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Full text of "Deutsche Militärärztliche Zeitschrift 15.1886 Michigan"

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Deutsche militärärztliche 
Zeitschrift 





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Deutsche 


Militärärztliche Zeitschrift 


Herausgegeben 


Dr. B. I^euthold, und Dr. O. I*enhartz, 

Generalarzt. Stabsarzt. 



15. Jahrgang. 


Berlin 1886 . 

Ernst Siegfried Mittler und Sohn 

Königliche Hofbuchhandlung 
Kochstmsse 68—70. 


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1-2-o-Z.-) 

''M 6 * 2 - Inhalt des fünfzehnten Jahrgangs (1886).*) 




1. Original-Abhandlungen und Berichte. 

Seite 

Ans dem Garnison - Lazareth Altona. Bacteriologische Untersuchungen im 

Winter 1884/85 von Dr. Pfuhl. 1 

Die Eisenbahnzüge der französischen Armee. Von Dr. Körting.32 

Antiseptische Beiträge. Von Dr. Port.59 

Das spanische Militär-Sanitätswesen. Von Dr. Hümmerich.63 

Die ärztliche Untersuchung der Militärpflichtigen im Musterungsgeschäft. Von 

Dr. Flashar.. . . 80 

Geschichtliche Bemerkung zur Kenntniss sympathischer Augenerkrankungen. 

Von Dr. Kern.92 

Ergänzungen des Berichts über den neuen, transportablen Krankenheber des 

Stabsarztes Dr. Hase in Hannover und Dr. Beck in Bern.93 

Bemerkungen über die Behandlung des Heotyphus. Von Oscar Fraentzel . 117 

Unter welchen Umständen ist das vom Soldaten im Kriege mitgeführte Ver¬ 
bandpäckchen von Nutzen? Von Dr. Hochs.125 

Zelte und Nothbaracken, deren Gerüste aus Stangen und Draht nach Art der 

Baurüstungen zusammengesetzt werden. Von Dr. zur Nie den . . . 161 

Ueber Augenuntersuchungen bei Kopfverletzten. Von Dr. A. Ko eh ler . . 174 

Ein Fall von Aktinomykosis bei einem Soldaten. Mitgetheilt von Dr. Winter 188 

Die Bedeutung des Schultergürtel-Beckenumfanges für die Beurtheilung der 

Militärdienstfähigkeit. Von Dr. Lehrnbecher.207 

Ueber Fleischconservirung im Felde. Von Dr. Port.228 

Ein Fall von Pseudohypertrophie der Muskeln. Von Dr. Weber . . . . 232 

Ueber den Entstehungs-Mechanismus traumatischer Rupturen am Augapfel. 

Von Dr. Kern.255 

Aerztliche Verbandtasche für Manöver- und Feldzwecke. Von Dr. Flashar 271 
militärärztlichen Fortbildungscurse zu Berlin im Frühjahr und Herbst 1886 274 
Der militärärztliche Fortbildungscursus für das XU. (Königl. Sächsische) 
Armee-Corps in den Winterhalbjahren 1884/85 und 1885/86. Von W. Roth, 

Generalarzt 1. Classe und Corpsarzt.278 

Zur Casuistik der perforirenden Schädelschüsse. Vpn Dr. A. Koehler . . 283 

Die neue Beilage 5, § 63 der Kriegs-Sanitäts-Ordnung und die zukünftige 

Gestaltung der Kriegs-Antisepsis Deutschlands. Von Dr. Bruberger . 303 

Weitere Beiträge zur Kenntniss der Wärmeökonomie des Infanteristen auf dem 
Marsche und zur Behandlung des Hitzschlags. Von Dr. A. Hiller 315. 

370. 416 

Zum Gedächtniss Bruberger’s. Von Dr. Körting.365 

•) Ausführliche Sach- und Personen-Register sind am Schluss des VI. und 
XIL Jahrgangs ausgegeben. Der Roth’sche Jahresbericht hat sein eigenes Register. 


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IV 


Seite 

Sublimat-Papier als Verbandmaterial. Von Dr. Goedicke.387 

Zur Casuistik der pemiciösen Anämie in der Armee. Von Dr. Grimm . . 389 


Einklemmung des Wurmfortsatzes. Bruchoperation. Verschluss des Ileum 

durch Achsendrehung. Laparotomie. Von Dr. Glasmacher . . . . 434 

Darf die Transfusion als ein lebensrettendes Mittel gelten? Von Dr. Klopstech 


441. 538 

Die 59. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte.465 

Ueber Bronchialasthma. Von E. Leyden (Mit einer Abbildung.) .... 515 

^^■■•Fortbildungscurse für Stabsärzte j?u Berlin im Herbst 1886 . 571 

Ueber Erkältung und Beziehung der Wetfcerfactoren zu Infectionskrankheiten 

von Dr. Knoevenagel.574 

Zur Casuistik der zweifelhaften Geisteszustände von Dr. Pfuhl.586 


II. Referate und Kritiken. 


Sanitätsbericht über die Deutschen Heere im Kriege gegen Frankreich 1870/71. 
Herausgegeben von der Mil.Medic. Abth. des Preus8.Krieg8.-Minist. 7. Band: 
Traumatische, idiopathische und nach In.cctionskrankheiten beobachtete 

Erkrankungen des Nervensystems.35 

Verhandlungen des Congresses für innere Medicin. Vierter Congress, gehalten 
zu Wiesbaden vom 8. bis 11. April 1885. Im Aufträge des Congresses 
herausgegeben von Dr. E. Leyden, Geh. Med.-Rath etc., und Dr. Emil 

Pfeiffer, prakt. Arzt etc.42 

König: Ueber die Principien und die Grenzen der Reinigung von fauligen 

und faulnissfähigen Schmutzwassern.45 

Tormvaldt: Ueber die Bedeutung der bursa pharyngea für die Erkennung 

und Behandlung gewisser Nasenrachenraum-Krankheiten.46 

Brass: Kurzes Lehrbuch der normalen Histologie des Menschen und typischer 

Thierformen ..46 

Bert: Neue Methode der Chloroformirung.47 

Schaeffer: Chirurgische Erfahrungen in der Rhinologie und Laryngologie 

aus den Jahren 1875—1885 47 

Werner: Jean Dominique Larrey. Ein Lebensbild aus der Geschichte 

der Chirurgie. Nach seinen Memoiren entworfen.47 

Dreschfeld: Ueber Wanderpneumonie.48 

Bericht über die allgemeine Deutsche Ausstellung auf dem Gebiete der Hygiene 

und des Rettungswesens in Berlin.101 

Esmarch: Handbuch der kriegschirurgischen Technik.106 

Eisenberg: Bacteriologische Diagnostik.109 

Arjona: Cirujia conservadora.112 

Lambrey: Outbreak of yellow fever in Sierra Leone 1884 . 112 

Heinecke: Compendium der chirurgischen Operations- und Verbandlehre, mit 

Berücksichtigung der Orthopädie.112 

v. Helmholtz: Handbuch der physiologischen Optik.113 

Marchiafava und Celli: Weitere Untersuchungen über die Malariainfection 149 
Mo eil er: Mikroskopie der Nahrungs- und Genussmittel aus dem Pflanzenreiche 151 


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Wahlberg: Uebung der Feldsanitätstruppen. 

Breitang: Ueber den eingewachsenen Nagel. 

olffberg: Ueber den differentialdiagnostischen Werth der Farbensinn- 

Prüfungen.. 

Rietschel: Lüftung und Heizung von Schulen. 

Lieber: Militär-Hygienisches aus Strassburg i. E. 

Hager: Desinfection inücirter Wohnräume. 

Klemperer: Ueber die Beziehung der Mikroorganismen zur Eiterung . . . 

Ribbert: Ueber experimentelle Myo- und Endocarditis. 

Peters: Die Untersuchung des Auswurfs auf Tuberkelbacillen. 

Goldscheider: Die Wirkungen des Cocains und anderer Anästhetika auf die 

Sinnesnerven der Haut. 

Geissler: Sublimatseife. 

Longmore: The optical manual: or handbook of instructions for the guidance 
of surgeons in testing the ränge and qtiality of vision of Recruits etc. 

Annual report of the Surgeon-General U. S. A. 1885 . 

Frankel, E. u. Simmonds: Die ätiologische Bedeutung des Typhusbacillus 
Duchemin: Ueber die Abdomin&uyphus-Epidemie, welche 1885 unter den 
Truppen der für Tonkin bestimmten Reserve-Division im Lager du Pas 

des Lanciere gewüthet hat. 

Liebermeister: Vorlesungen über Infectionskrankheiten ....*.. 
Hirt: System der Gesundheitspflege. Für die Universität und die ärztliche Praxis 
Scbmid: Die Antisepsis in den beiden Belgrader Hospitälern des deutschen 
rothen Kreuzes.. 


Seite 

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246 


Hager: Das Mikroskop und seine Anwendung für Apotheker, Aerzte etc. . 247 

Nimier: Aus dem Sanitätsdienst in Tonking 1883—1885 . 288 

Fraenkel, A.: Bacteriologische Mittheilungen.295 

Anforderungen an ein gutes Trinkwasser.297 


Westbrook, Benjamin: Ueber die Anwendung des Antipyrins bei Hitzschlag 298 
Shattuck: Die Resultate des Antipyrin-Gebrauchs in dem Boston City Hospital 298 
Skrebitzky: Ueber Verbreitung und Intensität der Erblindungen in Russland und 

die Vertheilung der Blinden über die verschiedenen Gegenden des Reiches 298 
Braune: Instruction der Medicinalabtheilung des englisehen Kriegsministeriums 

an die das Expeditionscorps von Suakin 1885 begleitenden Aerzte . . . 352 

Die Penjdeh-Seuche.356 

Baumgarten: Jahresbericht über die Fortschritte in der Lehre von den patho¬ 
genen Mikroorganismen, umfassend Bacterien, Pilze und Protozoen . . 357 

Erinnerungen an die Weltausstellung in Antwerpen.358 

Averbeck: Die acute Neurasthenie, die plötzliche Erschöpfung der nervösen 

Energie. Ein ärztliches Culturbild.359 

Seal-Encyklopadie der gesammten Heilkunde.360 

Die transportable Lazarethbaracke etc. Von Generalarzt 1. CI. Prof. 

Dr. v. Langenbeck, Generalarzt 1. CI. Dr. v. Coler und Stabsarzt 

Dr. Werner. 394 455 

Zeitschrift für Hygiene. Herausgegeben von Dr. R. Koch u. Dr. C. Flügge 395 
Grimm: Organisation, Ergänzung, Verwendung und Ausbildung des niederen 

Sanitätspersonals der Landarmee in Deutschland, Russland etc.397 


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VI 


Seite 


Schaffer: Die Hygiene und Aesthetik des menschlichen Fusses.400 

Seggel: Mittheilungen aus der Augenkrankenstation etc. München .... 402 

Schmidt-Rimpler: Augenheilkunde und Ophthalmoskopie.402 

Henneberg’s Desinfector in Bezug auf Princip, Construction, Betrieb und 

Kosten etc. 403 

Sanitätsbericht über die Deutschen Heere im Kriege gegen Frankreich 1870/71 

2. Band.449 

Vorschriften für die ärztliche Ausrüstung S. M. Schiffe und Fahrzeuge . . . 457 

Bericht über die 13. Versammlung des deutschen Vereins für öffentliche Ge¬ 
sundheitspflege zu Breslau. Nahrungsmittel-Controle, Volksbäder, Canali- 

sation, Desinfectionstechnik.498 

Sanitätsbericht über die Königl. Bayerische Armee für 1. April 1882 bis 

31. März 1884 . 503 

Statistique medicale de l’armee Beige. Periode de 1880—1884. Bruxelles 1886 508 
Morache: Traite d’Hygiene militaire.510 


Bericht über die Verhandlungen der deutschen Gesellschaft für Chirurgie . . 560 

1) Schede: Heilung unter dem Blutschorf; 

2) Länderer: Transfusion und Infusion; 

3) Czerny: Geheilter Rückgratschuss; 

4) Bircher: Retention bei Knochenbrüchen; 

5) Hausmann: Fixirung der Fragmente bei complicirten Fracturen; 

6) Meusel: Schussverletzung des Ellbogengelenks. 

Schuchardt: Die heutigen Indicationen zu Gelenkresectionen nach Schuss¬ 


verletzungen .563 

Koehler: Zur Casuistik der Gaumenschüsse.564 

Martius, Friedrich: Die Methoden zur Erforschung des, Faserverlaufes im 

Centralnervensystem.566 

Führer durch das medicinische Berlin.567 

Kalender pro 1887 . 567 

Gluck: Kriegschirurgische Mittheilungen aus Bulgarien.602 

Langenbuch: Kriegschirurgisches aus der Bulgarei.605 

Statistischer Sanitätsbericht über die Kaiserlich Deutsche Marine vom 

1. April 1883 bis 31. März 1885 608 

Baumgarten: Lehrbuch der pathologischen Mykologie etc.613 

Veränderungen des Kautschuk beim Lagern.615 

III. Mittheilungen. 

Etatsvorlagen bezüglich des Militär-Medicinalwesens und ihr Schicksal im 

Reichstag.49 

Nicolaus Tulpius und Andreas Vesalius . ..52 


Aus dem Inhalte der Archives de medecine et de pharmacie militaires. 52. 202. 403 
Berliner militärärztliche Gesellschaft. Sitzungsberichte: R o c h s: Demonstration 
des Aeby’schen Hirnstrang- etc. Modells, Lenhartz: Encephalitis nach 
Masern, Jaeekel: Eisensplitter etc. aus der Netzhaut, Rochs: Juvenile 
Muskelatrophie,Bruberger: Hygienische Zustände inNorwegen, Köhler: 
Schädelschuss, Riedel: Vermehrung der Bacterien im Wasser, Lenhartz: 


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VII 


Seite 

Reise-Erlebnisse in England, Herrlich: Subphrenische Krankheitsherde etc. 

55. 407 

Besnard +.56 

General-Rapport von den Kranken der Königlich Preussischen Armee, des 
XII. (Königlich Sächsischen) und des XIII. (Königlich Württembergischen) 
Armee-Corps, sowie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich 
Bayerischen Besatzungsbrigade 113. 158. 204. 250. 361. 413. 462. 

514. 569. 617 

Sterblichkeit der russischen Militärärzte im letzten russisch-türkischen Kriege 115 

Die Choleraimpfung.115 

Ueber Miryachit, von Jankovsky, Hammond, Neale.156 

Fünfzehnter Congress der Gesellschaft für Chirurgie.159 

Der fünfte Congress für innere Medicin.159 

Dr. Goldscheider: Demonstration von Präparaten, betreffend die Endigung 

der Temperatur- und Drucknerven in der menschlichen Haut.200 

Sanität8-OfÜziers-Gesell8chaft zu Dresden. 248. 512 

Amtlicher Erlass. Dienstverhältnisse im Bayerischen Sanitätscorps betr. . . 251 

Ueber die Feier zu Ehren des Oberlazarethgehülfen F. Wiest am 2. Mai. . 299 

Jahresessen des Königlich Sächsischen Sanitäts-Offiziercorps.362 

Aufforderung zur Betheiligung an der 59. Naturfotscher- etc. Versammlung, 

militärärztliche Section.362 

Impfung und Wiederimpfung in der österreichischen Armee.406 

Kreisarzt-Anstellung in Elsass-Lothringen.407 

Programm der 59. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte . . . 458 

Tagesordnung der dreizehnten Versammlung des Deutschen Vereins für öffent¬ 
liche Gesundheitspflege zu Breslau.462 

Die Civilpraxis der Militärärzte.568 

Kameradschaftlicher Verein der Sanitätsoffiziere des Res.-Landw.-Regts. (1. Berlin) 

No. 35.616 

Zuber f.617 

IV. Allerhöchste Cabinets-Ordres and Ministerial-Verfttgangen. 

Amtliches Beiblatt. 

Personalien des preussischen und sämmtlicher deutschen Sanitätscorps 6. 16 

22. 28. 44. 51. 61. 66. 74. 79. 87. 94 

Zusammensetzung der Prüfungs-Commission für die militärärztlichen Prüfungen 

des Jahres 1886 1 

Krankenröcke, blau und weiss gestreifte betr. 2 

Lazareth-Köchinnen, Kostenberechnung durch Fortgewährung des Lohnes bei 

Erkrankung. 2. 33 

Lazareth-Rechnungsführer, Verwendung halbinvalider Unteroffiziere .... 3 

Leder-Pantoffeln in Militär-Lazarethen betr. 3 

Geldmittel-Beanspruchung für Baulichkeiten in Gamison-Lazarethen über den 

Etat der Corps-Zahlungsstelle. 4 

Lazsreth-Bibliotheken, Bücherauswahl. 5 

Feuerungs-Portionssätze für Heizanlagen in Lazarethen. 5 

Revierkrankenstuben in den Kasernen.11 


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VIII 


Geisteskranke, Einrichtung besonderer Krankenzimmer für dieselben .... 

Senk- und Sieker-Gruben in Lazarethen .. 

Zeltbehandlung, Berichterstattung... 

Lungentuberculose bei Mannschaften. 

Kokoslaüfer für Corridore, Beschaffung derselben. 

Seifnäpfe für Waschtische in Krankenstuben. 

Bau-Rapporte, periodische Einsendung derselben. 

Fortbildungscnrse der Sanitäts-Offiziere, Erweiterung derselben in hygienischer 

und bacteriologischer Beziehung. 

Eisenchloridlösung zur Reinigung von Trinkwasser. 

Entlassung der einjährig-freiwilligen und Unterärzte, Meldungen über Personalien 

Anstrich in den Latrinen der Läzarethe. 

Einlege-Sohlen aus Badeschwamm bei Fussschweiss.. 

Lazareth-Köchinnen, Fortbezug des Lohnes bei Erkrankungen .... 2. 

Aerztliches Sanitätsmaterial, Neubeschaffung für Garnison-Lazarethe pro 1886/87 
Verbindezelt nebst Signalvorrichtung, Beschreibung und Aufrichtung ff. . . . 

Krankenträger-Ausbildung für den Krankentransport auf Eisenbahnen . . . 

Badegesuche inactiver und activer Mannschaften.% . . . 

Bauraten-Beantragung betr. 

Latrinen-Einrichtung — Mainzer Tonnenwagen-System. 

Kriegs-Sanitäts-Ordnung, Neubearbeitung der Beilage 5 .. 

Curerleichterungen in der Wasserheilanstalt Elgersburg i. Th. 

Victualien-Verrechnung in den Lazarethen. 

Lebensmittel-Lieferung, Aufhebung bezw. Contracts-Verhältnisse. 

Badezusätze für Soldatenfrauen und Kinder. 

Kriegs-Sanitäts-Ordnung, Beilage 5; Versendung der Zusammenstellung der 

Veränderungen an Sanitätsmaterial ff.. 

Desinfections-Apparate von Rietschel und Henneberg betr. 

Namennennung von militärischen Kranken in wissenschaftlichen Arbeiten verboten 
Transportfähige Kranke, Ueberführung derselben in andere Garnisonlazarethe 

Bandagentoraister, Aufbewahrung. 

Baumwollene Socken, Fortsetzung der Trageversuche mit denselben .... 
Aufgaben für die militärärztliche Prüfung, Bestimmungen über Bearbeitung 

derselben ff.. 

Kassenwesen bei den Truppen, Bestimmungen auf Grund des § 22 des Reglements 
Bädercuren activer Mannschaften, Löhnungszuschuss für die Familien derselben 
Sanitätsbericht über die deutschen Heere etc. 2. Bd. Versendung und Beschaffung 

Transportable Lazareth-Baracke, Versendung des Werks. 

Schneide- und Wickel-Maschine für Verbandmittel nach Gemmel . . . • 

Rapporterstattung bei aussergewöhnlichen Erkrankungen. 

Kriegsministerium: abgekürzte Bezeichnung der Abtheilungen und provisorische 

Aenderung der Geschäfts-Ejntheilung. 

Drillichröcke für Lazareth-Gehülfen. 

Medicin- und Bandagekasten-Ausrüstung für Friedensmärsche. 

Mikroskope, kleine Seibert’sche, Aptirung in grosse. 

Prüfungscommission, Zusammensetzung für 1887 . 

Lazarefh-GehülJfeit-UpterriQhtsbu^h,, neues # .. 


Seite 

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Deutsche 

Militärärztliche Zeitschrift 


Redaction: 

Dr. Jt. JtttfQeft, Generalarzt, 
Berlin, Tanbenitrasae 5, 

n. Dr. gR. 31 ni Seiger, Stabsarzt, 

Berlin, Hedemnnnstr. 15. 


Verlag: 

#. §. SBtttCei ft £•?*, 

Königliche Hofbachhandlang, 
Berlin, Keehetrasee 68—70. 


Manntlick erscheint ein Heft von mindestens 3 Druckbogen; dazu ein „Amtliches Beiblatt“. Der 
Zeitschrift wird das Werk: „Jahresbericht über die Fortschritte auf dem Gebiete des MilitÄr- 
R a ni t it e-Wesens**, herausgegeben vom Generalarzt Dr. Roth, anentgeltlich beigegehen. Bestellung 
nehmen alle Postämter und Buchhandlungen an. Preis des Jahrgangs 16 Mark. 


XV. Jahrgang._ 1886. Heft 1. 


Aus dem ßarnison-Lazareth Altona. 

Bacterioskopische Untersuchungen im Winter 1884/85 

von 

Stabsarzt Dr. Pfuhl. 


Die Thatsache, dass in der deutschen militärärztlichen Fachliteratur 
bisher noch keinerlei Veröffentlichungen ans dem Gebiete der Bacteriologie 
vorliegen — auch ausserdeutsche einschlägliche Arbeiten sind mir nicht 
bekannt geworden —, hat mich veranlasst, die nachfolgenden Mittheilongen 
gerade unserer Fachzeitschrift za übergehen. Dieselben sind einer Beilage 
sum Jahresbericht der inneren Station des Garnison-Lazareths Altona für 
du Jahr 1884/85 entnommen und enthalten daher nichts weiter, als eine 
chronologische Zusammenstellung der in dem genannten Lazareth in der 
Zeit vom December 1884 bis Mitte Mai 1885 ausgeführten bacterio- 
ftkopiscben Arbeiten. — Wenn diese nun auch für die Specialisten durch¬ 
aus nichts Neues darbieten, und ich daher diesen gegenüber einer gewissen 
Rechtfertigung bedarf, dass ich, selbst ein Neuling auf diesem grossen 
Gebiete der medicinischen Forschung, mir erlaubt habe, jene Arbeiten 
an öffentlicher Stelle niederzulegen, so glaube ich doch, der grossen 
Mehrzahl der Facbgenossen gegenüber Recht gethan zu haben. Denn 
die Specialarbeiten des grossen Meisters Koch und seiner berufenen 
Schüler sind einmal nur einer geringen Anzahl von Militärärzten zugänglich, 
und dann berühren dieselben grosstentheils nur im Vorübergehen diejenigen 
praktischen Gebiete, welche mir zur Bearbeitung Vorgelegen haben. Gerade 

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diese aber sind es, welche einerseits des Ausbaues harren und anderer¬ 
seits namentlich für die Militärgesundheitspflege eine hervorragende 
Bedeutung besitzen und stets besitzen werden. Es kann daher, meiner 
Meinung nach, für die Mehrzahl der Faehgenoesen nicht ganz ohne 
Interesse sein, an der Hand eines mitten in der Praxis stehenden 
Arbeiters einen, wenn auch noch so kleinen, umschriebenen Bezirk des¬ 
jenigen Arbeitsfeldes zu durchwandern, von welchem wir Alle für die 
Oesammtheit nutzbringende Erträge erwarten. 

Ich bin mir allerdings sehr wohl bewusst, dass dasjenige, was ich 
zu bieten vermag, nur wenig positive Ergebnisse enthält, und dass 
mancher vielleicht enttäuscht die folgenden Blätter bei Seite legen wird. 
Indess genügt das Wenige, was sich mit den gebotenen Hulfsmitteln fest¬ 
stellen liess, dennoch in mancher Beziehung zur Belehrung und zur 
Richtigstellung von zwar ziemlich allgemein verbreiteten, 
jedoch oft recht irrigen Vorstellungen und Anschauungen über 
hygienische Dinge; und giebt ferner deutliche Fingerzeige, nach 
welcher Richtung bin sich unsere Wünsche und Forderungen in praktischer 
Beziehung auszudehnen haben und wo wir bis auf Weiteres 
resigniren müssen. 

Bevor ich indess in meinen eigentlichen Bericht eintrete, mochte ich 
noch einige orientirende Worte vorausschicken. 

Vor einigen Jahren war im Oarnison-Lazareth Altona, dem Sitz des 
Corps-Stabsquartiers des 9. Armee-Corps, entsprechend den Fortschritten 
auf dem Gebiete der ätiologischen Forschung, speciell der Entdeckung 
der mannigfachen organisirten Krankheitserreger, ein besonderes, ledig¬ 
lich für mikroskopische Untersuchungen bestimmtes Arbeits¬ 
zimmer errichtet worden. Die Thätigkeit erstreckte sich in diesem 
zunächst auf die einschläglichen klinischen Untersuchungen der einzelnen 
Stationen, vor Allem die des Auswurfs der Lungenkranken des Lazareths 
selbst. Nach Beschaffung der grossen Seibert’schen Mikroskope mit 
homogener Immersion (Vit) und Abbe’schem Beleuchtungsapparat für 
die Lazarethe des Corps-Stabsquartiers wurden indess auch von aus¬ 
wärtigen Garnisonen zweifelhafte Objecte (meist Auswurf muthmaasslich 
an Lungentuberkulose leidender Soldaten) zur mikroskopischen Unter¬ 
suchung ein gesandt. So ergab sich gewissermaassen von selbst eine 
Centralstelle für die Mikroskopie im Corpsbereich. 

Eine wesentliche Erweiterung erfuhren diese mikroskopischen Arbeiten 
aber, nachdem durch die Commandirungen von Stabsärzten zu den 
Koch'sehen „Choleracursen“ am Reichsgesundheitsamt im Herbst 1884 


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3 


ein ganz neues Gebiet der militärarztlieben Praxis erschlossen war. Es 
galt nunmehr, «machst das in jenen Cursen ad hoc Erlernte im Gedachtniss 
zu bewahren und für den eventuellen Aosbruch der Cholera im Corps¬ 
bereich alles in diagnostischer Beziehung Nothwendige bereit zu halten. 
Ferner aber war es Aufgabe eines jeden Theilnehmers, durch zielbewusstes 
Fortarbeiten jene Sicherheit und Gewandtheit in der Handhabung aller 
der complicirten, minutiösen Arbeiten auf dem weiten Felde der Bacterio- 
skopie zu erwerben, welche allein die Gewahr boten, nicht bloss im 
speciellen Falle untrügliche diagnostische Resultate zu gewinnen, sondern 
auch den übrigen einschläglichen Fragen, soweit es eben die Mittel 
gestatteten, für die Zukunft gerecht zu werden. 

Mit den für diesen verallgemeinerten Zweck seitens des Kriegs- 
ministeriums, M. M. A., bewilligten Geldmitteln fand daher im December 
r vorigen Jahres eine Erweiterung des bisherigen „Mikroskopirzimmers“ 
zu einer Art bacterioskopischen Station statt, welche nunmehr 
der schon lange bestehenden „chemischen Untersuchungsstation 14 eben¬ 
bürtig zur Seite steht. 

Die innere Einrichtung dieser Station, an deren Weiterentwicklung 
rüstig gearbeitet wird, musste natürlich zunächst auf die allernoth- 
wendigsten Anschaffungen beschränkt werden; und so ist es denn bisher 
nicht möglich gewesen, grössere Arbeiten ins Werk zu setzen und 
sämmtlichen an das junge Institut her an tretenden Anforderungen gerecht 
zu werden. Vor Allem wurde der Mangel an Hülfsmitteln und Vor¬ 
richtungen für die Variirung der Nährböden (z. B. Herstellung von 
Blutserum) und für das Thierexperiment empfunden, ohne welches eine 
Anzahl von Fragen überhaupt nicht endgültig gelöst werden kann. 

Ich lasse zunächst die Besprechung der lediglich im dienstlichen 
Interesse ausgeführten Arbeiten folgen, deren Zahl in Rücksicht 
auf meine verschiedenen anderweitigen Dienstfunctionen nur eine ver- 
haltnisamässig kleine sein konnte, und führe zum Schluss in gedrängter 
Kürze einige aus der Reihe der rein privaten Zwecken dienenden 
Arbeiten gewonnene, wichtigere Beobachtungsresultate an. 

Die auf Befehl bezw. Requisition Vorgesetzter Instanzen vorge¬ 
nommenen Untersuchungen erstreckten sich zunächst auf Trink- und 
Gebrauchswässer, Selterwasser und ßodenmassen. 

Am 19. December 1884 wurde der Station auf Befehl des Herrn 
Corpa-Generalarztes eine Brunnenwasserprobe aus der Garnison 
Wandsbeck zur bacterioskopischen Untersuchung übergeben, welche 
einem Brunnen entstammte, der bereits früher wiederholt einer che- 

1 * 


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4 


mischen Prüfung unterlegen hatte. Der fragliche Brunnen war, wie in 
einem Bericht des Oberstabs- und Regimentsarztes Dr. v. Scheven 
ausgesprochen wurde, einer Verunreinigung durch Dejectionen, speciell 
den Urin infiuenzakranker Pferde, sowie durch das bei der Behandlung 
derselben benutzte Wasser ausgesetzt gewesen. Da nun unter den auf 
diesen Brunnen angewiesenen Mannschaften der 2. Eskadron des 
Hannoverschen Husaren-Regiments No. 15 ziemlich rasch hintereinander 
5 Falle von Lungenentzündung aufgetreten waren, so wurde an einen 
ursächlichen Zusammenhang zwischen der Influenza der Pferde und den 
Lungenentzündungen bei den Mannschaften gedacht und vermuthet, dass 
der fragliche Brunnen die Infection vermittelt haben könnte. Dieser 
Verdacht wurde dadurch bestärkt, dass das Wasser trübe aussah und 
fremdartige Beimengungen erkennen Hess, was bei dem Wasser aus 
dem nicht weit entfernt liegenden Brunnen der 1. Eskadron nicht der 
Fall war. 

Das fragliche Wasser, welches sich in einer verkorkten Weinflasche befand, 
war am 14. December entnommen, nachdem an demselben Tage der Uebelstand, 
dass die Abwässer aus den Krankenstallen an dem Brunnen vorbeiflossen, be¬ 
seitigt war. 

Ma&roskopisch erschien das Wasser klar und farblos und liess nur beim 
Schütteln einige bräunliche Flöckchen und Krümel erkennen. Wegen Mangels 
einer (mit Quadratcentimeter-Eintheilung versehenen) Zählplatte konnte damals die 
Bestimmung der Menge der in dem Wasser enthaltenen entwickelungsfähigen Keime 
leider noch nicht vorgenommen werden; doch zeigte sich in den nach dem Kocti¬ 
schen Verfahren hergestellten Gelatineplatten nach zwei Tagen eine äusserst dichte 
Saat von Colonien, welche anfeine starke Verunreinigung des betreffenden Brunnen¬ 
wassers schliessen Hess. Sämmtliche Colonien verflüssigten die Nähr-Gelatine 
langsam und zeigten sich bei der weiteren Untersuchung hauptsächlich aus zwei 
Arten von Mikroorganismen bestehend, nämlich: 1) einem kurzen, dicken, lebhaft 
beweglichen Bacillus, welcher der Gelatine, sowohl in den Platten, als auch in 
der verflüssigten Umgebung des Impfstichs im Beagenzglase eine eigenthümlich 
hellgelbgrüne, schwach fluorescirende Färbung verlieh; und 2) einem kleinen, die 
Gelatine gleichfalls, aber ohne Farbstoffbildung, verflüssigenden Mikrococcus. 
Dasselbe Verhalten boten die aus den Colonien hergestellten Reinculturen beider 
Mikroorganismen dar. 

Aus dem Resultat dieser Untersuchungen sowie der Beobachtung 
des Verhaltens beider Organismen auf Kartoffeln und Agar-Agar wurden 
folgende Schlüsse gezogen: 1) die vorgelegte Wasserprobe ist stark 
verunreinigt; 2) die in derselben gefundenen Mikroorganismen ge¬ 
hören nicht zu den bekannten pathogenen; keiner gleicht im Be¬ 
sonderen den bei der genuinen Pneumonie des Menschen gefundenen 
Kokken; 3) die Influenza der Pferde, deren Infectionsstoff überhaupt noch 


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5 


Dicht bekannt ist, und die gleichseitig anfgetretenen Lungenentzündungen 
unter den Mannschaften des betreffenden Regiments stehen daher in 
keinem ursächlichen Zusammenhänge miteinander. Dieses 
Urtheil wurde durch eine spätere bacterioskopische Untersuchung des 
gleichen Wassers im chemisch-hygienischen Laboratorium im 1. Garnison- 
Lazareth zu Berlin durch den damaligen Stabsarzt, jetzigen Regierungs¬ 
rath Dr. Gaffky lediglich bestätigt. Derselbe hatte die Untersuchung 
noch durch einige Thierexperimente erweitert und vervollständigt, 
welche ergaben, dass Reinculturen beider Organismen, einem Kaninchen, 
einem Meerschweinchen und einer Maus subcutan injicirt, ohne jede 
Wirkung auf die Thiere blieben. 

Die gleichzeitige Untersuchung des fraglichen Brunnenwassers auf 
der chemischen Station des hiesigen Lazaretbs hatte ebenfalls einen höheren 
Grad von Verunreinigung desselben ergeben; und zwar nahezu dieselben 
Zahlen, wie sie bereits bei früheren Untersuchungen gefunden worden 
waren. 

In 100 000 Theilen Wasser fanden sich: 

Organische Substanzen 10,1 


N, O, . 

.23,8 

N. O, . 

.0,0 

nh 3 . 

. mehr als zulässig 

CI . . 

.13,49 


Gesammthärte . . . 21,2 
Permanente Härte. . 16,1 

Der genannte Brunnen, welcher schon auf Grund der früheren 
chemischen Untersuchungen als zur Benutzung für ungeeigneterklärt worden 
war, wurde nunmehr bis auf Weiteres ganz ausser Gebrauch gesetzt und 
einer gründlichen Reinigung und Renovation unterworfen. 

Eine zweite Untersuchungsreihe erstreckte sich auf Proben von 
Füllbodenerde aus der Garnison Stade. 

In der mit 22 Mann belegten Stube 3 im Erdgeschoss der Kaserne 
Güldenstem, in welcher 298 Mann des Füsilier-Bataillons 1. Hanseatischen 
Infanterie-Regiments No. 75 einquartiert sind, waren im Jahre 1883 drei 
Typhusezkrankungen und 1884 zwei Lungenentzündungen vorgekommen. 
Diese Erkrankungen gaben der Corps-Intendantur des 9. Armee-Corps 
Veranlassung, über die Beschaffenheit der Füllbodenerde genannter Ka¬ 
serne Aufschluss n&chzusuchen. Die zunächst an die chemische Station 
gelangten Erdproben wurden, da diese Station sich für incompetent erklärte, 
durch das Garnison-Lazareth der bacterioskopischen Station am 22. De- 


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6 


cember 1884 zur Untersuchung übergeben, welche ungesäumt in Angriff 
genommen wurde. 

Die betreffenden Erdproben waren am 17. November 1884 entnommen and be¬ 
fanden sich in zwei kleinen Säckchen. Sie bestanden hauptsächlich ans Bauschutt 
und enthielten unter Anderm auch verschiedene grobkörnige Reste von Kalk und 
Ziegelsteinen. Organische Beimengungen waren makroskopisch nicht zu erkennen. 

Von jeder der Bodenproben wurden zunächst drei Gelatineplatten hergestellt, 
und zwar auf folgende Weise: 

Mit einem sterilisirten (d. h. unmittelbar vorher gut ausgeglühten und gehörig 
abgekühlten) Scalpell wurde von der, übrigens vollkommen trockenen, Erde je eine 
minimale Menge entnommen und auf die, in dünner Schiebt auf die Glasplatte aus¬ 
gegossene, noch nicht völlig erstarrte Gelatine gestreut, etwa so, wie Salz auf ein 
Butterbrot. — 

Die in Zimmertemperatur gehaltenen Gelatineplatten zeigten nach 2 mal 24 Stunden 
eine mässige Menge verschieden gestalteter Colonien, unter denen sich drei ver¬ 
schiedene Pilzformen (den Penicillium-, Aspergillus- und Mucor-Arten angehörig) fanden. 
Eine vierte Art von Colonien von hellgraugelber Farbe und oft leberartig gelappter 
Form, welche bei ihrem Wachsthum die Gelatine nicht verflüssigten, bestand aus 
einem ziemlich langen, geraden, schlanken Bacillus, welcher lebhafte Eigenbewegung 
zeigte. Dieser Bacillus breitete sich im Gelatineröhrchen vom Impfstich aus nur an 
der Oberfläche in radiärer Richtung aus und stellte eine flache, völlig kreisrunde 
Colonie dar, während sich in der Tiefe nur vereinzelte, graugelbe, körnige Massen 
im Verlaufe des Stichcanals entwickelten. Zugleich bildete er einen zähen, grau- 
weissen Schleim, welcher sich in langen Fäden ausziehen Hess. Auf Kartoffel- 
schnitten wuchs der Bacillus ebenfalls gut, und schon nach 2 Tagen fand sich ein 
dünner, körniger, weissgrauer Belag an der Stelle der Aussaat, welcher am 3. Tage 
fast die ganze Kartoffelfläche überzogen hatte. In Fuchsinpräparaten zeigten sich 
ausserdem reichliche Scheinfäden bildungen. 

Nach diesen Beobachtungen musste das Urtheil dahin lauten, dass 
in der fraglichen, überhaupt nicht stark verunreinigten Erde be¬ 
kannte pathogene Mikroorganismen nicht gefunden worden seien; 
und dass speciell der Bacillus mit demjenigen des Unterleibstyphus nicht 
identisch, die Ursache jener Typhuserkrankungen in der betreffenden 
Kaserne durch die Untersuchung also nicht ermittelt worden sei. Von 
einer Aehnlichkeit des Bacillus mit den Mikrokokken der Pneumonie 
des Menschen konnte überhaupt keine Rede sein. — 

In Folge der kriegsministeriellen Verfügung vom 16. December 1884, 
M. O. D., betreffend die Untersuchung bezw. Controlirung künst¬ 
licher Mineralwässer resp. verdächtiger, zur Selterwasser¬ 
fabrikation benutzter Wasserarten durch die Truppenärzte 
wurde auf Veranlassung des Regiments No. 76 der Berichterstatter durch 
das 2. Bataillon desselben Regiments mit der Untersuchung des in der 
Kantine des Bataillons verkäuflichen Selterwassers beauftragt. 


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Eine Flasche des fraglichen Wassers, über welches übrigens seitens der Consu- 
menten niemals Klage geführt worden war, gelangte demgemäss am J. Januar in 
die bacterioskopische Station des Garnison -Lazareths zu Altona. Es stammte, wie 
aus der Etiquette zu ersehen war, aus der Mineralwasserfabrik Carl Kappelhoff 
zu Altona und bot makroskopisch ausser einer grösseren Anzahl bräunlicher Flöck¬ 
chen und Brücke 1, welche sich beim Schütteln zeigten, nichts Auffälliges dar. Noch 
an demselben Tage wurde mit der Untersuchung begonnen, und zwar, da mittler¬ 
weile mit Quadratcentimeter - Eintheilung versehene Zäblplatten beschafft waren, 
nach der im Kaiserlichen Gesundheitsamte zu Berlin üblichen Methode, zunächst zur 
Feststellung der Zahl der in dem Wasser vorhandenen entwickelungsfähigen Keime 
geschritten« Es ergab sich hierbei, dass ein Cubikcentimeter desselben ca. 20 000 der¬ 
artige Keime enthielt; ein Resultat, welches eine starke Verunreinigung des Wassers 
ausdrückte und um so überraschender war, als man gewohnt ist, künstliche Mineral¬ 
wässer für besonders rein und keimfrei zu halten. 

Was die einzelnen Mikroorganismen betrifft, welche die verschiedenen, die Nähr¬ 
gelatine auf den Platten theils verflüssigenden, theils nicht verflüssigenden Colonien 
bildeten, so Hessen sich vier verschieden^ Formen nachweisen: 

1) ein kurzer, ziemlich dicker, lebhaft beweglicher, bei seinem Wachsthum die 
Gelatine rasch verflüssigender Bacillus, dessen Plattenculturen und Reinculturen in 
der Umgebung des Impfstichs im Reagenzglas der Gelatine eine graugelbe Farbe 
verHehen; 2) ein nicht verflüssigender, grosser, ovoider Mikrococcus; 3) ein eben¬ 
solcher, nur etwas kleinerer Mikrococcus (beides wahrscheinlich Hefearten), und 
4) ein kleiner, runder, nicht verflüssigender Mikrococcus, dessen Individuen aus 
Platten-Colonien und aus Reinculturen im Gelatineröhrchen sowohl in Trockenprä- 
paraten, als auch im hängenden Tropfen die Eigenthümlichkeit zeigten, sich fast 
ausnahmslos zu Zweien (semmelfÖrmig) aneinander zu lagern. 

Obwohl nun auch das destillirte Wasser niemals ganz keimfrei ist, so legte 
doch die in dem betreffenden Selterwasser gefimdene enorme Menge von Mikro¬ 
organismen die Annahme nahe, dass bei der Darstellung desselben kein destillirtes, 
sondern im Gegentheil stark verunreinigtes Wasser benutzt worden sei. 
Dieses Wasser konnte auch vor der Fabrikation bestimmt nicht gründlich 
aufgekocht gewesen sein, weil sonst aller Wahrscheinlichkeit nach wenigstens die 
Mikrokokkenarten keimunfähig gemacht worden wären; oder aber es musste eine 
nachträgliche Verunreinigung bei der Fabrikation, oder in den Flaschen selbst statt- 
gefanden haben« Wahrscheinlich waren alle drei Factoren bei der Verunreinigung 
betheiligt gewesen. 

Wenn nun auch keiner der gefundenen Mikroorganismen zu den pathogenen 
gehörte, so musste dennoch das fragliche Selterwasser vom sanitären Standpunkte 
aus beanstandet werden. Denn die Verunreinigung desselben war eine so erhebHche, 
dass die Befürchtung nahe lag, es könne bei reichlichem Genuss des Wassers 
spedell der in die Klasse der Fäulnissorganismen zu rechnende Bacillus Störungen 
von Seiten der Verdauungsorgane (z. B. Alkalescenz des Magensaftes bei Entwickelung 
basischer 8paltungsproducte) herbeiführen, durch welche einer eventuellen Invasion 
wirklicher Krankheitserreger (Typhus, Cholera u. s. w.) der Weg geebnet 
gewesen wäre. 

In Folge dieses Gutachten 8 wurde vomTruppencommandodas betreffende 


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8 


Fabrikat verboten and durch ein anderes künstliches Selterwasser aus der 
Fabrik von Erd mann und Jakoby ersetzt, dessen bacterioskopische 
Analyse spater noch Erwähnung finden wird. 

Weitere Recherchen seitens des Herrn Corpe-Generalanfctes auf Grund 
eines bezüglichen Berichts bei der Polizei-Behörde in Altona haben spater 
den ausgesprochenen Verdacht hinsichtlich der Fabrikation des Kappel* 
ho ff'sehen Selterwassers bestätigt und ergeben, dass in der That von 
der betreffenden Fabrik nur gewöhnliches Wasserleitungswasser ohne 
jegliche weitere Zubereitung zur Herstellung künstlichen Mineralwassers 
benutzt wird. p. Kappelhoff selbst fand auch in seinem Antwortschreiben 
an die Polizeibehörde hierin durchaus nichts Befremdliches oder gar 
Gravirendes, sondern erklärte diese Herstellungsart besagter Mineralwasser 
für allgemein gebräuchlich und auch um so mehr gerechtfertigt, als durch 
keine polizeiliche Verordnung etwas Bestimmtes in dieser Richtung aus¬ 
gesagt, am allerwenigsten aber die Anwendung von filtrirtem oder gar 
destillirtem Wasser vorgeschrieben sei. Hierin musste dem Betreffenden 
leider Recht gegeben werden. 

Nachdem durch obiges Untersuchungsresultat die Aufmerksamkeit 
einmal auf die künstlichen Mineralwässer hingelenkt war, ordnete auch 
das Garnison-Lazareth die bacterioskopische Prüfung des seit lange daselbst 
verabreichten künstlichen Selterwassers aus der Fabrik von Erd¬ 
mann und Jakoby zu Altona an. 

Das Wasser zeichnete sich durch grossen Kohlensäurereichthum und 
Wohlgeschmack aus und genoss des Rufes besonderer Reinheit im Ver¬ 
gleich mit anderen Fabrikaten. 

Die Untersuchungen wurden am 10. Februar dieses Jahres begonnen; und zwar 
auch hier wieder zunächst die Zahl der in dem Wasser enthaltenen entwickelungs¬ 
fähigen Keime festgestellt. Das Resultat war ein wesentlich günstigeres, als bei dem 
Kappelhoff'schen Fabrikat, indem nur 80 bis 100 entwichelungsfahige Keime auf 
einen Cubikcentimeter des Wassers verschiedener Flaschen kamen. Dies würde also 
bei einem durchschnittlichen Inhalt der Flaschen von 650 ccm auf die ganze Flasche 
etwa 50—60 000 Keime ergeben. 

Die in den Gelatineplatten entwickelten Colonien bestanden: 1) aus zwei ver¬ 
schiedenen, die Gelatine verflüssigenden Arten von geraden, beweglichen Bacillen 
von mittlerer Dicke und Länge, deren eine sich durch reichliche Bildung von un¬ 
gleich langen und gekrümmten Scheinfaden auszeichnete. In den nicht verflüssigenden 
Colonien fanden sich: 1) eine Hefeart, durch verschieden grosse, ellipsoide Zellen 
ausgezeichnet; 2) ein sehr kleiner Mikrococcus, dessen Einzelindividuen meist paar¬ 
weise oder zu Vieren zusammengelagert erschienen und 3) ein sehr feiner, kurzer, 
gerader und beweglicher Bacillus. Daneben war von Schimmelpilzen noch eine 
Aspergillusart vorhanden. 

Aach bei der Herstellung dieses Selterwassers war, wie Erkundigungen 


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ergaben, nur gewöhnliches Leitungswasser benutzt worden. Da indess 
die Verunreinigung des ersteren sich als eine geringe erwies, und ferner 
die gefundenen Mikroorganismen keiner der bekannten pathogenen Arten 
angehörten, so war gegen die weitere Verabreichung des betreffenden 
Fabrikats an die Kranken vom sanitären Standpunkte aus zunächst 
nichts einzuwenden. Dasselbe wurde vielmehr auch dem 2. Bataillon 
Regiments 76 für die Kantine anstatt des Kappelhoffischen empfohlen, 
und, wie bereits bemerkt, auch eingefubrt Warum indess auch hier die 
Bereitungsweise des betreffenden Selterwassers hygienische Bedenken 
hervorrufen musste, darüber am Schluss noch Weiteres. 

Um nun auch die Beschaffenheit des Wassers der Altonaer 
städtischen Wasserleitung selbst, welches, wie gesagt, nicht allein 
bei der Selterwasserfabrikation von sämmtlichen Altonaer Fabriken 
künstlicher Mineralwässer verwandt wird, sondern auch seit 1872 das 
Trink- und Gebrauchswasser für das Garnison-Lazareth und 
seit 1881 resp. 82 auch für die neuerbauten Casernen No. I, II und 
III des 1. Thüringischen Infanterie-Regiments No. 31 liefert, kennen zu 
lernen, war durch den Herrn Corps - Generalarzt am 9. Februar d. Js. 
eine umfassende bacterioskopische Untersuchung des betreffenden Wassers 
befohlen worden. 

Zu diesem Zweck wurden im Verlauf der nächsten Wochen Wasserproben an 
Tier ganz entfernt von einander gelegenen Stellen entnommen und zwar: 1) Holsten- 
atnuse 101; 2) bei der Johanniskirche No. 1: 3) Königstrasse No. 29 und 4) Kl. 
Gärtnerstrasse No. 161 (Garnisonlazareth). 

Die Entnahme der Proben geschah unter Beachtung folgender Cautelen: 

Eine Anzahl noch nicht gebrauchter Medicinflaschen (zu je 200 gr) wurde zu¬ 
nächst sorgfältig mit Sand und Wasser mechanisch gereinigt, mit concentrirter 
Schwefelsäure ausgespült und darauf wiederholt mit destillirtem Wasser bis zu 
völlig neutraler Keaction desselben nachgespült. Nach Ablaufenlassen des Wassers 
wurden die Beste desselben mit Alkohol aufgenommen, dieser abgegossen und die 
letzten Spuren demselben mit Aether aufgenommen, welcher verdampfen gelassen 
wurde. Hierauf wurden die Flaschen mit einem fest schliessenden Wattepfropf ver¬ 
gehen und, um sie keimfrei zu machen, im Trockenschrank bei einer Temperatur 
zwischen 160 bis 170° C. D/a Stunden lang der heissen Luft exponirt. Der Watte¬ 
pfropf erhielt endlich noch einen Verschluss mit im strömenden Dampf (1 Stunde 
im Dampf- Sterilisirnngs-Cylinder) sterilisirtem Pergamentpapier und starkem Bind¬ 
faden. 

An Ort und Stelle wurde das Wasser bei völlig geöffnetem Leitungshahn erst 
10 Minuten laufen gelassen, dann die Flaschen, wahrend das Pergamentpapier, der 
Bindfaden und der Wattepfropf mit sterilisirten (in l°/oo Sublimatlösung) Fingern 
gehalten wurden, langsam und ohne den Rand der Flasche zu bespülen bis fast zum 
Anfang des Halses gefüllt und sofort wieder verschlossen. Bei dem directen Trans¬ 
port nach der Untersuchungsstation galt als Regel, die Flaschen senkrecht zu halten, 
um jede Berührung des Wassers mit dem Wattepfropf möglichst zu vermeiden. 


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- 10 - 


Alle ?ier Proben boten dem blossen Auge nichts Auffälliges dar. Sie waren 
vollkommen klar und farblos, und nur bei Probe 8 zeigten sich beim Schütteln einige 
ganz feine, lockere, graue Bröckel. Von jeder Probe wurden möglichst bald, d. h. 
mindestens noch an dem Tage der Entnahme, 3 Gelatineplatten gegossen; und zwar 
je zu 1, Vs und Vs ccm des zu prüfenden Wassers. In Probe No. 1, Vs Stunde 
nach der Entnahme ausgesät, wurden am 3. Tage im Cubikcentimeter durchschnittlich 
40 Colonien gezahlt. Auffällig war hierbei, dass keine derselben die Gelatine ver¬ 
flüssigte. 

Aus No. 2, deren Aussaat ca. 1 Stunde nach Entnahme der Probe erfolgte, 
entstanden im Cubikcentimeter ca. 2200 Colonien. Auch hier überwogen bei Weitem 
die nicht verflüssigenden. Unter den verflüssigenden befanden sich mehrere, welche 
bei ihrem Wachsthum einen hellgelbgrünlichen Farbstoff bildeten und dasselbe leichte 
Finoresciren des verflüssigten Nährbodens sowohl in den Platten-Colonien, als auch 
in der Umgebung des Impfstiches im Gelatine-Röhrchen zeigten, wie es bei den Co¬ 
lonien aus dem Wandsbecker Brunnenwasser beobachtet worden war. 

Die dritte Probe, von welcher zuerst am 24. Februar, 9 Uhr früh, entnommen 
und um 12 Uhr die Aussaat beendet war, zeigte sich ganz enorm verunreinigt. Die 
Platten waren so dicht mit Colonien besetzt, dass selbst im Quadratcentimeter (auch 
von Platte No. 3 mit Vs ccm Wasser = 10 Tropfen) eine Zahlung weder mit blossem 
Auge noch mit der Loupe möglich war. Nach ungefährer Schätzung enthielt der 
Quadratcentimeter viele Hunderte, so dass mindestens mehrere Hunderttausend Keime 
auf 1 ocm des Wassers gerechnet werden mussten. Da ferner wegen der Dichtheit 
der Colonien die Bestimmung der einzelnen Arten der Mikroorganismen unmöglich 
war, so wurden am 1. März aus einer neuen Probe, ca. 2 Stunden nach der Ent¬ 
nahme, abermals 3 Platten angesetzt. Die Zählung ergab zwar ein bedeutend 
günstigeres Resultat, indess immerhin noch ca. 8000 Keime auf den Cubikcenti¬ 
meter Wasser. Auch hier überwogen, wie in No. 2, bei Weitem die nicht verflüssi¬ 
genden Colonien. 

Die Untersuchung der Proben aus dem Garnison-Lazareth (No. 4) hatten gleich¬ 
falls ein verschiedenes Ergebniss. In einer am 17. Februar, 11 Uhr früh, ent¬ 
nommenen, wenige Minuten später ausgesäten Probe wurden im Cubikcentimeter 
nur 36 entwickelungsfähige Keime gefunden, während eine Probe vom 26. Februar 
(lOVsUhr entnommen und 11 Uhr ausgesät) ca. 7400 im Cubikcentimeter aufwies. 

Was die Mikroorganismen selbst betrifft, so bestanden die nicht verflüssigenden 
Colonien in allen Proben hauptsächlich aus mehreren Kokken-Arten, und nur in der 
2. Probe von No. 3 und in der 1. Probe aus dem Lazareth wurden unter denselben 
2 Bacillenarten gefunden: eine ganz feine, gerade und eine etwas dickere, gerade 
Form, beide mit lebhafter Eigenbewegung. Unter den verflüssigenden Colonien fanden 
sich neben der grünlich gefärbten, welche, ausser in No. 1, in allen Proben vorkam, 
noch 2 Arten, die keine Farbstoffbildung erkennen Hessen und sich nur durch die 
Anordnung ihrer Elemente bei schwacher Vergrösserung von einander unterschieden. 
Die chromogenen Colonien bestanden aus einem kurzen, dicken, lebhaft beweglichen 
Bacillus, der sich bei seinem Wachsthum in den Platten-Colonien und in Rein- 
culturen im Reagenzglas genau so verhielt, wie der im Wandsbecker Brunnenwasser 
gefundene, und daher mit demselben identisch sein dürfte. Die beiden übrigen Arten 
von verflüssigenden Colonien erwiesen sich ebenfalls als von beweglichen Bacillen 
zweier Formen gebildet, deren eine in Reinculturen eigenthümlich lange, mehrfach 


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11 


gewundene Scheinfäden bildete. Verflüssigende Mikrokokken konnten in keiner 
Probe nachgewiesen Werden, ebensowenig mir bekannte pathogene Mikroorganismen. 

Dieses Resultat war in mehrfacher Beziehung aber raschend und gab 
zu folgenden Bemerkungen Veranlassung: 

Zunächst fiel die grosse Verschiedenheit in dem Zahlenverhältnisse 
der entwicklungsfähigen Keime bezw. der Grad der Verunreinigung der 
einzelnen Wasserproben auf, welche sich bei der gemeinsamen Quelle der 
letzteren nur durch locale Verhältnisse erklären liess. Denn eine zu¬ 
fällige, künstliche Verunreinigung der sterilisirten Gefässe u. 8. w. bei 
der Entnahme der Wasserproben wurde wohl, da dieselben einer gleich- 
massigen weiteren Behandlung unterlegen hatten, kaum solche Differenzen 
ergeben haben, wie bei Probe No. 3:1 und 2, oder No. 3 und No. 1 bezw. 
No. 4, Probe 1. 

Wahrscheinlich werden sich in den engsten Ausflussrohren, an den 
Knickungsstellen oder den Hähnen Ansammlungen von organischen 
Massen bilden, welche entweder einen besonders günstigen Nährboden 
für die Mikrobien, oder aber directe Herde oder Niederschläge der 
letzteren selbst darstellen. Ferner spielt gewiss der Grad der Be¬ 
nutzung der betreffenden Röhrensysteme hierbei eine wichtige Rolle; 
so zwar, dass stark benutzte einen geringen, wenig benutzte einen 
grossen Reichthum an Organismen bezw. eine hochgradige Verunreinigung 
des betreffenden Wassers in einem Hause oder Stockwerk ergeben 
werden. Endlich dürften die Temperaturverhältnisse in dem Abschnitt 
eines Rohrensystems das Ihre zu dem Eintritt derartiger Missverhältnisse 
verschiedener Wasserproben beitragen. Liegen beispielsweise die 
Rohren derartig, dass sie durch mehrere Stockwerke hindurch an den 
Schornsteinen oder aber an den Küchenwänden entlang laufen, so 
würde die Temperatur des Wassers unter Umständen, besonders im 
Sommer, an diesen Stellen etliche 20 Grad betragen können und die 
Entwickelung der organischen Keime also eine ganz enorm reichliche 
sein. Umgekehrt, wenn die Durchschnittstemperaturen eines Röhren¬ 
systems im Jahre niedrige sind. 

Das Gesammturtheil über die Qualität des untersuchten Wasser- 
leitongswassers lautete nach alledem sehr günstig; denn die Proben 
No. 1 und No. 4(1) hatten sogar eine dem destillirten Wasser des 
Laboratoriums in bacterioskopischem Sinne nahestehende 
Reinheit bezw. Keimfreiheit ergeben. 

Neuere chemische Untersuchungen des betreffenden Wassers, welche 
zu einer directen Vergleichung mit obigem Resultat Gelegenheit geboten 


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12 


hätten, lagen nicht vor. Die letzte bezügliche Untersuchung fand am 
26. August 1884 statt und hatte ein durchaus unbefriedigendes, von 
dem bacterioskopischen ganz abweichendes Brgebniss. Wenn auch von 
Nitroverbindungen in dem Wasser nichts gefunden wurde, so war doch 
die Menge der organischen Stoffe keine besonders geringe; der Chlor¬ 
gehalt sogar ein sehr hoher (9,25 bezw. 8,25 auf 100 000 Theile 
Wasser). 

Demnach wurde seitens der Station bezüglich der Benutzung des 
fraglichen Leitungswassers als Trinkwasser (in unfiltrirtem oder unge¬ 
kochtem Zustande) nur auf folgende Punkte hingewiesen: 1) dass von 
behördlicher Seite auf möglichste Reinhaltung bezw. obligatorische, 
periodische Reinigung der Leitungsröhren, besonders der mit 
engerem Querschnitt, also speciell der in den Hausern selbst befindlichen 
Röhrensysteme, Bedacht zu nehmen sei; 2) dass es als nächstliegende 
hygienische Regel zu gelten habe, das Wasser bei völlig geöffnetem 
Hahn erst einige (mindestens 10—15) Minuten laufen zu lassen, ehe 
man davon geniesse, weil hierdurch wenigstens einige Sicherheit 
gegeben werde, etwaige Niederschläge oder Ansammlungen organischer 
Stoffe an den Hähnen und in den Ausflussrohren vorher wegzu¬ 
schwemmen. 3) In Erwägung des Umstandes, dass die Altonaer 
Wasserleitung aus der Elbe dicht unterhalb Blankenese's gespeist werde, 
sei es bei dem Herrschen von Epidemien in der Garnison Hamburg- 
Altona, speciell der Cholera, absolut nothwendig, das Wasser 
vor dem Genuss zu kochen. Dieses gelte alsdann auch für alle 
Gebrauchswässer überhaupt. Eis sei diese Vorsicht aber ganz 
besonders am Platze, wenn die Cholera zuerst in Blankenese 
selbst auftrete, weil die Infection des Elbwassers bei der Lage und 
Bauart dieser Stadt (dicht an dem steil ansteigenden rechten Elbufer) 
fast unvermeidlich erscheine. (Die Abwässer vieler Rinnsteine, ja selbst 
verschiedener Senkgruben bei Regengüssen, gelangen, wovon ich mich 
wiederholt überzeugt habe, direct in die Elbe.) 

Wenn sich nun auch die Filtervorrichtungen an der Pumpstation der 
Wasserleitung, wie die Untersuchung gelehrt, früher als vollkommen 
leistungsfähig erwiesen hätten, so wäre doch immerhin zu befurchten, 
dass der Cholerakeim bei seiner ausserordentlichen Kleinheit und lebhaften 
Eigenbewegung die Poren der Filter mit der Zeit durchdringen und die 
Infection also auch in die Stadt Altona und somit auch in die 
Kasernen und das Garnison-Lazareth übertragen könnte. — 


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13 


Ueber die Altonaer Wasserwerke selbst seien an dieser Stelle noch 
einige Worte im Besonderen hinzugefugt.*) 

Die eigenthdmlicben Grenz- nnd Terrain - Verhältnisse Altona’s 
batten es bedingt, dass die Wasserversorgung, dem allgemeinen Grund¬ 
sätze zuwider, nicht von oberhalb, sondern von unterhalb der Stadt 
her erfolgen musste; die betreffenden baulichen Anlagen kamen daher 
11 Kilometer westlich von Altona, und zwar dicht unterhalb der oben 
genannten kleinen Stadt Blankenese, zur Ausführung. — Das Wasser 
gelangt aus der Elbe durch zwei 55 Meter von der Hochwasserlinie ent¬ 
fernt liegende Saugkasten in zwei je 530 mm weiten Sangröhren in 
die Maschinenhäuser, welche dicht am rechten Elbufer liegen. Von hier 
wird dasselbe durch Pumpwerke (WoolfTscbe Maschinen) in zwei je 
460 mm weiten, Steigeröhren nach dem 91,8 m hohen Baursberg em¬ 
porgehoben und f)ie88t zunächst in ein mittleres Einlassbassin. Von 
diesem gelangt es durch eine Mauer mit hohlen Stossfugen in zwei zu 
beiden Seiten gelegene Ablagerungsbassins, woselbst es durch ruhiges 
Stehen einen grossen Theil der mechanischen Beimengungen zu Boden 
sinken lässt, während die gröbsten Unreinigkeiten in den Einlass- und 
Vorbassins bleiben. Das abgelagerte Wasser flieset von den Ablagerungs¬ 
in acht tiefer liegende Filtrirbassins, in welchen es durch eine starke 
Sand- und Kiesschicht durchsickert und dabei alle mechanisch beige¬ 
mengten Theile oberhalb des Filtrirmaterials zurücklässt. Aus den 
Sammelcanälen im Boden dieser Filter geht das nun krystallklare 
Wasser in das mitten innerhalb der Filter liegende, bedeckte Rein- 
Wasser-Reservoir, welches 3500 Cubikmeter fasst und ca. 52 m oberhalb 
des höchsten Punktes Altonas, des Bahnhofsplatzes, liegt. Von hier ge¬ 
langt das Wasser in zwei je 410 mm weiten Haupt-Speiseleitungen zur 
Stadt, in welcher die weitere Vertheilung desselben nach dem Circu- 
lationssystem erfolgt. — 

Die Bassins liegen in zwei verschiedenen Höhenlagen terrassen¬ 
förmig übereinander, so dass der tiefste Wasserstand in den oberen, 
den Ablagerungsbassins, gleich dem höchsten in den niederen, den 
Filtern, ist, und demnach alles in die oberen Bassins gepumpte Wasser 
in die unteren abfliessen kann. 

Es sind vorhanden 4 Filter zu 818 qm 3 zu 828 qm, und 
1 zu 1080 qm, zusammen: 6836 qm, Sandoberfläche. Die Con- 
struction der Filter ist durchweg die gleiche, und zwar folgender Art: 

*) Di® nachfolgenden Daten verdanke ich dem Director der Altonaer Wasser¬ 
werke, Herrn Ingenieur Kümmel. 


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— 14 — 


Id dem horizontalen Boden liegt ein 380 mm vertiefter, 800 mm 
breiter and hoher Mittelcanal und auf dem Boden, senkrecht gegen 
diesen, 14 mit hohlen Stossfugen gemauerte, 300 mm breite, 230 mm 
hohe Quercanäle, welche wie der Mittelcansl mit Sandsteinplatten ab« 
gedeckt sind. Der zwischen diesen Canälen verbleibende Raum ist mit 
Quarz- und Granitgesteinen, sog. Findlingen, von 150 bis 200 mm Durch¬ 
messer ausgelegt und darüber das Filtermaterial, Ries und Sand, 
welches vorher mit reinem Wasser gewaschen wird, eingebracht, so dass 
der Filter, von oben nach unten gerechnet, enthalt: 


rein gesiebten scharfen Sand. 920 mm 

Kies von Erbsengrosse.75 „ 

„ „ Bohnengrosse.75 „ 

„ „ Haselnussgrosse ....... 80 „ 

„ „ Wallnu8BgrÖ88e.150 „ 

Kiesel bis Faustgrösse ........ 220 „ 

Kanäle und grosse Steine. 300 „ 


Summa 1820 mm. 

Ueber diesem Filtermaterial ist noch eine Wasserhöhe von 1230 mm, 
dessen höchster Stand 300 mm unter dem Rande des Bassins ist. 

Die 8 Filter reinigten an dem Tage der grössten Abgabe: 13 486 cbm, 
also der Quadratmeter pro Stunde 41,7 Liter. — Durchschnittlich betrug 
die Tagesleistung pro Kopf der 107 000 Einwohner 84,35 Liter; im 
Maximum pro Tag 126,0, im Minimum 61,0 Liter. 

Die Versorgung erfolgt continuirlich und direct, d. h. ohne die in 
Hamburg vorgescbriebenen, aber durchaus verwerflichen, Hausreservoirs. 
Die Abgabe ist für Trink- und Gebrauchswasser einheitlich, theils unter 
Controle von Wassermessern, theils ä discretion. — 

Der Monat April war im Wesentlichen der Untersuchung des Trink¬ 
wassers in der Kaserne des Infanterie-Regiments No. 76 in 
Hamburg gewidmet. 

Im Kasernenhofe befinden sich 2 Pumpbrunnen, von denen einer, 
an der Südostfront, dem 1., der andere, an der Sud Westfront der Kaserne, 
dem 2. Bataillon zugehört Beide Brunnen waren im vorigen Jahre 
einer gründlichen Reinigung und Renovirung unterworfen gewesen. Das 
Wasser zeichnete sich von jeher durch aussergewöhnliche Frische und 
einen, so zu sagen „kräftigen“ Geschmack aus, so dass dasselbe nicht 
bloss von den im Casino essenden unverheirateten Offizieren bei Tisch 
reichlich genossen, sondern auch von sämmtlichen Offizierfamilien für den 
Bedarf des Hauses entnommen wird. Hervorgehoben mag noch sein, 


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15 


dass das Regiment bisher von ernsteren Krankheiten der Verdauungs¬ 
organe, specieU typhöser Natur, verschont geblieben ist, and dass letstere 
nur gans vereinzelt im Lauf der Jahre aafgetreten and dann stets 
von aussen (Manöver, Urlaub und dergl.) eingesehleppt worden sind« 

Hiermit übereinstimmend hat die bacterioskopische Untersuchung 
auch eine ganz besondere Reinheit des Wassers beider Brunnen 
ergeben. Es wurden bei der wiederholten Feststellung der entwickelungs- 
fahigen Keime, welche sich aaf zahlreiche, innerhalb 4—5 Wochen ent¬ 
nommene Proben erstreckte, dauernd ganz niedrige Zahlen gefunden, 
und zwar durchschnittlich etwa 10—50 im Cnbikcentimeter. Allerdings war 
dies nur dann der Fall, wenn vor der Entnahme der Probe der be¬ 
treffende Brunnen jedesmal einige Minuten abgepumpt worden war. 
Auf diesen Umstand wurde daher auch hinsichtlich des Gebrauchs des 
Wassers als Trinkwasser stets nachdrücklich hingewiesen und die Mann¬ 
schaften entsprechend belehrt 

Bei den gefundenen Mikroorganismen handelte es sich im Wesent¬ 
lichen um zwei die Gelatine verflüssigende Bacillenarten und eine eben¬ 
solche, kleine Mikrococcusart. Von den Bacillen bildete die eine Art 
wiederum jene, bereits wiederholt erwähnten, hellgelbgrunen Colonien, 
während die andere die gewöhnliche graugelbliche Färbung der Colonien 
zeigte. 

Die nicht verflüssigenden Colonien bestanden lediglich aus Mikro¬ 
kokken zweier Arten. 

Auch die früheren und diesjährigen Resultate der chemischen Unter¬ 
suchung des betreffenden Brunnenwassers ergaben ausnahmslos einen 
verhältnissmäs8ig niedrigen Gehalt an organischen Substanzen und 
Stickstoffverbindungen. 

Bei den im Juli und August dieses Jahres vorgenommenen Ana¬ 
lysen wurden beispielsweise folgende Zahlen ermittelt: 

Brunnen des 1. Bataillons. Brunnen des 2. Bataillons. 


• 

Juli. August 


Juli. August 

Organische Substanz 7,0 — 9,9 1 

Mittel. 

8,4 

5,4 —6,15] 

Mittel. 

5,77 

N, O» . . . 

. . 12,2 —14,5 

13,3 

7,3 —7,63 

7,44 

H, O,. . . 

. . 0—0 

0 

0-0 

0 

NH, . . 

