der Wand ad-
härenter Knoten fand. Bei der schichtweisen Incision wurde eine Höhlung
voll stinkenden Serums freigelegt und eine Schlinge von der Dicke eines
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Ringfingers gefunden, nach deren Oeffnung Darmgase entwichen. Eine
Sonde liess sich in den Processus einfuhren. Heilung in zwei Monaten.
Die Fälle aus der Litteratur, die Davies-Colley anfuhrt, sind: 1 Fall
Leistenhernie (Tod 5 Stunden nach der Operation) von Pick (Lancet
1880) beobachtet, 1 anderer Fall von Court beschrieben. Heilung durch
Reposition. Dieffenbach (Oper. Chirurgie) operirte einen Schenkelbrucb,
dessen Inhalt der Wurmfortsatz war. Tod zwei Tage nach der Repo¬
sition. Keine Obstipation hatte bestanden. De Morgan (Transact. of
the Pathol. Society XXV) operirte eine entzündete Scrotalhernie, bei
welcher weder Erbrechen noch Obstipation bestand. In dem Bruchsack
wurde Eiter aus dem durch Fischgräten entzündeten wurmformigen
Fortsatze gefunden. Tod in 24 Stunden nach der Operation. Bill rot h-
(Archiv, für kl. Chirurgie Bd. XXI) beschreibt eine entzündete Leisten¬
hernie mit typischen Einklemmungs-Erscheinungen. In dem Bruchsacke
fand sich eine Cyste, deren Wände mikroskopisch als solche des Proc.
verm. diagnosticirt wurden. Heilung wurde nach localer Peritonitis erzielt*
In diesen geschilderten Fällen scheint die Diagnose der Einklemmung
des Wurmfortsatzes allemal erst bei der Operation gestellt zu sein. Der
Grund liegt jedenfalls darin, dass die Symptome, sowohl im frühen Stadium
bei directen Vorfällen, sowie auch später bei Entzündungen und Ein
klemmungen so wenig prägnant sind, dass die Diagnose zwischen Netz¬
bruch und Wurmfortsatzbruch nur eine wahrscheinliche sein kann. Wenn
sich nun gar noch eine Cyste oder ein Abscess im äussersten Ende des
wurmformigen Fortsatzes befindet, so wird es unmöglich sein, vor der
Operation über das Wesen des Vorgefallenen in’s Klare zu kommen.
Bei Anschwellungen in dem rechten Leisten- und Schenkelcanale
wird man daher immerhin an die Möglichkeit des Vorfalles des Wurm¬
fortsatzes denken müssen. In therapeutischer Beziehung wird man in
frischen Fällen das fragliche Gebilde reponiren müssen und den weiteren
Vorfall durch ein gut sitzendes Bruchband zu verhindern suchen. Ist
eine Reposition jedoch unmöglich, so wird man aufs Sorgsamste Ent¬
zündungen und Einklemmungen zu verhindern suchen müssen; sind aber
solche eingetreten, so wird man operiren müssen. Man wird alsdann
die Verwachsungen trennen und das Ganze, wenn nicht durch Einschnürung
hochgradig entfärbt, in die Bauchhöhle zurückbringen. Bei Vereiterungen,
Ahscesshildung und starker Entfärbung wird es sich empfehlen, den peri¬
pheren Theil abzutragen und den centralen in die Bauchhöhle zu reponiren*
Bei jeder Operation wird es zweckmässig sein, nach der Reposition die
Bruchpforte zur Verhütung weiteren Vorfalles mit Catgut zu vernähen*
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Darf die Transfusion als ein lebensrettendes Mittel gelten?
Von Dr. Klopstech,
Stabsarzt im 2. Thüringischen Infanterie-Regiment No. 32.
Der Grundgedanke der Bluttransfusion, dass sich der Verlust an
lebendem Blute am sichersten durch lebendes Blut ersetzen lassen müsse,
ist so naheliegend, dass ihn Jedermann verstehen kann. So einfach in¬
dessen die Sache scheint, so verwickelt ist die praktische Ausführung des
Ersatzes, und so complicirt sind die dabei in Betracht kommenden physio¬
logischen Verhältnisse.
Als Gesellin8 zur Bekräftigung seiner Ansichten über das Wesen
der Transfusion des Blutes*) den Ausspruch Wunderlich’s citirt, dass
die Naturforschung still und stolz fortschreitend, ihre Gaben über Freunde,
Feinde und Verächter ausschatte, da hat er gewiss nicht vermnthet, dass
eben diese Naturforschung bald darauf, in weniger Jahren, als sein Citat
Zeilen enthalt, im Stande sein werde, nicht nur seinen Anschauungen,
sondern der ganzen Bluttransfusionslehre den Todesstoss zu versetzen.
Seine „unerschütterliche“ Meinung, dass die Lammbluttransfusion in der
Medicin eine neue Aera — die blutspendende — inauguriren würde, hat
sich als hinfällig erwiesen, und wir werden im Folgenden zu zeigen ver¬
suchen, was sich von den grossen Erwartungen erfüllt hat, und was von
dem so kunstvoll errichteten Gebäude, nachdem es in seinen Grundfesten
erschüttert worden, übrig geblieben ist.
Wenn man die Erregung der Geister im Kampf um Details dieser
Transfusion, um die Methoden, um Vorzüglichkeit der eigenen und Ver¬
werflichkeit der fremden, oft ganz nebensächlichen Hand- und Kunstgriffe
wahrend des letzten Decenniums betrachtet, und wenn man die Zuversicht¬
lichkeit der Behauptungen von der grossen Errungenschaft, die nun der
staunenden Welt zu gute kommen sollte, verfolgt, so wird man fast von
einem Gefühl der Wehmuth und des Bedauerns beschlichen, dass so viel
Arbeit, Fleiss, Scharfsinn und Tbatkraft oft tüchtiger, erprobter und ge¬
lehrter Männer, die dem edelsten Ziele der Menschheit gegolten, die Leiden
Anderer zu erleichtern, umsonst gewesen sind; umsonst wenigstens in so¬
fern, als die beabsichtigte und driugend ersehnte Hülfe sich nicht be¬
währt hat.
Wenn Männer von allerbestem Ruf die Sache mit Begeisterung
ergriffen haben, wenn sie der Transfusion einen Triumphzug prophezeiten
*) Ge Belli us, Die Transfusion des Blutes. Eine historische, kritische und
physiologische Studie. Petersburg 1873. Seite 157.
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und in ihr „eine Waffe zu schaffen* meinten „gegen Krankheiten, welche
wir bis dahin vergeblich bekämpften“,*) ja, wenn sogar sie selbst Er¬
folge zu haben glaubten, so möchten doch nicht Viele unter uns berufen
erscheinen, heut vom erhabenen Standpunkt des Besserwissenden verächt¬
lich auf diese Bemühungen herabzuschauen. Gerade die Transfusionen
haben Anregung zu einer Reihe Forschungen von allergrösster Bedeutung
in den verschiedensten Gebieten der Physiologie gegeben, und wenn wir
heute auf die Bluttransfusion als auf einen überwundenen Standpunkt zu¬
rück blicken können, so ist auch dies zum grössten Theil das Verdienst
von Männern, welche sich für die Transfusion begeistert, welche ihr
ganzes Können daran gesetzt hatten, das Wesen der Vorgänge zu studiren.
Sie besassen Mannesmuth genug, ihre bei den Operationen auftretenden
unglücklichen Vorkommnisse sachverständigen Genossen mitzutheilen, um
mit ihnen die verborgenen Ursachen zu ermitteln.
Ich möchte auch nicht unerwähnt lassen, dass die geradezu über¬
raschenden Mittheilungen einzelner Fälle, bei denen der momentane
Effect wenigstens eclatant war, kurz nach dem Kriege 1870/71, wo
so manches Opfer dem Verblutungstode anheim gefallen war, weil der
Arzt nicht im Stande gewesen, das entfliehende Leben durch Blutersatz
zurückzurufen, etwas ungemein Verlockendes und Bestechliches für den
Menschenfreund und Arzt hatten, — und wer unter uns hat nicht sein
Herz freudiger schlagen gefühlt bei dem wahrhaft beglückenden Gedanken
an die Möglichkeit einer Rettung durch eine scheinbar so einfache Ope¬
ration! Ist es nicht verzeihlich und erklärlich, wenn der einzelne, als
Operateur eigentlich nicht berufene Arzt mit Eifer die Gelegenheit er¬
griff, rettend einzuspringen, wo ohne diesen letzten Versuch sicherer Tod
des Kranken vor Augen stand? Da war nicht lange zu prüfen, nicht zu
wägen, da war gegebenen Falles keine Zeit zu verlieren; da musste ge¬
bandelt werden nach dem alten Wort: bis dat, qui cito dat!
Zwar hat es schon, so lange die Transfusion vorgeschlagen und aus¬
geführt ist, Stimmen gegeben, die dagegen eiferten; aber wie oft mögen
es rein persönliche Gründe und Interessen gewesen sein, die das Pro und
Contra verfochten? Das Eine ist gewiss nicht anzunehmen, dass es ge¬
rade die gewissenloseren, schlechteren und unwissenderen Elemente unter
den älteren Aerzten waren, welche für die vermeintliche gute Sache
kämpften, und was die frühesten Gründe gegen die Ausführung der Ope¬
ration anbetrifft, so sind sie mehr vom Gefühl der Einzelnen beeinflusst,
*) Hüter, Arterielle Transfusion.
v. Langenbeck’s Archiv für klinische Chirurgie. Band XII, Heft 1.
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443
als Auf wissenschaftliche Erkenntniss der Fehler begründet gewesen.
Oder man wäre gezwungen, nm ein Beispiel anznfuhren, einen Hofrath
Metzger in Königsberg für einen der aufgeklärtesten und bedeutendsten
Männer auf ärztlichem Gebiete anzusehen, der seinen Zeitgenossen weit
voraus war, da er sieb mit seinem Ausspruch über die Transfusion auf
den Standpunkt der modernsten Erkenntniss gestellt hat; er nennt näm¬
lich in seiner Skizze einer pragmatischen Litteraturgeschichte der Medicin,
Königsberg 1792, § 268:*) „die Transfusion eine ebenso getährliche als
auf einer gänzlichen Rohheit der Begriffe sich gründende Operation“; er be¬
zeichnet die damit in therapeutischer Hinsicht angestellten Versuche „als
ein redendes Beispiel von der Verirrung des menschlichen Geistes“, wahr¬
lich ein Urtheil, wie es ein moderner Professor nach den Forschungen der
Neuzdt nicht schärfer aussprechen konnte, um seinen Schülern dieüngehörig-
keit der Transfusionsbestrebungen des 19. Jahrhunderts zu documentiren.
Ob der gute Metzger wohl eine Ahnung gehabt hat, warum wir
ihm heute so voll und ganz zustimmen müssen und in welchem Sinne?
Bewiesen hat er nichts. Leider! müssten wir sagen, wenn er es gekonnt
hätte; denn er hätte der Nachwelt viel Arbeit und Mühe gespart!
Wie dem auch sein mag, das so gläuzend inaugurirte Zeitalter der
blotspendenden Transfusion ist vergangen, wie es gekommen; das „Aschen¬
brödel“**) der chirurgischen Operationen ist nicht die vermuthete Königs-
braut geworden, sondern hat sich wieder nach kurzem Auftreten in
Verborgenheit zurückziehen müssen, um dort als wirkliches Aschenbrödel
zu verbleiben.
Zur Beurtheilung der Frage über den Werth der Transfusion als
lebensrettendes Mittel ist es zunächst nöthig, zu untersuchen: „Was er¬
wartete man von der Operation und wie dachte man sich ihre
Wirkung?“
Oie Transfusion beruhte zunächst auf der Idee, dass irgend ein Blut,
welches einem gesunden lebenden Körper entnommen werde, für einige
Zeit die Fähigkeit bewahre, seine Existenz als Blut in dem Gefässsystem
eines anderen Thieres fortzufübren und wie im früheren Körper zu
wirken. Später vertiefte sich diese Anschauung insoweit, dass man an-
uahm, der in den rothen Blutkörperchen befindliche Sauerstoff sei das
Agens der Ernährung. Der Tod eines Thieres entstünde z. B. bei plötz-
•) Gesellius, I. c. S. 173.
**) Leisring: Ueber die Transfusion des Blutes. Volkraann’s Sammlung
klinischer Vorträge. No. 41. (1872.)
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lichem Blutverlast dadurch, dass die im Körper übrigbleibenden rotben
Blutkörperchen nicht mehr im Stande waren, die Ernährung und Er¬
haltung des Körpers fortzufuhren.
Auf die geschichtliche Entwickelung des Näheren einzugehen, ist
hier nicht der Ort, weil einmal der Rahmen dieser Abhandlung weit
überschritten werden müsste, andererseits mehr oder weniger ausführliche
Schilderungen der Entwickelung in allen Schriften über Transfusion vor¬
handen sind. Ein eigentliches Quellenstudium darüber anzustellen, sind
Wenige in der Lage gewesen; das Meiste haben Spätere aus froheren
Arbeiten entnommen,*) sich auf ihre Weise zurechtgelegt und von ihrem
speciellen Standpunkt aus gedeutet
Wann die Idee, Blut direct in die Adern eines lebenden Thieres ein-
zufübren, entstanden sei, wird sich kaum ermitteln lassen. Der Erste,
der sie nachweislich am Hunde ausgefübrt bat, ist nach Boyle in
Philosophical Transactions, Vol. I, pag. 125, Lower gewesen; derselbe
brachte einen Hund, der durch Oeffnen einer Ader dem Verblutungstode
nahe gebracht war, durch Ueberführung von Blut in die Adern wieder
zum Leben (im Jahre 1666). Bald darauf, im Jahre 1667, vollzogen
Denis und Emmerez die Transfusion von Kalbsblut an verschiedenen
Menschen, welche die Operation mehr oder weniger lange überlebten. Näheres
über die Operation und die Krankengeschichte ist in der erwähnten Studie
von G es eil i us Seite 32—38 des Genaueren angegeben, der wiederum
seinerseits Scheel als Quelle bezeichnet. Für uns möge das Factum
genügen, dass damit die Möglichkeit der Operation beim Menschen con-
statirt war. Blut, als die lebendige Quelle des Lebens betrachtet, wurde
hier direct aus den Gefässen eines lebenden Wesens in die eines anderen
übergeleitet. Die Thatsache war durch glaubwürdig angesehene Zeugen
verbrieft und besiegelt; was bedurfte es da weiterer Untersuchungen!
Wenn dem aber so war, so lag ja nichts näher, als die Anwendung
in allen Fällen für angezeigt zu halten, wo es sich um den Ersatz
fehlenden oder um die Verbesserung schlechten, kranken Blutes handelte.
Es schien nichts leichter, als das unbrauchbare Blut durch Aderlass fort¬
zunehmen (das war ja eine sehr beliebte, vielgeübte Kunst in damaliger
Zeit) und durch brauchbares zu ersetzen.
Entsprechend den humoral-pathologischen Anschauungen, die im Blute
nicht nur den Grund aller Krankheiten, sondern auch der vitalen Er-
*) Besonderes Verdienst hat sich Scheel darum in seiner erschöpfenden Arbeit
erworben; er ist meist Quelle.
Vergl. Paul Scheel: Die Transfusion des Blutes. Kopenhagen 1802.
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schein nagen für Charakter, Gewohnheiten, Leidenschaften und dergleichen
sachte, eröffnete sich durch geringe Raisonnements ein wahrhaft gross¬
artiges Feld der kühnsten Combinationen. Man glaubte und behauptete
mittelst der Bluttransfusion alte Menschen jung, böse gut, heftige sanft
(dies besonders durch Lammblut!), zornige geduldig machen zu können;
man wollte freundschaftliche Gefühle zwischen Feinden durch wechsel¬
seitige Transfusionen erwecken.*)
Trotz dieser grossartigen Aussichten wollte die Sache nicht recht vor¬
wärts gehen; denn die Kranken, welche noch etwas zu hoffen hatten, trauten
den Versprechungen nicht recht, wenn sie horten, dass die durch die
Transfusion Geretteten nachher doch gestorben wären. Die Aerzte frei¬
lich behaupteten, die Rettung habe wirklich stattgefunden, die dennoch
später (vielleicht sehr bald) Gestorbenen seien nur zufälligen, nebenher¬
laufenden Ursachen erlegen. Die Transfusion blieb deshalb lange Zeit Schau¬
stück mit Thieren, bei Menschen kam sie wegen unzureichenden Materials
fast ganz in Vergessenheit; sie wurde nur hin und wieder bei den mannig¬
fachsten v meist verzweifeltsten Fällen als ultimum refugium angewendet
und konnte fast 100 Jahre keinen rechten Boden gewinnen.
Endlich kam statt des bisherigen Traumlebens eine Zeit praktischer
Nutzanwendung für dieselbe, als Martin im Jahre 1859 sein Werk über
„die Transfusion bei Blutungen Neuentbundener* herausgab und darin
glänzende Resultate zu verzeichnen hatte. Unter 57 Fällen waren 40 ge¬
nesen! Wir finden hier die bestimmte Indication der acuten Anaemie,
wir finden hier die bestimmte Absicht, das dem Körper rasch verloren
gegangene Blut durch lebendes**) Blut direct zu ersetzen.
Warum bei Martin ein fast augenblicklicher Erfolg auftreten konnte,
vielleicht sogar musste, werden wir später genauer erkennen; warum
dauernder Erfolg so oft die Operation krönte, wird aus den später fol¬
genden Betrachtungen auch in hohem Grade plausibel erscheinen.
Aus den Marti n’sehen Versuchen oder vielmehr Resultaten schienen
zwei Sätze mit absoluter Gewissheit bervorzugehen:
1) Die Bluttransfusion ist eine leichte, einfache Operation.
*) Gesellius, Studie S. 1G7, erwähnt eines gewissen Hüne (1667), der — ein
Vertheidiger der Transfusion — sagte: „dass man uneinige Eheleute durch
eine wechselseitige Transfusion einig machen könne, glaube er nielit“. Das schien
ihm also selbst mit der Transfusion zu schwierig.
**) Lebendes Blut ist hier stets als ein kurzer Ausdruck für solelies Blut an-
gewendet, das bei seiner Entnahme aus einem gesunden Körper die Eigenschaft
bewahrt, welche es befähigt, im Gefässsystem eines anderen Thieres oder Menschen
als Blut fort zu functioniren.
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2) Das übertragene Blot functionirt an Stelle des verlorengegangenen
und ersetzt dies.
Diese beiden Sätze aber als richtig angenommen, so schien bei
weiterer Reflexion kein Grund vorzuliegen, die Bluttransfusion nur für
die acute Anaemie zu reserviren, vielmehr zeigten sich sehr bald Ver¬
treter der Ansicht, lebenskräftiges Blut auch für anormales bei Septicaemie,
Chlorose und Leukaemie, bei Typhus, Cholera und acuten Vergiftungen
und dergl. zu substituiren. Die mehr oder weniger gelungenen Heilungen oder
wenigstens Besserungen liessen natürlich nicht lange auf sich warten.
Dass man dabei meist dem einzuführenden Blute durch Aderlass des
Patienten Platz schaffen musste, ergab sich fast von selbst, schon um
die gefürchtete Plethora zu vermeiden.
Leis ring*) z. B. stellt in seiner Arbeit vom Jahre 1872, also un¬
gefähr im Beginn der Blütbezeit, die Indication der damaligen Wissen¬
schaft, wie folgt: »Die Transfusion ist indicirt bei allen denjenigen krank¬
haften Zuständen, wo das Blut, sei es quantitativ, sei es qualitativ, so
verändert ist, dass es seine physiologischen Pflichten nicht mehr er¬
füllen kann.“
Er fügt zwar hinzu: »Gewiss^eine sehr weite Stellung der Indication,
und doch hoffen wir zu beweisen, eine durchaus gerechtfertigte; denn es
muss ebensowohl die Anaemie, acut und chronisch entstanden, heran¬
gezogen werden, als die Vergiftung des Blotes durch die verschiedensten
Gifte, oder die Veränderungen des Blutes, in der die einzelnen körper¬
lichen Bestandtheile desselben quantitativ fehlen oder vermehrt sind —
(hartnäckigste Fälle von Chlorose und die Leukaemie).“
Martin hatte ganzes, d. h. nicht defibrinirtes Menschenblut ver¬
wendet, das er mittelst einer einfachen Stempelspritze in die Vene ein¬
spritzte. Bei nur etwas längerer Zeitdauer mussten sich bei dieser Art
der Operation Gefahr der Gerinnung mit all ihren höchst fatalen Folge¬
erscheinungen einstellen, es entwickelte sich deshalb aus dem ganzen
Menschenblut der erste streitige Punkt Es bildeten* sich zwei Parteien,
die mit Heftigkeit ihre Meinung geltend machten. Die eine wollte die
Gefahren der Gerinnung des ganzen Blutes, Thrombose und Embolie, die
leicht eintreten konnte (und auch eingetreten ist), durch Defibrination
vermeiden und behauptete, das defibrinirte Blut enthielte den allein maass-
gebenden Hauptbestandteil, die rothen Blutkörperchen, in intacter Form
und sei deshalb gleichwertig mit ganzem Blut in Bezug auf die Trans-
*) Leisring, 1. c. Seite 237 ff.
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fusion. Die andere bestritt die Gefahr der Gerinnung bei einiger Vor¬
sicht oder beschuldigte das durch Schlagen defibrinirte Blut als' stark
verdächtig, da es kleine nicht bemerkbare Gerinnsel und, was noch
schlimmer, minimale Bestandtheile der Colirleinewand u. s. w. enthalten
könne resp. müsse. Die erste Partei meinte, dass durch das Schlagen
resp. Quirlen defibrinirte Blut sei sauerstoffreicher und darum lebens¬
fähiger geworden, die Gegner erwiderten, das gequirlte oder gepeitschte
Blut sei destruirt und untauglich; ausserdem nähme das Defibriniren
kostbare Zeit weg u. s. w. Eine Einigung wurde nicht erzielt und
konnte nicht erzielt werden, da beide Parteien Recht und Unrecht hatten,
und wenn wir noch heut in die NothWendigkeit versetzt wurden, uns
entscheiden zu müssen, so wurden wir nach Kenntnissnahme der Unsumme
aller aufgeführten Gründe pro und contra in Verlegenheit bleiben, falls
wir nicht, zunächst nach rein theoretischen Gründen, im Princip das
ganze, möglichst unberührte Blut vorzieben wollten. Denn das müssen
wir zugestehen, dass das Ideal einer Bluttransfusion darin bestehen müsste,
das Blut des Blutspenders unmittelbar, ohne Berührung mit der Aussen-
weit, in den Blutempfänger überzufübren. Leider ist dies beim Menschen
mit gleichartigem Blot wegen Mangels der Blutspender, die sich zu der
auch für sie selbst nicht ganz gefahrlosen Operation hergeben, durch un¬
überwindliche Hindernisse unmöglich gemacht.
Nun konnte Jemand fragen, wo bleibt bei solchem Zweifel unsere
bewährte Freundin, die Statistik? Auch diese lässt hier im Stich, weil
ohne volle Würdigung des Kräftezustandes des Patienten im Moment der
Operation, der Krankheit, der Nothwendigkeit der Operation, der wirklich
transfundirten Blutmenge, — der endgültige Effect, bestehend in
Tod oder Genesung, gar nicht maassgebend sein kann. Es würde
durchaus unbeweisbar sein, wenn Jemand z. B. behaupten wollte, der Tod
eines Kranken sei nur eingetreten, weil statt defibrinirten Blutes ganzes
gegeben worden sei oder umgekehrt. Auch die Thierversuche, bei denen
man die Macht hat, jederzeit die Beobachtung abzubrecben und den Tod
behufs Untersuchung der inneren Veränderungen eintreten zu lassen, ent¬
scheiden nicht, weil das Nichtauffinden eines feineren Thrombus oder einer
kleinen Embolie noch nicht beweist, dass solche nicht irgendwo bestehen.
Da, wie schon angedeutet, die Entscheidung für unsere Frage keine
grosse Wichtigkeit mehr hat, wie seiner Zeit für die Transfuseurs, sondern
uur der Vollständigkeit wegen erwähnt sein soll, so brauchen wir auf
die weiteren Ansichten und gegenseitigen Einwände nicht erschöpfend
eiuiugehen.
30
I Google
448
Aehnliche Streitfragen haben sich an die Menge des zu transfundireo-
den Blutes geknüpft; es mag hier nur angegeben werden, dass man sich
ungefähr zwischen 30,0 und 300,0 g bewegte, und dass die günstigeren
Resultate im Allgemeinen mit den geringeren Quantitäten verknüpft ge¬
wesen zu sein scheinen. Martin hat nur geringe Mengen transfundirt
Ferner stritt man über die Temperatur, in der das zu transfundirende
Blut zu halten sei (±0 bis 4-37,5° C.); über die Art der Transfusion,
ob direct oder indirect; ob direct von Vene zu Vene (von Postempskv
vorgeschlagen);*) ob von Vene in Arterie (mit Einschaltung eines Pomp-
apparates), von Arterie in Vene (treibende Kraft ist das Herz des Blut¬
spenders); ob indirect in eine Arterie (Hüter)**) oder Vene (wie die
Mehrzahl wollte); ob das Blut unmittelbar bei der Operation durch
Venaesection entnommen werden müsse oder ob es schon vorher ge¬
sammelt und präparirt werden könne. Als Curiosum mag erwähnt sein,
dass vorgeschlagen ist, das Blut, welches Blutegel in sieb aufgenommen,
diesen wieder auszudrücken und dasselbe als zur Transfusion geeignet
später zu gebrauchen; ja, es ist sogar von einem Praktiker behauptet
worden, dass man im Nothfall getrocknetes Blut in Pulverform mit
Wasser verdünnen und mit Vortheil zur Einspritzung verwenden könne!
Doch genug der Verirrungen!
Bei den Transfusionen mit Menschenblut hat sich in der Praxis her¬
ausgestellt, dass geeignetes Blut in seltenen Fällen leicht, in den meisten
gar nicht zu haben war, mit Ausnahme der Kliniken, wo Schüler freudig
ihr Blut darboten und auch sonst auf eine und die andere Art Blut zu
beschaffen war. Besonders für eine directe Transfusion, der mau in
einem bestimmten, später noch näher zu bezeichnenden Fall viel¬
leicht eine gewisse Berechtigung zusprechen könnte, hat es stets ge¬
fehlt. Und mit Recht; denn wenn auch die Gefahr eines Aderlasses uud
der Verlust einer angemessenen Quantität Blut für einen gesunden kräf¬
tigen Menschen nicht allzu gross ist, so wird die Sache doch schon
anders, wenn man jemand zumuthen will, er solle sich eine Schlagader
öffnen lassen und sich in diese oder wohl gar in eine Vene eine Caoüie
einlegen resp. einbinden lassen. Für den Blutempfänger kann ja eveoL
die Gefahr der Einführung der Canüle in ein Gefäss nur wenig in Be¬
tracht kommen, weil der zu Operirende diese Gefahr mit in den Kauf
*) Neudorfer: Beiträge zur Transfusion. Deutsche Zeitschrift der Chirurgie
Band VI, Heft 1 u. 2 Seite 49 ff. 1875.
**) Hüter: Die arterielle Transfusion. Langenbeck’s Archiv 1870.
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449
nehmen muss und weil die Chancen einer Arterien- resp. Venen-Entzun-
dang immer noch günstig sind im Vergleich zu einem gewissen Tode.
Ehe wir uns zu den Consequenzen des menschlichen Blutmangels '
wenden, mochte ich hier noch über die verschiedenen Vorschläge und
Angaben der Instrumente sprechen, die zur Transfusion dienen sollten.
(Schluss folgt)
Referate uud Kritiken.
Sanitatsbericht über die Deutschen Heere im Kriege gegen
Frankreich 1870/71. Herausgegeben von der Mil. Med. Abthlg.
des Preuss. Kriegs-Minist. 2ter Band. Morbidität und Mor¬
talität bei den Deutschen Heeren und den in Deutschland
untergebrachten kriegsgefangenen Franzosen. Quart. 215 S.
Text u. 474 S. Beilagen. Mit 22 lithogr. Tafeln, 16 Zeichnungen im
Text und 1 Karte. Berlin 1886. E. S. Mittler und Sohn.*)
Vorliegender Band, welcher von dem rüstigen Fortscbreiten des ge¬
waltigen Gesammtwerkes erfreuliches Zeugniss ablegt, enthalt die allge¬
meine Statistik der Verwundungen und Erkrankungen nnd der dadurch
herbeigeführten Todesfälle bei den mobilen Deutschen Heeren, desgleichen
die wichtigsten Erkrankungs- und Sterblichkeitsziffern der immobilen
Deutschen Truppen und der kriegsgefangenen Franzosen, also ein Material,
welches für die weitesten und verschiedensten Kreise gleichmassiges
Interesse hat.
Die Grundsätze und Methoden, nach welchen die Sammlung und
Bearbeitung des Materials stattgefunden hat, sind im Vorwort ausein¬
andergesetzt. Ebenda finden sich auch — wenigstens zwischen den
Zeilen — die Schwierigkeiten angedeutet, welche die Bewältigung des
durch seine Massenbaftigkeit erdrückenden Rohmaterials verursacht hat.
Um so wohlthuender berührt die Uebersichtlichkeit, zu welcher es jahre¬
lange emsige Thatigkeit zu ordnen vermocht hat
Nächst dem höchsten erreichbaren Grade von Genauigkeit durch
Anwendung des Zählkarten-Systems, welches an und für sich schon von
vorn herein die vorliegende Statistik jeder früheren Kriegs-Statistik über¬
legen erscheinen lasst, wurde möglichste Bequemlichkeit der weiteren
wissenschaftlichen Verwerthung durch mannigfache Gruppirung und
durch ausgiebigen Umsatz der absoluten Zahlen in Verhältnisszahlen
angestrebt. So wurden die einzelnen Krankheits- und Sterblichkeits¬
ziffern in gleicher Weise auf die Durchschnitts-Kopfstarke, auf die Ge-
sammtzahl der Erkrankungen bezw. der Todesfälle bezogen, bei den
Gestorbenen ausserdem ihr Verhaltniss zu den Zahlen der Behandelten
berücksichtigt.
Alle wichtigeren Verhältnisse sind auf meist mehrfarbigen lithogra¬
phischen Tafeln, sowie durch die in den Text eingestreuten Zeichnungen nach
*) cf. D. Milit. Ztschr. 1884 S. 432, 467, 500 n. 1886 S. 35.
30*
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450
verschiedenen graphischen Methoden bildlich dargestellt nnd erhalten eine
vielfach unentbehrliche Ergänzung durch die beigegebene Marschroaten-
Karte. An den statistischen Tafeln mochten wir namentlich die so ober«
sichtliche Darstellungsmethode hervorheben, welche die einzelnen
Krankheiten bezw. Krankheitsgruppen als farbige Sectoren von Kreisen
anschaulich macht, deren Sehnenlänge denjenigen Werth repräsentirt, auf
den sich die Einzelzahlen beziehen. Da für jede Krankheitsgruppe ein
und dieselbe Farbe in sämmtlichen dieser Darstellungen festgehalten ist,
so giebt ,eine Gruppirung der Tafeln nebeneinander ein sofort in die
Augen fallendes Bild von dem Frequenzwerthe einer jeden Gruppe unter
verschiedenen Verhältnissen.
Der Text beschränkt sich, soweit er die Deutschen Heere betrifft, dem
Gesammtplane des Werkes gemäss, auf allgemein-statistische Erörterungen
unter Auschlnss der den eigentlichen Krankheitsverlauf betreffenden
Gesichtspunkte, welche hinsichtlich der Verwundungen dem III., hin¬
sichtlich der Seuchen- und Nerven-K rank beiten dem VI. und VII. Bande
Vorbehalten blieben. Im dritten, den Gesundheitszustand der kriegs-
gefangenen Franzosen behandelnden Abschnitt des Textes wurde die ge¬
legentliche Besprechung einzelner Krankheitsfälle nicht völlig abgewiesen,
weil solche dort zur Erklärung der Zahlen nicht gänzlich entbehrt werden
konnte. Einen besonders interessanten und durchaus originellen Zag
erhält der Text durch das von Erfolg gekrönte Bemühen, nicht bloss die
wichtigsten Zahlen hervorzuheben, sondern — soweit es ohne Zwang
möglich ist— den inneren Zusammenhang aufzudecken, welcher zwischen
den für den ersten Blick regellosen, lediglich durch den Zufall beherrscht
erscheinenden Krankheitsziffern der einzelnen Trappenverbände obwaltet.
Dass ein solcher Zusammenhang überhaupt besteht und nachgewiesen
werden kann, beruht auf der Zusammensetzung der Deutschen Heere,
deren einzelne Armee-Corps sich überwiegend aus bestimmten, ein zu¬
sammenhängendes Gebiet (Provinzen etc.) darstellenden Territorien re-
krutiren, so dass die Mannschaften der verschiedenen Truppen verbände
deutliche Stammesunterschiede an sich tragen, welche sich insbesondere
auch in einer verschiedenen Erkrankungsneigung kundgeben. Zar Dar¬
legung dieser Verhältnisse musste der Betrachtung der Kriegsmorbidität
eine ausführliche Erörterung der Friedensmorbidität vorangehen.
Diese Aasführungen gipfeln in dem Nachweise, dass die zeitliche
Krankenbewegung im Frieden nicht durch die besonderen
Eigenthümlichkeiten des Militärdienstes, sondern in ent¬
scheidender Weise durch die Jahreszeit (d. h. mittelbar oder
unmittelbar vorwiegend durch Witterungszustände), die örtliche Zu-
und Abnahme bestimmter Erkrankungsformen aber durch die
geographische Lage der Garnisonen (d. h. durch Race, Klima
und Boden mit ihrem Einfluss auf die gesammten Lebensbedingongen)
herbeigeführt wird.
Die Besprechung der Kriegsmorbidität gliedert sich nach Ver¬
wundungen und Erkrankungen. Als Gesammtzahl der Deutschen Ver¬
wunde ten (Tab. 171) ergiebt sich die Zahl 116821 = 143,3 auf Tausend
der Durchschnitts-Kopfstärke = 104,9 auf Tausend aller mobil Gewordenen.
Davon sind: auf dem Schlachtfelde gefallen: 17 255=21,2%o K. = 14,8
Procent aller Verwundeten; später gestorben: 11,023=13,5%o K. = 11,1
Procent der 99 566 in ärztliche Behandlung gelangten Verwundeten.
Von Letzteren sind 7402 wegen Geringfügigkeit der Verletzung bei der
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451
Trappe verblieben; in die Lazarethe kamen somit 92 164 Deutsche Ver¬
wundete. Im Ganzen (auf dem Schlachtfelde und später) starben nach
Obigem 28 278 Verwundete = 34,7%o K. = 24,2 Procent aller Verwundeten.
Bis Ende Mai 1871 sind von den in Lazarethen behandelten Verwundeten
17325 = 18,8 Procent geheilt zu ihrem mobil enTruppentheil zuruckgekehrt.
Die Hälfte aller Verwundungen (rund 57 000) drängte sich auf den
einzigen Monat Augnst zusammen. Die in den Text eingefugten Tabellen
XVII und XVIII (S. 89 ff.) geben die höchsten Verluste Deutscher
Truppenverbände an einzelnen Tagen, sowie Deutscher Regimenter bezw.
Bataillone während des ganzen Krieges an. Danach zählte z. B. das
Garde-Corps am 18. August 7744, das 3. Armee-Corps am 16. August
0438, das 5. Armee-Corps bei Wörth 4659 u. s. w. todte und verwundete
Mannschaften (ausschliesslich der Vermissten). Von Infanterie-Regi¬
mentern stehen oben an:
das Infanterie-Regiment No. 16 mit der Zahl 1313 am 16. August
- 52 - - - 1151 - -
Grenadier- - - 11 - - - 1089 - - - u. s. w.
Von Jäger- und Schützen-Bataillonen das Garde-Schützen-Bataillon
mit der Zahl 416 am 18. August. Während des ganzen Krieges verlor
durch Tod auf dem Schlachtfelde und Verwundung die meisten
Mannschaften:
das Infanterie-Regiment No. 44:
1530
- 52:
1520
- 16:
1495
Garde Schützen Bataillon
470 u. s. w.
Nach Procenten der Kopfstärke ergeben sich
Mannschaften (ausschliesslich der Vermissten):
todte und verwundete
bei Vionville—Mars la Tour:
16,8%
- Gravelotte—St. Privat:
8,5-
- Colombey—Nouilly:
6,3-
- St Quentin:
6,0-
- Noisseville:
3,9-
- Sedan:
3,8 - u. s. w.
Ausserordentlich hoch stellen sich die Verluste der Offiziere dar.
Dieselben betrugen während des ganzen Krieges 262,0 auf Tausend der
Durchschnittskopfstärke gegenüber 141,l°/ 0 o der Mannschaften.
Die Hiebwunden machten nur 0,6, die Stichwunden 1,3% aller Ver¬
wundungen aus; 98,1% entfallen somit auf Schusswunden, davon 90%
durch Gewehrprojectile.
Die Gesamint-Sterblichkeit der Deutschen an Wunden war im
Deutsch-Französischen Kriege (24,2% aller Verwundeten) fast genau so
gross wie im Feldzuge von 1866 bei den Preussen (24,6o/ 0 ), in beiden
genannten, gleichfalls noch der vorantiseptischen Zeit angehörigen
Kriegen kleiner als in allen europäischen Kriegen der neueren Zeit.
Wenn die Sterblichkeit an Wunden in den Lazarethen 1870/71 etwas höher
erscheint (11,1%) als 1866 (10,6%), so darf darauf hingewiesen werden,
dass die geringere Zahl der im Jahr 1870/71 auf dem Schlachtfelde Ge¬
bliebenen (14,8% gegen 15,7% im Jahr 1866) überwiegend der in Folge
der verbesserten Militär-Sanitäts-Organisation ausgiebigeren ersten Hülfe
zugeschriebten werden kann, welche die Resultate der Lazarethbehandlung
scheinbar verschlechtern muss. Dieser Gesichtspunkt ist auf S. 97 ff.
des Textes erörtert. Insbesondere konnte dort der Einfluss, welchen die
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Gegenwart einer grösseren oder geringeren Zahl von Feld-Lazarethen
auf dein Schlachtfelde auf die nachträgliche Sterblichkeit an Wunden
ausübt, durch Beispiele belegt werden.
Von Kranken der Deutschen Armeen wurden nach Tab. 171, ein¬
schliesslich Oüziere etc., während des ganzen Krieges in Lazarethen
behandelt 480 035 Mann = 589,0% o K, Die Erörterungen im Text
(S. 113 ff.) beziehen sich ausschliesslich auf die Erkrankungen bei den
Mannschaften. Dieselben belaufen sich auf die Zahl 475 400=603 auf
Tausend der Durchschnitts-Kopfstärke = 4^7 auf Tausend aller mobil
gewordenen Mannschaften. Bei dem Preussischen Kontingent betrug der
Gesammtzugang im Kriegsjahr (591 % 0 K.) nur */ 5 mehr als der durch¬
schnittliche Jahreszugang während der Friedensjahre 1867—72 (4957oo K).
Das Maass der Vergleichsfähigkeit, welches den Kriegs- und Friedenazahleo
beigelegt werden kann, ist im Text erörtert. Zeichnung 4 auf Seite 116
thut dar, dass der Lazarethzugang bereits im Januar 1871 fast genau
bis zur durchschnittlichen Friedenshöhe herabgegangen war und in den
nächstfolgenden Monaten noch unter den Friedensdurchschnitt sank.
An diesem bemerkenswerthen Ergebniss ist insbesondere die Armee
vor Paris betheiligt, obwohl sie stark mit Typhus und Ruhr inficirt vor
der Hauptstadt eingetroffen war und obwohl von jeher die lagernden
Truppen am meisten von Krankheiten heimgesucht zu werden pflegten.
Die Tafeln VII und VIII verbildlichen eindringlich den guten Ge
sundheitszustand der Truppen vor Paris sowohl gegenüber den mar-
schirenden Heeren als gegenüber der Armee vor Metz, bei welcher sich
in vollem Gegensatz zu derjenigen vor Paris der Gesundheitszustand
vom Tage der Einscbliessung an bis zur Capitulation unausgesetzt ver¬
schlechterte. Im Text (S. 118 ff.) ist versucht worden, gerade dieser
Erscheinung und den Gründen, welche sie veranlasst haben, insbesondere
der Gefährlichkeit eines engen Zusammenlegens der Mannschaften in in-
salubren Quartieren im Zusammenhänge mit den neueren Anschauungen
über die Krankheitsursachen nachzugehen.
Dass die Seuchen (Typhus und Ruhr) die Bewegung der Ge-
8ammtmorbidität wesentlich beherrscht haben, zeigt Zeichnung 5 auf
S. 123. Zieht man die Summe der mit Infectionskrankheiten Behafteten
vom Gesammt-Lazarethzugange in Krieg und Frieden ab, so ergiebt sich
(S. 122) das höchst beachtenswerte Resultat, dass der Lazarethzugang
wegen nicht infectiöser Krankheitsformen im Kriege (435°/oo K.) den
Friedensdurchschnitt (424% 0 K.) kaum noch übertrifft. Eine entspre¬
chende Zusammenstellung auf Seite 125 führt zu der noch eindringlicheren
Erkenntniss, dass die Todesfälle an nicht infectiösen Krankheiten im
Kriege (3,9%o K.) fast genau dem Friedensdurchschnitt (3,7%o K.)
gleichkommen. Nahezu die gesammte Vermehrung an Krankheiten und
Todesfällen durch Krankheiten im Kriege entfällt somit auf die Infectioos-
krankheiten. Der Kampf gegen letztere muss danach den eigentlichen
Inhalt der gesammten Heeree Hygiene bilden.
Im Ganzen starben während des Krieges an Krankheiten 14904
Offiziere etc. und Mannschaften = 18,2%o K., davon 14,3%o an Infektions¬
krankheiten, gegenüber einer Sterblichkeit an Wunden
von 34,7%o K. einschliesslich der Gefallenen und
von 13,5%o K. ausschliesslich der Gefallenen.
Ein gleich günstiges Verhältnis zwischen Todesfällen durch Krank¬
heiten und solchen durch Wunden ist bisher noch in keinem grösseren
und länger dauernden Kriege erreicht worden.
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Drei Infectionskr&Dkheiten sind während des Krieges zu Seuchen
angeschwollen: Pocken, Typhus und Ruhr.*)
An Pocken sind im Ganzen 4835 Mann = 6,l%o K. erkrankt und
278 (*5,9% der Behandelten) gestorben.
Von typhösen Krankheiten (Unterleibs-Typhus und gastrisches
Fieber) wurden 73 396 Mann = 93,1% 0 K. befallen; 8789 Mann (=12,0%
der Behandelten) starben.
Ruhr ergriff 38 652 Mann = 49,9% 0 K. und todtete 2380 (= 6,2%
der Behandelten).
Andere Infectionskrankheiten (Masern, Scharlach, Diphtherie,
Cholera nostras) kamen nur vereinzelt zur Beobachtung. Die kleinen
Gruppen von Erkrankungen (im Ganzen 124 Beobachtungen mit 84
Todesfällen) an Genickstarre (Meningitis cerebrospinalis) sind im
VII. Kapitel des VII. Bandes des Berichtes eingehend besprochen.
Wechselfieber gelangte nur unter den Badischen Truppen vor Strass¬
barg zu grosserer Verbreitung; bei fast allen anderen Truppen verbänden
blieb es infolge der Bodenverhältnisse und der Cultur des Landes,
welches den Kriegsschauplatz abgab, seltener als im Frieden.
Uebrigen8 konnte sowohl bei dem Wechselfieber als bei einigen
anderen Erkrankungsformen, namentlich bei den Krankheiten der Ath-
mungs- und Ernährungs-Organe sowie bei den Augenkrankheiten der
Zusammenhang der Kriegsmorbidität mit derjenigen des Friedens d. 8.
mit den Einflüssen der Jahreszeit einerseits, mit den Stammeseigen-
thumlichkeiten der Mannschaften andererseits im einzelnen nachgewiesen
werden. Ganz besonders gilt dies von der Lungenentzündung
(S. 145 ff.), deren Häufigkeit bei den einzelnen Truppenverbänden in
augenfälligster Weise der Verbreitung dieser Krankheitsform unter
Friedensverhältnissen und ihrer Abhängigkeit von klimatischen Zuständen
eotsprach. Die Tafeln D und E (hinter S. 143 und 148) sind bestimmt,
die darauf bezüglichen Ausführungen des Textes zu erläutern.
Die in der medicinischen Litteratur mehrfach besprochene Epidemie
von katarrhalischer Gelbsucht, welche im Frühjahr 1871 namentlich
die Bayerischen und Sächsischen Truppen vor Paris ergriff, ist in Tabelle
XXXVIII (S. 164) in Zahlen dargestellt. Tabelle XXXIII (S. 153) giebt
eine Uebersicht über die 1014 Fälle von Frostschäden (mit 6 Todes¬
fällen), weiche während des Krieges eine Lazarethbehandlung erforderten.
Die durch Wundlaufen bezw. Mängel der Fussbekleidung verursachten
Erkrankungen sind auf Seite 151/152 berücksichtigt, soweit das Material
es zuliess.
Im Ganzen starben von den während des Kriegsjahres Verwundeten
und Erkrankten 41 210 Mann (einschliesslich Offiziere etc.) = 52,3%o K.
= 37,0%<> aller mobil Gewordenen. Als kriegsinvalide wurden bis
Ende 1884 anerkannt 69 895 = 62,8%o aller mobil Gewordenen.
Die Krankenbewegung und der Krankenstand bei den immobilen
Truppen gestaltete sich sehr ähnlich wie bei der Friedens-Armee.
Sowohl der Gesammtzugang im Lazareth (591,2% 0 K.) als die Zahl der
Gestorbenen (8,1%<> K.) ging etwas über den Friedensdurchschnitt
hinaus, wahrscheinlich jedoch nur scheinbar infolge von Miteinrechnung
von Kranken der mobilen Armee, welche den Ersatz-Truppentheilen
überwiesen waren. Von Wichtigkeit ist die Thatsache, dass trotz der
*) Erhalten im VI. Baude ihre ausführlichere Darstellung.
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umfangreichen Evacuation von Typhus- und Ruhrkranken keine dieser
beiden Seuchen in die immobile Armee oder in die Civilbevölkerung
Deutschlands verschleppt worden ist. Kleine Gruppen meist leichter
Erkrankungen dieser Art kamen bei den Bewachungsmannschaften in
einigen Gefangenendepots vor (S. 214/215). Bei Weitem mehr hatte
die immobile Armee unter den Pocken zu leiden, welche in derHeimath
3472 Mann =ll,6%o K. (mit 162 Todesfällen) ergriffen.
Der Besprechung der Erkrankungen unter den Kriegsgefangenen
ist eine Schilderung ihres Gesundheitszustandes zur Zeit der Gefangennahme
sowie eine Erörterung ihrer besonderen Lebensbedingungen in den Depots
vorangestellt. Auf Grund dieser Darlegungen und der Erkrankung»-
bezw. Sterblichkeitsziffern konnte alsdann nachgewiesen werden, dass die
Gesundheitsverhältnisse der Gefangenen stets am schlechtesten waren
unmittelbar nach der Internirung infolge der vorausgegangenen Strapazen,
Entbehrungen und der zahlreichen mitgebrachten Infectionen, mit der
Dauer der Gefangenschaft hingegen sich besserten, und dass schliesslich
ihre Morbidität diejenige der Preussischen Friedens-Armee nicht mehr
überstieg (s. Zeichnung 5 auf S. 193). Die sehr hohe Sterblichkeit an
Krankheiten unter den Kriegsgefangenen (48,3 auf Tausend der Durch¬
schnitts-Kopfstärke gegen 18,6 bei der mobilen Deutschen Armee)
stellt sich keineswegs als Folge eines Vorherrschene solcher Krankheits¬
formen dar, welche immer und überall zahlreiche Todesfälle bedingen,
sondern ganz überwiegend als Folge der von vorn herein äusserst geringen,
erst allmälig sich hebenden Widerstandsfähigkeit der Gefangenen auch
an sich leichten Erkrankungen gegenüber. Typhus und Ruhr blieben
trotz der mitgebrachten Infection und trotz der Massenanhäufung in den
Depots, welche die Verbreitung in höchstem Maasse begünstigen musste,
erheblich seltener als bei der mobilen Deutschen Armee, während freilich
die Pocken wegen des mangelnden oder geringwertigen mitgebrachten
Impfschutzes der Gefangenen stark um sich griffen und in hohem Grade
mörderisch verliefen, bis es gelungen war, der grossen Masse der In-
ternirten durch Impfung bezw. Wiederimpfung ausreichende Wider¬
standsfähigkeit gegen das Contagium zu verleihen. Nächst den oben
genannten Kriegsseuchen bedrohten und vernichteten Lungenent¬
zündung und Tuberculose am meisten das Leben der Gefangenen.
Im Ganzen sind 199 031 Franzosen in Deutschen Lazaretben be¬
handelt worden, darunter 35898Verwundete und 163133 Kranke. Die
Gesammt-Sterblicbkeit (17 633 Mann) betrug rund 9% der Behandelten,
in den Lazaretben des Inlandes 8%.
Im Anhang (S. 210 ff) ist auf Grund Schweizerischer und Fran¬
zösischer Quellen nacbgewiesen, dass nicht nur bei den in die Schweix
übergetretenen Mannschaften der Französischen Ostarmee, sondern seihet
unter der Kriegsbesatzung der Festung Langres Krankheit und Tod
reichere Ernte gehalten haben, als bei den in Deutschland untergebrachten
Gefangenen.
Was über die uneigennützige Mitarbeit der ungenannten Autoren,
über die vorzügliche Darstellung und Ausstattung des Werkes bei Be¬
sprechung der früher erschienenen Bände gesagt ist, liesse sich hier nor
wiederholen. Nach Ansicht des Ref. liegt jedoch ein ganz besonderer
Werth des 2. Bandes darin, dass er den Militärärzten die Wege zeigt,
auf deuen sie zu einer richtigen statistischen Verwerthung ihrer eigenen
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alljährlichen Erhebansen gelangen und darauf Schlüsse basiren können,
die sich in heilsamen Vorschlägen und Maassnahmen für die Verhütung
wie Beseitigung krankmachender Einflüsse in der Armee wiederspiegeln.
Die transportable Lazarethbaracke mit besonderer Berücksichtigung
der von Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Augusta
hervorgerufenen Barackenausstellung in Antwerpen im September 1885.
Herausgegeben von Prof. Dr. v. Langenbeck, Generalarzt mit dem
Range als Generallieutenant, Wirklicher Geheimer Rath, Dr. v. Coler,
Generalarzt I. CI. und Abtheilungschef im Kriegsministerium und
Dr. Werner, Stabsarzt. Berlin 1886 bei Aug. Hirschwald.
Gewidmet Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Augusta.
Die Vorrede hebt hervor, dass bereits in der Jury, welche in Ant¬
werpen zusammengetreten, der Wunsch zum Ausdruck gebracht wurde,
das durch die Ausstellung gebotene 'reichhaltige Material möglichst aus¬
zubeuten und für die Krankenpflege nutzbar zu machen. Diesen Wunsch
haben wohl alle sachkundigen Besucher der Ausstellung getheilt; denn
eine überschlägliche Schätzung ergab, dass für die Lösung der gestellten
Aufgabe ausser weitgehender Geistesarbeit ein Capital von mindestens
150000 M. aufgewendet war. Die Zahl der Besucher, welche aus der
Besichtigung einen Nutzen für sich oder gar zur Losung der Frage
ziehen konnten, war im Vergleich hiermit eine verschwindend kleine.
Wenn uns somit bei unseren Wanderungen durch die Ausstellung eine
gewisse Sorge an wandelte, es möchte das reiche Wissen und Können
zu nur geringem Nutzen aufgewendet sein, so ist diese Sorge heute nach
Erscheinen des vorliegenden Werkes hingeschwunden — ein grosses
Verdienst, weiches die Herren Verfasser sich erworben haben. Von den
ausgestellten
13 Baracken in natürlicher Grösse,
36 Barackenroodellen in kleinerem Maassstabe,
11 Beschreibungen und Plänen von Baracken ohne Beifügung
von Modellen
sind in dem Werke 23 Entwürfe auf ebenso vielen Tafeln (eine 24. Tafel
zeigt ausserdem die Skizzen von vier fahrbaren Baracken) so dargestellt,
dass die Zeichnungen einschliesslich der vorausgehenden Beschreibungen
ein volles Bild dessen geben, was die Aussteller erstrebten. Einige fernere
Entwürfe, welche Beachtung zu verdienen schienen, haben nur in den
Beschreibungen Aufnahme, gefunden, weil die Zeichnungen nicht zu er¬
langen gewesen sind. In allen Beschreibungen sind zur besseren Ueber-
sicht die für die Beurtheilung des Materials, der Construction, der Ven¬
tilation, der Heizung, der Abortanlagen u. 8. w. wesentlichen Punkte in
bestimmter Reihenfolge erörtert, so dass dadurch ein Vergleich der
einzelnen Entwürfe erleichtert wird. — Den Beschreibungen haben die
Herren Verfasser eine erschöpfende Erörterung der allgemeinen Gesichts¬
punkte und der Constructionsgrundsätze vorausgeschickt; sie bilden aus
dieser Abhandlung, den Beschreibungen und den Zeichnungen die Ab¬
theilung III des Buches — betitelt „Die praktische Gestaltung der trans¬
portablen Baracke auf der Concurrenz-Ausstellung in Antwerpen“. Diesem,
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den eigentlichen Kern des Werkes bildenden Abschnitt gehen zwei andere,
in das Thema einführende, voraus, nämlich:
I Die Entwickelung der immobilen Lazarethbaracke.
II Die Theorie der transportablen Baracke.
In dem ersten Theil ist dargelegt, wie im vorigen Jahrhundert —
insbesondere in der zweiten Hälfte desselben — die Erfordernisse eines
guten Krankenhauses erkannt sind; es ist u. a. aus dem Konigl. Preussischen
Feldlazarethregleinent von 1787 folgende Stelle angeführt: „Die Kranken¬
häuser müssen, wo möglich, frei und erhaben liegen, mit reiner Luft um¬
geben und nicht weit von fliessendein Wasser entfernt sein. Je mehr
man einzelne Krankenhäuser erhalten kann und je entfernter dieselben
vQn einander liegen, desto besser ist es für die Kranken, die Lazareth-
officianten und die Einwohner des Ortes selbst“. Demnächst ist ent¬
wickelt, wie aus dem Verfolgen dieser Grundsätze die immobile Lazareth¬
baracke erstand.
In dem Abschnitt II ist ausgeführt, dass die immobilen Baracken
meist im Rücken der Armee und zwar in bedeutender Entfernung von
derselben vorbereitet werden müssten und nur nach langem Transport
zu erreichen seien. Diesen Transport kann* aber ein recht erheblicher
Theil der Verwundeten und Kranken des kämpfenden Heeres nicht er¬
tragen, und es sind dies gerade die am schwersten Leidenden, welche eine
sorgfältige Unterbringung ganz besonders erfordern. Daneben sind die
mit ansteckenden Krankheiten behafteten Krieger von dem Rücktrans¬
port ausgeschlossen, denn sofern man sie auf die rückwärtigen Linien
und in die Heimath brächte, würde man die Ansteckung auf den Nach¬
schub des Heeres und auf die Bevölkerung verpflanzen. Beides drängt
zum Bau der fliegenden Baracke und so hat sich das Verlangen nach
ihren Einrichtungen in Frankreich bereits lebhaft geltend gemacht; ge¬
waltiger wird dieses Bedürfnis hervortreten, wenn ein Heer in Gegenden
stehen muss, welche die Cultur in geringerer Weise gefordert hat. Dies
war z. B. im russisch-türkischen Kriege und bei der Besetzung Bosniens
und der Herzegowina der Fall, wo wir denn auch die beweglichen
Baracken zuerst in Anwendung finden. Sie haben hier einen verhältniss-
mässig geringen Nutzen gehabt, weil sie nicht schnell genug beschafft
und zur Stelle waren, und es ist hieraus die Forderung zu erheben, das
eine Anzahl versendbarer Baracken bereits im Frieden vorräthig sei,
so dass bei Beginn des Krieges nur eine entsprechende Ergänzung einzu¬
treten hat. Besitzt die Lazaretbverwaltung eines jeden Corpsbezirks
auch nur wenige versendbare Baracken und stellt sie dieselben bei Epi¬
demien, bei Manövern u. s. w. auf, so wird man auch leicht Mannschaften
erhalten, welche für die Kriegsverwendung die nöthigen Vorkenntnisse
besitzen.
Werfen wir nach dieser Betrachtung der einzelnen Abschnitte einen
Blick zurück auf das ganze Werk, so müssen wir anerkennen, dass die
Herren Verfasser den Dank aller verdienen, denen die Pflege des ver¬
wundeten Kriegers am Herzen liegt, denn sie schufen eine vortreffliche
Grundlage für die weitere Behandlung einer hervorragenden Frage der
Krankenpflege. Dieser Dank gebührt in höherem Masse Ihrer Majestät
der Kaiserin und Königin, welche, wie so vielfach auf dem Gebiete der
Krankenpflege, so auch für die Antwerpener Ausstellung den Antrieb gab.
zur Nieden.
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457
Vorschriften für die ärztliche Ausrüstung 8. M. Schiffe und
Fahrzeuge. Genehmigt durch den Herrn Chef der Admiralität am
18. Mai 1886.
Im Anschluss an die Neubearbeitung der Beilage 5 der K. S. O. ist
seitens der Kaiserlichen Admiralität eine Umarbeitung der „Vorschriften
für die ärztliche Ausrüstung S. M. Schiffe und Fahrzeuge“ vorgenommen
worden, durch welche der Ausrüstungsetat der letzteren vielfach verändert
und ergänzt und der Sublimat-Verband auch für die Marine allgemein
eingeführt worden ist. Nachdem in 8 Paragraphen allgemeine Vor¬
schriften über Ausrüstung der Schiffe mit Inventarien und Materialien,
aber deren Erneuerung bei dauernder Stationirung im Auslande, über
Beschaffung, Bereitung, Verpackung und Aufbewahrung derselben an
Bord, so wie über deren Rücklieferung bei Ausserdienststellungen ge¬
geben worden sind, folgen in VI Abschnitten die Specialetats an In¬
ventarien und Materialien für Schiffe 1. und 2., sowie 3. bezw. 4. Ranges
und für Fahrzeuge mit und ohne Apotheke; den Beschluss machen
4 Beilagen, von denen die erste eine Uebersicht über die überetatsmässige
Ausrüstung im Kriegsfall, die zweite eine Anleitung zur Zubereitung und
Verwendung des antiseptischen Verbandmaterials, die dritte ein Verzeichniss
des Inhalts einer Umhängetasche (für Landungen) und die vierte ein
solches der von den Marineärzten selbst zu haltenden Ausrüstungsgegen¬
stände enthält. —
Die eingreifendste Aenderung gegen früher haben Abschnitt III
(Aerztliche Geräthe), Abschnitt IV (Verbandmittel) und Abschnitt VI
(Arzneien und Reagentien) erlitten. In ersterem Abschnitt sind sämmt-
liche Instrumentenbestecks erheblich verbessert und ergänzt worden und
eine Anzahl neuer Gegenstände sind hinzugetreten, so z. B. ein sehr
compendiöser Kasten zum antiseptischen Verbände und ein Besteck mit
Instrumenten etc. zur Mikroskopie. In Abschnitt IV ist der Etat an Gaze
bezw. Gazebinden und Watte bedeutend erhöht worden, während anti¬
septische Watte und Moll neu etatisirt, Charpie und Jute dagegen ge¬
strichen worden sind. Unter den Arzneien endlich (Abschnitt Vl) sind
eine Anzahl veralteter bezw. solcher Mittel, welche an Bord leicht ver¬
derben, aufgegeben und dafür eine Anzahl neuerer erprobter Mittel (z. B.
Antipyrin, Apomorphin, Cocain) eingefübrt worden. Den Marineärzten
steht somit nunmehr eine Ausrüstung zu Gebote, welche allen billigen
Anforderungen auch nach dem neuesten Standpunkt der Wissenschaft
genügen dürfte.
Die Vorschriften über die Zubereitung etc der Sublimat-Verbandstoffe
(Beilage 2) schliessen sich möglichst an die der Beilage 5 zur Kriegs-
Sanitäts- Ordnung an, nur ist die antiseptiscbe Flüssigkeit in der Marine
etwas stärker gewählt (4: 1000) als in der Armee (5: 1500). Ausserdem
sind für den Fall, dass im Auslande entfetteter Mull angekauft und anti¬
septisch gemacht werden soll, Anweisungen zur Reinigung desselben
beigefügt worden (mehrstündiges Kochen- in Seifen und Sodalauge,
Spulen in reinem Wasser und nochmaliges stundenlanges Kochen in
frischem Wasser). Schliesslich fehlt auch nicht eine Vorschrift über die
Behandlung von Gaze, falls solche im Nothfalle zur Herstellung anti¬
septischer Verbandstoffe benutzt werden muss.
Noch sei erwähnt, dass das antiseptische Verbandpäckchen der
Armee auch für die Marine zur Einführung gelangt ist. Es werden den
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458
Schiffen eine kleine Anzahl derselben als Modelle mitgegeben, und nach
diesen wird der Bedarf bei bevorstehenden Landengen an Bord her¬
gestellt. Eiste.
Mittheilnngen.
Programm
der
59. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte.
Die 59. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte wird, ge¬
mäss dem Beschlüsse der vorjährigen Versammlung in Strassburg, in
Berlin vom 18. bis 24. September d. J. tagen.
Dieselbe wird drei allgemeine Sitzungen, am 18., 22. und 24. September
abhalten, welche in der Zeit von 11 bis etwa l ! /i Uhr im Circus Renz
stattfinden sollen.
Ausserdem sind 30 Sectionen für einzelne Fächer gebildet worden.
Für die Mehrzahl derselben sind Sitzungsräume in der Königlichen Uni¬
versität und in den nächstgelegenen Uuiversitäts- und sonstigen Sta&ts-
und städtischen Anstalten ausgewählt worden. Genauere Nachweise sind
in einer besonderen Zusammenstellung gegeben. Unbeschadet der Frei¬
heit der Sectionen, die Zeit und den Ort für jede ihrer Sitzungen zu be¬
stimmen, wird denselben vorgeschlagen, die letzteren nach den allge¬
meinen Sitzungen und an den freien Tagen erst von 11 Uhr ab anzu¬
setzen, um die Morgenstunden für den Besuch der Ausstellung, der Samm¬
lungen und Museen, sowie für Excursionen nach den staatlichen und
städtischen Aussenanstalten (astrophysikalisches Observatorium in Potsdam,
Garnisonlazareth in Tempelhof, Wasserwerke, Rieselfelder, Viehhof, Irren¬
anstalt in Dalldorf) frei zu halten.
Es wird gleichzeitig eine Ausstellung wissenschaftlicher Apparate,
Instrumente und Unterrichtsgegenstände statlfinden, für welche die König¬
liche Akademie der Wissenschaften und die Königliche Akademie der
Künste Räume in dem Akademie-Gebäude, Unter den Linden 38, zur
Verfügung gestellt haben und welche durch ein besonderes Comite ein¬
gerichtet wird. Die Ausstellung wird täglich in der Zeit von 8 — 11 Uhr
Vormittags den Mitgliedern und Theilnehmern der Versammlung aus¬
schliesslich und unentgeltlich geöffnet sein. Während dieser Stunden
werden die Aussteller und deren Vertreter, sowie Fachgelehrte anwesend
sein, um die erforderlichen Erklärungen zu geben. Den Mitgliedern einzelner
Sectionen wird anheimgegeben, ihre Besuche gemeinsam zu machen; für
diesen Fall ist der Schriftführer des Ausstellungs-Comitös, Dr. Lassar
(Karlstr. 19 NW.) vorher schriftlich zu benachrichtigen. In anderen
Stunden wird die Ausstellung auch dem Publicum gegen Eintrittsgeld
geöffnet werden. Die Eröffnung soll am 16. September geschehen, und
wird Mitgliedern und Theilnehmern gegen Vorzeigung ihrer Mitglieds¬
karte schon von dieser Zeit an der Zutritt freistehen.
Für die ganze Dauer der Versammlung steht der Wintergarten des
Central - Hotels zu geselligen Zusammenkünften und als Mittelpunkt des
persönlichen Verkehrs zur Verfügung. Insbesondere werden die Mitglieder
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459
and Theilnebmer daselbst für sieb and ihre Damen an jedem freien
Abend Gelegenheit za musikalischer Unterhaltung finden.
Das Bureau der Geschäftsführer ist Leipzigerstr. 75 SW. ein¬
gerichtet. Dahin bitten wir alle Correspondenzen geschäftlicher Art,
welche die Versammlung betreffen, zu adressiren. Vom 1. bis 12. Sep¬
tember werden daselbst auch gegen Einsendung oder directe Einzahlung
der Beitrage Mitgliedskarten aasgegeben werden.
Das Wohnungs- und Auskunftsbureau wird am 1. September in
dem Central - Hotel (Eingang von der Dorotheenstrasse 18/21) eröffnet
werden und daselbst bis mindestens zum 18. September fortbestehen. Da¬
selbst werden Anmeldungen für Wohnungen entgegen genommen und vom
13. September ab gegen Einzahlung der Beitrage Mitgliedskarten ausge¬
geben werden. Am 16., 17. und 18. September dient dieses Bureau zugleich
als Empfangsbureau für die Ankommenden. Diejenigen Herren, welche
auf dem Bahnhof Friedrichstrasse ankommen, finden Empfangsraume ge¬
öffnet in dem Central-Hotel, Eingang von der Georgenstr. 25/27, gegen¬
über dem Bahnhof, und können von da aus ohne Zeitverlust die Geschäfte
auf dem Empfangsbureau erledigen.
Vom Nachmittage des 18. September ab wird ein zweites Auskunfts¬
bureau in der Königlichen Universität eröffnet werden. Daselbst werden
auch die Drucksachen, Specialbillets u. s. w. zur Vertheilung gelangen
und Einrichtungen für die Post, den Besuch der Sammlungen, der Theater
und so fort, vorhanden sein.
Obwohl die Versammlung nach ihrem Statut eine „Gesellschaft
deutscher Naturforscher und Aerzte“ ist, so ist die Betheiligung fremder
Gelehrten stets in hohem Maasse willkommen geheissen worden, und
werden dieselben hierdurch freundlich eingeladen.
Die Versammlung besteht aus Mitgliedern und Theilnehmern, jedoch
haben nur die ersteren Stimmrecht (§ 7 der Statuten). Als Mitglied
wird jeder Schriftsteller im naturwissenschaftlichen und artzlicheu Fache
betrachtet (§ 3); wer aber nur eine Inaugural-Dissertation verfasst hat,
kann nicht als Schriftsteller angesehen werden (§ 4). Beitritt (als Theil¬
nebmer) haben Alle, die sich wissenschaftlich mit Naturkunde und Medicin
beschäftigen (§ 6).
Jedes Mitglied und jeder Theilnebmer erhalt zu seiner Legitimation
eine Karte nebst Erkennungszeichen (Schleife), für welche 15 Mk. zu
entrichten sind. Auch können dieselben zum Preise von 10 Mk. Karten
für angehörige Damen erhalten. Die Vorzeigung der Karte wird sehr
häufig nothwendig sein; es wird daher gebeten, sie stets bei sich zu
tragen.
Beschlüsse der Naturforscher-Versammlung können nur in einer all¬
gemeinen Sitzung gefasst werden. Alles wird durch Stimmenmehrheit
(der Mitglieder) entschieden (§ 8 der Statuten). Eine Fassung von
Resolutionen über wissenschaftliche Thesen findet in den allgemeinen
Sitzungen sowohl als in den Sectionssitzungen nicht statt (§ 21).
Die Sectionen werden durch die Einführer eröffoet, wählen sich dann
aber ihre Vorsitzenden selbst. Als Schriftführer fungiren während der
ganzen Dauer der Versammlung die von den Geschäftsführern eingesetzten
Personen. An Letztere sind, auch schon jetzt, alle die einzelnen Sectionen
betreffenden Mittheilungen, Anfragen u. 8. w. zu richten.
Um zeitliche Collisionen solcher Sectionen zu vermeiden, welche ver¬
wandte Gegenstände zu verhandeln haben, wird es zweckmässig sein,
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dass die Schriftführer derselben sich rechtzeitig miteinander in Beziehung
setzen. Es ist in einer vorläufigen Besprechung eine Verständigung
dahin getroffen worden:
1) dass ein gleichzeitiges Tagen der Sectionen für Pathologie, innere
Medicin und Chirurgie vermieden werden sollte, und dass, wenn
möglich, die pathologische Section von 3—5 Uhr, die innere
Medicin und Chirurgie von 11—1 Uhr sitzen möchten,
2) dass die Sectionen für Hygieine, Tropenhygieine und
Militär-Sanitatswesen sich, soweit gemeinsame Themata zor
Verhandlung kommen, untereinander benehmen,
3) dass im Uebrigen die Sectionen für medicinische Specialwissen¬
schaften Stunden von 1—3 Uhr wählen möchten,
4) dass die Sectionen für Physik und Chemie, sowie diejenigen für
Chemie, Pharmakologie und Pharmacie einerseits, die for Zoo¬
logie, Anatomie und Physiologie andererseits, wenn irgend aus¬
führbar, verschiedene Sitzungszeiten wählen, wobei auch mit
den Sectionen für das landwirtschaftliche Versuchswesen und für
naturwissenschaftlichen Unterricht Fühlung zu nehmen wäre.
Das Tageblatt wird an jedem Morgen ausgegeben werden und ausser
den Anzeigen der Geschäftsführer, den Mitgliederlisten u. 8. w. die Ver¬
handlungen der allgemeinen Sitzungen so viel als möglich vollständig,
die Verhandlungen der Sections-Sitzungen in kurzen Auszügen bringen.
Von einer vollständigen einheitlichen Veröffentlichung der gesammten
Sectionsverhandlungen muss wegen der voraussichtlich übergrossen Menge
des Materials abgesehen werden.
Die Redaction des Tageblattes haben die Herren Dr. Guttstadt
und Dr. Sklarek übernommen. Das Redactionsbureau wird sich in dem
Universitätsgebäude befinden. Dahin werden die Herren Schriftführer
so bald als möglieh nach dem Schlüsse der jedesmaligen Sitzung den
Bericht über die stattgehabten Verhandlungen abliefern. Um die er¬
forderliche Correctheit zu erzielen, werden sie während der Sitzungen
jedem der Redner ein Blatt überreichen, auf welchem derselbe selbst
den Inhalt seiner Mittheilung resumiren kann. Für jede Sitzung einer
Section wird einer der Schriftführer die Verpflichtung übernehmen, den
Bericht druckfertig herzustellen.
Eine Uebersicht der verfügbaren Hotels wird besonders ausgegeben.
Es wird dringend gebeten, die Wohnungen im Voraus zu bestellen, da
es sehr schwer werden dürfte, im letzten Augenblick geeignete Räum¬
lichkeiten zu finden.
Berlin, Anfang August 1886.
Die Gechäftsführer der 59. Versammlung Deutscher Natur¬
forscher und Aerzte.
Rud. Virchow. A. W. Hofmann.
Allgemeine Tagesordnung,
vorbehaltlich einzelner Aenderungen und Zusätze.
Donnerstag, 16. September. 11 Uhr Vorm.: Eröffnuug der Aus¬
stellung im Akademiegebäude. Freitag, 17. September. 7 Uhr Abends:
Zusammenkunft zu gegenseitiger Begrüssung im „Wintergarten“ des Ceu*
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tral-Hotels (Eingang Doi'otbeenstr. 18/21). Sonnabend, 18. September.
8 Ubr Vorm.: Besuch der Ausstellung. 11 Uhr Vorm.: Erste allgemeine
Sitzung im „Circus Renz“ (Markthallenstrasse, Eingang zwischen Karl¬
strasse 18 und 19). Wahl des Versammlungsortes und der Geschäfts¬
führer für 1887. 2 Uhr Nachm.: Einführung der Sectionen in ihre Locale.
CoD8tituirung und eventuell Sitzungen der Sectionen. 5 Uhr Nachm.:
Festessen. 8 Uhr Abends: Concert im „Wintergarten“ des Central-Hotels.
Sonntag, 19. September. 8 Uhr Vorm.: Abfahrt zu der Regatta.
10 Uhr Vorm.: Segel-Regatta auf dem Müggelsee (Friedrichshagen), ver¬
anstaltet von dem Berliner Yacht-Club. Nachm.: Rückfahrt nach Berlin.
Nach dem Ermessen der Mitglieder Fahrten durch Berlin und Umgegend.*)
8 Uhr Abends: Concert im „Wintergarten des Central-Hotels. Montag,
20. September. 8 Uhr Vorm.: Ausstellung event. Besuch von Samm¬
lungen, Museen; Excursionen. 11 Uhr Vorm., 1 Uhr Nachm., 3 Uhr
Nachm.: Sections-Sitzungen. 8 Uhr Abends: Concert im „Wintergarten“
des Central-Hotels. Dienstag, 21. September. 8 Uhr Vorm.: Aus¬
stellung, event. Besuch von Sammlungen, Museen; Excursionen. 11 Uhr
Vorm, und 1 Uhr Nachm.: Sections-Sitzungen. 4 Uhr Nachm.: Besuch
des Polytechnicum in Charlottenburg. 6 Uhr Nachm.: Freie Vereinigung
im Zoologischen Garten. Mittwoch, 22. September. 8 Uhr Vorm.:
Ausstellung, event. Besuch von Sammlungen, Museen. 11 Uhr Vorm.:
Zweite allgemeine Sitzung im „Circus Renz“. 3 Uhr Nachm.: Sections-
Sitzungen. C Uhr Abends: Fest der Stadt Berlin in der Kunst-Aus¬
stellung. Donnerstag, 23. September. 8 Uhr Vorm.: Ausstellung,
event. Besuch von Sammlungen, Museen; Excursionen. 11 Uhr Vorm.,
1 Uhr Nachm., 3 Uhr Nachm.: Sections-Sitzungen. 8 Uhr Abends: Ball
im „Wintergarten“ des Central-Hotels. Freitag, 24. September. 8 Uhr
Vorm.: Ausstellung, event. Besuch von Sammlungen, Museen. 11 Uhr
Vorm.: Dritte allgemeine Sitzung im „Circus Renz“. Schluss der Ver¬
sammlung.
Es ist der Wunsch ausgedrückt worden, dass am Sonnabend, den
25. September eine Extrafahrt nach den Nordseebädern veranstaltet werde.
Ans dem auch nur vorläufigen Verzeichnisse der einzelnen Sectionen
heben wirdes beschränkten Raumes wegen lediglich das der Section 26
für Militär-Sanitätswesen hervor:
Sitzungsort: Med.-chir. Friedrich-Wilhelms-Institut, Friedricbstr. 140.
Einführer: Generalarzt Dr. Wegner, Generalarzt Dr. v. Stuckrad,
Generalarzt Dr. Schubert, Generalarzt Dr. v. Coler, Generalarzt
Dr. Wenze).
Schriftführer: Stabsarzt Dr. Am ende, Friedricbstr. 140, NW.
Angemeldete Vorträge.
Generalarzt Dr. Roth: Die neuesten Erscheinungen auf dem Gebiete
des Militär-Sanitätswesens.
Regierungs- und Baurath Dr. zur Nie den: Mittheilungen über eine
transportable Baracke.
*) Wer Potsdam, Wannsee oder einen der Vororte an der Potsdamer Eisenbahn
besuchen will, kann sofort von Friedrichshagen mit der Stadtbahn dahin durchfahren.
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Stabsarzt Dr. Lad ewig: Ueber bis jetzt noch nicht beschriebene
Exercirknochen nebst Demonstration von Präparaten.
Stabsarzt Dr. Reger. \
Stabsarzt Dr. Erocker. % Wortlaut noch nicht festgestellt.
Stabsarzt Dr. Werner. J
Tagesordnung der dreizehnten Versammlung des Deutschen
Vereins für öffentliche Gesundheitspflege zu Breslau, am
13., 14. und 15. September 1886.
Montag den 13. September 9 Uhr Vormittags in der Aula der Kgl.
Universität I. Die Untersuchuugsanstalten für Nahrungs- und
Genussmittel sowie Gebraucbsgegenstände, deren Organisation
und Wirkungskreis. Referent: Herr Professor Dr. Albert Hilger (Erlangen).
— II. Volks-undScbulbäder. Referenten: Herr PrivatdocentDr. Oscar
Lassar (Berlin), Herr Oberbürgermeister Merkel (Göttingen).
Dienstag, 14. September 9 Uhr Vormittags in der Aula der Kgl.
Universität III. Antrag des Ausschusses auf Abänderung der
§§. 4 u. 7 der Satzungen. — IV. Ueber Rieselanlagen mit be¬
sonderer Berücksichtigung von Breslau und über andere Reinigungs¬
methoden der städtischen Abwässer. Referenten: Herr Baurath
Kau mann (Breslau), Herr Professor Arnold (Braunschweig).
Mittwoch, den 15. September 9 Uhr Vormittags in der Aula der
Kg). Universität. V. Moderne Desinfectionstechn ik mit besonderer
Beziehung auf öffentliche Desinfectionsanstalten. Referenten:
Herr Professor Dr. Franz Hofmann (Leipzig), Herr Bezirksphysicus
Dr. Jacobi (Breslau).
Donnerstag 16. September. Gemeinsamer Ausflug nach Alt¬
wasser, Besichtigung des Fuchsstollens (Kohlenbergwerk), Bad Salzbrunn
und Fürstenstein. Abfahrt: 9*/« Uhr Vormittags vom Freiburger Bahn¬
hof, Berliner Platz.
General-Rapport
von den Kranken der Königlich Preussischen Armee, des XII. (Königlich
Sächsischen) und des XIII. (Königlich Württemhergischen) Armee-Corps,
sowie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich Bayerischen
Besatzungs-Brigade pro Monat Mai 1886.
1) Bestand am 30. April 1886: 11227 Mann und 57 Invaliden
2) Zugang:
im Lazareth 11 532 Mann und — Invaliden,
im Revier 19 683 7 _
Summa 31 215 Mann und 7 Invaliden.
Mithin Summa des Bestandes und Zuganges 42 442 Mann und 64 Invaliden,
in Procenten der Effectivstärke 10,5% und 22,3%.
3) Abgang:
o O-
geheilt.
29 490 Mann, 14 Invaliden,
gestorben ....
109 - 3 -
invalide.
178 - —
dien8tunbrauchbar .
292 - —
anderweitig . . .
468 - 2
Summa . .
30 537 Mann, 19 Invaliden.
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463
4) Hiernach sind:
geheilt 69,5% der Kranken der Armee und 21,9% der erkrankten In¬
validen,
gestorben 0,25% der Kranken der Armee und 4,7 % der erkrankten In¬
validen.
5) Mithin Bestand:
am 31. Mai 1886 11 905 Mann und 45 Invaliden,
in Procenten der Effectivstärke 2,9% und 15,7%.
Von diesem Krankenstaude befanden sich:
im Lazareth 8 304 Mann und 4 Invaliden,
im Revier 3 601 - - 41
Es sind also von 389 Kranken 270,3 geheilt, 1,0 gestorben, 1,6 als
invalide, 2,7 als dienstunbrauchbar, 4,3 anderweitig abgegangen, 109,1 im
Bestand geblieben.
Von den Gestorbenen der activen Truppen haben gelitten an: Schar¬
lach 2, Diphtheritis 1, Karbunkel 1, Unterleibstyphus 7, chronischer Al¬
koholvergiftung 1, acutem Gelenkrheumatismus 3, Scorbut 1, Scrophu-
lose 1, Hitzschlag 1, bösartigen Geschwülsten 1, Hirn- und Hirnhaut¬
leiden 6, Rückenmarksleiden 1, Croup 1, Lungenentzündung 24, Lungen¬
schwindsucht 29, Brustfellentzündung 5, Herzleiden 4, Krankheiten der
Speiseröhre 1, Blinddarmentzündung 4, Bauchfellentzündung 4, Krankheiten
der Ernährungsorgane 1, Nierenleiden 4, constitutioneller Syphilis 1,
Zellgewebsentzündung 1, Knochenentzündung 3; an den Folgen einer
Verunglückung: Sturz mit dem Pferde 1. Von den Invaliden: an Krank¬
heiten: Blutarmuth 1, Gehirnleiden 1, chronischem Magenkatarrb 1.
Mit Hinzurechnung der nicht in militärärztlicher Behandlung Verstor¬
benen sind in der Armee im Ganzen noch 43 Todesfälle vorgekommen,
davon 5 durch Krankheiten, 15 durch Verunglückung, 23 durch Selbst¬
mord; von den Invaliden: durch Krankheiten 1; so dass die Armee im
Ganzen 152 Mann und 4 Invaliden durch den Tod verloren hat.
Nachträglich pro April er.:
1 Selbstmord durch Ertränken.
General-Rapport pro Monat Juni 1886.
1) Bestand am 31. Mai 1886: 11905 Mann und 45 Invaliden.
2) Zugang:
im Lazareth 8 704 Mann und — Invaliden,
im Revier 14 514 - 10
Summa 23 218 Mann und 10 Invaliden.
Mithin Summa des Bestandes und Zuganges 35 123 Mann und 55 Invaliden
in Procenten der Effectivstärke 8,7% und 19,2%.
3) Abgang:
geheilt ....
. 23 320 Mann, 8 Invaliden,
gestorben . . .
79 - —
invalide ....
188 -
d ien st u nbrauchbar
314 - —
anderweitig . .
461 - -
Summa .
. 24 362 Mann, 8 Invaliden.
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464
4) Hiernach sind:
geheilt 66,4 °/o der Kranken der Armee und 14,5% der erkrankten In¬
validen,
gestorben 0,23% der Kranken der Armee und — % der erkrankten In¬
validen.
5) Mithin Bestand:
am 30. Juni 1886 10 761 Mann und 47 Invaliden,
in Procenten der Effectivstärke 2,6% und 16,4%.
Von diesem Krankenstände befanden sich:
im Lazareth 7 369 Mann und 6 Invaliden,
im Revier 3 392 41
Es sind also von 445 Kranken 295,5 geheilt, 1,0 gestorben, 2,4 als
invalide, 4,0 als dienstunbrauchbar, 5,8 anderweitig abgegangen, 136,3 im
Bestand geblieben.
Von den Gestorbenen der activen Truppen haben gelitten an: Kar¬
bunkel 1, Eitervergiftung 1, Unterleibstyphus 6, Wechselfieber 1, epi¬
demischer Genickstarre 1, acuter Alkoholvergiftung 2, acutem Gelenk¬
rheumatismus 2, Hitzschlag 1, Geisteskrankheit 1, Hirn- und Hirnhaut¬
entzündung 7, Lungenentzündung 7, Lungenhlutung 1, Lungenschwind¬
sucht 20, Brustfellentzündung 10, Herzleiden 3, Darmverschlingung 1,
Darmentzündung 2, Bauchfellentzündung 2, Nierenleiden 2, Zellgewebs¬
entzündung 1, Knochenentzündung 2, chronischer Gelenkentzündung 2;
an den Folgen einer Verunglückung: Hufschlag 1, Sturz vom Pferde 1;
an den Folgen eines Selbstmordversuches: Erschiessen 1.
Mit Hinzurechnung der nicht in militararztlicher Behandlung Ver¬
storbenen sind in der Armee im Ganzen noch 58 Todesfälle vorgekommen,
davon 11 durch Krankheiten, 23 durch Verunglückung, 24 durch Selbst¬
mord; von den Invaliden: durch Krankheiten 1; so dass die Armee im
Ganzen 137 Mann und 1 Invaliden durch den Tod verloren hat.
Nachträglich pro Mai er. verstorben:
1 Mann an Leberleiden (Urlaub).
Gedruckt in d«r Königl. Hofbockdruckerei von B. & Mittler u. Sohn, Berlin Kochatruse 69-T0.
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General-Vertreter und I.icenzträger für Deutschland:
. STREINER & GOLDSCHMIDT.
Berlin SW., Friedrichstrasse 241.
Deutsche
Militärärztliche Zeitschrift
Redaction:
Dr. Jt. Generalarzt,
Berlin, Tanbenstrasse 6,
u. Dr. $• <£*ttfar$, Stabsarzt,
Berlin, Kaiser Franz Grenadier-Platz 11/12.
Verlag:
f. §. SKtttfer & $•'«,
Königliche Hofbachhandlang,
Berlin, Kochstrasee 68—70.
Monatlich erscheint ein Heft von mindestens 8 Druckbogen; dazu ein „Amtliches Beiblatt“. Der
Zeitschrift wird das Werk: „Jahresbericht Uber die Fortschritte anf dem Gebiete des Milit&r-
SanitEts-Wesens“, heransgegeben vom Generalarzt Dr. Both, unentgeltlich beigegeben. Bestellung
nehmen alle Postämter und Buchhandlungen an. Preis des Jahrgangs 15 Mark.
XV. Jahrgang._1886. Heft 10.
Die 59. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte.
Der glänzende Verlauf, welchen die diesjährige 59. in der Reichs-
hanptstadt abgehaltene Versammlung deutscher Naturforscher nnd Aerzte
genommen hat, ist den Lesern dieser Zeitschrift bereits durch die Tagespresse
bekannt geworden. In alle Gaue des Reiches haben inzwischen Mitglieder
und Theilnehmer der Versammlung mündliche Runde getragen von der
derselben entgegengebrachten Allerhöchsten Huld, von dem warmen luter
esse der Staatsbehörden, der Gastfreundschaft der Stadt, von der Un¬
ermüdlichkeit und Umsicht der Vorsitzenden und ihrer Gehülfen, von der
bewundernswerthen Organisation der wissenschaftlichen und geselligen
Vereinigungen, von dem gewählten Charakter der dargebotenen Feste
und — last not least — von der Fülle und dem Werthe der geleisteten
Arbeit. Der durch letztere gegebene Anstoss kann erst allmälig zu all¬
gemeinem Bewusstsein kommen, in dem Maasse, als die davon aus¬
gehenden Schwingungen in die Erscheinung treten, — aber schon ein
Blick in die Protocolle der Versammlung muss auch den Ferugebliebenen
mit der Empfindung erfüllen, dass eine unermessliche Anregung für alle
Zweige der Naturwissenschaften und der Medicin gerade von dieser Ver¬
sammlung ausgegangen ist, vor deren Zusammentritt vielfach nicht ohne
scheinbaren Grund besorgt wurde, dass sie durch allzu grosses Aufgehen
in den Vergnügungen der Hauptstadt diejenigen Stimmen vermehren
werde, welche diese älteste Wander-Versammlung für überlebt zu er¬
klären geneigt sind.
31
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466
Es liegt nicht in der Aufgabe dieser Zeitschrift und würde schon
den äusserlichen Rahmen derselben weit überschreiten, an dieser Stelle
die Gesammtheit der dargebotenen wissenschaftlichen Gaben auch nur
zu verzeichnen, geschweige denn im Einzelnen za verfolgen and za
würdigen. Nar die Thatigkeit der Section für Militär-Sanitätswesen
soll hier geschildert and im Anschiasse daran das für die Armee-Aerzte
Wichtigste aas den Verhandlungen der Section für Chirurgie mit-
getheilt werden.
Die (26.) Section für Militär -Sanitätswesen constitairte sich
Freitag, den 17. September, nach Schluss der ersten allgemeinen Sitzung,
in der Aula des Friedrich-Wilhelms-Instituts. Die Vorbereitung und Ein¬
führung hatten die Generalarzte 1. CI. Wegner, v. Stuckrad, Schubert,
v. Coler und Wenzel übernommen unter Mitwirkung des Stabsarztes
Amende als Schriftführer. Nachdem Generalarzt 1. CI. Wegner die
Sitzung eröffnet hatte, wurde derselbe (auf Vorschlag des Generalarztes
1. CI. Roth) zam Vorsitzenden für sammtliche abzuhaltende Sections-
Sitzungen, Generalarzt 1. CI. Roth (auf Vorschlag des Generalarztes
1. CI. v. Coler) zum dauernden Stellvertreter des Vorsitzenden durch
Acclamation gewählt; der Vorschlag des Vorsitzenden, die Stabsärzte
Amende und Jaeckel mit den Functionen der Schriftführer za be¬
trauen, fand ebenfalls die ungeteilte Zustimmung der Anwesenden. Es
wurde beschlossen, drei Sections-Sitzungen (Montags, Dienstags und
Donnerstags) abzuhalten und dem durch den Dienst bei Sr. Majestät
dem Kaiser und König am Erscheinen verhinderten Generalstabsarzt der
Armee Dr. v. Lauer, Excellenz, das Bedauern der Versammlung über
seine Abwesenheit telegraphisch aaszusprechen.
War die Betheiligung schon an der Eröffnung eine lebhafte, so
steigerte sich dieselbe noch bei den eigentlichen Sections-Sitzangen. Nach
Ausweis des Tageblattes der Naturforscher-Versammlung sind 101 Mit¬
glieder und Theilnehmer der Section für Militär-Sanitätswesen beigetreten.
Die Generalärzte 1. CI. k la suite Bardeleben und v. Bergmann fehlten
trotz ihrer vielfachen anderweitigen Inanspruchnahme, namentlich durch
die Section für Chirurgie, bei keiner Sitzung der militärärztlichen Section,
deren warmen, wiederholt durch die Vorsitzenden ausgesprochenen Dank
sie sich dadurch, wie durch ihre Vorträge erwarben.
Unter den von auswärts Erschienenen befanden sich die Generalärzte
Abel, Eilert, Lommer. Das Sächsische Sanitäts-Offiziercorps war,
ausser durch den Generalarzt 1. CI. Roth, durch eine grössere Zahl
älterer und jüngerer Mitglieder vertreten. Als besonders erfreulich wurde
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die rege Beteiligung seitens des Sanitäts-Offiziercorps der österreichisch-
ungarischen Armee empfunden. Generalstabsarzt Hour, die Regiments-
irste Nendoerffer, Kowalski, Kirchenberger wohnten den Sections-
Sitzungen bei und griffen theilweise in die Discussionen ein. Auch Salem
Pascha, Leibarzt des Vicekonigs von Egypten, befand sich unter den
Anwesenden. Mit allgemeiner Theilnahme wurde des durch schwere Er¬
krankung ferngehaltenen Generalarztes 1. CI. Schubert gedacht, der
infolge seiner Stellung als Subdirector des Friedrich-Wilhelms-Instituts
recht eigentlich berufen gewesen wäre, gewissermaassen die Honneurs
des Hauses zu machen, welches zum Theil auf seine Veranlassung der
Section sich öffnete, der in dem ursprünglichen Verzeichniss der Ein¬
fuhrenden nicht gefehlt und noch vom Krankenlager aus die Vorbereitungen
für die Versammlung gefordert hatte.
Montag, den 20. September, Abends fanden sich die der militärärzt¬
lichen Section beigetretenen Mitglieder und Theilnehmer als Gäste der
Berliner militärärztlichen Gesellschaft in den Sitzungsräumen
der letzteren (Arnim’s Hotel) zu geselligem Gespräch und einem Abend¬
essen zusammen. Noch keine Gelegenheit, auch kein Stiftungsfest der
Gesellschaft hat je vorher in diesen Sälen einen so mannigfach zusammen¬
gesetzten Kreis von Militärärzten vereinigt. Dem brausenden Toast auf
Se. Majestät den Kaiser und König, ausgebracht durch den Generalarzt
1. CI. Wegner, folgten Toaste des Generalarztes ä la suite Barde¬
leben und des österreichischen Generalstabsarztes Hour, welche die
ohnehin angeregte Stimmung noch weiter belebten und die allseitig
empfundene Eigenart dieses Zusammenseins zu charakteristischem Aus¬
druck brachten.
Von den zwölf angemeldeten Vorträgen fiel der von dem Königlich
sächsischen Oberstabsarzt Stecher (a. zur Aetiologie der Icterus-Epide-
mien, b. über subcutane Ruptur der geraden Bauchmuskeln) angekündigte
wegen bedauerlicher Behinderung des Anmelders aus; auf die von Stabs¬
arzt Schirach beabsichtigten, auf die Tagesordnung der letzten Sitzung
gebrachten „Bemerkungen über die neue Trageweise des Gepäcks*
musste verzichtet werden, weil die zur Verfügung stehende Zeit durch
die übrigen Mittheilungen vollauf in Anspruch genommen war.
Abgesehen von den nachstehend ausführlicher geschilderten Demon¬
strationen einzelner Gegenstände, blieben während der Dauer der Ver¬
sammlung im Garten des Friedrich-Wilhelms-Institutes aufgestellt: ein
neues Verbindezelt für Sanitäts-Detachements mit einem gemäss der neuen
Beilage 5 zur Kriegs-Sanitäts-Ordnung gepackten Sanitäts-Wagen, eine
31*
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46 $
Dock er’sehe Baracke für den Feldgebrauch, eine ebensolche grossere
(für die Universität®-Klinik in Greifswald bestimmte), sowie ein Zelt.
Am Schluss der letzten Sitzung erklärte Herr Hauptmann Gemmel
einige auf Veranlassung der Medicinal-Abtheilung des Eriegsministeriums
herbeigeschaffte Apparate zur Herstellung und Compression antiseptischer
Verbandmaterialien.
Die Besichtigung des Garnisonlazareths in Tempelhof war seitens
Sr. Excellenz des Herrn Kriegsministers allen Mitgliedern und Theil-
nehmern der Versammlung freigestellt
Auch in der mit der Naturforscher-Versammlung verbundenen Aus¬
stellung „wissenschaftlicher Apparate, Instrumente und Unterrichtsgegen-
Stande“ im Akademiegebäude nahm das Militär-Sanitätswesen eine eigene
Abtheilung ein. Dieselbe umfasste dort einige Modelle transportabler
Baracken, Apparate zum Transport und zur Lagerung von Kranken,
Verbandkasten, Verbandpäckchen und Ausrüstungsstücke zu einem neuen
Tragsystem. Herr Generalarzt 1. Gl. Roth übernahm am Vormittag
des 21. September die Führung der Section durch die gesammte glän¬
zend beschickte Ausstellung.
Der Verlauf der Sections-Sitzungen ist aus dem Nachstehenden er¬
sichtlich.
A. Section für Militär-Sanitätswesen.
I. Sitzung am Montag, den 20. September.
Vorsitzender: Herr Roth.
1) Herr Bardeleben: Ueber Verhinderung von Blutverlusten
bei Amputationen im Felde. Die Esmarch’sche Blutleere, deren
hohe Bedeutung für den chirurgischen Fortschritt Redner ganz besonders
betont, entspricht dem im Thema angegebenen Zwecke nicht ohne
Weiteres in der gehofften Weise. Die Bereithaltung des Schlauches im
Frieden stösst auf Schwierigkeiten, da das Material ungebraucht verdirbt.
Diesem Uebelstande lässt sich freilich durch die vom Redner ange¬
gebene Ein Wickelung mit leinenen, nachher befeuchteten Binden and
Anlegung eines Tourniquetgurtes (ohne Pelotte) abhelfen. Eine andere
Erschwerung liegt in der Unsicherheit ihrer Benutzung bei Exarticulationen
der Extremitäten; vorherige Unterbindung der Hauptgefässe mit folgender
schichtweiser Durchschneidung der Weichtheile ist hinreichend blutsparend.
Der dritte Nachtheil aber ist die durch die Einwickelung bedingte Gefass-
paralyse, welche Blutung aus kleinsten Gefässen und zahlreiche, zeit¬
raubende Unterbindungen bedingt. Deshalb wird in vielen Fällen wegen
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der enormen Anforderungen nach einer Schlacht die Digitalcompression
in ihr Recht treten mdssen.
ln der Discussion betont Herr v. Bergmann, dass er, seitdem er
der Umschnürung keine Ein wickelang, sondern nur eine Erhebung vor-
sasgehen lässt, die Gefässparalyse nicht mehr gesehen hat und die Zahl
der nach Losung des Schlauches nothwendigen Unterbindungen seitdem
anerheblich sei. Aus diesem Grunde mochte er den Schlauch bezw. die
Umschnürung auch für das Feld nicht entbehren.
2) Herr Enoevenagel: Ueber Erkältung und Beziehungen
der Wetterfactoren zu Infectionskrankheiten. Vortragender will
den sogenannten ErkältungsVorgang im Wesentlichen auf local-rheuma¬
tische Eirankheiten beschränkt, die meteorologischen Factoren, namentlich
zum Ver8tändnis8 der Entwickelung von Infectionskrankheiten und Epi¬
demien, aber in anderer Weise verwerthet wissen. Das Entscheidende
SQcht Redner nicht in plützlicher Abkühlung oder Erhitzung, sondern in
der längeren Andauer bestimmt charakterisirter Witterungsperioden. Es
werden Tabellen demonstrirt, welche gewisse Erkrankungen in der Militär-
bevolkerung Schwerins zu atmosphärischen Vorgängen in Beziehung setzen.
(Ausführlichere Wiedergabe der hauptsächlichsten Ausführungen bleibt
Vorbehalten. Red.)
3) Herr Werner: Die transportable Lazarethbaracke. Der
Gegenstand dieses Vortrages, die Lazarethbaracke, ist heutzutage Gemeingut
des Civil- wie des Militär-Hospitalwesens; gleichwohl darf er das Interesse
militärärztlicher Kreise besonders in Anspruch nehmen.
Nicht nur, dass die Lazarethbaracke bis vor wenig Decennien fast
ausschliesslich auf dem Gebiete des Militär- 8anitätswesens Verwendung
fand, auch ihr Werden und Entstehen hängt auf das Innigste mit der
Geschichte desselben zusammen. Der Umstand, dass die Krankenpflege
in deutschen Heeresthcilen von bestimmendem Einfluss auf die Ent¬
wickelung der Lazarethbaracke wurde, konnte es gerechtfertigt erscheinen
lassen, gerade an dieser Stelle einen kurzen Rückblick auf die Gründe
für ihre Einführung zu werfen und zu zeigen, wie sie Ende des vorigen
Jahrhunderts gewissermaassen als Zeichen und Ausdruck der ersten
Regungen einer rationellen Lazareth-Hygiene entstand und wie sie im
weiteren Verlauf letztere selbst in der hervorragendsten Weise zu fördern
berufen war.
Die kurz bemessene Zeit erlaubt es jedoch nicht, auf die ersten
Anfänge einer im hygienischen Sinne zielbewussten Anwendung der
Lazarethbaracke einzugehen, sondern bedingt es, hier mit der Schluss-
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i
epoche des ersten Stadiums der Krankenfrage za beginnen, dem nord¬
amerikanischen Secessions- und dem deutsch - französischen Kriege, io
welchem sie ihre höchsten Triumphe feierte. Aber gerade die Höhe der
erzielten Erfolge, der Wunsch einer- und die Unmöglichkeit andererseits,
ihrer überall theilhaftig zu werden, lenkten den Blick auf eine Unzuläng¬
lichkeit des Systems und führten zu einer fundamentalen Aenderung des¬
selben, mit welcher eine neue Aera des Barackenwesens, die der trans¬
portablen Baracke an Stelle der bisherigen immobilen, eingeleitet wurde.
Zweck dieses Vortrags ist es, kurz die Grande zu erörtern, welche
diese Umgestaltung der immobilen Baracke bedingten.
Im nordamerikanischen Secessionskriege dienten die umfangreichen
Barackenlazarethe, welche für mehr als 133000 Kranke Lagerstellen
boten, durchweg der Krankenpflege in den rückwärts befindlichen Linien.
Alle waren Hauptlazarethe. Man wollte den Schwerpunkt der Be¬
handlung in diese verlegen und dieses Princip ist bei richtiger Begrenzung
gewiss zweckmässig. Allein man darf nicht vergessen, dass ein grosser
Theil der Kranken und Verwundeten, der Schwere ihres Leidens wegen,
entweder gar nicht oder erst sehr spät vom Kriegsschauplätze in diese
Hauptlazarethe befördert werden kann, will man nicht dem Princip ma
Liebe die Evacuation über Gebühr und zum Nachtheil der Kränken ans-
dehnen. Für die ganze Kategorie ansteckender Kranken aber, die
trotz des relativ günstigen Gesundheitszustande 8 der mobilen deutschen
Armeen im Feldzuge 1870/71 über 26 % des gesammten Lazarethzugangs
an Krankheiten ausmachte, ist der Transport in die rückwärtigen Lazarethe
geradezu ausgeschlossen, wenn man nicht der Invasion der die Kriegs¬
heere begleitenden Seuchen in das Hinterland die Thore öffnen will
Diese beträchtliche Quote der nicht transportfähigen und der an¬
steckenden Kranken ist mithin auf dem Kriegsschauplätze selbst zu be¬
handeln. Was aber steht uns hier zur Unterbringung einer so grossen
Zahl von Pflegebedürftigen zu Gebote? Kaum mehr als vor 100 Jahren,
wo die Erkenntniss der Nothwendigkeit einer Abhülfe in dieser Beziehung
sich bereits Bahn brach. Wir sind im Wesentlichen nach wie vor auf
die Baulichkeiten angewiesen, welche der Kriegsschauplatz uns bietet.
Diese aber sind nach unseren heutigen Anschauungen über Lazareth-
Hygiene in der Mehrzahl ein dürftiger und oft nicht einmal räumlich
ausreichender Nothbehelf für Kranke und Verwundete; dies gilt selbst
von dem Kriegsschauplätze in einem so hoch cultivirten Lande,
wie Frankreich. Die actenmässige Darstellung des Kriegs-Sanitäts¬
berichts legt hiervon beredtes Zeugniss ab. In allen Berichten über
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Krankenunterbringung von den ersten Schlachten bei Weissenburg und
Worth an bis za den Kämpfen an der Loire, im Norden and Süden kehrt
die Silage wieder, dass es an Raum zur Bergung der Verwundeten und
Kranken fehlte und andererseits, dass die in Anspruch genommenen
Baulichkeiten oft nicht den niedrigsten Anforderungen an einen gesund-
beitsmissigen Aufenthalt für Pflegebedürftige genügten. Dies galt nicht
bloss für die ersten Tage nach grosseren Actionen, sondern machte sich
Wochen and Monate nach denselben noch geltend und wahrend der Ein¬
schliessung von Metz wurden diese Uebelstande je länger je schlimmer.
Zwei Mittel gab es, dem Mangel geeigneter Lazarethräame zu begegnen:
die Evacaation der Kranken nach Deutschland und die Im-
provisirung von Lazarethen auf dem Kriegsschauplätze. Bei
dem Interesse, welches schon vor dem Ausbruche des deutsch-französischen
Krieges für die Barackenbehandlung allenthalben erwacht war, müsste es
Wunder nehmen, wenn nicht der Versuch zur Schaffung von Baracken-
lazarethen gemacht worden wäre. Wie er in Deutschland ausfiel, ist
allbekannt; je mehr die Erfolge hier befriedigten, um so weniger gilt dies
vom Kriegsschauplätze. Zwar gelang es wohl, in den dauernd occupirten
Gebieten an grosseren Bevölkerungscentren mit ausreichenden Hülfsmitteln
brauchbare Barackenlazarethe zu errichten, aber im Bereich der Kriegs¬
operationen selbst, wo sie am meisten vermisst wurden, stiessen derartige
Unternehmen auf Schwierigkeiten über Schwierigkeiten. Zumeist fehlte
es an geeigneten Arbeitskräften. Pionier -Commandos, die hier und da
zur Verfügung gestellt werden konnten, mussten, um ihren eigentlichen
Aufgaben zu genügen, bisweilen mitten in der begonnenen Arbeit auf-
horen, und was von ihnen und sonstigen Truppenabtheilungen in der Eile
zusammengezimmert wurde, genügte oft nicht dem Bedürfnisse der nächsten
Tage, viel weniger grosseren Ansprüchen. Die Beispiele sind nicht ver¬
einzelt, dass derartige Barackenbauten wegen Undichtigkeit gegen Sturm
and Regen schon nach wenigen Wochen ja Tagen verlassen werden
mussten; in der Regel geschah dies bei Eintritt der kälteren Jahreszeit,
wenn nicht langwierige Aptirungsarbeiten den Improvisationsbau für den
Wintergebrauch herzustellen vermochten. Bisweilen fehlte es auch an
Baumaterial, so bei Metz, wo das Project umfangreicher Baracken¬
anlagen zum Theil an dem Mangel an Holz scheiterte. Man hat gemeint,
dies wäre von rückwärts her wohl heranzuschaffen geweseu. Will man
dies in Zukunft thun, so wird man, schon um unnützen Ballast für
den Transport zu vermeiden, auf Rohmaterial verzichten und vorgearbeitetem
den Vorzug geben, dies aber führt bereits auf den Weg zur zerlegbaren,
transportablen Baracke.
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Da die Bemühungen, auf dem Kriegsschauplätze den Mangel an aus¬
reichenden und geeigneten Lazarethräumen durch Improvisationabauten
zu ersetzen, von einem genügenden Erfolge nicht begleitet waren, so
musste man nothgedrungen, um sich der Ueberfülle der Kranken za
erwehren, von dem zweiten Ausweg zur Unterbringung der letzteren, der
Evacuation, vielfach mehr Gebrauch machen, als es den Wünschen der
Aerzte und den Interessen der Kranken entsprach.
Um den Unzuträglichkeiten zu entgehen, welche sich aus dem Miss¬
verhältnis zwischen Krankenzahl und disponiblen Lazarethräumen ergeben,
tauchte schon damals die Idee auf, die Kranken nicht um jeden
Preis nach rückwärts, sondern für dieselben fertiggestellte,
transportable Lazarethe nach vorwärts, an den Ort des Be¬
darfs, auf den Kriegsschauplatz zu schaffen.
Pirogoff nahm diese Idee als Frucht seiner Bereisung der Lazareth-
aostalten in Elsass-Lothringen mit sich und gab ihr Ausdruck in dem
dem russischen Rothen Kreuze ertheilten Rath, die vorbereitende Thatig-
keit für den Krieg auf die Organisation beweglicher Hospitalgebaude zu
richten, die an jeder Oertlichkeit leicht zu handhaben und leicht dahin
zu bringen seien, wo das meiste Bedürfniss danach gefühlt wird. Selbst
zur praktischen Verwirklichung gelangte — im Kleinen wenigstens —
diese Idee bereits 1870/71, indem die Badische Felddivision zur Bergung
ihrer Kranken Lagerbaracken des Artillerie-Depots in Karlsruhe als
Krankenbaracken auf das Belagerungsterrain vor Strassburg überführte.
Esmarch hatte schon 1869 im Zweigverein des Rothen Kreuzes zu
Kiel betont, dass in Zukunft die Benutzung von Privatgebäuden zu
Lazarethzwecken im Kriege auf das Nothwendigste zu beschränken und
deshalb, etwa nur nach Schlachten, in der Nähe des Schlachtfeldes zu
gestatten, dass aber auch hier sobald als angängig mit der Herstellung
von Baracken nach amerikanischem System zu beginnen sei* Dagegen
sollten Reservelazarethe, das heisst Lazarethe im Inlande, nicht anders als
nach dem amerikanischen Barackensystem eingerichtet werden. Da aber
derartige Baracken nicht überall leicht und gut zu erbauen seien, so
empfahl er, zerlegbare herzurichten, welche gegebenenfalls an dem Ort
des Bedarfs aufgestellt werden sollten. Er fand in dem Ingenieur Risold
einen geschickten Vertreter seiner Idee. Letzterer entwarf die Zeichnungen
zu einer zerlegbaren Holzbaracke, die über den ursprünglichen Plan
EsmarctTs hinaus als eigentliche Feldbaracke gedacht war. Verwendung
als solche hat sie — soweit bekannt — weder 1870/71 noch nachher
gefunden, immerhin gebührt ihr das Verdienst, die erste planmässig vor*
bereitete transportable Baracke zu sein.
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473
War in einem Culturstaat wie Frankreich, mit seinem Reichthum an
Gebäuden und seinen zahlreichen Schienenwegen, guten Land- und Wasser¬
strassen , für die Unterbringung und den Transport von Kranken das trans¬
portable Lazareth mehr eine Frage der Zweckmassigkeit als der zwin¬
genden Nothwendigkeit, so machte letztere sich um so mehr auf dem
Gebiete des nächsten grosseren, des russisch-türkischen Krieges geltend.
Die vorhandenen Gebäude waren an Zahl und Beschaffenheit für die An¬
forderungen der Krankenpflege grosser Truppenmassen nicht ausreichend
und Alles wies gebieterisch auf die Benutzung improvisirter L&zareth-
anlagen hin.
Die Erbauung solcher auf dem Kriegsschauplätze gelang aus Mangel
an Arbeitskräften und besonders aus Mangel an Holz nur vereinzelt und
ging, wo sie versucht wurde, nur recht langsam von Statten. Die Armee
selbst aber verfugte an eigenen Lazareth Vorrichtungen nur über das
Hospitalzelt, und 'dieses hat denn auch vorwiegend dem grossen Bedarf
an Krankenräumen in den vorderen Linien genügen müssen. Dass dies
in dem strengen Winter des Krieges nur recht kümmerlich der Fall sein
konnte, liegt auf der Hand, und Pirogoff selbst, ein eifriger Vertreter
des Hospitalzelts, gab zu, dass dasselbe nur ein trauriger Nothbehelf
war, dass in kalter Jahreszeit und offener Gegend, besonders auf bedeu¬
tenden Höhen, die Unterbringung von Kranken und Verwundeten in Zelten
nur geduldet werden könne und in solchen Districten, wo sich bessere
Unterkunftsmittel nicht bieten, ein nothwendiges Uebel sei.
Die Verwendbarkeit des Zeltes ist klimatisch eben eine begrenzte
und von der Witterung und Jahreszeit abhängige. Die Erhebungen, welche
in der preussischen Lazareth-Verwaltung schon früher und wiederum seit
vorigem Jahre in dieser Richtung angestellt wurden, haben dies von
Neuem bestätigt; an manchen Orten Hess sich die Belegbarkeit der Zelte
in dem allerdings ungünstigen Sommer kaum 2 bis 3 Monate aufrecht
erhalten. Sie stehen trotz des Vorzugs des leichteren Transports aus
diesem nnd anderen Gründen, unter denen die nicht immer ausreichende
Beleuchtung und Ventilation des Zeltinnern besonders hervorzuheben ist,
der Baracke nach, und Pirogoff erkennt dies nach den Erfahrungen des
russisch-türkischen Krieges ohne Vorbehalt an. Nach seinem Urtheil
waren die schlechtesten Hospitäler die Wohnhäuser in den Städten,
während alle Vortheile der Kranken Unterkunft sich auf Seiten der ver¬
einzelt erbauten Baracken amerikanischen Systems befanden, sowohl für
den Sommer wie für den Winter. Ihr einziger Nachtheil sei, dass man
sie nicht überall haben könne, wo man sie brauche.
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474
Ueber ihre Anwendung als transportable Baracken konnte er im
russisch-türkischen Kriege nur wenig Erfahrungen sammeln und diese
waren, da die in Aussicht genommene Benutzung derartiger Baracken
wegen ungenügender Regelung der Beschaffung gar nicht oder doch nur
langsam stattfand, nicht geeignet, sein Vertrauen zur Deckung des Bedarfs
an Lazarethräumen auf diesem Wege zu begründen. Wo sie übrigens
gebraucht wurden, befriedigten sie völlig, sofern es sich um eingeschossige
Baracken handelte.
Pirogoff blieb deshalb aus Rücksichten auf die Schwierigkeiten der
Beschaffung und des Transports zerlegbarer Baracken der Ansicht, dass
das Zelt auch in Zukunft die geeignetste transportable Lazaretheinrichtong
für die russische Armee sei.
Dass die Transportschwierigkeiten kein Hinderniss für die Einführung
des Systems transportabler Baracken sein können und dürfen, hat bald
darauf die österreichische Heeresverwaltung wahrend der Occupation
Bosniens und der Herzegowina bewiesen. Wahrend ursprünglich gehofft
wurde, das in Aussicht genommene kleine Occupationscorps in den vor¬
handenen Garnisonorten des Landes kaserniren zu können, musste, als
feindlicher Widerstand der Bevölkerung die Aufwendung grösserer
Truppenmassen erforderte, auf die Herstellung von Unterkunftsraumen
Bedacht genommen werden. Hierzu waren die Baulichkeiten des an sich
nicht dicht bevölkerten Gebietes im Allgemeinen wegen ihrer höchst
primitiven Construction und der ihnen anhaftenden Insalubritat so wenig
geeignet and ausreichend, dass nicht nur für Kranke, sondern auch für
Mannschaften und Pferde die Aufstellung von Baracken zur Nothwendig-
keit wurde. Man wollte an der dem Mutterlande benachbarten Operations¬
basis in Oesterreich gefertigte zerlegbare Baracken verwenden, in den
entlegeneren Theilen des Occupationsgebiets aber solche durch die Truppen
selbst oder durch Unternehmer, die aus Oesterreich herangezogen wurden,
erbauen lassen. Aber gerade dieser letztere, mit Rücksicht auf die
Transportschwierigkeiten gewählte Theil des Planes wurde vielfach un¬
ausführbar, vorwiegend wegen des grossen Holzmangels, das meist nur
in grünem Zustande und auch so nicht ausreichend zu haben war. Es
mussten deshalb gerade für die entfernteren Gebiete des feindlichen Terri¬
toriums zerlegbare Baracken ganz oder in einzelnen ihrer Bestandteile
eingeführt werden. Die Schwierigkeiten des Transports waren ungeheure,
die Energie, mit welcher sie überwunden wurden, staunenswert. Die
einzige Eisenbahnlinie war unbrauchbar, die Strassen nicht chaussirt, bei
Regenwetter grundlos, der Verkehr im Lande meist nur auf Saumpfade
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»geschnitten. Von den beiden eingerichteten Etappenstrassen wurde die
eine durch Ueberschwemmungen nnd Eisgang, gerade als der Baracken-
trsnsport begann, ausser Betrieb gesetzt, und der ganze Verkehr concen-
trirte sich auf die zweite entferntere, auf der alle Bedürfnisse des Heeres
ans Oesterreich heran geschafft werden mussten. Und doch gelang es,
die in Oesterreich angefertigten Baracken relativ schneller oder doch
nicht langsamer zur Benutzung zu stellen, als die an Ort und Stelle
erbauten.
Rieger, Hauptmann im österreichischen Geniestab, berichtet über die
Anwendung von Baracken im Occupationsgebiet. Trotz der relativ ge¬
ringen Starke der Occupations-Armee mussten solche für 4000 Kranke,
für 10 500 Mannschaften und für 9400 Pferde errichtet werden. Der
kleinste Theil davon wurde in eigener Regie der Truppen gebaut; sie
befriedigten am wenigsten, was ganz mit unseren Erfahrungen in Frank¬
reich übereinstimmt, der Rest wurde von Unternehmern geliefert und
von ihnen waren die in jeder Beziehung zweckmässigsten die transport¬
ablen Baracken, welche aus Oesterreich heran geschafft wurden. Rieger
misst ihnen deshalb nach allseitiger Erwägung des Für und Wider unter
allen den Vorzug bei und tritt ganz und voll für die Einführung dieses
Systems zur Benutzung im Kriege ein. Bei eingehender Prüfung der
Verhältnisse wird man diesem Urtheil beipflichten dürfen. Alles in
Allem ist sonach die transportable Baracke aus der ersten Campagne,
in welcher sie systematische Verwendung fand, mit Ehren hervorgegangen
nnd die Hoffnung ist berechtigt, dass sie den Feldarmeen für die Zu¬
kunft umfangreiche Dienste zu leisten berufen sein wird. In welchem
Umfange, hangt von dem Charakter des Kriegsschauplatzes ab. Man
braucht seine Anforderungen nicht so weit auszudehnen, dass die ge-
sammte Lazarethbehandlung n u r in Baracken-Hospitalern dieses Systems
stattfinden solle; Zelten und Baracken-Improvisationen in Holzrohbau
wird eine Stelle gewahrt bleiben, wenn auch manche Gründe dafür
sprechen, gerade die letzteren durch die zerlegbare Baracke thunlichst
zu ersetzen.
Sie soll uns dazu dienen, das zu so hohem Ansehen gelangte Princip
der Krankenzerstreuung in weiser Beschränkung zu üben, gute Unter-
kunftsmittel für nichtj transportable Kranke und Schwerverwundete zu
gewahren und die Seuchenprophylaxe mit Nachdruck zu betreiben, in¬
dem überall, wo'es Noth thut, rechtzeitig passend gelegene Seuchen-
lazarethe errichtet werden. Dieses letztere Ziel allein ist einiger Mühe
werth, wenn man sich vergegenwärtigt, dass vom deutsch-französischen
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Kriegsschauplätze eine mörderische Epidemie, nicht ohne Mitschuld der
Krankentransporte, ganz Deutschland und die benachbarten Staaten
uberzog, und wenn man beherzigt, was der Kriegs-Sanitäts-Bericht so
uberzeugend darthut, dass die höhere Morbidität und Mortalität dar Feld¬
armee im Gegensatz zur Friedensarmee, abgesehen von den Verwundungen,
fast lediglich durch das Plus der ansteckenden Krankheiten bedingt
wurde.
Damit wir vom Beginn eines Krieges an in der Lage sind, mit
Baracken überall, wo es angezeigt ist, helfend und fordernd für die
Kranken-Unterkunft und Kranken -Isolirung eintreten zu können und
nicht erst eine kostbare Zeit bis zur Schaffung eines gewissen Vorrat!»
an Baracken nutzlos vergeht, muss das System der transportablen
Baracke schon im Frieden cultivirt werden, und hierzu bietet sich im
Civil- wie Militär-Hospital wesen reichlich Veranlassung bei den so zahl¬
reichen Gelegenheiten, welche einen aussergewohnlichen Bedarf an
Kranken-Unterkunftsräumen erfordern, insbesondere bei Epidemien.
Die preussische Heeresverwaltung hatte sich in Erkenntniss der
Bedeutung, welche die transportable Kranken-Baracke im Felde erlangen
könne, schon seit 1883 mit der Erprobung derselben beschäftigt. Anlass
hierzu bot das auf der Hygiene-Ausstellung vorgeführte Modell des
sogenannten Doecker’scben Filzzelts; die Versuchsergebnisse berechtigten
durchaus die weitere Verfolgung des eingeschlagenen Weges, und dieSanitäts-
Conferenz, welche im Frühjahr 1884 zu Berlin zusammentrat, wies im
Zusammenhänge mit anderen Vorschlägen für Verbesserungen im Feld-
Sanitätswesen gleichfalls auf die Nothwendigkeit der Einführung
transportabler Baracken hin. Es galt zunächst brauchbare Modelle hier¬
für zu gewinnen.
Als daher der im Herbst 1884 zu Genf tagenden 3. internationalen
Conferenz der Gesellschaften vom Rothen Kreuz seitens Ihrer Majestät
der Kaiserin und Königin Augusta ein namhafter Preis für eine her?or-
ragende Leistung auf dem Gebiete des Feld-SanitätsWesens zur Ver¬
fügung gestellt wurde, nahm der Delegirte Preussens, Herr General¬
arzt v. Coler, Veranlassung, als Preisobject das beste Modell
einer transportablen Baracke vorzuschlagen. Der Vorschlag wurde an¬
genommen und hatte die Concurrenz-Ausstellung transportabler Baracken
zu Antwerpen im September vorigen Jahres zur Folge. Diese Aus¬
stellung, über Erwarten reich beschickt, lieferte eine Fülle sinnreichster
Constructionen und eigenartiger Verwendungen der verschiedensten
Materialien; sie hat in reichem Maasse den Zweck erfüllt, eine breite
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t sichere Grandlage fdr die praktische Gestaltung des Systems der
portablen Baracke za gewahren and die Einführung derselben in
d&s Hospitalwesen zu ermöglichen; sie bat, wie die Erfahrung inzwischen
lehrte, anregend zu weiterem Schaffen und fruchtbringend gewirkt Es
handelt sich jetzt nur um die Prüfung und Entscbliessung, welche Con-
8truction8art und welches Material das geeignetste ist Hierzu bedarf
es praktischer Versuche, die bereits im Gange sind. Das Versuchsobject,
welches gegenwärtig in der preussischen Lazareth-Verwaltung geprüft
wird, ist auf dem Hofe dieser Anstalt ausgestellt Es hat nach den einge¬
gangenen Mittheilungen durchaus befriedigt, so dass gegenwärtig zwei
wichtige Fragen, die Belegungsfähigkeit im Hochsommer und die Heiz-
barkeit im strengen Winter als gelost zu betrachten und trotz der
leichten Construction dieses Baracken-Systems im bejahenden Sinne zu
beantworten sind.*)
Versuche mit weiteren Modellen und anderen Constructionen werden
voraussichtlich hier wie anderwärts folgen und hoffentlich bald eine
Klärung der wichtigen Frage herbeiführen, wie die in der Theorie als
nothwendig anerkannte transportable Baracke zum Heile unseres Heeres-
Sanitätswesens am zweckmässigsten zu gestalten sei.
4) Herr zur Nieden: Mittheilungen über eine transportable
Baracke (unter Demonstration eines Modells). Zunächst wird
bervorgehoben, dass man für stehende Krankenhäuser 35 bis 40 cbm
Luftraum fordere, für transportable Baracken aber sich mit etwa 12 cbm
(Forderung der Antwerpener Concurrenz) begnügen müsse. Diese Minder¬
bewilligung bedingt ausserordentliche Mittel der Lüftung. Das vorgeführte
Modell ist deshalb so gestaltet, dass
a. im Winter die Rauchrohre der Oefen zwischen einer doppelten
Ummantelung die Luft abführen;
b. bei gewöhnlichem Frühlings- und Herbstwetter Lüftungsklappen
nach Art der Dachreiter bei stehenden Baracken, aber verschliess-
bar, die Luft absaugen;
*) Das Entgegenkommen der Firma Streiner & Goldschmidt hat es er¬
möglicht, die Abbildung einer Doecker'schen Baracke beizufügen, welche dem
während der Naturforscher-VerSammlung ausgestellten Modell nahezu vollkommen
entspricht, nur dass letzteres eine grössere Firsthöhe erhalten hatte und somit
günstigere Bedingungen für die Ventilation und einen grösseren Luftraum gewährte,
Die Dimensionen dieses Modells betrugen: Länge = 13 m, Breite = 5 m, Wand¬
höhe =2,35 m, Firsthöhe = 3,65 m, Fussboden = 65 qm Luftraum = 195 cbm
Cubikraum pro Kranken bei 12 Betten = 16,25 cbm — Gewicht einschl. Fuss¬
boden = 3400 kg. Kosten 3275 Mark.
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c. dass bei steigender Wärme die dem Winde zugekehrte Längsseite
der Baracke durch eine feste Wand,^ die andere durch eine Zelt¬
wand gebildet wird;
d. dass beide festen Wände beseitigt werden können [und ein Zelt
entsteht;
e. dass eine oder beide Zeltwände gehoben werden können, wodurch
volle Verbindung mit der äusseren Luft hergestellt wird.
Ausser vorstehenden Grundsätzen bleibt zu beachten:
f. dass kein Barackentheil grösser sein darf, als der Kasten gewöhn¬
licher Eisenbahnwagen, weil es den Transport erschwert, wenn
Wagen selten vorkommender Constrnctionen nöthig werden;
g. dass der Aufbau und Abbruch der Baracke von gewöhnlichen
Handwerkern und ohne Rüstungen muss bewirkt werden können.
Diesen Grundsätzen gemäss hatte der Vortragende eine Baracke für
die Ausstellung in Antwerpen entworfen; die jetzt vorgenommenen
Aendernngen haben namentlich grössere Feuersicherheit zum Ziel.
II. Sitzung am Dienstag, den 21. September.
Vorsitzender: Herr Wegner.
Vor Eintritt in die Tagesordnung findet eine kurze Discussion ober
transportable Baracken (siehe vorige Sitzung) statt.
Herr Kirchenberger betont im Anschluss an den Vortrag des Herrn
Werner, dass seitens der österreichischen Kriegsverwaltung schon im
Jahre 1788 während des damaligen österreichisch-türkischen Krieges
mobile Lazarethbaracken verwendet wurden. Ausser Pirogoff ist auch
Oberstabsarzt Michaelis in zwei Schriften für die Bereitstellung mobiler
Kranken-Unterkunft8räume im Frieden eingetreten« Die von zur Nieden
jüngst angegebene Improvisation einer Lazarethbaracke ist in holzarmen
Gegenden, wie z. B. in der Herzegowina, nicht zu verwenden. Ueberhaupt
dürfe man sich nicht, um keine Enttäuschungen zu erleiden, auf den
glücklichen Zufall, brauchbares Holz oder anderes geeignetes Material
zu finden, verlassen. Herr Wegner will die improvisirten Constrnctionen
doch nicht ganz preisgeben; es werde sich immer empfehlen, für den
Nothbehelf selbst primitive Constrnctionen aus einfachstem Material im
Auge zu behalten. Nach der Schlacht bei Wörth seien innerhalb 24 Stunden
fünf recht gut und verhältnissmässig lange Zeit brauchbare Baracken aus
Brettern, Bohnenstangen u. 8. w. unter Leitung eines Hauptmanns aufgestellt
und sogar mit Dachreitern versehen worden.
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1) Herr Reger: Demonstration von Ergebnissen neuerer
Schiessversuche mit besonderer Beziehung auf den hydrau¬
lischen Druck. Redner hat in den letzten Jahren eine grosse Reihe
von Schiess versuchen angestellt, namentlich unter dem Gesichtspunkte
der Erforschung des hydraulischen Drucks. Er hat als Geschosse Weich¬
blei (Cal. 2 Mauser), Hartblei, verlotbete Kupfer- und Stahlmantel (Cal. 9),
massive Stahlgeschosse und Geschosse des Armeerevolvers benutzt. Als
Objecte verwandte er Blechbüchsen, die er theils mit Wasser, theils mit
Moskelfleisch füllte und mit einem Maximum-Manometer verband, einen
mächtigen Eichenblock, aus dem Fleische geschälte Röhrenknochen und
lebende resp. während der Versuche getodtete Thiere: 8 Pferde, 7 Hammel
und 2 Schweine.
Er hat mit abgebrochenen, genau berechneten Ladungen geschossen
und zwar aus Entfernungen von 25, 100, 300, 600, 900 und 1200 m.
Die Geschosse wurden in Seih aufgefangen. Deformiren sich die Geschosse,
so findet keine oder nur sehr geringe Wärmeeinwirkung auf das Ziel
statt; deformiren sie sich nicht, so bemerkt man eine starke Sengung
bezw. Verkohlung des Ziels. Die manometrischen Messungen beweisen
das Vorkommen des hydraulischen Druckes, doch geben sie nur denjenigen
Grad des Druckes an, bei welchen das Gefäss auseinanderfliegt.
Redner belegt durch zahlreich vorgelegte Abbildungen das Vorkommen
des hydraulischen Druckes in den verschiedenen Geweben des Körpers,
in der Musculatur, im Fettgewebe, in der Leber, Milz, in den Därmen,
in der Harnblase, im Herzen und in grossen Gefässen, in der Lunge, im
Gehirn, im Rückenmark, in den Knochen und hat die Grenzdistancen
festgestellt, bei denen verschiedene Geschosse diesen Druck noch hervor-
rufen. Als Grundursachen zur Erzeugung des Druckes bezeichnet er
1. die Geschwindigkeit, 2. die Deformation des Geschosses, 3. die Belastung
der auftreffenden Fläche an verschiedenen Organen.
Die Armeerevolver (M/79) haben infolge ihrer Geschwindigkeit und
lebendigen Kraft nur die Wirkung eines Weichbleigeschosses Mauser
Cal. 2 bei ca. 800 m Entfernung. Die landläufigen Revolver können
niemals hydraulischen Druck hervorbringen. (Ausführlichere Mittheilungen
über diesen Gegenstand in einem der nächstem Hefte dieser Zeitschrift
hat Redner sich Vorbehalten, Red.)
2) Herr v. Bergmann: Demonstrationen von Schussfracturen
des Schädels. Redner zollt den exacten Untersuchungen des Vorredners
und besonders seinem Untersuchungsplan vollste Anerkennung, da durch
ihn die Frage der physikalischen Geschosswirkung gelöst sein durfte.
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480
Unter den seitens des Vortragenden demonstrirten Präparaten
interessiren besonders vier Fälle von Streifschüssen des Schädeldaches,
bei denen die Siebbeinpl&tte bezw. die Orbitadächer infolge von Fern¬
wirkung gebrochen waren, sowie einige Fälle sehr ausgedehnter Zerstörung,
die man früher als Granatsprengschüsse angesehen hat, die aber heote
als Flintenschüsse mit hydraulischem Druck erkannt sind.
3) Herr Ludewig: Ueber bis jetzt noch nicht beschriebene
Exercirknochen (nebst Demonstration von Präparaten). Bis
jetzt sind nur Exercirknocben in der Muskulatur der linken Schulter and
Reitknochen in den Adductoren der Oberschenkel beschrieben. Die drei
mitgetheilten Fälle stellen eine Verbindung zwischen Exercir- und Reit-
knochen dar, weil sie beim Reiten durch Aufschlagen der Waffe entstanden
sind. Träger der Neubildungen waren drei kräftige preussische Dragoner
im ersten Dienstjahre, frei von Dyskrasien. Sitz der Exercirknocben
an dem Muse, vastus externus des linken Oberschenkels. Als Ursache
wurde Aufschlagen des Säbelkorbes auf die äussere Seite des linken
Beines bei anhaltendem Galoppiren auf Pferden mit hartem Racken
angegeben. Zeit der Entstehung die Schwadrons-Exercirzeit Der grösste
dieser Knochen, von denen zwei exstirpirt wurden, war 25 cm lang,
6,5 cm breit und 124 g schwer. (Ausführlichere Veröffentlichung des
Vortrages in dieser Zeitschrift bleibt Vorbehalten. Red.)
4) HerrBeck: Demonstration eines neuenTransportapparates.
Es handelt sich um eine Vorrichtung zu Gebirge- und Treppen transport,
sowie zur Verladung schwer Verwundeter in Dampf- oder Pferdefuhrwerke.
Die Vorrichtung beruht auf der Grundlage des Hase-Bec kochen Kranken¬
hebers, dessen in modificirter Construction angefertigte Zangen an eine
2*/* m lange hölzerne Transportstange gehängt werden. Die Zangen
werden durch zwei unter der Achselhöhle des Patienten durchgreifende,
an einem quer durch die Transportstange gesteckten Querstabe eingehängten
Haken ergänzt, welche die Stützpunkte darstellen, vermöge deren Patient
auch in die geeignetste, durch die jeweiligen Transport- oder Verladnngs*
Verhältnisse gebotene Lage gebracht werden kann. Sämmtliche Mani¬
pulationen geschehen, wie beim Hase-Beck’schen Apparat, ohne dass
eine weitere Berührung von Wärterhänden zur Unterstützung des Rumpfes
oder der Extremitäten des Patienten erforderlich wäre. Mittelst an den
Enden der Transportetange anzubringender zusammenlegbarer und zum
Gebrauch zu spreizender Füsse lassen sich die nöthigen Ruhepausen für
die Träger erzielen, auch Gelegenheiten zu bequemster Pflege der Ver¬
wundeten gewinnen, sogar zu etwaigen, während des Transportes noth-
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wendig werdenden Operationen. Durch ein über die Transportstange
gelegtes Tuch von genügender Grosse wird dieselbe in eine Art wan¬
dernden Schirmdaches verwandelt.
Ansserdem demonstrirt Herr Beck eine an dem Hase-Beck’schen
Krankenheber angebrachte, dem Schneider-Merel’schen Apparat nach¬
gebildete Extensionsvorrichtung, deren Mechanismus demjenigen des
Hase’schen Hebegewindes entspricht und wie jenes mittelst einer Kurbel
in Bewegung gesetzt wird; endlich eine an dem Krankenheber anzuhangende
Beckeostätze, welche erforderlichenfalls in einen Becken verband ein-
gegypst werden kann.
HL Sitzung am Donnerstag, den 23. September. (Schluss-Sitzung.)
Vorsitzender: Herr Wegner.
1) Herr Rühlemann: Demonstration einer Tragbahre. Die
auch in der wissenschaftlichen Aasstellung in der Kunstakademie aus¬
gestellte, zerlegbare Tragbahre ist von dem Vortragenden „Matratzen-
Tragbahre" benannt, weil der Bezug von braunem, imprägnirtem Segeltuch
eine Duplicatur hat, so dass derselbe durch seitlich angebrachte Schlitze
mit Stroh, Seegras u. s. w. ausgestopft eine Art Matratze darstellt.
Dieser Bezug ist an den eiserne!) Querstangen (Kopf- und Fusstheil)
durch eine leicht lösbare Verschnürung befestigt. Die runden Tragstangen
werden durch Ringe an den Querstrebeu und durch eine Duplicatur des
Bezuges durchgeschoben; die beweglichen Füsse sind um diese Ringe
drehbar und werden durch eine in dieselbe einschnappende Feder fest-
gestellt. Die Kopflehne wird durch eine Tasche ersetzt, welche mit
irgend welchem Material ausgestopft werden muss. Zusammengerollt
wird die Trage, indem die Stangen herausgezogen und die Füsse horizontal
herausgeschlagen werden; sie wiegt dann 12 Kilo und kann von einem
Manne bequem auf die Schulter genommen werden.
2) Herr Roth: Die wichtigsten Erscheinungen auf dem
Gebiete des Militar-Sanitatswesens im Jahre 1885. Redner
widmet zunächst warme Worte der Anerkennung dem im Jahre 1885
erschienenen VII. Bande (Erkrankungen des Nervensystems) des deutschen
Sanitatsberichts über den Krieg 1870/71, bespricht sodann ausführlich
den russischen Bericht über den russisch - türkischen Krieg von 1877/78,
den Bericht von Myrdacz über den Aufstand in der Herzegowina,
die Berichte über die englischen Feldzüge in Egypten, über die
französische Expedition nach Tonkin, über den serbisch-bulgarischen
Krieg, über die Expedition der Engländer gegen die Ackas und über die
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Bürgerkriege in Columbia. Als wichtigstes Ereigniss auf dem Gebiete
der Kr&nkenbebandlung bezeichnet Vortragender die obligatorische
Einführung der antiseptischen Wundbehandlung in die Armee. Hohe
Bedeutung unter den Vorbeugungsmaassregeln gegen Krankheiten
legt derselbe den Resultaten der Preisausschreibung des Königlich
preussischen Kriegsministeriums betreffs» Umänderung des Gepäcks bei;
ebenso als Vorbereitung für die Kranken Unterbringung der Annahme
einer transportablen Baracke. Der Werth der in dieser Zeitschrift er¬
schienenen Hiller’schen Arbeiten über den Einfluss der militärischen
Bekleidung auf die Wärme-Oekonomie des Körpers wird ruhmend
anerkannt. Mit Berührung einiger organisatorischen Fragen aus
verschiedenen Armeen schliesst Redner unter dem lebhaften Beifall
der Anwesenden. (Von einer ausführlicheren Wiedergabe des Vortrages
glaubt die Red. mit Rücksicht darauf absehen zu können, dass der von
dem Vortragenden verfasste „ Jahresbericht über die Leistungen und
Fortschritte auf dem Gebiete des Militär -Sanitätswesens“ zugleich mit
diesem Hefte der Zeitschrift in die Hände unserer Leser gelangt.)
3) HerrKrocker: Ueber das Verhältnis der geographischen
Medicin und der militärischen Krankheits-Statistik an ein¬
ander.
Meine Herren!
Sie wissen, dass diese 59. Versammlung deutscher Naturforscher
und Aerzte die erste ist, welche neben den früher entstandenen Sectioneo
eine solche für medicinische Geographie aufweist. Gerade die militär-
ärztliche Section hat Ursache, den neuen Spross an dem alten Stamm
mit warmer Sympathie zu begrüssen. Zahlreich und von einschneidender
praktischer Bedeutung sind die Punkte, bei denen die Militärhygiene der
Unterstützung durch die mit der medicinischen Geographie innig ver¬
wachsene geographische Medicin bedarf, und wir können diesem Bedürf-
niss um so unbefangener Ausdruck geben, als die geographische Medicin
ihrerseits längst gewöhnt ist, einen mächtigen Verbündeten in den
Sanitätsberichten der Armeen und der Flotten zu erblicken.
Eine starke Empfindung für den Werth des Beistandes, welchen die
geographische Medicin der Heereshygiene zu leisten vermag, weckt das
Studium der Kriegsseuchen. In diesem Kreise brauche ich nicht im
Einzelnen auseinander zu setzen, dass noch kaum ein länger dauernder
Krieg geführt worden ist, ohne dass eine oder mehrere Infeetionskrank-
heiten zu Seuchen angeschwollen sind. Auch der deutsch-französische
Krieg von 1870/71, so viele hygienische Neuheiten er sonst gebracht
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hat, macht in dieser Beziehung keine Ausnahme. Als die eigentliche
Kriegsseuche dieses Feldzuges müssen in gewissem Sinne die Podken
angesehen werden, in dem Sinne, dass diese Epidemie — und zwar nur
diese — in der Civilbevölkerung der kriegführenden Staaten und
weit über deren Grenzen hinaus im Anschluss an den Krieg und durch
denselben jene gewaltige Ausdehnung erlangt hat, welche ihr eine bedauer¬
liche Berühmtheit in der Geschichte der Seuchen sichert, eine Ausdeh¬
nung, welche diese Epidemie, soweit nur die Zahl der Opfer in Betracht
kommt, geradezu zu einer grosseren Heimsuchung gemacht hat, als den
Krieg. Zwei Zahlen genügen, um dies zu verdeutlichen: 43000 Mann
haben die gesummten mobilen deutschen Heere wahrend des Kriegsjahres
durch Wunden und Krankheiten verloren; im Königreich Preussen allein
aber erlagen bloss im Jahre 1871 nicht weniger als 60000 Menschen
den Pocken. Trotzdem können wir hier von den Pocken absehen, denn
für die mobilen deutschen Heere hatten sie — Dank dem gründlichen
Impfschutze, dessen die meisten Contingente sich erfreuten — keine
Bedeutung. Den Beweis dafür liefern die Tafeln zum II. Bande des
Kriegs-Sanitats-Berichtes. Um so grossere Bedeutung erlangten Typhus
und Ruhr, wie schon aus denselben Tafeln ohne Weiteres ersichtlich ist,
deutlicher aber noch — wie ich glaube — aus dem im II. Bande des
Kriegsberichtes geführten Nachweise, welcher mir von hohem bleibenden
Interesse erscheint, dass der ganze Ueberschuss an Krankheiten und
Todesfällen durch Krankheiten, welchen die mobilen deutschen Heere
über den Friedensdurchschnitt hinaus aufzuweisen hatten, so gut wie
ausschliesslich auf Infectionskrankheiten, d. h. eben, da die Zahlen der
übrigen Krankheitsformen dieser Gruppe ohne Belang sind, auf Typhus
und Ruhr entfallt
Eine ebenso ausgemachte Thatsache wie die regelmassige Vergesell¬
schaftung von Krieg und Seuchen aber ist es, dass die Kriegsheere bisher
noch fast ausnahmslos von den Seuchen mehr oder weniger überrascht
worden sind, selbst wenn der Krieg sich in einer Gegend abspielte,
welche schon vorher den Schauplatz kriegerischer Ereignisse abgegeben
hatte, in welcher schon vorher denselben Völkern Gelegenheit gegeben
war, üble Erfahrungen zu sammeln. Der Grund dafür liegt im Allge¬
meinen dann, dass, wie Seidlitz nach dem russisch-türkischen Kriege
von 1828/29 mit vollem Rechte hervorhob, mindestens in früherer Zeit
nur die militärischen Kriegserfahrungen sich forterbten, nicht aber die
medicinischen. In neuerer Zeit hat dieser Satz allerdings seine Giltig¬
keit wohl sum grössten Theile verloren; der Krimkrieg und die daran
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sich knüpfende Entwickelung der modernen Heereshygiene bezeichnet in
dieser Beziehung den Wendepunkt Specieller und mit grosserer
Berechtigung auch für die jüngste Vergangenheit kann man den Grund
für die Ueberraschung der Kriegsheere durch die Seuchen dahin formu-
liren, dass es bisher keine eigentliche geographisch-medicinische Statistik
gab, und dass das Wenige, was davon etwa vorhanden war, keine
allgemeinere Beachtung gefunden hat Auch hinsichtlich der Ueber¬
raschung durch die Seuchen unterscheidet sich der Krieg von 1870/71
nicht wesentlich von den früheren Feldzügen. Nirgends findet sich eine
Andeutung dafür, dass die Aerzte bei Ueberschreitung der Grenze sich
bewusst gewesen waren, dass sie drei sicher zu erwartenden Epidemien
— Pocken, Typbus und Ruhr — entgegenmarschirten. Freilich ist es
für uns, die wir soeben mühevolle Jahre damit zugebracht haben, die
Sanitätsverhältnisse des deutsch-französischen Krieges zu studiren und
darzustellen, leichter, hinterher zu entwickeln, dass Manches füglich so
kommen musste, wie es thatsächlich gekommen ist, als es damals inmitten
der Ereignisse war, es vorauszusehen; Einiges aber hätte immerhin auch
vorausgesehen werden können, wenn die Sanitätsgeschichte der früheren
Franzosenkriege und die Ergebnisse geographisch-medicinischer Ermitte¬
lungen mehr in das allgemeine Bewusstsein übergegangen gewesen waren,
als thatsachlich der Fall war. Von weit zurückliegenden Zeiten will ich
gar nicht reden; ich will nicht verweilen bei der gerade medicinisch
denkwürdigen Belagerung von Mets durch Kaiser Karl V., schon deshalb
nicht, weil aus den damaligen Schilderungen doch nicht sicher zu erkennen
ist, um welche Krankheitsformen es sich eigentlich gehandelt hat, — aber
schon die Erinnerung an den Feldzug von 1792, dessen unrühmlicher
Ausgang zu gutem Theil, wenn nicht hauptsächlich, der Ruhr zugeschrieben
werden muss, mit welchem überdies der Beginn des Krieges von 1870/71
dieselbe ruhrbegünstigende Jahreszeit gemeinsam hatte, konnte darauf
aufmerksam machen, dass der Vormarsch unserer Armeen seine Richtung
durch ein historisches Ruhrland nahm, und die geographische Medicin
vermochte zu lehren, dass diese historische Eigenart der in Betracht
kommenden Landstriche sich in der Gegenwart keineswegs verwischt hat,
dass noch heut wie vor Jahrhunderten das ganze 8aarthal, das ganze
Unter-Elsass, das ganze sogenannte „Metzer Land“, einen mehr oder
weniger zusammenhängenden, gewaltigen Ruhrherd darstellt, in welchem
bei dem Zusammentreffen gewisser Bedingungen — und Kriege sind
offenbar unter allen Umständen geeignet, seucbenbefo^dernde Bedingungen
zu schaffen — noch heut regelmässig die Krankheit zum Ausbruch
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kommt Natürlich will ich nicht bestreiten, dass der Eine oder der
Andere etwas davon gewusst habe, aber ein lebendiges, fruchtbares Wissen
war es auch bei dem Einzelnen schwerlich, und ein irgend allgemeineres
Wissen war es ganx bestimmt nicht Wieder ist es eine Thatsache,
welche aus den Laxarethberichten mit aller Deutlichkeit erhellt, dass man
noch in einer Periode, als die Ruhr langst unter den Truppen wüthete,
viel Zeit damit verbrachte, xu fragen und xu xweifeln, xu prüfen und zu
überlegen, xu berathen und xu streiten, ob denn Das, was man vor sich
sah, wirklich die epidemische Ruhr, diese von Alters her gefürchtete
Kriegsseuche, sei. Die Beobachtung am Krankenbette, selbst die patho¬
logische Anatomie, konnte freilich darüber im Dunkel lassen, sie allein
vermochte dies bei Beginn der Epidemie im Grunde gar nicht xu ent¬
scheiden, aber die geographische Medicin, der Umstand, dass man in
einem fraglosen Ruhrcentrum sich bewegte, wäre geeignet gewesen, bei
der ersten Häufung verdächtiger Vorkommnisse jedem Zweifel über den
wirklichen, ernst bedrohlichen Charakter der Erkrankungen von vorn¬
herein ein Ende xu machen.
Allerdings können Sie entgegnen: „Zugegeben, dass Alles dies richtig
sei, was hätte es denn geholfen, auch wenn wir es damals gewusst
hätten; was wäre denn anders gekommen? Sollten wir etwa darum den
Krieg nicht aufnehmen? Oder sollten unsere Armeen am Rhein stehen
bleiben und sich auf die Vertheidigung beschränken, weil der Weg nach
Paris durch ein Ruhrland führte ?“ — Davon kann natürlich nicht im
Ernste die Rede sein; solche Fanatiker der Hygiene gedeihen unter den
Armeeärzten gewiss am allerwenigsten. Auch wird man ohne Weiteres
zngeben müssen: die Aufstellung unserer Heere und die Richtung ihres
Vormarsches wäre schwerlich auch nur um eine Meile verschoben worden,
selbst wenn man gewusst hätte, dass x. B. die alte Kaiserstrasse Saar¬
brücken—St. Avold so verhängnisvoll für den Gesundheitszustand der
Truppen werden würde, dass die Rohrmorbidität der einzelnen Truppen-
verbände der I. und II. Armee in einer directen Proportion steht zu der
Entfernung, in welcher sie an diesem Infectionsherde vorbeimarschirt
sind, und zu der Zahl der Tage, welche sie in jener Gegend verweilen
mussten. Und doch hätte solches Wissen vielleicht seinen praktischen
Nutzen gehabt; noch weniger erscheint es ausgeschlossen, dass ein analoges
Wissen unter anderen Verhältnissen einmal praktischen Nutzen bringe.
Wenn mehrere Strassen nach demselben Ziele offen standen und der
Kriegszweck auf den verschiedenen Wegen gleich vollständig zu erreichen
war, dann pflegten Truppenführer auch sonst schon denjenigen ein-
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Zuschlägen, welcher die Gesundheit ihrer Leute am wenigsten bedrohte,
wenn sie nur wussten, dass auf der einen eine Seuche lauere, wenn es
ihnen nur gesagt und überzeugend nachgewiesen wurde. Und wenn der
Krieg8sweck es nothig macht, eine inficirte oder infectionsverdächtige
Strasse dennoch zu wählen, so mag die Kenntnis« dieses Umstandes
wenigstens im Stande sein, Maassregeln hervorzurufen, welche die Gefahres
vermindern. Nur auf Eines lassen Sie mich hindeuten. Es hat sich
nachweisen lassen, dass die Ruhrmorbidität verschiedener Truppenverbiode
wahrend des deutsch-französischen Krieges unter sonst gleichen Bedin¬
gungen in einem annähernd umgekehrten Verhältnis stand zu der Zahl
ihrer Biwaks: je mehr Biwaks, desto weniger Ruhr. Der Grand ist ein¬
leuchtend: je mehr biwakirt wurde, desto weniger waren die Mann¬
schaften den nachtheiligen Einflüssen insalubrer, inficirter Quartiere
aosgesetzt. Für die Pocken gilt etwas Aehnliches. So wohlbegründet
im Allgemeinen der Grundsatz ist, das schlechteste Quartier dem schönsten
Biwak vorzuziehen, so mag es doch unter Umstanden nützlich sein, darauf
hinzuweisen, dass er in Seucheherden seine Berechtigung verlieren kann,
dass die Besorgniss vor Rheumatismen, Katarrhen und dergleichen mehr,
die Sorge um den allgemeinen Kräftezustand von Menschen und Thieren
zurücktreten muss hinter die Nothwendigkeit, die hauptsächlichsten
Infectionsquellen nach Möglichkeit zu vermeiden. Für derartige hygienische
Rathsohläge, ebenso wie für die eigentlichen Sanitätsmaassregeln, macht
es gewiss einen Unterschied, ob die Sanitätsorgane einer Armee wissen,
dass eine Seuche — und zwar eine Seuche bestimmter Art — zu erwarten
steht, oder ob sie unvermuthet hereinbricht. Wenn man selbst einranmen
mag, dass dies früher keinen allzu grossen Unterschied bedingt hätte,
weil die Sanitätsausrüstung der Armeen eben doch eine gänzlich unzuläng¬
liche war, desgleichen weil die Epidemiologie und die allgemeine Hygiene
zu wenig Anhaltspunkte für eine wirksame Seuchenprophylaxe dar boten,
so ist dies doch anders, seit auch das Feld-Sanitätswesen auf breiter
Grundlage im Frieden vorbereitet wird, im Kriege selbst mit wesentlich
vermehrter Autorität, mit ganz anderen Hülfsmitteln auftritt, seit überdies
die allgemeine Hygiene und die Epidemiologie dem praktischen Eingreifen
ganz anders sichere Unterlagen gewähren. Auch auf die neulich hier
gehaltenen Vorträge über transportable Kranken- Unterkunftsräume lassen
Sie mich bei diesem Anlasse zurüekkommen. Beide betreffenden Redner
haben das Missliche des Transportes ansteckender Kranker betont, haben
hervorgehoben, wie wünschenswert es sei, Kranke dieser Art womöglich
sämmtlich auf dem Kriegsschauplätze zu behandeln. Im Jahre 1870/71
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sind bekanntlich viele Tausende von Typhus- und Ruhrkranken nach
Deutschland evacuirt worden, aus swingenden, triftigen Gründen, aber
oft genug gegen die eigentliche wissenschaftliche Ueberseugung der
Bvacuirenden, welche nicht nur — häufig mehr als nothig — von Sorge
um das Schicksal der Transportirten erfüllt waren, sondern namentlich
auch von banger Sorge betreffs der Gefahren, welche dem Heimathlande
aus der Deberweisung so vieler mit Infectionskrankheiten Behafteter
erwachsen mochten. Nun, die Ruhr ist 1870/71 nicht nach Deutschland
verschleppt worden, weil sie eben überhaupt nicht so ohne Weiteres,
nicht unter allen Umstanden verschleppbar ist, und auch die Evacuation
noch viel zahlreicherer Typhuskranker hat nirgends so grosseren Epidemien
Veranlassung gegeben, aber, meine Herren, vergessen Sie nicht: es hat
sich damals ausschliesslich um 1 leotyphus gehandelt! Die üblen
Erfahrungen, welche wir mit den Pocken gemacht haben, obwohl der
Transport Pockenkranker selbstverständlich durchaus verboten war,
weisen nachdrücklich darauf hin, was unter Umstanden sich ereignen
konnte, wie es 1812 und wahrend der nächstfolgenden Jahre sich wirk¬
lieh ereignet hat, wenn wir es wieder einmal mit Flecktyphus zu thun
bekommen sollten, welcher an einem Theile der deutschen Ostgrenzen
ebenso festgenistet ist, wie an den Westgrenzen die Ruhr. Gewiss macht
es einen Unterschied, ob man sich lediglich im Allgemeinen sagt : »Krieg
and Seuchen haben sich gewöhnlich vergesellschaftet; irgend eine
Epidemie wird auch wohl diesmal nicht ausbleiben tf , oder ob man
den Ausbruch einer ganz bestimmten Epidemie von wohlbekanntem
Charakter, leicht verschleppbarer Art, mit Sicherheit voraussieht und
von vornherein seine Maassnahmen daraufhin trifft.
Indessen, m. H., dieser bisher behandelte Gesichtspunkt, dass die
geographische Medicin vor Beginn eines Krieges Aufschluss darüber zu
geben vermag, ob mit Wahrscheinlichkeit auf eine bestimmte 8euche ge¬
rechnet werden muss, giebt nur den ganz allgemeinen Rahmen ab, inner¬
halb dessen die geographische Medicin der Kriegshygiene vorarbeitet.
Eine detaillirte geographische Kraokheits - Statistik — so detaillirt,
wie sie im Allgemeinen zur Zeit nicht vorliegt, wie sie aber von der
Zukunft erhofft werden darf — vermochte weit mehr im Einzelnen nütz¬
liche Winke zu ertheilen. Wieder will ich nur ein Beispiel aus dem
deutsch-französischen Kriege herausgreifen und zwar wieder mit Bezug
auf die Ruhr. In dem VI. Bande des Kriege-Sanitats-Berichtes, auf
welchem auch meine vorigen Auseinandersetzungen fussten, ist dargelegt,
dass beispielsweise wahrend der Belagerung von Strassburg die Ruhr-
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morbidität der einzelnen Regimenter, welche in verschiedenen Ortschaften
dislocirt waren, so ziemlich demjenigen Maasse entsprach, in welchem
die Civilbevolkerong der betreffenden Orte mehr oder weniger regel¬
mässig von der Ruhr beimgesncht zu werden pflegt. Möglich, dass der
Kriegszweck die Belegung — ond zwar die ebenso dichte, ebenso
dauernde Belegung — aller dieser Ortschaften unter allen Umständen
gefordert hätte; möglich aber ist es auch, dass die schlimmsten Ruhr¬
herde hätten gemieden werden können, wenn sie als solche bekannt ge¬
wesen wären; jedenfalls erscheint es möglich, dass ein anderes Mal, anf
einem anderen Schauplatze, unter anderen Verhältnissen eine solche Kennt-
niss von Nutzen werden kann. Gewiss ist es fraglich, ob der Artillerie-
Schiessplatz für das XIV. und XV. Armee-Corps bei Hagenau, von
welchem die einzigen grösseren Rubrepidemien ausgegangen sind, welche
die Armee-Statistik nach dem Kriege zu verzeichnen hat, gerade dort
angelegt werden musste und gerade dort angelegt worden wäre, wenn
eine detaillirte medicinisch - geographische Statistik früher gelehrt hätte,
dass er inmitten eines ausgesprochenen Ruhrbezirkes gelegen ist, rings
umgeben von Ortschaften, in welchen bei dem Zusammentreffen gewisser
Bedingungen die Ruhr regelmässig ihre Opfer fordert*
Derjenige, m. H., welcher sich der dornenreichen aber dankbaren
Aufgabe unterzogen hat, die Ruhrepidemie des Jahres 1870 im Kriegs-
Sanitäts-Bericht zu schildern, ist in der angedeuteten Weise mit unend¬
licher Mühe den einzelnen Erkrankungen nachgegangen und auf diese
Weise zu einer Anzahl von Resultaten gelangt, von denen ich einige
hier im Umriss vorführen konnte. Derjenige, welcher die wegen der
grösseren Zahlen und wegen der Mannigfaltigkeit der klinischen Er¬
scheinungen in mancher Beziehung noch schwerer zu überblickenden
typhösen Erkrankungen darzustellen übernahm, hat einen anderen nicht
minder lehrreichen, nicht minder fruchtbringenden Weg eingeschlageo.
Ein abweichendes Verfahren forderte schon die wesentlich verschiedene
Sachlage. Die epidemische Ruhr war in der deutschen Friedensarmee
eine nahezu unbekannte Krankheit, bevor infolge der Wiedergewinnung
von Elsass-Lothringen deutsche Truppen in einem historischen Ruhrlande
untergebracht wurden. Nachweislich sind auch die deutschen Heere des
Jahres 1870, mit Ausnahme einzelner weniger, genau bekannter Truppen-
theile, welche sich bereits in Saarlouis und Umgegend inficirten, ruhr-
frei über die Grenze gegangen. Im Gegensatz dazu bildet der Abdominal¬
typhus einen ständigen wesentlichen Factor in der Morbidität der deutschen
wie jeder anderen europäischen Friedens - Armee, and da die Mobil-
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machung in eine Jahreszeit fiel, in welcher die jährliche Typhus-Curve
in ganz Mittel-Europa im Ansteigen zu sein pflegt, hatten sämmtliche
Armee-Corps bei Beginn des Krieges einzelne Typhuskranke aufzuweisen,
ja, in einzelnen Corpsbezirken — in demjenigen des VI. und des XI. Armee-
Corps, desgleichen in Württemberg — waren sogar kleine Epidemien —
sehr unbedeutende, räumlich durchaus beschränkte, aber doch immerhin
Epidemien — unmittelbar vorausgegangen. Unzweifelhaft also hatten
wir — im Gegensatz zur Ruhr — den Typhus von Anbeginn an in der
Armee, ein Umstand, welcher die weitere Verfolgung der Epidemie hoch¬
gradig erschwert Infolge dieser verwickelteren Zustände sind zwischen
der Typhus-Morbidität der Heere und den geographisch-medicinischen Ver¬
hältnissen nicht ebenso klare, nicht ebenso zweifelsfreie Beziehungen zu
Tage getreten, wie es hinsichtlich der Ruhr der Fall ist, immerhin aber
konnte Einiges solcher Art ermittelt werden, was mindestens so viel zu
denken giebt, dass ich nicht unterlassen will, die Aufmerksamkeit eines
grosseren Kreises von Fachgenossen auch darauf hinzulenken.
Im Jahre 1865 machte Magne einen schätzenswerthen Versuch, die
geographisch - medicinische Statistik Frankreichs dadurch zu bereichern,
dass er die aus den einzelnen Departements während der Jahre 1841
bis 1863 eingegangenen amtlichen Meldungen über — im Ganzen 760 —
Typhus-Epidemien zusammcnstellte. Diese Meldungen sind zweifellos
lückenhaft. Man kann dies schon daraus schliessen, dass es sich um
eine Periode handelt, in welcher das Interesse und das Verständniss für
medicinische Statistik noch bei weitem weniger entwickelt war als heut;
ausserdem aber liegen bestimmte Anhaltspunkte dafür vor, dass in ge¬
wissen Gegenden während der in Rede stehenden Zeit mehr Typhus-
Epidemien vorgekommen sind, als das amtliche Verzeichniss aufweist.
Dass indessen das Verhältniss der einzelnen Departements zu einander
hinsichtlich der Häufigkeit von derartigen Epidemien auch auf Grund
genauerer Unterlagen nicht wesentlich anders erscheinen mochte, dafür
spricht ausser manchem Anderen schon der Umstand, dass Gaultier
de Claubry einige Jahre vor Magne mit Hülfe eines beschränkteren
Materials der Hauptsache nach zu ähnlichen Ergebnissen gelangt war.
Wir haben die Angelegenheit für wichtig genug gehalten, um die Re¬
sultate der Magne’schen Zusammenstellungen in eine Karte einzutragen
(Tafel IV zum VI. Bande des Kriegs-Sanitäts-Berichtes), auf welcher
nach der gewöhnlichen Methode kartographischer Darstellungen die De¬
partements mit grösster Typhushäufigkeit am dunkelsten, diejenigen mit
den seltensten Typhus - Epidemien am hellsten erscheinen. Es ergiebt
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sich daraas zunächst im Allgemeinen die starke Belastung der östlichen
Gegenden gegenüber den westlichen, des Weiteren die verhältnissmässig
grosse Häufigkeit des Typbus in denjenigen Departements überhaupt,
welche von den deutschen Heeren überzogen worden sind. Zu den
dunkelsten Stellen der Karte geboren die Umgebungen von Mets und
Paris, wo thatsächlich auch die Typhus*Epidemie im Kriege ihre stärkste
Entwickelung erlangt bat Grosses Gewicht wird man darauf freilich
nicht legen können, weil bei den gewaltigen Heeresmassen, welche vor
jenen Festungen lagerten, eben eine ganze Anzahl seuchenbefordernder
Momente sich zusammenfanden. Wichtiger erscheinen einige andere
Punkte. Wenn Sie die Gegend von Paris auf Tafel IV betrachten, so
finden Sie im Osten der Hauptstadt weit dunklere Färbung als im Westen,
und wenn Sie deu Blick auf die Diagramme (Tafel Va zum VI. Bande
des Kriegs-Sanitäts-Berichts) lenken, welche die Typhus-Morbidität der
einzelnen Truppenverbände vor Paris veranschaulichen, so bemerken Sie
ebenfalls die stärkere Schraffirung, d. h. die grossere Typhus-Häufigkeit
bei den im östlichen Theile des Cernirungsbezirkes gelagerten Armee-
Corps. Auch hierbei dürfen jedoch andere Dinge nicht unberücksichtigt
bleiben, so namentlich der Umstand, dass die am stärksten belasteten
Truppenverbände der Maas-Armee möglicherweise während ihres kurzen
Aufenthaltes vor Metz Gelegenheit gehabt hatten, sich dort zu inficiren.
Erhebliches Interesse bei einer Betrachtungsweise wie die, welcher
wir im Augenblick uns hingeben, fordern die auf dem südöstlichen Kriegs¬
schauplatz operirenden Heeres theile (XIV. Armee-Corps, 1. und 4. Re¬
serve-Division) heraus. Tafel XIII zum II. Bande des Kriegs-Sanitäts
Berichtes zeigt, wie gleichartig der zeitliche Verlauf der Typhus-Epide¬
mie während des Krieges sich bei allen übrigen Truppenverbänden ge¬
staltet hat. Ueberall ist die Typhusfrequenz bei Ausbruch des Krieges
eine äusserst geringe, steigt dann schnell an und erreicht im October das
Maximum, um sodann bis zum Friedensschluss mehr oder weniger regel¬
mässig zu sinken. Einigermaassen abweichend erscheint die Curve nur
bei der 17. Infanterie - Division (XIII. Armee-Corps) und bei der Württem-
bergischen Feld-Division, insofern bei beiden eine Wintersteigerung hinsutritt.
Für diese Abweichung bietet sich bei der 17. Infanterie-Division eine aus¬
reichende Erklärung dar; weniger deutlich ist der Grund bei der Württem-
bergischen Feld-Division, — beide Ausnahmen aber erscheinen doch nur als
Modificationen des wohl erkennbaren allgemeinen Typus. Von Grund aus
anders hingegen ist die Typhuscurve der genannten, auf dem südöst¬
lichen Kriegsschauplätze beschäftigten Truppenverbände. Bei ihnen bleibt
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die Typhusfrequenz gering bis in den Winter hinein; erst im Februar
macht sich eine steile Erhebung bemerklich. Nun wissen Sie, dass diese
Truppenkorper bis cum November in der Gegend von Strassburg ver¬
weilten, dann aber in südöstlicher Richtung (nach Vesoul, Dijon, Beifort
u. s. w.) vordrangen. Betrachten Sie daraufhin die nach den Magne 1 sehen
Zahlen angefertigte Karte, so finden Sie wiederum die Gegend von Strass-
trarg und das Eisass überhaupt durch helle, die Gegend der spateren
Kämpfe aber durch dunkle Farbengebung gekennzeichnet. Wenn auch
gerade für Eisass die Magne 9 sehen Zahlen beanstandet werden müssen,
so würde doch muthmaasslich die Zunahme des Typhus nach Südosten
hin — worauf es allein ankommt — immerhin bestehen bleiben; des
Weiteren aber muss darauf hingewiesen werden, dass die steile Erhebung
der Typhuscurve erst im Februar eintritt, d. h. nachdem das XIV. Armee-
Corps mit dem von Paris bezw. vom nördlichen Kriegsschauplätze herbei¬
geeilten II. und VII. Armee-Corps zur Sud-Armee vereinigt und dadurch
in enge Berührung mit diesen Truppenverbanden gekommen war, welche
damals immerhin noch unter den Nach wehen der grossen vor Metz bezw.
Paris überstandenen Typhus-Epidemie litten.
Den Einfluss der Gegend von Sedan zu schildern, glaube ich mit
Rücksicht auf die vorgerückte Zeit unterlassen zu müssen, so interessant
er gerade im Hinblick auf die uns beschäftigende Frage erscheint. Im
VL Bande des Kriegs-Sanitats-Berichtes ist ausführlich dargelegt, dass
zwingende Gründe dieses Terrain infolge des Zusammentreffens zahl¬
reicher ungünstiger Umstande als wirksame Infectionsquelle erscheinen
lassen.
M. H., ich enthalte mich, aus den letzten Ausführungen praktische
Folgerungen zu ziehen. In welchem Sinne solche Beobachtungen meiner
Vorstellung nach überhaupt für die Kriegshygiene nutzbar gemacht
werden können, habe ich vorhin ja im Allgemeinen angedeutet Auch
ohne derartige Folgerungen, denke ich, wird man in diesem Kreise den
Werth solcher nachträglicher Erklärungsversuche nicht unterschätzen.
Wenn man ein für alle Mal von der Ueberzeugung durchdrungen ist,
dass jede ernsthafte wissenschaftliche Untersuchung über kurz oder lang
— oft in ganz anderer Weise, als man erwartete — auch Früchte für
das praktische Leben trägt und dass das Verständnis der Vergangenheit
eine unerlässliche Vorbedingung ist für ein zweckentsprechenderes Ein¬
greifen in die Zukunft, so hat man gar nicht das Bedürfnis, in jedem
Einzelfalle zu fragen; wozu die Untersuchung denn nützt Ich wenigstens
gestehe, ich habe dieses Bedürfnis noch nie empfunden.
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Nur den ersten Tbeil meines Themas, m. H., habe ich hier be¬
handeln, nnr die Wichtigkeit der geographischen Medicin für die Heeres-
Hygieno durch einige Beispiele andeaten können; es bliebe übrig darin-
thnn, in welcher Weise die Militär-Sanitäts-Statistik die geographische
Medicin unterstützt und ihr weiter vorzuarbeiten vermag. Auch dafür
steht mir ein reiches und, wie ich annehmen darf, nicht allgemein be¬
kanntes Material zu Gebote; indessen, ich glaube Ihren Wünschen am
besten zu entsprechen, wenn ich diesen zweiten Theil meiner Aus¬
führungen für eine andere Gelegenheit vertage.
B. Ans der Section für Chirurgie.
I. Sitzung am Sonnabend, den 18. September.
Herr v. Bergmann stellt folgenden Fall vor: Herr B., 22 Jahre
alt, fiel am 22. November 1885 von einem ca. 70 Fuss hohen Mast nnd zog
sich eine complicirte Unterkieferfractur, eine Oberschenkelfractur nnd
eine Patellarfractur rechts zu. Behandelt wurde er vom Capitan des
Schiffes.
Bei seiner Aufnahme in die Klinik fand sich eine mit starker Dis¬
location, ca. 7 cm Verkürzung, geheilte Oberschenkelfractur und eine
Diastase der Patellarfragmente von fast Handbreite. Nachdem durch
eine am 28. Marz ausgeführte Osteotomie und nachfolgende Extension
die Dislocation der durch Callus vereinigten Fragmente des r. Femur
beseitigt war, wurde Ende Mai die Patellarnaht versucht Als nach
Freilegung der Fragmente in gewöhnlicher Weise dieselben auch nach
Freilegung des Rectus nicht vereinigt werden konnten, machte Geheim¬
rath v. B. einen die Tuberositas tibiae kreisförmig umgreifenden 8chnitt
unterhalb der letzteren, meisselte die Tuberositas tibiae schräg nach
oben bis ins Kniegelenk hinein ab und verschob das abgemeisselte Stück
nach oben, worauf die Vereinigung der Patellarfragmente gelang.
Die Meisseifläche der Tuberositas tibiae blieb jedoch mit ihrem
unteren Theile in Contact mit der Meisselflache der Tibia nahe der
Gelenkfläche. Die Heilung der Patella sowohl wie der Tuberositas er¬
folgte knöchern, und Patient kann das Bein extendiren, wenngleich die
Beweglichkeit im Knie noch beschränkt ist, was aber vor der Operation
noch mehr der Fall war.
II. Sitzung am Montag, den 20. September.
1) Herr F. Kr au 8 e (Halle): Ueber Veränderungen der Nerven
und des Rückenmarks nach Amputationen. Nach Amputationen
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atrophiren nur sensible Nervenfasern in den Nerven der Stumpfe. Die
Atrophie besteht darin, dass das Mark seine normalen Beschaffenheiten
and Reactionen verliert und erheblich im Durchmesser verringert wird.
Aach der Achsencylinder atrophirt, bleibt aber selbst nach 10 Jahren
noch nachzuweisen. Diese qualitative Veränderung geht bis zum Spinal¬
ganglion, oberhalb desselben ist nur eine quantitative Veränderung vor¬
handen und zwar eine Verschmälerung der Hinterstränge (nach Ampu¬
tation einer Unterextremität im Lenden- und Brustmark, nach Arm-
ampntation im Halsmark). Ferner nehmen die Ganglienzellen in den
Clarke’schen Säulen nach Beinamputationen an Zahl ab, ebenso die
Ganglienzellen in der hinteren lateralen Gruppe des Vorderhorns der
Lendenanschwellung. Nach Armamputation ist die Verschmälerung des
Hinterstrangs im ganzen Haismarke sehr deutlich.
Der Vortrag soll in extenso in den „Fortschritten der Medicin tt er¬
scheinen.
III. Sitzung am Dienstag, den 21. September.
3) Herr Küster: Ueber narbige Stenosen der Trachea. K.
unterscheidet unter den intratrachealen Processen, welche das Athmnngs-
rohr einnehmen, folgende Gruppen:
1. Die traumatischen Stenosen. Er stellt einen Fall von subcutaner
Zerreiösung der Trachea vor.
2. Die diphtherischen Stenosen, die häufigste Form. K. sah unter
704 Tracheotomien wegen Diphtherie 286 Genesungen = 40,63 pCt.
Unter diesen 286 Genesungen kamen 11 Stenosen vor, also 3,84 pCt.
Dazu 5 von ausserhalb gekommene Stenosen, im Ganzen 16.
Die diphtherischen Stenosen zeigen folgende Formen: a. Granula¬
tionsstenosen, am häufigsten durch Canulenreiz erzeugt, zuweilen in Form
der Narbengranulome nach änsserlich vernarbter Wunde; b. die submucose
Narbenstenose. Der schnürende Ring liegt im submucosen Gewebe, die
sonst normale Schleimhaut, besonders an der Hinterwand, legt sich in
Längsfalten zusammen. Zuweilen sind auch die Knorpel verändert, oder
der schnürende Narbenring liegt im peritrachealen Bindegewebe; c. die
mucose Narbenstenose nach Zerstörung der Schleimhaut ist selten, da die
Kinder unter solchen Umständen meist sterben. Weitere Grunde, wie zu
engen oder zu weiten Schnitt, erkennt K. nicht an.
3. Die syphilitischen Stenosen, meist zu ausgedehnt, als dass sie zu¬
gängig wären.
4. Die Neubildungen der Trachea, Sarkome oder Carcinome,
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Therapie. Zuerst blutige Erweiterung der Fistel oder Eröffnung der
Trachea, Wegnahme von Granulationen, Durchschneidung von Brücken,
Strängen u. s. w. Dann fortgesetzte Erweiterung, welohe K. fast immer
von der Wunde her macht mit biegenlassen des Instruments; endlich
etwas veränderte Dupuia’sche Schornsteincanüle. Man muss häufig
wieder von vorn anfangen. In sehr schweren Fällen und bei Neubildungen
räth K. zur Resection der Trachea, welche er in einem Falle von trau¬
matischer Strictur mit gutem Erfolge ausgefuhrt hat. \
Von den 17 Stenosen der Trachea, welche E. sah, sind 12 geheilt,
3 wegen ungenügend langer Behandlung ungeheilt, 2 gestorben.
Discussioo.
Herr Bock er (Berlin) berichtet über 2 Fälle von Granulations¬
geschwülsten in der Trachea nach Tracheotomie; im ersten Falle wurde
die Geschwulst mit einem Katheter unter Führung des Spiegels, im zweiten
Falle ohne Spiegel unter Führung des Fingers herausgeholt Ein dritter
Fall von Faltenbildung wurde durch Tracheotomie und blosse Incision
der Falte geheilt
Herr Weinlechner erinnert sich bei einer grossen Zahl von
Tracheotomien unterhalb der Schilddrüsen keiner länger bestehenden
Stenosen; dagegen hat bei der Laryngotomie die Entwöhnung der Canäle
sehr viel häufiger zu Schwierigkeiten geführt; in zwei Fällen konnte die
Canüle überhaupt nicht weggelassen werden. Trachealstenose beobachtete
Weinlechner bei Perforation einer verkästen Drüse in die Trachea;
ferner einen Fall von Verblutung durch Erosion bei sehr hartnäckiger
Strictur. Weinlechner hält die von Küster beobachtete Zahl der
Stricturen für auffallend hoch.
Herr Krön lein (Zürich) erwähnt, dass die Zahl der Strioturen nach
Art, Epidemie und Operateur sehr wechselt; er ist für sehr frühzeitiges
Wegnehmen der Canüle.
Herr Küster nimmt die Canüle durchschnittlich am .6. Tage weg.
Seine Fälle sind meist nicht Granulationsstfenosen, sondern entstehen auf
submucoser Basis.
Herr Bruns (Tübingen) bemerkt, dass er drei Mal an der hinteres
Wand der Trachea Tumoren exstirpirt hat, die sich als aus strumösem Ge¬
webe bestehend ergaben.
Herr Körte (Berlin) bemerkt, dass in der That bei den in Bethanien
geübten unteren Tracheotomien die Stenose durch Faltung der Schleim¬
haut ebenfalls vorkam, wie mehrere Präparate zeigen. Ferner sah er
Stricturen durch Narbendruck von aussen, in welchen starke Zerstörungen
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der Weichtheile durch diphtherische Infection der Wunde statthatten.
Drei Mal kam Verblutung durch Arrosion der A. anonyma vor.
Herr Sonnenburg (Berlin) meint, dass Stenosen bei hoher Tracheo¬
tomie häufiger Vorkommen, als bei tiefer und fuhrt dies auf Druck durch
die Canule zuruck.
Herr Bramann (Berlin) hat bei ca. 650 Fällen keine Stenose beob¬
achtet; Tracheotomia super, und infer. wurde ausgeführt.
4) Herr Bocker: Isolirte Exstirpation des Ringknorpels
wegen Ekchondrom.
Nach einer einleitenden Bemerkung über die Seltenheit der Ek-
chondrosen des Kehlkopfs und dem Nachweis, dass Virchow zuerst eine
eingehende Beschreibung dieser Oeschwulstform gegeben, erwähnt der
Vortragende, dass der erste sichere Fall von Chondrom des Larynx von
Froriep im Jahre 1834 beschrieben sei. Spater veröffentlichten Macken¬
zie, Staerck, Asch und Ehrendorfer Falle von Ekchondrom des
Kehlkopfs.
Der Vortragende selbst hat zwei Ekchondrosen beobachtet, von denen
der eine ein allgemeines chirurgisches Interesse bot
Es handelte sioh um einen Tumor, der von der hinteren Wand des
Kehlkopfe von der Platte des Ringknorpels ausging, von hier nach vorn
wucherte und nur einen kleinen sichelförmigen Raum übrigliess. Es wurde
die Tracheotomie gemacht, die Ha h n’sche Tampon canule eingelegt,
der Schildkuorpel gespalten und die Oeschwulst mit dem Ringknorpel
entfernt Am 4. Tage eine Nachblutung. Die Heilung trat ohne weitere
Storung ein.
Die Sprache ist laut und deutlich und geschieht mit Hülfe der
Bruns’achen Phonationscanüle mit Leichtigkeit
Herr Bruns (Tübingen) erwähnt einen Fall von Enchondrom des
Ringknorpels, der ohne Entfernung des letzteren exstirpirt werden konnte.
Herr Weinlechner halt die Entfernung des ganzen Riogknorpels
mit der Geschwulst für besser wegen der Gefahr des Recidivs.
5) Herr Bardeleben: Ueber Pseudocroup. Bardeleben will
unter Pseudocroup solche Falle verstanden wissen, welche mit den Erschei¬
nungen des Croup auftreten und doch nicht Croup sind.
Als solche erläutert er 3 Falle von „Fremdkörpern im Kehlkopf“
(von Goepel, Wehner und Bardeleben in Gemeinschaft mit Traube
beobachtet), in denen diagnostische Zweifel lange bestanden und schliess¬
lich durch Herausbeförderung des Fremdkörpers geklart wurden, ln dem
1. Fall handelte es sich um einen Hemdenknopf, im 2. um ein 6 mm
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io jedem Darebmesser messendes steinbartes Stuck eines Salzkuchens, im
3. am ein Stock des Restes eioer wilden Ente.
B. weist zum Schloss darauf bin, dass in solchen Fällen erst recht
die Tracheotomie indicirt sei.
6) Herr Weinlechner berichtet ober 3 Fälle von wandernden
Fremdkörpern in der Trachea; in diesen Fällen konnte stets ein
klapperndes Geräusch bemerkt werden, einmal bei der Ex-, das andere
Mal bei der Inspiration.
Herr Goebel tbeilt Näheres ober die Aetiologie des Falles von
Herrn Bardeleben mit
7) Herr Böcker berichtet ober einen Fall von Tracheotomie, dorch
welche die bestehende Athemnotb nicht gehoben wurde; die Section ergab,
dass ein Bronchus dorch eine verkäste Druse comprimirt, der andere durch
einen Theil einer solchen verstopft war.
Herr Kronlein hat einen todtlich verlaufenen Fall von Fremdkörper
(Elfenbeinknopf) in der Trachea beobachtet.
IV. Sitzung am Donnerstag, den 23. September.
1) Herr Pauly (Posen): Ueber die Granolationsstenose nach
Tracheotomie. Die Ursache der Granolationsstenose muss im Reiz
der Canule gesucht werden, welche länger liegen bleibt, weil das Cavom
laryngis aus verschiedenen Gründen nicht genügend abschwillt
2) Herr Baumgärtner (Baden-Baden): Ueber Cachexia strumi-
priva. B. berichtet zuerst ober das weitere Schicksal seiner vor
2 Jahren dem Congresse vorgelegten, der Kachexie verfallenen Fälle
und fugt noch einen weiteren hinzu. Diesen gegenüber legt er 6Total-
excisionen vor, die nicht zur Kachexie führten. B. glaubt den Schlüssel
zor Kachexie in Veränderungen bis zor Atrophie in den Centren des
Sympathicos suchen za sollen. Der Operateur müsse jedenfalls mit
der Thatsache der Kachexie rechnen, sie za meiden suchen. Manche
Gefahr könne dorch bessere Technik noch vermieden werden, und nach
Auffahrung verschiedener Gesichtspunkte erklärt B., die Totalexcision
könne nicht von der Liste der legalen Operationen gestrichen werden,
da sie eine das Leben erhaltende Operation sei.
Discussion.
Herr Semon (London) glaubt, dass das Myxoedem, welches in
England häufig ist und genau studirt wird, mit der Cachexia stromipriva
und Kretinismus identisch ist. Es ist häufiger bei Weibern. Alle todtlich
verlaufenen Fälle zeigten eine Totalatrophie der Schilddrüse; der genau
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untersuchte Sympathicus zeigte nichts Anomales. Bei geheilten Total-
exatirpationen des Kropfes glaubt er, dass accessorische, versprengte
Schilddrüsenpartikel die Compensation hersteilen. Derartige Operationen
beim Affen führten zu enormen Schleimprodnctionen in den verschie¬
densten Theilen des Körpers (Hasseley).
Herr Bardeleben (Berlin) glaubt nicht, dass bei Händen, Katzen,
Ziegen o. s. w. die anffallend kleine Schilddrüse dieselbe Function besitze,
wie das grosse Organ des Menschen. Er hat bei mehr als einem Dutzend
Operirter, die zum Theil im jugendlichen Alter standen, keinen einzigen
Fall von Cachexia strumipriva; einige sind noch jetzt besonders intelligent.
Warum ist der Procentsatz der Bösartigkeit so sehr verschieden? Das
Vorkommen von Nebenschilddrüsen beim Menschen halt er für eine sehr
grosse Seltenheit Selbst Lähmung des Nervus laryngeus inferior hat
nur motorische Störungen gemacht
Herr Schmidt (Berlin) stellt einen in zwei Sitzungen operirten
Knaben mit Cachexia strumipriva vor, der die Erscheinungen von Myx-
oedem zeigt Er scheint sich zu bessern.
Herr Julius Wolff (Berlin) hat in sechs Fallen von Totalexstirpation
des Kropfes ohne jegliche Unterbindung Heilung per primam erzielt.
Ein Operirter, bei welchem er unterbinden musste, starb.
Herr Witzei (Bonn) hat ein kleines Mädchen beobachtet, das
schon vor der Operation Zeichen von Cachexia strumipriva zeigte.
Er bestätigt den schädlichen Einfluss der Karbolsäure auf die bloss¬
gelegten Halsnerven, hat dabei Collaps und einmal sogar einen Todesfall
erlebt.
Herr Küster (Berlin) will wegen Qefahr der folgenden Cachexia
strumipriva die Totalexstirpation nur wegen ausgedehnter maligner
Tumoren, sonst aber die partielle Exstirpation ausgeführt wissen.
Herr Oenzmer (Berlin) glaubt, dass bei dem Thier accessorische
Schilddrüsen sehr leicht übersehen werden können, da sie nicht selten
weit ab von der normalen Stelle ihren Sitz haben. Man habe sie früher
nicht gekannt.
Herr Bardeleben hat stets auf Nebenmilz und Nebenschilddrüse
geachtet, die bereits Hedemann und Bischoff bekannt waren.
4) Herr Witzei (Bonn): Ueber die Sehnennaht W. empfiehlt,
in schwierigen Fällen von Sehnennaht die Stümpfe unter Bildung von
Hautlappen so bloss zu legen, dass der Hautschnitt nicht mit dem
Schnitt zusammenfällt, welcher die Sehnenscheide eröffnet Die Ver¬
einigung der Sehnenenden geschieht durch eine combinirte Entspannungen
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und Vereinigungsnaht, bei welcher besonders das Entschlüpfen der
Stümpfe and die Zerfaserung derselben vermieden werden soll.
Herr Rydygier (Kulm): Zar operativen Behandlung des Pes
varus paralyticus. R. schlagt vor, Patienten, die nicht häufiger den
Bandagisten aufsuchen können und so nicht selten verdorbene Maschinen
tragen, welche nicht nur nicht ihren Zweck erfüllen, sondern noch schaden,
operativ von ihrem Pes varus paralyticus zu befreien, zumal, da in selteneren
Fallen wegen Zartheit der Haut überhaupt keine Maschinen oder nur
schlecht ertragen werden. Ueberdies giebt es Patienten, welche viel lieber
sich einmal, wenn auch einer eingreifenden und langer dauernden Be¬
handlung unterwerfen, als alle Augenblicke in ihrer Beschäftigung durch
ihr Leiden gestört werden. Die Operation wurde so ausgefuhrt, dass
nicht nur eine Ankylose im Fussgelenk, sondern zu gleicher Zeit auch
eine Richtigstellung des Fasses erlangt wurde. Das Verfahren war
folgendes:
Vorn über der dorsalen Fläche des Fussgelenks wurde längs der
Fibula ein Längsschnitt von beiläufig 6 cm gemacht. Von hier aus konnte
man mit Leichtigkeit die einander zugekehrten seitlichen Gelenkfiächen
des Talus und der Fibula vom Knorpel entblossen. Wenn man mit
einem breiten Haken die vorderen Weichtheile etwas abhebt, so kann
man ohne Schwierigkeit einen schmalen, horizontal gelegten mit der
Basis nach aussen gekehrten Keil aus der oberen Fläche des Talus zu¬
gleich mit dem Knorpelüberzug abtragen und ebenso die Gelenkfläche
der Tibia vom Knorpel entblossen. Darauf wird das Gelenk nach
hinten zu drainirt, der Fuss richtig gestellt und ein antiseptischer Ver¬
band angelegt, welcher zugleich zur Fixirung des Fasses ausreicht.
Man thut gut, zur Sicherung des Erfolges dem Patienten einen Stiefel
mit unbeweglichen Seitenschienen zu geben. Gehen die Schienen entzwei,
so brauchen keine neuen mehr angelegt werden. Bei Revision der
Patienten nach 9 resp. 6 Monaten ging die erste Patientin sehr gut, der
zweite Patient, welcher zugleich eine sehr starke Contractur im Knie¬
gelenk gehabt hat, nicht ganz so gut; es steht aber zu erwarten, dass
auch er noch besser gehen wird.
Referate and Kritiken.
Bericht über die 13. Versammlung des deutschen Vereins für
öffentliche Gesundheitspflege zu Breslau.
Auf der Tagesordnung der 13. Versammlung des deutschen Vereins
für öffentliche Gesundheitspflege za Breslau am 13., 14., 15. September
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d. J. stand als erstes Thema für die Verhandlungen: Die Untersuchungs¬
anstalten für Nahrungs- und Genussmittel, sowie Gebrauchsgegenstände,
deren Organisation und Wirksamkeit.
Der Referent, Professor Hilger-Erlangen, wies einleitend darauf
hin, wie sich die Controle der Nahrungs- und Genussmittel überall
dringend nothwendig erweise und wie besonders das Nahrnngsmittelgesetz
vom Jahre 1879 hierfür eine grosse Anzahl Einrichtungen ins Leben ge¬
rufen habe. Dieselben befinden sich augenblicklich noch in einem leb¬
haften Entwickelungsstadium und wird das Bedürfnis einer einheitlichen
Organisation dieser Anstalten allgemein empfunden. Als Schlusssätze
wurden hierfür aufgestellt: die Errichtung öffentlicher, vom Staate als
solche anerkannter Untersuchungsanstalten zum Zweck dauernder Controle
der Nahrungs- und Genussmittel, sowie der Verbrauchsgegenstände ist
dringendes Bedürfnis. Diese Untersuchungsanstalten sollen theils staat¬
liche, theils städtische sein. Die ersteren sind wo möglich mit Universitäten,
technischen Hochschulen oder sonstigen höheren technischen Lehranstalten
zu vereinigen und haben ihre Thätigkeit vor Allem in den kleineren
Städten und Landgemeinden zu entfalten, während die letzteren zunächst
für den betreffenden Stadtbezirk errichtet werden. Für die staatlichen
Anstalten empfiehlt sich besonders auch ambulante Thätigkeit, d. i. Be¬
sichtigung, Ertheilung von Auskunft, Entnahme von Proben und Prüfung
derselben so weit möglich an Ort und Stelle, ln der Umgegend von
Nürnberg sind bei der ersten derartigen Untersuchung 50 bis 60 pCt. Fäl¬
schungen ermittelt worden.
Die staatlichen Anstalten sollen hauptsächlich die regelmässige Con¬
trole besorgen, damit sie nicht durch private Benutzung zu sehr überbürdet
werden, und empfiehlt sjch nach den in Bayern gemachten Erfahrungen
hierbei ein Contractsverhaltniss zwischen Anstalt und einzelnen Districten,
die dort 60 bis 70 Gemeinden einschliessen und denselben nur etwa 200
bis 300 Mark Kosten pro Jahr verursachen. Im Allgemeinen hat die
Erhaltung der Staatsanstalten aus öffentlichen Mitteln zu erfolgen.
Die Vorstände der öffentlichen Untersuchungsanstalten und ihre Mit¬
arbeiter, deren einer Vorstands-Stellvertreter ist, müssen unabhängig und
selbstständig gestellt sein. Sie sollen entsprechende naturwissenschaft¬
liche Ausbildung besitzen, besonders in Chemie, Physik, Botanik (Waaren-
kunde), Mineralogie, Geologie, Zoologie, Hygiene und in chemisch¬
analytischen sowie mikroskopischen und bacteriologischen Untersuchungen
geübt sein und ihre Qualification durch eine bestandene Staatsprüfung
darthun. Ein Vertreter der Medicin, am besten ein Medicinalbeamter,
ist einer jeden öffentlichen Untersuchungsanstalt als Sachverständiger und
Berather an die Seite zu stellen. Jede solche Anstalt soll neben den zu
chemischen Arbeiten nothwendigen Räumen getrennte Abtheilungen für
optische und spectralanalytische Untersuchungen, Gasanalysen, mikro¬
skopische und bacteriologische Arbeiten besitzen. Ihr Wirkungskreis soll
sich nur auf Nahrungs- und Genussmittel sowie auf Verbrauchsgegenstände
erstrecken, welche letzteren einschliessen: gefärbte Gegenstände von Holz,
Metall, Kautschuk, Papier, Spielwaaren, Buntpapiere, Beizen, Leder,
Haus- und Kücbengeräthe, Umhüllungs-, Verpackungs-, Aufbewahrungs¬
materialien, Oblaten, Petroleum und Beleuchtungsstoffe, Textiifabrikate,
Seifen, Cosmetica, Geheim mittel, Zündmaterialien, Wasser.
Es sind für ganz Deutschland gültige einheitliche Bestimmungen
über die Ausübung der Controle auf dem Gebiete der Nahrungs- und
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GeDQ88mittel sowie Verbrauchsgegenstände in Betreff der Probe-Entnahme,
der Betheiligung der Untersuchungsanstalten bei der Ausübung der
Lebensmittel-Polizei festzustellen, ebenso mass auf das Energischste an«
gestrebt werden, einheitliche Untersochungs- und Beurtheilungsnormen
durchzuführen.
Die Versammlung erklärte sich mit diesen Grundzügen einverstanden
und sei es dringend wunschenswerth, dass in jedem Regierungsbezirk
mindestens ein staatliches und daneben möglichst zahlreiche öffentliche
Untersuchungsämter eingerichtet werden.
Der zweite Gegenstand der Tagesordnung betraf: Volks- und
Schulbäder.
Referent Docent Lassar-Berlin wies aus statistischen Ermittelungen
in */s sämmtlicher deutscher Physicate nach, dass, wöchentlich ein
Reinigungsbad als Norm vorausgesetzt, in Deutschland anstatt 45000
Badeanstalten zu 10 Wannen nur 1011 Badeanstalten vorhanden sind,
und dass auch diese nicht genügend benutzt werden. In den von Krupp
in Essen eingerichteten Bädern müssten bei wöchentlich einem Bade
jährlich 500C0O verabfolgt werden, verlangt werden nur 4000. Es ist
demnach eine Hauptaufgabe der praktischen Hygiene, das Bedürfniss
nach körperlicher Reinigung zu verallgemeinern und für systematische
Vermehrung der Badegelegenheiten besonders in Form von Brausebädern
zu sorgen: sie sind erfrischend, wirksam und reinlich, erfordern wenig
Zeit, Einrichtung und Bedienung. Dabei siud sie ungemein billig; bei
einem Wasserpreise von 15 Pfennig für 1000 Liter (Breslau) erfordert
ein Wannenbad 200 Liter = 3 Pfennig, ein Brausebad höchstens 10 Liter
= 0,15 Pfennig.
Für Verallgemeinerung des Badebedürfnisses werden Brausebad-Ein¬
richtungen in den Volksschulen empfohlen, wie sie in Göttingen seit
Jahresfrist mit gutem Erfolge in Wirksamkeit sind. Generalarzt Roth
wies darauf hin, dass solche Einrichtungen seit einem Jahrzehnt in den
Casernements der deutschen Armee bestehen.
Am zweiten Versammlungstage referirte Baurath Kau mann-Breslau
über unterirdische Städtecanalisation und Rieselanlagen mit besonderer
Berücksichtigung von Breslan.
Dieses Abrahrungs- und Reinigungssystem der Schmutzwässer hat
sich auch hier seit 10 Jahren aufs Beste bewährt. Bei 659 Hectar
Rieselfläche ist die Reinigung von etwa 40 000 Cubikmetern Schmutzwasser
pro Tag eine fast vollständige, indem durchschnittlich a/ s des Gesammt-
stickstoffs, V« bis V* des Chlors, s /< des Kali, die Phosphorsäure ganz
entfernt werden. Die Gesammtkosten betragen jährlich l 1 /« Mark pro
Einwohner. Uebelstände, besonders in sanitärer Beziehung, sind nicht
hervorgetreten. Gleich günstige Erfahrungen wurden über die Danziger
Rieselfelder berichtet.
Wo Berieselung nicht zweckmässig ausführbar ist, muss die möglichste
Reinigung der Abwässer in Nachahmung der Rieselwirkung durch ein
combinirtes Verfahren der chemischen Fällung, Abklärung und Filtration
ersetzt werden unter thunlichster Gewinnung der für die Landwirthschaft
dungwerthigen Stoffe.
Correferent Professor Arnold-Braunschweig berichtet im Weiteren,
dass von den dabei in Betracht kommenden Systemen im Grossen zwei
Gruppen ausgeführt sind: 1) solche mit Klärbassins, wie zu Frankfurt a. M.
und Wiesbaden, 2) mit aufsteigender Abklärung und Filtration, wie in
Halle und Essen.
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Unter der grossen Zahl der Zuschläge sind am gebräuchlichsten and
i weck massigsten Kalk, Schwefelsäure Thonerde und vielleicht Torf. Die
richtige Wahl dieser Stoffe nach Art und Menge hängt von der Be¬
schaffenheit der Schmutzwässer ab und wird erschwert durch die im
Laufe des Tages wechselnde Zusammensetzung, wenn nicht der Dung¬
werth leiden soll.
Je nachdem die Abwässer, d. i. Closetabgänge, Haus-, Strassen-,
Regenwässer, summarisch oder getrennt gereinigt werden sollen, ist die
Ausführung der Systeme verschieden. Industriewässer werden am besten
einer besonderen Behandlung unterworfen, da sie unter Umständen den
Dungwerth vollständig vernichten können.
Bei der summarischen Canalisation ist viel Sand etc. den Abwässern
beigemischt und Abklärung um so nötiger. Nach Zusatz der Chemiealien
bleibt das Wasser in den Klärbassins stehen und der Niederschlag fällt
zu Boden.
In Frankfurt a. M. wird das Schmutzwasser durch eine mit Sandfang
versehene Zuleitungsgalerie in eine siebartige Kammer geführt, welche
die gröberen Beimengungen zurückbehält und gelangt hierauf in die Misch¬
kammer, wo Kalk und schwefelsaure Thonerde zugesetzt werden. Von
hier läuft es behufs möglichster Vermischung mit atmosphärischer Luft
über breite flache Ueberfälle in grosse Klärbecken mit geneigter Sohle
und geringer Strömung. Das so geklärte Wasser fliesst zuletzt durch den
Ableitungscanal in den Main. Die Anlage, welche übrigens noch nicht
im Betriebe ist, erfordert bedeutende Unterhaltungskosten und der Schlamm
kann nur schwer durch Handarbeit herausbefördert werden.
Die Anlage in Wiesbaden, die schon im Betriebe steht, ist mit Filtra¬
tion verbunden. Das Wasser tritt nicht direct in die Klärbecken, sondern
wird durch Vorkammern gezwungen, auf- und absteigende Bewegungen
zu machen, unter Zusatz von Kalk und Einführung von Luft, wobei die
gröberen Stoffe zu Boden fallen. Der Ueberfall erfolgt in zwei Reihen
kleinerer Schlammkasten mit verjüngtem Durchschnitt, die durch Pumpen
gereinigt werden können. Ans den zwei Becken kann das Wasser nur
durch Ablassen entfernt werden und tritt hier leicht Fäulniss ein.
In Halle strömen die Abwässer durch einen Sandfang in das Maschinen¬
haus. Hier ist für den Zusatz der Chemiealien in der Filtrirkammer
ein regulirender Apparat vorhanden, so dass die Menge derselben dem
Quantum des zustromenden Wassers entspricht. Der Reinigungseffect ist
noch nicht ausreichend festgestellt.
Die Anstalt in Essen ist schon seit längerer Zeit im Betriebe. Das
System hat als Eigentümliches einen Brunnen mit Heber, dessen auf¬
steigender Ast ein Cylinder ist, während den absteigenden das Abfluss¬
rohr bildet. Auf dem Cylinder sitzt ein Aufsatzrohr, 11 m über dem
Wasserspiegel. Das Wasser steigt im Brunnen durch Ansaugung sehr
langsam in die Höhe, unter gleichzeitiger Filtration und Zusatz von
Chemiealien. Unten im Brunnen befindet sich ein Stromzertbeiler, oben
ringsum der Ueberlauf, so dass die Verteilung der Stoffe eine sehr
gleichmässige wird. Die stärkeren Stoffe sinken leicht zu Boden, das
Wasser, weil gut entgast, riecht wenig und fliesst völlig geklärt ab. Die
chemischen Zuschläge werden nach Quantität und Qualität des Schmutz¬
wassers regulirt und deshalb gut ansgenutzt. Die jährlichen Kosten be¬
tragen eine Mark pro Kopf, ungerechnet die Verwerthung des Schlammes.
Derselbe enthält 75 pCt. anorganische und 25 pCt. organische Bestand-
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theile, in letzteren 0,71 Stickstoff und 0,84 Phosphorsäure. Der Dung-
werth würde sich demnach bei 50 pCt. Wassergehalt auf 5 Mark pro
cbm stellen. Aber die Verwerthung des Schlammes ist bei allen diesen
Systemen schwierig und bis jetzt ein wesentlicher Uebelstand.
An diese beiden Systemgruppen reiht sich in neuester Zeit eine
dritte Gattung in der Berliner Maschinenbau-Gesellschaft Schwarzkopf
an. Es berücksichtigt nur die Closetabgänge der 800 Fabrikarbeiter und
beruht auf pneumatischer Aufsaugung der Abgänge mittelst einer Luft¬
pumpe in ein Reservoir mit Rührwerk, behufs gleichmässiger Vertheilang.
Weiterhin gelangen die Abgänge in den Zerreisser, der die gröberen Stoffe
möglichst zerkleinert, sodann durch einen Schwenkhahn, welcher Menge and
Qualität misst, in Reservoirs zum Zusatz von Chemiealien. Daran schliessen
sich offene Rinnen mit Absatzkästen und Torffilter, durch welche das
Closetwasser anscheinend rein abfliesst. Der Schlamm wird pneumatisch
in Schwenkkästen gebracht, geseiht und mit dem verbrauchten Material
der Torffilter vermischt zu trocknen Ziegeln gepresst Ueber den finan¬
ziellen Effect ist noch nichts Näheres bekannt geworden.
Die anschliessende Discussion constatirte, dass im Allgemeinen diese
künstlichen Klärungen der Abwässer noch nicht über das Stadium des
Versuches hinausgekommen sind und besonders gegenüber der Berieselung
zunächst nur als Nothbehelfe gelten können. Schliesslich einigte Bich
die Versammlung zu der These: Die Reinigung der städtischen Schmatz¬
wässer vor ihrer Abführung in die Wasserläufe bleibt nach wie vor an¬
zustreben. Bei dem jetzigen Stande der Technik und den erheblichen
mit jeder Reinigung verbundenen Kosten empfiehlt es sich jedoch, die
Forderung der Reinigung nur in den Fällen zu erheben, wo gesundheits¬
schädliche Missstände zu befürchten sind, oder sonst erhebliche Uebel-
stände sich fühlbar gemacht haben, und zwar in einem solchen Umfange
als zur Beseitigung dieser Uebelstände geboten ist.
Die dritte Tagesordnung betraf: moderne Desinfectionstechnik
mit besonderer Beziehung auf moderne Desinfectionsanstalten.
Die Referenten Prof. Hoffmann-Leipzig, und Physicus Jacoby-Breslau,
wiesen darauf hin, dass die Anlage wirksamer Desinfectionseinrichtungen
im öffentlichen Interesse Pflicht der Gemeinden sei. Es giebt eine Reihe von
Infectionskrankheiten, deren Infectionskeime direct von Körper zu Körper
übergehen, aber auch durch Gebrauchsgegenstäude, insbesondere Kleider,
Wäsche, Betten, übertragen werden können. Desinfection durch Private
unterliegt den grössten Schwierigkeiten, ja sie kann als geradezu un¬
möglich bezeichnet werden. Wirklicher Erfolg ist von der Desinfection
nur da zu erwarten, wo eine allgemein zugängliche Desinfectionsanstalt
besteht, welche zweckmässig eingerichtet ist, ein gewissenhaftes und gut
geschultes Personal besitzt und unter sachgemässer ständiger Controle
steht. Privatanstalten werden diese Bedingungen viel unsicherer erfüllen,
als öffentliche. Die Benutzung dieser öffentlichen Anstalten soll unent¬
geltlich sein, jedoch nur auf Grund eines ärztlichen Attestes, um Ueber-
bürdung und Missbrauch zu vermeiden.
Am bequemsten und vorteilhaftesten würden Einrichtungen 'sein,
welche Räume und Effecten zugleich desinficiren. Es ist dies aber un¬
möglich und man muss deshalb für Apparate sorgen, in denen desinficirt
werden kann.
Als Desiufection8mittel sind dabei chemisch wirksame auszuschliessen,
am besten ist strömender Wasserdampf zu verwenden. Jeder Apparat
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muss eine ausreichende Menge Dampf liefern, der den Innenraum stets
füllt und darin circulirt. Die zu desinficirenden Gegenstände müssen im
Apparate so gelagert sein, dass der heisse Dampf sicher und rasch bis
in die Mitte derselben eindringt, wobei jedoch Durchnassung durch Be¬
schränkung des Tropfwassers und Umhüllung mit Wachsleinwand zu
vermeiden ist, weil sonst die Wirksamkeit der Desinfection in Frage ge¬
stellt wird, und Wasche etc. auch leicht gelb und fleckig wird. Für
Gegenstände von Leder, Pelze eignet sich Wasserdampf nicht, wohl aber
für solche von Papier. Rosshaare werden durch Wasserdampf gelockert,
verlieren aber an Gewicht, gebrauchte wollene Stoffe bekommen ein
besseres Ansehen. Im Allgemeinen erfolgt die Desinfection innerhalb
einer Stunde, bei grosseren Objecten in zwei Stunden.
Wo Dampfkessel vorhanden, sind gespannte Dämpfe vorzuziehen, der
Einfachheit wegen und weil die Desinfectionskammer dann rascher er¬
wärmt und Condensionswasser besser vermieden wird. Die Wahl der
Apparate und technischen Einrichtungen, deren Zahl gross ist, hängt von
den örtlichen Verhältnissen ab und bedarf für jeden Fall specieller
Prüfung. Anschluss der Desinfectionseinrichtungen an andere öffentliche
Anstalten ist zulässig. Für kleine Ortschaften und ländliche Gemeinden
ist die Beschaffung eines transportablen Desinfectionsapparates vorzusehen.
Es ist zweckmässig mit der Desinfectionsanstalt Badegelegenheit zu ver¬
binden. Kirchner.
Statistischer Sanitäts-Bericht über die Königlich bayerische
Armee für die Zeit vom 1. April 1882 bis 31. März 1884. Bear¬
beitet von der Militär-Medicinal-Abtheilung des Königlich bayerischen
Kriegsministeriums. Mit 11 graphischen Darstellungen. München 1886.
4°. (268 Seiten.)
Der vorliegende Band lehnt sich nach Art seiner Vorgänger eng an
die preussiscben Berichte an und hält sich im Wesentlichen innerhalb des
durch letztere gezogenen Rahmens. Derselbe giebt Raum genug für sta¬
tistische und casuiBtische Mittheilungen von actuellem sowohl als bleibendem
Werth. Wenn aber schon in den früheren bayerischen Veröffentlichungen
dieser Art ein entschiedenes Streben nach weiterer Vertiefung erkennbar
war, so enthält die in Rede stehende Publication Nachrichten über eine
Neuerung, welche, wie wir sicher annehmen zu müssen glauben, geeignet
ist, einen entscheidenden Einfluss anf die fernere Entwickelung der Armee-
Sanitäts-Statistik, weit über die Grenzen Bayerns hinaus, zu gewinnen.
Wer die Entfaltung der Statistik überhaupt auch nur oberflächlich
überblickt, kann sich der Erkenotniss nicht entziehen, dass sie immer
mehr von dem Allgemeinen in das Specielle gedrängt worden ist. Wie
überall, so hat dieser Process sich auch auf dem Gebiet der Militär-
Sanitats-Statistik vollzogen und ist hier wie überall in immer weiterem
Fortschreiten begriffen. Während man anfangs sich begnügte, die Ge-
sammtheit der Todten, allenfalls noch hier und da die Gesammtheit der
Kranken bei grossen Verbänden festzustellen, sah man sehr bald ein, dass
solche Ziffern höchstens eine oberflächliche Neugier befriedigen, in keiner
Weise aber als Unterlagen weder für administrative noch für wissenschaft¬
liche Zwecke zu gebrauchen sind. Mehr und mehr fand man sich ge-
nöthigt, die Zahlen zu detailliren, sowohl nach der Art der Krankheiten
als nach der Grösse der Einheiten, auf welche die Krankheitsziffern sich
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504
beziehen. In ersterer Beziehung dürfte das gegenwärtig in Kraft stehende
Rapport-Schema noch anf längere Zeit hinaus allen wesentlichen An¬
sprüchen genügen; in letzterer Beziehung haben die preussischen Berichte
zuerst einen gewaltigen Schritt vorwärts gethan, indem sie den Kranken¬
ziffern der Armee-Corps diejenigen der einzelnen Garnisonen hinzufügten.
Tausendfach ist inzwischen gerade auf dem Gebiete der Administration
die Erfahrung gemacht, dass auch die Garnison-Statistik auf zahllose
Fragen von höchster praktischer Wichtigkeit keine Antwort giebt, welche
vielmehr nur eine Casernen-Statistik zu geben vermag. Wir können
dies nicht besser beleuchten, als es in dem vorliegenden bayerischen Be¬
richte geschieht Es heisst daselbst (Seite 155):
„Die Militär - Sanität» Verwaltungen sehen sich täglich der Frage
gegenübergestellt, ob Klagen, welche über die schlechten Gesundheits¬
verhältnisse von Casernen eingehen, überhaupt begründet oder welche
von den vorliegenden Beschwerden die begründetsten, einer Abhülfe be¬
dürftigsten sind; sie haben ferner zu erwägen, ob es nicht Casernen giebt,
über die zufällig keine Klage geführt wird, die aber wegen ihrer an¬
dauernden Insalubrität in allererster Linie administratives Einschreiten
erfordern.
„Zur Beurtheilung der Salubritätsverhältnisse der einzelnen Casernen
fehlten bisher den Sanitäts-Verwaltungen die statistischen Anhaltspunkte,
da die Krankheiten nur nach Truppenabtheilungen, aber nicht nach
Wohnräumen ausgeschieden wurden.
.So oft es sich darum handelte, über die Gesundheitsverhältnisse von
Wohnräumen Informirung zu erhalten, mussten besondere Recherchen
angestellt, d. h. es musste in Ermangelung schriftlicher, zu diesem Zwecke
gemachter Aufzeichnungen auf die Erinnerung der betreffenden Garnison¬
arzte und auf den mehr oder minder begründeten Leumund der Casernen
zurückgegriffen oder durch Augenschein der Gesundheitscharakter der¬
selben aus den baulichen Einrichtungen zu entnehmen gesucht werden.
„Abgesehen von der Unmöglichkeit, die Casernen auf diese Weise
untereinander zu vergleichen, sind die Fehlerquellen bei den Recherchen
so gross, dass ihr Werth fast illusorisch wird. Am wenigsten verlässig
sind die Schlüsse, die aus dem Augenscheine gezogen werden, da sich die
Mangelhaftigkeit der baulichen Einrichtungen mit dem Begriffe der Insa¬
lubrität bekanntlich durchaus nicht deckt, vielmehr äusserlich recht mangel¬
haft erscheinende Casernen nicht selten zu den gesündesten, und scheinbar
möglichst rationell eingerichtete manchmal zu den weniger gesunden ge¬
rechnet werden müssen.
„Zur Ermöglichung eines besseren Einblicks in diese Verhältnisse
wurden durch Kriegs-Ministerial-Rescript vom 16. März 1880 No. 3953
sogenannte „Salnbritätsrapporte“ eingefuhrt, nämlich monatliche, tabella¬
rische Berichte über die in den einzelnen Casernen vorgekommenen
Erkrankuugen mit Angabe der Iststärke.
„Durch dieses Rescript wurde für die Beurtheilung der Casernen ein
bedeutender Fortschritt erzielt Dieselben konnten jetzt sowohl bezüglich
constanten als temporären Vorherrschens einzelner Krankheitsformen genau
controlirt und nach der Frequenz der wichtigeren derselben Casernen-
scalen angelegt werden.
„Es zeigte sich bei dieser Gelegenheit unter Anderem, dass nicht nnr
Typhus und Wechselt!eher, sondern auch Lungenentzündung und Gelenk¬
rheumatismus in gewissen Casernen selbst einer und derselben Garnison
constant häufiger vorkamen als in anderen.
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505
„Trotz dieser im Allgemeinen befriedigenden Resultate erwiesen sich
die Salubritätsrapporte einer weiteren Verbesserung bedürftig.
„Erstens beschränkten sich dieselben auf die Lazarethkranken, gaben
also in mancher Beziehung unvollständige Bilder, da Fälle von Gelb¬
sacht, Ohrspeicheldrüsen-Entzündung, Wechselfieber, selbst von Gelenk¬
rheumatismus häufig gar nicht zur Lazarethbehandlung kamen, sondern
im Revier verbliehen.*)
„Ferner musste es bei der Aufstellung von Casernenscalen sich als
sehr misslich erweisen, dass die schwersten und leichtesten Erkrankungs¬
falle als gleichwertig zählten, indem z. B. ein nur wenige Tage dauernder
Gelenkrheumatismus etc. ebenso gut als Fall gerechnet werden musste,
wie ein anderer von mehreren Monaten.
„Endlich führte gerade bei den letztgenannten Krankheiten wegen
der häufigen Recidive das Zählen der Fälle zu mancherlei Unrichtig¬
keiten; auch die Irrungen in der Diagnose mussten bei monatlicher
Berichterstattung als keineswegs unbeträchtlich angesehen werden.
„Die genannten Fehlerquellen konnten nur durch eine gründliche
Umgestaltung des Rapportes beseitigt werden, und schien es wünschens¬
wert^ neben den rein dienstlichen auch den wissenschaftlichen, das heisst
ätiologischen Gesichtspunkten thunlichste Berücksichtigung zuzuwenden.
„Als wichtigstes dienstliches Erforderniss musste die Gewinnung von
Zahienwerthen für die Salubrität der einzelnen Casernen betrachtet
werden und mit Hülfe derselben die Aufstellung einer Casern-Rangliste,
die in allen praktischen Fragen als handlicher Qualificationsbehelf dienen
konnte.
„Nachdem es als unzulässig erkannt war, den Gesundheitswerth ein¬
fach durch die Zahl der Erkrankungsfälle auszudrücken, hätte man daran
denken können, die Todesfälle als Gradmesser der Salubrität zu benutzen.
Aber diese werden sehr häufig durch Krankheiten bedingt, die mit letzterer
gar nichts zu thun haben; ferner können Casernen recht insaluber sein,
ohne viele Todesfälle aufzuweisen, da zwei der schwersten Soldaten¬
krankheiten — Wechselfieber und Gelenkrheumatismus — doch selten
zum Tode fuhren. Auch aus der Frequenz einer bestimmten Krankheits¬
form, z. B. des Typhus, kann man die Salubrität nicht beurtheilen, da
Casernen, die von einer solchen besonders stark heimgesucht werden,
von sonstigen auffallend verschont bleiben können, so dass im Ganzen die
Gesundheit der Bewohner nicht mehr, vielleicht sogar weniger leidet als
anderswo.
„Nur das Verhältniss der gesammten innerlichen Krankheitstage zur
Iststärke giebt einen möglichst richtigen, summarischen Ausdruck für
den Gesundheit88tand, weil in der Dauer der Erkrankungen ihre Schwere
und Bedeutung noch am besten zur Geltung kommt.
„Wenn neben der Gesammtzahl der innerlichen Krankheitstage, die
als Grundlage der Rangliste dient, für jede Caserne auch noch die vor¬
gekommenen Erkrankungsformen nach Zahl der Fälle und Behandlungs¬
tage, sowie die Todesfälle und Unbrauchbarkeits-Erklärungen ersichtlich
gemacht werden, so ist damit Alles gegeben, was für die gründlichste
Beurteilung der Salubrität wünschenswert erscheinen kann.
*) Hierbei entstanden noch Ungleichheiten dadurch, dass in manchen Regi¬
mentern infolge beschränkter Räumlichkeiten die Revierbehandlung eine sehr geringe,
in anderen sehr ausgedehnt war.
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506
„Es ist jedenfalls von dienstlichem Interesse, in derselben Weise wie
die Casernen auch die Regimenter und Compagnien zu charakterisiren
und auch hier die Oesammtsumme der Krankheitstage sowie den Beitrag,
welchen die einzelnen Krankheitsformen zur Gesammtsumme liefern,
ferner die Todesfälle und Unbrauchbarkeits-Erklärungen zu ermitteln.
„Es wird also der praktische Theil in doppelter Richtung, nämlich
im Sinne einer Casern-Compagnie-Statistik zu entwickeln sein«
„Solche Ausführungen erfordern für jeden einzelnen Krankheitsfall
Angaben über die Dauer der Krankheit und deren Ausgang, sowie die
Compagnie-Angehörigkeit und den Wohnort des Patienten. Dieselben
können auch für ätiologische Zwecke in mehrfacher Richtung Ver-
werthung finden, besonders bezüglich der Einflüsse der Localität und der
Contagiosität. Zu diesem Zwecke müssen die Angaben über den Wohn¬
ort bis zur Bezeichnung des Zimmers pracisirt werden. Behufs Ermitte¬
lung des Einflusses der Jahreszeiten und des zeitlichen Verlaufes der
Epidemien müsste noch das Datum der Erkrankung und für die Beur-
theilung der dienstlichen Einflüsse und der Acclimatisation die Angabe
des Dienstalters hinzukommen.
„Um diesen vielfachen Anforderungen zu genügen, wurde
die tabellarische Erhebungsform verlassen und zu den Zahl¬
karten übergegangen. a
„Die weitere Schilderung der in Bayern nach dieser Richtung ge¬
troffenen Anordnungen kann hier ausser Betracht bleiben; dieselben wurden
sich ohnehin überall anders gestalten müssen, schon deshalb, weil Das¬
jenige, was für zwei Armee-Corps verhaltnissmassig leicht ausführbar ist,
ein ganz anderes Ansehen gewinnt, wenn es sich darum handelt, es auf
einen grösseren Armeeverband zu übertragen. Uns kam es darauf an,
die beiden folgerichtig entwickelten Principien zum Ausdruck zu bringen,
denen, wie wir fest uberzeugt sind, keine Armeeverwaltung sich auf die
Dauer wird entziehen können, nämlich 1) das Princip der auf die kleinsten
Einheiten zurückgeführten localistischen Statistik, 2) das Princip des
Zahlkartensystems als der allein zuverlässigen und für die wichtigsten
Zwecke allein brauchbaren Grundlage jeder Statistik.
Es ist wohl kein Zufall, dass der erste, seit Jahren vorbereitete
Anlauf zu einer detaillirten localistischen Statistik in grossem Stil gerade
in Bayern genommen wird. Durchaus unzutreffend aber wäre es, zu
glauben, dass die localistische Statistik lediglich aus einer bestimmten
(localistischen) Theorie hervorgegangen und in den Dienst derselben zu
stellen sei. Eine localistische Statistik wird vielmehr von jeder Theorie
gefordert und von jeder bisher vermisst; unabhängig von jeder Theorie
vermag sie die nützlichsten Winke für das Handeln zu ertheilen, und
ohne Zweifel kann sie wesentlich dazu beitragen, manche theoretische
Streitfrage zu schlichten. ^
Mit Bezug auf dasselbe Werk geht uns von anderer Seite eine Mit¬
theilung zu, welche uns geeignet erscheint, das Vorstehende zu ergänzen:
In dem jüngsten statistischen Sanitätsbericht über die bayerische
Armee, der durch sorgfältigste Verwerthung des Rapportmaterials sich
den preussischen Vorbildern würdig an die Seite stellt, ist Seite 155 und
flgde. ein Abschnitt neuartigen Inhalts eingeschaltet. Es wird daselbst
eine Schilderung des Zählkartenrapports gegeben, der seit einigen Jahren
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507
io Bayern versuchsweise neben dem bisherigen Rapportsystem eingeführt
wurde, um sowohl in praktischer als wissenschaftlicher Beziehung ein
tieferes Eindringen in die den Krankheitsvorkommnissen zu Grunde
liegenden Verhältnisse zu ermöglichen.
_Das8 der bis nun übliche Tabellenrapport wegen der spärlichen Auf¬
schlüsse, die er über die einzelnen Krankheitsfalle liefert, die berechtigte
Wissbegierde nicht befriedigt, und dass hierzu nur Erhebungen mittelst
einigermaa8sen ausführlicher Zählkarten geeignet sind, das lehrt am deut¬
lichsten die ärztliche Geschichtschreibung des deutsch - französischen
Krieges. Dieses grossartige Werk ist nicht auf der Basis der tabellarischen
Kriegs rapporte aufgebaut, sondern es musste dafür aus Millionen von nach¬
träglich angefertigten Zählkarten die erforderliche breite Basis eigens ge¬
schaffen werden. Welche unsägliche Mühe es gekostet haben muss, aus
den Krankenbüchern der Lazarethe und Truppen, aus sonstigen Kranken-
journalen, Todtenregistern, Evacuationslisten, Acten und Publicationen
das Zählkartenmaterial nachträglich zu Stande zu bringen, davon werden
sich ansser den direct Betheiligten nur Wenige eine annähernde Vorstellung
machen. Es drängt sich unwillkürlich die Frage auf, ob es nicht viel
zweckmässiger und auch zuverlässiger wäre, in einem künftigen Kriege
die Zählkarten schon im Felde angesichts der Erkrankungsfälle ausstellen
zu lassen, überhaupt den Zählkartenrapport, im Kriege wie im Frieden,
als das einfachste und zweckmässigste Rapportsystem in Anwendung zu
bringen.
Es kann hier nicht auf eine ausführliche Wiedergabe der Vortheile
eingegangen werden, welche in dem fraglichen Abschnitt des bayerischen
statistischen Sanitätsberichts dem Zählkartenrapport zugeschrieben werden.
Es soll nur die Aufmerksamkeit derjenigen, die sich für statistische Fragen
interessiren, auf diesen Bericht hingeleitet werden, der nicht verfehlen
dürfte, bei den Lesern den Eindruck zu hinterla89en, dass der Zählkarten¬
rapport einen wirklichen Organisationsfortschritt darstellt.
Dagegen mag es Erwähnung verdienen, dass mit den in dem frag¬
lichen Bericht aufgeführten Punkten die Vorzüge des Zäblkartenrapports
nicht vollständig erschöpft sind. Ein sehr wesentlicher Vortheil dieses
Systems besteht unter Anderem auch darin, dass bei manchen Krankheits¬
formen, bei denen die diagnostischen Gepflogenheiten der Aerzte ziemlich
weit auseinandergehen, aus der Kenntniss der Dauer der Einzelerkran¬
kungen eine statistische Berichtigung der Diagnosen und damit die Mög¬
lichkeit eines Vergleichs der einzelnen Beobachtungspunkte in Bezug
auf die wirkliche Zahl und die Intensität der Krankheitsfälle erreicht
werden kann.
Um dies verständlicher zu machen, wird es am besten sein, eine be¬
stimmte Krankheitsform, z. B. den Typhus, herauszugreifen. Jedermann
weiss, dass in Bezug auf die Diagnose des Typhus die Aerzte von sehr
verschiedenen Gesichtspunkten ausgehen. Der eine erklärt nur die ganz
ausgesprochenen Fälle als Typhus, alle leichteren und einigermaassen
zweifelhaften Fälle als Febris gastrica. Andere dehnen den Begriff des
Typhus unendlich viel weiter aus, indem sie auch Febriculae und sog.
coupirte Fälle unbedenklich dazu rechnen. Zu diesen wissenschaftlichen
Meinungsverschiedenheiten kommen häufig noch allerlei andere Rücksichten,
z. B. das Bedürfnis, besorgte Gemüther durch möglichste Vermeidung der
Diagnose Typhus zu beschwichtigen oder das therapeutische Bedürfnis,
eine möglichst grosse Anzahl von geheilten Fällen zusammen zu bringen.
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Da dnrch dieses angleichmässige Verfahren eine Vergleichung der
verschiedenen Beobachtangs punkte zur Unmöglichkeit wird, so suchen
sich die Statistiker in der Regel damit za helfen, dass sie die Rubriken
Typhus und Febris gastrica vereinigen und die Summe als „typhöse
Erkrankungen 4 in Rechnung setzen. Das wäre ganz rationell, wenn die
Rubrik Febris gastrica nar aas verkappten oder zweifelhaften Typhus*
fällen bestände, aber diese Voraussetzung ist eine ganz verfehlte.
Seitdem man in Bayern mittelst der Zählkarten die Dauer der Einzel¬
erkrankungen erfährt, hat man sich überzeugt, dass wenigstens */« aller
gastrischen Fieber eine geringere Daaer als zehn Tage, sehr viele nur
eine zwei- bis dreitägige Dauer haben. Dass unter diesen 75 %> kein
typhusverdächtiger Fall steckt, liegt auf platter Hand. Die sog. gastrischen
Fieber sind zu allermeist nichts Anderes als einfache Magencatarrhe, die
der Abwechselung halber hier und da als Febris gastrica bezeichnet
werden.
Nachdem dies bekannt ist, wird sich Niemand mehr dazu verstehen,
die „typhösen Erkrankungen 4 als Maassstab für die Ab- oder Zunahme
der Typhusfrequenz oder als Maassstab für die Heilungsresultate zu ver-
werthen. Der Tabellenstatistik bleibt unter solchen Verhältnissen nichts
Anderes übrig, als sich einfach und schlicht an die Mortalität zu halten.
Die Zählkartenstatistik dagegen wird durch die diagnostischen Unklar¬
heiten nicht im Geringsten in Verlegenheit gesetzt; sie kann anch die
Typhusmorbidität in ganz zuverlässiger Weise zu Vergleichnngen ver-
werthen, weil sie die Mittel besitzt, ohne alle Mühe den Weizen von der
Spreu abzusieben.
Es wird keinem grossen Widerspruch begegnen, wenn man den Satz
aufstellt, dass eine Febris gastrica von mehr als dreiwöchiger Krankheits¬
dauer als Typhus gezählt und ein Typhus von weniger als dreiwöchiger
Krank heitsdaner gestrichen werden soll. Wenn man nach diesem Grund¬
satz die „typhösen Erkrankungen 4 sichtet, so kann wohl hier und da ein
verkümmertes Typhuskörnchen verloren gehen, auch wohl ein oder das
andere Spreublättchen hängen bleiben; aber darauf kommt praktisch gar
nichts an. Man gewinnt jedenfalls ein gereinigtes und, was die Haupt¬
sache ist, ein trotz aller diagnostischen Verschiedenheiten vergleichbares
Material, mit dem man getrost an die Lösung wissenschaftlicher Fragen
herantreten kann. Ohne diese Sichtung sind alle unsere statistischen
Bemühungen sowohl beim Typhus als bei verschiedenen anderen Krank-
heitsformen eitel, und schon aus dem einzigen Grunde der Möglichkeit
einer Berichtigung der Diagnosen dürften die Zählkartenerhebungen jedem
Statistiker als unentbehrliche Arbeitsgrandlage erscheinen.
Statistique mödicale de l’armde Beige. Periode de 1880—1884.
Bruxelles. 1886. 4°. (XXXIII Seiten Text und 259 Seiten Ta¬
bellen.)
Mit Recht wird im Vorwort hervorgehoben, dass die Sanitätsberichte
der Armeen an actuellem Interesse um so mehr einbüssen, je längere
Zeit zwischen der Berichtsperiode und dem Erscheinen des Berichts ver-
fliesst. Die ausgesprochene Absicht, fortan jährliche Mitteilungen so
veröffentlichen, kann gewiss nur den Wunsch rege machen, dass es in
Belgien und anderwärts gelingen möge, diesen Vorsatz zu verwirklichen.
Für den auswärtigen Leser tritt freilich das actuelle Interesse dieser
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509
ond analoger Arbeiten hinter ihrem bleibenden Werthe als Vergleichs¬
objecte zurück; für ihn ist es daher in gewissem Sinne sogar vortheilhaft,
wenn er die Werthe einer Reihe von Jahren in einem Bande vereinigt
findet, zumal wenn ihm — wie es in dem vorliegenden Werke geschehen
ist — die Mühe der Durchschnittsberechnungen darch die Bearbeiter
selbst abgenommen ist
Da das Vorwort für die Zukunft auch eine Erweiterung des Inhalts
und anderweitige Gruppirung des Materials in Aussicht stellt, darf den
künftigen Publicationen mit um so grosserer Hoffnung entgegen gesehen
werden. Der in Rede stehende Bericht lasst — ebenso wie seine Vor¬
gänger — bedauern, dass die specielle Krankheitsstatistik nur die Lazareth-
kranken, d. h. nur den fünften bis vierten Theil des Gesammtzuganges
umfasst. Die militärische Statistik sollte sich den ihr ausschliesslich
eigenthümlichen Vortheil nicht entgehen lassen, welcher daraus erwachst,
dass sie im Stande ist, sich auf alle überhaupt zur ärztlichen Kenntniss
kommenden Erkrankungen auszudehnen. Dass nur eine derartig voll¬
ständige Statistik für manche wissenschaftliche Untersuchungen brauch¬
bare Unterlagen zu liefern vermag, ist in dem I., auf die Friedensmorbiditat
der Heere bezüglichen Abschnitt des zweiten Bandes des deutschen
Kriegs-Sanitatsberichtes für 1870/71 überzeugend dargethan.
Des Weiteren gewinnt mehr und mehr die Erkenntniss Boden, dass
nur detaillirte Zahlen theoretische und namentlich praktische Zwecke
zu fordern im Stande sind. Auf dem gegenwärtigen Standpunkte haben
summarische Angaben über Erkrankungen, Todesfälle u. 8. w. kaum
etwas Belehrendes; mehr und mehr drangt die Hygiene zu einer
localis tischen Statistik. Die Hindernisse, welche einer solchen bei
grossen Armeen entgegenstehen, beruhen ganz überwiegend in den tech¬
nischen Schwierigkeiten, welche die Bewältigung des Rohmaterials ver¬
ursacht; sie sind also um so leichter zu überwinden, ein je kleinerer
Truppenverband in Betracht kommt. Der neueste Sanitatsbericht der
bayerischen Armee über die Rapportjahre 1882/83 und 1883/84 zeigt
den Weg, auf welchem die Militar-Sanitütsstatistik zu wandeln berufen
ist Die Vorbedingungen für eine derartige Behandlung der Sache sind
freilich nicht im Handumdrehen zu schaffen, doch liegen viele Mittel¬
stufen zwischen der bayerischen Casernenstatistik und den sehr allgemein
gehaltenen Daten aus den belgischen Garnisonen.
Der Krankenzugang bei der gesummten belgischen Armee betrug
auf Hundert der Kopfstarke:
im Jahre im Lazareth im Revier (ä la chambre)
1880 37,73 107,08
1881 36,59 101,57
1882 33,00 108,70
1883 34,72 105,13
1884 35,39 114,27
Für beide Kategorien fallt der Durchschnitt etwas günstiger aus als
wahrend der Berichtsperiode von 1875—1879. Diese Abnhhme der
Krankenziffern in neuerer Zeit ist allen europäischen Heeren, über welche
Berichte vorliegen, gemeinsam als sprechender Erfolg der Bemühungen
aller Culturstaaten auf dem Gebiete der Gesundheitspflege überhaupt und
der Heereshygiene im Besonderen.
Casuistische Mittheilungen enthalten die belgischen Armeeberichte
nicht. Hinsichtlich des Drucks und der Ausstattung zeichnen sie sich vor
vielen anderen vortheilhaft aus.
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510
Traitö d’Hygiene militaire par G. Mora che, Directeur da Service de
santö da XVIII 6 Corps d’armee; Professeur ä la facaltö de Medecine
de Bordeaux. Zweite gänzlich umgearbeitet« Ausgabe, mit 173 Holz¬
schnitten. 926 B. 8°. Paris, Bailiiere et Fils, 1886.
Schon eine oberflächliche Betrachtung zeigt, dass das im Jahrgange
1874, S. 453 der Zeitschrift besprochene Werk in ganz neuer, wesentlich
erweiterter Gestalt vor uns liegt. Es hat sich in diesen 12 Jahren in
der Organisation der französischen, wie der anderen vom Verfasser ein¬
gehend berücksichtigten Armeen so manche Aenderung vollzogen, die mit
der Gesundheitspflege in engem Zusammenhänge steht. Dies allein musste
für die Beleuchtung wichtiger Abschnitte neue Gesichtspunkte geben.
Dennoch tritt dieses Moment zurück gegen die gewaltigen Aenderungen
und Fortschritte, welche die Hygiene als Wissenschaft seither gemacht
hat. Mehr und mehr auf experimentelle Ergebnisse und praktische Er¬
fahrungen gestützt, hat die Hygiene jetzt einen gesicherten Platz in der
medicinischen Wissenschaft wie in der Nationalökonomie gefunden, die
Beachtung der Behörden wie der Bevölkerung sich erzwungen und da¬
durch die Mittel gewonnen, ihre zielbewussten Absichten mit zunehmender
Aussicht auf Erfolg zu verwirklichen. Jedes Capitel des Werkes musste
nach diesen Erfahrungen aufs Neue Satz für Satz durchgearbeitet, be¬
richtigt, ergänzt werden. Der Herr Verfasser ist dieser Eiesenaufgabe in
einer Weise gerecht geworden, welche ihm nicht nur bei seinen Lands¬
leuten, sondern bei jedem Fachgenossen zu hohem Lobe gereichen muss.
Gleich das erste Buch, welches von der Organisation der Heere und
ihres Ersatzes bandelt, hat dadurch ein wesentlich neues Gesicht be¬
kommen, dass das französische Eekrutirungsgesetz von 1872, dessen Wirk¬
samkeit beim Erscheinen der 1. Auflage eben begann, jetzt seit einem
Zeitraum in Kraft ist, welcher einen abschliessenden Ueberblick über den
wichtigen Schritt der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht gestattet.
Nach einem historischen Rückblick finden wir neben den französischen
die Ersatzordnungen der deutschen, österreichischen, italienischen, belgi¬
schen und englischen Armee gewürdigt, die Anforderungen an Grosse,
Brustumfang, Gewicht, ebenso wie die Bedingungen der Untauglichkeit
verglichen. Es ist interessant zu sehen, wie trotz der fast allgemeinen
Unterstellung der Ersatzcommissionen unter Offiziere de facto überall
dem Militärarzt die Hauptstimme zufällt, dem bei vorkommenden Unregel¬
mässigkeiten ja auch de jure die alleinige Verantwortung auferlegt wird.
Ein Ueberblick über die Bedingungen der Tauglichkeit für die verschiedenen
Waffengattungen, sowie über die Behandlung der Rekruten bis zu ihrer
Einstellung in die Truppe schliesst dieses Capitel.
Das zweite Buch behandelt die Unterkunft des gesunden
Soldaten. Hier sind durch die seit 1874 festgestellten neuen Systeme
(z. B. das Tollet’sche) eine grosse Reihe von Aenderungen zu besprechen
gewesen. Wir finden die Casernen nach Platz, Anordnung der Gebäude,
innerer Einrichtung, Heizung, Beleuchtung, Ventilation etc. in der er¬
schöpfendsten Weise behandelt. Es giebt keinen Punkt aus dem ganzen
Gebiet, über den sich der suchende Militärarzt hier nicht Rath erholen
könnte, ob er nun die Wohnungen im engeren Sinne, ob er die Neben¬
räume, wie Höfe, Küchen, Wachen, lnfirmerien, Werkstätten, Stalle,
Arrestlocale etc. kennen zu lernen wünschte. Alles ist nach dem neuesten
Standpunkte der Technik mit ebenso sachgemässer wie ma&ssvoller Kritik
beleuchtet. Es folgt die Besprechung der Can tonne men ts im Kriege, so-
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511
wie der Unterbringung von Truppen in öffentlichen Gebäuden von
ursprünglich anderer Bestimmung; ferner die Quart)erverhältnisse in
befestigten Plätzen. Mit grosser Klarheit sind endlich die gesundheitlichen
Bedingungen der Lager und Biwaks, der Baracken und Zelte erörtert
und durch werthvolle Rathschläge für die Erhaltung eines guten Gesund¬
heitszustandes bei lagernden Truppen vervollständigt. Das zweite Buch
ist das längste und am meisten specialisirte des ganzen Werkes.