. . . 0—0 

0 

0-0 

0 

CI ... , 

, . . 10,65— 8,87 

9,80 

3,55—3,90 

3,72 


Den Schluss der im dienstlichen Interesse in dem genannten Zeit¬ 
raum vorgenommenen bacterioskopischen Arbeiten bildete die noch- 


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16 


malige Untersuchung des Wandsbecker Brunnenwassers. — 
In Folge Befehls des Herrn Corps - Generalarztes vom 26. April ge¬ 
langten seitens des Regimentsarztes des Husaren-Regiments No. 15 am 
5. Mai zwei Wasserproben ans dem mittlerweile gereinigten und re- 
parirten Brunnen der 2. Eskadron genannten Trnppentheils an den Be¬ 
richterstatter, um durch die erneute Untersuchung festzustellen, ob das 
betreffende Wasser nunmehr dem Gebrauche wieder ubergeben werden 
konnte. 

Um jede fremde Beimengung oder Verunreinigung von aussen zu vermeiden, 
waren von der Station aus zwei sterilisirte Flaschen mit entsprechendem Verschluss und 
unter Beifügung einer Anweisung für die zweckentsprechendste Entnahme des frag¬ 
lichen Wassers nach Wandsbeck geschickt worden. 

Das in diesen Flaschen befindliche Wasser war am 5. Mai, früh 8 Uhr, ent¬ 
nommen und wurde bereits um 11 Uhr Vormittags auf der Station abgegeben. Die 
unmittelbar darauf in Angriff genommene Untersuchung hatte ein wesentlich anderes 
Ergebniss, als die erste bezw. die im Garnison-Lazareth I zu Berlin ansgeführte. 
Es wurden nämlich am 3. Tage in den betreffenden Nähr-Gelatineplatten rund 1000 
entwickelnngsfähige Keime in 1 ccm der beiden Wasserproben gezählt. 

Die Colonien selbst bestanden, wie bei den früheren Untersuchungen, hauptsächlich 
aus jenem, die Gelatine langsam, unter gleichzeitiger Gelbgrünfärbung, verflüssigen¬ 
den, kurzen, dicken, beweglichen Bacillus. Alle übrigen Colonien verflüssigten den 
Nährboden nicht und Hessen vier verschiedene Bacillen- und nur eine, sehr kleine 
Coccu8art erkennen. Pathogene Organismen wurden auch diesmal nicht nachgewiesen. 

Nach diesem Befunde batte das fragliche Brunnenwasser durch die 
vorgenommene Reinigung und Reparatur des Brunnenkessels u. s. w. 
eine sehr erhebliche Besserung erfahren. Denn noch Gaffky hatte 
in dem Wasser der einen ihm übergebenen Flasche in 1 ccm ca. 120 000, 
in dem der anderen Flasche in 1 ccm sogar 150000 entwickelungsfähige 
Reime gefunden I Hierbei durfte allerdings nicht übersehen werden, dass 
diese Proben nicht in sterilisirten, sondern nur in den auf gewöhnliche 
Weise gereinigten Flaschen nach Berlin gelangt und 3 Tage unterwegs 
gewesen waren, ehe sie der Untersuchung unterworfen werden konnten. 
Indess war die Differenz der in dem Wasser gefundenen Keime zwischen 
damals und jetzt denn doch eine so grosse, dass der Wiederbenutzung 
des betreffenden Brunnens keine weiteren begründeten sanitären Bedenken 
mehr entgegenstanden. Seither sind denn auch keine neuen Klagen über 
den betreffenden Brunnen von der Garnison Wandsbeck aus laut geworden. 

Der Vollständigkeit'wegen lasse ich übrigens auch das Resultat einer erneuten 
chemischen Untersuchung des Wassers nach der Reinigung des fraglichen Bronnens 
folgen. Dasselbe datirt vom 24. März, stimmt jedoch mit dem letzten bacterio- 


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17 


skopischen Befunde nur wenig überein. Es waren enthalten in 100000 Theilen 

Wasser: 

Organische Substanz.. 8,3 

N 2 0 6 .. 12,0 

N* Os.geringe Spuren 

NHs . .. Spuren 

CI.. 14,5 

Gesammthärte.. . 22,7 

Permanente Härte.19,9. 

Hiernach wurde also bei den organischen Substanzen nur eine sehr geringe, 
bei dem Salpetersäuregehalt des Wassers dagegen eine Abnahme um etwa die Hälfte 
der im December v. J. gefundenen Menge constatirt. Die gefundenen bezüglichen 
Zahlen waren indess für ein Trinkwasser immer noch so hohe, besonders der Chlor¬ 
gehalt, dass der Chemiker von seinem Standpunkte aus berechtigt gewesen wäre, 
dasselbe kurzweg zu verwerfen. — 

Indem ich nunmehr auf die Reihe der hauptsächlich der eigenen Beleh¬ 
rung dienenden bacterioskopischen Arbeiten übergehe, so sei vorausgeschickt, 
dass dieselben die mannigfachsten Gebiete berührten. Die wichtigeren, 
welche der Erwähnung werth sind, bezogen sich auf verschiedene 
Wasserarten, auf Zimmerluft, Staubmassen und endlich 
mancherlei klinische Objecte. 

Aus der Zahl der gelegentlichen Wasseruntersuchungen verdient nur 
die eine ihrer praktischen Consequenzen wegen besonders hervorgehoben 
zu werden. 

Das betreffende Object stammte aus dem Brunnen einer Gastwirthschaft dicht 
am Schiessplatze des 76. Regiments in Eppendorf bei Hamburg, and war anf Grund 
früherer chemischer Untersuchungen im Lazareth Altona wegen sehr hohen Gehaltes 
an organischen Substanzen vom Gebrauch für die Mannschaften ausgeschlossen worden. 
Der Bronnen sollte nenerdings gereinigt und renovirt sein. Die fraglichen Wasser¬ 
proben worden noch am Tage der Entnahme für die Ermittelung der in ihnen ent¬ 
haltenen entwickelnngsfahigen Keime hergerichtet. Das Ergebniss war, dass der Cubik- 
centimeter des Wassers ca. 400 derartiger Keime beherbergte. Es überwogen unter den 
Colonien in den Gelatineplatten bei Weitem die Schimmelpilze (eine Penicillium-, eine 
Mncor-Art), und von Bacterien waren nur ganz vereinzelte Colonien vorhanden, nämlich 
2 Bacillenformen und ein grosser Mikrococcus. Unter den Bacillen befand sich 
abermals der bekannte grünfärbende, verflüssigende und ein feiner, gerader, nicht 
verflüssigender Bacillus, dessen Colonien eine lebhafte hellgelbe Farbe zeigten. Auch 
der Coccos verflüssigte den Nährboden nicht. 

Das betreffende Wasser war hiernach freilich kein besonders reines, indessen 
Hess sich durch Filtration der grösste Theil der (meistens snspendirten) organischen 
Beimengungen beseitigen. Da nun — abgesehen von den Schimmelpilzen — der 
Gehalt an Bacterien ein verhältnissmässig geringer war, und keine der gefundenen 
Mikrobien zu den pathogenen gehörte, so liess sich vom bacterioskopischen Stand¬ 
punkte aus gegen den Genuss des (flltrirten) Wassers nichts Ernstliches einwenden. 
Und so wurde der Brunnen wieder zum Gebrauch zugelassen, ohne dass der Genuss 
«eines Wassers seither von üblen Folgen gewesen wäre. 

*) 


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18 


Die übrigen Wasserontersucbungen, welche alle möglichen Wasser- 
arten umfassten, wie Hamburger Leitungsw&sser, Elbwasser, Wasser aus 
mehreren Privatbrunnen u. s. w., ergaben naturgemäss oft recht ver¬ 
schiedene Resultate bezüglich der Zahl der entwickelungsfähigen Keime, 
glichen indess im Grossen und Ganzen einander auffallend. Charak¬ 
teristisch war für alle, dass unter den Gelatineplätten-Colonien sich stets 
der oft genannte grünfärbende Bacillus fand, wenn anch mitunter 
nur in 2 oder 3 Exemplaren. 

Was die Luftuntersuchungen betrifft, so fand die Mehrzahl der¬ 
selben im Januar und Februar statt und beschränkte sich im Wesent¬ 
lichen auf verschiedene Zimmer des Garnison-Lazareths. 

Dasselbe stellt ein in den beiden Hauptfronten nach Süden und Norden 
orientirtes, mit zwei Seitenflügeln versehenes, zweistöckiges Gebäude nebst 
Erdgeschoss für 212 Betten dar. Die Krankenzimmer (4,70 m hoch) 
liegen nach Osten, Süden und Westen. Der Hauptcorridor, an der 
Hinterfront des Gebäudes gelegen, ist 3,30 m breit. Im ersten Stock 
ist die äussere und combinirte, im zweiten die innere Station unter gebracht. 
Innerhalb des Jahres findet ein Wechsel der Stationen statt, und zwar 
so, dass eine in Benutzung gewesene Zimmerreihe mehrere Wochen hin¬ 
durch behufs Reinigung und Lüftung bezw. Desinfection leer stehen bleibt. 
Das Lazareth besitzt (auch auf don Corridoren) Warmwasserheizung und 
vorzügliche VentilationsVorrichtungen (Ventilator nach van Hecke’schem, 
von Jobs. Haag, Augsburg, verbessertem System). Die Fenster der 
Corridore und grundsätzlich des Wachsaals der inneren Station sind, auch 
im Winter, mehrere Stunden des Tages geöffnet. 

Es galt vor Allem der Frage, ob in dem Wachsaal der inneren 
Station, oder auf der chirurgischen Station pathogene Mikroorganismen 
in der Luft vorhanden seien. Zu diesem Zwecke wurde zuerst am 8., 
20. und 26. Januar, und später am 5., 10. und 18. Februar, jedesmal in 
den Stunden zwischen^10 bis 1 Uhr, eine Anzahl Platten mit je 10 ccm 
Gelatine, je l 1 /* Stunden lang der Luft verschiedener Krankenzimmer ex- 
ponirt. Eine Stunde vorher waren die Fenster geschlossen und ange¬ 
ordnet worden, dass die nicht bettlägerigen Kranken sich während der ganzen 
Zeit bis zur Fortnahme der Platten möglichst ruhig zu verhalten hätten. 
Die Platten wurden an verschiedenen Stellen innerhalb der betreffenden 
Zimmer (am Fenster, in der Mitte des Zimmers, zwischen den Betten an 
den Wänden u. s. w.) auf Krankentischen niedergelegt. 

Die Befunde der Gelatineplatten, von denen eine Anzahl zur Ent¬ 
wickelung etwa vorhandener anaerobiotischer Mikroorganismen mit 


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19 


Glimmerblättchen bedeckt worden, waren merkwürdigerweise recht gleich- 
massige hinsichtlich der Arten und Formen der entstandenen Colonien. 
Der wesentlichste Unterschied bezog sich nnr auf die Quantität, nicht 
auf die Qualität der Organismen. Die zahlreichsten Colonien entwickelten 
sich, wie von vornherein zu erwarten war, aus der Luft des Wach¬ 
saals der inneren Station. 

In der am dichtesten besetzten Platte betrug die Zahl der entwickelten 
Keime ca. 3000. Andere Zimmer, und zwar die kleinen 2 - 6männigen, 
batten indess merkwürdigerweise kein wesentlich günstigeres Resultat 
Es schwankte die Zahl der in den betreffenden Platten entwickelten Colonien 
zwischen 1000 und 1500. Unter den von der äusseren Station gewonnenen 
Platten herrschte verhältnissmässig eine grossere numerische Ueberein- 
stimmung, doch war die Reinheit der Luft keine nennenswert!) bessere, als 
auf der inneren Station. Die Zahl der Platten-Colonien betrug vielmehr 
durchschnittlich 1200. In einer Platte aus einem, seit mehreren Wochen leer 
stehenden Zimmer wurden ca. 800 Colonien gezählt, darunter vorwiegend 
verflüssigende. Aus Mangel an einem Hesse’scben Aspirationsapparat*) 
konnte leider diese interessante Frage nicht exact gelost werden. — Die 
Mikroorganismen selbst anlangend, so überwogen, mit Uebergehung der 
den Aspergillus-, Penicillium- und Mucor-Arten angebörigen Pilze, bei 
Weitem die Mikrokokken. Indess auch ihre Formen oder Arten waren 
nur beschränkt an Zahl. Mit Sicherheit Hessen sich etwa fünf verschiedene 
Formen unterscheiden: Zwei grosse, ovoidc, welche den Hefe- oder Sar- 
cine-Arten anzugehören schienen; zwei grössere, runde und eine sehr kleine 
Kokkenart, welche gewöhnlich zu Gruppen von 2—4 Einzelindividuen 
suaammengelagert erschien. Von Bacillen wurden drei Arten gefunden: 

1) Ein langer, gerader, schlanker Bacillus mit lebhafter Eigenbewegung, 
welcher die Gelatine ziemlich rasch ohne FarbstofTbildung verflüssigte; 

2) ein kleinerer, ziemlich plumper, beweglicher, nicht verflüssigender, dessen 
Colonien ein unregelmässig begrenztes, blattförmiges Aussehen hatten, und 

3) ein kurzer, sehr schmaler, gerader und beweglicher Bacillus, dessen 
Colonien ebenfalls keine Verflüssigung des Nährbodens zeigten, und von 
schöner, hellgelber Farbe waren. Von pathogenen Mikrobien konnte da¬ 
gegen mit Sicherheit keine Art ermittelt werden. Sehr zahlreich, wie 
in der Regel, waren, nebenbei bemerkt, die aus der Luft des Mikroskopir- 
simmers hervorgegangenen Arten von Mikroorganismen, unter denen 


*) Ueber quantitative Bestimmung der in der Luft enthaltenen Mikroorganismen. 
Mittheilnngen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, Band I, 1881, Seite 32. 

2 * 


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20 


besonders sehr schöne Exemplare von Rosa-Hefe und orangefarbiger Sar- 
cine zu erwähnen sind. 

Erfolgreicher war scheinbar das Resultat der Untersuchung von 
Stanbproben ans den Krankenzimmern der „inneren and äusseren 
Station“. 

Im Laufe der letzten Jahre waren zu verschiedenen Zeiten ganz 
plötzlich Erkrankungen an Erysipel bei einzelnen, an anderen 
Krankheiten im Lazareth befindlichen Kranken aufgetreten. 
Die meisten derartigen Autoinfectionen fielen auf die im östlichen Flügel 
des Lazareths gelegene Eckstabe No. 60 der chirurgischen Station, in 
welcher im Ganzen 3 Mann erkrankten. Es folgten das daranstossende 
Isolirzimraer No. 59 und die gegenüberliegende fünfmännige Stube No. 58, 
so wie No. 69 mit je einem Fall. Auch in einzelnen Staben (welche 
Nummern, ist nicht mehr bestimmt zu ermitteln gewesen) des 2. Stock¬ 
werkes, woselbst, wie gesagt, die innere Station untergebracfht ist, waren 
bezügliche Erkrankungen beobachtet worden. 

Nachdem die Luftuntersucbungen negativ ausgefallen waren, lenkte 
sich meine Aufmerksamkeit auf den Staub in den Dielenritzen und vor 
Allem auf die selbst bei der grössten Reinlichkeit unvermeidlichen Staub¬ 
ansammlungen in den Ventilationsschächten. 

Im Frühjahr 1880 war nämlich auf No. 60 in dem Bett dicht vor 
der Oeffnung des einen Schachtes der an eitriger Kniegelenk¬ 
entzündung darniederliegende, später am linken Oberschenkel amputirte 
Musketier Reitz, 31. Regts., an schwerem Kopferysipel erkrankt. Es folgten 
die Musketiere Böttger, Regts. 76, und der Pionier Kristensen, welche 
zwar nicht unmittelbar an dem Luftschacht selbst, aber doch nicht weit 
entfernt davon inficirt worden waren. Sollte nicht möglicherweise in diesen 
Staubablagerungen der Keim des Erysipels zu finden sein? So weit mir be¬ 
kannt, waren bisher nur der Bacillus des malignen Oedems (Pasteur, 
Koch)*) und eine Bacillenart, welche bei Kaninchen, Mäusen und Meer* 
schweinchen tödtlichen Tetanus hervorrief, in Bodenmassen gefunden 
worden (Nicol aier).**) Die directe Cultivirung obligat - parasitischer 
Bacterien aus dem Boden bedarf aber gar in der Regel des Umwegs durch 
die Infectionsmetbode, „uro ein möglichst reines Ausgangsmaterial für 
Blutserum-Culturen zu gewinnen“ (Hüppe)***). Die Aussichten, mittelst 

*) Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, Band I, Seite 56. 

**) Ueber infectiösen Tetanus, Deutsche medicinische Wochenschrift 1884, 
No. 52. 

***) Die Methoden der Bacterienforschung, Seite 162. 


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de« einfachen Gelatine verfahrene Etwas zu finden, waren also sehr ge¬ 
ringe. Und in der That hatten zahlreiche Aassaaten von Staob aas 
Dielenritzen and verdächtigen Laftscbäcbten anf Gelatineplatten keinen 
Erfolg, so dass ich schon nabe daran war, das Vergebliche meiner Be¬ 
mühungen einzusehen, als ich im April bei Revision einer Platte aas Luft¬ 
schacht, Stabe 60, nicht verflüssigende Colonien bemerkte, welche mir 
von den übrigen in der Form and Farbe, wohl aach der Körnung bei 
schwacher Vergrosserung abzuweichen schienen. Fuchsinpräparate er¬ 
gaben bei der mikroskopischen Durchsicht einen ziemlich grosskörnigen 
exquisiten Kettencoccns. In Präparaten aus dem hängenden Tropfen 
and aas Reincaltaren im Gelatineröhrchen fand sich dasselbe charakte¬ 
ristische Bild. Die weiteren Beobachtungen der Reincaltaren in der 2. 
and 3. Generation, auch auf Agar-Agar, stimmten mit den Angaben der 
Autoren, Fehleisen’s, Koch’s, Rosenbach’s o. A., so genau überein, 
dass ich unter Berücksichtigung der vorgekommenen Infectionen geneigt 
war, den Organismus thatsächlich für den Mikrococcus des Erysipels zu 
halten. Indess widersprach dieser Annahme allerdings die Grösse der 
einzelnen Kokken, sowie das verhältnismässig schnelle Wachsthum der 
Colonien, welche schon nach wenigen Tagen ihre grösste Entwickelung 
erlangt hatten. Ich habe es damals leider im Drange der Arbeiten unter¬ 
lassen, Präparate zu conserviren und nebst Reinculturen des Organismus 
nach Berlin zu schicken, um mir an competenter Stelle eine Entscheidung 
ober den Fund zu erbitten. 

Nach diesen Ermittelungen wurde seitens desLazareths die Reinigung 
und Desinfection von 12 Zimmern nebst Ventilationsschächten, unter 
denen natürlich die an den Erysipelerkrankungen betheiligten Stuben oben¬ 
an standen, angeordoet. Die Desinfection der Schächte geschah beiläufig 
in der Weise, dass dieselben zuerst nach Art der Schornsteine mittelst 
aus groben Lappen bergestellten, durch Gewichte beschwerten grossen 
Kugeln oder Ballen von oben her abgeecbeuert wurden. Alsdann wurden 
5 Tage lang, bei geschlossenen Ventilationsklappen, Cblordämpfe (Chlor¬ 
kalk und Salzsäure) in den Schächten entwickelt; in den letzten 3 Tagen 
mit täglich zweistündiger Ventilation bei geöffneten Klappen. Im Ganzen 
wurden für die 12 Zimmer nebst Ventilationscanälen 12 Kilo Chlorkalk 
und 10 Kilo Salzsäure verbraucht. Neuerkrankungen an Erysipel sind 
seitdem im Lazareth nicht mehr vorgekommen. 

Was die auf klinische Gegenstände bezüglichen Untersuchungen be¬ 
trifft, so wurden zunächst seitens der äusseren Station verschiedener Eit er¬ 
proben, deren ätiologische Natur zweifelhaft war, der bacterio- 
skopischen Station übergeben. 


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Meist handelte es sich um Eiterungen von Sehnenscheiden, Absoe- 
dirungen von Lymphdrusen, um Senkungsabscesse und ähnliche chronische 
Eiterungsprocesse, bei welchen der Verdacht eines tuberkulösen Grund¬ 
leidens vorlag. Indess weder bei der directen mikroskopischen Unter¬ 
suchung von Deckglas-Trockenpräparaten, noch bei Culturversuchen iu 
Fleischbrühe und auf Agar-Agar (Blutserum stand, wie gesagt, nicht zur 
Verfügung) gelang der Nachweis des Tuberkelbacillus. Es gingen zwar auf 
den Agarplatten und im Impfstich im Reagenzglase gewöhnlich Colonien 
bezw. Culturen von meist hellgraugelber oder bräunlicher, resp. weissgrauer 
Farbe auf, welche sich jedoch aus zwei verschiedenen Kokkenarten bestehend 
erwiesen. Am häufigsten war nur die erstere Art allein vorhanden, mit¬ 
unter auch beide zusammen. Sie glichen in ihrem mikroskopischen und 
biologischen Verhalten im Ganzen den als Streptococcus pyogenes und 
Staphylococcus pyogenes albus von Rosenbach*) beschriebenen Eiter¬ 
mikrobien. Interessant hinsichtlich des Verlaufs und bacterioskopischen 
Befundes ist ein Fall von Phlegmone der rechten Gesichts¬ 
und Halsseite. 

Der Musketier Meyer IV. der 1. Compagnie Regiments 76 erkrankte am 
22. November 1884 mit einer Anschwellung der rechten Unterlippenhälfte, die sich 
unter lebhafter Röthung der Haut am 24. November bei der Aufnahme ins Lazareth 
schon auf die rechte Wange, das Kinn und die Unterkinngegend verbreitet hatte. 
Die Härte der Infiltration war bedeutend und nur aus einer kleinen, mit einem Schorf 
bedeckten Hautöffnung an der Unterlippe, welche durch Einschnitt erweitert wurde, 
entleerte sich auf Druck wenig dicker Eiter. Die anfangs geringe Temperatur¬ 
erhöhung steigerte sich in den nächsten Tagen bis 39,6, das Allgemeinbefinden wurde 
schlecht und der Kranke klagte über Bruststiche rechts und Kurzlufitigkeit. Am 
29. November liess sich ein pleuritisches Exsudat rechts hinten unten bis zum 
Schulterblattwinkel constatiren. Gleichzeitig bildeten sich im Bereich der Infiltration 
im Gesicht viele kleine Eiterherde, die theils spontan durchbrachen, theils durch 
Incisionen (im Ganzen 9) geöffnet wurden. Am 8. December traten die Zeichen 
einer trockenen Pleuritis linkerseits auf. Die Incisionsöffnungen entleerten (wie am 
11. December notirt ist) theils guten Eiter, theils eine dünne, mehr jauchige Flüssig¬ 
keit. Am 16. December wurde die letzte Incision gemacht und es begann nunmehr 
die Schwellung und Härte, welche sich bis zum rechten Ohre und über die rechte 
Halsseite ansgebreitet hatte, abzunehmen. Vom 22. December an war Patient fieber¬ 
frei. Die Incisionen heilten jetzt rasch und waren am 28. December sämmtlich ver¬ 
narbt. Auch die pleuritischen Erscheinungen, die Dämpfung über der rechten Brust¬ 
hälfte und das Reiben links, nahmen ab und wurden weniger intensiv. Am 16. Januar 
1885 konnte Patient mit einer noch fortbestehenden leichten Dämpfung rechts hinten 
unten zur Beurlaubung aus dem Lazareth entlassen werden. 

Die aus den Eiterproben aus der Tiefe verschiedener Incisionsöffnungen in 

*) Mikroorganismen bei den Wund-Infections-Krankheiten des Menschen. 


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23 


Gelatineplatten entwickelten Colonien hatten durchweg die gleiche runde Form und 
nahmen allmälig ein dunkelgelbes, bis orangefarbenes Aussehen an. Sie verflüssigten 
den Nährboden langsam, ebenso die Umgebung des Impfstiches im Gelatineröhrchen. 
Mikroskopisch bestanden dieselben aus einem Mikrococcus, dessen Individuen ent¬ 
weder einzeln, irregulär, oder aber haufenweise im Trockenpräparat gelagert erschienen. 
Agar-Agar wurde nicht verflüssigt* Auch auf Kartofielschnitten gedieh der Coccus 
gut. Hiernach war der Organismus mit dem Rosenbach’sehen Staphylococcus 
pyogenes aureus und wahrscheinlich dem der Osteomyelids für identisch zu erachten. 
Es ist zu bedauern, dass nicht auch von dem Pleuraexsudat Proben zur Unter* 
suchung gelangen konnten: denn ich bin überzeugt, dass auch in diesem lediglich der 
betreffende Coccus gefunden worden wäre. 

Die Versuche, aus Typhusblut und Typhussiühlen den Typhus- 
Bacillus zu züchten, waren von keinem Erfolge gewesen. Die Gelatine- 
platten blieben im ersteren Falle meist steril; oder es entwickelten sich nur 
vereinzelte Colonien, welche aus Mikrokokken bestanden, und wahr¬ 
scheinlich eine zufällige Verunreinigung darstellten. Im letzteren Falle 
wurde die Gelatine bei schwacher Verdünnung auf den Platten von 
Fäulnissbacillen entweder so rasch verflüssigt und durchwachsen, dass 
eine Isolirung der zahlreichen Bacterienarten nicht gelang; oder aber es 
gediehen bei den stärkeren Verdünnungen No. 2 und 3 in den Kothplatten 
niemals Organismen, welche bei der weiteren Untersuchung mit dem 
Typhusbacillus Aehnlichkeit gehabt hätten. 

Somit musste gewartet werden, bis eine gelegentliche Section das nöthige 
Material hergab. Indess auch dieses sollte leider nur sehr knapp zugemessen sein. 
Denn als am 29. März der Musketier Schnacken berg, Regiments 31, der Krank¬ 
heit erlag — überhaupt der einzige Todesfall an Typhus im Winter 1884/85 —, 
untersagte der Vater des Verstorbenen die Section nnd ich musste mich auf die 
Entnahme der Milz beschränken. Das Organ wurde 31 Stunden nach dem Tode 
dnreh einen ca. 20 cm langen Schnitt dicht oberhalb des Nabels mit aller Vorsicht 
und mühsam genug herausgefordert. Darauf entnahm ich, unter genauer Beachtung 
der von Gaffky*) angegebenen Cautelen, von den angelegten Schnittflächen der 
Milz Partikelcben, welche sofort in verflüssigte Gelatine zur Herstellung von Platten 
übertragen wurden. Eine Anzahl würfelförmiger Stückchen wurde behufs späterer 
mikroskopischer Untersuchung aus der Milzsubstanz herausgeschnitten und in abso¬ 
luten Alkohol eingelegt. Schon in den gleichzeitig aus dem Milziuneren angefertigten 
Deckglastrockenpräparaten fanden sich in ziemlicher Menge die Eberth-Koch’schen 
Bacillen. Andere Mikrobien waren nicht vorhanden. 

In den Geiatineplatten hatten sich zahlreich Colonien entwickelt, von denen 
keine die Gelatine verflüssigte. Bei schwacher Vergrösserung fanden sich zwei 
Formen, eine fast kreisrunde, gelbbräunlicbe, feinkörnige und eine grauweisse, gelappte, 
blattförmig gestaltete, mit eigentümlichen Verzweigungen. Beide bestanden ans 
Bacillen, von denen indess nur die eine, aus den runden, bräunlichen Colonien, bei 

*) Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, Band II, Seite 386 
und 387. 


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der weiteren Untersuchung (Remculturen im Gelatineröhrchen und auf Kartoffel¬ 
scheiben) die von Gaffky (1. c.) detaillirt geschilderten Eigentümlichkeiten des 
Typhusbacillus zeigte. Doch konnte ich am ungefärbten Präparate — ebenso wie 
dieser Autor — keine Geisselfaden an den Bacillen auffinden. 

In den Schnittpräparaten aus den in Alkohol gehärteten Milzstuckchen, welche 
mit der starken alkalischen (Löffler’schen)*) Methylenblaulösung nach den Angaben 
HG pp e’s**) behandeltwaren, fanden sich stets die Bacillen in der charakteristischen 
nester- oder herdweisen Anordnung. Die Zahl derselben war so gross t dass 
durchschnittlich der 5. bis. 6. von etwa 150 mit dem Doppelmesser ausgefuhrten 
Schnitten, je nach der Grösse 2—5 solcher Nester enthielt Auch hier zeigte sich 
die Eigentümlichkeit des Typhusbacillus, dass er, wie die Recurrensspirochäten, in 
Schnittpräparaten sich schlecht färben lässt. 

Neben den Untersuchungen der Typhusstühle fanden solche von 
Darmentleerungen der verschiedensten Artstatt Hierunterstanden 
die von Kranken mit acuten (mit oder ohne Erbrechen einhergehenden) 
Magendarmcatarrhen herruhrenden obenan. Es ist mir indess in 
keinem Falle gelungen, weder einen dem Koch’schen Cbolerabacillus, 
noch einen dem Finkler-Prior’scben Bacillus in seinem mikroskopischen 
und biologischen Verhalten ähnlichen oder gar gleichen Mikroorganismus 
zu finden. Auch aus den, mehrere Tage lang in offenen Gefässen der 
Fäulniss überlassenen, diarrhoischen Stuhlgängen liess sich niemals, was 
ich besonders hervorhebe, ein mit dem vielbesprochenen Organismus der 
zuletzt genannten Autoren (bekanntlich wurden im Reichsgesundheitsamt 
aus den Finkler-Prior’scben sogenannten „Reinculturen“ ausser 
diesem noch drei andere Mikrobien gezüchtet) identischer Bacillus isoliren. 
Ob dies neuerdings von anderer Seite gelungen ist, habe ich nieht in 
Erfahrung bringen können. 

Iro Vorubergehen sei erwähnt, dass für die rasche Auffindung der 
Pneumonie-Kokken im Sputum bei jedem Stadium der Krankheit 
sich die von Ribbert***) angegebene Färbemethode (Farbstofflosung: 
100 Wasser, 50 Alkohol, 12 Vs Eisessig mit Dahlia in der Wärme gesättigt) 
sehr gut bewährt hat. Doch mochte ich betonen, dass man sich hierbei 
stricte an Ribbert's Vorschriften halten muss: Die Präparate dürfen „nur 
eben“, d. h. nur einige Sekunden mit der Farbstofflosung in Berüh¬ 
rung gebracht werden, um deutliche Bilder und keine Ueberfärbung zu 
erhalten. Die Kokken erscheinen alsdann tiefblau, die sogenannte Kapsel 
hellblau gefärbt. Ich habe diese Mikrobien in keinem pneumonischen 

*) Mittheiluugen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, Band II, Seite 439. 

**) 1. c., Seite 63. 

***) Deutsche medicinische Wochenschrift 1885, No. 9. 


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Sputum vermint; and zwar waren dieselben stets am zahlreichsten in 
der Periode der rostfarbenen Beschaffenheit des Answurfs. Zur Section 
eines Pnenmonikers ist es im Winter 1884/85 nicht gekommen, so dass 
ich ober den eventuellen Lungenbefund nichts aassagen kann. Unter¬ 
suchungsobjecte durch Aspiration aus der Lunge mittelst der Pravaz- 
sehen Spritze intra vitam zu gewinnen, hielt ich bei unserem Kranken¬ 
material — wie ich meine, mit Recht — nicht für angebracht 

Untersuchungen von Sputis auf Tuberkelbacillen wurden im 
Jahre 1884/85 zusammen bei 107 Kranken ausgefdbrt ln dieser Zahl 
sind alle überhaupt mit Lungenkrankheiten (also auch die mit leichten 
catarrhalischen Affectionen) zngegangenen Mannschaften, mit Ausnahme 
der Pneumoniker, begriffen. Es wurden im Ganzen gerade 400 Prä¬ 
parate angefertigt — also 4 auf jeden Untersuchten — und im Ganzen 
17 Falle von Lungentuberkulose constatirt, von welchen 6 mit dem Tode 
abgingen. (Die Leute kamen auffalligerweise meist in so weit vor¬ 
geschrittenem Stadium der Krankheit in Zugang, dass die Entlassung 
nicht mehr rechtzeitig erfolgen konnte.) 

Die Untersuchungen selbst geschahen anfangs nach der von mir in Heft 3, Jahr 
gang 1884 der „Deutschen Militärärztlichen Zeitschrift“ besprochenen Methode mittelst 
einfacher wässriger Fuchsinlösung als Tuberkelfarbe und Malachitgrün als Grundfarbe, 
ln letzter Zeit wurde lediglich das modificirte Ehrlich’sche Verfahren nach den 
Angaben Gaffky’s*) (Anilinwasser-Methylviolett und Bismarckbraun) angewandt 
Bemerkenswerthe Beobachtungen wurden hierbei nicht gemacht; ausser etwa der, dass 
ich die betreffenden Bacillen einmal in einem aus Wandsbeck stammenden Urin 
(in 4 unter 10 Präparaten) nachweisen konnte. In dem betreffenden Falle wurde bei 
der Section Tuberkulose des einen, ich glaube des linken, Nierenbeckens gefunden. 
Im Blute habe ich bisher noch bei keinem Tuberkulösen die Bacillen gefunden. 
In einem Falle, Sergeant Babbel, Regiments 76, welcher sich durch häufige, mehr 
oder minder reichliche Lungenblutungen und deutliche Verdichtungserscheinungen 
in der reehten Lungenspitze auszeichnete, konnten in 60 bis 80 Präparaten keine 
Bacillen naebgewiesen werden. Der Mann wurde als Invalide entlassen und konnte 
daher nicht weiter controlirt werden. — Bei den übrigen Kranken handelte es sich 
überall um unzweifelhafte Tuberkulose, wie der weitere Verlauf lehrte, und der 
erste Befund des Auswurfs, welcher später stets Bestätigung fand, hatte zur Stellung 
der Diagnose genügt. Die sofortige Meldung des betreffenden Kranken alB dienst¬ 
unbrauchbar an das Lazareth bezw. den Truppentheil war somit gerechtfertigt Die 
vorübergehende Anwesenheit von Tuberkelbacillen, wie sie Leyden bei nicht 
tuberkulösen Hospitalkranken im Auswurf als zufällige „Verunreinigung“ fand, 
wurde hier niemals beobachtet. Immerhin aber mahnen derartige, wenn auch höchst 
seltene, Vorkommnisse zur Vorsicht; und man wird gut thun, bei der Beurtheilung 
einschläglicher Fälle stets an der alten Regel festzuhalten, bei Gegenwart weniger 
Exemplare des Tuberkelbacillus die Untersuchung des Auswurfs an mehreren 
Tagen zu wiederholen. 

*) Bo er li er’s Reichs-Medicinal-Kalender 1884, Seite 108 u. f. 


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Noch einer Untersuchungsreibe möchte ich in Kurze gedenken, 
welche, obgleich resultatlos, doch immerhin einiges Interesse in sich 
schliesst. 

Bisher ist es bekanntlich nicht gelungen, die in die Gruppe der 
Spirochäten gehörigen Mikroorganismen (die Spirochäte des Rackfalls¬ 
typhus sowohl, als die des Zabnschleims) auf künstlichem festen Nähr¬ 
boden zu cultiviren. Um nun diesem Problem eventuell näher za 
kommen, stellte ich mir folgenden Nährboden dar: Von ca. 50 Leicht¬ 
kranken sammelte ich den Mundspeichel, wie er bei Saugbewegungen in 
reichlicherer Menge ausströmt, in einem Kochkolben. Ich gewann auf 
diese Weise zu meiner nicht geringen Ueberraschung nicht mehr als ca. 
100 ccm Speichel. Diesen behandelte ich genau so, wie es bei Her¬ 
stellung der Löffler’schen Fleischwasser-Pepton-Gelatine mit dem aus¬ 
gepressten Fleischwasser geschieht. Es wurden demselben indess nur 
10% Gelatine und 1 % Pepton, aber kein Kochsalz zugesetzt, um den 
Salzgehalt deB Speichels nicht künstlich zu vermehren, und das Ganze 
bis zur Lösung der Gelatine erwärmt. Die Hälfte wurde darauf mit 
Natrium carbon. pur. neutralisirt, die andere mit Milchsäure schwach 
angesäuert. Hierauf wurde das Gemenge l 1 /* Stunden im Wasserbadc 
gekocht und noch warm filtrirt, welche letztere Procedur äusserst 
langsam von statten ging, wohl des Schleim geh alta des Speichels wegen. 
Das Filtrat war indess verhältnissmässig recht klar, und sah fast aus, 
wie ein gut gelungener Agar-Agar-Nährboden. Jetzt suchte ich mir unter 
den Kranken des Lazareths einen Mann mit reichlichem Spirochäten¬ 
gehalt der Mundil ussigkeit bezw. des Zahnschleims und inficirte in der 
gewöhnlichen Weise die hergestellte Speichelgelatine. In den Platten 
wuchsen regelmässig Colonien, indess stets nur verhältnissmässig wenige. 
Darunter waren nur ein kurzer, dicker, den Nährboden ziemlich schnell 
verflüssigender Bacillus, und einige Kokkenarten, aber niemals eine 
Spirochäte. In dem neutralisirten bezw. schwach alkalisch gemachten 
Nährboden gediehen immer zahlreichere Colonien, als in dem schwach¬ 
saueren; und zwar überwogen in letzterem regelmässig die Schimmelpilze. 
Das Resultat war bei vier anderen bezüglichen Kranken dasselbe negative. — 
Ob übrigens die interessante Beobachtung von Rosenbacb*), wonach 
sich in dem Eiter einer von einem Menscheifbiss herrührenden Wunde am 
Daumen neben anderen Bacterien auch „Spirillen in grosser Menge tt fanden, 
von anderer Seite Bestätigung gefunden hat, ist mir nicht bekannt. — 


*) 1. c., Seite 77 und 78. 


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Billroth hat allerdings bereits einmal in einem Falle von Noma beider 
Wangen nach Variola, bei welchem mehrere Monate nach der Entlassung 
ans dem Spital wieder gangränöse Ulceration in der Narbe eingetreten 
war, eine feinste „lebhaft springende Spirobacteria 4 gesehen. „Da sich 4 , 
wie Billroth sagt, „Spirillium besonders bei Fäulniss pflanzlicher Stoffe 
entwickelt, so vermnthe ich, dass dasselbe aus den zwischen den Zahnen 
faulenden Speiseresten (das Kind konnte den Mond nicht offnen) ent¬ 
standen war. 4 

Ebenso fand Frisch in dem Brei eines fast handtellergrossen 
phagedänisch-gangränosen Geschwürs am Arm eines Knaben auf der 
Billrot huschen Klinik ausser Mikrokokken auch „feinste springende 
SpirOlien 4 . Billroth schienen dieselben der Beschreibung nach „mit den 
von Obermeier bei Febris recurrens gesehenen Spiriilien übereinzu¬ 
stimmen *.*) 

An die vorstehende Darstellung mochte ich folgende Schlussbe¬ 
trachtungen anschliessen. 

Aus den vorgenommenen Wasseruntersocbungen geht hervor, dass 
die Trink- und Gebraucbswässer hiesiger Gegend eine ziemlich ein¬ 
förmige Flora der niedersten Spaltpflanzen beherbergen. Der in allen 
Wasserproben gefundene, einen grünen Farbstoff erzeugende Bacillus 
scheint eine sehr weite Verbreitung zu besitzen, oder vielmehr ein con- 
stanter Bewohner des Wassers zu sein. Denn auch in den während 
des Choleracursus in Berlin untersuchten Wasserarten habe ich ihn 
fast regelmässig gesehen. 

Die Thatsache, dass die Resultate der chemischen und der bacterio- 
skopischen Wasseruntersuchung sich nicht immer decken, ist durch 
obige Beobachtungen bestätigt worden. Es folgt hieraus, dass die bis 
jetzt fast noch immer in der Militärpraxis üblichen alleinigen chemischen 
Untersuchungen der Brunnen, Wasserleitungen u. 8. w. der militärischen 
Etablissements keinen sicheren Anhalt für den hygienischen Wertb- 
oder Unwerth der betreffenden Wasserarten darbieten können. Ja, es 
kann Vorkommen, dass chemisch relativ gutes Wasser einen so grossen 
Reichtbum an Mikroorganismen bezw. deren Keimen besitzt, dass es 
vom Gebrauch ausgeschlossen werden muss; und umgekehrt, chemisch 
stark verunreinigtes Wasser nur wenige Keime zur Entwickelung 
kommen lässt. Da nun ausserdem von der chemischen Untersuchung 
wohl niemals Aufschluss über die Art der Organismen, ob pathogen, 

*) Untersuchungen über die Vegetationsformen von Coccobacteria septica 
u. s. w. von Th. Billroth. Berlin 1874 (Seite 93 bezw. 186). 


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28 


ob nicht pathogen, erwartet werden darf, so gestaltet sieb die 
gleichzeitige hacterioskopische Untersuchung eines zu Nutz- 
und Trinkwasser bestimmten Wassers geradezu zur absoluten Not¬ 
wendigkeit Hiermit soll indess der chemischen Wasseruntersuchung 
keineswegs jede Bedeutung abgesprochen werden. Die Bestimmung des 
Gehalts eines Wassers an Chlor- und Stickstoffverbindungen wird 
vielmehr stets ihren Werth behalten, weil sie, wie Hüppe*) sich aus- 
druckt, „einen Anhalt dafür geben, dass das Wasser mit Oertlichkeiten 
in Verbindung steht, in denen biologische Processe noch nicht zur Ruhe 
gekommen sind, sei es, dass die Nitrite durch Oxydation oder Reduction 
entstanden sind“. — Nun sind wir allerdings über den einen Punkt 
Alle einig: Wasser, in welchem auch nur ein einziges Individuum 
eines pathogenen Mikroorganismus mit Sicherheit als solches 
festgestellt wurde, ist sofort ausser Gebrauch zu setzen. 
Eine zweite Frage dagegen, unter welchen Bedingungen ist letzteres auch 
für ein Wasser gültig, bei welchem dieser Nachweis nicht gelang, 
es sich vielmehr nur um die sogenannte „Verunreinigung“ an sich 
handelt, harrt noch der Antwort. Ich habe mir hier zu helfen gesucht 
und aus rein praktischen Gründen, um direct vergleichbare Werthe zu 
gewinnen, den oben geschilderten Wasser Untersuchungen eine bestimmte 
Zahl zu Grunde gelegt: eine Wasserart, sei es welche es sei, glaubte 
ich vom sanitären Standpunkte aus verwerfen zu sollen, wenn 
1 ccm derselben mehr als 500 entwickelungsfähige Keime 
enthielt. Wenn man bedenkt, dass dies auf 1 Liter Wasser schon ca. 
500000 solcher Keime ansmacht, so wird die genannte Zahl gewiss 
nicht als zu niedrig gegriffen erscheinen. Nun wird ja allerdings durch 
den Magensaft vielleicht noch eine grössere Anzahl von Keimen ver¬ 
nichtet bezw. entwickelungsunfahig gemacht Indess sind uns, um mich 
so auszudrücken, die „specifischen Energien“, welche die einzelnen 
Bacterienarten] dem lebenden Organismus gegenüber besitzen, noch lange 
nicht bekannt genug, und wir wissen nicht, wann und unter welchen 
Bedingungen einmal ihre Thätigkeit den Chemismus der Magendrüsen 
derart beeinträchtigt, dass ernstere Verdauungsstörungen die Folge sind. 
Daher ist es gut, hier lieber ein „Zuwenig“, als ein „Zuviel“ zuzulassen. 
Ich bemerke indess, um jedem Irrthum vorzubeugen, ausdrücklich, dass 
die oben genannte Zahl eine ganz willkürliche ist und nicht etwa die 
Bedeutung eines sogenannten „Grenzwerthes“ haben soll. 


*) 1. c., S. 162. 


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Denn wenn sich derartige Grenzwerthe schon bei der chemischen Unter¬ 
suchung nicht haben halten lassen, so wird dies bei der bacterio- 
skopiachen sicherlich noch weniger der Fall sein. Man muss vielmehr 
alle Verhältnisse, örtliche, biologische and chemische Untersuchung be¬ 
rücksichtigen und darauf hin dann sein Urtheil in jedem specieUen 
Falle abgeben. 

Um rigoroser muss deshalb aber auch bei der Beurtheilung 
von künstlichen Mineralwässern vorgegangen werden. Denn gerade hier 
lebt das grosse Publikum in dem irrigen Glauben, das betreffende 

Wasser sei absolut ungefährlich, und wiegt sich — und die Aerzte 
nicht minder — in Zeiten einer Epidemie in Schlummer. Was kann 

es z. B. nutzen, wenn man beim Herrschen der Cholera in einem Orte 

nur gekochtes Wasser zum Genuss zulässt, und nebenbei Selterwasser 
erlaubt, welches, wie das Altonaer, und ich bin überzeugt, das der 
meisten anderen Städte, aus gewöhnlichem Fluss- oder Brunnenwasser 
hergestellt wird? Den Cholera-Vibrio, den ich durch das Kochen 
sämmtlicher Trink- und Gebrauchswässer in einem Hause vernichtet 
habe, schleppt die nächste Mineralwasserfabrik wieder ein. 

Das ist scr eine kleine Dosis Pettenkofer’scher „zeitlicher und localer 
Disposition“! Hierin beruht eben die enorme Gefahr eines derartigen 
Geschäfts- und Fabrikbetriebes, welcher nicht scharf genug gegeisselt 
werden kann. Die Mainzer Epidemie hat ja bereits einen handgreiflichen 
Beweis für diese Verhältnisse geliefert Hoffen wir, das die Behörden 
keine weiteren abwarten, sondern es sich angelegen sein lassen werden, 
diesen Industriezweig durch gesetzliche Bestimmungen recht bald in 
richtige Bahnen zu leiten. Hierher gehört vor Allem bei der Fabri¬ 
kation von Mineralwässern jeder Art das Verbot der An¬ 
wendung ungekochten bezw. nicht destillirten Wassers. 
Denn durch ’/t~bis lstundiges Kochen werden alle bekannten Keime ge- 
tödtet.*) Ich würde indess auch die Anwendung unzweifelhaft guten, 
filtrirten Leitungswassers zur Selterwasserbereitung zulassen, wenn 
eine sichere Garantie dafür geboten wäre, dass erstens die Filter in be¬ 
stimmten, möglichst kurz bemessenen Zeitabschnitten gründlich gereinigt 
bezw. desinficirt, und zweitens das Wasser selbst einer periodischen 
chemisch bacterioskopischen Untersuchung unterworfen würde. Doch 
genug mit diesen Andeutungen! — 


*) Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte, Bd. I., 1881, Seite 
322 u. f. 


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Bezüglich der Technik der Wasseruntersuchungen sei noch be¬ 
sonders betont, dass es erstens absolut nothwendig ist, die Wasserproben 
in vollkommen sterilisirten Gefässen aufzunehmen, wenn das 
Resultat der Untersuchung ein reines sein, d. h. der Wirklichkeit ent¬ 
sprechen soll. Die Bacterien besitzen eine Schleimhülle, erzeugen eine 
Art sahen Klebestoffs (Zoogloeabildungen!), mittelst welches sie an den 
Wänden der gebrauchten Gefässe, beim Offenstehen derselben zugleich 
mit allen möglichen Staubtheilchen, festbaften. Das blosse beliebte Aus¬ 
spülen der fraglichen Flaschen mit dem zu untersuchenden Wasser ge¬ 
nügt daher keineswegs^ wovon ich mich wiederholt uberzeugt habe, 
diesen Belag von den Glaswänden fortzunehmen. Wird nun eine so be¬ 
handelte Flasche noch gar mit einem alten, gebrauchten Bierpfropfen 
zugepfropft, so dient dies höchstens nur dazu, den wirklichen That- 
bestand noch mehr zu verdunkeln und Verunreinigungen zu schaffen, 
welche zu den irrigsten Schlössen und Urtbeilen führen können oder 
müssen. Ob nicht z. B. bei den Wasserproben aus Wandsbeck derartige 
Verhältnisse zu den verschiedenen Ergebnissen der einzelnen Unter¬ 
suchungen mitgewirkt haben, lasse ich dahingestellt. Hieraus folgt, 
dass innerhalb des Corpsbereichs von der bacterioskopischen Station 
aus sicher sterilisirte, mit gleichem Verschluss versehene Gefasse 
an den Ort, von welchem das zu untersuchende Wasser entnommen 
werden soll, geschickt werden müssen. Diesen ist zugleich eine 
schriftliche Anweisung für die zweckmässigste Entnahme der Probe bei¬ 
zugeben. Zweitens aber ist es von grösster Wichtigkeit, dass die 
Untersuchung möglichst unmittelbar nach der Entnahme des 
Wassers begonnen und nicht erst 24Stunden damit gewartet werde 
Denn schon im Laufe des ersten Tages, bei grosser Hitze innerhalb 
weniger Stunden, beginnt die Tbeilung, die Vermehrung der Bacterien. 
Da diese nun bekanntlich in ganz colossalen Progressionen vor sich 
zu gehen pflegt, so wird das Ergebniss der Untersuchung mit jedem 
späteren Tage unrichtiger, und unter Umstanden aus einem an sich 
sehr guten, reinen Trinkwasser am Ende ein absolut verwerfliches. 
Das sind alles Schwierigkeiten, welche bei der bacterioskopischen 
Untersuchung durchaus in Rechnung gezogen werden müssen. Aber 
nicht bloss bei der bacterioskopischen, wie mir scheinen will. Nein, 
auch der Chemiker muss die Wasserprobe in möglichst unverfälschtem 
Zustande in Angriff nehmen. Ich bin überzeugt, dass eine Reihe von 
Differenzen zwischen der chemischen und bacterioskopischen Unter¬ 
suchung zum nicht geringen Theil darauf beraht, dass die beiden 
Untersuchungsarten zeitlich zu sehr auseinander lagen. 


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Denn eia für beide Untersuchungen gleichzeitig entnommenes 
Wasser, welches erst 6—8 Tage im Laboratorium gestanden bat, ehe 
an dessen Prüfung herangegangen wurde, hat inzwischen eine ganz 
enorme Vermehrung der organischen Keime und durch deren Lebens- 
process mancherlei Umwandlungen erfahren (Oxydationen der Stick- 
stoffverbindungen und dergleichen), welche der chemischen Reaction 
schlechterdings nicht entgehen können. Also auch hier sterile Gefasse 
und sofortige Untersuchung! — Die Conseqqenzen für die Praxis im 
Corpsbereich ergeben sich hieraus von selbst: Die entfernteren Garni¬ 
sonen, bei denen der Transport eines Wassers über zweimal 24 Standen 
dauert, werden in der Regel auf ein sicheres Untersuchungsresultat ver¬ 
zichten und sich mit mehr oder minder grossen Wahrscheinlichkeiten 
begnügen müssen; es musste denn die Untersuchung zufällig an Ort 
und Stelle selbst eingeleitet werden können. 

Wenn nun aber innerhalb eines Corpsbereichs die bacterioskopische 
Untersuchung eines jeden Trink- und Gebrauchswassers unumgänglich 
nothwendig ist, so ist klar, dass die Arbeiten der betreffenden Station 
tun ein ganz Bedeutendes zunehmen werden. Die Nothwendig- 
keit, dass in jedem Armee-Corps eine bestimmte Persönlichkeit für 
diese Untersuchungen commandirt werden muss, welche von anderen 
Dienstverrichtnngen, und zwar dauernd, so viel als möglich befreit ist, 
tritt daher immer gebieterischer hervor. Denn gerade die bacterio- 
skopischen Arbeiten sind äusserst mühevoll und zeitraubend und bean¬ 
spruchen die vollste Hingabe eines Menschen an die Sache, wenn sie 
von Nutzen und Erfolg sein sollen. 

Hieraus ergiebt sich aber ferner, dass die betreffenden Stationen 
selbst mit viel reicheren Hülfsmitteln und Einrichtungen, vor Allem für 
das Thierexperiment, ausgestattet werden müssen, damit die Unter¬ 
suchungen auch den richtigen Abschluss finden können. 

In welcher Weise dies Alles zu erreichen sei, gehört indess nicht 
in den Rahmen dieser Arbeit und ich schliesse mit dem Wunsche, dass 
die obigen Andeutungen an maassgebender Stelle einer wohlwollenden 
Beurtheilong und Erwägung unterworfen werden möchten. 

Hamburg, Ende September 1885. 


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Die Eisenbahn- Sanitätszüge der französischen Armee. 

Von Stabsarzt Körting. 


Art. 112 der französischen Kriegs-Sanitäts-Ordnung vom 24. August 1884 bezw. 
Art. 158 des Reglements über die militärischen Transporte vom 29. October 1884 
schreiben für den Evacuationsdienst im Kriege drei Arten von Zügen vor: 

1) Trains sanitaires permanente, Lazarethzüge; 

2) Tr. sanit improvises Hnlfslazarethzüge; 

3) Tr. Bpeciaux oder convois de malades, Krankenzfige; 

deren Zweck und Dienstbetrieb sich mit dem der entsprechenden deutschen For¬ 
mationen (K. S. O. § 139 u. 140) deckt. Hier soll uns die Einrichtung kurz be¬ 
schäftigen. Die Darstellung wäre schon früher gegeben worden, wenn nicht erst in 
neuester Zeit etwas über die Einrichtung der eigentlichen Lazarethzüge rerlaut- 
bart wäre. Zur Zeit des Erlasses oben gedachten Reglements war über diesen Punkt 
noch nichts beschlossen; auch jetzt sind uns Vorschriften noch nicht zu Gesicht ge¬ 
kommen. Doch bringt das französische militärärztliche Arehiv # ) aus der Feder des 
literarisch wohlbekannten Medecin major Granjux eine ziemlich genaue Mittheilung y 
deren Veranlassung in den Zweifeln eines andern französischen Fachschriftstellers 
an der Kriegsbereitschaft Frankreichs auf diesem Gebiete zu suchen ist. 

Die Bereitstellung der Trains sanitaires permanente ist zu keiner Zeit 
aus den Augen gelassen worden. Da aber diese Frage angesichts der ausreichend 
vorhandenen Transportmittel für improvisirte Lazarethzüge**) keine drängende war, 
hat man erst die bekannten und empfohlenen Systeme studiren wollen, ehe man an 
die Beschaffung eines so kostspieligen Materiales ging. 

Nach zahlreichen Versuchen ist jetzt folgender Plan festgestellt worden, der 
vorbehaltlich einiger noch stattfindender Versuche wohl zur Ausführung gelangen 
dürfte: Der Zug besteht, ausschliesslich Maschine und Tender, aus 23 Wagen und 
zwar: 

16 Krankenwagen zu je 8 Betten, 

1 Arztwagen, 

1 Gehülfenwagen, 

1 Küchen wagen, 

1 Küchentender, 

1 Apotheken wagen, der auch die Wäschevorräthe aufnimmt, 

1 Güterwagen als Lebensmittelmagazin, 

1 desgl. für schmutzige Wäsche und Brennmaterial. 


*) No. 19 v. 1. Oct. 1885 S. 283. 

**) Und angesichts der bisher mangelnden Bereitwilligkeit der französischen 
Eisenbahngesellschaften, an ihrem rollenden Material Abänderungen zuzulassen, welche 
dessen schnelle Umwandlung in Lazarethzüge gestatten würden. Vgl. du Cazal und 
Zuber, Deutsche militärärztl. Zeitsehr. 1883 S. 543. 


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33 


Wie bei uns, hat man hinsichtlich der Waggons darauf verzichtet, eigene Con- 
atructionen hersteilen zu lassen, die im Frieden in den Schuppen verrotten wurden und 
dann im Gebrauchsfalle nicht zu benutzen wären. Es ist vielmehr als Grundtypus 
der gewöhnliche Güterwagen für Marktwaaren angenommen worden. Man lässt ihn 
20 cm höher bauen und mit Federn versehen, die ohne grosse Muhe so vermindert 
werden können, dass die Elasticität der Personenwagen 2. CI. erreicht wird. An 
den Stirnseiten erhalten die Wagen Thören nebst Gallonen und Laufbrücken für 
den Verkehr untereinander, über diesen Thüren werden kleinere Klappfenster an¬ 
gebracht; grössere, nach Art der in den Personenwagen vorhandenen, kommen' in der 
Mittelthür jeder Langwand — die für den Friedensgebrauch der Wagen beibehalten 
wird — zur Anwendung. Ein laternenartiger Aufsatz mit Jalousieklappen auf der 
Mitte des Waggondaches dient den Zwecken der Erleuchtung wie der Ventilation. 

Der Fussboden wird mit Linoleum belegt; er erhält eine verschliessbare Oeffnung, 
um Abgänge direct auf die Strecke werfen zu können. Die Heizung wird durch 
eiserne Oefen vermittelt. 

Im Arztwagen ist ein Aufenthaltsraum mit 3 Bettstellen, ein Büreau, ein Closet etc. 
vorgesehen; der Wagen für die Infirmiers erhält dieselbe Lagereinrichtung wie die 
Krankenwagen. In den letzteren ruhen die Betttragen (oder Tragbetten, Brancards- 
eouchettes) mit beiden Enden auf metallenen Leisten in einem verticalen Holzrahmen, 
der seinerseits auf dicken Filzstücken steht. Hier ist ein wesentlicher Unterschied 
von den deutschen Einrichtungen, indem nur der Wagen in Federn hängt, nicht 
auch die Bettstatt oder ihr Gestell. Jeder Wagen enthält 8 Lagerstellen in der 
selben Anordnung, wie beim Hamburger System der deutschen Hülfslazarethzüge. 

Der Köchenwagen ist mit einem grossen Kochherd ausgestattet. Ausser dem 
sonst nöthigen Inventar besitzt er 4 Wasserbehälter, die sowohl nach Art der Tender 
von aussen als auch mittelst einer Pumpe von innen gefüllt werden können. Die 
Magazinwagen erhalten keine besondere Einrichtung. Sie sowohl wie alle übrigen, 
mit Ausnahme der Krankenwagen, werden mit Bremsen versehen. 

Das Inventar der Lazarethzüge verbleibt unter allen Umständen bei denselben 
ea wird mit einer auffallenden Marke gezeichnet, um ein Abhandenkommen möglichst 
zu verhüten. 

Die geschilderte Formation ist im Ganzen den Vorschriften der deutschen Kriegs- 
Sanitäts-Ordnung ähnlich. In Einzelheiten war natürlich das in Frankreich gegebene 
Material maassgebend. So namentlich hinsichtlich der Krankenwagen, für welche 
Güterwagen in Aussicht genommen werden mussten, da es, soviel bekannt, Personen¬ 
wagen 4. Classe dort nicht giebt. Unschwer erkennt man die rationelle Verwerthung 
der Erfahrungen der Berliner Ausstellung von 1883, so besonders in der Annahme 
der Betttrage, welcher die bayerische Construction vorgeschwebt zu haben scheint. 


Wenden wir uns zu den Trains sanitaires improvises, so begegnen wir 
hier einer schon seit längerer Zeit vorbereiteten Organisation, deren genaue Be¬ 
schreibung in Art 160 und Anl. V des Militär-Transport-Reglements von 1884 ge¬ 
geben ist Auch hier ist das Vorbild unverkennbar. 

Diese Züge werden aus bedeckten, möglichst neuen Güterwagen zusammengesetzt, 
welche im Augenblick des Gebrauches von den Evacuationshospitälern (unseren Kranken- 
transportcommissionen^ mit der erforderlichen, leicht anzubringenden und zu ent- 

3 


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34 


'lernenden Ausrüstung versehen werden. Die Wagen erhalten dann das Neutralitäts- 
Zeichen. Hat der Zug seine Verwundeten abgegeben, so werden jene Zeichen bis 
auf diejenigen Wagen entfernt, die das Material dem Evacuationshospfital wieder 
znzuführen haben. Der Zug wird folgendennaassen geordnet: 

1 Dienstwagen, 

6 Krankenwagen, 

1 Effectenwagen, 

6 Krankenwagen, 

1 Wagen für das obere Personal, 

5 Krankenwagen, 

1 Lebensmittel- und Apothekenwagen, 

6 Krankenwagen, 

1 Packwagen. 

Auch bei grosserem Bedarf soll die Zahl von 35 Wagen für einen Zug nicht über 
schritten werden. 

Die Befestigung der Tragen geschieht durch Suspension und zwar in einer An¬ 
ordnung, welche dem System der Tragenaufstellung auf Grund'schen Blattfedern 
ähnlich ist. Auch beim französischen System sind rechts und links der Mittelthür 
des Waggons 2 Querbalken in geringer Höhe über dem Boden angeordnet, auf denen 
je 3 Tragen nebeneinander stehen. Der Unterschied ist der, dass die Tragbalken 
nicht auf Federn ruhen, sondern mittelst Federapparaten an den Wänden aufgehängt 
sind. Horizontale Schwankungen werden durch eine von der Mitte jedes Tragbalkens 
nach dem Fussboden gehende und dort befestigte Spirale ausgeglichen. Im Noth- 
falle dürfen Lagerstellen durch Strohsäcke improvisirt werden, die dem Boden 
direct aufliegen. Die Verwepdung von Krankentragen ohne federnde Unterlage ist 
verboten, mindestens müssen dieselben mit den Enden auf dicken Stroh- oder Reisig¬ 
rollen sicher befestigt werden. Wie bei den deutschen Zügen Grund’schen Systems, 
kommen auch hier nur 6 Kranke auf den Wagen, eine Zahl, die im Verhältniss 
zu dem bedeutenden unbenutzt bleibenden Raume des Wagens entschieden zu gering 
ist, namentlich in der Zeit, wo man der Hülfslazarethzüge am dringendsten benöthigt, 
bei Massenevacuationen nach grossen Schlachten. 

Die schon zum Friedensgebrauch vorhandenen Ventilationsöffnungen der Wagen 
sollen an einer Seite stets offen gehalten werden. Um Zugluft und das Eindringen 
von Staub zu vermindern, ist ihr Verschluss durch Verbandmull empfohlen, der un¬ 
verbrennlich präparirt werden soll. Zur Erwärmung dienen die mit heissem 
Wasser zu füllenden Heizkörper, welche in den Personenwagen üblich sind. Unter 
jede Trage soll ein solcher geschoben und rechtzeitig erneut werden. Es dürfte 
zu bezweifeln sein, dass hierdurch bei harter Kälte eine genügende Erwärmung zu 
erreichen ist. 

Beim Verladen der Kranken wird empfohlen, Patienten, die unterwegs ärztlicher 
Hülfe bedürfen könnten, in die Mitte zu lagern; immerhin wird schleuniger Beistand 
schwer zu haben sein, da eine Communication zwischen den einzelnen Wagen während 
der Fahrt ausgeschlossen ist. _ 

Der Transport sitzender Kranker und Verwundeter geschieht entweder in 
gewöhnlichen Zügen, die zum Truppentransport gedient haben, oder in S p e ci al zügen, 
die dann den Namen Convois de malades annehmen. Die Wagen 1. und 2. CI- 


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sind den Offizieren 'und denjenigen Kranken des Mannschaftsstandes Vorbehalten, 
die besonderer Schonung bedürfen. Krankenzüge sollen überhaupt nur zusammen¬ 
gestellt werden, um aussergewöhnlichen Anhäufungen von Eiranken und Verwundeten 
bei Epidemien oder nach grossen Schlachten vorzubeugen. Es ist deshalb ausnahms¬ 
weise gestattet, auch Transportzüge, welche Truppen herangeführt haben, so wie sie 
sind, zur Zurückschaffung sitzend zu befördernder Verwundeter zn benutzen, — der 
einzige Fall, in welchem für diese Kategorie von Transporten auch Güterwagen zur 
Verwendung kommen. 

Ans den allgemeinen Bestimmungen sind folgende erwähnenswerth. Die Trains 
sanitaires permanents haben ein ständiges Personal unter Leitung eines Chefarztes. 
Den Trains sanitaires improvises wird dasselbe von dem Evacuationshospital mit¬ 
gegeben, dem ihre Aufstellung zufallt. Convois de malades erhalten kein ärztliches 
Personal. Die Verpflegung wird nur auf den eigentlichen Lazarethzügen bereitet; 
die beiden anderen Kategorien sind auf die Bahnhofsinfirmerien angewiesen, denen 
hinsichtlich der Krankenzüge auch die Besorgung von Nachtquartier und die ärztliche 
Revision der Transportarten obliegt. Die Fahrgeschwindigkeit aller Sanitätszüge 
soll 40 km in der Stunde nicht überschreiten. 


Die freiwillige Krankenpflege hat ebenfalls die Berechtigung, permanente Sanitäts¬ 
züge aufrustellen. Sie sind in ihrer Organisation den staatlichen durchaus gleich zu 
gestalten, stehen nach Vollendung ihrer Mobilisirung zur Verfügung des Kriegs¬ 
ministeriums und werden von diesem —* genau wie die staatlichen — auf Vorschlag 
des Chefs des Feld-Sanitäts-Wesens den einzelnen Armeen zugetheilt. Für den 
Dienst der ausschliesslich staatlichen improvisirten Sanitätszüge kann die Gesellschaft 
ein von ihr ausgewähltes Personal an Aerzten und Inürmiers zur Verfügung der 
Militärbehörde stellen. Die Verwendung desselben wird sodann vom Etappendirector 
geregelt. Wir sehen auch hier, wie in der gesummten Organisation des französischen 
Rothen Kreuzes,*) dass die Freiwilligkeit mit der Bereitstellung der Mittel im Wesent¬ 
lichen ihr Ende erreicht, die weitere Verfügung bleibt der Militärbehörde unbeschrankt 
▼orbehalten. 


Referate und Kritiken. 


Sanitätsbericht über die Deutschen Heere im Kriege gegen 
Frankreich 1870/71, Herausgegeben von der Mil. Mediz. Abth. des 
Prenss. Kriegs-Minist. 7. Band:**) Traumatische, idiopathische und 
nachInfectionskrankheiten beobachtete Erkrankungen des Nerven¬ 
systems. Quart. 480 S. mit 6 lithograpb. Tafel, 1 Tafel in Lichtdruck 
and 33 Zeichnungen im Text. Berlin 1885. E. S. Mittler & Sohn. 

„Es haben ihr Schicksal die Bücher“ — das Schicksal des vorliegen¬ 
den wird es sein, nicht nur dem Deutschen Sanitats-Offiziercorps, das in 

*) Vergl. Deutsche militärärztl. Zeitschr. 1884 S. 517. 

**) Ueber die Stellung dieses Bandes im System des Werkes und die bereits 
erschienenen Bände cfr. diese Zeitschr. 1884 S. 432. 467. 500. 

3* 


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seiner Gesammtheit daran mitgearbeitet hat, zur Ehre* zu gereichen, son¬ 
dern für jetzt und für kommende Geschlechter eine Zierde zu bilden für 
die Wissenschaft und die ganze Nation. 

Die selbstlose, entsagende und hingebende Arbeit, welche die Deutschen 
Sanitäts-Offiziere am Krankenbett im Felde und im Frieden leisteten, die 
Mühe, welche sie verwandten, die einzelnen Krankheitsfälle zu fixiren, 
Berichte und Rapporte über ihre Beobachtungen aufzustellen, die sorg¬ 
fältigen Beurtheilungen in den Invaliden-Attesten und bei Superarbitri- 
rungen — all 1 die Arbeit, die sonst als ungehobener Schatz in den Akten 
schlummert — tritt hier gesichtet und durch Benutzung der inzwischen 
in der Litteratur publicirten Erfahrungen auf den gegenwärtigen Höhe¬ 
punkt der Wissenschaft emporgehoben, zu einem einheitlichen Ganzen 
systematisch verarbeitet an die Oeffentlichkeit. 

Dies der Gesammteindruck des Werkes; dass die Berichterstattung 
eine so imposante geworden, dankt die Wissenschaft dem Berichterstatter, 
der nicht nur mit rastlosem Fleiss das ungeheure Quellenmaterial zusammen¬ 
trug, sondern mit seltener Kritik und Umsicht ordnete und mit glücklichem 
Ingenium das Material zum harmonischen Ganzen, oft in geradezu klassi¬ 
scher Darstellung, abrundete. 

Schwer dürfte es sein, zu entscheiden, ob der grössere Werth des 
Werkes in der Bearbeitung liegt oder in dem Quellen-Material; für 
Gegenwart wird man der Durcharbeitung zum systematischen Ganzen 
einen Hanptwerth beilegen müssen, wer von dem Gedanken zu sehr 
durchdrungen ist, dass Theorien wechseln und immer vollkommenere an 
Stelle der früheren treten, der mag sich vorwiegend an dem ungeheuren 
Quellen-Material erfreuen und sich sagen, dass hier eine Fundgrube ist, 
wie sie weder zur Zeit existirt, noch auf Jahrzehnte hinaus wieder auf¬ 
gedeckt werden dürfte; kein Schriftsteller der Zukunft auf dem Gebiete 
der Erkrankungen des Nervensystems darf sich an die Oeffentlichkeit 
wagen, der nicht diesen Band des Kriegsberichts genau studirt hätte. 
Ein Beispiel genüge für die Charakterisirung des Quellen-Materials: der 
Bearbeitung des 9. Capitels: „Graue Entartung der Hinterstränge (tabes 
dorsalis)* liegt eine Casuistik von 100 Fällen zu Grunde; die 70 grosse 
Quartseiten füllenden Krankengeschichten sind in übersichtliche Tabellen¬ 
form gebracht, so dass wir mit grösster Leichtigkeit uns orientiren in 
Spalte 2: über Stand, Geburt, Familienverhältnisse (verheiratbet, Kinder) 
der Kranken, in Spalte 3: über Militärdienstzeit, mitgemaebte Feldzüge, 
in Spalte 4: über Heredität und Prädisposition, in Spalte 5: über etwaige 
syphilitische Affection, in Spalte 6: über das angenommene ätiologische 
Moment, in Spalte 7: über die Initialsymptome 1870/71. In Spalte 8 er¬ 
fahren wir dann den Krankheitsverlauf, und zwar ist die Beobachtung 
fortgeführt bis zum Tode oder, wenn Patient noch lebt, bis zum Jahre 
1885. Wo existirt wohl zum zweiten Mal eine Summe von 100 durch 
15 Jahre genau beobachteten Krankengeschichten über Tabes? 