Das dritte Buch fixirt, so gut dies möglich, den gegenwärtigen Stand¬
punkt der militärischen Bekleidung und Ausrüstung. Es liegt in
der Natur der immer steigenden Anforderungen an weitgehendste Be¬
weglichkeit grosser Truppenmassen, dass dies ganze Gebiet sich bei den
grossen europäischen Heeren in einer dauernden Vervollkommnung, also
Umwälzung befindet, die noch keinen Abschluss sehen lässt. Daher kann es
nicht Wunder nehmen, dass Verfasser, der andere Armeen, namentlich
die deutsche, genau berücksichtigt, hier und da Dinge als noch in Kraft
befindlich angiebt, die es nicht mehr sind. So z. B. den Czako der
Landwehr, der bereits seit Jahr und Tag durch den Helm*), und die
österreichische Blouse, welche inzwischen bei Ulanen und Dragonern
stellenweise durch einen Pelzrock ersetzt, in allerneuester Zeit jedoch in
verändertem Schnitt und beschränkterer Anwendung restituirt worden ist
Im vierten Buch über die M und Verpflegung ist in geradezu er¬
schöpfender Weise den Fortschritten Rechnung getragen, welche durch die
stetig vervollkommnete Conservenfabrikation einerseits, die hiermit schritt¬
haltende hygienische Prüfung der Nahrungsmittel andrerseits bedingt sind.
Doch hält sich Verfasser in letzterer Beziehung streng an das, was der
Militärarzt zu leisten im Stande ist, auf specielle Untersuchungsmethoden
geht er nicht ein. Mit besonderer Genauigkeit ist namentlich die Feld¬
portion des Soldaten erörtert, deren richtige Zusammenstellung und recht¬
zeitige Beschaffung heutzutage an den Scharfsinn der Hygieniker, wie an
die Leistungsfähigkeit der Intendanturen enorme Anforderungen stellt, wenn
es sich um Concentration moderner Massenheere handelt. Als besonders
gelungen sind die Capitel über Brot und Alkoholika hervorzuheben.
Unter dem Titel „Das militärische Leben des Soldaten“ finden
wir im fünften und letzten Buche die Abhandlung aller Thätigkeitszweige,
welche auf die Gesundheit des Mannes Einfluss zu gewinnen ira Stande
sind, so lange er unter den Waffen ist. Exerciren, Turnen, Marschiren,
Casernenleben werden sowohl im Allgemeinen, wie nach den Verhältnissen
der einzelnen Waffengattungen besprochen Hierbei ist auch in einem
besonderen Abschnitte der Gesundheitspflege in europäischen und colonialen
Kriegen Rechnung getragen. Dies ganze Buch ist — unter dem Druck
des ins Riesige gewachsenen Gesammtstoffes — nicht so eingehend in
der Darstellung wie die früheren. Besonders aber gilt dies von dem
geradezu stiefmütterlich behandelten letzten Capitel desselben, welches
den Hospitälern gewidmet ist. Neben dem System Tollet ist kaum ein
anderes näher gewürdigt; die deutschen Grundsätze für den Neubau von
Friedenslazarethen vom 19. Juni 1878, durch welche das Blocksystem
reglementarisch eingeführt worden ist, scheinen dem Herrn Verfasser
ebenso wenig zur Hand gewesen zu sein, wie die in mannigfachen Werken
•) Der vom Verfasser S. 451 als Modele general abgebildete preussische Helm
ist nicht das allgemeine Modell, sondern ein Generalshelm. Wahrscheinlich liegt
jener Bezeichnung ein sprachlicher Irrthum zu Grunde.
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512
gegebenen Abbildungen deutscher Militärkrankenhäuser, welche zahlreichen
anderen, auch ausländischen Anlagen zum Muster gedient haben. Auch
bei der Besprechung vorübergehender Unterkünfte für Kranke ist zwar
der Antwerpener Ausstellung gedacht, indessen nur die Ravenez’sche
Baracke als preisgekrönt erwähnt.
Eine kurze Üebersicht der Desinfectionsmethoden und eine summa¬
rische Verluststatistik moderner Armeen aus den letzten Kriegen bilden
den Schluss des Werkes, welches, unbeschadet kleiner Ausstellungen, zu
den bedeutendsten Erscheinungen in der heutigen Hygiene-Litteratur gehört.
Verfasser will mit seiner Arbeit nicht bloss die Aerzte, sondern auch
die Commandobehörden für das wichtige Studium der Militärgesundheits¬
pflege einnehmen. Dass ihm dies gelingen wird, ist ausser Zweifel. Die
Nichtbeachtung hygienischer Grundsätze straft sich unerbittlich durch Ver¬
minderung der Schlagfertigkeit eines Heeres. Diese zu erhalten und zu
erhöhen, ist in unserer Zeit des bis an die Zähne bewaffneten Friedens
eine so gebieterische Forderung der Selbsterhaltung einer Nation, dass
keine Militärverwaltung die Verantwortung auf sich nehmen wird, hygie¬
nischen Forderungen nicht vollste Rücksicht zu gewähren.
Die Ausstattung des Werkes ist tadellos. Der Druck zwar klein,
aber durch Zeilendistanz und Schärfe der Typen ausserordentlich klar
und übersichtlich. — . —
fflittheilnngen.
Sanitäts-Offiziers-Gesellschaft zu Dresden.
3. (163.) Sitzung.
Donnerstag, den 11. März 1886.
Stabsarzt der Reserve Dr. Mund: Ueber statische Electricität
und deren therapeutische Verwendung.
Redner vergleicht die therapeutischen Wirkungen der statischen
Electricität und der sonst verwendeten Electricitätsarten, besonders des
galvanischen Stromes.
Nach Erörterung einiger Vorbegriffe und Demonstration der ent¬
sprechenden Apparate bespricht Redner die physiologischen Wirkungen
des Maschinenstromes mit eingeschalteter Luftstrecke: Erhöhung der
Pulswelle, Vermehrung der Ausdünstung und Diurese sind die objectiven
Merkmale der Reizung; zugleich findet eine intensive Reizung der
sensiblen Nerven und Contraction der oberflächlichen Muskeln, erst
Contraction, dann Erweiterung der Gefässe der Haut statt. Die Leydener
Flasche ist dem Inductionsstrom insofern überlegen, als die Hant dem
Entladungsstrom des Condensators kaum Widerstand entgegensetzt und
die Leydener Flasche genaue Abmessung des Electricitätsquantums gestattet.
Nach kurzer Schilderung der Einwirkung auf die Sinnesnerven und der
localen Faradisation, sowohl mit als ohne eingeschaltete Luftstrecke,
demonstrirt der Vortragende einen von Lean es construirten tragbaren
Apparat zur Anwendung der statischen Electricität. Als diagnostisch
besonders wichtig hebt er hervor, dass gelähmte Muskeln die Reactioo
gegen statische Electricität erst verlieren, wenn die faradische Erregbar¬
keit längst erlosch.
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513
4. (164.) Sitzung.
Donnerstag, den 18. März 1886.
Stabsarzt Dr. Balm er: Die Erkrankungen des Nerven¬
systems bei den Deutschen Heeren im Feldzuge 1870/71, nach
dem VII. Bande des Kriegs-Sanitätsberichts.
5. (165.) Sitzung.
Donnerstag, den 15. April 1886.
Stabsarzt der Reserve Dr. Cahnheim: Reiseskizzen aus
Tunis.
Redner giebt zunächst einen kurzen Ueberblick über die Geographie
der Regentschaft und Stadt Tunis und schildert dann die militärischen
Verhältnisse, so weit sie ihm bekannt geworden. Danach soll die
tunesische Landmacht bestehen aus 7 Infanterie-, 4 Artillerie-Regimentern
und einer Abtheilung C&vallerie in einer Gesammtstärke von ca. 20 000 Mann
Der Effectivbestand ist im Ganzen ungefähr 2—3000 Mann, von denen
ungefähr 1000 Mann in der Hauptstadt stehen und der Rest in den
Provinzgarnisonen Kernan, Susa, Sfax, Gabes und Monastir. Die Ca-
vallerie existirt in Wirklichkeit nur auf dem Papier oder besteht viel¬
mehr aus ein paar Obristen und ungefähr 20 Mann ohne Pferde. Es
giebt für diese Armee etwa 100 Generale und tausend Offiziere aller
&rade« Die Bezahlung des Heeres ist dessen Diensten entsprechend,
d. b. etwas mehr als nichts, so dass z. B. der gemeine Soldat an monat¬
lichem Solde 2 M. 40 Pf., der Lieutenant (Molasser) 11 M., der Haupt¬
mann 18 M., der Oberst 116 M. erhalten soll; doch der Sold ist stets
viele Monate im Rückstand und wird im besten Falle nur theilweise be¬
zahlt. Offiziere und Mannschaft erhalten von der Regierung Wohnung,
Kleidung und Kost; die Tagesration soll betragen für den gemeinen
Soldaten 2 Laib Schwarzbrot, 100 Gramm Olivenöl und Gemüse, zwei¬
mal wöchentlich Fleisch; für den Offizier 2 Laib Brot und 1 Pfund
Fleisch. Es würden non Sold und Verpflegung bei der Bedürfnisslosig-
keit des Orientalen ausreichen, jedoch es läuft alles dieses durch die
Hände so vieler Generale, Obersten undCapitane, dass vom Sölde nichts, von
der Kleidung alte Fetzen und von derKostBrot and ranziges Oel übrig bleiben.
Die Besichtigung der Kasernen, welche in ziemlich gatem Zustande
waren, der Militärforts, des Artilleriedepots und des Arsenals zeigten
überall dieselbe schreckliche Misswirtschaft. Eine feste Militärdienst¬
zeit oder geregelte Aushebung giebt es nicht, sondern ist der Willkür
des Kriegsministers und seiner Offiziere überlassen. Jedenfalls ist das
Loos des tunesischen Soldaten in keiner Richtung ein beneidenswertes.
Nachdem der Vortragende noch einige Streifliäter auf das tunesische
Haremsleben, sowie auf das Gerichts- und Gefängnisswesen geworfen bat,
schlie88t er den Vortrag.
6. (166.) Sitzung.
Donnerstag, den 20. Mai 1886.
StabsarztDr. Seile: Referat über den diesjährigen Congress
deutscher Chirurgen in Berlin.
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514
General-Rapport
von den Kranken der Königlich Preussischen Armee, des XU. (Königlich
Sächsischen^ nnd des XIII. (Königlich Württembergischen) Armee-Corps,
so wie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich Bayerischen
Besatiungs-Brigade pro Monat Jnli 1886.
1) Bestand am 30. Juni 1886: 10 761 Mann and 47 Invaliden
2) Zugang:
im Lazareth 10 246 Mann und 2 Invaliden,
im Revier 18 296 - - 11 _
Summ a 28 542 Mann und 13 Invalidem
Mithin Summa des Bestandes und Zuganges 39 303 Mann und 60 Invaliden,
in Procenten der Effectivstarke 9,8% und 21,2%.
3)
o o
geheut .
27 405
Mann,
16
Invaliden,
gestorben ....
75
-
2
-
invalide.
234
-
—
-
dienstunbrauchbar .
328
-
—
-
anderweitig . . .
445
-
—
-
Summa . •
28 487
Mann,
18
Invaliden.
4) Hiernach sind:
geheilt 69,7% der Kranken der Armee und 26,7% der erkrankten
Invaliden,
gestorben 0,19% der Kranken der Armee und 3,3% der erkrankten
Invaliden.
5) Mithin Bestand:
am 31. Juli 1886 10 816 Mann und 42 Invaliden,
in Procenten der Effectivstarke 2,8% und 14,8%.
Von diesem Krankenstände befanden sich:
im Lazareth 7 239 Mann und 3 Invaliden,
im Revier 3 577 - 39
Es sind also von 524 Kranken 365,4 geheilt, 1,0 gestorben, 3,1 als
invalide, 4,4 als dienstunbrauchbar, 5,9 anderweitig abgegangen, 144,2 im
Bestand geblieben.
Von den Gestorbenen der activen Truppen haben gelitten an: Ma¬
sern 1, Rose 3, Unterleibstyphus 8, acutem Gelenkrheumatismus 1, Hits¬
schlag 2, Hirn- und Hirnhautleiden 6, Lungenentzündung 13, Lungen¬
schwindsucht 20, Brustfellentzündung 4, Herzleiden 1, Lymphdrüsenent¬
zündung 1, Darmkatarrh 2, Leberleiden 2, Bauchfellentzündung 3, Nieren¬
leiden 4, Furunkel 1; an den Folgen einer Verunglückung: Hufschlag 1,
Stichwunde bei einer Schlagerei 1; an den Folgen eines Selbstmordver¬
suchs: Erschiessen 1. Von den Invaliden: an Epilepsie 1, Lungenent¬
zündung 1.
Mit Hinzurechnung der nicht in militararztlicher Behandlung Verstor¬
benen sind in der Armee im Ganzen noch 44 Todesfälle voroekommen,
davon 4 durch Krankheiten, 19 durch Verunglückung, 21 durch Selbstmord.
Von den Invaliden: durch Krankheiten 3; so dass die Armee im Ganzen
119 Mann und 5 Invaliden durch den Tod verloren hat.
Qedrnckt io der Königlichen Hofhuchdruckerei von E. 8. Mittler und Sohn in Berlin, Kochetrua* M-79.
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Deutsche
Militärärztliche Zeitschrift.
Redaction:
Dr. 3*. <£eittQ0fi>, Generalarzt,
Berlin, Taubenstrasse ö,
u. Dr. <£ett9ar$, Stabsarzt,
Berlin, Kaiser Franz Grenadier-Platz 11/12.
Verlag:
C.
Königliche Hofbuchhandlang,
Berlin, Kochstrasse 68—70.
Monatlich erscheint ein Heft von mindestens 3 Druckbogen; dazu ein „Amtliches Beiblatt“. Der
Zeitschrift wird das Werk: „Jahresbericht fiber die Fortschritte auf dem Gebiete des Milit&r-
Sanitats-Wesens“, herausgegeben vom Generalarzt Dr. Roth, unentgeltlich beigegeben. Bestellung
nehmen alle Postämter und Buchhandlungen an. Preis des Jahrgangs 15 Mark.
XY. Jahrgang. 1886 . Heft 11.
lieber Bronchialasthma.
(Nach einem Vortrage, gehalten in der militärärztlichen Gesellschaft am 21. Juli’1886.)
Von E. Leyden.
(Mit einer Tafel in Lichtdruck.)
M. H.I Der Gegenstand meines heutigen Vortrages betrifft eine Krank¬
heit, welche sowohl in früherer, wie auch in neoerer Zeit, sowohl in
theoretisch-pathologischer, sowie in praktisch-therapeutischer Beziehung
Gegenstand lebhafter und wiederholter Discussionen gewesen ist. Da
ich mich selbst vor Jahren durch eigene Untersuchungen an der schweben¬
den Frage betheiligt habe, so darf ich mir wohl auf einige Minuten Ihre
Aufmerksamkeit erbitten, um den Standpunkt darzulegen, den ich den
verschiedenen Ansichten gegenüber selbst zur Zeit einnehme.
Ehe ich jedoch auf die gegenwärtig in Discussion stehenden Punkte ein¬
gehe, scheint es mir zweckmassig, daran zu erinnern, dass die Lehre vom
Asthma ein altes medicinisches Problem darstellt, dessen fortschreitenden
Entwickelungsgang ein Blick auf die Geschichte der Medicin darlegt.
Diese gegenwärtig leider so wenig cultivirte Disciplin mag uns auch hier
veranschaulichen, wie die wichtigsten und schwierigsten Fragen der
Medicin schon in frühester Zeit in Angriff genommen worden sind. Zuerst
in allgemeinen, häufig unklaren Umrissen erfasst, sehen wir dieselben unter
den im Laufe der Zeit angesammelten Erfahrungen nach und nach an Licht
und Gestalt gewinnen. Die Fortschritte geschehen nicht gleichmassig, son¬
dern in Epochen. Nach anscheinend längerem Stillstand tritt ein grosser Fort-
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schritt ein, geknüpft an einen illustreq. Namen. So giebt jede Zeit ihren
Beitrag znr Losung wichtiger Fragen; auch unsere Zeit greift io
emsiger Arbeit fördernd in das gemeinsame Werk ein. Als ein Glied in
der Kette der Jahrhunderte nehmen wir dasjenige, was die Vorfahren
geleistet haben, dankbar auf und übergeben das Werk den künftigen
Geschlechtern, durch eigene Arbeit gefördert und bereichert, selbst wenn
die völlige Lösung in weite Ferne gerückt erscheint.
Eine solche fortschreitend sich entwickelnde Arbeit zeigt uns auch
die Geschichte des Asthma.
Die alte griechische Medicin hat das Asthma nicht als eine besondere
Krankheitsform unterschieden, aber das krankhaft erschwerte Athroen
wohl gekannt und gewürdigt. Von Celsus rührt die Eintheilung in
drei Grade her: die Dyspnoe, das Asthma, die Orthopnoe, letztere als
der höchste Grad des erschwerten Athmens. Eine Andeutung des asthma¬
tischen Anfalles liegt in dem Satze: „ist der Anfall aber heftiger, so dass
der Kranke ohne Geräusch und Keuchen nicht athmen kann, so heisst
es Asthma“. — Die arabischen Aerzte unterscheiden ein Asthma humidum
und ein Asthma siccum. Bedeutungsvoller ist die Bemerkung des Are-
taeus von Cappadocjen, welcher eine vortreffliche Schilderung des
Asthma hinterlassen hat und derselben hinzusetzt: „wenn das Herz dabei
leidet, so bleiben die Kranken nicht lange am Leben“. Dieser Satz be¬
weist, dass der Autor bereits das Herzasthma (Asthma cardialc) von dem
gewöhnlichen Asthma zu unterscheiden weiss und die weit gefährlichere
Bedeutung desselben kennt.
Indessen bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts findet sich keine be¬
stimmte Angabe über ein nervöses oder spasmodisches Asthma. Eine
solche Auffassung ist allerdings zuerst von van Helmont ausgesprochen,
welcher die Krankheit mit der Epilepsie vergleicht und sie geradezu als
Morbus caducus pulmonum bezeichnet. Das Auftreten in Anfällen,
das Krampfartige ist hiermit gekennzeichnet. Jedoch eine genaue Be¬
schreibung der Krankheit verdanken wir erst in der nächstfolgenden
Zeit drei englischen Aerzten, welche selbst an dieser lästigen Krankheit
litten. Der erste und maassgebende ist der berühmte englische Arzt
Thomas Willis,*) derselbe, welcher durch den Nervus accessorius und
den Circulus arteriosus in der Anatomie, durch die Entdeckung des
Zuckers im Harn der Diabetischen in der Pathologie hochberühmt ist.
Willi8 gab die erste minutiöse Beschreibung der Krankheit, begründete
*) Pathologiae cerebri et nervosi generis specimen. London 1682.
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dadurch die Diagnose und verschaffte der Ansicht von der nervösen
Natur der Krankheit allgemeine Geltung; er führte übrigens auch den
Gebrauch des Opiums als regelmässige Therapie des Asthma ein. Dieser
Arbeit reihen sich würdig an die Abhandlungen von Floyer (1703)*) und
von Bree (1808).**)
Hieran schliesst sich die Beschreibung anderer abweichender
Formen von Asthma, wie des Asthma Millari (1769) und Asthma Koppii
s. thymicum.***)
Die Ansicht von Willis blieb für lange Zeit die herrschende. Die
in den ersten Anfängen aufstrebende experimentelle Physiologief) Haller’s
*) Treatise on Asthm. 1698. 2. Aufl. 1703.
**) A practical Inquiry into disordered respiration distinguishing the Species
of Convulsive Asthma (1800). Eigentümlich und bemerkenswerth ist die Ansicht,
welche Bree über den asthmatischen Anfall aufstellt. Er meint, dass alle excessive
Muskelaction, welche ihn begleitet, nur eine ausserordentliche Anstrengung sei, um
eine schädliche, reizende Materie, die sich in den Luftwegen befindet, flott zu
machen und zu entfernen, ähnlich wie der Tenesmus oder die krampfartige Con-
traction der Blase ausserordentliche Anstrengungen sind, um die Quelle der Reizung
zu entfernen. Die reizende Materie müsse bereits vor dem Anfall in den Luft¬
wegen vorhanden sein. Diese Ansicht stützt Bree auf die Thatsache, dass in der
grossen Mehrzahl der Fälle auf den asthmatischen Paroxysmus eine copiöse
Schleimsecretion folgt.
***) Auch in neuerer Zeit hat England mehrere Monographien über Asthma
aufzoweisen, und zwar von H. Ramadge (1847), von Hy de Salter (1860) und von
B. Berkart (1878).
f) Schon relativ frühzeitig sind Versuche angestellt worden, um die vitale
Lungencontraction zu erweisen. Die ersten Versuche derart rühren von Boimont
(Histoire de l’Academie des Sciences. Paris 1729) her, in der primitivsten Weise
dargestellt, derart, dass man bald eine, bald beide Seiten der Brusthöhle (bei
Thieren) anstach und, je nachdem die Lunge aus der Oeffnung hervortrat oder sich
zurückzog, Schlüsse über die gestellte Frage zog. Aus seinen Beobachtungen an
Fröschen mit geöffnetem Brustkasten kam Boimont zu folgendem Schluss: Ces ob-
servations prouvent asscz bien la force particuliere des fibres du poumon, et de-
montrent, que leur action depend de la volonte dans certains animaux. — Nicht lange
darauf hat Haller (Memoires etc., Lausanne 1756) den Lungen eine vitale Con-
traction oder Irritabilität abgesprochen. M. Varnier (1779) sagt, er habe mit
blossem Auge merkliche Contractionen an den freigelegtcn, mit einem Stabe ge¬
stochenen Lungen beobachtet. Auch Prochaska (Lehrsätze aus der Physiologie des
Menschen. Wien 1801) sagte: „Die Lunge hat eine Kraft, sich zusammenzuziehen.
Man sieht z. B. am lebenden Hunde, dessen Brust eröffnet ist, wie sich augenblick¬
lich die Lunge so klein zusammenzieht, dass sie nur den kleinsten Theil der
Brusthöhle ausfullt.“ Licht in diese Verhältnisse brachten erst die classischen Unter¬
suchungen von Don der s, welcher nachwies, dass diese Zusammenziehnngen nicht
Effecte einer Contraction, sondern der Elasticität des Lungengewebes sind. — Die
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suchte die Fähigkeit der Lungen zu krampfartigen Contractionen nach¬
zuweisen. Als nun im Jahre 1822 durch Reisseisen*) in Berlin das
Vorhandensein von glatten Muskelfasern in den Wandungen der kleinen
Luftröhrenäste entdeckt wurde, gewann die Anschauung von spasmodi¬
schem Asthma eine wesentliche Bereicherung. Besonders auf Rom-
b er g’s**) Autorität gestutzt, erwarb sich die Theorie des Bronchialkrampfes
als Ursache des spasmodischen Asthma fast allgemein Geltung. Diesem
Standpunkte entspricht die im Jahre 1850 erschienene gekrönte Preis¬
schrift von Bergson.***)
Wie bekannt, zählt die von Willis begründete, von Romberg be¬
stimmt formulirte Auffassung bis heute die meisten Anhänger.
Indessen blieb diese Auffassung keineswegs in ungestörter Geltung.
Der Begriff des Asthma und besonders des spasmodischen Asthma be¬
ginnt zu wanken und sich zu verwirren. Zwar war es ein wesentlicher
Fortschritt, dass die von Herzkrankheiten ausgehenden asthmatischen
Zustande, namentlich seit der Beschreibung der Angina pectoris durch
Hebenden, gänzlich vom spasmodischen (convulsivischen) Asthma abge¬
sondert wurden.
Aber das nervöse Asthma selbst beginnt in seiner Wesenheit zu ver¬
schwimmen, einerseits durch die jetzt sich breit machende planlose Abson¬
derung systematischer Krankheitsbilder, andererseits durch die strengen
Anforderungen der neu aufstrebenden pathologischen Anatomie.
Die Symptomatologie unterschied allgemach eine zahllose Fülle von
Asthmaformen, indem fast jeder besondere Fall von asthmaäbnlicher
Dyspnoe zu einer eigenen Form des Asthma gestempelt wurde. Wir
finden nunmehr nicht allein das Asthma Millari (1769) und Asthma
Koppii, sondern auch ein Asthma bystericum, uterinum, dyspepticum,
herpeticum, arthriticum, ja selbst ein Asthma carcinomatosum. Hiermit
ging die schon erworbene und anscheinend fest begründete Schärfe des
Krankheitsbildes verloren.
späteren zahlreichen experimentellen Untersuchungen über die Contractionsfähigkeit
der Bronchien und über die Wege, auf welchen eine solche Contraction auszulösen
ist, wollen wir hier nicht aufzählen, es kam uns nur darauf an, die ersten Versuche
der experimentellen Physiologie auf diesem "Felde zu nennen und zu zeigen, wie
fest bei den Aerzten die Idee einer Contractionsfähigkeit der Lungen wurzelte.
*) Reisseisen, Ueber den Bau der Lungen. Berlin 1822. Gekrönte Preis-
schrift.
**) Lehrbuch der Nervenkrankheiten. Berlin 1841. Er definirt das Asthma
bronchiale als Spasmus bronchialis in Folge von Vagusreizung.
***) Das krampfhafte Asthma der Erwachsenen. Berlin 1850.
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Noch einschneidender ging die pathologische Anatomie vor. Man
beginnt, die idiopathische Natnr des Asthma in Abrede zu stellen, ihm
nnr eine symptomatische ßedeutung zuzuerkennen, da die Section bei
solchen, welche an Asthma gestorben waren, ganz verschiedene Läsionen
der Brustorgane und des Herzens nach wiesen. Bereits Morgagni macht
die Bemerkung, es scheine ihm, dass manche Aerzte unter dem Einfluss
der Lehre von Th. Willis Lungenkrankheiten, welche offenbar aus Ver¬
stopfungen derLungengefässe entstanden seien, für nervöses oder krampf¬
haftes Asthma gehalten hätten. Namentlich ist es die berühmte patholo¬
gisch-anatomische Schule von Paris, welche die Berechtigung eines
spasmodischen oder nervösen Asthma bestreitet und andere Auf¬
fassungen einfuhrt. Ros tan (1822) behauptet, dass die Symptome des
Asthma besonders bei Greisen von Fehlern des Herzens und der grossen
Gefässe herrührten. Bouillaud erklärt, dass ohne eine organische
Storung der Respirations- oder Circulationssysteme überhaupt kein
Asthma vorkäme. Bekannt ist die Auffassung Laennec’s, welche eine
Vermittelung der physikalischen Diagnostik und der pathologischen
Anatomie darstellt. Laennec unterscheidet nach den physikalischen
Zeichen (auch dem Auswurf) den trockenen Catarrh (Catarrhe sec) und
bringt denselben einerseits mit dem Asthma, andererseits mit dem vesi-
culären Lungeuemphysem in Beziehung. Daneben erkennt Laennec
noch das Asthma spasmodicum als eine idiopathische Krankheit, einen
Morbus sui generis an, da es ihm trotz der sorgfältigsten Untersuchung
in einigen (todtlich verlaufenen) Fällen nicht gelungen war, eine organische
Läsion nachzuweisen, auf welche man das Asthma hätte zurückführen
können.
Rokitansky vertritt den rein pathologisch - anatomischen Stand¬
punkt: das Emphysem stellt eine substantielle Erkrankung der Lungen
dar, welche unstreitig vielen für nervös angesehenen Fällen von Asthma
zu Grunde liegt.
In solcher Weise war durch die auf physikalischer Diagnostik und
pathologischer Anatomie basirte moderne Klinik der Begriff des nervösen
Asthma arg bedrängt. Soweit ich selbst mich entsinne, war zu meiner
Zeit auf den Kliniken von Asthma kaum die Rede. Der trockene oder
capilläre Katarrh und das Lungenemphysem resp. das Volumen pulmonum
auctum prävalirten. Als vor ca. 25 Jahren (1862) in der hiesigen medi-
elnischen Gesellschaft eine Discussion über Asthma stattfand, erklärte
Traube den asthmatischen Anfall für einen Catarrhus pulm. acutissimus.
Inzwischen war auf der anderen Seite zwar der Begriff des Spora-
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diseben und Anfallsweisen beibehalten, aber die Theorie des Bronchial¬
krampfes verworfen worden. Wintrich*) legte klar, dass die schwachen
Muskelfasern der Bronchialwände unmöglich eine solche tonische Con-
traction leisten können, um dem Zug der kräftigen Inspirations-Muskeln za
widerstehen. Der Spasmus bronchialis als Ursache des asthmatischen Anfalls
sei unmöglich; statt dessen stellt W. die Theorie des Zwerchfellkrampfes
auf, d. h. die Entstehung des asthmatischen Anfalls durch spastische
Contraction des Zwerchfells, eine Theorie, der sich Bamberg er**) und
neuerdings Riegel angeschlossen haben.
Die Discussionen ruhten nun eine Weile, bis sie im Beginn der sieb¬
ziger Jahre durch klinische Arbeiten und durch die von Lange und
Vivenot eingeführte, gerade für diese Krankheit gerühmte pneumatische
Therapie wieder in Fluss kamen.
Im Jahre 1870 machte Bi er m er in einem klinischen Vortrage
(No. 12 in Volkmann’s Sammlung): Ueber Bronchialasthma auf
die eclatante Wirkung des Chlorals zur Linderung heftiger asthmatischer
Anfälle aufmerksam und legte zugleich seine Ansichten über diese Krank¬
heitsform dar. Er tritt mit Entschiedenheit für den Bronchialkrampf
gegen den Zwerchfellkrampf ein und wirft als Erscheinungen von wichtiger
Beweiskraft die bei Asthma so häufig auftretende acute Lungenblähung,
sowie die stark behinderte Exspiration in die Wagschale. Freilich wäre
ein Bronchialkrampf bis zum Verschluss des Lumen bei ganz intacten
Bronchien kaum begreiflich, es müsse daher eine Fluxion oder ein Katarrh
der feinen Bronchien hinzutreten.***)
Für dieses „Fluxionselement“ ist auch H. Weber eingetreten, der
sich übrigens dem Standpunkte Bier m er’8 anschliesst.
Ein Jahr später veröffentlichte ich selbst in Virchow’s Archiv Bd. IV
S. 324: „Zur Kenntniss des Bronchialasthma u meine Untersuchungen über
einen eigentümlichen, in mehrfacher Beziehung bemerkenswerthen Aus¬
wurf, welchen ich zur Symptomatologie und Pathologie des Asthma in
nahe Beziehung brachte und als ein wesentliches Merkmal desselben be¬
trachtete.
Ich gab die folgende Beschreibung des Auswurfs bei Bronchialasthma.
„ Derselbe ist sparsam im Anfall, reichlicher nach demselben, im Allgemeinen
*) Virchow’s Handbuch der spec. Pathologie und Therapie.
**) Würzburger med. Zeitschrift Band VI Heft 1 u. 2.
***) Biermer hat auf der diesjährigen Naturforscher-Versammlung in einem in der
inneren Section gehaltenen Vortrage seine früheren Ansichten und Gründe nochmals
auseinandergesetzt und aufrecht erhalten.
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zähe, grauweiss, stark schaumig und enthält in einer durchscheinenden, fast
glasigen Grundsubstanz eine grosse Anzahl kleiner Flocken, Fäden und
Pfropfe. Unter diesen charakterisirt sich eine Anzahl dadurch, dass sie
rundliche Pfropfe oder fadenförmige Würstchen bilden, trocken sind, von
derber Consistenz, und dass sie, unter dem Deckglase zerdrückt, ein
krümeliges Aussehen von mattem Glanze darbieten. Unter dem Mikro¬
skop stellen sie ein dicht gehäuftes Convolut von bräunlichen körnig zer¬
fallenen Zellen dar, zwischen denen mehr oder minder reichlich eigen-
thümliche zierlicheKrystalle abgelagert sind. Die Zellen sind meist zer¬
fallen, durch eine feinkörnige Zwischensubstanz zusammengehalten, welche
Molecularbewegung zeigt. Nichts aber, was Aehnlichkeit mit Sporen-
bildung oder gar Pilzbildung hätte. Ausser den Krystallpfröpfen finden
sich noch viele weichere, manche aus zusammengeklebten Eiterzellen,
Lungen- und Cylinder- resp. Flimmerepithelien bestehend. Die grossen
Zöllen zeigen theils myelinartigen Zerfall, theils erscheinen sie als Haufen
von gelbbraunen körnig pigmentirten Zellen.“ — „Zwischen diesen Zellen
findet sich eine mehr oder minder grosse Anzahl sehr zierlicher Krystalle
eingebettet; sie sind farblos (oder grünlich), haben einen matten ruhigen
Glanz und die Form sehr spitzer Octaeder.*) Ihre Grösse ist sehr
wechselnd, einige so gross, dass sie sofort in die Augen fallen, andere
erst bei stärkster Vergrösserung durch Immersion erkennbar. Die Krystall-
form war im Allgemeinen regelmässig und scharf ausgeprägt, doch zeigten
sich auch unvollkommene Bildungen von Zwillingskrystallen etc., besonders
aber war es auffällig, wie ihre Consistenz offenbar eine weiche war;
denn viele zeigten sich durch den Druck bei der Präparation zerbröckelt,
in würfelförmige oder kegelförmige Stücke zerfallen, die noch in natür¬
licher Anordnung nebeneinander lagen; die Brucbflächen waren im
Ganzen glatt, so dass eine erhebliche Sprödigkeit augenscheinlich nicht
vorlag.“
Ich habe der obigen Beschreibung nichts Wesentliches hinzuzufügen;
nur das sei noch hervorgehoben, dass die Menge des Auswurfs in den
einzelnen Fällen sehr wechselt. Sie beträgt zuweilen nur einen Theelöffel
oder kaum soviel in 24 Stunden, oder sie steigt bis zu V* zu 7a Liter pro
Tag. Der reichliche Auswurf ist sehr dünnflüssig, aber doch fadenziehend,
die Flüssigkeit enthält neben Schleim auch Eiweiss. Je sparsamer der
Auswurf, um so zäher ist er, seine Farbe ist öfters grünlich bis grasgrün,
zuweilen deutlich blutig. Die Zahl und Grösse der Fäden und Pfropfe
*) Die Winkel betragen 18° und 162°.
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522
wechselt Nicht selten findet man grossere fibrinöse Fäden, selbst bis
zur Dicke eines Wollfadens, mitunter 1 cm lang und mehr, mitunter
sogar verzweigt, also Gebilde, welche der sogenannten fibrinösen
Bronchitis entsprechen. Diese Fibrinfäden enthalten meistens sehr zahl*
reiche Krystalle, zuweilen wenige, zuweilen gar keine.
Figur 1 ist einem solchen Fibrinfaden entnommen und zeigt inmitten der
faserigen Zeichnung zahllose Asthmakrystalle von verschiedenster Grosse.
Auch die von Curschmann beschriebenen Spiralfäden habe ich damals
schon gesehen und beschrieben.
Dieser eigenthümliche Auswurf erscheint nun gewöhnlich im Gefolge
des asthmatischen Paroxysmus in derjenigen Periode der Krankheit, wo
überhaupt die Anfälle typisch ausgeprägt, von Pfeifen, abgeschwäcbtem
Athmen und erschwerter Exspiration begleitet sind. Wenn dieser Aus-
wurf im Allgemeinen den Charakter des Sputum crudum trägt, so treten
nach einiger Zeit Zeichen der Lösung ein, der Husten wird leichter, die
Atbmung freier, die Expectoration ergiebiger. Der Auswurf verliert an
Zähigkeit, wird lockerer und trocken. Die bisher derben grünlichen
Fäden werden dicker, lockerer, weisslich, leichter zerdrückbar, weiter¬
hin treten zuerst kleine, dann grössere gelbgrünliche Ballen auf. Diese
bestehen aus Schleim- und Eiterzellen, in deren Mitte man zuweilen noch
Reste der Pfropfe und ihrer Krystalle vorfindet Zuweilen halten sie sich
mehrere Tage, zuweilen verschwinden sie ausserordentlich schnell. Für
den Geübten behält der Auswurf noch längere Zeit charakteristische
Eigenschaften, doch kann es leicht Vorkommen, dass man, wenn man
nicht zeitig untersucht, während des ganzen Anfalles weder Fäden
noch Krystalle auffindet. Noch leichter als in frischen, acuten, kann dies
in chronischen Fällen geschehen, wo das Sputum oft ausserordentlich
sparsam und zähe ist; es erscheinen nur kleine Brockel jener charakte¬
ristischen Fibrinfäden mit wenigen Krystallen in einem zähen glasigem
oder grünlich eitrigem Schleime.
Was den auffälligsten Bestandteil dieses bemerkenswerten Aus¬
wurfs betrifft, so erinnere ich daran, dass dieselben Krystalle schon
früher wiederholt beobachtet worden sind. Zuerst hat sie, wie Zenker
nachgewiesen, Cb arcot gesehen und beschrieben, ohne ihnen eine besondere
Bedeutung beizulegen (1853 in einer leukämischen Milz, sowie im Aus¬
wurf einer an fibrinösem Bronchitis-Emphysem leidenden Frau). Förster
und ebenso Harting fanden sie im Auswurf einer schnell vorüber¬
gehenden Bronchitis, Förster noch in einer Schleimgeschwulst des Opticus
und im eingedickten Schleim eines Gallenganges. Endlich fand sie
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E. Neum&nn im Blute eines leukämischen Mannes, sodann im leukämischen
und normalen Knocbenmarke. v. Recklinghausen fand sie später in
den Fibringerinnseln, welche in Lymphgefässen eines puerperal erkrankten
Uterus steckten. Endlich erinnere ich sogleich daran, dass die schon von
Böttcher entdeckten, von Für bringer genauer studirten Sperma-Krystalle
ebenfalls identisch sind. Die Indentität wird wesentlich durch die
charakteristische zierliche Form, auch durch einige chemische Reactionen
erwiesen, auf welche ich hier nicht näher eingehen will. Die chemische
Natur dieser Gebilde ist trotz vielfacher Untersuchungen bis heute nicht
völlig eruirt. Sicher ist soviel, dass sie Tyrosin, wofür sie Fried reich
und später Huber halten wollten, nicht sind, vermuthlich bestehen sie
aus der phosphorsanren Verbindung einer unbekannten organischen Base
(Scheiner).
Demnach sind die Krystalle allerdings schon früher gesehen worden,
im Auswurf wie in anderen Körpersäften, aber sie waren nur als ein
zufälliges Curio8um angesehen; ich darf für mich in Anspruch nehmen,
dass ich sie mit einer bestimmten Krankheit, dem Bronchialasthma, in Zu¬
sammenhang gebracht und auf ihr häufiges, ja fast regelmässiges Vorkommen
nnd somit auf ihre pathologische Bedeutung aufmerksam gemacht habe.
Was die Bedeutung des geschilderten Auswurfs betrifft, so war da¬
durch bewiesen, 1) dass das Bronchialasthma nicht ein rein nervöser Vorgang,
sondern regelmässig mit einer Secretion in den Luftwegen verbunden ist,
2) dass es sich dabei um ein ganz eigenthümliches Secret handelt,
welches die diagnostische Unterscheidung dieser (typischen) Form des
Bronchialasthma ermöglicht und welches 3) zu der pathologischen Natur
der Krankheit in einer bestimmten Beziehung stehen muss. Allerdings
blieb zu berücksichtigen, dass es nicht in jedem Moment möglich ist,
diesen Nachweis zu führen, sondern nur auf der Höhe des Anfalles;
denn später verschwindet die charakteristische Beschaffenheit des Aus¬
wurfes. Vielleicht gelingt es auch nicht in jedem Falle des wirklichen
typischen Asthma, die charakteristischen Pfropfe und Krystalle zu
finden, ebenso gut, wie nicht in jedem Falle von genuiner Pneumonie das
rostfarbene Sputum beobachtet wird. Die Natur verfährt eben nicht
schematisch. Abzeichen, an denen die Krankheit sofort erkannt (oder
ausgeschlossen) werden kann, giebt sie nicht. Aber dass es sich um ein
ganz besonderes und eigenartiges Secret handelt, welches zur Natur des
Krankheitsprocesses in bestimmter Beziehung stehen muss, das kann nicht
wohl zweifelhaft sein.
Wie ist nun der Krankheitsprocess des Bronchialasthma aufzu-
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fassen? Kann uns die Kenntniss des Auswarfes in der Erkenntoiss der
Krankheit fördern? Die Auffassung, welche ich damals ausgesprochen,
halte ich auch heute noch für richtig. S. 343 sagte ich: „Der hier etablirte
Process ist keinesfalls den Katarrhen zuzuzählen, sondern erscheint als
ein ganz besonderer, von dem wir bisher an anderen Schleimhäuten noch
keine Analogie kennen, abgesehen von Förster 1 8 zufälligem Befund der
Krystalle in der Schleimhaut der Gallenwege. Ziehen wir die Bildung
der Krystalle in leukämischem Blut und Knochenmark in Betracht, so
ist anzunehmen, dass von Zeit zu Zeit in die Alveolen der kleinen
Bronchien eine eigenthümliche lymphartige Masse austritt, welche liegen
bleibt, sich eindickt und nun zur (Fibrinbildung und) Ausscheidung jener
Krystalle fuhrt. 4. In der That muss man anerkennen, dass ein Katarrh
oder eine Entzündung der kleinen Bronchien ein solches Secret nicht
liefern kann, dass dasselbe vielmehr einer dicken resp. sich schnell ver¬
dickenden Lymphe entspricht. Da die Alveolen als Lymphsäcke
angesehen werden können, so ist zu schliessen, dass in ihnen von Zeit zu
Zeit (durch eine Art Fluxion) ein solches Ausströmen stattfiudet, welches
die Alveolen und zum Theil die kleinen Bronchien füllt und hier sich
eindickt. Jetzt kommt es zu einer Reaction, welche theils in Husten,
theiU in Beklemmung und Bronchialkrampf, theils in dem nachfolgenden
Katarrh ihren Ausdruck findet. Die Art der Reaction zeigt in den ein¬
zelnen Fällen Verschiedenheiten. Zuweilen ist der Husten sehr lebhaft und
quälend, vermuthlich wenn das Secret weiter in die Bronchien hinein¬
ragt, denn der Reiz der Bronchialschleimhaut erregt, wie bekannt, Husten.
In anderen Fällen tritt der durch Reflex erregte Bronchospasmus hervor,
der vermuthlich von den Nervenenden in den Alveolen leichter ausgelöst
wird. Es kommt sodann auch zu einer (katarrhalischen) Secrction, welche
mehr oder minder lebhaft wird und die Lösung resp. Expectoration des
Lymphergusses befördert.
Diese Auffassung, welche ich bereits 1871 entwickelt habe, halte
ich auch gegenwärtig aufrecht. Man kann übrigens das Hypothetische
derselben acceptiren oder verwerfen, dem Thatsächlichen und Beobachteten
wird dadurch kein Abbruch geschehen.
In die Augen fallend ist die Analogie des beschriebenen Auswurfes
mit dem der fibrinösen oder croupösen Bronchitis. Dennoch habe ich
nicht, wie es wohl nahe lag und mir auch von anderer Seite nahe gelegt
wurde, beide Processe identificirt, ich habe hierzu um so mehr Grund gehabt,
als die fibrinöse Bronchitis keine bestimmte Krankheitsform ist; es handelt
sich bei derselben auch wohl um Austretungen von gerinnbarer Lymphe
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aas den Alveolen in die Bronchien, Austretungen, welche übrigens, wie
bekannt, unter verschiedenen Verhältnissen stattfinden können, bei Herz¬
kranken, bei Tuberkulosen and aach bei Asthmatischen.
Bald nach meiner ersten Publication habe ich i. J. 1871 eine Reihe neuer
entsprechender Beobachtungen, in der Dissertation von Dr. Schleassner,
gegenwärtig Kreisphysikus in B., publiciren lassen, wodurch meine früheren
Angaben vervollständigt and besonders die therapeutische Wirksamkeit
des Jodkali bestätigt wurde.
Seither habe ich nichts Ausführlicheres über diesen Gegenstand ver¬
öffentlicht.
Ich nehme die Gelegenheit wahr, hier eine, wie ich meine wichtige,
bisher von mir noch nicht publicirte Beobachtung anzuschliessen, welche
dadurch von Bedeutung ist, dass mir die seltene Gelegenheit wurde, die
Autopsie einer an typischem, chronischem Asthma leidenden Dame zu
machen.
Asthmakranke sterben selten zu einer Zeit, wo das Asthma noch
deutlich ausgebildet ist, in der Regel erst in vorgerücktem Alter an Folge¬
zuständen. Meist handelt es sich um Emphysem oder chronischen
eitrigen Bronchialkatarrh, wobei sich in der letzten Zeit weder typische
Anfälle noch typischer Auswurf dargeboten haben. Vor sieben Jahren
hatte ich eine Dame von 40 Jahren behandelt, welche seit frühester
Kindheit an typischem Bronchialasthma litt. Durch Aufregungen und
Kümmernisse war ihre Constitution untergraben. Patientiu war in hohem
Grade morphiumsüchtig. Die Krankheit hatte sich zu einer ganz un¬
gewöhnlichen Höhe entwickelt, Hydrops und Albuminurie waren seit
einiger Zeit hinzugekommen und Hessen das baldige Ende voraussehen. Die
Lungen waren hochgradig emphysematos, sibilirende Geräusche und ab¬
geschwächtes Athmen verbreitet. Die Patientin wurde täglich mehrfach
von heftigen asthmatischen Anfällen heimgesucht, die sich in exquisitester
Weise darstellten und verliefen, es wechselten nur die Zahl und Intensität
derselben. In diesen Anfällen wurde nun ein Auswurf geliefert, welcher
den frischen Fällen ziemlich entsprach. Seine Quantität wechselte, er
war zähe, grauweiss, schaumig und enthielt fast immer lange, weissliche
fibrinöse Fäden, sehr wenig kleine grünliche Ballen. Die trockenen
Fäden bestanden aus lockerem Fibrin und Schleimzellen, an und
neben ihnen fanden sich kleine derbe Flocken, in welchen ich wiederholt
die charakteristische Beschaffenheit des Asthma-Sputums und namentlich
auch die Krystalle nachweisen konnte. Der Exitus erfolgte unter gleich-
mässiger Dyspnoe, Cyanose und Stertor. Die Autopsie, 24 Stunden
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post mortem gemacht, ergab hochgradiges vesiculäres Emphysem beider
Lungen. Dieselben, sehr gross, aufgebläht, blass, zeigten zum Theil be¬
sonders an den Rändern grosse Blasen, neben allgemeiner Aufblähung des
ganzen Organs. Die Bronchien zeigten sich nicht erweitert, ihre Schleim¬
haut gerothet, nicht wesentlich verändert. In den kleinen Bronchien lagen
geringe Schleimmassen, auf dem Schnitt Hessen sich grünliche oder weiss-
liche Schleimtropfen ausdrücken, in welchen ich weder Fibrin noch
Krystalle auffinden konnte, ebensowenig in den von der Schnittfläche abge¬
strichenen Massen. Die Lungen wurdeu nun in Alkohol gehärtet, um
Schnitte davon zu fertigen. Ich erlaube mir hier die Zeichnung eines
solchen Schnittes herumzugeben. (Fig. 2.) Sie sehen eine Anzahl erwei¬
terter Lungenzellen, dazwischen mehrere nicht erweiterte. Mehrere der¬
selben sind von einer körnigen (krümeligen) Masse angefüllt, welche eine
mässige Anzahl grosser Zellen enthält Ferner sehen Sie zwei Durch¬
schnitte kleiuer Bronchien, die Wandung derselben ist nicht wesentlich
verändert, dagegen liegt auf der Innenfläche der Schleimhaut eine Schicht
derbkörniger, wie es scheint amorpher Masse, welche der Wandung fest
anklebt und das Lumen des Bronchus erheblich verengert; in dem einen
Bronchus ist die Auflagerung ringförmig, das verengte Lumen liegt in
der Mitte, der andere Bronchus zeigt eine mehr pfropfenartige Ausfüllung,
und ein halbmondförmiges Lumen.
Diese Präparate zeigen, wie bei dem chronischen Asthma die Bronchien
eine dauernde Verengerung durch aufgelagerte derbkörnige Massen erfahren
können, eine Verengerung, welche die Wirkung des Brouchialkrampfes
zu illustriren wohl geeiguet ist. —
Meine ersten Mittheilungeu zur Kenntniss des Bronchialasthma haben
von Seiten anderer Autoren erst langsam Beachtung und Bestätigung er¬
fahren. Da die mikroskopische Untersuchung des Auswurfs nur von
Wenigen mit der hierbei erforderlichen Uebung und Geduld ausgeführt
ward, so wurde auch das Verhalten de9 Aus wurfs im Bronchialasthma
nur langsam bestätigt. Zunächst waren die meisten Autoreu geneigt,
die Krystalle als eine Zufälligkeit zu betrachten, zumal ich selbst angegeben
hatte, sie auch einige Male in geringer Menge in tuberkulösen Sputen
gefunden zu haben. Allein ich kann nur wiederholen, es handelt sich
nicht um die pathognomisch-diagDostische Legitimationskarte, sondern um
die Anzeichen eines bestimmten pathologischen Vorganges, von dem sich
Andeutungen wohl auch sonst einmal finden können.
Bestätigungen meiner Befunde wurden zuerst von Nothnagel
und O. Fräutzel gegeben. Pfuhl (Charite-Annalen 1878) berichtete
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über einschlägige Sputa-Untersuchungen, welche er auf meiner Klinik in
der Charite angestellt hatte und gab an, in allen Fällen von Bronchial¬
asthma diese Krystalle und die von mir beschriebenen Eigenschaften des
Auswurfs gefunden zu haben. Im Jahre 1880 veröffentlichte Dr. Un ger
aus Bonn zuerst im Centralblatt für klinische Medicin No. 4 (zur Kennt-
ni9S des Bronchialasthma) über seine fortgesetzten Untersuchungen der
Sputa und gab an, den von mir beschriebenen Auswurf mit Krystallen
bis auf 2 Mal in allen seinen Fällen gefunden zu haben. Diese Unter¬
suchungen, welche er dann auch auf dem Congress für innere Medicin
1882 vortrog, haben wesentlich dazu beigetragen, dem Factum allgemeine
Anerkennung zu verschaffen.
Auch der Arbeiten von Lazarus, Petri und Lewy muss ich
gedenken, welche sich im gleichen Sinne äusserten.
Um diese Zeit publicirte Curschmann*) seine Untersuchungen über
Bronchialasthma. Er beschrieb spindelförmige Gebilde, welche er neben
den Asthmakrystallen im Auswurfe Asthmatischer sehr regelmässig gefunden
hat. Er legt auf diese Gebilde, welche ich auch bereits gesehen, ohne ihnen
grössere Bedeutung zuzumessen, das Hauptgewicht und schliesst daraus,
dass es sich beim Asthma um eine Bronchiolitis exsudativa handelt. Ich
kann jedoch diese Spiralen ebenso wenig wie Lewy für charakteristisch
halten; sie kommen ebenfalls bei eitriger Bronchiolitis, bei Tuberkulose,
sogar bei Pneumonie vor. Ob sie sich gerade in den kleinsten Bronchien
bilden, erscheint mir auch nicht erwiesen. Welche Bedenken überhaupt
gegen die Auffassung des Asthma als capillärer Katarrh oder Bronchiolitis
zu erheben sind, ergiebt sich zum Theil schon aus dem bisher Erörterten
und soll weiterhin nochmals zusammengefasst werden.
Es bleibt mir noch die jüngste Phase der Asthmalehre kurz zu be¬
sprechen: Die Entstehung desAsthma durch Krankheiten derNase.
Vor einigen Jahren machte Voltolini darauf aufmerksam, dass
Kranke mit Nasenpolypen häufig an asthmatischen Beschwerden litten,
und dass sie durch Entfernung der Polypen geheilt werden könnten.
Sodann haben B. Fränkel, Schäffer, Makenzie, Bresgen u. A.
gezeigt, dass nicht nur Nasenpolypen, sondern die mannigfachsten Processe
der Nasenhöhle und des Nasenrachenraumes zur Auslösung asthmatischer
Anfälle Veranlassung geben können, und zwar bandelt es sich dabei um
ein Asthma mit den typischen Erscheinungen des spasmodischen Bron¬
chialasthma, d. h. sowohl den sibilirenden Geräuschen, der Lungenblähung
*) Curschmann: lieber Bronchiolitis exsudativa und ihr Verhältniss zum
Asthma nervosum. Deutsches Archiv f. klin. Med. XXXIf. S. 1—34.
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wie dem charakteristischen krystallhaltigen Aaswurf. Darch Hack 1 8
therapeutische Erfolge ist diese Ansicht za besonderer Bedeutung gelangt.
Zwar ist, wie die kürzlich gepflogene Discussion im Verein für innere
Medicin ergeben hat, die Frage weder in theoretischer noch in prakti¬
scher Hinsicht abgeschlossen; es scheint sogar, dass ein Theil der thera¬
peutischen Erfolge nur vorübergehende gewesen wären, dennoch ist es kaum
zu bezweifeln, dass ein thatsächlicher Zusammenhang zwischen Nasen¬
krankheiten und Asthma besteht Hierfür sprechen viele Thatsachen.
Das Vorkommen von Schnupfen und krampfhaftem Niesen bei Asthma
beschreibt schon Troussean. Ferner beweist das Hen-Asthma einen un¬
zweifelhaften Zusammenhang der asthmatischen Erscheinungen mit der Nasen¬
reizung. Der Nervus trigeminus bei seinen ausserordentlich vielen Reflex¬
beziehungen scheint zur Erzeugung eines Reflexasthma wohl geeignet. Auch
mochte ich an die bei Kindern in der Dentitionsperiode auftretenden
Katarrhe erinnern, welche durch die sibilirenden Geräusche und die starke
Dyspnoe an das Asthma erinnern; sie schwinden mit dem Durchbruch
des Zahns und dürften auch auf einen vom Nervus alveolaris ausgehenden
Reflexreiz zu beziehen sein.
Wenn sich derartige Beobachtungen weiter bestätigen nnd nament¬
lich das Auftreten der typischen asthmatischen Anfälle durch primäre
Nasenkrank beiten sichergestellt wird, so würde hierin eine wesentliche
Stütze für diejenigen Ansichten gegeben sein, welche das Asthma nicht
für einen Bronchialkatarrh resp. eine Bronchiolitis, sondern für eine mit
einer eigenthümlichen Fluxion verbundene Reflexreizung erklären. —
Ueberblicken wir nun die sänimtlichen Ansichten, welche über das
Bronchialasthma aufgestellt sind, so zerfallen sie in zwei grosse Gruppen,
von denen die Einen die nervöse und spasmodische Natur festhalten, die
Anderen dagegen die Krankheit in die Reihe der Katarrhe setzen.
Als Begründer dieser letzteren Ansicht wollen wir Laennec nnd die
pathologisch-anatomische Schule zu Paris nennen; den gleichen Stand¬
punkt nimmt Rokitansky ein; sie erhält eine wesentliche Stütze durch
Traube, dem sich O. Fraentzel anschliesst. Von den neuesten Autoren
gehört Curschmann hierher.
Die andere Gruppe fasst entsprechend der ersten durch van Helmont
und Willis begründeten Anschauung das Asthma als eine in Paroxysznen
auftretende ganz eigenartige Krankheit auf, deren spasmodischer Charak¬
ter nicht zu verkennen ist. Diese Gruppe hat wieder mehrere Unterab¬
theilungen :
a. Durch Romberg wird die Theorie des Bronchospasmus aus-
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gebildet; als der eigentliche Ausgangspunkt gilt der N. vagu9. Der Theorie
des Bronchial krampfes schliesst sich Bi er me ran, indessen er wie Weher
sehen sich gezwungen, noch eine Fluxion nach den Lungen hinzuzufugen,
um den Einwürfen Wintrich’s gegen den Bronchialkrampf zu begegnen.
b. Wintrich, Bamberger, neuerdings Riegel erkennen die spas¬
modische Natur der Krankheit an, nehmen aber nicht den Bronchospas¬
mus, sondern den Zwerchfellkrampf als Ursache der Anfalle an. Daran
reiht sich
c. die Theorie des Nasenreflexasthma an, (Voltolini, Hack,
B. Frankel etc.), sowie
d. die Theorie des Pariser Klinikers Germain See*), welcher
zwar auch die nervöse Natur vertritt, aber den Sitz der Krankheit
im Centrum der Respiration, dem Bulbus medullae, sucht; er zieht
gegen den Bronchospasmus zu Felde und tritt für den Zwerchfellkrampf
ein. Diese Theorie des „ pneum obul baren Asthma“ ist schon von
Curschmann und Biermer zurückgewiesen, und ich muss zugeben,
dass sie sich in der vorgetragenen Form auf bestimmte Thatsachen nicht
stützen kann.
Was mich selbst betrifft, so habe ich mich auf die Seite derjenigen
gestellt, welche den asthmatischen Anfall von einem Bronchospasmus ab¬
leiten und welche in der Krankheit nicht einen katarrhalischen oder
bronchitischen Process sehen. Wenn Autoren wie Biermer und Weber
sieb gezwungen sehen, zur Erklärung des Asthmaanfalle9 eine Fluxion
nach den Bronchien anzunehmen, so möchte ich in dem eigentümlichen
von mir beschriebenen Secrete denjenigen Vorgang erblicken, welcher einer
solchen Fluxion entsprechen würde, welcher aber zugleich die eigen¬
tümliche Natur der Krankheit kennzeichnet und die Wirkung des Bron¬
chialkrampfes erläutert. Der Bronchospasmus, gleichgültig, wodurch
man sich denselben bervorgerufen denkt, findet nicht in ganz freien
Bronchien statt, sondern in solchen, welche durch das zähe, zum Theil ge¬
ronnene Secret verengt sind, wie es die Fig. 2 veranschaulicht.
Der Reiz zu dieser Fluxion kann auf verschiedenen Wegen erfol¬
gen, durch Reizung der Luftwege oder von der Nase aus, durch Kältereiz
auf die Haut oder selbst durch psychische Affecte u. 8. f.
Wer der geschichtlichen Entwickelung der Asthmafrage gefolgt ist,
kann nicht umhin, das Bild einer Neurose zu gewinnen, welche in Pa-
*) M&ladies simples de Poumon. — Asthmas pneumo-balbaires. Paris 1886.
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— 530
roxysmen auftritt und durch den spasmodischen Charakter der Anfälle
ausgezeichnet ist Die ausgesprochene Aetiologie der hereditären Belastung,
die Neurasthenie der meisten an Asthma leidenden Patienten spricht
ebenfalls zu Gunsten dieser Auffassung. —
Wenn ich hiermit die, wie ich meine, besonders interessante noso¬
logische Seite der Asthmafrage ziemlich vollständig behandelt zu haben
glaube, so bitte ich noch um einige Minuten Gehör zu einer kurzen
summarischen Darstellung der Symptomatologie and Therapie, damit es
mir vergönnt ist, wenigstens ein einigermaassen abgerundetes Bild zu
geben.
Für die Symptomatologie ist der Kernpunkt der asthmatische Anfall,
den ich mit den anschaulichen und zutreffenden Worten von Bergson
wiedergeben will:
„Der Kranke schreckt, meistens um Mitternacht, plötzlich auf, empfin¬
det ein Gefühl von Erstickung und Zusamtnenschnürung der Brust, gleich¬
sam als wenn diese von einem eng nmschliessenden Bande fest zusammen¬
gezogen sei, oder als liege auf ihr eine unerträgliche Last, and ist nicht
im Stande, den Brustkorb gehörig auszudehnen, um die nöthige Luft¬
menge einzuziehen. Kaum erwacht, richtet er sich auf, springt aus dem
Bette, lauft zum Fenster, reisst es auf, öffnet die Thüren, athmet ängst¬
lich, sucht nach einem festen Punkte, wie etwa einem Tische oder Fenster¬
brette, um seine Hände und Arme darauf zu stützen, damit die Hülfs-
krafte der unvollständigen Respiration, wie die Muskeln der Arme, der
Brust, der Schultern und des Unterleibs zur Erweiterung der Brusthöhle
besser agiren können, und in dieser Stellung, mit fixirten Händen oder
Ellenbogen, pflegt der Leidende, sobald der Luftmangel nur einigermaassen
befriedigt werden kann, eine Art von Erleichterung in seinem Zustande
zu verspüren. Dabei geschieht das Athmen mühsam, keuchend, oft mit
so lautem pfeifenden oder rasselnden Geräusch, dass man es schon in
der Ferne hört. Die Bewegungen des Thorax geschehen normal; er wird
mühsam mehr aufwärts gezogen und dann wieder hinabgedrückt, wobei
seine Wände zu starr und unbeweglich stehen, als dass er sich frei und
vollständig ausdehnen könnte. Da der Kranke keine von den Verrich¬
tungen, zu denen irgend ein Aufwand von respiratorischer Thätigkeit
erforderlich ist, vollziehen kann, so ist er nicht im Stande, laut zu
sprechen, tief zu respiriren, zu schlucken oder zu husten.“
Im Gegensätze zu Bergson, der die mühsame Inspiration hervor¬
hebt, ist von anderen Autoren mit Recht die vorherrschende exspiratorische
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531
l Dyspnoe und die lauten sibilirenden exspiratorischen Geräusche hervor-
• gehoben worden.*)
t Ein solcher Anfall dauert einige Minuten bis zu einer halben Stunde.
Zuweilen ist das Entstehen sowie das Verschwinden des Asthma über-
| aus plötzlich und überraschend. Besonders unter den Einflüssen der
i Narcotica schwinden nicht selten die heftigsten Anfälle mit fast zauber-
i hafter Präcision — eine Wirkung, welche für die Auffassung von der
krampfhaften Natur des Asthma schwer ins Gewicht fällt.
Am Schlüsse des asthmatischen Anfalles wird das Athmen freier,
das Pfeifen geht in ein kleinblasiges Rasseln (Keuchen) über, und nach¬
dem es zur Expectoration eines zähen Sputums gekommen, pflegt der An¬
fall beendet zu sein.
' Indessen ist die Affection mit einem einzelnen Anfall der Art nicht
beendet. In der Regel tritt nach einer Pause von mehreren Stunden ein
i neuer, ebenso gearteter Anfall auf, der wiederum vorübergeht und wiederum
\ von einem neuen gefolgt ist. In der Zwischenzeit ist der Kranke zuweilen
| ganz frei; z. B. der Patient befindet sich Tags über vollkommen wohl
! und wird gegen Abend beim Schlafengehen von einem heftigen Anfall
' befallen, oder Patient schläft die Nacht ruhig und wird jedesmal am
Morgen von einem Anfall heimgesucht. In den acuten Fällen, wo
die Ueberfluthung der Luftwege heftiger zu sein pflegt, ist der Patient
auch in der Zwischenzeit nicht ganz frei, sondern wird von einem meist
lebhaften Reizhusten heimgesucht, welcher ab und zu von asthmatischen
Anfällen unterbrochen ist. In solchem Wechsel dauert die Affection
meist mehrere Wochen und geht, ähnlich wie ein verschleppter Katarrh,
nur allmälig in Genesung über.
Auch nach der Heilung hinterlässt dieser Zufall eine grosse Dis¬
position zu Rückfällen und Exacerbationen, wodurch der Uebergang zu
dem chronischen Stadium gegeben ist.
Das chronische Asthma ist ausgezeichnet entweder dadurch, dass
in kürzeren Zwischenräumen Erkrankungen auftreten, welche den acuten
Attaquen des Asthma entsprechen, einige Wochen andauern und dann in
Genesung enden (chronisches recidivirendes Asthma), oder aber der Zustand
des Asthma bleibt in ermässigter Weise andauernd bestehen. Die Patienten
befinden sich im Ganzen gut, aber werden regelmässig, resp. nach der
*) Die geringe Ausdehnung des Thorax lässt sich auch durch pneumatome¬
trische Messung constatiren, welche auf der Höhe des Anfalls äusserst geringe
Werthe ergiebt. (Vergl. die auf meiner Klinik gearbeitete Dissertation von
F. Krause: Pneumatometrische Untersuchungen. Berlin 1879.)
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kleinsten Erkältung oder Aufregung, sei es Abends beim Schlafengehen,
sei es Morgens beim Erwachen, oder auch mitten am Tage von ziemlich
heftigen Anfällen heimgesucht; diese Anfälle sind insofern ganz typisch,
als sie mit starker Dyspnoe und mit sibilirenden Geräuschen einhergehen
und mit dem gewöhnlichen Auswurf endigen (chronisches continuirliches
Asthma). In solchen Fällen kann man sich auch von dem schnellen
Auftreten der Lungensecretion überzeugen, welche einem gewöhnlichen
Katarrh durchaus widerspricht. Untersucht man am Tage, so sind die
Lungen ganz frei, das Athmungsgeräusch rein, gegen Abend stellt sich
Pfeifen ein und alsbald bricht der Anfall aus, in welchem weithin sibi-
lirende Geräusche ertönen, das Athmungsgeräusch fast verschwindet und
schliesslich ein ziemlich reichlicher Auswurf herausbefördert wird.
In diesem chronischen Stadium treten die physikalischen Zeichen
zuweilen sehr zurück, und es entwickelt sich eine allgemeine Nervosität
(Asthma nervosum, nervöses Stadium). Auch die Lungensyroptome be¬
kommen etwas Unberechenbares und Launisches, die kleinsten unbegreiflichen
Ursachen können die Anfälle hervorrufen oder zum Verschwinden bringen.
Bekannt ist die günstige Wirkung eines oft ganz geringfügigen Luft¬
wechsels. Der Uebergang von der Stadt zum Lande bringt schon das
Asthma zum Verschwinden. Manche Patienten fühlen sich in der kohlen¬
geschwängerten Luft grosser Städte am besten, andere verlangen nach
Land- und Seeluft. Die Einen können keinen Luftzug vertragen, die
Anderen können nur bei offenen Fenstern schlafen, sonst glauben sie zu
ersticken. So sehen wir das Unberechenbare, Launische einer Neurasthenie,
und wir können mit Recht von einem Stadium nervosum der Krankheit
sprechen.
Lange Zeit kehrt die Lunge nach Ablauf der Anfälle immer wieder in ihr
normales Verhalten zurück, dann aber entwickelt sich früher oder später
Emphysem. Damit ist eine organische Veränderung der Lunge eingetreten,
welche zwar noch viele Jahre ertragen werden kann, aber nicht mehr voll¬
ständig zurückzubilden ist. Zuweilen trifft man diese Veränderung der Longe
schon bei jugendlichen Individuen an, die nur wenige Jahre an Asthma
gelitten haben. Gewöhnlich aber entwickelt sie sich erst in späteren
Lebensjahren, nach vieljährigem Bestehen der Krankheit. Alsdann ver¬
wischen sich oft die asthmatischen Anfälle, die Secretion wird sparsamer
oder eitrig, doch zeigt der oben mitgetheilte Fall, dass auch bei aus¬
gesprochenem Emphysem noch das typische Krnnkheitsbild von Asthma
fortbestehen kann.
Wie das Emphysem nach jahrelangem Bestehen zur dauernden Dvspno«',
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za Herzbypertrophie, schliesslich za Hydrop9 and zum Exitus letalis fuhren
kann, ist so allgemein bekannt, dass ich nicht dabei zu verweilen
brauche.
Dagegen möchte ich noch an zwei Folgezustande erinnern, welche
nicht selten aus dem Bronchialasthma sich entwickeln; das ist die
chronische eitrige Bronchitis mit Bronchiektasie und die putride Bron¬
chitis. Jene ist nicht eine directe Folge, etwa ein weiteres Stadium des asth¬
matischen Processes, sondern die allmälige Folge der Reizungen, welchen
die Bronchien infolge der asthmatischen Secretion ausgesetzt sind. Diese
andaaernde Reizuog führt zu reactiven Katarrhen, und, wenn von aussen
Entzündung resp. Eiterung erregende Keime eindringen, zu purulenten
Katarrhen mit allmalig fortschreitender Bronchialerweiterung. Wie sich
hieraus durch Aufnahme faulnisserregender Keime putride Bronchitis
entwickeln kann, ist leicht verständlich; doch ergiebt die Erfahrung,
dass diese Formen von putrider Bronchitis nicht sehr hartnackig zu sein
pflegen und einer geeigneten Therapie meist in kurzer Zeit weichen.
Zum Schluss möchte ich mir noch einige Worte über die Grund¬
züge der Therapie des Asthma erlauben. Von einer ausführlichen Er¬
örterung derselben würde ich schon aus Rücksicht auf die dazu erforderliche
Zeit Abstand nehmen. Die Geschichte der Therapie der Krankheit lasst
ebenso wie die Pathologie eine fortschreitende Entwickelung erkennen, und
unsere Zeit kann sich rühmen, erhebliche Beiträge zur Asthma-Therapie
geliefert zu haben, obgleich wir auch heute noch nicht diese Krankheit
za den allemal sicher und leicht heilbaren rechnen dürfen. Die Ein¬
führung des Opium, des wichtigsten Heilmittels in die Therapie des
Asthma, ist bis auf Willis zurückzuführen. Die von Romberg an¬
gegebene Therapie enthält die Grundzüge der auch heute bewährten.
(Das Opium, sagt Romberg, nimmt den ersten Rang ein, sowie Ein-
athmen von Schwefeläther, Ipecacuanha, Blausäure, saturirter CafFee,
Moschus, Strammonium (Cigarren), Lobelia inflata, kalte Abreibungen,
Seeluft.) Unsere heutige Therapie ist an Mitteln und Methoden viel
reicher geworden; freilich nicht alle diese Bereicherungen sind von
gleichem Werthe. Wir wollen die wichtigsten Gruppen derselben kurz
and übersichtlich besprechen.
1) In erster Linie sind für die Behandlung des Asthma unzweifel¬
haft dieNarcotica zu nennen; sie vermögen heftige Anfälle in wenigen
Minuten zu mildern resp. zu beseitigen; sie vermindern das Gefühl der
Angst, der Dyspnoe und verschaffen dem gequälten Patienten einen
ruhigen Schlaf. Da mit ihrer Wirkung auch der Bronchialkrampf be-
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— 53 i —
seitigt wird, sonst aber keine erheblichen Respirationshindernisse bestehen,
so ist ihre Anwendung ganz unbedenklich, nur besteht die Gefahr, dass
mit der Zeit die Dosen gesteigert und gehäuft werden müssen und dass
der Patient — leider ein nicht seltenes Ereigniss bei Asthma bronchiale
— dem Morphinismus verfallt.
Die wirksamsten Narcotica sind das Morphium und das Chloral, ihnen
schliesst sich an das Opium, das Pulvis Doweri, und die zwei Alkaloide
Narceün und Codeün. Die Einzeldose und die Wiederholung der Dosis
richtet sich nach der Intensität der Anfälle und der Receptivität des
Patienten. Von geringer W'irkung ist das Cocain und das Extract. Cocae,
die Aqua Laurocerasi, das Bromkali.
Hieran schliessen sich die narcotisirenden Inhalationen: das Stick¬
stoffoxyd ulgas, die Inhalation von Chloroform, Aether, Amylnitrit, Jod-
aethyl, das vor nicht langer Zeit von See empfohlene Pyridin.
Narcotica, welche speciell den Bronchospasmus zu lösen geeignet er¬
scheinen und auch zuweilen diesen Erfolg haben, sind die Belladonna
(Atropin), Hyoscyamus, Strammonium, Cannabis indica, welche zum Theil
als innerliche Arznei, zum Theil als Räucherungen in Cigarretten ge¬
braucht werden.
2) Nächst den Narcoticis nenne ich die Räucherungen (Fumigationes)
als sehr gebräuchliche und bewährte Mittel, welche den asthmatischen
Anfall oft schnell beseitigen resp. lindern, allerdings auch nicht selten
im Stich lassen. Die Anzahl der hierzu angewandten Mittel ist nicht ge¬
ring, ebenso die arzneiliche Form mannigfaltig. Die Individualität spielt
hier eine grosse Rolle, zuweilen nützt dem einen Patienten eine Form,
welche der andere verwirft.
Die älteste bewährte Form dieser Räucherungen ist die Charta
nitrata, das Salpeterpapier; dann unter Zusatz von Strammonium und
anderen Kräutern das Strammonium nitrat. American, und andere ähn¬
liche Räucherpulver. Dieselben Medicamente sind in Form von Räucher¬
kerzchen gebracht, zu bequemerer Anwendung. Sehr beliebt sind die
Asthma - Cigarretten, welche mit den narcotisirenden krampfstillenden
Kräutern versetzt sind, mit Belladonna, Hyoscyamu9, Cannabis indica,
Strammonium, Grindelia, Coca. Auch die französischen Tubes astbmatiques
sind sehr beliebt. Der Arzt muss ausprobiren, welche von diesen ver¬
schiedenen Formen dem einzelnen Kranken am besten bekommt.
3) Ein wesentlicher Fortschritt in der Asthma-Therapie ist durch die
Anwendung des Jod gegeben. Am wirksamsten ist das Jodkali; wenn
jedoch dieses Mittel von dem Magen schlecht vertragen wird, kann man
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das Jodnatrium wählen, welches freilich weniger sicher wirkt. Die von
See empfohlenen Inhalationen von Jodaethyl verdanken ihre Wirkung
wohl weniger dem Jod, als dem narcotisirenden Aethyl.
Das Jodkali scheint zuerst in dem bewährten Aubrö 1 sehen Geheim¬
mittel*) gegen Asthma angewandt zu sein. Sodann habe ich selbst auf
seine Wirkung bei Bronchialasthma schon in meiner ersten Arbeit, be¬
stimmter in der Dissertation von Schleussner hingewiesen. Eine noch
grössere Verbreitung fand dieses Mittel auch in Deutschland durch die
Empfehlung von G. S6e; es ist seitdem in der Therapie des Asthma
eingebürgert und seine Wirksamkeit unbestritten. Freilich muss man auch
zugeben, dass es mitunter im Stiche lässt, besonders in chronischen
Fällen, dass es zuweilen von den Patienten schwer oder gar nicht ver¬
tragen wird und dass es namentlich gegen die Disposition zu Recidiven
von geringer Bedeutung ist. Dennoch muss man anerkennen, dass eine
richtig geleitete Jodkali-Behandlung, welche allmälig zu sehr grossen
Dosen steigt (3 bis 6 grm pro die, am besten in Milch dargereicht), sehr
gute Erfolge zu erzielen im Stande ist.
W T enn wir in gewissem Sinne das Jodkali als ein Specificum gegen
Asthma bezeichnen können, so schliessen sich demselben an: die früher
sehr gerühmte Lobelia inflata, das Lactucarium, das Pyridin, der Ar¬
senik; Mittel, welche gegenwärtig nicht hoch im Curse stehen. Auch
der Schwefel ist hier zu nennen, welcher innerlich ziemlich häufig ge¬
geben wird (als Sulphur aurat.); besonders haben gewisse Schwefelquellen,
wie Langenbrücken, Nenndorf, Baden, sich einen Ruf für die Behandlung
Asthmatischer erworben und behalten.
4) Nervina und nervenstärkende Mittel können bei der Behandlung
des Asthma nicht ganz eutbehrt werden; sie verdienen zum grössten
Theil kein besonders grosses Vertrauen, sind jedoch gerade im Stadium
nervosum indicirt und auch wohl von Erfolg.
Einen grösseren Ruf hatte eine Zeit lang das Bromkali, das Brom¬
chinin nnd andere Bromsalze, ferner die Valeriana, Asa foetida, auch
die Eisenpräparate. Ein altbewährtes Mittel ist starker Kaffee (auch
Thee und Cocathee).
5) Die Hydropathie zur Abhärtung, die Massage und Gymnastik
zur Kräftigung des ganzen Körpers sind eben so empfehlenswerth, wie
die Sorge für eine gute Ernährung nicht vernachlässigt werden darf.
*) Dasselbe besteht aus Lactucarii gall. 0,6, Kalii jodati 5,0, Spirit, nitr. aeth.
1,2, Aqu. destill. 150,0, Syr. Sacchar. 20,0. 2 bis 3 mal täglich 1 Esslöffel.
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In diesem Sinne können Milch- and Molken-, Kumys- and K6fir-Karen
von wesentlichem Nutzen sein.
6) Bemerkenswerth ist die Wirkung der Ableitungen. Sie waren
zu Zeiten sehr in Mode, sind dann abgekommen und wieder herbeige¬
zogen. Fontanelle hatten grossen Ruf, auch Traube hatte sie Ln deu
letzten Jahren mehrfach mit Nutzen angewendet.
Bemerkenswerth ist die Behandlung des Asthma durch Application
von AmmoniakpinseluDgeu auf die hintere Seite des Pharynx, welche
Ducros rühmte, sowie die Ammoniakinhalationen nach Faure, von
welchen auch Trousseau Erfolge sah.
Die Wirkung dieser ableitenden Methode ist nicht leicht wissen¬
schaftlich zu begründen, findet aber eine gewisse Analogie in Beobachtungen^
wonach das Bronchialasthma mitunter für längere Zeit verschwindet durch
Auftreten anderer, besonders Hautaffectionen. Maximilian Stoll sagt im
§. 174 seiner Aphorismen: „Wenn bei Asthmatikern Geschwüre an den
Schenkeln entstehen, so kann sich die Krankheit manchmal dadurch
heben, daher sind auch Aetzmittel an den Schenkeln dabei dienlich. 6
Hierher gehören auch Beobachtungen, auf welche Waldenburg seiner
Zeit die Aufmerksamkeit gelenkt hat, wonach eine gewisse Wechsel¬
wirkung zwischen Ekzem der Haut und Asthma bronchiale besteht, d. h.
das eine verschwindet, wenn das andere exacerbirt. Blanchez theilte 1883
in der Societe medicale des höpitaux den Fall eines zwölfjährigen Kindes
mit, welches seit dem zweiten Lebensmonat an Ekzem litt, und bei
welchem die Remission dieses Ausschlages allemal von heftigen asthma¬
tischen Anfällen gefolgt war.
7) L u ft- oder K1 i m a w e c h s e 1 ist ein schon von Alters her empfohlenes
Heilmittel. Die Erfahrung lehrt, da6S ein Wechsel des Aufenthaltes den
Asthmatischen sehr gewöhnlich eine schnelle und auffällige Besserung
bringt. Ganz gewöhnlich ist es, dass Amerikaner in Europa von Asthma
frei bleiben oder dass ein Luftwechsel vom Norden nach dem Süden
Nutzen bringt. Zuweilen sind es aber auch anscheinend unbedeutende
Ortswechsel, der Umzug in eine nur wenige Meilen entfernte Stadt, der
Umzug von der Stadt auf das Land und umgekehrt. Ich kannte einen
Apotheker in Oranienburg, welcher dort an heftigen Asthma-Anfällen
litt und in Berlin stets frei davon war; er sah sich deshalb veranlasst
nach Berlin überzusiedeln. Solche und ähnliche unberechenbare Einflüsse
sind ebenfalls geeignet, die nervöse Natur der Krankheit zu demonstriren
und kommen hauptsächlich im nervösen Stadium vor. Der Erfolg eines
Klimawechsels ist übrigens keineswegs sicher zu berechnen. Manche
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Kranken befinden sich in der rauchigen Luft grosser Städte am besten,
wie dies englische Aerzte von London angeben. Aebnliches habe ich
selbst wiederholt beobachtet. Manche Kranke vertragen Wind und
windiges Klima, können nur bei offenem Fenster frei athmen. Andere
vertragen keinen Luftzug, ohne sich zu erkälten und zu husten. Auf
manche wirkt das feuchte Seeklima günstig, im Allgemeinen jedoch wirkt
Bergluft entschieden wohlthätiger. Luftkurorte (in Schlesien Reinerz,
Flinsberg, in der Schweiz Klosters, Flims, Pontresina, in Bayern
Reichenhai), Ischl u. s. f.) werden von Asthmatikern vielfach mit Nutzen
aufgesucht. Aber auch die Riviera oder besonders geschützte warme
Orte, wie Honnef, bewährten sich als Kurorte. Es ist schwer, mit Sicher¬
heit zu berechnen, welcher Ort für den speciellen Patienten der vortheil-
hafteste ist, jedenfalls kommen auch andere Rücksichten, welche für die
Nerven von Bedeutung sind, bei der Wahl des Ortes in Betracht.
8) Von der Elektricität werden Erfolge gerühmt, doch dürften
dieselben kaum in der unmittelbaren Wirkung auf die Krankheit zu
suchen sein.
Es bleiben noch zwei Heilmethoden zu erwähnen, die der neueren
Zeit angehören, welche für die Asthma-Therapie von grosser Bedeutung
gewesen bezw. noch sind, über deren Werth aber die Urtheile der Aerzte
sehr auseinandergehen.
9) Die pneumatische Therapie durch Lange und Vivenot be¬
gründet, in den sogenannten Glocken oder auch durch die transportablen
Apparate von Waldenburg und Biedert geübt, erfreute sich eine Zeit
lang eines sehr grossen Rufes gerade bei der Behandlung des Asthma.
Die mechanischen Anschauungen, welche in den sechziger und siebziger
Jahren herrschten und welche auch in der Therapie prävalirten, trugen
dazu bei, dieser Methode leicht Eingang zu verschaffen. Man begann so¬
gar, sich nicht auf die ursprüngliche Methode der comprimirten Luft zu
beschränken, sondern specielle Indicationcn (Ausathmung in verdünnte
Luft etc.) zu stellen. Es kann nicht geleugnet werden, dass diese mechani¬
sche Behandlungsmethode an Ansehen und Verbreitung verloren hat, nament¬
lich die transportablen Apparate sind fast verlassen. Ich selbst gehöre
nicht zu den unbedingten Verehrern dieser Therapie, obgleich doch viele
Namen von gutem Klang für dieselbe eintreten, namentlich v. Liebig,
Knauthe, Corval, Lazarus.
Vor einigen Jahren war diese Therapie Gegenstand einer Discussion im
Verein für innere Medicin, deren Resultat derselben nicht sehr günstig war.
10) Die neueste Heilmethode des Asthma beruht auf den bereits oben
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besprochenen Beziehungen zwischen Nasenkrankheiten und Asthma. Die
von Hack berichteten glanzenden Erfolge der operativen Behandlung
haben ihr besonders schnell Eingang und Ansehen verschafft Die Acten
hierüber sind noch nicht geschlossen, wie die wiederholten über diesen
Gegenstand gepflogenen Discussionen ergeben haben. Aber soviel dürfte
nach den Ergebnissen der neuesten Discussion im Verein für innere Me-
dicin doch feststehen, dass die operative Behandlung der Nase günstige
Erfolge aufzuweisen hat. Bei der leichten und ungefährlichen Ausführ¬
barkeit der Operation wird man in heftigen und hartnäckigen Fällen nicht
versäumen dürfen, die Untersuchung der Nase und die operative Be¬
seitigung etwaiger Abnormitäten vornehmen zu lassen, wenn auch nicht
in jedem so operirten Falle Heilung oder Erleichterung für längere Zeit
wird erwartet werden können.
Darf die Transfusion als ein lebensrettendes Mittel gelten?
Von Dr. Klopstech,
Stabsarzt im 2. Thüringischen Infanterie-Regiment No. 32.
(Schluss.)*)
Es wäre eine schwierige und undankbare Aufgabe, eines derselben
als das beste zu bezeichnen; es ist dies aber auch nicht nothig. Denn
das ganze Armatorium, das allein für die Zwecke der Transfusion er¬
funden und ausgeklügelt ist, hat heute nur noch historischen Werth und
wird entweder vergessen werden, oder es wird in den Raritätenkammern
der ärztlichen Instrumentensammlungen die zukünftigen Generationen
lehren, was der menschliche Scharfsinn erfunden hat, um die einzelnen
Zwischenfälle bei der Transfusion unmöglich zu machen. Da nun aber
dieser Zwischenfälle recht viele sein können, so sind einige der „voll¬
kommensten u Instrumente wahre Ungeheuer geworden, zuweilen noch
vergrössert durch voluminöse doppelwandige Umhüllungen aus Gummi,
Seide oder Wolle, die im Ernstfall durch Füllung mit warmem Wasser
dem zu transfundirenden Blute die für nothwendig erachtete Temperatur
erhalten sollten.
Die für die directe Transfusion aus einer Arterie des Blutspenders
in eine Vene des Blutempfängers bestimmten Apparate sind einfach und
practicabel, sie bestehen im Wesentlichen aus 2 Canülen, die durch ein
kurzes Verbindungsglied aus Glas, Metall und Gummi vereinigt wurden.
*) cfr. Heft 9 S. 441—449.
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Die Geschicklichkeit des Operateurs oder eigene Vorrichtungen (Hähne,
Verschluss- und Einsatzstücke, die natürlich wieder ihrerseits Gelegenheit
zu Gerinnselbildung geben konnten) sollten das gefürchtete Eindringen
von Luft beim Beginn und während der Operation verhindern. Das Herz
des Blutgebers war treibende Kraft.
Complicirt waren die Apparate für die indirecte Transfusion; hier
musste das Blut in das Gcfässsystem des Blutempfängers eingepresst und
mussten oft erhebliche Widerstände überwunden werden. Man hatte da¬
zu eine grosse Menge verschiedener Apparate erfunden, deren treibendes
Moment fast ohne Ausnahme eine Druck- und Säugpumpe, eine Stempel¬
oder Ballonspritze war.
Gesellius wollte Dicbts von Einspritzen wissen, er liess das Blut
nach dem Gesetz der Schwere einfliessen. Erwähnen möchte ich seinen
ersten Apparat,*) vermittelst dessen er das von ihm für das geeignetste
gehaltene Capillarblut aus der Haut des Blutspenders abschröpfen und
unter Luftabschluss in den Patienten überleiten wollte. Am Schluss der
zuversichtlichen Broschüre theilt er „die 1. Transfusion mit meinem
Apparat“**) mit und wundert sich selbst über die reiche Blutfülle
die er aus dem blutspendenden Soldaten erzielte und die (wohlgemerkt
aus den Capillaren stammend!) so bedeutend war, dass er die Nach¬
blutung nachher mit Ferrum sesquicblorat. stillen musste! Er hatte in
einer Minute mehr Blut, als er brauchte, und damit schien ihm der Be¬
weis der Vorzüglichkeit des Schröpfapparats, dessen genügende Functions¬
fähigkeit hätte angezweifelt werden können, völlig bewiesen. (Dass er
den Soldaten durch die Blutentziehung noch von einem lästigen Rheu¬
matismus der oberen hinteren Schultergegend, wo der Schröpfapparat
angesetzt war, befreit hatte, sei nur nebenbei bemerkt.) Leider musste
der Erfinder einige Jahre später***) zugestehen, dass der Apparat, trotz
seiner Vorzüglichkeit, nicht brauchbar sei, da er nicht schnell genug,
oder gar nicht, genügende Blutmengen absauge, und dass der Soldat des
oben beschriebenen Versuchs zufällig ein Hämophile gewesen sei! Am
besten waren die einfachsten Apparate, und eine sorgfältig gearbeitete
Stempelspritze aus Glas, deren Spitze der eingeführten Canüle genau und
leicht einzupassen war, schien den Meisten genügende Sicherstellung der
Transfusion zu bereiten.
*) Gesellius, Capillarblut — undefibrinirtes — zur Transfusion. Peters¬
burg 1868.
**) ibidem Seite 48 und 49.
***) In seiner Studie vom Jahre 1873. Seite 21.
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540
Doch kommen wir wieder auf den obenerwähnten Mangel menschlichen
Blutes zurück. Das Factam stand fest, and man bezweifelte die umfassende
Ausbeutung der Errungenschaft, weil im Augenblick der Noth menschliches
Blut nicht zu erhalten war. Scanzoni*) that deshalb den Ausspruch:
„Die Transfusion dürfte nur ein brillantes Schaustück auf Kliniken bleiben,
eine allgemeine Verbreitung blüht ihr nie!“
Oesellius hatte, entgegen den Ansichten Hüter’s, Panum’s und
Anderer, die Transfusion defibrinirten Blutes so lebhaft bekämpft, dass er
und seine Anhänger bei der Unmöglichkeit, ganzes Blut zu haben, schon
um consequent zu bleiben, lieber ganz auf das Menschenblut verzichten
wollten; sie erhoben zum Princip die Transfusion mit ganzem Thierblut,
dessen directe Beschaffung und Verwendung sich leichter ermöglichen
liess. Man griff auf die älteren und neueren Mittheilungen von solchen
Transfusionen zurück, die günstig gewesen sein sollten, gegenüber denen
mit defibrinirtem Blute. (Gesellius liefert eine seinen Wünschen ent¬
sprechende Tabelle).**)
Wir haben oben schon gezeigt, dass von einer Statistik kein beweis¬
gültiger Aufschluss zu erwarten ist, welche auf die grösste Unähnlich*
keit der Fälle in Bezug auf Krankheit, Indication, Blutmenge, Zeit u. s. w r .
gar keine Rücksicht nimmt, sondern sich einzig und allein an die Worte
klammert: defibrinirt, nicht defibrinirt; todt, genesen, gebessert.
Doch erreichte Gesellius seinen Zweck und die Verehrer der Trans¬
fusion traten wieder in hellen Schaaren auf, leider diesmal auch viele
Unberufene.
Die Operation wurde in einzelnen Veröffentlichungen glücklicher
Fälle als so einfach und ihr Effect als so geradezu verblüffend geschildert,
dass wirklich dem praktischen Arzte, der fern von den geistigen Mittel¬
punkten lebte, kaum ein Vorwurf gemacht werden kann, wenn er auch
versuchen wollte, an den schönen Erfolgen der Lammbluttransfusionen
Theil zu nehmen. Das winzige Werkzeug, eine Lancette, eine Canüle
und ein Stückchen Drainrohr in der Verbandtasche, ein Lämmchen auf
dem Wagen, so zogen sie fröhlich hinaus, um Todescandidaten mit
Schwindsucht, Magenkrebs und anderen unheilbaren Krankheiten zu retten
und sich bewundern zu lassen von dem staunenden Publikum, das nicht
so scheu und zurückhaltend blieb, wie sonst, wo doch der Eine und
Andere vom Arzte um einen gefälligen freiwilligen Aderlass ersucht
worden war.
*) ibid. Seite 31.
**) Transfusion des Bluts. Petersburg 1873.
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541
Hasse io Nordhausen hatte den Reigen eröffnet, Unzählige folgten,
and mit ihnen wachs der Umfang der Indicationcn, so dass kaum noch
ein Leiden denkbar war, wo man nicht Transfusion mit und ohne de-
plethorischen Aderlass indicirt gehalten hätte!
Wie manches hochklingende Schriftstückchen mag in jener Zeit
nicht an die Oeffentlichkeit zur weiteren Verbreitung in den Zeitungen
gekommen sein, weil es dem Operateur noch im letzten Moment nach
der völligen Druckreife gelang, es wieder in den Schreibtisch zurück-
znziehen, da der Gerettete doch mittlerweile gestorben war. Das un¬
mittelbar betheiligte Publikum liess sich leicht von dem Arzt, der das
Vertrauen hatte, beruhigen und betheuerte auf Wuusch mit voller Ueber-
zeugang, dass der Nutzen zur Zeit der Operation ein grossartiger gewesen
sei, nach eigener Beobachtung und nach eigener Aussage des Operirten
selbst. Ich will gewiss nicht behaupten, dass nicht bei weitem die
meisten der unbekannt gebliebenen Operateure bona fide gehandelt haben;
aber bei Durchsicht der vielen hochathmigen Berichte und Artikel, von
denen die Zeitschriften der Siebzigen Jahre angefüllt sind, wird man doch
unwillkürlich oft an die Charlatanerie früherer Jahrhunderte erinnert,
und man muss sich zuweilen besinnen, ob es wirklich die allerneueste
Zeit ist, in der die Wunder passirt sein sollen.
Dass auch der Stand der Militärärzte, der auf alle Neuerungen im
Gebiete der Chirurgie und der operativen Technik ein so eifersüchtig-
wachsames Auge hat, trotz aller Skepsis in Bezug auf die unglaublichen
Heilerfolge und Indicationen, der Transfusion seine fortgesetzte Auf¬
merksamkeit nicht entziehen konnte und wollte, braucht wohl kaum er¬
wähnt zu werden. Denn wenn eine Irdication berechtigt schien, so war
es die der acuten Anämie bei äusseren Verwundungen, und diese musste
ja dem Militärarzt in seiner eigentlichsten Domäne eine unschätzbare
Gelegenheit bieten, seine Wirksamkeit im Felde zu erhöhen.
Das Interesse in der deutschen Armee war auf die Beobachtung und
Würdigung aller einschlägigen Neuerungen der Bewegung gerichtet; man
prüfte Alles, uift das Beste eventuell behalten zu können, besprach sich
in den einzelnen Fachgesellschaften. Man engagirte sich aber nach keiner
Richtung bin und war vorsichtig genug, bei der Erwägung, ob man die
Anschaffung von Transfusionsapparaten für den Kriegsfall vorbereiten
sollte, nur einen solchen in Vorschlag zu bringen, der in compendiöser
Form, in Verbindung mit einem Fräntzel’schen Troicart und einer
Schlundsonde, auch eine volle Berechtigung als „Apparat zur Entfernung
von Blutergüssen, pleuritischen Ex- und Transsudaten aus dem Thorax
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542
und als vollkommene Magenpumpe hatte“ (den Schliep’schen Traos-
fusor).*)
Neudörfer**) in Wien giebt an, dass er mit besonderer Berück¬
sichtigung der Anwendbarkeit im Felde seine Versuche nur mit Hammel¬
blut gemacht habe, obgleich er Lammblut in mancher Beziehung vor¬
zieht, und kommt mit bestimmten Vorschlägen für den Kriegsfall.
Nach seiner Methode kann seine Canüle schon einige Stunden vor
dem Gebrauch oder wenigstens entfernt vom Operationsort in die Carotis
des Thieres eingebunden werden. Die befestigte Canüle wird unter die
Haut versenkt, die betreffende Stelle des Halses durch ein umgelegtcs
Tuch geschützt. Durch diese Theilung der Arbeit soll cs möglich sein,
ohne Hast und Mühe bei 40 Verwendeten mit acuter Anämie die Blut¬
transfusion in weniger als 2 Stunden auszuführen,***) (Jeder Hammel er¬
laubt 4 Transfusionen.)
Die Beiträge Neudörfer’s sind überhaupt für den damaligen Stand
der Transfusionsfrage sehr instructiv. Er giebt eine sehr eingehende
Kritik der vorhandenen Methoden, .wägt die Vortheile und Nachtbeile
der einzelnen Apparate ab, verbessert den für den besten anerkannten
Rou ßsel’schen Pumpapparat noch erheblich durch seine neu construirte
Arteriencanüle (mit einer sich vom Hauptrohr abzweigenden Nebenröhre)
und durch eine Venencanüle aus Metall, und schafft so einen Apparat,
an dem nichts auszusetzen sein soll. Derselbe gestattet bei der directen
Hammelbluttransfusion die unmittelbare Aufeinanderfolge mehrerer
Kranken, ferner die oben erwähnte Arbeitsteilung, genaue Controle des
wirklichen Ueberfliessens von Blut, die Messung der transfundirten
Blutmenge, verhindert Eintreiben von Gerinnseln und Luft, ist also nach
seiner Meinung vollkommen.
Das ungefähr waren die Verhältnisse zur Zeit der ßlüthe der
Transfusion, als die Reaction und damit ein Wendepunkt eintrat, von
welchem es sehr rasch und immer rascher bergab ging. Fassen wir,
ehe wir fortfahren, hier noch einmal das Wesen der Bluttransfusionslebre
zusammen, so ergeben sich folgende Hauptsätze.
1) Ausgehend von der Erfahrung, dass man fast verblutete Thiere
durch Transfusion von Blut wieder zum Leben gebracht hatte, schrieb
man dies Resultat hauptsächlich den rothen Blutkörperchen der über¬
geführten Blutmenge zu.
*) Bruberger, Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1874 Seite 534.
**) Neudörfer, Beiträge zur Bluttransfusion 1875. Deutsche Zeitschrift für
Chirurgie Bd. VI. Heft 1 Seite 57.
***) ihid. Seite 103.
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— 543 —
2) Man hat sich den Effect des Wiederbelebens so zu erklären ge¬
sucht, dass man annahm, der Tod trete durch ungenügende Menge der
übrig gebliebenen rotheu Blutkörperchen ein; träte aber das transfundirte
Blot schnell hinzu, so genüge die Summe des Blutes nun wieder zur
Ernährung des Körpers.
3) Man hielt die Bluttransfusion, wenn sie mit einiger Vorsicht und
Schonung ausgeführt wurde, auch heim Menschen für einen ungefährlichen
Eingriff.
4) Man fürchtete bei der Transfusion hauptsächlich die Plethora und
sachte die Erscheinungen, die man für den Ausdruck derselben hielt,
durch einen entsprechenden Aderlass zu paralysiren.
5) Man glaubte im defibrinirten Blute nicht nur ein dem ganzen
Blote völlig gleichwerthiges Mittel für den Blutersatz zu haben, sondern
hielt so praparirtes Blut sogar für geeigneter, da die Defibrination
dasselbe sauerstoffreicher und somit lebenskräftiger mache, und weil die
Gefahr der Gerinnung mit ihren Folgeerscheinungen (Embolie und Throm¬
bose) völlig vermieden werden könne.
6) Man nahm an, die transfundirten Blutkörperchen seien eigentlich
trausplantirt und übernähmen die ernährende und respiratorische Function
neben den im Körper befindlichen guten und an Stelle der im Körper
untauglichen Blutkörperchen.
7) Nur das Blut solcher Thiere sei unbedingt zu verwerfen, welches
grössere rothe Blutkörperchen habe, als das menschliche, da die grösseren
Körperchen die nur für die eigenen durchgängigen Capillaren nicht
passiren können.
8) Lammblut sei ein geeigneter Ersatz für Menschenblut.
9) Man glaubte krankes Blut der Kranken dadurch auf die einfachste
Weise verbessern zu können, dass man einen Theil desselben durch
Aderlass entferne und zu dem znrückbleibenden solches von guter Be¬
schaffenheit aus einem anderen Individuum hinüberleite. Die Operation
könne unter Cautelen so oft wiederholt werden, bis die Mischung des im
Körper vorhandenen ein genügendes Gesammtblut darstelle.
10) Man hielt die subjectiv und objectiv nachweisbaren, oft sehr
stürmischen Reactionserscheinungen für bedeutungslos.
11) Die Richtigkeit dieser Annahmen vorausgesetzt, musste die Blut¬
transfusion nicht nur bei acuter Anämie, sondern auch bei hochgradiger
chronischer Anämie durch Säfteverlust und bei allen sonstigen das Leben
durch abnorme Beschaffenheit des Blutes bedrohenden Krankheiten als
ein lebensrettendes Mittel angesehen werden.
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Im folgenden Theile dieser Abhandlung wird es aber unsere Aufgabe
sein, n ächz uw eisen, dass alle diese Sätze als folgenschwere Irrthümer
erkannt werden müssen und dass demgemäss die lebensrettende Thatder
Transfusion in ein Nichts zusammensinkt.
Die vortrefflichen und beweiskräftigen Untersuchungen und Experi¬
mente von Worm-Müller, Lesser, Panum, Ponfick, Armin Köhler
und Anderen haben die Unbaltbarkeit und Gefährlichkeit der Lehre von
der Bluttransfusion dargelegt und dienen auch unseren Deductionen als
Grundlage.
Aus den epochemachenden Arbeiten dieser Forscher wird Folgendes
ersichtlich:
1) Die Auffassung vom Verblutungstod, die der Bluttransfusion zur
Stütze gedient hat, ist falsch.
2) Die Ernährung der Gewebe durch Stoffe, die aus der verdauten
Nahrung gewonnen werden, kann nicht durch das transfundirte Blut
ersetzt werden.
3) Die Gefahr der Plethora wird durch die Bluttransfusion nicht bedingt.
4) Der deplethoriscbe Aderlass ist demgemäss überflüssig und, als
blutraubend, schädlich.
5) Die ReactionserscheiDungen bei und nach der Operation sind zum
Theil psychischer Natur (Ohnmacht, Unruhe, Flimmern vor den Augen),
zum Theil durch zu schnelle und nngleichmässige Einführung der Blut-
menge bedingt (Herzshoc, Uebelkeit, Erbrechen); diese sind zum Theil
zu vermeiden oder wenigstens zu mildern. Die bedrohlichsten Er¬
scheinungen, Schüttelfrost, Fieber, Anomalien der Harnsecretion, sind
die Folgen einer Blutdecomposition, welche sich stets in einer, der ein-
gefuhrten Blutmenge entsprechenden, mehr oder weniger heftigen Nierenent¬
zündung äussere.
6) Jedes fremdartige und auch das defibrinirte eigenartige Blut übt
bei der Transfusion einen giftigen, zerstörenden Einfluss auf die festen
Elemente des Blutes aus.
Betrachten wir zunächst die Lehre von dem Tode durch acute
Anämie in Folge von Blutverlust aus einem grosseren Gefass.
Die Versuche von Worm-Müller*) (Christiania) und Lesser**)
*) Worm-Müller, Die Abhängigkeit des arteriellen Drucks von der Blut¬
menge (Bericht der Königl. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften. Math,
physik. Klasse. 12. XII. 73.).
**) S. Lesser, Lehre vom Blutersatze. Habilitationsschrift aus Würzbirg, 1875
(erschienen in Leipzig).
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zeigen ans, dass bei plötzlicher Blatentziehung der Tod nicht eintritt,
wenn so viel Blut abgeflossen ist, dass der Rest zur Ernährung nicht
mehr ausreicht, sondern dass dieser Tod schon viel früher eintritt.
Die Gefahr des Todes liegt bei Blutverlusten bis a /3 der Gesammt-
menge in dem Missverhältnis zwischen Gefässweite und Gefässinhalt
und wird bedingt nicht durch Mangel an Blut zur Ernährung der Nerven-
centren, sondern durch Mangel der Blutbewegung, die wiederum ihrer¬
seits durch eine plötzliche, abnorme Abnahme des arteriellen Blutdrucks
herbeigefuhrt wird. Die Blutsäule wird unterbrochen und das arbeitende
Herz vermag nicht mehr durch seine Thätigkeit dieselbe in Bewegung
zu erhalten. „Das Herz arbeitet zunächst noch fort; aber seine Arbeit
ist wirkungslos; es gleicht einer leeren Pumpe, es hebt und treibt nicht
mehr die Blutsäule, deren Spannungsdifferenzen in den verschiedenen
Abschnitten des Gefässsysteros aufgehört haben.
Die Beobachtung zeigt dementsprechend, dass bei Thieren, denen
man tödtliche Blutentziehungen macht, der todtliche Collaps schneller
eintritt, wenn man sie so lagert, dass der Kopf hochliegt und das
Hintertheil berabhängt. Der venöse Rückfluss des Bluts zum Herzen
wird dadurch erschwert und die Function desselben dadurch früher un¬
wirksam gemacht Umgekehrt kann man den Collaps eines Thieres noch
längere Zeit hinhalten, wenn man es entgegengesetzt lagert, so dass die
venöse Blutmasse aus den Extremitäten und dem Unterleib besser und
länger dem Herzen zugeführt wird.
Den gleichen Effect erzielt man auch durch die sogenannte Auto¬
transfusion, wobei durch Einwickeluug der Extremitäten mit elastischen
Binden nach Esmarch’scber Manier das Blut aus dem Capillarsystem
und den kleineren Venen der umschnürten Körpertbeile heraus- und dem
Herzen zugetrieben wird.
Dass aber bei drohendem Verblutungstode die noch vorhandene
Blutmenge zum Leben genügt, zeigten Cohnheim und nach ihmKron-
ecker und Sander durch den einfachen Versuch, dass sie den Blut¬
druck durch infundirte Kochsalzlosung erhöhteu und das wieder aufge¬
weckte Thier mit dem in seinen Adern übrig gebliebenen Blutrest dauernd
am Leben erhielten. Nahmen sie statt der Kochsalzlösung Blut zur
Transfusion, so war nach der bald entnommenen Blutprobe die nach¬
folgende Hydrämie zunächst geringer, als bei Kochsalzlösung; aber sehr
*) v. Bergmann, Die Schicksale der Transfusion, Rede 1883 Seite 9.
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bald schon zeigte sieb, dass dieselbe nach der Salzlösung doppelt so
schnell verschwand, als die nach der Bluttransfusion.*)
Auch vergleichende Zählungen der rothen Blutkörperchen bei der
acuten und chronischen Anämie beweisen, dass die Zahl der beim
schnellen Verblutungstode zuruckbleibenden rothen Blutkörperchen noch
zum Leben genügt haben wurde.**) Bald nach erheblichen Blutver¬
lusten sinkt die Anzahl der rothen Blutkörperchen von 5 auf 2—2V*
Millionen pro cmm. Bei chronischer Anämie sinkt sie häufig auf
2—300000 pro cmm; hier ist also noch der 10. Theil für das Leben
ausreichend, während dort bei der bedeutend grösseren Anzahl von Blut¬
körperchen das Leben erlöschen muss.
Es ist demnach klar, dass die Transfusion des Blutes nicht vermöge
einer specifischen Wirkung seiner rothen Blutkörperchen günstigen Ein¬
fluss auf ein dem Vcrblutungstode nahes Individuum gehabt hat, sondern
dass dies nur durch eine Wiederherstellung der normalen Druckver¬
hältnisse im Gefässsystem des verletzten Organismus geschehen ist. Dass
aber das angewandte Transfusionsmedium nicht nur nicht vortheilhaft für
den Blutersatz, sondern sogar schädlich war, haben wir soeben bei Er¬
wähnung der Hydrämie schon angedeutet und werden es später noch
ausführlich beweisen.
Was nun die Plethora anbetrifft, welche den Kopfschmerz, Schwindel,
die Ohnmacht, die Athemnoth, Beklemmung, das Gefühl von Völle, im
höchsten Grade sogar den plötzlichen Tod bedingen sollte, so ist ihre
Existenz bei der Transfusion eben nur angenommen worden, weil man
iu ihr eine Erklärung der oben angeführten Symptome zu haben glaubte.
Wie aber experimentell nachgewiesen werden kann, tritt eine irgend
wie erhebliche Steigerung des Blutdrucks im Gefässsystem über die Norm
gar nicht ein.
Schon im Jahre 1873 wies Worm-Müll er***) nach, dass bei Ver-
grösserung der Blutmenge von 2—4°/ 0 des Körpergewichts, der Blut¬
druck allerdings steige; aber nur in ganz geringem Maasse and ganz vor¬
übergehend, so dass der normale Zustand sehr bald zurückkehrt Durch
weitere Blutzufuhr um das Doppelte, ja um das Dreifache der ursprüng¬
lichen normalen Menge, vermag dann der Normaldruck iu keiner Weise
erhöht zu werden.
*) Recklinghausen, Handbuch der allgemeinen Pathologie des Kreislaufs
und der Ernährung. 1883. S. 182 ff.
**) ibidem.
***) Worm-Mü 1 ler, S. GÖ2. (Abhängigkeit des arteriellen Drucks u. s. w. s. oben.)
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Lesser kann in seiner oben angeführten Habilitationsschrift*) diese
Beobachtungen durch eigene Versuche nur bestätigen.
Zur Erklärung dieser auffallenden Thatsache nimmt Worm-Müller
an, dass gleichsam 3 Territorien der Capacität des Gefässsystems bestehen
uod zwar:
1) Nach Verringerung des Gefässinhalts durch acute Anämie (nach
Venaesection und einem unfreiwilligen Blutverlust durch Gefässtrennung)
steigt der Blutdruck allmälig wieder bis zum Normalen. (Die Grenze
für die Blutmenge beträgt 1,5—2,5% des Körpergewichts über die Norm.)
2) Die Blutmenge steigt von 2—4% des Körpergewichts über die
normale Grenze. Hier bedingt der Einfluss des vasomotorischen Nerven¬
systems, welcher den Normaldruck zu erhalten strebt, dass nur geringe
Schwankungen nach oben und unten in schneller Aufeinanderfolge
auftreten.
3) Bei noch weiter zunehmender Blutmenge deshalb nicht mehr,
weil wahrscheinlich eine Reckung der Gefässe eintritt.**)
Daraus geht mit Sicherheit hervor, dass bei der für die Bluttrans¬
fusion in Betracht kommenden Menge von einer Steigerung des Drucks
über die Norm, also von einer künstlichen Plethora, gar nicht die Rede
sein kann. Das vasomotorische Nervensystem ist noch im Stande
2—4% des Körpergewichts an Blutzunahme zu verarbeiten, während bei
Menschen die Menge des eingeführten Blutes l°/ 0 des Körpergewichts
oder ungefähr y 8 der normalen Blntmbnge kaum je erreicht hat, ge¬
wöhnlich waren es nur 3—5% 0 .
Der deplethorische Aderlass, den man so oft und den viele Opera¬
teure stets zur Einleitung der Trausfusion oder gleichzeitig mit derselben
vorgenommen haben, muss als eine directe Schädigung des Patienten
angesehen werden. Er war, selbst die volle güustige Wirksamkeit der
eingeführten Blutmenge vorausgesetzt, überflüssig und man nahm mit
der einen Hand, was man mit der anderen Hand geben wollte. Wenn
aber noch sogar, wie gezeigt werden wird, das infundirte Blut nichts zur
Ernährung beitragen konnte, so wurde der Aderlass doppelt verhängnis¬
voll für den Kranken.
In einem einzigen Fall war eine rationelle Indication für den Ader¬
lass gegeben, als man bei hochgradiger Kohlenoxydgas-Vergiftung, deren
Wesen bekanntlich in einer Zerstörung resp. Unbrauchbarkeit der vor¬
handenen rothen Blutkörperchen besteht, die functionsunfähigen Blut-
*) Lesser etc. Seite 10.
**) Worm-Müller, Seite 652.
36
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körperchen vermittelst der Transfusion durch neue ersetzen wollte.
Hier war es nicht die eingebildete Plethora, sondern der ausgesprochene
Wille des Arztes, einen Tbeil der verdorbenen Blutkörperchen schnell
zu entfernen, was den Aderlass indicirte, um dafür neue, int&cte einzu¬
führen, die an Stelle der abgegebenen im Körper des Patienten functio-
niren sollten. Wenn der Erfolg trotzdem dem Wunsche des Opera¬
teurs nicht entsprach, so lag der Grund sicher nicht in dem Aderlässe,
sondern darin, dass das transfundirte Blut die Functionen normalen
Menschenbluts zu übernehmen eben nicht im Stande war.
Nun, könnte man aber fragen, war die Indication für den Aderlass
in allen den Fällen nicht eben so berechtigt, in welchen der Arzt durch
die Transfusion ein Blutbesserung bei chronischer Anämie, in Folge von
Phthisis, Carcinom, Pyämie und anderen Krankheiten bezweckte? Diese
Frage muss verneint werden; denn während bei der Kohlenoxydgas-
Vergiftung die Zerstörungsquelle bei der Einleitung des Heilverfahrens
schon abgesperrt war, und der Blutersatz nicht mehr durch das ein-
geathmete Kohlenoxydgas angegriffen wurde, bleibt bei den Krankheits¬
processen, die im Körper begründet sind, die deletäre Einwirkung auf
das Blut fortgesetzt bestehen und wird auch die neu eingeführten Blut¬
körperchen zu verderben fortfahren.
Wir kommen nun zu der supponirten ernährenden Wirkung des
traüsfundirteo Blutes, die von allen denjenigen Aerzten angenommen
wurde, welche die Indication für die Operation dahin erweitert wissen
wollten, dass die Transfusion mit Erfolg in allen Fällen anzuwenden
sei, wo eine Ernährung des Patienten durch den Magen und Darm wegen
Carcinom, Brechneigung Schwangerer uud dergleichen mehr, nicht möglich
oder dienlich sei.
Grund zu dieser Annahme hatten in den fünfziger Jahren die Mit¬
theilungen von Cbossat, Bidder und Schmidt*) gegeben, welche
gefunden haben wollten, dass die Blutmenge bei der Inanition in einem
viel stärkeren Maasse, als die übrigen Körpergewebe, mit Ausnahme
des Fetts, abnähmen. Besonders sollte nach Chossat und Vierordt
die Anzahl der rothen Blutkörperchen viel geringer werden. Auch
neuere Autoren, wie Eulenburg und Landois, stützten diese Ansicht,
indem sie angaben, dass es ihnen gelungen sei, Hunde längere Zeit ohne
Nahrung,nur durch wiederholte Transfusionen, am Leben zu erhalten.
Die genauen Untersuchungen Panum’s entsprechen diesen Resultaten
*) Pan um, Zur Orientirung in der Transfusionsfrage (siehe oben) Seite 3 fl*.
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549
der Letztgenannten nicht. Er hat an Hunden, die er fasten liese, durch
Zählung der rothcn Blutkörperchen nach den besseren Methoden der
Neuzeit und durch Wägung der festen Bestandteile des Bluts intra vitam
und post mortem nachgewiesen, dass eine relativ grössere Abnahme dieser
Bestandteile des Blutes nicht vorhanden war. Ferner hat er eine andere
Reihe von Hunden abwechselnd fasten lassen und hat ihnen dann wieder¬
holt dazwischen Transfusionen von Hundeblut gemacht. Die Blutunter¬
suchungen ergaben gleichfalls nicht nur keine relative Abnahme, sondern
sogar in Folge des Transfundirens grosser Blutmassen eiue ganz be¬
trächtliche Zunahme der rothen Blutkörperchen. (Ob diese Zunahme
von Bestand blieb, kam für diese Versuche nicht in Betracht!) Es geht
aus den Versuchen dieser Gruppe sicher hervor, dass die infundirten
Blutkörperchen nicht zur Erhaltung des Körpers gedient haben können,
denn, um nur einige Zahlen ans den interessanten Versuchsreihen auzu-
fähren, der Körpergewichtsverlust eines kleinen Hündchens beim Fasten
betrug durchschnittlich in 24 Stunden 70—80 gr., am ersten und zweiten
Tage nach der Transfusion in 24 Stunden 140 gr. und darüber, am
dritten und vierten Tage durchschnittlich 135 gr. Dies hätte nicht geschehen
können, wenn das eingeführte Blut als Nahrungsmaterial zur Deckung
der unvermeidlichen Ausgaben des Stoffwechsels verwendet worden wäre.
Pan um schliesst aus alledem, dass die ernährende Wirkung des
Blutes nicht darin bestehen kann, dass Bestandtheile desselben von den
Geweben zur Nahrung aufgezehrt werden, sondern vielmehr, dass der
physiologische Einfluss des Blutes darauf beruht, dass es Transportmittel
für die aus den Verdauungsorganen herstammeudeu Nährstoffe ist, die
durch den Kreislauf in den Körper geführt werden sollen. Und diese
Ansichten sind in neuerer und allerneuster Zeit wiederholt bestätigt
worden.
Das Ergebniss der Untersuchung, wie sich die einzelnen Theile des
Blutes als Transportmittel betheiligen, mag hier kurz Platz finden.
Das Wasser des Plasma enthält die Salze (die kohlensauren und phos-
pborsauren Alkalien des Bluts).
Das Plasma im Ganzen führt die Kohlensäure, die Nahrungsstoffe
und die Excretionsstoffe der Gewebe, die rothen Blutkörperchen den
Sauerstoff. Das Hämoglobin der rothen Blutkörperchen nimmt 10—l8pCt.
freien Sauerstoff auf. Es verbindet sich mit demselben zu Oxyhämoglobin.
[Die Kohlenoxyd Vergiftung, die im Lauf der Betrachtungen schon öfter
erwähnt werden musste, beruht darin, dass das CO grössere Affinität
zum Hämoglobin hat, als das O. Das Oxyhämoglobin wird deshalb
36*
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550
beim Hinzutritt von Kohlenoxydgas decomponirt und die rothen Blut¬
körperchen büssen ihre Fähigkeit als Sauerstoffträger ein.]
Gelegentlich der ernährenden Wirkung des Blutes möchte ich noch
an dieser Stelle erwähnen, dass Gesellius und andere auch deshalb ein
besonderes Gewicht auf die Verwendung undefibriuirten Blutes legten,
weil sie das Fibrin für einen zur Ernährung wichtigen Factor hielten.
Demgegenüber zeigt eine einfache Berechnung, dass das Fibrin seiner
Menge nach kaum in Betracht kommen kann. In 500 gr. normalen
Blutes befindet sich ungefähr 1 gr. Fibrin, dessen Stickstoffmenge 0,3 gr.
Harnstoff entspricht.
Da nun die täglich secernirte Harnstoffmenge 30 gr. beträgt, so
würde der Fibringehalt einer transfundirten Blutmenge von 500 gr. das
Material zur Harnstoffbildung nur für 20 Minuten liefern können.
Wir kommen nun zu den Reactionserscheinungen, welche zumeist
der Plethora, die, wie oben gezeigt, gar nicht vorhanden ist, zugeschoben
worden sind. Dieselben sind schon seit den ältesten Transfusionsversucben
mit grosser Uebereinstimmung geschildert worden. Man hatte sich daran
gewöhnt, wie an etwas Selbstverständliches, Altbekanntes, ohne ihnen
grosse Beachtung zu schenken oder ihnen besondere Bedeutung beizulegen.
Alle Operationsmethoden und sogenannten Verbesserungen hatten keine
wesentliche Veränderung des gesammten Symptomencomplexes bedingt.
Ja, wir sind heut sogar berechtigt zu sagen, dass in den Fällen von
Bluttransfusion, wo die bekannten Erscheinungen in erkennbarem Grade
nicht aufgetreten sind, entweder gar kein Blut übergeflossen ist, mithin
der Apparat nicht functionirt hat, (wie es oft bei directer Lammblut¬
transfusion wegen Verstopfung zu feiner Canülen wider Wissen and
Willen des Operateurs geschehen sein mag), oder absichtlich nur minimale
Mengen angewandt sein können. Stets wird sonst eintretende Uuruhe,
Wärmeempfindung in der Nähe der Transfusionsstelle, Schmerzen im
Rücken, Brustbeklemmung, Athemnoth, Flimmern und Dunkelwerden
vor den Augen, Uebelkeit, Brechreiz und Erbrechen, Tenesmen und
blutig gefärbter Urin*) in mehr oder weniger grossem Umfange erwähnt,
stets traten nach der Operation mehr oder weniger heftiger Schüttelfrost und
Temperaturerhöhung mit nachfolgendem Schweiss auf; in den schwersten
*) Schon Denis 1667, dann Hasse, Sander, Thurn, K linge lhöfe r,
Brüggemann und Andere erwähnen eine Hämaturie (?) [musste heissen Hämo¬
globinurie], ohne ihr besondere Wichtigkeit beizulegen. Brügge mann sagt,
Hämaturie tritt gewöhnlich auf; aber je kleiner das blutspendende Thier, desto ge-
geringer ist sie! (Kurz und bündig!)
551
Fällen trat entweder schon während der Operation tödtlicher Collaps
ein, oder der Tod erfolgte nach 2—40 Stunden als langsames Hinsterben,
selten unter heftigen Krämpfen.
Die Erscheinungen von Seiten des Digestionsapparats sind nach
Ponfick*) zum Theil durch zu stürmische oder zu ungleichmässige
Einführungen des Blutes bedingt, da schon ganz geringe Schwankungen
des Blutdrucks peristaltische Bewegung des Magens und Darms erzeugen
können. Es entstehe dabei zunächst Kollern im Leibe, dann Ausstossung
der Fäces, die im Rectum liegen. Bei länger wirkender Ursache werden
dann dünnere, schleimige und wässrige, zuweilen mit Blutstreifen ge¬
mischte Stühle entleert. Selten finden sich auch röthlich gefärbte hämo¬
globinhaltige Transsudate im Darm. Auch Pan um**) erklärt einen
Theil der Symptome durch die Schnelligkeit der Einspritzung und giebt
an, dass man so langsam verfahren müsse, dass in der Minute höchstens
100 gr., bei Dyspnoe und temporärem Widerstand in dem Gefässsystem
noch weniger überfliesse.
Am bedeutungsvollsten sind die Erscheinungen von Seiten der
harnbereitenden Organe und der Schüttelfrost, welche bei defibrinirtem
gleichartigen und in noch stärkerem Grade bei andersartigem Blut
(beim Menschen kommt nur Lammblut resp. Hammelblut in Frage)
auftreten.
Um die Wirkung der verschiedenen transfundirten Flüssigkeiten
zu prüfen, hat Ponfick in der oben erwähnten Arbeit eine Reihe von
Untersuchungen angestellt, wo er zur Transfusion ausser Blut auch
künstliches und natürliches Serum an wendete. Reines Wasser wendete
er nicht an, da seine auflösende Wirkung auf die rothen Blutkörperchen
den Versuch von vornherein ausschloss.
Die Einführung künstlichen Serums, bestehend aus 1 Theil Hühner-
eiweiss und 1 Theil einprocentiger Kochsalzlösung, hatte bei Hunden, selbst
in grossen Quantitäten, fast keinen irgend wie bedenklichen Einfluss auf
den Organismus. Auffällig war nur, dass das Hühnereiweiss schon nach
2 Stunden im Urin nachweisbar war, dass im gleichen Maasse der
Harnstoff geringer wurde und dass das specifische Gewicht des Harns
*) Ponfick, Experimentelle Beiträge zur Lehre von der Transfusion. Virchow’s
Archiv. Band 62 Heft 3 Seite 298 vom Jahre 1875.
**) Pan um, Zur Orientirung etc. Seite 29.
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in hohem Grade abnahm.*) Beim bezüglichen Versuchsthier betrug das
specifische Gewicht des
Morgenharns 1,045—1,0601
des Tagesharns 1,030-1,040 J ReactioD 8auer >
des Harns nach der Transfusion 1,010—1,025 Reaction alkalisch«
Mit vorschreitender Ausscheidung des Hühnereiweisses und endlich
mit dem Verschwinden desselben stellte sich allmalig neutrale, dann
saure Reaction des Harnes ein, nahm das specifische Gewicht und die
Harnstoffmenge wieder zu, so dass nach 2 Tagen der alte Zustand
wieder hergestellt war.
Die Einführung natürlichen Serums, das aus Lammblut sehr sorg¬
fältig bereitet war, um nach Möglichkeit die Anwesenheit von rothen
Blutkörperchen auszuschliessen, hatte ebenfalls gar keinen verderblichen
Einfluss. Eiweiss trat im Urin nicht auf, die Reaction blieb sauer, das
specifische Gewicht bewegte sich innerhalb der normalen Grenzen.
Die Transfusion von Hundeblut (direct und indirect) hatte bei einer
Gesammtmenge von 64*/ 0 o des Körpergewichts ausser massigen Oppressions-
erscheinungen nichts Abnormes gezeigt und die Hunde hatten es gut
ertragen.
Ganz anders war der Einfluss fremdartigen Blutes (hier Hammelblut
beim Hunde). Bei einer Gesammtmenge von 30%o des Körpergewichts
des blutempfangenden Hundes erfolgte starker Collaps noch wahrend der
Einspritzung. Es bestand absolute Anurie, der Tod trat nach 2 Stunden
ein. Aus dem Sectionsberichte dieses Falles**) ergiebt sich Folgendes:
Herzbeutel und Pleurahöhle frei. Herz durch locker geronnenes Blut
stark ausgedehnt; in den Lungen zahlreiche geringe Hämorrhagien,
Kehlkopf und Trachea frei. In der Bauchhöhle wenig schmutzig rothe
Flüssigkeit. Milz gross, dunkelblaurothe Pulpa. Beide Nieren gross und
sehr blutreich; auf der Oberfläche und auf dem Durchschnitt zahlreiche
rothbraune Flecken und Streifen. Harnblase ganz leer, Leber dunkel-
roth. Der Magen enthalt zähen, blutig gefärbten Schleim. Darm dunkel-
roth, nach dem Colon zu in grösserer Intensität. Hier isolirte Hamor¬
rhagien in der Schleimhaut; im Rectum ziemlich viel blutig gefärbte Faces.
Im Vergleich mit dem vorigen Versuch (Hundeblut für den Hund)
ist hier, obgleich verbaltnissmassig nur halb soviel Blut eingeführt wurde,
ein überaus zerstörender Einfluss zu constatiren, der auch bei allen
Conlrolver8ucben mit Lammblut immer wieder beobachtet wurde. Die
*) Ponfick, Virchow’s Archiv B. 62 Seite 277.
**) Ponfick, ebendaselbst Seite 258 ff.
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Schwere der Erscheinungen steht mit der transfandirten Blutmenge in
bestimmtem Verhältnis, wie aus folgender Uebersicbt hervorgeht.*)
Hunde wurden durch Lammbluttransfusion getodtet:
bei 14 °/oo des Körpergewichts in 15 Stunden
- 20 %o - - - 9
- 32%o - - - 2
Hunde kamen durch bei Lammbluttransfusion, wenn das über-
geführte Blut 10, 12, 13*/oo des Körpergewichts betrug, wurden jedoch
stets schwer krank.
Fragen wir uns nun, wie kommt der tödtliche Effect zu Stande, so
müssen wir zunächst constatiren, dass Ponfick bei den Sectionen weder
einen Anhalt für eine schwere Erkrankung des Gehirns, der Athmungs-
organe oder des Herzens, noch Gerinnungen von tödtlicher Ausdehnung
in den Gefässen oder blutig gefärbte Ergüsse in den grossen Höhlen
(dies Letztere nur in dem oben erwähnten Fall in geringem Maasse) ge¬
funden hat. Aber es zeigte sich stets eine schwere Erkrankung der
harnsecernirenden Organe und besonders der Nieren, die sich zunächst
durch Schwellung der Nieren und Anhäufung von rötblichbraunen Ein¬
lagerungen documentirte. Die mikroskopische Untersuchung ergab in den
gewundenen und geraden Harncanälchen solide Pfropfe von körniger oder
hyaliner Grundlage, die mit einer hämoglobinartigen Masse getränkt
waren; rothe Blutkörperchen als solche waren niemals nachweisbar.
Durch die spectroskopische Analyse ergab sich, dass sich in den Ge¬
weben und in den Gefassen, in den Nieren und in dem röthlich gefärbten
Harn, sowie in den serösen Ergüssen (wie auch einige Mal in dem Kammer¬
wasser der Augen) Hämoglobin befinde.
Dieses Hämoglobin stammt, wie man jetzt überall weiss, aus zer¬
störten rotheu Blutkörperchen; ob aus den transfundirten, wie Ponfick
meint, ob aus den unbrauchbar gewordenen des Blutempfängers, wie
Hape vermutbet, ob aus beiden, wie es in Wirklichkeit ist, erscheint
zunächst irrelevant für uns. Mit dem Plasma wird es durch das Gefäss-
system geführt; von hier aus kann es nun seinerseits wieder seine zer¬
setzende Wirkung auf die noch bestehenden Blutkörperchen ausüben, die
dadurch auf das Energischste in ihrem Bestände bedroht werden, wenn
es nicht sehr bald ausgeschieden wird. Diese Ausscheidung beginnt
allerdings sehr schnell und muss zum allergrössten Theil durch den Harn
geschehen. Deshalb entsteht auch in den Nieren so schnell der Reizungs-
*) Ponfick, ebendaselbst Seite 303.
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554
und Entzündungszu9tand, der im directen Verhältniss zu der eingeführten
Blutmenge steht.
Ist die auszuscheidende Hämogiobinmenge nicht zu gross, so werden
die Nieren, trotz der sofort entstehenden Entzündung, die Ausscheidung
durch die wegsam gebliebenen Abschnitte des Organs ermöglichen können,
und der Körper wird die Nierenerkrankung, die sich durch den Schüttel¬
frost und das Fieber äussert, überwinden; der im Harn zuerst durch
röthliche Färbung erkennbare Hämoglobingehalt vermindert sich allmälig
so sehr, dass er nur noch durch die spectroskopische Analyse nachweis¬
bar ist und schliesslich völlig verschwindet. Kommt aber das Hämo¬
globin zu concentrirt und zu massenhaft in die Nieren, dann füllen sich,
in Folge plötzlich auftretender Entzündung, sämmtliche Harncanälchen so
vollständig mit Exsudatmassen, dass die Passage für die Secretion und
damit die Ausscheidung unmöglich wird. Die Blase bleibt vollständig
leer und der Tod tritt unter urämischen Erscheinungen ein.
Das Hämoglobin wird nur bei ganz minimalen Mengen derartig im
Körper zersetzt, dass sein Vorhandensein durch den Spectralapparat nicht
zu constatiren ist; sein Auftreten im Harn ist daher ein sehr feines
Kriterium für die Zersetzung rother Blutkörperchen geworden, wo andere
Symptome noch gänzlich fehlen. Beim Hunde z. B. wird Hämoglobinurie
noch vermisst bei 1,- %o Lammbluttransfusion, während sie bei 1,3 %9
schon deutlich nachweisbar ist.
Wenden wir uns nun zu der Frage, wie entsteht die Zerstörung der
rothen Blutkörperchen im Gefässsystem, durch welche das Hämoglobin
frei wird?
Prevost und Dumas haben constatirt, dass es zum Theil daran
liege, weil das Blutserum einer Species ein Gift für die Blutkörperchen
einer anderen Art ist, und neuerdings ist durch Landois die Thatsacbe
dahin präcisirt worden, dass die Blutkörperchen etlicher Arten durch
das Serum resp. durch Lymphe und Transsudate anderer direct aufgelöst
werden, und zwar haben die verschiedenen Species Blutkörperchen von
verschiedener Resistenz.*) Pan um**) führt über die Ansichten ver¬
schiedener Forscher ungefährnoch das Folgende an: Bischoffund nach ihm
Brown-Sequard glaubten den Grund in dem Kohlensäurereicbthum des
Thierblutes gefunden zu haben, doch ist dieser Grund sicher nicht er¬
schöpfend. C. Schmidt macht auf die wesentlichen Abweichungen der
*) Cohnheim, Vorlesungen über allgemeine Pathologie. Berlin 1877. Band 1.
Seite 348.
**) Panum, Virchow’s Archiv Seite 66, 67.
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r .
Aschenaualysen von Blutkörperchen der Menschen and verschiedener Thier-
species aufmerksam. Danach sind in 100 Gewichtstheilen Blutkörperchen-
Asche vorhanden:
Kaliam Natrium Phosphorsäure Chlor
beim Menschen: 41 10 18 21
beim Schaf: 15 38 9 27
Gewiss sind diese Verhältnisse so ungleichartig, dass bei Mischung
beider Blutsorten Zersetzungen wohl erklärlich scheinen könnten, wenn¬
gleich über das eigentliche Wesen der Zersetzung daraus nichts hervorgeht.
Es handelt sich vielmehr bei der Auflösung der Blutkörperchen,
weissen sowohl wie rothen, um eine Fermentbildung im Blut, die weiter
unten besprochen werden wird.
Ponfick hat den Untergang von Blutkörperchen im Blute der
frischen Leiche eines Menschen, dem Lammblut transfundirt war,*) unter
dem Mikroskop beobachten können, und es ist ihm gelungen, aus den
Grössenverhältnissen**) der vorhandenen schon in Zerstörung begriffenen
und noch intacten Blutkörperchen nachzuweisen, dass menschliche, die
fast einhalb Mal grösser sind, als die des Hammels, noch in grosser An¬
zahl vorhanden waren, während neben den geschrumpften und zum Theil
schon zerstörten rothe Blutkörperchen des Hammelblutes von normaler
Form gar nicht mehr aufgefunden werden konnten.
Aber nicht nur fremdartiges Blut, in specie Hammelblut für den
Menschen, übt einen verderblichen Einfluss auf den Organismus ans, son¬
dern überhaupt jedes Blut, selbst das eigene, wenn es vor der Transfusion
schon eine Gerinnung durchgemacht hat.
Armin Köhler***) zeigt dies in seinem vielbesprochenen, folgenden
Versuch am Kaninchen.f) Es werden nämlich einem Kaninchen 10 bis
12 ccm Blut entzogen. Man lässt dasselbe zu einem Kuchen gerinuen
und sobald sich auf der Oberfläche desselben einige Tropfen Serum zeigen,
presst man ihn. nachdem er zerschnitten, durch Leinwand. Das erhaltene
Blut wird filtrirt und davon 5—6 ccm demselben Kaninchen in die Ader
gespritzt. „Schon ehe die langsame Transfusion vollendet ist, entsteht
*) Ponfick, Berliner klinische Wochenschrift No. 28. 1874. Wandlungen
des Lammblntes innerhalb des menschlichen Organismus.
*•) Das Verhältniss der menschlichen Blutkörperchen zu denen des Hammels
ist wie 1:0,6.
•••) Armin Köhler, Ueber Thrombose und Transfusion, Eiter- und septische
Infection und deren Beziehung zum Fibrinferment. Dorpat 1877.
f) Cohnheim (siehe oben), Seite 345.
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plötzlich der charakteristische Opisthotonus, die Pupillen werden weit,
das Thier macht angstvoll nach Luft schnappende Bewegungen mit Mund
und Nase, wahrend das Herz mächtig und die Brustwand kraftvoll er¬
schütternd fortarbeitet, kurz es entsteht das wohlbekannte und unver¬
kennbare Bild der tödtlichen Lungen-Embolie. Bei schneller Eröffnung
des Herzens findet man nun das noch schlagende rechte Herz voll von
zähen verfilzten Gerinnseln und die gesammte Verästelung der Pulmonal-
arterien in beiden Lungen prall und strotzend gefüllt von dem schönsten
rothen Thrombus, den man bis in die kleinsten mit der Scheere noch
zugänglichen Verzweigungen prapariren kann. Das linke Herz enthalt
zuweilen auch noch kleine Gerinnsel, das Blut aber, welches man aus
den übrigen Gefassen auffangt, ist nun auffallend schwer und langsam
gerinnbar geworden.“
Ueber die Entstehung dieser Gerinnung geben uns Schmidt, Köhler
und Edelberg interessante Aufklärung. Im defibrinirten Blut befindet
sich nämlich stets freie fibrinoplastische Substanz und Fibrinferment;
wenn diese Substanzen in das kreisende Blut gelangen, so rufen sie mehr
oder weniger ausgedehnte Gerinnungen hervor. Köhl er nennt diesen Vorgang
im Blut „Fermentiutoxication“ und unterscheidet verschiedene Grade der¬
selben, je nachdem, ob bei massenhafter und plötzlicher Auflösung der
Blutkörperchen, Gerinnung im Kreislauf und Tod auftritt, oder ob bei
geringerer Zerstörung der Blutkörperchen nur eine Blutzersetzung auftritt,
die den Organismus mehr oder weniger schädigt, die aber noch von demselben
überwunden werden kann. Die verschiedene Giftigkeit verschiedenen
Thierblutes erklärt sich so durch verschiedenen Fermentgehalt desselben.
Auch nach der Art des Defibrinirens ist der Fermentgehalt ein ver¬
schiedener; am grössten ist er in der bei dem Thierversuch eben be¬
schriebenen Art des Auspressens durch Leinwand, viel geringer beim
Defibriniren durch Schlagen oder Quirlen des Blutes. Und so wird es
auch erklärlich, warum wir gewöhnlich bei Transfusionen, bei welchen
das Blut meistens mit einem Glasstab gerührt wird, nicht so plötzliche
und schroff auftretende Erscheinungen beobachtet haben, wie bei dem
Versuch mit dem Kaninchen.
Weitere Forschungen haben ergeben, dass jeder Aderlass den Ferment¬
gehalt im Blut steigert. Nach Bojanus*) geht die Steigerung des
vitalen Fermentgehalts im circulirenden Blute bei einem Schaf von 1,4 auf
2,7 und bei einem Hunde von 7,1 sogar auf 28,5. Ebenso wird nach
•) v. Bergmann’s Hede (siehe oben) Anmerkung 19 und 21 Seite 29.
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demselben Forscher der Fermentgehalt durch jedes Fieber, besonders aber
bei septischer Infection, sehr bedeutend vermehrt, so dass bei der seiner
Zeit von Hüter*) vorgeschlagenen antipyretischen Transfusion noch ein
Grund mehr gegen die Indication einer Transfusion auftritt, als in manchen
anderen Fallen.
Wir sind so im Laufe der Betrachtungen zu der Erkenntniss ge¬
kommen, dass von den beiden grossen Aufgaben, welche der Bluttrans¬
fusion gestellt worden sind, die erste: der Ersatz rother Blutkörper¬
chen bei der acuten tödtlichen Anämie nach plötzlichen Blutverlusten
nicht erforderlich, die andere: die Verbesserung des alten Blutes
durch Hinzufugen neuen Blutes aber unmöglich ist, dass vielmehr jedes
in das Gefasssystem direct eingefuhrte Blut, besonders in Verbindung mit
einem Aderlass, den Bestand des vorhandenen Blutes ernstlich gefährdet.
Rechnen wir noch die mancherlei Gefahren hinzu, welche durch die rein
operative Seite des Verfahrens auftreten können, so werden wir zuge¬
stehen müssen, dass die ganze Lehre von der Bluttransfusion keine Be¬
rechtigung mehr hat, unter die Hülfsmittel der ärztlichen Kunst gezahlt
zu werden.
Mit dieser Erkenntniss ist natürlich die Frage, ob die Transfusion
als ein lebensrettendes Mittel gelten darf, selbst trotz der
beglaubigten Thatsache, dass die Bluttransfusion in einzelnen
Fällen lebensrettend gewirkt hat, mit „Nein* 4 zu beantworten.
Wir wären somit am Schluss unserer Aufgabe angelangt, wenn
sich nicht, gestützt auf Thatsachen, noch eine Frage fast von selbst
aufdrängte.
Es ist dies die Frage der Kochsalztransfusion bei acuter Anämie,
die wir deshalb im Anschluss an das Obige noch kurz betrachten wollen.
Wie wir oben schon gesehen, hatte Cohnheim und nach ihm
Krön eck er und Sander experimentell an Hunden, die schon verblutet
waren, nachgewiesen, dass dieselben durch Transfusion einer Kochsalz¬
lösung wieder zum Leben gebracht werden konnten. Ja, es hatte sich
sogar heraosgestellt,**) dass die entstehende beträchtliche Hydrämie sich
schneller zurückbildete, als bei der Bluttransfusion. Diese Versuche sind
durch zahlreiche Experimente an Thieren von Schwarz (siehe uuten)
bestätigt worden, der auf Grund derselben zuerst empfohlen hat, diese
Kochsalztransfusion statt der üblichen Bluttransfusion beim Menschen
anzuwenden.
*) Hüter, Allgemeine Chirurgie. 1873. § 271.
•*) Schwarz, Habilitationsschrift. Halle a. S. 1881 und oben Seite 29.
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Wenn man sich vergegenwärtigt, dass alle die Gefahren and Un¬
bequemlichkeiten der Bluttransfusion hierbei vermieden werden, aud die
lebenerrettende Wiederherstellung des Blutdruckes im Gefässsystem, bis
das Herz wieder mit Erfolg arbeiten kann, fast gefahrlos erreicht wird,
so kann man die Wichtigkeit dieses Vorschlages nicht unterschätzen.
Ausserdem ist die Indication der acuten Anämie bei operativer
Sicherstellung der Blutstillung zur Zeit der Transfusion eine so präcise
und beschränkte, dass eine Erweiterung bis ins Unendliche, wie wir sie
bei der Bluttransfusion eben gesehen haben, gar nicht zu befurchten ist
Was das Verfahren selbst anbetrifft, so gestaltet sich die Einführung
einer auf Blut wärme gebrachten 0,6proeentigen Kochsalzlösung*) sehr
einfach. Die Salzlösung fliesst durch eigene Schwere aus einem ge¬
wöhnlichen, gut gereinigten Irrigator, der mit einem Probetroicart oder
einer Canüle armirt ist, langsam in die Armvene über. Die Menge kann
nach den oben gezeigten Erfahrungen vom Blutdruck, und da sie in
jeder Quantität leicht zu haben ist, viel bedeutender sein, als wir sie bei
Blut angewendet sahen, und beträgt nach den bisherigen Erfahrungen am
besten 1000,0 gr. durchschnittlich.
Der Erfolg der bis jetzt in der Litteratur beschriebenen Fälle, die ja,
der Natur der Indication nach, verhältnissmässig selten sein werden, ist
ein äusserst günstige rzu nennen. Nach Prof. Mikulicz **) sind bis Anfang
1885 wegen acuter Anämie 17 Kochsalzinfusionen gemacht worden. In elf
Fällen trat dauernde Heilung ein. In drei Fällen traten die drohenden
Erscheinungen der Anämie völlig zurück, doch starben die Kranken
später an anderen Störungen und zwar:
a. nach Nierenexstirpation an Amyloiddegeneration der anderen Niere
(zweiter Tag),
b. an Sepsis (am sechsten Tage),
c. an Perforationsperitonitis (nach 3 Wochen).
Bei 3 Fällen war der Erfolg, obgleich er deutlich constatirt wurde,
kein dauernder (Tod nach 5 / 4 > 3 ! /a und 12 Stunden).
a. 1 Fall von Nierenexstirpation,
b. 1 Fall von unvollständiger Exstirpation eines Ovarialtumors,
c. 1 Fall von wiederholter Magenblutung aus Magengeschwür.
•) Recipe: Natron chlorat. 6,0,
natr. carbonic. 1,0,
aq. destill. 1000,0.
**) Mikulicz, Krakau 1884, Ueber die Bedeutung der Bluttransfusion und
Kochsalzinfusion.
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Dieser letzte Fall entspricht der oben aufgestellten Indication nicht
ganz, nnd wird deshalb der Nichterfolg desselben nicht als Grund gegen
die Anwendung der Kochsalztransfusion verwerthet werden dürfen.
Schädlichkeiten für die Patienten sind bei diesem Verfahren bis jetzt
weder beobachtet noch von competenter Seite*) behauptet worden, so
dass wir hoffen dürfen, in der Kochsalzinfusion ein Mittel zu besitzen,
welches wenigstens einen Theil der erwünschten Wirkung der Bluttrans¬
fusion erfüllen kann.
AufGrund des oben Dargelegten sind folgende Satze auf¬
zustellen:
1) Der Verblutungstod erfolgt nicht durch zu grossen Verlust rother
Blutkörperchen, sondern durch Storungen der Blutvertheilung im Gefass-
sy8tem.
2) Der Tod bei plötzlichem Blutverlust tritt schon zu einer Zeit ein,
wo noch genügend Blut vorhanden ist, um das Leben zu erhalten.
3) Die directe Transfusion von einem Menschen zum andern ist
wegen Mangels geeigneter und williger Blutspender schwer durchführbar.
4) Lammblut (Hammelblut) und anderes fremdartiges Blut ist nicht
geeignet zur Transfusion beim Menschen.
*) In allerneuster Zeit hat Länderer, wie er auf dem letzten Chirurgen-
congress in Berlin am 7. 4. 86 mittheilte, diese Salzlösung doch als unzureichend
erklärt, weil sie aus Mangel an Nährmaterial nicht im Stande sei, das verlorene
Eiweiss zu ersetzen, um die Kranken am Leben zu erhalten (vergl. Berliner klin.
Wochenschrift No. 16). Er schlug deshalb vor, auf 4 Theile der alkalischen Lösung
1 Theil defibrinirten Blutes hinzuzufügen.
lieber den Werth des transfundirten Blutes als Nährmittel u. s. w., sowie über
das Eintreten des Verblutungstodes, lange bevor der Verlust an Blut eine lebens¬
gefährliche Höhe erreicht hat, ist oben ausführlich gehandelt. Wir würden uns mit
Annahme dieses neuesten Vorschlages wieder mit einem Mal inmitten der Blut¬
transfusion befinden mit all den unerfüllbaren, hofi’nungsvollen Erwartungen und all
den nachgewiesenen Gefahren, deren Erkenntniss uns von jedem Versuch in
dieser Richtung unbedingt abhalten muss.
Ebenso erscheint es vorerst mit dem weiteren Vorschlag des 3proeentigen
Rohrzuckerzusatzes, schon im Interesse der Einfachheit des Verfahrens der Koch¬
salzinfusion, die stets sofort ausführbar ist. Bei eintretender Lebensgefahr aus acuter
Anämie wird jeder, auch der geringste Zeitverlust verhängnissvoll und sei er auch
nur so gering, wie die Zeit, welche ein Operateur damit verliert, dass er zu der
sofort zu bereitenden Kochsalzlösung sich den geeigneten Rohrzuck er zusatz verschafft.
Es liegt.bei acuter Anämie, die bis jetzt als einzige Indication für die Koch¬
salzinfusion anerkannt ist, ein Bedfirfniss nicht vor, da der baldige, zur weiteren
Erhaltung des Lebens nothwendige Blutersatz bei den bis jetzt mit reiner Kochsalz¬
lösung behandelten Patienten in vollkommener Weise stattgefunden hat und auch
experimentell nachgewiesen ist.
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560
5) Blut, das einen beliebigen Grad der Gerinnung durcbgemacbt hat,
eignet sich nicht zum ßlutersatz durch die Transfusion.
6) Eine directe ernährende Wirkung des transfundirten Blutes auf
das Gewebe des Blutempfängers besteht nicht.
7) Die Gefahr einer Plethora ist durch directe Blutzufuhr in das
Gefässsystem nicht bedingt.
8) Der deplethorische Aderlass bei der Transfusion ist unnutz und
wirkt schädlich.
9) Das transfundirte Blut fällt mehr oder weniger schnellem Zerfall an¬
heim; die Reactionserscheinungen hören erst mit der vollendeten Beseiti¬
gung desselben auf.
10) Hämoglobin ist ein feines Erkennungszeichen für die Auflösung
rother Blutkörperchen im Organismus.
11) Blut und Serum verschiedener Thierspecies besitzen einen ver¬
schieden grossen Zerstörungseinfluss auf die Blutkörperchen anderer Species.
12) Der Fibrinfermentgehalt ein und desselben Blutes ist verschieden
gross, je nach der Art des Defibrinationsverfahrens; er fehlt bei keinem.
13) Die Bluttransfusion ist zu verwerfen.
14) Die Kochsalzinfusion ist ein unschädliches Mittel zur Wieder¬
herstellung des nöthigen Gefässdruckes nach plötzlicher profuser Blut¬
entziehung.
15) Die Infusion von Kochsalzlösung ist leichter ausführbar als die
des Blutes.
16) Die Statistik bestätigt die Ansicht von der Kochsalzinfusion und
ihrer Indication für acute Anämie.
Referate und Kritiken.
Bericht über die Verhandlungen der deutschen Gesellschaft
für Chirurgie. XV. Congress, abgehalten zu Berlin vom
7. bis 10. April 1886. Beilage zum Central-Blatt pro 1886. No. 24.
Entgegen dem früheren Brauch hat die Redaction diesmal den Ver¬
such gemacht, die Materialien der Verhandlungen nicht nach der Reihen¬
folge in den einzelnen Sitzungen, sondern nach dem Inhalt zu ordnen.
Man kann zu diesem Versuch nur gratuliren und wird nicht irren, wenn
man annimmt, dass derselbe für die Zukunft als Norm beibehalten wird.
Der Tendenz unserer Zeitschrift entsprechend, erscheint es angezeigt, aus
dem reichhaltigen Inhalt nur das hervorzuheben, was für die Kriegs-
Chirurgie und die Militär-Medicin von besonderer Bedeutung ist.
1. Schede: Heilung unter dem Blutschorf.
Fussend auf den Erfahrungen, dass in aseptischen Wunden liegendes
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Blut nicht zerfällt, fault, oder verjaucht, sondern selbst umfangreichere
Blutgerinnsel die Veränderungen eingehen, welche man als Organisation
bezeichnet, versuchte Schede, im Gegensatz zu v. Bergmann, diese
Organisationsfähigkeit zu benutzen, um unter Beseitigung von Drainage
und Compression (Neüber) die Wunden mit einem plastischen Material
zu fallen. Die directe Veranlassung zu diesen Untersuchungen ergab
sich aus Erfahrungen, welche beim Klumpfuss mit der offenen Durch¬
schneidung der verkürzten Weichtheile (Phelps) gemacht waren. Das
Verfahren bei S. war im Allgemeinen Folgendes: Möglichst unter Blut¬
leere und bei vollkommener Antiseptik — Sublimat 1,0:1000,0 — wurde
operirt. Die Haut über der Operationswunde wurde durch Nähte geschlossen
bis auf eine oder mehrere zur Ableitung bestimmte Spalten, welche
nicht nach unten sondern nach oben resp. nach der höchsten Stelle ange¬
legt waren; über die Wunde wurde ein grosses Stück Silk gelegt, so
gross, dass es die Wandränder nach allen Seiten um einige Centimeter
überragte, auf diese Grösse legt S. einen besonderen Werth, weil der
Seidentaffet den Zweck hat, die Anfüllung der Wunde mit Blut zu sichern
und dessen Austrocknung zu verhindern. Die Füllung mit Blut wird aus¬
schliesslich der parenchymatösen Blutung uberlassen. Nachdem folgt ein
dicker antiaeptischer Verband mit mehrfachen Schichten von Sublimat¬
gaze und Watte, Sublimatmooskissen, unter Vermeidung undurchlässiger
Schichten, bei möglichster Ruhigstellung des Gliedes.
S. behandelte nach dieser Methode im Ganzen 241 Fälle, z B. 40 Gelenk-
resectionen mit 37 Heilungen; 13 Fälle von Ausmeisseiungen tuberculöser
Knochenherde unterhalb der Gelenke mit 12 Heilungen; 30 Fälle von
Totalexstirpation kleiner käsiger Kuochen mit 23 Heilungen, 24 Fälle von
Geschwülsten, Schleimbeuteln, Bubonen mit 22 Heilungen u. s. w.
Der Verlauf war* fast ausnahmslos ein ganz reactionsloser.
Es ist wohl nicht darüber zu streiten, dass dieses Verfahren, wenn
auch für die klinische Behandlung vielleicht hier und da zu versuchen,
in die Kriegs-Chirurgie keinen Eingang finden wird. In diesem Sinne
äusserten sich auch v. Bergmann und v. Volk mann: ersterer betonte
auch hier wie sonst und zweifellos in unbedingter Uebereinstimmung mit
den Vertretern der Kriegs-Chirurgie die Wichtigkeit einer sorgfältigen
Blutstillung als eines integrirenden Bestandteils des antiseptischen Ver¬
fahrens.
2. Länderer: Ueber Transfusion und Infusion.
L. machte seit 1880 experimentelle und klinische Untersuchungen
qu. Art. Er verwendete 1) alkalische Kochsalzlösungen, 2) eine Mischung
von einem Theil defibrinirten Blutes auf 3 bis 4 Theile alkalischer Koch¬
salzlösungen, 3) eine Mischung von alkalischer Kochsalzlösung mit Zusatz
von 3 °/<> Rohrzucker. L. machte die Beobachtung, dass bei relativer
Unsicherheit des Erfolgs bei Anwendung der ersten beiden Lösungen ein
günstiger Verlauf beim Gebrauch der dritten zu constatiren war. So
z. B. erholten sich Thiere, denen nur noch 1 bis 1 ’/a °/o Körpergewicht
Blut geblieben war, rasch und ersetzten, wie die Blutkörperchen-Zählungen
ergaben, den Verlust in etwa 14 Tagen. Auch eine Verblutung am
Menschen wurde durch eine Infusion von 300 ccm der Mischung No. 3
geheilt. Versuche mit Vergiftungen, namentlich Kohlenoxydgas, sind noch
nicht zum Abschluss gelangt*)
*) cf. S. 659 Anm.
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562 .—
3. Czerny: Demonstration eines geheilten Rockgrat-
sc hasses.
C. demonstrirte das Präparat der Wirbelsäule einer jungen Frau,
welche von ihrem eifersüchtigen Gatten links von dem Dornfortsatz des
letzten Brustwirbels eine Revolverkugel erhalten hatte. Die Wunde selbst
heilte ungestört, die absolute motorische und sensible Lähmung der untern
Körperhalfte führte aber in ihren Folgezuständen binnen 7 Monaten zum
Tode. Die Kugel fand sich zwischen dem letzten Rückenwirbel und
erstem Lendenwirbel rechts von der Mittellinie eingeheilt. Das Rücken¬
mark war vollständig durchtrennt, unterhalb verdickt, oberhalb bis zum vor¬
letzten Rückenwirbel eitrig erweicht. Die Dura hatte vorn und hinten
eine mit dem Knochen verwachsene Narbe. —
Ob man diesen Fall wirklich als „geheilten* Rückgratschuss aufzn-
fassen hat, ist doch wohl fraglich; denn die Ansicht, dass das eitrig er¬
weichte Rückenmark Product einer Myelitis acuta sei und keine Abace¬
dirung, dürfte denn doch bestreitbar sein. Auch die acute Myelitis würde
doch wohl ohne jeden Zwang als Folgezustand der Schussverletzung auf¬
zufassen sein. — Dass für die Behandlung von Rückgratschüssen von der
Sonde möglichst kein Gebrauch zu machen sei, betonte auch C. in Ueber-
einstimmung mit anderen Autoren, und wenn auf der einen Seite der Pall
Garfield als „exemplum docet“ beigezogen wurde, so wurde auf der an¬
dern Seite leider des vom Stabsarzt Alber8 behandelten und beschriebe¬
nen Falles von K.*) nicht gedacht. Herr von K., mit dem Referenten
befreundet, präsentirt ein glänzendes Testimonium vivum von geheiltem
Rückgratschuss. Die Verletzung war der Garfield’schen ungemein ähnlich
und hat einen so günstigen Ausgang genommen, dass Herr von K. nicht
nur stehen und gehen, sondern auch reiten und zwar zureiten kann. —
Ref. möchte nicht unterlassen zu bemerken, wie Herr von K. in der
ersten Zeit höchst ungehalten darüber war, dass „gar nicht sondirt wurde*.
4. Bircher: Eine neue Methode unmittelbarer Retention
bei Knochenbrüchen der Extremitäten.
B. hat, um bei Knochenbrüchen, welche jeder mittelbaren Retention
trotzen, eine solche zu erzielen, folgendes Verfahren angewendet. Eis
wurde bei den Diaphysen ein Elfenbeinzapfen in die Markhöhle gelegt
und so die Retention bewerkstelligt Bei den Epiphysen wurde eine
H-förmige Klammer, welche an die Corticalis angelegt wird, in Anwen¬
dung gebracht. Auf diese Weise gelangten Fracturen, die jedem Ver¬
band, sowie der permanenten Extension auf dem Schlittenapparat trotzten,
mit minimaler Verkürzung (1 cm) oder ohne solche in relativ kurzer
Zeit zur Heilung. B. bezeichnet diese unmittelbare Retentionsmethode
als die einfachste und zweckmässigste, weil sie die sofortige Einrichtung
der Fractur zugleich mit antiseptischer Occlusion gestattet. — Indication:
1) Complicirte Fracturen mit rebellischer Dislocation. 2) Einfache Fra¬
cturen (Pseudarthrosen) mit Erfolglosigkeit der mittelbaren Retentions¬
methoden. — Auch v. Volkmann, Heine, Kraske erzielten mit dem
B.’schen Verfahren gute Erfolge.
5. Hausmann: Eine neue Methode zur Fixirung der Frag¬
mente bei complicirten Fracturen.
Das Verfahren von H. besteht darin, dass man die reponirten frei-
Deutsche militärärztl. Zeitsclir. 1884. S. 10.
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gelegten Fragmente mit einem schmalen Streifen von ungehärtetem ver¬
nickelten Stahlblech überbrückt und diesen, der mit Lochern versehen
ist, vermittelst besonders construirter vernickelter Stahlschrauben fixirt.
Die Stiele der Schrauben sowohl, als das an einer Seite rechtwinklig um¬
gebogene Blech sehen aus der Wunde heraus als Handhaben für spätere
Entfernung. Bei event. Lockerung können die Schrauben durch solche mit
stärkerem Gewinde ersetzt werden. Im Allgemeinen können die Schrauben
nach 4—8 Wochen entfernt werden, die Herausnahme ist sehr leicht.
Im Ganzen wurden 20 Fälle verschiedener Art nach dieser Methode auf
Schede’s Abtheilung in Hamburg behandelt. Vor Nekrosenbildung
schützt das Verfahren weder, noch begünstigt es dieselbe.
7. Meusel: Vorstellung einer Schussverletzung des Ellen-
bogengelenkes.
Ein 18 jähriger Mann erhielt am 20. October 1885 aus nächster Nähe
einen Schrotschuss in das linke Ellenbogengelenk, durch den ein ovales
Stück Haut von Handtellergrösse weggerissen, der musculus anconaeus
zerfetzt und der humerus zerschmettert wurde. Die entfernten Knochen¬
stücke bildeten, zusammengelegt, ein 7 cm langes Knochenstuck. Die
Gelenkkapsel war eröffnet. Es wurden nach Entfernung der Splitter etc.
die beiden spitzen Fracturenden glatt abgesagt, adaptirt, der Arm recht-
winkelig geschient. Sublimatverband. Erster Verbandwechsel nach
14 Tagen, später alle 8 Tage. Von der 7. Woche an nach eingetretener
CoDSolidirung wurde activ und passiv bewegt, nach 9 Wochen die durch
Granulationen verstrichene Wunde mit transplantirten Hautstückchen be¬
deckt, um einer Beschränkung der Bewegungen durch die ausgedehnte Narbe
vorzubeugen. Das Heilresultat ist glänzend: Kräftiger Arm, gute Mus-
colatur, Bewegungen im Ellenbogen sicher, Beugung, Pronation, Supina¬
tion normal, Verkürzung des Oberarms um 3 cm. — Der Mann hat in
seiner Arbeitsfähigkeit kaum etwas eingebüsst. — Breitung.
Schuchardt, Stabsarzt. „Die heutigen Indicationen zu Gelenk-
resectionen nach Schussverletzungen“. (Separatabdruck aus
der deutschen Zeitschrift für Chirurgie XXIII. Bd.).
Sch. behandelt in einer eingehenden, auf kritischer Sichtung des
umfangreichen litterarischen Materials beruhenden Arbeit die heutigen In¬
dicationen zuGelenkresectionen nach Schussverletzungen sowohl für primäre
als secundäre Operation. (Heilungsdauer und Erfolg beider in Bezug
auf Erhaltung des Lebens und der Gebrauchsfähigkeit.) Nach Bejahung
der Vorfrage, ob die antiseptische Wundbehandlung mit ihren drei Vor¬
bedingungen: Verbandmaterial, Schulung des Personals, Zeit zur regel¬
rechten Ausführung der Operationen, in kommenden Kriegen für die ganze
Armee überhaupt durchführbar sei, führt Sch. sein Thema durch von
dem Gesichtspunkte aus, ob und wie die antiseptische Methode die
Indicationen zur Resection modificirt hat. Er kommt dabei zu bemerkens-
werthen Resultaten, die wir hier auszugsweise wiedergeben wollen. Die
Resultate der in vorantiseptischer Zeit ausgeführten Resectionen nach
Schuss Verletzungen der Gelenke sind nicht befriedigend, und zwar lieferte
in Bezug auf Mortalität die primäre Resection nicht bessere, in Bezug
auf Gebrauchsfähigkeit wesentlich schlechtere Resultate als die secundäre.
Die antiseptische Wundbehandlung eröffnete ein weites Feld für die
37
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564
conservircnde Behandlung überhaupt, und in gleichem Schritt mit der
Ausbildung der Technik dieser Wundbehandlung gewann die conser-
virende Behandlung der Resection gegenüber an Terrain. Die theore¬
tischen Vortheile der antiseptischen Behandlung sind Vermeidung von
Pyämie und Septicämie, Abkürzung der Heilungsdauer, Möglichkeit
früheren Transportes in Folge frühen Verschlusses der Weichtheilwunden.
Die Indicationen für die Resection sind durch die Antiseptik wesentlich
eingeschränkt. Typische Totalresectionen sind nur dann auszuführen,
wenn beide Gelenkenden in grösserem Bereich verletzt sind. Meist
genügt Arthrotomie, Kugel- und Knochensplitterextraction, Auswaschung
und Drainage des Gelenks. Primär ist dieses döbridement nur indicirt
bei grosser Weichtheilverletzung und Verunreinigung der Wunde, wenn
primäre Amputation nicht bessere Resultate verspricht; secundär ist diese
Operation vorzunehmeo, wenn die conservirend exspectative Behandlung
missglückt ist! In Bezug auf die Heilungsdauer bietet, bei erreichter
Asepsis, die primäre Resection zwar günstigere Chancen als die secundäre,
doch nicht in dem Grade, dass der Versuch einer conservirend exspecta-
tiven Behandlungdeshalbvon vornherein aufzugeben wäre. Diefunctionellen
Resultate hängen in erster Linie von der Grösse der resecirten Knochen*
gtücke, in zweiter von der Nachbehandlung ab. In Bezug auf letztere
plaidirt Sch. eifrig für die Errichtung von Sammelstationen an den qu.
Badeorten, wo ein Orthopäde von Fach, etwa unter Assistenz jüngerer
Militärärzte, die Nachbehandlung der Resecirten nach einheitlichen Ge¬
sichtspunkten leiten würde. Die Resectionen auf dem Schlachtfelde
sind möglichst zu vermeiden wegen der technischen Schwierigkeit,
aseptische subperiostale Resectionen hier auszuführen, und weil der
Transport ungünstiger auf Resecirte als auf nicht operirte Verwundete
einwirkt. Lang ho ff.
Dr. A. Koehler, Stabsarzt. „Zur Casuistik der Gaumenschüsse“.
(Separatabdruck aus der deutschen Zeitschrift für Chirurgie XXL)
K. veröffentlicht zwei, in der Bardel eben’schen Klinik beobachtete,
sehr interessante Fälle, die er eingehend analysirt Voraufgeschickt wird
eine auf dem Studium der neuesten Litteratur und theilweise auf den
Resultaten von Schiessversuchen an Leichen beruhende Besprechung der
diagnostischen und prognostischen Eigenthümlichkeiten dieser Gaumen-
Schüsse (d. h. Schüsse mit Eingangsöffnung am Gaumen). Lebensgefährlich
werden diese Schüsse durch Blutung und Erstickung (durch Blutcoagula,
Zurücksinken der Zunge, Emphyseme). Bei Blutungen, zumal bei Spät¬
blutungen aus dem gefürchteten Winkel der fossa sphenopalatina, ist das
Erkennen und Fassen der Gefässe sehr erschwert; bei letzteren Blutungen
wird meist die Unterbindung der Carotis auszuführen sein. Je nach der
Verschiedenheit der Schussrichtung kann so ziemlich jedes Gefäss, das
vom Hals zum Kopf zieht, verletzt werden. Die Verletzung eines ein¬
zigen wird wohl am seltensten eintreten. Auch ohne Basisfractnr kann
ein Hauptsymptom der letzteren, Anomalien in der Function der Basal¬
nerven, auftreten. Am leichtesten werden durch Gaumenschüsse der
7., 8., 2., 3., 6. und 4. Hirnnerv tangirt, seltener der 9., 10., 11., 12., weil
meist die vordere und mittlere Schädelgrube getroffen wird. Bei Basis-
fractur sind die Gaumenschüsse fast alle tödtlich. Die graduellen Unter-
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schiede in der Wirkung der Gaumenschüsse werden dann erläutert an
3 Präparaten aus der Sammlung des medicinisch-chirurgischen Friedrich
Wilhelms-Institutes und an den Ergebnissen von 3 Schiessversuchen, die
Verfasser mit 7 mm Revolver an Leichen anstellte. Bei allen 3 Schüssen
war die Eingangsöffnung nach hinten und links von der Mitte des harten
Gaumens. Beim ersten Schuss ging die Kugel, in der Mittellinie bleibend,
wie ein Locheisen durch den Keilbeinkörper ins Gehirn (Schädeldach
unverletzt, Stück der injicirten Carotis weit ins Gehirn geschleudert).
Beim 2. Versuch ging die Kugel zu weit link9, durchbohrte die Basis an
der Gelenkfläche des Unterkiefers ohne weitere Splitterung und lag in
der hinteren Schädelgrube, nachdem sie eine Rinne aus der Vorderfläche
des Felsenbeines herausgeschlagen hatte. Bei dem 3. Versuche war es
gelungen, die Basis des proc. pteryg. zu treffen; die Kugel war auch
abgelenkt, aber nicht in’s Felsenbein, sondern nach vorn von der Spitze
desselben, hatte hier ein Loch geschlagen, das Gehirn durchbohrt, und
an der Innenseite des Scheitelbeins einen Bleifleck, keine Verletzung
verursacht. Der linke proc. pteryg. mit dem angrenzenden Kieferrand
war abgerissen; das Loch in der Basis erstreckte sich vom for. oval, bis
zur fiss. orb. sup., Orbitaldach ohne Fractur. Diese Versuche lehren,
dass Schüsse, die vom Gaumen aus, der Mittellinie nahe bleibend, die
Basis erreichen, nicht ein bedeutendes Gefäss zu zerreissen brauchen, dass
aber die carotis interna der directen oder indirecten Geschosswirkung
nicht entgehen wird, wenn Keilbeinkörper oder Felsenbein getroffen sind.
Zur Erklärung seines später zu besprechenden Falles geht dann K. auf
den bei Basisfractur zuweilen auftretenden Symptomencomplex des pul-
sirenden Exophthalmus ein, der entsteht bei Quetschungen oder Einrissen
au der Wand der carotis interna innerhalb des sinus cavernosus oder des
canalis caroticus. Au9 der Litteratur stellt er 11 einschlägige Fälle in
tabellarischer Uebersicht zusammen. Von seinen beiden Fällen von
Gaumenschuss ist d*r erste von hervorragendem Interesse durch die exacte
Stellung der Diagnose. Die gleichzeitig mit pulsirendem Exophthalmus
beobachtete Lähmung des 3., 4., 6., 7. und 8. Gehirnnerven erklärt K. damit,
das9 e9 sich nicht um einen Bruch der Basis handelte, sondern um eine
Erschütterung der Pyramide, vielleicht mit Infraction an der schwächsten
Stelle, durch welche zuerst und am meisten die an der Hinterfläche des
Felsenbeins gelegenen Theile (8., 7., 6 . Hirnnerv) litten. Der pulsirende
Exophthalmus erklärt sich dann aus einer Quetschung der carotis interna,
aas der sich bei allmäligera Durchbruch ein Aneurysma arterio-venosum
bildete. Der Fall, dessen genauere Analysirung im Original zu studiren
ist, gewinnt noch an Interesse dadurch, dass es innerhalb 8 Monaten
gelang, relative Heilung zu erzielen, und die von dem pulsirenden Exoph¬
thalmus verursachten Beschwerden zu heben durch Anlegung eines
besonders construirten Carotiscompressoriums. Bei dem 2. Falle, der
ohne Lähmungen nach einmonatlicbem Verlauf durch Sepsis (Sinusthrom-
bose uud eiterige Pleuritis) zum Tode führte, ging die Schussrichtung
zwischen Schädelbasis und aufsteigendem Unterkieferast zum obersten
Theil der Halswirbelsäule; die Kugel fand sich am foramen jugulare.
ln Bezug auf den Eintritt der Sepsis wird die Frage angeregt, ob nicht
bei mehr verticaler Schussrichtung der Verlauf sich (in Folge besseren
Secretabflusses) gutartiger gestalten würde, als bei horizontal oder schräg
abwärts gerichtetem Canal. Langhoff.
37*
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566
Martius, Friedrich, „Die Methoden zur Erforschung des Faser-
Verlaufes im Centralnervensystem“ (Volkmann’sehe Sammlung
klinischer Vorträge No. 276).
M. hat einen in der militärärztlichen Gesellschaft zu Berlin gehal¬
tenen Vortrag umgestaltet zu einer umfangreichen Darstellung obigen
Themas. Dieselbe basirt auf eingehendstem Studium dieses schwierigen
Capitels und zeichnet sich durch besonders geschickte Darstellung aus.
Wenn auch zu vollständigem Verständnis des Gebotenen genauere Kennt¬
nisse in diesem Fache erforderlich sind, so ist die Arbeit doch in hohem
Grade anregend, weil die darin behandelten Methoden anatomisch physio¬
logischer und experimentell pathologischer Untersuchung wohl das Inter¬
essanteste darsteilen, was auf dem Gebiete medizinischer Forschung
geleistet wird. Wir können hier nur in kurzen Grundzügen den Gedanken¬
gang des Verfassers wiedergeben. Die Geschichte dieser Forschungen
beginnt mit Griesinger, der 1860 in seinen „diagnostischen Bemerkungen
über Hirnkrankheiten“ zuerst die diffusen von den herdartigen Erkran¬
kungen des Gehirns unterschied. Während er nur ein Herdsymptom,
die halbseitige Lähmung, kannte, schrieb Nothnagel 20 Jahre später
schon ein umfassendes Lehrbuch „der topischen Diagnostik der Gehirn¬
krankheiten“. Die durch Reichert angebahnte entwicklungsgeschichtliche
Betrachtungsweise des Gehirns bezeichnet den Höhepunkt der Morphologie
des Gehirns. Ihr folgt dann die neueste Phase der Gehirnforschung, die
physiologische, mit ihrem ersten Vertreter Meynert, der zuerst den ver¬
wickelten Faserverlauf des Gehirns von physiologischen Gesichtspunkten
aus bestimmte. Zur Zeit erstreben wir als ideales Ziel der anatomischen
Zergliederung des Centralnervensystems die Verfolgung jeder einzelnen
peripheren Nervenfaser bis zu ihrer primären centralen Endigung und
von hier aus die Feststellung sämmtlicher vorhandenen Verbindungswege
centraler Zellen untereinander. Bei der unendlichen Complicirtheit des
centralen Faserverlaufs konnte nur die mühsamste Combination der
von den verschiedensten Angriffspunkten aus und durch die verschiedensten
Methoden gewonnenen Aufschlüsse Licht in die verschlungenen Pfade
des Centralnervensysteras bringen. Zur Erforschung des Faserverlaufs
hatte man als rein anatomische Untersuchungsmethoden die der Zer¬
faserung nach Härtung in Alkohol, dann die der fortlaufenden Schnitt¬
reihen nach Stilling, die durch die Gerlach’sche Karminfärbemethode
und die W r ei gert’sche Hämatoxylinfärbung bedeutend leistungsfähiger
gemacht wurde. Alle diese Methoden hatten aber nur eine begrenzte
Leistungsfähigkeit. Einen wesentlichen Schritt vorwärts brachte die
entwickeluugsgesch ichtliche Methode Flecbsig’s, die ausgeht von
der Tbatsache, dass verschiedene Faserzuge zu sehr verschiedenen Zeiten
der embryonalen Entwickelung ihr Nervenmark erhalten. Dieses Flech¬
sig’sehe Princip von der „systematischen Gliederung der centralen Faser¬
massen auf Grund der Markscheidenbildung“ erhielt eine kräftige Stütze
durch die von Turck gemachten pathologischen Beobachtungen über
secundäre Erkrankungen einzelner Rückenmarksstränge und ihrer Fort¬
setzungen zum Gehirn, ausgehend von Gehirn- und Rückenmarksherden.
Definitiv ergaben sie das wichtige Resultat, dass die Gliederung des
Rückenmarkes und der Oblongata, welche auf Grund der secundären
Degeneration gefunden wurde, übereinstimmt mit der entwickelungs¬
geschichtlichen Gliederung auf Grund der successiven Markscheidenbildung.
Bedeutungsvoll waren dann die experimentell pathologischen
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567
Methoden von Schiefferdecker nnd von Gudden. Es fand sich,
dass bei Neugeborenen nach Durchschneidung von Faserzagen nicht nar
diese selbst, sondern auch die Massen grauer Substanz, zu denen sie
gehen und aus denen sie kommen, atrophiren und zu Grunde gehen.
Aas der Degenerationsrichtung schliesst man also auf die Leitungsrichtung
d. h. die functionelle Stellung eines Faserzuges. An diese Entdeckung
knüpften an die Untersuchungen über den tropischen Einfluss der Nerven¬
zellen auf die Nervenfasern, als deren positives Resultat wohl jetzt das
formulirt werden darf, dass die centrale Nervensubstanz, die periphere
Faser und deren periphere Endorgane (Muskeln und Drusen) nicht nur
eine functionelle, sondern auch eine nutritive Einheit darstellen. Das
Endergebniss dieser emsigen Forschungen ist jetzt wenigstens das, „dass
der Anfang zu einem Verständniss der inneren Gliederung des Central¬
nervensystems gemacht ist, und eine grobe Umrissskizze vorliegt, in die
spatere Forschergenerationen ihre Detailzeichnungen eintragen können“.
Langhoff.
Führer durch das medicinische Berlin. Nach authentischen Quellen
bearbeitet. Mit 7 Grundrissen und 1 Plan. Berlin 1886, Fischer’s
medicinische Buchhandlung. NW. Cbaritästrasse No. 6. (X. und 208 S.)
Das Büchelchen verschmilzt in geschickter Weise den Inhalt von
Rigler’s verdienstvollem aber veraltetem „mediciniscben“ und von Bör¬
ner’ s „hygienischem“ Berlin, wahrend es in den praktischen Vorbemer¬
kungen die Fremden nach Bädecker's Manier in die Weltstadt einführt.
Erscheint es hiernach in erster Linie für die auswärtigen Besucher Berlins
bestimmt, so durfte es sich auch den Einheimischen als Nachschlagebuch
nützlich erweisen, zumal überall bei Krankenhäusern, Kliniken, Polikli¬
niken etc. die Personalien berücksichtigt sind urd sogar die Stunden sowie
theilweise selbst die Honorare der an den verschiedenen wissenschaftlichen
Instituten abgehaltenen Vorlesungen und Kurse angegeben werden. Auch
eine Uebersicht der Ferienkurse und ein sehr brauchbares Verzeichnis
der Bezugsquellen ärztlicher Bedarfsartikel fehlt nicht. S.
Kalender pro 1887.
1) Der wohlbekannte kleine Firck’s (Taschenkalender für das
Heer) ist in seinem 10. Jahrgang (Verlag von A. Bath) erschienen.
Eine Empfehlung dieses inhaltreichen und für alle militärischen Verhält¬
nisse fast unentbehrlichen Nachschlage-Büchleins ist überflüssig, es sollte
auf keinem Schreibtische resp. in keiner Rocktasche activer Militärs
fehlen.
2) Von Dr. Paul Boerner’s Reichs - Medicin al - Kalender
pro 1887, herausgegeben nach dem Tode Boerner’s von dem lang¬
jährigen Mitarbeiter desselben, dem Sanitäts-Rath Dr. S. Guttmann,
liegt der 1. Theil, das geschäftliche Taschenbuch mit Beiheft, vor.
Die Anordnung des reichen Inhalts ist im Wesentlichen dieselbe,
wie in früheren Jahren; hinzugekommen sind: Recepte für die Augen¬
therapie, — die französischen und englischen Bezeichnungen der ge¬
bräuchlichsten Arzneimittel, — Bestimmungen der Normal - Aichungs-
Commission betr. Prüfung von Thermometern, — prophyl. und therap.
Notizen zur Pflege der Mundhöhle und der Zähne.
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568
jUittheilongen.
Die Civilpraxis der Militärärzte.
In einem Streit zwischen Progr^s und France militaire, von denen
ersterer die Civilpraxis der Militärärzte verboten zn sehen wünscht, letztere
nicht — ergreift Avenir militaire*) das Wort. Die Ausführungen
des in der französischen Armee sehr verbreiteten Blattes sind nicht un-
interessant. Vom Standpunkt des gemeinen Rechts ist zunächst anzu¬
führen, dass die Militäiärzte genau in derselben Wt ise staatlich approbirt
sind, wie die Civilärzte. Sie haben die gesetzliche Befugoiss, jeden
Kranken zu behandeln.
Schon deshalb wäre es nicht gerecht, dieser Kategorie von fertig
ausgebildeten Aerzten etwas zu untersagen, was man unter dem Schutze
der Gewerbefreiheit allen möglichen nicht — ausgebildeten Empirikern,
hohen wie niedrigen Charlatanen gestattet Und liegt denn etwas Un¬
ehrenhaftes in der Ausübung der Civilpraxis? Die beste Antwort hierauf
ist der Hinweis auf die gesellschaftliche Stellung des ausübenden Arztes,
den Niemand um seines Berufes willen von dem Verkehr in den besten
Kreisen ausschliessen wird, sofern Gesinnung und Takt den Forderungen
der Gesellschaft genügen. — Die Geschichte zeigt denn auch, dass die
Ausübung privatärztlicher Thätigkeit zu keiner Zeit dem Ansehen des
Sanitätscorps geschadet hat. Man hat sie stets in der richtigen Erwägung
zugelassen, dass sie nur dazu beitragen könne, die Lust des Militärarztes
an segensreicher Thätigkeit zu erhöhen, seine Kenntnisse, wie seine
Geschicklichkeit zu vermehren und hiermit das Vertrauen der Heeres¬
angehörigen und ihrer Familien zu starken, denen der Militärarzt Beistand
zu leihen dienstlich berufen ist. Ist zudem die Civilpraxis des Militär¬
arztes das Resultat seiner humanen und barmherzigen Gesinnung gegen
Leidende, seiner persönlichen Stellung oder seiner besonderen Kenntnisse
auf bestimmten Gebieten der Heilkunde, so kann sie das Ansehen der
Mitglieder des Sanitätscorps nur erhöhen, ihren dienstlichen Entscheidungen
nur ein grösseres Gewicht verleihen.
Aus allen diesen Gründen haben die Commissionen, welche zur
Bearbeitung der neueren Dienstvorschriften für den Sanitätsdienst berufen
waren, sehr weise gehandelt, als sie die vorliegende Frage weder im
verbietenden noch im gestattenden Sinne anrührten. Es ist dadurch
einer Regelung nicht vorgegriffen, welche unter Würdigung aller in
Betracht kommenden Umstände nur local getroffen werden kann. Hier
aber ist den militärischen wie militärärztlichen Vorgesetzten genügende
Macht in die Hand gegeben, jedem Missbrauch entgegenzutreten, der
daraus entstehen könnte, dass Militärärzte über der Ausübung der Privat¬
praxis ihren Dienst vernachlässigten oder ihren Schwerpunkt ausserhalb
ihrer militärischen Stellung verlegten. Letzteres ist jedoch um so weniger
zu fürchten und ein formelles Verbot der Praxis um so weniger nöthig,
als die Anforderungen des Dienstes bei der Truppe wie im Lazareth, bei
Aushebungen und Truppenübungen zahlreich und wichtig genug sind, um
dem etwaigen Ueberwuchern der Civilpraxis einen wirksamen Riegel
vorzuschieben. —
Soviel in sinnentsprechender Wiedergabe aus den Bemerkungen des
•) Vom 26. Mai 1886.
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569
Avenir. Es ist ein Beitrag zu einer Frage, die auch bei uns schon viel
verhandelt worden ist. Die Grunde, welche das französische Blatt zur
Sache beibringt, treffen ja auch für viele unserer Verhältnisse wenigstens
insoweit zu, dass sie im Streite der Meinungen verdienen, berücksichtigt
zu werden. — • —
Dieselbe Frage wird in einem Artikel des British Medical Journal 1886
Juli 3, S. 25 besprochen.
Veranlasst durch die Klagen eines Civilarztes in einer englischen
Colonie über die Schädigung seiner Praxis durch den dort stationirten
Militärarzt bespricht das hochgeachtete Blatt die Frage, ob die Militär¬
ärzte Civilpraxis anuehmeu solleu oder nicht.
Nach kurzer Beleuchtung der Angelegenheit vom civil- und militär-
ärztlichen Standpunkte kommt das Blatt zu dem Schlüsse, dass es nicht
weise sein wurde, die Militärärzte in den engen Rahmen ihrer militär-
dienstlichen Thätigkeit zu bannen.
Das Journal erinnert dabei an die einschlägigen wichtigen Ver¬
handlungen, welche bereits vor ca. 30 Jahren über diese Angelegenheit
geführt waren, und zieht aus einem an das Parlament erstatteten Berichte
das Wesentliche aus: wie mit Rücksicht auf die geringe Anzahl von
Krankheitsformen und Fällen, welche dem Militärärzte in kleinen Garnisonen
— zumal in gesunder Gegend — dienstlich Vorkommen, der Truppenarzt
im wohlverstandenen Interesse für das Wohl der seiner Pflege anver-
trauten Offiziere und Soldaten jede Gelegenheit wahrnehmeu müsse,
/ seine Kenntnisse zu erweitern und sich auf dem Laufenden zu erhalten;
deshalb ist dem Militärarzt die Ausübung von Civilpraxis zu gestatten.
Der Gefahr, in derselben zum Nachtheile des Dienstes aufzugehen, werde
genügend durch die Vorschriften des Dienstes und den häufigen Garnison¬
wechsel vorgebeugt; es sei zu bedenken, dass nur die Praxis den Arzt
zu einem praktischen Arzte macht, und dass alle die Erfahrungen, welche
ein Militärarzt durch Ausübung civilärztlicher Thätigkeit gewinnt, direct
und unverkürzt der Armee zu Gute kommen.
Dieser Standpunkt scheint, fügt das Blatt hinzu, auch von dem
Kriegsministerium zeitig festgehalten zu werden — „die Truppenärzte
sind an der Ausübung von Civilpraxis nicht verhindert, sobald ihre
dienstlichen Verrichtungen es gestatten“ — und dürfte sich dagegen auch
wohl eine begründete Einsprache nicht erheben lassen. L.
General-Rapport
von den Kranken der Königlich Preussiscben Armee, des XII. (Königlich
Sächsischen) und des XIII. (Königlich Württembergiscben) Armee-Corps,
sowie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich Bayerischen
Besatzungs-Brigade pro Monat August 1886.
1) Bestand am 31. Juli 1886: 10 816 Mann und 42 Invaliden
2) Zugang:
im Lazareth 8 787 Mann und 3 Invaliden,
im Revier 14 433 - - 12 -
Summa 23 220 Mann und 15 Invaliden.
Mithin Summa des Bestandes und Zuganges 34 036 Mann und 57 Invaliden,
in Procenten der Effectivstärke 8,5% und 20,0%.
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570
3) Abgang:
o o
geheilt.
24 532
Mann,
13
Invaliden.
gestorben ....
75
-
1
-
invalide.
204
-
—
-
dienstunbrauebbar .
261
-
—
-
anderweitig . . .
381
-
—
-
Summa . .
25 453
Mann,
14
Invaliden.
4) Hiernach sind:
geheilt 72,0% der Kranken der Armee und 22,8% der erkrankten
Invaliden, «
gestorben 0,22% der Kranken der Armee und 1,8% der erkrankten
Invaliden.
5) Mithin Bestand:
am 31. August 1886 8583 Mann und 43 Invaliden,
in Procenten der Effectivstärke 2,2% und 15,0%.
Von diesem Krankenstände befanden sich:
im Lazareth 6 317 Mann und 6 Invaliden,
im Revier 2 266 - 37
Es sind also von 454 Kranken 3*27,2 geheilt, 1,0 gestorben, 2.7 als
invalide, 3,5 als dienstunbrauchbar, 5,1 anderweitig abgegangen, 114.5 im
Bestand geblieben.
Von den Gestorbenen der activen Truppen haben gelitten an:
Diphtheritis 2, Karbunkel 1, Blutvergiftnng 1, Unterleibstyphus 15,
Grippe 1, Hitzschlag 7, bösartigen Geschwülsten 1, Hirn- und Hirnbant¬
leiden 5, chronischem Bronchialcatarrh 1, Lungenentzündung 10, Lungen¬
schwindsucht 14, Brustfellentzündung 6, Herzleiden 2. innerem Darm¬
verschluss 1, Krankheiten der Ernäbrungsorgane 1, Nierenleiden 1, Zell¬
gewebsentzündung 2, Knochenentzündung 1, Alterschwache 1; an den
Folgen einer Verunglückung: Bruch der Wirbelsäule (XII. Armee-
Corps) 1, Sturz aus dem Fenster 1. Von den Invaliden: an den Folgen
einer Verunglückung: Bruch des rechten Schulterblattes (XIII. Armee-
Corps) 1.
Mit Hinzurechnung der nicht in militärärztlicher Behandlung Verstor¬
benen sind in der Armee im Ganzen noch 47 Todesfälle vorgekommen,
davon 6 durch Krankheiten, 20 durch Verunglückung, 21 durch Selbstmord.
Von den Invaliden: durch Krankheiten 1; so dass die Armee im Ganzen
122 Mann und 2 Invaliden durch den Tod verloren hat.
Oedrnrkt in «lor Königlichen Hofbuctntruckerri von K. N. Mittler und Sohn in Berlin, K<vhstrajw* CS - TU.
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Deutsche
Militärärztliche Zeitschrift.
Redactlon:
Dr. 3U Generalarzt,
Berlin, Taubenstrasse 6,
u. Dr. $• cfeit$at$, Stabsarzt,
Berlin, Kaiser Franz Grenadier-Platz 11/12.
Verlag:
f. §. 3nttfct &
Königliche Hofbnchhandlnng,
Berlin, Kochstrasse 68—70.
Monatlich erscheint ein Heft von mindestens 3 Druckbogen; dazu ein „Amtliches Beiblatt“. Der
Zeitschrift wird das Werk: „Jahresbericht über die Fortschritte auf dem Gebiete des Milit&r-
Sanit&te-Wesens“, herausgegeben vom Generalarzt Dr. Roth, unentgeltlich beigegeben. Bestellung
nehmen alle Postämter und Buchhandlungen an. Preis des Jahrgangs 15 Mark.
XV. Jahrgang. 1886 . Heft 12.
Der Fortbildungscursus für Stabsärzte zu Berlin im Herbst 1886.
In den Tagen vom 27. September bis 16. October dieses Jahres fand
hier der militararztliche Herbst-Fortbildnngscnrsns statt. Commandirt za
demselben waren 33 Stabsarzte, von denen 29 der prenssischen Armee,
2 dem XIII. (Königlich Wurttembergischen) Armee-Corps nnd 2 der
Kaiserlichen Marine angehorten. Ausserdem war vom Friedrich-Wilhelms¬
institut zur geschäftlichen Assistenz der Lehrer, sowie zur Theiluahme
am Cursos ein Stabsarzt commandirt, so dass die Gesammtsomme der
Theilnehmer 34 betrug.
Das Lehrprogramm war folgendes:
1) Operationsübungen an der Leiche unter Leitung des Herrn
Geh. Med.-Raths Prof. Dr. v. Bergmann, in zwei Abteilungen von 7 bis
9 Uhr.
Bei diesen Uebungen schickte der Leitende der ersten Ausführung
einer jeden Operation eine kurze anatomische Betrachtung der betreffenden
Gegend voraus nnd besprach alsdann in ebenso eingehender als licht¬
voller Weise die einzelnen Phasen im Gang der Operation. Die Operiren-
den wurden angehalten, die nothigen Assistenten anzustellen, so dass die
Operationen unter fortlaufender Controle seitens des Lehrers in einer
möglichst der Wirklichkeit angepassten Weise verliefen. Streng wnrde
hei Amputationen and Exarticalationen darauf gesehen, dass seitens der
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572
Operirenden die durchschnittenen Gefässe von an ato misch-constanter Lage
auch aufgesucht und isolirt wurden. Wenn bei diesem Vorgehen viel¬
leicht eine etwas geringere Zahl von Operationen auf den Einzelnen fiel,
so wurde dies mehr als hinreichend ausgeglichen durch die correcte und
sachgemässe Ausführung derselben, welche auf diese Weise stets an¬
gestrebt und fast stets erreicht wurde.
Das Leichenmaterial war im Allgemeinen reichlich, wenn auch zeit¬
weise nicht von der so wünschenswerten frischen Beschaffenheit.
Wie früher, so lud auch in diesem Cursus Geb.-Rath v. Bergmann
die Commandirten wiederholt in die Universitätsklinik ein, wo die Technik
des antiseptischen Dauerverbandes demonstrirt und eine Reihe von grosseren
Operationen vorgeführt wurde. Diesem höchst wichtigen Theil des Cursus
eine weitere, allgemein gewünschte Ausdehnung zu geben, gestattete in¬
dessen die Kurze der verfügbaren, durch die anderen Disciplinen noch
stark in Anspruch genommenen Zeit leider nicht.
2) Topographische Anatomie von 9 bis IOV 2 Uhr.
In der ersten Woche wurden seitens des Herrn Geh. Med.-Raths
Prof. Dr. Waldeyer in classischer und höchst fesselnder Weise die
topographischen Verhältnisse der Extremitäten mit besonderer Rücksicht
auf chirurgische Eingriffe vorgetragen und durch schematische Zeich¬
nungen sowie Demonstrationen frischer Präparate erläutert. Für die
übrige Zeit übernahm es Herr Prof. Dr. Hartmann die Topographie
des Rumpfes, den Situs und die Anatomie des Gehirns an der Hand
frischer und conservirter Präparate zu besprechen.
3) Medicinischer Cursus von 11 bis 12 Uhr unter Leitung des
Herrn Prof. Dr. Fraentzel.
Diesem verdanken die Commandirten zunächst einen eingehenden
zusammenhängenden Vortrag über die idiopathischen Erkrankungen des
Herzens, welcher in scharfen Umrissen ein Bild der jetzigen Anschauungen
über diese Krankheitsgruppe gab. Es schlossen sich hieran Erörterungen
über ausgewählte Capitel der inneren Medicin verbunden mit Demon¬
strationen und praktischen Uebungen.
4) Der ophthalmoiogische Cursus unter Leitung des Herrn
Geh. Med.-Raths Prof. Dr. Schweigger fand in zwei Ahtheilungen von
12 bis 1 Uhr statt. Zunächst wurden die für den Militärarzt so wichtigen
Refractionsanomalien und ihre objective Feststellung besprochen. Später
folgten praktische Uebungen mit dem Augenspiegel und Krankenvor*
Stellungen.
5) Der hygienische Cursus wurde in Vertretung des Geh. Med.-
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Raths Prof. Dr. Koch von den Stabsärzten Dr. Plagge und Dr. Weisser
abgehalten. Es war die Einrichtung getroffen, dass der eine Coetus von
12 bis 4 Uhr unter Leitung seines Docenten nach vorher besprochenem
Programm arbeitete, während der zweite Coetus von 1 bis 4 Uhr, eben¬
falls unter Leitung seines Docenten, dnrch Wiederholung, Revision und
Erweiterung der am Tage vorher angefertigten Präparate, Platten etc.
arbeitend beschäftigt wurde; beide vereinigten sich dann schliesslich von
4 bis 5 Uhr zur theoretischen Vorlesung. Bedingt warde diese Maass¬
regel durch die begrenzte Zahl der mit homogener Immersion versehenen
Mikroskope, die von den Lazarethen an den Corps-Stabsquartieren wieder,
wie früher, hierher uberwiesen waren.
Die ersten Uehungen bestanden in der Anfertigung der zur Cultivirung
der Pilze erforderlichen festen Nährsubstrate und der Färbeflüssigkeiten.
Es folgte dann die Anfertigung zunächst von Kartoffel-, später von
Plattenculturen, zu deren Herstellung die in Wasser, Boden und Luft
befindlichen Mikroorganismen, bezw. im Institut vorhandene Bacterien-
gemenge benutzt wurden, das „Fischen“ der einzelnen Colonien aus den
Platten und die Herstellung von Reinculturen. Nebenher liefen mikro¬
skopische Untersuchungen der betreffenden Colonien im hängenden Tropfen
und im gefärbten Trockenpräparat. Im weiteren Verlauf wurden pathogene
Mikroorganismen theils aus Sputum, Eiter, frisch inficirten Thieren und
Reinculturen bezogen, theils in Schnitten aus gehärtetem Material befind¬
lich unter Anwendung einfacher bezw. doppelter Färbung in den Bereich
der Untersuchungen gezogen. Die Bearbeitung lebenden Choleramaterials
war nur einigen Commandirten unter besonderer Aufsicht gestattet. Die
von diesen hergestellten Platten- und Tropfenculturen, sowie Trocken¬
präparate dienten zur Demonstration, bezüglich Vertheilung an die anderen
Theilnehmer.
In der theoretischen Vorlesung wurden Vorträge über die Mikro¬
organismen in Wasser, Luft und Boden, über ihre Dauerformen und
Sporenbildung, über Infection und die Infectionskrankheiten, besonders
die Cholera, sowie über Desinfection und verwandte Materien seitens
beider Herren Docenten gehalten.
Behufs Demonstration grösserer, hygienisch wichtiger Anlagen wurden
Ausflüge nach den Rieselfeldern, den Wasserwerken und dem Central-
Viehhof unternommen. Ausserdem hatte Herr Dr. Petri, Custos des
hygienischen Museums, die Güte, die reichen Sammlungen desselben den
Commandirten in eingehender Weise vorzuführen.
Reich an Arbeit waren diese Wochen; die behandelten Disciplinen
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574
boten indessen soviel Interessantes und Anregendes für jeden der Theil-
nebmenden, dass durch die gewonnene wissenschaftliche Ausbeute und
Forderung sowohl die seitens des Einzelnen verwendete Mühe reich belohnt,
als auch die von der leitenden Behörde in liberalster Weise zur Ver¬
fügung gestellten Mittel nicht vergebens aufgewendet worden sind.
Neben diesen wissenschaftlichen Bestrebungen wurde auch die Pflege
der Kameradschaft nicht ausser Augen gelassen. Gemeinschaftliche abend¬
liche Zusammenkünfte erneuerten manche alte und schufen neue Be¬
ziehungen, so wohl zwischen den Commandirten untereinander, als auch
zwischen diesen und einigen Kameraden der Berliner Garnison, so dass
auch von diesem Gesichtspunkt aus der Verlauf des Cursus als ein voll¬
kommen gelungener bezeichnet werden kann.
Ueber Erkältung und Beziehung der Wetterfactoren zu
Infectionskrankheiten.*)
Von Oberstabsarzt Knoevenagel.
Hochgeehrte Anwesende! Die Errungenschaften auf bacteriologischem
Gebiete fordern unabweislich dazu auf, die bisherigen Anschauungen über
Einwirkung von Wetter und Klima als krankmachender Potenzen einer
Revision zu unterwerfen. Den Inbegriff dieser Anschauungen kann man
mit der von Alters her gebräuchlichen, auch jetzt noch vollkommenen
Einfluss behauptenden Bezeichnung „Erkältung“ zusammenfassen. Es
fragt sich, ob dieses Wesen von dunkler Herkunft und doch so hohem
Ansehen auch in Zukunft seine Geltung überall wird bewahren können
und dürfen. Ich meine „Nein!“ — möchte jedoch diese Negation vor¬
läufig nur auf das Gebiet der Infectionskrankheiten beschränken.
Sehen wir uns, sehr geehrte Herren, die angeblichen Vorgänge bei
der „Erkältung“ näher an:
Bis zu einem gewissen Grade verständlich scheinen mir dieselben
bei den localen, sogenannten rheumatischen Affectionen an Nerven und
Muskeln. Man kann sich sehr wobl vorstellen, wie durch plötzlich er¬
zeugte Wärmedifferenzen — (im Innern Blutwärme, auf der äusseren
Haut hingegen an irgend einer Stelle durch kalte Zugluft und event
*) Nach dem in der militärärztlichen Section der 59. Versammlung deutscher
Naturforscher und Aerzte gehaltenen Vortrage. (Vergl. Heft 10 des Jahrganges 18S6
dieser Zeitschrift)
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575
Schweissverdunstung hervorgerufene jähe Abkühlung) — gewissem aassen
auf tbermoelectrischem Wege Anomalien der Strömungen in den betreffenden
Nerven8tämmen und Aesten oder ihren feineren Muskelverzweigongen
entstehen, und wie sich dann sofort oder bald der Effect in Rheumatismus
im Nacken, Hexenschuss im Kreuz, Ischias oder Gesichtslähmung zu
aussern vermag.
Bei weitem schwerer verfolgbar und nicht recht erklärlich gegenüber
den klinischen Krankheitsbildern sind die Reflex wirk ungen, auf welche
nach den bisherigen Anschauungen wohl das Hauptcontingent der an¬
geblichen Erkältungskrankheiten würde zurückzuführen bleiben. Vaso¬
motorische Storungen pflegen hier supponirt zu werden.
Ebenso schwer verständlich kommen mir alle Deutungen vor, welche
die Unterdrückung von Secretionen, namentlich der Haut und der Nieren
(wohl auch auf dem Wege des Reflexes gedacht?) zur Grundlage für
den Refrigerations-Vorgang nehmen. Wir kennen ja unzweifelhafte Folgen
des Cessirens verschiedener Absonderungen durch Functionsstorung be¬
stimmter Organe (Urämie, Cholämie); diese aber äussern sich mit ganz
anderen Symptomencomplexen, als man sie bei sogenannten Erkältungs¬
krankheiten findet. Eher noch dürften die Ueberhitzungen mit solchen
auf Autointoxication beruhenden Zuständen Analogien haben: die lebens¬
gefährlichen und meist zum Tode führenden Effecte umfänglicher schwerer
Verbrennungen, in gewissen Beziehungen auch der Hitzschlag.
Speciell für die Entwickelung der Infectionskrankheiten ist der Nimbus
der Erkältung sehr im Abnehmen und wird mehr und mehr dahinschwinden,
je grosser das Gebiet wird, welches der Infection Vorbehalten bleiben muss.
Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, dass für verschiedene Formen von
Bronchitis, Laryngitis, Nasen- und Rachencatarrh, Mandelentzündung,
Mumps, Gelenkrheumatismus, gehäufte Fälle von Magen- und Darmcatarrh
bestimmte Infectionskeime werden nachgewiesen werden. Aus diesen und
anderen Formen, wie z. B. Pneumonie, recrutirte sich aber von jeher
das Heer der Erkältungskrankheiten. Furunculose, phlegmonöse, herpes¬
artige, ekzematöse Eruptionen und Processe hatten ihrer Art und Ent¬
stehung nach schon immer etwas Infectiöses an sich.
In der Natur des Menschen liegt es aber, an der Tradition zu haften.
So kann man sich auch jetzt von einer vermeintlichen Mitwirkung der
„Erkältung“ an dem Zustandekommen infectioser Vorgänge nicht trennen.
„Die Erkältung soll das Individuum für die Infection disponiren, oder
die Gelegenheitsursache abgeben.“ Damit wird wieder ein neues Räthsel
zu manchen anderen in die Discussionen hineingeworfen. Wie denkt
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576
man sich solche Disposition? War überhaupt das Individuum schon infi-
cirt, als es sich erkältete, oder erkältete es sich nnd wurde d&dureh
wehrloser gegenüber dem Andringen der Keime?
Wenn Mikroorganismen die letzte und wesentliche Ursache der
Infectionskrankheiten sind, woran nach den neueren Entdeckungen nicht
mehr zu zweifeln, dann kann man sich füglich nur vier Bedingungen
denken, welche zum wirklichen Zustandekommen der Infection erfüllt
werden müssen:
a. die infectiosen Agentien werden auf irgend eine Art in den
Organismus hineingelangen, entweder in geringerer oder grosserer Zahl
auf einmal, oder sich von Tag zu Tag kumulirend unter gleichbleibenden
Verhältnissen;
b. sie dürfen nicht sofort wieder eliminirt werden, sondern eine Zeit
lang wenigstens Zurückbleiben, um sich wirksam zu erweisen;
c. sie werden sich im Innern des befallenen Körpers reproducireo,
wahrscheinlich dabei auch besondere Producte giftiger Natur setzen;
d. oder die Reproduction findet schon ausserhalb unter günstigen localen
Umständen statt, so dass die Keime gewissermaassen en masse auf den
Organismus eindringen.
Die Vorgänge ad a. und c. können unmöglich mit dem alten Er-
kältungsbegriff, auch nicht in dispositioneller Richtung, vereinigt werden.
Denn wie soll Erkältung die Invasion oder Reproduction im Innern des
Individuums begünstigen? Hier tritt ein ganz anderes Etwas in Kraft,
dasjenige nämlich, was wir „individuelle Disposition“ nennen. Auch
diese ist ja in ihrem Wesen sehr räthselhaft, doch besteht sie zweifellos
und Hesse sich durch Beobachtungen und Statistik auf Grund der Lehre
von der Infection durch Mikroorganismen sicherlich mehr und mehr
klären. Ich halte solche Klärung für ein Postulat der Zukunft; denn
ohne dieselbe werden die Infectionsvorgänge im Menschen stets dunkel
bleiben, so durchschaulich auch die Resultate der bacteriologischen Ex¬
perimente zu sein scheinen.
Der Process ad d. hat mit Erkältung ebenfalls nichts gemein, sondern
ist von Boden-, Klima- und meteorischen Constellationen abhängig, welche
auch der^ Invasion event. förderlich werden können.
So bliebe für „Refrigeration“ allenfalls die Bedingung ad b. übrig,
gestörte Elimination der Infectionsträger, was dann im Ganzen mit
Unterdrückung von Absonderungen durch jähe Abkühlung zusammen¬
fallen würde. Ich will die Möglichkeit einer schädlichen Wirkung der
letzteren in diesem Sinne beziehungsweise einer Begünstigung der Infection
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auf solchem Wege nicht absolut ausschliessen, glaube aber doch, dass
auch hier die „individuelle Disposition tt des Organismus, der Grad von
Reactions- und Abwehrfähigkeit desselben nach Maassgabe der Beschaffen¬
heit und Energie der lebenswichtigen Organe weit mehr in Betracht
kommt, als der Erkältungsbegriff.
Auch der bei der Erkältung gedachte Vorgang erheischt eine Dispo¬
sition; nicht Jeder soll sich erkälten. Es käme also unter Umständen
erstlich diese Disposition, zweitens die dadurch angeblich gesetzte Disposition
zur Infection und drittens die individuelle Disposition des Individuums zu
einer bestimmten Infection überhaupt in Frage.
Welche Häufung von Räthseln? Wozu die zwei ersteren ganz frag¬
lichen Dispositionen der, wenn zwar in ihrem Wesen noch unklaren,
aber doch unzweifelhaften letzteren gegenüber!?
Hochgeehrte Versammlung! Fern liegt es mir, die schädlichen Folgen
einer zumal längere Zeit andauernden Verminderung der Eigentemperatur
an sich zu unterschätzen; eine solche hängt aber mit jenem Begriff wenig
oder gar nicht zusammen. Beobachten wir doch bei der Erfrierung, also
bei dem höchsten Grade, ich will lieber zum Unterschiede sqgen: „der
Erkaltung tt nichts den Refrigerationskrankheiten Aehnliches. Auch ge- : f
wisse Thatsachen will ich keineswegs bestreiten: so den bekannten Schnupfen i
nach kalten Füssen; allgemein fieberhafte Erregungen bei Durchnässung; I
Recidive von Wechselfieberanfällen nach kaltem Baden oder Durchweichen.'
Aber ich versuche mir dieselben in anderer Weise zu deuten: Wer in 1
geschlossenen Räumen sich kalte Füsse acquirirt, der wird, wenn auch
vielleicht unmerkbar, Luftströmungen ausgesetzt sein, welche, von unten
nach oben gehend, Reizstoffe vom Boden in die Nasenoffnungen führen
können. Durchnässung der Füsse oder des Körpers vermag direct mit
der Feuchtigkeit oder indirect unter Mitbetheiligung der Kleidung In-
fectionskeime innig mit der Haut und manchen Schleimbautpartien in
Berührung zu bringen. Wissen wir doch, dass der erste Regen nach
längerer Trockenheit einen von niedersten Organismen wimmelnden
Niederschlag darstellt, und dass auch die äussere Haut, wenn sie auf¬
geweicht wird, keine volle Abwehr mehr gegen die Invasion solcher
Keime leistet, scheint wobl begreiflich. Wasser, zumal in sumpfiger
Umgebung, ist mehr als infectionsverdächtig, und es ist nicht zu ver¬
wundern, wenn Menschen, welche an Intermittens gelitten, durch Auf- ,
nähme schädlicher Keime beim Baden Recidive erleiden. >
Noch eine Frage: Warum erkälten sich unsere Patienten nicht, denen
man aus irgend welchen Gründen Eisblasen auf die Fuss- und Kniegelenke,
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die Unterschenkel oder gar anf den Unterleib legt? Warum tritt hier
nicht hartnäckiger Schnupfen, Katarrh oder Diarrhoe ein?
Wenn man sich aber dergleichen Fälle genau Rechenschaft au geben
versucht und alle concurrirenden Factoren mit in Betracht zieht, dann
schrumpft die Erkältung als Ursache solcher und ähnlicher Zustände,
vor Allem auf dem Gebiete der Infection, eigentlich in nichts zusammen.
(Damit in Uebereinstimmung stehen auch statistische Nachweisungen,
falls sie vorurteilsfrei aufgestellt und angesehen werden.)
Allerdings wird dadurch eine beträchtliche Lucke in alten ätiologischen
Anschauungen, und zwar nicht bloss in den unmaassgeblichen Kreisen
des Publikums, sondern auch bei einer grossen Zahl von Aerzten, ich
mochte sagen, „ein vacuum tt geschaffen, welches in anderer Art ausgefüllt
werden muss. Denn dass die Witterung Einfluss auf den Gesundheits¬
zustand übt und der Entwickelung von Infectionskrankheiten gegenüber
von wesentlicher Bedeutung ist und bleibt, daran kann wohl Niemand
zweifeln.
Es fragt sich, auf welche Weise soll Ersatz geboten werden? Darauf
lautet meine Antwort:
Einerseits durch Studien über die die individuellen Dispositionen be~
dingenden Momente;
andererseits durch Verwerthung der meteorologischen Factoren in
anderer Richtung, als es beim Erkältungsvorgange der Fall; nicht der
plötzliche Eindruck von Wärmedifferenzen, sondern der mehr unmerkbare,
all malige und cumulativ zusammenwirkende Einfluss bestimmter Witterungs-
factoren den infectiösen Agenden gegenüber würde eine breitere ätiologische
Grundlage schaffen.
Auf das ausgedehnte und leider noch so wenig beackerte Feld der
individuellen Dispositionen beabsichtige ich mich in diesem Vorträge
nicht weiter zu begeben.
Wie ich mir die Richtung, nach welcher meteorischen Constellationen
Bedeutung für die Entwickelung von Infectionskrankheiten beizumessen,
denke, geht aus den seit vier Jahren sorgfältig geführten und controlirten
statistischen Nachweisen über die Garnison Schwerin hervor, welche ich
mir gestatte, der Versammlung vorzulegen.
Zu bemerken wäre dabei, dass dieselben durchaus nicht eine Gesammt-
Morbidität aller inneren und äusseren oder sonstigen Leiden darstellen
sollen, sondern nur eine Quote, nämlich diejenigen Formen umfassen,
welche in irgend welche Beziehungen zu Infection gebracht werden können.
Auffallen wird es, dass alle Jahrgänge nur von Mitte November bis
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Mitte August reichen, also nnr s / 4 Jahr umfassen. Es involvirt das
gewisse Ausfälle insofern, als z. B. über Unterleibstyphus, welcher
während der Monate August und September zeitweilig in grosserer
Frequenz auftritt, vollständige Nachweise fehlen. Indess ich hatte dem
gegenüber mit anderen Umständen, nämlich Ortswechsel und Aendernng
der Kopfstärke zu rechnen. Will man statistische Nach Weisungen, wie
die vorliegenden, zum Vergleich für verschiedene Zeiten und zum Zweck
der Abstraction allgemein gültiger Sätze benutzen, dann müssen die
begleitenden Umstände sich möglichst gleich bleiben, und das ist beim
Militär nnr der Fall innerhalb der Zeit vom Eintritt der Rekruten bis
zum Beginn der grosseren Herbstübnngen. Aber so gleichartig, wie
während dieser Zeit die Umstande sich verhalten, wird man sie kaum
jemals anderweit finden; daher ich eine solche militärärztliche Statistik,
wenn auch aus geringerer Kopfzahl, für beweisender erachte, als andere
Statistiken von weiterem Umfange, jedoch unter Inbegriff der denkbar
mannigfaltigsten Verhältnisse.
Neben dieser sich ungefähr gleichbleibenden Iststärke sind es von
Haus ans gesunde Individuen, aus welchen die Krankheitsbeobachtungen
hervorgehen. Unter solcher Voraussetzung gestalten sich die unver¬
änderten Wohnungs- und Aufenthaltsorte gewissermaassen zu Flecken
von z. B. für Schwerin circa 2000 Einwohnern, bei welchen noch viele
für exacte Statistik Garantien bietende Bedingungen obwalten. —
Sehr geehrte Herren! Ich kann mir ein besseres Material gerade für
meteorologisch-statistische Beobachtungen nicht denken,und spreche
es bei dieser Gelegenheit aus, dass vor Allem die Militärärzte dazu be¬
rufen sind, vom Gesichtspunkte der naturgesetzmässigen Entwickelung
und speciell einer etwaigen Mitbetheiligung meteorologischer Potenzen
ans zur Klärung der Krankheitsätiologie insbesondere für Infections-
zustande beizutragen.
Neben obigen für alle Garnisonen Gültigkeit beanspruchenden
Momenten kommen weiterhin die jeweiligen localen Nebenumstände in
der Garnison selbst in Betracht; diese werden wohl nirgends vollkommen
gleich, oft sogar äusserst verschieden sein, und daraus erwächst beim
Vergleich der Garnisonen untereinander der Vortheil einer gewissen Viel¬
seitigkeit, wie sie in ähnlicher Weise schwerlich so, wie in der Militär¬
statistik, geboten werden kann.
Für die vorliegenden Nach Weisungen sind die Verhältnisse der Garnison
Schwerin von wesentlicher Bedeutung. Dieselben sind im Allgemeinen
nicht gerade gesundheitsforderlich, und besteht daher in sehr charak-
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580
teristischer und für den meteorologischenEinfluss sprechender
Art periodisch — also, was zu betonen, nicht immer — eine hohe
Morbidität; dem gegenüber zwar eine geringere Mortalität, weil die
Bevölkerung ihrer Natur nach widerstandsfähig ist, und weil eine die
Mortalität an anderen Orten stark beeinflussende Krankheitsanlage,
diejenige zur Tuberculose, weniger Verbreitung hat.
Ein besonderer Vorzug in der Aufstellung der Tabellen liegt meiner
Ansicht nach darin, dass, abgesehen von den mittleren Wassers tan den,
von jedweder Durchschnittsberechnung Abstand genommen ist; die Daten
sind täglich gegeben. Durchschnittswerte aus einem Jahrgang, einem
Vierteljahr, einem Monat und selbst einer Woche trüben sehr leicht den
Blick für das factische Verhalten und geben zu fehlerhaften Schluss¬
folgerungen Veranlassung. Unvermeidlich war es, die ermittelten Zugangs*
Zeiten mit den an den betreffenden Tagen stattfindenden Wetterfactoren
senkrecht übereinander zu stellen. Ich bitte die hochgeehrten Herren,
diese senkrecht übereinander stehenden Tages-Positionen nicht in Beziehung
bringen zu wollen. Denn der Wirkung, den Krankheitsanfängen, müssen
die ursächlich mitbetheiligten Wettermomente nothwendigerweise vorauf¬
gehen. Die Witterungs Verhältnisse, welche innerhalb der letzten Hälfte
eines Monats stattfanden, werden möglicherweise erst gegen Ende desselben
oder selbst erst im nächsten Monate sich mit ihrem Einfluss auf die
KrankheitsconstitQtion äussern können. Wie lang der Zwischenraum zu
denken, ist in den einzelnen Fällen und zu Zeiten gewiss verschieden,
verschieden sowohl nach Maassgabe des Wetters an sich, als auch be¬
sonders der wachsenden Incubationsdaner im Individuum. Diese Incubations-
zeiten sind im Allgemeinen länger, auch bei ganz gewöhnlichen fieber¬
haften Krankheiten, als man sich gewöhnlich vorstellt, jedenfalls äusserst
selten so kurz, dass an demselben Tage, oder am folgenden und nächst¬
folgenden nach Einwirkung des Wetters auch die fertige Krankheit als
Effect dasteht.
Der hochgeehrten Versammlung möchte ich die Entscheidung an¬
heim stellen, welche Richtung einer ätiologischen Statistik mehr ent¬
spricht. Ich für meine Person glaubte in der Nichtbeachtung des in Rede
stehenden Zeitintervalls, sowie in der Berechnung von Durchschnitts*
werthen Fehlerquellen zu finden, welche die grossen Differenzen leicht
erklären, die aus den graphischen Verzeichnungen verschiedener Beob¬
achter in solchem Maasse hervorgehen, dass man versucht werden könnte,
auf rationelle Deutung meteorologischer Ursachen überhaupt zu verzichten.
Auf eine in hohem Orade interessante Parallele, meine Herren,
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581
zwischen den beiden Monaten Januar — Februar 1883 einerseits nnd
Febrnar—März 1886 andererseits lassen Sie mich Ihre Aufmerksam¬
keit besonders lenken. Es sind das gleiche Zeiträume, innerhalb deren
die bei weitem grösste Morbidität während der vier Jahre obwaltete, über
welche die statistischen Tabellen berichten. Die Parallele scheint mir
deshalb so interessant, weil sehr ähnlichen Wetterconstellationen auch
ähnliche Krankheitsconstitutionen folgen, und weil daneben in beiden Be¬
ziehungen eine Verschiebung um die Zeitdauer eines Monats stattfindet.
Im Februar 1886 dieselbe Curve hohen Barometerstandes von ca. drei-
bis vierwochentlicher Dauer wie Januar 1883; danach eine Depression
und nun wieder eine Periode höheren Lnftdrncks vom 8. bis 27. März 1886,
wie im Februar 1883, nnr nicht ganz so lang. Die Wasserstände sind
nicht wesentlich verschieden, die Niederschläge besonders im Februar
1886 und Januar 1883 sehr sparsam; statt derselben mehr Reif und
Nebel; im März 1886 etwas reichlicher und mehr in Form von Schnee.
Nur in letzterer Beziehung besteht ein Unterschied insofern, als im ent¬
sprechenden Monat Februar 1883 kaum Schnee, sondern nur Regen fiel:
kurz in beiden zum Vergleich gestellten Perioden sind alle Witterungs-
factoren gleich, nur die Temperaturen nicht; Januar und Februar 1883
milderes Wetter; Februar und die ersten drei Wochen des März 1886
fast permanent andauernde Kalte'(unter 0°).
Die Morbidität dieser beiden zweimonatlichen Zeiträume ist ungemein
ähnlich, abgesehen von Diphtherie, die 1883 in grosser Verbreitung, 1886
nur in vereinzelten Fällen auftrat. Die hohen Zugangsziffern von Mandel¬
entzündung, von Kehlkopf- nnd Bronchialkatarrhen, von Masern, auch
die der winterlichen Jahreszeit gegenüber verhältnissmässig frequenten
Magen- und Darmkatarrhe gleichen sich durchaus, ebenso die Vermehrung
der äusseren infectiösen Leiden, worunter für 1886 auch Mumps zu er¬
wähnen.
Bezüglich der Lungenentzündungen und katarrhalischen Fieber
(Qrippen) zeigt sich bis zn einem gewissen Grade ein Wechselverhältniss;
1883: 27 Lungenentzündungen und 27 Grippen; 1886: 11 Lungenent¬
zündungen und 45 Grippen, beide zusammen je 54 und 56 Fälle in den
je 2 Monaten.
Gerade solche nicht anzuzweifelnden Aehnlichkeiten scheinen mir
einen Beweis abzugeben für die Einwirkung bestimmt charakterisirter
Wetterperioden auf die Krankheitsconstitution im Gegensatz zu den mehr
momentanen Einflüssen einer Erkältung. Dabei drängen sich weitere
Fragen auf, welche vorläufig unbeantwortet bleiben müssen: kam es viel-
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leicht za einer weiteren Verbreitung der Diphtherie 1886 deshalb nicht,
weil die Temperaturen anhaltend zu niedrig waren; und begünstigten
diese niederen Temperaturen in Anbetracht der sonst gleichen und in-
fectionsforderlichen anderweiten Wetterconstellation nur die Entwickelung
milderer grippeartiger Zustände, weniger hingegen das Zustandekommen
der schwereren Lungenentzündungen?
Bemerkenswerth vor Allem ist die Coincidenz verschiedener Krank-
heitsformen in mehr oder weniger epidemischer Art: Mandelentzündungen
und Diphtherie, Kehlkopfs- und Bronchokatarrhe, Lungenentzündungen
und Grippen, Magen- und Darmkatarrhe, selbst manche äussere in-
fectiose Leiden steigern sich gemeinschaftlich und sinken gemeinschaftlich
ab. Dazu hebe ich hervor, dass bei Soldaten sonst häufig vorkommende
äussere Affectionen, wie Wandlaufen, Fussödem, Sehnenscheidenentzün¬
dungen, kurz Alles, was seinen Ursprung auf mechanische Läsionen zu-
rückfuhren lässt, selbst wenn es durch Verschleppung verschlimmert, in
den Tabellen geflissentlich fortgelassen worden.
Auffallend scheint mir ferner der Umstand, dass ausgesprochen con-
tagiose Krankheitsformen, wie Masern, inmitten solcher Steigerung der
obigen Affectionen, gleichfalls eine erhebliche Vermehrung zeigen. Für
Januar und Februar 1883, sowie für Februar und März 1886 kann in
dieser Hinsicht kein Zweifel herrschen. Im Jahrgang 1883/84, wo die
günstigste Krankheitsconstitution, findet sich nichts von Masern, nur ein
vereinzelter Fall von Scharlach; 1884/85 treten im Februar nur zwei
Masernfälle auf. Die vorläufig auch nicht zu beantwortende Frage ist
hier wohl gerechtfertigt: wie kommt es doch, dass bei einer gemein¬
schaftlich zusammenwohnenden und in engster Berührung stehenden
Kopfzahl ganz vereinzelt Krankheitsfälle ausgesprochen contagioser Natur
sich zeigen und doch nicht weiter greifen in gewissen Zeiten? Ist bei
Verbreitung durch directe Contagion von Individuum zu Individuum auch
noch ein besonderer von der jeweiligen atmosphärischen Constellation ab¬
hängiger Genius epidemicus zum Zustandekommen einer Epidemie er¬
forderlich, und konnte (im Bejahungsfälle) das Anfflackern einer solchen
nicht auch durch wiederauflebende, früher deponirte Keime an bestimmten
Localitäten sich erklären lassen, ohne dass es dazu jedesmal eines
menschlichen Individuums bedürfte, welches an der betreffenden con-
tagiösen Krankheit leiden muss?
Eines Moments will ich noch gedenken, auf welches in ätiologischer
Hinsicht früher und bis jetzt viel Werth gelegt wird: dasselbe bezieht
sich auf die Schwankungen sowohl des Luftdrucks, als auch der Wärme
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wie auf die schroffen Windwechsel. Dergleichen plötzliche Aenderongen
finden wir in den Tabellen gerade in den günstigeren Jahrgängen 1883/84
und 1884/85 öfters: so im Januar 1884 eine Barometerschwankung von
772 mm auf 725 mm (Differenz 47 mm) innerhalb 5 Tagen; im Februar
.1885 eine Schwankung von 766 auf 737 mm und wieder hinauf auf 769
innerhalb 8 Tagen, ähnlich im März 1885. Wärmeschwankungen werden
im März 1884 von —4,5 auf 4-14°C. und im April 1884 von 4-13° auf
— 3°C. innerhalb weniger Tage beobachtet; auch im Februar 1885 haben
mehrfach schroffe Temperaturwechsel stattgefunden, ebenso im Juni 1885.
Scharfe Windwechsel von SW. auf O. und wieder auf SW. und dann NO.
stehen in den beiden letzten Decaden des Februar 1884, sowie von SW.
auf NO. 3—4 Ende März 1884, ferner von SW. 3—4 auf O. 3—4 vom
10. auf 13. Januar 1885, und von SW. nach NO. 3 und O. 4 Ende April 1885
verzeichnet: aber nirgends tritt, während sich diese Wechsel vollziehen
oder bald nach denselben eine Steigerung der Morbidität ein. Ich bin
von dem Einfluss solcher Schwankungen längst abgekommen, indem ich
mir die schroffen Wechsel vorstellte, welchen sich Touristen bei Berg¬
besteigungen bis in die Schneeregion hinauf unterziehen, ohne dass
nachweisbare Schädlichkeiten davon bekannt werden. Da der angebliche
Erkältungsvorgang gleichzeitig auf solche Schwankungen mit begründet
zu werden pflegt, so schien es mir wichtig, auch diesen Punkt zu er-
örterp. Dabei leugne ich keineswegs Störungen in den Bahnen der Em¬
pfindungsnerven als Folge davon, zumal bei Tabetikern oder bei Leuten
mit grossen verwachsenen Narben, ebensowenig wie ich Schmerzen im
Nacken, Kreuz und Hüfte nach jähen Abkühlungen negire.
Hochgeehrte Versammlung! Ausdrücklich muss ich hervorheben,
dass ich mit Anlage der vorgelegten Tabellen Versuche habe anstellen
wollen, inwieweit auf solche Weise statistische Daten zu gewinnen,
welche praktische Verwerthung zulassen. Das Material ist ja sehr klein
und beschränkt, dazu die Einseitigkeit in Beziehung auf den Beobachtungs¬
ort mit seinen besonderen Verhältnissen.
Wenn ich zum Schluss es unternehme, die gewonnenen Anschauungen
in einer Zahl allgemeinerer, vielleicht nicht ganz unanfechtbarer und nicht
in jeder Hinsicht neuer, auch nicht Alles erschöpfender Sätze zusammen¬
zufassen, so geschieht das keineswegs nur auf Orund der Tabellen, son¬
dern zufolge vieljähriger eigener Beobachtungen und Reflexionen während
meines Aufenthalts auch in grossen .Garnisonen entfernterer Provinzen,
sowie weiterer Anregungen durch Studien verschiedener einschlägiger Ab¬
handlungen anderer Autoren.
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1) In die Reihe der infectiösen Krankheiten gehören auch gering¬
fügigere Zustände, wie Coryza, Bronchitis and Laryngitis, Anginen und
Rachenkatarrhe, selbstverständlich auch Pneumonien. Einfache Magen-
und Darmkatarrbe, falls sie gehäufter Vorkommen, ferner äusserliche
Affectionen, wie Furunkel, Panaritium, Phlegmone, Herpes, Ekzem u. a. m.
reihen sich den Infectionszuständen an.
2) Meteorologische Einflösse an und für sich haben in unseren Breiten
nicht in so ausgedehntem Maasse ursächliche Beziehungen zu Allgemein-
krankheiten als gemeinhin angenommen wird; für infectiöse Leiden dürfen
ihnen solche nur in Verbindung mit anderen aus der Umgebung stammenden
Potenzen (den Infectionskeimen) zugeschrieben werden; sie stellen dann
das mehr oder weniger gut Vermittelnde dar.
3) Als Umgebung kann nicht nur der Grund und Boden, sondern
auch alles Andere gelten, wie Wände, Decken und Fussboden der Zimmer,
Schlote, Siele und Senkgruben, sofern dadurch der Luft innerhalb oder
ausserhalb der Wohnränme infectiöse Agentien sich beimischen.
4) Statistische Nachweisungen sind zur Erkenntniss der in meteoro¬
logischen Factoren beruhenden Ursachen unbedingt erforderlich. Die so
gewonnenen Grundlagen werden um so sicherer zu verwerthen sein, je
mehr gleichartige und gleichalterige von vornherein möglichst gesunde In¬
dividuen derselben Lebensart und Beschäftigungsweise an ein und derselben
Oertlichkeit mit ihren Krankheitszuständen herangezogen werden. In¬
sofern wird besonders von Seiten der Militärärzte diese Seite der Aero¬
logie Förderung zu erwarten haben.
5) Ein Nachweis der Erkältung als Krankheitsursache kann nur im
eng begrenzten Kreise mehr localer Einwirkungen geliefert werden. Für
Infectionskrankheiten erscheint diese Ursache, auch als Disposition, durch¬
aus problematisch.
6) Solcher angeblichen Disposition gegenüber spielen die „individuellen
Dispositionen" der Menschen, deren weitere Erforschung eine der Haupt¬
aufgaben der Zukunft bleibt, eine bei weitem grössere Rolle.
7) Eben so wenig, wie der Erkältung, kommt den Wetterschwankungen
ein maassgebender Einfluss auf Entstehung und Mehrung der Infections¬
krankheiten bezw. Epidemien zu.
8) Höhere Wärmegrade (abgesehen von ganz acuten Einwirkungen
z. B. beim Hitzschlag und in den Tropen) betbeiligen sich direct riel
weniger am Infectionsvorgange, als sie in mehr indirecter Weise geeignet
erscheinen, an passenden Lokalitäten besonders reichliche Reproductioo
und kräftige Züchtung der Infectionskeime zu befördern.
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9) Der Schwerpunkt für die Würdigung des Einflusses meteorologischer
Factoren beruht in der längeren Audauer bestimmter Constellationen,
somit in der Feststellung und Vergleichung ähnlicher oder verschiedener
Witternngsperioden.
10) Als Constellationen von ungünstigem Einfluss glaube ich andauernd
hohe Barometerstände mit Mangel an Niederschlägen und geringer Luft¬
feuchtigkeit ansehen zu dürfen, wobei die intercorrirenden Temperaturen,
Windrichtungen etc. weniger in Betracht kommen.
11) Das vermittelnde Moment würde in Consequenz des vorigen
Satzes in der reichlicheren und bei längerer Andauer von Tag zu Tag
steigenden Erfüllung der Atmosphäre mit unorganischem und organischem
Staube zu suchen sein, in welchem letzteren eventuell verschiedenartige
pathogene, der Umgebung entstammende Mikroorganismen enthalten sein
dürften.
12) Die Vorgänge im Organismus scheinen von diesem Standpunkte
aus auf Inhalation und mehr und mehr comulirter Wirkung zu beruhen.
13) Für statistische Tabellen ist es von grösster Bedeutung, dass der
Beginn der ersten Krankheitsäusserungen durch genaueste Nachfrage so
früh wie möglich ermittelt wird. Die Einwirkung der schädlichen Wetter-
factoren fallt noch vor diesen Termin.
14) Durchschnittswerthe der Temperaturen, des Barometerstandes,
der Luftfeuchtigkeit für Wochen, Monate und gar für den Zeitraum eines
oder mehrerer Jahre berechnet, trüben vollkommen den Ueberblick über
die factischen Verhältnisse und machen eine Erkenntniss von Ursache
und Wirkung unmöglich.
15) Es scheint, als ob gewisse Krankheitsgruppen in ätiologischer
Hinsicht insofern Verwandtschaft haben, als sie nach gleichartigen meteoro¬
logischen Constellationen in ihrer Frequenz parallel steigen und fallen.
Zu solcher Gruppe lassen sich zusammenfugen epidemische Coryza, Angina
tonsillaris, Diphtherie, Katarrhalfieber, Grippe, Kehlkopfs- und Lungen¬
katarrhe, Pneunomie, Herpeseruptionen, auch Mumps.
16) Die hierbei in Frage kommenden Infectionskeime dürften, wenn
auch nicht gleiche Natur, so doch ähnliche Fortpflanzungs- und Lebens¬
bedingungen haben. Indess ist es nicht ausgeschlossen, dass manche der
erwähnten Formen, ungeachtet der Verschiedenheit des klinischen Krank-
beitsbildes, vom ätiologischen Standpunkte ans identisch sind.
17) Eine Reproduction der Keime von älteren Depots her und ohne
das Mittelglied eines erkrankten Individuums ist selbst für manche con-
tagiöse Formen (wie Diphtherie, Masern und Scharlach) nicht unwahr-
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scheinlicb, und können in dieser Hinsicht solche auch von meteorologischen
Factoren abhängig sein.
18) Morbidität und Mortalität laufen keineswegs immer parallel, da
der Grad der Widerstandsfähigkeit innerhalb bestimmter Bevölkerungen,
Berufsklassen und Familien von der individuellen Disposition zum Erkranken
zu unterscheiden ist. Doch wirkt daneben auch die mehr oder weniger
kräftige Züchtung der Infectionskeime auf Steigerung der Mortalität, und
insofern kann letztere für sich gleichfalls zu meteorischen Umständen in
Beziehung stehen.
19) Eine praktisch brauchbare Mortalitätsstatistik muss nicht nur
eine Verzeichnung nach den Todestagen, oder innerhalb einzelner Wochen,
sondern möglichst auch die Ermittelung des Anfangs deijenigen Krank¬
heiten anstreben, welche zum Tode führten.
20) Dem Infectionsmodus mittelst Inhalation, also der Luftinfection,
gebührt eine ebenbürtige Stellung mit den anderen Vorgängen. Er kann
bei nicht wenigen Infectionskrankheiten neben dem Wege directer Con-
tagion durch Berührung, durch Kleidung oder durch Genuss inficirter
Nahrungsmittel und Getränke bestehen; für andere scheint er der einzige
zu sein, für manche aber gar keine Bedeutung zu haben.
Zur Casnistik der „zweifelhaften Geisteszustände“.
Von Stabsarzt Dr. Pfuhl (Hamburg).
Zu den Verhältnisse!ässig seltenen, dafür aber um so schwierigeren
Aufgaben der militärärztlichen Thätigkeit gehört bekanntlich die Beur-
theilung zweifelhafter Geisteszustände, und es bedarf unter allen Umständen
einer gewissen Summe psychiatrischen Wissens und praktischer Erfahrung,
um auf diesem Gebiet vor groben Irrthümern bewahrt zu werden. Wenn
nun auch die verschiedenen Handbücher der Psychiatrie und gerichtlichen
Medicin, die Schriften über Simulation von Krankheiten u. s. w. nach
der fraglichen Richtung hin Belehrung genug darbieten, so vermisst der
Praktiker doch zumeist gerade dasjenige einschlägige Material, was ihm
im concreten Fall die beste Handhabe liefert und an welchem er sich
am schnellsten durch den Vergleich orientiren kann: das ist, meiner
Meinung nach, eine umfassende Special-Casuistik.
Es würde daher als ein gar nicht hoch genug anzuschlagender Gewinn
zu bezeichnen sein, wenn von maassgebender Stelle aus eine möglichst
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um fassende Zusammenstellung aller innerhalb eines bestimmten (vielleicht
5—10jährigen) Zeitabschnitts in der Armee beobachteten bezw. begut¬
achteten Fälle „zweifelhafter Geisteszustände* durch eine sachverständige
Feder herbeigeführt werden mochte. Unter einer solchen Zusammen¬
stellung verstehe ich eine nach Gruppen geordnete, kurze, sachgemäße
Beschreibung aller einschlägigen Fälle nach der bekannten Art der
Krankenhaus-Casuistiken, ohne jeden weiteren Commentar, als etwa den
der specialistischen Kritik bezw. Richtigstellung unzweifelhafter dia¬
gnostischer Irrthümer. Welcher praktische Nutzen — abgesehen vom rein
wissenschaftlichen Interesse — aus einer derartigen Sammlung (sit venia
verbisl) von Paradigmen auf specifisch militär-psychiatrischem Gebiete
für die Gesammtheit der Fachgenossen erwachsen würde, ist ohpe Weiteres
klar. Ferner aber leuchtet ein, dass die Schwierigkeiten eines derartigen
Unternehmens nur seinem Werthe gleich kommen würden.
Im Wesentlichen sind es hier zwei grosse Gruppen von Individuen,
mit deren Begutachtung und Beurtheilung wir uns in der Praxis zu be¬
fassen haben: Bei der einen handelt es sich lediglich um Feststellung der
Dienstbrauchbarkeit bezw. Dienstunbrauchbarkeit gemäss Anlage 4 der
R. O., oder Beilage IV b. der Dienstanweisung, Buchstabe A. No. 18.
Die zweite Gruppe dagegen umfasst diejenigen Fälle, in welchen Conflicte
mit dem Militärstrafgesetzbuch zur Erörterung stehen, — diese bilden
die eigentliche crux medicorum! — Wenn schon bei der ersten Categorie
diagnostische Irrthümer mindestens sehr unwillkommen sind, so können
dieselben bei der zweiten, in Rücksicht auf die rechtlichen Folgen für
die Betroffenen, geradezu verhängnisvoll werden.
Unter Berücksichtigung aller dieser Verhältnisse dürfte, wie ich
glaube, die Mittheilung der beiden nachfolgenden Gutachten nicht ganz
ungerechtfertigt erscheinen. Sie betreffen nämlich zwei, den äusseren
Umständen nach manches Gleichartige darbietende Fälle von zweifelhaften
Geisteszuständen, welche zu ganz entgegengesetzten Resultaten führten
und demgemäss auch ganz verschiedene Consequenzen nach sich zogen:
in dem einen Falle folgte Verurtheilung, im andern einfache Dienst¬
entlassung.
Mochten diese Mittheilungen zugleich für die mit besseren psychia¬
trischen Kenntnissen ausgerüsteten Herren Collegen eine kleine Anregung
bieten zur Veröffentlichung weiteren einschlägigen Materials und der Fälle
ihrer eigenen Erfahrung; des Dankes der Fachgenossen dürfen sie gewiss sein.
Ich lasse die bezüglichen Schriftstücke nach Vornahme einiger un¬
wesentlicher Kürzungen im Wortlaute folgen:
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x, den .