Aehnlich verhält es sich mit dem Quellen-Material in dep übrigen 
Capiteln. Unter Zugrundelegung solch mühselig gesammelten Materials 
baut die Bearbeitung dann die einzelnen Capitei zu umfassenden Mono¬ 
graphien aus, welche den Standpunkt unseres heutigen Wissens wieder¬ 
geben und darstellen. 

In dieser Art finden wir im 1. Cap. behandelt: „traumatische* 
im 8. „idiopathische Epilepsie*, im 2. Cap. „Tropboneurosen nach 
peripheren Verletzungen*, im 3. traumatische Reflexneurosen, 


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secundäre traumatische Lähmung und Drucklähmung u im 4. 
„Erkrankungen des Central-Nervensystems und nervöse Störun¬ 
gen verschiedener Art nach Verletzungen“, im 5. Wundstarr¬ 
krampf, im 7. „Genickstarre“ (Meningitis cerebrospinalis), im 9. 
„Graue Entartung der Hinterstränge“ (tabes dorsalis), im 10. 
„Kriegs-Psychosen.“. Dies letzte Capitel beansprucht nicht, eine mono¬ 
graphische Darstellung der Psychosen überhaupt auf Grundlage von 
Feldzugsbeobachtungen zu geben, die Friedens-Psychosen bleiben vielmehr 
ausser Betracht, und es wird Antwort auf die Frage ertheilt: giebt es 
überhaupt Kriegs-Psychosen, d. h. Geisteskrankheiten, an deren Zustande¬ 
kommen lediglich der Krieg mit seinen ganz besonderen Situationen die 
Schuld trägt. Von ganz hervorragendem Interesse, weil überhaupt noch 
wenig bearbeitet, ist das 6. Cap. „Erkrankungen des Nervensystems 
nach acuten Infectionskrankheiten“, in ihm kommen eine grosse 
Reihe noch unerledigter Fragen zur Abhandlung und werden der Losung 
nSher gebracht, so die Fragen nach der Natur und dem Wesen, nach den 
einzelnen Formen und der Häufigkeit nervöser Störungen nach Typhus, 
Ruhr, Pocken etc. Es wird darin das Feld der nervösen Typbus-Nacb- 
kr&nkheiten im Vergleich zu früher auf Grund der Kriegserfahrungen 
weiter ’ausgedehnt; bisher wusste man noch nichts über das Auftreten 
von Chorea, Paralysis agitans, acuter Ataxie, Moskelhypertrophie, von rein 
vasomotorischen Neurosen etc. nach typhösen Erkrankungen im mittleren 
Lebensalter. Wer in dieser Beziehung im Anschluss an Selbsterlebtes, 
ihm räthselhaft Gebliebenes Belehrung braucht und sucht, dem stand bis¬ 
her kein Werk, zu Gebote, in Zukunft findet er reiche und gediegene 
Information in diesem Capitel. 

Die obige Mittheilung der Themata für die 10 Capitel und die Ueber- 
legung, dass es sich bei den meisten um umfassende Monographien handelt, 
wdche den heutigen Standpunkt der Wissenschaft fixiren, dürfte dem Leser 
schon die Ueberzeugung verschafft haben, dass es auch nicht annähernd 
möglich ist, im Referat den reichen Inhalt des Werkes zu skizziren; nur 
um einen Begriff von der Art der Bearbeitung zu geben, versuchen wir 
es, ein Capitel etwas eingehender zu besprechen, und wählen dafür das 
5. Cap. „Wundstarrkrampf“, nicht weil dies Cap. uns mehr als die übri¬ 
gen gefallen hätte, sondern weil es sich um eine seit lange bekannte; 
fest und sicher abgegrenzte Krankheit handelt, deren Besprechung im 
Vergleich zu anderen Capiteln relativ kurz ansfallen konnte. 

Der erste Abschnitt des Capitels „Wundstarrkrampf“ bespricht 
die Häufigkeit desselben und zwar I. im Deutsch-Französischen Kriege 
und in früheren Feldzügen, II. nach Ort und Zeit der Verwundung und 
HI. nach Art und Stelle der Verletzung. Das vorliegende Material bietet 
gerade für eine Statistik des Tetanus eine vorzugsweise günstige Unter¬ 
lage; „der Eindruck, welchen das traurig imposante Krankbeitsbild mit 
seinem gewaltigen Symptomen-Complex machte ...., führte zu einem gleich- 
maasigen Wetteifer, jedem einzelnen Falle von Wundstarrkrampf ein An¬ 
denken in den Berichten zu sichern.“ Die Zahlenangaben sind deshalb 
in diesem Capitel besonders zuverlässig. Von den 99566 Verwundeten 
der deutschen Heere erkrankten 350, mithin 0,35% an Wund¬ 
starrkrampf. Während nach den Berichten aus dem Amerikanischen Se- 
cessionskriege ein Tetanusfall auf 782 Verwundete, bei den Engländern im 
Krimkriege 1 auf 465, im Spanisch-Portugiesischen Kriege (1811—1814) 
1 auf 803 kam, entfiel auf die Deutschen 1870/71 somit 1 auf etwa 285, bei 


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den Franzosen in Italien allerdings 1 auf 116 Verwundete. Die grossen 
Unterschiede, welche hier za Tage treten, fahrt der Bericht nach Be¬ 
sprechung und Zurückweisung anderer Oründe auf die verschiedene Ge¬ 
nauigkeit der statistischen Unterlagen zurück. Ueber die Häufigkeit des 
Tetanus bezüglich des Ortes und der Zeit der Verwundung geben mehrere 
Tabellen Auskunft, wir heben daraus hervor, dass um Metz 0,16°/o der auf 
dem betr. Kriegsschauplatz Verwundeten (kleinste Procentzahl), auf dem 
nördlichen Kriegsschauplatz 1,1 pCt. (höchste Procentzahl) an Tetanus 
erkrankten, die Procentzahl der auf den übrigen Tbeilen des Kriegsschau¬ 
platzes Erkrankten liegt zwischen diesen Grenzwerthen. Bezüglich der 
Art und Stelle der Verletzung ist Folgendes hervorzuheben: die ge- 
samroten Tetanusfalle der deutschen Verwundeten entstanden nach 
Scbussverletzungen, und zwar kamen auf Wunden durch Gewehr- 
Projectile 282, anf Granatwunden 68 Falle. 26 mal handelte es sich 
darunter um mehrfache Verletzungen. Der verletzten Körpergegend nach 
vertheilen sich die Tetanusfalle so, dass auf 100 aller Tetanuskrankeu 
20,7 pCt auf am Unterschenkel, 19,3 pCt. auf am Oberschenkel, 12,2 pCt. 
auf am Oberarm u. s. w. Verwundete entfallen. Unter gleichzeitiger 
Berücksichtigung der Schwere der Verletzungen ergiebt sich eine sehr 
bedeutend grösssere Häufigkeit von Tetanus-Erkrankungen nach 
schweren Verletzungen (Knochenverletzungen) als nach Weich- 
theil8 wunden. 

Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit der Aetiologie. 

Die ausgedehnten Kriegserfahrungen führten allgemein zu der Ueber- 
zeugung, dass in erster Linie die Knochensplitter und die umberspritzenden 
Bleitheile „durch ihren Reiz anf die periphere Ausbreitung denjenigen 
Erregungszustand der sensiblen Nerven in Scene setzen, welcher für 
das Zustandekommen der Krankheit eine nothwendige Bediogung ist.“ 
Diese durch die Art der Verletzung selbst gegebene Misshandlung der 
Wunde fand bei einer grossen Anzahl von Weicbtbeilsschüssen ihr Ana¬ 
logon; hier waren im Schusscanal zurückgeblieben Fremdkörper — Kugeln, 
Tuchfetzen, Waffentheile etc. —- die Quelle jenes Erregungszustandes. 
48 mal waren es Geschosse und ihre Theile, 3 mal Steine, 18 mal Tuch¬ 
fetzen , 3 mal Papierfetzen, 4 mal Blechpartikel, 3 mal Lederstücke, welche 
man wahrend des Starrkrampfs oder nachher in den Wundcanälen antraf. 
Unter 8 im Schlosslazareth zu Versailles letal endenden Tetanusfällen 
wurde 6 mal das Geschoss oder Gescbossfragment aufgefunden. Von 
grosser Bedeutung schien ferner die Art und Dauer des aus den Fremdkörpern 
in den Wundcanälen rührenden Nervenreizes zu sein. Eine heftige oder 
oft wiederholte, wenn auch nur kurze, plötzliche Quetschung der ner¬ 
vösen Fasern durch bewegliche Fremdkörper birgt grössere Gefahr als 
gelinder, gleichmassig anhaltender Druck eines unbeweglichen Körpers 
auf die Nervenendigungen. Das häufige Vorkommen von Tetanus beim 
Verwundeten-Transport und im Stadium der Wundeiterung erklärt sich 
hierdurch. — Dass die Ursache des Tetanus nach oder beim Transport 
erst in Erkältung — deren Einfluss in anderen Fällen durchaus nicht aus¬ 
geschlossen wird — sondern in den Nachtheilen des Transports selbst zu 
suchen war, dafür sprachen in vielen Fällen die Veränderungen des 
verletzten Gliedes, vor Allem die Wundumgebung. Das Eiterstadium 
bietet doppelt günstige Gelegenheit für die Entstehung des Tetanus dar, 
einmal durch Lösung der Fremdkörper, sodann durch Zersetzung der 
Wundsecrete. Unter 150 der Prüfung zugänglichen Tetanusfällen fiel der 


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Beginn des Starrkrampfes 111 mal auf die 8 tägige ominöse Periode 
vom 4. bis 11. Tage nach der Verwundung. — Eine genaue Erörterung 
erfahrt alsdann die Hypothese, ob der Wundstarrkrampf als eine 
Infectionskrankheit zu betrachten sei; das Material des Feldzuges 
liefert hierfür keinen positiven Anhalt, aber die Frage ist in ein neues 
Stadium getreten durch die in jüngster Zeit (1884) mit Erfolg vorgenom¬ 
menen Impfungen, nach denen es entschieden zu sein scheint, dass 
Tetanus vom Menschen auf Kaninchen übertragen werden kann, spater 
wnrde eine Versuchsreihe bekannt, aus welcher hervorgeht, dass durch 
Impfung mit mancherlei Erdproben bei Thieren ein dem Tetanus identischer 
Symptomencomplex zu Sunde gebracht werden kann; wurden die Eidproben 
vor der Impfung auf 190 ° C. erhitzt, so blieb der vorher regelmassig 
positive Impferfolg aus. „Hierdurch ist als erwiesen anzuseben, dass 
Bacillen existiren, welche bei Thieren, in tiefere Wunden gelangend, 
tödüicben Tetanus hervorrufen.“ Für den menschlichen Tetanus mag, 
da sich verschiedenerlei Erde als so ergiebige Quelle der Tetanus-Erreger 
gezeigt hat, einstweilen die Möglichkeit einer Wundverunreinigung durch 
Erde beachtet werden. — Es ist hervorzuheben, dass auch hier bei der 
Frage der Tetanus-Aetiologie das Werk nicht auf dem Standpunkt des 
Jahres 1870 steht, sondern die Errungenschaften unserer Tage verwertbet 
hat — die Impfversuche mit Erde zur Erzeugung von Tetanus sind am 
25 December 1884 publicirt — Der dritte Abschnitt handelt von dem 
pathologisch-anatomischen Befund. 

Die anatomischen Untersuchungen worden wahrend des Feldzuges 
an ca. 80 dem Wundtetanus Erlegenen angestellt, sie erstreckten sich 
zum Theil nur auf die peripheren, von der Verwundung getroffenen 
Nerven, zum Theil auch auf aie Veränderungen des Hirns und Rücken¬ 
marks, und nur in der Minderzahl der Falle auf das gesammte Nerven¬ 
system und sammtliche Körperorgane. 

Zuerst werden die auf den Tetanus bezüglichen Stellen der Sections- 
protokolle originaliter mitgetheilt, dann folgt die Besprechung der in 
der reichen Litteratur von verschiedenen Autoren beobachteten patho¬ 
logischen Befunde, es wird hervorgeboben, dass man nur solche Ver¬ 
änderungen als Ursache des Tetanus wird gelten lassen können, die 
schnell zu entstehen und schnell wieder zu verschwinden im Stande sind, 
dass aber tiefer eingreifende Veränderungen, welche sich bei den Sec- 
donen in den centralen Organen gefunden haben, als Folgezustande der 
Krankheit, nicht aber als ihre Ursache aufgefasst werden müssen. 
Häufiger als an den nervösen Centren ergaben die Secdonen an den mit 
der Wunde in Verbindung stehenden peripheren Nerven positive Ver¬ 
änderungen; neben den primären Verletzungen, Zerreissungen, Ein¬ 
reissungen, Quetschungen etc. fanden sich bei den Tetanus-Sectionen: 
Blutergüsse in der Nervenscheide, Neuritis, grünliche Verfärbung der 
gequetschten Nervenparden mit Verfettung der Nervenfasern u. 8. w. 
Es ist bei der pathologischen Anatomie des Tetanus nicht zu vergessen, 
dass durch einzelne, aber ganz sichere Beobachtungen jetzt zur Evidenz 
bewiesen ist, dass eine functioneile Erhöhung der Erregbarkeit 
eines Nerven bestehen und zum Tetanus Veranlassung geben 
kann, ohne dass die Section dann auch nur eine Spur 
neuritischer oder perineuritischer Processe finden lässt; 
diese supponirte erhöhte Erregbarkeit ist experimentell nachgewiesen 
und gemessen: in einem Fall von Tetanus, welcher von einem Schnitt 


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in den linken'Daumen aasging, empfand der Kranke am linken Arme 
schon bei Anwendung von 8 galvan. Elementen lebhaft brennende Schmerzen, 
nnd bei Stromwendnngen erfolgten Zackungen, am rechten gesunden Arm 
trat beides erst bei sehr viel höheren Stromstärken ein. 

Der vierte Abschnitt schildert die Symptome und den Verl an f 
des Tetanus. Die reizvolle Darstellung des Krankheitsbildes ubergehend, 
erwähnen wir aus diesem Abschnitt nur, dass der Tetanus auch im 
Feldzug 1870/71 rücksichtlich der Prognose seinen hergebrachten üblen 
Ruf bewährte. Von den 326 Erkrankten genasen 31, mithin betrug die 
Mortalität 90,5%* Das alte chirurgische Gesetz „je später der Wund- 
Starrkrampf ausbricht, desto milder verläuft er* bewahrheitete sich, und 
auch der Hippokratische Aphorismus „wer mit Tetanus den 4. Tag 
überlebt, kommt durch* bat nach den Feldzugs-Erfahrungen viel für 
sich. Am Schluss folgen einige interessante Aufzeichnungen über 
nervöse Nachkrankheiten des Tetanus. 

Der fünfte Abschnitt ist der Behandlung gewidmet. Bei der 
chirurgischen Behandlung haben Nerven-Durch- und Ausscbneidung 
ebenso wie Amputation des verletzten Gliedes schlechte Resultate 
gegeben, die nicht zu ferneren Versuchen ermuntern. Die Amputation 
oder Exarticulation eines grösseren Gliedes darf man nur bei der 
Unmöglichkeit seiner Erhaltung, niemals aber des Tetanus wegen 
für indicirt halten. Die Extraction fremder Körper, welche 
theoretisch (cfr. oben) als ein sehr brauchbares Mittel gegen den Wund¬ 
starrkrampf erklärt zu werden verdient, wurde im Feldzug oftmals 
praktisch verwerthet und bewährte sich gut. Man fand bei 26 Tetanischen 
während des Lebens das Geschoss, seine Fragmente oder andere Fremd¬ 
körper und hatte 8 mal die unverhoffte Freude, hiermit die ganze 
Krankheit zu beseitigen; nachdem dann noch die sich vielfach wider¬ 
sprechenden Erfahrungen über die nach dem Feldzug erst in Aufnahme 
gekommene Nervendehnung angeführt sind, wendet sich der Abschnitt 
zur medicinisch-diätetischen Behandlung. Höchst interessant sind die Mit¬ 
theilungen über den Werth der Chloralbehandlung: „es machte sich 
nach sehr reicher Anwendung dieses Medicaments fast allgemein die 
Erkenntniss geltend, durch das Mittel könne wenigstens das Symptom der 
Starre mit beinahe stetem Erfolge angegriffen werden. Auch die Reflex¬ 
krämpfe erlitten durch Eintritt von Schlaf fast immer eine Unterbrechung, 
der Kranke konnte sich erholen, der Nabrungszufuhr stand nichts im 
Wege. Auf diese Weise gelang es, den raschen Eintritt des Todes zu 
verhüten, die Schmerzen zu mildern, den Unglücklichen in ein erträg¬ 
liches Dasein zu versetzen. Erweckte diese vorübergehende Besserung 
schon ein gewisses Zutrauen, so erwarb sich das Cbloral durch eine 
Reibe von Heilerfolgen ein noch grösseres Ansehen.* Hier folgt wieder 
eine Reihe beweisender Krankengeschichten. 

Nach dem Chloral werden die Wirkungen und erzielten Resultate 
mit Chloroform-Inhalationen, mit Opiaten, mit Präparaten der Calabar- 
Bohne, mit Curare, Bromkalium, Amylnitrit, Elektricität etc. besprochen. 

Der vorstehenden flüchtigen Skizzirung des Inhalts des 5. Capitels 
würde ein wesentlich charakterisirendes Moment fehlen, wenn wir die 
am Schluss desselben gegebene Recapitulation fortliessen. Die lapidare 
Form, in welcher in kurzen prägnanten Sätzen die Resultate mühseliger 
Untersuchungen zusammengefasst sind, finden wir häufiger in dem 
Kriegsbericht, sie sind geradezu charakteristisch für das ganze Werk: 


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»Ein Rackblick auf die Erfahrungen des Feldzugs über die Aetio- 
iogxe und Therapie dee Wundtetanus ergiebt folgende Sätze: 

1) Begünstigend auf den Ausbruch des Wundstarrkrampfs wirkten 
vor Allem die in den Wunden zurückgebliebenen Fremdkörper: Kugeln, 
Knocbenstücke, Kleiderfetzen, Steine, Verbandgegenstände. 

2) Durch die mehr oder weniger leichte Retention dieser Fremd¬ 
körper war für die Häufigkeit des Tetanus der anatomische Sitz der 
Verwundung entscheidend, insofern die Scbnssverletzungen des Ober- 
und Unterschenkels den bei Weitem überwiegenden Procentsatz der Er¬ 
krankungen ausmacben. 

3) Ausser der mechanischen Schädigung der Wunden, deren Folgen 
auch in der häufigen Erkrankung während des Transportes bemerklich 
waren, wirkten chemische und thermische Einflüsse (letztere nicht 
immer zweifelsfrei) auf die Tetanusfrequenz begünstigend. 

4) Der infectiose Charakter des Wundtetanus fand durch beweisende 
Beobachtungen eine genügende Basis nicht 

6) Der ad 1 aufgeführte Grund gebietet prophylaktisch die Ent¬ 
fernung der Fremdkörper. Auch nach dem Eintritt des Starrkrampfes 
wurde wiederholt durch Wegnahme des Nervenreizes die Krankheit 
direct geheilt Grossere Operationen, welche den Zweck verfolgten, in 
der den Reiz leitenden Nervenbahn eine Unterbrechung herzustellen 
oder diese Bahn ganz auszuschalten, hatten sehr schlechte Resultate. 
Dies gilt bis jetzt auch für die neuerdings von Vogt und Kocher em¬ 
pfohlene Nervendehnung. 

6) Ebenso sehr empfiehlt sich prophylaktisch eine möglichst voll¬ 
kommene Ruhigstellung des verletzten Gliedes und ein schonender 
Transport 

7) Die Forderung, die von der Wunde selbst ausgehenden chemischen 
Schädlichkeiten für die Entstehung des Tetanus auszuschliessen, macht 
eine milde, reizlose Behandlung nothwendig. Die im Jahre 1870 übliche 
Wundtherapie erfüllte diese Indication nicht. Grössere Hoffnungen 
darf man auf die antiseptische Wundbehandlung setzen, da sie am zu¬ 
verlässigsten die Zersetzungsprocesse in der Wände hemmt. Zugleich 
wird durch dieselbe der aus einem häufigen Verbandwechsel resultirende 
und für die Entwickelung des Starrkrampfs günstige mechanische Reiz 
vermieden. 

8) Wägt man die Zahl der behandelten Fälle und die Zahl der 
Heilungen bei demselben medicinisch-therapeutischen Verfahren gegen 
einander ab, so gebührt dem Chloralhydrat in grossen Dosen per os et 
per anum der Vorzug. Dasselbe verschaffte gleichzeitig die grösste 
Schmerzerleichterung und die beste Euthanasie. Das Chloroform erwies 
sich unschätzbar, um die locale Behandlung zu ermöglichen; Calabar 
und Curare waren nutzlos, die Opiate Ständen dem Chloral an Werth 
nach. Ausgezeichnete Erfolge hatte die Elektricität, doch war die Zahl 
der Fälle zu klein, um ein definitives Urtheil über ihren Werth abzu¬ 
geben. — 

Man ist bis jetzt gewohnt gewesen, den Tetanus als eine rein 
function eile Erkrankung ohne nachweisbare pathologisch-anatomische 
Basis zu betrachten. Die Sectionsbefunde während des Krieges haben 
Niemanden eines Besseren belehrt 

Die tonischen Muskelkrämpfe in den verschiedenen Nervenbahnen be¬ 
weisen, dass die die Krankheit bedingende centrale Affection 


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in dem Rückenmark zu glichen ist, wohin sie bei dem Wandtetanns 
durch den Erregungszustand eines peripheren sensiblen Nerven über¬ 
tragen wird. 

Welche Veränderungen ihr hier zu Grunde liegen, dies zu erkennen, 
scheinen die heutigen Hülfsmittel nicht auszureichen. 

Die Unterscheidung verschiedener Formen des Tetanus, wie sie 
noch von einigen Chirurgen des Feldzugs beliebt wurde, ist weggefallen, 
da die einzelnen Formen nur Tbeilerscbeinungen des Tetanus sind. 
Auch ist von einer Einteilung in eine acute und chronische Form Ab¬ 
stand genommen. Man kann nie voraussehen, ob die eine oder andere 
sich entwickeln wird; in den Symptomen lassen sie nur quantitative 
Unterschiede erkennen.“ — 

Vorstehende Zeilen können natürlich nur den Zweck haben, durch 
die fluchtige Skizzirung des reichen Inhalts eines Capitels zu gründ¬ 
lichem Studium des jüngst erschienenen, in sich abgeschlossenen Bandes 
des Kriegs-Sanitätsbericbtes anzuregen. 

„Wer Vieles bringt, wird Manchem Etwas bringen“; in erster Linie 
wird dies „Etwas“ natürlich dem Militärarzt in seiner Specialitat ge¬ 
bracht, aber auch der Friedens-Chirurg, der innere Cliniker, der Epi¬ 
demiologe, Neurologe und Psychiater finden reiche Belehrung in dem 
Werk, auch ihnen allen kann man sagen: Greift nur hinein in’s volle 
Dargebrachte, 

„Und wo Ihr’s packt, da ist’s interessant!“ B—r. 


Verhandlungen des Congresses für innere Medicin. Vierter 
Congress, gehalten zu Wiesbaden vom 8. bis 11. April 1885. Im Auf¬ 
träge des Congresses herausgegeben von Dr. E. Leyden, Geh. Med.- 
Rath etc., und Dr. Emil Pfeiffer, prakt. Arzt etc. Mit 13 Abbildungen 
und 4 Tafeln. Wiesbaden, Verlag von J. F. Bergmann. 1885. 
gr. 8°, 470 S8. 

Da es nicht möglich ist, über den reichen Inhalt der auf dem Congress 
gehaltenen Vortrage ausführlich zu berichten, so mögen hier vorwiegend 
nur die Themata der Verhandlungen aufgezahlt werden, deren Stenogramme 
in dem vorliegenden lesenswerthen Bande enthalten sind. 

I. Sitzung. Ueber dieBehandlung der Fettleibigkeit. Ref. Ebstein und 
Henneberg (letzterer als Vertreter der landwirthschaftlichen Fütterungs¬ 
lehre). 

II. Sitzung. Hack: Ueber chirurgische Behandlung asthmatischer 
Zustande. 

Lustgarten: Demonstration der Syphilis-Bacillen. 

Aug.Pfeiffer: Demonstration von Cholera-Präparaten und -Cultnren, 
von besonderem Interesse durch die ad oculos demonstrirten Unterschiede 
der Finkler’schen Cholera nostras-Bacillen von den Koch’schen Komma- 
Bacillen. 

Bostrom: Ueber Actinomycose (mit Demonstration von Actinomycen- 
Culturen). 

Unna: Ueber einen Fall geheilter Lepra tuberosa. 

Immermann: Ueber larvirten Gelenkrheumatismus. Redner bat den 
Namen gewählt nach Analogie der larvirten Malaria und versteht darunter 
Erkrankungen, welche in jeder Beziehung dem Gelenkrheumatismus 
gleichen, nur dass statt der Gelenkaffectionen acute Neuralgieen vor¬ 
handen sind. 


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IH. Sitzung. Ueber Antipyrese. Bef. Filehne, Liebermeister. 
Dieses Thema durfte wegen seines allgemeinen Interesses ein ausfuhr- 
lieberes Eingehen rechtfertigen. 

Bef. Fi leb ne giebt zunächst einen historischen Ueberblick ober die 
Entwickelung der Antipjrese und geht schliesslich näher auf die neueren 
Antipyretica und die Theorie ihrer Wirkung ein. Corref. Liebermeister 
beleuchtet die Frage vom Standpunkte des Praktikers nach seinen all¬ 
gemein bekannten Grundsätzen; er stellt die wärmeentziehende Behand¬ 
lung durch Bäder als die Grundlage der Fieberbehandlung bin, neben 
welcher die Antipyretica, speciell Chinin und Antipyrin — über welches 
letztere er sich günstig aasspricht —, nur eine allerdings nützliche Reserve 
bilden. — Bei der Discnssion treten alle die verschiedenen Meinungen 
hervor, welche gerade auf diesem Gebiete zur Zeit bestehen. 

Man kann als interessantes Factum resumiren, dass, während die 
Bäderbehandlnnj; allseitig Zustimmung fand, man vielfach die Be¬ 
deutung der erhöhten Körpertemperatur im Sinne der Li ebermeister'schen 
Doctrin negirte, demnach auch den chemischen temperatur-herabsetzenden 
Mitteln eine Nebenrolle zuzuweisen bestrebt war. jedoch auch wieder eine 
mögliche Wirksamkeit derselben gegen das Krankheitsgift an deutete. 
Fast bei allen Bednern lässt sich constatiren, dass die Vorstellung von 
den organisirten Krankheitserregern ihre therapeutischen Bestrebungen 
regierte. Noch halb auf Liebermeister^schem Boden stand Bauer, 
welcher die abkühlende Methode hochhält, die Wirkung derselben aber 
nicht ausschliesslich in einer Herabsetzung der Körpertemperatur erblickt. 
Dagegen stellen Strümpell und Henbner den Werth der Antipyrese 
überhaupt in Abrede und schieben die Wirkung der Bäder lediglich auf 
ihren toniairenden Einfluss. Einen vermittelnden Standpunkt nehmen ein 
▼. Jaksch ond Stintzing. Ersterer constatirt, dass die Intensität und 
Dauer der Erkrankung im Allgemeinen durch medicamentose Antipyrese 
nicht gemildert und abgekürzt wird. Demgemäss sei dieselbe bei Pneu¬ 
monie ond Erysipelas lediglich auf den Eintritt byperpyretischer Tempe¬ 
raturen zu beschränken. Indicirt sei sie vorwiegend bei chronischen 
Entzondungs- und Eiternngsprocessen, insbesondere bei Tuberculose, um 
die Consnmption aufzuhalten; bei Typhus nur gegen hyperpyretische 
Temperaturen und im Stadium der Lysis; gerade in der Continua, wo 
Liebermeister sie empfiehlt, weist er sie ab. Speciell lässt sich Bedner 
aus über Thallin und Antipyrin; beiden Mitteln kommen mächtige anti¬ 
pyretische Wirkungen zu, jedoch wirkt Thallin stärker, Antipyrin nach¬ 
haltiger, jenes macht mehr Schüttelfröste als dieses. Stintsing stimmt 
nach den in der v. Ziemssen’schen Klinik gemachten Erfahrungen 
v. Jakseh darin zu, dass die Antipyretica auf den Verlauf der Krank¬ 
heit keinen Einfluss üben, jedoch bessern sie — und zwar ganz besonders 
Antipyrin — die subjectiven Beschwerden. Dasselbe muss aller¬ 
dings in grossen Dosen gegeben werden. Es wurden im Allgemeinen, 
sobald die Temperatur über 38° stieg, 1—2 g, sobald sie über 39° stieg, 
2—3 g Antipyrin gegeben; dabei blieb die Temperatur dann dauernd auf 
einem niedrigen Niveau, und der Kranke (Typhus) bot das Aussehen 
eines Gesunden, mit freiem Sensorium etc.*— Die Herabsetzung des 
Fiebers als solche wird wieder in den Vordergrund des ärztlichen 
Handelns gestellt von Bossbach und Thomas. Letzterer empfiehlt die 
medicamentose Antipyrese in erster Linie, und erst bei ihrer Nutzlosig¬ 
keit Kaltwasserbehandlung. Als letzter der Redner schliesst Jürgensen 


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wieder die Kette zu Liebermeister, kann sich jedoch ebenfalls nicht 
enthalten, in ^er Bäderwirkung etwas mehr zu sehen, als die blosse 
Wärmeentziebung. In seinem Schlusswort constatirt Liebermeister, 
dass die heilsame Wirkung der Bäder, wenn auch unter verschiedenen 
Gesichtspunkten, allgemein anerkannt worden sei, und wendet sich speciell 
gegen das von Thomas empfohlene Verfahren, da die Wirkung der 
Bäder hauptsächlich in der Verhütung schlimmer Folgezustäude ge¬ 
legen sei. 

Die IV. Sitzung bringt eine Reihe von kleineren Vorträgen. 

V. Sitzung. Lieber Bronchial-Asthma. Ref. Curschmann, 
Riegel. 

VI. Sitzung. Lehr: Ueber künstliche Sprudelbäder. 

Rehn-Pfeiffer: Demonstration eines Knaben mit Rheumatismus 

nodosus. 

Fürbringer: Ueber Albuminurie durch Quecksilber und Syphilis. 
“t* Er machte die Beobachtung, dass durch die mercurielle Behandlung 
8 pCt der Patienten albuminuriscb wurden, wofür eine individuelle Dis¬ 
position angenommen werden muss. Diese Albuminurie war stets eine 
vorübergehende. Durch die Syphilis entstandene Albuminurie wurde 
in 12 pCt. der Fälle beobachtet Sie tritt um den Termin der Akme 
der Roseola auf und schwindet durch Mercur. 

Fleischer: Ueber Urämie. 

Edlofsen: Zur Statistik und Aetiologie des Gelenkrheumatismus. 
— Redner berichtet über eine Art von Sammelforschung, welche er über 
Gelenkrheumatismus angestellt hat (in Kiel), und bei welcher er 
845 Fälle benutzt hat. Er ist hauptsächlich der Frage nach der Aetiologie 
nachgegangen, und es hat sich dabei herausgestellt, dass die Erkrankungs- 
ziffer an Gelenkrheumatismus in den einzelnen Monaten weder zu der 
mittleren Grösse der Temperatorschwankungen, noch zu der mittleren 
Mouatstemperatur in Beziehung steht, so dass eine Abhängigkeit dieser 
Krankheit von Erkältungseinflüssen sehr unwahrscheinlich ist Dagegen 
haben sich Beziehungen zu den Niederschlägen ergeben. Erhebliches 
Sinken der Niederschlagsmengen begünstigt die Erkrankung in hohem 
Maasse. Steigen der Niederschlagsmenge bei relativ hoher mittlerer 
Temperatur hemmt die Entwickelung der Krankheit. Reichlicher Nieder¬ 
schlag bei relativ niedriger Temperatur vermag weniger die Entstehung 
der Krankheit zu verhüten. Bezüglich dieses letzteren Punktes, welcher 
die Beobachtung zum Grunde hat, dass der die Zahl der Erkrankungen 
herabsetzende Einfluss der zunehmenden Niederschläge sich für die 
Wintermonate viel weniger geltend macht als für Sommer und Herbst, 
zieht Redner den Umstand zur Erklärung heran, dass der durch das 
Heizen veranlagte Luftstrom die im Untergründe nistenden Krankheits¬ 
organismen in die Wohnungen befördere. Es hat sich nämlich weiterhin 
ergeben, dass der Gelenkrheumatismus mit Vorliebe in bestimmten 
Häusern vorkomme. Redner nennt ihn deshalb eine Hauskrankheit 
und macht die Entstehung derselben abhängig von dem Untergrunde. 
Er empfiehlt demnach für Personen, welche eben Gelenkrheumatismus 
überstanden haben, Veränderung der Wohnung. Statistisch bemerkt er, 
dass die Mortalität seit Einführung der Salicylsäure-Behandlung geringer 
geworden ist. — Bei der Discussion macht Jürgensen die beachtens- 
werthe Mittheilung, dass sich das Auftreten der Endocarditis schon sehr 
früh ankündige durch Fieberbewegungen, welche Mittags culminiren, 


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wahrend sie Abende schon vorüber sind und deshalb leicht ubersehen 
werden. 

.Die VII. Sitzung diente hauptsächlich geschäftlichen Mittheilungen. 
Binz sprach „über neuere Arzneimittel*. Goldscheider. 


Dr. J. König: „Ueber die Principien und die Grenzen der 

Reinigung von fauligen und faulnissfähigen Schinutzwässern*. 

(Berlin, Verlag von Julius Springer, 1885.) 

Der auf dem Gebiete der Hygiene rühmlich bekannte Verfasser hat 
zur Klärung dieser in letzter Zeit viel besprochenen Frage eingehende 
Studien gemacht. Er corrigirt in diesem Buche die vielfach irrigen An¬ 
sichten und unterwirft die üblichen Reinigungsmethoden einer eingehenden 
Kritik. Seine Ausführungen beziehen sich nur auf die fauligen industriellen 
Abgangswässer, und auf die städtischen nur insofern, als sie, frei von 
Abortstoffen, bloss aus den weniger schmutzigen Spülwässern (einschl. 
Harn aus öffentlichen Pissoirs) bestehen. Die erste der üblichen 
Reinigung8metboden ist die durch Berieselung. Ihre Wirksamkeit wird 
gewöhnlich der Absorptionskraft des Bodens zugeschrieben. K. zeigt, 
dass gelöste Mineralstoffe weniger durch die Absorptionskraft des 
Bodens festgehalten werden, sondern vielmehr von den Pflanzen direct 
und um so stärker aufgenommen werden, je grösser deren Bedürfnis an 
Mineralstoffen ist. Die suspendirten Schlammstoffe werden allerdings 
mechanisch durch den Boden niedergeschlagen, die gelösten organischen 
Stoffe absorbirt und oxydirt zu bezw. Kohlensäure, Schwefelsäure und 
Salpetersäure. Bei dieser Oxydation spielt die Mitwirkung der Mikro¬ 
organismen eine Rolle. Diese natürliche Reinigungskraft des Bodens ist 
selbstverständlich eine begrenzte; reicht sie nicht aus, so müssen künst¬ 
liche Verfahren gewählt werden. 

Die zweite Methode, die der Filtration durch den Boden, steht 
der Berieselung entschieden nach, weil die reinigende Wirkung der Nutz¬ 
pflanzen fehlt. Soll sie wirksam sein, so brauchte man eine grössere 
Filtrationsfläche, als bei der Berieselung nothwendig ist. 

Die dritte Methode der Reinigung ist die durch chemische Fällungs¬ 
mittel. Es ist zuzugeben, dass dieselben wohl suspendirte Schlammstoffe 
und üblen Geruch beseitigen, aber ihre Wirksamkeit in Bezug auf gelöste 
Fäulnissstoffe bestreitet K. entschieden. Im Gegentheil sollen sich nach 
diesem chemischen Reinigungsverfahren, z. B. bei Ueberschuss von Kalk, 
die Fäulnissstoffe noch vermehrt zeigen. Es folgt sodann ein kurzer 
Ueberblick über die mechanisch wirkenden Reinigungsmethoden, und dem 
schliesst K. neue Vorschläge an. Bekanntlich wird durch Sauerstoff¬ 
zufuhr zu den Schmutzwässern die Oxydation begünstigt und das Auf¬ 
treten von übelriechenden Fäulnissproductep verhindert, und zwar erfolgt 
die Sättigung mit Luftsauerstoff am schnellsten, wenn die Wässer in 
feinem Staubregen an der Luft ausgebreitet werden. Ausserdem führt 
Schornsteinloft ausser Kohlensäure und fäulnisshemmenden Destillations* 
producten solchen Wässern Sauerstoff zu. Beide Factoren benutzt K. 
und empfiehlt einen im Detail näher im Original zu studirenden Apparat, 
durch den das mit chemischen Fällungsmitteln versetzte Schmutzwasser 
zur Aspiration von Schornsteinluft in ein Reservoir gehoben, und wo 
dann durch Wasserstrahlpumpen sprühregenartig eine Lüftung des Wassers 
erfolgt Diese Reinigungsweise ersetzt eine Bodenberieselung, wo eine 


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46 


solche nicht ausführbar ist. Am Schlüsse formulirt K. die Resultate 
seiner Arbeit in kurzen Thesen. Das Bach verdient bei der Wichtigkeit 
.des Gegenstandes hervorragendes Interesse. Langhoff. 

Dr. G. L. Tor m valdt: „Ueber dieBedeutung der bursa'pharyngea 
für die Erkennung und Behandlung gewisser Nasenrachen¬ 
raum- Krankheiten.“ (Wiesbaden, Verlag von J. F. Bergmann, 
• 1885.) 

Der Verfasser, rhinoskopischer Specialist, behandelt in diesem Buche 
die eine. bestimmte Region des Nasenrachenraumes betreffenden Krank¬ 
heiten, denen eine besondere, bisher nicht gewürdigte Bedeutung 
cukommen soll. Die bursa pharyngea ist ein Anhang des Schlundkopf- 
gewölbes, in dem Winkel gelegen, wo die pars basilaris des Hinterhaupt¬ 
beines mit dem Körper des Keilbeines verwachsen ist; ihre Eingangs- 
offhung sieht man rhinoskopisch gerade in der Mittellinie des Rachendaches, 
ungefähr in der Mitte des Abstandes zwischen oberem Choanenrand und 
Protuberanz des Atlas. Die dieser Partie zukommenden Krankheiten 
charakterisiren sich als Hypersecretion und Cystenbildung, uod ihre 
Symptome vermischen sich mit denen des Nasenrachencatarrhs und 
bedingen in anderen Organen Begleiterscheinungen (z. B. Ohrenkrank- 
heiten, chronischen Kehlkopfscatarrb, Reflexhasten, Asthma). Die Therapie 
bezweckt Heilung oder (galvanocaustische) Zerstörung der erkrankten 
bursa. Ausführliche Krankengeschichten stützen die Argumentation des 
Verfassers. Das Buch verdient das Interesse der qu. Specialisten. 

_ Langhoff. 

Kurzes Lehrbuch der normalen Histologie des Menschen und 
typischer Thierformen von Dr. Arnold Brass, Marburg. 
Cassel. Fischer 1885. 1. Lieferung, 80 SS. Mark 2. (In 5 bis 6 

Lieferungen complet.) 

Nach einem kurzen historischen Ueberblick als Einleitung behandelt 
der Verfasser im ersten Abschnitt die Zelle und Zelltheilung, und zwar 
in der Reihenfolge: allgemeine Eigenschaften der Zelle, allgemeine Ge¬ 
staltungslehre, allgemeine Lebenserscheinungen, Vermehrung, Untergang, 
Grösse und ihr Verhaltniss zur Lebensenergie derselben. Der zweite 
Abschnitt ist den Geweben gewidmet. Nach allgemeinen Bemerkungen 
über die einfachen und complicirten Gewebe werden einfache Organismen 
(Spaltpilze, Protozoen, Mesozoen, Metazoen) abgehandelt, dann wird eine 
Uebersicht der wichtigsten Gewebe, welche im höheren Thierkörper 
Vorkommen, gegeben. — Einem grossen Theile der Mittheilungen liegen 
eigene Untersuchungen des Verfassers zu Grunde, welche leicht von 
Jedem controlirt werden können, und sind absichtlich nur solche von 
den bisherigen abweichende Beobachtungen mitgetheilt. Von Praparations- 
methoden sind die anerkannt einfachsten und besten mitgetheilt* — Die 
in den Text gedruckten erläuternden Zeichnungen sind vortrefflich und 
durchaus geeignet, dem ganzen Werke zum besonderen Nutzen zu ge¬ 
reichen. — Das Buch ist populär im besten Sinne des Wortes geschrieben, 
es liest sich ausserordentlich angenehm und leicht und wird namentlich 
für Studirende, die „des trockenen Tones satt“ sind, eine sehr will¬ 
kommene Form des Studiums bieten. — Die äussere Ausstattung ist dem 
Preise entsprechend. _ Breitung. 


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Neve Methode der Chloroformirnng. — Bert. II Morgagni. Napoli 
8./VIII. 85. - 

Durch zahlreiche Versuche ist B. zu der Erfahrung gelangt, dass es, 
um mit Vermeidung jeder Gefahr, eine CHC1 3 Narkose zu erzielen, 
nicht auf die Menge des absorbirten Anaestbeticums ankommt, sondern 
auf „die Tension 44 oder das Verhältnis der CHC1 3 - Menge zu einem 
Liter Luft. Man kann in einigen Stunden einen Hund „colossale“ 
Mengen CHCls einatbmen lassen in dem Verhaltniss von 4 grau auf 
1 Liter Luft, ohne Narkotisirung zu erreichen; dahingegen stirbt der Hund 
in wenigen Minuten, wenn der gleichen Menge Luft mehr als 16 grm 
Chloroform beigegeben sind. — Die Menge, um eine für chirurgische 
Zwecke ausreichende Anaestbesie beim Hunde zu erzielen, beträgt 8 grm 
Chloroform auf 100 Liter Luft; um ihn zu todten, ist die doppelte Dosis 
erforderlich. 

B. beobachtete, dass der Mensch glücklicherweise eine bessere 
Widerstandsfähigkeit gegen ein stärkeres Luftgemenge mit Chloroform 
besitzt, und dass kein merklicher Unterschied besteht bezüglich der Wir¬ 
kung beim Erwachsenen, beim Rind, beim Säufer, beim Nüchternen, beim 
Kranken und Gesunden. 

Cm einen Menschen behufs chirurgischen Eingriffes zu narkotisiren 
und jede Gefahr zu vermeiden, ist nur die Beobachtung einer Regel zu 
beachten. Verfasser beginnt die Narkose mit einem mehr als ausreichen¬ 
den Gemenge von 10 grm CHCls auf 100 Liter Luft; ist Anaestbesie 
eingetreten, so unterhält er dieselbe durch eine Mischung von geringerer 
Tension, nämlich von 6 grm CHCls auf 100 Liter Luft, die genügt. — 
Die „rigorose“ Dosirung wird mit einem sehr einfachen Apparat ausge- 
fuhrt, der jeden Irrthum vermeiden und mit Leichtigkeit das Mischungs- 
verhältniss ändern lässt. Dank diesem Apparat kann man für Stunden 
den Chloroformgehalt des Blutes constant erhalten, es findet keine „Accu- 
mulation“ statt. Dass die Inspirationsluft dieselbe Tension enthält wie die 
Exspirationsluft, beweist folgendes Experiment: Lässt man einen Hund ein 
genau dosirtes ChJoroform-Luft-Gemenge einathmen, dessen Exspirations¬ 
luft einen zweiten, dessen einen dritten, dessen einen vierten inspiriren, 
so tritt beim vierten Hund genau zu derselben Zeit die Anaesthesie ein wie 
beim ersten, aber zu dieser gesellen sich asphyktische Zustände, welche 
durch die der Exspirationsluft beigemengte C0 2 bewirkt werden. 

_ Breitung. 

Chirurgische Erfahrungen in der Rhinologie und Laryngo- 
logie aus den Jahren 1875—1885. Von Dr. med. Max Schaeffer 
in Bremen. Mit sieben Abbildungen. Wiesbaden. Verlag von J. F. 
Bergmann 1885. 

Verf. theilt in anregender Form Erfahrungen aus seiner specia- 
lktischen Praxis mit. Goldscheider. 


Jean .Dominique Larrey. Ein Lebensbild aus der Geschichte der 
Chirurgie. Nach seinen Memoiren entworfen von Dr. med. H. Werner 
in Mariegroningen. Stuttgart Verlag von Ferdinand Enke. 1885. 
Vert giebt nach Excerpten aus Larrey’s Memoiren ein kurzes Bild 
von dem Leben und Wirken dieses erfahrungsreichsten Kriegschirurgen 
aller Zeiten. Bei 24 Feldzügen in 3 Erdtheilen hat derselbe nicht nur 


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für ßeioe Zeit gewirkt, sondern der Kriegschirurgie and dem ganzen 
Kriegssanitätswesen Fortschritte geschaffen, welche ihm nicht mehr 
verloren gegangen sind. Diese bestanden hauptsächlich in der Durch¬ 
führung des Gedankens der Primär-Operationen. Den Schwerver¬ 
letzten durch möglichst baldige Operationen, namentlich Amputationen 
und Exarticulationen, das Leben zu erhalten, während sie bis dahin in 
Folge der Schwerfälligkeit der Ambulancen massenhaft zu Grunde 
gingen, ehe sie überhaupt der ärztlichen Hülfe theilhafdg wurden, 
war sein Ziel. Er schuf zu diesem Zweck die „Ambulance volante“, 
welche, leichtbeweglich, den Verwundeten im Feuer die erste Hülfe 
brachte und sie den Lazarethen zuführte. Diese Einrichtung hat in den 
Napoleonischen Feldzügen segensreich gewirkt und ist auf die anderen 
Armeen übergegangen. Von besonderem Interesse sind in der lesens¬ 
werten Schrift die Schilderungen über die Sanitäts-Verhältnisse in den 
Napoleonischen Feldzügen in Egypten und Russland. 

Goldscheider. 


Dreschfeld: Ueber Wanderpneumonie. 

Seit April 1884 konnte Vf. in Manchester eine besondere Form von 
Pneumonie beobachten, welche von der gewöhnlichen crouposen Pneumonie 
in manchen Stücken abweicht und mehrfache Aehnlichkeiten mit epi¬ 
demischer Pneumonie zeigt. Er bezeichnet diese als „creeping pneumo- 
nia, u weil sie, oft schleichend beginnend, in ziemlich langsamer Weise die 
ganze Lunge oder einen Lungenflügel durchwandert, entweder von der Spitze 
aus zur Basis oder in umgekehrter Richtung. Die beobachteten Fälle scheinen 
sich nach zwei Tagen zu sondern. In der ersten Gruppe, welche die grosse 
Mehrzahl der Fälle umfasst, beginnt die Erkrankung ohne Frost, Er¬ 
brechen, Brustschmerzen und physikalische Symptome. Die ersten 
Zeichen sind die der Allgemeinerkrankung, Fieber und Verlust des 
Appetites. Am 3. oder 4. Tage zeigen sich die ersten physikalischen 
Zeichen der Krankheit: Dämpfung und crepitirendes Rasseln, meist in 
der Lungenspitze. Während der nächsten Tage dehnt sich unter mässig 
hohem Fieber der pneumonische Process bis zur Basis der ergriffenen 
Lunge aus; während die zuerst ergriffenen Theile die Erscheinungen der 
Hepatisation geben, findet man in den zuletzt erkrankten Knisterrasseln. 
In einigen Fällen greift der Process langsam auf die andere Lunge 
über, in anderen bleibt er einseitig. Er zeigt einen etwas protrabirten 
Verlauf von 10—20 Tagen, nur in sehr wenigen Fällen kommt es zu 
einer wirklichen Krisis, meist zu allmäliger Abnahme der einzelnen 
Symptome. Die Temperatur ist niemals sehr hoch, der Puls selten 
über 120; Sputum fehlt während der ganzen Dauer der Krankheit, 
oder, wo einige Expectoration beobachtet wird, ist doch kein rost¬ 
farbenes Sputum vorhanden. Dagegen ist die Prostration sehr gross, 
Delirien und andere nervöse Symptome begleiten die Erkrankung. In 
den meisten Fällen erscheint einige Tage nach dem Beginne der Er¬ 
krankung Eiweiss im Harne. Die Prognose dieser Form ist eine be¬ 
denkliche; die Sterblichkeit betrag 40% der beobachteten Fälle. Der 
Sectionsbefund ist der gleiche, wie bei genuiner croupöser Pneumonie. 
Die zweite Gruppe von Fällen unterscheidet sich von der ersten durch 
einige wesentliche Momente. Die Erkrankung beginnt mit Frost und 
hoher Temperatursteigerung, bald darauf erscheint als erstes physi¬ 
kalisches Symptom Knisterrasseln. Nachdem das Fieber einige Tage 


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bestanden hat, kommt eine Periode des Fiebernachlasses und darauf 
folgt eine zweite Pyrexie, abermals von Frost eingeleitet und von phy¬ 
sikalischen Zeichen begleitet, welche auf eine Ausdehnung des Processes 
scbliessen lassen. Die Abwechselung des Fiebernachlasses und Anstieg 
geht, wenn der Process beide Lungenhälften ergreift, über einige Wochen 
fort Eine Eigentbümlichkeit dieser Fälle ist die profuse, blutige Ex- 
pectoration, so dass das Sputum zuletzt dem phthisischen gleicht Die 
Prognose ist eine bessere; von 5 beobachteten Fällen starb nicht einer. 
Mehrere Beobachtungen deuten auf die infectiose Natur der in Manchester 
beobachteten Form von Pneumonie hin. Es erkrankten häufig mehrere 
Mitglieder einer Familie, es wurden gleichzeitig ungewöhnlich viele Fälle 
von Spitzenpneumonie ohne Frost und Sputum beobachtet, die nicht über 
die Lungenspitze hinausschritten; endlich trat die gleiche Form von 
Pneumonie häufig als Complication zu anderen Erkrankungen in der 
Inßrmary hinzu. 

(The Medical Chronicle; 1885. Aug. — W. M. W., 1885, No. 37.) 

Pawlovsky fand bei seinen Versuchen bezüglich der Pneumonie¬ 
kokken in der Luft, dass 1) die aus der Luft erhaltenen Mikroorga¬ 
nismen pathogene Eingenschaften besitzen und 2) diese Mikroorganismen 
croupose Diplokokken sind. 

Em merich fand dieselben in der Zwiscbendeckfüllung eines Ge¬ 
fängnisses, wo Pneumonie jahrelang endemisch geherrscht hatte. Der¬ 
selbe erhielt Reinculturen und erzeugte bei verschiedenen Thieren 
Pneumonie. (Ebenda.) Besnard—München, f 


Mittheiluiigen. 


Etatsvorlagen bezüglich des Militär-Medicinalwesens und ihr 
Schicksal im Reichstag. 

Es ist bekannt, wie unsere unermüdliche Militär-Verwaltung in dem 
steten Streben, die Fortschritte der Wissenschaft überall der Armee nutz¬ 
bar zu machen, seit langer Zeit dem Gedanken näher getreten ist, die 
grossartigen Wohltbaten der Antiseptik dem Soldaten im Kriege vom 
ersten Verbände ab zu Theil werden zu lassen. Welche ungeheueren 
Schwierigkeiten die Durchführung dieses Gedankens mit sich bringt, 
dürften sich wenige Aerzte ganz klar gemacht haben; es ist eben etwas 
himmelweit Verschiedenes, gelegentlich ein Kriegslazareth — etwa augen¬ 
blicklich in Serbien, oder Bulgarien — mit antiseptischem Material zu 
versehen, oder dafür zu sorgen, dass der gesammten deutschen Armee 
io jedem Augenblick, wo die Action es verlangt, die Möglichkeit und 
Sicherheit gegeben sei, antiseptisch zu behandeln. Im April 1884 war 
auf Anregung Ihrer Maj. der Kaiserin im Kriegsministerium eine Conferenz 
zusammengetreten, deren Berathungen sich in erster Linie auf die Ein¬ 
führung einer strengen und methodischen Antiseptik bei den Sanitäts¬ 
formationen des Krieges und die dafür erforderlichen Einrichtungen 
bezog. Die änsserst bedeutungsvollen Verhandlungen dieser Conferenz, 
welcher von der Militärverwaltung jeder nothwendige Einblick in die 
jetzige Organisation, in das Material aller Art gewährt wurde, sind nicht 
veröffentlicht worden. Heute treten die ersten Resultate zu Tage; gestützt 

4 


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auf die Ergebnisse jener Conferenz, beantragt die Militärverwaltung im 
Etat Preussens*} für 1886/87 in Cap. 5 Pos. 48 „zur Beschaffung bezw. 
Herrichtung derjenigen Verbandmittel und Geräthe, welche erforderlich 
sind, um die antiseptische Wundbehandlung im Felde und in armirten 
Festungen, der jetzigen Methode vollständig entsprechend, zur Durchführung 
zu bringen, erste Rate 806 000 Mark*. Die Erläuterung hierzu lautet 
wie folgt: 

„Im Jahre 1884 wurde eine Conferenz veranstaltet zur Besprechung 
der während der Ausstellung im Jahre 1883 auf dem Gebiet der Hygiene 
und des Rettungswesens gemachten Erfahrungen und des daraus für die 
Armee zu ziehenden Nutzens. Diese Conferenz von erfahrenen Sanitäts¬ 
offizieren und Autoritäten auf dem Gebiet der Chirurgie und des Kranken¬ 
transportwesens bestätigte einstimmig die Ansicht der Militärverwaltung, 
dass es durchaus noth wendig und sehr wohl möglich sei, jedem im 
Felde etc. verwundeten Soldaten die Wohlthaten der antiseptischeo 
Wundbehandlung angedeihen zu lassen. Die Militärverwaltung hat es 
deshalb in Ergänzung der schon vorher in dieser Richtung getroffenen 
Maassnahmen nicht unterlassen, die bezüglichen Etats der Knegs-Sanitats- 
Ordnung einer Neubearbeitung zu unterziehen, wonach sich ergab, dass 
zur Ermöglichung einer vollständigen Durchführung der antiseptischen 
Wundbehandlung im Kriege nach der durch Praxis und Wissenschaft 
festgesteilten Methode für die preussische Militärverwaltung ein Kosten¬ 
aufwand von etwa 1180 000 M. zur Zeit erforderlich ist. Hiervon ent¬ 
fallen auf die schon im Frieden vorräthig zu haltenden antiseptischeo 

Verbandmittel. 521000 M. 

auf ärztliche Instrumente, Geräthe und Arzneibehältnisse . 439000 „ 

auf Verbandpäckchen zu Noth verbänden für jeden Soldate n 220 000 „ 

zusammen wie vor • . 1180 000 M. 

Für das Etatsjahr 1886/87 wird beabsichtigt, die Beschaffung und 
Umänderung des Materials sämmtlicher Feld-Sanitätsformationen, samrnt- 
licher Arzneibebältnisse der Truppen und einzelner Grenzfestungen vor¬ 
nehmen zu lassen, was einen Kostenaufwand erfordert von 


etwa. 806000 M. 

während für 1887/88 .. 374000 M. 


verbleiben zu den Beschaffungen etc. des antiseptischen Materials des 
grössten Theils der Festungslazarethdepots, der Verbandpäckchen für 
Soldaten und der gemischten Bestecke für stellvertretende Stabsärzte und 
für detachirte Forts.* 

Für das Etatsjahr 1886/87 wird also beabsichtigt, die Beschaffung 
und Umänderung des Materials sämmtlicher oanitätsformationen, 
sämmtlicher Arzneibehältnisse der Truppen und einzelner Grenzfestungen 
vornehmen zu lassen. Hierin liegt eine Neueinrichtung, wie sie gross- 
artiger in dem Material zur Pflege unserer Verwundeten noch nicht da¬ 
gewesen ist, in Zukunft werden wir von der Zeit dieser Umwälzung eine 
neue Aera für die Kriegs-Chirurgie zu datiren haben. — 

Unter den weiteren Etatspositionen des Militär-Medicinalwesens 
Preossens werden unsere Leser aus Cap. 5 „einmalige Ausgaben* die 
folgenden mit Interesse begrüssen: 


*) Für Württemberg und Sachsen sind entsprechend kleinere Summen in den 
Etat eingestellt. 


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Pos. 40. Neubau eines Wärterwohnhauses und eines Waschhauses 
mit De si n f ec tions-Anstalt bei dem 1. Garnison-Lazareth Berlin, 
erste Bäte. 80000 M. 

Diese Pos. wird gefordert, „weil die jetzige Vorrichtung zur Des- 
inficirung der Bettgerätbe, Kleidungsstücke etc., bezw. zur Vernichtung 
von Krankbeitserzeugern den neueren, wissenschaftlichen Anforderungen 
nicht entspricht“. 

Pos. 41. Erweiterung des Garnison - Lazareths in Thorn, dritte 
Rate. 300000 M. 

Pos. 42. Neubau und Ausstattung eines Garnison-Lazareths in 

Rudolstadt, letzte Rate. 21 000 M. 

Pos. 43. Neubau und Ausstattung eines Garnison-Lazareths in 

Rawitsch, letzte Rate. 40000 M. 

Pos. 44. Neubau einer Baracke auf dem Grundstück des Garnison- 
Lazareths in Glatz. 23000 M. 

Pos. 45. Neubau einer Isolir-Baracke und eines Leichenhauses bei 
dem Garni8on-Lazareth in Schwerin. 27 800 M. 

Pos. 46. Neubau und Ausstattung eines Garnison-Lazareths in Cassel, 
fünfte Rate. 22 500 M. 

Pos. 47. Neubau eines Latrinen-Gebäudes bei dem Garnison-Lazareth 
in Mainz. 24 300 M. 

Schliesslich haben wir Erwähnung zu thun der Pos. 2 in Cap. 24. 
Danach haben wir jetzt in Preussen: 

15 Generalärzte 

davon 7 mit je 7800 M. Gehalt 
8 - - 6600 - 

255 Oberstabsärzte 

davon 32 mit je 5400 M. Gehalt 
94 - - 4800 - 

129 - - 3600 - 

367 Stabsärzte 

mit je 2160 M. Gehalt. 

An Stelle derjenigen Stabsärzte, welche bereits vor der Aufbesserung 
des Gehalts im Jahre 1872 ein solches von 2400 M. bezogen haben, 
bezieht eine gleiche Zahl der jüngsten Stabsärzte ein Gehalt von 1920 M. 

661 Assistenzärzte 

davon 257 mit je 1080 M. Gehalt 

404 - - 900 - 

Neu bei diesen Ansätzen sind 32 Oberstabsärzte mit je 5400 M. 
Gehalt statt bisher 4800. Sehr sympathisch werden eich die Sanitäts¬ 
offiziere durch die Erläuterung hierzu berührt fühlen, welche lautet: 
„Der Ansatz bezweckt eine Gehaltsverbesserung von zunächst 32 Ober¬ 
stabsärzten I. Classe um je 600 M. und entspricht einem in gleicher 
Form zum Etat 1885/86 gestellten Anträge, der trotz Anerkennung seiner 
sachlichen Berechtigung nur aus allgemeinen Etatsrücksichten nicht die 
Zustimmung der Mehrheit des Reichstages fand. Der Antrag hat wieder 
aufgenommen werden müssen, da die für ihn geltend gemachten dienst¬ 
lichen Interessen und Billigkeitsrücksichten noch fortbestehen bezw. es 
erforderlich machen, die im Uebrigen bereits bestehende finanzielle Gleich¬ 
stellung der Oberstabsärzte I. ClaBse mit den Bataillons-Commandeuren 
auch hinsichtlich des Gehalts ein treten zu lassen.“ 

4* 


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52 


In den Sitzungen am 15. und 16. December 1885 erledigte der 
Reichstag die zweite Lesung des Militär-Etats, die hier besprochenen 
Positionen wurden säromtlich genehmigt und durfte damit, da die dritte 
Lesung voraussichtlich Aenderungen nicht bringen wird, die definitive 
Annahme gesichert sein. — B—r. 


Jedem unserer Leser dürften die beiden Bilder bekannt sein, die 
man so häufig als schone Decoration im ärztlichen Studirzimmer trifft: 
Nicolaus Tulpius, la le 9 ön d’anatomie von Rembrandt, und 
Andreas Vesalins am Secirtisch von Hamman. Wahrend der 
berühmte Rembrandt, dessen Original zu den ersten Zierden der Ga¬ 
lerie im Haag gehört, uns den bekannten Anatomen Tulp in sehr rear 
lietischer Manier in seiner Thätigkeit, umgeben von sieben Schülern, zeigt, 
ist in dem Ham manschen Bilde das wenig künstlerische Object, der 
Leichnam, sehr decent gehalten, der herrliche Kopf des Vesal schaut zu 
dem Bilde des Gekreuzigten auf und stellt als mächtig versöhnendes Mo¬ 
ment den inneren Kampf in den Vordergrund, den auch der Mann der 
Wissenschaft durchmacht, ehe er an den Menschen das Secirmesser 
an legt. 

Die Verlagshandlung von E. H. Schröder (Berlin, Möckernstr. 137) 
hat es unternommen, die beiden Bilder als Pendants — das erstere von 
Süssnapp, das zweite von Milster lithograpbirt — herzustellen und 
bietet dieselben in einer Bildergrösse von 32 zu 42 cm, auf chinesischem 
Papier (56 zu 72 cm) der ärztlichen Welt zum Kauf an. Der Preis jedes 
Blattes betragt Mark 4,50. 

Die künstlerische Ausführung ist eine vortreffliche, einem Stich 
sehr nahe kommende. B—r. 


Aus dem Inhalte der Archives de medecine et de pharmacie 
militaires. 1. Sept. bis 1. Dec. 1885. 

Band VI, S. 228. R6flexionscliniques surla fi evre typhoide 
a forme renale et sur la mort rapide par uremie convulsive, 
par Toussaint. Der typhöse Process führt verhältnissmässig häufig zur 
Entzündung der Nieren. Die Urinuntersuchung ist daher täglich geboten. 
Je mehr und je früher sich Albumen zeigt, um so schwerer ist der Fall. 
Ein Theil der plötzlichen Todesfälle im Typhus ist urämischen Ursprungs. 
Pathologisch-anatomisch wird die Betheiligung der Nieren lediglich auf 
die infectiöse Umache bezogen, auf eine Anhäufung der Bacillen in den 
Glomerulis. In solchen Fällen können die Antipyretica nicht so sehr 
in Betracht kommen, als Ableitungen auf die Haut und den Darm. 

S. 289. Considcrations sur la fi evre intermittentek Ouargla. 
Ses causes et ses ma ni festations, par Verdan. Die französische 
Sanitätsleitung pflegt bekanntlich topographisch-hygienische Studien aus 
den Garnisonen. Vorliegende Arbeit ist wiederum Beweis dafür, wie 
richtig sie darin handelt. Die Verhältnisse des beschriebenen arabischen 
Militärpostens interessiren an sich den deutschen militärärztlicben Leser 
weniger; wer aber Anlass zu geographisch- oder vergleichend pathologischen 
Studien hat, findet in dieser Arbeit schätzenswertbe Beiträge über Malaria, 
ihr Verhalten zur Cultur des Landes, und ihren Einfluss auf die Be¬ 
wohner. Verf., der in Ouargla der Tuberculose erlegen ist, hat an sich 


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Beitat wie an Anderen noch die Thatsache. bestätigen können, dass Malaria 
und Tobercalose sich nicht nur nicht au9schliessen, sondern au höchst 
deletärer Wirkung vereinigen können. 

8, 320. Deux cas cPempoi sonnement, dont Tun mortel, par 
la solntion de Sulfate de Quinine au 1/20, par Bailis. Ein In- 
firmier verabreicht einem revierkranken Unteroffizier anstatt der ver- 
ordneten vorräthig gehaltenen Lösung von Na. sulph. eine 5 proc. Chinin* 
lösnng nnd trinkt selbst davon mit, um dem Andern hinsichtlich des 
schlechten Geschmackes Muth zu machen. Jeder der beiden Männer 
erhält etwa 6,0 Chinin. Nach einer halben Stunde starkes Ohrensausen, 
dann zunehmend Blässe and Kuhle der Haut, kurze ängstliche Respiration, 
kleiner, unregelmässiger, aussetzender Puls; übrigens keine gastrischen 
oder krampfartigen Symptome. Bewusstsein frei. Die Behandlung bestand 
zunächst in Darreichung eines Brechmittels aus 1,0 Rad. Ipecac. mit 
0,05 Tart stib. Danach Analeptica (starker Kaffee) und Hautreize 
(Frottiren, Sinapismen). Beim Aufheben zum Transport ins Lazareth 
wird der Infirmier von einem synkopischen Anfall befallen, der nach 
subcutaner Aetberinjection und Besprengung mit kaltem Wasser vorüber- 
gebt. Nach der Aufnahme ins Lazareth zweiter Anfall, dem dieser Pat. 
erliegt. Der andere Kranke war 6 Stunden nach Einverleibung der 
Lösung ausser Gefahr. Die Autopsie des Infirmiers ergab nichts Be* 
merkenswertes. 

Beide Fälle sind sehr lehrreich durch die Schwere der Erscheinungen 
nach einer Chiningabe, welche man als tödtlich bis jetzt nicht ansah. 
Säe und Bochefontaine geben die für den Menschen tödtliche Dose 
auf 35,0 an. Die Arbeit schliesst mit einer Betrachtung über die hier 
beobachtete Unwirksamkeit der Ipecacuanha, welche auf den Congestiv- 
zustand der Magenschleimhaut bezogen wird. Vom Tartarus stibiatus 
dpricht Verf. nicht, und doch können wir die schwersten Bedenken gegen 
die stattgehabte Verabreichung dieses Mittels nicht unterdrücken, welches 
sie lähmende Einwirkung der grossen Chiningabe auf das Herz not¬ 
wendig ins Ungemessene steigern musste. Aus diesem Grunde wurden 
auch wir der Ansicht des Verf. zustimmen, in solchen Fällen die Brech- 
wirkung lieber durch Apomorphin subcutan zu erzielen. 

S. 375. Les injections antiseptiques dans le traitement de 
la Blennorrhagie, par Bourgeois. Durchaus Anhänger der Lehre von 
der parasitären Natur der Blennorrhoe, verwendet Verf. von Anbeginn 
der Erkrankung antiseptische Losungen zur Injection. Seine Versuche 
erstreckten sich ausser anderen auf folgende Hauptmittel: Sol. Kali hyper- 
mang. 0,05 %. Liqu. van Swieten zu 5 auf 95 Aqu. dest., endlich Chin. 
sulph. 1, Aqu. dest. 80, Acid. sulph. nicht mehr, als chemisch genau zur 
Lösung des Chinin erforderlich. Die Injectionen werden lauwarm, viermal 
täglich gemacht, die letzte in der Nacht — worauf Werth gelegt wird. 
Aufgesetzt wird nur bei grossem Schmerz oder starkem Oedem des 
Präputiums. Einmal wurde Antipyrin in einprocentiger Lösung versucht. Der 
Ausfluss hörte sehr schnell auf, die Nebenerscheinungen, Sohmerzen und 
Erectionen, waren aber so stürmisch, dass von Wiederholungen abgesehen 
wurde. Nach dem Urtbeile des Verf. ist die skizzirte Behandlung eine 
ganz sichere. Bei einer mittleren Behandlungsdauer von 16 Tagen wurden 
Recidive stets verhütet, wenn die Injectionen richtig gemacht waren. 
Für die Technik folgende Fingerzeige: die Glasspritze soll 8 g fassen. 
Ist sie grösser, so soll die Stelle aussen bemerkt werden, bis zu der sie 


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8 g enthält. Der Spritzenstempel bleibt dicht, wenn er mit Vaseliue 
gefettet wird. Hauptsache endlich ist, die Injectionsflüssigkeit nicht unter 
10 Minuten in der Urethra zu lassen, besser noch V* Stunde. Kura vor 
der Injection ist zu uriniren, nach derselben möglichst lange nicht. 

S. 388. D’un nouveau mode de bretelle de pantalon du 
soldat comme appareil hemostatique et comme lien contentif 
des fractures, par Senut. 