Zufolge Befehls der Königlichen Commandantur vom .... berichtet
der Unterzeichnete bezüglich des Geisteszustandes des Musketiers N. der
nten Compagnie, Regiments No.wie folgt:
N. ist am 8. November 1882 in Dienst getreten und wurde am
27. Februar 1883 als Lazarethgehülfen-Lehrling in das Garnison-Lazareth'
zu N. commandirt. Weil er sich dort verschiedene Unregelmässigkeiten
hatte zu Schulden kommen lassen, sich auch zum Sanitätsdienst als nicht
geeignet erwies, wurde er am 24. Mai er. abgelost und wieder in die
Compagnie eingestellt. Er meldete sich indessen nicht zuruck, sondern
desertirte nach der Schweiz. Seine Absicht, sich dort eine feste Stellung
zu verschaffen, scheiterte an dem Mangel der notbigen Legitimationspapiere.
Als daher nach Verlauf von vier Wochen seine Geldmittel erschöpft
waren und sein Vater sich weigerte, ihn dort zu unterstützen, vielmehr
dringend bat, zurückzukehren, stellte N. sich freiwillig dem Bezirksamts
in N. und wurde von dort nach N. zurücktransportirt. Bei seiner Ver-
nehmung vor dem Commandanturgerichte gab N. an „kopfkrank zu sein tt .
„manchmal an fixen Ideen“, sowie an „Krämpfen, besonders an der linken
Seite“ zu leiden und behauptete namentlich: „Seine Nerven seien am
Tage der Ausführung der Desertion überreizt gewesen“. Auf Grund
dieser Aussage sah sich das Königliche Commandanturgericht veranlasst,
den N. dem Königlichen Garnison-Lazareth zu überweisen mit dem Er¬
suchen, denselben auf seinen Geisteszustand untersuchen zu lassen und
einen eingehenden Bericht über das Resultat der gemachten Beobachtungen
cinzureichen.
N. ist mittelgross, ziemlich breitschulterig, kräftig und regelmassig
gebaut und gut genährt; sein ganzer Habitus entspricht dem eines Mannes
von 20 Jahren. Die Untersuchung der Organe der grossen Körperhohlen
ergiebt nirgends eine Abnormität. Die animalen und vegetativen Functionen
gehen regelmässig von statteu und im Bereich des peripheren Nerven¬
systems ist keinerlei Störung wahrzunehmen. Fieber war weder bei
der Aufnahme, noch später vorhanden. Das runde, fleischige, pocken¬
narbige Gesicht mit der dicken Nase, gewulsteten Lippen, den kleinen,
tief liegenden, klar blickenden grauen Augen, deren Pupillen meist er¬
weitert sind, macht in Verbindung mit rothblondem Haar und gleich¬
farbigem Schnurrbart einen nicht sehr sympathischen Eindruck. In
seinem Benehmen und seinen Bewegungen, die namentlich in der Zeit
seines Lazarethdienstes als Lazarethgehülfen-Lehrling genauer beobachtet
werden konnten, zeigte N. jene geräuschvolle, bewegungsreiche Dienst-
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beflissen heit, welche den hinter dem Ladentisch stehenden, gewandten
Verkäufer kennzeichnet. — Wiederholt mit ihm geführte Gespräche
tosen erkennen, dass sein Urtbeil durchaus seiner Bildungsstufe entspricht.
Sein Gedächtnis ist nicht nur bis in die kleinsten Details seiner Desertions-
afiaire vollständig zuverlässig, sondern er weiss auch über die ver¬
schiedensten Materien, mit denen er sich auf dem Gymnasium beschäftigte,
ziemlich genaue Auskunft zu geben: so über das Leben Cäsars, den Inhalt
seiner Schriften; über Xenophons Anabasis u. s. w. Während er in der
vaterländischen Geschichte sogar sehr gute Kenntnisse zeigte, waren ihm
auf der anderen Seite litterarische Gegenstände so gut wie unbekannt;
ein Mangel, der wesentlich auf Rechnung seiner etwas planlosen, in
gewisser Weise einseitigen Erziehung zu setzen ist. Der von ihm nach
achttägigem Aufenthalt im Lazareth auf Befehl verfasste Lebenslauf ist
im Ganzen nur eine lose Aneinanderreihung von Ereignissen, während
Bemerkungen, welche über das rein Thateächliche hinausgehen, nur an
einzelnen Stellen eingeflochten sind: so z. B. auf Seite 2, wo er von
einem unverdient schlechten Zeugniss redet und in jenem Passus, der
von seiner gekränkten Ehre handelt, welche ihm verbot, in die Compagnie
zurückzukehren. Im Uebrigen zeigt das Schriftstück in Bezug auf Form,
Satzconstruction, Inhalt und Schriftzuge nirgends etwas, was auch nur
den leisesten Verdacht auf Störung der Intelligenz erwecken könnte.
In Bezug auf sein Vorleben ist Folgendes ermittelt worden: N. ist
am 4. October 1862 geboren und der einzige Sohn eines wohlhabenden
Neusilberwaaren-Fabrikanten. Beide Eltern sind gesund. Ein Bruder des
Vaters ist geisteskrank im Krankenhause gestorben, N.’s Grossmutter
mütterlicherseits vier Jahre wegen Irrseins daselbst behandelt worden.
Die einzige Schwester soll an Krampfanfällen im linken Bein leiden,
welche das Tragen einer Bandage nöthig machen. N. selbst hat in seiner
ersten Kindheit ausser Windpocken keinerlei Krankheiten durchgemacht.
Syphilitische Infection wird in Abrede gestellt und sind auch objectiv
keinerlei Zeichen überstandener Syphilis zu constatiren. N.’s Familie
gehört einer, auf evangelischen Grundlehren fussenden, kleinen Secte der
sogenannten „Zionsgemeinde 4 * an, die von ihren Mitgliedern vor Allem
auch eine äusserlich streng religiöse Zucht verlangt. So wird bei N. bei
jeder Mahlzeit gebetet, beim Mittagessen vorher und nachher; ausser
Sonntags ist noch ein Wochengottesdienst, der regelmässig besucht wird.
Der Einfluss dieser Anschauungsweise zeigt sich am besten in dem Briefe,
welchen der Vater an seinen Sohn schreibt: An Stelle des eigenen Willens
Wird stets das Walten einer höheren Macht gesetzt; der Teufel hat den
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Sohn za der bösen That der Desertion angestiftet, and nur, am ihm nicht
mit Ueberlegung za dienen, wird dem Sohne kein Geld nachgeschickt
Der ganze Brief liest sich überhaupt mehr wie eine Predigt; von wirklich
väterlicher Zuneigung ist wenig darin za bemerken. Die Erziehung des
Sohnes ist denn auch in dieser asketischen Weise geleitet worden. Das
Spielen mit Altersgenossen wurde möglichst beschrankt, ins Theater ist
N. nach seiner Angabe nur einmal gekommen (soll wohl heissen mit
Wissen seines Vaters). Bei Ausbruch der Pockenepidemie 1871, zu
welcher Zeit N. bereits die Schule seit zwei Jahren besuchte, lasst der
Vater, wie es scheint, aus fatalistischen Gründen, seine beiden Kinder
nicht impfen, überwirft sich deshalb mit seinem Hausarzte, und beide
Kinder erkranken sehr schwer an den Pocken. Der Sohn ist dreiviertel
Jahr bettlägerig, erholt sich aber, ohne dass organische Störungen
Zurückbleiben.
Nach überstandener Krankheit wird N. in eine andere Schule ge¬
schickt, muss dort auch ganz gute Fortschritte gemacht haben, sonst
hatten sich die Eltern schwerlich dazu verstanden, seinen sehnlichsten
Wunsch, später zu stadiren, za erfüllen und ihn zu dem Zwecke aafs
Gymnasium zu schicken. Die gehegten Erwartungen erfüllen sich indess
nicht. Nachdem er ein Jahr den an ihn gestellten Anforderungen ent¬
sprochen, scheitern am Griechischen seine weiteren Bestrebungen and
ein nach seiner Ansicht trotz Mühe und Arbeit unverdient schlechtes
Zeugniss reift bei ihm und dem Vater der Entschluss, diese Laufbahn
aufzugeben, ein Umstand, der, wenn er sich wirklich so verhält, weiter
nichts beweist, als dass die geistigen Kräfte des Knaben den ihnen ge¬
stellten Aufgaben nicht gewachsen waren. Dass N. als Grund seines
Abganges vom Gymnasium „beginnende Spuren seines Kopfleidens“ an-
giebt, ist nicht auffällig, wenn man bedenkt, dass er grade dieses Kopf¬
leiden mit der zur Zeit der Desertion angeblich vorhanden gewesenen
Geistesgestörtheit in Zusammenhang bringt, welche unter Umständen
geeignet sein musste, die Folgen seines Vergehens von ihm abzuwenden.
Gegen die Richtigkeit der Angabe selbst spricht überdies die Aussage
des Vaters, welcher sich wohl erinnert, dass N. häufiger über Kopf*
sch merzen geklagt habe, jedenfalls aber dieselben in ganz anderer Weise
betont haben würde, wenn sie wirklich bestimmende Ursache gewesen
wären, dem ganzen Beruf des Sohnes eine andere Richtung zu geben.
Spuren von Geistesgestörtheit dagegen sind an ihm nirgends wahr¬
genommen worden.
Sein nächster sehnlichster Wunsch ist jetzt, „aufsComptoir zu kommen“.
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Der Vater weigert sich indess standhaft, und so wird aas dem angehenden
Studenten ein Fabrikarbeiter. Drei Jahre lang arbeitete er als solcher
in einer mechanischen Werkstätte, nm dann zam dritten Male „umzu¬
satteln“ and sich kaufmännisch als Commis bei seinem Vater auszabilden.
Nach Verlauf eines Jahres war N. militärpflichtig. Trotzdem der Vater
nach seiner eigenen Angabe dem Sohne die Mittel geben wollte, sich
durch längeren Aufenthalt im Auslande der Dienstverpflichtung zu ent¬
ziehen, war N. entschlossen, dem Vaterlande zu dienen und wurde als
Ersatz-Rekrut eingestellt In der Compagnie führte er sich nach Ausweis
des Nationales „gut“. Jetzt klagt er freilich, dass er bei angestrengtem
Ezerziren vom Druck des Helms Kopfschmerzen bekommen habe, ein
übrigens durchaus nicht ungewöhnliches Vorkommen. Irgend eine per¬
verse Geistesrichtung ist auch hier nie an ihm bemerkt worden. Seine
Behauptung, er habe während der Dienstzeit Krämpfe gehabt, hat sich
nicht bestätigt, denn der über diese Angabe zeugeneidlich vernommene
Hanptmann v. M. hat dieselbe verneint. Sie stützt sich bei näheren
Nachfragen nur auf die eine, nichts beweisende Thatsache, dass, nachdem
die Compagnie im vorigen Winter beim Appell einmal längere Zeit hatte
stehen müssen und hinterher zur Erwärmung Freiübungen gemacht wurden,
N. hierbei die Hände infolge der Kälte nicht gleich hat richtig be¬
wegen können. — Das stramme, gebundene Leben in der Compagnie
scheint ihm auf die Dauer nicht sehr bebagt zu haben, er benutzt daher
die erste Gelegenheit, sich demselben zu entziehen und meldet sich als
Lazarethgehülfen-Lehrling. Mit seiner guten Führung ist es jetzt bald
vorbei; um einen Tag Urlaub zu erhalten, schwindelt er dem betreffenden
Stationsarzt eine ganz detaillirte Geschichte vor, welche sich später in
allen Punkten als erlogen erwies. Ein andermal fehlte er in der In-
structionsstunde, ist aber sofort mit einer entschuldigenden Ausrede bereit,
welche ebenfalls der Wahrheit nicht entspricht. Als er sich auch sonst
wenig anstellig und brauchbar zeigt und deshalb zur Compagnie zurück¬
versetzt werden soll, desertirt er nach der Schweiz. Dort ist er, wie er
weiss, sicher; aber um dauernd sich daselbst aufzuhalten, fehlten ihm
Geld und Legitimationspapiere. Diese zu erhalten, schreibt er an seine
Eltern jene bei den Acten befindlichen Briefe, welche bei ihrer über¬
schwänglichen Schreibweise, für sich allein betrachtet, vielleicht den
Verdacht einer Psychose erwecken könnten. Hält man indess die Briefe
des Vaters ihnen gegenüber, so ist unschwer zu erkennen, dass der dem
Vater geistig entschieden überlegene Sohn stets, unter gehöriger Salvirung
der eigenen Persönlichkeit, dessen bigott religiöse Gemüthsrichtung dazu
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I
benutzt, ihm mit allen möglichen Gründen zuzusetzen, damit der Vater
zn dem Glauben gelangt, sein Sohn hätte nach besonderer höherer Ein¬
gebung gehandelt, und die That sei als eine unter göttlichem Schutze
gelungene anzusehen. Dass er es mit seinen übertriebenen Versicherungen,
er wolle nicht wieder lebendig nach Deutschland zurückkehren und
ähnlichen andern, nicht ganz ernst meint, folgt einfach aus dem weiteren
Verlaufe der Sache. Als der Vater sich standhaft weigert, weitere
Subsistenzmittel zu gewähren, stellt N. sich freiwillig der nächsten Militär¬
behörde. —
Fassen wir aus dem Vorstehenden das Wesentliche zusammen, so
ergiebt sich, dass wir in dem p. N. ein Individuum vor uns haben, dessen
Erziehung es an einem einheitlichen Plane und bestimmten Ziele fehlte.
Er besucht drei verschiedene Schulen, wechselt dreimal sein Berufsziel,
um zuletzt bei dem für ihn bequemsten zu bleiben. Dazu kommt ein
ständiger Druck in Bezug auf wenigstens äusserliche Erfüllung religiöser
Förmlichkeiten, die ihm innerlich zuwider sind, so dass er dadurch direct
zur Heuchelei getrieben wird. Der in dieser bussbedürftigen Askese Er¬
wachsende steht auf der anderen Seite täglich unter dem Einfluss der
mannigfachsten Verführungen einer Grossstadt, dem er auf die Däner
nicht widersteht. Ueberdies war er nach Angabe des Vaters stets mit
Geld reichlich versehen und hatte ziemlich viel freien Willen. N.’s in
dem Briefe aufgestellte Behauptung von der zu strengen Erziehung be¬
zieht sich deshalb wohl nur auf die religiöse Seite derselben. Auch dem
weiblichen Geschlechte war er nicht abhold, wie der den Acten bei¬
liegende Brief eines Frauenzimmers beweist, welches sich nicht gerade
zur Cur auf Sylt aufzuhalten scheint. Kommt nun ein so erzogener, an
ein ungebundenes Leben gewöhnter Mensch ohne genügenden sittlichen
Halt in die straffe, unbedingten Gehorsam und strenge Pflichttreue
fordernde militärische Zucht, so ist es nicht zu verwundern, dass ihm
dieser Zwaog nach Befriedigung der ersten Neugierde höchst lästig wird,
und dass er sich demselben erst durch Antritt des Lazarethgehülfen-
Dienstes, den er sich vermuthlich besonders leicht und bequem vorgestellt
haben mag, und, als er sich hierin getäuscht sieht, durch Desertion zn
entziehen sucht. — Dass die Desertion selbst als infolge von Geistes¬
störung geschehen zu betrachten sei, dafür liegt absolut kein Grund vor.
Weder in seiner Jugend, noch während seiner Lehrzeit, noch während
der militärischen Dienstzeit sind irgend wo Anhaltspunkte zn finden,
welche den Verdacht auf eine Geistesstörung rechtfertigten. Anch wäh¬
rend der Zeit, in welcher N. im Lazareth beobachtet wurde, sind Ab-
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weich QDgeD von seinem oben geschilderten körperlichen und geistigen
Zustande nicht wahrgenommen worden. Sein Schlaf, sein Appetit waren
andauernd gut und von Kopfschmerz und Krämpfen hat sich nie etwas
gezeigt, das einzige Moment, auf Grand dessen eine derartige krankhafte
Veränderung seiner geistigen Thätigkeit und eine dadurch event be¬
schränkte Zurechnungsfähigkeit vermuthet worden ist, sind seine viel¬
leicht durch die Erregung während eines ungewohnten Verhörs proto¬
kollarisch deponirten Aussagen, von denen die Bedeutungslosigkeit der
behaupteten Kopfkrankheit bereits genügend gewürdigt ist.
Was zweitens die fixen Ideen betrifft, an denen er leiden will, so ist
zunächst zu bemerken, dass er mit diesem Ausdruck gar keinen be¬
stimmten Begriff verbindet, geschweige denn, dass er eine solche Idee,
die ihn verfolgt, namhaft machen kann. Es stellt sich vielmehr bei
weiterem Nachforschen heraus, dass N. nichts weiter damit gemeint hat,
als die Fluehtgedanken, mit denen er sich an den Tagen vor seiner
Desertion beschäftigte. Nicht mehr Werth hat auch der zweite von ihm
zur Bezeichnung seines Krankheitszustaudes gebrauchte vage Ausdruck
von „überreiztem Nervensystem“. Was er darunter verstanden, erhellt
aus dem betreffenden Passus seines Lebenslaufes: „Der Gedanke, in die
Compagnie zurück zu müssen", wo er gerade keines sehr freundlichen
Empfanges gewärtig sein musste, „lässt ihm keine Ruhe, macht ihn von
Tag zu Tag ängstlicher". — Zu betonen ist hier vor Allem, dass der
Lebenslauf geschrieben wurde, nachdem N. begriffen hatte, dass er sich
durch die Behauptung der Geisteskrankheit der Strafe für seine Desertion
allenfalls entziehen konnte, und dass die Beschreibung seines Zustandes
vor der Flacht demgemäss einzurichten sei. Dass er in jenen Tagen
aufgeregt und ängstlich gewesen, ist gewiss wahr, beweist aber gerade,
dass er sich der Schwere seines Fehltritts und der möglicherweise aus
ihm entspringenden, für ihn unangenehmen Folgen vollkommen bewusst
war. —
Wiewohl N. aus einer Familie stammt, in welcher Geisteskrankheiten
vorgekommen sind, so ist doch bei ihm selbst weder früher, noch jetzt
irgend eine Spur von geistiger Abnormität weder in der gemüthlichen
noch in der intellectuellen Sphäre hervorgetreten.
Die genügende Berücksichtigung des ganzen Entwickelungsganges
des Mannes lässt die incriminirte That vielmehr als eine dem freien
Willen entsprungene, mit Ueberleguog ausgeführte erkennen. Das Resul¬
tat der angestellten Beobachtungen ist demnach dahin zusammenzufassen:
\ „dass N. nicht geisteskrank, sondern durchaus im Stande
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ist, die Folgen seiner Handlangen za überlegen, and dass kein
Grund za der Annahme vorliegt, er habe sich zur Zeit der
Ausführung der Desertion in einem anderen Zustande befanden. 41
gez. Dr. R.
N. wurde infolge dieses Gutachtens mit einer mehrmonatlicben
Festungshaft bestraft: führte sich nach seiner Rückkehr zar Trappe eine
Zeit lang zar Zufriedenheit, um indess nach einigen Monaten eine neue,
gleichartige Strafe, and zwar abermals durch Verlassen der Trappe, so
verwirken. Nach Verbüssung dieser letzteren (Aagast vorigen Jahres)
bat er za keinen weiteren Klagen bezüglich der dienstlichen Führung
Veranlassung gegeben, sich vielmehr als einen ganz brauchbaren Sol¬
daten erwiesen. N. befindet sich noch im Dienst
x, den.
Auf Befehl der Königlichen Commandantnr vom .... berichtet
der Unterzeichnete bezüglich des Geisteszustandes des Musketiers P. wie
folgt:
P. wurde im Jahre 1880 beim Ausbebungsgeschaft für tauglich erklärt
and für das xte Infanterie-Regiment designirt. Mit der Ordre versehen,
sich am 4. November 1880 zu stellen, wurde derselbe vorläufig beurlaubt,
fehlte jedoch an dem Gestellungstermine ohne Entschuldigung, da er vor
demselben nach Amerika ausgewandert war. P. wurde daher durch
kriegsgerichtliches Erkenntniss in contumaciam für einen Deserteur erklärt
und zu 200 M. Geldbusse verurtheilt
Am 11. December v. J. meldete sich der P. beim Königlichen Land-
wehr-Bezirks-Commando M. und wurde an demselben Tage als unsicherer
Dienstpflichtiger eingestellt. Bei seiner Vernehmung vor dem Commao-
danturgericht gab P. an, dass er schon von Jugend auf sehr „krank im
Kopf und ganzen Körper“ gewesen sei; besonders zu seiner Schul- und
Lehrzeit sei er „gemüthskrank“ gewesen. Als er nach seiner Aushebung
beschlossen habe, nach Amerika auszu wandern, sei er wohl „unzurechnungs¬
fähig“ gewesen, auch sei er jetzt noch infolge seines krankhaften Zu¬
standes „unzurechnungsfähig“. Geradezu „blödsinnig“ sei er nicht, er
wüsste nicht, wie er seinen Zustand bezeichnen sollte, jedoch bäte er,
dass dies genau festgestellt werde.
Infolge dieser Aussagen sah sich das Königliche Commandantur-
gericht veranlasst, den P. dem Königlichen Garnisonlazareth zu über»
weisen mit dem Auftrag, denselben auf seinen Geisteszustand untersuchen
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zu lassen und einen eingehenden gutachtlichen Bericht über das Resultat
der gemachten Beobachtungen einzureichen.
Der P. ist 1,68 m gross, von gracilem Knochenbau, schlaffer Mus¬
kulatur und schlecht entwickeltem Fettpolster. Die Korperhaut ist trocken
und glanzlos und zeigt ein schmutzig-grauweisses Colorit Der Brust¬
umfang beträgt 82—86 cm. Die sichtbaren Schleimhäute sind sehr
anämisch; das Gesicht ist blass und enthält zahlreiche Pockennarben.
Der Schädel ist dolichocephal und zeigt keine Asymmetrie, Defecte, Narben
und dergl. Seine Maasse entsprechen den mittleren Durchschnittszahlen.
Die Stirn ist ziemlich breit und steigt gerade an. Schmerzen machen sich
bei der Percussion der Schädelknochen nirgends bemerkbar. Die Papillen,
gleich weit, reagiren gut auf Lichtreiz. Sehschärfe normal, desgleichen
der Augenhintergrund. Im rechten äusseren Gehorgang befindet sich
eingedicktes Ohrenschmalz, im Uebrigen ergiebt die Untersuchung mit
dem Ohrenspiegel keine Abweichungen von der Norm.
Die Zunge wird gerade heraasgestreckt, ist feucht und zeigt auf ihrer
ganzen Oberfläche einen weisslichen Belag; die Geschmackswärzchen sind
nur wenig vergrossert. Die Zähne sind gesund und vollzählig, trotzdem
ist ein ziemlich starker, unangenehmer Geruch des Athems (foetor ex ore)
vorhanden. Im Rachen bemerkt man nichts Abnormes. An den Organen
der Brusthöhle finden sich keinerlei krankhafte Veränderungen, insbesondere
sind die Herztone vollkommen rein. Die Pulsfrequenz betrag durch¬
schnittlich 60—64 Schläge in der Minute; Radialis eng, Welle niedrig,
von gewöhnlicher Beschaffenheit, Spannung gering. — Der Bauch ist flach,
die Bauchdecken weich, nicht druckempfindlich und der Magen selbst
nicht vergrossert; Härten, Geschwulstbildungen und dergl. an seinen
Wandungen nicht zu fahlen. Die Leber- und Milzdämpfung nicht ver¬
grossert. Am After keine Hämorrhoidalknoten. — Da der Patient angiebt,
früher während seines Aufenthaltes in Amerika in letzter Zeit ein taubes
Gefühl am 4. und 5. Finger der linken Hand gehabt zu haben, das län¬
gere Zeit daselbst durch Elektricität behandelt worden sei, so wird eine
genaue Untersuchung des Tast-, Druck- und Temperatursinnes seiner Haut
vorgenommen. Dabei werden weder an den oben angegebenen Stellen,
noch an den übrigen Körpertheilen irgend welche Storungen des Gefuhls-
vermogens wahrgenommen. Bei Druck und Beklopfen der Wirbelsäule
und deren Fortsätze sind keine abnormen Schmerzempfindungen vorhanden.
Das Kniephänomen (Patellarreflex) ist nicht erhöht, aber auch nicht
abgeschwäcbt; desgleichen nicht der Cremaster- und Abdominalreflex. —
Durch die angestellten Beobachtungen ist constatirt, dass der Appetit des
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P. ein guter, wenigstens verzehrt er die ihm gereichte I. Form stets voll¬
ständig. Die Verdauung ist jedoch unregelmässig, indem Stuhlgang meistens
erst einen um den andern, oder am dritten Tage ein tritt; derselbe hat eine
normale Farbe und ist von etwas harter Consistenz. Der Urin, von
bernsteingelber Farbe, ist klar, hat ein normales speciüsches Gewicht
und enthält weder Eiweiss noch Zucker. In der Woche vom 5. Januar
bis 13. Januar hat das Körpergewicht des P. um 400 Gramm abgenommen.
Eine Störung des Schlafes wurde niemals beobachtet; auch hat die
Nachtwache niemals Aufschrecken, Zusammenzucken, Sprechen im Schlaf
oder dergl. bemerkt. — Demnach liess sich bei dem P. bei der körper¬
lichen Untersuchung ein chronischer Magen-Darmkatarrh ver¬
bunden mit Herabsetzung der Peristaltik des Verdauungs¬
canals und infolge dieser Störungen eine erhebliche Blut-
armuth bezw. mangelhafte Blutmischung, sowie ein herabge¬
setzter Kräfte- und Ernährungszustand feststellen. —
Während seiner Anwesenheit im Lazareth änderte er in keinerlei
Weise sein Benehmen. Er ist verträglich, ordnungsliebend und zurück¬
haltend, ruhig und in sich gekehrt. Der Gesichtsausdruck bat dauernd
etwas Bekümmertes, Vergrämtes an sich. Der Blick der hellblauen Augen
ist matt und traurig; oft starrt er gedankenlos ins Leere, oder wandelt
langsam, wie in Sinnen verloren, im Zimmer auf und ab. Die Stimme
bat einen leisen, gedämpften Klang. Die ihm aufgetragenen Befehle,
Schreiben des Lebenslaufes, Machen seines Bettes und dergl., verrichtet
er ohne Widerstreben und ohne Veränderung seines deprimirten Gesichts¬
ausdruckes. Bei den wiederholt mit ihm gepflogenen Unterredungen hat
er sich niemals widersprochen, antwortete vielmehr immer in verständiger,
logischer Weise und man bemerkte von Seiten der Intelligenz keine, oder
doch keine nennenswerthe Störung. Jedoch trat als auffallendes Charakte¬
ristikum hervor, dass sich seine Gedanken hauptsächlich, ja fast aus¬
schliesslich mit seinem körperlichen Befinden beschäftigten. Sein ganzes
Denken concentrirt sich auf wirklich vorhandene, oder eingebildete Krank-
heitssymptone: wie Kopf-, Magen-, Kreuz-, Brustschmerzen und dergl.
Seinen Lebenslauf schrieb er in 4 i/ 9 Stunden, derselbe ist ziemlich
ausführlich, d. h. langathmig, und die Schriftzüge sind durchaus regel¬
mässig. Das Schriftstück enthält verhältnissmässig wenig Verstösse gegen
die Orthographie und Grammatik. Er versucht nicht nur eine blosse
Aneinanderreihung von Thatsachen zu geben, wie es bei dergleichen
Abfassungen von Lebensläufen bei Leuten seines Standes und Bildungs¬
grades üblich ist, sondern er hat stellenweise seinen Bildungs- und Lebens-
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gang za motiviren gesucht. Dies ist ihm allerdings nur sehr unvollkommen
gelungen und es fehlt hier und da sogar völlig ein Zusammenhang, was
jedoch bei dem Bildungsgrade des Mannes erklärlich ist Ferner entnimmt
man dem Schriftstücke, dass P. mannigfaltige Eindrücke auf sich bat
ein wirken lassen; und es geht speciell daraus hervor, dass er eine streng
kirchliche bezw. religiöse Denkungs- und Gefühlsweise besitzt Jedoch
kommt er auch hier, wie in der mündlichen Unterhaltung und hei seiner
Vernehmung verschiedentlich auf seine körperlichen Gebrechen zurück,
und dieselben bilden den leitenden Faden in seiner ganzen Erzählung, da
er schon in seiner Jugendzeit mehrere schwere Krankheiten überstanden
.hat
Was sein Vorleben betrifft, so wurde festgestellt, dass P.’s Eltern
.in ärmlichen Verhältnissen lebten. Sein Vater, Schuhflicker, war sehr
religiös und scheint sich verschiedenen Secten angeschlossen zu haben,
seine Schwester, Ww. L., sagt (cfr. Acten): „Mein Bruder ging immer
bei den frommen Gemeinden zur Kirche, zuletzt bei den Methodisten.“ —
Der Vater wurde von seinen Bekannten spottweise „der heilige Schuster* 4
genannt
Dementsprechend herrschte auch in der ganzen Familie strenge reli¬
giöse Zucht Dies beweist wiederum die oben erwähnte L., die mit der
Familie ihres Bruders wenig verkehrte und diesen Umstand damit moti-
virt, die Familie sei sehr fromm gewesen und viel zur Kirche gegangen,
dafür aber sei sie nicht
So musste auch der P. als Knabe fleissig (des Sonntags dreimal) die
Kirche besuchen, und in dem übertriebenen Eifer der Eltern, ihre Kinder
ihrer religiösen Richtung entsprechend zu erziehen, wurden die Kinder
mehr oder weniger streng von der Mitwelt, von ihren Altersgenossen, deren
8pielen u. s. w. ferngehalten. Dieser religiöse, asketische Zug, zu dem
in der Jugend der Keim gelegt wurde, hat sich bei P. beständig erhalten.
Einen Tanzboden oder ähnlichen Belustigungsort hat er nie besucht Im
Uebrigen haben die Eltern den Kindern eine verhältnissmässig gute Schul¬
bildung angedeihen lassen, sie zur Ordnung und Sparsamkeit angehalten,
wie man aus dem von W. P. entworfenen Lebenslauf ersehen kann.
Die äusseren Verhältnisse der Familie scheinen oft recht traurige gewesen
za sein, zumal verschiedene schwere Krankheiten in derselben vorge¬
kommen sind.
So kam der Vater, 58 Jahre alt, wegen eingebildeter Nahrungssorgen
auf 8 Monate nach F. in die Irrenanstalt; ein Onkel wurde bereits im
30. Lebensjahre wegen unglücklicher Familien Verhältnisse schwachsinnig
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and litt an Wahnideen. P. selbst hat im zehnten Jahre das Nervenfieber
and im zwölften die Blattern aberstanden; letzteres bezeugt noch heate
sein pockennarbiges Gesicht. Nach seiner Confirmation erlernte er das
Tischlerhandwerk, ging, wie es üblich, nach beendeter Lehrzeit auf die
Wanderschaft, arbeitete in Hannover, Berlin, Leipzig and kehrte dann
nach M. zuruck. Hier wurde er im Jahre 1880 für das xte Regiment aas¬
gehoben, w änderte jedoch vor dem Gestellungstermine nach Amerika aus,
angeblich, weil er hier schlecht Arbeit erlangen konnte, und vor Allem
das Bestreben hatte, seine in dürftigen Verhältnissen lebenden Eltern za
unterstützen. In Amerika erging es ihm anfänglich ganz gut, was man
daraus entnehmen kann, dass er seinen Eltern zweimal 100 M. schickte.
Er arbeitete auf den verschiedensten Platzen der Vereinigten Staaten and
kaufte zuletzt in O. mit seinen Ersparnissen Bauplätze auf Abzahlungen.
Ans einem den Acten beigefugten Briefe des W. P. an seine Eltern vom
3. 2. 84 gebt hervor, dass er anfangs geglaubt hat, er würde die Ab¬
zahlungen leisten können. Er schreibt dort wörtlich: „Ich habe noch
200 Dollar mit 10 pCt. Zinsen vom letzten December 1882 an zu bezahlen,
wofür ich schon 100 Dollar habe. tf Seine Hoffnung hat sich nicht erfüllt
und er hat seinen Verpflichtungen nicht nachkommen können, wie aas
einem Briefe seines Bruders A. an seine Eltern vom 4. 11. 84 ersichtlich
ist. Derselbe schreibt, dass sein Bruder W. 400 M. an dem gekauften
Lande verloren habe und jetzt beständig kränkele und sehr niedergeschlagen
sei. — Eine Frau B., bei der er sich aufhielt, schreibt unterm 17. 10. 84,
der P. schelte beim Essen immerfort auf sich, dass er so viel ässe: „Ich
esse mich todt tt , oder „ich laufe davon, möchte mich den Kopf abreissen,
dass ich so viel esse and schmecke doch nichts vom Essen. Ich habe ja
gar keinen Hunger und esse ja nur zum Vergnügen, es fallt ja doch Alles
in einem grossen Loch hinein und da bleibt es und kann nicht fort.*
Dabei sträube er sich gegen Klystiere und sage: „Ich bin ja so schon
caput, wenn ich doch wüsste, woran es hei mir liegt; aber kein Mensch
sagt mir das, mein eigener Bruder macht mich unglücklich and sagt
Anderen, ich sei gemüthskrank. Das sagen alle Menschen and kein
Mensch hilft mir. Ach wenn ich doch in M. geblieben wäre, so wäre ich
gesund, die Leute würden mich schon verstehen.** —
W. P. selbst giebt in seinem Lebenslauf an, dass er schon im Februar
1884 sich, wenn nicht gerade krank, so doch körperlich und geistig
schwach gefühlt habe. Wenn sein Brief vom 3. desselben Monats an
seine Eltern nichts davon erwähne, so sei das geschehen, am den Seinigen
keine Sorgen za bereiten. Er klagt seit dieser Zeit über Mattigkeit und
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Schwäche in den Gliedern, Verstopfung, so dass er im Juni zweimal
Hälfe im Hospital suchen musste, das er aber ungeheilt verliess.
In den folgenden Monaten besuchte er die verschiedensten Hospitäler
in D., O. u. 8. w., consnltirte dann hier, dann dort Aerzte und fand
nirgends dauernde Hülfe. Nachdem er so fast seine ganzen Ersparnisse
an Arzt und Apotheker, Curpfuscher und Charlatane verausgabt batte,
wurde ihm gerathen: in der Heimath durch Klimawechsel Heilung von
seinen Gebrechen zu suchen. Er kehrte daher im November nach Deutsch¬
land zurück und stellte sich am 11. December freiwillig dem Königlichen
Landwehr-Bezirks-Commando M., welches seine Einstellung etc. veran-
lasste. —
Fassen wir aus dem Vorstehenden das Wesentlichste zusammen, so
haben wir in dem P. einen Menschen vor uns, der, aus einer Familie,
in der mehrfach Geisteskrankheiten vorgekommen sind, stammend, in
strenger Abgeschlossenheit von der Aussenwelt in einseitiger, kirchlich
asketischer Weise erzogen wurde. Auch in seinem späteren Leben hat
er in sich gekehrt, zurückgezogen und sparsam gelebt, und es hat das
Leben mit seinen Kämpfen und Aufregungen nur wenig auf ihn ein¬
gewirkt. Vorübergebend hat er nach seiner Angabe Onanie getrieben.
Als gemüthsweicher, ängstlicher Mensch kam er nach Amerika, in das
Land des crassesten Materialismus. Anfangs war er dort glücklich und
zufrieden, erreichte er doch dort, was er so sehr suchte, Arbeit und Geld.
Bei der ihm anerzogenen Sparsamkeit erwarb er sich bald einen kleinen
Fonds und konnte so auch seiner Pietät gegen seine Eltern Ausdruck
geben und dieselben unterstützen. In seinem rastlosen Streben, mehr zu
erwerben, verfiel er der Speculationswnth und verlor im Jahre 1884 fast
sein ganzes mühsam erworbenes Vermögen. Er erkrankte, und zwar an
einem nur schwer zu beseitigenden Leiden der Verdauungsorgane. Gerade
jetzt, wo er doch wiedererwerben wollte, verbrauchte er den Rest seiner
Habe, die ihm geblieben war, um wieder möglichst bald gesund und
arbeitsfähig zu werden. Seine Ungeduld bezw. eine krankhafte Nervosi¬
tät, wahrscheinlich die ersten Vorboten oder Anfänge seines jetzt vor¬
handenen Leidens, liessen ihn aber nirgends lange rasten, und so kam es,
dass er von einem Hospital zum andern und von einem Arzt oder Cur¬
pfuscher zum andern ging, ohne Hülfe zu finden. Sein mühsam er¬
worbener Gewinn schwand dahin, und trotzdem nahm er keine Besserung
seiner Leiden wahr.
So fand er sich, an Geist und Körper hoffnungslos krank, im fremden
Welttheil mittellos und unvermögend, durch Arbeit das Verlorene zu er¬
setzen und die nothigsten Subsistenzmittel zu erwerben.
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Da wandten sich seine Blicke wieder der Heimath za: hier würde,
hier müsste er Hülfe and Heilung finden, und mit unwiderstehlicher Ge¬
walt trieb es ihn zar Rückkehr.
Derartige heftige, depressorische Gemüthsbewegnngen wirkten an¬
haltend auf einen Menschen ein, der von Seiten seines Vaters her erb¬
lich schwer belastet war, also von vornherein eine ausgesprochene Dis¬
position zn Störungen im Gebiete des Geisteslebens besass nnd der seinem
Vater geistig und körperlich vollkommen glich; dem ferner eine genügende
Elasticitat nnd Widerstandsfähigkeit des Geistes nnd Gemüthes infolge
einer einseitigen, stets das Walten einer höheren Macht an Stelle des
eigenen Entscbliessens nnd Handelns setzenden Erziehnngsweise fehlten.
Hierzu kommt ausserdem, dass bei dem P. ein chronisches Leiden der
Verdauongsorgane sich entwickelt hatte, welches nicht nur zu den mannig¬
faltigsten subjectiven Beschwerden Veranlassung gab, sondern auch einen
recht erheblichen Defect in der Blotbildung und in dem gesammten Er¬
nährungszustände herbeifuhrte, durch welche secundar zu der angeborenen
eine zweite Grundlage für geistige Alienationen gesetzt wurde.
Zuerst beschäftigten sich die Gedanken P.’s mit den vorhandenen
Leiden, die allmälig immer grössere Dimensionen annahmen. Spater
kamen eingebildete bezw. ihm von Curpfuscbern und dergleichen Leuten
angedichtete Krankheitszustande hinzu, welche allmalig für den Patienten
Wirklichkeit gewannen, in seiner Vorstellung nicht mehr unterdrückt
werden konnten, und so entwickelte sich langsam auf der genannten krank¬
haften, individuellen Grundlage jener perverse Gefühls- und Gemüthszu-
stand, den wir als „hypochondrische Geistesstörung 0 bezeichnen. Ware
der Mann geistesgesund gewesen und hatte die krankhafte Gemüths-
stimmung nicht bereits bestanden, welche gewissermaassen mit der Au¬
torität einer dritten Person auf ihn einwirkte, so wäre P. niemals nach
seiner Heimath zurückgekehrt und hatte sich sicher nicht freiwillig der
Militärbehörde gestellt Das impulsive, zwangsweise Moment, welches
sich in dieser Handlungsweise zu erkennen giebt, würde beinahe allein
schon genügt haben, dieselbe als eine von einer geistig nicht vollsinnigen
Persönlichkeit begangene zu charakterisiren. Das pathologisch gesteigerte
Krankheitsgefühl beherrschte den Mann vollkommen und überwog daher
jedes weitere etwa vorhandene Bedenken hinsichtlich der Zukunft, und
somit trat er seine Rückreise an.
Auch die ganze Schilderung seiner von Jugend auf krankhaften
geistigen und körperlichen Beschaffenheit im Verhör ist lediglich als ein
Spiegelbild seines gegenwärtigen, krankhaften Empfindens aufzufassen
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und acblie88t jede bewusste, absichtliche Täuschung oder Uebertreibaug
aus. Die gauze Art der Beschreibung seiner Leiden, welche er selbst
als undefinirbar bezeichnet und welche er genau zu untersuchen und fest¬
ärastellen bittet, stimmt mit den Schilderungen anderer Kranken der
gleichen Art in der vollkommensten Weise überein: so spricht, erzählt
und empfindet nur ein Hypochonder.
Die Krankheit befindet sich zunächst noch in jenem Stadium, in
welchem die Intelligenz an sich noch nicht bemerkbar gelitten hat. Der
Kranke vermag seinen Zustand noch zu objectiviren, als etwas Krank¬
haftes zu erkennen. Indess dürfte, wie das erfahrungsgemäss feststeht,
bei der gleichartigen Erkrankung des Vaters und Onkels in kürzerer
oder längerer Zeit eine weitere Phase derselben nicht ausbleiben, näm¬
lich jene, wo die krankhaften Empfindungen bezw. Wahnideen durch
nichts mehr zu erschüttern sind und sich, wie das gewöhnlich geschieht,
auf einen bestimmten Korpertheil fixiren. Die Kranken glauben dann,
dass bei ihrem Zustande äussere Einwirkungen im Spiele seien, dass sie
von Anderen beobachtet würden u. s. w. Mit dieser Abnahme der In¬
telligenz entsteht dann das Krankbeitsbild, welches mit dem Namen
„hypochondrische Verrücktheit“ bezeichnet wird.
Mein endgültiges Urtheil über den Geisteszustand des P. geht nach
alledem dahin:
„dass derselbe zur Zeit an „hypochondrischer Geistes¬
störung“ leidet, welche sich auf dem Boden der erblichen
Prädisposition im Laufe des Jahres 1884, und zwar unter dem
Einflüsse schwerer, deprimirender Gemüthsaffecte und eines
chronischen Leidens der Verdauungsorgane entwickelt hat;
dass dagegen keinerlei Anhaltspunkte gewonnen werden
konnteu, welche die Annahme, P. sei bereits im Sommer 1880
bei seine? Auswanderung nach Amerika gemüthskrank ge¬
wesen, zu begründen im Stande wären“. gez. Dr. R.
Infolge obigen Gutachtens wurde der P. als „für jetzt unbrauchbar“
zum Königlichen Militärdienst entlassen.
Ueber sein späteres Befinden bezw. den weiteren Verlauf des Leidens
ist nichts bekannt geworden.
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Referate and Kritiken.
Kriegschirurgische Mittheilungen aus Bulgarien. Von Prof.
Gluck. Berl. Klin. Wochenschr. 1886 No. 14—16.
Die vorliegenden Mittheilungen aus dem serbisch-bulgarischen Kriege
von 1885 nehmen unser besonderes Interesse in Anspruch, weil der Herr
Yerf. einer der berufensten Vertreter der Grundsätze seines und unseres
hochgeschätzten Lehrers v. Bergmann ist und seine Erfahrungen in
so klaren Sätzen wiedergiebt, dass sie als Richtschnur in analogen Fällen
nur willkommen zu heissen sind. Auch berührt er am Schluss seiner
werth vollen Arbeit militärärztliche und administrative Fragen« welche
ein näheres Eingehen fordern.
Betreffs des chirurgischen Theiles soll man zunächst nicht vergessen,
dass die Erfahrungen der deutschen. Aerzte in jenem Kriege einseitige
bleiben mussten, da ihnen frische Falle so gut wie gar nicht vorkamen;
andererseits ist ihnen gerade dadurch Gelegenheit geworden, die Macht
der Antiseptik auf einem ganz neuen Gebiete zu erproben. —
Verf. hat nur trockeno Dauerverbände angelegt, und die Tam¬
ponade der Wunden bevorzugt. Die giftigen Antiseptica wurden sehr
vorsichtig benutzt, da deren dreister Gebrauch bei septischen Processen
und heruntergekommenen Kranken zu trüben Erfahrungen geführt hatte.
Neben dem viel verwendeten Jodoform, neben Carbol und Sublimat kam
unter sothanen Umständen besonders essigsaure Thonerde zur Verwendung,
welche bei schätzenswerther Wirksamkeit durchaus ungiftig ist. Unter
diesen Cautelen hat Verf. durch eine Reihe seltener Heilerfolge abermals
den Beweis erbracht, dass die antiseptische Wundbehandlung im Kriege
streng durchgeführt werden muss.
Die in Behandlung genommenen Verwundeten waren ausnahms¬
los septisch inficirt, schlecht gelagert, schlecht verbunden, fiebernd und
entkräftet. Die Herbeiführung des antiseptischen Zustandes gelang durch
möglichst breite Aufdeckung aller Jaucheherde. Bei complicirten
Schussfracturen wurden die Weichtheile ausgiebig gespalten, Incisionen
bis zu 30 cm Länge gemacht. Von Conserviruug der Splitter konnte bei
bestehender Phlegmone und Osteomyelitis nicht die Rede sein; sie wurden
alle entfernt, die Bruchenden resecirt und geglättet,. Die Splitter spielen
hier nicht nur die Rolle von Fremdkörpern, sie sind auch Träger der
septischen Infection und propagiren diese. Muss man sich, bei Weigerung
des Patienten, entschliessen, nicht sofort zu amputiren, so muss man die
Revision der Wunde in der erwähnten Weise ausführen; allerdings in
der Erwartung, später, trotz aseptischer Wunde und gutem Allgemein¬
befinden, die Amputation doch noch ausführen zu müssen, weil die in
Folge der Splitterextraction entstandenen Knochendefecte von 10—15 cm
Länge den künftigen Gebrauch des Gliedes völlig ausschliessen. So
besonders, wenn es sich um untere Extremitäten handelt Nach der
Revision wurden die Wundhöhlen mit 50procentigem Jodoformäther aus¬
gespritzt, und mit hydrophilem Verbandstoff tamponirt, die Anwendung giftiger
Antiseptica möglichst eingeschränkt. Verbandwechsel so selten wie
möglich, auch in Rücksicht darauf, dass die bei septischen Zuständen
stets vorhandenen Venenthromben gelegentlich der beim Verbandwechsel
unvermeidlichen Bewegungen leicht zu Embolien Veranlassung geben
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können, wie Verf. in einem Falle sah. Die Venenthromben hatten noch
einen Uebelstand. Sie zwangen zur Amputation bei Gelegenheit operativer
Eingriffe, die nur zur Arterienunterbindung oder Splitterextraction unter¬
nommen waren.
Gypsverbände hat Verf. niemals angelegt, sie auch niemals ver¬
misst. Er benutzte Schienenverbände aus starkem Wellblech, welche
allen Anforderungen entsprachen.
Für das Verhalten bei Gehirnschüssen bedingt die Antiseptik
ganz neue Gesichtspunkte. In frischen Fällen ist die Wunde zu umschneiden,
deprixnirte Knochenstucke sind zu entfernen, die antiseptische Tamponade
nebst Verband anzuwenden.*) Suchen nach dem Geschoss ist verwerflich.
Anders in secundären Fällen mit jauchigem Subduralabscess, bei dem
die Kugel bestimmt noch im Gehirn sitzt. Hier ist es geboten, nach
Entfernung des deprimirten Knochenstückes den Abscess zu entleeren,
die nekrotisirte Partie der Dura zu entfernen und event. nach einem
secundären Jaucheherd in der Umgebung des Projectils vorsichtig zu
forschen. Denn hier heisst es Alles wagen oder gar nichts und letzteres
ist vom modernen chirurgischen Standpunkte unstatthaft. —
Noch gedenkt Verf. eines Punktes, welchen er wegen seiner inter¬
nationalen Bedeutung als in den Rahmen der Genfer Convention gehörig
ansieht. Folgendes sind seine Worte:
„Es müsste von Seiten der ärztlichen Ressorts der Kriegs¬
ministerien eine Bestimmung getroffen werden, wonach den
Aerzten die Disposition über die Verwundeten zusteht, was
Ausführung von Amputationen resp. operativen Eingriffen über¬
haupt anbelangt. Eine solche Bestimmung ist bislang nicht ge¬
troffen worden. Schon im russisch-türkischem Kriege habe ich
verschiedentlich den Mangel eines solchen Gesetzes schwer be¬
klagt, und auch in diesem Kriege sind eine Reihe junger hoffnungs¬
reicher Existenzen vernichtet worden, einfach darum, weil sie
jeden operativen Eingriff verweigerten. Es ist eine Forderung
der Humanität, jedem Patienten die Entscheidung darüber zu
lassen, ob er ein Glied verlieren will oder nicht; es muss aber
meines Erachtens ein Modus gefunden werden, um verwundete
Soldaten zu veranlassen, dem Arzte nothwendig erscheinende
Operationen ohne weiteres zu gestatten. 4 Es sei dies eine der
Discussion würdige Aufgabe.
Abgesehen davon, dass Verf. die Machtvollkommenheit der ärztlichen
Ressorts der Kriegsministerien ebenso wie den Werth von Discussionen
überschätzt, liegt in dem letzten der angeführten Sätze schon ein
unlösbarer Widerspruch. (Ref. möchte aber bei dieser Gelegenheit die
ausserhalb der militärärztlicben Sphäre stehenden Chirurgen darauf hin-
weisen, dass die oft gegen das eigene Interesse verstossende Selbstbestimmung
Kranker eines derjenigen Momente ist, welche die Tbätigkeit des militär¬
ärztlichen Operateurs überhaupt lähmen. Hier ist an den Herrn Verf. etwas
herangetreten, mit dem wir manchmal bei den unbedeutendsten Eingriffen
zu rechnen haben. Ist doch sogar die Frage aufgeworfen worden, ob
der Militärarzt nicht die Genehmigung eines Patienten zur Vornahme
einer subcutanen Injection haben müsse! An Derartiges mögen die Herren
•) Vergl. die Darlegungen v. Bergmannes in seinem Vortrage über die Ent¬
wickelung der modernen Trepanationslehre. Berl. klin. Wochenschr. 1886 No. 39.
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Chirurgen denken, wenn je zuweilen Leute ihre Hülfe suchen, die mit
einem Leiden aus dem Dienst entlassen sind, welches durch eine recht¬
zeitige Operation zu beseitigen gewesen wäre. Der Leidende sagt später
sicherlich nicht, dass er den vorgeschlagenen Eingriff verweigert habe,
und ein hässliches Urtheil über die Militärärzte ist dann leicht gefallt
und verbreitet.)
Verf. schliesst mit dem Wunsche, dass in kommenden Kriegen
nicht nur ausgezeichnete Heerführer und vollkommene Waffen die Ver¬
wunderung der Mit- und Nachwelt erregen mögen: „auch die Hülfe, welche
den verwundeten Vaterlandsvertheidigern geboten wird, soll nicht sowohl
durch stete Bereitwilligkeit und Opferfreudigkeit, als vielmehr durch
Vorbereitung im Frieden, durch rationelle Inscenirung und durch militärische
Accurate8se und Ausdauer impon'iren und segensreich wirken . u Diese
Mahnung ist für das deutsche Heeres-Sanitätswesen nicht nöthig. Band I
des Kriegs - Sanitäts - Berichtes für 1870/71 hat erwiesen, dass sich
nach dem Standpunkte damaligen Wissens und Könnens unser Sanitäts¬
wesen vollkommen auf der Höhe der Zeit befand. Das Werk hat
manche, von anderen Interessenten gepflegte gegentheilige Legende
durch die Macht des Tbatsächlichen unbarmherzig zerstört. Aber eines
bitten wir bei Beurtheilung reglementarischer Feld-Sanitätsausrüstungen
und vor den bezüglichen Rathschlägen an die Militärverwaltung za
bedenken. Jede Feldsanitätsorganisation beruht auf einem Compromiss
zwischen dem Wünschenswerthen und dem Erreichbaren. Dieses Wort,
von einer so schwerwiegenden Autorität, wie der*des jetzigen Kriegs¬
ministers, in seinem Werk über den Dienst des Generalstabes ausgesprochen,
wird künftig noch mehr Geltung haben, als bisher. Bei Verlust¬
grössen, wie sie in modernen Völkerschlachten vorauszu-
seben sind,*) giebt es — mit oder ohne Rothes Kreuz —
keine Vorbereitung, welche dem augenblicklichen Bedürfniss
genügen kann. Das ist ein Gesetz, mit dem sich Heer und
Volk abzufinden haben und dessen Unabänderlichkeit keinen
Vorwurf gestattet, wenn man weise, dass die Fürsorge bis an
die Grenze des Erreichbaren getrieben ist. Denn die Sanitäts¬
vorbereitung findet eine eherne Schranke an der zulässigen
Ausdehnung der Trains, die zu überschreiten der Kriegszweck
niemals gestatten wird. Im Erreichbaren sind die Wünsche des
Herrn Verf. bei uns ihrer Erfüllung nahe. Die sachliche Vorbereitung
ist in enger Verbindung mit den roaassgebendsten Chirurgen nach den
ConferenzbeschlÜ88en von 1884 in einer Weise ins Werk gesetzt, von
der sich die Theilnehmer der Naturforscherversammlung zu Berlin im
Herbst 1886 an dem in der Academie und im Friedrich Wilhelms-
Institut ausgestellten Sanitätsmaterial überzeugen konnten. Was der
Antiseptiker braucht, ist vorhanden. Etwaigen Modeliebhabereien dieses
oder jenen Klinikers Rechnung zu tragen, ist die Verantwortung der
Sanitäts Verwaltung für die rechte Anlage der ihr anvertrauten Summen
viel zu gross. Dass übrigens die Dauer der Brauchbarkeit des antiseptischen
Materials eine für die Anforderungen der Armee völlig genügende ist**).
*) D. militarärztl. Zeitschr. 1881. S. 371. Die dort gegebene Zahlenberechnung
wird sich nach Einführung des Repetirgewehres wohl noch als viel zu klein erweisen.
**) Dass die Bestände der Depots laufend verausgabt und aufgefrischt werden,
weiss Jeder, der gedient hat.
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zeigen die Erfahrungen unserer nach denselben Principien ausgerüsteten
Marine. Dieselbe bat hiermit in den überseeischen Gefechten der letzten
Jahre bei einer nicht unerheblichen Zahl z. Th. schwer Verwundeter
and im tropischen Clima die vollkommensten Erfolge primärer Antiseptik
erzielt W ir verweisen wiederholt auf die ausserhalb der militärärztlichen
Kreise viel zu wenig gewürdigten, statistisch und casuistisch überaus
reichhaltigen Armee- und Marine-Sanitätsberichte.*)
Der Leser verzeihe die Abschweifung. Aber das Referat bot will¬
kommene Gelegenheit, an der Hand der Bemerkungen des Herrn Verf.
einige Fragen aufklarend zu erörtern, die nach dem litterarisch ausser¬
ordentlich fructificirten serbisch bulgarischen Feldzuge von verschiedenen
Seiten, nicht immer objectiv und nicht überall auf gründliche Kenntniss
der Verhältnisse gestützt, discutirt worden sind. Körting.
Kriegschirurgisches aus der Bulgarei. Von Dr. Langenbuch
Sep. Abdr. aus der Deutschen Mediz. Wochenschrift 1886.**)
Verf. war zur gleichen Zeit und aus gleicher Veranlassung in Sophia,
wie Prof. Gluck. Sein Material war dasselbe, seine Behandlungsweise .
ebenfalls die lehrreiche Application der Antiseptik auf vernachlässigte
Fälle. Trotzdem bietet seine Arbeit eine Reihe von Besonderheiten,
welche auch nach und neben den Gluck’schen Mittheilungen das Interesse
unseres Leserkreises in hohem Grade verdienen.
Die äusserst lebendige Schilderung der Reise und der ersten Ein¬
drücke auf dem Kriegsschauplätze müssen wir leider übergehen; ebenso*
wenig gestattet der Raum, auf die beherzigenswerten Darlegungen
einzugehen, mit denen Verf. die mangelhafte Vorbereitung des Bulgarischen
Militär-Sanitätswesens gegenüber den billigen Vorwürfen zu entschuldigen
sucht, die laut geworden sind. Dass ein Staat, der überhaupt noch in den
Kinderschuhen steckte, in diesen Dingen nicht auf der Höhe abendländischer
Entwickelung stehen konnte, hätte von den Tadlern mehr berücksichtigt
werden sollen.
Alle übernommenen Wunden jauchten. Häufig mit Jodoformwicken
verschlossen, boten sie verengte oder beinahe geheilte Eingangsöffnungen,
aus denen sich ein bräunliches, äusserst übelriechendes Secret ergoss,
dem zu einer bucbtigen Cloake umgeformten Schusscanal entstammend.
Sehr drastisch schildert L. den Eindruck dieser Wunden auf seine antiseptisch
verwöhnten Assistenten. Er giebt bei dieser Gelegenheit seinen Bedenken
hinsichtlich der jetzigen, notbgedrungen einseitigen Ausbildung der jungen
Chirurgen Ausdruck, denen ganz die Gelegenheit fehlt, den Kampf mit
der inficirten Schusswunde zu erlernen. Und doch wäre dies erwünscht,
denn wir dürfen uns aus den früher berührten Gründen nicht der
sanguinischen Hoffnung hingeben, in einem künftigen europäischen Kriege
sämmtliche Verwundete einer primären zuverlässigen Antiseptik theil-
haftig zu sehen; und zwar sowohl im Hinblick auf ihre zeitweilige
Anhäufung, wie darauf, dass die in den Friedens-Lazarethen und Cursen
geschulten activen Militärärzte einschliesslich der dienstpflichtigen Fach-
•) Vergl. S. 612.
Die Arbeit ist vor der des Prof. Gluck erschienen, dem Ref. aber erst
nach Fertigstellung obiger Besprechung bekannt geworden.
40*
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606
chirargen nar die Minderzahl desjenigen ärztlichen Personales bildea,
welches dann in Uniform erscheint.
Die mechanische Reinigung der Wunden geschah bei L. nicht
anders wie bei Gluck. Besonders hebt L. die Anlage entsprechender
Gegeuoffnungen hervor, zu denen man sich den Weg vom Fundus der
Senkungen aus mit stumpfen Instrumenten bahnen soll. Diese Ans-
flusscanäle sollen durch Drains weitester Nummern, mit starren Wanden,
offen gehalten werden. Für den Verband jauchender Wunden betont
L. vor Allem die NothWendigkeit, dass derselbe befähigt sei, die Secret-
maasen auf das Vollständigste abzusaugen, festzuhalten und zu deainficiren.
Dazu dienen besonders die absorbirenden Stoffe wie Torfmull, Moos¬
präparate, Holzwatte und Holzwolle, deren letztere, mit Sublimat
zubereitet, auf der vom Verf. geleiteten chirurgischen Abtheiluug des
Lazaruskrankenhauses ausschliesslich zur Verwendung kommt, da diese
Stoffe nur in Gazesäcken zu benutzen und deshalb für den Kriegs-Sanitäts¬
dienst erster Linie nicht recht verwendbar sind, so hat L. auch den
feuchten Sublimatwatteverband erprobt Er legt über die Wunde
eine mehrblättrige Jodoform- oder Sublimatmullschicht, darüber ein weit
überragendes Polster entfetteter Verbandwatte, die vorher in eine l%o
, Lösung von Sublimat getaucht und massig ausgedrückt ist, befestigt dies mit
Gazebinden und applicirt darüber fixirende Gaze. Diese Methode (für
die, beiläufig bemerkt, die neue Beilage 5 der Kriegs-Sanitäts-Ordnung
das Material im grössten Maassstabe bereitstellt) leistete L. so Gutes, dass
meist schon nach den ersten Verbänden Jauchung und Gestank auf¬
horten, und dass bald zu Dauerverbänden übergegangen werden konnte.
Vom Jodoform ist L. nicht so eingenommen. Er schätzt es für Mund-
und Afterhöhle, verlangt aber für seine Anwendung strenge Kritik, und
hält namentlich auch die Tamponirung grösserer Wunden damit nicht in
jedem Falle für unbedenklich. Er wünscht kein bleibendes Desinficiens
in der Wunde, so lange es möglich ist, durch ausreichende Ausräumung,
Anlegung weiter Abflusscanäle und energische Absaugung der Secrete
die Desinfection derselben ausserhalb des Körpers vorzunehmen.*)
Zur Anlegung fixirender Verbände bediente sich L. ausschliesslich
mehrfach zusammengelegter, mit gestärkten Gazebinden umwickelter
Holzspanstreifen, die er in grosser Menge vorbereitet mitgebracht
hatte. Dieselben sind leicht anzulegen und abzunehmen, genügend starr
und doch elastisch und mehrmals zu gebrauchen. Gyps kam ebensowenig
zur Verwendung wie bei Gluck.
Betreffs der Operationen bei septisch Inficirten warnt L. vor zu
grosser Sparsamkeit Er sah beim Zurücklassen der Endigungen von
Jauchecanalen öfter Muskelnekrose in deren Bereich und damit conische
Stumpfbildung. Die ausgeführten Operationen waren folgende:
•) Welche Vorwürfe von berufener und auch recht unberufener Seite sind
nicht gegen die Armee-Sanitäts-Verwaltung gerichtet worden, dass sie dem mit
8500 g bei den Feld-Sanitätsformationen erster und zweiter Linie vertretenen Jodo¬
form nicht einen noch breiteren Kaum gewährt hat! Wir empfehlen diesen Kritikern
Langenbuch’s Ausführungen, die wir durchaus theilen, und den Bericht über
den österreichischen Feldzug in der Herzegowina 1882 von Myrdacz, der bis
jetzt in der nicht militärärztlichen Litteratur keinesweges die ihm gebührende
Beachtung gefunden hat.
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607
Operation
Korpertheil
Zahl
ge¬
heilt
gestor¬
ben
an
Exarticu-
Oberschenkel.
2
2
B
lationen
Knie.■ .
1
1
Fass (3 Syme 3 Chopart)
6
5
H
Trismus
Zehen .
6
6
16
14
m
Amputationen
Oberschenkel.
D
6
3
1 Moribund
■
operirt
1 Embolie
I ;
1 Ent-
■|
kräftung
Unterschenkel.
4
—
Fass.
3
3
16
13
—r
Resectionen
Brustbein.
1
Verjau¬
Rippen .
—
chung des
Schulter gelenk.
—
Media¬
Humeruscontinuität . . .
—
stinum
Ulna.
—
Hand.
i
—
6
1
Debridements
Brust und Bauch ....
16
B
Leberver¬
Oberarm.
9
jauchung
Vorderarm.
2
Hand.
4
Oberschenkel.
6
Unterschenkel.
Fass.
5
5
-
53
52
■ii
Ligatnr
Femoralis.
2
2
—
Summa
93
87
6
Da alle Operirten septisch inficirt waren, so sind diese Erfolge
erstaanlich. Wir haben die Tabelle aber noch aus einem anderen Grande
mitgetheilt. Sie gewährt einen Blick auf die Umgestaltung der kriegs-
chirurgiscben Indicationen durch die Antiseptik. Die typischen Operationen
incl. der Continuitätsligaturen treten zurück gegenüber den Debridements
mit Erhaltung des Gliedes. Diese Entwickelung ist seit v. Volkmann’s
berühmter Abhandlung über die Behandlung der complicirten Fracturen
eine durchaus stetige gewesen; sie hat im Feldzage 1877/78, da, wo
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608
Antiseptiker thatig waren, ihren Fortgang gezeigt, nnd noch letzthin
konnten wir bei Besprechung der Thätigkeit der französischen Chirurgen
in Tonking auf sie Bezog nehmen. In L.’s Tabelle tritt sie besonders
sinnfällig in die Erscheinung. Körting.
Statistischer Sanitätsbericht ober die Kaiserlich Deutsche
Marine für den Zeitraum vom 1. April 1883 bis 31. März 1885.
(Beilage zum Marineverordnungsblatt No. 11.)
Die Anordnung des vorliegenden Berichts ist dieselbe geblieben, wie
in den früheren Jahren, nur erstreckt sich die Berichterstattung diesmal
über einen zweijährigen Zeitraum, während früher die Berichte alljährlich
zu erscheinen pflegten. Der I. Th eil bespricht die Kränklichkeit, den
Abgang durch Dienstunbrauchbarkeit und Invalidität sowie die Sterblich¬
keit im Allgemeinen, während der II. Theil im Speciellen die Krank¬
heitsverhältnisse auf den verschiedenen Schiffsstationen und bei den
Marinetheilen am Lande betrachtet. Im III. Theil werden reichhaltige
tabellarische Krankheits-Uebersichten gegeben. — Die bisherigen aus¬
wärtigen Schiffsstationen sind im 2. Berichtjahre um eine — Afrika —
vermehrt worden.
Nachstehende Uebersicht ergiebt die wichtigsten Zahlen der Kranken¬
bewegung auf den verschiedenen Stationen und am Lande.
An Bord der Schiffe in
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0
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ce
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Ost-Asie
Südsee
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53 O
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~ -X
P
Besatzongs- TI 883/841
stärke aufZeitJ [Mann
9 reducirt 11884/85J
1743
218
1071
205
—
2512
i
4730
10479
1770
191
633
61
911
2631
6000
12197
Kranken- ( 1883 / 84 L ,
Zugang { 1884/85 J 00
1153,2
1151,4
j 775,0
^ 1092,7
1
1177,9
1241,4
1159,1
1580,8 1
1607,3
1
1037,9
1 1
1049,2 !
1363,3
773,1
918,3
1034.0
Abgang %o
1076,3^
gcheilt | 1884/85
1064,2'
713,4
921,9
900,5
925,9
1155,8
1029,7
1513,6
1471,2
966,8
901,6,
1215,1
567,8
KCjjjJjj
859,5
933,4
gestorben j
l,l|
3 , 4 :
—
2,8
6,3
3,3
0,4
2,7
3,3
1,7
0 6
. . ( 1883/84
evacuirt j 1884 } 85
44,2
41,3
44,8
161,0
_
271,4
147,7
24,5
92,1
46,3,
62,8
22,1
98,0
53,8
199,6
111,0
21,5
67,0
Im Bestand t 1883/84 ) Q ,
31 ,g|
45,9|
14,0|
9,8
6,0
16,8
58,4
35,6
verblieben ( 1884/85 J /0 °
17,5
73,3,
1
42,71
49,2
91, lj
5,3
27,7
34,0
30.5
ode
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609
Der Gesammt-Krankenzugang hatte somit im 2. Berichtjahr am
1254 %o abgenommen and zwar war diese Abnahme bedingt durch Ver¬
besserung des Gesundheitszustandes am Lande namentlich hei der Nord¬
see-Station. An Bord war eine Vermehrung des Zugangs um 54,7 %o ein¬
getreten.
Die'durchschnittliche Beh andlungsdauer stellte sich überhaupt
in der Marine l883/*4 auf 12/2 und 1884/85 auf 11,8 Tage, und zwar
war dieselbe an Bord etwas langer, als am Lande. Die ungünstigsten
Verhältnisse zeigten hierbei die Schiffe in tropischen Gewässern, wo die
durchschnittliche Behandlungsdauer bis zu 21.4 Tagen betrug.
Der tägliche Krankenstand — im Ganzen 1883/84 41,2%o und
1884/85 35,4 %o — war an Bord um 3,0 bezw. 11,2 %o höher ,als am Lande.
Am grössten war derselbe in der Südsee, wo täglich 69,7 bezw. 68,5 %o
der Besatzung krank waren.
Unter den allgemeinen Erkrankungen (116,2 bezw. 138,4%o)
waren die eigentlichen acuten Infectionskrankheiten mit 76,5 bezw. I07.8°/oo
vertreten; vorherrschend waren Malariafieber (66,0 bezw. 97,4 °/oo),
welche vorwiegend im Auslande acquirirt wurden. Am häufigsten waren
Malariafieber auf den Schiffen in Ostasien und Afrika, wo 1884/85 der
Zugang an solchen 367,8 bezw. 271,1 %o betrug. — Remittenten wurden
1883/84 40 und 1884/85 502 Fälle beobachtet, von denen 402 mit 7 Todes¬
fällen auf Ostasien, 92 mit 2 Todesfällen auf Afrika, 5 auf die Südsee
und 3 auf das Mittelmeer entfielen. — Abdominaltyphus wurde im
Ganzen 52 mal (4 mal mit tödtlichem Ausgange) beobachtet. Ostasien
war am meisten betroffen (17 Fälle), demnächst folgten Amerika mit 5
und Afrika mit 4 Erkrankungen. Von Ruhr kamen während der beiden
Jahre 64 Fälle zur Beobachtung, 59 derselben entfielen auf die Schiffe
im Auslände; 1 Fall endete in Amerika tödtlich. — Asiatische Cholera
trat nur 1883/84 auf unseren Schiffen auf und zwar in je 4 Fällen in
Ostasien und der Südsee; 1 Mann erlag der Krankheit. — Acute
Exantheme kamen vorwiegend am Lande vor (26 mal Scharlach, 7 mal
Masern, 1 mal modificirte Pocken); im Auslande wurden nur 1 Fall von
Masern (Südsee) und 2 Fälle von Pocken (Ostasien) beobachtet. — Vom
Hitzschlag wurden 26 Mann befallen und zwar waren es meist Leute
in der Maschine bezw. im Heizraum während des Dämpfens in den
Tropen, 1 mal erfolgte der Tod. — Skorbut endlich kam nur 1 mal am
Lande vor; an Bord wurde die Krankheit infolge der Verbesserung der
Ernährung und der sonstigen hygienischen Verhältnisse während des
2jährigen Berichtzeitraums nicht beobachtet.
Krankheiten der Athmungsorgane —1883/84im Ganzen 102,4%o
und 1884/85 76,8 °/oo — kamen überwiegend am Lande vor and waren auf
den Schiffen in tropischen Gewässern recht selten.
Krankheiten der Ernährungsorgane dagegen waren nach Aus¬
schluss der Mandelentzündungen, welche ätiologisch und nach ihrer Ver¬
breitung der Gruppe der Athmungsorgane zuzuzählen sind, an Bord im
Auslande erheblich häufiger, als am Lande, indem dort 1883/84 119,5 %o
und 1884/85 170,8 %o an solchen erkrankten, während am Lande nur
62,9 bezw. 81,8 %o dieser Erkrankungen vorkamen. Namentlich häufig
waren an Bord im Auslande acute und chronische Catarrhe des Magens
und des Darms, d. h. derjenigen Organe, welche zuerst und am meisten
direct und indirect von der Nahrung beeinflusst werden.
Venerische Leiden (im Ganzen 155,3 bezw. 108,6°/oo) waren im
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2. Berichtjahre am 46,7 °/oo vermindert. 1883/84 fiel das Maximam des
Zugangs mit 213,4 % 0 auf Ostasien, 1884/85 dagegen mit 261,7 %© auf
die Südsee.
Von mechanischen Verletzungen gingen 1883/84 249,2 %o and
1884/85 226,2 %o za und zwar waren die Schiffsbesatzungen und Marine¬
theile am Lande ungefähr in gleicher Weise betroffen; die schweren
Verletzungen aber waren auf den Schiffen weit überwiegend, z. B. kamen
von 135 Knochenbrüchen und Verrenkungen 90, und von 2481 Quetschungen
und Zerreissungen 1647 an Bord vor.
Von den einzelnen Besatzungskategorien hatten, wie in früheren
Jahren, das Matrosenpersonal den höchsten, Offiziere etc. und Handwerker
dagegen den niedrigsten Zugang.
Als dienstunbrauchbar wurden in beiden Jahren zusammen ge¬
nommen 287 Mann (12,6 °/oo) entlassen und zwar 144 — 6,4 %o — ent¬
weder sofort nach der Einstellung oder innerhalb der nächsten 3 Monate.
Den häufigsten Anlass zur Dienstunbrauchbarkeit gaben Leiden der Augen
und der Bewegungsorgane, demnächst Eingeweidebrüche und Lungen¬
schwindsucht.
Als halbinvalide gelangten 52 Mann (2,3%o) und als ganzin¬
valide 71 Mann (3,2 % 0 ) zur Entlassung. Den häufigsten Anlass zur
Invalidität gaben Leiden der Bewegungsorgane (Functionsstorungen der
Arme bezw. Beine nach Knochenbrüchen und anderen schweren Ver¬
letzungen); 65 mal lag äussere und 13 mal innere Dienstbeschädigung vor;
4 mal war sie nach contagiöser Augenkrankheit (im Ausland erworben)
und 41 mal nach vieljähriger Dienstzeit entstanden.
Die gesammte Sterblichkeit belief sich auf 123 Todesfälle, von
denen 62 an Bord und 61 am Lande vorkamen. Im Verhältniss zur
Kopfstärke starben an Bord 5,2 %o, am Lande 5,7 °/oo und überhaupt in
der Marine 5,4 °/oo. An Bord endeten 3,0 %o durch Krankheit, 0,2 %*
durch Selbstmord pnd 2,0 %>o durch Unglücksfall bezw. Verwundung,
während die betreffenden Zahlen am Lande 4.7 %o, 0,5 %o und 0,5 °/oo be¬
trugen. Die Sterblichkeit durch Unglücksfall war demnach an Bord
4 mal grosser, als am Lande, während hier die Sterblichkeit durch Krank¬
heit erheblich überwog. Die häufigste Ursache zu Todesfällen durch
Krankheit gaben Lungenleiden (40 mal, davon 30 mal am Lande); Todes¬
fälle durch Malariafieber kamen ausschliesslich im Auslande vor (7 in
Ostasien und 2 in Afrika). — Durch Selbstmord starben 3 Mann an Bord
und 5 am Lande, durch Unglücksfall etc. dort 24 und hier 5 Mann; Fall
über Bord bezw. aus der Takelung an Deck gaben am häufigsten Anlass.
Von den speciellen Krankheitsverhältnissen auf den einzdnen Schiffs¬
stationen, die im II. Theil ausführlich besprochen werden, kann hier nur
auszugsweise Einiges erwähnt werden.
In Ostasien befanden sich 8 Schiffe mit 4407 — auf Zeit reducirt
3513 Mann Besatzung. Es erkrankten während des Berichtzeitraums
4753 Mann (1353,0 %<>), von denen 19 (5,4 %o) theils an Bord theils nach
ihrer Evacuation in Hospitäler starben. — An echten Pocken erkrankte
1 nicht revaccinirter Matrose von „Elisabeth“ in Yokohama, wo Pocken
namentlich unter den Eingeborenen weit verbreitet waren. Trotz des
engen Zusammenlebens an Bord kamen weitere Pockenfälle unter der
Besatzung, welche bis auf den. Erkrankten revaccinirt war, nicht vor. —
Unterleibstyphus wurde in 14 Fällen (mit 1 Todesfall) beobachtet.
Ueber die Art, wie die Infection stattgefunden hatte, liess sich nichts
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Bestimmtes feststellen, es wird indessen in einer Anmerkung darauf hin¬
gewiesen, dass in englischen Sani tatsberichten Erkrankungen an Cholera
und Typhus in japanischen und chinesischen Häfen auf den Genuss von
Limonade und künstlichem Selterwasser, welches von Eingeborenen be¬
zogen worden war, zurückgeführt worden sind. — Malariafieber waren
namentlich im 2. Berichtjahr sehr häufig, indem in diesem 651 Mann
(367,8 %o) an solchen erkrankten, während 1883/84 nur 155 Mann (88,9 %o)
zugegangen waren; in 422 Fällen handelte es sich um Remittenten. Die
Infection wurde in 280 Fällen auf Singapore (New-Harbour) und bei 150
auf Tschifu und Schanghai bezw. Wnsung zuruckgefuhrt, die übrigen
Erkrankungen stammten aus den verschiedensten Plätzen. Am schwersten
waren „Stosch“, „Prinz Adalbert tt und „Leipzig“ betroffen. Die erstge¬
nannten beiden Schiffe hatten der französisch-chinesischen Verwickelungen
wegen während der heissen Monate August bis October in dem ungesunden,
rings von sumpfigem Terrain umgebenen Wusungfluss sich auf halten
müssen und während dieser Zeit 89 schwere Malariafieber acquirirt;
5 derselben führten unter typhösen Erscheinungen schnell zum Tode und
2 weitere Todesfälle traten durch Erschöpfung bei lange bestehendem
hohen Fieber ein. „Leipzig“ dagegen hatte einer Havarie wegen sich in
das Dock New-Harbour bei Singapore begeben und dort 3 Monate ver¬
weilen müssen. Während dieser Zeit erkrankten 316 Mann, fast dreiviertel
der Besatzung, am Fieber. Man dachte anfangs an eine Dengue-Epidemie,
es stellte sich aber in der Folge*heraus, dass es sich um Malaria handelte.
Die Krankheit verlief meist sehr schwer, jedoch traten Todesfälle nicht
ein. — An Ruhr litten 40 Mann mit 26,3 Tagen durchschnittlicher Be¬
handlungsdauer; alle wurden geheilt. — Asiatische Cholera kam 3 mal
auf „Stosch“ und 1 mal auf „Elisabeth“ zur Beobachtung; erstere Er¬
krankungen, von denen 1 tödtlich endete, stammten aus Kung-kung-tau
in Nordchina, die letztere aus Saigon.
In das Marine-Lazareth zu Yokohama wurden 157 Kranke mit
4111 Behandlungstagen aufgenommen. 47 Kranke gehörten deutschen
und 3 russischen Kriegsschiffen an; ausserdem wurden 34 Angehörige
des Deutschen Reichs, 21 Asiaten und 32 Civilisten fremder Nationen
behandelt.
Die Südsee war mit 3 Schiffen besetzt, welche eine Besatzung von
507 — auf Zeit reducirt 409 Mann hatten. Im Ganzen erkrankten 548
Mann (1339,8 %o) ; vorherrschend waren Krankheiten der äusseren Be¬
deckungen. An Malariafiebern litten 20 Mann. Die Fieber wurden am
häufigsten in Neu-Guinea acquirirt, verliefen aber leicht — Asiatische
Cholera kam in 4 Fällen auf „Carola“ in Zugang, nachdem das Schiff
so eben von Batavia weggegangen war; die Erkrankten wurden geheilt
Gegen Ende der Regenzeit traten auf den Samoa-Inseln und den daselbst
liegenden Schiffen Entzündungen bezw. Vereiterungen der Leisten¬
drüsen, verbunden mit hohem intermittirenden Fieber, in epidemischer
Verbreitung auf; Eingeborene und Weisse wurden in gleicher Weise be¬
fallen, die Krankheit verlief aber stets günstig.
In amerikanischen Gewässern befanden sich 6 Schiffe mit 2008
— auf Zeit reducirt 1704 Mann Besatzung. Der Krankenzugang betrug
im Ganzen 1472 Mann (863,8 %o). — Von Malariafieber wurden nur
48 Fälle beobachtet, die meist von Westindischen Inseln stammten und
leicht verliefen. — An Ruhr erkrankten 23 Mann, von denen 1 starb.—
Abdominaltyphus endlich ging in 4 Fällen auf „Marie“ zn. Wo die
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Infection des zuerst Erkraukten stattgehabt hatte, liess sich nicht mit
Sicherheit feststellen, die später Erkrankten hatten sich wahrscheinlich
trotz aller Vorsichtsmaassregeln bei der Wartung und Pflege des ersten
Typhuskranken inficirt.
Die Mittelmeerstation war mit 3 Schiffen besetzt, welche eine
Besatzung von 408 — auf Zeit reducirt 266 Mann hatten. Im Ganzen
erkrankten 286 Mann (1075,2 %o) von denen 1 (an Abdominaltyphus)
starb.
Die afrikanische Station wurde 1884/85 neu errichtet und zwar
befanden sich 7 Schiffe längere oder kürzere Zeit auf derselben, welche
eine Besatzung von 1718 — auf Zeit reducirt 911 Mann hatten. — Der
Krankenzugang betrug 1242 Mann (1363,3 %>o), von denen 9 (9,9 %o)
starben. Am zahlreichsten waren die Allgemein-Erkrankungen (309,6 %•)
und unter diesen die Malariafieber, von denen 247 Fälle (271,1 °/oo) mit
92 Remittenten behandelt wurden; 200 derselben wurden geheilt, 18 auf
andere Schiffe evacuirt, 2 starben und 27 blieben im Bestand. Bei weitem
die Mehrzahl der Fieber war auf den Aufenthalt im Kamernnflnsse zu*
ruckzuführen; letzterer hat flache, vielfach mit Mangroven bewachsene
Ufer, die bei der Ebbe weithin trocken fallen. Von diesen Ufern gehen
zahlreiche Wasserläufe aus, welche während der Ebbe ausgedehnte mit
zahlreichen Wassertümpeln versehene Sümpfe darstellen, also locale Ver¬
hältnisse darbieten, wie sie zur Erzeugung von Malaria, zumal unter der
Einwirkung des Tropenklimas, als sehr geeignet bekannt sind. So sind
auch unter den dort wohnenden Europäern die Fieber recht häufig, zumal
die Wohnsitze nicht auf höher gelegenen Punkten der Ufer, sondern aus
Handelsrücksichten dicht am Flusse, bezw. auf Hulks aufgeschlagen sind,
welche im Flusse verankert liegen. Auch unter den an letzterem wohnen¬
den Eingeborenen kommt Malaria vor, aber seltener und nur in leichten
Formen. — Recht häufig waren ferner Krankheiten der Ernährungs¬
organe infolge der andauernden Verpflegung mit Dauer-Proviant. Auf
„Bismarck* B., wo während eines Aufenthaltes von 103 Tagen in
Kamerun nur an 6 Tagen Frischproviant hatte verausgabt werden können,
gingen 436,3%o solcher Erkrankungen zu. — Unter den mechanischen
Verletzungen werden die Verwundungen aufgezählt, welche bei dem
Gefecht im Kamerunfluss am 20. December 1884 vorgekommen
waren; es waren die Folgenden: 1) Schuss in das linke Scheitelbein mit
Gebirnvorfall; Tod nach 12 Stunden. — 2) Schuss durch das rechte Auge;
die Kugel war dicht vor und über dem äusseren Gehörgang eingetreten
und batte den Bulbus zerstört; Heilung unter Sublimatmull-Verbänden. —
3) Weichtbeil-Schusswunde des linken Oberarms und der linken Schulter;
die Kugel hatte zunächst den Arm und dann noch die Schulter durch¬
bohrt, sodass je 2 Ein- und Austrittsöffnungen vorhanden waren; Heilung
in 3 Wochen. — 4) Schuss in die linke Schulter ohne Knochenverletzung;
Heilung in 2 Wochen. — 5) Schusswunde in die Brust; die Kugel war
in die linke Brustseite ein- und in der Mitte des Rückens ausgetreten;
Heilung nach 4 Wochen. — 6) Schuss in die rechte Backe; das Projectil
war im Oberkiefer stecken geblieben und wurde von der Mundhöhle aus
entfernt; schnelle Heilung. — Ausserdem kamen noch 3 ganz leichte Ver¬
wundungen vor.
Die Schiffe des westafrikanischen Geschwaders waren mit Sublimat-
Verbandstoffen ausgerüstet, wie sie jetzt in der Marine allgemein eingeführt
sind, und das neue Verbandmaterial hat sich hei diesen Verwundungen,
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613
sowie bei den zahlreichen anderen mechanischen Verletzungen ganz vor¬
trefflich bewährt; Reizerscheinnngen oder gar Vergiftungssymptome traten
nie aaf, Wandkrank beiten worden mit Sicherheit vermieden. Als weiterer
Vorzog des Sublimatmull-Verbandes wird die Geruchlosigkeit desselben
hervorgehoben, welche bei den engen Verhältnissen an Bord nicht hoch
genug zu schätzen ist. Auf „ Bismarck“ wurde auch die relativ kurze
Durchschnittsbehandlung der chronischen Hantgeschwüre, Zellgewebsent¬
zündungen etc. zum grössten Theil dem neu eingeführten Antisepticum
zugeschrieben.
In den heimischen Gewässern befand sich eine grosse Anzahl
von Schiffen, meist zu Uebungszwecken, im Dienst; die Besatzung der¬
selben betrug 12 218, auf Zeit reducirt 5143 Mann. Es erkrankten
4978 Mann (967,9 %o), vorwiegend waren mechanische Verletzungen.
Die Durchschnittsstärke der am Lande befindlichen Marinetheile
endlich betrug 1883/84 4730 und 1884/85 6000 Mann. Im Ganzen wurden
während beider Jahre 11 106 Mann (1035,0 %o) behandelt und zwar war
die Nordsee-Station 2—3 fach so stark betroffen, wie die Ostsee-Station.
Obwohl jedoch der Krankenzugang in Wilhelmshaven noch immer be¬
deutend höher ist, als in Kiel, haben sich die Gesundheitsverhältnisse in
ersterer Stadt gegen früher ganz erheblich ^gebessert; denn noch 1881/82
waren daselbst die Allgemein-Erkrankungen 6 mal häufiger gewesen, als
in Kiel. Diese Besserung tritt besonders bei den Wechselfieber-Er¬
krankungen zu Tage, indem 1881/82 214,5 %o, 1882/83 172,1 %o,
1883/84 124,1 %o und 1884/85 nur noch 60,0 %o an solchen erkrankten.
Eiste.
Lehrbuch der Pathologischen Mykologie, Vorlesungen für
Aerzte und Studirende. Von Dr. Baum garten, a. ö. Professor
an der Universität Königsberg. Erste Hälfte. Allgemeiner Tbeil,
mit 25, grösstentheils nach eigenen Präparaten des Verfassers, in
Photozinkographie ausgeführten Original-Abbildungen. (Preis 5 Mark.)
Braunschweig, Harald Brubn, Verlagsbuchhandlung 1 für Natur¬
wissenschaft und Medicin. 1886.
Kaum ein halbes Jahr ist vergangen, seit uns Bau mg arten mit
seinem vortrefflichen „Jahresbericht über die Fortschritte in der Lehre
von den pathogenen Mikroorganismen“ beschenkt hat, und schon wieder
tritt der überaus rührige Autor mit einem neuen, umfangreichen Werke
vor die Oeffentlichkeit! —
Wie wir in unserem Referate über die erstgenannte Arbeit Baom-
garten’s (cfr. Heft 7 S. 357 dieser Zeitschrift) sagten, der Name des
Autors allein bürge für deren Gründlichkeit und Sachgemässheit, so gilt
dies in fast noch höherem Grade von der uns vorliegenden „Ersten
Hälfte“ des neuen Lehrbuchs. — Was uns zunächst und hauptsächlich
bei der Lectüre gefesselt uud geradezu wohlgethan hat, ist die überaus
klare, präcise Art der Diction und die, den Leser wie ein erfrischender
Hauch anwehende, scharfe und dabei doch streng objectiv, das pro et contra
stets gewissenhaft ab wägende Kritik, welche durch das ganze Buch hin¬
durchgeht. Weder die anscheinend bestbegründete, noch die spitzfindigste,
bestechendste Hypothese bleibt unzergliedert. Ueberall sehen wir das
Messer des Anatomen, welcher den Dingen auf den Grund geht und,
„schichtweise“ vordringend, stets den wahren Kern der Sache blosszulegen
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bestrebt ist. Und gerade ein Capitel, wie das vorliegende, verlangt eben
diese Art des Vorgebens, wenn dem grossen, nicht specialistischen Lese-
publicum ein wirklicher Nutzen geschafft, und Missverständnisse bezw.
Täuschungen, wie sie gerade bei einem relativ so jungen, rasch auf¬
strebenden Forschungsgebiet, wie dem bacteriologischen — nach der
optimistischen wie pessimistischen Seite hin —, sich so leicht Geltung
verschaffen, klargelegt und beseitigt werden sollen.
Die pathologische Mykologie ist bis jetzt von keiner der verschiedenen
Disciplinen des medicinischen Studiums vollständig übernommen; wenn
der Verfasser dieselbe mit dem vorliegenden Werke für die pathologische
Anatomie reclamirt, so geschieht dies in dem vollen Bewusstsein, dass
sie, in dieses Forschungsgebiet vollberechtigt aufgenommen, durch dasselbe
befruchtet und dasselbe wieder befruchtend, „als ein wesentlicher Theil
der pathologisch-anatomischen Lehre behandelt, hier den geeigneten Boden
ihrer eigenen Entwickelnng und auch die pathologische Anatomie ihr
(der Bacteriologie) weitreichendes Licht der Aufklärung über die Pathologie
zu verbreiten, die geeigneten Mittel findet“. —
Das Buch soll, durch Zusammenfassung aller auf dem Gebiete der
Bacteriologie wissenswerthen und an verschiedenen Orten zerstreuten
Details, in erster Linie ein Bedürfniss der Medicin Studirenden befriedigen
und sie, ohne natürlich den Unterricht durch Vorlesungen und eigenes
praktisches Arbeiten zu ersetzen, vor allen Dingen einführen in die Lehre,
ihnen Anleitung geben, die Vorlesungen ergänzen und für das weitere
Stndium eine leicht fassliche Stütze gewähren. Indess auch dem ärztlichen
Publicum will das Werk einen Dienst erweisen, indem es dem denkenden
Arzt, der bisher genöthigt war, bei seinen Beobachtungen am Kranken¬
bette die Krankheitserscheinungen als etwas thatsäcblich Gegebenes, Un¬
vermitteltes mit seinem sonstigen Wissen von der Natur hinzunehmen,
eine Brücke herstellt, welche zu einer befriedigenden Verbindung seiner
physiologischen, pathologisch-anatomischen und sonstigen Kenntnisse mit
dem Inhalte seines eigenen Beobachtungsmaterials führt. — Dieser zwei¬
fachen Aufgabe ist, unseres Erachtens nach, der Verfasser voll und ganz
gerecht geworden. Die Art der Darstellung in Form von „Vorlesungen“
gestattete es, das an sich oft etwas spröde, trockene Material, ohne der
Wissenschaftlichkeit Abbruch zu thun, in ein leichteres, gefälligeres Gewand
zu kleiden, als es in der Regel systematische Lehrbücher aufzuweisen
pflegen, und hierdurch das Interesse des Lesers dauernd zu fesseln. Der
Stoff ist durchaus harmonisch abgewogen, nirgends ein Zuviel und ein
Zuwenig. Auch der Specialist wird an zahlreichen Stellen Anregung und
durch die Eigenartigkeit des Verfassers in der Auffassung und Erklärung
hypothetischer Gegenstände Genuss und Belehrung finden.
In der ersten Vorlesung wird in knapper Form ein historisch-kritischer
Ueberblick über die Entwickelung der Lehre von pathogenen Mikro¬
organismen gegeben und vor Allem das unvergängliche Verdienst R. Koch’s
auf dem Gebiet der Bacterienerforscbung ins hellste Licht gestellt.
Die zweite Vorlesung enthält die Besprechung der allgemeinen Morpho¬
logie und Biologie der pathogenen Mikroorganismen (a. Pilze, b. Bacterien,
c. Mycetozoen, Flagellaten und Protozoen). Vortreffliche Abbildungen
im Text erleichtern das Verständniss der einzelnen Formen und Arten
wesentlich.
Die dritte Vorlesung bringt Allgemeines über Infection: Vorkommen
und Verbreitung der pathogenen Mikroorganismen ausserhalb des Menschen-
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und Thierkörpers; Gefahr und Art der Ansteckung; künstliche Ab-
schwächung, Schutzimpfung, Immunität und Prädisposition; locale und
allgemeine Infection. Vererbung pathogener Mikroorganismen; Erklärungs¬
versuch der pathogenen Wirkung. Heilung infectiöser Krankheiten.
In der vierten Vorlesung wird die Frage der Mutabilität der ßacterien
und Pilze, sowie die Classification der Bacterien abgehandelt und ein
übersichtliches, unseren jetzigen Kenntnissen entsprechendes Schema der
betreffenden Mikroorganismen zusammengestellt.
Mit dem mikroskopischen Nachweise der pathogenen Mikroorganismen,
den Culturmethoden, den lnfectionsversuchen an Thieren und endlich
den Desinfectionsmethoden beschäftigen sich die Vorlesungen 5, 6 und 7.
Jeder einzelnen Vorlesung ist eine sorgfältige Zusammenstellung der
Litter&tur, auf welche die Darstellung der einzelnen Thatsachen sich
gründet, beigefügt. —
Der specielle Theil wird in weiteren sieben Vorlesungen enthalten:
die einzelnen, insbesondere die menschliche Pathologie interessirenden,
pathogenen Mikroorganismen. —
Wenn derselbe, woran wir keinen Augenblick zweifeln, seinem Vor¬
gänger sich gleichwertbig erweist, so glauben wir, dem Lehrbuch eine
sehr günstige Aufnahme und weite Verbreitung prognosticiren zu können.
Pfuhl (Hamburg).
In der No. 16/1886 der „Archives de Mödecine et de Pharmacie militaires*
finden wir eine Abhandlung: Ueber die Veränderungen, welche
die in Magazinen lagernden Instrumente aus Kautschuk
erleiden, und über die Mittel zur Abhülfe.
Es handelt sich um den Auszug eine9 von der „Revisions-Commission
der Modelle des Sanitätsmaterials“ dem Ministerium erstatteten Berichtes
über eine Frage, welche auch für uns von hohem Interesse ist.
Instrumente aus Kautschuk verändern sich mehr oder weniger,
wenn sie einige Jahre in Magazinen gelegen haben; das Material wird
trocken, brüchig und ^unelastisch, namentlich, wenn es in Büchsen auf¬
bewahrt wurde, wie die Gummibinden von „Esmarch“, Nicaise, die Drain¬
röhren, wenn sie gerollt und geknickt lagen. Weniger leiden die betr.
Bestandtheile der Sprayapparate (Richardson, Ballon am Politzer etc.).
Die Nachfragen bei Kaufleuten und Fabrikanten über ihre Methoden,
diese Uebelstände zu vermeiden, hatten keine befriedigenden Resultate.
Bei der jetzigen Aufbewahrungsweise ist die Conservirung unmöglich;
die „Bandes d’Esmarck et de Nicaise tt müssen mindestens ein Mal monat¬
lich herausgenommen und tüchtig gedehnt, die Drainröhren im Freien
oder in aseptischer Flüssigkeit aufgehängt, und Alles an einem feuchten,
constant kühlen, dunklen Orte aufbewahrt werden. Alle diese Bedin¬
gungen zu erfüllen, ist unmöglich; die empfohlenen Vorsichtsmaassregeln
sind entweder unzureichend, oder auch nicht ausführbar. Es muss des¬
halb, namentlich für die drei genannten Gegenstände (Esmarch’s Binden,
Nicaise’s Schläuche, Drainröhren), welche kostspielig und doch in grossen
Mengen aufzubewahren sind, nach einem widerstandsfähigeren Material
gesucht werden. Die bisher gebräuchlichen Esmarcb'schen Binden aus
Gummi- und Seidengewebe sind ganz zu verwerfen. Die dünnen Gummi¬
fäden verändern sich sehr leicht, die Binden sind sehr schwer zu reinigen.
Die Commission dachte zuerst daran, elastische Binden überhaupt für
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überflüssig za erküren, weil ein geschickter Chirorg die Blutleere auch
mit einer gewöhnlichen trocknen oder angefeucbteten (natürlich nach
dem Anlegen von der Peripherie her befeuchteten, Ref.) leinenen, seidenen
oder Flanellbinde, nach vorheriger Elevation, ausführen könne. Vielfache
Versuche haben aber ergeben, dass dies doch nur ein Nothbehelf sein
kann. Möglich ist es, völlige Blutleere auf diese Weise herzustellen; aber
die Methode ist schwierig und unsicher, sie verlangt grosse Kraftanwen¬
dung (stimmt nicht mit unseren Erfahrungen, Ref.) und macht ein Tour-
niquet notbwendig. Elastisches Material ist also nicht zu entbehren; es
wird aber für die unbrauchbaren elastischen Gewebe, und an Stelle des
gewöhnlichen Kautschuk die Beschaffung des K. pur en feuille, K. en
feuilles anglais, dit „Mackintosch“ empfohlen, welcher dem Einfloss der
Luft am besten widersteht. Er ist weiss, wenn er bei 140 ° vnlcanisirt
war; durch Färbung mit metallischen Substanzen wird er immer unrein,
weniger elastisch und haltbar. Das sicherste Mittel, die Qualität zu er¬
kennen, ist das Gewicht; je reiner er ist, desto weniger wiegt er. Bei
mehr als 140° darf er nicht vnlcanisirt sein, weil er sonst unrein und
schlecht wird. — Auf Grund dieser Ergebnisse hat die Commission eine
Reibe von Modellen herstellen lassen, um durch Versuche die grössere
Haltbarkeit zu constatiren. Binden und Drains wurden mit Blut, Eiter,
verschiedenen antiseptischen Flüssigkeiten in Berührung gebracht,
auch mehrere Tage bei einer Temperatur von 60° aufbewahrt, ohne
irgendwie zu leiden (freilich immer noch keine jahrelange Magazin¬
lagerang, Ref.). Auch die verschiedenen Ballons sind aus demselben
Material hergestellt; nur wird dieses mit Schwefelkohlenstoff und Kal.
carbon. behandelt, nicht bei 140 ° vnlcanisirt. Der Preis ist derselbe; die
Commission empfiehlt deshalb vollständigen Ersatz der betr. Bestände und
giebt in einer genauen „Notice“ weitere Vorschriften für Fabrikation,
Beurtheilung, Verwendung, Aufbewahrung; für Herstellung Esmarch'scher
Binden, Nicaise’scher Schläuche, Drains, Gummikatheter, Sonden, für
Injections- und Spray-Apparate u. s. w. Zum Schlüsse wird bei der grossen
Wichtigkeit, welche die Art des Vulcanisirens hat, vorgeschlagen, dass
ein sachverständiger Beamter diesen Theil der Fabrikation überwacht und
dass in seiner Gegenwart die gelieferten Stücke vor dem Vulcanisiren
(H. M. und Monat und Jahr) abzustempeln sind. A. Koehler.
Mittheilungen.
Auf Anregung des Generalarztes der Landwehr Dr. Wasserfuhr
und unter reger Betheiligung einer grossen Zahl der betr. Collegen hat sich
im September die Bildung eines kameradschaftlichen Vereines
unter den Sanitätsoffizieren des Reserve-Land wehr-Regiments
(1. Berlin) No. 35 vollzogen. Der Verein bezweckt nach den vorliegenden,
vom Bezirkscommandeur genehmigten Statuten die Pflege ehrenhafter und
kameradschaftlicher Gesinnung durch gesellige Zusammenkünfte und
geeignete wissenschaftliche Vorträge. Im Vorstande sind ausser dem Ge¬
nannten die Herren Ober-Stabsarzt der Landwehr Dr. Marcuse, Stabs¬
ärzte der Landwehr etc. Becher, Braehmer, Gaffky, Jung, Menger.
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Wir wünschen dem joDgeo Unternehmen von Herzen Gluck. Das¬
selbe kann nur dazu dienen, die gemeinschaftlichen Interessen des gesamm-
ten Sanitätsoffizier-Corps zn heben und zu fördern. Ktg.
Am 3. August 1886 starb zu Haipbong an Malaria der Chefarzt des
dortigen Lazareths, Medecin principal Zuber, noch nicht 40 Jahre alt.
Einer der hervorragendsten französischen Sanitätsoffiziere, eng betheiligt
an den grossen reorganisatorischen Arbeiten des Sanitätscorps, dem er
angehörte, ist er auch den deutschen Militärärzten in gutem Andenken,
die Paris besuchten nnd sich beim Studium französischer Einrichtungen
seiner Beihulfe erfreuen konnten. 1883 hatte Unterzeichneter Gelegenheit,
Z. mehrmals durch die Hygiene-Ausstellung zu fuhren und hierbei sein
gründliches Wissen wie seinen kritischen Verstand kennen zu lernen.
Die Archives de medecine et de pharmacie militaires widmen ihm, ihrem
Mitbegründer und thätigen Förderer, Worte der wärmsten Anerkennung.
_ Ktg.
General-Rapport
von den Kranken der Königlich Preussischen Armee, des XII. (Königlich
Sächsischen) und des XIII. (Königlich Wurttembergischen) Armee-Corps,
sowie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich Bayerischen
Besatzungs-Brigade pro Monat September 1886.
1) Bestand am 31. August 1886 : 8 583 Mann und 43 Invaliden
2) Zugang:
im Lazareth 8 668 Mann und 1 Invaliden,
im Revier 7 908 - - 12 _
Sum ma 16 576 Mann und 13 Invaliden.
Mithin Summa des Bestandes und Zuganges 25 153 Mann und 56 Invaliden,
in Procenten der Effectivstärke 7,5% und 19,7%.
3) Abgang:
geheilt. 16 450 Mann, 15 Invaliden,
gestorben .... 84 —
invalide. 194 - —
dienstunbrauchbar . 216 —
anderweitig . . . 1256 - —
Summa . . 18 200 Mann, 15 Invaliden.
4) Hiernach sind:
geheilt 65,4% der Kranken der Armee und 26,8% der erkrankten
Invaliden,
gestorben 0,33% der Kranken der Armee und —,% der erkrankten
Invaliden.
5) Mithin Bestand:
am 30. September 1886 6 959 Mann und 41 Invaliden,
in Procenten der Effectivstärke 2,1% und 14,4%.
Von diesem Krankenstände befanden sich:
im Lazareth 5 064 Mann und 6 Invaliden,
im Revier 1895 - 35
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Es sind also von 300 Kranken 196,2 geheilt, 1,0 gestorben, 2.3 als
invalide v 2,6 als dienstunbranchbar, 15,0 anderweitig abgegangen, 82,9 im
Bestand geblieben.
Von den Gestorbenen der activen Truppen haben gelitten an:
Scharlach 1, Blutvergiftung 2, Unterleibstyphus 17, acutem Gelenkrheu¬
matismus 1, Blutarmuth 1, Hitzschlag 2, bösartigen Geschwülsten 1,
Wundstarrkrampf 1, Hirn- und Hirnhautleiden 4, acutem Kehlkopf- und
Luftröhrenkatarrh 1, Lungenentzündung 12, Lungenschwindsucht 18,
Brustfellentzündung 2, Blinddarmentzündung 1, Leberleiden 3, Bauchfell¬
entzündung 7, Nierenleiden 1, Zellgewebsentzündung 1, Knochen- und
Knochenhautentzündung 2, Kniegelenksentzündung 1; an den Folgen
einer Verunglückung: Hufschlag 1, Sturz vom Bagagewagen 1, durch
Zusammenstoss zweier Eisenbahnzüge 1; an den Folgen eines Selbst¬
mordversuchs: Erschiessen 2.
Mit Hinzurechnung der niöht in militarärztlicher Behandlung Verstor¬
benen sind in der Armee im Ganzen noch 38 Todesfälle vorgekommen,
davon 8 durch Krankheiten, 15 durch Verunglückung, 15 durch Selbstmord.
Von den Invaliden: durch Krankheiten 1; so dass die Armee im Ganzen
122 Mann und 1 Invaliden durch den Tod verloren hat.
Nachträglich pro August er.:
3 Verunglückungen durch Ertrinken, 2 Selbstmorde durch Vergiftung
und Ertränken.
Gedruckt in der Königlichen Hofbuehdruckerei Ton B.S. Mittler und Sohn in Berlin, Kochetruee iS-70,
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Amtliches Beiblatt
zar
Deutschen militärärztlichen Zeitschrift.
1886. — Fünfzehnter Jahrgang. — M 1.
Berlin, den 27. November 1885.
Zusammensetzung der Prüfungs-Commission
für die militärärztlichen Prüfungen des Jahres 1886.
I. Für specielle Kriegschirurgie und Operationen.
1. Generalarzt 1. Classe a la suite des Sanitäts-Corps, Geheimer Ober-Medicinal-
Rath, Professor Dr. Barde leben.
2. Königlich bayerischer Generalarzt 1. Classe a la suite, Geheimer Medicinal-Rath,
Professor Dr. v. Bergmann.
II. Für die Kriegsheilkunde im Allgemeinen.
3. Oberstabsarzt 1. Classe und 2. Garnisonarzt von Berlin Dr. Grasnick. (An
Stelle des Oberstabsarztes 1. Classe Dr. Wolff vom 2. Garde-Ulanen-Regiment,
welcher auf seinen Antrag von den Functionen als Examinator enthoben ist.)
4. Oberstabsarzt 1. Classe und Regimentsarzt des 2. Garde-Feld-Artillerie-Regiments,
Professor Dr. Fraentzel.
5. Oberstabsarzt 2. Classe und Regimentsarzt des 3. Garde-Grenadier-Regiments
Königin Dr. Karpinski. .
6. Oberstabsarzt 2. Classe und Bataillonsarzt des 2. Bataillons 2. Garde-Regiments
z. F. Dr. Köhler. (An Stelle des verstorbenen Oberstabsarztes 1. Classe
Dr. Starcke.)
in. Für Militärgesundheitspflege und Sanitätspolizei.
7. Generalarzt 1. CI. a la suite des Sanitäts-Corps, Geheimer Ober-Medicinal-Rath
Dr. Mehlhausen.
8. Generalarzt 2. Classe ä la suite des Sanitäts-Corps, Geheimer Ober-Regierungs-
Rath a. D. Dr. Struck.
IV. Für die Kenntniss der Verwaltung des Militär-Sanitätswesens,
sowie der Militär-Verwaltung im Allgemeinen.
9. Generalarzt 1. Classe und Subdirector des medicinisch-chirurgischen Friedrich-
Wilhelms-Instituts Dr. Schubert.
10. Oberstabsarzt 1. Classe und Regimentsarzt des 2. Garde-Regiments z. F.
Dr. Burchardt.
11. Oberstabsarzt 1. Classe an der Militär-Tum-Anstalt, Professor Dr. Rabl-
Rückhard.
12. Generalarzt 1. Classe der Marine Dr. Wenzel. (Nur für Marineärzte.)
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Die mündliche praktische Prüfung findet von 1886 ah wiederum nur einmal
jährlich, voraussichtlich im Mai, statt, nachdem die lleberleitung des schriftlichen
Examens auf die Assistenzärzte 1. Classe und des mündlich-praktischen auf Stabs¬
ärzte im 1. Dienstjahre ihrer Charge nunmehr beendet ist.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
v. Lauer. v. Coler.
No. 1202/11. M. M. A.
Berlin, den 12. November 1885.
Die Königliche Intendantur wird ergebenst ersucht, zur Disposition der Unter¬
zeichneten Abtheilung noch weitere
500 ungefütterte blau und weiss gestreifte Krankenröcke,
500 gefütterte dergleichen
neuester Probe gefälligst in Bestellung zu geben und zur Verdingung einen Sub¬
missions-Termin auf den 15. December d. Js. anzuberaumen.
Soweit die Lieferungsfrist keine zu beschränkte wird und dadurch nicht höhere
Preise gefordert werden, sind die Einlieferungs-Termine so zu bedingen, dass die
Abnahme der Lieferungen und die Verrechnung der Kosten möglichst noch im
laufenden Etatsjahre erfolgen kann.
Nach beendeter Submission ist über das Resultat unter Angabe der disponibel
zu stellenden Kosten zu berichten.
Kriegsministerium; Militär-Mediciual-Abtheilung.
v. Lauer. v. Coler.
No. 436. 11. M. M. A.
Berlin, den 19. November 1885.
Die Königliche Intendantur wird ergebenst ersucht, behufs Feststellung des
durchschnittlichen Jahresbetrages an Kosten, welche durch Fortgewährung des Lohnes
an erkrankte Lazareth-Köchinnen während der Zeit ihrer Nichtbeschäftigung wegen
Krankheit entstanden sind, gefälligst hierher mitzutheilen:
a. welche Lazareth-Köchinnen im dortseitigen Verwaltungsbezirk seit dem
1. April v. Js. bis Ende September er. krankheitshalber voriibergehend
den Köchinnendienst nicht haben verrichten können;
b. auf welche Zeitdauer die einzelnen Köchinnen durch Krankheit an der
Ausübung der desfallsigen Dienste verhindert gewesen und
c. welche Lohnbeträge den erkrankten Köchinnen während der Zeit ihrer
Nichtbeschäftigung weitergezahlt worden sind.
Ausserdem wolle die Königliche Intendantur gefälligst näher angeben, welcher
Betrag für sämmtlichc Lazareth-Köchinnen des dortseitigen Verwaltungsbezirks zu¬
sammen jährlich ungefähr als antheiliges Drittel der Krankenversicherungs-Beiträge
von der Militär-Verwaltung zu zahlen ist.
Der Erledigung dieser Verfügung wird bis zum 15. nächsten Monats entgegen¬
gesehen.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
v. Lauer. v. Coler.
No. 344. 11. M. M. A.
Digitized by LjOOQle
s
T*
Berlin, den 23. November 1885.
Der Königlichen Intendantur erwidert die Unterzeichnete Abtheilung auf den
.Bericht vom 30. Juli er. (J.-No. 2866/7 V), in welchem mit Ermächtigung des König¬
lichen Gener&l-Commandos gegen die Von Letzterem angeordnete Verwendung halb-
invalider Unteroffiziere als Lazareth-Rechnungsfuhrer Bedenken administrativer Natur
vorgebracht werden, im Einverständnis mit dem Königlichen Allgemeinen Kriegs-
Departement Nachstehendes ergebenst.
In den Bestimmungen des Friedens-Lazareth-Reglements (§§ 78 ff.) ist zum
Ausdruck gelangt, dass bei denjenigen Lazarethen, wo keine Inspectoren angestelit
sind, qnalificirte Unteroffiziere als Rechnungsführer commandirt werden, dass
dieselben möglichst vor Uebernahme der Rechnungsführer-Geschäfte informatorisch
zu beschäftigen sind, und dass mit denselben so selten wie möglich zu wechseln ist.
An diesen Bestimmungen ist festzuhalten und ist daher dafür Sorge zu tragen,
dass als Lazareth-Rechnungsfuhrer nur geeignete Unteroffiziere commandirt werden.
Die qu. Qualification wird von einem guten Theil der halbinvaliden Unteroffiziere
indess nachgewiesen bezw. auf Grund vorgängiger informatorischer Beschäftigung
unschwer erreicht werden können.
Sind qualificirte Halbinvalide aber verfügbar, so wird durch deren Heranziehung
der doppelte Zweck erreicht, dass einmal diese Halbinvaliden eine angemessene
dienstliche Verwendung finden und ferner die andernfalls zur Wahrnehmung der
Lazarcth-Rechnungsführer-Geschäfte aus dem Frontdienst abzueommandirenden Unter¬
offiziere diesem Dienst erhalten bleiben.
Die Lazareth-Rechnungsführerstellen werden daher grundsätzlich durch quali¬
ficirte Halbinvalide zu besetzen sein, sofern bei letzteren die vorbezeichneten Be¬
dingungen zutreffen und dieselben voraussichtlich erst nach längerer Zeit ans dem
aetiven Dienst ausscheiden.
Die Königliche Intendantur wird ergebenst ersucht, das Weitere hiernach
gefälligst zn veranlassen und dem Königlichen General-Commando darüber Vortrag
zu halten.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
An die Königliche Intendantur 2. Armee-Corps zu Stettin.
Abschrift hiervon wird der Königlichen Intendantur zur gefälligen Kenntniss-
nalimc ergebenst übersandt.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
v. Lauer. v. Coler.
No. 1987/10. M. M. A.
Berlin, den 26. November 1885.
Nach den auf die Verfügung vom 7. August 1884 — J.-No. 255. 7. M. M. A. —-
erstatteten Berichten haben die angesteilten Trageversuche mit Leder-Pantoffeln für
Militär-Lazarethe noch zu keinem Ergebnisse geführt, welches für eine endgültige
Entscheidung als ausreichend zu erachten wäre.
Die Ansichten, ob für das Oberleder Kalb- oder Rindleder am geeignetsten
zu verwenden sei, stehen sich fast zu gleichen Theilen gegenüber: ferner ist von
einzelnen Seiten bemängelt, dass das zum Oberleder der überwiesenen Probe-
Pantoffeln verwendete Material überhaupt nicht gut war und daher vorläufig ein
bestimmtes Urtheil nicht abgegeben werden könne.
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Auch machen sich Stimmen dafür geltend, dass das beabsichtigte Anbringen
einer Futter-Auflage auf der Brandsohle nicht zweckmässig erscheine, weil sich die¬
selbe leicht von der Brandsohle ablöse, sich häufig am ganzen Rande des Hackens
ab- bezw. durchstosse und bei Reparaturen der Futter-Auflage unter Erhöhung der
diesfälligen Kosten ein Auseinandernehmen der Brand- und Hauptsohle noth-
wendig sei.
Im Uebrigen ist zur Sache noch Folgendes zur Sprache gebracht worden:
1. machte sich ein häufiges Abtrennen der Sohle vom Oberleder bemerklich
und ist daher zur Erwägung gestellt, die Befestigung der Sohle mittelst
Nagelung durch Holzstifte, anstatt ein Aufhähen mittelst Pechdrahts, zu
bewirken, bezw. beim Aufnähen die Stiche enger wie bei den Probe-
Pantoffeln auszuführen;
2. wird zur Erörterung empfohlen, ob die Pantoffeln in ungeschwärztem oder
in geschwärztem Zustande zu beschaffen und in Tragung zu geben sind,
sowie
3. ob, wie von einer Seite als zweckmässig hervorgehoben, es für zulässig
erachtet werden kann, eine vom Hacken bis gegen die Mitte des Fusses
reichende Einlage in die Sohle von Schusterspahn anstatt einer solchen
von Leder zu verwenden.
Hiernach erscheinen weitere Trageversuche nothwendig und wird die Königliche
Intendantur ergebenst ersucht, nach Belieben dortseits Probe-Pantoffeln, und zwar
mit Oberleder theils von Kalb-, theils von Rindleder anfertigen und den Lazarethen
des Corps zu Trageversuchen überweisen zu lassen.
Ueber das Resultat wolle die Königliche Intendantur, nachdem auch das Gut¬
achten des Herrn Corps-General-Arztes eingeholt und dem Königlichen General-
Commando im Vortragswege Kenntniss gegeben ist, zum 1. Oetober 1886 gefälligst
berichten.
Soweit nach den seitherigen diesseitigen Entscheidungen eine Beschaffung von
Leder-Pantoffeln mit Rücksicht auf die in Aussicht stehende neue Probe Vorbehalten
war, wird die Beschaffung der Pantoffeln nach der seitherigen Probe hiermit ge¬
nehmigt. Es wird sich indess empfehlen, Schusterspahn bis auf Weiteres nicht in
die Sohlen hineinarbeiten zu lassen, auch wenn in einzelnen der seitherigen Proben
ein solcher enthalten sein sollte.
Sollte der dortseitige Fonds zur Beschaffung der qu. Pantoffeln nicht mehr die
Mittel bieten, so ist vor der Beschaffung unter Vorlage eines Kostenanschlages
hierher zu berichten.
Knegsministerium; Militär-Medieinal-Abtheilung,
v. Lauer. v. Coler.
No. 365. 11. M. M. A.
Berlin, den 28. November 1885.
Nach dem Erlasse vom 4. September 1876 sind diejenigen Geldmittel, welche
für Baulichkeiten in den Garnison-Lazarethen über den Etat der Corpszahlungs¬
stelle beim Capitel 29 Titel 16 in Anspruch genommen werden, durch eine im
Frühjahr hierher einzusendende Uebersicht anzumelden. Auf diese Uebersicht erfolgt
indess keine Entscheidung, sondern es sind die erforderlichen Beträge durch
besondere Berichte, soweit vorgeschrieben unter Beifügung der bezüglichen Bau-
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projecte, za beantragen. Im Anschluss daran wird hiermit bestimmt, dass die letzt¬
erwähnten Anträge innerhalb der ersten vier Monate des Etatsjahres hier eingehen
müssen. Soweit dies nicht geschieht, wird diesseits angenommen, dass von der
Ausführung der betreffenden Baulichkeiten entweder ganz Abstand genommen ist,
oder dass dieselben verschoben sind, oder für Rechnung des dortseitigen Dispositions¬
fonds zur Ausführung gelangen, und wird dann über die event. zum Zwecke
reservirten Mittel anderweitig verfügt werden. Sollte ausnahmsweise der Fall ein-
treten, dass über einen Bau, welcher nothwendigerweise noch in dem betreffenden
Etatsjahre zur Ausführung kommen muss, eine Vorlage nicht rechtzeitig hierher
gelangen kann, so wären innerhalb der obigen Frist die diesfälligen Umstände behufs
weiterer Reservirung der erforderlichen Geldmittel hier anzuzeigen.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
v. Lauer. • v. Coler.
No. 1719/11. M. M. A.
Berlin, den 30. November 1885.
Die Königliche Intendantur wird unter Bezugnahme auf den diesseitigen Erlass
vom 29. Februar v. Js. — No. 768. 2. M. M. A. — ergebenst ersucht, die Gamison-
Lazaretbe des dortseitigen Verwaltungs-Bezirks bezüglich der für die Lazareth-
Bibliotheken zur Beschaffung auszuwählenden Bücher auf die neuesten Publicationen
(Bände 13 bis 15) der im Verlage von M. Woywod zu Breslau erscheinenden
,Vaterländischen Geschichte- und Unterhaltungs-Bibliothek" aufmerksam zu machen.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
v. Lauer. v. Coler.
No. 939. 11. M. M. A.
Berlin, den 4. December 1885.
Es sind seither von den Intendanturen vielfach Anträge auf Genehmigung von
Feuerungs-Portionssätzen für solche Heizanlagen hier zur Vorlage gekommen, welche
sich in die in der Beilage U zum Friedens-Lazareth-Reglement berücksichtigten
gewöhnlichen Ofen- und Herdeinrichtungen nicht einreihen lassen, ohne dass aus
den betreffenden Vorlagen entnommen werden konnte, ob — wie es mit Rücksicht
auf etwaige technische Eigenthümlichkeiten der Heizanlagen für erforderlich zu
erachten — bei den entsprechenden Vorverhandlungen der zuständige Local-Baubeamte
bezw. das technische Mitglied der Intendantur betheiligt gewesen.
Die Königliche Intendantur wird ergebenst ersucht, gefälligst zu veranlassen,
dass fortan in den vorgedachten Fällen die Local-Baubeamten bezw. das dortseitige
technische Mitglied mitwirken, und dass in den betreffenden Vorlagen ersichtlich
gemacht wird, wie dieser Vorschrift entsprochen worden ist
Ob die Betheiligung des Baubeamten sich auf eine schriftliche Begutachtung der
vom Lazareth aufgenommenen Vorverhandlungen zu beschränken hat, oder ob in
einzelnen Fällen die zeitweise persönliche Anwesenheit des Ersteren bei den Heiz¬
versuchen etc. als wünschenswert zu erachten ist, hängt von der Eigenart der
bezüglichen Heizvorrichtungen ab und bleibt der Erwägung der betheiligten Local¬
instanzen bezw. der Entscheidung der Königlichen Intendantur überlassen. Auch
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wolle die Königliche Intendantur künftig in den gedachten Füllen mit den des-
lallsigen Anträgen — soweit dies zum Verständniss der Heizanlagen erforderlich
erscheint — gefälligst Zeichnungen der letzteren hierher gelangen lassen.
Kriegsministerinm; Militär-Medicinal-Abtheilung,
v. Lauer. v. Coler.
No. 1132. 11. M. M. A.
Personal-Veränderungen im Sanitäts-Corps.
Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen.
Dr. Thewalt, Assist-Arzt 1. CI. der, Landw. vom Res.-Landw.-Bat (Frank¬
furt a. M.) No* 80, der Abschied ertheilt. — Befördert werden: Dr. Peiper,
Ober-Stabsarzt 2. CI. von der Haupt-Cadettenanstalt, — Dr. Seulen, Ober-Stabsarzt
2. CI. und Regts.-Arzt vom 2. Nass. Inf.-Regt. No. 88, — zu Ober-Stabsärzten
1. CI., — Dr. John, Stabs- und Bats.-Arzt vom Fus.-Bat. 4. Oberschles.Int-Regts.
No. 63, zum Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt des 2. Grosshereogi. Hess. InL-
Regts. (Grossherzog) No. 116, — Dr. Herter, Stabsarzt von der Unteroff.-Schule
in Weissenfels, zum Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt des Niederschles. Feld-
Art.-Regts. No. 5, — Dr. CI aussen, Stabs- und Bats.-Arzt vom Westf. Pion.-Bat.
No. 7, zum Ober-Stabsarzt 2. CI. und Gam.-Arzt in Rastatt, — Dr. Niesse,
Assist.-Arzt 1. CI. vom 4. Gärde-Regt. zu Fuss, zum Stabs- und Bats.-Arzt des Füs.-
Bats. 6. Rhein. Inf.-Regts. No. 68, — Dr. Musehold, Assist.-Arzt 1. CI. vom
2. Garde-Regt. zu Fuss, zum Stabs- und Bats.-Arzt des Pomm. Pion.-Bats. No. 2,
— Dr. Pfuhl, Assist.-Arzt 1. CI. in der etatsmäss. Stelle bei dem Gen.- und Corps¬
arzt des I. Armee-Corps, zum Stabsarzt bei dem Fuss-Art.-Regt. No. 11, —
Dr. Overweg, Assist.-Arzt 1. CI. in der etatsmäss. Stelle bei dem Gen.- und
Corpsarzt des III. Armee-Corps, zum Stabs- und Bats.-Arzt des 2. B&ts. des Leib-
Gren.-Regts. (1. Brandenburg.) No. 8, — Dr. Schmidt, Dr. Drei sing, Marine-
Assist. -Aerzte 1. CI. von der 1. Matros.-Div., zu Marine-Stabsärzten, vorläufig ohne
Patent; — die Unterärzte der Res.: Dr. Kresin vom 1. Bat. (Danzig) 8. Ost-
preuss. Landw.-Regts. No. 45, — Dommer, Neumann vom Res.-Landw.-Bat.
(Königsberg) No. 33, — Dr. Brenssell, Dr. Badt, Dr. Krieger vom Res.-Landw.-
Regt. (1. Berlin) No. 35, — Dr. Kirchner vom 1. Bat. Res.-Landw.-Regts. No. 71,
— Dr. Lünen borg vom 2. Bat. (Recklinghausen) 5. Westfal. Landw.-Regts. No. 53,
— Kühn vom 2. Bat. (Rostock) 2. Grossherzogi. Mecklenb. Landw.-Regts. No. 90,
— Flinke vom 2. Bat. (Nienburg) 1. Hannov. Landw.-Regts. No. 74, — Kir-
berger vom Res.-Landw.-Bat. (Frankfurt a. M.) No. 80, — Dr. Orth vom 1. Bat.
(Darmstadt I) 1. Grossherzogi. Hess. Landw.-Regts. No. 115, — Dr. Fischer vom
2. Bat. (Eisenach) 5. Thüring. Landw.-Regts. No. 94, — Dr. Hoffmann, Dr. Bayer
vom 2. Bat. (Halle) 2. Magdeburg. Landw.-Regts. No. 27, — Dr. Locherer,
Dr. Ratz, Dr. Sonntag vom 1. Bat. (Freiborg) 5. Bad. Landw.-Regts. No. 113,
— Finck, Dr. Mays vom 2. Bat. (Heidelberg) 2. Bad. Landw.-Regts. No. 110, —
Feldmann vom Unterelsäss. Res.-Landw.-Bat. (Strassburg) No. 98, — Dr. Hoff-
mann vom 1. Bat. (1. Trier) 8. Rhein. Landw.-Regts. No. 70, — Dr. Mirbach
vom 1'. Bat. (Siegburg) 2. Rhein. Landw.-Regts. No. 28, — Dr. Lüssem vom
2. Bat. (Bonn) 2. Rhein. Landw.-Regts. No. 28, — Dr. Bock vom 2. Bat, (Graf¬
rath) 8. Westfal. Landw.-Regts. No. 57, — Classen, Aue vom 1. Bat. (Hildesheim)
3. Hannov. Landw.-Regts. No. 79, — Dr. Reineeke, Dr. Fleischhauer vom
2. Bat. (Göttingen) 3. Hannov. Landw.Regts. No. 79, — Welcker vom Res.-Landw.-
Bat. (Hannover) No. 73, — Dr. Greiff, vom 2. Bat. (2. Münster) 1. Westfäl. Landw.-
Regts. No. 13, — zu Assist.-Aerzten 2. CI. der Reserve befördert. —
Dr. Schauss, Stabs- und Bats.-Arzt vom Fus.-Bat. 3. Thüring. Inf.-Regts. No. 71,
— Dr. Torges, Stabs- und Bats.-Arz, vom Füs.-Bat. 1. Magdeburg. Inf.-Regts.
N<>. 26, — der Chaiakter als Ober-Stabsarzt 2. CI. verliehen. —
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Dr. Schneider, Dr. Gaehde, Stabsärzte von der Marine, ein Patent ihrer Charge
verliehen. — Versetzt werden: Dr. Zimmermann, Ober-Stabsarzt 1. CI. und
Regts.-Arzt vom 2. Grossherzogl. Hess. Inf.-Regt. (Grossherzog) No. 116, zum
1. Nassau. Inf.-Regt. No. 87, — Dr. Krosta, Stabs- und Bats.-Arzt vom 2. Bat.
des Leib-Gren.-Regts. fl. Brandenburg.) No. 8, zur Unteroff.-Schule in Weissenfels,
— Dr. Schirach, Stabs- und Bats.-Arzt vom Pomm. Pion.-Bat. No. 2, zum Füs.-
Bat. 4. Oberschles. Inf.-Regts. No. 63, — Dr. Peipers, Stabsarzt vom medicinisch-
chirurgischen Friedrich Wilhelms-Institut, Bats.-Arzt zum Westfäl. Pion.-Bat.
No. 7, — Dr. Bart old, Stabs- und Bats.-Arzt vom Füs.-Bat. 6. Rhein. Inf.-Regts.
No. 68, — zum medicinisch-chirurgischen Friedrich Wilhelms-Institut, — Dr. Kretz-
Rchmar, Assist-Arzt 1. CI. vom 3. Thöring. Inf.-Regt No. 71, zum Altmärk.
Ulan.-Regt. No. 16, — Dr. Scholze, Assist-Arzt 1. CI. vom 2. Niederschles. Inf.-
Regt No. 47, zum 2^ Pomm. Feld-Art-Regt. No. 17, — Buchholtz, Assist.-Arzt
2. CI. vom 6. Brandenburg. Inf.-Regt. No. 52, zum 1. Brandenburg. Feld-Art-Regt.
No. 3 (General-Feldzeugmeister), — Vick, Assist-Arzt 2. CI. vom 2. Pomm. Feld-
Art-Regt. No. 17, zum 8. Pomm. Inf.-Regt No. 61; — der Abschied wird
bewilligt: Dr. Heller, Ober-Stabsarzt 1. CI. u. Regts.-Arzt vom 1. Nassau. Inf.-Regt.
No. 87, mit Pension und seiner bisher. Uniform, — Dr. Grosser, Ober-Stabsarzt 1. CI.
ii. Regts.-Arzt vom Niederschles. Feld-Art-Regt. No. 5, mit Pension und seiner bisher.
Uniform, — Dr. Hoffmann, Ober-Stabsarzt 2. CI. und Garn.-Arzt in Rastatt,
mit Pension und seiner bisher. Uniform, — Dr. Siedamgrotzky, Stabsarzt vom
Fnss-Art-Regt. No. 11, mit Pension und seiner bisher. Uniform, — Dr. Koll,
Aflsist.-Arzt 1. CI. vom Königs-Hus.-Regt (1. Rhein.) No. 7, als Stabsarzt mit
Pension, — Dr. Kögel, Stabsarzt der Res. vom Res.-Landw.-Bat (Magdeburg)
No. 36, mit seiner bisher. Uniform, — Dr. Wedel, Stabsarzt der Res. vom Res.
Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35; — den Stabsärzten der Landw.: Dr. Czesch
vom 2. Bat. (Ratibor) 1. Oberschles. Landw.-Regts. No. 22, mit seiner bisherigen
Uniform, — Dr. Odebrecht vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, — Dr. Jehn
vom 2. Bat. (Saarlouis) 4. Rhein. Landw.-Regts. No. 30, — Dr. Schiefferdecker
vom 2. Bat. (Göttingen) 3. Hannov. Landw.-Regts. No. 79, — Dr. Thier, Dr. Feiber
vom 1. Bat. (Nassau) 1. Nassau. Landw.-Regts. No. 87, — Dr. Fritzen, Assist-
Arzt 1. CI. der Landw. vom 2. Bat (Düsseldorf) 4. Westfäl. Landw.-Regts. No. 17.
Berlin, den 17. December 1885.
Nachweisung der bei dem Sanitäts-Corps pro Monat November 1885
eingetretenen Veränderungen.
Durch Verfügung des General-Stabsarztes der Armee.
Den 11. November 1885.
I>r. Diesing, bisher einjährig-freiwilliger Arzt vom 4. Magdeburg. Inf.-Regt. No. 67,
zum Unterarzt ernannt und mit Wahrnehmung einer bei diesem Regiment
vacanten Assist-Arztstelle beauftragt.
Veränderungen im Königlich Bayerischen Sanitäts-Corps.
Den 22. November 1885.
Ebstein, Unterarzt im 1. Ulan.-Regt. Kronprinz Friedrich Wilhelm des Deutschen
Reiches und von Preussen, zum Assist-Arzt 2. CI. befördert
Den 9. December 1885.
Die Unterärzte der Res.; Dr. Kuisl (Wasserburg), Dr. Höpfl (Weilheim),
Koch, Dr. Kuntzen, Dr. Wagenhäuser, Rauh, Wulschner (München I),
Dr. Redenbacher (München 11), Dr. Steininger (Passau), Rapp (Dillingen),
Dr. Hermann, Dr. Raab, Daumenlang (Erlangen), Dr. Schmitt, Dr. Cahn
(Würzburg), Dr. Willms, Dr. Nöller (Aechaffenburg), Dr. H oncamp (Kaisers¬
lautern), zu Assist.-Aerzten 2. CI. des Beurlaubtenstandes befördert.
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Veränderungen im Königlich Sächsischen Sanitäts-Corps.
Allerhöchster Beschluss vom 19. December 1885.
Dr. Meyer, Oberstabsarzt 2. CL und Begimentsarzt des Carabinier-Regiments, zum
Oberstabsarzt 1. CI. mit einem Patente vom 5. Januar 1885,
Dr. Zocher, charakt. Oberstabsarzt 2. CI. vom 1. Feld-Artillerie-Regiment No. 12,
beauftragt mit der Wahrnehmung des regimentsärztlichen Dienstes bei dem
6. Infanterie-Regiment No. 105, zum etatsmassigen Oberstabsarzt 2. CI. und
Regimentsarzt des letztgenannten Regiments,
Dr. Machate, Assistenzarzt 1. CI. im 2. Husaren-Regiment „Kronprinz Friedrich
Wilhelm des Deutschen Reichs und von Preussen“ No. 19, zum Stabs- und
Bataillonsarzt im 7. Infanterie-Regiment „Prinz Georg“ No. 106,
Dr. Rösch, Assistenzarzt 2. CI. im 10. Infanterie-Regiment No. 134, zum Assistenz¬
arzt 1. CI. befördert.
Dr. Zimmer, Oberstabsarzt 1. CI. und Regimentsarzt des 10. Infanterie-Regiments
No. J34, auf den Etat der Ganiisonärzte unter gleichzeitiger Beauftragung
mit den Functionen des Divisionsarztes der 2. Infanterie-Division No. 24 und
mit der Wahrnehmung des chefarztlichen Dienstes beim Garpisonlazareth zu
Leipzig,
Dr. Döhler, Oberstabsarzt 1. CI. und Regimentsarzt des 6. Infanterie-Regiments
No. 105, befehligt zur Wahrnehmung des regimentsärztlichen Dienstes bei dem
10. Infanterie-Regiment No. 134, als Regimentsarzt zu letztgenanntem Regimeote,
Dr. Nicolai, Oberstabsarzt 2. CI. und Bataillonsarzt des 2. Jäger-Bataillons
No. 13, als Regimentsarzt zum 1. Feld-Artillerie-Regiment No. 12,
Dr. Friederich, Stabs- und Bataillonsarzt im 2. Grenadier-Regiment No. 101
„Kaiser Wilhelm, König von Preussen“, zum 2- Jäger-Bataillon No. 13,
Dr. .Würzler, Stabs- und Bataillonsarzt im 7. Infanterie-Regiment „Prinz Georg*
No. 106, unter Belassung in seinem Commando zur Universität Leipzig zum
2. Grenadier-Regiment No. 101 „Kaiser Wilhelm, König von Preussen“,
Dr. Näther, Assistenzarzt 1. CI. im 7. Infanterie-Regiment „Prinz Georg“ No. 106,
zum 2. Husaren-Regiment „Kronprinz Friedrich Wilhelm des Deutschen Reich»
und von Preussen“ No. 19 (Garnison Lausigk) — versetzt.
Dr. Strüh, Stabsarzt im Fuss-Artillerie-Regiment No. 12, in Genehmigung seines
Gesuches aus Allerhöchsten Kriegsdiensten mit der gesetzlichen Pension und
der Erlaubniss zum Forttragen seiner bisherigen Uniform mit den vorgeschriebenen
Abzeichen der Abschied bewilligt.
Dr. Meyer, Assistenzarzt 1. CI. im 4. Infanterie-Regiment No. 103, aus dem
activen Dienste ausgeschieden und zu den Sanität« - Offizieren des 2. Bats.
(Zittau) 3. Landw.-Regts. No. 102 übergetreten.
, Veränderungen im Königlich Württembergischen Sanitäts-Corps.
Den 25. November 1885.
Dr. Dietlen, Assist.-Arzt 1. CI. im Gren.-Regt. König Carl No. 123, zum 2. Drag.-
Regt. No. 26,
Dr. Seifriz, Assist.-Arzt 1. CI. im 2. Drag.-Regt. No. 26, zum Train-Bat. No. 13, —
versetzt.
Den 7. December 1885.
Dr. Piesbergen, Unterarzt der Res. im 2. Bat. (Reutlingen) 1. Landw.-Regts.
No. 119, zum Assist.-Arzt 2. CI. der Res. ernannt.
Dr. Sehe Hing, Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. 3. Inf.-Regts. No. 121, zum
Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt des Inf.-Regts. König Wilhelm No. 124,
Dr. Dannecker, Assist.-Arzt 1. CI. in der etatsmäss. Stelle beim Corps-General¬
arzt, zum Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. 3. Inf.-Regts. No. 121, — befördert.
Die As8ist.-Aerzte 1. CI. der Landw.: Dr. Wiedenmann im 1. Bat. (Gmünd)
6. Landw.-Regts. No. 124,
Dr. Kreuser im 2. Bat. (Ludwigsburg) 3. Landw.-Regts. No. 121,
Dr. Gros im 2. Bat. (Ulm) 6. Landw.-Regts. No. 124, — zu Stabsärzten der
Landw. befördert.
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Veränderungen im Herzoglich Braunschweigischen Sanitäts-Corps.
Den 24. November 1885.
Dr. Deicke, Unterarzt der Res. vom 1. Bat. (Braunschweig I) Herzogi. Braunschweig.
Landw.-Regts. No. 92, zum Assist.-Arzt 2. CI. der Res. befördert.
Familiennachrichten.
Verlobungen: Dr. Schreyer, Stabsarzt der Res., mit Frl. Marie Tauscher
(Zeitz).
Verbindungen: Dr. Hoepner, Assist-Arzt 1. CI. im 2. Brandenb. Feld-Art.-
Regt. No. 18, mit Frl. Elisabeth Kienast (Frankfurt a. O.—Charlottenburg).
Todesfälle: Dr. Labes, Stabs- und Bats.-Arzt im 5. Ostpreuss. Inf.-Regt. No. 41,
— Dr. Anton Besnard, Königl. Bayerischer Generalarzt a. D. (München), —
Dr. Hibsch, Oberstabs- und Regts.-Arzt des Cürass.-Regts. Königin (Pomm.)
No. 2 (Pasewalk).
Gedruckt in der Königlichen Hofbnchdrnckerei von E. S. Mittler and Sohn
Berlin, Kochstrasse 68 - 70.
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Amtliches Beiblatt
znr
Deutschen militärärztlichen Zeitschrift
1886. — Fünfzehnter Jahrgang. — M 2.
Armee-Verordnudga-Blatt No. 26. 1885.
Revierkrankenstuben in den Kasernen.
Berlin, den 29. November 1885.
Ans militärdienstlichen Rücksichten sowie zur besseren Sicherung der Erfolge
in der Behandlung der revierkranken Mannschaften ist <fie Einrichtung besonderer
Revierkrankenstnben in den Kasernen als Bedürfnis* anerkannt worden.
In Erweiterung der Bestimmung im §. 32,1 der Garnisonverwaltungs-Ordnung
wird daher Folgendes bestimmt:
1) Bei Kaeernen-Neubauten ist von vornherein eine Mannscbaftsstube als Revier¬
krankenstube zu bestimmen.
2) Die Einrichtung von Revierkrankenstuben in bereits vorhandenen Kasemements
ist an die Bedingung geknüpft, dass dieselbe eine stärkere (Ueber-) Belegung
der Mannschaftsstuben oder eine Dislocirung von Mannschaften in Bütger-
quartiere nicht zur Folge haben darf.
3) Die räumliche Ausdehnung der Revierkrankenstuben ist nach der vollen Etats-
stärke der Trnppentheile, einschliesslich der etwa noch auf Bürgerquartiere an¬
gewiesenen Mannschaften, zu bemessen.
4) Hinsicht« der Einrichtung und Benutzung der Revierkrankenstuben und hinsicbts
der Regelung des Dienstbetriebes auf denselben wird auf die nachfolgenden
Bestimmungen hingewiesen. Die entstehenden einmaligen und laufenden
Kosten sind auf den Garnisonvcrwahungsfonds zu übernehmen, mit Ausnahme
der Aufwendungen für die unter 7. 1 der Bestimmungen bezeichnten Gegen¬
stände, welche aus dem Krankenpflegefonds zu bestreiten sind.
Kriegsministerium.
Bronsart v. Schellendorff.
No. 997/11. M. O. D. 4.
Bestimmungen
über Einrichtung und Benutzung der Revierkrankenstuben.
1) Die Einführung der Revierkrankenstuben bezweckt die angemessene Unterkunft
und stete Beaufsichtigung solcher Revierkranker, bei denen behufs baldiger
Herstellung der Dienstfähigkeit besondere auf die Ermöglichung eines gleich-
massigen ruhigen Verhaltens, event. der Bettlage, und auf die gesicherte Durch¬
führung bestimmter ärztlicher Verordnungen Werth zu legen ist.
2) Bestimmt ausgeschlossen von der Aufnahme in die Revierkrankenstuben
sind ansteckende Kranke, einschliesslich solcher, bei welchen nach Lage der
Verhältnisse der Ausbruch einer ansteckenden Krankheit befürchtet wird.
. Hierher sind auch zu rechnen Kranke mit tuberkulösen Luugealeiden.
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3) Die zweckentsprechende Aaswahl der Kranken für die Aufnahme in die
Revierkrankenstuben sowie die sachgemässe Handhabung des Dienstes auf
denselben unterliegt nach den Anordnungen der Truppenbefehlshaber der
Controle der zuständigen oberen Militärärzte.
4) Die Grösse der Revierkrankenstnben ist im Allgemeinen für eine Kranken-
zahl Ton l 1 /s% der Etatsstärke des Truppentheils bei einem Luftraum von
etwa 20 cbm pro Mann zu berechnen.
Für ein Infanterie-Bataillon und Cavallerie-Regiment würde mithin eine
I2männige Stube dem Zwecke entsprechen, welche indess nur mit 9 Mann
(einschliesslich des bei 11 erwähnten Lazarefthgehülfen) zu belegen ist, so
lange anderweit noch disponibler Raum für die zu kasernirenden Mannschaften
vorhanden ist.
ö) Die Einrichtung gemeinsamer Revierkrankenstuben für grossere Verbände als
ein Infanterie -Bataillon bezw. ein Cavallerie-Regiment wird sich in der Regel
nicht empfehlen. Doch erscheint es zweckmässig, bei geschlossenen Kasernen
für zwei Bataillone die beiden Revierkrankenstuben nebeneinander zu legen
und durch eine Thür zu verbinden, um die Beaufsichtigung durch einen
Lazaretbgehfilfen zu ermöglichen.
In geschlossenen Kasemements für 3 Bataillone Hesse sich dieselbe Maassregel
durchfuhren, wenn zwei nebeneinander liegende Revierkrankenstuben — jede
für sechs Compagnien, also etwa bis zu 12—13 Mann Krankenbelegungsstärke —
eingerichtet werden.
0) Die Revierkrankenstnben sollen eine für die regelmässige Lufteraeuernng
günstige Lage haben.
Zur Förderung der Ventilation und Erhaltung einer möglichst staubfreien
Luft sind Fenster und Thüren mit besonderen Vorrichtungen in Form von
stellbaren Kippfenstern an Stelle einer oberen Scheibe, und mit Schieber-
Schlitzöffnungen in den unteren Thürfülhmgen zu versehen. Bei Kasernen-
Nenbauten würde als zweckmassige Einrichtung hinzutreten können die Anlage
eines Ventilationsschlotes neben der Esse. Die Fassböden erhalten Oelanstricfa.
7) Die Ausstattung der Zimmer ist im Allgemeinen die kasemementsmässige.
Hinzu treten:
a. graue Fensterrouleanx,
b. Trinkgläser, für jeden Mann eins,
c. Nachtgeschirre von Fayence mit Deckel, für jeden Mann eins,
d. Speigläser für die Hälfte der Belegungsziffer,
e. ein verschliessbarer Schrank mit mehreren Fächern zur Aufbewahrung
der Krankenlisten, der Utensilien und Medicatoentc für den Revierdienst,
f. Waschbecken, für jeden Mann eins, ausserdem eins für den revierdiensfc-
«buenden Arzt,
g. an Handtüchern für den ärztlichen Dienstbetrieb
2 für den revierdienstthuenden Arzt,
2 für den Lazarethgehülfen,
h. 1 Fussbadewanne,
i. 1 Stubenthermometer,
k. 1 Eimer von emaillirtem Eisenblech zum Gebrauch für den Fall, dass als
Verbandwasser Sublimatlösungen Verwendung finden,
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L an chirurgischen Utensilien:
1 Irrigator,
1 Eiterbecken,
1 Thermometer zum Messen der Körperwärme.
Zn e bleibt die Mittheilung einer Zeichnung und Beschreibung des zu ge¬
währenden Schrankes Vorbehalten.
8) Die zur Aufnahme in die Revierkrankenstuben bestimmten, kasernirten
Mannschaften bringen das Bettzeug der verlassenen Lagerstelle, sowie die
Handtücher mit. Bei vollständig kasernirten Truppentheilen sind deshalb die
Bettstellen in den Revierkrankenstuben nur mit gefüllten Strohsäcken zu
versehen.
9) Den Kranken sind ausser den zum Anzug erforderlichen Bekleidungsstücken
Waffen, Montirungs- und Ausrüstungsstücke bei der Aufnahme in die Revier¬
krankenstuben nicht mitzugeben.
10) Der ärztliche Dienst auf den Revierkrankenstuben ist als Theil des Revier¬
dienstes von dem mit letzterem beauftragten Militärarzt zu versehen. Demselben
liegen zugleich die Anordnungen für eine gesundheitsgemässe Unterkunft der
Kranken und die Controle über die Erhaltung salubrer Verhältnisse ob.
Die Abhaltung des täglichen Revierkrankendienstes findet in der Regel
nicht auf den Revierkrankenstuben statt. Die Vornahme einzelner, besondere
Sorgfalt erheischender Untersuchungen auf denselben ist hierdurch nicht aus¬
geschlossen.
11) Auf jeder Revierkrankenstube ist ein Lazarethgehülfe als Stubenältester
kasernementsmässig unterzubringen.
Derselbe ist für die Aufrecbterbaltung der Ordnung Und Sauberkeit auf
dem Zimmer, sowie für die Ausführung der ärztlichen Anordnungen ver¬
antwortlich.
Für Fälle etwaiger Abwesenheit des Lazarethgehülfen ist die stete Beauf¬
sichtigung der Kranken durch Einrichtung eines Lazarethgehülfen-du jour-
Dienstes — soweit dies die allgemeinen Dienst- und Personalverhältnisse
gestatten — za sichern.
. 12) Zur Reinhaltung der Revierkrankenstuben und der Utensilien dürfen nach Be¬
stimmung des dienstthuenden Arztes Leichtkranke — auch solche, welche nicht
auf diesen Stuben untergebracht sind — herangezogen werden.
Berlin, den 17. December 1885.
Auf den Bericht der Königlichen Intendantur vom 11. d. Mts. erklärt sich die
Abtheilung damit einverstanden, dass bei den zur vorläufigen Aufnahme von Geistes¬
kranken bestimmten Zimmern der Garnison-Lazarethe, und zwar auch bei denjenigen,
welche mit dem im §. 23 der Grundsätze für Lazareth-Neubauten vorgesehenen
Lattenverschlage versehen sind, in den Thüren Vorrichtungen zur unbemerkten
Beobachtung der Kranken (kleine Fensterchen) angebracht werden. Auch findet sich
gegen die Herstellung der in dem genannten Paragraphen bezeichneten Schutzvor¬
richtungen in den betreffenden Zimmern der grösseren Lazarethe, soweit jene noch
nicht vorhanden sind, nichts zu erinnern.
In kleineren Lazarethen wird die Einrichtung von solchen besonderen Zimmern
in der Regel zu vermeiden und Anordnung zu treffen sein, dass die Kranken in den
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bezüglichen nur selten vorkommenden Fällen möglichst gleich nach einem grösseren
mit den betreffenden Vorkehrungen versehenen Lazareth übergeführt werden
Kriegsministerium; Militür-Medicinal-Abtheilung.
I. V.
ger. v. Coler. Grossheiiu.
No. 794. 12. 85. M. M. A.
Berlin, den 31. December 1885.
Durch den Erlass des Königlichen Militär-Oeconomie-Departements vom
6. Juni 1882 — No. 1013/4. 82. M. 0. D. 4. — war die Königliche Intendantur
hinsichtlich des Zustandes der „bei militärfiscalischen Etablissements* vorhandenen
Senk- bezw. Sickergruben zu Erhebungen „im dortseitigen Geschäftabezirk“ ver¬
anlasst worden.
Dieser Erlass ist von einer Seite als nur auf den Geschäftsbereich des genannten
Departements bezüglich angesehen, und den Lazarethen nicht mitgetheilt worden, so
dass infolge dessen diese zum Theile die nöthige Aufmerksamkeit auf das etwaige
Vorhandensein von schädlichen Gruben nicht verwendet haben.
Für den Fall, dass Aehnliehes auch im dortigen Geschäftsbezirk stattgefunden
haben sollte, wird der Königlichen Intendantur die nachträgliche weitere Veranlassung
ergebenst anheimgestellt.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
v. Lauer. v. Coler.
No. 1213/12. M. M. A. _
Berlin, den 6. Januar 1886.
Euer Hochwohl geboren erwidert die Unterzeichnete Abtheilung anf das gefällige
Schreiben vom 15. v. Mts. (J.-No. 4060) — die Einsendung der Berichte über die
Erfolge der Zeltbehandlung gemäss der Verfügung vom 6. Juli pr. -— J.-No. 680/7.
M. M. A. betreffend — etgebenst, dass die fragliche Berichterstattung am zweck-
mässigsten nach Schluss der Belegungsperiode erfolgt. Es wird indessen für aus¬
reichend erachtet, wenn zunächst nur die erstmalige Belegung eingehend behandelt
wird, für die Zukunft dagegen besondere Berichte nur insoweit erstattet werden, als
nach dortseitiger Ansicht wichtigere Wahrnehmungen znr Sprache zo bringen sind.
Die in der Instruction für die Militärärzte zur Ausführung der ärztlichen Rapport-
und Berichterstattung unter HI. C. 3. getroffene Bestimmung wird dadurch nicht
geändert.
Kriegsministerium: Militär-Medicinal-Abtheilung.
v. Lauer. v. Coler.
No. 1065/12. M. M. A.
Berlin, den 7. Januar 1886.
Die Abtheilung hat aus den s. p. r. beigefügten Jouraalblättern über den an
Lungentaberculose verstorbenen Musketier St. ersehen, dass derselbe, obwohl bereits
vor Antritt der Badekur das Vorhandensein von Tnberkelbacillen bei ihm constatiit
und eine Besserung durch Benutzung des Bades offenbar nicht erzielt worden war,
nach Rückkehr aus letzterem und vor der erneuten Aufnahme in das Lazareth
14 Tage lang im Revier behandelt worden ist ln der Annahme, dass derselbe
während dieser Zeit in der Kaserne bezw. im Quartier mit anderen Mannschaften
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zusammengelegen bat, sieht sich die Abtheilung za dem Ersuchen veranlasst, die
unterstellten Militärärzte auf die Unzulässigkeit eines derartigen Verfahrens hinweisen
za wollen.
Die diesseitige Verfügung vom 31. August 1882 — No. 230. 4. 82. M. M. A. —
bezweckt, die in den Anfangsstadien chronischer, speciell tuberculöser Lungenleiden
befindlichen Mannschaften nicht nur im Interesse ihrer selbst, sondern auch im
Interesse der anderen Mannschaften möglichst bald dem Truppendienste zu entziehen.
Diesem Zwecke entspricht es, dass Mannschaften, bei denen die tuberculöse Natur
eines Lungenleidens festgestellt ist, sofort und dauernd, so lange sie der Trqppe
noch angehören, durch Aufnahme in das Lazareth ausser Gemeinschaft mit den
anderen Mannschaften des Truppentheils gesetzt werden. Dass auch im Lazareth
eine entsprechende Absonderung derartiger Kranker geboten ist, würde mit Bezug
auf pass. 5 genannter Verfügung in Erinnerung zu bringen sein.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abftheilung.
v. Lauer. v. Coler.
No. 1514. 12. 85. M. M. A.
Berlin, den 17. Januar 1886.
Der Königlichen Intendantur erwidert die Unterzeichnete Abtheilung auf den
Bericht vom 26. November v. Js. — No. 1691. 11. — bei Rücksendung der Anlagen
desselben ergebenst, dass die Beschaffung eines Kokoslaüfers von 25 Meter Länge
zur Belegung des Corridors vor den mit Kranken belegten Stuben im Garnison-
Lazareth zu Lötzen ausnahmsweise nachträglich genehmigt wird.
Gleichzeitig wird die Königliche Intendantur ermächtigt, für die Folge auf die
etwa dort eingehenden Anträge von Lazareth-Verwaltungen wegen Beschaffung von
Kokoslaüfern zur Belegung der Corridore nach Anhörung des Corps-Generalarztes
unter Berücksichtigung nachfolgender Punkte selbstständig Entscheidung zu treffen:
1) Wo sich der Verkehr auf den Corridoren vermöge disciplinarer etc. Maass¬
nahmen ohnehin in geräuschloser Weise vollzieht, bedarf es einer Belegung derselben
mit Kokoslaüfern überhaupt nicht.
2) In solchen Lazarethen, wo disciplinare etc. Anordnungen zur Dämpfung des
Schalles auf den Corridoren nicht ausreichen, ist eine Belegung mit Kokosläufem in
Berücksichtigung der localen Verhältnisse nur insoweit nachzugeben, als es sich um
Corridortheile handelt, welche sich vor den mit Schwerkranken belegten Stuben
befinden.
3) Für die zur Verwendung gelangenden Kokosläufer ist in der Regel eine
Breite von 66 cm als ausreichend zu erachten.
4) Die in jedem Falle auf das Billigste zu bedingenden Beschaffungskosten
sind — sofern es sich nicht um Beschaffung für Rechnung eines Neubaufbnds
handelt — aus dem Utensilienkosten-Fonds der Königlichen Intendantur zu bestreiten.
Die Inanspruchnahme ausserordentlicher Zuschüsse zu dem dortseitigen Dispositions-
Fonds für den gedachten Zweck ist zu vermeiden.
5) Der Erlass vom 12. März 1866 — No. 493. 1. 66. M. O. D. 4. — betreffend
die Beschaffung von Kokosdecken zum Zweck der Fassreinigung — erleidet durch
das Vorstehende keine Aenderung.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung,
gez. v. Lauer. Zehr.
No. 269. 12. M. M. A.
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Personal-Veränderungen im Sanitats - Corps.
Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen.
Befördert werden: Der Ober-Stabsarzt 2. CI. Dr. Zimmermann, Garnison¬
arzt in Metz, zum Ober-Stabsarzt 1 . CI., — die Assistenzärzte 1 . CI. der
Rese rve: Dr. Wolff vom 2. Bat. (Mühlhausen i/Th.) 1. Thüring. Landw.-Regts. No. 31,
— Dr. Klee und Dr. Boer vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, —Dr. Rühl-
mann vom 2. Bat. (Sondershausen) 3. Thüring. Landw.-Regts. No. 71, —Dr. Stach
v. Goltzheim vom 2. Bat. (Saarburg) Lothring. Landw.-Regts.No. 128, — Dr. Ritter
vom 1. Bat. (Ruppin) 8. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 64, —Dr Benthaus vom
2. Bat (Paderborn) 6. Westf. Landw.-Regts. No. 55, — und Dr. Reich vom Res.-
Landw.-Regts.(l.Breslau)No.38,—zuStabsärzten der Reserve;—die Assistenz¬
ärzte 1. CI. der Landwehr: Dr.Klein vom Res.-Landw.-Regt.(Cöln) No. 40,—
Dr. Simon vom 2. Bat (Wohlan) 1. Schles. Landw.-Regts. No. 10, — Dr. Roth
und Dr. Zetzsche vom 2. Bat. (Gera) 7. Thüring. Landw.-Regts. No. 96, —
Dr. Klingholz vom 1. Bat. (Essen) 8. Westfäl. Landw.-Regts. No. 57, — Dr. Hensgen
vom 2. Bat. (Deutz) 6. Rhein. Landw.-Regts. No. 68, — Dr. v. Zuchowski
vom 1. Bat. (Neutomischel) 3. Posen. Landw.-Regts. No. 58, — Dr. Barten,
Dr. Be um er und Dr. Schmidt vom 1. Bat (Anklam) 1. Pommer. Landw.-Regts«
No. 2, — Dr. Witte vom 2. Bat. (Stralsund) 1. Pommer. Landw.-Regts. No. 2,—
Dr. Gerhartz vom 2. Bat. (Bonn) 2. Rhein. Landw.-Regts. No. 28,-— Dr. Schauss
und Dr. Krebs vom 2. Bat. (Deutsch-Crone) 4. Pommer. Landw.-Regts. No. 21,—
Dr. Rose vom 2. Bat. (Iserlohn) 7. Westfäl. Landw.-Regts. No. 56, — Dr. Erdner
von* 2. Bat. (Samter) 1. Posen. Landw.-Regts. No. 18, — Dr. Hoppe vom Res.-
Landw.-Bat. (Stettin) No. 34, — Dr. Schoetz vom Res.-Landw.-Regt (1. Berlin)
No. 35, — Dr. Witkowski vom Unter-Elsässischen Res.-Landw.-Bat (Strassburg)
No. 98, — Dr. Nesemann vom 2. Bat (Cüstrin) 1. Brandenburg. Landw.-Regts.
No. 8, — Custodis vom 2. Bat. (Andernach) 7. Rhein. Landw.-Regts. No. 69, —
Dr. Michaeli vom 1. Bat. (Crossen) 2. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 12, —
Dr. Staub vom 1. Bat. (St Wendel) 4. Rhein. Landw.-Regts. No. 30, — Dr. Bernard
vom 2. Bat. (Ratibor) 1. Oberschles. Landw.-Regts. No. 22, — Dr. Glogowski vom
2. Bat. (Ostrowo) 4. Posen. Landw.-Regts. No. 59, — Dr. Fahrenhorst vom
2. Bat (Gräfratb) 8. Westfäl. Landw.-Regts. No. 57, — und Dr. Kugler vom
1. Bat (Donaueschingen) 6. Bad. Landw.-Regts. No. 114, — zu Stabsärzten der
Lapdwehr; — die Assistenzärzte 2. CI. der Reserve: Dr. v. Wilm vom
1. Bat. (Hildesheim) 3. Hannover. Landw.-Regts. No. 79, — Dr. Melchert vom
1. Bat. (Schwerin) 1. Grossherzogi. Mecklenburg. Landw.-Regts. No.89. — Dr. Naber¬
schulte vom 1. Bat (Bochum) 7. Westfäl. Landw.-Regts. No. 56, — Dr. Koepe
und Dr. Hellmann vom 1. Bat. (Soest) 3. Westfäl. Landw.-Regts. No. 16, —
Dr. Meurer vom 2. Bat (Düsseldorf) 4. Westfäl. Landw.-Regts. No. 17, —
Dr. Fischer vom Res.-Landw.-Bat. (Königsberg) No. 33, — Martell vom Res.-
Landw.-Regt. (1. Breslau) No. 38, — Dr. Steffann und Dr. Marr vom 1. Bat.
(Hamburg) 2. Hanseat. Landw.-Regts. No. 76, — Dr. Schütze vom 1. Bat (Lötzen)
6. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 43, —r Dr. E ichholz vom 1. Bai. (Weimar) 5. Thüring.
Landw.-Regts. No. 94, — Dr. Witthauer vom 2. Bat (Eisenach) 6. Thüring.
Landw.-Regts. No. 94, — Dr. Volbehr vom 2. Bat (Rendsburg) Holstein.
Landw.-Regts. No. 85, — Dr. Siemerling und Dr. Saalfeld vom Res.-Landw.-
Regt (1. Berlin) No. 35, — Dr. Schütz vom 2. Bat (Saarlouis) 4. Rhein. Landw.
Regts. No. 30, — Dr. Heimann vom 2. Bat. (Offenburg) 4. Bad. Landw.-Regts.
No. 112, — und Wagner vom 1. Bat. (Freiburg) 5. Bad. Landw.-Regts. No. 113,
— zu Assistenzärzten 1. CI. der Reserve; —die Assistenzärzte 2. CI. der
Landwehr: Dr. Rumler vom 2. Bat (Rostock) 2. Grossherzogi. Mecklenburg. Landw.-
Regts. No. 90, — Seidel vom Ober-Elsässischen Res.-Landw.-Bat. (Mülhausen i/E.)
No. 99, — Dr. Asch vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, — Dr. Thier¬
felder vom Unter-Elsässischen Res.-Landw.-Bat (Strassbnrg) No. 98, — und
Dr. v. Glan vom 1. Bat (Aurich) Ostfries. Landw.-Regts. No. 78, — zu
Assistenzärzten!. CI. der Landwehr;— der Assistenzarzt 2.. CI. der Marine-
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Re«. Dr. Doehle vom 1. Bat. (Kiel) Holstein. Landw.-Regts. No. 85 zum Assistenz¬
arzt 1. CL der Marine-Reserve;—der Assistenzarzt 2. CI. der Seewehr
Dr. Reh der vom Res.-Landw.-Bat (Altona) No. 86 zum Assistenzarzt 1. CI. der
Seewehr; — die Unterärzte der Reserve: Buchholz vom Res.-Landw.-Bat.
(Königsberg) No. 33, — Dr. Laffert vom 1. Bat (Gotha) 6. Thüring. Landw.-
Regts. No. 95, — Weinert vom 2. Bat. (Muskau) 1. Westpreuss. Landw.-Regts No. 6,
— Dr. Polzin vom 1. Bat. (Anclam) 1. Pommer. Landw.-Regts. No. 2, —
Dr. Stemann und Dr. Schaeffer vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, —
Dr. Sepp vom Res.-Landw.-Bat (Magdeburg) No. 36, — Dr. Hesselbach,
Heidenhain und Dr. Wachsmutb vom 2. Bat. (Halle) 2. Magdeburg. Landw.-Regts.
No. 27, — Dr. Haug vom 2. Bat. (Burg) 1. Magdeburg. Landw.-Regts. No. 26, —
Dr. Sohaefer vom 2. Bat (Sondershausen) 3. Thüring. Landw.-Regts. No. 71, —
Dr. Drobnik vom 2. Bat (Schrimm) 2. Posen. Landw.-Regts. No. 19, —
Dr. Knauer vom 2. Bat (Oels) 3. Niederschles. Landw.-Regts. No. 50, —
Dr. Meridies vom 2. Bat. (Oppeln) 4. Oberschles. Landw.-Regts. No. 63,— Schlief
vom 1. Bat (Neutomischel) 3. Posen. Landw.-Regts. No. 58, — Dr. Heptner
vom 1. Bat. (Gleiwitz)3. Oberschles. Landw.-Regts. No. 62, — Dr. Schmitz und
Dr. Neglein vom Res.-Landw.-Regt (Coeln) No. 40, — Dr. Bissmeyer vom
2. Bat (Bonn) 2. Rhein. Landw.-Regts- No. 28, — Dr. Giesler vom 1. Bat.
(Kiel) Holstein. Landw.-Regts. No. 85, — Dr. Oettinger vom 1. Bat (Hamburg)
2. Hanseat. Landw.-Regts. No. 76, — Dr. Deneke vom 2. Bat. (Celle) 2. Hannover.
Dandw.-Regts. No. 77, —• Dr. Müller, Dr. Burkhardt und Ackermann vom
1. Bat (Weimar) 5.Thüring. Landw.-Regts. No. 94,—Dr. Gress vom 1. Bat (Freiburg)
5. Bad. Landw.-Regts. No. 113 — und Eyles vom Unter-Elsäss. Res.-Landw.-Bat
(Strassburg)No. 98,— zu Assistenzärzten 2. Cl.der Reserve; sowie der Unter¬
arzt der Marine-Res. Dr. Trainer vom 1. Bat (Kiel) Holstein. Landw.-Regts. No. 85
zum Assistenzarzt 2. CI. der Marine-Reserve. — Versetzt werden:
Der Stabs- und Bats.-Arzt Dr. Schweiger vom Füs.-Bat. 3. Ostpreuss. Gren,-
Regts. No. 4 zum Füs.-Bat 5. Ostpreuss. Inf.-Regts. No. 41; — die Assistenzärzte
1. CI. Dr. Pusch vom Brandenburg. Train-Bat. No. 3 in die etatsmässige Stelle
bei dem General- und Corpsarzt des 3. Armee-Corps, — und Dr. Korsch vom
Ostpreuss. Kür.-Regt No. 3 (Graf Wrangel) in die etatsmässige Stelle bei dem
General- und CorpsarZt des 1. Armee-Corps; — sowie die Assistenzärzte 2. CI.
Dr. Grawitz vom Oberschles. Feld-Art Regt. No. 21 zum 2- Garde-Regt z. F.,—
Dr. Friedemann vom Fuss-Art-Regt. No. 11 zum Pommer. Füs.-Regt No. 34, —
Dr. Wegelj vom Pommer. Füs.-Regt. No. 34 zum Fuss-Art-Regt. No. 11 — und
Dr. Müller vom Schleswig. Inf.-Regt No. 84 zum Litthau. Ulanen-Regt. No. 12. —
Der Abschied wird bewilligt: DenStabsärzten der Landwehr: Dr. Riess und
Dr. Benicke vom Res.-Landw.-Regt (1. Berlin) No. 35, dem Dr. Riess mit der
Erlaubnis« zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vor-
gescbriebenen Abzeichen, — Dr. Seiler vom 1. Bat (Rawitsch) 4. Posen. Landw.-
Regts. No. 59, — Dr. A Ibers vom 2. Bat (Beuthen) 2. Oberschles. Landw.-Regts.
No. 23, — Dr. Finger vom 2. Bat (Saarlouis) 4. Rhein. Landw.-Regts. No. 30,—
Dr. Ente neuer vom 1. Bat (Neuwied) 3. Rhein. Landw.-Regts. No. 29 — und
Dr. Wrede vom Res.-Landw.-Regt (Cöln) No. 40, — sowie den Assistenzärzten
1 . CI. der Landwehr Dr. Schröter vom 1 . Bat (Danzig) 8. Ostpreuss. Landw.-
Regts, No. 45, — Dr. Dormann vom 2. Bat (Düsseldorf) 4. Westfal. Landw.-
Regts. No. 17, — Dr. Köhler vom 2. Bat (Weilburg) 2. Nassau. Landw.-Regts.
No. 88 — und Dr. Esch vom 1. Bat (Kirn) 7. Rhein. Landw.-Regts. No. 69.
Berlin, den 26. Januar 1886.
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Nachweisung der bei dem Sanitäts-Corps pro Monat December 1885
eingetretenen Veränderungen.
Durch Verfügung des Kriegsministerinms.
Den 15. December 1885.
Dr. Koch, Assist.-Arzt 2. CI. vom 1. Schles. Gren.-Regt No. 10,
Wefers, Assist.-Arzt 2. CI. vom 8. Po mm. Inf.-Begt. No. 61, — beide vom
1. Januar 1886 ab zur Dienstleistung bei der Kaiserlichen Marine commandirt.
Veränderungen im Königlich Bayerischen Sanitäts-Corps.
Den 17. December 1885.
Dr. Säubert (Gunzenhausen), Dr. Weiss (Nürnberg), Assist.-Aerzte 1. CI. des
Beurlaubtenstandes, 4er Abschied ertheilt.
Dr. An ge rer, Assist.-Arzt 1. CI. des Beurlaubtenstandes und ausserordentlicher
Professor der Medicin an der Universität München, unter Beförderung zum
Ober-Stabsarzt 2. CI. und unter Stellung ä la suite des Sanitätscorps, die Function
eines Docenten der chirurgischen Fächer am Operationscurs für Militärärzte
übertragen.
Den 29. December 1885.
Dr. Hauer, Ober-Stabsart 2. CI. des 10. Inl-Regts. Prinz Ludwig, mit Pension, —
Dr. Reichel, Ober-Stabsarzt 2. CI. des 14. Inf.-Regte. Herzog Carl Theodor,
mit Pension, — zur Disposition gestellt.
Dr. Moser, Stabsarzt vom 13. Inf.-Regt. Kaiser Franz Joseph von Oesterreich, zum
10. Inf.-Regt. Prinz Ludwig versetzt.
Dr. Maas, Generalarzt 2. CI., zum Generalarzt 1. CI. a la suite des Sanitätscorps, —
Dr. Fischer, Assist.-Arzt 1. CI. vom 9. Inl-Regt Wrede, im 10. InL-Regt. Prinz
Ludwig, — Dr. Schilffarth, Assist-Arzt 1. CI. vom 1. Chev.-Regt Kaiser
Alexander von Russland, im 14. Inl-Regt. Herzog Carl Theodor, — zu Stabs¬
ärzten,
Dr. Liegl (Rosenheim), — Dr. Beetz (München 1), — Dr. Flesch (Kempten),
— Dr. Winter (Augsburg), — Dr. Hausmann (Hof), — Dr. Leineweber,
— Dr. Dietz (Kissingen), — Dr. Dültgen (Aschafienburg), — Dr. Hen-
drichs, — Dr. Vossschulte (Kaiserslautern), Assist-Aerzte 1. CL des
Beurlaubtenstandes, — zu Stabsärzten des Beurlaubtenstandes,
Dr. Schröder, Assist.-Arzt 2. CI. im Inf.-Leib-Regt., — Dr. Hofbauer, Assist-
Arzt 2. CI. im 4. Chev.-Regt-, — zu Assist,-Aerzten 1. CI.,
Dr. Mayr, — Dr. Sartorius (Rosenheim), — Dr. Völk (München I), — Dr. Kolb-
mann (Gunzenhausen), — Dr. Enzensperger (Straubing), — Dr. Beutner
(Hof), — Dr. Hoffmann (Erlangen), — Dr. Mathias (Kissingen), — Schulte -
Bockholt (Würzburg), — Dr. Bitsch, — Dr. Klug, — Dr. Langreuter,
Nickel (Aschaffenburg), — Dr. Flocken (Landau), Assist-Aerzte 2. CI. des
Beurlaubtenstandes,—zu Assist-Aerzten 1.C1. des Beurlaubtenstandez
— befördert.
Dr. Kuby, Ober-Stabsarzt 1. CL ä la suite des Sanitätscorps, — Dr. Ändert,
Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt im 1. Feld-Art-Regt. Prinz Luitpold, —
Dr. Wigand, Oberstabsarzt 2. CI. als Regts.-Arzt des 8. Inf.-Regts. Pranckh, —
ein Patent ihrer Charge verliehen.
Den 6. Januar 1886.
Dr. Hof mann (Würzburg), Assist.-Arzt 1. CI. des Beurlaubtenstandes, zum Stabsarzt
befördert.
Den 9. Januar 1886.
Deubner, Assist.-Arzt 2. CI. des Beurlaubtenstandes (Würzburg), der Abschied
bewilligt«
Den 11. Januar 1886.
Dr. Krimke, Assist.-Arzt 2. CL des 4. Inf.-Regts. König Carl von Württemberg, in
den Beurlaubtenstand des Sanitätscorps versetzt.
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Dyck, Issmer, Niedermair, Kenner, Sturm, Dr. Schlutins, Dr. Juhl,
Schlamm, Kieger, Meier (München I), Dr. Seligmann (Regensburg),
Bosenbäum (Ansbach), Dr. Münchmeyer, Dr. Dietz, Dr. Thomsen (Würz¬
burg), Dr. Creutz (Kaiserslautern), Dr. Fei beimann (Speyer),— Unterärzte
d. Res., — zu Assist-Aerzten 2. CI. des Beurlaubtenstandes befördert.
Veränderungen im Königlich Sächsischen Sanitäts-Corps.
Allerhöchster Beschluss vom 17. Januar 1886.
Dr. Krebs, Assist.-Arzt 1. CI. im Garde-Reiter-Regt., znm Stabs- und Abtheilungs¬
arzt im 1. Feld-Art.-Regt. Ko. 12 (Garnison Riesa),
Dr. Rau, Assist-Arzt 1. CI. der Res. des Res.-Landw.-Bats. (Dresden) No. 108, und
Dr. Polenz, Assist-Arzt 1. CI. der Res. des 2. Bats. (Meissen) 4. Landw.-Regts.
No. 103, — zu Stabsärzten der Reserve;
Dr. Meyer, Assist-Arzt 2. CI. im Fass-Art-Regt No. 12, nnd Dr. Wilke, Assist-
Arzt 2. CI. im 4. Inf.-Regt. No. 103, letzterer unter Belassnng in seinem Com-
mando zur Sanitätsdirection, — zu Assist-Aerzten 1. CI.;
Kertscher, Assist-Arzt 2. CI. der Landw. des 2. Bats. (Zittau), 3. Landw.-Regts.
No. 102, zum Assist-Arzt 1. CL der Landwehr,
Dr. Fichtner. Unterarzt im 1. (Leib-) Gren.-Regt No. 100, zum Assist-Arzt 2. CI.,
Macke, Unterarzt der Res. des 1. Bats. (Leipzig), 7. Landw.-Regts. No. 106 und
Dr. Barth, Unterarzt der Res. des 1. Bats. (Chemnitz), 2. Landw.-Regts. No. 101,
— zu Assist.-Aerzten 2. CI. der Res. — befördert.
Dr. Lübbert, Assist-Arzt 2. CI. ä la suite des Sanitätscorps, der Charakter eines
Assist-Arztes 1. CI. verliehen.
Dr. Arland, Stabs- und Abtheilungsarzt im 1. Feld-Art.-Regt. No. 12, zum Fuss-
Art-Regt. No. 12 versetzt
Veränderungen im Königlich Württembergischen Sanitäts-Corps.
Den 8. Januar 1886.
Andrassy, Unterarzt der Res. im 2. Bat. (Reutlingen) 1. Landw.-Regts. No. 119,
zum Assist-Arzt 2. CI. der Res. ernannt.
Veränderungen im Herzoglich Braunschweigischen Sanitäts-Corps.
Den 1. Januar 1886. ,
Dr. Clemens, Stabsarzt der Landw. des 2. Bats. (Braunschweig II), Herzogi. Landw.-
Regts. No. 92, der erbetene Abschied bewilligt
Orden und Auszeichnungen.
Rothen Adler-Orden 3. CI. mit Schleife nnd Schwertern am Ringe:
Dem Ober-Stabsarzt 1. CI. nnd Regts.-Am des 2. Garde-Ulan.-Regts. Dr. Wolff.
Rothen Adler-Orden 4. CL:
Dem Ober-Stabsarzt 1. CL und Regts.-Arzt Dr. Ax, vom 8. Westfäl. Inf.-Regt
No. 57. — Dem Ober-Stabsarzt 2. Cl. der Landw. Dr. Simon, vom 1. Bat
(Landsberg) 5. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 48. — Dem Ober-Stabsant
2. Cl. nnd Regts.-Arzt Dr. Wieblitz, vom 5. Pomm. Inf.-Regt. No. 42. —
Dem Ober-Stabsarzt 2. CL nnd Regts.-Arzt Dr. Aefner, vom Ostpreuss.
Ulait-Regt No. 8. — Dem Ober-Stabsarzt 2. CL and Regts.-Arzt Dr. Schaefer,
vom Grossherzogl. Hess. Feld-Art-Regt No. 25. — Dem Ober-Stabsarzt 2. Cl.
nnd Regts.-Arzt Dr. Böhme, vom 2. Hanseat. Inf. - Regt No. 76. — Dem
Stabs- und Bats.-Arzt Dr. Reischauer, vom 5. Thüring. Inf.-Regt No. 94. —
Dem Marine-Stabsarzt Dr. Kleffel.
Kronen-Orden 2. CL:
Dem Generalarzt 1. Cl. der Marine Dr. Wenzel.
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Kronen-Orden 3. CL mit Schwertern am Ringe:
Dem Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt Dr. Wevdener, vom Brandenburg.
Cürass.-Regt. No. 6. — Dem Ober-Stabsarzt 1.C1. und Regts.-Arzt Dr. Bor et ins ,
vom Westpreuss. Feld-Art.-Regt. No. 16.
Kronen-Orden 3. CI.:
Dem Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt Dr. Fraentzel, vom 2. Garde-
Feld-Art.-Regt. — Dem Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt Dr. Kapesser,
vom Hess. Drag.-Regt. No. 23. — Dem Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt
Dr. Düsterberg, vom 1. Hannov. Feld-Art.-Begt No. 10. — Dem Ober-
Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt Dr. Wüstefeld, vom 2. Hannov. Ulan.-
Regt. No. 14. — Dem Ober-Stabsarzt 1. CI. und Gamisonarzt in Berlin
Dr. Grasnick.
Kronen-Orden 4. CI.:
Dem Unterarzt Koch bei der UnterofL-Schale in Weissenfels.
Ritterkreuz 1. CI. des Königl. Württemberg. Friedrich-Ordens:
Dem Stabsarzt Dr. Hirsch im Grossherzogi. Hess. Feld-Art-Regt. No. 25.
Ritterkreuz 1. CI. des Verdienst-Ordens vom heiligen Michael:
Dem Ober-Stabsarzt 1. CI. Dr. Buchetmann, Referent im Kriegsministerium.
Familiennachrichten.
Verlobungen: Dr. Niebergall, Stabsarzt bei dem medicin.-Chirurg. Friedrich-
Wilhelms-lnstitut, mit Frl. Elisabeth Heise (Berlin). — Dr. Bussenius,
Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt vom 4. Thüring. Inf.-Regt. No. 72, mit
Frl. Elise Götting.
Geburten (Sohn): Dr. Sussdorf, Stabsarzt (Dresden),
Todesfälle: Braun, Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt des 6. Bad. Inf.-Regts.
No. 114. — Dr. Flügge, Ober-Stabsarzt 1. CL im 1. Hannov. Landw.-Regt.
No. 74 (Osnabrück;. — Dr. Wilckens, Marine-Stabsarzt an Bord S. M. Kreuzer-
corvette „Marie“ (Mittelmeer). — Dr. Dominick, Ober-Stabsarzt a. D.
Gedruckt Id der Könl(licben Uofbucbdrackerei von E. 8 . Mittler und Sohn, Berlin kodutnaee W—7<xf
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Amtliches Beiblatt
zur
Deutschen militärärztlichen Zeitschrift
1886. — Fünfzehnter Jahrgang. — M 3.
Berlin, den 4. Februar 1886.
Es wird zur Förderung der .Reinlichkeit und zur Schonung des Anstriches etc.
der Waschtische in den Krankenstuben für nothwendig erachtet, dass zur Benutzung
▼on Seiten der Kranken Seifnapfe beschafft und unterhalten werden. Für den ge¬
dachten Zweck genügen Seifnäpfe aus Fayence ohne Rost, jedoch mit geripptem
Boden, welche nach den im Verwaltungs-Bezirk der Intendantur des 3. Armee-Corps
gemachten Erfahrungen für den Preis von 11 bis 15 Pf. pro Stück haben beschafft
werden können. Die Anzahl der zu beschaffenden bezw. zu unterhaltenden derartigen
Näpfe ist nach der Zahl des Sollbestandes an Waschschüsseln bei den einzelneu
Lazarethen zu bemessen.
Der Königlichen Intendantur wird hierdurch die weitere Veranlassung zur Be¬
schaffung etc. der vorbezeichneten Seifnäpfe für Rechnung des dortseitigen Utensilien¬
kosten-Fonds ergebenst anheimgestellt.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung,
v. Lauer. v. Coler.
No. 745. 11. M. M. A.
Berlin, den 11. Februar 1886.
Der Erlass des Königlichen Miiitär-Oekonomie-Departeinents vom 31. Dezember 1885,
No. 171/11. 85. M. O. D- 4, in Betreff der periodischen Einsendung von Bau-Rapporten
findet auch auf das diesseitige Ressort mit der Maassgabe Anwendung,
1) dass zu 3 des Erlasses die einzelnen Bauten nicht nur bis zur Fertigstellung bezw.
Belegung, sondern mit Rücksicht auf die besondern Verhältnisse bei den
Lazarethbauten wie bisher bis zum Abschlüsse der betreffenden Baufonds und
Rechnungs-Dechargirung fortzufübren sind,
2) dass den am 1. April einzusendenden Bau-Rapporten nach Maassgabe der Ver¬
fügung vom 2. Januar 1882, No. 981/10. M. O. D. 4, ein zweites Exemplar bezw.
ein Auszug beizufugen ist, in welchem letztem die bereits in Benutzung ge¬
nommenen Bauten fortgelassen werden können.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung,
gez. v. Lauer. Grossheim.
No. 1418. 12. M. M. A. __
Berlin, den 17. Februar 1886.
Des Herrn Kriegsministers Excelleuz haben im Einverständnis mit Seiner
Excellenz dem Herrn Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegen-
heiten in besonderer Fürsorge für die von den Sanitäts - Offizieren erstrebte Fort¬
bildung, unter Bereitstellung der erforderlichen Mittel die Abhaltung von Uebungen
in den hygienischen und bacteriologischen Untersuchungs- Methoden bei dem
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hygienischen Institut der Universität Berlin unter Leitung des Herrn Geh. Medicin&l-
Raths Koch in Verbindung mit den Fortbildungs-Cursen genehmigt Für die Ober-
Stabsärzte bleiben die Uebungen zunächst auf Vorträge und Demonstrationen von
Apparaten, Zeichnungen und dergleichen beschränkt.
Zu den praktischen Uebungen sind die in den Garnisonlazarethen am Sitz des
Gcneral-Commandos befindlichen grossen Mikroskope erforderlich.
Euer Hochwohlgeboren werden daher ergebenst ersucht, gefälligst veranlassen
zu wollen, dass das dem dortigen Armee-Corps überwiesene grosse Mikroskop, sorg¬
fältig verpackt, an das hiesige hygienische Institut der Universität Berlin, Kloster-
Strasse 36, so zeitig abgesandt werde, dass dasselbe am 6. März d. J. daselbst eingeht,
um bei dem vom 8. bis 27. März d. J. hier stattfindenden Fortbildungs-Cursus für
Assistenz-Aerzte Verwendung finden zu können. Nach Beendigung dieses Cursus
wird dasselbe unverweilt dorthin zurückgesandt werden.
Dem Königlichen General -Commando wollen Euer Hochwohlgeboren hierüber
gefälligst Vortrag halten mit dem Bemerken, dass diesseits die Beschaffung und
Ueberweisung eines zweiten grossen Mikroskops angestrebt werden wird, damit auch
für die Zeit, wo das eine zu den Cursen benutzt wird, sich ein solches dort befindet.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
v. Lauer. v. Coler.
No. 747. 2. M. M. A.
Personal-Veränderungen im Sanitäts-Corps.
Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen.
Befördert werden: Die Oberstabsärzte 1. CI. der Landwehr Dr. Wasaer¬
fuhr, und Professor Dr. Schweigger, beide vom Res.-Landw.-Regt (1. Berlin)
No. 35, zu Generalärzten 2. CI. der Landwehr; — der Oberstabsarzt 2. CI. der
Landw. Prof. Dr. Trendelenburg vom 2. Bat. (Bonn) 2. Rhein. Landw.-Regts.
No. 28 zum Oberstabsarzt 1. CI. der Landw.; — der Stabsarzt der Reserve Prof.
Dr. Kraske vom 1. Bat. (Freiburg) 5. Bad. Landw. - Regts. No. 113 zum Ober¬
stabsarzt 2. CI. der Res.; —die Assist-Aerzte 1. CI.: Dr. Weisser vom 2. Nieder-
schles. Inf.-Regt. No. 47, zum Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. 5. Brandenburg.
Inf.-Regts. No. 48, — und Dr. Wutzdorff vom Tbüring. Hus.-Regt. No. 12, zum
Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. 1. Hess. Inf.-Regts. No. 81; — die AssisL-Aerzte
2. CI. der Res.: Dr. Wischhusen vom 1. Bat. (Halberstadt) 3. Magdeburg. Land¬
wehr-Regts. No. 66, — Dr. Görtz vom 1. Bat. (Mainz) 4. GrossherzogL Hess.
Landw.-Regts. No. 118, — Dr. Stremlow vom 2. Bat. (Cöslin) 2. Po mm. Landw.-
Regts. No. 9, — Dr. Eppner vom 1. Bat. (Essen) 8. Westfäl. Landw. - Regts.
No. 57, — Dr. Ludwig vom 1. Bat. (Bartenstein) 5. Ostpreuss. Landw. - Regts.
No. 41, — Dr. Middeldorpf vom 1. Bat. (Freiburg) 5. Bad. Landw. - Regts.
No. 113, Dr. Keberlet vom 2. Bat. (Jülich) 5. Rhein. Landw.-Regts. Na 65, —
Dr. Mayer vom 2. Bat. (Coblenz) 3. Rhein. Landw.-Regts. No. 29, — Dr. Ober¬
beck vom 1. Bat. (Hildesheim) 3. Hannov. Landw.-Regts. No. 79, —Dr. Makrocki
vom 1. Bat. (Potsdam) 3. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 20, — Kraemer und
Herzog vom 2. Bat. (Offenburg) 4. Bad. Landw.-Regts. No. 112, — Dr. Hasen-
clever vom 1. Bat. (Aachen) 1. Rhein. Landw.-Regts. No. 25, — Dr. Strube vom
2. Bat. (Halle) 2. Magdeburg. Landw.-Regts. No. 27, — Dr. Kasprzik vom
1. Bat. (Danzig) 8. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 45, — Dr. Wo 1 ffberg vom Res.-
Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, — Dr. Dluhosch vom 1. Bat. (Neustadt) 8. Posaun.
Landw.-Regts. No. 61, — Becker und Dr. Langner vom 2. Bat. (Liegnitz) 2. West-
preuss. Landw.-Regts. No. 7, — und Dr. Kuwert vom 1. Bat. (Tilsit) 1. Ostpmeoss.
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23
Landw.-Regts. No. 1, — zu Assist-A erzten 1. CI. der Res.; — die Assist.-
Aerzte 2. CI. der Landw.: Dr. Schi eck vom 1. Bat. (Altenburg) 7. Thüring. Landw.-
Regts. No. 96, — Dr. Reinhold vom 1. Bat. (Arolsen) 3. Hess. Landw.-Regts.
No. 83, — Dr. Kloster halfen vom 1. Bat. (Neuss) 6. Rhein. Landw .-Regts. No. 68,
— und Dr. Schmidt vom Res.-Landw.-Regt (Cöln) No. 40, — zu Assistenz-
Aerzten 1. CL der Landw.; — die Assist.-Aerzte 2. CI. der Marine-Reserve:
Henrichsen vom Res. - Landw. - Bat. (Altona) No. 86, — und Dr. Wieck vom
2. Bat (Rendsburg) Holstein. Landw.-Regts. No. 85, — zu Assist.-Aerzten 1. CI.
der Marine-Reserve; — die Unterärzte der Res.: Jordan vom Res.-Landw.-Bat
(Königsberg) No. 33, — Dr. Fuchs vom 2. Bat. (Perleberg) 4. Brandenburg- Land¬
wehr-Regts. No. 24, — Dr. Siemon vom 1. Bat. (Potsdam) 3. Brandenburg.
Landw.-Regts. No. 20, — Dr. Kornblum, Kleinwächter, Dr. Behnke und
Dr. Weiland vom Res. - Landw. - Regt. (1. Berlin) No. 35, — Dr. Schmidt vom
2. Bat. (Teltow) 7. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 60, — Dr. Boetticher vom
1. Bat. (Rappin) 8. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 64, — Dr. Knauf und
Dr. Pfeifer vom 1. Bat (Weimar) 5* Thüring. Landw.-Regts. No. 94, — Dr. Keil
vom 2. Bat (Halle) 2. Magdeburg. Landw.-Regts. No. 27, — Dr. Nimsch vom
1. Bat (Lauban) 2. Niederschles. Landw.-Regts. No. 47, — Dr. Wallentin vom
Res. - Landw. - Regt. (1. Breslau) No. 38, — Dr. Schubert vom 1. Bat (Glatz)
2. Schles. Landw.-Regts. No. 11, — Dr. Middelschulte vom 2. Bat. (Dortmund)
3. Westfäl. Landw.-Regts. No. 16, — Schleid vom 1. Bat. (Hamburg) 2. Hanseat.
Landw.-Regts. No. 76, — Dr. Weiler vom Res.-Landw.-Bat (Hannover) No. 73,
— Hiemenz vom 2. Bat (Andernach) 7. Rhein. Landw.-Regts. No. 69, — und
Ruckert vom 1. Bat. (Marburg) 1. Hess. Landw.-Regts. No. 81, — zu Assist.-
Aerzten 2. CI- der Res. — Dem Stabsarzt a. D. Dr. Feuerstack, zuletzt Bats.-
Arzt des 2. Bats. 3. Niederschles. Inf.-Regts. No. 50, wird der Charakter als Ober
Stabsarzt 2. CI. verliehen. — Versetzt werden: der Stabs- und Bats.-Arzt
Dr. Heckenbach vom 2. Bat. 5. Brandenburg. Inf.-Regts. No. 48 als Abtheil.-Arzt
zur 2. Abtheil, des 2. Rhein. Feld-Art.-Regts. No. 23; — die Assist.-Aerzte 1. CL:
Dr. Dubbert vom Magdeburg. Cür.-Regt No. 7 zum 5. Brandenburg. Inf.-Regt.
No. 48, — und Dr. Prast vom Schles. Ulan.-Regt. No. 2 zum Invalidenhause zu
Berlin; — sowie der Assist-Arzt 2. CI. Dr. Passow vom 5. Thüring. Inf.-Regt.
No. 94 (Grossherzog von Sachsen) zum 6. Thüring. Inf.-Regt. No. 95. — Der Ab¬
schied wird bewilligt: dem Stabsarzt der Landw. Dr. Sabo vom 2. Bataillon
(Cosel) 3. Oberschles. Landw.-Regts. No. 62 mit der gesetzlichen Pension; — dem
Oberstabsarzt 2. CI. der Landw. Dr. Meulenbergh vom 1. Bat. (Erkelenz) 5. Rhein.
Landw. - Regts. No. 65 mit der Erlaubnis zum Tragen seiner bisherigen Uniform
mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen, — dem Stabsarzt der Res.
Dr- Hoppe vom 1. Bat- (Gleiwitz) 3. Oberschles. Landw.-Regts. No. 62 mit der
Erlaubnis zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vor¬
geschriebenen Abzeichen; — den Stabsärzten der Landw.: Dr. Patzschke vom
1. Bat. (Weissenfels) 4. Thüring. Landw.-Regts. No. 72, — und Dr. Wronka vom
1. Bat (Sprottau) 1. Niederschles. Landw.-Regts. No. 46; — sowie den Assist-
Aerzten 1. CL der Landw.: Dr. Engel vom Res.-Landw.-Regt (1. Berlin) No. 35,
— und Dr. Bresgen vom Res. - Landw. - Bat. (Frankfurt a. M.) No. 80. — Es
scheiden aus dem activen Sanitäts-Corps aus: der Assist-Arzt 1. Classe
Dr. Jacoby vom 1. Magdeburg. InL-Regt. No. 26, unter Uebertritt zu den Sanitäts¬
offizieren der Res. des 2. Bats. (Perleberg) 4. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 24,
— sowie der Assist.-Arzt 2. CL Wolf vom 1. Grossherzogi. Hess. Drag.-Regt
(Garde-Drag.-Regt.) No. 23, unter Uebertritt zu den Sanitäts-Offizieren der Res: des
1. Bats. (Darmstadt I.) 1. Grossherzogi. Hess. Landw.-Regts. No. 115.
Berlin, den 20. Februar 1886.
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Nachweis ung der bei dem Sanitäts-Corps pro Monat Januar 1886
eingetretenen Veränderungen.
I. Durch Verfügung des Kriegsministeriums.
Den 28. Januar 1886.
Dr. Rahts, Stabsarzt beim Grenadier-Regiment Kronprinz (1. Ostpreussischen) No. 1
vom 1. Februar 1886 ab auf die Dauer von sechs Monaten zum Kaiserlichen
Gesundheitsamte commandirt.
II. Durch Verfügung des Generalstabsarztes der Armee.
Den 20. Januar 1886.
Rougemont, Unterarzt vom Ostpreussischen Füsilier-Regiment No. 33 mit Wahr¬
nehmung einer bei diesem Regiment vacanten Assistenzarztstelle beauftragt.
Veränderungen im Königlich Bayerischen Sanitäts-Corps.
Den 8. Februar 1886.
Dr. Wingefelder, Ober-Stabsarzt 1. CI., Regts.-Arzt des 4. Chev.-Regts. König und
beauftragt mit Wahrnehmung der Function als Divisionsarzt der 2. Div., mit
Pension und mit der Erlaubnis zum Tragen der Uniform der Abschied bewilligt
Den 10. Februar 1886.
Dr. Strauss, Stabsarzt vom 15. Inf.-Regt. König Albert von Sachsen, zum 5. Inf.-
Regt. Grossherzog von Hessen versetzt.
_ ^
Veränderungen im Königlich Sächsischen Sanitäts-Corps.
Durch Verfügung des Kriegsministeriums vom 3. Februar 1886.
Dr. Bur dach, einjähr.-freiw. Arzt des Schützen- (Fus.-) Regts. »Prinz Georg“ No. 108
und Kockel, einjähr.-freiw. Arzt des 1. (Leib-) Gren.-Regts. No. 100, als Unter¬
ärzte des activen Dienststandes unter Beauftragung mit Wahrnehmung vacanter
assistenzärztlicher Stellen und zwar etc. Dr. Burdach bei dem Schützen- (Füs.-)
Regt. »Prinz Georg* No. 108 und etc. Kockel bei dem 2. Gren.-Regt. No. 101
»Kaiser Wilhelm, König von Preussen“ angestellt
Allerhöchster Beschluss vom 20. Februar 1886.
Trenkler, Unterarzt des 2. Gren.-Regts. No. 101 »Kaiser Wilhelm, König von
Preussen“, zum Assist-Arzt 2. CI. bei dem 1. Feld-Art.-Regt No. 12 (Garnison
Dresden),
Nagel, Unterarzt des Beurlaubtenstandes des 1. Bat. (Leipzig) 7. Landw.-Regts. No. 106,
und Rossler, Unterarzt des Beurlaubtenstandes des 1. Bat (Zwickau) 6. Landw.-
Regts. No. 105, — zu Assist.-Aerzten 2. CI. der Res. *— befördert.
Dr. Hesselbach, Assist-Arzt 2. CI. des 1. Feld-Art.-Regts. No. 12, zum 8. Inf.-Regt
»Prinz Johann Georg“ No. 107 versetzt.
Dr. Sern au, Stabsarzt der Res. des 1. Bats. (Borna) 8. Landw.-Regts. No. 107, aus
Allerhöchsten Kriegsdiensten behufs Ueberführung in den Landsturm die er¬
betene Verabschiedung bewilligt.
Orden und Auszeichnungen.
Königl. Preuss. Kronen-Orden 3. CI:
Dem Ober-Stabsarzt 1. CI. a. D. Dr. Heller, bisher Regiments-Arzt des
1. Nassauischen Inf.-Regts. No. 87.
Dem Ober-Stabsarzt 1. CI. a. D. Dr. Grosser, bisher Regts. - Arzt des Nieder-
schlesischen Feld-Art.-Regts. No. 5.
König!. Sachs, silberne Rettungs- Medaille nebst der Befiigniss zum Tragen am
weissen Bande:
Dem Assist-Arzt 2. CI. der Res. des 1. Bats. (Chemnitz) 2. Landw.-Regts. No. 101
Dr. Barth.
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Familien-N achrich ten.
Verlobungeu: Dr. Johannes Müller, Assist.-Arzt 1. CI. der Marine, mit Frl.
_ Nanny Warna (Kiel). — Dr. Schiller, Assist.-Arzt 1. CI. im 2. Garde-Feld-
Art.-Regt., mit FH. Anna Goldbeck (Berlin). — Dr. Max Wolf, Assist-Arzt
der Bayerischen Landw., mit Frl. Friederike Kilian (Einersheim-Nenzepheim). —
Dr. Franz Neamann, Assist.-Arzt 1. CI. der Reserve, mit Frl. Elise Wachs -
rauth (Leobschütz-Dresden). — Dr. Spies, Stabsarzt im Feld-Art.-Regt No. 15,
mit Frl. Ellen Steinhausen (Strassburg i. E.-Frankfurt a. M.).
Geburten: (Sohn) Dr. Schlacke, Assist-Arzt 1. CI. im Altmärk. Ulanen-Rfegt No. 16.
Todesfälle: Dr. Meinecke, Ober-Stabsarzt 1 . CI. a. D. (Bunzlau). — Dr. Joh.
Völker, Stabsarzt der Landw. (Gronau).
Gedruckt in der Königlichen Hofbuchdrmkerei \on K S Mittler und Sohn, Berlin SW., Kochetraw Ö8-70.
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Amtliches Beiblatt
zur
Deutschen militärärztlichen Zeitschrift
1886. — Fünfzehnter Jahrgang. — M 4.
Berlin, den 24- Januar 1886.
Ein hier zur Kenntniss gelangter Specialfall giebt der Unterzeichneten Abtheilung
Veranlassung darauf aufmerksam zu machen, dass die diesseitige Verfügung vom
19. März 1878 No. 231. 3. 78. M. M. A. durch das Inkrafttreten der Pharmacopoea
Germanica ed. alt. modificirt ist.
Die Eisenchloridlösung der früheren Pharmacopoe, deren Anwendung in der
bezeichneten Verfügung vorgeschrieben war, besass ein specifisches Gewicht von
1,48(1—1,484, was einem Eisengehalte von rund 15 Procent entsprach. Die Eisen¬
chloridflüssigkeit der neuen Pharmacopoe soll 1,280—1,282 specifisches Gewicht bei
einem Eisengehalte von rund 10 Procent besitzen. Es werden daher an Stelle von
je einem Gramm der früher vorgeschriebenen Eisenchloridlösung nunmehr ein und
einhalb Gramm der zur Zeit officiellen Lösung bei dem Präcipitations-Verfahren
zur Reinigung von Trinkwasser anzuwenden sein.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung,
v. Lauer. v. Coler.
No. 1370. 1. M. M. A.
Berlin, den 24. Februar 1886.
Euer Hochwohlgeboren werden ergebenst ersucht, die durch die diesseitige Ver¬
fügung vom 17. Juli 1883 No. 1087. 7. M. M. A. für die Einstellungen eingeführte
kurze Form der Meldung unter Berücksichtigung der erforderlichen Abänderungen
künftig auch für die Entlassung der einjährig-freiwilligen und Unter-Aerzte, sowie
für alle Mittheilungen über Personalien — wie Commandirungen, Zutheilungen, Ver¬
setzungen innerhalb des Regiments, Krank- und Gesundmeldungen, Verlobungen,
Beurlaubungen nach Berlin u. s. w. — in Gebrauch ziehen zu wollen, bei denen
nur die Thatsache selbst, ohne näheren Bericht, den Inhalt der Meldung ausmacht.
Desgleichen können für alle terminmässigen und sonstigen Eingaben, auf welche
der letztere Grundsatz ebenfalls Anwendung findet, die Begleitschreiben durch Br. m.
Zuschriften auf gebrochenen halben Bogen, auch unter Benutzung metallographirter
Schemata, ersetzt werden.
Zu beachten bleibt, dass, mit Rücksicht auf die Nothwendigkeit die Personalien
der Militärärzte hier getrennt zu halten, Meldungen der oben gedachten Art, welche
mehrere Militärärzte betreffen, für jeden einzelnen aufzustellen sind.
Etwa entgegenstehende Bestimmungen werden hiermit aufgehoben.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
v. Lauer. v. Coler.
No. 1382. 2. M. M. A.
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A.-V.-Bl. No. 4.
Anstrich in den Latrinen der Lazarethe.
Berlin, den 25. Febraar 1886.
Zur Beseitigung von Zweifeln wird darauf hingewiesen, dass in den Latrinen
der Lazarethe nicht allein für die Sitz- und Vorderbretter, sondern auch für die die
einzelnen Aborte umschliessenden Bretterverschläge, soweit dieselben gehobelt sind,
und für die etwa vorhandenen gehobelten Dielungen ein Oelfarben-Anstrich oder
eine dreimalige heisse Oelung behufs der besseren Beinhaltung zulässig und noth-
wendig ist. Wo ein solcher Anstrich fehlen sollte, ist derselbe nach Maassgabe der
vorhandenen Geldmittel noch zu bewirken.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung,
v. Lauer. Grossheim.
No. 1140/2. 86. M. M. A.
Berlin, den 4. März 1886.
Das Königliche General-Commando benachrichtigt die Unterzeichnete Abtheilung
unter Bezugnahme auf das Schreiben des Königlichen Militär-Oekonomie-Departer
ments vom 8. November 1883 No. 370. 10. M. 0, D. 3 ganz ergebenst, dass es
künftig gestattet sein soll, solchen an hartnäckigen Fussschweissen leidenden Mann¬
schaften, bei denen sich die sonst gebräuchlichen Mittel, wie Salicylsäure u. s. w., zur
Bekämpfung der nachtheiligen Folgen jener Fussschweisse ausnahmsweise unwirksam
erwiesen haben, auf Kosten des Militär-Medicinal-Fonds Einlegesohlen aus Bade¬
schwamm zu verabreichen, sofern von diesen nach dem pflichtmässigen Ermessen
der Truppenärzte ein wesentlicher Nutzen zu erwarten ist. Die Beschaffung der
Einlegesohlen würde, unter Beachtung einer angemessenen Sparsamkeit, in jedem
einzelnen Falle nach Maassgabe des § 32 der Arznei-Verpflegungs-Instruction zu er¬
folgen haben. Die Kosten sind bei Titel 13 des Etatscapitels 29 zu verrechnen.
Das Königliche General-Commando wird gebeten, das hiernach Erforderliche
geneigtest veranlassen zu wollen.
Kriegsministerium; Militär-Medizinal-Abtheilung.
v. Lauer. v* Coler.
No. 1364. 2. 86. M. M. A.
Personal-Veränderungen im Sanitäts-Corps.
Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen.
Befördert werden: Der Oberstabsarzt 2. CI. und Begimentsarzt Dr. Berkofskv
vom Inf.-Begt. Prinz Friedrich Karl von Preussen (8. Brandenburg.) No. 64, zum
Oberstabsarzt 1. CI.; die Assist.-Aerzte 2. CI. der Bes.: Havemann vom 1. Bat.
(Wismar) 2. Grossherzogi. Mecklenburg. Landw.-Begts. No. 90, — Martin vom
2. Bat. (Gräfrath) 8. Westfäl. Landw.-Begts. No. 57, — Dr. Pel ckmann vom 2. Bat.
(Stralsund) 1. Pommerschen Landw.-Begts. No. 2, — Dr. Bath vom 1. Bat. (Erkelenz)
5. Bhein. Landw.-Begts. No. 65, — Dr. Kitz I. vom 2, Bat. (Jülich) 6. Bhein.
Landw.-Begts. No. 65, — Dr. Bachoff vom 1. Bat. (Gotha) 6. Thüring. Landw.-
Begts. No. 95, — Dr. Kamm vom Keserve-Landw.-Kegt. (1. Breslau) No. 38, —
Dr. Lehmann vom Bes.-Landw.-Bat (Stettin) No. 34, — Dr. Kramer vom 2. Bat.
(Göttingen) 3. Hannov. Landw.-Begts. No. 79, — Dr. Samter vom Bes.-Landw.-
Bat. (Königsberg) No. 33, — Dr. Nonnig vom 1. Bat. (Bernau) 4. Brandenburg.
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Landw.-Regte. No. 24, — Dr. Pelckmann und Dr. Memelsdorf vom Res.-
Landw.-Regt (1. Berlin) No. 35, — Dr. Lenzmann vom 1. Bat. (Wesel) 5. Westf&l.
Landw.-Regts. No. 53, — Dr. Eschle vom 1. Bat. (Hamburg) 2. Hanseat. Landw.-
Regts. No. 76, — Fahrenholtz vom 2. Bat. (Preuss. Holland) 7. Ostpreuss.
Landw.-Regts. No. 44, — Dr. Herrmann vom 2. Bat. (Wehlau) 1. Ostpreuss.
Landw.-Regts. No. 1, — Dr. v. Lukowicz vom 1. Bat. (Könitz) 4. Pommer.
Landw.-Regts. No. 21, — Dr. Kübitz vom 2. Bat. (Burg) 1. Magdeburg. Landw.-
Regts. No. 26, — Dr. Perlia vom 1. Bat. (Aachen) 1. Rhein. Landw.-Regts.
No. 25, — Dt. Gruber vom 2. Bat. (Goldap) 6. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 43, —
Dr. Maeltzer vom 2. Bat (Oels) 3. Niederschles. Landw.-Regts. No. 50, — Dr. Kriele
vom 2. Bat (Sondershansen) 3. Thüring. Landw.-Regts. No. 71, — und Dr. Natorp
vom 1. Bat. (Ruppin) 8. Brandenburg. Landw.-Rigts. No. 64, — zu Assist.-Aerzten
1. CI. der Reserve; — die Assist.-Aerzte 2. CI. der Landw.: Dr. Puth vom 2. Bat.
(Friedberg) 1. Grossherzogi. Hess. Landw.-Regts. No. 116, — und Dr. Nöll vom
2. Bat. (Attendorn) 2. Hess. Landw.-Regts. No. 82, — zu Assist-Aerzten 1. CI.
der Landwehr; — der Marine-Assist-Arzt 1. CI. Niemann von der 2. Matrosen-
Division zum Marine-Stabsarzt, vorläufig ohne Patent; die Unterärzte: Dr. Diesing
vom 4. Magdeburg. Int-Regt. No. 67, — Dr. Schiefer vom 5. Rhein. Inf.-Regt
No. 65, — Dr. Hahn vom 5. Bad. Inf.-Regt. No. 113, — und Rougemont vom
Ostpreuss. Füs.-Regt No. 33, dieser unter gleichzeitiger Versetzung zum Oberschles.
Feld-Art.-Regt No. 21, — zu Assist-Aerzten 2. Ch; — die Unterärzte der
Reserve: Wallis vom 2. Bat (Prenzlnu) 8. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 64, —
Genrich vom 1. Bat (Brandenburg a. H.) 7. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 60, —
Dr. Helming vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, — Loeffler vom 2. Bat.
(Naumburg) 4. Thüring. Landw.-Regts. No. 72, — Dr. v. Lukowicz, — und
Goehlich vom Res.-Landw.-Regt. (1. Breslau) No. 38, — v. Jagodzinski
vom 1. Bat (Posen) 1. Posen. Landw.-Regts. No. 18, — und Dr. Schmidt vom
2. Bat (Ratibor) 1. Oberschles. Landw.-Regts. No. 22, — zu Assist-Aerzten
2. CI. der Res.; — sowie der Unterarzt der Marine-Res. Dr. Hoepfner vom 1. Bat.
(Kiel) Holstein. Landw.-Regts. No. 85 zum Assist-Arzt 2. CI. der Marine-Res. —
Versetzt werden: der Oberstabsarzt 1. CI. und Regimentsarzt Dr. Thalwitzer
vom Ostpreuss. Drag.-Regt No. 10, unter Belassung in dem Verhältniss als mit
Wahrnehmung der divisionsärztlichen Functionen bei der 30. Division beauftragt,
zum Schleswig - Holstein. Drag.-Regt No. 13; — der Oberstabsarzt 2. CI. und
Regimentsarzt Dr. Krisch vom Schleswig-Holstein. Drag.-Regt. No. 13 zum
2. Hannov. Ulanen-Regt. No. 14; — der Oberstabsarzt 1. CI. und Regimentsarzt
Dr. Wüstefeld vom 2. Hannov. Ulanen-Regt. No. 14 zum Kürassier-Regt Königin
(Pommerschen) No. 2; — der Stabs- und Bats.-Arzt Dr. Nagel vom 2. Bat 5. Pomm.
Infi-Regte. No. 42 zum Füsilier-Bat. dieses Regts.; — die Assist -Aerzte 1. CI.:
Dr. Nehbel vom 4. Pommerschen Inf.-Regt No. 21 zum 3. Ostpreuss. Grenadier-
Regt No. 4, — Dr. Schoenbals vom 2. Hanseat Inf.-Regt. No. 76 zum Kadetten¬
hause zu Plön, — Dr. Grünert vom Schleswig-Holstein. Drag.-Regt No. 13 zum
2. Hannov. Ulanen-Regt. No. 14, — Dr. Pauli vom Kadettenhause zu Plön zum
Kaiser Alexander Garde-Grenad.-Regt No. 1, — und Dr. Lauff vom 1. Westfal.
Hus.-Regt No. 8 zum Inf.-Regt. No. 131, — der Oberstabsarzt 1. CI. und Regts.-
Arzt Dr. Schmundt vom Westpreuss. Kürassier-Regt No. 5 wird, in Genehmigung
seines Abschiedsgesuches, mit dem Charakter als Generalarzt 2. CL und der gesetzlichen
Pension zur Disposition gestellt. — Der Abschied wird bewilligt: Dem Assist-
Arzt 1. CL Dr. Eichbaum vom Magdeburg. Feld-Artillerie-Regt No. 4 mit der
gesetzlichen Pension; — den Stabsärzten der L&ndw.: Dr. Vossius vom 2. Bat.
(Dt Krone) 4. Pommer. Landw.-Regts. No. 21. — Dr. Baas und Dr. König vom
1. Bat. (Mainz) 4. Grossherzogi. Hess. Landw.-Regts. No. 118, — Dr. Witkowski
vom Unter-Elsäss. Res.-Landw.-Bat (Strassburg) No. 98, — und Dr, Höynck
vom 1. Bat. (Meschede) 2. Hess. Landw.-Regts. No. 82, diesem mit der Erlaubniss
zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen
Abzeichen, — den Assist-Aerzten 1. CL der Landw.: Dr. Cieälewicz vom 1. Bat
(Inowrazlaw) 7. Pommer. Landw.-Regts. No. 54, — Dr. Wossidlo vom Res.-Landw.-
Regt (1. Berlin) No. 35, — Dr. Wesenberg vom 1. Bat (Schwerin) 1. Grossherzogl.
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30
Mecklenburg. Landw. - Regts. No. 89, — Dr. Renner vom 1. Bat. (Hamburg)
2. Hanseat Landw.-Regts. No, 76, — Dr. Knöner vom Res.-Landw.-Bat. (Hannover)
No. 73, — Dr. Röder vom 1. Bat (Darmstadt I) 1. GroesherzogL Hessischen
Landw.-Regts. No. 115, — Dr. Wolf vom 2. Bat (Worms) 4. Grossberzogl. Hess.
Landw.-Regts. No. 118, — und Dr. Sommerlat vom Res.-Landw.-Bat
(Frankfurt a. M.) No. 80, diesem mit der Erlaubniss zum Tragen seiner bisherigen
Uniform mit den für Verabschiedete vorgescbriebenen Abzeichen; — dem Assist-
Arzt 2. CI. der Res. Dr. Berckholtz vom 2. Bat (Torgau) 4. Magdeburg. Landw.-
Regts. No. 67, diesem behufs Uebertritts in Königl. Sachs. Militärdienste, — sowie
dem Assist-Arzt 2. CI. der Marine-Res. Dr. Wall vom 1. Bat. (Kiel) Holsteinschen
Landw.-Regts. No. 85. — Der Assist-Arzt 2. CI. Dr. Seiffart vom 6. Pommer. Inf.-
Regt No. 49 scheidet aus dem activen Sanitäts-Corps aus und tritt zu den Sanitäts¬
offizieren der Res. des 1. Bats. (Weimar) 5. Thüring. Landw.-Regts. No. 94 über.
Berlin, den 18. März 1886.
Veränderungen im Königlich Sächsischen Sanitäts-Corps.
Allerhöchster Beschluss vom 17. März 1886.
Klien, Unterarzt der Res. des 2. Bats. (Meissen) 4. Landw.-Regts. No. 103. zum
Assistenzarzt 2. CI. der Res. befördert.
Dr. Langer, Assistenzarzt 1. CI. des 5. Inf.-Regts. „Prinz Friedrich August“ No. 104,
unter Enthebung von dem Commando zur Universität Leipzig, zum Schützen-
Füsilier-) Regiment „Prinz Georg“ No. 108,
Dr. Werner, Assistenzarzt 1. CI. des 2. Ulanen-Regts. No. 18, zum 9. Inf.-Regt.
No. 133,
Kruspe, Assistenzarzt 1. CI. des Schützen- (Füsilier-) Regts. „Prinz Georg* No. 108,
unter Enthebung von dem Commando zum Stadtkrankenhanse in Dresden-
Friedrichstadt zum 2. Ulanen-Regt. No. 18 (Garnison Geithain),
Dr. Ru dl off, Assistenzarzt 1. CI. des 9. Inf.-Regts. No. 133, zum 4. Inf.-Regt.
No. 103,
Dr. Pässler, Assistenzarzt 2. CI. des 2. Jäger-Bataillons No. 13 und
Dr. Radestock, Assistenzarzt 2. CI. des Carabinier-Regts., dieser unter gleichzeitiger
Befehligung zum Stadtkrankenhause in Dresden-Friedrichstadt, zum 5. Inf.-Regt.
„Prinz Friedrich August“ No. 104, — versetzt.
Dr. Golebiewski, Assistenzarzt 2. CI. des Pionier-Bataillons No. 12, aus dem
activen Sanitäts • Corps ausgeschieden und zu den Sanitäts-Offizieren der Res.
des Res.-Landw.-Bats. (Dresden) No. 108 übergetreten.
Durch Verfügung des Kriegsministeriums.
Dr. Würzler, Stabsarzt des 2. Grenadier-Regts. No. 101 „Kaiser Wilhelm, König
von Preussen“, von dem Commando zum hygienischen Institute der Universität
Leipzig zur Dienstleistung bei genanntem Regimente zurückgekehlt.
Dr. Becker, Assistenzarzt 1. CI. des 7. Inf.-Regts. No. 106, zum hygienischen In¬
stitute der Universität Leipzig befehligt, und
Dr. Wilke, Assistenzarzt 1. CI. des 4. Inf.-Regts. No. 103, unter gleichzeitiger Ent¬
hebung von dem Commando zur Sanitäts - Direction, zur Universität Leipzig
commandirt.
Veränderungen im Königlich Württembergischen Sanitäts-Corps.
Den 11. März 1886.
Koch, Unterarzt der Res. im Res.-Landw.-Bat. (Stuttgart) No. 127, zum Assistenz¬
arzt 2. CI. der Res. ernannt.
Dr. Müller, Assistenzarzt 1. CI. im Gren. - Regt. „Königin Olga“ No. 119, vom
1. April d. J. ab auf ein Jahr zur Universität Tübingen commandirt.
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"TT
— 31 -
Orden und Auszeichnungen.
Kothen Adler-Orden 4. CI.:
Dem Ober-Stabsarzt a. D- Dr. Platner zu Witzen hausen.
Familien-Nachrichten.
Verbindungen: Dr. Adrian, Assistenzarzt 1. CI. im 1. Scbles. Hus.-Regt. No. 4,
mit Frl. Gertrud Hoppe (Konstadt O.-Schl.) —
Geburten: (Tochter) Dr. Ewe, Stabsarzt a. D. (Nenndorf). —
Todesfälle: Dr. Goerl, Assistenzarzt 1. CI. der Reserve (Bromberg)/— Dr.
Alfred Möller, Stabsarzt und Abtheilungs-Arzt im 2. Garde - Feld-Ardll.-Regt.
(Berlin).
Gedruckt in der Königlichen Bofbuchdroekerei von E- 8. Mittler und Sohn, Berlin SW., Kocbstra»«e M-70.
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Amtliches Beiblatt
zur
Deutschen militärärztlichen Zeitschrift
1886. — Fünfzehnter Jahrgang. — Jtä 5.
Berlin, den 4. Februar 1886.
Es wird zur Förderung der Reinlichkeit und zur Schonung des Anstriches etc.
der Waschtische in den Krankenstuben für nothwendig erachtet, dass zur Benutzung
von Seiten der Kranken Seifnäpfe beschafft und unterhalten werden. Für den
gedachten Zweck genügen Seifnäpfe aus Fayence ohne Rost, jedoch mit geripptem
Boden, welche nach den im Verwaltungsbezirk der Intendantur des III. Armee-Corps
gemachten Erfahrungen für den Preis von 11 bis 15 Pf. pro Stück haben beschafft
werden können. Die Anzahl der zu beschaffenden bezw. zu unterhaltenden der¬
artigen Näpfe ist nach der Zahl des Sollbestandes an Waschschüsseln bei den ein¬
zelnen Lazarethen zu bemessen.
Der Königlichen Intendantur wird hiernach die weitere Veranlassung zur Be¬
schaffung etc. der vorbezeichneten Seifnäpfe für Rechnung des dortseitigen Uten¬
silienkosten-Fonds ergebenst anheim gestellt.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
v. Lauer. v. Coler.
No. 745. 11. M. M. A.
Berlin, den 11. Februar 1886.
Der Erlass des Königlichen Militär - Oekonomie - Departements vom 31. De-
cember 1885, No. 171/11. 85. M. 0. D. 4., in Betreff der periodischen Einsendung
von Bau-Rapporten findet auch auf das diesseitige Ressort mit der Maassgabe An¬
wendung :
1) dass zu 3 des Erlasses die einzelnen Bauten nicht nur bis zur Fertigstellung
bezw. Belegung, sondern mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse bei den
Lazarethbauten wie bisher bis zum Abschlüsse der betreffenden Baufonds und Rech-
nungs-Dechargirung fortzuführen sind;
2) dass den am 1. April einzusendenden Bau - Rapporten nach Maassgabe der
Verfügung vom 2. Januar 1882, No. 981/10. M. O. D. 4., ein zweites Exemplar
bezw. ein Auszug beizufügen ist, in welch letzterem die bereits in Benutzung
genommenen Bauten fortgelassen werden können.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
v. Lauer. Grossheim.
No. 1418. 12. M. M. A.
Berlin, den 13. Februar 1886.
Behufs der Befreiung der LazarethkÖchinnen vom Krankenversicherungszwange
und der davon zu erwartenden Erleichterungen für die Lazarethe bei der Annahme
derartiger geeigneter Persönlichkeiten wird es für zweckmässig erachtet, denselben
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für den Fall ihrer Erkrankung und dadurch bedingter Unfähigkeit zur Ausübung
ihres Dienstes den Fortbezug des Lohnes bis zur Dauer von 13 Wochen zu ge¬
währleisten.
Die Königliche Intendantur wird ergebenst ersucht, unter Berücksichtigung der
Bestimmungen im zweiten Absatz des § 15 des Gesetzes über die Ausdehnung der
Unfall- und Krankenversicherung vom 28. Mai 1885 das nach Vorstehendem Er¬
forderliche gefälligst in der Weise zu veranlassen, dass die Verpflichtung der Lazareth-
köchinnen zur Krankenversicherung mit Ende März d. Js. auf hört.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung,
v. Lauer. v. Coler.
No. 268/2. M. M. A. _____
Berlin, den 16. Februar 1886.
Die der Abtheilung vorgelegten Nach Weisungen über den voraussichtlichen Be¬
darf der Garnison - Lazarethe an ärztlichem Sanitätsmaterial pro 1886/87 geben zu
folgenden Bestimmungen Veranlassung.
1) Die nachstehend bezeichneten ärztlichen Geräthe und Verbandmittel, zu denen
Proben unterm 2. v. Mts. No. 1332/12. M. M. A. neu gegeben worden, sind für
die Gamison-Lazarethe schon pro 1886/87 zu beschaffen:
Bezeichnung der ärztlichen Geräthe
und Verbandmittel
Es dürfen €
Garnison-
für 12 Com¬
pagnien und
darüber
rhalten die
Lazarethe
für weniger
als 12 Com¬
pagnien etc.
Höchstpreis
im
Einzelnen
M. | Pt
emaillirtes Eiterbecken . . .
2
1
1
60
emaillirter Irrigator ....
. . .
2
1
1
90
Schlauch von schwarzem Gummi, 1,5 m
lang.
. . .
2
1
2
10
Ansatzspitze von Glas . . .
—
22
Schlundpinsel.
. . .
—
45
Cambric.
Meter
—
40
starkes Catgut.
-
—
06
mittleres -.
-
—
05
feine 8 -.
-
—
04
starke Drainröhre ....
-
—
92
mittlere - .
-
—
78
feine - .
-
—
65
entfetteter Mull.
-
—
m
Sicherheitsnadel.
. . .
—
01
starke, rohe drellirte Seide .
Gramm
—
07
mittlere - -
-
—
09
feine - -
-
—
11
wasserdichter Verbandstoff
Meter
1
35
entfettete Watte (Wundwatte),
Kilogr.
2
—
gewöhnliche ungeleimte Watte,
Kilogr.
1
75
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35
2) Der zu schätzende Jahresbedarf an ärztlichen Geräthen und Verbandmitteln
— nach Abrechnung der disponiblen Bestände und der Gegenstände zu 5 und 6 —
ist auf einmal zu beschaffen, damit der Austausch der neu beschafften Gegenstände
gegen gleichartige ältere des Train-Depots und der Festungslazareth-Depots (Auf¬
frischung) nur einmal im Jahre stattzufinden braucht.
3) Euer Hoch wohlgeboren wollen Sich s. Z. gefälligst davon Ueberzeugung ver¬
schaffen, dass die von der Verbandmittelreserve angekauften Gegenstände mit den
Proben genau übereinstimmen.
4) Auf die anzukaufenden einfachen Bruchbänder sind die zu den Medicin- und
Bandagenkasten für Batterien etc. gehörigen Bruchbänder in Anrechnung zu bringen,
desgleichen auf den anzukaufenden Fenerschwamm und Waschschwamm der für
die Medicinwagen und Medicinkarren vorhandene Schwamm. Erforderlichenfalls
sind schon jetzt die qu. Bruchbänder und der qu. Schwamm zum Auf brauch heran¬
zuziehen.
5) Folgende Gegenstände sind vom Ankauf ausgeschlossen:
a. Alle nicht probemässigen Instrumente, Geräthe und Verbandmittel;
b. imprägnirte Verbandstoffe. — Die Imprägnirung muss in den Lazarethen er¬
folgen.
c. Alle ausseretatsmässigen Geräthe und Verbandmittel, welche denselben
Zwecken dienen, für welche etatsmässige Gegenstände vorhanden sind, z. B. Gutta¬
perchapapier, Mackintosh.
d. Folgende Gegenstände:
Armkissen,
Armtragekapseln von Blech mit Zubehör,
Drahtgeflecht mit Zubehör,
Beckenstützen,
Beinbruchladen,
Beinbruchschweben,
Bistouris und Lanzetten im Besteck,
künstliche Blutegel,
Brenneisen,
doppelt geneigte schiefe Ebene,
Drahthosen mit Zubehör,
Drabtgamaschen do.,
nierenförmige Eiterbecken von Messingblech,
Flaschenzug mit Zubehör,
Gypsscheere,
transportabeler Inductionsapparat,
Instrumente zu Augenoperationen, Augengläser u. «. w. im Besteck.
Instrumente zur Obduction im Besteck,
- Tracheotomie do.,
Irrigatoren von Blech,
Zinnspitzen zum Irrigator,
Karbolsprüher,
Doppelgebläse,
Kopfhetze,
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Nadeln im Besteck,
Nadelhalter,
Unterbindungsnadeln,
grosse Beinschienen aus Hohlblech,
Ellenbogen-Resections-Doppelschienen,
Transport- und Lagerungsschiene nach v. Langenbeck,
Satz englische Schienen,
hölzerne Schiene für Vorderarm und Hand,
Paar hölzerne Schienen mit Blechhülsen zum Zusammenfügen,
kleine Siebdrahtscbienen,
Schröpfapparat und Theile daraus,
Spritze zu Klysmen und Futteral,
Verbandzeug für Aerzte,
Wundtafelchen,
baumwollenes Band,
Binden von Flanell, welche nicht 6 m lang und 7 cm breit sind,
Binden von Gaze, welche nicht 8 m lang und 12 cm breit oder
5m- 10 cm
4m- 12 cm sind,
leinene Binden,
Fläschchen mit Catgut,
Charpie-Baumwolle,
dünner geglühter Eisendraht,
Kupferdraht,
die feinere Drainröhre der Probe von 1882,
Mitellen,
Tapetenspan,
Verbandjute,
dreieckige Verbandtücher und
Wachstaffet.
6) Leinene Charpie, Compressen aus alter weisser Leinwand und alte weisse
Leinwand sind ebenfalls vom Ankauf ausgeschlossen. Diese Verbandmittel müssen
aus alter ausrangirter Wäsche der Militärverwaltung hergestellt werden.
7) Der etwaige Bedarf an den Gegenständen zu 5 d ist hierher anzumelden,
doch nicht in jedem einzelnen Bedarfsfälle, sondern gleich im Umfange für die
Gesammtheit der Lazarethe des Armee-Corps auf etwa ein Jahr.
Die Verfügung vom 14. März 1884 No. 670. 3. M. M. A. wird hierdurch auf¬
gehoben.
8) Die in dem Verzeichniss auf der letzten Seite unter A. aufgeführten Gegen¬
stände wollen Euer Hoch wohlgeboren gefälligst von der dortigen Verbandmittelreserve
aus dem diesseitigen Dispositionsbestande entnehmen und an die Verbandmittelreserve
des daneben angegebenen Armee-Corps abgeben bezw. bei dem eigenen Armee-Corps
in den Bestand zur Deckung des laufenden Bedarfs übertragen lassen.
9) Die in demselben Verzeichniss unter B. aufgeführten Gegenstände wird die
dortige Verbandmittelreserve zum Aufbrauch überwiesen erhalten.
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10) Hinsichts der leinenen Binden wird noch ergebenst bemerkt, dass an
Stelle viermetriger zunächst die dreimetrigen oder die sonst vorhandenen leinenen
Binden aufgebraucht werden sollen.
11) Wo nur Schröpfschnepper als Bedarf angegeben sind, aber vollständige
Schröpfzeuge zur Ueberweisung kommen, sind aus letzteren die einzelnen Theile
nach Bedarf auffeubrauchen.
12) Der Bedarf an Verbandjute ist zunächst durch Aufbrauch des eisernen
Bestandes der Verbandmittelreserve zu decken. Euer Hochwohlgeboren wollen aber
s. Z. gefälligst hierher angeben, wenn der eiserne Bestand aufgebraucht sein wird.
Für die Verbandmittelreserve sind zwei Exemplare dieser Verfügung beigelegt,
die Königliche Corps-Intendantur erhält Abschrift, Euer Hoch wohlgeboren ersucht
die Abtheilung ergebenst um gefällige weitere Veranlassung.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung,
v. Lauer. v. Coler.
No. 440. 2. 86. M. M. A.
Verzeichniss
der von der Corps-Verbandmittelreserve abzugebenden bezw. zu empfangenden
ärztlichen Instrumente, Geräthe und Verbandmittel.
Armee-Corps
Bezeichnung der abzugebenden bezw. zu empfangenden
Gegenstände.
A. Abzugeben:
Berlin, den 14. März 1886.
Es ist diesseits die Anfertigung der Beschreibung eines Verbindezeltes nebst
Signalvorrichtung, sowie von Abbildungen dazu (siehe Beilage 6 zur Kriegs-Sani-
täts-Ordnung A laufende No. 144) herbeigefuhrt worden.
Euer Hochwohlgeboren übersendet die Unterzeichnete Abtheilung ein Exemplar
dieser Beschreibung nebst Abbildungen (letztere in 2 Blatt) anbei ergebenst.
Der Abschnitt „das Aufschlagen des Verbindezeltes* in der Instruction für die
Militär-Aerzte zum Unterricht der Krankenträger vom 25. Juni 1875 Seite 45 u. s. w.
wird durch die Anlage entsprechend modificirt. Ein diesfälliger Nachtrag wird
s. Z. herausgegeben werden.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilang,
v. Lauer. v. Coler.
No. 339. 1. M. M. A.
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38
Beschreibung eines Verbindezeltes nebst Signal Vorrichtung.
(Siebe Abbildungen.)*)
I. Gestalt, Grösse and Gewicht des Zeltes.
Das Verbindezelt hat im Grundriss die Form eines Rechteckes von 4,10 m
Länge und 3,50 m Breite von Mitte bis Mitte der Zeltstangen gemessen and bis
zur First eine Höhe von rot. 2,60 m. Die senkrecht stehenden Seitenwände sind
bis zur Dachkante 1,88 m hoch. Das Gewicht des Zeltes beträgt ohne SignalVor¬
richtung etwa 82 bis 85 kg, mit Signalvorrichtuhg etwa 104 bis 107 kg.
II. Bestandtheile des Zeltes.
Das Verbindezelt besteht aus dem Zeitplan, dem Firstbalken, 2 Setzstangen,
2 Fusskreuzen, 12 Seitenstangen, 2 grossen Puppen, 12 kleinen Puppen (Holzeicheln),
1 Nationalflagge, 2 Sturm-, 12 Knieleinen nebst 20 Schiebern einschliesslich 4 zur
Reserve und 40 Zeltpflöcken (Häringen), einschliesslich 4 zur Reserve.
Ausserdem gehören zu dem Verbindezelte 4 Hämmer, ein Sack, sowie die
Signalvorrichtung.
III. Beschreibung und Zweck der einzelnen Theile.
1) Der Zeitplan, aus Zeltdach, Seiten- und Giebelwänden bestehend (h und n),
dient zur Bekleidung des Zeltes. Das Dach und die Seitentheile aus wasserdicht
präparirtem Segeltuch, die Giebelwände aus Segelleinwand sind durch Nähte mit
einander fest verbunden.
In der Mittellinie des Zeltdaches befindet sich an jedem Ende ein auf der inneren
und äusseren Seite mit Lederstficken umnähtes Loch für den Dorn der Setzstange.
An der innem Seite ist der Zeitplan und zwar da, wo das Dach mit den Giebel-
und Seitenwänden zusammengenäht ist, mit 35 mm breitem Gurtband besetzt. Ein
gleicher Besatz befindet sich an der inneren Seite der Giebel- und Seitenwände
24 cm von der unteren Kante entfernt.
In dem zuerst erwähnten Besätze sind, innen und aussen durch aufgenähte
Lederstucke verstärkt, 12 Löcher für die Seitenstangen, in dem zuletzt erwähnten
40 Löcher für die Strick leinen (p) und zwar zu 20 Paar gruppirt eingeschnitten.
Von den 20 Paar Löchern befinden sich 12 Paar unter den 12 Löchern für die
Seitenstangen und 2 Paar an jeder halben Giebelwand. Die Strickleinen sind durch
je ein Paar Löcher so durchgezogen und innerhalb durch je einen aufgeschobenen
Holzknopf (r) und vorgeschürzten Knoten befestigt, dass ausserhalb eine kurze
Schlinge bleibt, durch welche die Wände mittelst des Zeltpflocks am Boden fest¬
gehalten werden. Zur Verbindung der Seitenwände mit den Seitenstangen sind für
jede Stange 3 Schlaufen in Abständen von 45 cm an den Seitentheilen aufgenäht
Ausserdem sind am Zeltplane noch vier längere zum Festhalten der geöffneten Giebel-
theile bestimmte Schlaufen und zwar im oberen Gurtbesatz dicht unter den Löchern
für die Eckseitenstangen festgenäht. Diese Schlaufen werden beim Oeffnen der
Giebeltheile nach aussen über die Puppen der Eckseitenstangen gehängt
Die Giebelwände, welche an das Dach und die Seitenwände angenäht sind,
bestehen aus je zwei über die Mittellinie des Zeltes 25 cm übergreifenden Theilen,
welche hier durch 6 Paar Bindebänder zusammengehalten werden.
# ) Nur im Dienstwege einzusehen.
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2) Der Firstbalken (c) hat das Zeltdach zu tragen; er ist in zwei Theile zer¬
legbar und bildet im Querschnitt die Form eines Rechteckes, dessen obere Seite
abgerundet ist. Die beiden Theile des Firstbalkens sind da, wo sie verbunden
werden, entsprechend abgeschrägt Zur Verbindung dient eine auf dem einen
Theile mit Holzschrauben befestigte Eisenblechhülse, in die der andere Theil ein¬
geschoben wird. Eine Klammer an dem einen Theile, die mit ihrem Haken in
eine auf dem anderen Balkentheile eingeschraubte Oese greift, hindert das Heraus¬
ziehen aus der Hülse. Die beiden Enden des zusammengesetzten Balkens sind durch
aufgesetzte, kurze Eisenhülsen verstärkt und zur Aufnahme des Doms der Setz¬
stange vertikal durchlocht.
3) Die Setzstangen (b) bilden die Träger des Firstbalkens. Dieselben sind
rund, 50 mm stark, 2,51 m lang (ezcl. des oberen Doms und am oberen Ende mit
einem Dome versehen; ein an diesem Ende umgelegter Eisenring sichert die Stange
gegen Ausbrechen des Doms. Letzterer hat am Ende ein Schraubengewinde zur
Aufnahme der grossen Puppe. Die Spitze des eisernen Doms, welche in das Hirn¬
holz der Stange eingetrieben wird, muss rauh gemacht eingehauen werden, um
ein Lockern zu verhüten.
4) Die Fnsskreuze (a) dienen zur Unterlage für die Setzstangen und verhindern,
dass letztere in den weichen Erdboden eingedrückt werden. Sie bestehen aus zwei
rechtwinkelig sich kreuzenden 310 mm langen Hölzern, die durch eine Holzschraube
in der Mitte zusammengehalten werden. Im Kreuzungspunkte der Hölzer befindet r
sich eine 15 mm tiefe Ausdrehung als Basis für die Setzstange.
5) Die Seitenstangen (d), ähnlich den Setzstangen, jedoch nur 1,88 m lang excl.
des oberen Doms und 30 mm stark, sind Träger des Zeitplans an den Seitenkanten
und geben den Seitenwänden Halt gegen Seitenschwankungen. Am oberen, durch
einen eisernen Ring geschützten Ende der Seitenstangen befindet sich ein eiserner
11,5 lang vorragender Dom zur Aufnahme des Zeitplanes und einer kleinen Puppe.
6) Die grossen und kleinen Puppen (k) haben den Anstrich des Feldlazareth-
materials (blau und weiss). In die eine grosse Puppe ist der Stock der National¬
flagge eingeleimt
7) Die Nationalflagge besteht aus einem, im fertigen Zustande 73 cm langen,
66 cm breiten Flaggentuch (schwarz, weiss, roth) in 73 cm langen und 22 cm. breiten
Streifen, welches unter Benutzung eines Lederstreifens an den Flaggenstock fest-
, genagelt ist
8) Die Sturm- und Knieleinen (1 und m) mit Schiebern (o) geben dem Zelt im
Verein mit den Zeltpflöcken einen festen Halt gegen Verschieben und Umkippen.
Die Sturmleinen, 16 m lang, sind etwa 8 mm stark und in der Mitte zu einer
Schlaufe verschlungen, die über den Dora der Setzstange geschoben wird. Die
Schleife in der Mitte der Sturmleinen ist so herzustellen, dass die beiden Enden
rieh kreuzen. Die Knieleinen, 4 m lang und etwa 6 mm stark, sind durch im
Zeltdach befindliche Löcher für die Seitenstangen gezogen und durch einen aufge¬
schobenen Holzknopf und vorgeschürzten Knoten gegen das Durchziehen gesichert.