Die Construction dieses neuen n Verband¬ 
hosen trägers tt ergiebt sich aus der nebenstehen¬ 
den Reproduction der Abbildung desselben. Vor 
dem Esmarch’schen hat er das voraus, dass er 
sowohl in halber Länge zu gebrauchen ist, als 
auch durch Aneinanderknöpfen mehrerer zuieder 
beliebigen Länge gebracht werden kann. Woher 
im Felde die nöthige Zahl solcher Träger kommen 
soll, darüber bleibt uns Verf. die Antwort ebenso 
schuldig wie Esmarch. In Deutschland wenig¬ 
stens wird der Hosenträger dem Soldaten nicht 
geliefert Ausserdem bestehen unsere, bereits 
früher*) geltend gemachten Bedenken hinsicht¬ 
lich der Sauberkeit dieses Materials unvermindert 
fort, und endlich ist nicht klar, wer seine Hosen¬ 
träger im concreten Falle gleich entbehren könnte, 
um sie zu Verbandzwecken herzugeben. 


S. 436. Quelques considerations sur diverses variötös de 
luxations rares, par Saletes. Casuistisehe Beiträge über Luxation des 
Daumens im Garpometacarpalgelenk; der zweiten Zehe im Interphalangeal- 
gelenk und des Radius allein auf den Condylus externus humeri. 

S. 444. Du Cafeisme chronique, par Ouelliot. Union medicale 
du Nord-Est, Juillet 1885. Referat. Bei Leuten, welche längere Zeit 
hindurch gewohnt waren, täglich */ s —2 1 starken schwarzen Kaffees zu 
trinken, beobachtete Verf. Abmagerung, Gesichtsblässe, Erweiterung der 
Pupillen, Zittern der Zunge und Lippen, ausserdem dyspeptische Sym¬ 
ptome und nervöse Depression!; in späteren Stadien absolute sexuelle 
Anorexie. Bei der Gemeinsamkeit dieser Symptome mit chronischem 
Alkoholismus wurde die Reinheit der Beobachtung dadurch gesichert, 
dass Kranke ausgeschlossen blieben, die gleichzeitig dem Alkohol huldigten. 
Die Heilung geschah durch allmälige Verminderung des Kaffeequantums 
auf die normale mittlere Menge. Der Referent des Archivs ist der An¬ 
sicht, die wir theilen, dass glücklicherweise die Seltenheit des Kaffeismus 
den ausserordentlichen 'Werth des Kaffees für die Armee nicht ver¬ 
mindert, um so mehr, als hier das Quantum wie der Concentrationsgrad 
des Getränks solche Gefahren überhaupt ausschliesst. — . — 


*) Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1881, S. 378. 


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Berliner militärärztliche Gesellschaft. 

Sitzung vom 20. Jnni 1885. 

Nachdem Herr Stabsarzt Rochs im Gebäude der Anatomie das von 
Herrn Geheimrath Waldeyer zu diesem Zweck zur Disposition gestellte 
Aeby’scbe Hirnstrang-Faserung-Modell demonstrirt hat, bespricht Herr 
Stabsarzt Martins im Sitzungssaale der Gesellschaft die Methoden zur 
Erforschung des Faserverlaufs im Central-Nervensystem mit besonderer 
Beziehung auf die System-Erkrankungen. Der letzterwähnte Vortrag 
soll in extenso veröffentlicht werden. 

Sitzung vom 21. Juli 1885. 

Stabsarzt Lenhartz bespricht einen in der Charite beobachteten 
Fall von Encephalitis nach Masern. Die daran geknüpften Erörterungen 
sollen in extenso veröffentlicht werden. 

Stabsarzt Jaeekel stellt sodann zwei Maschinenschlosser vor, denen 
im Winter 1883/84 mit dem besten Erfolge für Sehschärfe und Gesichts¬ 
feld in der Brecht’schen Augenklinik je ein Eisensplitter aus der Netzhaut 
mittelst Magneten extrabirt worden ist. 

ln beiden Fällen wurde der Eisensplitter mit dem Augenspiegel 
aufgefunden und präsentirte sich bei der fast völligen Klarheit der 
brechenden Medien im untern innern Quadranten des linken Augen¬ 
hintergrundes als metallisch glänzender Körper, ln dem einen Falle 
hatte der Splitter in der Richtung nach dem obern äussern Quadranten 
Hornhaut, Iris und Linse durchsetzt und war mit Hinterlassung einer 
Aderhautruptur im obern äussern Quadranten nach unten innen ricochetirt. 

Durch sehr zahlreiche mittelst Perimeter vorgenommene Bestim¬ 
mungen wurde geographische Breite und Länge des Fremdkörpers fest- 
gestellt und diese Winkelwerthe an einem Angenmodell in natürlicher 
Grösse mit Bezug auf den Hornhautrand nach Millimetern umgereebnet. 

In beiden Fallen wurde unter antiseptischen Cautelen so operirt, 
dass bei grosser nasaler Conjunctivalwunde und Durchtrennung des 
Rectus inferior der Augapfel bis über den Aequator hinaus freigelegt 
und möglichst nach oben und aussen rotirt wurde. An der durch 
Messung bestimmten Stelle des nun in der Operationswunde liegenden 
hintern, innern, untern Quadranten wurde ein meridionaler, 6 Millimeter 
langer Schnitt in die Augenhäute gemacht, der Magnet eingeführt, und 
nach mehrfachen vergeblichen Versuchen schliesslich mit dem daran¬ 
haftenden Splitter ausgezogen. Nach Wiederannähung des Rectus inferior 
und Vereinigung der Conjunctivalwunde ging unter antiseptischem 
Verband die Heilung glatt von statten; 10 Tage nach der Operation 
konnte mit dem Augenspiegel constatirt werden, dass an Stelle des Fremd¬ 
körpers eine etwas längere Narbe lag. 

Der Vortragende konnte allen Anwesenden mit Hülfe eines an einem 
Perimeter befestigten Ophthalmoskops mit fixirter Linse und Spiegel 
das umgekehrte Bild der Narbe und deren Umgebung demonstriren. 

Sitzung vom 21. October 1885. 

Stabsarzt Roch8 stellt einen28jährigen Mann mit juveniler Muskel¬ 
atrophie vor. Die Atrophie hat vorzugsweise die gesammte Muskulatur 
der rechten oberen Extremität befallen, sowie die Rückenstrecker 
(Lordose der Lendenwirbelsäule) und die Oberschenkelmuskeln beider¬ 
seits. Au den Unterschenkeln besteht Pseudohypertrophie und zwar an 


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den Waden lipomatöse, an den Exteusoren des Fasses fibröse. — Die 
elektrische Erregbarkeit ist überall da erhalten, wo noch Muskelmasse 
vorhanden ist Entartungsreaction und fibrilläre Zuckungen fehlen. —- 
Anamnestisch bemerkt der Vortragende, dass Pat. aus einer hereditär 
nicht belasteten Familie stammt, und dass das Leiden sich zuerst im 17. 
Lebensjahre mit Atrophie des rechten Deltoides und Biceps eingestellt 
habe. Allmählich sei dasselbe bis zu dem jetzt bestehenden Bilde fortge¬ 
schritten. Der Fall steht in der Mitte zwischen der Er buchen juvenilen 
Form der Muskelatrophie und der (lipomatosen) Pseudohypertrophie. 
Redner hebt zum Schloss die Unterschiede zwischen diesen und der 
D uchesne-Aran’schen Atrophie hervor. — 

Stabsarzt Bruberger theilt sodann einige Reisebeobachtungen über 
hygienische Zustande in Norwegen mit, insbesondere über Aussatz* 
spitäler, Volksernährung, Transportmittel und über das Alkohol-Mono¬ 
pol als Mittel zur Bekämpfung der Trunksucht. Der Inhalt des Vortrages 
ist in Heft 11 des vorigen Jahrganges der Deutschen militärärztlichen 
Zeitschrift veröffentlicht. Es knüpft sich an diese Mittheilungen eine 
kurze Discussion, an welcher sich insbesondere die Herren v. Berg¬ 
mann und Hahn betheiligen. 


Besnard 

Wieder einer unserer Veteranen dahin; wieder einer jener Alten uns 
entrissen, deren Begeisterung für die Wissenschaft, gepaart mit grösster 
persönlicher Herzensgüte, besonders wir Jüngeren uns gern als nachahmens- 
werthe und erwärmende Beispiele vor Augen stellen! Und doch, dass 
sie gerade am frühesten uns verloren gehen müssen, ist Naturgesetz; 
reisst ja selbst aus der Reihe der Gleichaltrigen der Tod schon zu Boden, 
sie, die guten Camcraden, „als wär's ein Stück von mir“. Wir wenden 
unsere Blicke zum Nachwuchs: Ob der uns theilweise ersetzen kann, 
was wir mit jenen verlieren? 

Es ist ein reiches Leben gewesen, reich au ernster aber freudiger 
Arbeit, welchem am 12. Dec. 1885 auf dem südlichen Friedhofe Münchens 
Ziel und Denkstein wurde. Generalarzt a. D. Dr. phil.et med. Anton Besnard, 
unseren Lesern auch als einer der getreuesten Mitarbeiter unserer Zeitschrift 
von 1871 bis in seinen letzten Lebensmonat hinein bekannt, sah sein Ideal 
in der Vervollkommnung der eigenen und der allgemeinen Kenntnisse auf 
dem Gebiete der Naturwissenschaft und der Heilkunde, in seinem militär- 
ärztlichen Stande aber speciell: in pünktlichster dienstlicher Pflichterfüllung. 
Wie der Heimgegangene erreicht, was er gewollt, möge der folgende kurze 
Rückblick auf sein Leben uns zeigen. 

Anton Franz Besnard wurde am 12. April 1814 zu München als 
Sohn eines Ministerialsecretärs geboren, besuchte von 1832 bis 1835 die 
Münchener, bis 1836 die Würzburger Universität; an ersterer zog er 
bereits durch seine litterarische Thätigkeit in den Naturwissenschaften die 
Augeti der Fachmänner auf sich: als 20jähriger Student loste er die 
Preisaufgabe der philosophischen Facultät über „Genus, species und 
varietas* und wurde dafür am 15. Juli 1835 zum Doctor der Philosophie 
promovirt. ln Würzburg promovirte er in der Medicin und absolvirte. 
1836, kaum nach München zurückgekehrt, war ihm gleich Gelegenheit 
gegeben, die edelste Seite seines Wesens kennen zu lehren: als Cholera¬ 
arzt bis Frühjahr 1837 mit grösster Selbstverleugnung und Aufopferung 


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wirkend, bat er neben dem Rofe eines tüchtigen Arztes auch den der 
aufrichtigsten Humanität and Herzensgute sich begründet, den er bis za 
seinem letzten Athemzage behielt, derart, dass seine Collegialität und 
Liebenswürdigkeit im Lanfe der Zeit geradezu sprichwörtlich wurden. 
Bis November 1838 fangirte er als Assistent der medicinischen Klinik und 
trat dann in die Armee ein. Er wnrde lj841 Unterarzt in der Garnison 
Bayreuth ond diente von 1843 als Bataillons-, dann als Regimentsarzt 
im 1. Feldartillerie-Regiment zu München bis 1866, wo er im Feldzage 
als Stabs- and Chefarzt des Hauptfddspitals III sich das Ritterkreuz 
1. CI. des Militärverdienstordens erwarb. Vom Januar 1869 an Garnisonarzt 
in München, wurde er im französischen Feldzug Chefarzt des Hauptfeld- 
Bpitals V, Februar 1871 Oberstabsarzt 2. CI. und mit dem Eisernen Kreuze 
decorirt; 1872 Oberstabsarzt 1. CI. bei der Commandantur München und 
daselbst 1873 Chefarzt des Garnisonlazareths, als welcher er für die in 
der Choleraepidemie 1873/74 entwickelte wackere und erfolgreiche Thätig- 
keit mit dem Ritterkreuze 1. CI. des Verdienstordens vom heiligen Michael 
sowie durch eine Allerhöchste Belobung ausgezeichnet wurde. Am 24. März 
1875 wurde ihm der erbetene Ruhestand mit der Charakterisirung als 
Generalarzt gewährt. Er lebte von da seiner Wissenschaft, seiner Familie 
und seinen Freunden; erkrankte Mitte vorigen Jahres an Furunkulose, 
Beginn Octoher an Venenthrombosen des Armes und Oberschenkels und 
starb am 9. December unter den Symptomen allgemeiner Erschöpfung. 

In die 37jährige Dienstzeit fallt nun auch das reiche literarische 
Schaffen Besnard’s, und fallen die Auszeichnungen, die ihm dafür seitens 
der gelehrten Corporationen geworden sind. Er war Herausgeber der 
Jahresberichte des zoologisch-mineralogischen Vereins zu Regensburg „Die 
Mineralogie in ihren neuesten Entdeckungen und Fortschritten“, Band 
I—XXXIV. 1848—1881; edirte „Die Mineralien Bayerns nach ihren 
Fundstätten“, Kollmann, Augsburg 1854; Nachträge dazu 1855; „Altes 
und Neues zur Lehre über die organische Art“, Pustet, Regensburg 1864; 
„Bayerns Flora“, Grubert, München 1866; sowie ausserordentlich zahl¬ 
reiche Kritiken und Referate aus allen Gebieten der Pathologie, Therapie 
ond Hygiene. In Anerkennung dieser Leistungen wurde er Ehren- bezw. 
correspondirendes Mitglied der Societas physico-medica Erlangensis, der 
König!. Leopoldinisch-karolinischen Akademie in Wien, der Senken- 
bergischen natur forschen den Gesellschaft zu Frankfurt a. M., der natur¬ 
historischen Gesellschaft zu Nürnberg, des naturhistorischen Vereins zu 
Augsburg, der Regia societas botanica Ratisbonensis, des zoologisch- 
mineralogischen Vereins zu Regensburg, der naturforschenden Gesellschaft 
zu Bamberg, der Pollichia, naturwissenschaftlichen Gesellschaft der Rhein- 
pfftlz, so wie Ehrenmitglied des ärztlichen Vereins München, dessen be¬ 
währter Bibliothekar er über zwei Decennien gewesen war. Aus dieser 
Stelle datirte seine letztere grössere Arbeit: ein musterhafter Catalog der 
umfangreichen Vereinsbibliothek. 

In seinem Familienleben waltete Glück; er vermählte sich 1845 mit 
Fraulein Caroline v. Allweyer, Appellationsgerichtspräsidenten-Tochter 
zu München, die ihm 1882 im Tode voranging, und (unterlässt 3 Söhne, 
deren zwei der bayerischen Armee als Offiziere angehören. 

Aber nicht nur die mediciniscbe und Naturwissenschaft betrauert in 
Besnard einen braven Arbeiter, — die ihn kannten, seine Freunde, seine 
Vorgesetzten und Untergebenen, verlieren mehr: einen Mann von edelstem 
Charakter, in welchem freundliche Menschenliebe, Lebenslust und treu- 


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herzigste Gutmäthigkeit mit einer bei seinen wissenschaftlichen Erfolgen 
und seiner geradezu phänomenalen Litteraturkenntniss, die ihn zu einem 
in dieser Hinsicht täglich aufgesuchten Berather_der wissenschaftlich 
arbeitenden Collegen machte, — ungemein liebenswürdigen Bescheidenheit 
sich vereinigten. Wie war er stets gerne zur Anerkennung bereit den 
Jüngeren gegenüber, geduldig und ermunternd. Selbst ein fleissiger 
Mensch, war er davor bewahrt, das fleissige Streben Anderer als Streber¬ 
thum empfinden zu müssen. Solchen edlen Eigenschaften konnte auch 
die segensreiche Wirkung auf die Umgebung nicht fehlen; sie fühlten sich 
durch ihn gefordert und angemuthet, sie verehrten ihn als bewahrten 
Freund, sie schätzten ihn hoch, die Vorgesetzten, die Gleichstehenden, 
die Untergebenen. Nehmt Alles in dem Einen: er war ein Ehrenmann! 
Seine Asche ruhe in Frieden. Rotter—München. 


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Deutsche 


Militärärztliche Zeitschrift. 


Radaction: 

Dr. 3». ,£<wt9oß, Generalarzt, 
Berlin, Tubenstrasse 6. 

o. Dr. SR. Streifiger, Stabsarzt, 

Berlin, Hedemnnnstr. 15. 


Varlag: 

f. §. S&ttffrr & $ 09 «, 

Königliche Hofbuchhandlnng, 

Berlin, Kochstrasse 68—70. 


Monatlich erscheint ein Heft von mindestens 3 Druckbogen; dazu ein „Amtliches Beiblatt* 4 . Der 
Zeitschrift wird das Werk: „Jahresbericht über die Fortschritte auf dem Gebiete des Militär- 
Sanitate*Wesens 44 , heransgegeben vom Generalarzt Dr. Both, anentgeltlich beigegeben. Bestellung 
nehmen alle Postämter nnd Buchhandlungen an. Preis des Jahrgangs 15 Mark. 


XV. Jahrgang. 1886. Heft 2. 


Antiseptische Beiträge. 

Von 

Oberstabsarzt Dr. Port« 


Schon vor längerer Zeit habe ich daranf hingewiesen, dass die auf 
Anstrocknang der Wundsecrete abzielenden Verbände mit Torf, Torfmoos, 
Holzwolle n. s. w. die geeignetsten antiseptischen Verbände für den 
Kriegsgebrauch darzustellen scheinen. Seitdem anch Prof. Esmarch in 
der neuesten Auflage seiner kriegschirargischen Technik fnr das Princip 
der Secretaostrocknnng Partei ergriffen und die früheren antiseptischen 
Verbände wegen ihrer impermeablen Bedeckung als unvollkommen erklärt 
hat, kann der hohe Werth der oben genannten Stoffe für die antiseptische 
Kriegsausrnstung nicht mehr zweifelhafterscheinen. Diese Stoffe bieten ausser¬ 
dem den grossen Vortheil, dass sie wenigstens tbeilweise an vielen Orten 
leicht zu haben sind, und dass sie daher anch im Felde eine Ergänzung 
der Verbandvorräthe auf dem Improvisationswege gestatten. 

Bisher hatte ich in Improvisationszwecken hauptsächlich das Torf¬ 
moos ins Ange gefasst, war aber wegen der verhältnissmässig grossen 
Mühe, die das Einsammeln nnd Reinigen desselben verursacht, mit diesem 
Stoff nicht ganz zufrieden. In hiesiger Gegend kommt das Torfmoos 
nämlich nicht sehr reichlich vor: es ist meist mit anderen Moosarten 
ziemlich stark durchwachsen, ferner durch Tannennadeln nnd sonstige 
W&ldabfälle verunreinigt; es erfordert daher ein sorgfältiges Anssochen 
sowie znr möglichsten Beseitigung von Käfern nnd anderem Gethier viel¬ 
fältiges Auswaschen; znm Schlüsse wird tüchtiges Aaskochen nicht za 
umgehen sein. Ich Hess mich daher durch die empfehlende Erwähnung, 

5 


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welche Esmarch a. a. O. des neuesten Holzpräparates, der Holzfasern, 
thut, mit grosser Bereitwilligkeit auf eine neue Improvisationsspur binleiten. 

Meine ersten Versuche mit der Selbstherstellung von Holzfasern waren 
allerdings auch nicht sehr ermutbigend, weil ich dazu trocknes Holz ver¬ 
wendete, welches die Messer beim Schaben stark angreift, einen ziemlichen 
Kraftaufwand erfordert und für die aufgewandte Zeit und Mühe einen 
viel zu geringen Ertrag liefert. Dagegen gelangen die Versuche in voll¬ 
kommenster Weise mit grÜDem Holz. Allo Holzarten lassen sich in grünem 
Zustande leicht zu* Fasern schaben, die so saugkräftig sind, dass sie im 
frischen Zustande sofort in Wasser untersiuken. Neben diesem Vorzüge, 
den sie mit der entfetteten Baumwolle gemein haben, besitzen die Holz¬ 
fasern jedoch eine viel grössere Elasticität als die Baumwollfasern und 
ballen sich selbst bei Benutzung niemals nach Art der letzteren zusammen. 
Es können sich also die Secrete frei zwischen den Holzfasern ausbreiten, 
während sich die Baumwollfasern bekanntlich auf Wunden so eng aneinander 
zu legen pflegen, dass leicht Secretverhaltung eintritt. 

Die schönsten und längsten Holzfasern liefert der Hollunder. Frisch 
geschabt sehen sie locker geschichtetem Sauerkraut nicht unähnlich. Nach 
dem Trocknen werden sie gelb, während die aus anderen Holzarten ge¬ 
wonnenen Fasern weiss bleiben. Die Holzfaserquantitäten, die man durch 
Handarbeit hersteilen kann, Bind so bedeutend, dass selbst in einem grossen 
Lazareth der tägliche Bedarf an Verbandmaterial von ein paar Reconva- 
lescenten in kurzer Zeit zu Stande gebracht werden kann. Da irisches 
Holz durchaus pilzfrei ist, so kann bei einiger Vorsicht ein absolut reines 
Verbandmaterial gewonnen werden. Sind die Holzfasern getrocknet, so 
nehmen sie wie ein trockner Schwamm oder wie getrocknetes Moos das 
Wasser nicht augenblicklich an; sie sind dann auch etwas härter als im 
feuchten Zustande. Aber vollkommen trocken braucht man sie auch nicht 
auf die Wunden zn legen. Man wird sie vielmehr vorher in Sublimatlösung 
eintauchen, dann gut ausdrücken und, in ein Stück Mull eingeschlagen, 
wie ein Cataplasma auflegen. Derartige Holzfasercataplasmen sind voll¬ 
kommen weich and lassen sich mit einer darüber geführten Gazebinde 
der Körperoberfläche aufs Innigste anscbmiegen. Diese antiseptischen Ver¬ 
bände sind fast so einfach wie der frühere Charpieverband. Die Haupt¬ 
sache aber ist, dass sich die Aerzte eine solche antiseptische Ansrüstung 
im Nothfall ganz auf eigene Faust beschaffen können. Man lässt vom 
nächsten Baum ein paar Aeste abschneiden, lässt sie mit dem Messer oder 
mit Glasscherben zu Fasern schaben, packt sie nach dem Trocknen in 
gereinigtCoe nservenbüchsen, verschliesst dieselben staubdicht mit einem 
Stück Blech ohne zu löthen, und ist nun, wenn man nebenbei noch einen 


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Vorratb von Sublimat und Gaze auftreiben kann, so vollständig ausgerüstet 
als man nnr wünschen kann. 

Den Verschloss der Blechbüchsen wird man am besten in folgender 
Weise machen. Zuerst wird der Rand der Büchse in der Breite von 
einigen Millimetern horizontal auswärts gebördelt; dann wird die Buchse 
aof das Blechstuck, welches den Deckel liefern soll, verkehrt gestellt, der 
umgebörtelte Rand mit einem spitzen Gegenstand umrissen, und einige 
Millimeter ausserhalb des Risses das Deckelblech durchschnitten. Der 
Band des Deckelbleches wird hierauf längs der Risslinie in die Höhe 
gebogen, und die Buchse verkehrt zwischen die aufgebogenen Ränder 
des Deckels gestellt. Man braucht dann bloss noch den Deckelrand rings¬ 
um ober die ausgebördelten Ränder der Büchse niederzuklopfen, um einen 
ganz soliden und staubdichten Verschluss zu erhalten. Der Deckel kann 
leicht wieder abgenommen werden, wenn maä die vorstehenden Kanten 
desselben aufwärts biegt oder klopft. 

Ich halte es für nützlich, in jeder Büchse ausser den Holzfasern 
eine entsprechende Zahl zugeschmolzener Glasröhrchen mit je 1 g Sublimat 
ferner einige quadratische Stück Mull zur Cataplasmenbildung und eine 
Anzahl gestärkter, zur besseren Verpackung möglichst flach geklopfter 
Gazebinden unterztfbringen, so dass man bei Eröffnung der Büchse Alles 
vorfindet, was zu einem Verband erforderlich ist. 

Die zugeschmolzenen Glasröhrchen sind mit einem Feilstrich zu ver¬ 
sehen, damit man sie leicht zerbrechen kann. Wird der Inhalt in einem 
Liter Wasser aufgelöst, so hat man die zur Reinigung der Wunde, zum 
Waschen der Hände und zum Eintauchen der Holzfasern erforderliche 
Flüssigkeit. Bei Mitnahme von imprägnirten Holzfasern wäre zu besorgen, 
dass das Sublimat von den organischen Stoffen, auf denen es ausgebreitet 
ist, mit der Zeit reducirt wird. Da man zur Reinigung der Wunde und 
der Hände ohnedies meist Sublimatlösung benutzen wird, so ist es viel 
zweckmässiger, die Imprägnirung der Holzfasern erst unmittelbar vor dem 
Gebrauche auszuführen. Wo die Bereitung einer Sublimatlösung zu um¬ 
ständlich erscheint, würde man auch ganz unbedenklich die nicht impräg¬ 
nirten Holzfasern verwenden können, wenn man die Wunde mit Jodoform 
bestäubt und eventuell die umgebende Haut mit einem Firnissüberzug versieht. 

Um ganz sicher zu sein, dass das Sublimat im Wasser vollständig 
aufgelöst wird, wäre es gut, dasselbe nicht gleich in die grosse Quantität 
Wasser zu schütten, sondern zuerst in einen Esslöffel voll heissen Wassers, 
das man sich in der Büchse oder im schüsselförmig gebogenen Deckel 
derselben bereitet. In 100 Theilen kalten Wassers lösen sich 7 Theile 
Sublimat, dagegen 53 Theile in kochendem Wasser. 


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62 


Holzfasern und Conservenbücbsen betrachte ich als sichere antisep- 
tiscbe Rettungsanker in allen Fällen, wo die Aerzte anf Selbstbülfe an¬ 
gewiesen sind. Sie verdienten eigentlich in die normale Ausrüstung Auf¬ 
nahme zu finden, weil sie durch andere Hülfsmittel schwerlich übertroffen 
werden. _ 

Um die wegen Wundlaufens oder Wandreitens sich meldenden Patienten 
möglichst in dienstfähigem Zustande zu erhalten, brauchen die Truppen¬ 
ärzte auf Kriegs* und Fried^nsmärschen ein schnell applicirbares Deck¬ 
mittel, das die excoriirten Stellen vor Reibung schützt, die Secrete nicht 
zurückbält und der Zersetzung der letzteren vorbeugt. Das gewöhnlich 
verwendete Heftpflaster erfüllt nur einen Theil dieser Indicationen. Besser 
dürfte ein mit Jodoform versetztes Leimpflaster entsprechen, weil der 
Leim von den Secreten aufgelost wird, so dass dieselben durch die Lein¬ 
wand nach aussen hindurch treten können, und weil bei der Auflösung 
des Leims das darin fixirte Jodoform freigemacht wird. Die Herstellung 
eines solchen Pflasters geschieht nach folgender Formel: 

Rp. Gelatine pur. 5,0 
solve in aq. fervidae 25,0 
adde: Glycerini 

Jodoformi ä 1,0 

S. In mehrfachen Schichten auf Schirting zu streichen. 

Glycerin und Jodoform werden für sich zu einem Brei angerührt 
und dieser der Leimlösung zugesetzt. 

Bei der Anwendung wird das abgeschnittene Stückchen Pflaster in 
Wasser getaucht und dann (über der Flamme eines Zündhölzchens) er¬ 
wärmt, so dass es vollkommen weich und schmiegsam wird. Nach dem 
Auflegen wird es mittelst eines Tuches äusserlich trocken getupft. 

Um auf Reisen, Excursionen u. 8. w., wo man sich nicht gern durch 
die Mitnahme eines chirurgischen Besteckes und voluminöser Verband- 
vorräthe beschwert, etwas bei sich zu führen, was die ordnungsmässige 
Behandlung einer vorkommenden Verwundung gestattet, ohne einen nennens- 
werthen Raum in den Taschen einzunehmen, empfehle ich folgendes 
Miniatur-V erband-Etui. 

Ein Blechbüchschen von 7—7 1 /* cm Höhe, 2 cm Breite und knapp 
l 1 /* cm Dicke von ovalem Querschnitt enthält: 

1) ein zugeschmolzenes Glasröhrchen mit 1 g Sublimat, 

2) ein do. mit geschabter Eisenchloridcharpie, 

3) ein do. mit Jodoform oder Jodoformborsäure, 


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63 


4) ein do. mit einer Wandnadel, 

6) ein Stückchen Jodoformlei inpflaster, 

6) einen Meter Sahlimat-Catgat, 

7) eine kleine Pincette, 

. 8) ein Bauschchen Watte (im Deckel). 

Unter der Voraassetzang, dass man Wasser and eine Schüssel oder 
sonstiges Oefass bekommen kann, lasst sich mit obigen Vorräthen eine 
Wände mittelst Sublimatlosung reinigen, blutende Oefasse unterbinden, 
eine Jodoformbestaabang aaafahren, auch die Wunde mit Catgat vernähen. 
Kleinere Wanden, die nicht genaht zu werden brauchen, lassen sich 
darch einen Blotschorf, der mit der aufgelegten Eisenchloridcharpie er¬ 
zeugt wird, oder mittelst des Jodoformleimpflasters antiseptisch verschliessen. 
Die Nadel wurde deswegen eingescbmolzen, am sie auch bei längerer 
Nichtbenatzang mit Sicherheit rostfrei za erhalten. 

Ich mochte bei dieser Gelegenheit, nicht unterlassen, das Eisenchlorid, 
das heutzutage in der Chirurgie beinahe verpönt ist, aufs Wärmste zu 
empfehlen. Man sagt, es verunreinige die Wunden, sei schmerzhaft und 
vermöge stärkere Blutungen doch nicht zu stillen. Das trifft Alles nur 
zu bei unrichtiger Anwendung, wenn man nämlich Eisenchlorid pur auf 
eine Wunde schüttet, oder wenn man arterielle Blutungen durch grosse 
Ballen von aufgelegter Eisenchloridcharpie zu unterdrücken sucht. Bei 
spritzenden Gefassen ist das Mittel überhaupt nicht am Platze. Bei 
eapillaren Blutungen aber genügen einige Flöckchen der geschabten 
Eisenchloridcharpie, um einen fest anhaftenden Blutschorf zu erzeugen, 
unter dem die Wunden ohne Eiterung vernarben. Die Verwendung der 
feingeschabten Eisenchloridcharpie muss so spärlich erfolgen, dass der 
Blutschorf das Niveau der Haut kaum überragt, auch dürfen seitlich keine 
Fasern aus dem Schorf heraushangen. Bei dieser ausserst spärlichen 
Application ist von Schmerz keine Rede und ebensowenig natürlich von 
einer Verunreinigung der Wunden. 


Das spanische Militär-Sanitätswesen. 

Von 

Stabsarzt Dr. Hümmerich. 

Bei dem Mangel an Berührungspunkten und bedeutenderem gemein¬ 
schaftlichen Interesse mit Spanien ist es, ganz abgesehen von anderen 
Gründen, natürlich, dass unsere Kenntniss des spanischen Militär-Sani tats- 
weseus eine geringe und wenig verbreitete ist Ausser der Schilderung 


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64 


des Herrn Generalarztes Henrici*) ans dem Jahre 1861 nnd dem be¬ 
kannten Buche von Knorr**) stehen uns eingehendere Bearbeitungen 
nicht zu Gebote. In den letzten 24 Jahren hat sich aber auch in Spanien 
mancherlei geändert, und das Buch von Knorr bleibt uds über so manche 
Frage des Dienstbetriebes und der persönlichen Verhältnisse, die für den 
Militärarzt von hervorstechendem Interesse ist, die Auskunft schuldig, dass 
es wohl gerechtfertigt erscheint, in dem Folgenden die Verhältnisse des 
spanischen Sanitätscorps darzulegen. Es sollen dabei namentlich die 
augenfälligen Differenzen mit unseren Einrichtungen betont werden und 
der Betrieb einiger Dienstzweige, den man aus Mangel***) an einschlägigen 
gedruckten Dienstanweisungen nicht anders als durch den Verkehr und 
Meinungsaustausch mit den Cameraden kennen lernen kann, Erörterung 
finden. 

Organisation. 

Das spanische Sanitätscorps (cuerpo de sanidad militar) hat zum 
Chef einen General der Armee, der als solcher den Titel director general 
de sanidad militar fuhrt und selbst wieder dem Kriegsminister unter¬ 
steht Er ist gleichzeitig Chef der Intendantur (administracion). Die ihm 
unterstellte Medicinal-Abtheilung im Kriegsministerium heisst: direccion 
general de sanidad militar. In derselben fungiren ein inspector medico 
de segunda clase mit dem Titel „secretario“ (so heissen bei den höheren 
militärischen Chargen die ersten Adjutanten) als Abtheilungschef, 3 oficiales 
mayores (subinspectores 1. und 2. cl.) und 6 oficiales (2 medicos roayores, 
3 medicos primeros und 1 farmaceutico primero) als Decernenten bezw. 
Hülfsarbeiter. 

Das Reglement über die Organisation des Sanitätscorpsf) verleiht 
den Offizieren des Sanitätscorps die Rechte und Pflichten der Offiziere 
der Armee, theilt sie auch, wie diese, ein in jefes (Stabsoffiziere und 
Generalität) und oficiales (Haupdeute und Lieutenants). Das Gehalt, 
die Strafgewalt und alle Competenzen sind die der militärischen Charge 
entsprechenden. Zur weiteren Charakterisirung der Stellung der spanischen 
Militärärzte sei noch Folgendes erwähnt: Sie tragen keine Schärpe, die 
in Spanien nur den Generalen und den Offizieren des estado roayor (ungefähr 

*) Preussische militararzttiohe Zeitung, 1861, S* 176 ff. 

**) Entwickelung des Heeres-Sanitätswesens der europäischen Staaten etc- 
***) Alte Reglements sind schwer käuflich zu haben. Vieles ist in Gesetz¬ 
sammlungen zerstreut. — Für die Bereitwilligkeit, mit der das spanische Kriegs- 
ministerium mir die Reglements zu Gebote stellte und mit der die Herren des 
Ministeriums und alle Cameraden des Sanitätscorps mir jede Kenntniss erleichterten 
und ermöglichten, fühle ich mich denselben zum wärmsten Danke verpflichtet. 

f) Reglamento organico del cuerpo de sandidad militar vom 1. September 1673. 


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65 


dem Generalst&b entsprechend) zukommt. Aber auch das von dem Offizier 
als Abieieheo des Dienstes an einem Kettchen um den Hals getragene 
Metallschildchen fuhren sie nicht. Dagegen hat der Chefarzt (director 
de hospital) das Recht, das Abzeichen des Commandeurs, den Rohrstock 
mit goldenem Knopfe und die seinem Range entsprechende Troddel 
(Leder, Seide oder golddurchwirkt), zu fuhren. Das Sanitätscorps hat 
sein eigenes Ehrengericht, und wenn ein Angehöriger desselben vor ein 
Kriegsgericht gestellt wird, so müssen mindestens zwei Mitglieder des 
Corps unter den Richtern sein. Militärische Ehren am Orabe werden den 
Aerzten nicht erwiesen. 


Ueber Rang-, Gehalts- und Etats Verhältnisse mag die folgende Tabelle 
Aufschloss geben: 


1. Armee der Halbinsel. 


Etat 

Bezeichnung der 
Charge 

Rang 

Entsprechender 
Rang in der 
deutschen Armee 

Monatl. 
Gebalt in 
Pesetas*) 

3 

Inspector medico de 
primera clase 

Mariscal de 
campo 

Generaliieutenant 

1250 

4 

»Inspector medico de 
segonda clase 

brigadier 

Generalmajor 

750 

14 

Sabinspector medico 
de primera clase 

coro nel 

Oberst 

575 

20 

Sabinspector medico 
de segonda clase 

tenientecoronel 

Oberstlientenant 

450 

68 

medico mayor 

comandante 

Major 

400 

155 

medico primero 

capitan 

Hanptmann 

250 

166 

medico segnndo 

teniente**) 

Lieutenant 

216,66 


2. Colonialarmee. 



In8pector 

med. 

Sub¬ 

inspector 

med. 


Medicos 


1. cl. 1 

2. cl. 

1. cl. 

2. cl. | 



segundos 

, 

1 

1 

2 

34 

85 

_ 

— 

— 

1 

1 

3 

5 

— 

— 

1 

1 

2 

8 

20 

— 


*) Es giebt nichts dem Servis Entsprechendes in Spanien. Wenn ein Offizier 
Dienstwohnung hat (fast alle Kegimentscomm&ndenre haben solche), so erfolgt 
dafür kein Abzug. (1 Peseta = 1 Frank.) 

*") Es giebt nur eine Lieutenantsclasse. 


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66 


Ehe wir die Verkeilung dieser Aerzte auf ihre verschiedenen Dienst¬ 
stellen untersuchen, mögen einige Angaben über die spanische Armee hier 
ihre Stelle finden. Dieselbe zerfallt in:*) 

1. Armee der Halbinsel. 

Infanterie: 60 Regimenter Infanterie zu 2 Bataillonen; jedes Bataillon 
hat 4 Compagnien (und 2 Reserve-Compagnien), 

20 Bataillone Jager zu je 4 Compagnien (und 2 Reserve- 
Compagnien), 

2 Compagnien Königliche Leibgarde, 

(100 Reserve-Bataillone zu 4 Compagnien). 

Für sämmtliche Truppentheile der Reserve bestehen im 
Frieden nur Cadres. Kriegsstarke der Bataillone gleich 
1000 Mann. 

Ausserdem sind vorhanden 
1 Garnison-Regiment für Ceuta, 

1 Bataillon Schreiber und Ordonnanzen. 

Cavallerie: 24 Regimenter (12 Ulanen-, 10 Jager-, 2 Husaren-) zu 4 Schwadr.« 

1 Leibschwadron (escolta real), 

2 selbstständige Schwadronen, 

20 Reserve-Schwadronen (im Frieden nur Cadres). 

Die 6. Batterien 
haben keine Ge¬ 
schütze, bilden i m 
Kriege die Muni- 
tions-Colonnen. 

5 Regimenter Fuss-Artillerie zu 2 Bataillonen ä 4 Compagnien, 
(1 Remonte-Schwadron). 

Genie: 4 Sappeurs-mineurs zu 2 Bataillonen a 4 Compagnien, 

1 Regiment Pontonniere, Telegraphisten und Eisenbahnarbeiter 
zu 2 Bataillonen ä 4 Compagnien, 

Handwerker- und Transport-Brigaden, Guardia civil (Gen¬ 
darmerie), carabineros (Zollwächter) und schliesslich die 
Sanitäts-Brigade (s. u.) vervollständigen die Armee. 

2. Besatzung der Colonien. 
a. Armee in Cuba. 

(Stärke nicht genau bestimmt, um der Regierung freie Hand zu 
lassen bei Unterdrückung der aufständischen Bewegungen.) 

*) Knorr, S. 764 ff. 


Artillerie: 5 Feld-Regimenter zu 6 Batt. (1 reitende), 

2 Positions-Regimenter zu 6 Batterien, 

3 Gebirgs-Regimenter - - 


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67 


Infanterie: 8 Regimenter za 2 Bataillonen, 

50 Jäger-Bataillone, 

4 Bataillone mobilisirter Freiwilliger, 

1 Provisional-Bataillon, 

1 Regiment weisser Milizen (2 Bataillone), 

3 Bataillone farbiger Milizen. 

Cavallerie: 7 Regimenter Chasseurs za 3 Schwadronen, 

4 selbstständige Schwadronen (saeltos) zam Gendarmerie¬ 
dienste, 

1 Central-Cavallerie-Depot, 

4 Regimenter disciplinirter Milizen za 4 Schwadronen. 
Artillerie: 1 Fass-Regiment von 2 Bataillonen, 

1 Regiment Gebirgs-Artillerie von 6 Artillerie-Compagnien 
and 1 Arbeiter-Compagnie. 

Genie: 1 Bataillon von 8 Compagnien, 

1 Depot, 

1 Telegraphen-Compagnie, 

3 Compagnien farbiger Milizen, 

3 - Arbeiter. 

Ausserdem 2 Regimenter Guardia civil. 

b. Besatzung von Puerto-Rico. 

2 Halbbrigaden Infanterie za 2 Bataillonen, 

1 Bataillon Artillerie, 

1 Compagnie Geniearbeiter, 

1 Strafcompagnie, 

2 Schwadronen disciplinirter Milizen, 

1 Regiment Guardia civil. 

c. Besatzung der Philippinen. 

7 Regimenter Infanterie zu 6 Compagnien (Eingeborene), 

1 Schwadron Ulanen, 

1 Regiment Artillerie von 2 Bataillonen zu 4 Compagnien 
(einschliesslich 1 Compagnie Gebirgs-Artillerie), 

1 Bataillon Geniearbeiter, 

2 Compagnien Ingenieartruppen, 

2 Regimenter Guardia civil. 

Anmerkung. Etatsziffer pro 1877/78 100 000 Mann für die Halbinsel, 4271 für 
Puerto-Bico, 10 111 für die Philippinen. 

Eine Gliederung des Heeres in Armeecorps, Divisionen etc. besteht 
im Frieden nicht, tritt aber bei der mobilen Armee in ganz analoger 


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68 


Weise ein, wie in anderen Armeen. Für die Friedenszeit bestehen 
— ungefähr den alten Provinzen des Landes entsprechend — Milit&r- 
districte (distritos), an deren Spitze ein capitan general steht Diese 
distritos sind sehr ungleich nach der Menge der in ihnen stehenden 
Truppen. Bei eintretender Mobilmachung werden ohne Rücksicht auf 
Districte etc. Armeen (ejercitos) zusammengesetzt, die dann wieder in 
Armeecorps (cuerpos de ejerc.) u. s. w. zerfallen. So bestehen zur Zeit 
noch Trümmer eines ejercito del norte, Nordarmee, in den baskischen 
und angrenzenden Provinzen, dem Hauptsitze des Carlistenthuros. Man 
wird diese Einrichtungen erklärlich finden, wenn man sich erinnert, dass 
die spanische Armee seit lange gewohnt ist, nur guerrillas, Bandenkriege, 
zu führen. 

Der Dienst bei den Truppen wird ausnahmslos von den beiden 
jüngsten Chargen verrichtet,*) und zwar kommt 1 Arzt auf je 1 Bataillon 
Infanterie, Genietruppen und Fussartillerie, 1 Regiment Cavallerie, Gebirge- 
und Feldartillerie. Die Aerzte der Infanterie-Regimenter sind die jüngsten, 
später werden sie zu anderen Truppentheilen versetzt. —Ausserdem sind die¬ 
selben Chargen mit Wahrnehmung des ärztlichen Dienstes bei den ver¬ 
schiedenen militärischen Anstalten etc. (Schulen, Waffen- und Pulver¬ 
fabriken, nicht regimentirte Offiziere und Mannschaften der Artillerie- 
und Ingenieur - Museen, Remontedepots, ärztliche Behandlung der auf 
Halbsold gesetzten Offiziere in den drei grössten Städten [Madrid, Barcelona, 
Valencia] und dgl.) betraut. Die 22 jüngsten medicos segundos sind ent¬ 
weder als wachthabende Aerzte in den Lazarethen 1. Ranges oder als 
Aerzte bei den Lazarethen der kleinen Gefangenenanstalten an der Nord¬ 
küste Afrikas beschäftigt. 

31 medicos primeros und die medicos mayores versehen den Kranken¬ 
dienst in den Lazarethen, die übrigen medicos mayores sind event. Chef¬ 
ärzte kleinerer Lazarethe, 5 sind z. Z. Divisionsärzte der Nordarmee; die 
subinspectores 2. cl. sind der Mehrzahl nach Chefärzte oder Garnison¬ 
ärzte, die subin8p. 1. cl. liefern die Chefärzte für die Hospitäler zu 
Madrid und Barcelona; ferner 1 für die direccion general, die übrigen 11 
sind directores subinspectores der Militärdistricte, d. h. Chefs des ge- 
sammten Sanitätsdienstes innerhalb des Districts.**) Die 4 inspectores 
2. cl. sind zur Zeit: Armee-Generalarzt (director subinspector de sanidad 

*) Nur für 1 Regiment Guardia civil (Madrid), die Kgl. Leibgarde (Alabarderos) 
und das Bataillon Schreiber und Ordonnanzen ist ein medico mayor vorgesehen. 

**) Die directores subinspectores ernennen aus den Aerzten des Lazareths sich 
einen „secretario“ zur Hälfe, der seinen Stationsdienst aber weiterversieht. 


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69 


militar) dee Nordarmee, direct subinsp. von Andalusien, Mitglied der 
Junta de sanidad en la superior consultiva de guerra (s. u.) und „Secre- 
tario tt der direccion general. Die drei inspectores de 1. clase sind: 
1 Präsident der Junta soperior etc. (s. u.) und je ein director subinspector 
für Neu-Castillen und Gatalonieu. 

Ergänzung des Sanitätscorps. 

Sämmtlicbe Militärärzte müssen auf einer spanischen Universität 
oder der mediciniscben Schule zu Sevilla*) das Licentiatenexamen ab¬ 
gelegt haben. Der Doctorgrad, welcher infolge eines späteren Examens 
erworben werden kann, ist hierzu, wie zur Ausübung der Praxis nicht 
erforderlich, wird aber für Aspiranten der akademischen Laufbahn ver¬ 
langt. Früher traten die Militärärzte nach Ablegung eines Examens 
(vor einer militärärztlichen Commission) in die Carriere ein, seit der 
Stiftung der academia de sanidad militar zu Madrid**) (5. October 
1877) müssen alle Doctoren oder Licentiaten, nachdem sie an beliebigem 
Orte diesen Grad erworben haben, durch diese Akademie hindurchgehen. 
Die Aufnahme erfolgt nach einem Examen, und nach Abschluss des ein¬ 
jährigen Cursus ist ein erneutes Examen abzulegen. Wird dieses Examen 
nicht bestanden, so bleibt der Aspirant noch ein Jahr länger auf der 
Akademie; besteht er auch dann nicht, so wird er einfach entlassen. 

Bedingungen der Aufnahme sind ausser den schon genannten: mili¬ 
tärische Tauglichkeit, nicht zurückgelegtes 28. Lebensjahr, spanische 
Nationalität (angeboren oder erworben). Es sei noch bemerkt, dass die 
Militärapotheker durch dieselbe Akademie und unter denselben Bedingungen 
gehen. 

Während des Aufenthaltes in der Akademie haben die Aspiranten, 
nach erfolgter Anstellung durch den König, den Titel: oficial alumno 
oder medico alumno, Rang und Gehalt (1950 Franken jährlich) eines al- 
ferez (wörtlich Fähnrich, aber als Offizier angesehen). Es können alum- 
nos über den Etat angestellt werden, die aber keiu Gehalt beziehen. 
Die Stellung in der Qualificationsscala entscheidet über die Anstellung 
mit und ohne Gehalt, sowie über das eventuelle Nachrucken in frei- 
werdende etatsmässige Stellen. Während des zwangsweisen zweiten 
Jahresaufenthaltes nach nicht bestandenem Examen wird kein Gehalt 
gezahlt. Die Alumnen haben im Dienst Uniformen zu tragen und dürfen, 

*) Diese, von der Provinz gegründet und erhalten, hat alle Rechte der medi- 
cinischen Facultäten der Universitäten. Die staatliche medicinische Facultat der 
Universität Sevilla befindet sich in Cadiz. 

**) Auch escuela de aplicacion de medicina y farroacia militar. 


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70 


ausser im Krankheitsfalle, keinen Dienet versäumen, auch nicht beurlaubt 
werden. Casernirt sind sie nicht. 

Die Unterrichtsgegenstände der Akademie sind: 

1) Anatomische und chirurgische Uebungen am Cadaver, Verbände 
und Apparate, 

2) Kriegschirurgie und chirurgische Klinik (im Hospital militar zu 
Madrid), 

3) Krankheiten der Heere, des Lagers, der Colonien, 

4) Syphilis, Dermatologie, Ophthalmologie,*) 

5) Militärhygiene und MedicinalgesetzgebuDg des Königreichs, 

6) Dienstinstruction, 

7) militärische gerichtliche Medicin mit praktischen Uebungen, 

8) theoretische und praktische Studien in chemischer Analyse, Mikro- 
skopiren, Spektroskopiren mit Anwendung auf Krankendienst, Hygiene 
und gerichtliche Medicin. 

An leitendem und Lehrpersonal besitzt die Akademie einen Director 
(subinsp. 1. cl.), sechs obere Militärärzte als Professoren, einen oberen 
Militärapotheker als Lehrer und zwei Aerzte und einen Pharmaceuten als 
Stellvertreter der Professoren. 

Die Ernennung zum Professor der Akademie erfolgt auf Meldung 
und nach Prüfung der Personalacten der Betreffenden. Alle versehen 
nebenbei einen andern Dienst (meist ordinirender Arzt im Lazareth) 
und werden, falls auswärts garnisonirt, vorher nach Madrid versetzt 
Der Beginn der Curse ist im Herbst. Die Schlussprufung findet vor 
einer Commission aus Mitgliedern der Akademie unter Vorsitz des 
Directors statt. Nach bestandenem Examen erfolgt die Ernennung zum 
medico segundo durch den König. 

Die Zahl der Alumnenstellen betrug zuletzt 20. Während des Auf¬ 
standes auf Cuba war der Bedarf an Militärärzten gross; bald aber war 
der Etat mehr als voll, und es konnten neue Aerzte nicht eintreten. 
Thatsächlich ist der jüngste medico segundo der Armee von 1880. Seit 
mehreren Jahren ist denn auch die Akademie durch Königliche Ordre bis 
auf Weiteres geschlossen. 

Abschied. 

ln Spanien besteht das Gesetz des retiro forzoso, des zwangsweisen 
Rücktritts, und zwar: 


*) Für diese drei Speci&litäten existiren bis jetät keine gesonderten Lehrstühle 
an den medicinischen Facultäten. 


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7i 


für iospectores mit zurückgelegtem 66. Lebensjahr, 

- subinsp. 1. cl. - 64. - 

2. cK - - 62. 

- übrige Chargen - 60. 

Pensionirnng. 

Wenn der Aasscheidende (auch nicht zwangsweise Aasscheidende) 
20 Dienstjahre bat, so ist er ohne Weiteres pensionsfahig, widrigenfalls 
muss Dienstbeschadigung nacbgewiesen werden. Die Pensionirnng erfolgt 
auf das zoletzt bezogene Gehalt; wenn der Rücktritt freiwillig geschieht, 
so muss dieses Gebalt mindestens zwei Jahre bezogen sein. Die Pensions- 
Stufen sind: 

nach 20 25 30 31 32 33 34 35 Jahren 

Hundertstel des Gehaltes 30 40 60 66 72 78 84 90 

Wittwen and Waisen erhalten eine Pension nur, wenn der Verstorbene 
sich erst als medico primero verheirathet hatte. Eine Wohlthätigkeits- 
casse des Corps soll für dieselben sorgen.*) 

Beförderung etc. 

Bezüglich des Avancements sei bemerkt, dass der 

jüngsie inspector 1. cl. 41 Dienstjahre 
2. cl. 36 
subinspector 1. cl. 30 
2. cl. 27 
medico mayor 20 

primero 10 

z. Z. aufzuweisen hat. 

Das Avancement soll streng nach der Anciennetat erfolgen, und es 
geschieht auch. Aber hier treffen wir auf eine eigentümliche Einrichtung. 

Wenn man nur unter den jüngsten spanischen Cameraden einmal 
einen nicht Decorirten vorfindet, so überrascht noch mehr eine genauere 
Beachtung der Rangeszeichen.**) Diese werden an drei Stellen getragen: 
an der Kopfbedeckung als Gallons, an den Aermeln von Waffenrock 
und Paletot als Gallons und hier auch als Sterne. Zahl und Breite 
bezw. Grösse und Anzahl der Zacken bei diesen Zeichen unterscheiden 
die Chargen. 

*) Vermögensnachweis und Prüfung der persönlichen Verhältnisse der Braut 
wird (auch bei Offizieren) nicht erfordert. (Die auf Familien bezüglichen Angaben 
sind mündliche Mittheilungen des medico mayor Dr. Torres an die direccion general.) 

**) Die Uniform der spanischen Militärärzte kann ich übergehen; es sei nur 
erwähnt, dass das Abzeichen des Sanitätscorps (Ober- und Hülfspersonal) ein Oliven 
iweig am Rockkragen ist. 


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72 


Für ein gewisses Verdienst kann nun ein Orden verliehen werden 
oder aber statt dessen der höhere „grado“; es werden die Gallons am 
Aermel dem nächsthöheren Range assimilirt, alles Uebrige bleibt. Ebenso 
bleibt das Gehalt der niederen Charge. Nnr die militärische Ehren¬ 
bezeugung wird dem grado entsprechend erwiesen. Das kann sich nnn 
noch einmal wiederholen, so dass der grado zwei Chargen höher ist. 
Jetzt (oder auch schon vorher) kann das höhere „empleo u verliehen 
werden: die Sterne werden der höheren Charge entsprechend. Dann 
tritt auch das höhere Gehalt sofort hinzu. Dies kann nun in infinitem 
fortgeben; der „grado“ kann höchstens zwei Chargen ober dem „empleo“, 
dieses nie höher als der grado, aber beliebig über dem eigentlichen Range, 
der „categoria“, die sich an den Gallons der Kopfbedeckung zeigt, stehen. 
Die categoria kann nur durch das Alter geändert werden, und sie ist 
entscheidend für die dienstliche Stellung; der mit höherem empleo und 
grado Versehene bleibt stets seinem Vordermann in der categoria dienst¬ 
lich unterstellt, auch wenn dieser keinen höheren grado oder empleo 
besitzt. Verfasser kennt z.> B. zwei medicos primeros, die das empleo 
als subinspector 1. cl. besitzen, also an der Mütze Hauptleute, an Gallons 
und Sternen des Aermels Obersten sind, und zwar ist es einer derselben 
seit fünf Jahren nach seinem Diensteintritt. Die Zahl der Militärärzte, 
bei denen die drei Dinge, categoria, empleo, grado, übereinstimmen, ist 
verschwindend klein. 

Fortbildung der Militärärzte, Akademien. 

Aerztliche Fortbildungs- oder Operationscurse bestehen nicht. Die 
Aerzte der Lazarethe können aber an den nicht von den Verwandten 
reclamirten Leichen der Soldaten Operationsübungen anstellen; auch 
verstümmelnde Operationen sind gestattet. Um aber sämmtliche Militär¬ 
ärzte zu wissenschaftlicher Thätigkeit anzuregen, besteht die Einrichtung 
der academias del cuerpo de sanidad militar, d. b. der militärärztlichen 
Gesellschaften an den Districtshauptorten, dem Sitze des director sub¬ 
inspector. In diesen Versammlungen, die durch Königliche Ordre vom 
13. November 1877 befohlen sind, hat jeder Arzt des Districts, soweit 
sein Dienst ihn nicht daran verhindert, zu erscheinen und nach der 
Altersfolge über ein selbstgewähltes oder vom Präsidenten (director 
subinspector) gestelltes Thema einen Vortrag zu halten, der auch schriftlich 
einzureichen ist, um der Junta superior (s. u.) vorgelegt werden zu 
können. Diese Vorträge und die daran sich anschliessende Discussion 
bilden die Hauptgrundlage für die Beurtheilung der Tüchtigkeit der 


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73 


'Sanitätsoffiziere and für die Vorschläge zar Decoration oder ziir Rang* 
erhöhung. Die Versammlangen finden in den letzten Tagen eines jeden 
Monats (ansset Juli nnd Angnst) statt. Die Pharmacenten haben diesen 
Akademien beiznwohnen and haben ausserdem noch besondere Ver¬ 
sammlangen (za Madrid). 

Junta snperior facoltativa. 

Die schon mehrfach erwähnte Junta de sanidad en la snperior 
consultiva de guerra oder Janta soperior facoltativa ist eine Art perma¬ 
nenter wissenschaftlicher Deputation, die dem director general zur Seite 
steht, direct dem Minister and dem consejo sopremo de guerra (obersten 
Kriegsrath, einer beratenden Behörde des Ministeriums) untergeben ist 
Dieselbe besteht aus einem Director, einem Secretär, drei oberen Militär- 
ärsten, einem oberen Militärapotheker und, falls es sich um Verwaltungen 
an gelegen beiten handelt, einem hinzutretenden Intendanturbeamten. Die 
Militärärzte geboren keinem anderen Truppentheile an (einer ist der 
Director der Akademie). Die Junta kann beliebige Militärärzte von 
Madrid zu bestimmten Berathungen über Specialfächer cooptiren. Sie 
muss gehört werden bei allen Aenderungen der Reglements und Instructionen 
und bei Neuanschaffungen für die Lazarethe, hat die Prüfung der wissen¬ 
schaftlichen Arbeiten vorzunehmen und auf Grund derselben die Vor¬ 
schläge zur Decoration und Rangerhöhung zu machen. — Nebenbei 
bemerkt, existirt solche Junta facultativa*) auch für die Specialwaffen, 
Artillerie- und Ingenieurcorps. 

Dienstbetrieb. 

Die Militärärzte haben im Dienste in Uniform zu erscheinen. Ausser 
Dienst steht ihnen, wie den Offizieren, das Recht des Civiltragens zu, 
ein Recht, von dem der ausgiebigste Gebrauch gemacht wird. Privatpraxis 
ist gestattet. 

Der Dienst der Truppenärzte besteht in der Abhaltung des Revier¬ 
dienstes und im Begleiten der Truppe bei Uebungen. (Die Aerzte der 
nicht berittenen Truppentheile erhalten im Frieden kein Beförderungs¬ 
mittel. (Grössere Manöver in grösseren Verbänden finden nicht regelmässig 
statt) Ausserdem haben sie die Kranken ihres Truppentheile im Lazareth 
wöchentlich mindestens einmal zu besuchen. Ueber die Revierkranken ist 
dem Commandeur ein täglicher Rapport, meist persönlich, zu übergeben. 

Es ist schon darauf hingewiesen, dass vollständige Trennung der 

*) Junta = Versammlung, Commission; facultativa ■= fachmännisch. 


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Aerzto der Trappen nnd der Lazarethe besteht und dass kein medioo 
mayor oder höherer Militärarzt je Truppenarzt ist (ausgenommen den 
Fall, dass grossere Truppen verbände zosam mentreten, wo dann meist 
schon von der Brigade ab ein Chef des Sanitätsdienstes znm Stabsquartier 
tritt). 

Militär-Lazarethe. 

Die Verhältnisse der Friedens-Militär-Lazarethe (hospitales militares) 
sind durch ein neues Reglement*) vom 18. August 1884 geregelt. Das 
Reglement betont die Nothwendigkeit, dass die Lazarethe in Krieg und 
Frieden vom Sanitätscorps geleitet werden. Die Befreiung der Aerste 
von der ökonomischen Verwaltung wird motivirt durch die Absicht, den¬ 
selben mehr Zeit zu dem rein ärztlichen Dienste zu lassen. Der L&zareth- 
inspector handelt nach seiner Specialinstruction, dem Chefarzt steht aber 
das Recht zu, die Bestände des Lazareths zu revidiren und dem Ver¬ 
waltungsbeamten Befehle (auf Verlangen schriftlich, damit dieser nicht 
verantwortlich erscheinen kann) zu ertheilen. 

Der Chefarzt (director del hospital) wird durch Königliche Ordre 
ernannt. Er ist nur den Sanitätsinstanzen (director subinspector & direccion 
general) unterstellt, hat aber dem militärischen Commandanten des Platzes 
einen täglichen Krankenrapport zu senden. Er besitzt über alle im 
Lazareth dauernd oder vorübergehend Beschäftigten, auch die Kranken, die 
seinem militärischen Range entsprechende Strafgewalt.**) Der rangälteste 
Arzt des Lazareths hat als zweiter Chef (segundo jefe oder jefe de detail 
oder jefe de servicios) die Vertretung des Directors, die Lazarethbehandlung 
der Offiziere, die Verwaltung der Instrumente***) undBandagen, die meteoro¬ 
logische Beobachtung und Rapporte, und im Hospital zu Madrid das 
anatomisch-pathologische Museum und chemisch-histologische Laboratorium 
zu leiten. 

Für den Krankendienst ist Stationsbehandlung vorgeschrieben. Auf 
einen Arzt dürfen nicht mehr kommen als 40 chirurgische oder 50 innere 


*) Reglamento de hospitales militares etc. 

**) Jeder Offizier und Arzt hat Strafgewalt über seine Untergebenen. Der Arzt 
des Bataillons kann einen Soldaten desselben bestrafen, muss aber dem Compagnie, 
chef Anzeige erstatten und dessen Bestätigung nachsuchen. Entsprechend steht es 
mit dem Subalternoffizier. — Jeder Offizier kann auch den an Rang jüngeren 
Offizier seiner eigenen Truppe bestrafen. 

***) Sämmtliche Lazarethe haben ein vollständiges Instrumentarium, auch alle 
Instrumente zur Krankenuntersnchung sind vorhanden. 


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oder 60 syphilitische Kranke.*) Der Stationsarzt hat Strafgewalt über 
Bedienstete und Kranke, muss aber dem Chefarzt von erfolgter Bestrafung 
Anzeige machen. Assistenzarztlicher Dienst existirt nicht, jeder Arzt 
muss also mindestens 2 Visiten täglich machen. Wachthabende Aerzte 
(aus den Jüngsten genommen) giebt es nur in den Lazarethen ersten 
Ranges; sie haben keinen Stationsdienst Nicht alle Garnisonen haben 
Militärlazarethe. Erst bei einem durchschnittlichen Krankenstand von 
30 wird ein Militarhospital errichtet. Falls kein solches am Orte ist, 
finden die Kranken Aufnahme in dem Civilhospital, und wenn auch ein 
solches nicht am Orte, in einer sog. enfermeria, Krankenstube bezw. 
provisorischen Lazareth, wo denn der Truppenarzt die Behandlung behalt. 
Die Zahl der Militärlazarethe ist 29. 

Brigada sanitaria. 

Das Hülfspersonal des Sanitatscorps ist die brigada sanitaria.**) 
Es sind dies die von der Truppe ganz gelösten Lazarethgehülfen, die zur 
Dienstleistung und Instruction den Lazarethen überwiesen sind. Diese über 
das ganze Königreich vertheilte (in den Colonicn entsprechend eingerichtete) 
Truppe steht unter Leitung eines subin9pector 2. cl., dem noch zwei 
Aerzte zur Hülfe beigegeben siod. Die brigada besteht 

für Spanien aus 24 Offizieren, 500 sanitarios (Soldaten und 

Unteroffiziere) 

„ Cuba ,, 7 „ 400 „ 

„ Philippinen „ 2 „ 136 „ 

„ Puerto-Ricö „ 1 Offizier 26 „ 

Die Offiziere zerfallen in ayudantes 1., 2., 3. cl. mit monatlich 250, 
191,66 und 162,50 Pesetas Gehalt; sie gehen aus den sanitarios selbst 
hervor und fungiren als eine Art Revieraufseher in den grösseren Lazarethen. 
Zum Eintritt in die brigada sanitaria werden nur ausgebildete Leute von 
tadelloser Führung zugelassen. Ein grosser Theil der sanitarios besteht 
aus Studenten der Medicin, die sich nicht loskaufen (s. unter Rekrutirung), 

*) Im Falle der Ueberfüllung der Stationen kann der director subinspector Aerzte 
der Truppen (nach Einholung der Genehmigung des capitau general) zum Lazareth- 
dienst heranziehen, oder Civilärzte zu medicos auxiliäres (mit 75 frcs. monatl. Gehalt 
im Frieden, 100 frcs. im Kriege) ernennen. Dem Chefarzt steht die Ernennung solcher 
medicos auxiliäres ebenfalls zu, wenn er nicht am selben Orte mit dem director 
nbinspector lebt. (Reglam. organ. und Reglam. de hospitales.) 

**) In dieser Form geschaffen am 7. September 1860 durch O'Donnel für den 
afrikanischen Feldzug zunächst versuchsweise, seit 12. November 1862 definitiv ein¬ 
gerichtet. 

6 


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and denen man die Gelegenheit zur Betreibung ihrer Stadien ia aus¬ 
gedehntem Ma&sse gewährt. Die übrigen treten theils auf Wanseh ein, 
theils werden sie (neuerdings schon bei der Aushebung) aasgewählt, und 
zwar aas allen Trappentheilen. Ihre Instruction ist im Wesentlichen die 
unserer Lazarethgehülfen, sie werden aber auch in der Handhabung der 
Krankentragen, der Nothverbäode und dergl. geübt. Dem Truppenarzt 
stehen keine sanitarios zu Gebote. 

Krankenträger. 

Sein Hälfspersonal wählt er aus den als Krankenträger aus der 
Compagnie etc. (vier pro Jahr und Compagnie, bei anderen Truppen als 
der Infanterie etwas weniger) von ihm ausgebildeten Mannschaften; diese 
Geholfen heissen practicantes.*) 

Feld-Sani täts wesen. 

Die Feld-Sanitätsforma tionen zerfallen in hospitales permanentes 
(stehende Kriegslazarethe), hospitales de campana (Feldlazarethe) and 
ambulancias oder hospitales de sangre {„Bluthospitäler“, zur ersten Auf¬ 
nahme der Verwundeten und Kranken bestimmt). Sehen wir von den 
beiden ersteren ab, deren Einrichtung, Etat etc. aus der älteren Instruction 
(vom 18. Mai 1873) nicht klar hervorgeht, und betrachten wir den Sanitäts¬ 
dienst auf dem Schlachtfelde. 

Jeder Brigade des Heeres entspricht eine Abtheilung der Sanitäts- 
Brigade. Das Reglement der brigada sanitaria nennt diese Abtheilung: 
Compania, im älteren Lazarethreglement heissen sie „brigada“. Diese 
compaüia wird so getheilt, dass jedem Bataillon Infanterie eine „seccion u 
zukommt, die aus 1 Unteroffizier**), 2 Gefreiten***) und 2 sanitarios 
besteht, zu denen 25 Krankenträger des Bataillons treten, die beim 
Gefecht ihre Waffen und Gepäck beim Bataillon abgeben und die nöthigen 
Tragen ergreifen (6). Diese Section tritt unter Befehl des Truppenarztes 
und fuhrt ihm die Verwundeten nach dem Truppenverbandplatz, von wo 
sie weiter zur ambulancia geschafft werden. Die Section hat dem Bataillon 
zu folgen. — Bei der ambulancia verfugt eine Brigade über 4 Aerzte, 
9 sanitarios und 12 aus den Truppen gezogene Soldaten als Kranken¬ 
wärter. Zur Unterkunft führt sie 5 Zelte verschiedener Grösse (12 Meter, 


*) Militärische Krankenwärter giebt es nicht, wohl aber Civil-Krankenwärter 
(enfermeros), zu den niederen Verrichtungen. 

**) Sargento segundo. 

***) Cabo primero und 1 segundo. 


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6, 5, 4 Meter lang). Für eine Division aus 2 Brigaden tritt eine dritte 
ambnlancia hinzu mit einem Arzte mehr, für ein Armeecorps ans 
2 Divisionen ebenfalls eine neue (7.) und für eine Armee ans mehreren 
Corps stets wieder eine neue Ambalance, so dass beispielsweise für eine 
Armee ans 3 Corps 22 „brigadas de ambnlancia 44 angesetzt sind. 

Der Arzt des Stabsquartiers leitet den Sanitätsdienst auf dem 
Schlachtfelde nach Einholung der Befehle des Commandeurs. 

Bezüglich des Materials treffen wir auf die Lazarethgehülfen-Verband¬ 
tasche, das Verbandpäckchen (bolsa personal), den Bandagentornister, 
den Medicin- und Bandagenkasten für jede Truppenabtheilung, die einen 
Arzt, hat; anch Instrumente zu Operationen, darunter ein kleines leicht 
transportables Besteck mit auseinanderzunehmenden Instrumenten für 
grossere Operationen. Bei der Brigade und demnächst der Division 
grossere Depots von Verband- und Arzneimitteln.*) Was das Material 
zum Transport der Verwundeten und Kranken betrifft, so verfügt eine 
Brigade bei ihrer Ambulance über 50 Tragen, dazu kommen 4, 
welche bei den Truppen mitgeführt werden, bei den Infanterie-Bataillonen 
6 Tragsessel (aus Gort und Leder), 25 Cacolets (artolas genannt), 
1 auf einem Manlthiere zu lagernde Trage, 2 Krankentransport- 
Wagen. Von Letzteren finden sich zwei- und vierrädrige; es existiren 
ein- und zweistöckige, für die Evacuation sogar dreistöckige (mit Hebe¬ 
vorrichtung für die Tragen), die Tragen der Letzteren sind verkürzbar. 
Die gewöhnliche Trage kann auseinandergenommen und von 2 Mann 
bequem transportirt werden. Eine eingehende Beschreibung des Materials 
würde zu weit führen und kaum lohnend erscheinen. 

Sämmtliche8 Sanitatsmaterial, soweit es nicht im Gebrauch ist, wird 
im Parque sanitario zu Madrid aufbewahrt und verwaltet. Director 
desselben ist ein snbinspector 2. cl., dem ein medico primero und 
das nothige Hülfspersonal von sanitarios zur Seite steht. 


Rapportwesen. 

Aerztliche Berichterstattung findet nur statt seitens der 
Lazarethe und zwar täglich, monatlich vierteljährlich und jährlich. Den 
Berichten über grössere Zeiträume ist eine LJebersicht der Epidemien, 
Todesfälle und Dienstentlassungen beigegeben. Sämmtliche Berichte 
gehen durch den director subinspector an die direccion general, wo sie 


*) Das Bataillon führt Material für 250 „Verbände“, die Brigade ausserdem 
für 1500, die Division für 5000. 