Die Holzschieber (o), gegen das Abgleiten von der Leine durch einen einfachen
Knoten geschützt, gestatten ein schnelles Bilden und Festziehen von Schlingen über
den Zeltpflöcken.
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9) Die Zeltpflöcke (Häringe) (s), aas rothriisternem Holze, halten mit
ihrem hakenförmigen Kopfe die Sturm-, Knie- und Strickleinen dicht über dem
Erdboden fest.
IV. Beschreibung der Zubehörstücke des Zeltes.
1) Die Handschlägel (?) sind zum Einschlagen der Zeltpflöcke bestimmt. Der
Schlägel, aus Weissbuchenholz, tonnenförmig, 16 cm lang, hat einen 'mittleren
Durchmesser von 10 cm, an den Schlagseiten einen solchen von 9 cm, während der
Stiel aus gradfaserigem, nicht geschwemmtem Eschenholz oder Hickoryholze 50 cm
lang ist, einen ovalen Querschnitt hat und sich nach hinten zu verstärkt.
2) Der Sack, aus Leinwand, dient zur Aufbewahrung der Zeltpflöcke, Puppen
und Hammer; er ist 1,25 m lang und 82 cm breit.
V. Beschreibung der Signalvorrichtung.
Die Signalvorrichtung ist zur Kenntlichmachung des Verbandplatzes bestimmt.
Sie besteht aus der Signalstange, der Signallaterne mit Reverber und der Neutrali¬
tätsflagge. Ausserdem gehört zu derselben ein Eisenblech-Futteral und ein Weiden¬
korb.
1) Die Signalstange (e) besteht aus dreiTheilen: dem Unter-, Mittel- und Ober¬
stück.
a. Das Unterstück, in Fuss-, Mittel- und Obertheil zerfallend, ist 1,79 m lang.
Der Fusstheil ist mit einem geschmiedeten, spitzen Eisenschuh versehen, der Mittel¬
theil ist vierkantig und hat zwei senkrecht zu einanderstehende, längliche Durch¬
lochungen für 2 Hölzer (Durchsteckpflöcke), die 17 cm von Mitte zu Mitte ausein¬
ander liegen. Die Durchsteckpflöcke, 0,50 m lang, sind bestimmt, der bis über den
oberen Pflock in die Erde einzugrabenden Signalstange einen festen Halt zu geben.
An den vierkantigen Mitteltheil schliesst sich der cylindrische Obertheil. Letzterer
hat an seinem oberen Ende eine mit Holzschrauben befestigte Hülse aus Gasrohr
zur Aufnahme des Mittelstücks der Signalstange. Zur Befestigung des Mittelstücks
in der oben erwähnten, mit einem Loch versehenen Hülse dient ein an einer Kramine
durch eine kurze Kette befestigter Vorstecker.
b. Das Mittelstück, eine cylindrische Stange von 1,62 m Länge, ist am oberen Ende
ebenfalls mit einer Hülse aus Gasrohr und zwar zur Aufnahme des Oberstücks ver¬
sehen. Zum Festhalten des letzteren dient eine Klemmschraube. Um ein Platzen
des Gasrohrs zu verhüten und der Klemmschraube einen grösseren Halt zu geben,
ist die Hülse durch einen eisernen Ring verstärkt, in welchen das Loch mit Mutter¬
gewinde eingebobrt ist.
c. Das Oberstück ist gleichfalls eine cylindrische Stange von 1,92 m Länge.
Am oberen Ende ist dasselbe mit Vorrichtungen zum Aufbringen der Neutralitäts¬
flagge und zur Befestigung der Signallaterne versehen. Die erstere Vorrichtung ist
drehbar und mittelst zweier Ringe auf dem Oberstück befestigt; sie besteht aus zwei
senkrechten Schienen, einer wagerechten Schiene und einer schrägstehenden Strebe.
Der obere Ring wird durch drei in Holz eingelassene und mittelst Holzschrauben
befestigte Federn dicht unter der Gasrohr-Hülse gehalten und hat zwei genau einander
gegenüberliegende Knöpfe, hinter bezw. an welchen die senkrechten Schienen be¬
weglich hängen. Der untere Ring, drehbar und beweglich ncch unten, hat in
gleicher Weise 2 Knöpfe, über welche die mit Loch und Schlitz versehenen unteren
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Enden der senkrechten Schiene gesteckt werden. Im oberen Ring ist die Vage-
rechte^ Schiene und im unteren Ringe die Strebe charnierartig eingefugt, beide
Theile sind um einen Niet drehbar miteinander verbunden. Die senkrechten
Schienen haben je drei, in gleichen Abständen auf ^ 4 , und 8/4 der Länge der
Schienen stehende Knöpfe.
Beim Gebrauch wird der untere Ring nebst Strebe und wagerechter Schiene
soweit gehoben, dass die unteren Enden der senkrechten Schienen mittelst der
Löcher und Schlitze über die Knöpfe des unteren Ringes gesteckt werden können.
Dadurch wird der Ring in bestimmter Höhe gehalten, und mit ihm Strebe und
wagerechte Schiene in die richtige Lage gestellt. An jeder Seite sind nunmehr fünf
Knöpfe in gleichen Abständen vorhanden (einer am oberen Ringe, drei an der senkrechten
Schiene und einer am unteren Ringe), an welche die Flagge an beliebiger Seite ange¬
knöpft wird. Die obere Kante der Flagge wird an dem wagerechten Arm mittelst
2 Paar Bändern festgebunden, während die Spitze des Arms in ein auf der oberen
Kante der Flagge befindliches Lederfutter gesteckt wird.
Die Vorrichtung zur Aufnahme der Signallaterne ist gleich der Vorrichtung
am oberen Ende des Mittelstilcks.
2 ) Die Signallaterne (g) mit Reverber, besteht ans der Röhre, mit der sie
in den Hohlcylinder des Obertheils eingesetzx und vermittelst der Klemmschraube
festgehalten wird, der eigentlichen Laterne mit drei rothen und einer weissen Scheibe,
welch’ letztere in die seitwärts zu öffnende Thür eingesetzt ist, und dem nach
oben durch ein Charnier zu öffnenden Deckel mit Klappe.
Die Röhre ist in ganzer Höhe des Eingriffs in das Oberstück der Signal¬
stange mit einem Eisenrohr zu ummanteln.
In der Röhre befindet sich oben das Licht, darunter eine bewegliche Blech¬
kapsel und unter dieser eine Spiralfeder. Die Blecbkapsel ist zweiseitig, umfasst nach
oben das untere Ende des Lichts und nach unten den oberen Theil der Spiral¬
feder. Das Licht (in der Regel Wachslicht) wird durch die Spiralfeder stets nach
oben gedrückt, begrenzt wird dieser Druck durch die Kappe, welche mit ihrer
Nase über die Wulst der Röhre greift. Ein vierfacher Reverber, der mit seinem
Fus 8 an die Röhre greift und auf den Laternenboden aufsteht, erhöht die Stärke
des Lichtscheins.
3) Die Neutralitätsflagge besteht aus einem weissen, 1,25 m langen und
0,83 m breiten Flaggentuche mit eingeheftetem, rothem Kreuze (Genfer Kreuz).
4) Das Eisenblechfutteral W. (Laternengehäuse) dient zur Aufbewahrung der
Laterne beim Nichtgebrauch, der Weidenkorb zur Verpackung der Laterne mit
Futteral.
VI. Aufstellung des Zeltes.
Zur Aufstellung des Zeltes ist, wenn angängig, ein Platz von 12 m Länge und
8,8 m Breite zn wählen. Die Aufstellung selbst geschieht am besten durch eine
Patrouille — also 12 Krankenträger des Sanitäts - Detachements, die in drei Ab¬
theilungen (Tragen) arbeiten — in drei Tempos.
Erstes Tempo.
Vorbereitungen zum Aufrichten.
Die 1. und 2. Trage breiten den Zeitplan so auseinander, dass die Aussen-
fiäche mit den daran befestigten Leinen auf den Boden zu liegen kommt. Zu
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gleicher Zeit setzt die 3. Trage den Firstbalken zusammen und legt denselben in
die Mitte des ausgebreiteten Planes ein. Die 2. Trage nimmt die Setzstangen und
schiebt die eisernen Dorne derselben durch die Löcher in dem Firstbalken und in
dem Plane, Trage 1 schlägt jetzt die eine Hälfte des Planes über den Firstbalken
nach der andern Seite hinüber, nimmt die Sturmleinen und steckt die beiden
grossen Puppen auf die Dorne der Setzstangen.
Zweites Tempo.
Das Aufrichten des Zeltes.
Die 4 Mann der ersten Trage behalten jeder ein Ende der beiden Sturmleinen
in der Hand. Auf das Commando „Achtung — auf* ziehen die 2 Mann an der
überschlagenen Seite des Zeltes langsam und gleichmässig an, während beim Er¬
heben des Zeltes Trage 2 die unteren Enden der Setzstangen genau in die Fuss-
kreuze eingefügt und die Setzstangen, wenn sie aufgerichtet sind, festhält. Nun
halten auch die beiden anderen Leute von Trage 1 mit ihren Sturmleinen fest
gegen, um ein Ueberfallen des Zeltes zu verhüten, und Trage 3 schlägt sofort die
für die Sturmleinen bestimmten Häringe ein und zieht sie damit an. Die 1. Trage
behält jedoch die Leinen fest in der Hand.
Drittes Tempo.
Das Befestigen des Zeltes.
Ist so das Zelt aufgerichtet, dann nehmen die 4 Mann der Trage 3 die
Seitenstangen und stecken sie mit den Dornen durch die Oeffnungen des Zeit¬
planes, indem sie die Stangen zugleich fest in den Boden einstossen. Nachdem die
Trage 2 gleichzeitig die kleinen Puppen auf die Dome aussen anfgesteckt hat,
schlagen Trage 2 und 3 die für die Stripp- und Knieleinen bestimmten Häringe
ein, indem sie mit denselben die Leinen fest anziehen. Erst wenn so alle Leinen
festgespannt sind, lässt Trage 1 die Sturmleinen los.
Sogleich nach erfolgter Aufstellung des Zeltes wird eine Trage zur Auf¬
stellung der Signalvorrichtung commandirt.
VII. Aufstellung der Signalvorrichtung.
Die Signalvorrichtung ist in solcher Entfernung von dem Zelte aufzustellen,
dass der Transport der Verwundeten durch dieselbe nicht behindert wird.
Die einzelnen Theile der Signalvorrichtung werden von der commandirten
Trage zusammengesetzt. Die Laterne wird mit der Tülle in die Hülse der Stange
eingesetzt und festgeschraubt und die Neutralitätsflagge an die eisernen Seitenstäbe
eingeknöpft und befestigt. Darauf werden durch die im Unterstück der Stange
befindlichen Durchlochungen die Durchsteckpflöcke gesteckt und es wird die Stange
bis über den oberen Pflock in die Erde eingegraben, auch der Boden zwischen den
Pflöcken gut festgetreten.
VIII. Niederlegung des Zeltes.
Soll das Zelt abgenommen werden, so haben zunächst Trage 1 und 2 die
Häringe, welche die Knie- und Strippleinen halten, herauszuziehen, während Trage 3
die kleinen Puppen ab- und die Seitenstangen herausnimmt.
Trage 1 tritt nun an die Sturznleinen und hält diese, während Trage 2 di«
Häringe derselben löst und herauszieht.
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Das Herunter!assen des Weites an den Stunnleinen geschieht non auf das
Commando: „Achtung — rechts (links) nieder!“ Auf dieses Commando ziehen die
2 Mann der rechten (linken) Seite ihre Leinen an, während die 2 Mann der ent¬
gegengesetzten Seite langsam nachlassen, so dass das Zelt allmälig zu Boden kommt.
Liegt das Zelt, so niipmt Trage 1 die grossen Puppen ab und legt die Sturm¬
leinen zusammen.
Trage 2 hebt die Setzstangen mit den Fusskreuzen heraus und Trage 3 nimmt
den Firstbalken and hakt ihn auseinander.
Häringe, Puppen und Hämmer müssen sofort wieder in den Sack gethan, die
Seitenstangen zusammengebunden und der Zeitplan möglichst glatt zusammengelegt
werden. *
Nach dem Zusammenlegen des Zeltes wird eine Trage zum Abnehmen und
Verpacken der Signalvorrichtung commandirt.
A.-V.-B1. No. 8.
Ausbildung der Krankenträger für den Krankentransport auf Eisen¬
bahnen.
Berlin, den 19. März 1886.
Zur Vervollständigung der Ausbildung der Krankenträger erscheint es nothwendig,
diese Mannschaften künftig auch über die Herrichtung der inneren Ausstattung von
Eisenbahnwagen, welche nach §. 161 der Kriegs -Sanitäts- Ordnung vom 10. Januar
1878 zur Improvisation von Hülfs-Lazarethzügen Verwendung finden sollen, praktisch
unterweisen zu lassen, und wird zu diesem Zweck Folgendes bestimmt:
1) Die Unterweisung wird an deh letzten beiden Tagen der zehntägigen praktischen
Krankenträgerübungen der Mannschaften des activen Dienststandes, sowie deijenigen
des Beurlaubtenstandes vorgenommmen.
2) Dieselbe erstreckt sich auf die Herrichtung je eines Güterwagens nach Grund-
schem und nach Hamburger System bei jeder Uebung (Beilage 44 der Kriegs-Sani-
täts-Ordnung), sowie auf das Ein- und Ausladen von Verwundeten (Beilage 43 der
Kriegs-Sani täts-Ordnung).
3) Das hierzu erforderliche Krankentransportmaterial wird aus den Beständen
der Lazareth- Reserve -Depots nach Maassgabe des §. 45 der Dienstvorschriften für
den Train im Frieden entnommen.
4) Die beiden Güterwagen sind bei den Königlichen Eisenbahndirectionen auf
zwei Tage gegen Erstattung der Wagenmiethe zu requiriren bezw. ist wegen ihrer
Gestellung unter gleichen Bedingungen mit der sonst zuständigen obersten Eisenbahn¬
behörde etc. in Verbindung zu treten.
5) Das hiernach Erforderliche ist seitens der Königlichen Generalcommandos
zu veranlassen.
Nach einer an das Kriegsministerium gelangten Mittheilung des Herrn Ministers
der öffentlichen Arbeiten vom 26. Januar er. — II a 809 — sind die Königlichen
Eisenbahndirectionen angewiesen worden, den Requisitionen der Königlichen General¬
commandos um leihweise Ueberlassung der Güterwagen für beregte Zwecke seiner
Zeit Folge zu geben und die Vornahme der zweitägigen Uebungen an geeigneten
Punkten der dazu in Aussicht zu nehmenden Bahnhöfe zu gestatten.
Kriegsministerium.
Bronsart v. Schellendorff,
No. 10/2. 86. M. M. A. ___
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44
Personal-Veränderungen im Sanitäts-Corps.
Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen.
Befördert werden: Der Stabsarzt Dr. Haase vom Garde-Schützen-Bat,unter
Entbindung von dem Commando als Hülfsreferent bei der Militär-Medicinal-Abtheilung
des Kriegsministeriums, zum Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt des 1. Hess.
Inf.-Regts. No. 81; die Assist.-Aerzte 1. CI.: Dr. Schneider vom Hess. Feld-Art-
Regt. No. 11 zum Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. 1. Westpreuss. Grenad. - Regts.
No. 6, Dr. Thel in der etatsmässigen Stelle bei dem General- und Corpsarzt des
11. Armee-Corps zum Stabs- und Bats.-Arzt des 3. Bats. Hess. Fös.-Regts. No. 80,
Dr. Nehbel vom 3. Ostpreuss. Grenad.-Regt No. 4 zum Stabs- und Bats.-Arzt des
Füs.-Bats. dieses Regts., Dr. Dressei vom 2. Schles. Hus.-Regt. No. 6 zum Stabs¬
und Bats.-Arzt des Brandenburg. Pion.-Bats. No. 3, und Dr. Doepner vom West¬
preuss. Cürassier-Regt. No. 5 zum Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. Schles. Fös.-
Regts. No. 38; die Assist.-Aerzte 2. CI. der Res.: Dr. Albrecht vom 1. Bat. (Schwerin)
1. Grossherzogi. Mecklenburg. Landw.-Regts. No. 89, — Dr. Kramer vom 2. Bat
(2. Trier) 8. Rhein. Landw.-Regts. No. 70, — Dr. Schroeder und Dr. Potthast
vom 2. Bat. (Paderborn) 6. Westfal. Landw.-Regts. No. 55, — Everth vom 2. BÄt
(Prenzlau) 8. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 64, — Dr. Hübner und Dr. Krauss
vom Res.-Landw.-Regt. (1. Breslau) No. 38, — Hagemann vom 1. Bat. (1. Münster)
1. Westfal. Landw.-Regts. No. 13, — Dr. Wehn vom Res.-Landw.-Regt (Cöln)
No. 40, — Dr. Lorenz und Dr. Barth vom 1. Bat. (Weissenfels) 4. Thüring.
Landw.-Regts. No. 72, — Dr. Böttger vom 2. Bat (Halle) 2. Magdeburg. Landw.-
Regts. No. 27, — Dr. Dinkelacker vom Res.-Landw.-Bat. (Altona) No. 86, —
Dr. Göbeler vom 2. Bat. (Neu-Strelitz) 1. Grossherzogi. Mecklenburg. Landw.-
Regts. No. 89, — Dr- Trautvetter vom 2. Bat. (Meiningen) 6. Thüring. Landw.-Regts.
No. 95, — Dr. Brednow vom 2. Bat. (Cöslin) 2. Pommer. Landw.-Regts. No. 9,
— Dr. Hauchecorne und Dr. v. Laszewski vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin)
No. 35, — Dr. König vom 2. Bat. (Cüstrin) 1. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 8,
— Dr. Neu mann, vom 2. Bat. (Sorau) 2- Brandenburg. Landw.-Regts. No. 12, —
Neubauer vom 1. Bat. (Wismar) 2. Grossherzogi. Mecklenburg. Landw.-Regts.
No. 90, — Dr. Co mp es vom 1. Bat. (Freiburg) 5. Bad. Landw-Regts. No. 113, —
und Dr. Senzig vom 2. Bat. (Saarlouis) 4. Rhein. Landw.-Regts. No. 30, — zu
Assist. - Aerzten 1. CI. der Res.; — die Assist-Aerzte 2. CI. der Landw.:
Dr. Winter vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, — Dr. Land rock vom
2. Bat (Meiningen) 6. Thüring. Landw.-Regts. No. 95, — und Prahl vom 1. Bat
(Kiel) Holstein. Landw.-Regts. No. 85, — zu Assist.-Aerzten 1. CI. der Landw.;
die Unterärzte: Dr. Arndt vom Ostpreuss. Füs.-Regt No. 33, — Beckmann vom
8. Pommer. Inf.-Regt. No. 61, dieser unter Versetzung zum 6. Pommer, Inf.-Regt
No. 49, Dr. Krem er vom Cürassier-Regt. Königin (Pommerschen) No. 2, — Löchner
vom 1. Brandenburg Feld-Art.-Regt. No. 3 (General-Feldzeugmeister), dieser unter
Versetzung zum 4. Pommer. Inf.-Regt. No. 21, — Dr. Uhl vom Magdebuig. Jäger-
Bat. No. 4, unter Versetzung zum 4. Thüring. Inf.-Regt No. 72, — Dr. Lotsch
vom Inf.-Regt. No. 132, unter Versetzung zum 6. Brandenburg. Inf.-Regt No. 52, —
und Dr. Baege vom Hus.-Regt Kaiser Franz Joseph von Oesterreich, König von
Ungarn (Schleswig-Holstein.) No. 16, unter Versetzung zum 1. Magdeburg. Inf.-
Regt. No. 26, — zu Assist.-Aerzten 2. CI.; die Unterärzte der Reserve: Funck
vom 2. Bat. (Freistadt) 1. Niederschles. Landw.-Regts. No. 46, — Dr. Sperling,
Dr. Aye, Dr. Lövinson und Dr. Düsterwald vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin)
No. 35, — Dr. Brey er und Zdralek vom Res.-Landw.-Regt. (1. Breslau) No. 38, —
Dr. Bernhard vom 2. Bat. (Brieg) 4. Niederschles. Landw.-Regts. No. 51, — Simons
vom 2. Bat. (Saarlouis) 4. Rhein. Landw.-Regts. No. 30, — Dr. Cramer vom
(1. Bat. (Stendal) 1. Magdeburg. Landw.-Regts. No. 26, — Home ist er vom 1. Bat
Kiel) Holstein. Landw.-Regts. No. 85, — Westendorf vom 1. Bat. (Hamburg)
2. Hanseat. Landw.-Regts. No. 76, — Burgtorf vom 2. Bat (2. Oldenburg) Olden¬
burg. Landw.-Regts. No. 91, — Braun vom 1. Bat (Marburg) 1. Hess. Landw.-
Regts. No. 81, — Weng vom 1. Bat. (Bruchsal) 3. Bad. Landw.-Regts. No. 111, —
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Dr. Fischbein vom 2. Bat. (Dortmund) 3. Westfal. Landw.-Regts. No. 16; — und
Dr. Levinstein vom 2. Bat (Teltow) 7. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 60, —
zu Assist.-Aerzten 2. CI. der Res.; —der Unterarzt der Landw. Dr. Branden¬
burg vom 2. Bat (Wohlan) 1. Schles. Landw.-Regts. No. 10 zum Assist-Arzt 2. CI.
der Landw.; der Unterarzt der Marine-Res. Tjarks vom 1 . Bat (Kiel) Holstein.
Landw.-Regts. No. 85, zum Assist-Arzt 2 . CI. der Marine-Res. — Versetzt werden:
Der Oberstabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt Dr. v. Kranz vom 1 . Hess. Inf.-Regt
No. 81 zum 6 . Bad. Inf.-Regt No. 114; die Stabs- und Bats.-Aerzte Dr. Riebe
vom 2. Bat. 1 . Westpreuss. Grenad.-Regts. No. 6 zum 2 . Bat. 4. Posen. Inf.-Regts.
No. 59, und Dr. Hümmerich vom 3. Bat. Hess. Füs.-Regts. No. 80 zum Garde-
Schützen -Bat, der Stabsarzt Dr. Rochs vom medicinisch-chirurgischen Friedrich-
Wilhelms-Institut als Abtheilungsarzt zur 2 . Abtheilung des 2. Garde-Feld-Art-Regts.,
der Stabsarzt Dr. Bungeroth vom medicinisch - chirurgischen Friedrich-Wilhelms-
Institut als Bats.-Arzt zum 3. Bat Niederrhein. Füs.-Regts. No. 39; der Stabsarzt
Dr. Schwieger vom medicinisch-chirurgischen Friedrich-Wilhelms-Institut und
commandirt zur Dienstleistung bei dem Bezirks-Commando des Res.-Landw.-Regts.
( 2 . Berlin) No. 35, zu diesem Bezirks-Commando; die Stabs- und Bats.-Aerzte
Dr. Baerensprung vom Brandenburg. Pion.-Bat. No. 3, — und Dr. Renvers
vom 3. Bat. Niederrhein. Füs.-Regts. No. 39, — beide zum medicinisch-chirurgischen
Friedrich-Wilhelms-Institut; die Assist.-Aerzte 1 . CI.: Dr. Terstesse vom 3. Hannov.
Inf.-Regt. No. 79, zum 1 . Hannov. Inf.-Regt No. 74, Dr. Krause vom Garde-
Schützen - Bat. zum Bezirks-Commando des Res. - Landw. - Regte. ( 1 . Berlin) N 6 . 35,
Scriba vom Inf.-Regt. No. 129 /zum Hess. Feld-Art.-Regt. No. 11, Dr. Kobelins
vom 4. Thüring. Inf.-Regt. No. 72 zum 2. Schles. Hus.-Regt. No. 6 , Dr. Klamroth
vom Hess. Train-Bat No. 11 in die etatsmässige Stelle bei dem General- und
Coipsarzt des 11 . Armee-Corps, und Dr. Hahn v. Dorsche vom 3. Hess. Inf.-Regt
No. 83 zum Westpreuss. Cürassier-Regt. No. 5; die Assist.-Aerzte 2. CI.: Dr. Letz
vom Ostpreuss. Füs.-Regt No. 33 zum Nass. Feld-Art.-Regt. No. 27, Dr. Keitel
vom 4. Bad. Inf.-Regt. Prinz Wilhelm No. 112 zum Kaiser Franz Garde-Gren. - Regt.
No. 2 , und Dr. Koch vom 1 . Schles. Grenad.-Regt. No. 10 und commandirt zur
Dienstleistung bei der Marine, zur Marine. — Der Stabs- und Bats.-Arzt Dr. Krocker
vom Garde-Schützen-Bat. wird als Hülfsreferent zur Militär-Medicinal-Abtheilung des
Kriegsmioisteriums commandirt — Der Abschied bewilligt: Dem Ober-Stabsarzt
1 . CL Dr. Hoepffner, Marine-Stationsarzt der Ostsee, unter Verleihung des Charakters
als Generalarzt 2 . CI., mit der gesetzlichen Pension und der Erlaubnis zum Tragen
der Uniform der Marine-Aerzte mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Ab¬
zeichen; dem Stabs- und Bats.-Arzt Dr. Rosenzweig vom 2 . Bat. Schles. Füs.-
Regts. No. 38, unter Verleihung des Charakters als Ober-Stabsarzt 2 . CI., mit der
gesetzlichen Pension und der Erlaubnis zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit
den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen; dem Stabs- und Bats.-Arzt
Dr. Wollf vom 2. Bat. 4. Pos 6 n. Inf.-Regts. No. 59 mit der gesetzlichen Pension
und der Erlaubnis zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete
vorgeschriebenen Abzeichen; dem Assist.-Arzt 2. CI. Apstein vom Westpreuss.
Feld-Art.-Regt. No. 16 mit der gesetzlichen Pension; ferner: den Stabsärzten der
Landw.: Dr. Hahn vom 1 . Bat. (Brandenburg a. H.) 7. Brandenburg. Landw.-Regts.
No. 60, Dr. Lodemann, und Dr. Block vom Res.-Landw.-Bat. (Hannover) No. 73 ;
sowie dem Assist.-Arzt 1. CI. der Landw. Dr. König vom 1 . Bat. finden; 2 . Westfal!
Landw.-Regts. No. 15.
Berlin, den 20. April 1886.
Nachweisung der beim Sanitätscorps im Monat März 1886 ein¬
getretenen Veränderungen.
Durch Verfügung des General-Stabsarztes der Armee.
Den 5. März 18 86 .
Dr. Arndt, Unterarzt vom Ostpreuss. Füs.-Regt. No. 33 ,
Dr. Baege, Unterarzt vom Hus.-Regt. Kaiser Franz Joseph von Oesterreich König
von Ungarn (Schleswig-Holstein.) No. 16, 6
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Dr. Kremer, Unterarzt vom Cür.-Regt. Königin (Pomm.) No. 2,
Dr. Uhl, Unterarzt vom Magdeburg. Jäger-Bat. No. 4;
den 13. März 1886,
Dr. Leuchert, Unterarzt vom Hannov. Pion.-Bat. No. 10;
den 20. März 1886,
Jacobi, Unterarzt vom Schles. Feld-Art.-Regt. No. 6, — sämmtlich mit Wahr¬
nehmung je einer bei den betreff. Truppentheilen vacanten Assist. - Anstelle
beauftragt.
Dr. Kübler, Unterarzt vom Magdeburg. Füs.-Regt No. 36,
Dr. Stern, Unterarzt vom Feld-Art-Regt. No. 16;
den 26. März 1886,
Dr. Johannes, Unterarzt vom Thüring. Feld-Art.-Regt. No. 19, — sämmtlich mit
Wahrnehmung je einer bei den betreff. Truppentheilen vacanten Assist.-Arztstel)e
beauftragt.
Veränderungen im Königlich Bayerischen Sanitäts-Corps.
Den 3. April 1886.
Dr. Schiestl, Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt vom 3. Chev.-Regt. Herzog
Maximilian, mit Pension zur Disp. gestellt.
Dr. Müller, Ober-Stabsarzt 1. CL, Garnisonarzt von der Commandantur Würzburg,
als Regts.-Arzt zum 4. Chev.-Regt. König, unter gleichzeitiger Beauftragung mit
Wahrnehmung der divisionsärztlichen Function bei der 2. Div.,
Dr. Leitenstorfer, Stabsarzt vom 2. Train-Bat., als Garnisonarzt zur Comntan-
dantur Würzburg,
Dr. v. Varennes-Mondasse, Stabsarzt vom 1. Train-Bat., als Bats.-Arzt zum
15. Inl-Regt. König Albert von Sachsen,
Dr. Kölsch, Stabsarzt vom 10. Inl-Regt. Prinz Ludwig, zum 1. Fuss-Art-Regt.
Bothmer,
Dr. Roth, Stabsarzt vom 17. Inf.-Regt Orff, zum 2. Fuss-Art-Regt,
Dr. Zimmermann, Assist-Arzt 1. CI. vom 1. Fuss-Art-Regt. Bothmer, unter Ver¬
leihung des Charakters als Stabsarzt, als Bats.-Arzt zum 4. Inl-Regt König
Carl von Württemberg,
Dr. Koch, Assist.-Arzt 1. CI. vom 10. Inf.-Regt. Prinz Ludwig, zum 1. Train-Bau,
Brückl, Assist-Arzt 2. CI. vom 12. Inf.-Regt Prinz Arnulf, zum 1. Fuss-Art-Regt.
Bothmer,
Dr. Münch, Assist.-Arzt 2. CI. vom 5. Inl-Regt Grossherzog von Hessen, zum
2. Train-Bat, — versetzt.
Dr. Mo8er, Stabsarzt, als Regts.-Arzt im 10. Inl-Regt. Prinz Ludwig,
Dr. Deininger, Stabsarzt vom 3. Feld-Art-Regt. Königin Mutter, als Regts.-Arzt
im 3. Chev.-Regt Herzog Maximilian, — zu Ober-Stabsärzten 2. CI. befördert.
Die Assist-Aerzte 1. CI.:
Dr. Lacher, vom 3. Inf.-Regt. Prinz Carl von Bayern, als Bats.-Arzt im 17. Inl-
Regt Orff,
Dr. Büchner, vom 1. Feld-Art.-Regt. Prinz Luitpold, als Abtheil.-Arzt im 3. Feld-
Art.-Regt Königin Mutter, — zu Stabsärzten,
Dr. Hermann, Lochbrunner (MünchenI), Kienningers (Augsburg), Dr. Reichart
(Ingolstadt), Dr. Ehr mann, Dr. Selig (Aschaffenburg), Dr. Pauli (Landau),
Assist-Aerzte 1. CI. des Beurlaubtenstandes, zu Stabsärzten des Beurlaubten¬
standes, — befördert.
Die Assist.-Aerzte 2. CI.:
Dr. Fruth im 2. Inf.-Regt. Kronprinz,
Dr. Hering im 5. Chev.-Regt Prinz Otto, — zu Assist-Aerzten 1. CI.,
Dr. Bernpointner (Mindelheim), Dr. Schech (Ingolstadt), Dr. Rauch (Hof),
Dr. Schülein (Bayreuth), Dr. Walter (Nürnberg), Veltung, Dr. Zeitler
(Erlangen), Dr. Entres, Dr. Schuster (Kitzingen), Dr. H ausmann (Bamberg)
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Kemper (Kissingen), Dr. Schirmer, Dr. Kräh (Aschaffenburg), Held (Speyer),
Dr. Breith (Zweibrücken), Assist.-Aerzte 2. CI. des Beurlaubtenstandes, zu
Assist-Aerzten 1. CI. des Beurlaubtenstandes, — befördert.
Dr. Mayrhofer, Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt im 18. Inf,-Regt. Prinz
Ludwig Ferdinand,
Dr. Ebenböch, Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt im 2. Chev.-Regt. Taxis,
— ein Patent ihrer Charge verliehen.
Dr. Schmid, Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt im 12. Inf.-Regt. Prinz Arnulf,
als Ober-Stabsarzt 1. CI.,
Dr. So Ihrig, Stabs- und Abtheil.-Arzt im 3. Feld-Art.-Regt. Königin Mutter, als
Ober-Stabsarzt 2. CI., — charakterisirt. '
Durch Verfügung des Kriegsministeriums.
Den 13. April 1886.
Seitz, einjährig-freiwilliger Arzt des 1. Inf.-Regts. König, zum Unterarzt im 12. Inf.-
Regt. Prinz Arnulf, unter gleichzeitiger Beauftragung mit Wahrnehmung einer
vacanten Assist-Arztstelle, ernannt.
Den 17. April 1886.
Dr. Goldstein (Aschaffenburg), Dr. Schmitz (Zweibrüeken), Assist. - Aerzte 1. CI.
des Beurlaubtenstandes, der Abschied ertheilt.
VeräDderuDgen im Königlich Sächsischen Sanitäts-Corps.
Allerhöchster Beschluss vom 22. April 1886.
Dr. Oelsner und Dr. Kuntze, Unterärzte der Res. des Res.-Landw.-Bats. (Dresden)
No. 108 und,
Dr. Klinkhardt, Unterarzt der Res. des 1. Bats (Leipzig) 7. Landw.-Regts No. 106,
zu Assistenzärzten 2. CI. der Reserve — befördert.
Dr. Berckholtz, Königl. Preuss. Assistenzarzt 2. CI. der Res. a. D., als Assistenz¬
arzt 2. CI. unter dem 1. Mai er. bei dem Garde-Reiter-Regiment angestellt.
Dr. v. Villers, Assistenzarzt 1. CI. des 3. Infanterie-Regiments No. 102, zum
2. Ulanen-Regiment No. 18 (Garnison Geithain) versetzt.
Dr. Werner, Assistenzarzt 1. CI. des 9. Infanterie-Regiments No. 133, aus dem
activen Sanitäts-Corps ausgeschieden und zu den Sanitäts-Offizieren der Reserve
des 1. Bats. (Borna) 8. Landw.-Regts. No. 107 übergetreten.
Dr. Lier, Stabs- und Bataillonsarzt des 5. Infanterie-Regiments „Prinz Friedrich
August 4 No. 104, in Genehmigung seines Gesuches mit der gesetzlichen Pension,
aus Allerhöchsten Kriegsdiensten, und
Dr. Freitag undDr. Meybürg, Stabsärzte der Res. des 1. Bats. (Plauen) 5. Landw.-
Regts. No. 104, aus Allerhöchsten Kriegsdiensten behufs Ueberführung in den
Landsturm — der Abschied bewilligt.
Durch Verfügung des Kriegsministeriums vom 25. März 1886.
Schneider, Oberapotheker der Res. im Bezirke des 1. Bats. (Plauen) 5. Landw.-
Regts. No. 104, befehligt zu einer viermonatlichen Probedienstleistung behufs
Wahrnehmung des Dienstes der vacanten Corps-Stabsapothekerstelle des XII. (K.S.)
Armee-Corps, unterm 1. April er. zum Corps-Stabsapotheker ernannt.
Veränderungen im Königlich Württembergischen Sanitäts-Corps.
Dr. Lech ler, Unterarzt im 7. Infanterie - Regiment No. 125, unter Versetzung in
das 4. Infanterie-Regiment No. 122, zum Assistenzarzt 2. CL ernannt.
Schlesinger, Stabsarzt der Landw. im 2. Bat. (Hall) 4. Landw.-Regts. No. 122,
Dr. Jahn, Assistenzarzt 1. CI. im 8. Inf.-Regt. No. 126, — der Abschied bewilligt.
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Orden und Auszeichnungen.
Ritterkreuz 1. CI. des Badischen Ordens vom Zähringer Löwen:
Dem Ober-Stabsarzt a. D. Dr. Nüsse (Potsdam).
Ritterkreuz 1. CI. des Königl. Sächsischen Albrechts-Orden:
Dem Stabsarzt a. D. Dr. Crede (Dresden).
Familien-N achrich ten.
Verlobungen: Pfeffer, Assistenzarzt 1. CI. im 4. Pomm. Inf.-Regt. No. 21, mit
Frl. Rosa Rudies (Thorn). — Dr. Heinicke, Assistenzarzt 1. CI. im
2. Thüring. Inf.-Regt. No. 32, mit Frl. Helene Feder (Coburg).
Verbindungen: Dr. Otto Marsch, Assistenzarzt 1. CI. im Regt, der Gardes du
Corps, mit Frl. Hedwig Brunner. — Dr. Nepomuk Weber, Königl. Bayer.
Ober-Stabsarzt a. D., mit Frl. Marie Weber (München).
Geburten: (Tochter): Dr. Heckenbach, Stabs- und Abtheil.-Arzt in Düsseldorf.—
Dr. Lange, Stabsarzt in Saarlouis. —
Todesfälle: Moritz Kruspe, Assistenzarzt 1. CI. im Sachs. 2. Ulanen - Regiment
No. 18. — Dr. Zollenkopf, Stabs- und Bats.-Arzt im Sachs. Infanterie-Regt.
No. 102. — Dr. Söltl, Bayer. Ober-Stabsarzt a. D. (Langenbruck). —
Dr. Buchholz, Ober-Stabsarzt a. D. (Spandau).
Gedruckt in der Königlichen Bofbuchdruckerei ron E. S. Mittler und Sohn, Berlin, Kocbetraue G8— 7<s.
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Amtliches Beiblatt
zur
Deutschen militärärztlichen Zeitschrift
1886. — Fünfzehnter Jahrgang. — M 6.
Berlin, den 31. März 1886.
Die jährlich zunehmenden Badegesnche inactiver Mannschaften machen eine
Beschränkung der Badebewilligungen, wie Vereinfachung des Geschäftsverkehrs
nothwendig.
Es kann daher von diesem Jahre ab die Wohlthat einer kostenfreien Badecur nur
denjenigen als invalide anerkannten, unbemittelten Mannschaften zugewendet werden,
deren Leiden zweifellos aus einer Kriegs- oder Friedens-Dienstbeschädigung herrührt
Inactive Mannschaften, welche auf Grund des §.110 des Militär-Pensions-Gesetzes
oder auf Grund der Allerhöchsten Cabinets-Ordre vom 12. Juli 1884 (A.-V.-B1. S. 139)
Unterstützungen erhalten, werden bezüglich der Badecuren den Pensionsempfängern
gleich erachtet
Dagegen können die im Civilstaatsdienst (§. 106 des Militär-Pensions-Gesetzes)
angestellten oder aus diesem Dienst als Pensionäre wieder ausgeschiedenen ehe¬
maligen Militär-Invaliden beim Nachweise des Zusammenhanges ihres jetzigen Leidens
mit einer Kriegs-, oder Friedens-Dienstbeschädigung gleich den in der Militär-Ver¬
waltung als Beamte angestellten Invaliden nur noch gegen Bezahlung der Selbstkosten
zu Badecuren zugdassen werden.
Bezüglich der Badecuren für die hn activen Dienst befindlichen Mannschaften
vem Feldwebel abwärts verbleibt es bei deit bisherigen Bestimmungen.
Die Entscheidung auf die Anträge wegen Zulassung inactiver Mannschaften zu
kostenfreien Badecuren nach den der Militär-Verwaltung zur Verfügung stehenden
Carorton, desgleichen die Bewilligung von Badecuren gegen Bezahlung der Selbst¬
kosten wird wieder, wie es bis zum Erfass der Badebeatimmungen vom 18. Juni 1878
der Fall war, den Königlichen General-Coimnandos übertragen.
Aus dem allgemeinen Pensionsfonds sind daher für das Jahr 1886 die Mittel
abgezweigt, um in Summe 185 Invaliden etc. zu kostenfreien Badecuren ohne dies¬
seitige Genehmigung zulassen zu können.
Der Entscheidung der Unterzeichneten Abtheilung unterliegen die Gesuche um
BadeeurbewilKgungett
a. in den für gewöhnlich den Mannschaften nicht zugänglichen Curorten, wie
* Karlsbad, Marienbad etc.,
b. für tu Bayern, Sachsen und Württemberg lebende Preussische Invalide,
c. für m den Garnfoon-Lazarethen als Passanten verpflegte Mannschaften und
d. die Gesuche um Gewährung von Beihülfen zum häuslichen Gebrauch von
Brunnen oder Bädern für solche inactive Mannschaften, deren Leiden
bereits soweit vorgeschritten ist, dass von einer Badecur höchstens ein
kurz vorübergehender Erfolg erwartet werden kann.
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60
Aasserdem wird die Abtheilung Badecuren für in Preussen lebende Königlich
Bayerische, Württembergische und Sächsische Invalide, sowie für Invalide der
Kaiserlichen Marine vermitteln.
Bezüglich der Kostenverrechnung wird ganz ergebenst ersucht, die Liquidationen
über Badecurkoaten für inacdve Mannschaften gleich nach Beendigung der Cursaison
aufstellen und von den Intendanturen ohne Verzug auf die Militär-Pensions-Casse
hierselbst zur Verausgabung beim Abschnitt »Insgemein“ der reservirten Fonds des
Allgemeinen Pensionsfonds anweisen zu lassen, damit rechtzeitig die wirklichen
Kosten bekannt werden und über die Gesammtmittel des Titels sicher disponirt
werden kann.
Um später eine Ausgleichung in der Zahl der den Königlichen General-Commandos
überlassenen Curbewilligungen nach Maassgabe der thatsächlichen Verhältnisse
bewirken zu können, haben die Intendanturen in der alljährlich im Frühjahr ein-
zureichenden Nachweisung über getroffene Badevorkehrungen unter Bubrik «Zahl
der Mannschaften, welche im Vorjahre die Cur gebraucht haben* anzugeben, wie
viel inactive Mannschaften aus jedem Armee-Corps zu kostenfreien Curen ä conto
des Allgemeinen Pensionsfonds zugelassen waren.
.Abdrücke dieses Erlasses für die Divisions - Commandos werden zur
Benachrichtigung der Landwehr-Bataillone und Divisions-Intendanturen unter dem
ergebensten Ersuchen beigefügt, hiervon dem Corps-Generalarzt und der Corps-
Intendantur sehr gefälligst Kenntniss geben zu wollen.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal - Abtheilung,
v. Lauer. Lentze.
No. 597/1. M. M. A.
Berlin, den 5. April 1886.
Die Königliche Intendantur wird mit Bezug auf den Bericht vom 30. v. Mts.
und auf den Schlusspassus der Verfügung vom 23. Februar 1881 No. 668. 12. M.
O. D. 4 ergebenst benachrichtigt, dass auf die danach am 1. April jeden Jahres
zu erstattenden Anzeigen über die etwa für das folgende Etatsjahr zu beantragenden
ersten Bauraten für das diesseitige Ressort künftig verzichtet wird, da die betreffenden
Verhältnisse hier auch ohne jene Anzeigen übersehen werden können.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung,
v. Laner. v. Coler.
No. 124. 4. M. M. A.
Berlin, den 7. April 1886.
Mit Bezug auf die Verfügung des Königlichen Militär-Oekonomie-Departements
vom 22. Februar er. No. 667. 1. M. 0. D. 4, Latrinen-Einrichtungen betreffend,
wird ergebenst darauf aufmerksam gemacht, dass das sogenannte Mainzer Tonnen¬
wagen-System für Garnison-Lazarethe nach den Verfügungen des genannten Departe¬
ments vom 19. Juni 1883 No. 463. 3. M. 0. D. 4 und vom 26. November 1884
No. 518. 9. M. O. D. 4, Passus 1 in der Regel nicht anwendbar ist, weil die Noth-
wendigkeit besonderer Abfallrohre für jeden Sitz und die nach verschiedenen Stock¬
werke zu trennende Ventilation Schwierigkeiten verursachen. Wenn dasselbe in
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besonderen Fällen bei eingeschossigen Krankengebäuden (Baracken) zulässig erscheint,
ist solches bezw. die Abweichung von dem Normal-Tonnen-System in den betreffenden
Projecten zu begründen.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung,
v. Lauer. v. Coler.
No. 1496. 1. M. M. A.
A.-V.-Bl. No. 13.
Neubearbeitete Beilage 5 der Kriegs-Sanitäts-Ordnung,
Medicinisch-chirurgischer Etat.
Berlin, den 13. Mai 1886.
Behufs Durchführung der antiseptischen Wundbehandlung im Felde hat das
Feld-Sanität8xnaterial wesentlich umgestaltet und die Beilage 5 der Kriegs-Sanitäts-
Ordnung vom 10. Januar 1878, Medicinisch-chirurgischer Etat, neu bearbeitet werden
müssen.
Die neu bearbeitete Beilage wird den Königlichen Commandobehörden in der
erforderlichen Zahl nebst Vertheilungsplan unter Umschlag zugehen.
Demnächst ist dafür Sorge zu tragen, dass jedem Exemplar der Kriegs-Sanitäts-
Ordnung die bisherige Beilage 5, Seite 287 bis 404, entnommen und die neue Bei¬
lage, Seite 287 bis 404 w, einverleibt wird.
Die letztere Beilage wird im Verlage der Königlichen Hofbuchhandlung von
E. 8. Mittler und Sohn, Berlin SW., Kochstrasse No. 68—70, und zwar bei
directer Bestellung zum Preise von 1 Mark pro Exemplar erscheinen.
Kriegaministerium.
Bronsart v. Schellendorfi
No. 1884/4. 86. M. M. A.
Personal-Veränderungen im Sanitäts-Corps.
Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen.
Befördert werden: die Ober-Stabsärzte 2. Classe und Regimentsärzte:
Dr. Wie blitz vom 5. Pommerschen Infanterie-Regt. No. 42, — Dr. Kuhrt vom
Altmärk. Ulanen-Regt. No. 16, — Dr. Schoenleben vom 1. Schles. Drag.-Regt.
No. 4, — Dr. Koke vom 7. Rhein. Inf.-Regt. No. 69, — sowie der Ober-Stabs¬
arzt 2. CI. Dr. Nieter, Garaisonarzt in Neisse, — zu Ober-Stabsärzten 1. CI.;
der Ober-Stabsarzt 2. CI. Dr. Grossheim, Referent bei der Militär-Medicinal-Abthei¬
lung des Kriegsministeriums, zum Ober-Stabsarzt 1. CI., dieser vorläufig ohne Patent;
die Stabs- und Bataillonsärzte: Dr. Weber vom 2. Bat. 4. Garde-Gren.-Regts.
Königin zum Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt des 5. Westfäl. Inf.-Regts.
No. 53, — Dr. Zabel vom 2. Bat. Inf.-Regts. Prinz Friedrich Karl von Preussen
(8. Brandenburgischen) No. 64 zum Ober - Stabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt des
Ostpreussischen Drag.-Regts. No. 10, — Dr. Bernigau vom 2. Bat. 3. Brandenburg.
Inf.-Regt8. No. 20 zum Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt des 1. Westfäl. Inf.-
Regts. No. 13, — Dr. Wallmüller vom 2. Bat. 4. Westfäl. Inf.-Regts. No. 17 zum
Ober-Stabsarzt 2. CI. und Garaisonarzt in Danzig, — Dr. Beese 1 vom 2. Bat. 6. Wesfäl.
Inl-Regts. No. 55 zum Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt des Gren.-Regte.
Kronprinz (1. Ostpreussischen) No. 1, — und Dr. Schlott vom 2. Bat. 3. Grossherzogi.
Hessischen Inf.-Regts. (Leib-Regiments) No. 117 zum Ober-Stabsarzt 2. CI. und
Regimentsarzt des Westpreuss. Cürassier-Regts. No. 5; — der Stabsarzt Dr.
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Koenig von der Unfceroff.-Schule in Potsdam zum Ober-Stabsarzt U. GL und
Regimentsarzt des 1. Garde - Ulanen - Regts.; — die Assistenzärzte l. CUsse:
Dr. Schjerning in der etatsmässigen Stelle bei dem General- und Corpsarzt des
Garde-Corps zum Stabs- und Bataillonsarzt des 2. Bats. 4. Garde-Gren.-Regts.
Königin, — Dr. Heinrici vom Ostpreuss. Ulanen-Regt No. 8 zum Stabs- und
Bataillonsarzt des 2. Bats. 3. Niederschles. Inf.-Regts. No. 50, — Dr. Neumann
vom 1. Garde-Feld-Artillerie-Regt. zum Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. In£-Regts.
Prinz Friedrich Karl von Preussen (8. Brandenburgischen) No. 64, —Dr. Breitung
vom Kaiser Franz Garde-Gren.-Regt. No. 2 zum Stabs- und Bataillonsarzt des
2. Bats. 6. Westfäl. Inf.-Regts. No. 55, — Dr. Dengel vom Kaiser Alexander
Garde-Gren.-Regt. No. 1 zum Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. 3. Brandenburg.
Inf.-Regts. No. 20, — Dr. Thiele vom 3. Garde-Regt zu Fuss zum Stabs- und
Abth.-Arzt der Reitenden Abtheilung Niederschles. Feld-ArtilL-Regts. No. 5, —
Dr. v. Platen vom 3. Pomm. Inf.-Regt No. 14 zum Stabs- und Bats.-Arzt des
3. Bats. Sobleswig-Holsteinschen Fus.-Regts. No. 86, — und Dr. Gehrick vom 1«
Haimov. Inf.-Regt No. 74 zum Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. 4. Westfäl.
Inf.-Regts. No. 17; — die Assist-Aerzte 2. CL der Reserve; Dr. Bremer vom
1. Bat (Danzig) 8. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 45, — Dr. Backhaus vom
1. Bat (Hemfeld) 2. Thüring. Landw. - Regts. No. 32, — Dr. Cordes vom 2. Bat
(Längen) Ostfries. Landw.-Regts. No. 78, — Dr. Karst vom 1. Bat (Brandenburg a./H.)
7. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 60, — Dr. Bielefeld vom 1. Bat (Giessen)
2. Grossherzogi. Hess. Landw.-Regts. No. 116,— Dr. Reichel, Dr. Wiesenthal,
Dr. Morgenstern und Dr. Gottstein vom Res.-Landw.-Regt (1. Berlin) No. 35,—
Dr. Jannes vom 1. Bat (Aachen) 1. Rhein.Landw.-Regts. No. 25,— Dr. Weissenfels
vom 2. Bat (Fulda) 1. Hess* Laudw.-Regts. No. 81, — Dr. Skrseczek vom
1. Bat (Rybnik) 1. Oberschles. Landw.-Regts. No. 22, — Dr. Bogatsoh vom Res.-
Landw.-Regt. (L Breslau) No. 38, —Dr. Menke vom 2. Bat (Paderborn) 6. WestfäL
Landw.-Regts. No. 55, — Dr. Martheus vom 1. Bat (Detmold) 6. Westfäl. Landw.-
Regts. No. 55, — Dannhausen vom 1. Bat (Hildesheim) 3, Hannover. Landw.-
Regts. No. 79, — Dr. T immer mann vom 2. Bat (Torgau) 4. Magdeburg. Landw.-
Regts. No. 67, — Dr. Reiss vom Res.-Landw.-Regt (Cöln) No. 40 , — und
Dr. Leineweber vom 2. Bat. (2. Münster) 1. Westfäl. Landw.-Regts. No. 13, —
zu Assistenzärzten 1. Classe der Reserve; die Assistenzärzte 2. CL der
Landwehr: Dr. Weber vom 1. Bat (Potsdam) 3. Brandenburg. Landw.-Regts.
No. 20, — Dr. Lesser vom 1. Bat (Bitterfeld) 4. Magdeburg. Landw.-Regts.
No. 67, — Dr. Korn vom 1. Bat (StWendel) 4.Rhein. Landw.-Regts. No.30,—
Dr. v. Sehlen vom Res.-Landw.-Bat. (Hannover) No. 73, — und Dr. Benckiser
vom 2. Bat (Heidelberg) 2. Bad. Landw.-Regts. No. 110, — zu Assistenzärzten
1. CI. der Landwehr; die Unterärzte: Dr. Kühler vom Magdeburg. Füs.-
Regt No. 36, — Dr; Johannes vom Thüring. Feld-Artil).-Regt No. 19, dieser
unter Versetzung zum 3. Pomm. Inf.-Regt No. 14, — Dr. Roland vom 4. Nieder¬
schles. Inf.-Regt No. 51, — Jacob! vom Schles. Feld-Artill.-Regt No. 6, di es e r
unter Versetzung zum Leib-Curass.-Regt (Schlesischen) No. 1, — Dr. Len eher t
vom Hannover. Pionier-Bat No. 10, unter Versetzung zum 4. Bad. Inf.-Regt Prinz
Wilhelm No. 112, — Dr. Spiering vom Hess. Feld-ArtilL-Regt No. 11, — mmi
Dr. Stern vom Feld-Artill.-Regt No. 15, — au Assistenzärzten 2. CL; die
Unterärzte der Reserve: Dr. Messerscbmidt, Dr. Steffen und Dr. Bublits
vom 1. Bat. (Anolam) 1. Pommer. Landw.-Regts. No. 2. — Dr. Apolant vom
2. Bat (Nienburg) 1. Hannover. Landw.-Regts. No. 74, — Dr. Langerhans vom
Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, — Keil vom 2. Bat (Halle) 2. Magdeburg.
Landw.-Regts. No. 27, — Dr. Franke und Dr. Scholz vom Res.-Laadw.-Regt
(1. Breslau) No. 38, —Dr. Wachsnervom 2. Bat (Benthes) 2. Oberschles. Landw.-
Regts. No* 23, —- Dr. Vagedes vom 1. Bat (1. Münster) 1. Westfäl. Landw.-
Regts. No. 13, — Dr. Ott vom 1. Bat (Kiel) Holstein. Landw.-Regts. Ne. 85, —
Günter vom 1. Bat (Hildesheim) 3. Hannover. Landw.-Regts. No. T9, — Dr. Jacebi
vom Re8.-Landw.-Bat. (Hannover) No. 73, — Dr. Rittsteiner vom Ree-Landw.-
Bat (Frankfurt a. M.) No. 80, — Dr. Grobe vom 9. Bat (Meiningen) 6. ThAriag.
Landw.-Regts. No. 95, — Dr. Hassenstein vom 2. Bat (Torgaa) 4. M a g d e barg.
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53
Landw.-Regts. No. 67, — and Dr. Wilhelm Tom Unterelsäss. Res.-Landw.-Bat.
(Strassbarg) No. 98, — za Assistenzärzten 2. CL der Reserve. — Der Ober-
Stabsarzt 2. CL und Bataillonsarzt Dr. Köhler vom 2 . Bat, 2. Garde-Regts. zu
Fass wird, anter Verleihung eines Patents seiner Charge, zum Regimentsarzt des
2 . Garde-Regts. za Fass ernannt. — Die Ober-Stabs&rzte 1 . CI. and Regimentsärzte
Dr. Weber vom 6 . Ostpreuss. Inf.-Regt. No. 43, and Dr. Förster vom 9. Westfäl.
Feld-Artill.-Regt. No. 22, werden mit Wahrnehmung der drrißionsärstlichen Functio¬
nen, ersterer bei der 1 . Division, letzterer bei der 13. Division, beaaftragt. —
Versetzt werden: Der Ober-Stabsarzt 1 . CI. and Regts.-Arzt Dr. Burehard vom
2. Garde-Regt. zu Fuss in die erste Garnisonarzt-Stelle zu Berlin; — der Ober-
Stabsarzt 2. CI. Dr. Bobrik, Garnisonarzt in Danzig, als Regts.-Arzt zum Ost¬
preuss. Cürass.-Regt. No. 3 Graf Wrangel; — der Stabs- und Abtheil.-Arzt
Dr. Riebei von der Reitenden Abtheil, des Niederschles. Feld-Artill.-Regts. No. 5
als Bat».-Arzt zum 2. Bat. 2. Garde-Regts. zu Fass; — der Stabs- und Baia.-Arzt
Dr. Smits vom 3. Bat. Scblesw.-Holstein. Füs.-Regts. No. 86 zum Fua-Bat
2. Nassau. InL-Regts. No. 88 ; — der Stabsarzt Dr. Gallenkamp vom Garde-Fuss-
Artill.-Regt. zur Unteroffizierschale in Potsdam; — der Stabs- und Bats.-Arzt
Dr. Ruprecht vom 2. Bat. 3. Niederschles. Inf.-Regts. No. 50 zum Garde-Fuss-
Art.-Regt; — die Assistenzärzte 1 . CI.: Dr. Brettner vom Invalidenhaase za
Berlin zum 1 . Garde - Feld- Art - Regt., — Dr. Schwarze vom 2 . Garde-Drag.-
Regt. in die etatsmässige Stelle bei dem General- und Corpsarzt des Garde-Corps, —
Dr. Wichnra vom Leib-Cörass-Regt. (Schlesischen) No. 1 zum Schles. Ulanen-
Regt No. 2, und Dr. Schmidt vom Schleswig. Feld-Art-Regt. No. 9 zum 2 . Garde-
Drag.-Regt. — Der Abschied wird bewilligt: den Ober-Stabsärzten 1 .CI. and
Regimentsärzten: Dr. Tegener vom 1 . Garde - Ulanen - Regt., — Dr. Korff
vom 1 . Westfäl. Inf.-Regt. No. 13, beauftragt mit Wahrnehmung der divisions¬
ärztlichen Functionen bei der 13. Div* — Professor Dr. petruschky vom Gren.-
Regi. Kronprinz ( 1 . Ostpreussischen) No. 1, beauftragt mit Wahrnehmung der
divlsionsärzdichen Functionen bei der 1 . Div., — und Dr. Erdmann vom Ost¬
preuss. Cürass.-Regt. No. 3 Graf Wrangel, — allen vier mit der gesetzlichen
Pension, dem Charakter als Generalarzt 2 . CI. und der Erlaubnis zum Tragen
ihrer bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen; —
dem Ober-Stabearzt 1 . CI. Dr. Ochwadt, 1 . Oamisonarzt in Berlin, unter Ver¬
leihung des Charakters als Generalarzt 2 . CI., mit der gesetzlichen Pension und
der Erlaubnis« zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den ffir Verabschiedete
vorgeschriebenen Abzeichen; — dem Ober-Stabsarzt 2 . CI. und Regimentsarzt
Dr. Remacly vom 5. Westfäl. Inf.-Regt. No. 53, und dem Stabs- und Bats.-Arzt
Dr. Kr5eher vom Ffis.-Bat. 2. Nassau. Inf.-Regt«. No. 88 , diesen beiden mit der
gesetzlichen Pension und der Erlaubniss zum Tragen ihrer bisherigen Uniform mit
den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen; — ferner: dem Stabsarzt
der Reserve Dr. Bernheim vom Res.-Landw.-Regt. (1* Berlin) No. 35; den
Stabsärzten der Landw.: Dr. Lewinski und Dr. Borgmann vom Res.-Landw.-Regt.
(1. Berlin) No. 35, — Dr. Kiam&nn vom 2 . Bat. (Jüterbog) 3. Brandenbarg. Landw. -
Regts. No. 20, — Dr. Wortmann vom 2 . Bat. (Iserlohn) 7. Westfäl. Landw.-Regts.
No. 56, —und Dr. Wendt vom 1 . Bat (Schwerin) 1 . Grossherzogi. Mecklenburg.
Landw.-Regts. No. 89; — den Assist-Aerzten 1. CL der Landw.: Dr. Schnabel vom
2 .Bat.(Kosten) 8 .Pos. Landw.-Regts. No. 58, — Dr. Boesensell vom 2.Bat (Reckling¬
hausen) 5. Westfäl Landw.-Regts. No. 53, — und Dr. Jung vom 1 . Bat (Kim)
7. Rhein. Landw.-Regts. No. 69; — sowie dem Assist-Arzt 2 . CI. der Res.
Dr. Regling vom 2. Bat (Rastenburg) 5. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 41.
Berlin, den 15. Mai 1886.
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54
Nachweisung der beim Sanitätscorps im Monat April 1886 ein¬
getretenen Veränderungen.
Durch Verfögung des General-Stabsarztes der Armee.
Den 7, April 1886,
Dr. Spiering, Unterarzt vom Hess. Feld-Art-Regt. No. 11,
Schmidt, Unterarzt vom 3. Thüring. Inf.-Regt No. 71,
Dr. Hol and, Unterarzt vom 4. Niederschles. Inf.-Regt No. 61,
Dr. Grassmann, Unterarzt vom 1. Oberschles, Int-Regt No. 22;
den 17. April 1886,
Dr. Loewe, Unterarzt vom Hohenzollem. Füs.-Regt No. 40;
den 30. April 1886,
Dr. Wilberg, Unterarzt vom 2. Hannover. Inf.-Regt. No. 77, — sämmttich mit
Wahrnehmung je einer bei den betreff. Truppentheilen vacanten Assist-Arztstelle
beauftragt
Veränderungen im Königlich Bayerischen Sanitäts-Corps.
Den 21. April 1886.
Dr. Horlacher, Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regte.-Arzt des 1. Ulan.-Regts. Kron¬
prinz Friedrich Wilhelm des Deutschen Reiches und von Preussen, mit Pension
. und mit der Erlaubnis zum Tragen der Uniform der Abschied bewilligt
Dr. Anderl, Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt des 1. Feld-Art-Regts. Prinz
Luitpold, zum Kriegsministerium,
Dr. Buchetmann, Ober-Stabsarzt 1. CI., Referent im Kriegsministerium, als
Regts.-Arzt zum 1. Feld-Art.-Regt Prinz Luitpold,
Dr. Popp, Stabsarzt vom 16. Inf.-Regt vacant König Alfons von Spanien, zum
Garnison-Lazaretb Fürstenfeld,
Dr. Eyerich, Assist-Arzt 1. CI. vom 2. Feld-Art-Regt Horn, zum General-
commando II. Armee-Corps,
Dr. Patin, Assist-Arzt 1. CI. vom Generalcommando II. Armee-Corps, zum 2. Feld-
Art.-Regt Horn, — versetzt.
Dr. Neumaier, Stabsarzt vom Garnisonlazareth Fürstenfeld, zum Ober-Stabsarzt 2. CI.
und Regts.-Arzt im 1. Ulan.-Regt Kronprinz Friedrich Wilhelm des Deutschen
Reiches und von Preussen,
Dr. Heim, Assist-Arzt 2. CI. im 6. Inf.-Regt. Kaiser W ilhelm König von Preussen,
zum Assist-Arzt 1. CI.,
Dr. Frobenius, Dr. Kronacher, Schwaiger, Dr. Walther, Dr. Panizza,
Dr. Krämer (München I), Dr. Lauter (München II), Kimmerle (Kempten),
Fauler (Mindelheim), Dr. Weber (Augsburg), Bundschu, Dr. Cremer
(Dillingen), Dr. Mulzer (Regensburg), Boecale (Amberg), Dr. Haselhorst,
Dr. Struck, Dr. Löhlein, Dr. Höltzke (Hof), Barabo, Dr. Koch,
Dr. Pauschinger, Dr. Rupprecht (Nürnberg), Dr. Köberlin, Dr. Krämer
(Erlangen), Dr. Porzelt, Dr. Bretz (Kitzingen), Dr. Börner, Hansmann,
Dr. Brandewiede, Dr. Boitin (Kissingen), Dr. Unckenbold, Dr. Siebert,
Schneider, Dr. Hennecke, Dr. Diefenbach, Dr. Lentz (Aschaffenburg),
Müller (Kaiserslautern), Recum, Ullrich (Speyer), Dr. Teutsch (Landau),
Dr. Müller (Zweibrücken), Assist-Aerzte 2. CL des Beurlaubtenstandes, zu
Assist-Aerzten 1. CI. des Beurlaubtenstandes,
Möhlmann (Kissingen), Mayer (Würzburg), Richter (Kaiserslautern), Reudel-
huber (Speyer), Unterärzte der Res., zu Assist-Aerzten 2. CI. des Bear-
laubtenstandes, — befördert.
Dr. Zimmermann, Stabs- und Bats.-Arzt im 4. Inf.-Regt. König Carl von Württem¬
berg, ein Patent seiner Charge verliehen,
Dr. Schneider, Assist-Arzt 1. CI. a. D., als Assist-Arzt 1. CI. des Beurlanbten-
standes mit einem Patent vom 2. November 1881 wiedereingereiht
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55
Durch Verfügung des Kriegsministeriums.
Den 18. Mai 1886.
Hoff mann, einjährig-freiwilliger Arzt, zum Unterarzt im 5. Inf.-Regt. Grossherzog
yon Hessen ernannt und gleichzeitig mit Wahrnehmung einer vacanten Assist.-
Arztstelle beauftragt.
Orden und Auszeichnungen.
Rother Adler-Orden 4. Classe:
Dem Marine-Stabsarzt Dr. Schotte.
Venezuelanischer Orden der Büste Bolivars 4. Classe:
Dem Marine-Stabsarzt Dr. Dippe.
Dem Marine-Stabsarzt Dr. Brunhoff.
Familien - Nachrichten.
Verbindungen! Dr. Kluge, Assist.-Arzt 1. CI. im Hannov. Hus.-Regt. No. 15,
mit Frl. Clara Nitze (Arneburg).
Geburten (Sohn): Dr. Schedler, Assist-Arzt 1. CI. (Weilburg). — Dr. König,
Stabsarzt (Potsdam).
Todesfälle: Dr. Bufe, Stabs- und Bats.-Arzt im 8. Rhein. Inf.-Regt. No. 70
(Diedenhofen).
Gedruckt Ja der Kdnif liehen Ho fbuchd racker ei von B. S. Mittler und Sohn, Berlin, Kochetruee 68-70.
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Amtliches Beiblatt
zur
Deutschen militärärztlichen Zeitschrift.
1886. — Fünfzehnter Jahrgang. — M 7.
Berlin, den 19. April 1886.
Der Besitzer der Wasserheilanstalt zu Bad Elgersburg i. Th., Stabs¬
arzt der Landwehr Dr. Barwinski, hat sich erboten, den einer Cur bedürftigen
activen und inactiven Offizieren, Sanitätsoffizieren und Militärbeamten in seiner
Anstalt ohne Rücksicht auf die Saison Curerleichterungen durch Bewilligung
eines Erlasses von 10 pCt. auf die Gesammtrechnung für Wohnung, Verpflegung,
Bäder, ärztliche Behandlung etc. zu gewähren, auch den eine Cur nicht gebrauchenden
Offizieren etc. und den sie begleitenden Angehörigen billigere Preise für Wohnung
und Pension, als die Taxe vorschreibt, in Rechnung zu stellen.
Die Unterzeichnete Abtheilung hat dieses Anerbieten annehmen zu sollen ge¬
glaubt und gestattet sich, das etc. ganz ergebenst zu ersuchen, den betreffenden
Kreisen hiervon geneigtest mit dem Bemerken Kenntniss geben lassen zu wollen,
dass im Bedürfnissfalle die Reflectanten sich mit dem Besitzer der Anstalt direct
in Verbindung zu setzen haben würden.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
An sämmtliche Generalcommandos.
Ew. etc. spricht die Unterzeichnete Abtheilung für Ihr Anerbieten, den in
Ihrer Anstalt aufgenommenen Offizieren etc. Curerleichterungen durch Bewilligung
niedriger Preise gewähren zu wollen, den verbindlichsten Dank aus mit dem Hinzu¬
fügen, dass von Ihrer^ Offerte den Königlichen General-Commandos behufs weiterer
Mittheilung Kenntniss gegeben worden ist.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
An
den Königlichen Stabsarzt der Landwehr
Herrn Dr. Barwinski
Hochwohlgeboren
in
Bad Elgersburg i. Th.
No. 188/1. M. M. A.
Berlin, den 21. Mai 1886.
Die Abtheilung nimmt Veranlassung, den unterstehenden Lazarethen die genaue
Beachtung der Vorschriften im §. 437 des Friedens-Lazareth-Reglements
in Erinnerung zu bringen, nach welchen am Schlüsse eines jeden Tages die an
demselben vorgekommenen Einnahmen an Victualien in das Einnahme-Manual
dergestalt eingetragen werden sollen, dass auf einer Linie die Gesammt-Einnahme
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für jeden Tag nachgewiesen wird, wenn auch an einem Tage verschiedene Ein*
lieferungen eines und desselben Beköstigungsartikels stattgefunden haben.
Ebenso ist auf die Vorschrift im letzten Absatz des §. 437 aufmerksam za
machen, nach welcher die auf Grund der täglichen Diätzettel und sonstigen ärzt¬
lichen Verschreibungen im Laufe eines Tages verausgabten Victualien am Tages-
schlusse in das Ausgabe-Manual einzutragen sind, woselbst die Ausgabe für jeden
Tag ebenfalls auf einer Linie nachgewiesen wird. (Conf. auch pass. 5 des Erlasses
vom 19. Juni 1854 — No. 600. 5. M. 0. D. 4 B. — Seiten 109/110 der zweiten Zu-
sanjmenstellung der Nachtrags-Bestimmungen zum Friedens-Lazareth-Reglement.)
Auch die Bestimmung im §. 440 des Friedens-Lazareth-Reglements, nach
welcher in den Victualien-Mänaalen keine Rasuren Vorkommen dürfen, ist den
unterstehenden Lazarethen einzuschärfen.
Demnächst werden die Deputirten der Königlichen Intendantur bei den Local-
Revisionen der Lazarethe der genauen Beachtung der vorerwähnten Bestimmungen
sowie überhaupt der Vorschriften über den Victualien-Verkehr, insbesondere hinsichts
der Qualität der Verpflegungsgegenstände, der Art ihrer Aufbewahrung und Ver¬
ausgabung, der Bereitung der Speisen etc. ihre besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden
und etwaige Verstösse gegen dieselben bei der Königlichen Intendantur behufs event.
sofortiger ernster Ahndung zur Sprache zu bringen haben. Ueber wichtigere Fälle
derartiger Verstösse ist hierher zu berichten.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
An sämmtliche Königliche Corps-Intendanturen.
|
Abschrift hiervon wird Euer Hochwohlgeboren mit dem Ersuchen ergebenst
übersandt, gefälligst die unterstehenden Lazarethe dahin mit Weisung zu versehen,
dass die Chefärzte bei der Beaufsichtigung des Victualien-Verkehrs auf die Be¬
achtung der vorerwähnten Vorschriften zu halten, und die ordinirenden Aerzte bei
den Diätverordnungen sich streng in den Grenzen der Beköstigungs-Vorschriften zu
halten haben.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheihing.
No. 436/5. M. M. A. 1.
Berlin, den 22. Mai 1886.
Es ist der Fall vorgekommen, dass das Contracts-Verhältniss mit dem
Lieferanten von Lebensmitteln für ein Garnison-Lazareth entgegen
dem fiskalischen Interesse nicht sofort hat gelöst werden können,
weil die in dem betreffendem Arme(-Corps-Bezirk gebräuchlichen und auch dem
betreffenden Vertrage zu Grunde gelegten Bedingungen für die Lieferung von
Victualien für die Garnison - Lazarethe entgegenstanden. Dieselben
enthielten in Ansehung der Sicherung der Erfüllung der contractlichen Verpflichtungen
von Seiten des Lieferanten lediglich die Bestimmung, dass bei nicht rechtzeitiger
Lieferung, oder wenn die Waare nicht die bedungene Qualität hat, und der
Lieferant sich weigert, dieselbe sofort durch zweifellos den Bedingungen entsprechende
zu ersetzen, die empfangsberechtigte Behörde befugt ist, die Waare zu jedem Preise
auf Kosten des Lieferanten zu beschaffen und sich für die hierdurch erwachsenden.
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Kosten, insbesondere auch aus der Caution des Lieferanten, schadlos zu halten; nur
für den Fall, dass die Caution in dieser Weise ganz verbraucht ist, ist der Behörde
die Befugniss Vorbehalten, den Vertrag aufzuheben.
Wenngleich die Lieferungsverträge in der Regel nur auf ein Jahr geschlossen
werden, erscheint es bei der grossen Bedeutung, die der Versorgung der Lazarethe
mit tadellosen Lebensmitteln beizulegen ist, doch zweckmässig, dass die Intendanturen
sich bezüglich der Aufhebung der betreffenden Lieferungsverträge weitergehende
Befugnisse sichern, und die Berechtigung zur Aufhebung schon für den Fall Vor¬
behalten, dass von der Maassnahme der anderweitigen Beschaffung der Waare auf
Kosten des Lieferanten wiederholt Gebrauch gemacht werden muss.
Durch die Aufnahme einer solchen Clausel wurde voraussichtlich die Möglich¬
keit gegeben, ihre Beziehungen zu einem nicht in jeder Beziehung reellen Lieferanten
bei strenger Controle seiner Lieferungen in nicht zu langer Frist zu lösen.
Der Königlichen Intendantur bleibt hiernach die geeignete weitere Veranlassung
ergebenst anheimgestellt.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
v. Lauer. v. Coler.
No. 806/5. M. M. A.
Berlin, den 4. Juni 1886.
Euer Hochwohlgeboren wird auf das gefällige Schreiben vom 12. April 1886
J.-No. 1359. 86 ergebenst erwiedert, dass in weiterer Ausdehnung der diesseitigen
Verfügung vom 29. September 1873 ausser dem Seesalz auch Badezusätze
von Stassfurter Salz, Wittekinder, Kreuznacher Badesalz und Mutter¬
lauge für Rechnung des Militärfonds den Soldatenfrauen und Kindern ver¬
abreicht werden können, sofern ärztlicherseits die Verordnung von Bädern der
genannten Art zur Wiederherstellung der Gesundheit nothwendig erachtet wird
und Euer Hoch wohlgeboren diese Noth Wendigkeit anerkennen.
- Von Euer Hochwohlgeboren wird bei Revision der betreffenden Rechnungen
in geeigneter Weise auf Beobachtung der gebotenen Sparsamkeit bei den in Rede
stehenden Verordnungen und insbesondere darauf hinzuwirken sein, dass das durch
die diesseitige Verfügung vom 24. September 1878 No. 721. 9. M. M. A. gestattete
Seesalz nicht ohne zwingenden Grund durch theuerere Badesalze oder Mutterlaugen
ersetzt wird.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
No. 976. 4. 86. M. M. A.
Berlin, den 6. Juni 1886.
Die Veränderungen, welche bei den ärztlichen Instrumenten, Geräthen
und Verbandmitteln der Feld-Sanitätsformationen und der Truppen-Arznei¬
behältnisse gemäss der unterm 13. Mai 1886 — Armee-Verordnungs-Blatt Seite 159 —
herausgegebenen neuen Beilage 5 zur Kriegs-Sanitäts-Ordnung eintreten, sind zu¬
sammengestellt und mit Ausfuhrungsbestimmungen versehen worden. Von dieser
Zusammenstellung des Zugangs und des Abgangs an ärztlichem Sanitätsmaterial beehrt
dem Königlichen Generalcommando sich die Unterzeichnete Abtheilung Exemplare
mit dem Ersuchen ganz ergebenst zu übersenden, sehr gefällig die weitere Ver-
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anlassung treffen und darauf hinwirken zu lassen, dass die zur Durchführung der
antiseptischen Wundbehandlung im Felde erforderliche Umgestaltung des Sanitäts-
materials möglichst beschleunigt wird.
Von obiger Zahl der übersandten Exemplare können Corpsarzt und Corpsintendantur
je2. Traindepot, Verbandmittel-Reserve und die grossen Garnison-Lazarethe je 1 erhalten.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung,
v. Lauer. Grossheim.
No. 386/6. M. M. A.
Berlin, den 7. Juni 1886.
Der Königlichen Intendantur wird beifolgend eine von den Fabrikanten
Rietschel und Henneberg hierselbst hierher eingesandte Schrift über die von
denselben hergestellten Desinfections - Apparate zur Kenntnissnahme, Mit¬
theilung an den Herrn Corpsarzt und zur Erwägung darüber ergebenst übersandt,
ob in vorkommenden Bedarfsfällen namentlich in grösseren Lazarethen von diesen
Apparaten Gebrauch zu machen wäre. Dieselben sollen sich vor anderen ähnlichen
Apparaten durch Einfachheit und geringen Brennmaterialien-Verbrauch auszeichnen,
und haben ausserdem den Vorzug, dass kein Anschluss an einen vorhandenen
Dampfentwickler erforderlich ist, sondern strömende Dämpfe ohne Spannung zur
Verwendung kommen, und dass daher die polizeilichen Vorschriften über Dampf kesseL
Anlagen nicht zur Geltung kommen.
Nach einer Mittheilung des Kaiserlichen Reichs-Gesundheitsamts sind Versuche
mit dem unter A. II. der Anlage beschriebenen Apparat im Allgemeinen zufrieden¬
stellend ausgefallen, Das Reichs-Gesundheitsamt hat zugleich empfohlen, bei Be¬
schaffung von Desinfections-Apparaten die Wirksamkeit derselben durch ein
elektrisches Thermometer mit Läutewerk (vergl. auch Seite 30 der Beilage) prüfen
zu lassen. Die Königliche Intendantur wird daher ermächtigt, für den dortigen
Corpsbereich ein solches Thermometer beschaffen zu lassen, und damit eine Prüfung
der event. zu beschaffenden sowie der bereits vorhandenen Desinfections-Apparate,
welche auf Verwendung strömender Dämpfe beruhen, bewirken zu lassen.
Kriegsministerium; Militär-Medidnal-Abtheilung.
v. Lauer. v. Coler.
No. 212/6. 86. M. M. A.
Berlin, den 7. Juni 1886.
Euer Hoch wohlgeboren ersucht die Abtheilung ergebenst, die Sanitätsoffiziere
gefälligst darauf aufmerksam zu machen, dass die Nennung der Namen von
militärischen Kranken in wissenschaftlichen Arbeiten, welche für die
Oeffentlichkeit bestimmt sind, nicht Platz greifen darf. Auch aus der Mittheilung
von Obductionsergebnissen ist alles wegzulassen, was nicht zum Befunde selbst
gehört Es liegt auf der Hand, dass hierdurch der Zweck der Veröffentlichungen
wichtiger Beobachtungen, der Heilung anderer Kranker förderlich zu sein, in keiner
Weise beeinträchtigt wird.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung,
v. Lauer. v. Coler.
No. 529/6. 86. M. M. A.
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Personal-Veränderungen im Sanitats- Corps.
Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen.
Auf die Gesuche des Sanitäts-Corps für den Monat Mai er. bestimme Ich hier¬
durch Folgendes: Befördert werden: der Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt
Dr. Havixbeck vom 4. Westfal. Inf.-Regt. No. 17 zum Ober-Stabsarzt 1. CI., —
der Marine-Oberstabsarzt 2. CI. Dr. Gutschow von der 1. Matr.-Div. zum Marine-
Oberstabsarzt 1. CI., — der Marine-Stabsarzt Dr. Braune von der 2. Matr.-Div.
zum Marine-Oberstabsarzt 2. CI., — und der Marine-Assist.-Arzt 1. CI. Eiste von
der 2. Matr.-Div. zum Marine-Stabsarzt, — letztere drei vorläufig ohne Patent; —
die Unterärzte: Dr. Loewe vom Hohenzollem. Füs.-Regt. No. 40, unter Versetzung
zum Schleswig. Feld-Art.-Regt. No. 9, — Dr. Wilberg vom 2. Hannov. Inf.-Regt.
No. 77, unter Versetzung zum 1. Hess. Inf.-Regt. No. 81, — und Dr. Grassmann
vom 1. Oberschles. Inf.-Regt No. 22, — zu Assist.-Aerzten 2. CI.; — der
Marine-Unterarzt Thalen von der 1. Matr.-Div. zum Marine-Assist-Arzt 2. CI.; —
die Unterärzte der Res.: Dr. Korth vom 1. Bat. (Schivelbein) 2. Pomm. Landw.-
Regts. No. 9, — Dr. Wagner vom 2. Bat (Pr. Stargardt) 8. Pomm. Landw.-Regts.
No. 61, — Dr. Poggendorff vom 1. Bat. (Anclam) 1. Pomm. Landw.-Regts.
No. 2, — Dr. Aly vom Res.-Landw.-Bat (Magdeburg) No. 36, — Dr. Gerhartz
vom Res.-Landw.-Regt. (Cöln) No. 40, — Dr. Beckmann vom 1. Bat (1.Münster)
1. Westfal. Landw.-Regts. No. 13, — Schultz vom 1. Bat. (Hamburg) 2. Hanseat
Landw.-Regts. No. 76, — Dr. Lehzen vom Res.-Landw.-Bat (Hannover) No. 73,
— Gelpke vom 2. Bat. (Halle) 2. Magdeburg. Landw.-Regts. No. 27, — Dr. Thor-
mählen vom 2. Bat (Göttingen) 3. Hannov. Landw.-Regts. No. 79, — Lorenz
vom 2. Bat (Mühlhausen i. Th.) 1. Thüring. Landw.-Regts. No. 31, — Regge vom
2. Bat (Gumbinnen) 2. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 3, — Dr. Kriege vom Unter-
Elsäss. Res.-Landw.-Bat (Strassburg) No. 98, — Dr. Altmann vom 1. Bat (Lüne¬
burg) 2. Hannov. Landw.-Regts. No. 77, — und Dr. Walter vom 1. Bat. (Bremen)
1. Hanseat Landw.-Regts. No. 75, — zu Assist-Aerzten 2. CI. der Res.; — der
Unterarzt der Marine-Reserve Marxsen vom 1. Bat. (Kiel) Holstein. Landw.-Regts.
No. 85 zum Assist-Arzt 2. Ci. der Marine-Reserve. — Der Marine-Oberstabsarzt
1. Ci. Dr. Hüthe von der 1. Matr.-Div. wird zum Marine-Stationsarzt der Ostsee
ernannt. — Der Stabsarzt Dr. Dassow, a la suite des Sanitäts-Corps, wird, unter
Wiedereinrangirung in dasselbe, zum Bats.-Arzt des 2. Bats. 3. Grossherzogi. Hess.
InL-Regts. (Leib-Regts.) No. 117 ernannt. — Versetzt werden: der Stabs- und
Bats.-Arzt Dr. Plagge vom Hess. Jäger-Bat. No. 11 zum 2. Bat. 8. Rhein. Inf.-
Regts. No. 70; — der Stabsarzt Dr. Niebergall vom medicinisch-chirurgischen
Friedrich-Wilhelms-Institut als Bats.-Arzt zum Hess. Jäger-Bat. No. 11; — die
r Assist.-Aerzte 2. CI.: Dr. Albrecht vom Hess. Jäger-Bat No. 11 zum 3. Hannov.
Inf.-Regt. No. 79, — Dr. Proetzsch vom 3. Hess. Inf.-Regt No. 83 zum Cadetten-
hause zu Oranienstein, — Dr. Walger vom Cadettenhause zu Oranienstein zum
3. Hess. Inf.-Regt. No. 83, — und Wefers vom 8. Pomm. Inf.-Regt. No. 61,
commandirt zur Dienstleistung bei der Marine, zur Marine. — Der Abschied
wird bewilligt: dem Generalarzt 2. CI. und Regts.-Arzt Dr. Starke vom 7. Pomm.
Inf.-Regt. No. 54 mit der gesetzlichen Pension und der Erlaubniss zum Tragen
seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen,
sowie unter Verleihung des Rothen Adler-Ordens 3. CI. mit der Schleife; — dem
Assist-Arzt 1. CI. Schwanneke vom Magdeburg. Train-Bat No. 4 mit der gesetz-
lieben Pension; — dem Marine-Oberstabsarzt 2. CI. Dr. Klefeker von der 1. Matr.-
Div., unter Verleihung des Charakters als Marine-Oberstabsarzt 1. CI., mit der ge¬
setzlichen Pension und der Erlaubniss zum Tragen der Uniform der Marineärzte
mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen; — dem Marine-Stabsarzt
Dr. Gärtner von der 1. Matr.-Div. mit der gesetzlichen Pension und der Erlaub¬
niss zum Tragen der Uniform der Marineärzte mit den für Verabschiedete vorge¬
schriebenen Abzeichen; — dem Stabsarzt der Res. Dr. Qu ade vom Res.-Landw.-
Bat. (Stettin) No. 34 mit der Erlaubniss zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit
den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen; — den Stabsärzten der Landw.:
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Dr. Briesewitz und Dr. Sem rau vom 1. Bat (Danzig) 8. Ostpreuss. Landw.-
Regts. No. 45, — Dr. Schlötke vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, —
Dr. Haverkamp vom l. Bat (Bochum) 7. Westfal. Landw.-Regts» No. 56, —
Dr. Th eis vom 1. Bat. (Neuwied) 3. Rhein. Landw.-Regts. No. 29, — Dr. Vossen
vom 1. Bat (Aachen) 1. Rhein. Landw.-Regts. No. 25, — Dr. Hennings vom
Res.-Landw.-Bat (Altona) No. 86, — Dr. v. Brunn vom 2. Bat. (Rostock) 2. Groas-
herzogl. Mecklenburg. Landw.-Regts. No. 90, — Dr. Seebohm vom Res.-Landw.-
Bat. (Hannover) No. 73, — Dr. Eysell, Dr. Joost und Dr. Glässner vom
2. Bat. (1. Cassel) 3. Hess. Landw.-Regts. No. 83, — Dr. Peitavy vom 2. Bat.
(Heidelberg) 2. Bad. Landw.-Regts. No. 110, — Dr. Fischer vom Unter-Klsäss.
Res.-Landw.-Bat. (Strassburg) No. 98, •— und Dr. Stumpf vom 1. Bat. (Weissen-
fels) 4. Thüring. Landw.-Regts. No. 72, — diesem mit der Erlaubnis* zum Tragen
seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen,
‘sowie den Assist-Aerzten 1. CI. der Landw.: Dr. Steinmeier vom 1. Bat.(Minden)
2. Westfal. Landw.-Regts. No. 15, — Dr. Schultze vom 2. Bat. (Düsseldorf)
4. Westfäl. Landw.-Regts. No. 17, — Dr. Apfel vom Res.-Landw.-Regt (Cöln)
No. 40, — Dr. ZurmQyer vom 1. Bat. (Aurich) Ostfries. Landw.-Regts. No. 78,
— Dr. Engelbrecht vom 1. Bat (Braunschweig) Braunschweig. Landw.-Regts.
No. 92, — und Dr. Rehn vom Res.-Landw.-Bat. (Frankfurt a» M.) No. 80. —
Dem Stabsarzt a. D. Dr. Sabo, zuletzt bei den Sanitäts-Offizieren der Landw. des
2. Bats. (Cosel) 3. Oberschles. Landw.-Regts. No. 62, wird die Erlaubnis mm
Tragen der Uniform des Sanitäts-Corps mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen
Abzeichen ertheilt.
Ems, den 22. Juni 1886.
Nachweisung der beim Sanitätscorps im Monat Mai 1886 ein¬
getretenen Veränderungen.
Durch Verfügung des General-Stabsarztes der Armee.
Den 8. Mai er.
Thalen, bisher einjährig-freiwilliger Arzt der Marine, zum Unterarzt der Marine
ernannt und mit Wahrnehmung einer bei derselben vacanten Assist.-Arzt-SteUe
beauftragt.
Den 10. Mai er.
Dr. Ger lach, Unterarzt vom Grossherzogi. Hess. Feld-Art-Regt No. 25 (Gtoss-
herzogl. Art.-Corps), mit Wahrnehmung einer bei diesem Regt, vacanten Aasiat.-
Arzt-Stelle beauftragt.
Den 15. Mai er.
Dr. Dunbar, Unterarzt von der KaiserL Marine, zum 1. Pomm. Feld-Art-Regt No. 2,
und
Dr. Thomas, Unterarzt vom Westfal. Füs.-Regt. No. 37, zur Kaiserl. Marine —
versetzt.
Den 21. Mai er.
Dr. Parthey, Unterarzt vom 1. Hannov. Inf.-Regt. No. 74,
den 26. Mai er.
Dr. Hoenow, Unterarzt vom Fuss-Art.-Regt. No. 10,
Dr. Festenberg, Unterarzt vom 3. Grossherzogi. Hess. Inf.-Regt (Leib-Regt)
No. 117,
Dr. Thomas, Unterarzt von der Kaiserl. Marine, — alle vier mit Wahrnehmung
je einer bei den betr. Truppentheilen bezw. bei der Kaiserl. Marino vacanten
Assist.-Arzt-Stelle beauftragt
ü(druckt in der Xöuifllcben Ho fbu eh druck er ei von B. 8. Mittler and Sohn, Berlin Kodutnu*« CS— 70 .
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Amtliches Beiblatt
zur
Deutschen militärärztlichen Zeitschrift.
1886. — FüBfzehnter Jahrgang. — M 8.
A.-V.-BL No. 14.
Berlin, den 20. Mai 1886.
Behufs Beschränkung der Lazaretheinrichtungen, namentlich an kleinen Garnison¬
orten, ist die Ueberführung von transportfähigen Kranken einer Garnison
nach dem Lazareth einer andern möglichst nahegelegenen Garnison allgemein
zulässig. Dieses Verfahren kommt nach den in Einzelfallen getroffenen Anordnungen
bereits in Anwendung für die Garnisonen von der Stärke eines Infanterie-Bataillons
und weniger, in welchen die Lazarethe nach Maassgabe des Erlasses an die Corps-
Intendanturen vom 2. Juli 1884, No. 47/7. 84. M. M. A. aufgehoben sind oder nach
den noch ausstehenden weiteren Verhandlungen aufgehoben werden, empfiehlt sich
aber auch für Garnisonen von grösserer Stärke in denjenigen Fällen, in welchen
die vorhandenen Lazarethrftume nach Umfang und Beschaffenheit den Anforderungen
nicht genügen und bei steigender Krankenzahl die geeignete Unterbringung der
Kranken zugleich mit Rücksicht auf die nothwendige Reinigung, Lüftung und
Desinficirung bezw. bauliche Instandsetzung der Krankenzimmer auf Schwierig¬
keiten stösst.
Die zur Ausführung jener Maassregel erforderlichen besonderen Anordnungen
unter Berücksichtigung der zulässigen Art des Transports, der Krankheitsformen
und sonstigen besonderen Umstände haben die Corpsärzte im Einvernehmen mit
den Corps-Intendanturen event. auf Antrag oder nach Anhörung der betheiligten
Lazarethe, soweit es bisher noch nicht geschehen, entweder für jeden Ort ein für
alle Mal oder für jeden einzelnen Fall zu treffen bezw. berbeizuführen. In
dringenden Fällen können aus Orten, für welche eine solche Bestimmung nicht
getroffen ist, Kranke nach einem andern Lazareth nach Anfrage bei letzterem bezw.
unter Benachrichtigung desselben auch ohne vorherige Genehmigung der Provinzial¬
instanz, jedoch unter gleichzeitiger Mittheilung an dieselbe, übergeführt werden.
Wenn als zur Aufnahme der betreffenden Kranken geeignet ein benachbartes,
zu einem andern Corpsbereich gehöriges Garnisonlazareth in Betracht kommt, haben
die betheiligten Provinzialbehörden das Erforderliche unter sich zu vereinbaren und
nur im Nichteinigungsfalle an die Militär-Medicinal-Abtheilung zu berichten.
Die Corps-Generalärzte haben gelegentlich der Rapporterstattung und der
Besichtigungsreisen die genügende Befolgung der getroffenen Anordnungen zu
überwachen und über die letzteren, sowie über deren Ausführung Ende April jeden
Jahres der Militär-Medicinal-Abtheilung Mittheilung zu machen.
Schliesslich wird noch bestimmt, dass die durch die Ueberführung der kranken
Mannschaften nach anderen Garnisonlazarethen und durch deren Rücktransport
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nach ihrer Garnison entstehenden Kosten vom laufenden Etatsjahre ab in den
Unterhaltungskosten'Rechnungen der Lazarethe zur Verrechnung beim Cap. 29,
Tit 12 zu verausgaben Bind.
Kriegsministerium.
Bronsart v. Schellendorff.
No. 654/2. M. M. A.
A.-V.-Bl. No. 15.
Berlin, den 16. Juni 1886.
Diejenigen Bandagentornister, deren erste Ausstattung mit Arsaeien und
Verbandmitteln nach §. 3, 1 der Beilage 1 zur Baiegs-Sanitäts-Ordnung von den
Dispensiranstalten der betreffenden Garnison- oder Speciallazarethe zu bewirken
ist, sollen fortan in diesen Lazarethen, nicht bei den Truppentheilen, auf¬
bewahrt werden. §. 61 der Instruction über die Versorgung der Armee mit
Arzneien und Verbandmitteln vom 12. Juni 1874 wird hierdurch abgeändert.
Die erforderliche Abgabe der Bandagentornister an die Lazarethe ist zu
bewirken.
An Orten ohne Militärlazareth, §. 3, 3 der oben bezeichneten Beilage, werden
die Bandagentornister bei dem Truppentheil aufbewahrt.
Kriegsministerium.
Bronsart v. Schellendorff.
No. 634/5. 86. M. M. A.
Berlin, den 28. Juni 1886.
Nach dem Berichte vom 7. Mai er. — J. No. 1926/4. V. — haben sich die in
Tragung gegebenen baumwollenen Socken der Firma N. L. Homburger
Söhne daselbst, welche sowohl an der Ferse als an den Fnssspitzen zur Ver¬
meidung des Wundreibens der Füsse an den betreffenden Stellen ohne Naht her¬
gestellt sind, bewährt. Auch die von der Intendantur III. Armee-Corps an-
geordneten Trageversuche mit diesen Socken haben einen günstigen Erfolg gehabt
und ist nur als ein Uebelstand hervorgehoben, dass die Verbindung des oberen
Randes mit den eigentlichen Socken mangelhaft sei, so dass schon nach kurzer
Zeit Reparaturen vorgenommen werden mussten.
Es empfiehlt sich hiernach die Fortsetzung der Trageversuche mit derartigen,
event. verbesserten baumwollenen Socken.
Die Königliche Intendantur wird ergebenst ersucht, von der vorerwähnten
Firma 70 Paar baumwollene Socken gefälligst beschaffen und je 5 Paar den
übrigen Intendanturen überweisen zu lassen. Mit 5 Paar Socken sind bei einzelnen
Lazarethen im dortseitigen Corps weitere Trage versuche vorzunehmen.
Ueber den Ausfall der Versuche sowie darüber, ob es sich empfiehlt, an Stelle
der seitherigen Probe eine Probe nach dem von Homburger Söhne gelieferten
Muster einzuführen, wird nach Anhörung des Herrn Corps-Generalarztes einer
gefälligen Berichterstattung zum 1. Januar 1887 ergebenst entgegengesehen.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
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65
Abschrift hierron wird der Königlichen Intendantur zur Kenntniss und gleich¬
mütigen weiteren Veranlassung wegen Erprobung der banmwoUenen Socken bei
einzelnen Lazarethen des Corps ergebenst übersandt.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
LY,
r. Coler. Zehr.
No. 960/5. M. M. A.
Berlin, den 9. Juli 1886.
Ew. Hochwohlgeboren übersendet die Abtheilung in der Anlage zur gefälligen
Kenntnissnahme ergebenst die Neubearbeitung der Verfügung rom 24. Juni 1881,
No. 1103. 6. M. M. A., von der jeder zur militärärztlichen Prüfung einberufene
Sanitätsoffizier bei Uebersendung der Aufgabe einen Abzug erhält*
Es ist Bedacht genommen, den Wünschen der Herren Examinatoren nach den
Erfahrungen der letzten fünf Prüfungsjahre Rechnung zu tragen.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
I. V.
v. Coler. Lentze.
An
den Königlichen Generalarzt.
Berlin, den 9. Juli 1886.
Bestimmungen,
welche bei Bearbeitung der gestellten Aufgabe zu beachten sind.
1) Die Arbeit ist ein dienstlicher Auftrag und unbedingt und rechtzeitig
anzufertigen. (§. 10 der Vorschriften vom 12. Juni 1881.)
2) Litterarische Leistungen, deren Anrechnung an Stelle der Arbeit gewünscht
wird, sind spätestens vorzulegen, sobald dem Examinanden die Aufgabe zugegangen
ist. Phjsikatsarbeiten kommen nur dann zur Anrechnung, wenn das ganze
Physikatsexamen bestanden ist, nicht nur der schriftliche Theil. Die frühere Vorlage
solcher zum Ersatz des schriftlichen Prüfungsabschnittes bestimmter Leistungen etc.
ist statthaft.
^ 3) Der Examinand hat sich streng an das Thema zu halten. Längere Ein¬
leitungen sind ebenso zu vermeiden, wie die breite Anführung wörtlicher Citate,
durch welche nur der Umfang, nicht der Inhalt der Arbeit vermehrt wird. Es
wird erwartet, in derselben womöglich Ergebnisse eigener Untersuchungen und
Erfahrungen, jedenfalls aber eine sachgemässe Kritik fremder Beobachtungen
niedergelegt zu finden. Am Schlüsse ist das Hauptergebnis in kurzen, möglichst
scharf gefassten Sätzen hinzustellen.
4) Die Arbeit muss mit einem Inhaltsverzeichnis nebst Seitenhinweis versehen
sein. Auf die erste Seite links oben ist die Aufgabe zu setzen, darunter der Tag
des Empfanges und der Absendung.
&) Der vollständigen Namens- und Chargenbezeichnung am Schlüsse geht die
Versicherung vorauf, dass die Arbeit, abgesehen von literarischen Hülfsmitteln»
vom Verfasser ohne fremde Beihülfe angefertigt ist. Die Litteraturquellen sind
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Richtigkeit und Reinheit von Schreibfehlern ihm die Verantwortung zufallt
Kriegsministerium; Militär-Medicinal- Abtheilung.
I. V.
v. Coler. Lentze.
No. 603/7« M. M. A.
Personal-Verändeningen im Sanitäts-Corps.
Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen.
Befördert werden: der Oberstabsarzt 2. CI. der Landwehr Dr. Mannkopff
vom 1. Bat (Marburg) 1. Hessischen Landw.-Regts. No. 81 zum Oberstabsarzt 1. CL
der Landwehr; — der Stabs- und Bats.-Arzt Dr. Langsch vom 2. Bat 4. Pomm.
Inl-Regts. No*. 21 zum Oberstabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt des 3. Brandenburg.
Inl-Regts. No. 20; — die Assistenzärzte 1. CI.: Michaelis vom 1. Leib-Husaren-
Regt No. 1 zum Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. 4. Pomm. Inf.-Regts. No. 21, —
Dr. Dieckmann vom Militär-Reit-Institut zum Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats.
7. Brandenburg. Inf.-Regts. No. 60, — Dr. Langerfeldt vom 1. Hanseatischen
Inf.-Regt. No. 75 zum Stabs- und Bats.-Arzt des Füsilier-Bats. 1. Hess. Int-Regts.
No. 81, — Dr. Spiess vom Regiment der Gardes du Corps zum Stabs- und
Garnisonarzt in Torgau, — Dr. Musehold vom 3. Garde-Grenadier-Regt Königin
Elisabeth zum Stabs- und Abtheilungsarzt der reitenden Abtheilung des Magdeburg.
Feld-Art-Regts. No. 4, — und Dr. Scheider vom Brandenburg. Husaren-Regt
(Zietensche Husaren) No. 3 zum Stabs- und Bats.-Arzt des Magdeburg. Pionier-
Bats. No. 4; — die Assistenzärzte 1. CI. der Reserve: Dr. Soltsien vom Res.-
Landw.-Bat (Altona) No. 86, — Dr. Berner vom 2. Bat (Neu-Strelitz) 1. Gross-
herzoglich Mecklenburgischen Landwehr-Regiments No. 89, — Dr. Hüpeden und
Kohlrausch vom Reserve-Landwehr-Bataillon (Hannover) No. 73, — Dr. Keller
vom 2. Bataillon (Heidelberg) 2. Bad. Landw.-Regts. No. 110, — Dr. Liävin vom
1. Bat (Danzig) 8. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 45, — Dr. Marcuse vom 1. Bat,
(Tilsit) 1. Ostpreuss, Landw.-Regts. No. 1, — Dr. Schirmer vom 2. Bat. (Meiningen)
6. Thüringischen Landw.-Regts. No. 95, — Dr. Wengler vom 2. Bat (Göttingen)
3. Hannov. Landw.-Regts. No. 79, — Dr. Gerth vom 2. Bat. (Naugard) 5. Pomm.
Landw.-Regts. No. 42, — Dr. Overkamp vom 2. Bat. (2. Munster) 1. Westfalischen
Landw.-Regts. No. 13, — Dr. Levy vom 1. Bat (Hamburg) 2. Hanseat Landw.-
Regts. No. 76, — Dr. Schibaiski vom 2. Bat. (Beuthen) 2. Oberschles. Landw.-
Regts. No. 23, — und Dr. Brockmüller vom 2. Bat. (Deutz) 6. Rhein. Landw.-
Regts. No. 68 — zu Stabsärzten der Reserve; — die Assistenzärzte 1. Cl.
der Landwehr: Dr. Heilig tag vom 1. Bat (Andaxn) 1. Pomm. Landw.-Regts.
No. 2, — Dr. Cuntz vom 2. Bataillon (Wiesbaden) 1. Nassauischen Landw.-Regts.
No. 87, — Dr. Minssen und Dr. Dithmar vom 1. Bat (1. Oldenburg) Olden-
burgischen Landwehr-Regiments No. 91, — Dr. Schröder, Dr. Tiedemann und
Dr. Garvens vom 1. Bat. (Hamburg) 2. Hanseatischen Landw.-Regts. No. 76, —
Dr. Funccius vom Res.-Landw.-Bat. (Barmen) No. 39, — Dr. Hesse vom Res.-
Landw.-Bat. (Frankfurt a.M.) No. 80, — Dr. Schulz vom 1. Bat. (1. Braunschweig)
Braunschweig. Landw.-Regts. No. 92, — Dr. Gebhardt vom 2. Bat (Heidelberg)
2. Badischen Landw.-Regts. No. 110, Dr. Lehnebach vom 1. Bat. (Hersfeld)
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2. Thüring. Landw.-Regts. No. 32, — Dr. Grau vom 2. Bat. (Fulda) 1. Hessischen
Landw. Regte. No. 81, — Dr. Knies und Dr. Wils er vom 2. Bat. (Karlsruhe)
3. Bad. Landw.-Regte. No. 111, — Dr. Hirschfeld vom Res.-Landw.-Bat (Königs¬
berg) No. 33, — Dr. Dembowski vom 2. Bat. (Rastenburg) 5. Ostpreuss. Landw.-
Regte. No. 41, — Dr. Ti 11 ner vom 2. Bat (Freistadt) 1. Niederschlag. Landw.-
Regts. No. 46, — Dr. Avorweg vom 2. Bat (Attendorn) 2. Hess. Landw.-Regte.
No. 82, — Dr. Lepper vom 2. Bat (Dortmund) 3. Westfalischen Landw.-Regts.
No. 16, — Dr. Schmittmann vom 1. Bataillon (Wesel) 5. Westfalischen Landw.-
Regte. No. 53, — Dr. Steinohrt vom 1. Bataillon (Wismar) 2. Grossherzoglich
Mecklenburg. Landw.-Regts. No. 90, — Dr. Heldmann vom 2. Bat (Nienburg)
1. Hannoverschen Landw.-Regts. No. 74, — Dr. Fuchs vom 1. Bataillon (Rawitsch)
4. Posenschen Landw.-Regts. No. 59, — Dr. Schwarz vom 2. Bat (Erbach i. 0.)
3. Grossherzogi. Hess. Landw.-Regte. No. 117, — Dr. v. Tempski vom 1. Bat
(Dt Ejlau) 7. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 44, — Dr. Rapp vom 1. Bat (Darm-
stadt 1) 1. Grossherzogi. Hess. Landw.-Regts. No. 115, — Dr. Schulz vom 1. Bat
(Schivelbein) 2. Pomm. Landw.-Regte. No. 9, — Dr. Schläger vom Res.-Landw.-
Bat. (Hannover) No. 73, — Dr. Lorentz vom 2. Bat (Deutz) 6. Rhein. Landw.-
Regte. No. 68, — Dr. Dressen vom 1. Bat (Aachen) 1. Rhein. Landw.-Regts.
No. 25, — Dr. Lesser vom Res.-Landw.-Regt (1. Berlin) No. 35, — Dr. Kulen-
kampff vom 1. Bat (Bremen) 1. Hanseat Landw.-Regts. No. 75, — Dr. Grodzki
vom 1. Bataillon (Posen) 1. Posenschen Landw.-Regts. No. 18 und Dr. Bauer vom
2. Bat. (Teltow) 7. Brandenburg. Landw.-Regts. No.60 — zu Stabsärzten der Land¬
wehr; die Assistenzärzte 2. 01.: Dr. Machatius vom Kadettenbause zu Potsdam, —
Dr. Hauptner von der Artillerie-Schiess-Schule, — Dr. Prasse vom Königs-Gren.-
Regt (2. Westpreussischen) No. 7, — Dr. Bol dt vom Schlesw.-Holstein. Füs.-Regt
No. 86, — Dr. Dütschke vom 2. Hannover. Ülanen-Regt No. 14, — Dr. Busse
vom 4. Oberschles. Inf.-Regt. No. 63, — Dr. Michaelis vom 3. Ostpreuss. Gren.-
Regt. No. 4, — Dr. Paalzow vom 7. Thüring. Inf.-Regt. No. 96, — Dr. Hartung
vom 2. Leib-Hus.-Regt. No. 2, — Dr. Kahnt vom 2. Bad. Feld-Art-Regt No. 30,
— und Dr. Praetorius vom Grossherzogi. Mecklenburg. Jäger-Bat. No. 14, zu
Assistenzärzten 1. € lasse; die Marine - Assistenzärzte 2. CL Dr. Lenz und
Dr. Runkwitz zu Marine-Assistenzärzten 1. Classe; die Assistenzärzte
2. CI. der Reserve: Dr. Müller vom 2. Bat (Stockach) 6. Bad. Landw.-Regte.
No. 114, — Dr. Thier vom 1. Bat (Aachen) 1. Rhein. Landw.-Regts. No. 25, •—
Dr. Ruff vom 1. Bat (Donaueschingen) 6. Bad. Landw.-Regts. No. 114, — Dr.
Lux vom 2. Bat (Wohlau) 1. Schles. Landw.-Regts. No. 10, — Dr. Lechler vom
2. Bat (Rostock) 2. Grossherzog]. Mecklenburg. Landw.-Regts. No. 90, — Reis
vom 2. Bat. (Heidelberg) 2. Bad. Landw.-Regte. No. 110, — Dr. Karsten vom
1. Bat (Schwerin) 1. Grossherzogi. Mecklenburg. Landw.-Regts. No. 89, — Schmok
vom 2. Bat (Lübeck) 2. Hanseat Landw.-Regte. No. 76, — Dr. Waldvogel vom
1. Bat (Gotha) 6. Thüring. Landw.-Regte. No. 95, — Dr. Herzfeld vom Res.-
Landw.-Bat (Königsberg) No. 33, — Muehl vom 2. Bat (Schneidemühl) 3. Pomm.
Landw..Regte. No. 14, — Dr. Pee und Dr. Thorn vom 2. Bat (Halle) 2. Magde¬
burg. Landw.-Regts. No. 27, — Farke vom L Bat (Siegburg) 2. Rhein. Landw.-
Regts. No. 28, — Hintze vom 1. Bat. (Hildesheim) 3. Hannov. Landw.-Regte.
No. 79, — und Schröder vom 2. Bat. (Cüstrin) 1. Brandenburg. Landw.-Regts.
No. 8, zu Assistenzärzten 1. Classe der Reserve; die Assistenzärzte 2. CI.
der Landwehr: Dr. Schuberg vom 2. Bat (Karlsruhe) 3. Bad. Landw.-Regts.
No. 111, — Dr. Haas und Dr. Neuhaus vom 2. Bat (Düsseldorf) 4. Westßl.
Landw.-Regte. No. 17, zu Assistenzärzten 1. Classe der Landwehr; die
Unterärzte: Dr. Parthey vom 1. Hannov. Int-Regt No. 74, — und Dr. Hoenow
vom Fuss-Art-Regt No. 10, zu Assistenzärzten 2. Classe; der Marine-Unter¬
arzt Dr. Thomas von der 2. Matrosen-Division zum Marine-Assistenzarzt 2. CI;
die Unterärzte der Reserve; Fischer vom 1. Bat (Danzig) 8. Ostpreuss. Landw.
Regte. No. 45, — Zerrath vom Res.-Landw.-Bat (Königsberg) No. 33, — Dr.
Levy vom Res.-Landw.-Regt (1. Berlin) No. 35, — Dr. Rakowicz vom 2. Bat
(Samter) 1. Posen. Landw.-Regts. No. 18, — Dr. Paul vom Res.-Landw.-Regt
(1. Breslau) No. 38, — Dr. Fassbender vom 1. Bat (1. Münster) 1. Westfal.
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Landw.-Regts. No. 13, — Braun vom 1. Bat (Minden) 2. Westfal. Landw.-Regts.
No. 15, — Dr. Baumgarten vom 2. Bat (Coblenz) 3. Rhein. Landw.-Regts.
No. 29, — Dr. Keller vom 1. Bat (St Wendel) 4. Rhein. Landw.-Regts. No. 30,
— Dr. Linke vom 2. Bat. (Halle) 2. Magdeburg. Landw.-Regts. No. 27, — Dr.
Rennebaum vom 1. Bat (Aurich) Ostfries. Landw.-Regts. No. 78, — Dr. Sauer
vom Res.-Landw.-Bat (Frankfurt a. M.) No. 80, — Dr. Gereon vom 2. Bat
(Karlsruhe) 3. Bad. Landw.-Regts. No. 111, — Guttenberg und Jonasson vom
1. Bat. (Freiburg) 5. Bad. Landw.-Regts. No. 113, — und Dr. Streicher vom
2. Bat (Lörrach) 5. Bad. Landw.-Regts. No. 113, zu Assistenzärzten 2. Classe
der Reserve; sowie der Unterarzt der Landwehr Dr. Polzin vom 1. Bat (Dieden-
hofen) Lothring. Landw.-Regts. No. 128 zum Assistenzarzt 2. Gl. der Landwehr. — -
Dem Oberstabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt Dr. Schräder vom 3. Garde-Regt zu
Fuss wird der Charakter als Oberstabsarzt 1. CI. verliehen. — Versetzt werden:
der Oberstabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt Dr. Viedebantt vom 3. Brandenburg.
InL-Regt. No. 20 zum 7. Pomm. Inf.-Regt No. 54; der Stabs- und Bata-Arzt Dr.
He ns ol dt vom 2. Bat. 7. Brandenburg. Inf.-Regts. No. 60 zum medicinisch-chirur-
gischen Friedrich Wilhelms-Institut; der Stabsarzt Dr. Rudel off vom medicinifch-
chirurgischen Friedrich Wilhelms-Institut als Bats.-Arzt zum Füs.-Bat des Kaiser
Franz Garde-Gren.-Regts. No. 2; der Stabsarzt Dr. Rothe, Garnisonarzt in Torgau,
als Bats.-Arzt zum 2. Bat. 3. Brandenburg. Infc-Regts. No. 20; der Assistenzarzt
1. CI. Dr. Körbitz von der Haupt-Cadettenanstalt zum Militär-Reitinstitut; der
Assistenzarzt 1. CI. Dr. Menzel vom Festungsgefängniss in Spandau zum
Regt, der Gardes du Corps, — der Assistenzarzt 1. Classe Dr. Witte vom
8. Ostpreuss. Inf.-Regt. No. 45 zu dem Festungsgefängniss in Spandau; — und
der Assistenzarzt 2. Classe Dr. Parthey vom Holstein. Feld-Art-Regt No. 24
zur Haupt-Cadetten-Anstalt. — Dem Stabs- und Abtheil.-Arzt Dr. Rost von der
reitenden Abtheilung des Magdeburg. Feld-Art.-Regte. No. 4 wird ein einjähriger
Urlaub unter Stellnng ä la suite des Sanitäts - Corps bewilligt. — Der Abschied
wird bewilligt: Dem Oberstabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt Dr. Paulicky vom
2. Niederschles. Inf.-Regt. No. 47 mit der gesetzlichen Pension und der Erlaubnis*
zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen
Abzeichen; dem Stabs- und Bats.-Arzt Dr. Voigtei vom Magdeburg. Pion.-Bat No. 4,
diesem mit der gesetzl. Pension, dem Charakter als Oberstabsarzt 2. CI. und der
Erlaubnis zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vor¬
geschriebenen Abzeichen, sowie dem Stabs- und Bats.-Arzt Dr. Saegert vom Füs.-
Bat. 1. Hess. Inf.-Regts. No. 81, mit der gesetzl. Pension und der Erlaubnis« zum
Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen
Abzeichen, ferner: den Stabsärzten der Landwehr Dr. Urbansky vom 1. Bat.
(Gnesen) 3. Pomm. Landw.-Regts. No. 14; Dr. Thayssen vom Res.-Landw.'Regt.
(1. Berlin) No. 35; Dr. Herges vom 1. Bat. (1. Trier) 8. Rhein. Landw.-Regts. No. 70,
diesem mit der Erlaubniss zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Ver¬
abschiedete vorgeschriebenen Abzeichen, und Dr. Vierzeiler vomjl. Bat (Dann¬
stadt II) 3. Grossherzogi. Hess. Landw.-Regts. No. 117, letzterem ausnahmsweise
mit der Erlaubniss zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete
vörgeschriebenen Abzeichen, dem Assist-Arzt 1. CI. der Res. Dr. Bo ege hold
vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35; sowie den Assist-Aerzten 1. CI. der Landw.
Dr. Marechaux vom Res.-Landw.-Bat. (Magdeburg) No. 36; Dr. Lesser vom
1. Bat (Bitterfeld) 4. Magdeburg. Landw.-Regts. No. 67; Dr. Kräh vom Rea.-Landw.-
Bat. (Hannover) No. 73 und Dr. Wachsmuth vom 2. Bat (Celle) 2. Hannov.
Landw.-Regts. No. 77.— Es scheiden aus dem activen Sanitäts-Corps aus:
Der Stabs- und Bats.-Arzt. Dr. Dengel vom 2. Bat. 3. Brandenburg. Inf.-Regts. No. 20
unter Uebertritt zu den Sanitäts-Offiziereu der Res. des Res.-Landw.-Regts. (1. Berlin)
No. 35 und der Assist-Arzt 1. CI. Dr. Sa lenz vom 3. Brandenburg. Inf.-Regt No. 20
unter Uebertritt zu den Sanitäts-Offizieren der Res. des 1. Bats. (Bitterfeld)
1. Magdeburg. Landw.-Regts. No. 67.
Bad Gastein, den 27. Juli 1886.
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Nachweisung der beim Sanitäts-Corps pro Monat Juni 1886
eingetretenen Verändeiungen.
Durch Verfügung des General-Stabsarztes der Armee.
Den 1. Juni er.
Ullrich, bisher einjährig-freiwilliger Arzt vom Schles, Fuss-ArJ;.-Regt No. 6,
unter Versetzung zum 2. Oberschles. Inf.-Regt No. 23 zum Unterarzt ernannt
und mit Wahrnehmung einer bei diesem Regiment vacanten Assist-Arzt-Stelle
beauftragt
Den 7. Juni er.
Erdmann, Unterarzt vom Hannov. Train-Bat No. 10,
Dr. Dun bar, Unterarzt vom 1. Pomm. Feld-Art-Regt No. 2,
den 28. Juni er.
Dr. Uppenkamp, Unterarzt vom 1. Westfal. InL-Regt No. 13,
Dr. Thiele, Unterarzt vom Westfal. Pion,-Bat. No. 7, — alle vier mit Wahr¬
nehmung je einer bei den betreffenden Truppentheilen vacanten Anssist.-Arzt-
Stelle beauftragt
Veränderungen im Königlich Sächsischen Sanitäts-Corps.
Durch Verfügung des Kriegsministeriums vom 15. Mai 1886.
Dr. Zimmer, einjährig-freiwilliger Arzt des 1. Feld-Art-Regts. No. 12, als
Unterarzt des activen Dienststandes unter gleichzeitiger Beauftragung mit Wahr¬
nehmung einer vacanten assistenzärztlichen Stelle bei diesem Regiment angestellt
Allerhöchster Beschluss vom 22. Mai 1886.
Dr. Schaffrath, Assist-Arzt 1. CI. des 1. (Leib-) Gren.-Regts. No. 100, zum
Stabs- und Bats.-Arzt bei dem 3. Bat des 5. Inf.-Regts. »Prinz Friedrich August"
No. 104, — Dr. Pöschke, Assist-Arzt 1. CI. des 1. Hus.-Regts. No. 18, zum
Stabs- und Bats.-Arzt bei dem 2. Bat. des 3. Inf.-Regts. No. 102, — Dr. Hessel¬
bach, Assist.-Arzt 2. CI. des 8. Inf.-Regts. »Prinz Johann Georg" No. 107, zum
Assist-Arzt 1. CI., — Dr. Burdach, Unterarzt des Schützen- (Füs.-) Regts.
»Prinz Georg" No. 108, unter Belassung in seinem Commando als Hülfsarbeiter
zur Sanitäts-Direction, — und Kockel, Unterarzt des 2. Gren.-Regts. No. 101
»Kaiser Wilhelm, König von Preussen" — zu Assist.-Aerzten 2. CI.; —
Dr. Hennig, Unterarzt der Res. des 1. Bats. (Leipzig) 7. Landw.-Regts. No. 106, —
und Dr. Kölln er, Unterarzt der Res. des 1. Bats. (Zwickau) 6. Landw.-Regts.
No. 105, — zu Assist-Aerzten 2. CI. der Reserve; — Dr. Lohe, Unterarzt
der Landw. des 2. Bats. (Döbeln) 8. Landw.-Regts. No. 107, zum Assist-Arzt 2. CI.
der Landwehr — befördert. — Dr. Lübbert, charakterisier Assist-Arzt 1. CI.
ä la suite des Sanitäts-Corps, unter Ernennung zum etatsmässigen Assist-Arzt 1. CI.
mit einem Patente vom Tage der Charakterisirung bei dem 1. Feld-Art-Regt.
No. 12 (Garnison Dresden) vom 1. Juni er. ab wieder einrangirt. — Dr. Trenkler,
Assist-Arzt 2. CI. des 1. Feld-Art-Regts. No. 12, zum 9- Inf.-Regt No. 133
versetzt — Dr. Meunier, Assist.-Arzt 1. CI. der Res. des 1. Bats. (Plauen)
5. Landw.-Regts. No. 104, aus Allerhöchsten Kriegsdiensten behufs Ueberführung
in den Landsturm der Abschied bewilligt.
Allerhöchster Beschluss vom 25. Juni 1886.
Haubold, Assist.-Arzt 2. CI. der Res. des 1. Bats. (Chemnitz) 2. Landw.-
Regts. No. 101, — Dr. Birkner, Assist-Arzt 2. CI. der Res. des 2. Bats.
(Frankenberg) 2. Landw.-Regts. No. 101, — Dr. Lichtenstein und Dr. Döring,
Assist-Aerzte 2. CI. der Res. des 2. Bats. (Zittau) 3. Landw.-Regts. No. 102, —
Dr. Braunschweig und Dr. Krutzsch, Assist-Aerzte 2. CI. der Res. des
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1. Bats. (Bautzen) 4. Landw.-Regts. No. 103, — Dr. Fiedler, Assist-Arzt 2. CI.
der Res. des 2. Bats. (Meissen) 4. Landw.-Regts. No. 103, — Dr. Mfiller, Aseist-
Arzt 2. CI. der Res. des 2. Bats. (Schneeberg) 5. Landw.-Regts. No. 104, —
Rückart, Assist.-Arzt 2. CI. der Res. des 1. Bats. (Zwickau) 6. Landw.-Regts.
No. 105, — Dr. Rossbach, Assist.-Arzt 2. CI. der Res. des 2. Bats. (Glauchau)
6. Ldw.-Regts. No. 105, — Dr. Gessler, Dr. Donat, Dr. Carl, Dr. v. Stieglitz,
Dr. Sonnenkalb, Dr. Westpbal, Dr. v. Mangoldt, Dr. Thiersch und
Dr. Güntz, Assict.-Aerzte 2. CI. der Res. des 1. Bats. (Leipzig) 7. Landw.-Regts.
No. 106, — Werner, Assist-Arzt 2. CI. der Res. des 2. Bats. (Warzen) 7. Landw.-
Regts. No. 106, — Dr. Pohl und Hennig, Assist.-Aerzte 2. CI. der Res. des
1. Bats. (Borna) 8. Landw.-Regts. No. 107, — Krönig, Dr. Winkler und
Dr. Jässing, Assist.-Aerzte 2. CI. der Res. des Res.-Landw.-Bats. (Dresden)
No. 108, — zu Assist-Aerzteu 1. CI. der Res.; — Dr. Scfcinze, Assist--
Arzt 2. CI. der Landw. des 1. Bats. (Plauen) 5. Landw.-Regts. No. 104, — und
Dr. Merkel, Assist-Arzt 2. CI. der Landw. des 2. Bats. (Schneeberg) 5. Landw.-
Regts. No. 104, — zu Assist-Aerzten L CI. der Landw.; — Dr. Schmidt,
Unterarzt des 2. Gren.-Regts. »Kaiser Wilhelm, König von Prensseu*, zum Assist-
Arzt 2. CI. bei dem 1. Hus.-Regt. No. 18; — Dr. Brey er, Unterarzt der Res.
des 1. Bats. (Chemnitz) 2. Landw.-Regts. No. 101, — und Dr. Roth, Unterarzt
der Res. des 1. Bats. (Leipzig) 7. Landw.-Regts. No. 106, — zu Assist-Aerzten
2. CI. der Res. — befördert.
Allerhöchster Beschluss vom 15. Jul« 1666.
Dr. Hansemann, Unterarzt des Beurlaubtenstandes des 1. Bats. (Leipzig)
7. Landw.-Regts. No. 106, — und Eisfeld, Unterarzt des Beurlaubtenstandes des
Res -Land w.-Bats. (Dresden) No. 108, — zu Assist-Aerzten 2.C1. der R«».; —»
und Dr. Fischer, Unterarzt dee Beurlaubteustandes des 1.Bats. (Leipzig) 7. Landw.-
Regts. No. 106, zum Assist-Arzt 2. CL der Landw. — befördert.
Veränderungen im Königlich Bayerischen Sanitäte-Corps.
Den 19. Mai 188«.
Dr. Hendrichs, Stabsarzt des Beurlaubtenstandes (Kaiserslautern),
Dr. Grödel, Assist-Arzt 1. CI. des Beurlaubtenstandes (Aschaffenburg), diesem mit
der Erlaubnis zum Tragen der Uniform,
Hartig, Assist-Arzt 2. CI. des Beurlaubtenstandes (Kitzingen). — der Abschied
ertheilt.
Den 24. Mai 1886.
Dr. Lindner, Assist-Arzt 2. CI. des 17. Inf.-Regts. Orff, in den Beurlaubten« tand
de« Sanitäts-Corps versetzt.
Durch Verfügung des Kriegsministeriums.
Den 31. Mai 1886.
Dr. Zeitler, einjährig - freiwilliger Arzt, zum Unterarzt im 2. PfetL-Bat, unter
gleichzeitiger Beauftragung mit Wahrnehmung einer vaeanteu Assist- A rztsteBe,
ernannt
Den 8. Juni 1886.
Dr. Laubmann, Assist-Arzt 1. CI. vom 1. Inf.-Regt. König, zum 1. Feld-Art-
Regt Prinz Luitpold,
Büttner, Assist-Arzt 2. CI. vom 4. Feld-Art-Rogt König, zum 1. In£-Ragt König,
Dr. Meyer, Assist-Arzt 2. CI. des Beurlaubtenstandee, in den Friedenastand des
4. Feld-Art-Regts. König mit einem Patent vom 13. Mai 188^ — versetzt.
Webersberger, Unterarzt im 1. Chev.-Regt Kaiser Alexander von Russland, zum
Assist-Arzt 2. Gl.,
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Assmann, Dr. P ankok, Zehn der, Wen gier, Fachs (München I), Dr. Bi ec hei e
(Mindelheim), Dr. Sartorius (Erlangen), Dr. Froese (Kissingen), Dr. Brenn¬
stahl (Aschaffenburg), Unterärzte der Res., zu Assist-Aerzten 2. CI. des Be¬
urlaubtenstandes, — befördert.
Den 5. Juli 1896.
Dr. Frobenius, Dr. Panizza (München I), Assist-Aerzte 1. CI. des Beurlaubten¬
standes,
Stöpel (Landau), Assist-Arzt 2. Q. des Beurlaubtenstandes, — der Abschied
ertheilt.
Den 8. Juli 1886.
Gessner, Schulz, Dr. Bonse, Freese, Bitter, Hamkens (München I), Jahn
(Hof), Dr. Silberschmidt (Ansbach), Dr. Greder, Pfeiffer (Erlangen),
Schweickert, Dr. Tornier, Dr. Oesterlein (Wurzburg), Unterärzte des
Beurlaubtenstandes, zu Assist - Aerzten 2. CI. des Beurlaubtenstandes — be¬
fördert
Yeräadßrungea im Königlich Wärttembergiscben Sanitäts-Corps.
Den 7. Juni 1886.
Dr.ßtei macker, Unterarzt der Ras. im 2. Bat (Ulm) 6. I^andw^Ragtt No. 124,
zum Assist-Arzt 2. CI der Res. ernannt
Den 7. Juli 1886.
Ni es, Unterarzt im Gren.-Regt König Carl No. 123, zum Assist-Arzt 2. CI.
ernannt —Dr. Berg, Oberstabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt im 7. Ini-Regt No. 125,
unter Verleihung des Charakters als Oberstabsarzt L CI., mit Pension und mit der
Uniform des Sanitäts-Corps der Abschied bewilligt.
Den 8. Juli 1666.
Die Assist-Aerzte 2. Ci. der Bes.: Knies im 1. Bat (Ravensburg)
2. Landw.-Regts. No. 120, '— Dr. Prinzing im 2. Bart (Ulm) 6. Landw.-Regts.
No. 124, — Dr. Binder im 2. Bat (Biberach) 2. Landw.-Regts. No. 120, —
Dr. Köbel im Res.-Landw.-Bat (Stuttgart) No. 127, — Reichert im 2. Bat
(Esslingen) 8. Landw.-Regts. No. 126, — zu Assist-Aerzten L CI. der Res.,
— Dr. Römer, Assist.-Arzt 2. CI. der Landw. im Res.-Landw.-Bat (Stuttgart)
No. 127, zum Assist-Arzt 1. CI. der Landw., — befördert — Die Assist-
Aerzte 2. CI. der Res.: Dr. Mauk im 1. Bat (Heilbronn) 4. Landw.-Regts.
No. 122, — Dr. Rathgeb im 1. Bat (Ehingen) 8. Landw.-Regts. No. 126, — zu
Assist-Aerzten 1. CI. der Res., — Dr. Krauss, Assist-Arzt 2. CI. der
Landw. im 2. Bat (Ludwigsburg) 3. Landw.-Regts. No. 121, zum Assist-Arzt
1. CI. der Landw., — befördert — Die Assist-Aerzte 2. CI. der Res.:
Dr. Weil, Dr. Katz im Res.-Landw.-Bat (Stuttgart) No. 127, — Dr. Gmelin
im 1. Bat (Ehingen) 8. Landw.-Regts. No. 126, — Dr. Hürthle im 2. Bat (Reut¬
lingen) 1. Landw.-Regts. No. 119. — zu Assist-Aerzten 1. CI. der Res., —
Dr. Dietz, Assist-Arzt 2. CI. der Landw. im 1. Bat (Heilbronn) 4. Landw.-Regts.
No. 122, zum Assist.-Arzt 1. CI. der Landw., — Dr. Klopfer, Assist-Arzt 2. CI.
im Gren.-Regt Königin Olga No. 119, zum Assist-Arzt 1. CI., — befördert
Ordensverleihungen.
Preussische.
Rother Adler-Orden 4. CI. mit Schwertern.
Dr. Schneider, Marine-Assist-Arzt 1. CI. an Bord S. M. Kreuzer „Albatros".
Rother Adler-Orden 4. CI.
Marine-Stabsärzte Dr. Gärtner und Dr. Thoerner.
Kronen-Orden 3. CI.
Oberstabsarzt der Landw. a. D. Dr. Jiittweg.
72
Andere.
'Ritterkreuz 1. CI. des Herzogi. Sachs. Ernestin. Hausordens.
Dr. Weiss, Oberstabsarzt, und Dr. Klopstech, Stabsarzt, im 2, Thüring.
Inf.-Regt. No. 32.
Commandeur-Insignien 2. CI. des Herzogi. Anhalt. Hansordens Al-
brecht des Bären.
Dr. Lommer, Generalarzt 2. CI. u. Corpsarzt des IV. Armee-Corps.
Ritter-Insignien 1. CI. desselben Ordens.
Dr. Frankel, Stabsarzt im Anhalt Inf.-Regt No. 93.
Ritterkreuz 1. CI. des Königl. Sachs. Albrecht-Ordens.
Dr. Paetsch, Stabsarzt im 2. Schlei. Jäger-Bat No. 6.
Familien-Nachrichten.
Verlobt: Dr. Grittnerj Königl. Sächs. Assist-Arzt der Landw., mit Frl. Maria
Kiesewetter (Grottkau—Wernersdorf).
Verheirathet: Dr. Lev in st ein, Assist.-Arzt der Res., mit Frl. Hedwig Bi sch off
(Schöneberg—Berlin). — Dr. Kern, Stabsarzt, mit Frl. Elsbeth ▼. Jüoques-
Maumont (Lübeck). — Dr. Dü ms, Königl. Sächs. Stabsarzt, mit Frl. Gertrud
Schmidt (Leipzig). — Dr. Niebergail, Stabsarzt, mit Frl. Elisabeth Heise
(Berlin). — Dr. Remacly, Oberstabsarzt a. D., mit Frl. Marie Hartmann
(Schneidemühl).
Geburten (Sohn): Stabsarzt Dr. Reiche] (Freiberg i. S.). — Oberstabsarzt
Dr. Schneider (Nürnberg)!
* (Tochter): Stabsarzt Dr. Bech (Marienberg). — Assist.-Arzt Dr. Krause (Steglitz).
— Stabsarzt Dr. Renvers (Berlin).
Todesfälle: Dr. Menzel, Oberstabsarzt a. D. (Berlin). — Dr. Oeltze, Ober¬
stabsarzt a. D. (Gnesen). — Dr. Heine, Stabsarzt a. D. (Czechozyn-Rheda).
— Dr. Schroter, Oberstabsarzt a. D. (Ludwigsburg). — Dr. Stroth bäum,
Stabsarzt der Landw. (Barmen). — Dr. Juzi, Oberstabsarzt, Sohn Ernst (Trier).
— Stabsarzt Dr. Bruberger (Berlin). — Dr. Frerichs, Marine-Assist.-Arzt
(Zanzibar).
G«druckt in dtr Königl. Hofbuchdmckerei von E. & Mittler u. Sohn, Berlin, KoäutniH 58-70.
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Amtliches Beiblatt
zar
Deutschen militärärztlichen Zeitschrift
1886. — Fünfzehnter Jahrgang. — M 9.
A.-V.-Bl. No. 18.
Berlin, den 8. Juli 1886.
Auf Grund des §. 22 des Reglements über das Kassenwesen bei den Truppen
wird Folgendes bestimmt:
1) Die Truppen sowie diejenigen Formationen (Institute und Anstalten), bei welchen
Kassen-Kommissionen bestehen, haben das Kassenjoumal und jedes Abrechnungs¬
buch in je zwei Exemplaren zu führen, von denen das eine die Einnahme und
Ausgabe des 1. und 3., das zweite diejenigen des 2. und 4. Vierteljahres umfasst.
2) Am ersten Tage jedes Vierteljahres unmittelbar nach Anfertigung des vorge¬
schriebenen Kassenabschlusses (Allerhöchste Kabinets-Ordre vom 7. Mai 1885,
A.-V.-BI. S. 134) sind die verbliebenen Bestände und Vorschüsse in die für
dieses Vierteljahr bestimmten Bücher zu übertragen.
Die abgeschlossenen Bücher sind unter Beifügung deijenigen Beläge, welche
nicht mit den Liquidationen cingereicht werden müssen, im Laufe des ersten
Monats an die Intendantur einzusenden. Die Beläge zu dem Conto der Offi¬
zier-Kleiderkasse können jedoch zurückbehalten werden.
3) Die Intendantur hat die Bücher und Beläge zu prüfen und, mit Prüfungs¬
bescheinigung versehen, vor Ablauf des Vierteljahres zurückzusenden, nachdem
über die bei anderer Gelegenheit etwa nochmals zu prüfenden Angaben Ver¬
merke zurückbehalten sind.
Die Prüfung, sowie die Erledigung von Erinnerungen erfolgt im Sinne des
§. 99, 3 des Geldverpflegungs-Reglements für das preussische Heer im Frieden.
Ueber solche Ausgaben, welche bei einer nicht demselben Geschäftsbereich an-
gehörigen Kasse vereinnahmt sein müssen, haben die Intendanturen einander
Mittheilung zu machen.
4) Zur Zeit der ökonomischen Musterung müssen sämmtliche Kassenbücher bei der
Kassen-Kommission sich befinden.
5) Mit Einsendung der Bücher an die Intendanturen ist im Oktober d. J. zu be¬
ginnen.
6) Während der Dauer einer Mobilmachung treten diese Bestimmungen für den
mobilen Theil der Armee ausser Anwendung, und gelten für denselben die
bisherigen Vorschriften.
7) Die vorstehenden Bestimmungen über Führung und Revision der Bücher lassen
die übrigen Vorschriften des Kassenreglements unberührt.
Kriegsministerium.
Bronsart v. Schellendorff.
No. 552/5. 86. M. O. D. 3.
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74
A.-V.-Bl. No. 19.
Berlin, den 25. Juli 1886.
Die nach den Bestimmungen vom 18. Juni 1878 (Beilage zum Armee-Verordnungs-
Blatt No. 13) in Bäder zum Gebrauche von Curen entsendeten activen Mannschaften
sind in den Verpflegungs-Rapporten als „commandirt“ zu führen. Für die Familien
der zu solchem Zwecke entsendeten Unteroffiziere ist der unter Ziffer 10 der Aller¬
höchsten Cabinets-Ordre vom 25. März 1886 (Armee-Verordnungs-BlattS.91) bestimmte
Löhnungszuschuss zuständig.
Kriegsministerium; Militär-Oekonomie-Departement.
I. V.
Blume. Aldenkortt.
No. 264/7. 86. M. O. D. 3.
A.-V.-Bl. No. 19.
Berlin, den 26. Juli 1886.
Der II. Band des Sanitätsberichts über die Deutschen Heere im Kriege gegen
Frankreich 1870/71 wird nebst einem Vertheilungsplane mittels Umschlags venandt
werden. Die zur Ausgabe gelangten Bände des Berichts sind bei der Königikfcen
Hofbuchhandlung von E. S. Mittler & Sohn, Berlin SW., Kochstrasse 68—70, zum
Ladenpreise von 50 JC für den I. Band, 45 JC für den II. Band, 42,50 JC für den
IV. Band und 36 JC für den VII. Band im Einzelnen käuflich.
Die Offiziere, Sanitätsoffiziere und Beamten des Deutschen Heeres können die
bezüglichen Bände durch Vermittelung der Militär-Medicinal-Abtheilung zum
ermässigten Preise von 40 Jt für den I., 36 JC für den n., 34 JC für den IV. und
27 JC für den VII. Band beziehen.
Kriegsministerium.
Bronsart v. Schellendorff.
No. 1181/7. M. M. A.
Personal-Veränderungen im Sanitäts-Corps.
Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen.
Nachweisung der beim Sanitäts-Corps pro Monat Juli 1886
eingetretenen Veränderungen.
Durch Verfügung des Kriegsministeriums.
Den 8. Juli 1886.
Dr. Rahts, Stabsarzt beim Gren.-Regt. Kronprinz (1. Ostpreussischee) No. 1
vom 1. August er. ab auf weitere 6 Monate zum Kaiserlichen Gesundheitsamte
commandirt.
Den 5. August 1886.
Dr. He rt wi g, Stabsarzt der Landw. vom Res. Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, —
Dr. Haagen, Assist.-Arzt 2. CI. der Res. von demselben Landw.-Regt., — der Ab
chied ertheilt.
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Den 14. August 1886.
Dr. Schmundt, Gen.-Arzt 2. CI. z. D., zuletzt Ober-Stabsarzt 1. CI. und
Regts.-Arzt des Westpreuss. Cür.-Regts. No. 5, unter Belassung seiner bisher. Uni¬
form, mit Pension verabschiedet.
Den 17. August 1886.
Dr. Rhein, Assist-Arzt 1. CI. der Landw. vom 2. Bat (Bonn) 2. Rheinischen
Landw.-Regts. No. 28, der Abschied ertheilt
Durch Verfügung des General-Stabsarztes der Armee.
Den 1. Juli 1886.
Dr. Rothamel, Unterarzt vom Westfalischen Ulanen-Regt. No. 5, — Dr. Neu¬
mann, Unterarzt vom 2. Schlesischen Jäger-Bat. No. 6,
den 6. Juli 1886. •
Hoff mann, dienstpflichtiger Arzt unter Anstellung beim Holstein. Feld-Art. -
Regt. No. 24 — zum Unterarzt des Friedensstandes ernannt.
Den 8. Juli 1886.
Stenber, Unterarzt vom 1. Magdeb. Inf.-Regt. No. 26, — Dr. Reinbrecht,
Unterarzt vom 1. Hess. Inf.-Regt. No. 81, — Dr. Nickel, Unterarzt vom 2. Ost-
preuss. Gren.-Regt No. 3, — Mersmann, Unterarzt vom Inf.-Regt. No. 128, —
Jahn, Unterarzt vom Colberg. Gren.-Regt. (2. Pommersches) No. 9,
den 17. Juli 1886,
Dr. Paeprer, Unterarzt vom Garde Fuss-Art.-Regt.,— Baehr, Unterarzt vom
Niederschles. Feld-Art.-Regt. No. 5—sämmtlich mit Wahrnehmung je einer bei den
betreffenden Truppentheilen vacanten Assistenzarztstelle beauftragt.
Veränderungen im Königlich Sächsischen Sanitäts-Corps.
Allerhöchster Beschluss vom 27. August 1886.
Dr. Rietschler, Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regimentsarzt des 2. Husaren-Regi-
ments „Kronprinz Friedrich Wilhelm des Deutschen Reichs und von Preussen*
No. 19 und
Dr. Schirmer, Stabs- und Bataillonsarzt des 8. Infanterie-Regiments „Prinz
Johann Georg“ No. 107 mit dem Charakter als Ober-Stabsarzt 2. CI. Beiden mit
der gesetzlichen Pension und der Erlaubniss zum Forttragen der bisherigen Uniform
mit den vorgeschriebenen Abzeichen der Abschied bewilligt.
Veränderungen im Königlich Bayerischen Sanitäts-Corps.
Den 17. Juli 1886.
Dr. Walther (München I)» Assist.-Arzt 1. CI. des Beurlaubtenstandes, — Ur¬
laub (München II), Rottmeister (Mindelheim), Assist.-Aerzte 2. CI. des Beur¬
laubtenstandes — der Abschied ertheilt.
Den 1. August 1886.
Dr. Weinig, Assist.-Arzt 2. CI. des 13. Inf.-Regts. Kaiser Franz Joseph von
Oesterreich, in den Beurlaubtenstand des Sanitätscorps versetzt. — Dr. Helfe-
rich, Ober-Stabsarzt 2. CL, zum Ober-Stabsarzt 1. CI. ä la suite des Sanitätscorps
befördert.
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Den 12. August 1886.
Dr. Sartorius (Würzburg), Stabsarzt des Beurlaubtenstandes, mit der Erlaub'
niss zum Tragen der Uniform, — Dr. Dietrich (Aschaffenburg), Assist.-Arzt 1 . CI.
des Beurlaubtenstandes, — Dr. Ritter (Würzburg), Dr. Faber (Aschaffenburg),
As8ist.-Aerzte 2. CI. des Beurlaubtenstandes, — der Abschied ertheilt.
Veränderungen im Königlich Württembergischen Sanitäts-Corps.
Den 20. Juli 1886.
Stegmeyer, Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt im Gren.-Regt. König Carl
No. 123, in gleicher Eigenschaft in das 7. Inf.-Regt. No. 125 versetzt. — Dr.Hast-
reiter, Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. 8. Inf.-Regts. No 126, zum Ober-Stabs¬
arzt 2. CI. und Regts.-Arzt im Gren.-Regt. König Carl No. 123 befördert. —
Dr. Hegelmaier, Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. Infc-Regts. Kaiser Wilhelm
König von Preussen No. 120, in gleicher Eigenschaft zum 2. Bat. 8. Inl-Regts. No. 126
versetzt. — Dr.‘ Hauff, Assist.-Arzt 1. CI. der Res. im Res.Landw.-Bat. (Stuttgart)
No. 127, — Süsskind, Assist.-Arzt 1. CI. der Res. im 1. Bat. (Calw) 1. Landw. -
Regts. No. 119, — zu Stabsärzten der Res., — Kappes, Assist.-Arzt 1. CI. der
Landw. im 1. Bat. (Heilbronn) 4. Landw.-Regts. No. 122, zum Stabsarzt der Landw.,
— Dr. Schaller, Assist.-Arzt 1. CI. im Drag.-Regt. Königin Olga No. 25, zum
Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. Inf.-Regts. Kaiser Wilhelm König von Preussen
No. 120, — befördert.
Den 8. August 1886.
Dr. Reinhardt, Unterarzt im 3. Inf.-Regt. No. 121, zum Assist.-Arzt 2. CI.
ernannt.
Ordensverleihungen.
Preus8ische.
Rother Adler-Orden 3. CI. mit der Schleife:
Dr. Starke, Generalarzt 2. CI. a. D. in Colberg, bisher Regts.-Arzt des 7. Pomm.
Inf.-Regts. No. 54.
Andere.
Commandeurkreuz 2. CI. des Königlich Schwedischen Wasa-Ordens:
Dr. v. Volkmaun, ordentlicher Professor der medicinischen Facultät der Uni¬
versität zu Halle, Geheimer Medicinalrath und General-Arzt 1. CI. ä la suite
des Sanitätscorps.
Familien-N achrich ten.
Verlobt: Dr. Witte, Königl. Preuss. Assist.-Arzt 1. CI., mit Frl. Berta Schu¬
macher (Domkau—Schandau).
Geburten (Sohn): Assist.-Arzt 1. CI. Dr. Lindemann (Posen).
(Tochter): Assist.-Arzt 1. CI. Dr. Kreysern (Fürstenwalde).
Todesfälle: Dr. Hegener, Stabsarzt der Landw. (Stolberg, Rheinprovinz). —
Dr. Eckstein, Stabsarzt a. D. (Neustettin). — Dr. Daffner, Stabsarzt, Frau
Josefine (München).
Oedxuckt in der Käuflichen Hofbuchdruckerei von E. S. Mittler und 8ohn, Berlin SW., Kochstrusne 68-7ft.
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Amtliches Beiblatt
zor
Deutschen militärärztlichen Zeitschrift
1886.
— Fünfzehnter Jahrgang.
M 10 .
Berlin, den 24. Juli 1886.
Euer Hochwohlgeboren fibersendet die Unterzeichnete Abtheilung beifolgend er¬
gebenst das Werk »Die transportable Lazareth -Baracke“ zur gefälligen
Kenntnisnahme und mit dem Ersuchen, die beiden Exemplare bei den Sanitäts¬
offizieren des Corpsbereichs in Umlauf zu setzen und demnächst das eine in Ihrem
Bureau, das andere in dem hierzu geeignetsten Garnison-Lazareth inventarisiren und
aufstellen zu lassen.
Diesseits wird auf eine eingehendere Information über den Inhalt des Werkes
seitens der Sanitäts-Offiziere Werth gelegt, damit dieselben die Erfahrungen kennen
und würdigen, welche zur Anwendung des Systems transportabler Baracken geführt
haben, zugleich aber auch die bisherigen Leistungen auf diesem Gebiete zu über¬
sehen vermögen, um aus ihnen im Bedarfsfall für das Wohl der Kranken und auch
für die ökonomischen Interessen der Militärverwaltung Nutzen zu ziehen.
Dem Königlichen General - Commando, welchem diesseits ein Exemplar des
Werkes übersandt worden ist, wollen Euer Hochwohlgeboren gefälligst über das¬
selbe Vortrag machen.
Einer Namhaftmachung des Garnison-Lazareths, welchem Euer Hochwohl¬
geboren das Ihnen übersandte zweite Exemplar zuzuweisen beabsichtigen, darf
ergebenst entgegengesehen werden.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
L V.
Lentze. Körting.
No. 1408/7. M. M. A.
Berlin, den 19. August 1886.
Zur Erleichterung der Herstellung von Mullcompressen und von Binden soll
jedes Traindepot und jede Verbandmittelreserve eine Verbandmittel-Schneide- und
eine Verbandmittel-Wickelmaschine erhalten.
Das Traindepot III. Armee - Corps wird den vorbezeichneten Stellen diese
Maschinen nach erfolgter Beschaffung übersenden und je 2 Exemplare der von dem
Erfinder der Maschinen, Hauptmann Gemmel, gegebenen Gebrauchsanweisung
beifügen.
Die Kosten der Beschaffung und Unterhaltung der Maschinen hat Titel 15 des
Capitels 29, Militär-Medicinalfonds, zu tragen.
Die Königliche Intendantur wolle gefälligst das Weitere veranlassen.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
L V.
v. Coler. Zehr.
No. 1387/7. M. M. A.
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78
Berlin, den 9. September 1886.
Es hat sich die Noth wendigkeit herausgestellt, dass die Abtheilong schneller
als es durch die monatliche Rapporterstattung geschieht, über ausseigewöhnliche
Erkrankungen unterrichtet werde. Euer Hochwohlgeboren werden daher ergebenst
ersucht, nicht bloss den Ausbruch von Epidemien, sondern auch Massenerkrankungen
jeder Art, desgleichen alle solche Unglücksfalle, welche entweder eine grössere Zahl
von Mannschaften betreffen oder durch ihre Art Aufsehen zu erregen geeignet sind,
ungesäumt hierher melden zu wollen.
Insbesondere wird für die Zukunft einer gefälligen sofortigen Mittheilung über
jeden Fall von Hitzschlag bezw. Sonnenstich, event. unter Darlegung der näheren
Umstände der Erkrankung, ergebenst entgegengesehen.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
I. V.
v. Coler. Zehr.
No. 457. 9. M. M. A.
A.-V.-Bl. No. 22.
Abgekürzte Bezeichnung der Abtheilungen des Kriegsministeriums
und provisorische Aenderung der Geschäfts-Eintheilung bei demselben.
Berlin, den 20. September 1886.
Mit Genehmigung Seiner Majestät des Kaisers und Königs erhalten vom 1. Oc-
tober d. Js. ab die Abtheilungen des Kriegsministeriums abgekürzte Bezeichnungen.
Von demselben Zeitpunkte ab wird provisorisch eine anderweite Geschäfts-Eiu-
theilung beim Kriegsministerium eintreten.
Beide Aenderungen ergiebt nachstehende Uebersicht.
Central-Abtheilung. Wie bisher.
Allgemeines Kriegs-Departement.
Armee-Ab theilung.
Organisation der Armee im Frieden und im Kriege. — Aufstellung des Etats-
Capitels 24 der fortdauernden Ausgaben. — Ersatzwesen. — Angelegenheiten des
Beurlaubtenstandes und des Landsturms. — Grössere Truppen-Uebungen und Uebungen
der Ersatzreserve. — Dislocation. — Eisenbahnwesen. — Chäussee- und Wasserbauten.
— Etappen-Angelegenheiten. — Militär* Conventionen. — Specielle Dienstangelegen¬
heiten des Generalstabes einschliesslich Landesvermessungswesen*, der Eisenbahn¬
truppen und der Luftschiffer - Abtheilung. — Literarische und statistische An¬
gelegenheiten. — Geschäftsverkehr in der Armee.
Infan t er ie-Abth eil u ng.
Specielle Dienstangelegenheiten der Infanterie und der Jäger (einschliesslich des
Eintritts in die Forstlehre). — Infanteristische Institute. — Militärmusik. — Innerer
Dienst. — Gamisondienst. — Polizei-Angelegenheiten. — Versorgung der Armee
mit Handfeuer- und blanken Waffen. — Angelegenheiten der Büchsenmacher. —
Militär-Erziehungs- und Bildungswesen (mit Ausschluss der Vereinigten Artillerie-
und Ingenieur-Schule und der Prüfungs- Commission für Hauptleute und Premier—
lientenants der Artillerie). — Ergänzung der Offiziere des Friedensstandes.
Cavalieri e-Abtheilung.
Specieller Dienst der Cavalleria. — Militär-Bei t-Institut. — Veterinärwesen. —
Laadgendarmerie, Leib* and Feldgendarmerie. — Feldjäger. — Postwesen. — Feld*
geräth der Armee. — Specieller Dienst des Trains.
Artillerie-Abtheilung.
Wie bisher, nnr giebt sie die Versorgung der Armee mit Handfeuer- und
blanken Waffen, sowie die Angelegenheiten der Büchsenmacher ab und übernimmt
dagegen die Angelegenheiten der Vereinigten Artillerie- und Ingenieur-Schule und
der Prüfungs-Commission für Hauptleute und Premierlieutenants der Artillerie.
Ingenieur-Abtheilung. Wie bisher.
Technische Abtheilung. Wie bisher.
Militär-Oekonomie-Departement.
Kassen-Abtheilung. Verpflegungs-Abtheilung. Bekleidungs-
Abtheilnng. Servis-Abtheilnng. Bau-Abtheilung.
Wie bisher, jedoch tritt bei der Bekleidungs-Abtheilnng die Verwaltung des
Unterstützungsfonds für Offiziere nnd Offizier-Aspiranten des Friedensstandes hinzu.
Departement für das Invalidenwesen.
Pens io ns- Abtheilung. Im Allgemeinen wie die bisherige Abtheilnng A.
Unterstützungs - Abtheil nng. Im Allgemeinen wie die bisherige Ab¬
teilung B.
Anstellnngs-Abtheilung.
Anstellung inactiver Offiziere und Mannschaften. — Krieger-Vereine. — Straf¬
vollstreckung. — Arbeiter-Abtheilungen. — Militär-Kirchenwesen. — Militär-Justiz¬
wesen. — Ehrengerichtliche Angelegenheiten. — Disciplinar - Angelegenheiten. —
Begnadigungs-Angelegenheiten. — Ausl ieferungs-Angelegenheiten. — Besteuerungs-
Angelegenheiten. — Heiraths- Angelegenheiten. — Wahl-Angelegenheiten. — Stamm-
listen. — Orden. — Fahnen.
Remontirungs-Abtheilnng. Wie bisher.
Medicinal-Abtheilung. Wie bisher.
Dies wird hierdurch zur Kenntniss der Armee gebracht.
Kriegsministerium.
Bronsart v. Schellendorff.
Personal-Veränderungen im Sanitäts-Corps.
Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen.
Befördert werden: Der Assist-Arzt 1. CI. Dr. Terstesse vom 1. Hannov.
Inf.-Regt. No. 74 zum Stabsarzt bei dem Niederscbles. Fuss-Art.-Regt No. 6; die
Assist-Aerzte 1. CI. der Res.: Dr. Hessler vom 2. Bat. (Halle) 2. Magdeburg«.
Landw.-Regts. No. 27, — Dr. Tamm vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, —
Dr. Brand vom 2. Bat. (Dortmund) 3. Westfäi. Landw.-Regts. No. 16, —
Dr. Heymann vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, — Dr. Stehle vom
2. Bat. (Stockach) 6. Bad. Landw.-Regts. No. 114, — Dr. Richter vom Res.*
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80
Landw.-Regt. (1. Breslau) No. 38, — Dr. Stachel hausen Tom Res.-Landw.-Bat
(Barmen) No. 39, — Dr. Friedländer vom 1. Bat. (Danzig) 8. Ostpreuss. Landw. -
Regts. No. 45, — Dr. Totenhoefer vom Res.-Landw.-Regt (1. Breslau) No. 38, —
Dr. Szumski vom 1. Bat. (Gnesen) 3. Pomm. Landw.-Regts. No. 14, — Dr. Voigt
vom 2. Bat. (Wiesbaden) 1. Nassau. Landw.-Regts. No. 87, — und Dr. Roller vom
1. Bat. (1. Trier) 8. Rhein. Landw.-Regts. No. 70, — zu Stabsärzten der Res.; die
Assist.-Aerzte 1. CI. der Marine-Res. Dr. Neuber vom 1. Bat. (Kiel) Holstein.
Landw.-Regts. No. 85, und Dr. Walle vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35,
zu Stabsärzten der Marine-Res.; die Assist.-Aerzte 1. CI. der Landw.: Dr. Haunhorst
vom 2. Bat. (Gräfrath) 8. Westfäl. Landw.-Regts. No. 57, — Dr. Brockhaus vom
2. Bat. (Bonn) 2. Rhein. Landw.-Regts. No. 28, — Dr. Reinhard vom 1. Bat.
(Hamburg) 2. Hanseat. Landw.-Regts. No. 76, — Dr. Hinrichs vom 2. Bat.
(Rendsburg) Holstein. Landw.-Regts. No. 85, — Dr. Möller vom 2. Bat (Gera)
7. Thuring. Landw.-Regts. No. 96, — Burger vom 1. Bat. (Freiburg) 5. Bad.
Landw.-Regts. No. 113, — Dr. Grobelny vom 1. Bat. (Rawitsch) 4. Posenschen
Landw.-Regts. No. 59, — Dr. Schweitzer vom 1. Bat. (Neuwied) 3. Rhein.
Landw.-Regts. No. 29, — Dr. Bertling vom 2. Bat. (Gräfrath) 8. Westfäl Landw.-
Regts. No. 57, — Dr. Elstner vom 2. Bat (Hirschberg) 2. Niederschles. Landw.-
Regts. No. 47, — Dr. Minor vom 2. Bat. (Wiesbaden) 1. Nassau. Landw.-Regts. No. 87,
— Dr. Runge vom 1. Bat. (Tilsit) 1. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 1, — Dr. Bange
vom 1. Bat. (Meschede) 2. Hess. Landw.-Regts. No. 82, — Dr. Schultz vom
2. Bat. (Pr. Stargardt) 8. Pomm. Landw.-Regts. No. 61, — Dr. Karpinski vom
1. Bat. (Frankfurt) 1. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 8, — Dr. Rättig vom
1. Bat (Bitterfeld) 4. Magdeburg. Landw.-Regts. No. 67, — Dr. Schroeter vom
1. Bat. (Hamburg) 2. Hanseat Landw.-Regts. No. 76, — Dr. Wittek vom 2. Bat
(Ratibor) 1. Oberschles. Landw.-Regts. No. 22, — Dr. Dittmer vom 1. Bat (Neu¬
wied) 3. Rhein. Landw.-Regts. No. 29, — Dr. Biskamp vom 2. Bat (1. Cassel)
3. Hess. Landw.-Regts. No. 83, — Dr. Oidtmann vom 1. Bat. (Aachen) 1. Rhein,
Landw.-Regts. No. 25, — Dr. Bock vom 1. Bat. (Erfurt) 3. Thflring. Landw.-Regts.
No. 71, — Dr. Vogler vom 1. Bat. (Nassau) 1. Nassau. Landw.-Regts. No. 87, —
Dr. Wentscher vom 1. Bat. (Thorn) 8. Pomm. Landw.-Regts. No. 61, —
Dr. Brüning vom 1. Bat. (Soest) 3. Westfal. Landw.-Regts. No. 16, — Dr. Kraut¬
wurst vom 2. Bat (Ratibor) 1. Oberschles. Landw.-Regts. No. 22, — Dr. Zipp
vom 1. Bat (Freiburg) 5. Bad. Landw.-Regts. No. 113, — Dr. Lürman vom
1. Bat. (Bremen) 1. Hanseat. Landw.-Regts. No. 75, — Dr. Kluge vom 2. Bat
(Paderborn) 6. Westfal. Landw.-Regts. No. 55, — Dr. Hommelsheim vom 1. Bat
(Aachen) 1. Rhein. Landw.-Regts. No. 25, — Dr. Beyer vom 1. Bat (Lauban)
2. Niederschles. Landw.-Regts. No. 47, — Dr. Huck vom 1. Bat (Bremen)
1. Hanseat Landw.-Regts. No. 75, — Dr. Fraenkel vom 1. Bat (Hamburg)
2. Hanseat. Landw.-Regts. No. 76, — Dr. Pinner vom Res.-Landw.-Bat. (Frank¬
furt a. M.) No. 80, — und Dr. Nuss bäum vom 2. Bat (Bonn) 2. Rhein. Landw.-
Regts. No. 28, — zu Stabsärzten der Landw.; die Assist.-Aerzte 2. CI.: Dr. Leopold
vom 1. Niederschles. Inf.-Regt. No. 46, — Dr. Ilberg vom 3. Schles. Drag.-Regt
No. 15, — Dr. Roth vom Westfäl. Cürassier-Regt. No. 4, — Dr. Weber vom
Rhein. Train-Bat No. 8, — Dr. Buchholtz vom 1. Brandenburg. Feld-Art-Regt
No. 3 (General-Feldzeugmeister), — und Dr. Sander von der Marine — zu Assist-
Aerzten 1. CI.; der Marine-Stabsarzt Dr. Die hl von der 1. Matrosen-Division zum
Marine-Oberstabsarzt 2. CI., vorläufig ohne Patent; die Marine-Assist-Aerzte 1. CI.
Weinheimer von der 2. Matrosen-Div. und Dr. Richter von der 1. Matrosen-
Div. zu Marine-Stabsärzten, beide vorläufig ohne Patent; die Unterärzte: Dr. Nickel
vom 2. Ostpreuss. Gren.-Regt No. 3, — Dr. Dunbar vom 1. Pomm. Feld-Art-
Regt No. 2, — Steuber vom 1. Magdeburg. Inf.-Regt. No. 26, dieser unter Ver¬
setzung zum Magdeburg. Train-Bat. No. 4, <— Dr. Neumann vom 2. Schles.
Jäger-Bat No. 6 unter Versetzung zum Westfäl. Fös.-Regt. No. 37, — Mönc k
vom Westfäl. Train-Bat No. 7, — Dr. Uppenkamp vom 1. Westfal Inf.-Regt No. 13,
dieser unter Versetzung zum 1. Westfäl Hus.-Regl No. 8, — Dr. Rothamel vom
Westfäl Ulanen-Regt. No. 5, — Dr. Thiele vom Westfäl Pionier-Bat No. 7,
dieser unter Versetzung zum 2. Rhein. Hus.-Regt No. 9, — Erdmann vom Hannov.
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Train-Bat. No. 10, unter Versetzung zum 4. Garde - Gren. - Regt. Königin, —
Dr. Festenberg vom 3. Grossherzogi. Hess. Inf.-Regt. (Leib - Regiment) No. 117,
unter Versetzung zum 1. Nassau. Inf.-Regt No. 87, — und Dr. Ger lach vom
Grossherzogi. Hess. Feld-Art.-Regt No. 25 (Grossherzogi. Art.-Corps) unter Ver¬
setzung zum 1. Grossherzogi. Hess. Int- (Leibgarde-) Regt. No. 115, — zu Assist-
Aerzten 2. CI.; die Unterärzte der Res.: Dr. Israel vom 2. Bat. (1. Cassel)
3. Hess. Landw.-Regts. No. 83, — Dr. Weiermiller vom 2. Bat (Teltow)
7. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 60, — Dr. Br oll und Gürtler vom Reserve-
Landw.-Regt (1. Breslau) No. 38, — Dr. Hillebrand vom 2. Bat. (Düsseldorf)
4. Westfal. Landw.-Regts. No. 17, — Dr. Esmarch und Dr. Paschen vom Res.-
Landw.-Bat (Altona) No. 86, — und Dr. Bickel vom 2. Bat. (Wiesbaden)
1. Nassau. Landw.-Regts. No. 87, — zu Assist.-Aerzten 2. CI. der Res. — Dem
Stabsarzt Dr. Brun hoff von der Marine wird ein Patent seiner Charge vom
27. Juli er. verliehen. — Die Assist.-Aerzte 2. CI. der Res.: Lange vom 2. Bat.
(1. Cassel) 3. Hess. Landw.-Regts. No. 83 und Dr. Scholz vom 1. Bat (Darmstadt I)
1. Grossherzogi. Hess. Landw.-Regts. No. 115 werden im activen Sanitäts-Corps
und zwar als Assist-Aerzte 2. CI. mit Patent vom heutigen Tage', ersterer bei der
Marine, letzterer bei dem 1. Schles. Gren.-Regt. No. 10, angestellt — Versetzt
werden: Der Stabs- und Abtheilungsarzt Dr. Richter von der reitenden Abtheilung
des 1. Pomm. Feld- Art. -Regts. No. 2 als Bats.-Arzt zum 2. Bat. Colberg. Gren.-
Regts. (2. Pomm.) No. 9 und der Stabs- und Bats.-Arzt Dr. Lagus vom 2. Bat.
Colberg. Gren.-Regts. (2. Pomm.) No. 9 als Abtheilungsarzt zur reitenden Abtheilung
des 1. Pomm. Feld-Art.-Regts. No. 2. — Der Abschied wird bewilligt: Dem
Stabsarzt Dr. Eunau vom Niederschles. Fuss-Art.-Regt. No 5 mit der gesetzlichen
Pension und der Erlaubniss zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für
Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen; den Stabsärzten der Res. Dr. Schück
vom 1. Bat. (Görlitz) 1. Westpreuss. Landw.-Regts. No. 6, diesem mit der Erlaubniss
zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen
Abzeichen und Dr. Buchwald vom Res.-Landw.-Regt. (1. Breslau) No. 38; den
Stabsärzten der Landw.: Dr. Liedtke vom 2. Bat (Goldap) 6. Ostpreuss. Landw.-
Regts. No. 43, Dr. Lehmann vom 1. Bat (Landsberg) 5. Brandenburg. Landw.-
Regts. No. 48, Kü hme vom 1. Bat. (Sangerhausen) 1. Thüring. Landw.-Regts. No. 31,
Dr. Collenberg vom 2. Bat. (Hirschberg) 2. Niederschles. Landw.-Regts. No* 47,
Dr. Schäfer vom 2. Bat (2. Münster) 1. Westfal. Landw.-Regts. No. 13, Dr. Niessen
vom 1. Bat. (Kirn) 7. Rhein. Landw.-Regts. No. 69, Dr. Prigge vom 1. Bat.
(Neuwied) 3. Rhein. Landw.-Regts. No. 29, Dr. Krämer vom Res.-Landw.-Regt.
(Cöln) No. 40, Dr. Horn vom 2. Bat (Apenrade) Schleswig. Landw.-Regts. No. 84
und Dr. Sebold vom 2. Bat. (1. Cassel) 3. Hess. Landw.-Regts. No. 83; den
Assist-Aerzten 1. CI. der Landw.: Dr. Storbeck vom Res.-Landw.-Bat. (Magdeburg)
No. 36, Dr. Schoetensack vom 2. Bat (Mühlhausen i. Th.) 1. Thüring. Landw.-
Regts. No. 31, Dr. Schulte vom 2. Bat. (Dortmund) 3. Westfäl. Landw.-Regts. No. 16
und Dr. Kriesche vom 1. Bat. (Rastatt) 4. Bad. Landw.-Regts. No. 112. — Der
Marine-Assist.-Arzt 1. CI. Dr. Lenz von der 2. Matrosen-Division scheidet aus dem
activen Sanitäts-Corps aus und tritt zu den Sanitats-Offizieren der Marine-Res. des
2. Bats. (1. Cassel) 3. Hess. Landw.-Regts. No. 83 über.
Schloss Babelsberg, den 24. August 1886.
Befördert werden:die Oberstabsärzte 2. CI. und Regimentsärzte: Dr. Th eie¬
rn ann rom 1. Bad. Leib-Dragoner-Regt. No. 20, — und Dr. Schneider vom
Inf.-Regt No. 128, — zu Oberstabsärzten 1. CI., die Assistenzärzte 2. CI.
der Res.: Dr. SeiffaTt vom 1. Bat. (Weimar) 5. Thüring. Landw.-Regts. No. 94,—
Dr. Hell vom 1. Bat. (Hamburg) 2. Hanseat. Landw.-Regts. No 76, — Dr. Massen
vom 1. Bat. (Bremen) 1. Hanseat. Landw.-Regts. No. 75, — Dr. Lucanus vom
1. Bat. (Mainz) 4. Grossherzogi. Hess. Landw.-Regts. No. 118, — Dr. Grothaus
vom 1. Bat. (Osnabrück) 1. Hannov. Landw.-Regts. No. 74, — Dr. Meller vom
2. Bat. (Düsseldorf) 4. Westfäl. Landw.-Regts. No. 17, — Dr. Liebeschütz vom
1. Bat. (Dessau) Anhalt. Landw.-Regts. No. 93, — Dr. Elle vom Res.-Landw.-Bat
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(Frankfurt a. M.) No. 80, — Dr. Backenköhler vom 2. Bat (Göttingen) 3. Hannov.
Landw.-Regts. No. 79, — Dr. Draeck vom 1. Bat. (Geldern) 4. Westfal. Landw.-
Regts. No. 17, — Dr. Nagel vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No- 36, — und
Dr. Wirth vom 1. Bat. (Bochum) 7. Westfal. Landw.-Regts. No- 56, — an
Assistenzärzten 1. CI. der Reserve; die Assistenzärzte 2. CL der Lsadv.:
Dr. Tilger vom Ober-Elsäss. Res.-L&ndw.-Bat. (Mülhansen i. E.) No. 99, — und
Dr. Barelmann vom 1. Bat. (Kiel) Holstein. Landw.-Regts. No. 85, — xu
Assistenzärzten 1. CI. der Landw.; die Marine-Assistenzärzte 2. CI. Ehr. Möller,
König, Dr. Dammann, Dr. Koch, Dr. Davids und Dr. Olshausen von der
2. Matrosen-Division, und Dr. Tereszkiewicz von der 1. Matrose n-Diviaion, — xn
Marine-Assistenzärzten 1., CI. diese sieben vorläufig ohne Patent; die Unter¬
ärzte: Dr. Paeprer vom Garde-Fuss-Art.-Regt, unter Versetzung zum Thüring.
Husaren-Regt. No. 12, — Roehr vom 3. Ostpreuss, Grenadier-Regt No- 4, —
Schmidt vom 3. Thüring. Inf.-Regt No. 71, — Dr. Reinbrecht vom 1. Hess.
Inf,-Regt, No. 81, dieser unter Versetzung zum Brandenburg. Husaren - Regt
(Zietensche Husaren) No. 3, — Greifenhagen vom 2. Grossherzogi. Hesa. InL-
Regt. (Grossherzog) No. 116, — und Kloidt vom 6. Bad. In£-Regt No. 114, dieser
unter Versetzung zum Kurmärk. Dragoner-Regt No. 14, — zu Assistenzärzten
2. CI.; der Marine-Unterarzt Dr. Rüge von der 2. Matrosen-Division zum Marine-
Assistenzarzt 2. CI.; die Unterärzte der Reserve: Dr. Schüler vom Res. Landw.-
Bat (Altona) No. 86, — Dr. Neu mann vom 1. Bat. (Potsdam) 3. Branden-
burgischen Landwehr-Regiments No. 20,— Köhn vom Reserve-Landwehr-Kegiment
(1 Berlin) No. 35, — Schultz vom 1. Bataillon (Görlitz) 1. Westprenesiecbea
Landw.-Regts. No. 6, — Dr. Lewy vom Res. - Landw. - Regt (1. Breslau) No. 36,
— Dr. Kellendonk vom 1. Bat. (Wesel) 5. Westfal. Landw.-Regts. No. 53, —
Dr. Robolski vom 2. Bat (Lübeck) 2. Hanseat Landw.-Regts. No. 76, —
Dr. Falkenthal vom 2. Bat (Cüstrin) 1. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 8, —
Dr. Sn eil vom 1. Bat. (Hildesheim) 3. Hannov. Landw.-Regts, No. 79, — Ihr. Ort¬
weiler vom 2. Bat (Meiningen) 6. Thüring. Landw.-Regts. No. 95, — Dr. Krnmm-
hoff vom 2. Bat (Eisenach) 5. Thüring. Landw.-Regts. No. 94, — Dr. Wolff
vom Res. - Landw. - Bat. (Frankfurt a. M.) No. 80, — Dr. Hofmann vom 2. BaL
(Meiningen) 6, Thüring. Landw.-Regts. No. 95, nnd — Dr. Gassert vom 2. Bst.
(Stockach) 6. Bad. Landw.-Regts. No. 114, — zu Assist.-Aezten 2. CI. der
Res.; — der Unterarzt der Mar.-Res. Dr. Winckler vom Res.rLandw.-Bat. (Königs¬
berg) No. 33 zum Assist.-Arzt. 2. CI. der Mar.-Res.; — der Unterarzt der Landw.
Dr. Rosenthal vom 2. Bat (Teltow) 7. Brandenburg. Landw.-Regts No. 60 zum
Assist-Arzt 2. CI. der Landw. — Dem Oberstabsarzt 1. CI. Dr Bäuerlein von
der Marine wird ein Patent seiner Charge verliehen. — Der Oberstabsarzt 1. CL
und Regt8. - Arzt Dr. Boretius vom Westpreuss. Feld-Art-Regt No. 16 wird mit
Wahrnehmung der divisionsärztlichen Functionen bei der 2. Div., — und der Ober¬
stabsarzt 1. CI. Dr. Scheidemann, Garn.-Arzt in Stettin, mit Wahrnehmung der
divisionsärztlichen Functionen bei der 3. Div. — beauftragt — Versetzt
torerden: Der Stabsarzt Dr. Pfuhl vom Fuse-Art.-Regt No. 11 zum mediewiBcfc-
chirurgiscben Friedrich-Wilhelms-Institut; — der Assist-Arzt 1. Cl. Dr. Gaedkens
vom Brandenburg. Hus.-Regt. (Zietensche Husaren) No. 3 zum Brandenburg. Train*
Bat No. 3; — der Assist.-Arzt 2. Cl. Dr. Ostmann vom Holstein. Int-Regt
No. 85 zum 1. Thüring. Inf.-Regt. No. 31, — und der Marine - Assist-Arzt 1. CI.
Dr. Müller von der 1. Matr. -Div. zur Armee und zwar zum Holstein. InC-Regt
No. 85» — Der Abschied wird bewilligt: Dem Oberstabsarzt 1. Cl. und Regi¬
mentsarzt Dr. Ewermann vom 1. Leib - Hus. - Regt. No. 1, beauftragt mit Wahr¬
nehmung der divisionsärztlichen Functionen bei der 2. Div., mit der gesetzlichen
Pension, dem Charakter als Generalarzt 2. Classe und der Erlaubnis zum Tragen
seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen; —
dem Oberstabsarzt 1. Cl. und Regts.-Arzt Dr. Ho mann vom Pomm. Füs.-Regt.
No. 34, beauftragt mit Wahrnehmung der divisionsärztlichen Functionen bei der
3. Div., unter Verleihung des Charakters als Generalarzt 2. C1. 9 mit der gesetzlichen
Pension und der Erlaubniss zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für
Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen; dem Oberstabsarzt 2. CL Dr. Bad- f
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stübncr, Garnisonarzt in Glatz, mit der gesetzlichen Pension und der Erlaubniss
zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen
Abzeichen; dem Stabs- und Bat.-Arzt Dr. Ideler vom 1. Bat. 5. Pomm. Inf.-Regts.
No. 42 mit der gesetzlichen Pension, dem Charakter als Oberstabsarzt 2. CI. und
der Erlaubniss zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete
vorgeschriebenen Abzeichen; den Stabsärzten der Reserve: Dr. Krön vom
Res.-"Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35 und Dr. Mallinckrodt vom 1. Bat. (Wesel)
5. Westfal. Landw.-Regts. No. 53; den Stabsärzten der Landw. Dr. Assmann
vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, diesem mit der Erlaubniss zum Tragen
seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen,
!>r. Schmidt vom 1. Bat. (Anclam) 1. Pomm. Landw.-Legts. No. 2, Dr. Paterna
vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, und Dr. Ad ick es vom Res.-Landw.-
Bat. (Hannover) No. 73; den Assistenzärzten 1. Cl. der Landw., Dr. Ziehe vom
2. Bat. (Rastenburg) 5. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 41, Dr. Grochtmann vom
2. Bat. (Teltow) 7. Brandenb. Landw.-Regts. No. 60, Dr. Stühmer vom Res.-Landw.-
Bat. (Magdeburg) No. 36, Dr. Schüssler vom 1. Bat. (Bremen) 1. Hanseat. Landw.-
Regts. No. 75, Dr. Schmidt vom 1. Bat. (Hamburg) 2. Hanseat. Landw.-Regts.
No. 76, Dr. Bode vom 2. Bat. (2. Braunschweig) Braunschweig. Landw.-Regts.
No. 92, und Dr. Thilo vom 1. Bat. (1. Braunschweig) Braunschweig. Landw.-Regts.
No. 92. — Der Stabs- und Bats.-Arzt Dr. Huld vom 2. Bat. 6. Pomm. Inf.-Regts.
No. 49 scheidet mit der gesetzlichen Pension aus. — Der Assist-Arzt 1. Cl. Fick
vom Littb. Ulanen-Regt. No. 12, und der Assist-Arzt 2. CI. Löchner vom
4. Pomm. Inf.-Regt. No. 21 scheiden aus dem activen Sanitäts-Corps aus und treten
zu den Sanitäts-Offizieren der Landw. des Res.-Landw.-Regts. (1. Berlin) No. 35 über
Baden-Baden, den 28. September 1886.
Nachweisung der bei dem Sanitäts-Corps pro Monat Juli und
August 1886 eingetretenen Veränderungen.
Durch Verfügung des Kriegsministeriums.
Den 20. August 1886.
Dr. Weidenhammer, Assist-Arzt 2. Cl. vom 1. Grossherzogi. Hess. Inf.- (Leib¬
garde-) Regt No. 115,
Dr. Schumann, Assist.-Arzt 2. Cl. vom 4. Garde-Gren.-Regt. Königin,
Lerche, Assist.-Arzt 2. CI. vom Pomm. Drag.-Regt. No. 11,
Bischof, Assist.« Arzt 2. Cl. vom Rhein. Fuss - Art. - Regt. No. 8, — alle vier vom
1. September er. ab zur Dienstleistung bei der Kaiserlichen Marine commandirt.
Durch Verfügung des Generalstabsarztes der Armee.
Den 31. Juli 1886.
Appellus, Unterarzt vom 5. Bad. Inf.-Regt No. 113,
Bötticher, Unterarzt vom 8. Ostpreuss. Inf.-Regt. No. 45,
Dr. Eckermann, Unterarzt vom 1. Hanseat. Inf.-Regt. No. 75.
Dr. G rieb sch, Unterarzt vom 6. Pomm. Inf.-Regt No. 49,
Steger, Unterarzt vom 1. Schles. Jäger-Bat. No. 5,
Streit, Unterarzt vom 4. Thüring. Inf.-Regt. No. 72,
Vollbrecht, Unterarzt vom 2. Grossherzogi. Mecklenburg. Drag.-Regt. No. 18,
den 5. August 1886.
Dr. Wassmund, Unterarzt vom 3. Brandenburg. Inf.-Regt. No. 20,
Greifenhagen, Unterarzt vom 2. Grossherzogi. Hess. Inf.-Regt. (Grossherzog)
No. 116,
Müller, Unterarzt vom Neumärk. Drag.-Regt. No. 3,
Kloidt, Unterarzt vom 6. Bad. Inf.-Regt. No. 114,
Röhr, Unterarzt vom 3. Ostpreuss. Gren.-Regt No. 4,
Dr. Rüge, Unterarzt von der Kaiserlichen Marine,
Richter, Unterarzt vom Ostpreuss. Fuss-Art.-Regt. No. 1,
Boedeker, Unterarzt vom Oldenburg. Inf.-Regt. No. 91,
Grosser, Unterarzt vom 1. Grossherzogi. Hess. Inf.- (Leibgarde-) Regt. No. 115,
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den 7. August 1886.
Reepei, bisher einjährig-freiwilliger Arzt vom 3. Garde-Grenadier-Regt. Königin
Elisabeth, zum Unterarzt ernannt, — sämmtlich mit Wahrnehmung je einer bei
den betreffenden Truppentbeilen resp. bei der Marine vacanten Assistenzarzt-
Stelle beauftragt.
Veränderungen im Königlich Sächsischen Sanitäts-Corps.
Den 27. August 1886.
Dr. Rietschler, Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt des 2. Hus.-Regts. Kronprinz
Friedrich Wilhelm des Deutschen Reiches und von Preussen No. 19, *
Dr. Schirmer, Stabs- und Bats.-Arzt des 8. Inf. - Regts. Prinz Johann Georg
No. 107, diesem unter Verleihung des Charakters als Ober-Stabsarzt 2. CI. mit
der gesetzlichen Pension und der Erlaubniss zum Forttragen der bisherigen
Uniform mit den vorgeschriebenen Abzeichen, — der erbetene Abschied
bewilligt.
Allerhöchster Beschluss vom 27. September 1886.
Dr. Käppler, Stabs- und Bataillonsarzt des 3. Inf.-Regts. No. 102, zum Ober-
Stabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt des 2. Husaren - Regiments „Kronprinz Friedrich
Wilhelm des Deutschen Reiches und von Preussen“ No. 19, — Dr. Paak, Assist.-
Arzt 1. CI. des 9. Inf.-Regts. No. 133, unter Enthebung von dem Commando
zum Kaiserlichen Gesundheitsamt in Berlin, zum Stabs- und Bataillonsarzt bei dem
4. Inf.-Regt. No- 103,— Dr. Fröhlich, Assistenzarzt 1. CI. des Carabinier-Regts.,
zum Stabs- und Abtheilungsarzt bei dem 1. Feld-Artillerie-Regiment No. 12
(Garnison Riesa), — Dr. Pässler und Dr. Radestock, Assistenzärzte 2. CI. des
5. Inf.-Regts. „Prinz Friedrich August“ No. 104, ersterer unter gleichzeitiger Ver¬
setzung zu den Sanitäts-Offizieren der Reserve, letzterer unter Belassung in seinem
Commando zum Stadtkrankenhause in Friedrichstadt-Dresden, zu Assistenzärzten
1. CI. — Dr. Zimmer, Unterarzt des 1. Feld-Artillerie-Regiments No. 12, zum
Assistenzarzt 2. CI., — Dr. Huck, Assistenzarzt 1. CI. der Res. des 1. Bats.
fPirna) 3. Landw.-Regts. No. 102, — Dr. Römer, Assistenzarzt 1. CI. der Res.
des 1. Bat. (Plauen) 5. Landw.-Regts. No. 104, — Dr. Gr fine, Assistenzarzt
1. CI. der Res. des 1. Bats. (Leipzig) 7. Landw.-Regts. No. 106 und — Dr. Gast
und Dr. Findeisen, Assistenzärzte 1. CI. der Res. des Res.-Landw.-Bats. (Dresden)
No. 108, zu Stabsärzten der Reserve, — Dr. Schiman6ki, Assistenzarzt 1. CI.
der Landw. des 1. Bats. (Bautzen) 4. Landw.-Regts. No. 103 und — Dr. Ludwig,
Assistenzarzt 1. CI. der Landw. des 1. Bats. (Leipzig) 7. Landw.-Regts. No. 106,
zu Stabsärzten der Landwehr, — Dr. Jäger, Assistenzarzt 2. CI. der Res.
des 1. Bats. (Pirna) 3. Landw.-Regts. No. 102, — Dr. Götze, Assistenzarzt 2. CI.
der Res. des 2. Bats. (Zittau) 3. Landw.-Regts. No. 102, — Dr. Gleich, Assistenzarzt
2. CI. der Res. des 1. Bats. (Bautzen) 4. Landw.-Regts. No. 103, — Giessen,
Assistenzarzt 2. CI. der Res. des 2. Bats. (Glauchau) 6. Landw.-Regts. No. 105, —
Dr. Küster, Dr. Zenker, Dr. Schmidt, Dr. Schmiedt, Dr. Fritzsche,
Dr. Thummler und Dr. Lew in, Assistenzärzte 2. CI* der Res. des 1. Bats.
(Leipzig) 7. Landw.-Regts. No. 106,— Dr. Golebiewski, Dr. Hempel, Stübing,
Dr. Schwendler und Dr. Buttner-Wobst, Assistenzärzte 2. CI. der Res. des
Res.-Landw.-Bats. (Dresden) No. 108, zu Assistenzärzten 1. CI. der Reserve, —
Dr. Hauschild und Glöckner, Unterärzte der Res. des Res.-Landw.-Bats.
(Dresden) No. 108, zu Assistenzärzten 2. CI. der Reserve — befördert. —
Dr. Haase, Stabs- und Bataillonsarzt des 4. Infanterie-Regiments No. 103, in
gleicher Eigenschaft zum 8. Infanterie-Regiment „Prinz Johann Georg* No. 107, —
Creuzinger, Assistenzarzt 1. CI. des 3. Inf.-Regts. No. 102, unter Enthebung von
seinem Commando zum Stadtkrankenhause in Friedrichstadt-Dresden, zum Carabinier*
Regt. (Garnison Pegau), — Dr. Trautschold, Assistenzarzt 1. CI. des 2. Feld-
Art.-Regts. No. 28, zum 3. Inf.-Regt. No. 102, — Dr. Kampf, Assistenzarzt 1. CI.
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de« 8. Inf.-Regts. „Prinz Johann Georg* No. 107, unter Enthebung von dem Com-
mando zur Universität Leipzig, zum 2. Feld-Art-Regt No. 28 (Garnison Pirna), —
Dr. Meyer, Assistenzarzt 1. CI. des Fuss-Art.-Regts. No. 12, unter gleichzeitiger
Commandirung zum Stadtkrankenhause in Friedrichstadt-Dresden, zum 3. Int-Regt
No. 102, — Dr. Trenkler, Assistenzarzt 2. CI. des 9. Inf.-Regts. No. 133, zum
Fuss-Art.-Regt.No. 12, —Dr. Berckholtz, Assistenzarzt 2. CI. des Garde-Reiter-
Regts., unter gleichzeitiger Commandirung zum Kaiserlichen Gesundheitsamt in Berlin
vom 1. October a. c. ab, zum 9. Inf-Regt. No. 133, -—versetzt — Dr. Raben*
hörst, Stabsarzt ä la suite des Sanitäts-Corps und beim medicinisch-chirurgischen
Friedrich-Wilhelms-Institut in Berlin verwendet gewesen, vom 1. October a. c. ab
als Bataillonsarzt bei dem 3. Inf.-Regt No. 102 wieder einrangirt — Dr. Krebs,
Stabs- und Abtheilungsarzt des 1. Feld-Art-Regts. No. 12, vom 1. October a. c. ab,
behufs Verwendung bei dem medicinisch-chirurgischen Friedrich-Wilhelms-Institut
in Berlin ä la suite des Sanitäts-Corps gestellt — Dr. Xroitzsch, Stabsarzt der
Landw. des 1. Bats. (Leipzig) 7. Landw.-Regts. No. 106 und — Dr. Beenen,
Assistenzarzt 1. CI. der Landw. des 2. Bats. (Meissen) 4. Landw.-Regts. No. 103,
aus Allerhöchsten Kriegsdiensten behufs Ueberfuhrnng in den Landsturm, — der
Abschied bewilligt.
Durch Verfügung des Kriegsministeriums vom 28. September 1886.
Dr. Rösch, Assistenzarzt 1. CI. des 10. Inf.-Regts. No. 134, von seinem Com-
mando zur Universität Leipzig abgelöst. — Dr. Hesselbach, Assistenzarzt 1. CI. des
8. Inf.-Regts. „Prinz Johann Georg* No. 107 und — Dr. Fichtner, Assistenzarzt 2. CI.
des 1. (Leib-) Grenadier-Regts. No. 100, — zur Universität Leipzig commandirt
Veränderungen im Königlich Bayerischen Sanitäts-Corps.
Den 26. August 1886.
Dr. Blanalt (Neustadt a./WN.), Dr. De Ahna (Hof), Dr. Westholt (Aschaffen¬
burg), Dr. Esser (Kaiserslautern), Assist-Aerzte 1. CL des Beurlaubtenstandes
zu Stabsärzten des Beurlaubtenstandes, — Röll, Dr. Pickel, Dr. Ebendorf
(Mönchen I), Dr. Grahamer (Kempten), Unterärzte des Beurlaubtenstandes, zu
jAssist-Aerzten 2. CI. des Beurlaubtenstandes — befördert.
Den 2. September 1886.
Seitz, Unterarzt im 12. Inf.-Regt. Prinz Arnulf zum Assist.-Arzt 2. CL befördert.
Den 24. September 1886.
Dr. Ekarius (Zweibrücken), Assist.-Arzt 2. CI. des Beurlaubtenstandes, der Ab¬
schied bewilligt.
Veränderungen im Königlich Württembergischen Sanitäts-Corps.
Den 20. August 1886.
Dr. Neidert, Unterarzt der Res. vom KönigL Bayer. Landw.-Bez.-Commando
Mönchen I, unter Uebertritt in Königl. Württemberg. Dienste, zum Unterarzt
des Friedensstandes ernannt und mit der Wahrnehmung einer bei dem Inf.-
Regt. König Wilhelm No. 124 vacanten Assi st.-Arztstelle beauftragt.
Den 18. September 1886.
Dr. Graeter, Assist.-Arzt 2. CI. im 7. Inf.-Regt. No. 125, ausgeschieden, unter
gleichzeitigem Uebertritt zu den Sanitätsoffizieren des Beurlaubtenstandes.
Dr. Lechler, Assist-Arzt 2. CI. im 4. Inf.-Regt No. 122, mit Pension der Ab¬
schied bewilligt.
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86
Durch Verfügung des Corps-Generalarztes.
Den 21. September 1886.
Dr. Frank, Dr. Widenmann, Studirende der militärärztlichen Bildungsanstalten
zu Berlin, vom 1. October d. J. ab zu Unterärzten des activen Dienststandes
ernannt und ersterer beim 7. Inf. - Regt. No. 125, letzterer beim Inf. - Regt.
Kaiser Wilhelm König von Preussen No. 120 angestellt.
Ordensverleihungen.
Preussische.
Rother Adler-Orden 3. CI.:
Generalarzt 1. CI. Dr. v. Bergmann, ä la suite des Sanitäts-Corps.
Rother Adler-Orden 4. Ci.:
Dr. Werner, Stabsarzt vom Ostpreuss. Füs.-Regt. No. 33, zur Dienstleistung
bei der Militär-Medicinal-Abtheilung des Kriegsministeriums commandirt.
Andere.
Silberne Medaille des Königlichen Verdienst-Ordens der Bayerischen
Krone:
Weissensel, Ober-Uazarethgehülfe des 2. Feld-Art.-Regts., in huldvollster
Anerkennung seiner opferwilligen und erfolgreichen HAlfeleistung für die Ver¬
wundeten bei dem am 1. Juli d. J. in der Nähe von Würzburg stattgehabten
Eisenbahnunfall.
Ritterkreuz 2. CI. des Grossherzoglich Badischen Ordens vom Zäh¬
ringer Löwen:
Ober-Stabsarzt 2. CI. Dr. Wallmüller, Garn.-Arzt in Danzig.
Ritterkreuz 1. CI. des Verdienst-Ordens Philipps des Grossmüthigen:
Stabsarzt Dr. Rabenau, im 2. Inf.-Regt. (Grossherzog) No. 116,
Stabsarzt Dr. Schellmann, im 4. Inf.-Regt. (Prinz Carl) No. 118,
Stabsarzt Dr. Hirsch im Feld-Art.-Regt. No. 25 (Grossherzogi. Art.-Corps).
Comthurkreuz des Kaiserlich Oesterreichischen Leopold-Ordens:
Dr. Leuthold, Professor, Generalarzt 2. Cl. und Regts.-Arzt des Garde-Cür.-
Regts., Leibarzt Sr. Majestät des Kaisers und Königs.
Familien-N achrichten.
Verlobt: Dr. Reiss, Assist-Arzt im Leib-Gren.-Regt. (1. Brandenburg.) No. 8, mit
Frl. Elli Marschhausen (Frankfurt a. O.). — Dr. v. Kühlewein, Stabsarzt
des Füs.- (Leib-) Bats. Braunschweig. Inf.-Regts. No. 92, mit Frl. Elsbeth
Schmidt (Metz).
Verheirathet: Dr. Alfred Körbitz, Assist.-Arzt 1. Cl. vom Militär-Reitinstitut,
mit Rosa Körbitz geb. Salomon (Berlin).
Geburten (Sohn): Dr. Cruz, Assist.-Arzt 1. CI. (Wesel). — Dr. Wolff, Ober-
Stabsarzt (Berlin). — Dr, Hoepner, Assist.-Arzt 1. Cl. (Frankfurt a. O.).
(Tochter): Dr. Nagel, Stabsarzt (Greifswald). —Dr. Kap ff, Stabsarzt (Schlett-
stadt). — Dr. Schmiedicke, Assist-Arzt 1. CI. (Hamburg). — Dr. Hering,
Stabs- und Bats.-Arzt (Frankfurt a. O.). — Dr. Alberti, Stabsarzt (Potsdam).
Todesfall: Dr. Edmund Kunstmann, Königl. Bayer. Ober-Stabsarzt 1. Cl. &. D.
(München).
(•«druckt in der Königlichen Hof buchdruckerei von g. S. Mittler and Sohn, Berlin SW., KochstreMe W - JO.
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Amtliches Beiblatt
£ur
Deutschen militärärztlichen Zeitschrift
1886. — Fünfzehnter Jahrgang. — Jß 11.
Personal-Veränderungen im Sanitäts-Corps.
Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen.
Befördert werden: der Oberstabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt Dr. Büttner
vom 1. Hanseat Inf.-Regt No. 75 zum Oberstabsarzt 1. CI., — die Stabs- und
Bataillonsärzte: Dr. Pfeiffer vom Füsilier-Bat. 1. Nassauiscben Inf.-Regts. No. 87
zum Oberstabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt des Pommerschen Füsilier-Regts. No. 34, —
Dr. Uhl vom Füsilier-Bat 1. Rhein. Inf.-Regts. No. 25 zum Oberstabsarzt 2. CI.
und Kegimentsarzt des 2. Niederschlesischen Inf.-Regts. No. 47, —■ Dr. Scheller
vom 2. Bat. Oldenburgischen Inf.-Regts. No. 91 zum Oberstabsarzt 2. CI. und
Garnisonarzt in Thom — und Dr. Frankel vom 2. Bat. Anhaitischen Inf.-Regts.
No. 93 zum Oberstabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt des Ostpreuss. Ulanen-Regts.
No. 8; — die Assistenzärzte 1. CI.: Dr. Zimmermann vom 2. Schles. Dragoner-
Regt. No. 8 zum Stabs- und Bataillonsarzt des 2. Bats. 6. Pomm. Inf.-Regts. No. 49, —
Dr. Rönnberg vom Grossherzogi. Mecklenburg. Füs.-Regt No. 90 zum Stabs-und
Bataillon«arzt des 2. Bats. Colbergschen Grenadier- Regts. (2. Pommerschen) No. 9, —
Klopsch vom 1. Schlesischen Dragoner-Regt. No. 4 zum Stabs- und Bataillons¬
arzt des Füs.-Bats. 7. Rhein. Inf.-Regts. No. 69,— Fleissner vom 2. Schlesischen
Dragoner-Regt No. 8 zum Stabs- und Bataillonsarzt des Füs.-Bats. 1. Rheinischen
Inf.-Regts. No. 25, — Dr. Leu vom Garde-Pionier-Bat. zum Stabs- und Bataillons¬
arzt des Füs.-Bats. 2. Magdeburg. Inf.-Regts. No. 27, — Dr. Salzwedel vom
Thüring- Feld-Art-Regt. No. 19 zum Stabs- und Bataillonsarzt des Füs.-Bats.
1. Nassau. Inf.-Regts. No. 87, — Dr. Fricke vom Oldenburg. Dragoner-Regt.
No. 19 zum Stabs- und Bataillonsarzt des 2. Bats. Oldenburg. Inf.-Regts. No. 91
— und Nitze vom Ostpreuss. Ulanen-Regt No. 8 zum Stabsarzt bei dem Fuss-
Art.-Regt. No. 11; — die Unterärzte: Dr. Jahn vom Colberg. Grenadier-Regt.
(2. Pomm.) No. 9, unter Versetzung zum 8. Pomm. Inf.-Regt. No. 61, — Dr. Wass-
mund vom 3. Brandenburg. Inf.-Regt No. 20 — und Baehr vom Niederschles.
Feld-Art.-Regt. No. 5, dieser unter Versetzung zum 4. Posen. Inf.-Regt No. 59, —
zu Assistenzärzten 2. CI.; die Unterärzte der Res.: Goth vom 2. Bataillon
(Halle) 2. Magdeburg. Landw.-Regts. No. 27, — Dr. Pulewka vom 2. Bat.
(Rastenburg) 5. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 41, — Dr. Bajohr vom 1. Bat.
(Dt. Eylau) 7. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 44, — Dr. Hoffmann, Schultze
und Dr. Bai Heul vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, — Dr. Seiffert
vom 2. Bat. (Beuthen) 2. Oberschles. Landw.-Regts. No. 23, — Hoerner vom
Unter-Elsässischen Res.-Landw.-Bat. (Strassburg) No. 98 — uud Stahl vom 1. Bat.
(Hamburg) 2. Hanseat Landw.-Regts. No. 76, — zu Assist-Aerzten 2. CI. der
Reserve; — sowie der Unterarzt der Marine-Reserve Haacke vom 1. Bat
(Kiel) Holstein. Landw.-Regts. No. 85 zum Assistenzarzt 2. CI. der Marine-Reserve. —
Versetzt werden: der Oberstabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt Dr. Aefner vom
Ostpreuss. Ulanen-Regt No. 8 zum 1. Leib-Husaren-Regt. No. 1; — die Stabs¬
und Bataillonsärzte: Dr. Pochhammer vom Füs.-Bat 2. Magdeburg. Inf.-Regts.
No. 27 zum 1. Bat 5. Pomm. Inf.-Regts. No. 42, und Dr. Hartung vom Füs.-Bat.
7. Rhein. Inf.-Regts. No. 69 zum 2. Bat. Anhalt. Inf.-Regts. No. 93; — die
Assistenzärzte 1. CI.: Dr. Schnee vom 4. Ostpreuss. Grenadier-Regt. No. 5 zum
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2. Hanseat. Inf.-Hegt No. 76, — Dr. Strauch vom 4. Posen. Inf.-Regt No. 59
zum 2. Schlesischen Dragoner-Regt No. 8, — Dr. Grethe vom 2. Posen. Inf.-
Regt No. 19 zum 1. Hannover. Feld-Art.-Regt No. 10 — und Dr. Kranzfelder
vom 1. Schles. Grenadier-Regt. No. 10 zum Garde-Pionier-Bat. — sowie die Assi¬
stenzärzte 2. CI. Dr. Berthold vom 1. Hannover. Feld-Art.-Regt No. 10 zum
Hannover. Train-Bat. No. 10 — und Dr. Roehr vom 3. Ostpreuss. Grenadier-
Regt. No. 4 zum 4. Ostpreuss. Grenadier-Regt. No. 5. — Der Abschied wird
bewillig't: dem Oberstabsarzt 1. CI. Dr. Passauer, Garnisonarzt in Thorn, mit
der gesetzlichen Pension und der Erlaubnis zum Tragen seiner bisherigen Uniform
mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen und unter Verleihung des
Königlichen Kronen-Ordens 3. CI.; — dem Stabs- und Bataillonsarzt Dr. Richter
vom 2. Bat. Colberg. Grenadier-Regts. (2. Pommer.) No. 9 mit der gesetzlichen
Pension und der Erlaubniss zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für
Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen; — den Stabsärzten der Landwehr:
Dr. Beinlich vom 1. Bat. (Glatz) 2. Schlesischen Landw.-Regts. No. 11, diesem
mit der Erlaubniss zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete
vorgeschriebenen Abzeichen, — Dr. Litzmann vom Res.-Landw.-Bat (Altona)
No. 86 — und Dr. Franke vom Res.-Landw.-Bat. (Hannover) No. 73; — den
Assistenzärzten 1.C1. der Landw.: Dr. Rausche vom Res.-Landw.-Bat. (Magdeburg)
No. 36, — Dr. Roeper vom 2. Bat. (Paderborn) 6. Westfäl. Landw.-Regts. No. 55
— und Dr. Kleinau vom 1. Bat (1. Braunschweig) Braunschweig. Landw.-Regts.
No. 92; sowie dem Assistenzarzt 1. CI. der Seewehr Dr. Spenkuch vom 1. Bat
(Mosbach) 2. Badischen Landw.-Regts. No. 110.
Baden-Baden, den 16. October 1886.
Nachweisung der bei dem Sanitäts-Corps pro Monat September 1886
eingetretenen Veränderungen.
Durch Verfügung des Generalstabsarztes der Armee.
Den 11. September 1886.
Die nachstehend aufgeführten bisherigen Studirenden der militärärztlichen Bildungs¬
anstalten werden vom 1. October er. ab zu Unterärzten ernannt und bei den
genannten 'fruppentheilen angestellt und zwar:
Dr. Dautwiz beim Schleswig-Holstein. Drag.-Regt No. 13,
Dr. Barth beim 1. Rhein. Inf.-Regt. No. 25,
Dr. Nothnagel beim 3. Hess. Inf.-Regt. No. 83,
Dr. Gillet beim 1. Rhein. Feld-Art.-Regt. No. 8,
Dr. Oppermann beim 8. Ostpreuss. Inf.-Regt No. 45,
Krüger beim Anhalt. Inf.-Regt No. 93,
Goldstandt beim 4. Brandenburg. Inf.-Regt. No. 24 (Grossherzog Friedrich Franz H.
von Mecklenburg-Schwerin),
Dr. Koch beim 2. Schles. Gren.-Regt. No. 11,
Altgelt beim 2. Hannover. Inf.-Regt. No. 77,
Lorentz beim Hus.-Regt. Kaiser Franz Joseph von Oesterreich König von Ungarn
(Schleswig-Holsteinsches) No. 16,
Metsch beim 3. Magdeburg. Inf.-Regt. No. 66,
Dr. Hof mann beim Garde-Fuss-Art-Regt.,
Dr. Leipolz beim Gren.-Regt. Kronprinz (1. Ostpreuss.) No. 1,
Paulun beim 3. Pommer. Inf.-Regt. No. 14,
Heermann beim Grossherzogi. Hess. Feld - Art - Regt No. 25 (Grossherzogliches
Artillerie-Corps),
Dr. Kremkau beim Leib-Gren.-Regt. (1. Brandenburg.) No. 8,
Dr. Loewenhardt beim Inf.-Regt. No. 132,
Bauck beim 3. Garde-Gren.-Regt. Königin Elisabeth,
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Gossner beim 3. Bad. Inf.-Regt. No. 111,
Dr. Hahn beim 1. Westfäl. Inf.-Regt. No. 13,
Huth beim 1. Westpreuss. Gren.-Regt. No. 6,
Barchewitz beim 7. Pomm. Inf.-Regt. No. 54,
Dr. Kaether beim Hobenzollern. Fus.-Regt. No. 40,
Schelle beim Inf. - Regt. Prinz Friedrich Karl von Preussen (8. Brandenbarg.)
No. 64.
Den 19. September 1886.
Bonhof, bisher einjährig-freiwilliger Arzt vom Hess. Train-Bat No. 11,
Nuszkowski, bisher einjährig-freiwilliger Arzt vom Scbles. Fuss-Art-Regt No. 6
— dieser unter gleichzeitiger Versetzung zum 2. Oberschles. Inf.-Regt. No. 23 —
zu Unterärzten ernannt und mit Wahrnehmung je einer bei den betreffenden
Truppentheilen vacanten Assistenzarzt-Stelle beauftragt.
Vollbrecht, Unterarzt vom 2. Grossherzogi. Mecklenburg. Drag.-Regt. No. 18 zum
1. Grossherzogi. Mecklenburg. Drag.-Regt. No. 17 versetzt und mit Wahr¬
nehmung der bei diesem Regiment vacanten Assistenzarzt-Stelle beauftragt.
Den 2. October 1886.
Seeliger, Assist.-Arzt 2. CI. vom 1. Nassau. Inf.-Regt. No. 87, zum Westpreuss.
Feld-Art.-Regt No. 16 versetzt.
Den 5. October 1886.
Dr. Go lim er, Assist-Arzt 1. CI. a. D., zuletzt im 3. Magdeburg. Inf.-Regt. No. 66,
der Charakter als Stabsarzt verliehen.
Veränderungen im Königlich Sächsischen Sanitäts-Corps.
Allerhöchster Beschluss vom 24. October 1886.
Dr. Schmidt, Unterarzt des Beurlaubtenstandes des 2. Bats. (Annaberg)
1. Landw.-Regts. No. 100, — Dr. Weber und Dr. Resch, Unterärzte des Be¬
il rlaubtenstand es des 1. Bats. (Leipzig) 7. Landw.-Regts. No. 106 und Dr. Macken¬
thum und Dr. Schulze, Unterärzte des Beurlaubtenstandes des Res.-Landw.-Bats.
(Dresden) No. 108, — zu Assist-Aerzten 2. CI. der Reserve befördert —
Dr. Wolf, charakt Stabsarzt a la suite dee Sanitäts-Corps in das active Sanitäts-
Corps, vom 1. Nov. er. ab unter gleichzeitiger Beauftragung mit Wahrnehmung des
bataillonsärztlichen Dienstes bei dem 3. Bat. 7. Inf.-Regts. „Prinz Georg* No. 106
wieder einrangirt— Dr. Ritter, Stabsarzt der Landw., und Dr. Bertram, Assist-
Arzt 1. CI. der Res., beide vom Res. - Landw. - Bat. (Dresden) No. 108, aus Aller¬
höchsten Kriegsdiensten behufs Ueberführung in den Landsturm der Abschied be¬
willigt
Veränderungen im Königlich Wurttembergischen Sanitäts-Corps.
Den 11. October 1886.
Dr. Hochstetter, Assist.-Arzt 1. CI. im Ulan. - Regt. König Carl No. 19, com-
mandirt zum Kaiserlicheu Gesundheitsamte in Berlin, bis zum 31. März 1887
in diesem Commandoverhältniss belassen.
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Ordensverleihungen.
Preus sische.
Rother Adler-Orden 4. CI. mit Schwertern:
Marine-Assistenzarzt 1. CI. Dr. Schneider.
Rother Adler-Orden 4. CI.:
Dr. Thnrn, Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt vom Inf.-Regt No. 130,
Dr. Ziegler, Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt vom 3. Scbles. Drag.-Regt.
No. 15,
Dr. Bender, Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt vom Feld-Art.-Regt No. 31,
Dr. Lieber, Ober-Stabsarzt 2. CI. und Garn.-Arzt in Strassburg.
Königlichen Kronen-Orden 3. CI.:
Rendant des medicinisch - chirurgischen Friedrich-Wilhelms-Instituts zu Berlin,
Rechnungsrath Moritz,
Dr. Oppler, Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt vom 1. Rhein. Int-Regt.
No. 25,
Ober - Stabsarzt 1. CI. und Regte. - Arzt. des 1. (Leib-) Gren. -Regte. No. 100
Dr. Jacobi.
Andere.
Ritterkreuz 1. CI. des Herzoglich Sachsen-Ernestinischen Haus-Ordens:
Ober-Stabsarzt a. D. Dr. Fischer zu Oels.
Ritterkreuz des Königlich Belgischen Leopold-Ordens:
Stabsarzt a la suite des Sanit&ts-Corps Dr. Wolf.
Familien-Nachrichten.
Verheirathet: Dr. Curt DGtschke, Assist-Arzt 1. CI. . 2. Hannov. Ulanen-
Regt. No. 14, mit Frl. Anna Meyer (Verden—St. Avold). — Dr. Hahn
v. Dorsche, Assist.-Arzt 1. CI. im Westpreuss. Cür.-Regt No. 5, mit FrL
Carus (Berlin).
Geburten (Sohn): Dr. Gröbenschütz, Stabsarzt (Lübben).
Gsdruekt in der Königlichen Hofbucbdruckerei von C. S. Mittler und Sohn, Berlin, fcodutrewe GS—TO.
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Amtliches Beiblatt
zur
Deutschen militärärztlichen Zeitschrift.
1886. — Fünfzehnter Jahrgang. — Jtä 12.
Berlin, den 23. September 1886.
Nachdem mittelst Verfügung vom 15. Juli d. J. — J.-No. 467. 7. M. M. A. —
ein neuer Probedrillichrock für Lazareth-Gehülfeu der Feld-Sanitäts-Formationen
zur Einführung gelangt ist, wird beabsichtigt, eine Anzahl solcher Röcke den
Friedens-Lazarethen für diejenigen Lazareth-Gehülfen zu überweisen, welche bei
Behandlung äusserer Kranker Verwendung finden.
Es wird genügen, für grössere Lazarethe sechs, für kleinere Lazarethe fünf
Röcke vorzusehen, welche im Allgemeinen für drei Lazareth-Gehülfen, den öfter
erforderlichen Wechsel der Röcke zum Reinigen eingerechnet, ausreichend erscheinen.
In Anbetracht der beschränkten Mittel wird vorläufig die Beschaffung von je
sechs Röcken für die Garnison-Lazarethe am Sitze der Königlichen Divisions-
Commandos (beim Garde-Corps für das 1. und 2. Garnison-Lazareth Berlin, beim
VIJLI. Armee-Corps ausserdem für das Lazareth in Coblenz und beim IX. Armee-
Corps ausserdem für 'as Lazareth in Altona) hiermit genehmigt und wolle die
Königliche Intendan das Weitere wegen der Beschaffung und Ueberweisung an
die Lazarethe veranlassen.
Die entstehenden Kosten sind beim Titel 15, Capitel 29 zu verrechnen, und
können dieselben, falls die dortseitigen Mittel nicht ausreichen, behufs extraordinärer
Disponibelstellung angemeldet werden.
Die Röcke sind nicht zum gewöhnlichen Dienst auf der Station, sondern ledig¬
lich für den Gebrauch bei Operationen, beim Anlegen und Wechseln der Verbände
und bei etwa sonst noch vom behandelnden Arzt besonders zu bezeichnenden
Dienstleistungen bestimmt. In der andern Zeit müssen sie an einem vor dem Ein¬
stauben etc. geschützten Ort nach Vorschrift des Chef- bezw. ordinirenden Arztes
aufbewahrt werden. Die Reinigung hat im Lazareth event. nach besonderer Vor¬
schrift zu erfolgen.
Beim Unbrauchbarwerden und Neubeschaffung der Röcke der Friedens-Laza-
rethe sind die bei den Train-Depots vorhandenen Drillichröcke für die Lazareth-
Gehülfen der Feld-Sanitäts-Formationen aufzufrischen.
Der Herr Corps-Generalarzt hat Abschrift hiervon erhalten.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
L V.
v. C o 1 e r. Zehr.
No. 1042. 9. M. M. A.
Berlin, den 27. September 1886.
Euer Hochwohlgeboren erwidert die Abtheilung auf die gefällige Anfrage vom
17. Juli d. J. No. 3644 ergebenst, dass für diejenigen Medicin- und Bandagekasten,
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welche lediglich zum Gebrauch auf Friedensmärschen bestimmt sind, welche also
nicht zum Kriegsbedarf gehören, weder signirte Pulverkapseln (Verfügung vom
3. Juli 1886, No. 924. 6. M. M. A.), noch Verbandmittel und ärztliche Geräthe
(Verfügung vom 6. Juni 1886, No. 385. 6. M. M. A.) zu beschaffen bezw. besonders
vorräthig zu halten sind. Bei eintretendem Gebrauch dieser Kasten für Friedens*
märsche sind die angegebenen Gegenstände nach Maassgabe des wirklichen Bedarfs
von den Lazarethen herzugeben und erforderlichenfalls zu beschaffen.
Die etwa bereits beschafften bezüglichen Gegenstände sind anderweit zu ver¬
wenden.
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung.
I. V.
v. Coler. Zehr.
No. 1154. 7. M. M. A. _
Berlin, den 11. October 1886.
Euer Hochwohl geboren ersucht die Abtheilung ergebenst um gefällige Ver¬
anlassung, dass drei der bei den Garnisonlazarethen des dortigen Armee-Corps
vorhandenen kleinen Seibert’schen Mikroskope von den Verfertigern W. u. H. Seibert
in Wetzlar zu grossen Mikroskopen vervollständigt werden. Die Vervollständigung
hat darin zu bestehen, dass die Instrumente mit Beleuchtungsapparat nach Abbe,
mit Objectiv I, mit Objectiv für homogene Immersion }/n und mit Revolver*
Objectivträgern für zwei Objective versehen, dass die Objective II gegen die
Objective HI umgetauscht und dass entsprechende Kasten gefertigt werden.
Die Aptirungskosten, welche als besonders zur Verfügung gestellt gelten, find
von den die vervollständigten Mikroskope empfangenden Garnisonlazarethen in der
Arzneigeldrechnung pro 1886/87 beim Titel 15 zu verausgaben.
Welche Garnisonlazarethe die vervollständigten Mikroskope erhalten sollen,
wollen Euer Hochwohlgeboren bestimmen und demnächst gefälligst eine Uebersicht
über die bei den Garnisonlazarethen des Armee-Corps vorhandenen Mikroskope
hierher einreichen.
Kriegsministerium; Medicinal-Abtheilung.
I. V.
v. Coler. Lentze.
No. 296. 10. M. A.
Berlin, den 16. October 1886.
Zusammensetzung der Prüfungs-Commission für die militärärztliohen
Prüfungen des Jahres 1887.
L Für specielle Kriegschirurgie und Operationen^
Generalarzt 1. CI. ä la suite des Sanitäts-Corps, Geheimer
Ober-Medicinal-Rath, Professor.Dr. Bardeleben,
Königlich Bayerischer Generalarzt 1. CI. ä la suite, Geheimer
Medicinal-Rath, Professor.Dr. v. Bergmann.
H. Für di« Kriegsheilkunde im Allgemeinen.
Oberstabsarzt 1. CI. und 2. Garnisonarzt von Berlin . . . Dr. Grasnick,
Oberstabsarzt 1. CI. und Regimentsarzt des 2. Garde-Feld-Ar¬
tillerie-Regiments, Professor.Dr. Fraentzel,
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Oberstabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt des 3. Garde-Grena¬
dier-Regiments Königin Elisabeth.Dr. Karpinski,
Oberstabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt des 2. Garde-Regiments
zu Fuss.Dr. Köhler.
UI. Für Militär-Gesundheitspflege und Sanitätspolizei.
Generalarzt 1. CI. ä la suite des Sanitäts - Corps, Geheimer
Ober-Medicinal-Rath.Dr. Mehlhausen,
Generalarzt 2. CI. ä la suite des Sanitäts - Corps, Geheimer
Ober^Regierongsrath a. D. Dr. Struck.
IV. Für die Kenntniss der Verwaltung des Militär-Sanitätswesens,
sowie der Militär-V erwaltung im Allgemeinen.
Generalarzt 1. CI. und Subdirector des medicinisch-chirurgischen
Friedrich Wilhelms-Instituts.Dr. Schubert,
Oberstabsarzt 1. CI. und 1. Gamisonarzt von Berlin . . . Dr. Burchardt,
Oberstabsarzt 1. CI. der Militär-Tumanstalt, Professor . . . Dr. Rabl-Rückhard,
Generalarzt 1. CI. der Marine.Dr. Wenzel.
(Nur für Marineärzte.)
Kriegsministerium; Medicinal-Abtheilung.
v. Lauer. v. Co 1er.
No. 1090. 10. M. A.
A.-V.-Bl. No. 25.
Unterrichtsbuch für Lazarethgehülfen.
Berlin, den 14. November 1886.
1) An Stelle des bisherigen Leitfadens zum Unterricht der Lazarethgehülfen
tritt das neubearbeitete Unterrichtsbuch für Lazarethgehülfen.
Dasselbe wird den Königlichen Commandobehörden etc. in der erforderlichen
Anzahl von Exemplaren nebst Vertheilungs-Plan zugehen.
2) Die für die Aufbewahrung und Zutheilung des Leitfadens für den Unterricht
der Lazarethgehülfen erlassene Verfügung vom 17. September 1883 No. 1705. 4.
M. M. A. bleibt auch für das Unterrichtsbuch für Lazarethgehülfen bestehen, jedoch
ist der Berechnung des Bedarfs für die Garnisonlazarethe nicht die Ausstattungs-
sondern die Normalkrankenzahl zu Grunde zu legen.
3) Das Unterrichtsbuch für Lazarethgehülfen kann von der Königlichen Hof¬
buchhandlung von E. S. Mittler & Sohn, Berlin SW., Kochstrasse No. 68—70,
bei directer Bestellung seitens der Truppentheile und einzelnen Militär-Personen
zum Preise von 1 Mark für das geheftete, 1 Mark 25 Pf. für das in Pappe ge¬
bundene und 1 Mark 50 Pf. für das in ganz Leinwand gebundene Exemplar be¬
zogen werden.
Kriegsministerium.
Bronsart v. Schellendorff.
No. 1526/10. M. A.
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Personal-Veränderungen im Sanitäts- Corps.
Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen.
Befördert werden: Dr. Hägens, Oberstabsarzt 2. Cl.'urid Regts.-Arzt vom
3. Ostpreuss. Gren.-Regt. No. 4, zum Oberstabsarzt 1. CI., — Dr. Körting, Stabs¬
arzt vom ö. Thüring. Inf.-Regt. No. 94 (Grossherzog von Sachsen), unter Entbindung
von dem Commando als Hülfsreferent bei der Medicinal-Abtheil. des Kriegsministe¬
riums, zum Oberstabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt des 2. Hanseat. Inf.-Regts. No. 76;
— die Unterärzte: Dt. Müller vom Neumärk. Drag.-Regt. No. 3, — Ullrich
vom 2. Oberschles. Inf.-Regt. No. 23, dieser unter Versetzung zum 2. Brandenburg.
Drag.-Regt. No. 12, — Hoff mann vom. Holstein. Feld-Art.-Regt. No. 24, — zu
Assist.-Aerzten 2. CI.; — die Unterärzte der Res.: Dr. Forstreuter vom
2. Bat. (Wehlau) 1. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 1, — Baatz vom 2. Bat. (Marien¬
burg) 8. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 45, — Cohn vom 1. Bat. (Weimar) 5. Thüring.
Landw.-Regts. No. 94, — Dr. Hennig vom 1. Bat. (Danzig) 8. Ostpreuss. Landw.-
Regts. No. 45, — Friedrich vom 2. Bat. (Halle) 2. Magdeburg. Landw.-Regts.
No. 27, — Brieger vom Res.-Landw.-Regt. (1. Breslau)No. 38, — Dr.Moenning-
hoff vom 2. Bat. (Karlsruhe) 3. Bad. Landw.-Regts. No. 111, — Dr. Heyder vom
2. Bat. (Düsseldorf) 4. Westfal. Landw.-Regts. No. 17, — Dr. Ernst vom Res.-
Landw.-Regt. (Cöln) No. 40, — Dr. Bahrs vom 1. Bat. (Schleswig) Schleswig.
Landw.-Regts. No. 84, — zu Assist./-Aerzten 2. CI. der Res.; — die Unter¬
ärzte der Res.: Dr. Sachau vom 2. Bat. (Rendsburg) Holstein. Landw.-Regts.
No. 85, — Dr. Weissmann vom 2. Bat. (Erbach i. O.) 3. Grossherzogi. Hess.
Landw.-Regts. No. 117, — Dr. Ranke vom 2. Bat. (Celle) 2.,Hannov. Landw.-
Regts. No. 77, — Dr. Mann vom 2. Bat. (1. Cassel) 3. Hess. Landw.-Regts.
No. 83, — Dr. Ehrhardt vom 1. Bat. (Gotha) 6. Thüring. Landw.-Regts. No. 95,
— Dr. Grünewald vom 1. Bat. (Darmstadt I) 1. Grossherzogi. Hess. Landw.-
Regts. No. 115, — Strubel vom 1. Bai. (Giessen) 2. Grossherzogi. Hess. Landw.-
Regts. No. 116, — Behm vom Res.-Landw.-Bat. (Magdeburg) No. 36, — Schaeffer
vom 2. Bat. (Heidelberg) 2. Bad. Landw.-Regts. No. 110, — Dr. Cahen vom Res.-
Landw.-Bat. (Frankfurt a. M.) No. 80, — Dr. Loewe vom Unterelsäss. Res.-
Landw.-Bat. (Strassburg) No. 98, — zu Assist.-Aerzten 2. Cl. der Res.; —
die Unterärzte der Marine-Res.: Lau, Ebermaier, Dr. Ehlers, Dr. Kremser,
Dr. Marben, sämmtlich vom 1. Bat. (Kiel) Holstein. Landw.-Regts. No. 85, zu
Assist.-Aerzten 2. Cl. der Marine-Res. — Dr. Grossheim, Oberstabsarzt 1. CL
und Referent bei der Medicinal-Abtheil. des Kriegsministeriums, ein Patent seiner
Charge verliehen. — Dr. Scheibe, Stabs- und Bats.-Arzt vom 2. Bat. 1. Magde¬
burg. Inf.-Regts. No. 26, zur Dienstleistung als Hülfsreferent bei der Medieinal-
Abtheilung des Kriegsministeriums, zunächst auf drei Monate commandirt —
Versetzt werden: Dr. Bo eh me, Oberstabsarzt 2. Cl. und Regts.-Arzt vom
2. Hanseat. Inf.-Regt. No. 76, unter Verleihung des Charakters als Oberstabsarzt
1. Cl. und Beauftragung mit Wahrnehmung der divisionsärztlichen Functionen bei
der 18. Div., zum Schleswig-Holstein. Füs.-Regt No. 86, —- Dr. Weise, Assisi-
Arzt 1. Cl. vom Ostpreuss. Train-Bat. No. 1, zum 1. Leib-Hus.-Regt. No. 1, —
Dr. Weidenhammer, Assist.-Arzt 2. Cl. vom 1. Grossherzogi. Hess. Inf.- (Leib¬
garde-) Regt. No. 115, unter Beförderung zum Marine-Assist-Arzt 1. Cl., vorläufig
ohne Patent, zur Marine. — Der Abschied wird bewilligt: Dr. Hoch-
geladen: Oberstabsarzt 1. Cl. und Regts.-Arzt vom Schleswig-Holstein. Füs.-Regt
No. 86, beauftragt mit Wahrnehmung der divisionsärztlichen Functionen bei der
18. Div., als Gen.-Arzt 2. Cl. mit Pension und seiner bisherigen Uniform, —
Dr. Torges, Oberstabsarzt 2. Cl. und Bats.-Arzt vom Füs.-Bat 1. Magdeburg.
Inf.-Regts. No. 26, mit Pension und seiner bisherigen Uniform, — Dr. Wil¬
helms, Oberstabsarzt 2. Cl. der Landw. vom 1. Bat. (Aachen) 1. Rhein. Landw.-
Regts. No. 25, mit seiner bisherigen Uniform, — Dr. Moeekel, Oberstabsarzt
2. Cl. der Landw. vom 1. Bat. (Glatz) 2. Schles. Landw.-Regts. No. 11, mit seiner
bisherigen Uniform; — den Stabsärzten der Landw.: Dr. Wirth vom 2. Bat (Cosel)
3. Oberschles. Landw.-Regts. No. 62, mit seiner bisherigen Uniform, — Dr. Süsae-
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rott vom 1. Bat. (Wismar) 2. Grossherzogi. Mecklenburg. Landw.-Regts. No. 90,
mit seiner bisherigen Uniform, — Dr. Dannenberg vom 1. Bat. (Frankfurt)
1. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 8, — Dr. Weigmann vom 1. Bat. (Glatz)
2. Schles. Landw.-Regts. No. 11, — Dr. Breit vom 2. Bat (Beuthen) 2. Ober-
schles. Landw.-Regts. No. 23, — Dr. Brüning vom 2. Bat. (Recklinghausen) 5. West-
fäl. Landw.-Regts. No. 53, — Dr. Breuer vom 1. Bat. (Geldern) 4. Westfal.
Landw.-Regts. No. 17, — Dr. Knaak vom 1. Bat. (Bremen) 1. Hanseat. Landw.-
Regts. No. 75, — Dr. Gille vom 1. Bat (Saargemünd) Elsass-Lothring. Landw.-
Regts. No. 129, — Dr. Ulrich vom Unterelsäss. Res.-Landw.-Bat. (Strassburg)
No. 98; — den Assist.-Aerzten 1. CI. der Landw.: Dr. Piotrowski vom 1. Bat
(Gnesen) 3. Pomm. Landw.-Regts. No. 14, — Dr. Wegner vom 2. Bat. (Stralsund)
1. Pomm. Landw.-Regts. No. 2,— Dr. Rensch vom 2. Bat. (Halle) 2. Magdeburg.
Landw.-Regts. No. 27, — Dr. Schulte-Limbeck vom 1. Bat. (Bochum) 7. West-
fäl. Landw.-Regts. No. 56, — Dr. Prochownick, Dr. Nebel vom 1. Bat. (Ham¬
burg) 2. Hanseat Landw.-Regts. No. 76, — Dr. Gürtler, Assist.-Arzt 2. CI. der
Res. vom 1. Bat (Sprottau) 1. Niederschles. Landw.-Regts. No. 46. — Heyer,
Assist-Arzt 2. CI. vom 7. Ostpreuss. Inf.-Regt. No. 44, aus dem activen Sanitäts-
Corps ausgeschieden und zu den Sanitätsoffizieren der Res. des 1. Bats. (Thom)
8. Pomm. Landw.-Regts. No. 61 übergetreten.
Berlin, den 25. November 1886.
Nachweisnng der beim Sanitäts-Corps im Monat October 1886
eingetretenen Veränderungen.
Durch Verfügung des Generalstabsarztes der Armee.
Den 1. October 1886.
Schaubach, einjährig-freiwilliger Arzt vom 5. Thüring. Inf.-Regt No. 94 (Gross¬
herzog von Sachsen) unter Versetzung zum Grossherzogi. Hess. Feld-Art.-Regt.
No. 25 (Grossherzogi. Art.-Corps),
den 18. October 1886.
Dr. Stapelfeldt, einjährig-freiwilliger Arzt vom Lauenburg. Jäger-Bat. No. 9 unter
Versetzung zum Grossherzogi. Mecklenburg. Gren.-Regt. No. 89,
den 20. October 1886.
Dr. Bonte, einjährig-freiwilliger Arzt von der 1. Matr.-Div.,
sämmtlich zu Unterärzten ernannt und mit Wahrnehmung je einer bei den be¬
treffenden Truppentheilen bezw. der Kaiserl. Marine vacanten Assist-Arzt-Stelle
beauftragt
Veränderungen im Königlich Bayerischen Sanitäts-CorpB.
Den 16. October 1886.
Dr. Ludwig, Assist.-Arzt 1. CI. vom 6. Chev.-Regt. Grossfürst Constantin
Nicolajewitsch, zum 9. Inf.-Regt. Wrede, — Meyer, Assist-Arzt 2. CI. vom 2. Fuss-
Art.-Regt., zum 4. Inf.-Regt. König Carl von Württemberg, — versetzt. — Hoff-
mann, Unterarzt im 5. Inf.-Regt. Grossherzog von Hessen, — Dr. Zeitler, Unter¬
arzt vom 2. Pion.-Bat., im 2. Fuss-Art.-Regt., — zu Assist.-Aerzten 2. CI., —
Dr. Rohmer, Dr. Eisenberger (München I), Westerhoff (Würzburg), Unter¬
ärzte der Res., zu Assist.-Aerzten 2. CI. des Beurlaubtenstandes, — befördert.
I>en 17. October 1886.
Dr. Kempf (Amberg), Stabsarzt des Beurlaubtenstandes, mit der Erlaubniss
zum Tragen der Uniform, — Dr. Jäger (Kissingen), Assist.-Arzt 1. CI. des Beur¬
laubtenstandes, mit der Erlaubniss zum Tragen der Uniform, — Dr. Versmann
(Hof), Assist-Arzt 2. CI. des Beurlaubtenstandes, — der Abschied bewilligt
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Den 11. November 1886.
Dr. Feldheim (Aschaffenburg), Assist.-Arzt 1. CI. des Beurlaubtenstandes, mit
der Erlaubnis zum Tragen der Uniform der Abschied bewilligt. — Matthaei,
Ass ist.-Arzt 2. CI. des 2. Chev.-Regts. Taxis, in den Beurlaubtenstand des Sanitäts-
Corps versetzt.
Den 18. November 1886.
Nadbyl (München I), Unterarzt der Res., zum Unterarzt des activen Dienst-
Standes im 2. Chev.-Regt Taxis ernannt und zugleich mit 'Wahrnehmung einer
vacanten Assist.-Arzt-Stelle beauftragt.
Den 26. November 1886.
Dr. Ebenhöch, Ober - Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt des 2. Chev.-Regts.
Taxis, mit Pension und mit der Erlaubniss zum Tragen der Uniform der Abschied
bewilligt. — Dr. Hartl, Assist.-Arzt 1. CI. vom 2. Schweren Reiter-Regt. Kronprinz
Erzherzog Rudolf von Oesterreich, zum 4. Jäger-Bat. versetzt. — Dr. Anderl,
Ober-Stabsarzt 1. CI. des Kriegsministeriums, zum Referenten ernannt. — Dr. Bau-
mann, Stabsarzt vom 4. Jäger-Bat., zum Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt des
2. Chev.-Regts. Taxis, — Dr. Burgl, Assist.-Arzt 1. CI. im 16. Inf.-Regt vacant
König Alfons von Spanien, zum Stabsarzt, — Meyer, Assist-Arzt 2. CI. im 4. Int-
Regt. König Carl von Württemberg, zum Assist. - Arzt 1. CI., — Dr. Martin,
Dr. Gelbach (München I), Dr. Steinhuber, Dr. Schmitt (Vilsbofen), Dr. Hitzel-
berger, Stehle (Kempten), Liesching (Augsburg), Dr. Hagl (Dillingen), Dr. Bauer
(Ingolstadt), Dr. Rohn (Hof), Dr. Heidenhain (Bayreuth), Dr. Stumpf (Kitzingen),
Schulte, Dr. Müller (Kissingen), Müller (Würzburg), Dr. Krause (Landau),
Assist - Aerzte 2. CI. des Beurlaubtenstandes, zu Assist - Aerzten 1. CI. des
Beurlaubtenstandes, — Dr. Müller (Augsburg), Dr. Martius (Bayreuth),
Scheiding, Dr. Krecke (Erlangen), Klein (Würzburg), Dr. Kesseler (Aschaffen¬
burg), Dr. van Nuss (Landau), Unterärzte der Res., zu Assist-Aerzten 2. CI.
des Beurlaubtenstandes, — befördert. — Dr. Schmid, Ober-Stabsarzt 1. CI.
und Regts.-Arzt des 12. Inf.-Regts. Prinz Arnulf, ein Patent seiner Charge ver¬
liehen.
Durch Verfügung des Kriegsministeriums.
Den 23. November 1886.
Wind, einjährig-freiwilliger Arzt des 2. Schweren Reiter-Regts. Kronprinz
Erzherzog Rudolf von Oesterreich, zum Unterarzt ernannt und zugleich mit Wahr¬
nehmung einer vacanten Assist.-Arzt-Stelle beauftragt.
Den 27. November 1886.
Rogner, einjährig-freiwilliger Arzt des 6. Inf.-Regts. Kaiser Wilhelm König
von Preussen, zum Unterarzt im 1. Pion.-Bat. ernannt und zugleich mit Wahr¬
nehmung einer vacanten Assist.-Arztstelle beauftragt.
VeräuderuDgen im Königlich Sächsischen Sanitäts-CorpB.
Den 24. October 1886.
Allerhöchster Beschluss vom 25. November 1886.
Dr. Krehl, Königl. Preuss. Secondlieutenant der Res. a. D., als Assist-Arzt
2. CI. der Res. des 1. Bats. (Leipzig) 7. Landw.-Regts. No. 106, mit einem Patente
vom 16. Juni 1886 angestellt. — Dr. Stephan, Unterarzt der Res. des 1. Bais.
(Pirna) 3. Landw.-Regts. No. 102, — Dr. Riedel, Dr. Flathe, Dr. Feldmann
und Dr. Beneke, Unterärzte der Res. des 1. Bats. (Leipzig) 7. Landw.-Regts.
No. 106, — zu Assist.-Aerzten 2. CI. der Res. befördert — Dr. Brückner,
Oberstabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt des 1. Hus.-Regte. No. 18, in Genehmigung
seines Abschiedsgesuches mit der gesetzl. Pension und der Erlaubniss zum Fort¬
tragen seiner bisherigen Uniform mit den vorgeschriebenen Abzeichen, sowie unter
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gleichzeitiger Verleihung des Charakters als Generalarzt 2. CI. zur Disposition ge¬
stellt. — Dr. Zinssmann, Stabsarzt der Landw. des 1. Bats. (Leipzig) 7. Landw.-
Regts. No. 106, — und Dr. Lademacher, Assist.-Arzt 1. CI. der Landw. des
1. Bats. (Bautzen) 4. Landw.-Regts. No. 103, aus Allerhöchsten Kriegsdiensten be¬
hufs Ueberführung zum Landsturm — der Abschied bewilligt.
Veränderungen im Königlich Württembergischen Sanitäts-Corps.
Den 1. November 1886.
Nuding, Stabsarzt der Landw. im 1. Bat. (Calw) 1. Landw.-Regts. No. 119,
der Abschied bewilligt.
Ordensverleihungen.
Preus sische.
Königlicher Kronen-Orden 3. CI.:
Dr. Pas sauer, Oberstabsarzt 1. CI. a. D. zu Potsdam, bisher Gam.-Arzt zu
Thorn.
Königlicher Kronen-Orden 4. CI.:
Schaefer, Marine-Assist.-Arzt 1. CI.,
Dr. Cr am er, Stabsarzt der Landw. zu Wiesbaden.
Andere.
Comthurkreuz 2. CI. des Herzoglich Sachsen-Ernestinischen Haus-
Ordens:
Dr. Lommer, Generalarzt 2. CI., Corpsarzt des IV. Armee-Corps.
Familien-Nachrichten.
Verlobt: Dr. Alfred Krimke, Assist.-Arzt der Königl. Bayer. Res., mit Frl. Jo¬
sephine Oswald (Auxerre—Saales). — Dr. Zimmermann, Stabs- und Bats.-
Arzt im 6. Pomm. Inf.-Regt. No. 49, mit Frl. Helene Gräber (Kreuzburg). —
Dr. Landgraf, Stabsarzt am medicin.-chirurg. Friedrich Wilhelms-Institut, mit
Frl. Emma Schilling (Berlin). — Dr. Arnold Reinbrecht, Assist-Arzt im
Brandenburg. Hus.-Regt. (Zietensche Husaren) No. 3, mit Frl. Elisabeth Alt¬
haus (Rathenow—Mühlhofenerhütte bei Engers am Rhein). — Dr. Vüllers,
Stabs- und Bats.-Arzt des Füs.-Bats. 7. Westfal. Inf.-Regts. No. 56, mit Frl.
Hedwig Everken (Cleve—Paderborn). — Dr. Bücker, Assist-Arzt 1. Ci. in
der etatsmässigen Stelle beim Corpsarzt des VIII. Armee-Corps, mit Frl. Louise
Ladner (Coblenz).
Verheirathet: Dr. Hans Dormagen, Assist.-Arzt 1. Ci. beim 2. Rhein. Feld-
Art-Regt No. 23, mit Frl. Elise Schniewind (Cöln).
Geburten (Tochter): Dr. Loeffler, Stabsarzt bei dem medicin.-chirurg. Friedrich
Wilhelms-Institut, Priv.-Docent an der Universität (Berlin). — Dr. Krocker,
Stabsarzt vom Garde-Schützen-Bat., commandirt zum Kriegsministerium (Berlin).
— Dr. Heinrici, Stabsarzt (Rawitscb).
Gestorben: Dr. Max Reicbardt, Königl. Bayer. Stabsarzt der Res. (München).
— Dr. G. A. Fischer, Königl. Assist.-Arzt 1. CI. der Landw. (Barmen). —
A. Panther, Königl. Oberstabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt im 3. Bad. In£-
Regt No. 111 (Rastatt).
Gedruckt in der Königlichen Hofbachdruckerei von E. S. Mittler and Sohn, BerUn, Kocbetrecee 68—70.
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