6 * . 


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zu8ammeoge8tellt werden. — Die Trappenarzte berichten, ausser dem 
täglichen Rapport an den Commandeur, nicht. 

Rekratirong. 

Die Rekrutirang (reeluta oder quinta) vollzieht sich auf den 
Principien allgemeiner Wehrpflicht. Die Dienstpflicht dauert acht Jahre, 
davon drei Jahre activen Dienststandes, fünf Jahre Reserve. Einjährig 
freiwilliger Dienst existirt nicht, wohl aber besteht die Möglichkeit des 
Loskaufs für 1500 (bis vor Kurzem 2000) Franken. Im Herbste werden 
die Zwanzigjährigen von der Ortsbehörde (ayuntamiento) aufgefordert, sich 
zu stellen und zunächst von einem (gewöhnlich beamteten) Civilarzt 
untersucht, im November oder December erfolgt dann die Vorstellung 
vor der Rekrutirungscommission (caja de reeluta), welche aus Civil- und 
Ortsbehörde, einem Offizier, einem Militär- und einem Civilarzt, welche 
letztere beiden zu diesem Zwecke eigens von der Militär- bezw. Civil- 
behörde ernannt werden, besteht. Das Urtheil der ärztlichen Commission 
ist bindend. Falls die beiden Aerzte sich nicht einigen, so tritt eine 
neue und event. eine 3. Commission zusammen. Eine neue Commission 
tritt auch in Fnnction, wenn der Rekrut oder die übrigen Mitglieder mit 
dem Urtheil nicht einverstanden sind. Der Zweck der Gegenwart des 
Civilarztes soll sein, ein Gegengewicht zu schaffen gegen den Militärarzt, 
der möglichst rigoros urtheilt, und dass somit ein sachverständiger Anwalt 
des Untersuchten vorhanden ist.*) Das Reglement über die Unbrauch¬ 
barkeitserklärung (Reglamento para la declaracion de exenciones del 
servicio en el ejercito etc., Theil des Rekrutirongsgesetzes vom 
28. August 1878) unterscheidet drei Classen von Fehlern: 1. Classe: 
solche Fehler, auf welche hin die Ortsbehörde ohne ärztliches Urtheil 
die Unbrauchbarkeit aussprechen kann (grobe Verstümmelungen und 
Verbildungen z. B.); 2. Classe: Fehler, auf welche hin die Unbrauch¬ 
barkeitserklärung von der caja de reeluta erfolgt; 3. Classe: Fehler, 
welche erst durch versuchsweise Einstellung zu beweisen sind (namentlich 
solche, die simulirt oder übertrieben werden könnten: Epilepsie, Idiotismus, 
andere Nervenleiden, Haemoptoe etc.). Das Minimalmaass ist 148 cm, 
der geringste zulässige Brustumfang bei der Exspiration 72 cm.**) 


*) Torres und Castillo, gaceta de sanidad militar No. 211 (October 1883), 
pag. 513 ff. \ 

**) Mündliche Mittheilung; im genannten Reglement fehlen diese Angaben. 


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Dieustunbraucbbarkeit bereits eingestellter Mannschaften. 

Stellt sich bei einem im Dienste Befindlichen Unbrauchbarkeit 
ein, so ist das Verfahren zur Entlassung folgendes: Der Betreffende wird 
dem Lazaretbe des Districtshauptortes überwiesen und dort auf die eigens 
für voraussichtlich Unbrauchbare bestehende Abtheilung (Sala de presuntos 
inotiles oder de comprobacion) aufgenommen. Dort wird ein Journal 
über ihn geführt, und falls der beobachtende Arzt die Ueberzeugung ge¬ 
winnt, dass Unbrauchbarkeit vorliegt, so wird ein „tribunal medico“ aus 
einer Anzahl (3 bis 4) Aerzten des Lazareths unter Vorsitz des capitan 
general del distrito zusammenberufen und nach Verlesung des Journals 
und Untersuchung des Betreffenden das Urtheil gesprochen und schriftlich 
niedergelegt. Der director subinspector del distrito ist ärztlicher Präses 
der Commission. 

Wahrend eine Reserve der Truppen existirt, fehlt eine solche für das 
Sanitätsoffiziercorps. Der Bedarf im Kriegsfälle wird gedeckt durch 
solche, die auf Halbsold gesetzt sind, die schon erwähnten medicos 
auxiliäres etc. Durch die gedienten Mediciner, denen nach' Vollendung 
ihrer Stadien auf ihr Ansuchen der Titel medico provisional mit dem 
Range und Gehalt als alferez — ohne die Möglichkeit, aufzusteigen — 
verliehen werden kann. 

Colonialarmee. 

Die Colonialarmee wird mit Aerzten der Halbinsel versorgt. Die 
Auswahl geschieht auf Antrag oder * auch durch das Loos. Der zur 
Colonialarmee übertretende Arzt erhält sofort den nächst höheren grado 
und empleo und das vierfache Gehalt des heimathlichen empleo. Tritt 
er zurück, so verbleibt ihm empleo und das demselben in der Heimath 
entsprechende Gehalt. Nach 7 Jahren ist der Rücktritt zur Armee der 
Halbinsel obligatorisch, bei Krankheitsfällen kann er schon früher er¬ 
folgen. Für die nächste Zeit sind die schon einmal in den Colonien 
verwendeten Aerzte von der erneuten Versetzung dahin ausgeschlossen. 

Militärapotheker. 

Die Militärapotheker sind Offiziere des Sanitätscorps. Das 
Apotheken wesen der Militärbospitäler ist sehr vollkommen organisirt. 
Alle Arzneien werden aus dem Laboratorio central zu Madrid bezogen 
wo sie aus den Rohproducten dargestellt werden. Auf diese Weise stehen 
die Militärapotheken gänzlich unabhängig von den Civilapotheken da. 
Jedes Militärlazareth hat einen, die grösseren mehrere Apotheker. Aq- 


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spruch auf Verabfolgung von Arzneien aus den Militärapotheken für sich 
und ihre Familie haben auch die Offiziere, wenn sie sich von dem zu¬ 
ständigen Militärarzt behandeln lassen; doch sind die Militärapotheker 
nur während der ihnen angesagten Dienststunden zur Abfertigung solcher 
Recepte verpflichtet. 


Die ärztliche Untersuchung der Militärpflichtigen im Musternngs- 

geschäft. 

Von 

Stabsarzt Dr. Flashar. 


So vorzüglich die Anleitung ist, welche die Dienstanweisung vom 
8. April 1877 dem Arzt zur Untersuchung und Beurtheilung der Militär¬ 
pflichtigen giebt, erscheint es doch nicht unzweckmässig, auf Grundlage 
dieser Instruction eine weitere Verständigung und Vereinbarung über 
einzelne Punkte anzustreben und dadurch die schwierige Aufgabe, welche 
dem Arzt, besonders wenn ihm die langjährige Uebung abgeht, beim 
Musterungsgeschäft erwächst, zu erleichtern. Bei der heutigen Dienst¬ 
zeit des Stabsarztes, welcher etwa 13 Mal das Musternngsgeschäft mit¬ 
zumachen hat, wird schliesslich durch die Länge der Zeit ein Jeder sich 
eine gewisse Erfahrung und Routine aneignen; er wird auf Grund der¬ 
selben im Musterungsgeschäft nach bestimmten Maximen zu arbeiten 
gelernt haben. Im Interesse der Armee aber wie der Militärpflichtigen 
muss es liegen, wenn diese Grundsätze eine möglichst grosse Einheit er¬ 
langen, die auch dem jüngeren Arzt schon zur Richtschnur dienen können. 
Dass aber auf Grund der Dienstanweisung diese Einheit noch nicht ans¬ 
reichend erzielt wird, ergiebt sieb aus der Erfahrung, dass die verschiedenen 
Aerzte bei Lösung ihrer Aufgabe immerhin noch so verschieden verfahren, 
dass eine allgemeine Richtschnur kaum vorhanden zu sein scheint Es 
ist daher nicht unangebracht, die Grundsätze, nach denen der Eine oder 
Andre verfährt, in die Oeffentlichkeit und so zur Besprechung zu bringen. 

Mit dem Worte „Musterung“ ist die Aufgabe des Arztes beim 
Musterungsgeschäft richtig genug bezeichnet. Es handelt sich bei diesem 
nicht darum allein und besonders, die dienstbrauebbaren Mannschaften 
für die Armee auszuwählen, sondern um eine Sichtung des vorhandenen 
Menschenmaterials in verschiedene Gruppen; freilich ergiebt sich durch 
diese Sichtung auch die für die Armee wichtigste Gruppe der zum Dienst 
Tauglichen. Das Resultat der Musterung ist einerseits die Zurückstellung 


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der Militärpflichtigen, andererseits ihre Verthei]ung auf die verschiedenen 
Vorstellungslisten, anf Grand deren beim Ober-Ersatz- oder Aushebungs- 
gescbäft die definitiven Entscheidungen getroffen werden. 

Aus den alphabetischen Listen der einzelnen Ortschaften und Alters- 
elassen werden die in §. 49 der Ersatz-Ordnung genannten Listen auf¬ 
gestellt und zwar die meisten derselben auf Grund eines ärztlichen Gut¬ 
achtens, das bei der Musterung abgegeben war. So werden in die Vor- 
stellungsliste B. die wegen geistiger und körperlicher Gebrechen dauernd 
Untauglichen, in die Liste C. die wegen zeitiger Untauglicbkeit und 
wegen bedingter Tauglichkeit zur Ersatz-Reserve 2. Classe in Vorschlag 
Gebrachten, in die Liste D. die wegen geringer körperlicher Fehler und 
wegen vorübergehender Untauglichkeit zur Ersatz-Reserve 1. Gasse (mit 
Trennung der Uebungs- und nicht Uebungspflichtigen) Designirten, in 
die Liste E. die zur Aushebung in Vorschlag gebrachten Militärpflichtigen 
der Landbevülkerung eingetragen. 

[Es würde sich vielleicht empfehlen, den Gemusterten über das 
(nicht definitive) Untersuchungs-Resultat, dessen Renntniss ihn event. 
bestimmen kann, bis zum Ober-Ersatzgeschäft Dienstentziehungsversuche 
zu machen, in Zweifel zu lassen und zu dem Zweck in die alphabetische 
Liste nicht das Urtheil wie „Reserve I übungspflichtig“, oder „tauglich 
Infanterie“ u. 8. w. aufzunehmen, sondern dafür zu sagen „Liste D.“ 
„Liste E.“ u. s. w. Die wenigen Buchstaben würden sich dem Gedächt- 
niss leicht einprägen und würde der Arzt sich besser bewusst bleiben, 
dass er eigentlich für die Listen arbeitet.] 

Je sorgfältiger nun die Vertheilung der Gemusterten in die ver¬ 
schiedenen Listen stattgefunden hat, um so mehr wird sich der aushebende 
Arzt beim Ober-Ersatzgeschäft nur mit den tauglich Befundenen be¬ 
schäftigen können und um so sicherer wird damit der Armee das gesündeste 
und beste Material zugeführt werden können. Die Musterung ist daher 
indirect eine sehr wichtige Vorarbeit für die Einstellung des Ersatzes. 
Fehler sollten beim Musterungsgeschäft nie übersehen sein, besonders 
solche nicht, die grundsätzlich eine andere Entscheidung bedingen, da 
nach §. 72, 3 der Ersatz-Ordnung namentliche Uebertragungen aus einer 
Liste in die andere nicht stattfinden dürfen. 

Die richtige Rubricirung kann aber nur auf Grund einer sehr sorg¬ 
fältigen Untersuchung der Militärpflichtigen stattfinden, welche nach §. 4 
ad 6 der Dienstanweisung nur dann abgebrochen werden darf, wenn ein 
dauernd untauglich machender Fehler gefunden wird, in allen übrigen 
Fällen aber vollständig vorgenommen werden muss. 


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Bedenkt man nun, dass dem Arzt für jede Untersuchung höchstens 
3 Minuten Zeit bleiben, in welchen gleichzeitig ein richtiges und ver¬ 
antwortliches Urtheil abzugeben ist, so ist klar, dass der Arzt einerseits 
in der Untersuchung sehr geübt sein, andererseits die genaueste Eenntniss 
der Instruction bis in die kleinsten Details besitzen muss. Bei der 
compendiösen Form der Dienstanweisung ist jedes Wort derselben von 
einer Bedeutung, welche bei nicht genauer und wiederholter Lectüre zu 
leicht unterschätzt wird; die Dienstanweisung will studirt und immer wieder 
studirt sein, und selbst der Geübteste fühlt sich genothigt, sich immer von 
Neuem wieder vor die Seele zu führen, was er aus der Instruction für 
da« bevorstehende Musterungsgeschäft zu entnehmen hat; wieviel mehr 
der Anfänger, für den diese Zeilen besonders berechnet sind! 

Der Untersuchungsaufgabe beim Musterungsgeschäft entspricht es 
nicht, einer gewissen Specialistik nach dieser oder jener Richtung nach¬ 
zugehen ; nicht, dass der Arzt aus zufälliger persönlicher Erfahrung oder 
Liebhaberei sich mit einer Reihe von Fehlern oder einzelnen Eörpertheilen 
vornehmlich beschäftigen will; nicht, dass man seinen Ruhm darein setze, 
einige Simulanten (ob sicher?) zu entlarven, oder das grosse Pensum in 
kürzester Zeit zu absolviren. 

Die Aufgabe ist die, ein sachgemässes gediegenes Urtheil über jeden 
Militärpflichtigen so abzugeben, dass bei der Aushebung nichts dagegen 
einzuwenden ist. Wer das cito mit dem tutto vereinigen kann, ist am 
besten dran, aber nie darf das cito dem tutto voranstehen. Von erfahreneren 
Bezirk8commandenren ist oft die Bemerkung zu hören, wie sie alljährlich 
die Beobachtung machen könnten, dass jeder Arzt sein besonderes Stecken¬ 
pferd habe, wie auch, dass Jeder nach anderen Principen untersuche und 
urtheile. 

Und doch müsste der Untersuchuogsmodus, der Instruction entsprechend, 
überall derselbe sein, müsste, wenn die grosse Aufgabe im Auge behalten 
wird, Steckenpferd nur das sein^ dass nach der Instruction jeder Militär¬ 
pflichtige den richtigen Bescheid erhalte. 

In §. 4 ad 6 lehrt die Dienstanweisung, es solle zunächst der Körper¬ 
bau im Allgemeinen, die Haltung beim Gehen und Stehen geprüft werden; 
alsdann sei jeder einzelne Körpertheil besonders, jede Region, und zwar 
in einer bestimmten Reihenfolge, zu untersuchen. Die Untersuchungs¬ 
methode ist damit ganz genau präcisirt und es handelt sich nur darum, 
sie ein- für allemal festzuhalten und anzuwenden. 

Bevor wir uns mit der Untersuchung selbst beschäftigen, wären noch 
einzelne Punkte besonders zu berühren: 


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Man lasse sich, namentlich bei Anfang des Musterungsgeschäfts, 
nicht dnrch die 8orge bestechen, dass nicht genug brauchbares Material 
herausgefunden würde und dadurch in seinem Urtheil beeinträchtigen 
und umgekehrt, „weil der Bedarf gedeckt ist tt ; man gebe sein Gutachten 
onr nach der genauen Untersuchung und reiflichen Ueberlegung in Betreff 
der Felddienstfähigkeit ab. 

An Mannschaften des ältesten Jahrganges thut man gut, der Alteife- 
entwickelung entsprechend, etwas grossere Ansprüche au stellen; nicht 
geringere, damit sie, der Entscheidung nah, nur ja nicht dem Militär¬ 
dienst entgehen. Was ein Haken werden solli krümmt sich bei Zeiten, 
das gilt auch vom Militärpflichtigen. Sie sind sehr häufig der schlechteste 
Ersatz, für welchen gute und gediegene Mannschaften zur Auslosung 
gelangen. Aus den Zusammenstellungen in den statistischen Sanitäts¬ 
berichten muss auffallen, dass die Entlassenen im ersten Dienstjahr und 
zweiundzwanzigsten Lebensjahr correspondirend die grössten Zahlen geben. 

Es ist darauf hinzuwirken, dass Mannschaften, bei denen im 1. und 
1 Dienstj&hr nach genauer Untersuchung ein definitives Urtheil abge¬ 
geben werden kann, aus den alphabetischen in die Vorstellungslisten über¬ 
tragen werden, damit die alphabetischen Listen entlastet und damit das 
Menschenmaterial für das folgende Jahr an Zahl möglichst verringert 
werde. Gerade die Ansammlungen erschweren das Musterungsgeschäft 
gegen die Vorschrift ganz erheblich. 

Man bat zu trennen zwischen dem Gutachten und der Bezeichnung 
der Fehler nach den Anlagen. Wenn auch im Allgemeinen die Anlagen 
1—4 einen meist sicheren Anhalt zur Abgabe des Urtbeils geben, so ist 
doch nicht immer gesagt, dass z. B. der Fehler, welcher in Rubrik 2 
verzeichnet ist, und oft verschiedene Grade zulässt, durchaus bloss bedingt 
tauglich macht: so wird sich Anlage 2o. heut sogar zur Einstellung 
eignen. Anlage 4, 69 wird nicht immer dauernd untauglich machen, 
sondern je nach dem Grade der möglichen Heilbarkeit event noch zu 
Reserve II. einstellen lassen u. 8. w. Ueberdies ergiebt sich diese 
Scheidung von Fehlerbenennung und Urtheil aus der Vorschrift über 
Ausstellung von Attesten, wonach Mannschaften, die nach Anlage 4 dienst- 
unbrauchbar beurtheiltwerden,doch nur nach Anlage 3 (für j etzt unbrauch¬ 
bar) bezeichnet werden dürfen. 

Jeder, auch der geringste, Fehler muss aufnotirt werden, weil er 
beim Ober-Ersatzgeschäft für die Beurtheilung von Bedeutung werden 
und, in das Nationale eingetragen, oft guten Anhalt zur Abweisung von 
späteren Invalidenansprüchen geben kann. 


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Mao versäume uicbt die kostbare Zeit, deren Verlust schliesslich nur 
durch oberflächliche Untersuchung anderer Militärpflichtiger wieder ein¬ 
gebracht werden kann, mit Untersuchungen, die nicht zu einem sicheren 
Ziel fuhren können. In einzelnen berechtigten Fällen soll der Instruction 
gemäss eine genaue Untersuchung erst nach Schluss des Musterungs¬ 
geschäftes vorgenommen werden. Die Instruction selbst giebt zu, dass 
Untersuchungen der Brust, Seh- und Hörorgane nicht mit der erschöpfen¬ 
den Genauigkeit geprüft werden können und verweist daher auf den 
Truppenarzt. Es steht das nicht in Widerspruch mit §. 4 ad 3, wo es 
heisst: „Wo die blosse Besichtigung nicht ausreicht, sind zur Erlangung 
eines zuverlässigen Untersuchungsergehnisses alle Hülfsmittel anzuwenden, 
welche die wissenschaftliche Diagnostik an die Hand giebt“ Es ist dies 
cum grano salis zu verstehen. Spektroskopie und Mikroskopie, Becken¬ 
messung, Harnanalyse und Magensondirung wird nicht verlangt; Augen¬ 
spiegel (ohne Atropin und Beleuchtung!) wohl auch nicht Apparate zur 
Entlarvung von Simulation haben keinen Zweck, weil sie in der kurzen 
Zeit nie ein Urtheil erreichen lassen, das man vor Gericht vertreten konnte. 

Und doch scheint gerade dieser Passus §. 4 ad 3 der Dienstanweisung 
Veranlassung geworden zu sein, dass man- sich müht, Instrumente zu er¬ 
finden, mit denen man Refraction und Sehschärfe schnell bestimmen 
könne. Der Schreiber dieses hat Grund, die Verwendbarkeit dieser Apparate 
anzuzweifeln. 

In demselben §. 4 ad 7 ist aber weiter genau gesagt, dass heim 
Ersatzgeschäft die Prüfung der Sehfähigkeit in der Regel nur mittelst 
Sehproben zu erfolgen hat. Es sind also der wissenschaftlichen Diagnostik 
Grenzen gezogen, die sich überdies von selbst verstehen, wenn die ganze 
Aufgabe des Musterungsgeschäfts im Auge behalten wird. 

In der Bemerkung zu Anlage 1 h. in Beilage III der Dienstanweisung 
ist allerdings gesagt, „selbstverständlich nach CorrectiouetwaigerRefractions- 
fehler“, daraus würde für das Musterungsgeschäfit die NothWendigkeit des 
Brillenkastens zu folgern sein! Aber die Anlagen 1—4 sind nicht bloss 
für das Musterungsgeschäft, sondern auch für die weiteren Untersuchungen 
nach der Einstellung geschrieben, und auf diese nur kann sich die An¬ 
merkung beziehen. Es ist ja auch thatsächlich unmöglich, bei Leuten, 
die den Arzt vielleicht gar belügen wollen, mit allen Gläsern zu proben 
und dann noch ein sicheres Urtheil abgeben zu können! Also nur mit 
den Sehproben prüfen! Sie genügen vollständig, um den Mann, der 
Jäger werden will, als Dissimulanten zu entlarven, denn wenn er die 
verlangten Proben nicht lesen kann, so ist er entlarvt und das genügt. 


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Was hat der Musterungsarzt für Utensilien bei sich zn fuhren? 

Mehrere Bandmaasse zur Messung des Brustumfanges, am besten 
die eiofachen Bänder, da stählerne zu tief in die Haut einscbneiden; die 
Bänder aber müssen nicht bloss zu Anfang ihres Gebrauchs, sondern 
besonders bei längerem Gebrauch am Maassstab geprüft werden, da sie 
durch Dehnung sich ändern und dann ersetzt werden müssen. 

Ein Horrohr, mit welchem in einzelnen eclatanten' Fällen aus¬ 
gesprochener Herzfehler, Schwindsuchtsanlage sichere Urtheile zur Abgabe 
eines Gutachtens erreicht werden können; man darf sich eben nur mit 
dem Möglichen begnügen, aber dieses gründlich machen. 

Eine Linse zur schiefen Beleuchtung des Auges (aus dem Augen¬ 
spiegel-Etui), mit welcher ohne Zeitverlust eine gute Beurtheilung der 
Hornhaut und Linse erlangt werden kann. 

Sebproben (nach Vorschrift Sn eilen, für Analphabeten eignen sich 
die Burchardt’schen Tüpfelproben) cfr. §. 4, 8, und Wollfäden, in 
denen sich Roth, Grün und Weiss befinden müssen, zur Prüfung des 
Farbensinnes. 

Ohren Spiegel mit Reflector. 

Das Bandmaass wird auch zur vergleichenden Messung von Glied- 
maassen zu benutzen sein. Dies genügt und mehr ist nicht in Anwendung 
zu ziehen, wenn man nicht auf Kosten des Ganzen Specialistik treiben will. 

Wichtiger als Alles ist das geübte sichere Auge. Wie dem geübten 
Soldaten äuge die geringste Abweichung der Linie auffällt, so muss dem 
Arzt, der mit kritischem Blick das Untersuchungsobject betrachtet, jede 
Abnormität, jede Asymmetrie sofort entgegenleuchten; dem prüfenden 
Blick muss sofort die körperliche Leistungsfähigkeit klar werden. Dazu 
bedarf es aber der vielfachsten Uebung des Auges durch vielfaches Be¬ 
sichtigen nackter Körper und dann namentlich des Wissens, was dem 
Auge auffallen soll. Gerade zur Uebung des Auges muss der jüngere 
Arzt die ihm jetzt durch seine Commandirung zum Musterungsgeschäft 
gegebene Gelegenheit benutzen, und darum sollte er keinen Tag versäumen, 
nackte Körper zu sehen. 

Nur diese Vorübung ermöglicht das cito mit dem tutto zu verbinden. 

Der Musterungsarzt thut wohl daran, vor Beginn des Musterungs¬ 
geschäfts sich über die Localität zu informiren und den Platz sich aus- 
zosuchen, den er für seine Untersuchungen braucht Begnügt man sich 
stets mit dem unpassenden Plätzchen, das vielleicht Schreiber dem 
Arzt angewiesen haben, so kann man von vornherein darauf ver¬ 
zichten, verantwortliche ärztliche Gutachten auf Grund einer Untersuchung 


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ab zugeben. Aue Pflichtgefühl muss der Arzt den Platz beanspruchen, 
der sich für seine Zwecke eignet und im Fall dagegen Schwierigkeiten 
erhoben werden, „weil es so viele Jahre hindurch immer so gegangen 
sei“, genügt der Hinweis auf §. 63, 2 der Ersatz-Ordnung, um den Militär- 
Vorsitzenden eine Aenderung herbeiführen zu lassen, da derselbe für die 
Gründlichkeit der ärztlichen Untersuchung verantwortlich ist und gerecht¬ 
fertigten Forderungen des Arztes gern nachkomoien wird. Man vergesse 
nicht, dass 150 bis 200 Mann genau untersucht und beurtheilt werden 
sollen, dass die Sinne und besonders das Auge des Arztes in beständiger und 
anstrengender Thätigkeit bleiben. Dazu bedarf es des Lichts und genügen¬ 
den Raumes. — Das Licht, das auf den zu Untersuchenden fallt, muss 
ein gleich massiges sein; wie directes Sonnenlicht, namentlich auf den 
Fus8boden fallendes, zu vermeiden ist, ebenso muss man bedacht sein, 
dass nicht der Schatten eines Mauerpfeilers oder gar der des unter¬ 
suchenden Arztes einzelne Körpergegenden verdunkle. Er hat sich also 
in der Nähe von Fenstern seinen Platz so zu wählen, dass das Licht 
von vorn und von beiden Seiten auf den Körper falle. Die Stelle, wo 
der Militärpflichtige sich hinzustellen hat, wird durch zwei kurze aber 
dicke Parallelstriche mit Kreide flzirt und event im weiteren Verlauf 
des Vormittags verlegt, je nachdem die Lichtquelle dies erfordert. 

Wenn irgend möglich, muss der Arzt darauf bedacht sein, diese 
Stellung in Entfernung von 6 bis 8 Fuss dem Maassstab gegenüber ein¬ 
zunehmen. Bei genügender Beleuchtung wird in dieser Entfernung (dem 
Sehwinkel entsprechend) am besten der Totaleindruck eines Körpers ge¬ 
wonnen. Man lasse daher den zu Untersuchenden nie früher an sich 
berantreten, bis man sich aus dieser Entfernung mit ihm zu beschäftigen 
angefangen hat. Steht einmal der Körper dicht vor oder neben dem Arzt, 
so wird der Totaleindruck sicher ein anderer, weil man nicht mehr die 
ganze Figur mit dem Auge aufnehmen kann. 

Mit dieser Prüfung beginnt die allgemeine Untersuchung; nun lässt 
man den Mann auf sich zukommen, so dass während des weiteren Vorgehens 
Zeit und Gelegenheit gegeben bleibt, die Gesichtsfarbe und den Gesiebts¬ 
ausdruck, die allgemeinen Formen des Körpers, der Muskulatur, die 
Figuration des Brustkastens, die Bewegung des Körpers, die Gehfähigkeit 
ins Auge zu fassen, Erhöhungen von Schulter und Hüfte, Differenzen im 
Gliederbau, Beschaffenheit der Gelenke, Stellung der Gliedmaassen werden 
dabei schon geprüft. Auch empfiehlt sich, schon jetzt die Sehrichtung 
der Augen zu taxiren, die bei Abnormitäten der Sehfähigkeit in der 
Entfernung oft eine andere ist, als wenn in der Nähe mit beiden Augen 
das Sehobject erfasst werden kann. 


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Entweder bald oder nach beendigter specieüer Untersuchung in der 
Nahe lässt man den Untersuchten 4 bis 5 Schritt so vorgehen, dass er 
in dieser Entfernung noch von der Rückseite her im Allgemeinen besichtigt 
waden kann. Oft ist diese letzte Besichtigung ausschlaggebend, wenn man 
über die körperliche Tüchtigkeit im Zweifel gewesen war. §. 5 der 
Dienstanweisung lehrt uns, welche allgemeine Anforderungen an die zum 
Dienst mit der Waffe zu designirenden Militärpflichtigen zu stellen sind; 
dieser Anforderungen muss der Arzt sich nicht nur genau bewusst sein, er 
muss sich durch vielfache Uebung auch den richtigen Maassstab ver¬ 
schaffen. Gerade im Musterungsgeschäft, wo alle möglichen und unmög¬ 
lichen Figuren sich dem Auge präsentiren, gebt dem Arzt der ver¬ 
gleichende Maassstab viel leichter verloren, als im Aushebnngsgeschäft, 
wo die brauchbaren kräftigen Leute zusammen vorgestellt werden und 
eine schlecht gebaute Figur viel eher auffallen muss. 

Es ist daher für den Musterungsarzt sehr wichtig, sich immer zu 
vergegenwärtigen, dass „nur solche Leute, deren Gesundheit und Körper¬ 
bau die erforderliche Ausdauer bei den Anstrengungen des Dienstes zu¬ 
versichtlich hoffen lässt“, in Liste E. eingetragen werden. 

Es empfiehlt sich nicht, die specielle Untersuchung mit der Messung 
des Brustumfanges zu beginnen, weil schon das Ergebniss derselben den 
Vorsitzenden zur Abgabe seiner Entscheidung veranlassen kann und da¬ 
durch die anderweitige Untersuchung der ersten beiden Jahrgänge auf¬ 
gehoben wird. Hierdurch gerade wird eine Reihe von Mannschaften, 
bei denen nach vollständiger Untersuchung schon eine Entscheidung zu 
treffen gewesen wäre, zum Nachtheil des ganzen Musterungsgeschäfts 
noch länger in den alphabetischen Listen erhalten. 

Wenn jeder einzelne Körpertheil, jede Region des Körpers geprüft 
werden soll, muss der Arzt auch genau wissen, welche Fehler und Ab¬ 
normitäten, die das Urtheil beeinflussen können, überall vorzukommen 
pflegen; daher muss eine genaue Kenntniss der in den vier Anlagen der 
R. O. verzeichneten Fehler die Bedingung zur richtigen Untersuchung 
sein. Nicht bloss das, was dem Auge sich zufällig bietet, muss beachtet 
werden, es soll vielmehr io allen Theilen und Regionen geforscht werden, 
ob die und die Fehler vorhanden sind: deshalb ist die methodische Unter¬ 
suchung des Militärpflichtigen von entscheidendem Werth für die Losung 
der ganzen Aufgabe. 

Am natürlichsten fängt die Untersuchung mit dem Kopfe an. Bei¬ 
spielsweise hat der prüfende Arzt auf Kopfausschläge, die Art des 
Haarwuchses, auf Narben und Knochendefecte, auf Form Veränderungen 


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des Schädels u. 8. w. za achten. Der Kopf wird also mit beiden Händen 
an den Schläfen gefasst and so* gebeugt, dass Haarwachs and Kopfhaut 
besehen werden kann; dann wird mit der Hand tastend aber die Kopf¬ 
fläche gegangen, am (den Mangel von) Deformitäten etc. za constatiren. 

Schon während dieser Manipulationen beginnt das sehr wichtige 
Examen des Militärpflichtigen durch Unterredung; sie ist während der 
weiteren Untersuchung fortzusetzen, bis man erfahren, was za wissen noth- 
wendig; sie ist erforderlich, am Taubheit und Stammheit resp. beide 
festzastellen, am die Sprache auf Stottern za prüfen, um auf Wolfsrachen 
and andere Abnormitäten in Mond und Nase aufmerksam za werden, am 
die Intelligenz resp. deren Mangel zu constatiren. Sie ist ferner wichtig 
für die Anamnese and überhaupt für die ganze Untersuchung von grösstem 
Werth. Die Fragen dürften lauten: Was sind Sie von Haus? Sind Sie 
gesnnd, sind Sie noch nie krank gewesen? Leben die Eltern noch? 
Haben Sie Geschwister verloren? Haben Sie einen Fehler an sich? 
Können Sie gut sehen and hören? a. s w. Die Bedeatang der Fragen 
ergiebt sich von selbst: der Beruf wird aaf besondere Krankheits-Dispo¬ 
sitionen, die mit jenem oft im Zusammenhang stehen, hin weisen, und 
wird die Wahl für Specialwaffen und Oekonomiehandwerker erleichtern; 
erbliche Belastung (Schwindsucht) wird zur strengeren Kritik des ganzen 
Habitus, des Brustkorbes und zur Prüfung der Lungen führen,, mindestens 
wird die Notirung der erblichen Belastung in der Liste von grossem 
Werth für .weitere Beurtheilung sein. Eine Reihe von Fehlern, die sonst 
der Untersuchung zu entgehen pflegen, werden zur Kenntniss des Unter¬ 
suchenden gebracht, wie Knochenbrüche, Fistelleiden, tiefere Ohr- und 
Augenleiden etc. 

Es folgt die Untersuchung dieser letzteren selbst, indem mit dem 
Daumen beiderseits das untere Lid ektropionirt und besichtigt wird. 
Prüfung der Blickrichtung, der Hornhaut, der Linse event. mit Glas ist 
schnell durchzuführen, auch Thränensackleiden werden leicht auffallen. 
Wo Prüfung der Sehschärfe erforderlich, kann sie sofort mit den Seh¬ 
proben (cfr. oben) in kurzer Zeit, event. nach Schluss der ganzen 
Besichtigung vorgenommen werden (Farbenproben). Dem Geübten 
wird das Vergleichen von Angaben mit dem durch diese Untersuchung 
gegebenen Resultat in vielen Fällen genügen, um sich ein Urtheil za 
bilden; in zweifelhaften Fällen empfiehlt sich nur, den Truppenarzt durch 
Notiz der angeblichen Beschwerden zur genauem Untersuchung des Seh¬ 
organes zu veranlassen. Desgleichen wird die mangelhafte Horfahigkeit 
nicht immer zu constatiren sein, doch mehr Glauben finden lassen, wenn 


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das Obr krank befanden wird; man fasst das Obr an der Muschel, drebt 
ohne Gewalt den Kopf seitwärts, inspicirt den Gehörgang, um Ausfluss 
event. Perforation des Trommelfells zu constatiren (Ohrspiegel). 

Die Nase ist zu inspiciren auf Verkrüppelung, Ozaena und beut um 
so mehr zu beachten, als sie häufig für Anlage 4 No. 46 die heilbare 
materielle Grundlage abzugeben geeignet ist. 

Am Mund werde die Oberlippe durch die Daumen leicht in die Höhe 
gedrängt, um die Zahnpartie zu beachten, deren Bedeutung für den Feld- 
soldaten auch heute nicht zu unterschätzen ist, da ohne gute Zähne der 
Magen nicht leisten kann, was er soll; überdies muss schlechtes Zahn¬ 
werk eher auf Fehler der Körperconstitution hinweisen. Gaumendefecte 
werden durch Oeffnung des Mundes ersehen. 

Ein Blick auf den Hals informirt über Drüsengebilde, Gebirgshals 
und Kropf; von diesen zu trennen ist eine häufig zu findende bis apfel¬ 
grosse Geschwulst zwischen Kehlkopf und Brustbeinrand, die wohl aller¬ 
meist eine Cyste vorstellt und die Dienstfähigkeit beeinträchtigen kann. 
Jetzt wird das Schlüsselbein schnellen Griffs beiderseits mit den Fingern 
betastet, um alte Fracturen oder Verkrüppelungen zu constatiren; man 
geht dann gleich mit der Hand über die Schultern auf die Arme, sie von 
rückwärts betastend, herunter bis an die Handgelenke, hebt nun die ganze 
Extremität beiderseits gleichzeitig in die Höhe, besieht Hände und Finger 
auf die häufigen Abnormitäten, prüft die Beweglichkeit dieser, danach die 
Beweglichkeit der Hand-, Ellenbogen- und Schultergelenke, prüft die 
Gleichmässigkeit der Muskulatur, der Länge mit schnellem Blick und 
streckt danach die Arme wagerecht seitlich aus zur officiellen Armstellung, 
wobei noch Verkrümmungen des Ellenbogengelenkes etc. auffallen müssen. 
Nun wird das Brustmaass vorsebriftsmässig genommen. Dadurch soll 
der Umfang und noch mehr die Ausdehnungsfähigkeit des Brustkorbes 
festgestellt werden. Niemals fast stellt der zu Untersuchende sich in der 
Art an, wie für die Messung erforderlich; gewöhnlich wird der Leib 
eingezogen und der Brustkorb möglichst in die Höhe geschoben, so dass 
die höchste Expansion erreicht scheint; begnügt man sich damit zur 
Messung und lässt jetzt den Brustkasten herunterfallen, um das Minimum 
zu erreichen, so hat man in den meisten Fällen ein falsches Maass, das 
hei der Untersuchung fünf Minuten später sich schon ändert. Nach 
eigener Erfahrung wird bei der Messung am besten so verfahren: Nach¬ 
dem das Maass unter den Armen hindurch über die Schulterblätter so 
herumgeführt ist, dass es den untern Winkel derselben berührt und vorn 
unter die Brustwarzen — aber dicht unter dieselben — zu liegen kommt, 


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ordnet man an, dass der Rekrnt den Brustkasten ganz fallen lasst, d. h. 
der Baach darf nicht mehr eingezogen erscheinen, sondern mit den 
seitlichen Rippenpartien eine fortlaufende gerade Fläche ohne sichtbare 
Qrenze bilden (je mehr der Bauch vorgestreckt erscheint, um so mehr ist 
die tiefste Exspirationsstellung erreicht). Nun lässt man so tief wie möglich 
einathmen, merkt sich die Centimeterzahl der Inspirationshohe und lässt 
jetzt noch ganz exspiriren, so dass mindestens die vorher beschriebene 
Stellung von Bauch und Brustkasten erreicht wird und merkt jetzt die 
Centimeterzahl. Das Maass wird dabei am Körper so fest gehalten, dass 
es, ohne zu rutschen, die In- und Exspiration mitmacht; auch thut man 
gut, die Enden des Maasses nicht gerade über dem tiefer liegenden Sternum, 
sondern seitlich zu vereinigen, da sie an die Seite des Thorax sich besser 
anschmiegen. 

Durch die ganze Manipulation wird das Messen zwar etwas erschwert, 
aber da heutigen Tages auf das Brustmaass so sehr viel Werth gelegt 
wird, muss man auch die Art, diesen Werth zu erreichen, genügend 
würdigen; oft ist nothig, die In- und Exspiration zweimal zu wiederholen, 
um das richtige Maass sicher zu erhalten. Immer muss das Maass am 
Körper dicht anliegen, damit es den Bewegungen desselben folgen kann, 
ohne zu rutschen. Man kommt bei dieser Messmethode sehr häufig unter 
80 cm, erhält aber einen grösseren Ausdehnungsspielraum, 80 bis 88 ist 
dann nicht so gut, als 78 bis 88, und doch ist das officielle Maass da, 
denn hat der Rekrut 78 bis 88, so hat er auch 80 bis 88 cm. Der 
Brustumfang soll nie allein entscheiden, daher bedarf der Brustkorb als 
solcher noch weiterer Inspection; oft stellt sich heraus, dass das scheinbar 
weite Brustmaass von einer starken Lordose beeinflusst war. Was unter 
normal gebauter Brust zu verstehen, ergiebt sich aus der Anmerkung zu 
§. 5 der Dienstanweisung. (Seite 5.) 

Nachdem hiernach der Brustkasten taxirt ist, wird der übrige Körper 
inspicirt; oft ist auf den Nabel zu achten, der wie eine Nuss hervorsteht 
und als kleine Geschwulst hinderlich werden kann. 

Jetzt wird auf Unterleibsbrüche gefahndet, wenn nicht solche sich 
vorher schon sichtbar kenntlich gemacht und zur Aufhebung der weitern 
Untersuchung geführt hatten. Hin und wieder sind in der Bauchgegend 
Hautdruckstellen sichtbar, oder stellen sich die Mannschaften mit Bruch¬ 
band vor; manche derselben tragen solches unnöthigerweise aus alter 
Gewohnheit, andere wissen nicht, dass sie einen Bruch haben oder sind 
zu gleichgültig dagegen, dass sie nichts davon erwähnen. Stets ist daher 
die übliche Untersuchung durch Einführen des Fingers in den Leisten- 


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Wm 


— 91 — 


canal resp. Ring vorzunehmen. Daran schliesst sich die Betastung des 
Scrotams auf Fehler der Testike), die gelegentlich am oder im Baachring 
za finden sind, auf Varicocele nnd Hydrocele etc. 

Ueber Schwellungen in der Leistengegend (Hoden im Bauchring) 
wird ein kurzer Blick orientiren und event. Veranlassung zu Forschung 
aafVenerie geben, die aus sanitätspolizeilichen Gründen alsbald gemeldet 
werden muss. 

Der Oberschenkel ist schnell auf die beiderseitige Gleichmässigkeit 
der Muse ul atur, event. durch vergleichende Maasse zu prüfen; die gleiche 
Länge derselben, wie der ganzen Extremität wird durch Betrachtung 
der Gcsässfalte und damit zugleich die Beckenstellung taxirt; dann 
orientirt man sich über die Kniegelenke, ob sie Schwellungen haben und 
ganz durchgedrückt werden können. An den Unterschenkeln ist neben 
der Muskulatur auf Krampfadern zu achten, auf Geschwürsnarben und 
Knochenerkrankungen, die dort am häufigsten zu finden sind. Das Fass- 
gelenk ist auf Verdickungen, die Zehen sind auf ihre Stellung, ihre Zahl, 
auf Defecte, Abnormitäten aller Art zu untersuchen. Am Fuss selbst ist 
auf harte oder weiche Schwellungen (Ueberbeine), Narben mit Sehnen- 
verletzung, auf falsche Ballenstellung und Beschaffenheit der Fussform 
(Plattfuss etc.) zu achten. 

Nachdem so der ganze Körper durchvisitirt, lässt man, wenn dies 
nicht schon vorher geschehen, den Mann auf 4 bis 5 Schritt zurücktreten 
und sich umdrehen, um den Eindruck vom Rücken her zu gewinnen. 
Dabei ist event. noch auf Krampfadern zu inspiciren, besonders der 
ganze Rücken, die Wirbelsäule einer kurzen Betrachtung zu unterziehen 
und vielleicht durch Aufheben der Fusssohle nach rückwärts die Unter¬ 
suchung auf Plattfüssigkeit zu vervollständigen. 

Bei scharfem Blick und unausgesetzter schneller Thätigkeit ist die 
ganze Prüfung meist in der dafür disponiblen Zeit durchzuführen, zumal 
nicht bei jedem Einzelnen Sehprüfungen, Untersuchung der Brustorgane, 
die am meisten aufhalten, erforderlich sind. Wenigstens sprechen die 
Erfahrungen für die Ausführbarkeit der geschilderten Untersuchungsart. 

Vorstehende Besprechung wird voraussichtlich Anlass geben, auch 
anderweitige Erfahrungen, die beim Musterungsgeschäft gemacht sind, 
zur weiteren Kenntniss zu bringen und so hoffentlich dazu beitragen, 
dass mit der Zeit eine für alle Aerzte gütige genauere Anleitung zur 
gründlichen Durchführung der schweren Aufgabe erreicht wird. 


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Geschichtliche Bemerkung zur Kenntniss sympathischer 
Augenerkrankungen. 

Von] 

Stabsarzt Dr. Kern. 


Dass für eine ganze Kategorie von Augenleiden, wie die sympathischen, 
welche heutzutage eine so hervorragende Bedeutung beanspruchen, die 
ätiologischen Beziehungen trotz ihrer bestimmten Charakteristik bis in 
das laufende Jahrhundert hinein so völlig unbekannt und ungewurdigt 
bleiben konnten, hat von jeher das Interesse erregt und es dürfte hiernach 
auch im gegenwärtigen Zeitstadium noch nicht müssig sein, älteren Beob¬ 
achtungen dieser Art Aufmerksamkeit zu schenken, zumal wenn solche 
weit hinter den bekannt gewordenen zurückliegen. 

Mooren in seiner Monographie über sympathische Gesichtsstörungen 
(Berlin 1869) hat den Anfang dieses Jahrhunderts als frühesten Zeitpunkt 
der Kenntniss sympathischer Gesichtsstörungen angenommen. Von dem 
Versuch Brondeau’s (Des affections sympathiques de Tun des yeux, ä la 
suite d'une blessure de l’autre oeil, Paris 1858), aus der älteren Litteratur 
(Thomas Bartolinus 1696, Bidloo 1649—1713 u. A.) den Nachweis 
über das Vorkommen sympathischer Augenentzündungen zu liefern, sagt 
Mooren mit Recht, dass er ihn zu keinem völlig beglaubigten Resultat 
geführt zu haben scheine.*) Der letztgenannte Autor selbst lässt es indess 
auf Grund der Zeugnisse Arlt’s als nicht unwahrscheinlich gelten, dass 
zu Anfang dieses Jahrhunderts von den Ophthalmologen der Wiener 
Schule einige Beobachtungen über den sympathischen Einfluss einer trauma¬ 
tischen Entzündung des ersten Auges auf das zweite gemacht wurden. 
Bis jetzt sei es unzweifelhaft, dass Demours der erste Arzt in Frank¬ 
reich war, der schon im Jahre 1818 das Vorkommen sympathischer Er¬ 
blindung constatirt hat. 

Die Geschichte vor Makenzie’s Auftreten ergänzend, hat Hirsch¬ 
berg (Archiv für Augen- u. Ohrenheilk. V. Band 1. Abthl. 1876) noch 


*) Die wesentlichen Worte der genannten Autoren sind nach Mooren’s Citaten 
folgende: 

1) (Thom. Bart.) .... cujus dexter oculus vulnere per cultrum •.. visu orbatus 
eo vero oculo persanato, sed sine visu, sinistrum oculum antea sanum cataracta inci- 
piens aggreditur. 

2) (Bidl.) (Holzsplitter im Auge) .... L’inflammation fut extreme, eile se commu- 
niqua ä l’autre oeil, et se ne fut qu’avec grande peine qu’on fut conserver celui-ci. 


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darauf aufmerksam gemacht, dass im Jahre 1835 v. Ammon von sym¬ 
pathischen Erankheitsbeziebangen der beiden Augen mit Bezug auf Iritis 
gesprochen hat. 

Demgegenüber ist es gewiss nicht ohne Bedeutung, hier auf eine 
bisher in der Litteratur unbekannt gebliebene Thatsache hinzuweisen, 
welche eine kriegschirurgische Schrift aus der Mitte des vorigen Jahr¬ 
hunderts als älteste Quelle der Kenntniss sympathischer Augenerkran- 
kuogen i führen lässt. 

Le Dran in der Schrift „Trait£ ou reflexions tirües de la pratique 
sur les playes d’arm es ä feu. Amsterdam 1741“*) sagt auf Seite 96 
Folgendes: 

„Si les incisions, les saignees, le regime et Fusage des colires 
convenables ne calment pas Finflammation du globe de Foeil, il pourra 
se faire abces dans son Interieur; et, suppose qu’ii s’en fasse, il faut 
fendre le globe d’un cöt4 ä Fautre pour le vuider, des qu'on connoit 
par des eignes süffisante, que le pus commence a s’y faire. On le connoit 
principalement par le gonflement du globe, et par les ülancements que 
le malade y ressent Si comme aux abces qui se font ailleurs, on 
attend que le pus soit fait, le malade pourra perdre la vue par 
l’inflammation qui se communiquera ä l’autre oeil, le long 
du nerf optique.“ 

Nicht nur die drohende Gefahr der sympathischen Entzündung, 
sondern auch der Weg, auf dem dieselbe sich von einem zum 
andern Auge fortpflanzt, ist hier auf das bestimmteste bezeichnet. 


Ergänzungen des Berichts Aber den neuen, transportablen Kranken¬ 
heber des Stabsarztes Dr. Hase in Hannover nnd Dr. Beck in Bern. 

(XDL Jahrgang dies. Zeitschr. 1884, Heft 5. S. 245.) 


Im Jahre 1884 bot sich Gelegenheit, in dieser Zeitschrift eine ein¬ 
gehendere Beschreibung und Besprechung eines transportablenEranken- 


*) Die Schrift ist auch in deutscher Sprache erschienen unter dem Titel: Le 
Dran. Tractat oder Abhandlung von der Cur derer Schuss-Wunden, welche von 
demselben statt eines dritten Theiles Seiner Chirurgischen Anmerkungen in Franzö¬ 
sischer Sprache herausgegeben, nunmehr aber in die Deutsche auf das sorgfältigste 
übersetzt worden. Nürnberg 1740. 

7» 


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heb er 8 zu geben,*) welcher nach neuen Principien vom Stabsarzt Dr. Hase 
in Hannover construirt und gemeinsam mit Herrn Dr. Beck, Redacteur 
der illustrirten Monatsschrift für ärztliche Polytechnik in Bern, zu einem 
allen gerechten Anforderungen entsprechenden, leicht beweglichen Hebe¬ 
apparat vervollständigt worden war. 

Obgleich damals nur kurze Zeit zur Prüfung des hierselbst auf- 
gestellten Apparates zu Gebote stand, so glaubte ich doch hiernach schon 
ein günstiges Urtheil über die Brauchbarkeit desselben abgeben und die 
sofort in die Augen springenden, grossen Wohlthaten und Erleichterungen 
hervorheben zu müssen, welche die Benutzung der neuen Hebevorrichtung 
für Schwerkranke und deren Pfleger unbedingt herbeiführen müsse. 

Inzwischen hat der Hase-Beck’sche Krankenheber trotz Seines nicht 
geringen Preises von 200 Mark**) sich in viele Krankenanstalten Eingang 
verschafft. Auch sind von allen Seiten bereits ärztliche Berichte über 
die vorzüglichen Leistungen und Erfolge eingegangen, welche mit dem 
Apparat in der Krankenpflege erzielt worden sind. Der Wunsch und 
die Hoffnung, welche hinsichtlich seiner baldigen Einbürgerung und prak¬ 
tischen Bewährung im Krankcudienste schon früher ausgesprochen wurden, 
scheinen somit sich bereits verwirklichen zu wollen zum Segen manches 
Leidenden und seiner Pfleger. 

Da hier die Versuche nicht mit solchen Kranken angestellt werden 
konnten, denen jede Bewegung oder Erschütterung Schmerzen und Un¬ 
bequemlichkeiten verursacht, so dürfte es für die richtige Würdigung des 
Werthes dieses neuen Hebeapparates von Interesse und zugleich eine 
werthvolle und nothwendige Ergänzung sein, von den Urtheilen Kenntniss 
zu nehmen, welche der Hase-Beck’sche Krankenheber sich bei der prak¬ 
tischen Anwendung nun wirklich, auch in solchen Fällen erworben hat, 
welche für seine Brauchbarkeit und seinen wahren Nutzen erst als ent¬ 
scheidend und maassgebend angesehen werden müssen. 

Zum richtigen Verständniss der Beurtheilungen, welche der Hase- 

*) Weitere, zum grossen Theil durch Abbildungen illustrirte Beschreibungen 
finden sich, ausser in dieser Zeitschr. 1884, Heft 5, S. 245, aus welcher sie zum 
Theil entnommen sind, in der Deutsch, medic. Zeitung 1884, No. 67, S. 177, Central¬ 
blatt f. Chir. 1884, No. 14, Illustr. Mon.-Schr. f. ärztL Polytecb. 1883, S. 123 und 
1884, Heft 7, S. 150. 

**) Der Krankenheber, welcher zur Zeit ohne Charnierfuss 200 Mark, mit dem¬ 
selben 240 Mark incl. Lackirung der Stangen und Polsterung der Zangen, zollfrei 
ab Schweizergrenze kostet, ist durch Vermittelung des Herrn Dr. med. Beck in Bern 
zu beziehen; in Moskau wird derselbe vom Kaiserl. Hoflieferanten F. Schwabe an¬ 
gefertigt. 


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B ec k’sche Krankenheber sich bei seiner praktischen Benutzung im Kranken- 
dienst erworben hat, dürfte ein kurzer Rückblick auf das Wesentlichste 
seiner Construction kaum unerwünscht sein. 

Das eigentlich neue Princip beruht bei dieser Hebevorrichtung in 
der Anwendung grosser, ungleicharmiger Stahlzangen zum Um¬ 
hissen des Körpers von oben, welche an ihren kurzen Armen durch 
starke Ledergurte über einer wagerecht aufgehängten, eisernen Tragestange 
verschiebbar befestigt sind. Die somit nach abwärts hangenden langen 
Zangenarme sind an ihren Enden den menschlichen Händen entsprechend, 
löffelformig gestaltet, in einem etwas spitzen Winkel nach innen um¬ 
gebogen, mit Leder überzogen und gut gepolstert. Hierdurch wird es 
möglich, Schultern, Rumpf, Gesäss und Beine des zu hebenden Kranken 
von oben und den beiden Seiten her mit den Zangen zu umgreifen. 
Da aber die weichen, glatten Löffel der Zangen noch leichter wie die 
menschlichen Hände unter die betreffenden Körperstellen des Liegenden 
gleiten resp. geschoben werden können, so umgreifen und stützen sie den 
Körper auch von unten, und zwar sicherer und fester, wie die unter¬ 
geschobenen Hände es könnten. Der liegende Kranke muss daher mittelst 
dieser Zangen leicht und ohne bewegt werden zu brauchen umfasst und 
vermittelst der Tragestange, an der die Zangen hangen, viel leichter, 
sicherer und gleichmassiger vom Lager emporgehoben werden können, 
wie dies durch Menschenhände, mögen die Leute auch die beste Schulung 
and Uebung besitzen, ausführbar sein würde; da ferner die wagerechte, 
die Zangen tragende Eisenstange durch ein Winde werk leicht und gleich¬ 
massig in die Höhe gezogen wird, so kann jede Bewegung und Erschütterung 
des Kranken, wie auch jedes ungleiche, oder ruckweise An- und Hoch¬ 
heben der einzelnen Körpertheile, wie solches beim Heben durch Menschen¬ 
hände auch bei der grössten Vorsicht nie zu vermeiden ist, absolut aus¬ 
geschlossen, ja geradezu unmöglich gemacht werden. Die Aufhängungs¬ 
weise der Zangen endlich an ihren kurzen Armen hindert beim Heben 
jedes Auseinander weichen der langen, den Körper umgreifenden Arme 
absolut sicher; je, je schwerer die auf den Löffeln ruhende Last ist, 
desto fester müssen die Zangen schliessen, also jedes Herausgleiten des 
Gehobenen unmöglich machen. Ihre Verschiebbarkeit an der Tragestange 
gestattet es ferner, sie gerade dort den Körper umgreifen zu lassen, wo 
dies schmerzlos geschehen kann, wie andererseits Wunden, Operations¬ 
stellen etc., von allen Seiten, oben und unten, zugänglich zu lassen 
oder zu machen, z. B. Decubitus am Kreuzbein u. s. w. 

Zum gleichmässigen, sichern und leichten Heben und Senken 


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dieser mit den Hase’schen Zangen versehenen Tragestange und somit 
des von diesen umfassten und von unten gestutzten Kranken ist dann 
von Herrn Dr. Beck ein festes, solides und dennoch gefälliges Qestell 
von Eisen construirt, welches sich leicht durch das Zimmer rollen lässt. 
Hierdurch durfte die Hebevorrichtung eine fast unübertreffbare Vollkommen¬ 
heit erreicht haben, besonders seitdem die (S. 248 dieser Zeitschr. 1884 
durch Zeichnung erläuterte) Windevorrichtung des Dr. Hase mit 
„Schraube ohne Ende“ das frühere Sperrrad ersetzt hat. Das Heben 
und Senken des Kranken erfolgt hierdurch noch gleichmässiger, leichter 
und geräuschloser wie bisher; auch bedarf diese Windevorrichtung keiner 
besonderen Sperrvorrichtung. Durch die Schraube ohne Ende ist jedes 
unbeabsichtigte Ruckwärtsgehen oder Zurückfliegen der Drehkurbel and 
somit jedes unbeabsichtigte Tiefersinken des Gehobenen selbst dann fast 
unmöglich gemacht, wenn irgend ein Zufall eine unvorhergesehene Unter¬ 
brechung des Emporwindens nothwendig, ein plötzliches, schnelles Los¬ 
lassen der Drehkurbel erforderlich machen und das Feststellen der noch 
zum Ueberfluss angebrachten Hemmschraube versäumt sein, oder die 
Kurbel unvorsichtigerweise durch Anstossen oder dgl. bewegt werden 
sollte. Bei solchen Windevorrichtungen mit „Schraube ohne Ende tf 
bleibt nämlich das durch letztere bewegte Zahnrad, welches hier das 
Heben und Senken der Tragestange u. s. w. bewirkt, jedesmal in der 
Stellung stehen, in welcher es sich beim Loslassen der Drehkurbel be^ 
fand, auch wenn diese nicht festgestellt, gesperrt oder dgl. worden ist. 

Das von Dr. Beck construirte Gestell ist ferner auch in seiner Länge 
verstellbar, es kann vermöge der mit Rollen versehenen Fussgestelle leicht 
durchs Zimmer geschoben werden, beansprucht trotz seiner Festigkeit 
und Sicherheit wenig Platz, ist schnell und leicht auseinanderzunehmen 
und wiederaufzastellen — wobei die mit den Seitenstangen resp. ihren 
Strebepfeilern durch sinnreiche Gelenkconstruction*) verbundenen Fass- 


*) Dr. Beck beschreibt diese Construction in der Illastr. Monatsschr. d. ärztl. 
Polytech. 1884, Heft 7, S. 155, wie folgt: Der Fuss jeder Seitenstange ist so 
eingerichtet, dass die 3 Arme des Fnsses mit derselben durch besondere Charnier- 
gelenke, die S pitzen der Fussarme ebenfalls mittelst Charniergelenken mit den Strebe¬ 
pfeilern und diese wiederum in gleicher Weise mit den die Seitenstange umfassen¬ 
den, verschiebbaren Muffen verbunden sind. Zum Transport werden demnach die 
3 Fussarme an der Stange heraufgezogen, bis jeder Strebepfeiler mit Beinern ent¬ 
sprechenden Fussarm eine gerade Linie bildet und somit flach an der Seitenstange 
anliegt. Zum Gebrauch wird einfach die Seitenstange aufgerichtet und die an der 
Muffe befindliche Schraube gelöst. Der Fuss fällt dann durch seine eigene Schwere 


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gestelle an diesen Stangen hinanfgezogen werden, so dass sie sich den¬ 
selben flach anlegen. — Für den Transport lässt sich somit der ganze 
Hebeapparat leicht zn einem langen, ziemlich dünnen Rollstück verpacken, 
welches ein Mann mit Leichtigkeit tragen kann; derselbe ist daher schnell 
überall hinznbringen. 



Schon diese kurze Betrachtung dürfte zeigen, wie einerseits un- 
bestritten die Erfindung der Hauptbestandteile dieses Hebeapparates 
Dr. Hase zufällt, andererseits aber, was im ersten Berichte leider zu 


herab, bis die Fussarme, horizontal stehend, den Fussboden berühren und hierdurch 
den festen Stand der Stange bedingen. Ein in der Stange angebrachter Stift be¬ 
zeichnet den tiefsten Stand, welchen die Muffe erreichen muss, eine Daumenschranbe 
hält die Muffe in dieser Stellung fest. 


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wenig betont ist, Dr. Beck das Verdienst gebahrt, in richtiger Würdigung 
des Werthes des Hase'sehen Principes durch unermüdliche Verarbeitung 
und Erprobung desselben wie der von Beiden gemeinsam projectirten 
Verbesserungen zur Herstellung eines Apparates gelangt zu sein, welcher 
wohl das Beste darstellt, was bisher auf diesem Gebiete hervorgebracht 
worden ist. — Dieser Anerkennung und Würdigung der Mitarbeit des 
Dr. Beck gab denn auch Dr. Hase Ausdruck in dem Vorschläge, dem 
ganzen Apparate den Namen: „Hase-Beck’scher transportabler Kranken¬ 
heber“ beizulegen. 

Werfen wir nun einen prüfenden Blick auf die vorstehende Ab¬ 
bildung des Krankenhebers, wie sie nach einer Photographie angefertigt 
ist, so wird uns die geradezu frappirende Einfachheit der Hase'schen 
Construction sofort einleuchten. Ebenso werden die wichtigen Vorzüge, 
welche diese Hebevorrichtung in ihrer jetzigen Form vor allen anderen 
ähnlichen Apparaten voraus hat, so in die Augen springen, dass es leicht 
wird, dieselben kurz aufzuzählen. 

Der H ase-Beck’sche Krankenheber gestattetes selbst schwächlichen 
Personen, ohne besondere Einübung auch den schwersten Kranken von 
seinem Lager emporzuheben, und zwar ohne Anstrengung, dabei sicher 
und ohne dem Kranken Schmerz zu verursachen. Der Kranke braucht 
hierbei seine Lage nicht zu ändern, jede Bewegung und Erschütternng, 
selbst das Anfassen des zu Hebenden kann vermieden werden. — Mit 
Hülfe des Hebeapparates können Verbände, Operationen etc., ohne deu 
Kranken drehen etc. zu müssen, leicht und für den Kranken wie 
seine Pfleger bequem auch dort überall gut angelegt und ausgefnhrt 
werden, wo die Vermeidung aller Bewegungen und Lageveränderungen 
der Schmerzen wegen oder aus anderen Gründen erwünscht oder noth- 
wendig erscheint. — Eine Umlagerung des Kranken auf ein anderes 
Lager, den Operationstisch etc., kann mit diesem Heber erforderlichen¬ 
falls durch eine Person schnell besorgt werden, ohne dass der Leidende 
aus seiner Lage gebracht werden, oder sich bewegen braucht. — 
Alle diese Handhabungen können ohne Kraftanstrengung, leicht, 
schnell, sicher und geräuschlos, ohne Unbequemlichkeit für den 
Kranken wie Wärter durch Jeden, der gerade zur Hand ist, ohne 
Schulung ausgeführt werden. Rechnet man hierzu die Leichtigkeit nnd 
Schnelligkeit, mit welcher der Heber trotz seiner Sicherheit und Festig¬ 
keit auseinandergenommen, wieder aufgestellt und von einem Ort zum 
andern bequem und ohne besondere Umstände transportirt werden 
kann — was namentlich den Krankenheber zum leihweisen Gebrauch in 


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Privatfamilien etc., z. B. von den freiwilligen Hülfsvereinen, Stiften etc., 
besonders geeignet machen muss — dann wird man schon auf theoreti¬ 
schem Wege zu dem Schlüsse kommen müssen, dass diese Kranken- 
hebevorrichtung wohl ziemlich allen, an einen solchen Apparat zu stellen¬ 
den Anforderungen entsprechen und manchem armen Kranken wie seinem 
Pfleger eine grosse Wohlthat und Erleichterung sein durfte. 

Dass diese Vorzüge sich aber auch beim praktischen Gebrauche 
in der Krankenpflege wirklich nach allen Richtungen hin voll bewährt 
haben, und dass der Krankenheber sich die grösste Anerkennung aller 
Aerzte und Kranken, welche diese Vorzüge erprobt haben, erworben hat, 
das durften schon die nachstehenden Auszuge aus den vielen vorliegenden 
Berichten bezeugen und als völlig gesicherte Thatsache feststellen. 

Zunächst möge eine eingehendere Schilderung aus dem Berichte des 
Neu-Strelitzer (Mecklenburg) Krankenhauses — Karolinenstift — von 
Herrn'Dr.'Rudolphi in ihrem wesentlichsten Theil Gehör finden: „Der 
Apparat (Hase-Beck) wurde für paraplegische Kranke beschafft, welche 
gar oft aus Mangel an Geschick und Kraft der Pflegenden allein zu Grunde 
gehen. Zunächst wurde derselbe jedoch bei einer ca. 70 jährigen Dame 
mit Fractura colli femoris nothwendiger, welche ans Furcht vor Schmerzen 
beim Aufheben durch Menschenkräfte unter sich liess und Decubitus mit 
consecutivem Fieber bekommen hatte. Das erste Mal klagte die sehr 
nervöse und geschwächte Dame bei der Anwendung des Hase-Beck*sehen 
Apparates über geringen Druck der Pelotten an den Zangenenden. Sie 
ward aber bald so entzückt von seinen Wohlthaten, dass sie nach 
xwei Monaten noch nicht davon ablassen wollte. — Während vorher 
4 bis 5 Menschen zu den nothwendigsten Hülfeleistungen, welche dann 
unter Wimmern und Geschrei der Patientin vor sich gingen, requirirt 
werden mussten, so genügte nach kurzer Einübung eine Wärterin, um, 
ohne Schmerzen zu erregen, mittelst des Apparates das Erheben zur 
Defacation, zum Verbinden der Wunden und später zur Uebertragung 
aof die Chaiselongue beliebig oft auszuführen. — In diesem Falle, wo der 
Selbstbestimmung der Patientin und ihrer Furcht vor Schmerzen zu ihrem 
Verderben zu grosser Spielraum gelassen war, ist dem Hebeapparat 
geradezu ihre Lebensrettung zu danken gewesen, wie ich die Sache an- 
sehen muss. — Weitere Proben berechtigen mich zu der Aeusserung, dass 
der Hase-Beck’sche Krankenheber mir der beste von allen scheint, die 
bislang gebraucht worden sind. — Seit 20 Jahren benutze ich zu solchen 
Zwecken einen Holzrahmen mit Gurten, der durch eine Winde Vorrichtung 
erhoben werden konnte. Gerade die grossen Mängel desselben lassen die 


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bedeutende Superiorität der neuen Hebevorrichtung vollauf erkennen. — 
Denn ganz abgesehen von der Leichtigkeit und Beweglichkeit in der 
Handhabung, kein anderer Apparat giebt dasselbe Maass von freier 
Zugänglichkeit der betreffenden Korpertheile bei gleicher Sicherheit der 
Lagerung. — Ich freue mich daher sehr, im Besitze einer so höchst 
schätzenswerthen Bereicherung in der Krankenpflege zu sein.“ 

Des Weiteren dürfte wohl folgende Stelle aus dem Berichte der 
gynäkologischen Klinik des Herrn Professor Ta uff er aus Budapest 
vom Herrn Dr. Dirner, ersten Assistenten daselbst, Erwähnung ver¬ 
dienen: 

„Der Apparat functionirt vorzüglich. Wir constatiren es frei und 
offen, dass der Heber uns bei Laparotomirten, die lange, so zu sagen, 
regungslos liegen müssen, so beim Bettwäschewechseln, als bei Lager¬ 
veränderungen, Polsterunterschieben etc. etc., die unersetzlichsten Dienste 
leistete; wobei ich der vorzüglichen Einrichtung mit den zerlegbaren, 
gepolsterten Zangen ganz besonders gedenken muss. — Die Kranken 
liegen mit einem Sicherheitsgefühl und ohne Furcht, klagen über 
keinen Druck und kein Rütteln. Dabei ist Alles sehr solid und tadellos; 
die Zerlegbarkeit sehr erwünscht und für den Transport sehr geeignet.“ 

Endlich dürfte wohl noch das Urtheil aus der chirurgischen Klinik 
des Herrn Professor v. Volk mann in Halle von ganz besonderem 
Werthe sein. Herr Professor Dr. Oberst, erster Assistent der Klinik, 
schreibt unter Anderem: 

„Der Krankenheber ist in der Klinik in Fällen von ausgedehntem 
Decubitus, grossen Wunden der Gesäss- und Kreuzgegend, beim Verband¬ 
wechsel etc. in Anwendung gekommen und hat sich derselbe hierbei vortreff¬ 
lich bewährt. Er ist bequem, sicher, leicht transportabel und von einer 
Person mit Leichtigkeit zu handhaben. Ich wüsste in der That keinen 
Mangel des Apparates anzuführen, es sei denn der ziemlich hohe Preis, 
welcher die Einbürgerung in wenig dotirte Anstalten leider natürlich 
erschweren wird.“ 

Die vorstehenden Mittheilungen aus den verschiedenen, aus ärztlichen 
Kreisen vorliegenden Urtheilen, welche ausnahmslos die äusserst schätz¬ 
baren und wichtigen Vorzüge dieser neuen Hebevorrichtung besonders 
für die Behandlung und Pflege solcher Kranken hervorheben, für welche 
eine längere, möglichst absolute Ruhe, gleichmässige Körperlage und 
Vermeidung jeder Bewegung und Erschütterung das dringendste Bedürfnis 
und wichtigste Erforderniss für eine ungestörte, rasche und sichere 
Wiederherstellung bleibt, — diese Mittheilungen dürften wohl schon als 


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sichere Beweise dafür genügen, dass der Hase-Beck’sche Krankenheber 
sich auch bei seiner praktischen Verwendung ganz so vorzüglich bewahrt 
hat, wie dies schon die theoretische Betrachtung mit Sicherheit Voraus¬ 
sagen Hess. 

Schliesslich dürfte wohl noch die Mittheilung von allgemeinerem 
Interesse sein, dass ein Exemplar dieses mit allen bewahrt gefundenen 
Verbesserungen ausgestatteten transportablen Hase-Beck’schen Kranken¬ 
hebers dem Hygienemuseum in Berlin einverleibt werden soll, so dass 
schon in nächster Zeit derselbe der Beurtheilung aller sich hierfür inter- 
essirenden Kreise zu Gebote stehen und sicher deren Aufmerksamkeit 
auf sich ziehen dürfte, hoffentlich zum Wohle und Nutzen weiterer Schwer¬ 
leidenden und deren Pfleger. 

Hannover, 28. November 1885. Dr. Carl Richter, 

Stabs- and Abtheilangsarzt 


Referate nnd Kritiken. 


Bericht über die allgemeine Deutsche Ausstellung auf dem 
Gebiete der Hygiene und des Rettungs wesens in Berlin 1882—83. 
Mit Unterstützung des Minist der geistl., Unterrichts- und Medicinal- 
Angelegenheiten herausgegeben von P. Börner. H. Band mit 133 Text- 
Illustrationen. Breslau, S. Schottlander 1885. 

Nachdem wir über das Erscheinen und den Inhalt des I. Bandes dieses 
hochbedeutsamen Werkes in dieser Zeitschrift 1885 S. 185 berichtet, liegt 
es uns ob, dem eben erschienenen II. Bande eine eingehendere Besprechung zu 
Theil werden zu lassen, da gerade hier die für das Militär-Sanitäts wesen 
wichtigsten Abschnitte untergebracht sind. 

. Aus dem Vorwort dieses Bandes erfahren wir zunächst, dass nach 
dem Tode P. Börner’s, dessen Namen das Titelblatt als Herausgeber 
trägt, Herr Ingenieur H. Albrecht — rühmlichst bekannt ausser anderen 
Arbeiten durch die Bearbeitung des Capitels „Humanitäre Anstalten. 
Armenpflege* aus dem 1. Band — mit Zustimmung des obengenannten 
Ministeriums es übernommen hat, für die Vollendung des Berichtes Sorge 
zu tragen. 

Durch den Umstand, dass die Berichte, welche in dem II. Bande 
Unterkommen finden mussten, viel umfangreicher geworden sind, als ur¬ 
sprünglich im Plane lag, eine Kürzung ohne Schädigung des innern 
Werthes aber nicht möglich war, ist es gekommen, das das Werk statt 
der anfangs für ausreichend erachteten 60 Druckbogen, eine Ausdehnung 
von ca. 110 Bogen erhalten wird. Der Herausgeber hielt es deshalb 
für angemessen, das Werk nicht in zwei, sondern in drei Bänden er¬ 
scheinen zu lassen; der dritte und Schlussband soll in einigen Monaten 
n&chfolgen. 

Der allgemeine Eindruck, den das der Vollendung nahe Werk 
macht, ist ein hochbedeutsamer im edelsten Sinne des Wortes. Wenn 


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die Ausstellung von 1883 selbst den Zweck hatte, ein Bild von dem heu¬ 
tigen Stande unseres Wissens und Könnens anf dem Gebiete der Hygiene 
und des Rettungswesens zu geben, so wächst der Bericht aber dieselbe 
immer mehr zu der Bedeutung eines Gesammtbildes empor, welches uns 
nicht nur den heutigen Stand, sondern auch die Entwickelung zu dem¬ 
selben und die idealen Ziele für die Zukunft vor das entzückte Auge 
führt; aus dem oft genug noch bunten Neben- und Durcheinander der 
Ausstellung ist ein wohlgeordnetes Ganzes herausgearbeitet, in eine Un¬ 
summe ungeordneten tbatsächlichen Materials ist Theorie und System 
gebracht, das Augenblicksbild der Ausstellung wird zu einem fertigen, 
auf zukünftige Geschlechter zu vererbenden unvertilgbaren Gesafnmt- 
gemälde. Dabei treten überall in dem Berichte, noch mehr als bei der 
Ausstellung selbst, die idealen Ziele der Bestrebungen hervor gegenüber 
den Einlass heischenden materiellen Begehrlichkeiten, so wird der Bericht 
eine bleibende Errungenschaft, von hervorragender Bedeutung für alle 
Zukunft. 

Wenn wir es versuchen in den folgenden Zeilen die einzelnen Artikel 
zu skizziren, so kann es selbstverständlich nur Absicht sein, unseren 
Lesern eine ganz allgemeine Idee von dem reichen Inhalt zu geben und 
einige für das Militär-Sanitätswesen besonders wichtige Einzelheiten her¬ 
vorzuheben. 

Während in dem I. Bande über die Gruppen I bis incl.X der Ausstellung 
berichtet wurde, umfasst der II. Band den Bericht über die Gruppen 
XI bis XIX. Ausser einem Vorwort finden wir folgende Artikel: 

„Oeffentliche Gebäude.“ 1) Theater, von Architekt F. O. Kuhn, 
2) Concerthäuser, von demselben, 3) Schlachthäuser und Viehhofe, von 
Oekonomierath Haus bürg und F. O. Kuhn. 

„Kranken- und Pflege-Anstalten.“ 1) Krankenhäuser, von 
F. O. Kuhn. Nachdem durch die Forschungen der Neuzeit für die 
Wund- und eine Reihe anderer Infectionskrankheiten festere Grund¬ 
lagen gegeben waren und in der Desinfection ein Mittel gegen sie ge¬ 
wonnen war, musste damit die Krankenhaushygiene aufs entschiedenste 
beeinflusst werden. Auf der einen Seite war es nicht mehr nothwendig, 
an die Ausdehnung des Bauplatzes so weitgehende Forderungen zu ptellen, 
auf der andern Seite wurden bezüglich der Fernhaltung und Zerstörung 
der Infectionskeime an die Technik früher nicht gekannte Ansprüche ge¬ 
stellt. Welche Resultate daraus hervorgegangen oder angebahnt sind, 
was man im Krankenhausbau in sanitärer Beziehung selbst auf ganz un¬ 
günstigen Terrains zu leisten vermag, das ergiebt das Studium dieses 
Artikels. Von Civilhospitälern kommen uuter Anderen zur Besprechung: 
das städtische Krankenhaus im Friedrichshain in Berlin, das in Moabit, 
die Tsolir-Baracke der Charite, der Evacuations - Pavillon in Bethanien, 
der chirurgische Pavillon des Hamburger allgemeinen Krankenhauses, das 
allgemeine Krankenhaus in Wiesbaden, das Königl. Entbindungs-Institut 
in Dresden u. 8. w., sämmtlich mit Plänen und Schnitten, welche die 
Construction verdeutlichen. Bei den Militärhospitälern wird der 
grösseren Schwierigkeit einer Durchführung der hygienischen Forderungen 
gedacht, da disciplinare Gründe mitsprechen: es kommen zur detailiirten 
Besprechung das 2. Garnison-Lazareth für Berlin bei Tempelhof, das in 
seiner ökonomischen und doch den wichtigsten Anforderungen der Hy¬ 
giene voll entsprechenden Ausbildung als eine mustergiltige Lösung der 
Lazarethfr&ge hingestellt wird; ferner das wegen des beschränkten 


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Terrains, welches zur Verfügung stand, besonders interessante Garnison- 
Lazareth von Ehrenbreitstein, und endlich das Garnison-Lazareth in 
Dresden. Rücksichtlich der Universitäts- Kliniken war das Bedürf- 
niss neuer Anstalten sehr dringend geworden, und doch darf man es als 
einen glücklichen Umstand bezeichnen, dass nicht früher mit den Bauten 
begonnen wurde, so kommen die reichen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte 
den jüngsten Neubauten zn Gute; wie diese Erfahrungen verwerthet 
worden sind, davon legt Zengniss ab die detaillirte Beschreibung der 
Königl. chirurg. Klinik in Berlin, der geburtshülflich gynäkologischen Kli¬ 
nik in Berlin, der medicinischen Lehrinstitute der Universitäten Halle, Bonn, 
Königsberg, Kiel, Heidelberg u. s. w. *— Das in gedrängter Kürze zu¬ 
sammengestellte Material lässt in vieler Beziehung eine Uebereinstimmung 
mit den Principien erkennen, welche zuerst im Friedrichshain Gestalt ge¬ 
wannen. 

An die Krankenhäuser schliessen sich 2) Irrenanstalten, deren 
Entwickelungsgeschichte von Dr. Pelm an, die allgemeine Uebersicht 
des auf der Ausstellung gebotenen Materials von Dr. Hallervorden, 
und die einzelnen auf der Ausstellung vertretenen Irrenanstalten von 
P. Börner und Hallervorden bearbeitet sind. 

Der Artikel „Verhütung von Volkskrankheiten“ ist von 
Wernich geschrieben, wir finden darin besprochen a) Mittel und Vor¬ 
richtungen zur Desinfection, unter denen der transportable Desinfections- 
Apparat von Merke-Schimmel besondere Beachtung verdient, b) Qua¬ 
rantäne und deren Einrichtungen, für welche das preisgekrönte Modell 
einer Desinfections-Anstalt von Petruschky in Königsberg besonders 
in Betracht kommt, dasselbe kann sowohl für Einfallspforten epidemischer 
Krankheiten, wie auch für Centralstellen, von denen aus etwa eine Ent¬ 
lassung infectionsverdächtiger Truppenkörper und dergleichen stattzufinden 
hat, mit Ueberzeugung empfohlen werden, c) Schutzimpfung und Impf- 
Institute. 

Der jetzt folgende Artikel „Erste Hülfe bei Kranken, Verun¬ 
glückten und Verletzten“ stammt aus der gewandten Feder Villaret’s; 
er bietet eine belehrende Uebersicht über die Fortschritte der „Einrich¬ 
tungen zur Gewährung der ersten Hülfe“, wie solche die Ausstellung darbot. 
Es ist wohl natürlich, dass Vf. nach der Beschreibung der Ausstellungs- 
Objecte des deutschen Samariter-Vereins uns auch sein Urtbeil über 
diese Schöpfung Estearch’s nicht vorentbält. V. sagt: „Dank dieser Ein¬ 
richtung wird der Name Esmarch’s in heisser Dankbarkeit genannt 
werden, sei es von denen, welchen Dank des Beistandes eines Samariter¬ 
schülers qualvolle Leiden erspart wurden, sei es von Angehörigen, denen 
ein theures Familienglied in schwerer Noth erhalten blieb, weil die aus¬ 
reichende, rechtzeitige Hülfe eines Samariters zur Stelle war und den 
schon die Hand nach seinem Opfer ausstreckenden Tod durch seine rettende 
Thätigkeit bannte.“ — W ir zweifeln, ob schon jemals ein Samariterschüler 
den Tod gebannt hat, und sind der Ansicht, dass er mit seinem Be¬ 
streben, technisch durch Verbandanlegung zu helfen, im besten Fall etwas 
lieberflüssiges leisten wird, dagegen durften Fälle, wie jüngst auf der 
Klinik Bardeleben’s, sich in Zukunft mehren; dort hatte ein Samariter 
eine arterielle Blutung aus einer Wunde des Armes durch Anlegung einer 
elastischen Binde oberhalb der blutenden Wunde stillen wollen, die Binde 
wirkte wie eine Aderlassbinde und brachte den Verletzten dem Verblu- 
tnngstode nahe. — Unter den Ausstellungsobjecten des Vereins ist ein 


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grösserer and ein kleinerer Arznei- and Bandagen kästen hervorzuheben, 
der letztere für Eisenbahn-Postwagen, welche nach Anordnung Stepfa&n’s 
sämmtlich mit solchen Kästen versehen werden. Dem günstigen Urtheil 
Villaret’s über die Ausstellung des bayerischen Stabsarztes Dr. Rotter 
„Rettungs-Anweisung“ schliessen wir uns aus Ueberzeugung an. — Die 
Gewährung der ersten Hülfe durch Sani täte wachen war auf der Aus¬ 
stellung durch eine vollständig eingerichtete solche Wache repräsentirt, 
welche während der Dauer der ganzen Ausstellung in Function blieb. 
Zweck dieser Wachen ist in erster Linie die Beschaffung ärztlicher 
Hülfe dem zu gewährleisten) der solche begehrt Sämmtliche Hülfsein- 
richtnngen, wie Samariterdienst, Sanitätswachen, Krankentransport, Feaer- 
Wasserwehr etc., fasst die Wiener freiwillige Rettungsgesellschaft in sich 
zusammen. Nach einer für die Gesellschaft sehr einnehmenden Besprechung, 
ihrer Organisation und bisherigen Leistungen werden ihre Ausstellungs- 
objecte beschrieben, unter Anderen ein Transportwagen für Kranke und 
Verwundete, ein Wagen für mit Infectionskrankheiten Behaftete, ein 
Coupä für den Transport von Geisteskranken, gedeckte Krankentrage, 
Feldtrage etc. Leider ist die finanzielle Lage dieser grossartigen huma¬ 
nitären Einrichtung keine glänzende; wozu dann der kostspielige Versuch 
der Anwendung des elektrischen Lichts zur Absuchung der Schlachtfelder 
bei Nacht? Sollte irgend Jemand hoffen, damit in absehbarer Zukunft 
praktische Erfolge erzielen zu können? 

Bei dem Artikel „Krankenpflege“ musste das ebenso umfangreiche 
wie verschiedenartige Material der Gruppe XVI der Ausstellung mehreren 
Referenten ubergeben werden. Gerade in diesem Artikel findet sich die 
grösste Zahl der für jeden Arzt wichtigsten Einzelheiten besprochen, 
welche durchzugehen im Rahmen eines Referates g^nz unmöglich ist. 
Ueber Krankenbetten, -Tische, -Stühle, -Wagen una^Tragen referirt 
Beely, die Apparate, Instrumente und Bandagen werden von Beely, 
Horstmaon und A. Eulenburg besprochen (wir heben *ier nur den 
von Sn eilen angegebenen Apparat zum Nachweisen der Simulation ein¬ 
seitiger Blindheit hervor, S. 2b6). Verbandmaterial und Prothesen von 
Beely, pbarmaceutische Präparate von Apotheker Lohmann\ Mineral- 
brunnen und Kurorte ebenso wie die Pfuscherei auf der Ausstellung von 
P. Börner. \ 

Der hieran sich scbliessende Artikel „Militär- and Älirine- 
Sanitätswesen“ ist wieder von Villaret. \ 

P. Börner rühmt in den einleitenden Worten dem Verf. nach, es 
sei ihm gelungen, das reiche Material nach grossen Gesichtspunkten zu 
ordnen, klar und verständlich zu beschreiben und immer den Zusammen¬ 
hang mit der allgemeinen Hygiene festzuhalten. Bei der Besprechung 
schliesst sich V. nicht der durch das Programm gegebenen Eintheilung jder 
Gruppe in fünf Unterabtheilungen an, sondern folgt dem rein praktischen 
Gesichtspunkte, die einzelnen Ausstellungsobjecte zu schildern, wie 'fic 
in das Leben des Soldaten sich einfügen, auch die Gegenstände, welche 
die Pflege des verwundeten Soldaten betreffen, werden in der Reihenfolge 
besprochen, wie sie mit dem Verwundeten in Berührung kommen. Der 
erste Abschnitt „Leben des Soldaten im Frieden“ schildert dementsprechend 
zuerst die Unterkunft des Soldaten, die Kasernen und den Einfluss, den, 
die grossartigen Anstrengungen auf diesem Gebiet auf die Gesundheit der 
Armee gehabt haben, dann die Kleidung, mit welcher die Sorge für 
körperliche Reinlichkeit (Beschreibung der Brause-Badeapparate, Wasch- 


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maschinen) eng verknüpft ist, und endlich die Ernährong des Soldaten 
samrot den hierauf bezüglichen Ausstellungsgegenständen. Der Schwer- 
paukt der Ausstellung auf dem Gebiete des Militar-Sanitätswesens liegt 
natorgemäss in dem zweiten Abschnitt „Leben des Soldaten im Kriege u . 
Hier werden zuerst Vergleiche zwischen sonst und jetzt rücksichtlich der 
Belastung des Soldaten, seiner Bekleidung und Ernährung angestellt. 
Bezüglich der Ernährung durch Conserven zeigte die Ausstellung manche 
Lücke, von den so wichtigen Brotconserven war nichts ausgestellt; hierauf 
folgt das Capitel „Erste Hülfe 44 , in welchem das Verbandpäckchen, 
seine Geschichte und Zusammensetzung beschrieben, dann Abbildung und 
Beschreibung der in der preussischen Armee eingeführten Lazarethgehülfen- 
taschen, Truppen-Medi ein- und Bandagen kästen, Bandagentornister, 
Truppen-Medicinwagen etc. gegeben werden, immer unter Berücksichtigung 
der zu ähnlichem Zweck auf der Ausstellung vorhandenen Objecte; dann 
folgt die Darstellung der Organisation der ersten Hülfe sonst und jetzt. 
Beim Verwundetentransport vom Schlachtfelde zum Verbandplatz kommen 
die verschiedenen Krankentragen unter Veranstaltung der reglementarischen 
preussischen Tragen zur Besprechung, an deren Verbandtornister eine 
Verbesserung für erwünscht erachtet wird, nämlich die Anbringung von 
Fröschen an den Schmalseiten, damit der Tornister nach dem Auf¬ 
schnallen sich breit öffne. Zur Besprechung kommen ferner die beiden 
Modelle von Niese, die österreichische Feldtragbahre, die des bayerischen 
Landes-Hülfs Vereins, des Niederländischen Rothen Kreuzes, die Rühle- 
mann’schen Tragbahren etc.; für besonders praktisch wird in Ueberein- 
stimmung mit dem allgemeinen Urtheil die federnde Militär-Kranken¬ 
trage erklärts leider wird auch hier wieder die Trage Herrn Epner zu¬ 
geschrieben und nach ihm benannt, der Erfinder ist aber Herr Merke, 
Verwaltung8director des Barackenlazareths Moabit, und nur seinen Namen 
darf die Trage in Zukunft führen (cfr. diese Zeitschrift 1883 S. 497). — 
Id dem Capitel „Hülfe in der zweiten Linie 44 werden die Verwundeten- 
Transport wagen und deren Improvisationen aus Arbeitswagen, darauf die 
Zusammensetzung und Einrichtung der Feldlazarethe sammt Zelten und 
Baracken mit ihrem gesammten Inventar besprochen; das Material der 
Ausstellung auf diesem Gebiete bot Gelegenheit zu erschöpfender Ver¬ 
gleichung, da ausser dem preussischen und österreichischen Kriegs- 
ministerium eine grosse Zahl von Hülfsvereinen ihr Material geschickt 
batten. Aus dem etablirten Feldlazareth wird beim Vorrücken des 
Armeecorps das stehende Kriegslazareth. Die „Hülfe in der dritten 
Linie 14 widmet der Organisation der freiwilligen Krankenpflege sympathische 
Worte. 

Nachdem hierauf die Ausstellungsobjecte des Marine-Sanitätswesens 
geschildert, folgt ein erster Anhang „zum Sanitätswesen der Handels¬ 
marine 44 , ein zweiter: „Antiseptik im Kriege 44 und ein dritter mit Benutzung 
des zur Nieden'sehen Vortrags auf der Ausstellung über diesen Gegen¬ 
stand von P. Börner geschriebener: „Transport von Verwundeten und 
Kranken auf der Eisenbahn." 

Der jetzt folgende höchst interessante Artikel „Leichenwesen 41 ist 
von H. Albrecht mit Unterstützung von Siemens bearbeitet. Er 
enthält in dem Capitel Beerdigungswesen die Beschreibung der Friedhofs¬ 
anlagen und Leichenhallen und führt uns in dem Abschnitt Leichen Ver¬ 
brennung in das Gebiet der lebhaftesten Tagesdiscussion. 


V 


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Der letzte Artikel „Veterinärwesen“ ist von P. Börner. 

Was die vornehme und musterhafte Ausstattung des Werkes anl&ngt, 
so gilt für den II. Band des Berichte, was wir (1. c.) vom I. gesagt 
haben. B—r. 


Handbuch der kriegschirurgischen Technik. Eine gekrönte Preis¬ 
schrift von Dr. F. Esmarch, Prof. etc. 3. Auflage. Kiel, bei Lipsius 
und Tischer. 1885. Octav. I. Theil: Verbandlehre. 166 S. mit 
289 Holzschnitten. Jt 6,—. II. Theil: Operationslehre. 237 S. mit 
358 Holzschnitten. Jt 12,—. 

Der neuen Bearbeitung des Esmarch’sehen Handbuches ist von 
vielen Seiten mit Spannung entgegengesehen worden. Und nicht ohne 
Grund. Denn seit dem Erscheinen der ersten Auflage im Jahre 1877*) 
hat zuvörderst die Wundbehandlung im Sinne einer Weiterentwickelung 
der antiseptischen Grundsätze durch die Arbeiten deutscher Chirurgen 
und des Reichs-Gesundheits-Amtes Fortschritte gemacht, welche den 
damaligen Standpunkt nur als eine erste Etappe auf dem erstrebten Ge¬ 
biete ansehen lassen. Ferner ist erst seit jener Zeit durch v. Berg man n, 
den wir Militärärzte mit Stolz den Unsern nennen, im Kriege von 1877/78 
in überaus verdienstvoller Weise der Nachweis erbracht worden, dass die 
Antiseptik im Felde durchführbar und zu fordern sei. Drittens haben 
seitdem durch die Fürsorge der Centralleitung fast sämmtliche activen 
und ein namhafter Theil der Militärärzte des Beurlaubtenstandes Gelegen¬ 
heit gefunden, in den Fortbildungscursen zu Berlin wie an den Provinzial- 
Universitäten ihr chirurgisch-technisches Wissen aufzufrischen, und dadurch 
naturgeinäss den Wunsch gewonnen, in einem handlichen Repetitorium 
die wichtigsten modernen Operations- und Verbandmethoden vereinigt 
zu erhalten. 

Sehen wir, in welcher Weise das vorliegende Werk diesen, wie ge¬ 
sagt, von vielen Seiten gehegten Erwartungen gerecht wird. 

Im Aeus8ern ist die 3. Auflage handlicher wie die früheren; das 
Format ist wesentlich verkleinert. Die beiden „Bände“ werden durch 
zwei noch nicht fingerstarke Hefte repräsentirt. Der Text ist kurz und 
bestimmt, die Stichwörter sind durch fettere Schrift hervorgehoben; im 
Uebrigen ist die äussere Erscheinung nicht ganz die gewählte der 1. Auf¬ 
lage. Die Abbildungen sind sehr zahlreich und mit einzelnen Ausnahmen 
auch dem beabsichtigten Zweck entsprechend. Eine Anzahl ist net! hin¬ 
zugekommen, dafür sind andere weggefallen; die farbigen Tafeln der 
1. Auflage sind durch farblose Holzschnitte im Text ersetzt, die man 
selbstverständlich nicht als neue in Anrechnung bringen kann. 

Verf. beginnt mit den Vorbereitungen alles dessen, was zur Rein¬ 
lichkeit des Operateurs und seiner Gehülfen, des Kranken, der Luft und 
der Materialien gehört. Es folgt die Reinigung der Wunde, die Blutstil¬ 
lung innerhalb derselben, die Vereinigung der Wundränder, Naht und 
Drainage. Der Abschnitt Wundverband giebt Gelegenheit, der ver¬ 
schiedenartigen Stoffe zu gedenken, welche jetzt zur Verwendung kommen ; 
hier finden Mull, Gaze, Watte, Torf und Torfmoos, Holz- und Wergprä¬ 
parate ihre Stelle, ebenso die jetzt wesentlich eingeschränkten undurch- 


*) Die 2. Auflage war ein unveränderter Abdruck der ersten. 


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lässigen Stoffe. Eine kurze Charakteristik der Antiseptica und die Auf¬ 
zählung der Punkte, welche beim Verbandwechsel in Betracht kommen, 
schiiesst dieses Capitel. An demselben wäre nur auszusetzen, dass es 
ausser dem jetzt gerade in der Kieler Klinik gebräuchlichen Polsterver- 
bande keine derjenigen Gestalten des antiseptischen Verbandes berücksich¬ 
tigt, welche anderswo, z. B. bei v. Bergmann, v. Volkmann, v. Nuss¬ 
baum geübt werden und vielen Militärärzten geläufiger sind, als die 
Kieler Methode. Eine solche Rücksichtnahme wäre um so mehr angezeigt 

G ewesen, als es dem Verf. nicht unbekannt sein konnte, dass die deutsche 
eldsanitätsausrüstung gerade auf Polsterverbände nicht zugeschnitten ist. 
Den übrigen Tneil des 1. Bandes nimmt derjenige Abschnitt der 
Verbandlehre ein, der an sich, d. h. unmittelbar, mit der Antiseptik 
nichts za thun hat. Hier ist unter „Antiphlogose“ die Suspension, die 
Wärmeentziehung, die Berieselung abgehandelt, des Weiteren die ganze 
Bindentechnik, fast in der Ausdehnung, wie sie uns Aelteren vom sei. 
Troschel her im Gedächtniss ist. Dass die mannigfache Anwendung 
des vom Verf. mit mehr Ausdauer wie Nachfolge wieder zu beleben ver¬ 
suchten Mouchoir de Mayor, des dreieckigen Tuches, nicht fehlt, 
ist selbstverständlich. Die nun folgende Beschreibung und Abbildung 
zahlreicher Lagerungs- und Schienenapparate, sowie der Extensions¬ 
und Contentiwerbände wird dadurch ermüdend, dass bei den Lagerungs- 
etc. Apparaten eine unverhältnissmässig grosse Menge von Dingen in den 
Kreis der Betrachtung gezogen ist, welche die heutige Chirurgie über 
Bord geworfen hat. Verf. hat das selbst gefühlt und erklärt es damit, 
dass das Buch auch von Anfängern im medicinischen Studium gebraucht 
werden solle, und dass deshalb die Berücksichtigung von Uebungsstücken 
und für die historische Entwickelung der Verbandtechnik interessanten 
Gegenständen geboten gewesen sei. War dieser Standpunkt wirklich der 
allein bestimmende, so ist er dem vornehmsten Zweck des Buches ent¬ 
gegen. Nach der Preisaufgabe sollte es „den jetzigen Standpunkt der 
kriegschirnrgischen Technik in prägnanter Kürze wiedergeben, so dass 
es zum unentbehrlichen Begleiter für jeden Feldarzt werde“. Nun, dazu 
hätte es weder der Abbildung allbekannter Dinge, wie der Irrigatoren, 
Eiterbecken, Badewannen, noch all des Gerümpels von Verbandapparaten 
vorantiseptischer Zeit bedurft, welches jetzt den Inhalt des Buches zu 
seinem Titel in Gegensatz setzt und den Umfang vermehrt, ohne die 
Brauchbarkeit für den Feldarzt zu erhöhen, für den es zunächst bestimmt 
sein soll — 

Der 2. Theil beginnt mit der Narkose und einem recht übersicht¬ 
lich bearbeiteten Abschnitt über secundäre Antiseptik, welcher auch 
die Behandlung complicirter Fracturen und Gelenkverletzungen im All¬ 
gemeinen umfasst. Hier sind auch bereits die Indicationen für die Ab¬ 
setzung der Glieder und die Methoden zur Entfernung von Fremdkörpern 
(Projectilen) aus Wunden behandelt. Es folgt die Lehre von der Blut¬ 
stillung in der Gontinuität, mit welcher bei Besprechung der elasti¬ 
schen Constriction auch die Darstellung der künstlichen Blutleere ver¬ 
bunden ist. Die Methoden der Unterbindung, denen der nächste Abschnitt 
gewidmet ist, weichen in nichts von der 1. Auflage ab. Einige anato¬ 
mische Abbildungen des Verlaufes der in Betracht kommenden Arterien, 
sowie eine stehende menschliche Figur mit Andeutung sämmtlicher 
Ligaturstellen sind neu hinzugekommen, dafür sind die bildlichen (früher 
farbigen) Darstellungen der einzelnen Unterbindungen weggeblieben 


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und durch Holzschnitte ersetzt, welche nur die innerhalb der Operations¬ 
wunde gelegenen Partien der alten Illustrationen wiedergeben. Das 
Weglassen der für die Orientirung durchaus nothwendigen Umgebung 
einer Unterbindungsstelle ist eine mehr neue wie gute Idee. Für die 
Richtigkeit der auszuführenden Operation ist die Lage des Hautschnittes 
maassgebend. Zur schnellen Erinnerung ist daher dem Feldarzt die Dar¬ 
stellung der den ersten Schnitt bestimmenden Punkte der Umgebung ganz 
unerlässlich und ebenso wichtig, wie die Details im Innern der Operations¬ 
wunde. Abbildungen der aus ihrer Umgebung völlig losgelösten Schnitte 
haben daher nur einen geringen Werth, und die Orientirung an der oben¬ 
erwähnten Figur ist bei der Kleinheit derselben um so weniger im Stande, 
diesen fundamentalen Mangel zu ersetzen, als die Schnitte hier an einem 
stehenden Körper, d. h. an einer Situation veranschaulicht sind, in der 
sich der zu Operirende niemals befindet. Zu erwähnen ist endlich, dass 
die früher bei den Abbildungen gegebene Bezeichnung der blossgelegten 
Theile mit vollem Namen viel zweckentsprechender war, als die diesmal be¬ 
liebte Andeutung durch Buchstaben, deren Erklärung erst im Text zu 
suchen ist. Diese Ausstellung trifft auch die Gliederdurchschnitte, welche 
dem letzten Abschnitt des 2. Theiles angehören. In der Besprechung 
der Amputationsmethoden ist nichts geändert.- Den Resectionen 
geht eine recht praktische Darstellung der Indicationen vorauf, welche 
sich gegenüber den Verletzungen der einzelnen grösseren Gelenke ergeben. 
Ueberhaupt ist das Capitel von den Resectionen bei einzelnen Gelenken 
vortheilhaft erweitert; so durch die Nachbehandlung nach Knie- und 
Ellenbogengelenkresection, durch Hinzufügung neuer Methoden beim 
Knie* und Hüftgelenk u. s. w. Den Schluss bilden die früher in anderer 
Reihenfolge abgehandelten, in der vorliegenden Auflage ebenfalls erweiter¬ 
ten Beschreibungen der Trepanation, Thoracocenthese einschl. der Rippen- 
resection, der Darmnaht und Darmresection, des Harnröhren- und Blasen¬ 
schnittes und endlich der hypodermatiscben Injection. Hier ist die Dar¬ 
stellung der Darmnaht am wenigsten gelungen. Beim Blasenschnitt, Sectio 
alta, ist zwar auf die Schwierigkeit der Operation bei Tiefstand der Blase 
hingewiesen, aber nicht erwähnt, wie das Organ künstlich in die Höhe 
gerückt wird, um die Operation zu erleichtern« 

Eine uneingeschränkte Empfehlung des Werkes, mit deren Wunsch 
wir an die Lektüre desselben gegangen sind, ist durch die Menge des 
Ueberflüssigeo und den unverbältnissmässig hohen Preis wesentlich er¬ 
schwert Hatte Verf. sich darauf beschränkt, entsprechend der ursprüng¬ 
lichen Preisaufgabe ein handliches Buch über die kriegschirurgische 
Technik nach dem heutigen Standpunkte des Wissens und der Feldsani¬ 
tätsausrüstung zu geben, ferner anstatt der Abbildung und Beschreibung 
zahlreicher allgemein bekannter oder obsoleter Instrumente und Apparate 
nur das geboten, was der Feldchirurg zur Zeit wirklich nöthig. hat, so 
würde — bei der Hälfte des jetzigen Umfanges und Preises — sich eine 
grössere Verbreitung des Buches unter den Militärärzten haben progno- 
sticiren lassen. Angesichts dessen, was jetzt vorliegt, sind die Aeusse- 
rungcn einer gewissen Enttäuschung nur zu erklärlich, welche schon nach 
dem Erscheinen des ersten Bandes von vielen Seiten laut wurden und 
durch den Eindruck des Ganzen nicht entkräftet sind. — - — 


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109 


Bacteriologische Diagnostik. Hülfe - Tabellen beim praktischen 
Arbeiten, von Dr. James Eisenberg. Hamborg und Leipzig, Verlag 
von Leopold Voss. 1886. 

Von* dem Gesichtspunkte ausgehend, dass jeder mit praktischen 
bacteriologischen Arbeiten sich Beschäftigende das Bedürfnis empfindet, 
eine Zusammenstellung bisher bekannter Bacterienarten zu besitzen, aus 
welcher er die einzelnen Unterschiede letzterer übersichtlich geordnet 
ersehen kann, hat Verfasser „den Versuch gewagt", kurze Tabellen zu 
liefern, „an der Hand deren es Jedem ermöglicht sein soll, sich über das 
Wesen der einzelnen Organismen schnell zu unterrichten und nach dem 
entworfenen Schema eventuelle weitere Aufzeichnungen vorzunehmen, zu 
welchem Zwecke auch eine leere Tabelle beigegeben ist". — Jeder der 
einzelnen Mikroorganismen wird nach seinen anatomischen und bio¬ 
logischen Eigenschaften geschildert, und nur diejenigen haben in den Tabellen 
Aufnahme gefunden, die ihm ein specifiscbes Erkennungszeichen geben. 
Der Gang der vorzunehmenden Untersuchung entspricht dem von Geh. 
Rath Prof. Dr. R. Koch verfolgten, in dessen hygienischem Laboratorium 
die Arbeit entstand. 

Dass es sich bei seipem Versuche „um nichts Vollständiges" handeln 
könne, erkennt Verfasser ausdrücklich an, und von den vielleicht nach 
Hunderten und noch mehr zahlenden Mikroorganismen sind eben nur 
einige wenige herausgegriffen, und zwar diejenigen, welche einem sehr 
häufig begegnen, und die besonders charakterisirt sind. 

Die Eintheilung, nach welcher die Bacterien aufgeführt sind, ist 
folgende: 

I. Nicht pathogene Bacterien: A. Die Gelatine verflüssigend. 
B. DieGelatine nicht verflüssigend. II. Pathogene Bacterien: A. Ausser¬ 
halb des Thierkorpers gezüchtet. B. Ausserhalb des Thierkorpers noch 
nicht gezüchtet. Hl. Anhang. Pilze. 

Die Tabellen selbst enthalten die Spalten: 

1. Nummer; 2. Fundort; 3. Name, Entdecker, Litteratur; 4. Form, 
Anordnung; 5. Beweglichkeit; 6. Wachsthum (auf Platten, in Stichculturen, 
aaf Kartoffeln, auf Blutserum); 7. Temperaturverhaltnisse; 8. Schnelligkeit 
des Wachsthums; 9. Sporenbildung; 10. Luftbedürfniss; 11. Gasproduction; 
12. Verhalten zu Gelatine; 13. Farbenproduction; 14. Pathogenesis. 

Die Anordnung des Stoffes hat es nothig gemacht, die Tabellen in 
Gross-Quartformat erscheinen zu lassen, wodurch sie an Uebersichtlichkeit 
wesentlich gewinnen. 

Aus obiger kurzer Inhaltsangabe wird zur Genüge hervorgehen, dass 
die Bisenberg'schen Tabellen m der That einem dringenden Bedürfnis 
abhelfen, nud dass kein praktischer Arbeiter auf dem einschlaglichen 
Specialgebiete dieselben wird entbehren können. Ganz besonders mögen 
dieselben allen Herren Collegen angelegentlichst empfohlen sein, welche 
an den „Choleracursen" im Reichsgesundheitsamte Theil genommen haben. 
Der Boden, aus welchem die Arbeit erwachsen ist, verleiht derselben nur 
einen um so höheren Werth und stellt ihr eine weite Verbreitung in 
Aussicht. — 

Bei einer eventuellen spateren Auflage dürften einige störende Druck¬ 
fehler leicht zu vermeiden sein, wie z. B. in Tabelle 23 No. 57 „Phtysikers." 

Die Ausstattung des Buches ist im Uebrigen eine saubere, der Druck 
ein guter. Pfuhl. 


8 * 


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110 


Anatomische, pathologische and klinische Stadien aber Hyperplasie der 
Rachentonsille sowie chirurgische Behandlung der Hyperplasie zur 
Verhütung von Erkrankungen des Gehörorgans von Dr. F. Traut¬ 
mann, Oberstabsarzt 1. CI. Gross Quart, 150 S. mit 7 lithographischen 
Tafeln und 12 Photographien. Berlin 1886. Hirschwald. 

Das Werk, von hervorragender Bedeutung für den Otiatriker, muss 
auch dem Militärarzt zugänglich sein, da die Erkrankungen des Nasen¬ 
rachenraums die häufigste Veranlassung zu pathologischen Veränderungen 
am Gehörorgan geben. 

ln dem ersten Capitel wird eine klare und pracise Darstellung der 
Anatomie und Histologie der normalen Rachentonsille und des Nasen¬ 
rachenraums gegeben, die um so mehr am Platze ist, als aus Handbüchern 
der Anatomie ausreichende Belehrung über die Rachentonsille und die 
Topographie nicht zu erholen ist. Die pars basilaris des Keilbeins und des 
Hinterhauptbeins werden von der Fibrocartilago basilaris, mit der sie 
sehr innig verwachsen sind, bedeckt, an diese Fibrocartilago ist die 
Rachentonsille durch lockeres Bindegewebe angeheftet, sie hebt sich hier 
durch die markige Beschaffenheit und gelblich weisse Farbe mit rothem 
Timbre von dem übrigen Gewebe auffallend hb, ihr Längsdurchmesser 
betragt bis zum ersten Lebensjahre 1 cm, bis zum dritten etwa 1,5 cm, 
die Dicke des Gewebes betragt etwa 7 mm. Von Bedeutung ist nicht so 
sehr die absolute Grösse wie das Verhältnis zur Grösse des Nasen¬ 
rachenraums; ist die Dicke des Gewebes unproportional, so werden 
pathologische Störungen hervorgerufen. Die arteriellen Gefässe im Nasen¬ 
rachenraum sind derart vertheilt, dass die Entfernung der Rachentonsille 
an der Schädelbasis grössere Arterienzweige nicht verletzen kann. Aus 
der Anordnung der Venen ergiebt eich, dass wenn es bei pathologischen 
Veränderungen im Nasenrachenraum zu Stauungserscheinungen kommt, 
diese insbesondere in den cavernösen Hohlraumen der Nasenmuscheln statt¬ 
finden müssen. 

Das zweite Capitel beschäftigt sich mit der pathologischen Anatomie 
und Histologie. Da sich die in der Litteratur vorhandenen Angaben über 
Hyperplasie der Rachentonsille fast sammtlich auf Beobachtungen an 
Lebenden beziehen, giebt T. hier zunächst einen Bericht über 15 Sectionen. 
Um nur ein Beispiel anzuführen, so sagt Protocoll No. 14 bezüglich der 
Section des Nasenrachenraums: „Die Längsleisten der Nasenrachen¬ 
tonsille sind durch Querschnitte vielfach getheilt, wodurch das Gewebe 
in Zapfen zerfallt. Die Länge der Zapfen beträgt 2 cm und verlegen 
dieselben das ostium pharyngeum tubae beiderseits, ebenso füllen sie 
die Rosenmüller’scben Drüben aus, lassen sich aber aus denselben 
herausheben. Das Gewebe selbst ist ziemlich derb, nicht sehr blutreich. 
Die Choanen werden nicht vollständig durch die Hyperplasie verlegt. 
Die untere und mittlere Muschel sind geschwollen; der Tubenwulst 
hat ein granulirtes Ansehen; ostium tubae verkleinert, aber für Sonde 
gut bis zum Mittelohr durchgängig. Trommelfell beiderseits glanzlos, 
Hammergriff undeutlich. Mittelohr mit schleimig-eitrigem Secret erfüllt, 
Paukenschleimhaut geschwollen, so dass der Steigbügel beinahe ein¬ 
gebettet ist; derselbe ist jedoch gut beweglich.“ 

Im Allgemeinen geht aus den Sectionsprotocollen hervor, dass sich 
die Hyperplasie der Rachentonsille genau an die normale Formation an- 
schliesst, in erster Linie werden die im sagittalen Durchmesser der Ton¬ 
sille verlaufenden Längsleisten hyperplastisch, dies kann in so hohem 


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111 


Grade geschehen, dass das hyperplastische Gewebe gardinenartig hinter 
den Choanen herabhängt, die Seitenzüge der Tonsillen werden ebenfalls 
hyperplastisch and fallen die Rosenmall er'sehen Graben aas, das 
kraokhafte Gewebe lässt sich jedoch' aas denselben herausheben. Die 
Gaumentonsillen sind fast stets gleichzeitig hyperplastisch. 

Im dritten Capitel, den „ Ursachen“ der Hyperplasie, wird der schwäch¬ 
lichen Constitution and der Scrophalose besonderes Gewicht beigelegt 

Das vierte enthält die Symptomatologie: Das gewöhnlich im Alter 
von 5 bis 16 Jahren befindliche Individuum ist meist schwächlich, zeigt 
eingesunkenen Thorax, Lippen, Nase, Augenlider sind oft geschwollen, 
das Offenhalten des Mandes wird dadurch hervorgerufen, dass die Hyper* 
plasie die Cboanen verlegt, die Inspiration bleibt länger möglich als die 
Exspiration durch die Nase, die Kranken verlernen das Schnäuzen, beim 
Intoniren hebt sich der weiche Gaumen erst, die Stimme erhält ein 
nasales Timbre, derartige Kranke sagen statt Zimmermann „Zibberbad u 
statt Gesang „Gesagk u , dabei kommt es häufig zu Blutungen auf die 
Oberfläche und Blutungen in das Gewebe. 

Nachdem hierauf die Diagnose, welche aüch auf genaue Untersuchung 
der Ohren Rücksicht zu nehmen bat, erörtert ist, folgt das Capitel 
„Therapie* 4 . Es wird darin besprochen 1) die Beseitigung der Hyper¬ 
plasie durch Zertbeilung (Klima, Soolbäder, Leberthran); 2) durch 
Zerstörung und zwar a. mittelst Aetzen der Wucherungen, b. mittelst 
Zerquetschens derselben mit dem Zeigefinger; 3) die Beseitigung der Hyper¬ 
plasie durch Entfernung, und zwar a.durch schlingenförmige Instrumente, 
b. durch schneidende Instrumente von der Nase aus, c. durch schneidende 
oder zerquetschende Instrumente, welche hinter dem weichen Gaumen 
eingeführt werden. T. redet dem scharfen Löffel — den er in drei 
Grössen mit besonderer Biegung des Stiels sich construirt hat — als 
zweckentsprechendstem Instrument zur Entfernung der Rachentonsille das 
Wort, da er am wenigsten schmerzhaft ist, am schnellsten und sichersten 
zum Ziele fuhrt und sich bei Kranken jeden Alters gebrauchen lässt. Der 
Kopf wird gut fixirt, die Zunge mit einem Spatel herabgedrückt, der 
Löffel hinter den weichen Gaumen geführt, „man schiebt ihn vor bis an 
den Vomer, drückt ihn fest an das Dach und zieht ihn, während man fest 
mit dem Zeigefinger auf den Stiel des Löffels drückt, nach unten bis 
zur Mitte der hinteren Wand, dreht dann den Löffel nach rechts und 
schneidet das abgetrennte Stück mit der Seiten wand des Löffels ab; dreht 
dann beim Herausziehen des Löffels die Höhlung desselben nach dem 
weichen Gaumen, und drückt das abgelöste Stück, welches sich im Löffel 
befindet, mit dem Spatel fest an, damit es nicht in den Larynx fallen kann, 
und zieht so den durch den Spatel gedeckten Löffel heraus 44 . Zweck¬ 
mässig theilt man sich das Dach des Nasenrachenraums in drei gleiche 
Längsabschnitte, und entfernt mit dem grössten Löffel den mittleren 
Theu, dann mit der kleineren Nummer die beiden äusseren Theile. Die 
Blutung ist meist keine grosse und steht auf Eiswasser-Gurgelnngen, 
zweimal beobachtete T. Nachblutungen, welche einmal nur Tamponade 
uothwendig machten. 

Bezüglich der Prägen „soll man zuerst die Ganmentonsillen oder die 
Rachentonsille entfernen ? sollen die Exsudate im Mittelohr vor oder nach 
der Operation der hyperplastischcn Rachentonsille entfernt werden? 
Giebt es Gründe, welche die Anwendung des scharfen Löffels verbieten ?* 
o. 8. w. ist das Original einzusehen. 


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Es folgt zom Schluss eine Gasaistik von 150 Fallen, eine statistische 
Uebersichtstabelle nnd eine Schiassübersicht. 

Besonders hervorzuheben ist die vortreffliche and anschauliche Aus¬ 
führung der lithographischen Tafeln nnd der stereoskopischen Photographien. 

B—r. 


Cirujia conservadora por D. Manuel Rabudän Arjona, medico mayor 
gradnado 1°. La gazeta de sanidad et militar. Madrid, 25/1V. 85. 

Am 3. November 1879 wurde N. N. anlässlich eines Aafrnhrs schwer 
verletzt. Die Verletzung bestand in einer Comminutiv-Fractur des oberen 
Drittels des linken Humerus und vollständiger Zerfleischung der Weich- 
theile des Armes bis herauf zum Schultergelenk; die Zahl der Wunden, 
von jeder Grosse und Tiefe, sowie nach lulen Richtungen, betrug 20. — 
Der Verletzte hatte den Arm wie einen Schild vorgehalten, um die Hiebe 
zu pariren. Nur das Gefass- und Nerven-Paket an der Innenseite war 
relativ unverletzt Nachdem zunächst die Blutung gestillt war, erwies 
sich die Antwort auf die Frage: Was thun? als recht schwierig. — Bine 
Amputation oberhalb der Fractur war unmöglich, weil die Weichtheile 
fehlten. Es blieb nichts weiter übrig, als unter antiseptischen Cautelen ein 
conservativ-exspectatives Verfahren einzuschlagen. — Der Arm wurde 
auf vier mit Fenstern versehenen Holzschienen so suspendirt, dass die Bruche 
stücke coaptirt waren. Bei dem ziemlich häufigen Verbandwechsel wurde 
dann in der Weise vorgegangen, dass man die Richtungslinie des Armes 
durch Stützung auf je 2 Schienen erhielt, während man die andern beiden 
entfernt hatte, um zu den Verletzungen freien Zugang za haben. Der 
Verlauf war ein wunderbar günstiger und bot im Allgemeinen nichts Ab¬ 
sonderliches. 16 Knochensplitter wurden entfernt, am 36. Tage nach dem 
Unfall war Heilung eingetreten; der Arm war schwach, aber es konnten 
doch langsame Bewegungen mit Vorsicht gemacht werden. Der Fall 
dürfte auf das militärarztliche Interesse wohl Anspruch erheben. 

Breitang. 

Outbreak of yellow fever in Sierra Leone 1884. By J. J. Lambrey, 
surgeon army medical staff. (Brit. med. Journ. 26/IX. 85.) 

Verfasser berichtet, dass in Freetown, der Hauptstadt von Sierra Leone, 
die Zone des gelben Fiebers im Mai, Juni, Juli, August 1884 genau ab- 
gegrenzt war. Die Sterblichkeit betrug für die Eingeborenen 35 per 1000, 
für die Europäer 6 per 100. Verfasser nimmt ein locales specifisches 
Infections-Agens an. (In einer Arbeit, welche in der spanischen militär- 
ärztlichen Zeitung erschienen, veröffentlicht Fr ei re—Rio de Janeiro seine 
Untersuchungen über die bacteriologische Grundlage des gelben Fiebers 
und wird über dieselben event. noch genauer berichtet werden.) 

______ Breitung. 


Compendium der chirurgischen Operations- und Verbandlehre, 
mit Berücksichtigung der Orthopädie, von Dr. W. Heinecke, 
Prof, in Erlangen. 3. Aufl. II. SpecieJler Theil mit 253 Holzschnitten. 
Erlangen 1886. E. Besold. 

Dem im Sommer 1884 ausgegebenen I. Allgemeinen Theil der dritten 
Auflage des bekannten Heinecke’schen Compendiums, mit welchem 
unsere Zeitschrift sich schon mehrfach zu beschäftigen Gelegenheit hatte 
(cfr. V. Jahrgang S. 366 und XIII. S. 372), folgt jetzt der II. Specielle 


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113 


Tlieil, welcher die neue Auflage abscbliesst. Die Paginirung des 
I. Theils setzt sich im II. fort, so dass beide Theile einen Band von 
920 Seiten bilden, in welchem durch Inhalts-Uebersicht sowie durch Sach- 
nnd Personen-Register die Orientirung sehr erleichtert ist. 

Die neue Auflage ist gegenüber der im Jahre 1876 abgeschlossenen 
zweiten eine vollständig umgearbeitete und vermehrte zu nennen, in 
welcher die Errungenschaften der letzten neun Jahre vollständig ver¬ 
arbeitet sind. Hauptvorsüge des Werks sind Vollständigkeit und Genauig¬ 
keit. Die Nothwendigkeit einer dritten Auflage spricht gewiss für die 
allseitige Anerkennung, die das Werk gefunden hat. B—-r. 

Handbuch der physiologischen Optik von H. v. Helmholtz. — 
Zweite umgearbeitete Auflage. Mit zahlreichen in den Text einge¬ 
druckten Holzschnitten. Erste Lieferung. 80 Seiten gross 8°. — 
Leipzig. Leopold Voss. 

Nachdem seit einer Reihe von Jahren das vorliegende Buch aus dem 
Buchhandel verschwunden war, tritt es in neuer Auflage wieder auf und 
darf wohl als ein wissenschaftliches Ereigniss begrüsst werden. — Für 
ein Buch, das mit dem Namen des Verfassers zugleich geweiht und gefeit 
ist, bedeutet diese Anzeige der Existenz zugleich die seiues Werthes und 
würde jedes weitere Wort des Lobes einer lächerlichen Anmaassung 
gleichkommen. — Was die Ausstattung des Buches anlangt, so können 
wir uns die Bemerkung nicht versagen, dass für ein Helmholtz’sches 
Buch das vorliegende Gewand uns nicht vornehm genug erscheint. Der 
matte Druck macht bei Licht — mindestens verdriesslich. — Bei dem 
festgesetzten Preise — 10 Hefte a M. 3 — wate wohl, meinen wir, besseres 
Papier, besserer, klarerer Druck erwünscht. — Gerade die besten Dia¬ 
manten pflegt man doch nicht in Talmigold zu fassen. Breitung. 

MittheiloDgen. 

General-Rapport 

von den Kranken der Königlich Preussischen Armee, des XII. (Königlich 
Sächsischen) und des XIII. (Königlich Württembergischen) Armee-Corps, 
sowie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich Bayerischen 
Besatzungsbrigade pro Monat October 1885. 

1) Bestand am 30. September 1885: 

6 682 Mann und 53 Invaliden. 

2) Zugang: 

im Lazareth 6 266 Mann und — Invaliden, 
im Revie r 9 377 2 

Su mma 15 643 Mann und 2 Invaliden. 
Mithin Summa des Bestandes und Zuganges 22 325 Mann und 55 Invaliden, 
in Procenten der Effectivstärke 7,3 % und 19,9%. 

3) Abgang: 

geheilt. 14 796 Maqn, 6 Invaliden, 

gestorben .... 63 — 

invalide ..... 203 —- 

dienstunbrauchbar . 213 - — 

anderweitig . . . . 443 - — 

Summa . . 15 718 Mann, 6 Invaliden. 


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114 


4) Hiernach sind: 

geheilt 66,3 % der Kranken der Armee und 10,9 °/ 0 der erkrankten In¬ 
validen, 

gestorben 0,28 % der Kranken der Armee und — % der erkrankten In¬ 
validen. 

5) Mithin Bestand: 

am 31. October 1885 6 607 Mann und 49 Invaliden, 

in Procenten der Effectivstärke 2,2 % und 17,7 %. 

Von diesem Krankenstände befanden sich: 

im Lazareth 4 598 Mann und 4 Invaliden, 
im Revier 2009 - - 45 

Es sind also von 354 Kranken 234,6 geheilt, 1,0 gestorben, 3,2 als 
invalide, 3,4 als dienstunbrauchbar, 7,0 anderweitig abgegangen, 104,8 im 
Bestand geblieben. 

Von den Gestorbenen der activen Truppen haben gelitten an: Blut¬ 
vergiftung 2, Unterleibstyphus 21, epidemischer Genickstarre 2, Bluter¬ 
krankheit 1, Hirn- und Hirnhautentzündung 4, Lungenentzündung 6, 
Lungenblutung 1, Lungenschwindsucht 12, Brustfellentzündung 1, Lungen¬ 
brand 1, Magenkrebs 1, innerem Darm Verschluss 1, Blinddarmentzündung 1, 
Bauchfellentzündung 5, Nierenleiden 1, Hüftgelenkentzündung 1; an den 
Folgen einer Verunglückung: Sturz aus dem Fenster 1; an den Folgen 
eines Selbstmordversuches: Erscbiessen 1. 

Mit Hinzurechnung der nicht in militärärztlicher Behandlung Ver¬ 
storbenen sind in der Armee im Ganzen noch 12 Todesfälle vorgekommen, 
davon 4 durch Krankheiten, 3 durch Verunglückung, 5 durch Selbstmord; 
von den Invaliden: durch Krankheit 1; so dass die Armee im Ganzen 
75 Mann und 1 Invaliden durch den Tod verloren hat. 

Nachträglich verstorben: 
pro August er.: 

1 Mann an Geistesstörung, 1 Mann an Lungenschwindsucht (Urlaub); 
pro September er.: 

1 Invalide an einer unbekannten Krankheit. 

General-Rappor t 

von den Kranken der Königlich Preussischen Armee, des XII. (Königlich 
Sächsischen) und des XIII. (Königlich Württembergischen) Armee-Corps, 
sowie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich Bayerischen 
Besatzungsbrigade pro Monat November 1885. 

1) Bestand am 31. Octooer 1885: 6 607 Mann und 49 Invaliden. 

2) Zugang: 

im Lazareth 11185 Mann und 2 Invaliden, 
im Revi er 14 215 - - 7 

Su mma 25 400 Mann und 9 Invaliden. 
Mithin Summa des Bestandes und Zuganges 32 007 Mann und 58 Invaliden, 
in Procenten der Effectivstärke 8,6 % und 20,7 %. 

3) Abgang: 


geheilt .... 

. 20 436 Mann, 

7 Invaliden, 

gestorben.... 

70 - 

1 

invalide .... 

235 - 

— 

dienstunbrauchbar 

416 - 

— 

anderweitig . . . 

319 - 

1 . 

Summa . 

. 21 476 Mann, 

9 Invaliden. 


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115 — 


4) Hiernach sind: . 

geheilt 63,8 % der Kranken der Armee und 12,1 %> der erkrankten In¬ 
validen, 

gestorben 0,22 % der Kranken der Armee und 1,7 % der erkrankten In¬ 
validen. 

6) Mithin Bestand: 

am 30. November 1885 10 531 Mann und 49 Invaliden, 

in Procenten der Effectivstärke 2,8 % und 17,5 •/<>. 

Von diesem Krankenstände befanden sich: 

im Lazareth 7 484 Mann und 7 Invaliden, 
im Revier 3 047 - 42 

Es sind also von 457 Kranken 291,8 geheilt, 1,0 gestorben, 3,4 als 
invalide, 5,9 als dienstonbranchbar, 4,6 anderweitig abgegangen, 150,3 im 
Bestand geblieben. 

Von den Oestorbenen der activen Truppen haben gelitten an: Schar¬ 
lach 3, Blutvergiftung 1, Unterleibstyphus 9, bösartigen Geschwülsten 2, 
Hirn- und Hirnhautleiden 4, Rucken marksleiden 1, Lungenentzündung^ 8, 
Lungenschwindsucht 17, Brustfellentzündung 2, Herzleiden 2, Darmentzün¬ 
dung 1, Leberleiden 3, Milskrankheiten 1, Bauchfellentzündung 5, Nieren¬ 
leiden 3, constitutioneller Syphilis 1, Knochenentzündung 1; an den Folgen 
einer Verunglückung: Sturz aus dem Kasernenfenster 1, Sturz mit dem 
Pferde 1, Bruch der Wirbelsäule durch Verschütten 1, Unbekannt 
(XII. Armee-Corps) 1; an den Folgen eines Selbstmordversuches: Er- 
schiessen 1, Sturz aus dem Fenster 1. Von den Invaliden: Rücken- 
marksleiden 1. 

Mit Hinzurechnung der nicht in militärärztlicher Behandlung Ver¬ 
storbenen sind in der Armee im Ganzen noch 35 Todesfälle vorgekommen, 
davon ^5 durch Krankheiten, 9 durch Verunglückung, 21 durch Selbst¬ 
mord; von den Invaliden: durch Altersschwache 1; so dass die Armee 
im Ganzen 105 Mann und 2 Invaliden durch den Tod verloren hat. 
Nachträglich pro October: 

1 Selbstmord durch Erschiessen. 


Sterblichkeit der russischen Militärärzte im letzten russisch¬ 
türkischen Kriege. 

Wenige Menschen dürften eine Ahnung haben, wie verheerend der 
rassisch-türkische Krieg für die Aerzte der russischen Armee war. Zum 
Andenken an das traurige Verhängniss ist jüngst auf dem Alexander-Platz 
in Sophia eine Steinpyramide errichtet worden, auf welcher die Namen 
der Gestorbenen, zu deren Gedächtnis« sie errichtet, eingravirt sind. Die 
Basis trägt die Inschrift: Den in dem russisch-türkischen Kriege 1877/78 
gestorbenen Sanitäts-Offizieren. Die Zahl der Namen beträgt 53L 
(Brit. med. Journ. Dec. 12. 1885.) B—r. 


Die Choleraimpfung. (Aus der La Plata-Post. Wochenblatt der 
Deutschen La Plata-Zeitung, Buenos Aires, den 8. October 1885.) 

Obgleich über den Werth und Unwerth der vielbesprochenen Cholera¬ 
impfungen des spanischen Arztes Ferran die Acten noch nicht ge¬ 
schlossen sind, und obwohl der „Correo Espanol“ (Spanische Zeitung 
in B. A.) sogar über Anerkennungsschreiben zweier berühmter Aerzte 


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(englischer), wie Gameron and Spencer Wells, berichtet, so wird doch, 
je mehr man darüber erfahrt, die Annahme immer wahrscheinlicher, dass 
Dr. Ferran ein Charlatan and sein berühmtes (ängstlich geheim gehaltenes) 
Mittel ein Hambag ist Das ist auch die Ansicht eines amerikanischen 
Arztes, Dr. La Gr an ja, der in Berlin unter dem berühmten „Bacillenvater 44 
Koch seine Stadien gemacht and sich zar Erprobung des Ferran’schen 
Verfahrens nach Spanien begehen hat — Derselbe hat, da Ferran 
irgend welche Aufschlüsse entschieden verweigerte, sich in Verkleidung 
unter die impfbegierige Menge gemischt and die Impfang an sich selbst 
vollziehen lassen. Die Procedur war folgende: 

Ferran stiess ihm mit einer Lancette oberhalb des linken Ellen¬ 
bogens ein Loch unter die Haut, führte eine bräunliche Salbe in die 
Wände ein und klebte ein Stück Heftpflaster darüber. 

Dabei sagte er, dass an der Impfstelle sich ein Ausschlag bilden 
und dass darauf heftiger Durchfall — „künstliche Cholera 44 — folgen 
werde. 

Als weitere Hülfe gab er drei Pillen zum ßinnehmen. 

Der amerikanische Arzt berichtet nun wörtlich weiter: 

„Obschon ich mich sehr beeilte, aus dem Menschengewühl herans- 
zukommen und nach meinem Gasthause zu laufen, vergingen darüber 
doch 20 Minuten. Sobald ich die Thüre hinter mir fest verschlossen 
hatte, riss ich das Heftpflaster ab und zog so viel von dem Stoffe aus der 
Wunde, wie ich konnte. — Nun, es ist ja möglich, dass auch Mikroben 
in dem Zeug waren, aber meine Analyse zeigte mir das Vorhandensein 
ganz anderer Stoffe, nämlich Elatorium, Crotonpl und Vaseline. — In 
den drei Pillen fanden sich dieselben Stoffe, — deren beide ersten heftig 
wirkende Abführmittel sind. 

Spater erfuhr ich, dass alle Geimpften diese Pillen einnehmen müssen. 

Jeder Arzt weiss, ebenso wie jeder Apotheker, wie das wirken 
muss. — Die ganze Geschichte ist ein grossartiger Schwindel. — Wenn 
nicht in meinem besonderen Falle ein anderer Stoff verwendet wurde, so 
besteht die Impfung in der Einführung heftig treibender Abführmittel 
(hydragogue cathartics) unter die Haut und (in Pillenform) in den Magen. 
Das Crotonol unter der Haut bewirkt einen eiternden Ausschlag mit sehr 
schmerzhafter Pustelbildung. Das Elatorium verstärkt diese Wirkung 
des Crotonols, bewirkt ausserdem heftige Ausscheidungen, als deren Folge 
einen Zustand, welcher mit dem durch die Cholera herbeigeführten 
Collapsus Aebnlicbkeiten hat. Die Ausscheidungen selbst sind den „Reis- 
wasser^-Entleerungen ähnlich, welche zu den Kennzeichen der Cholera 

f ehoren. In der Tbat ist die Wirkung der ganzen Behandlung die 
lervorbringung eines Zustandes, der auffallende Aebnlicbkeiten mit der 
gefürchteten Seuche hat Wer es bezweifelt, der braufeht nur mit den 
oben genannten Stoffen einen Versuch in der oben beschriebenen Weise 
anzustellen. 

Ich staune über die Geriebenheit dieses Spaniers und will nur hoffen, 
dass er nicht ein verkleideter Yankee ist Wenigstens hat die Geschichte 
bedenkliche Aehnlichkeit mit der von den „hölzernen Muskatnüssen 44 . 14 


Oednickt in der Königlichen Hofbuchdruckerei von E. & Mittler und Sohn in Berlin SW., Koehetraeee 


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Deutsche 

Militärärztliche Zeitschrift. 


Radactian: % 

Dr. 9U Generalarzt, j 

Berlin, Tanbenstrasse 5, \ 

u. Dr. 38nt0erger, Stabsarzt, j 

Berlin, Hedemannstr. 15. > 

Verlag: 

£. $. SKttto & 

Königliche Hofbuchhandlung, 

Berlin, Kochstrasse 68—70. 

Monatlich erscheint ein Heft von mindestens 3 Druckbogen; dazn ein „Amtliches Beiblatt“. Der 
Zeitschrift wird das Werk: „Jahresbericht über die Fortschritte auf dem Gebiete des Milittr- 
Sanitlts-Wesens“, heraasgegeben vom Generalarzt Dr. Both, unentgeltlich beigegeben. Bestellung 
nehmen alle Postämter und Buchhandlungen an. Preis des Jahrgangs 15 Mark. 

XV. Jahrgang. 1886. 

Heft 3. 


Bemerkungen Aber die Behandlung des lleotyphus. 

Von 

Oscar Fraentzel. 

(Nach einem Vortrag in der Berl. Militärärztl. Gesellschaft gehalten am 21. Jan. 1886.) 

Die Thatsache, dass die Zahl der Erkrankungen an lleotyphus im 
Laufe der letzten zehn bis fünfzehn Jahre abgenommen hat und anderer¬ 
seits die Beobachtung, dass die Mortalität der behandelten Fälle eine er¬ 
heblich geringere geworden ist, hat dahin geführt, dass die Kliniker in 
Deutschland in der allerletzten Zeit an verschiedenen Stellen versucht 
haben, diese .Erscheinungen zu erklären. So ist dies von Nothnagel io 
Wien, von Ebstein in Göttingen, von Naunyn in Königsberg, von 
Fiedler in Dresden, von Vogel in München und von Senator in 
Berlin versucht worden. An den Vortrag des letzteren hat sich in der 
hiesigen Allg. medic. Gesellschaft eine längere Discussion geknüpft. Ganz 
neuerdings hat Guttstadt die hier in Betracht kommenden Fragen vom 
Standpunkt des Hygienikers mit sehr reichlichem und sehr gutem 
statistischen Material ausgerüstet im Verein für „innere Medicin tf hiereelbst 
durch einen sehr interessanten Vortrag zur Discussion gebracht. Ich 
glaube nicht fehl zu gehen, meine Herren, mit der Annahme, dass auch 
bei Ihnen die Besprechung der hier in Betracht kommenden Verhältnisse 
ein hohes Interesse erregen wird, weil ja im Kriege und im Frieden der 
lleotyphus eine häufige Armeekrankheit ist, bei der immer geringere Ver¬ 
breitung und immer geringere Mortalität zu erzielen unser Streben sein 

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und bleiben wird. Drei Fragen sind dabei wesentlich za erörtern: 
1) In wie weit trägt die Hygiene zur Erlangung der bisherigen 
Resultate bei? 2) Ist die Intensität der Erkrankungen an Heo- 
typhus überhaupt geringer geworden? 3) Hat unsere Therapie 
einen Einfluss auf die verminderte Mortalität? Welcher Einfluss ist der 
Anwendung des kalten Wassers, welcher dem Gebrauch der Medicamente, 
speciell der sogenannten Antipyretica, zuzuschreiben, welche Bedeutung 
haben schliesslich die verbesserten allgemeinen diätetischen und hygienischen 
Maassregeln für den Kranken? 

Wenn ich hier auch nicht auf die Statistik im Besondern eingehen 
will, die ja namentlich zur Entscheidung therapeutischer Fragen immer 
nur in grosser Beschränkung angewendet werden kann, so will ich doch 
hier mit einigen Worten darauf zurückkommen, dass der Ileotyphus nicht 
immer so leicht zu diagnosticiren ist, wie manche Aerzte meinen. Einer¬ 
seits verlaufen eine Reibe von Fällen so leicht, dass die Temperatur¬ 
erhöhung dauernd unter 39 Grad bleibt, oft nur acht Tage anhält, sich eine 
nur geringe, vielleicht gar keine Milzechwellung nach weisen lässt, und 
dabei sehr geringe gastrische Störungen erscheinen. In diesen Fällen 
wird es oft in der Willkür des einzelnen Beobachters liegen, ob er sie 
zum Ileotyphus rechnen will oder nicht. In den letzten Jahren ist es 
mir aufgefallen, dass ich durchaus nicht allzu selten in derartigen Fällen, 
bei welchen die Diagnose zweifelhaft war, und wo das Fieber schon 
wieder vor Ablauf von acht Tagen verschwunden war, am achten Tage 
deutliche Roseolaflecke an der Oberbauch- und Unterbrustgegend er¬ 
scheinen sah, die an den nächsten Tagen sich noch vermehrten, aber 
meistens vor dem vierzehnten Krankheitstage gänzlich verschwunden 
waren. Andererseits muss immer von Neuem betont werden, dass auch 
ausgesprochene Fälle von Ileotyphus sehr leicht einmal mit einer Menin¬ 
gitis cerebro-spinalis, einer acuten miliaren Tuberkulose, einer tiefen 
Zellhautentzündung und dergleichen mehr verwechselt werden können. 
Wird keine Autopsie gemacht, so bleibt der Irrthum unerkannt. Wenn 
auch diese Fälle, bei denen der Ileotyphus irrthümlich diagnosticirt war, 
zu den Seltenheiten gehören, so werden diese wohl wie die leichten Er¬ 
krankungen am sogenannten gastrischen Fieber immerhin einen gewissen 
Einfluss auf die Zahlen der Statistik üben. Immerhin beweist uns die 
letztere, wenn wir die Verhältnisse von Berlin zunächst in Betracht 
ziehen, dass mit der allgemeinen Verbesserung der sanitären Verhältnisse 
die Häufigkeit der Erkrankungen an Ileotyphus wesentlich abgenommen 
hat. Wir müssen nothwendigerweise diese Abnahme mit der nllroälig 


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fortschreitenden Entwickelung unseres Canalisationssystems in Zusammen¬ 
hang bringen. Der Versorgung Berlins mit Trinkwasser möchte ich 
keinen erheblichen Einfluss zuerkennen, denn wir haben noch sehr 
ausgedehnte und schwere Epidemien in Stadtgegenden gesehen, wo 
lange Zeit bereits die Wasserleitung bestand, und erst nachdem die 
Canalisation in Wirksamkeit trat, bemerkten wir in den betreffenden 
Gegenden eine auffällige Abnahme in der Häufigkeit der Erkrankungen. 
Wir müssen, was den Einfluss der Wasserleitung anbelangt, uns auch 
vollkommen darüber klar sein, dass wir von unserer hiesigen Leitung 
nicht gleiche hygienische Vortheile erwarten können, wie von den 
Leitungen anderer Städte, wie z. B. in Wien, in Frankfurt am Main und 
in München, wo das beste Quellwasser die Leitungen speist. In Berlin 
werden wir aus naheliegenden Gründen wohl für immer auf Quell- 
wasser verzichten müssen. Dass die Canalisation in erster Linie und in 
ihrem Anschluss die Versorgung der Städte mit gutem Trinkwasser das 
häufigere Auftreten von Ileotyphus wesentlich verhindern, beweisen nun 
auch einerseits die Beispiele anderer deutscher Städte, welche ebenfalls 
im Laufe der Jahre Canalisation und Wasserleitung eingeführt haben (ich 
nenne nur München), andererseits das verheerende Auftreten der Krank¬ 
heit in Städten, wo diese Hauptmittel des hygienischen Fortschrittes 
fehlen und überhaupt sanitäre Verhältnisse herrschen, die der Hygiene 
geradezu Hohn sprechen (ich nenne nur Paris mit seiner letzt verflossenen 
Ileotypbus-Epidemie). 

Die geringere Mortalität unter den Typhusfällen ist von einzelnen 
Klinikern, namentlich von Fiedler in Dresden, dadurch erklärt worden, 
dass die Krankheit jetzt einen milderen Verlauf nähme wie vor zehn 
und mehr Jahren. Es fragt sich dabei zunächst, woran sollen wir uns 
halten, um die Schwere oder Leichtheit eines Typhusfalles zu beur¬ 
teilen. Dass die Höhe der Temperaturen dabei nicht stricte maass¬ 
gebend ist, habe ich selbst vor einigen Jahren in einem Aufsatz hervor¬ 
gehoben, welcher in der Zeitschrift für innere Medicin erschienen ist, 
und in welchem ich betonte, während des Krieges 1870/71 eine grössere 
Zahl von Typhen mit auffallend niedrigen Temperaturen beobachtet zu 
haben (manchmal verliefen diese Fälle sogar ganz afebril), bei denen 
sehr schwere nervöse Erscheinungen bestanden und der Tod sehr häufig 
und in sehr frühen Stadien der Krankheit erfolgte. 

Ich beschrieb dabei noch einen Fall, wo auf meiner Abtheilung in 
der Charite ein Schwindsüchtiger am Typhus erkrankt und unter ebenfalls 
sehr geringen Temperaturerhöhungen und schweren nervösen Erschei- 

9 * 


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nungen sehr bald za Grunde gegangen war. Spater sind diese Beobach¬ 
tungen von Gerhardt, Naunyn und anderen bestätigt worden, und 
allmälig ist immer mehr die Auffassung zur Anerkennung gekommen, 
welche ich schon damals ausspracb, dass die hohen Temperaturen der 
Typhuskranken es durchaus nicht sind, welche das Leben der Kranken 
in erster Linie in Gefahr bringen, wenn man vielleicht absieht von solchen 
Fällen, wo die Temperaturen Tage lang über 41 Grad bleiben. 

Wir sehen dann andere Epidemien von lleotyphus, in denen besonders 
häufig Complicationen mit Pneumonie Vorkommen, andere, bei denen 
Darmblutungen und Darmperforationen besonders häufig beobachtet werden. 
Wir werden .daher wohl am besten dann von einem leichten Fall von 
lleotyphus sprechen, wenn es sich um Krankheitsfälle handelt, bei denen 
die Temperaturen weder auffallend hoch noch auffallend niedrig sind, bei 
denen das Sensorium nicht tief und nicht auf längere Zeit benommen ist, 
bei denen aber auch die Zeichen der versatilen Form und schwere Com¬ 
plicationen fehlen. 

Wenn ich nun meine eigenen Erfahrungen aus dem letzten Jahrzehnt 
vergleiche mit meinen früheren, und namentlich den allerfrühesten aus 
den Jahren 1859—1860 stammenden, so glaube ich Fiedler’s An¬ 
schauung bis zu einem gewissen Punkte bestätigen zu müssen. Die Fälle, 
bei denen Temperaturen Morgens und Abends Tage lang über 41 Grad 
blieben, gehören unter meinen neueren Beobachtungen zu den allergrössten 
Seltenheiten, die versatile Form sehe ich selten, auch schwere Compli¬ 
cationen gelangen weniger häufig zu meiner Wahrnehmung. Ich glaube 
mich darin nicht zu irren und nicht durch die Thatsache, dass wir jetzt 
in Berlin überhaupt weniger Typhen behandeln wie früher — wir also 
auch absolut weniger viel schwere Fälle sehen —, zu einem Fehlschluss 
verleitet zu sein. Dagegen bin ich weit davon entfernt zu behaupten, 
dass die geringere Mortalität dadurch allein zu erklären wäre, dass die 
Fälle leichter geworden sind. Im Gegentheil glaube ich, dass unsere 
Therapie bei der Behandlung des lleotyphus sehr wesentliche Erfolge zu 
verzeichnen hat. Unter den Behandlungsmethoden spielt die Kaltwasser¬ 
behandlung die wesentlichste Rolle. Dieselbe ist in der verschiedensten 
Weise bald rigoros und schematisch, bald in milderer Form und mehr 
dem einzelnen Individuum angepasst, angewandt worden. Sie ist bei 
ihrer ersten Anwendung vielfach angegriffen worden, und auch jetzt er¬ 
hebt sich wieder die Meinung, dass die Methode entbehrlich, überflüssig, 
wenn nicht schädlich sei. 

Als ich im Jahre 1859 als Zuhörer auf die Tr au begehe Klinik 


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kam and als ich 1860 dort als Unterarzt auf der Klinik functionirte, 
wurden Typhuskranke mit kalten, nassen Einwickelungen, die mehrmals 
am Tage vorgenommen wurden, behandelt. Leute mit sehr hohen 
Temperaturen und starkem Stupor erhielten kalte Bäder von 18 Grad 
Celsius und zugleich kalte Uebergiessungen von ein bis zwei Eimern 
Wasser. Patienten mit der versatilen Form erhielten laue Bäder von 
24 Grad und laue Uebergiessungen von 24—28 Grad. Als der sehr 
robuste Oberwärter der Klinik, der die Einwickelungen in vorzüglicher 
Weise besorgte, an Haemoptoe erkrankte, fand sich Niemand, der die Ein¬ 
wickelungen in ausreichender Weise machte, deshalb wurden sie ganz ver¬ 
lassen und mit Bädern vertauscht; die Uebergiessungen liess Traube auch 
allmälig aus seiner Therapie weg. Die Bäder wurden in späteren Jahren 
meist zu 20 Grad gegeben, von seltenen Ausnahmen abgesehen, höchstens 
zwei am Tage. Dieser Therapie blieb Traube bis zu seinem Lebens¬ 
ende getreu, er hat sich nie entschlossen, kalter und häufiger baden zu 
lassen, niemals auch von den verschiedenen Antipyreticis systematischen 
Gebrauch gemacht. J 

Ich selbst habe mich im Grossen und Ganzen in den Bahnen ge¬ 
halten, die mir mein Lehrer vorgezeichnet hat, und habe in den meisten Fällen 
der Febris nervosa stupida, wenn auch Morgens die Temperaturen über 
40 Grad stiegen, küble Bäder von 22 Grad Celsius und zehn Minuten 
lauger Dauer, zwei bis drei Mal am Tage, gereicht, bei Complicationen mit 
Darm Perforation, mit Darmblutung und mit Lungenentzündung die Bäder 
unterlassen, bei der versatilen Form wärmere Bäder von 26—28 Grad und 
Morphium in Gebrauch gezogen. Meist wurde ausserdem, wenn wir . von 
letzterer Form absehen, in den ersten 14 Tagen der Krankheit, oder rich¬ 
tiger gesagt, bis zum Beginn des Stadium hecticum eine Eisblase auf den 
Kopf gelegt. Natürlich erforderten verschiedenartige Complicationen noch 
anderweitige mannigfache Ordinationen. 

Als nun 1861 Brand in Stettin zuerst eine viel energischere und 
schematische Kaltwasserbehandlung anrieth, wobei, wie er behauptete, die 
Typhus-Mortalität eigentlich auf Null herabsänke, als eine ziemlich analoge 
Behandlung im Laufe der 60er Jahre von Bartels und Jürgensen, 
von v. Ziemssen, Liebermeister und Immermann den Fachgenossen 
auf das wärmste empfohlen wurde, machte ich im Winter 1869—1870 
in dem hiesigen Garnison-Lazareth von dieser selben Methode Gebrauch. 
Die dabei erzielten Resultate waren viel ungünstigere, wie ich sie bisher 
erfahren hatte. Es gab eine nicht unbeträchtliche Zahl von Kranken, 
welche erst in der vierten Woche Morgens einen Nachlass des Fiebers 


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unter 39 Grad zeigten und welche dann noch, oder ohne diesen Nachlass 
überhaupt zu zeigen, zu Grunde gingen, ohne dass intra vitam oder post 
mortem nennenswerthe Complicationen vorhanden gewesen waren. Nor 
im Darm sah man neben in der Vernarbung begriffenen Geschwüren 
frische markige Schwellungen, neben gereinigten Geschwüren eben 
erst gebildete Schorfe. Ich hatte den Eindruck, als wenn gerade bei 
diesen so oft und so kalt gebadeten Kranken immer wieder neue und 
neue Schübe der Darmerkrankung entstanden wären. Seit dieser Zeit 
habe ich keine weiteren Versuche mit letzterer Methode gemacht Ich 
bin auch schon damals zu der Ansicht gekommen, dass die Bäder nicht 
antipyretisch wirken, sondern als excitans frigidum, dessen Wirkung leicht 
übertrieben werden kann, durch zu häufige Anwendung und durch die 
Grösse des Reizes (zu kaltes Wasser). 

Wir sehen ja erstens, dass oft unmittelbar nach dem Bade die Tempe¬ 
ratur höher ist als vor dem Bade; hier kann also wohl von einer anti¬ 
pyretischen Wirkung nich} die Rede sein. Andererseits wissen wir aber, 
dass ^ich Typhuskranke mit Temperaturen von 40 Grad und mehr, wenn 
sie frei von Complicationen bleiben und wenige Bäder von 22 Grad Celsius 
ihr Sensorium ziemlich frei erhalten, trotz der hohen Temperatur 
leidlich wohl fühlen, während Kranke mit auffallend niedrigen Tempe¬ 
raturen uns von vornherein den Eindruck machen, als ob sie viel 
kränker sind. Wir sind ja bei der veränderten Anschauung, welche wir 
über die Infectionskrankheiten seit der Entwickelung der Bacterienlehre 
bekommen haben, immer mehr zu der Ueberzeugung gelangt, dass 
zum Verlauf dieser Bacterienerkrankungen, zum plötzlichen oder allmäligeu 
Absterben der Mikroben oft beträchtliche Temperaturerhöhungen noth- 
wendig sind. 

Der Anwendung der kühlen Bäder als excitans frigidum werfe ich 
stets als einer wichtigen Errungenschaft unserer Therapie weiter das 
Wort reden, während ich von der rigorosen Anwendung kälterer Bäder 
weder selbst noch auch bei anderen Collegen rühmenswerthe Resultate 
gesehen habe. In ähnlicher Weise hat sich auch Goldammer, gestützt 
auf seine Erfahrungen in Bethanien, ausgesprochen. Die viel günstigeren 
Heilreeul täte, die von verschiedenen Seiten aus den Provinzen über die Tjerapie 
nach Brandt berichtet werden, kann ich natürlich nicht bestreiten'hier in 
Berlin haben wir ähnliche Resultate nicht zu erzielen vermocht Abc darauf 
möchte ich doch aufmerksam machen, dass eine grosse Zahl vonKliniiern, die 
zu den begeistertsten Anhängern der strengen Kaltwassermethod* gehört 


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haben, allmalig von derselben mehr und mehr zurückgekommen ist. Ich 
mochte hier besonders Liebermeister nennen, der ja auf dem 
vorigen Congress für innere Medicin in Wiesbaden sich von der strengen 
Kaltwasserbehandlung ganz bekehrt zeigte. Ich glaube, dass weitere 
Beobachtungen und Erfahrungen wohl noch immer grossere Kreise 
von den allzu rigorosen und schematischen Anwendungen von kalten 
Bädern zurückbringen werden, wenngleich man immer zugeben wird, 
dass ein und dieselbe Krankheit an dem einen Orte mit eingreifenderen 
Medicamenten behandelt werden muss wie an einem andern. Es wird nur 
ein Streit von geringerem Werthe sein, ob man kühler oder warmer badet, 
wenn wir im Allgemeinen darüber einig sind, dass die Behandlung mit 
Bädern die besten Resultate bei der Behandlung des lleotyphus giebt. 

Ganz ablehnend mochte ich mich gegen den Gebrauch der sogenannten 
Antipyretica aussprechen. Es steht entschieden fest, dass man mit einer 
grossen Zahl derselben die Körpertemperatur auf einige Stunden herab¬ 
setzen, zuweilen sogar vorübergehend bis zur Norm zurückführen kann. 
Was haben wir damit erreicht? Wir liefern den Angehörigen des Kranken 
bezw. dem Kranken selbst wohl einen Beweis unseres ärztlichen Könnens, 
es gelingt, die Temperatur herunter zu drücken, aber andererseits auch 
unseres Unvermögens, die Temperatur niedrig zu erhalten. Dabei ist die 
Anwendung aller dieser Mittel direct nachtheilig für den Kranken; denn 
alle diese antipyretischen Mittel haben zunächst einen nachtheiligen Ein¬ 
fluss auf den Digestionsapparat, dessen Functionen schon an und für sich 
so schwer geschädigt sind. Zweitens aber wird durch dieselben die 
Leistung des Herzens beeinträchtigt, selbst wenn, wie gewöhnlich bei 
Darreichung von Chinin, Antipyrin und Thallin, die Erscheinungen 
eines schweren allgemeinen Collapses vermieden werden. Man sieht fast 
regelmässig nach Anwendung aller beliebten antipyretischen Mittel 
eine Steigerung der Pulsfrequenz eintreten, die sehr leicht bis in die 
Hohe von 120 Schlägen in der Minute hinaufgebt und dann direct als 
das Leben bedrohend angesehen werden muss. Denn das müssen wir 
als feststehend ansehen, dass beim lleotyphus selbst die höchsten Tempe¬ 
raturen, beim Fehlen sonstiger Complicationen, immer noch gut über¬ 
wunden werden, wenn die Pulsfrequenz niedrig bleibt, dass aber die 
Prognose sieb ungünstig gestaltet, wenn auch die Temperaturen nicht 
allzu hoch sind, sobald die Pulsfrequenz sehr in die Höhe geht, und 
schlecht wird, wenn sie über 120 steigt. Aus diesen Gründen rathe ich, 
von den Antipyreticis keinen Gebrauch zu machen, um so mehr, als sich 
auch das subjective Befinden der Kranken beim Gebrauch dieser Medica- 


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mente sowohl durch den bei dem Sinken der Temperatur eintretenden 
Collaps als auch durch das oft mit Schüttelfrost einhergehende Wieder¬ 
ansteigen der Temperatur sehr ungünstig gestaltet. Der günstige Ein¬ 
druck , den der nach Effect haschende Arzt bei der Umgebung des 
Kranken durch das Herabdrücken der Temperatur macht, wird reichlich 
durch diese Storung des subjectiven Befindens aufgewogen. Ich will hier 
nicht im Detail auf die Wirkung der verschiedenen Antipyretica ein- 
gehen, welche im Laufe der Jahre in Gebrauch gezogen sind — der 
dauernde Wechsel der verschiedensten der in dieser Weise wirkenden 
Mittel beweist am besten, dass keins bis jetzt genügt hat — möchte nur 
erwähnen, dass ich Grammdosen von Chinin noch am wenigsten nach¬ 
theilig gefunden habe, beim Kairin sah ich die unangenehmsten sub- 
jectivan Beschwerden. Das salicylsaure Natron ist ganz zu verwerfen, 
es wirkt in vielen Fallen direct atzend auf die Magenschleimhaut. Die 
Erfahrungen, die Ries8 darüber aus dem hiesigen städtischen Kranken¬ 
hause mittheilt, wo er durch das Medicament bei seinen Typhuskranken 
dauernd die Temperatur unter 39 Grad gehalten und dabei eine Mortali¬ 
tät von über 24 pCt. zu beklagen gehabt hat, haben das Mittel in meinen 
Augen für immer gerichtet 

Schliesslich will ich gern anerkennen, dass neben den milde ange¬ 
wandten Bädern, die ich oben erwähnt habe, die Wartung und Pflege 
des Kranken, welche eine stetig bessere geworden ist, einen wesentlichen 
Antheil hat an den jetzigen günstigeren Heilerfolgen des Ileotyphus. Die 
Statistik weist uns nach, wie gross die Zahl der im letzten Jahrzehnt 
erbauten neuen Krankenhäuser ist. Dadurch ist es schon möglich ge¬ 
worden, mehr Typhuskranke in Krankenhäusern aufznnehmen wie früher, 
obgleich die Zahl der Krankenhäuser für die besseren Stände noch immer 
nicht gross genug ist Dann aber sind die Krankenhäuser der Neuzeit 
wesentlich besser geworden in Bezug auf Licht und Luft Weiterhin hat 
unser Kranken wartpersonal durch die humanen Bestrebungen der Jetztzeit, 
an deren Spitze die ersten fürstlichen Frauen Deutschlands stehen, ganz 
besonders gewonnen, so dass einzelne Complicationen, die wesentlich die 
Folge schlechter Pflege waren, wie der Decubitus, nur äusserst selten 
noch bei Typhuskranken beobachtet werden. Unsere Grundsätze über die 
Nahrung, welche man solchen Kranken reicht, sind sichere geworden, 
man weiss, dass man mit Milch, Bouillon, etwas Gelbei und Wein so lange 
ausreicht, bis das Fieber ganz verschwunden ist. Man weiss, dass man 
durch Darreichung von reichlichem passenden Getränk den Kranken nicht 
bloss labt, sondern auch seine Krankheit günstig beeinflusst. Sie sehen 


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also, meine Herren, dass man mit Recht sagen kann, dass es dem Arzte 
gelangen ist, dem Auftreten und dem schlechten Verlaufe des lleotyphus 
erheblich engere Grenzen zu ziehen, wie früher, dass wir hier einen ärzt¬ 
lichen Erfolg erzielt haben, auf den wir mit Recht stolz sein können, 
und dass die Statistik gerade den Militärärzten als den glücklichsten 
Therapeuten des lleotyphus den ersten Preis zuerkennt. 


Unter welchen Umständen ist das vom Soldaten im Kriege mit- 
geführte Verbandpäckchen von Nutzen? 

Von 

Stabsarzt Dr. Rochs. 


Das Jahr 1884 bezeichnet unstreitig einen wichtigen Markstein 
ia der Entwickelung der Kriegs Chirurgie. Tagte doch im Sommer 
dieses Jahres auf Allerhöchsten Befehl in Berlin eine Conferenz von 
Chirurgen, deren Aufgabe keine geringere war, als die, die Segnungen 
der antiseptischen Wundbehandlung auch den Opfern künftiger Kriege 
zu Theil werden zu lassen; und die im Frieden wie im Kriege gleich 
erprobten Erfahrungen dieser Männer, deren Namen nicht nur auf den 
Blättern heimischer, sondern auch fremdländischer Kriegsheilkunst für 
alle Zeiten mit goldenen Lettern eingeschrieben sind, bärgen für ein Resultat, 
gleich heilsam für den verwundeten Krieger, wie ehrenvoll für die deutsche 
Wissenschaft. Natürlich wurde bei dieser Gelegenheit auch die Frage 
über die Nothwendigkeit und Zweckmässigkeit eines selbstverständlich 
aseptischen Boidaten-Verbandpäckchens erörtert. Von jeher ist in den 
letzten drei Lustren das Verbindezeug des Soldaten das Schoosskind nicht 
weniger deutscher Chirurgen und Militärärzte gewesen; und es giebt in 
der That kaum eine Materie in der Kriegschirurgie, über welche seit 
jener Zeit in Deutschland mehr discutirt und geschrieben worden ist, als 
gerade hierüber. 

Bei Weitem nicht mit derselben Zärtlichkeit dagegen ist das Soldaten- 
Verbandpäckchen von anderen Nationen behandelt worden; und während 
sowohl noch auf dem Berliner Chirurgencongress 1884, als auch auf dem 
internationalen medicinischen zu Kopenhagen desselben Jahres die Dis- 
cussion über diesen Gegenstand wieder in den Vordergrund gerückt und 
die Nothwendigkeit eines Soldaten-Verbandpäckchens von Neuem hervor¬ 
gehoben worden ist, hat sich beispielsweise in Frankreich ausser Djil- 
walski und Fix überhaupt nur Delorme in einem unlängst erschienenen 


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Artikel mit diesem Thema beschäftigt.*) Die Deductionen des letzt¬ 
erwähnten Autors gipfeln darin, dass er das Verbandpäckchen für den 
Soldaten als eine überflüssige Last, für den Staat als einen finanziellen 
Verlast erklärt;**) und Körting,***) welcher die Delorme’schen 
Schlussfolgerungen Wort für Wort unterschreibt, freut sich über jeden 
Militärarzt, der das Ding beim rechten Namen nennt. Gleichwohl werde 
der Druck verallgemeinerter Hamanitätsbestrebungen den Staat vorder¬ 
hand zwingen, das Verbandpäckchen als moralisches Beruhigungsmittel 
des aasrückenden Soldaten beizubehalten. 

Gewiss tbeilt die überwiegende Zahl der Kriegschirurgen und der 
Militärärzte überhaupt heutzutage diesen Standpunkt. Jedenfalls spielt die 
ganze Frage von dem Verbandpäckchen eine sehr untergeordnete Rolle; 
und nicht zum ersten Male in der Geschichte der Medicin hat auch hier 
die practische Erfahrung den Nimbus von einem therapeutischen Vor¬ 
schläge gerissen, der denselben bei seinem ersten Auftauchen zu umgeben 
schien. Das Verbandpäckchen ist eben in die ihm gebührenden Schranken 
zurückgewiesen worden. Ob dasselbe indessen so ganz absolut entbehr¬ 
lich oder allein von dem Körting’schen Standpunkte aus zu statuiren 
ist, darüber kann man denn doch discutiren; und von diesem Gesichts¬ 
punkte aus möchte ich nachfolgendes Bruchstück einer bereits vor längerer 
Zeit unternommenen Arbeit der Oeffentlichkeit übergeben, welches eines- 
theils nichts weiter sein soll, als eine historisch-kritische Studie über den 
Entwickelungsgang des Verbandpäckchens, um zum anderen Theil die 
hieraus resultirenden Consequenzen für die eventuelle Zweckmässigkeit 
desselben zu ziehen. 

Nachdem bereits beim Beginne des bayerischen Erbfolgekrieges 177ö 
den Compagniechefs anempfohlen war, einem jeden Soldaten eine Ader¬ 
lass- und noch eine acht Ellen lange Binde, als eine zu den kleinen 
Montirung88tücken gehörige Sache, zur Feldequipage mitzugeben, +) be¬ 
stimmte das Königlich preussische Feldlazareth-Reglement vom 16. Sep¬ 
tember 1787,ff) dass bei Ausbruch eines Krieges jeder Soldat V* Pfund 
Charpie und zwei Binden von bestimmter Länge und Breite von dem 


*) Archive* de inedecine et de pharuiacie militaires 1884. p. 406. 

**) 1. c. S. 410. 

***) Deutsche militärärztliche Zeitschrift, 1885, S. 46. 

f) A. L. Richter, Ueber Organisation des Feld-Lazareth Wesens und von 
Transport-Compagnien für Verwundete. S. 50. 

ff) v. Richthofen, Die Medicinal-Einrichtungen des Königlich Preussischen 
Heeres. I. Theil. S. 94. 


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127 


Regiments Wundarzt erhalten sollte. Dieser letztere war angewiesen, das 
hierzu erforderliche Geld aus dem Fonds der Mobilmachung zu ent¬ 
nehmen. 

Ob von diesen Verbandmittein während der nächsten Feldzuge 
— Rheincampagne 1792—1795, napoleonischen 1806, und in den Freiheits¬ 
kriegen 1813—1815 — vielfach Gebrauch gemacht worden ist, ist sehr 
fraglich. Jedenfalls finden sich in der einschlägigen Litteratur darüber 
nur sehr dürftige Angaben;*) und nach Richter**) ist diese Maass¬ 
regel entweder gar nicht oder nur zum Theil beobachtet und dem Gut¬ 
dünken der Truppencommandeqre überlassen gewesen. Auch betont der 
letzterwähnte Autor, dass meist durch Abwesenheit des Medicin- und 
Bandagenwagens Mangel an Verbandmaterial vorhanden gewesen sei, 
sowie dass in den Freiheitskriegen Frauenvereine Verbandstücke zur Ver¬ 
keilung für die Armee geliefert hätten. 

Zweifellos scheint festzustehen, dass dieses Verbindezeug recht häufig 
gefehlt hat, und dass der Schwerpunkt der Sorgfalt für den Verwundeten 
in dem Herausbringen desselben aus den Reihen der Fechtenden — zu¬ 
erst durch combattante Leute, vermittelst Allerhöchster Cabinets-Ordre 
vom 5. Januar 1814 durch besondere Krankenträger***)— nach den Ver¬ 
bindeplätzen der beweglichen Feldlazarethe bestanden hat, woselbst dann 
aus den sehr reichlichen Vorräthen derselben der erste Verband von den 
dort anwesenden Aerzten und Chirurgen angelegt wurde. Wenn, was 
nach Görcke und Rustf) sich recht oft ereignete, Aerzte, die den 
Streitern io das Feuer gefolgt waren, Verwundete an Ort und Stelle 
verbanden, so scheint dies in den weitaus meisten Fällen mit Verband- 
mittelo, welche die Aerzte selbst mitbrachten, geschehen zu sein. So 

*) Siehe hierüber u. A. Görcke, Kurze Beschreibung der bei der Königlich 
Preußischen Armee stattfindenden Kranken-Transportmittel für die auf dem 
Schlacbtfelde schwer Verwundeten, ferner 

G. P. Mi chaelis, Ueber die zweckmässigstc Einrichtung der Feldhospitäler, 
sowie 

• Rust, Magazin für die gesammte Heilkunde, Band 1, 5 u. 6, 

Charpie und Bandagen, ein zwiefaches Gesetz der Menschenliebe, und die 
historischen Einleitungen in Fischers Handbuch der Kriegschirurgie (II. Band) 
S. 448 ff. und E. Richter, Chirurgie der Schuss Verletzungen, S. 427 ff. 

**) Richter, 1. c. Ebendaselbst. 

***) Görcke und v. Richthofen in den bezw. citirten Werken S. 3 und S. 272 
(1. Theil). 

t) Rust, Magazin für die gesammte Heilkunde, 4. Band, S. 7 u. 8, und 
1. Band, S. 498 fl*. (Danach blieben in den Freiheitskriegen 8 Aerzte vor dem 
Feind und 18 wurden schwer verwundet.) 


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128 


sagt u. A. ein ungenannter Patriot:*) eigentlich musste nach dem 
preussischen Feldlazarett-Regle ment heim Ausbruch eines Krieges jeder 
Soldat mit y 4 Pfund Charpie und zwei Binden versehen sein; und aus 
einer Anmerkung ebendaseihst geht hervor, dass man vielfach die Hemden 
der Blessirten als Verbandmittel verwendete. Vorsichtigere Soldaten, sagt 
v. Rieht hofen,**) nahmen hin und wieder von selbst einiges Ver¬ 
bandmaterial mit. 

Wie reichlich übrigens die Vorräthe der beweglichen oder fliegenden 
Feldlazarethe bemessen waren, erhellt aus dem mehrfach angezogenen 
Feldlazareth-Reglement; sie führten ausser einer grossen vollständigen 
und mit sechs Pferden bespannten Feldapotheke, sowie noch einer kleineren 
für ein detachirtes Corps, zwei vierspännige Wagen mit Bandagen, Charpie 
und chirurgischen Instrumenten mit sich. 

Dass, zumal gegen das Ende der Freiheitskriege, die erste Hülfe auf 
dem Schlacbtfelde in der preussischen Armee sich sehr vervollkommnet 
hatte, dafür spricht beispielsweise Rust's**'*) Schilderung über die 
Blessirten pflege nach den blutigen Schlachten vom 16. und 18. Juni 1815, 
sowie in den späteren Gefechten auf französischem Boden, bei Le Bourget, 
St. Denis, Aubervilliers, St. Germain, Versailles und Paris. — So unzu¬ 
länglich die Feld-Sanitätseinrichtungen der damaligen Zeit für die Ver¬ 
wundetenverhältnisse einer Schlacht bei Leipzig waren — 8. h. Reil’sf) 
mit den schwärzesten Farben gezeichnetes Bild über die Schicksale der 
Verwundeten nach dieser Schlacht — so versichert doch Rust,ff) dem 
die Leitung des gesammten Sanitätsdienstes bei diesen Gefechten ins¬ 
besondere anvertraut war, und leistet mit seiner Ehre Bürgschaft, dass 
nicht Ein Mann auch nur eine Stunde, viel weniger Tage lang auf dem 
Kampfplatz liegen blieb. — Die speciell nach der Schlacht bei Belle- 
Alliance damals bereits erhobenen Beschuldigungen, dass viele Verwundete 
mehrere Tage nach der Schlacht unverbunden auf der Wahlstatt gelegen 
hätten — auch Fisch er fff) erwähnt dies iu seinem bereits citirten 
Werke — weist Rust zurück, da genaue Nachforschungen ergaben, dass 

*) Charpie und Bandagen. 8. öd. 

**) v. Richthofen, 1. c. S. 46. 

***) Rust, 1. c. S. 7 ff. und S. 11 ff. 

f) Pertz, Das Leben des Ministers Freiherrn vom Stein, 6. Band (1812 bis 
1814). S. 467—442. Reifs Bericht an diesen; Reil selbst starb einige Tage später 
am Typhus. 

ti*) Magazin für die gesummte Heilkunde. 8. 16 im 4. Band, 
ttt) Fischer, Handbuch der Kriegschirurgie, II. Band. S. 440, 


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diese Individuen keineswegs auf deru Schlachtfeld liegen geblieben, sondern 
in dem angrenzenden Dorfe Marbes verbunden und verpflegt worden 
waren. Auch uberzeugte sich Rust am 21. Juni auf dem Schlachtfelde 
selbst von der ausreichenden Hülfe, wiewohl durch den so unerwartet 
ansbrechenden Krieg die Feld-Sanitätsanstalten begreiflicherweise nur un¬ 
vollkommen zur Stelle sein konnten. 

In der französischen Armee war zur Zeit der napoleonischen Kriege, 
wie auch noch heutzutage der Combattant selbst nicht mit Verbandzeug 
versehen; indessen hatte hier Larrey durch seine so ausserordentlich 
beweglichen Ambulanzen*) bereits 1792 eine eminente Vervollkommnung 
für die erste Hülfe im Felde geschaffen. Diese bewährten sich zuerst 
im italienischen Feldzuge 1797, und bei Abukir**) soll nach Larrey’s 
Aassage kein Verwundeter länger als V* Stunde unverbunden geblieben 
sein. Ist das vielleicht auch übertrieben, so viel steht fest, dass zu der 
genannten Zeit die französische Armee in dieser segensreichen Einrichtung 
für die erste Hülfe auf dem Schlachtfelde von keiner anderen über¬ 
troffen wurde. 

In der langen Friedensepoche, welche auf die welterschütternden 
Kämpfe zu Anfang des Jahrhunderts folgte, wurde in den meisten 
Armeen die Frage nach Verbesserung***) der Feld-Sanitätsanstalten schon 
aos dem Grunde lebhafter ventilirt, weil jetzt zupieist Landeskinder die 
stehenden Heere bildeten, für welche in vollkommnerem Grade zu sorgen 
der Staat die Verpflichtung batte, als für Miethstruppen. Im Zusammen¬ 
hang hiermit nahm die Sorge für die im Felde verwundeten und erkrankten 
Krieger eine andere Gestalt an durch die Privathülfe und die freiwillige 
Krankenpflege, einen Factor, dem zum ersten Male staatlicherseits in den 
Freiheitskriegen eine tiefgehende Bedeutung eingeräumt wurde, einen 
Factor, mit welchem alle späteren Feldzüge rechnen konnten bezw. mussten, 
und durch dessen Organisation unter Aufsicht der Staatsbehörde das Loos 
des hilfsbedürftigen Kriegers ausserordentlich gebessert worden ist. 

Rechnet man hierzu noch die Nutzbarmachung der Dampfkraft als 
relativ bequemes und vollkommneres Krankentransportmittel, sowie die 
der Electricität zur Requisition schleuniger Hülfe, so erscheint es be¬ 
greiflich, dass in Anbetracht aller dieser Fortschritte die Frage nach der 


*) Richter, Chirurgie der Schussverletzuugen, S. 429 ff. und Fischer, Hand¬ 
buch der Kriegschirurgie, S. 448. 

**) E. Richter, 1. c. S. 430 und A. L. Richter, 1. c. S. 60. 

***) S. h. A. L. Richter, 1. c. S. 49 ff. 


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Zweckmässigkeit bezw. Nothwendigkeit eines Soldaten-Verbandpäckchena 
in den Hintergrund trat. 

Zuerst spricht Löffler,*) welcher 1849 nur Offiziere im Besitz von 
Verbandmitteln fand,**) von einem solchen und erwähnt, dass bei der im 
Jahre 1859 aus Veranlassung des italienischen Krieges erfolgten Mobil¬ 
machung der preussischen Truppen ein jeder Soldat des 12. Infanterie- 
Regiments, dessen Regimentsarzt Löffler zu jener Zeit war, nach seinen 
Angaben ein etwa drei Zoll langes und 1 Zoll dickes Verbandpäckchen 
mit sich führte.***) Dasselbe enthielt zwei Stücke alter, weicher, 
sauberer Leinwand von bestimmter Länge und Breite, ein ebenso langes, 
aber nur halb so breites Stück von feinem Wachstafiet, einen kleinen 
Bausch krauser Charpie und eine Binde. 

Indessen hatte bereits wenige Jahre vorher England 1855 bei seinen 
Truppen im Krimfeldzuge ein Soldaten-Verbandpäckchen reglementarisch 
eingeführt. Durch ein Decret des Kriegsministers vom 27. Mai 1855+) 
wurde jeder Soldat mit einem „soldier’s first dressing tt ausgerüstet, das 
er bei sich in der Tasche führte, und nach Körting ff) ist es seitdem 
in allen Feldzügen Englands angewandt. So trugen die britischen Truppen 
in dem Ashantikriege nach Dziewonski und Fix fff) in einer Tasche 
auf der linken Seite der Brust ein Verbandpäckchen, bestehend aus Lint, 
einer einfachen Salbe in Glanzpapier, einem dreieckigen Tuch, 2 Sicher¬ 
heitsnadeln und einigen gewöhnlichen Stecknadeln. Das Ganze, in wasser¬ 
dichtes Papier eingehüllt, bildete ein glattes Päckchen, 4 Zoll lang, 
3 </a Zoll breit und 1 Zoll dick. Im Anschluss hieran wurden im Kaffern- 
kriege und bei der Expedition gegen die Jovakis in Ostindien die Mann¬ 
schaften in chirurgischen Grundsätzen unterrichtet.*!) Dabei ist noch 
hervorzuheben, dass die Engländer bei ihren Expeditionen zum Theil einen 
ausserordentlich grossen Ambulanztrain bei sich führten. So wurde bei 
dem Marsche von Kabul auf Kandahar ein Corps von 10 000 Mann von 
nicht weniger als 2192 Krankenträgern begleitet,**!) und ausserdem führte 

*) Löf fl er, Grundsätze und Kegeln für die Behandlung der Schusswunden 
im Kriege. I. Abth. S. 90 ff. 

**) Löffler, Das Preussische Militär-Sanitätswesen und seine Reform nach 
der Kriegserfahrung von 1866. 2. Theil. S. 221. 

***) Löffler, Grundsätze und Regeln u. s. w. Theil 1. S. 91. 
f) Dziewonski et Fix, Antisepsie primitive sur le champ de bataille, S. 52. 
ff) Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1881. S. 365. 
fff) 1. c. S. 51 und Esmarch, Die erste Hülfe bei Verletzungen, S. 58. 

*!) Roth, Jahresbericht 1878 und 1879, S. 57 und 104. 

**f) Derselbe, Jahresbericht 1881—82, 8. 307. 


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man 11 Dborlies, 231 Dandies, 286 Ponies und 43 Esel als Kranken- 
transportmittel mit. Auch waren in diesen Feldzügen die Verluste theilweise 
so gering, dass — wie z. B. im Zulukriege — von einem irgend wie er¬ 
heblichen Gebrauch deS Verbandpäckchens keine Rede sein konnte.*) 

Es ist übrigens charakteristisch, dass gerade die Engländer, welche 
im ersten Winter des Krimfeldzuges den kriegsgeübteren Franzosen 
gegenüber in allen militärischen wie sanitären Verhältnissen überaus 
Dachstanden, die sich aber aus den bitteren Erfahrungen die entsprechen¬ 
den Lehren zogen und sich auf diese Weise im nächsten Winter in einer 
im Vergleich zu ihren Verbündeten bei Weitem günstigeren Lage befanden, 
and namentlich in sanitärer Beziehung,**) dass gerade die Engländer die 
Nothwendigkeit eines soldier’s first dressing erkannten und reglementarisch 
einführten. 

In dem nächsten grosseren europäischen Kriege, dem italienischen, 
im Jahre 1859, war weder in der österreichischen, noch in der fran¬ 
zösischen wie der piemontesischen Armee der Combattant officiell mit 
einem Verbindezeug versehen. Die Noth in diesem Feldzuge nach der 
Schlacht bei Solferino, namentlich bei den Franzosen, ist aus DunantV 
düsterem Nachtgemälde — souv6nir de Solferino — sattsam bekannt. 
Chenu berichtet u. A., dass einzelne Verwundete erst am 30. Juni von 
dem Schlachtf^lde in die Ambulanzen gebracht wurden, wiewohl die 
Schlacht bereits am 24. geschlagen worden war. 

Einen wohlthuenden Gegensatz zu diesen Bildern bietet der nord¬ 
amerikanische Secessionskrieg von 1861—1865, zumal in seinen letzten 
Phasen. Nachdem es beim Beginn dieses gewaltigen Ringens an dem 
Allernothwendigsten in Bezug auf das Kriegsheilwesen gefehlt hatte, 
erregte der nordamerikanische Unionskrieg sehr bald durch den Erfolg, 
mit welchem trotz der colossalen Dimensionen des Hülfsbedürfnisses für 
die Verwundeten und die Kranken gesorgt wurde,***) das allergrösste 
Erstaunen.f) Auch hier war der Combattant officiell nicht mit einem 
Verbindezeug versehen. 

Dagegen war im deutsch*dänischen Feldzuge 1864 nach Löfflerff) 


*) The Lancet, 187S. p. 259. 

**) Chenu, Manuel de la Dame de Charite, du Brancardier et de rinfirmier, 
S. 16 und 17. 

***) v. Haurowitz, Das Militär - Sanitätswesen der Vereinigten Staaten von 
Nordamerika während des letzten Krieges, S. 55 u. a. a. O. 
t) E. Richter, Chirurgie der Schussverletzungen, S. 447. 
tt) Löffler, Das preussische Militär-Sanitätswesen etc., II. Theil, S. 221. 


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bei nicht wenigen Truppen die Mannschaft derart mit einem Verband¬ 
päckchen versorgt, wie es dieser Autor bereits 1859 empfohlen hatte, 
und dasselbe*) ist bei vielen preussischen Truppentheilen im böhmischen 
Kriege 1866 der Fall gewesen; allein das kleine Päckchen wurde hier 
im Brotbeutel, dort im Tornister getragen, so dass das Suchen danach 
Zeit raubte; und waren die Tornister vor dem Gefecht abgelegt, so konnte 
es gerade im Momente des Bedarfs überhaupt fehlen. 

Schon vor Beginn des böhmischen Krieges von 1866 war in Preussen 
eine Reform des Militär-Medicinalwesens angebahnt, welche, durch den 
Feldzug unterbrochen, unmittelbar nach Beendigung desselben wieder 
aufgenommen wurde. Gleichzeitig traten auf die Initiative von Aller¬ 
höchster Stelle aus die bedeutendsten Autoritäten auf dem Gebiete der 
Kriegschirurgie in Berlin zu einer Conferenz zusammen, um ihre Er¬ 
fahrungen in den letzten Feldzügen zum Heile der Opfer künftiger Kriege 
zu verwerthen.**) Im Schoosse dieser Conferenz wurde auch die Frage 
discutirt, ob es zweckmässig sei, den Soldaten selbst seinen eigenen 
eventuellen Bedarf für einen ersten Verband bei sich tragen zu lassen. 

Man entschied sich dafür; und so wurde in der „Instruction über 
das Sanitätswesen der Armee im Felde vom 29. April 1869“***) durch 
den §. 3 bestimmt, dass jeder Soldat der norddeutschen Armee mit 
gewissen Verband-Gegenständen bei Ausbruch eines Krieges versehen 
werden sollte, welche bei der Infanterie in der linken Hosentasche, von 
den Husaren und den Ulanen, eingenäht in den Vorderschooss des Attila 
resp. der Ulanka, von den übrigen berittenen Mannschaften in der hinteren 
Rocktasche getragen wurden. 

Der Gedanke, den Soldaten selbst seinen „ersten Verband auf dem 
Schlachtfelde“ bei sich tragen 2 u lassen, fand auch in Kreisen, welche 
der Armee ferner standen lebhaften Anklang; und namentlich war es 
Esmarch, welcher demselben in Wort und Schriftf) die grösste Theil- 
nahme zuwendete und dadurch das durch die Kriege von 1864 und 1866 ohne¬ 
hin für diese Sache gesteigerte Interesse im grossen Publicum wach und rege 
erhielt. Er redete anstatt der Binde dem dreieckigen Tuchff) a ^ 8 Ver- 

*) Löffler, Das preussische Militär-Sanitätswesen etc., II. Theil, S. 221. 

**) Löffler, 1. c. S. 1. 

***) Siehe diese, S. 2. 

+) Esmarch, Der erste Verband auf dem Schlachtfelde. 

Derselbe, Verbandplatz und Feldlazareth (namentlich 1. Vortrag), utid in 
späterer Zeit derselbe, Die erste Hülfe bei Verletzungen, S. 57 u. f. 
tt) Verbandplatz etc., S. 11. 


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baudmittel eifrigst das Wort ond fugte dasselbe in natura, mit Zeich¬ 
nungen versehen, welche den technischen Oebranch versinnlichen sollten, 
seiner kleinen Schrift: „Der erste Verband anf dem Schlachtfelde“ bei. 
Ausserdem empfahl er 2 mit einer Mischung von 1 Theil Carbolsäure 
auf 10 Theile Fett bestrichene Läppchen, welche nebst 2 kleinen Ballen 
Charpie oder präparirter Watte in gefirnisstes Seidenpapier eingewickelt, 
dem dreieckigen Tach beigefugt werden sollten. Das ganze Päckchen 
stellte ein Quadrat dar und wog 47 Gramm. Esmarch schlug vor, 
dasselbe in der Tasche des Waffenrocks oder im Brotbeutel zu tragen, 
nicht im Tornister. 

Der nach kaum mehr als Jahresfrist ausbrechende deutsch-französische 
Krieg sollte bald Gelegenheit geben, Erfahrungen über den Nutzen des 
Verbandpäckchens, welches in der Form, wie es die oben angezogene In¬ 
struction vorschrieb, von den deutschen Truppen mitgeführt wurde, zu 
sammeln. 

Uebrigens waren auch in der französischen Armee manche Truppen- 
theile mit Verbindezeug versehen.*) 

Auf der Conferenz im Sanitätspavillon der Wiener Weltausstellung 
im Jahre 1873 war der „erste Verband des Soldaten“ Gegenstand leb¬ 
hafter Erörterungen**) und wurde auf Vorschlag von v. Langenbeck, 
Billroth und Esmarch nach dem von dem letztgenannten Autor vor¬ 
geschlagenen Muster für die combattante Mannschaft aller Armeen 
empfohlen. 

Deutschland, England und Russland hatten damals schon ein Soldaten- 
Verbindezeug eingeführt.***) 

Gleichwohl scheint dasselbe im letzten russisch-türkischen Kriege 
1877—78 bei den Russen sich nur auf dem Papier befunden zu haben. 
Dasselbe sollte reglementarisch in den wasserdichten und mit einem 
imdurchlässigen Stoffef) überzogenen Brotbeuteln, deren Präparation 
nach Gori Geheimniss und Eigenthum des Fabrikanten August Reim in 
St. Petersburg ist, getragen werden und nach Chassagne und Emery, 
Debrousses+f) *u8 einer Compresse und zwei Binden — sogenannte 


*) Dziewonski et Fix 1. c. S. 50. 

**) Gori, la Chirurgie militaire et les societes de secours ä l'Exposition uni¬ 
verselle de Vienne 1873, S. 87; s. auch Chassagne et Emery, Debrousses- 
Guide medical pratique de l’officier, S. 192. 

***) Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1881. S. 360 und 361. 
t) Gori 1. c. S. 86. 

tf) Guide medical pratique de Tofficier, S. 174. 

10 


v. 


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chirurgische Munition — bestehen; indessen waren nach Knorr*) nur 
die Feldscherer, nicht aber die combattante Mannschaft mit Verband¬ 
zeug versehen. Auch Kocher**) erwähnt weder in seiner In¬ 
struction für den Sanitätsdienst auf Verbandplätzen, noch in seinem 
Werke „ Sani täts wesen bei Plewna“ überhaupt einer derartigen Institution. 

Ebenso sagt Grim m***) in dieser Beziehung vom Leib-Garde-Jäger- 
Regiment, dessen Oberarzt er während des Feldzuges war, nur dass 
dasselbe mancherlei an Verbandmaterial vor seinem Ausrücken aus 
St. Petersburg angeschafft habe. Möglicherweise hat sich darunter zum 
Theil Soldatenverbindezeug befunden; denn nach Privatmittheilungen von 
Herrn v. Bergmann ist die russische Garde mit solchem ausgerüstet 
gewesen, trug dasselbe jedoch nicht im Brotbeutel, sondern im Tornister, 
welche letztere sowohl bei Gorny-Dubnjak als auch bei Telesch, ehe die 
Garde zum Sturm antrat, abgelegt wurden. Herr v. Bergmann glaubt 
nicht, dass von diesem Verbandmaterial überhaupt Gebrauch gemacht 
worden ist, oder doch nur in ausserordentlich sporadischen Fällen. 

Dementsprechend findet sich auch in der einschlägigen Litteratur nur 
zwei Mal eine diesbezügliche Notiz. Die eine betrifft 154 Päckchen 
„erster Verband u f)> welche das Centralcomite der deutschen Vereine zur 
Pflege im Felde verwundeter oder erkrankter Krieger für die russische Armee 
spendete. Dass diese für eine Heeresmacht von 464 526 Mann — das 
war die Durchschnitts Kopfstärke derselben im Jahre 1878f+) — überhaupt 
nicht in Betracht kommt, bedarf keiuer Erwähnung. In der zweiten 
handelt es sich nach dem russischen militär-medicinischen Journal — 
Octoberheft des Jahres 1678ftt) — um einen Mann des 4. Grenadier- 
Regiments, welcher sich mit einem in seiner Tasche befindlichen Ver¬ 
bandmaterial sein zerschossenes Auge verband. 

Während des österreichischen Feldzuges in Bosnien war nach 
Myrdacz*f) jeder zweite Mann des Kriegsstandes mit einem Verband¬ 
päckchen versehen. Bereits in einem Erlasse des K. K. Reichs-Kriegs- 

*) Knorr, Das rassische Heeres-Sanitätswesen, S. 17. 

**) S. Knorr, Anlage A. Instruction etc. entworfen im Mai 1877 für das 
IX. Armee-Corps. 

***) Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1879, S. 129. 
t) Knorr, Das russische Heeres-Sanitätswesen, S. 219. 

ff) Roth, Jahresbericht 1881—82, S. 290. 
fff) S. dieses, Reich, Erkrankungen des Sehorgans bei Schussverletzungen des 
Kopfes, S. 229. 

*+) Myrdacz, Sanitätsgeschichte und Statistik der Occupation Bosniens und 
der Herzegowina 1878, S. 11. 


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ministeriums vom 7. April 1877 war der Inhalt desselben bestimmt: ein 
dreieckiges Tuch von leichtem Calicot, 2 Meter Binde von demselben 
Stoffe, 5 Gramm Baumwolle und 2 Sicherheitsnadeln. Dieser Inhalt sollte, 
in einem versiegelten Säckchen aus leichtem, mit Firniss getränkten 
Calicot verwahrt, bei den Fusstrnppen in der linken Hosentasche, bei 
den berittenen in der rechten oberen, mit einigen Heftstichen zu ver- 
schliessenden Blousentasche getragen werden. 

Indessen kam es nach Myrdacz*) vorläufig nicht zur Anschaffung 
von Verbandpäckchen nach diesem Muster, weil der österreichische 
patriotische Hulfsverein zu Wien ähnliche Päckchen im Laufe des Jahres 
1877 der Eriegsverwaltung wiederholt in grosseren Partien’ zur Ver¬ 
fügung stellte. Dieselben ersetzten die Binde durch eine Compresse, 
entbehrten dagegen der Sicherheitsnadeln. Um diesen so modificirten 
Inhalt wurde eine Hülle von wasserdichtem Stoff geschlagen, so dass das 
Päckchen eine länglich viereckige Gestalt von 12‘/s cm Länge und 10 cm 
Breite erhielt. 

In der süddalmatinisch-berzegowinischen Insurrection 1882 war nach 
Kirchenberger**) jeder combattante Mann mit einem Verbandpäckchen 
versehen. 

Zum Schluss sei hier noch erwähnt, dass dasselbe bei den nieder¬ 
ländischen Truppen der Fall war, welche im Jahre 1873 die Expedition 
gegen Atchin unternahmen.***) 

Bei der Beurtheilung über die Zweckmässigkeit und den Nutzen des 
Soldaten-Verbindezeugs kommen nach unserer Ansicht folgende Gesichts¬ 
punkte in Betracht. 

Zunächst ist als Prämisse und als Grundlage für die ganze folgende 
Betrachtung festzuhalten, dass der mit dem Verbindezeug des Combattanten 
anzulegende Verband immer nur ein Notbverband xar* efoj^V ist, und dass 
es ausserordentlicher Umstände bedarf, um zu diesen Verbandmittelu 
greifen zu müssen. Dieser Auffassung tragen auch alle die Staaten 
Rechnung, welche den „Ersten Verband“ in die Ausrüstung des Soldaten 
aufgenommen haben, indem sie den zur Hülfe berufenen Sanitätsorganen 


*) Myrdacz, Sanitätsgeschichte und Statistik der Occupation Bosniens und 
der Herzegowina 1878, S. 11. 

**) Roth, Jahresbericht, 1881—82, S. 303. 

***) Roth, Die Tbätigkeit des Sanitätsdienstes im Kriege der Holländer gegen 
Atschin. — Separatabdruck aus der Deutschen militärärztlichen Zeitschrift, S. 25. 

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einen eigenen und so reichlichen Vorrath an Verbandmaterial mitgeben*), 
wie er sich eben mit der Schlagfertigkeit der Armee und der zum Theil 
sehr nothwendigen Beweglichkeit der Feld-Sanitätsanstalten verträgt. 

Wir mochten infolge dessen Fischer**) nicht beipflichten, wenn 
er es u. A. für die Aufgabe der Truppenverbandplätze hält die Wunden 
mit dem Verbandzeug, welches jeder Soldat bei sich trägt, zu verbinden, 
selbst wenn dasselbe sicherer und besser eingerichtet wäre als bisher; 
denn man wird ohne Weiteres zugeben müssen, dass das Verbandpäckchen 
des Feldsoldaten immer den Stempel des Unvollkommenen und höchst 
Provisorischen an der Stirn trägt 

Der Inhalt desselben sollte nur dann Verwendung finden, 
wenn der Verwundete durch besondere Umstände von der Hülfe 
der hierzu berufenen Sanitätsorgane für längere Zeit abge¬ 
schnitten ist, oder wenn diese letzteren, wiewohl anwesend, 
durch ungünstige Combinationen ihrer eigenen Verband- 
mittel ermangeln. 

Von nicht wenigen und hei vorragenden Kriegschirurgen werden in¬ 
dessen die Soldaten-Verbandpäckchen überhaupt für überflüssig gehalten. 
Nun, darüber ist sich wohl Jedermann klar, dass es aus mehr als einem 
Grunde wünschenswerth wäre, den Feldsoldaten von demselben zu entlasten; 
immerhin muss es befremdlich erscheinen, dass sich im Verlauf mehrerer 
Feldzüge, in welchen von wohl organisirten Armeen Combattanten-Ver¬ 
bindezeug mitgeführt wurde, noch eine solche Divergenz der Meinungen 
erhalten hat. Diese wird indessen begreiflich, und es erklärt sich, dass 
der Eine eine Institution lobt, wenn gerade der Zufall die Umstände und 
Ereignisse so herbeiführt, dass der unmittelbare* Nutzen einer solchen in 
die Augen springt, der Andere dieselbe für überflüssig erklärt, wenn das 
Gegentheil stattfindet. 

Es fragt sich indessen: Ist wirklich der Nutzen des Verbandpäckchens 


*) Deutsche Armee: Kriegs-Sanitätsordnung, S. 23 und Beilage 1 zu §. 25, 
Beilage 5 zu §. 63 und Seite 287 u. f. 

Oesterreichische Armee: Reglement für den Sanitätsdienst des K. K. Heeres, 
4. Theil S. 24 und 25, Beilage VII. und VIII. zu §. 97. Seite 39 und 40. 

Russische Armee: u. A. Knorr. Das russische Heeres-Sanitätswesen während 
des Feldzuges 1877—78. S. 16, 17, 18. 

Pirogoff, Kriegs-Sanitätswesen und die Privathülfe auf dem Kriegsschauplatz 
in Bulgarien und im Rücken der operirenden Armee 1877—78. S. 378 u. f. 

Italienische Armee: Servizio Sanitario in Guerra, S. 129 dieser Arbeit. 

**) Fischer, Kriegschirurgie 2. Bd. S. 698. 


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so ganz vom Zufall abhängig, oder haben die Feldzugserfahrungen gewisse 
Gesichtspunkte gezeitigt, welche in diese blinden Zufälligkeiten ein be¬ 
stimmtes System zu bringen im Stande sind? 

Wir glauben, diese Frage mit „Ja tt beantworten und für den Nutzen 
und die Zweckmässigkeit des Soldaten-Verbindezeugs 2 Hauptgesichts¬ 
punkte aufstellen zu müssen, welche hierbei von entscheidender Be¬ 
deutung sind. 

Erstens sind es die grossen Bewegungskriege, welche gegenüber den 
Positionskriegen derartige Situationen in der Kriegslage schaffen können, 
dass der Feld-Sanitätsdienst trotz einer noch so scharfsinnig geplanten 
Organisation sich als unzulänglich erweist, und in dieser Nothlage wird 
man unter Umständen auch auf Noth-Verbandmaterial, id est Soldaten- 
Verbindezeug, zurückgreifen. 

Ausgeschlossen hiervon sind die Positionskriege, ln diesen wird 
man mehr oder minder im Stande sein, die Actionen vorherzusehen und 
sich infolge dessen auf dieselben mit der Sorgfalt vorzubereiten, welche 
die concentrirten Hülfsquellen des Staates und der freiwilligen Kranken¬ 
pflege bieten. So war z. B. nach Löffler*) in dem deutsch-dänischen 
Feldzuge 1864, welcher seinem ganzen Charakter nach im Wesentlichen 
das Gepräge eines Positionskrieges trug, den Verwundeten so viel und 
so geschickter Beistand zur Seite, wie in keinem früheren Kriege. 

Die Bewegungskriege dagegen, in welchen ja allerdings auch immer 
Episoden Vorkommen werden, welche den Positionskriegen gleichen, wie, 
am von zahlreichen Beispielen nur eins aus der neuesten Kriegsgeschichte 
anzofuhren, der Donauübergang der Russen im Jahre 1877**), rechnen mit 
ganz anderen Verhältnissen. 

Es bedarf keines weiteren Beweises, dass es in solchen Feldzügen, 
wenn dieselben in Feindesland geführt werden, den Feld-Sanitätsanstalten 
am so schwerer werden wird, den Truppen alsbald und rechtzeitig zu 
folgen, je schneller die Armee vorrückt, je häufiger die Kämpfe auf ein¬ 
ander folgen, je grösser sich demnach das Hülfebedürfniss herausstellt, je 
schlechter die Communicationen des Landes sind, und je feindseliger und 
fanatischer sich die Bevölkerung verhält. 

Kommt hierzu noch ein an Hülfsquellen armer Kriegsschauplatz, 

*) Löffler, Generalbericht über den Gesundheitsdienst im Feldzuge gegen 
Dänemark 1864, 1. Theil S. 45. 

**) Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1879, S. 60 und 61. 

Fischer, Kriegschirurgie, 2. Theil, S. 697. 

Köcher, 1. o. S. 33. 


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beispielsweise Mangel an grossen Städten, so wird bei Aenderung der 
Etappen, zeitweiligem Aufgeben der Verbindungen, die zeitgemässe Er¬ 
gänzung des Materials auf die grössten Schwierigkeiten stossen. Vor 
Allem aber ist es eine unter solchen ungünstigen concurrir enden 
Nebenumständen plötzlich und unerwartet hereinbrechende 
grosse Feldschlacht, welche die Verbandmittel der Sanitäts- 
organe zu erschöpfen vermag. 

Auf den Eriegstbeatern der Feldzüge von 1859, 1866, 1877—78 — 
um nur diese zu erwähnen — spielen sich folgende Scenen ab. 

Man denke beispielsweise an die Rapiditat, mit weicher 1866 vor der 
Entscheidungsschlacht des 3. Juli die Kämpfe unter stetigen, rastlosen 
und anstrengendsten Märschen an Zahl und Bedeutung verliefen; man 
denke an die mangelhaften Communicationen auf der böhmischen Erde; 
und man vergegenwärtige sich schliesslich die Hauptschlacht bei König- 
grätz! Die Dörfer in der Nähe ausgesogen und verödet, keine grössere 
Stadt mit ihren Hülfsquellen in der Nähe! Man stelle sich diese Zahl 
von Blessirten*) vor in einer Schlacht, welche, erst in der Nacht vorher 
beschlossen, auf einem über 2 Meilen breiten und 1 Meile tiefen wald- 
nnd schluchtenreichen Schauplatz sich abspielt, und man wird zweifeln, 
ob nic^t auch bei den erreichbar vollkommensten Feld-Sanitätsanstalten 
und selbst unter günstigeren Verhältnissen das Verbandmaterial erschöpft 
werden kann! Das war bei Königgrätz thatsächlich der Fall.**) 

Zweifellos würden sich die Verwundeten Verhältnisse hier günstiger 
gestaltet haben, wenn man zur Deckung des ersten Hülfebedarfs über 
Verbandmaterial von Verwundeten resp. von Gefallenen hätte verfügen 
können. Wären doch wenigstens die Wunden während der langen Zeit,***) 
welche einige Unglückliche auf der Wablstatt zubringen mussten, vor 
Witterungseinflüssen, vor Staub und Schmutz geschützt gewesen, ganz abge¬ 
sehen von dem psychischen Effect, welchen der erste Verband, als Anfang 
der Hülfe, auf den Verwundeten auszuüben pflegt. 

Die Erfahrungen des jüngsten russisch-türkischen Krieges lassen sich 
in Bezug auf den Werth oder den Un werth eines Soldaten-Verband¬ 
päckchens nur in beschränktem Grade heranziehen. Allerdings hat sich, 
so oft die russische Armee, namentlich im Anfänge des Feldzuges, auf 
grössere Truppenmassen, als vermuthet, stiess, das Unzulängliche der 


*) Löffler, 1. c. S. 102. 
**) Löffler, 1. c. S. 98. 
***) Löffler, 1. c. S. 96. 


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ersten Hülfe trotz des grossen etatsmässigen Sanitätstrains*) derselben 
zuweilen in der crassesten Weise gezeigt und sich vielfach speciell in 
Mangel an Verbandmaterial**) documentirt. So fehlte es beispielsweise 
in Nicopol***) an den Kriegshospitälern und in den verlustreichen Juli¬ 
schlachten um Plewna sogar an den Divisiönslazarethen. 

Pirogofff) betont, dass es auf den Transporten für die Leute oft 
an Verbandmitteln gefehlt habe, und dass dieselben mehrfach dem 
„rotben Kreuz tt entlehnt werden mussten. 

IndeS8 kommen hier hauptsächlich als für die Verwundetenpflege 
besonders ungünstige Verhältnisse, abgesehen u. A. von dem an Hülfs- 
quellen aller Art armen Kriegsschauplatz und der Missachtung aller 
Principien der Genfer Convention von Seiten der Türken,ff) vor Allem 
die Mängel in Betracht, welche nach Kocher in der Organisation des 
Feld-Sanitätsdienstes selbst lagen.fft) 

Es kann sich ja für uns selbstverständlich nur. um den Nachweis 
bandeln, dass trotz einer möglichst vollkommenen und zweckentsprechenden 
Organisation des Kriegsheil Wesens dennoch gewisse Situationen in der 
Kriegslage Noib verband material, von den Truppen selbst mitgeführt, 
dringend wünschenswert machen; denn mangelhaften Einrichtungen des 
Feld-Sanitätsdienstes wird dasselbe unter allen Umständen zu Gute 
kommen. 

Wer wollte daran zweifeln, dass das Schicksal der Verwundeten vor 
Plewna sich in vielen Fällen, namentlich bei der Abwesenheit der 
Divisionslazarethe, durch Mitführung von Combattanten-Verbindemitteln 
günstiger gestaltet hätte! 

Wenn daher Kocher*f) und Pirogoff der Meinung sind, dass durch 
eine zeitgemässe Reform des Militär-Sanitätswesens die Misserfolge des¬ 
selben zu vermeiden gewesen wären, und diese Autoren dem Combattanten - 
Verbindezeug wenig Gewicht beizulegen geneigt scheinen,**f) so steht es 

*) U. A. Deutsche militärärztliche Zeitschrift, 1881, S. 260. 

**) Pirogoff, Das Kriegs-Sanitätswesen und die Privathölfe auf dem Kriegs¬ 
schauplatz in Bulgarien und im Rücken der operirenden Armee, 8. 378. 

***) Köcher, Sanitätswesen bei Plewna, II. Th. S. 61. Dieselben traten erst 
tun 16. und 17. October nach dem Sturm auf Gomy-Dubnjack und Bogot und 
Slagewitz in Thätigkeit. 

f) Pirogoff, 1. c. ebendaselbst. 

tt) Köcher, 1. c. S. 45. 

tÜO Derselbe S. 74 u. f. 

*t) Sanitätswesen bei Plewna, II. Theil, S. 80 u. f. 

* # t) Pirogoff erwähnt nur ein Mal das preussische Verbandpäckchen (S. 397). 


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uns am allerwenigsten an, die Ansichten so gediegener Kenner des 
Militär-Medicinalwesens za kritisiren. Nur ein Postulat Kochers, von 
dessen Erfüllung er ebenfalls die erfolgreiche Thatigkeit der Feld-Sanitäts- 
anstalten abhängig macht, hat gerade nach dem oben Ausgeführten gewisse 
Beziehungen zu der Frage üb'er die Zweckmässigkeit eines Combattanten- 
Yerbindezeugs. — Kocher betont nämlich ausdrücklich, dass vor allen 
grösseren Actionen eine diesbezügliche Verständigung der Militär- Sanitäts- 
chefs durch den Truppenführer erfolgen müsse. 

Wer pflichtete dem nicht unbedingt bei, und welche Truppen- 
commandeure würden für diesen Zweck die nöthige Auskunft verweigern! 
Liegt es doch zu sehr in ihrem eigensten Interesse, sich über das Schicksal 
ihrer Verwundeten zu beruhigen und denselben den grösstmöglichen 
Nutzen angedeihen zu lassen! Leider sind sie aber selbst vielfach gar 
nicht in der Lage, hierüber orientirt zu sein, und können es auch gar 
nicht sein. Hängt doch gerade bei der modernen Kriegführung häufig 
genug der Erfolg von rascher Entschlussfähigkeit und plötzlicher Aenderung 
aller getroffenen Dispositionen ab! Wie oft entspinnt sich aus kleineren 
Scharmützeln ein bedeutendes Gefecht, und wie häufig drängen unvorher¬ 
gesehene Ereignisse den Heerführer zu ernsteren Actionen, die er gar 
nicht beabsichtigte! Aber gerade diese sind es, welche jene Katastrophen 
herbeiführen, unter denen die Feld-Sanitätsanstalten trotz einer im Uebrigen 
vollkommenen Organisation auf Noth-Verbindezeug angewiesen sein können. 

Ja, die neuere Kriegsgeschichte ist nicht arm an Beispielen, wo sich 
grosse Armeen ganz unvermuthet trafen, und wo sich Schlachten mit 
einem so colossalen Hülfebedürfniss entwickelten, von denen selbst die 
Heerführer auch nur wenige Standen vorher nicht die geringste Ahnung 
gehabt haben. 

Oder hat man die Umstände vergessen, unter welchen sich das Drama 
von Solferino abspielte? 

Zu gegenseitiger Ueberraschung stiess man in der Morgenfrühe des 
24. Juni 1859 auf einander.*) Auf keiner Seite wurde eine Schlacht 
vermuthet; und so stand auch hier, wie 7 Jahre später bei Königgrätz, 
der Feld-Sanitätsdienst vor der grossen, unerwarteten Feldschlacht Daher 
dieselbe Unzulänglichkeit der Hülfe, dieselbe Erschöpfung des Verband¬ 
materials,**) namentlich bei den Franzosen! Mögen auch hier wiederum 


*) Bulle, Geschichte der neuesten Zeit. S. 319. 

**) Esmarch, Ueber den Kampf der Humanität gegen die Schrecken des 
Krieges. S. 9. 


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bei diesen die mangelhaften Etatsverhältnisse ihrer Ambulanzen*) einen 
Theil der Schuld getragen haben, und ziehen wir in Betracht, dass man 
für den ersten Beistand die Regimentsmusiker verwendete, deren Zahl 
hier für diesen Zweck durchaus ungenügend war, und denen ebenso, wie 
den in späteren Kriegen verwendeten Trainsoldaten**) die erforderliche 
Technik fehlte, so ist doch die Frage wohl berechtigt, ob nicht bei solcher 
Lage der Verhältnisse auch eine vollkommenere Organisation des Feld- 
Sanitätsdienstes unter so plötzlichen und völlig unerwartet hereinbrechen- 
den grossen Verlusten ihr Verbandmaterial erschöpft und mit Freude auf 
Noth-Verbindemittel von Combattanten recurrirt hätte. 

Man konnte den eben besprochenen Kriegen den nordamerikanischen 
1861—65 entgegenstellen, als einen der gewaltigsten in der Kriegs¬ 
geschichte der neueren Zeit, in welchem sich das Bedürfniss nach einem 
Soldaten-Verbandpäckchen absolut nicht fühlbar gemacht hat. Gewiss! 
Allein die Verhältnisse dieses Feldzuges waren so eigenartige, dass sie 
sich mit europäischen gar nicht vergleichen lassen. 

ln diesem Kampfe, welcher sich namentlich in seinen letzten Phasen 
auf einem relativ kleinen Raume abspielte, war man nach Richter***) 
nicht selten im Stande, Tage lang vor der Schlacht die Vorbereitungen 
für die Verbandplätze zu treffen, Zeltlazarethe aufzuschlagen und sie mit 
den reichlichsten Mitteln auszurüsten, so dass das Ganze einer wohl- 
geordneten Klinik glich, welche sich bei ausreichendstem Personal und 
Material für den Empfang zahlreicher Verwundeter mit Sorgfalt vor¬ 
bereitete. Ausserdem war durch die so berühmt gewordene Sanitäts- 
Commissionf) auf der einen Seite ein so vollkommenes und mustergültiges 
System der Sorge für die Verwundeten, und speciell für die erste Hülfe 
derselben, durchgeführt und auf der anderen Seite der hierfür nothige, 
natürlicherweise ausserordentlich grosse und wegen der Eigenartigkeit 
der Krieg8führung die Schlagfertigkeit der Armee dennoch nicht beein¬ 
trächtigende Ambulanztrain vorhanden, dass beispielsweise in der Schlacht 
bei Fredericksburgff) am 13. December 1862, in welcher die Union von 
110000 Streitern 13 000 an Todten und Verwundeten, d. i. ll,8pCt. verlor, 


*) Fischer, Kriegs Chirurgie II. Th. S. 449. 

**) Chenu, I. c. S. 51 und L4on le Fort, la Chirurgie militaire et les soeietes 
de secours en France et ä l’Etranger, S. 130. 

***) E. Richter, Chirurgie der Schussverletzungen, S. 518. 
t) v. Haurowitz, Das Militär-Sanitätswesen der Vereinigten Staaten von 
Nordamerika, S. 108 u- f. 
ft) E. Richter, 1. c. S. 61. 


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kein Verwundeter langer als zwei Stunden ohne Hülfe auf dem Sehlacht¬ 
felde lag.*) — Die gewaltige Schlacht bei Gettysburg vom 1. bis 
3. Juli 1863 führte den Verbandplätzen der Unionsarmee 20 995 Ver¬ 
wundete von Freund und Feind zu, und doch lag am Morgen des 4. Juli 
kein Verwundeter mehr auf dem von der Unionsarmee beherrschten 
Schlachtfelde. 

Rechnet man hierzu noch die dilatorische Art und Weise der Kriegs¬ 
führung — die Schlachten folgten stets in grosseren Pausen — sowie 
die Hülfsmittel, welche Zeit und Land reichlichst darboten, und schliess¬ 
lich die Respectirung der PrincipieU der Genfer Convention, ehe dieselbe 
überhaupt ins Leben trat, so vereinigte sich eben Alles, um trotz des 
colossalen Hülfebedürfnisses die Zulanglichkeit des Feld-Sanitätsdienstes 
zu sichern und auf die Mitführung von Soldaten-Verbindezeug zu ver¬ 
zichten. 

Dagegen sind die Ansichten der Autoren über den Werth des Ver¬ 
bandpäckchens im deutsch-französischen Kriege 1870—71, welcher eben¬ 
falls im Ganzen und Grossen für die Anwendung desselben recht un¬ 
geeignete Verhältnisse bot, doch mindestens getheilt. 

Auf die verlustreichen Augustschlachten des Jahres 1870 war die 
angreifende deutsche Armee unter den günstigsten Bedingungen vorbereitet. 
Sie focht fast vor den Thoren Deutschlands, in einem Lande mit bequemen 
Communicationswegen und grossem Reichthum an Hülfsquellen aller Art — 
So fand denn auch Leon le Fort,**) als er am Morgen nach der Schlacht 
bei Boruy und 12 Stunden nach der Beendigung des Kampfes die 
preussischen Feldlazarethe um Metz besuchte, um verwundete Gefangene 
auszutauschen, Alle, Freund wie Feind, gelagert und mit definitiven, ihren 
Verwundungen entsprechenden Verbänden versehen; und in der Schlacht 
von St. Privat, bei welcher die 2. Garde-Infanterie-Division erst um 
5 Uhr Nachmittags in den Kampf eingriff und an Todten und Verwundeten 
3723 Mann verlor, war bis zum nächsten Mittag das Schlachtfeld voll¬ 
ständig aufgeräumt und gründlich abgesucht.***) 

Auch in den späteren Phasen dieses Feldzuges, nach dem gewaltigen 
Ringen um Metz, liessen sowohl der Charakter des Kriegstheaters als 
auch zum Theil bereits erwähnte günstige concurrirende Umstände den 
Gebrauch des Soldaten-Verbandpäckchens wohl nur in sehr seltenen 

*) Fischer. 1. c. II. Th. S. 467. 

**) L6on le Fort, la Chirurgie militaire et les societes de seconrs en France et 
ä l’Etranger, S. 131 und 132. 

***) Fischer, 1. c. S. 467. 


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Fällen nöthig erscheinen, und es darf uns daher nicht wandern, wenn 
gerade Erfahrungen dieses Krieges, als des ersten grossen, in welchem, 
abgesehen von dem englischen Expeditionscorps in der Krim, der Soldat 
einer wohlorganisirten Armee mit eigenen Verbandmitteln ausgerüstet 
war, im Allgemeinen dazu angethan erschienen, die Nothwendigkeit und 
den Werth eines Combattanten-Verbindezeugs zu discreditiren. 

So sieht Beck*) dasselbe geradezu für unnothig und überflüssig an, 
da es die Mannschaften, wie voraussichtlich, gleich im Anfang des Krieges 
theils verschleudert, theils zu anderen Zwecken benutzt hätten. Während 
des ganzen Feldzuges hat er es nur bei 2 Verwundeten gefunden.**) 
Auch Nicolai***) giebt zu, dass die Soldaten sich ihrer Verbandmittel 
vielfach entledigt hätten, weil sie dieselben für überflüssig hielten und 
zum Theil mit abergläubischer Scheu betrachteten. Uebrigens bemerkt 
dieser Autorf) zu den Beck 1 sehen Erfahrungen, dass die badischen 
Truppen — auf diese dürften sich die Beck’sehen Beobachtungen wohl 
hauptsächlich beziehen — ihre Verbandpäckchen im Tornister bei sich 
führten. 

v. Schevenff) wünscht, dass von der Benutzung des von dem 
Infanteristen in der linken Hosentasche mitzutragenden Verbandmaterials 
unter allen Umständen abzusehen sei; auch Münnichü-f) spricht sich — 
wenn auch hur implicite — gegen dasselbe aus. 

Auf einem noch exponirteren Standpunkte steht der ungenannte Ver¬ 
fasser^) eines im 8. Heft der Deutschen militärärztlichen Zeitschrift 
von 1881 erschienenen Artikels, welcher die Verbandpäckchen für überflüssig, 
um nicht zu sagen für schädlich hält. Nach ihm sollen die Kranken¬ 
träger weder von ihren mitgeführten Verbandmitteln, noch von denen 
der Verwundeten Gebrauch machen, da alle diese Verbände in mehr oder 
weniger kurzer Zeit auf dem Hauptverbandplatz doch wieder abgenommen 
werden müssten. Diese ganze Procedur des Verbandanlegens und des 
Wiederabnehmens koste nur Zeit und sei den Wunden nicht forderlich. 

Gegenüber diesen Autoren, von welchen übrigens Nicolai**+) trotz- 

*) Beck, Schussverletzungen, S. 40 und 41. 

**) Tageblatt der 56. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Frei¬ 
burg (18. bis 21. September 1883) Militär-Sanitätswesen. 

Deutsche militärfirztliche Zeitschrift 1883, S. 490. 
f) Deutsche militärfirztliche Zeitschrift 1883, S. 490. 
ft) Dieselbe 1877, S. 282. 

f-f-f) Deutsche militärfirztliche Zeitschrift 1880, S. 77. 

•f) Zur Antisepsis im Felde, S. 196. 

**f) S. Deutsche militärfirztliche Zeitschrift 1. e. 


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dem lebhaft für den Werth des Verbandpäckchens eintritt, hebt Villaret*) 
hervor, dass, wie die Erfahrung gelehrt habe, die deutschen Soldaten sich 
nie ihres Verbindezengs entäussert, während sie sonst ihre Tornister 
nach allen Richtungen hin erleichtert hätten. Nach Privatmittheilungen 
von Herrn Villaret beziehen sich seine Beobachtungen hauptsächlich 
auf preussische Landwehr. 

Auch An schütz**) redet dem Soldaten-Verbindezeug, trotzdem 
dasselbe nur ein Gegenstand von untergeordneter Bedeutung zu sein 
scheine, und es nicht an gewichtigen Stimmen fehle, welche es nach den 
Feldzugserfahrungen von 1870—71 für vollständig entbehrlich erklären, 
sehr warm das Wort, und ebenso hält Lau6***) Combattanten-Verband- 
mittel für nöthig, will jedoch davon nur Gebrauch gemacht wissen, wenn 
den Sanitätsdetachements ihr Material ausgegangen ist. Andere Autoren, 
wie Lühe,f) Port,ff) Brnns^ftt) v. Nussbaum,*+) wenn sie auch 
nicht direct den Nutzen eines Soldaten-Verbandpäckchens erörtern, er¬ 
kennen dnrch Vorschläge für die Materialien seine Zweckmässigkeit aD. 

Ob dasselbe im letzten deutsch-französischen Krieg geradezu über¬ 
flüssig gewesen ist, eine Ansicht, welche sehr viele Militärärzte nach den 
praktischen Erfahrungen dieses Feldzuges dem Verfasser gegenüber ge- 
äussert haben, wollen wir hier nicht entscheiden; vielleicht würde seine 
Zweckmässigkeit klarer hervorgetreten sein, wenn man statt nach Westen 
gen Osten marschirt wäre. 

Uebrigens haben wir die Ueberzeugung, dass, wenn auch nur für 
1 pCt. der Verwundeten ein Nutzen durch das Verbandpäckchen gestiftet 
wird, man unter keinen Umständen von der Mitführung desselben ab- 
strahiren darf. 

Den zweiten für die Zweckmässigkeit des Verbandpäckchens sicher¬ 
lich nicht minderwerthigen Gesichtspunkt bieten die Verhältnisse, wie sie 
gegenüber den grossen Bewegungskriegen die Kämpfe kleinerer Truppen- 
Abtheilungen mit sich bringen. Hierher sind namentlich plötzliche Vor¬ 
posten- und Patrouillengefechte zu rechnen, letztere namentlich bei dem 
Aufklärungsdienste der Cavallerie. Man vergegenwärtige sich des Weiteren 


*) Yirchow-Hirsch, Jahresbericht 1882, S. 598. 

**) Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1885, S. 413. 

***) Deutsche militärärztliche Zeitschrift, 1879. S. 236. 
f) Dieselbe, 1879. S. 55 u. f. 

f+) Deutsche militärärztliche Zeitschrift, 1877. S. 283 u. f. 
fff) Dieselbe 1879, S. 611 u. f. 

*f) Virchow-Hirsch, Jahresbericht 1882, S. 598. 


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beispielsweise die isolirte Position einer detachirten Compagnie, welche 
eia Gehöft besetzt halt und längere Zeit nur auf die sanitäre'Hülfe ihres 
Lazarethgehülfen angewiesen ist! Kann nicht bei grosseren Verlusten 
leicht das Verbandmaterial desselben erschöpft werden, und sind diesem 
die Verbindezeuge der Verwundeten selbst nicht alsdann von wesent¬ 
lichem Nutzen? 

Hierher ist auch eine Kriegslage zu rechnen, wie sie sich auf über¬ 
seeischen Schauplätzen, im Kampfe gegen Naturvölker abspielt; denn ein 
solcher setzt sich im Wesentlichen aus einer Summe von Gefechtslagen 
der eben beschriebenen Art zusammen. So hatten sie beispielsweise die 
Engländer, beziehungsweise die Holländer, bei ihren Expeditionen gegen 
die Ashantis bezw. die Atchinesen zu bestehen. 

Um es korz zu sagen, so ist das soldiers first dressing in allen Feld¬ 
zügen Englands benutzt und hat befriedigt;*) und wenn auch bei den 
Holländern im Kriege gegen Atchin die von ihnen mitgeführten Verband¬ 
tücher infolge günstiger Combinationen keine Verwendung fanden, so 
verringert dieser Umstand den Werth derselben nach Roth**) in keiner 
Weise, und man sollte sie in künftigen Kriegen immer wieder mit ins 
Feld nehmen. ' 

Vor Allem aber sind es Kämpfe in sehr coupirtem Terrain, Gebirgs- 
kriege, bei welchen der Nutzen eines Soldaten-Verbandpäckchens sich in 
ausserordentlicher Weise zu documentiren vermag. 

ln einem wilden, mit vielfachen Wasserläufen, Gräben und Hügeln 
durchzogenen Terrain und bei den schon hierdurch bedingten schlechten 
und mangelhaften Communicationswegen vermögen die Feld-Sanitäts- 
anstalten oft gar nicht den Truppen rechtzeitig und namentlich nicht 
überallhin zu folgen, und auf diese Weise sind, vorzugsweise da, wo 
kleinere Truppenkörper sich mit dem Feinde engagiren, diese noth- 
wendigerweise auf die Hülfe ihrer Combattanten - Verbindezeuge an¬ 
gewiesen. 

Handelt es sich, wie so häufig in Gebirgskriegen, um Kämpfe gegen 
Guerrillabanden, so ist der Truppenführer bei der gerade hier in Eil- und 
Flankenmärschen bestehenden Taktik auch selten in der Lage, zu be¬ 
rechnen, wann und wo auf dem Kriegstheater er den Feind antreffen 
und zu einer eventuellen Gegenwehr veranlassen könne. 


*) Deutsche militärätztliche Zeitschrift 1881, S. 365. 

Die Thätigkeit des Sanitätsdienstes im Kriege der Holländer gegen Atchin. 


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Unter solchen Verhältnissen wird die instructionsmässige Handhabung 
eines im Uebrigen zweckmässigen Kriegsheilwesens nur in beschränktem 
Maasse stattfinden können. Kommen hierzu noch dieselben ungünstigen 
Nebenumstände, wie sie bereits bei der Besprechung des ersten Gesichts¬ 
punktes angeführt sind, als Eilmärsche, ein an Hölfsquellen armer Kriegs¬ 
schauplatz, feindselige und fanatische Bevölkerung u. 8. w., so erscheint 
es um so mehr geboten, einen eintretenden Mangel an Verbandmaterial 
durch Mitführung von Nothverbindezeug, id est Soldaten-Verbandpäckchen, 
zu compensiren. 

Unter den modernen Feldzügen illustrirt keiner eine derartige Kriegs¬ 
lage prägnanter als die Bekämpfung der bosnischen Insurrection durch 
die Oe8terreicber im Jahre 1878. 

So berichtet Myrdacz*) von diesem Kriegsschauplatz, einem aus¬ 
gesprochenen Gebirgsland mit zum Tbeil ungangbaren türkischen Saum¬ 
pfaden und den oben beschriebenen Bodenverhältnissen,**) dass nament¬ 
lich da, wo sich kleinere Truppenkörper mit dem Feinde schlugen, 
Verwundete sich selbst oder mit Beihülfe von Kameraden mit ihren 
eigenen Verbandmitteln verbanden. 

Nach demselben Autor gerieth beispielsweise am 21. September 1878 
eine detachirte Compaguie des 44. Infanterie-Regiments, allein auf ihre 
Blessirtenträger angewiesen, auf der Majevica planina ins Gefecht;***) 
dieselben, deren umsichtiges Verhalten Myrdacz übrigens lobt, errichteten 
selbstständig einen Verbandplatz, auf welchem sie von dem Verbindezeug 
der Verwundeten Gebrauch machten. — Dass bei solchen Gelegenheiten 
Blessirte, wenn sie nicht selbst fähig waren, zu gehen, von Combattanten 
zu den Verbandplätzen geschafft wurden, erklärt sich hinlänglich aus der 
Unmenschlicbkeit des Feindes, f) 

Tbeils aus diesem Grunde, wegen der Unsicherheit der Strassen, theils 
wegen der schlechten Communicationswege nach rückwärts und der an 
Hülfsmitteln jeglicher Art so ausserordentlich armen Gegend, musste der 
Abschub der Verwundeten vielfach nach vorn stattfinden. Auf diese 
Weise wurden dieselben längere Zeit hindurch beim Vorrücken der 
Truppen mitgeführt. 

Mit Recht betont daher Myrdacz auch von diesem Gesichtspunkte 
aus die Zweckmässigkeit des Verbandpäckchens bei sachgemässer An- 

*) Myrdacz, 1. c. S. 105. 

**) Militärarzt 1879. S. 161. 

***) Myrdacz, 1. c. S. 104. 

+) Militärarzt 1879. S. 160. 


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Wendung, weil hierdurch die Yorräthe au Verbandmaterial bei den Truppen 
oud den Sanitätsanstalten vor allzu schneller Erschöpfung bewahrt wurden. 
Dies war auf dem bosnischen Kriegsschauplatz bei der Schwierigkeit 
einer zeitgerechten Ergänzung von um so grösserer Wichtigkeit, als auch 
die Truppentheile viel Sanitätsmaterial für die Marodenhäuser abgeben 
mussten. — Schliesslich leisteten nach Myrdacz die Verbandpäckchen 
auch auf Märschen, im Lager, bei zufälligen Verletzungen und äusseren 
Erkrankungen gute Dienste. 

Infolge dessen beklagt es dieser Autor,*) dass gerade bei der durch 
die Eigenartigkeit dieses Kriegstheaters und der Kampfesweise gebotenen 
Verwendung des Verbandpäckchens die Blessirtenträger nicht überall in 
dem erwünschten Maasse von demselben Gebrauch gemacht haben, und 
schiebt die Schuld hierfür der Neuheit der Einführung, der ungenügenden 
Belehrung der Mannschaften**) und der Bequemlichkeit der Blessirten- 
träger zu, welche lieber das Verbandmaterial ihrem Brotsacke entnahmen, 
als es in der linken Hosentasche des Verwundeten zu suchen, wo sie es 
öfters allerdings auch nicht gefunden haben würden. Nicht selten kam 
es nämlich vor, dass dasselbe in den Tornistern verwahrt wurde. 

Auch der ungenannte Verfasser***) eines Artikels im „Militärarzt“ 
von 1879 spricht sich in seinen „militärärztlichen Erfahrungen, gesammelt 
auf dem Occupationsschauplatz in Bosnien in dem Jahre 1878“, sehr an¬ 
erkennend über den Nutzen der Verbandpäckchen aus. Ueberhaupt sind 
in der österreichischen Armee alle Stimmen über den W T erth und die 
Zweckmässigkeit derselben einig;f) nur Tiroch dürfte nach Körting+t) 
der erste sein, welcher sich gegen sie erhebt. 

Die Feldzugserfahrungen über das Verbandpäckchen in dem bos¬ 
nischen Insurrectionskriege resumirt Myrdaczfff) dahin, dass zweck¬ 
mässig ein jeder Mann des streitbaren Standes damit zu versehen und 
eingehend darüber zu belehren sei. 

Während des süddalmatinisch-herzegowinischen Aufstandes 1882 er¬ 
hielt nach Kirchenberger*t) jeder auf dem Occupationsgebiet befindliche 


*) Myrdacz, 1. c. 8. 103. 

**) Einige Aerzte pflegten vor dem Gefechte die Mannschaften über die Nutz¬ 
anwendung der Verbandpäckchen zu belehren; 1. c. S. 104. 

***) Militärarzt 1879. S. 25, 57, 121 etc. 
f) Militärarzt 1879. S. 161. 
ff) Deutsche militärärztliche Zeitschrift, 1881. S. 361. 
tff) Myrdacz, 1. c. S. 112. 

*f) Militärarzt 1882. S. 83. 


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Soldat ein solches, and waren die Blessirtenträger strenge angewiesen, 
zum ersten Nothverbände sich in erster Linie nur der Verbandpäckchen 
zu bedienen. Wenn das auch in so principieller Fassung vielleicht nicht 
vonnothen war, denn die Oesterreicher standen dieser zweiten Insurrection 
nach einer mehr denn dreijährigen Besetzung des Landes viel gewapp¬ 
neter gegenüber als 1878, — auch waren die Verluste im Laufe des ganzen 
Feldzuges sehr geringe*) — so beweist doch dieser Umstand, einen wie 
grossen Werth im Gebirgskriege erfahrene Militärärzte dem Soldaten- 
Verbandpäckchen beilegen. 

In gewissem Sinne entspricht die letzterwähnte Kirchen herger’sche 
Vorschrift allerdings dem „Reglement für den Sanitätsdienst des K. K. 
Heeres“,**) insofern dasselbe die Mitverwendung des Verbandpäckchens, 
das der Soldat bei sich trägt, den Blessirtentragern bei Anlegung eines 
Nothverbandes besonders vorschreibt. Uebrigens scheinen die Verbinde¬ 
zeuge der österreifchischen Truppen im letztgenannten Insurrection kriege 
einer so ausnahmslosen Verwendung gegenüber recht wenig genügt zu 
haben, denn die trotz einer wasserdichten Umhüllung meist feuchte 
Charpie wurde vielfach mit Staub und Mist beschmutzt vorgefunden.***) 

Eine um so grössere Sorgfalt zeigt dagegen die italienische Armee¬ 
verwaltung wohl schon aus dem Grunde für das Combattanten-Verbinde¬ 
zeug, weil die Servizio Sanitario in Guerraf) bei der Besprechung der 
Aufgaben der Truppenverbandplätze es im § 7 als allgemeinen Grund¬ 
satz hinstellt, dass man für den Verband eines Soldaten sein Verband¬ 
päckchen zu benutzen habe. Wenn auch diese Bestimmung der hier 
wiederholt betonten Auffassung über die Verwendung dieses letzteren 
zuwiderläuft, so muss doch berücksichtigt werden, dass einmal die 
italienische Kriegs-Sanitätsordnung ganz unzweifelhaft gerade den Ver¬ 
hältnissen eines Gebirgskrieges speciell Rechnung trägt,ff) was bei der 
geographischen Lage dieses Staates nicht befremdend erscheint, und so¬ 
dann, anscheinend im Anschluss hieran, das Comhattanten-Verbindezeug 
in gewissem Sinne allerdings vervollkommnet hat. 

*) Cfr. Roth, Jahresbericht 1881 u. 1882. S. 305. 

**) S. dieses, 1Y. Theil, Sanitätsdienst im Felde. S. 36. 

***) Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1883. S. 504. 

t) S. diese Cap. HI. S. 24. No. 68. 

+t) L T . A. namentlich Spechio G., caricamento regolamentare della tasca di 
sanita per i portaferiti: Ausrüstung der Krankenträger mit ledernen Klapptaschen, 
welche ausser einem abnehmbaren, rinnenartig ausgehöhlten und als Blechschiene oder 
Eiterbecken etc. zu benutzenden Deckel, u. A. analeptische Medicamente, 6 Binden, 80g 
Charpie, 12Compressen,4 Sicherheitsnadeln enthalten und mit einer Laterne versehen sind. 


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149 


Wahrend nämlich die im Jahre 1875*) in die italienische Armee 
eingefnhrten Pacchetti da medicazione sich nicht gerade durch eine prak¬ 
tische Trageweise auszeichneten — die Infanteristen führten dieselben im 
Tornister, die Cavalleristen im Mantelsacke mit — bestimmte das Kriegs- 
Ministerium unter dem 23. Mai 1882,**) dass dieselben in den Ueber- 
röcken der Linien-Infanterie und des Ingenieurcorps in einer besonderen 
Tasche am hinteren rechten Rockschooss, und in den Rocken der 
Cavallerie, der Artillerie, der Fussjäger, der Alpenmannschaften und der 
Train-Compagnien des Ingenieurcorps im hinteren, von den beiden blinden 
Taschen begrenzten Theil des Rockschoosses, in einer horizontal gelegenen 
Tasche, deren Oeffnung der rechten blinden entspricht, getragen werden 
sollen. Auch die Zusammensetzung des Pacchetto da medicazione (wie¬ 
wohl nicht aseptisch) ist abgesehen hiervon eine zweckentsprechende. 

Diese Erörterungen haben uns etwas von dem directen Thema dieses 
Capitels abgeführt, aber nur insoweit, um die Bedeutung zu illustriren, 
welche die italienische Armee-Verwaltung dem Verbandpäckchen ganz 
zweifellos für den Oebirgskrieg beilegt. 

Resumirend und unter Zugrundelegung der an die Spitze dieser Be¬ 
trachtung gestellten Prämisse wird das Verbandpäckchen des Soldaten 
von Nutzen sein, 

a. wenn in Bewegungskriegen unter besonders ungünstigen Con- 
stellationen das Verbandmaterial der für die erste Hülfe berufenen 
Sanitatsorgane erschöpft ist — und besonders kommt hier eine 
unter diesen Verhältnissen plötzlich und unerwartete Feldschlacht 
in Betracht — und 

b. wenn in Kriegen mit sehr coupirtem Terrain — Gebirgskrieg — 
die Feld-Sanitätsanstalten iofolge dieser schwierigen Bodenver¬ 
hältnisse den Truppen nicht überall hin zu folgen vermögen. 


Referate and Kritiken. 


Weitere Untersuchungen über die Malariainfection. Von Prof. 
E. Marchiafava und Dr. A. Celli. (Aus dem pathologisch-ana¬ 
tomischen Institut in Rom.) Mit einer Tafel. (Originalmittheilung in 
„Fortschritte der Medicin tt No. 24, 1885. Aus dem italienischen 
Manuscript ins Deutsche übersetzt von Dr. C. Günther in Berlin.) 

Die Verff. haben bereits in ihrer ersten Abhandlung (Fortschritte 

*) Militärarzt 1882. S. 121. 

**) Giomale Militare Ufflciale 1882. No. 17. Parte L 

11 


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150 


der Medicin No. 18, 1883) über die Malariainfection ausgeführt, dass bei 
der Melanämie sieb im Blute, und besonders in den rothen Blutscheibeo, 
Pigment entwickelt im Innern von homogenen Massen, welche sich mit 
einigen Anilinfarben (Methylenblau, Yesuvin etc.) tingiren. Vor Ent¬ 
stehung des Pigments, und zugleich mit den pigmentirten Massen, fänden 
sich in denselben rothen Blutkörperchen „mikrococcenförmige Körperchen tt , 
welche sie für parasitärer Natur hielten. 

In einer späteren Publikation (Fortschr. d. Med. No. 11, 1885) 
wurde gezeigt, dass im frischen Blut sich im Innern der rothen Blnt- 
scheiben häufig Körperchen finden, die mit lebhaften amöboiden 
Bewegungen begabt sind und sich mit denselben Anilinfarben färben. 
Die pigmentirten Formen Hessen, wenngleich nur selten (in 4 von 42 
Fällen) Geissein erkennen (zuerst von Laverau beschrieben) - und 
spalteten sich in Körperchen. Endlich wurde die Malariainfection 
mittelst des Blutes auf den Menschen übertragbar gefunden, was sowohl 
durch den typischen Fieberverlauf und die specifiscbe Einwirkuog des 
Chinins, als auch besonders durch die Gegenwart der genannten Kör¬ 
perchen im Innern der rothen Blutscheiben und durch das Vorhanden¬ 
sein des schwarzen Pigments innerhalb der weissen Blutkörperchen 
sichergestellt wurde. 

Diese Untersuchungen haben die Verff. nun während des Herrschens 
einer sehr schweren Malariaepidemie im vergangenen Jahre sowohl in 
Rom, als auch in der Gegend der Pontinischen Sümpfe an reichlich vor¬ 
handenem Krankenmaterifu (120 Fälle) fortgesetzt. Das Ergebniss dieser 
an interessanten Einzelheiten reichen Studien ist in der ob$n bezeichnet«n 
dritten Veröffentlichung, unter gedrängter Anführung der wichtigsten 
Casuistik und gleichzeitiger Prüfung der Resultate anderer Autoren ober 
den einschläglichen Gegenstand, ausführlich dargelegt. Die Arbeit 
gipfelt in folgenden Sätzen, die wir ihrer Wichtigkeit wegen wörtlich 
wiedergeben: 

„1. Im Blute der an frischer Malariainfection leidenden Individuen 
finden sich im Innern der rothen Blutscheiben Organismen, welche aus 
einem homogenen Protoplasmapartikelchen bestehen, mit sehr lebhafter 
amöboider Bewegung begabt sind und sich distinct färben lassen. Diese 
Charakteristica und der Umstand, dass sich diese Organismen ausschliesslich 
bei Malariainfection finden, berechtigen uns, dieselben als Plasmodien 
oder Hämoplasmodien der Malaria zu bezeichnen. 

2. Im Innern dieser Hämoplasmodien findet sich oft röthliches oder 
schwarzes Pigment, das jedoch kein integrirender Bestandtheil derselben 
ist, sondern hervorgeht aus der Transformation des Hämoglobins, das die 
Plasmodien den befallenen rothen Blutscheiben entzogen haben, in 
Melanie. Je nachdem nun diese Pigmentproduction statt hat oder nicht, 
so resultirt die Malariainfection mit oder ohne Melanämie; diese letztere 
Thatsache bestätigt sich auch in den schwersten (pernieiöse Fieber) und 
tödtlichen Fällen. 

3. Die Hämoplasmodien verwandeln sich durch einen Spaltungs- 
process in Haufen von Körperchen, welche, wenngleich sie keine 
amöboide Bewegung besitzen, sich doch in gefärbten Präparaten als 
identisch erweisen mit den pigmentlosen, in den rothen Blutscheiben ent¬ 
haltenen Hämoplasmodien. Diese Spaltung geschieht ebenso in den 
pigmenttragenden Plasmodien, wie in denen ohne Pigment (Gehirn- 
capillaren); und es ist sehr wahrscheinlich, dass sie die Art und Weise 


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der Vermehrung der Plasmodien in dem menschlichen Organismus 
darstellt. 

4. Die Malariainfection ist auf den Menschen übertragbar mittelst 
der intravenösen Injection von Malariablnt; dies wird sichergestellt nicht 
allein durch den klinischen Verlauf, sondern auch dadurch, dass man in 
dem Blute des Geimpften die Hämoplasmodien wiederfindet, welche ge¬ 
wöhnlich mit der Progression der lnfection allmalig in dem Blute zu- 
nebmen, andererseits rapide sich vermindern, unbeweglich werden und 
endlich verschwinden mit der Abnahme der lnfection und unter der 
specifischen Behandlung. tt — 

Die beigegebene Tafel VI zeigt in 30 Figuren das Verhalten bezw. 
die Formveränderungen des Plasmodium malariae innerhalb rother 
Blutkörperchen. — 

C. Friedländer, welcher Gelegenheit hatte in einem Theil der 
Dauerpräparate Marchiafava’s die beschriebenen Dinge selbst zu sehen, 
hebt in einem Nachwort zu der Mittheilung der beiden italienischen 
Autoren hervor, dass dieselbe nicht verfehlen dürfte, „in allen wissen¬ 
schaftlichen Kreisen lebhaftes Interesse zu erregen 0 . Ein Mikroorga¬ 
nismus, der im Innern der rothen Blutkörperchen des Menschen ein pa¬ 
rasitäres Dasein führe, und zwar nur bei einer bestimmten infectiösen 
Krankheit — etwas Aehnliches sei bisher nicht bekannt gewesen, nicht 
einmal vermuthet worden. — Die von Klebs und Tommasi-Crudeli 
früher beschriebenen „Bacillen der Malaria 0 könnten als endgültig be¬ 
seitigt angesehen werden. — 

Wenn wir nun auch die grosse Tragweite der Beobachtungen 
Marchiafava’s und Celli’s (welche sich übrigens mit den Koch’schen 
Untersuchungsmethoden wohl vertraut zeigen) an sich keineswegs ver¬ 
kennen, so scheint uns doch gerade die Neuheit und Isolirtheit derselben 
immerhin noeh eine gewisse Reserve hinsichtlich der aus ihnen gezogenen 
Schlussfolgerungen auferlegen zu sollen. — 

Was schliesslich die Fra^e der Verff. (Seite 803) betrifft: „Wer hat 
z. B. den Abdominaltyphus mit Hülfe des specifischen Bacillus künstlich 
hervorgebracht? 0 so können wir dieselben nur auf die kurze Mittheilung 
von Dr. Eug. Fraenkel und Dr. M. Simmonds (Zur Aetiologie des 
Abdominaltypbus, Centralblatt für klinische Medicin, 1885, No. 44) ver¬ 
weisen, denen die Uebertragung von Typhusculturen auf Kaninchen, 
Meerschweinchen und Mäuse in der vollkommensten Weise gelungen ist. 

Pfuhl. 


Mikroskopie der Nährungs- und Genussmittel aus dem Pflanzen¬ 
reiche. Von Dr. Moeller-Wien. Mit 308 in den Text gedruckten 
Original-Holzschnitten. Berlin — Springer — 1886. 394 Seiten. 
M. 16. 

Das letzte Lustrum bat viele und gute Bücher über Nahrungs- und 
Genussmittel gebracht und gerade die rührige Verlagsbuchhandlung von 
Springer hat nicht Weniges geleistet, hat die Analyse der Genussmittel 
von James Bell, die Chemie von König der Oeffentlichkeit übergeben. 
An einem Buche fehlte es aber noch, an einer Anleitung zur methodischen 
mikroskopischen Untersuchung — diese Lücke ist jetzt ausgefüllt. 

Der Verfasser lehrt in der Einleitung die Präparation, die Kenntniss 
der Reagentien, das Messen, betont das Zeichnen als ein wichtiges Er¬ 
forderniss zu erfolgreichen Studien. „Wer nicht zeichnet, wird die Objecte 

11 * 


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152 


niemals in allen Einzelheiten und so gründlich erfassen, wie derjenige, 
welcher sich die Aufgabe setzt, dieselben zu reproduciren.* — Für den 
Nutzen des Zeichnens liefern dann die beigedruckten Bilder allerdings 
einen schlagenden Beweis, so ein Querschnitt durch eine Rippe des 
Tabaksblattes, so ein „Blumenblatt der Calendola tt , „Querschnitt durch 
die Senfschale* ist geradezu entzückend. 

Jeder Arzt, überhaupt Jedermann, der mit dem Mikroskop umzngehen 
weiss, wird an der Hand des vorliegenden Führers im Dankei der ge¬ 
wöhnlichen Fälschungen sehen und erkennen können und als beste An¬ 
erkennung kann dem Verfasser vielleicht ausgesprochen werden, dass die 
Zunft der Fälscher ihm und seinem Buche nicht sympathisch gegenüber¬ 
stehen dürfte. Breitung. 


Dr. C. F. Wahlberg „Uebung der Feldsanitätstruppen* (aus dem 
Schwedischen übersetzt). Helsingfors 1886. Druckerei der Finnischen 
Litteraturgesellschaft 

Die vorliegende Broschüre bietet in deutscher Uebersetzung die Aus¬ 
arbeitung eines Reglements zur Ausbildung der Sanitätstruppen im Feld¬ 
dienste. Der leitende Gedanke ist der, dass die Sanitätstruppen zu einer 
technischen Waffe ausgebildet werden müssen nach dem Vorbilde und im 
gleichen Range einer Militärtruppe. Nach den Erfahrungen der Kriegs¬ 
geschichte bleibt, nach Verfassers Ansicht, das bestorganisirte S&nitats- 
corps hinter den berechtigten Erwartungen und Anforderungen zurück, 
weil es in Folge mangelhafter Schulung sich nicht mit der nöthigen 
Schnelligkeit, Genauigkeit und Aufopferung bewegt Die Verbandplätze 
werden zu weit hinter der Kampflinie angelegt, weil sie dem feindlichen 
Feuer nicht ausgesetzt sein sollen; die Hauptverbandplätze werden in 
Folge mangelhafter Etablirung überhäuft; concentrirt sich der Kampf, so 
handeln die Krankenträger viel zu sehr nach eigenem Belieben. Diese 
Uebelstände beruhen nach Verfasser auf dem Mangel an bestimmten In¬ 
structionen für die Thätigkeit der Sanitätstrappen im Felde. Diese 
Thätigkeit wird im Frieden zu wenig praktisch geübt, und deshalb werden 
die Regeln dafür im Felde zu wenig angewendet. Der Militärarzt sollte 
auch eine militärische Ausbildung erhalten, die ihn zur Truppenführung 
befähigt, er bedarf militärtecbnischer Kenntnisse zur Wahl des Verband¬ 
platzes, zur Terrainrecognoscirung etc. Das vom Verfasser ausgearbeitete 
Reglement berücksichtigt die Aufstellung der Sanitätstruppen in drei 
Linien: 1) die eigentlichen Feldsanitätstruppen, 2) die Feldlazarethe mit 
ihren Trägercompagnien, 3) das Etappen wesen mit festen Kriegsbospitälern. 
Die Organisation dieser Formation ist im Original näher nachzulesen. 
Das im 1. Capitel aufgestellte Reglement zur Ausbildung des einzelnen 
Sanitätssoldaten zum Krankenträger ist dem unseren sehr ähnlich, sogar 
bis auf die Commandos; doch liegt das Commando durchaus in der Hand 
des Arztes; militärische Vorgesetzte sind gar nicht vorgesehen. Das 
zweite Capitel behandelt die Ausbildung der Lazarethmannschaften im 
Felddienste. Hierfür werden auch Hebungen gefordert zur Fortschaffung 
der Wagen und zur Herstellung des Verbandplatzes, d. h. Uebungen im 
Gebrauch des Feldspatens, um Wege schnell fahrbar zu machen; im Ge¬ 
brauch der Feldaxt zur Improvisation von Brücken über Gräben etc.; 
ferner für den Verbandplatz Uebungen im Aufwerfen von Erdwällen, 
Eingraben von Röhrenbrunnen, Ausschachten von Feldöfen, Aufschlagen 
# von Zeltdächern. Das im nächsten Capitel aufgestellte Reglement für die 


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Uebungen einer je einem Bataillon coordinirten Sanitätsabtheilung ent¬ 
hält genaue Vorschriften und Commandos für die Aufstellung hinter dem 
Bataillon, für den Uebergang aus dieser Aufstellung in die Marschforma¬ 
tion und aus der Marschformation in die Gefechtsformation. Diese Sanitäts¬ 
abteilungen folgen unter dem directen Befehl des ärztlichen Ab¬ 
theil ungschefs allen Bewegungen des Bataillons; zieht sich das Bataillon 
in Schützenkette auseinander, so zerstreut sich ebenso die Sanitäts¬ 
abteilung in eine Sanitätskette, die an Länge der Schützenkette entspricht, 
damit bei coupirtem oder waldigem Terrain kein Verwundeter übersehen 
wird. Der Verbandplatz wird mindestens 700, höchstens 2000 Schritt 
hinter der Sanitätskette etablirt. Die nächstgrossere Formation, die 
unter dem Commando des Sanitätsbrigadechefs stehende Sanitätsbrigade, 
entwickelt sich in ähnlicher Weise zum Gefecht. Zum Schluss giebt 
Verfasser, zur lllustrirung seines Reglements, das Programm einer Feld¬ 
dienstübung mit der Sanitätsabteilung des 3. Finnischen Scharfschützen- 
Bataillons, das im Truppenlager bei Willmannstrand im Jahre 1885 ver¬ 
suchsweise zur Ausführung gelangte mit Beifügung von Generalidee, 
Gefechtsbericht, Kritik und 2 Croquis. Die sehr interessante Broschüre 
bietet viele neue Gesichtspunkte und verdient eingehenderes Studium. 

Langhoff. 

Breitang, Max: „Ueber den eingewachsenen Nagel* (Sonderabdruck 
aus „Deutsche Medicinal-Zeitung“ 1885 No. 103—104). 

Die Arbeit verdankt wohl ihre Entstehung der Erfahrung, die Ver¬ 
fasser mit anderen Collegen gemacht hat, dass nämlich die gebräuchlichen 
Lehrbücher der Chirurgie das qu. Thema etwas zu summarisch behandeln, 
während zumal der junge Militärarzt über ein Leiden, das fast zu seiner 
täglichen Praxis gehört, sich auch theoretisch etwas eingehender orien- 
tiren möchte. Br. hat sich der verdienstvollen Arbeit unterzogen, die 
zerstreuten litterarischen Beiträge zu dieser Frage zu sammeln und zu 
sichten. Nach einer Recapitulation der neuesten Theorien über das 
Nagelwachsthum setzt er die Ansichten über das Entstehen des einge¬ 
wachsenen Nagels auseinander. Von wesentlichster Bedeutung ist für 
diese Entstehung die angeborene Stellung der grossen Zehe, die mit zu¬ 
nehmender Entwickelung und unter dem Einfluss unrationeller Fuss- 
bekleidung Verbildungen erfährt in dem Sinne, dass die durch Druck 
erzeugte Verschiebung die Längsrichtung des wachsenden Nagels modi- 
ficirt. Nor das Längswachsthum des Nagels ist am Ein wachsen bethei¬ 
ligt, das oft angenommene Breiter werden des Nagels ist nach Br. eine 
optische Täuschung. 

Zorn Schluss giebt Br. eine Kritik der verschiedenen Operations- 
methoden und schlägt vor, um schnell das Leiden zu beseitigen, die Repro- 
doction des Nagels sicherzustellen und vor Recidiven zu schützen, als beste 
die Methode zu wählen, bei der der Nagel abgetragen, und nachher die 
Haut der Nagelfurche bis auf die Nagelwurzel durchschnitten wird. — 
Die sachlichen Ausführungen Br’*, sind klar und übersichtlich. 

Langhoff. 


Wolffberg: Ueber den differentialdiagnostischen Werth der 
Farbensinn Prüfungen. (Separat-Abdruck aus dem Bericht der 

ophthalmologiscben Gesellschaft zu Heidelberg 1885.) 

Es wurde bereits früher des Apparates von W. zur Prüfung des 


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154 


Lichtsinnes und die bezügliche Abhandlung eingehend besprochen und 
von der Handhabung der Methoden W’s. ein Erfolg für die Rekruten* 
Untersuchungen in Aussicht gestellt. — Seggel hat denn auch seit a / 4 
Jahren den Apparat benutzt und ihn «ganz ausserordentlich werthvoll 
gefunden". Die Refractionsamblyopie ist durch eine Frage an den Re¬ 
kruten zu diagnosticiren. «Aus dem Verhaltniss zwischen Sehschärfe und 
Farbensinnmaximum ergiebt sich stets, ob eine Refractionsamblyopie 
oder ein pathologischer Zustand vorliegt tf Es ist dies für eine rein ob- 
jective Untersuchung von grösster Bedeutung. — Es ist sehr zu bedauern, 
dass der doch immerhin nicht geringe Preis des Apparates seiner allge¬ 
meineren Einführung in die Kreise der Sanitätsoffiziere entgegen steht 
Es scheint die volle Brauchbarkeit desselben bis jetzt zweifellos erwiesen 
zu sein. — Beati possidentes! — Breitung. 


Rietschel, Herrmann, Professor an der Königlichen Technischen Hoch¬ 
schule zu Berlin: «Lüftung und Heizung von Schulen". Berlin, 
Verlag von Julius Springer 1886. 

Die grosse Frage der Lüftung und Heizung hat der Verfasser im 
amtlichen Aufträge und an der Hand eines stattlichen Materials, das ihm 
die verschiedenen Constructionsanlagen von 12 Berliner Lehranstalten lie¬ 
ferten, von Grund aus studirt und seine Erfahrungen in diesem recht 
eigentlich «Handbuch" zu nennenden Werke niedergelegt. Wo es gilt, 
ähnliche Anlagen neu zu beschaffen, da kann zum vorbereitenden Studium 
und zur völligen Orientirung über die einschlägigen hygienischen und 
bautechnischen Fragen das Buch auf das Wärmste empfohlen werden. 
Wenn auch die Anlage von Centralheizungen für Kasernen wohl noch 
längere Zeit ein frommer Wunsch bleiben wird, so wird dieselbe doch 
bei Neubauten von Lazarethen heutzutage in erster Linie in Betracht 
kommen, schon der ventilatorischen Wirkung wegen, und gerade in dieser 
Hinsicht bietet das vorliegende Buch eine Fülle des interessantesten 
Materiales. Im 1. Abschnitt des Buches giebt Verfasser die Ergebnisse 
seiner Untersuchungen, die sich beziehen auf Ermittelung des Kohlen- 
säuregehaltes der Luft in den qu. Räumen, auf Messungen und Be¬ 
obachtungen über die Luftbewegung in den Luftleitungscanälen und in 
den Klassenräumen, ferner auf Messungen über die Wärmevertheilung 
und über den Feuchtigkeitsgehalt der Luft. Die Ergebnisse werden 
in übersichtlichen Tabellen zusammengefasst. Im 2. Abschnitt bespricht 
R. die Forderungen, die in Bezug auf die Luftbeschaffenheit an die 
technischen Einrichtungen gestellt werden dürfen. Der 3. Abschnitt stellt 
die Ansichten R’s. über Wahl, Anordnung, Ausführung und Bedienung 
solcher Lüftungs- und Heizungsanlagen zusammen. Die praktische Brauch¬ 
barkeit dieses Abschnittes wird noch erhöht durch Hinzufügung von Vor¬ 
schlägen über die Ausschreibung, sowie von Bedingungen für Ausführung 
derartiger Anlagen. 

Die leidige Erfahrung, dass nach Neuanlage solcher kostspieligen 
Einrichtungen sich alsbald erhebliche Mängel im Betriebe herauszustellen 
pflegen, giebt dem Verfasser Veranlassung, wiederholt darauf zu dringen, 
dass vor allen Dingen niemals zu kostspielige Anlagen projectirt werden, 
deren ordnungsmässigen Betrieb nachher ein zu knapper Etat nicht er¬ 
laubt, und dass andererseits stets die sachgemässe Bedienung der Anlagen 
gesichert werde und nicht etwa aus falscher Sparsamkeit das Heizeramt 
unberufenen Händen als Nebenamt übertragen werde. Als leistungsfähigste 


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stellt R. am Schlüsse einer Zusammenstellung der gebräuchlichen Anlagen 
die Warmwasser-Niederdruckheiznng hin mit freistehenden, wenig Wasser 
enthaltenden Säulenofen und ununterbrochenem Betrieb, wenn der ge- 
sarnmte Betrieb der Heizungs- und Lüftnngsanlage, die Controle und 
Regelang der Temperatur- und Luftleitung nach den qu. Raumen vom 
Kellergeschoss aus erfolgen kann. Langhoff. 

Dr. Lieber, Oberstabs- und Garnisonarzt: Militär-Hygienisches aus 
Stra8sbnrg LE. (Separat-Abdruck aus der Festschrift für die Natur¬ 
forscherversammlung 1885.) 

Für die in der Gestalt der „hygienischen Topographie von Strassburg* 
der Naturforscherversammlung 1885 gewidmete Festgabe hat auch L. 
einen Beitrag geliefert, indem er den militärbygienischen Theil dieser 
Topographie bearbeitete. Diese Arbeit ist als Broschüre reproducirt und 
bietet einen sehr interessanten Ueberblick über Bau und Anlage der elf 
Kasernen Strassburgs, über deren innere Einrichtungen Bezog auf Wasser¬ 
versorgung, Latrinen, Badeanstalten, Küchen, ferner über die Militär Wasch¬ 
anstalt, das Garnison-Lazareth, den Militärfriedhof. Bei der Besprechung 
des Gesundheitszustandes der Garnison ist von besonderem Interesse die 
Gegenüberstellung der Morbiditäts- und Mortalitätsstatistik zur Zeit der 
französischen und der deutschen Herrschaft und deren Vergleich mit 
anderen grossen Garnisonen Deutschlands. Aus diesen Ziffern geht zur 
Evidenz hervor, dass vielfache hygienische Verbesserungen, die der Ini¬ 
tiative der Militär- und auch der Stadtverwaltung entsprangen und nament¬ 
lich die Trinkwasserversorgung, die Entwässerungs- und Latrinenanlagen 
im Auge hatten, den Gesundheitszustand der Garnison gegen früher er¬ 
heblich gebessert und Strassburg zu einer der gesünderen Garnisonen 
gemacht haben. Langhoff. 

Dr. Heim. Hager: „Desinfection inficirter Wohn räume 44 , Industrie- 
Blätter, Wcnschft. f. gemeinnützige Erfindungen etc. und Gesundheits¬ 
pflege, Berlin 1886, No. 5.*) 

Vf. warnt vor Anwendung der von Prof. Koenig vorgeschlagenen 
Sablimaträucherungen mit nachfolgender Schwefelverbrennung, die das 
noch vorhandene Quecksilber unschädlich machen soll. Er gesteht zu, 
dass der Dampf des Sublimats in die Poren der Wände, Decke und 
Dielen eindringt und sich hier in Form kleinster mikroskopischer Krystalle 
aosetzt; beweist aber durch das Experiment, dass diese Krystalle durch 
Sehwefeldampf keine oder höchstens eine oberflächliche Zersetzung resp. 
eine minimale Ueberführung in Sulfid erfahren. In einen hölzernen 
Kasten „wurden Sublimatdämpfe, später Schwefeldämpfe geleitet, auch 
etwas Schwefel abgebrannt*, aber das Wasser, womit der Kasten am 
folgenden Tage ausgespült wurde und das zu diesem Zwecke mit Wein¬ 
geist versetzt war, enthielt eine reichliche Menge Sublimat. Vf. schliesst 
daraus bestimmtest, dass mit Schwefelung die Sublimatatome nicht völlig 
ca beseitigen oder ganz unschädlich zu machen sind. Berücksichtigt 
man neben dieser Anschauung einer anerkannten chemischen Autorität 
die Thatsache, dass in den Zwischendeckenfüllungen geheizter Wohn- 
ritime relativ sehr hohe Temperaturen Vorkommen, so muss der dauernde 


*) Vgl. Referat Tiber Koenig's ,Desinfection inficirter Raume“, diese Zeitschrift 
1885, S. 300. 


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Aufenthalt in einmal nach Koenig’s Vorschlag behandelten Wohnräumen 
entschieden für gesundheitsschädlich gelten. Kef. prüfte das Hag ergehe 
Experiment noch mit Sublimat und Schwefel im Verbältniss von 1:10 
und bestätigt die Behauptung Vfs., dass Sublimat reichlich übrigbleibt. 

__ Rotter (München). 

Mittheilongen. 


Ueber Miryachit, eine eigentümliche, epidemische Nerven¬ 
krankheit und verwandte Zustande. 

1) Dr. Jankovsky veröffentlicht in der Zeitschrift „Vratsch“ 1885 
No. 36 einen interessanten Aufsatz über eine Epidemie dieser sonderbaren 
Krankheit, welche er an dem ostsibirischen Gestade beobachtet hat. 
Die erste Bekanntschaft mit der Affection machte er im Jahre 1876 als 
Arzt beim 1. Ostsibirischen Infanterie-Bataillon: Eines schönen Tages 
kam der du jour habende Feldscherer mit der eiligen Meldung zu ihm, 
es seien 15 verrückte Soldaten ins Lazareth geliefert worden. Als J. 
sich sofort nach dem Lazareth begab, fand er dort einen Haufen von 
Patienten, die er mit der Frage anredete „was ist denn hier los“? Zu 
seiner nicht geringen Verwunderung antworteten sammtlicbe 15 Kranke 
im Chor „was ist denn hier los*; er redete den nächsten mit der Frage 
an „was thut denn weh?“, sofort rief der ganze Chor, „was thut denn weh*, 
kurz jedes Wort, das er sprach, wurde von allen Patienten wiederholt. 
Bei der Untersuchung constatirte er in jedem Fall vermehrten Spitzenstoss, 
raschen Puls, Unruhe von Armen und Beinen, vermehrte Hautsensibilitat, 
Erweiterung oder Verengerung der Pupillen und Disposition zum Lachen 
ohne jeglichen Grund. Wahrend der Untersuchung erschien einer der 
Vorgesetzten Offiziere und berichtete, sammtlicbe Leute hatten zum Abend¬ 
essen Kartoffeln erhalten, welche mit einem von einem koreanischen 
Händler gekauften Hanföl zubereitet gewesen waren. Als die Kranken 
ihren Commandeur das Wort „Oel“ aussprechen /hörten, wiederholten sie, 
alle Disciplin verhöhnend, fortwährend „Oel, Oel, Oel“ in den verschie¬ 
densten Variationen. Therapeutisch erhielt jeder Einzelne jetzt ein 
Emeticum und Abführmittel, darauf schliefen sic die Nacht ruhig und 
waren am nächsten Morgen gesund, nur eine vage Erinnerung des Geschehenen 
wie nach einem Traum war ihnen geblieben. Die weitere Forschung 
stellte fest, dass der koreanische Kaufmann an der Krankheit „Miryachit* 
litt, und dass nur solche Soldaten erkrankt waren, welche ihn gesehen 
oder mit ihm gesprochen batten. — Eine andere kleine Endemie der 
Krankheit beobachtete J. 1878 in Vladivostok, wo vier Kinder derselben 
Familie im Alter von 3 bis 7 Jahren erkrankt waren. Sporadische 
Fälle der Affection sind häufig; der Verlauf ist in der Regel chronisch 
mit spontanen Remissionen, die Gesammt-Constitution bleibt intact — 

2) Dieselbe Krankheit behandelt der surgeon general der Vereinigten- 
Staaten-Armee Hammond in einem Vortrage vor der Gesellschaft für 
Nervenkrankheiten in New-York, indem er sich hauptsächlich auf einen 
von dem Marine-Departement veröffentlichten Bericht*) stützt; danach 
soll die Krankheit ihre Heimath haben in der Gegend, wo sich der Ussuri 


*) Observations upon the Korean coast made during a journey June 3. to Sep¬ 
tember 8. 1882*. Published by the United States Navy department, Washington 1883. 


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in den Amur ergiesst. Ans der dem oben entworfenen Bilde sehr ähnlichen 
Beschreibung ist hervorzuheben, dass die Kranken nicht nnr Alles nach- 
sprechen, sondern anch gegen ihren Willen alle auffälligen Bewegungen 
nacbmachen: so sahen die Berichterstatter einen erkrankten Schiffs-Steward 
dem Capitän alle Bewegungen nachmachen, als der Letztere rasch auf 
den Steward zuschreitend, in die Hände klatschte und dabei ausgleitend 
unsanft auf Deck fiel, klatschte auch dieser in die Hände, strauchelte und 
fiel in derselben unsanften Art wie der Capitän. H. erinnert dabei an 
die Beschreibung, die Beard von den sogenannten „Springern“ (Jumpers 
oder Jumping Frencbmen) von Maine und dem nördlichen New-Hampshire 
gegeben bat, diese Leute thaten auf ausdrücklichen Befehl, was ihnen 
geheissen wurde, sie sprangen zum Fenster hinaus, prügelten ihren besten 
Freund und sprachen den ersten Vers der Aeneide oder Ilias nach, ohne 
je einen lateinischen oder griechischen Vers gehört zu haben. Eine 
weitere Analogie findet H. in der Somnolenz und Schlaftrunkenheit, wo 
sie einen so hoben Grad erreicht, dass das plötzlich erweckte Individuum 
einen zusammenhangslosen Gewaltact, oft einen Mordversuch oder dergl. 
unternimmt. Ein Mann träumt, es rufe ihm eine Stimme zu, er solle 
zum Fenster hinausspringen, er steht auf und springt 10 Fuss hoch zum 
Fenster hinaus; einen anderen weckt seine Frau, weil sie die Thürklingel 
läuten hört, er steht auf, windet die Betttücher, ohne auf seine Frau zu 
hören, zu einem Strick zusammen und sagt, als es der Frau endlich ge¬ 
lingt, ihn zu sich zu bringen, er habe an Feuer geglaubt und vermittelst 
der zum Strick zusammengedrehten Betttücher sich retten wollen. Eine 
Erklärung der eigenthümlichen Phänomene bei „Miryachit“, den „Jumpers“ 
oder bei den Fällen tiefster Schlaftrunkenheit versucht H. nicht zu geben, 
sie haben indess alle das Eine gemeinsam, dass ein Bewegungs-Impuls 
ausgelöst wird durch bestimmte Wahrnehmungen ohne gleichzeitig vor¬ 
handene Willensthätigkeit; sie sind deshalb den Reflexactionen analog, 
namentlich gewissen epileptischen Paroxysmen, die durch einen Reflex¬ 
reiz hervorgerufen werden. — 

3) R. Neale berichtet, angeregt durch Hammond’s Vortrag, dass auf 
Java viele Eingeborne an ähnlichen Affecten leiden, man nennt solche 
Leute dort „Lata“. Sie sind geradezu unfähig, dem Nachahmungstrieb zu 
widerstehen, wenn plötzlich ein Geräusch oder eine Bewegung in ihrer 
Nachbarschaft gemacht wird. Jede Attitüde — sei sie noch so grotesque, 
die mau eine Person vor ihnen einnehmen lässt, müssen sie nacbmachen; 
dieser unwiderstehliche Trieb ist so intensiv, dass man daraus Vortbeil 
ziehen kann. N. wollte einer jungen, mit der Krankheit behafteten Frau 
einen Zahn ausziehen, sie war nicht zu bewegen, den Mund zu öffnen, 
da setzte er sich endlich auf einen Stuhl ihr gegenüber, sie that dasselbe, 
er näherte den Stuhl seinem Vis-ä-vis, sie machte die Bewegung nach, 
jetzt gähnte er und verdrehte die Augen zum Himmel; als auch die Frau 
den Mund weit aufriss und nach oben blickte, fasste er rasch den Zahn 
und zog ihn aus, bevor sie widerstehen konnte. 

Etymologisch sei noch bemerkt, dass der Name „Miryachit“, wie die 
Krankheit jetzt am häufigsten in der Litteratur genannt wird, ein ver¬ 
dorbenes russisches Wort ist, das russische Verb „miriatchitje“ bedeutet 
«den Narren oder Verrückten spielen“. — 

(Brit raed. journ. 1884, pag. 758, 884 und 1885 pag. 82.) B—r. 


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General-Rapport 

von den Kranken der Königlich Preußischen Armee, des XII. (Königlich 
Sächsischen) und des XIII. (Königlich Württembergischen) Armee-Corps, 
sowie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich Bayerischen 
Besatzungsbrigade pro Monat December 1885. 

1) Bestand am 30. November 1885: 10 531 Mann und 49 Invaliden 

2) Zugang: 

im Lasareth 9 418 Mann und 2 Invaliden, 
im Revi er 14 737 - - 4 

Su mma 24 155 Mann und 6 Invaliden. 

Mithin Summa des Bestandes und Zuganges 34 686 Mann und 55 Invaliden, 
in Procenten der Effectivstarke 9,0% und 19,6%. 

3) Abgang: 


geheilt .... 

. 24 306 Mann, 4 Invaliden, 

gestorben.... 

65 - 2 

invalide .... 

205 - — 

dienstunbrauchbar 

517 - — 

anderweitig . . . 

302 - — 

Summa . 

• 25 395 Mann, 6 Invaliden. 


4) Hiernach sind: 

geheilt 70,1 % der Kranken der Armee und 7,3 % der erkrankten In¬ 
validen, 

gestorben 0,19 % der Kranken der Armee und 3,6 % der erkrankten In¬ 
validen. 

5) Mithin Bestand: 

am 31. December 1885 9 291 Mann und 49 Invaliden, 

in Procenten der Effectivstarke 2,4% und 17,4%. 

Von diesem Krankenstände befanden sich: 

im Lasareth 6 308 Mann und 7 Invaliden, 

. im Revier 2 983 - - 42 

Es sind also von 534 Kranken 374,2 geheilt, 1,0 gestorben, 3,2 als 
invalide, 8,0 als dienstunbrauchbar, 4,6 anderweitig abgegangen, 143,0 im 
Bestand geblieben. 

Von den Gestorbenen der activen Truppen haben gelitten an: Schar¬ 
lach 1, Rose 1, Diphtberitis 1, Blutvergiftung 6, Unterleibstyphus 5, 
acuter Alcoholvergiftung 1, Hirn- und Hirnhautleiden 5, Lungenent¬ 
zündung 13, Lungenblutung 1, Lungenschwindsucht 11, Brustfellent¬ 
zündung 2, Herzleiden 1, Magengeschwür 2, Leberleiden 1, Bauchfellent¬ 
zündung 5, Nierenleiden 2, Knochenentzündung 2, Kniegelenkentzündung 1; 
an den Folgen einer Verunglückung: Schadelbruch 1, Sturz in die Tiefe 2, 
Unbekannt (XII. Armee-Corps) 1. Von den Invaliden: Lungenschlag 1, 
Gehirnschlag 1. 


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159 


Mit Hinzurechnung der nicht in militärärztlicher Behandlung Ver¬ 
storbenen sind in der Armee im Ganzen noch 27 Todesfälle vorgekommen, 
davon 7 durch Krankheiten, 5 durch Verunglückung, 15 durch Selbst¬ 
mord; von den Invaliden: durch Krankheiten 2; so dass die Armee 
im Ganzen 92 Mann und 4 Invaliden durch den Tod verloren hat. 
Nachträglich pro October 1885: 

1 Selbstmord durch Ertränken. 

pro November 1885 verstorben: 

1 Mann an Bauchfellentzündung auf Urlaub. 


Fünfzehnter Gongress der Gesellschaft für Chirurgie. Berlin 

7. bis 10. April 1886. 

Begrüssung 6. April Abends von 8 Uhr ab im Hötel du Nord. 

Nachmittagssitzungen am 7. April, Mittag von 12Vs—4 Uhr, an den 
anderen Tagen von 2—4 Uhr in der Anla der Königlichen Universität. 
Morgensitzungen, für Demonstrationen von Präparaten und Kranken - 
Vorstellung bestimmt, von 10—1 Uhr im Konigl. Universitats-Clinicun» 
und in der Konigl. Charitö. 

In den Morgensitzungen vorzustellende auswärtige Kranke können 
im Konigl. Clinicum (Berlin, N., Ziegelstrasse No. 5—9) Aufnahme finden, 
Präparate, Bandagen, Instrumente u. 8. w. ebendahin gesandt werden. 

Ausschuss-Sitzung zur Aufnahme neuer Mitglieder am 6. April, 
Abends 9 Uhr, im Hötel du Nord. 

Am letzten Sitzungstage des zwölften Congresses wurde der Be¬ 
schluss gefasst (s. Protocolle S. 106), dass die Themata der zur 
Discossion sich eignenden Vorträge und Mittheilungen zuvor 
an den Vorsitzenden eingesandt und demnächst allen Mitgliedern kund¬ 
gegeben werden sollten. 

Ankündigungen von Vorträgen, Mittheilungen und Demonstrationen 
bitte ich bis zum 1. März Herrn Geheimen Medicinal-Rath und Professor 
Dr. G url t (Bernburgerstrasse 15/16,Berlin SW.) zugehen zu lassen. Im vorigen 
CoDgress ist für die Tagesordnung dieses Congresses beschlossen worden: 

3) Fortsetzung der Discussion über die Tuberculose nach den von 
Herrn v. Volk mann aufgestellten Thesen. 

2) Mittheilung weiterer Erfahrungen über die Endresultate der Operation 
complicirter Hasenscharten. 

3) Discussion über die Operationen an der Harnblase, incl. hohen und 
Median-Steinschnitts (Antrag des Herrn König). 

Gemeinschaftliches Mittagsmahl 8. April, 5 Uhr Abends, im Hötel 
du Nord. Für die Tbeilnehmer wird ein Bogen zur Einzeichnung der 
Namen am 6. April Abends im Hötel du Nord und am 7. April Mittags 
in der Sitzung ausliegen. 

Wiesbaden,, 20. Januar 1886. 

B. v. Langenbeck, d. Z. Vorsitzender. 


l)er fünfte Congress für innereMedicinfindet vom 14. bis 17. 
April 1886 zu Wiesbaden statt unter dem Präsidium des Herrn Gebeim- 
rath Leyden (Berlin). Folgende Themata sollen zur Verhandlung 
kommen: Am ersten Sitzungstage, Mittwoch den 14. April: Ueber die 
Pathologie und Therapie des Diabetes melitus. Referenten: Herr 


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160 


Stokvis (Amsterdam) und Herr Hoffmann (Dorpat). Am zweiten 
Sitzungstage, Donnerstag den 15. April: Ueber operative Behandlung der 
Pleuraexsudate. Referenten: Herr O. Fräntzel (Berlin) und Herr 
W eber (Halle). Am dritten Sitzungstage, Freitag den 16. April: 
Ueber die Therapie der Syphilis. Referenten: Herr Kaposi (Wien) und 
Herr Neiseer (Breslau). Nachstehende Vorträge sind bereitsangemeldet: 
Herr Thomas (Freiburg): Ueber Korperwägnngen. Herr Riess 
(Berlin): Aus dem Gebiete der Antipyrese. Herr Brieger (Berlin): 
Ueber Ptöroaine. Herr Ziegler (Tübingen): Ueber die Vererbung er¬ 
worbener pathologischer Eigenschaften. Herr Fick (Wurzburg): Ueber 
die Blutdruckschwankungen im Herzventrikel bei Morphiumnarkose. 


L 


OJmckt in <ler Königlichen Hofhuehdrnckerei von E. 8. Mittler und lohn, Berlin Korhatrasne CS-70. 


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Deutsche 

Militärärztliche Zeitschrift. 

Redaction: ? 

Dr. 3t. <feutQoto, Generalarzt, \ 

Berlin, Tanbenstraase 5, s 

o. Dr. lämlftger, Stabsarzt, j 

Berlin, Hedemannstr. 15. $ 

Monatlich erscheint ein Heft von mindestens 3 Druckbogen; dazu ein „Amtliches Beiblatt**. Der 
Zeitschrift wird das Werk: „Jahresbericht- über die Fortschritte auf dem Gebiete des Milit&r- 
Sanittts-Wesens* 4 , herausgegeben vom Generalarzt Dr. Roth, unentgeltlich beigegeben. Bestellung 
nehmen alle Postämter und Buchhandlungen an. Preis des Jahrgangs 15 Mark. 

XV. Jahrgang. 1886. Heft 4. 


Zelte und Nothbaracken, deren Gerüste ans Stangen nnd Draht 
nach Art der Banrüstungen zusammengesetzt werden. 

Von Dr. zur Nieden, 

Regierungs- und Bauratb zu Berlin. 

Zar Unterbringung der Verwundeten für die Falle, in denen in der 
Nähe des Schlachtfeldes Gebäude überhaupt nicht oder aber nicht in 
genügender Zahl zur Verfügung stehen, führt unsere Armee bekanntlich 
Zelte mit sich, deren Form in der letzten Zeit mehrfach gewechselt hat. 
Die deutsche Kriegs-Sanitäts-Ordnung vom Jahre 1878 zeigt uns Zelte, 
deren Gerippe aus Gasrohren gebildet ist; diese Zelte haben sich in¬ 
sofern nicht bewährt, als durch Winddruck sowie durch das Abbrechen 
und Transportiren der Zelte leicht Verbiegungen eintreten, welche das 
Wiederaufrichten der Gerippe verhindern oder mindestens sehr erschweren. 

In der Hygiene-Ausstellung des Jahres 1883 führte nns deshalb die 1 
preussische Militär-Behörde ein Zelt mit einem Gerippe von Holz vor — ' 
sie war somit anf ältere Constrnctionsarten zurückgegangen, hatte aber 
den Forderungen unserer Zeit gemäss eine Verbesserung in der Richtung 
eintreten lassen, dass unter Zuhülfenahme einer über das ganze Zelt 
reichenden doppelten Decke in der First eine Ventilation zur Anwendung j 
gebracht war. — In der letzten Zeit hat man versucht, für die Unter- 1 
bringung von Verwundeten und Kranken transportable Unterkunftsräume 
io schaffen, welche auch für den Winter genügen, d. h. also transportable 

12 


Verlag: 

f. p !Ute & £oQtt, 

Königliche Hofbuchhandlung, 

Berlin, Kochstraase 68—70. 


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162 


Baracken. Dass diese Versuche so ausserordentlich weitgehende worden, 
verdanken wir der Opferwilligkeit Ihrer. Majestät der Kaiserin von 
Deutschland,*) anf deren Anregung sehr zahlreiche Constractionen dieser 
Art in der Separatansstellang zu Antwerpen im September 1885 aus 
allen Ländern eingegangen waren. Hält man an einem Punkt des Landes 
einen Vorrath von fliegenden Baracken dieser Art, so wird man für Orte, 
welche durch Epidemien heimgesucht werden, Unterkunftsstätten leicht 
schaffen können; weniger geeignet werden diese Gonstructionen für Kriegs¬ 
zwecke gefunden werden. Alle Erfahrungen der letzten Kriege dürften 
nämlich die Militärbehörden dahin, drängen, das Streben auf eine 
Minderung des Trosses der Armeen zu richten, jedenfalls aber eine 
Mehrung desselben zu verhüten,**) ebenso müssen wir Eisenbahnleute 
mahnen, nicht noch grossere Leistungen von den Eisenbahnen zu fordern. 
Diese Mahnung bezieht sich auf alle Kriegstransporte, insbesondere aber 
auf die Leistungen, welche für Verwundete und Kranke nothwendig 
werden. Zu den Zeitpunkten, in welchen die letzteren Leistungen 
besonders umfangreiche zu sein pflegen, d. h. also nach grossen Schlachten, 
ist das Streben der Militärverwaltung dahin gerichtet, Ersatz an 
Mannschaften und Kriegsmaterial, sowie Nahrungsmittel nach dem Kriegs¬ 
schauplätze zu bringen. Diesen Transporten gegenüber haben in dem 
deutsch-französischen Kriege, wie ich in meinem Werk „Der Eisenbahn- 
Transport verwundeter und erkrankter Krieger“***) näher dargelegt habe, 
die Sanitätszüge stets zurückstehen, zeitweise sogar haben sie umkehren 
müssen, ohne zur Ladungsstelle gelangt zu sein. Aus diesen Erfahrungen 
habe ich gefolgert, dass die Hülfslazarethzüge in der Zeit der Ueberlastung 
der Eisenbahnen vor den Lazarethzügen den Vorzug verdienen, weil erstere 
die vom Kriegsschauplätze leer zurückgehenden Wagen benutzen und 
ausser diesen nur weniger Wagen zum Hintransport der Bahren und 
sonstigen Ausrüstungsstücke, sowie der Lebensmittel bedürfen. Die Hülfs¬ 
lazarethzüge belasten somit das zum Kriegsschauplätze gehende Geleise 
möglichst wenig, sie haben ausserdem das Verdienst, dass sie die in der 
Nähe des Schlachtfeldes liegenden Bahnhöfe von leeren Wagen frei 


*) Ihre Majestät hatte bekanntlich einen Preis von 4000 M. nebst einer goldenen 
Medaille für die beste Construction einer transportablen Baracke ansgesetzt. 

**) „Die russische Armee führte im Kriege 1877/78 pro Division eine Heilanstalt, 

die für 30 bis 40 Kranke in maximo eingerichtet ist.Die Anstalt konnte 

sehr oft nicht folgen, musste weit Zurückbleiben, weil sie zu schwer war und den 
Train behinderte* .... Oesterr. militar. Zeitschr. 1881. (2. Bd.) S. 65. 

***) Vergl. Seite 5, sowie 21 ff. der zweiten Auflage. 


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163 


machen and eie somit entlasten. Treten ruhigere Perioden ein, so mögen 
die Lazarethzüge an die Stelle der Hülfslazarethzüge treten, denn es muss 
das Streben dahin gehen, möglichst vollkommene Mittel für die Rück¬ 
beförderung der leidenden Krieger zu stellen. Ans den vorentwickelten 
Gesichtspunkten haben wir auch die Anwendbarkeit der transportablen 
Baracken, wie die Antwerpener Ausstellung sie zeigte, zu prüfen. Die 
durch das Vorschieben derselben entstehenden Transporte werden die 
Eisenbahnen stark in Anspruch nehmen, und es ist deshalb zu folgern 
dass man die Baracken nur in den ruhigeren Zeiten an die 
Bedarfsstelle wird bringen können; zu den Zeiten der Ueber- 
lastung der Eisenbahnen werden sie zurückstehen müssen 
wie die Krankentransporte, und so werden derartige Unterkunfts¬ 
stätten da fehlen, wo man ihrer am meisten bedarf, d. h. also insbesondere 
nach grossen Schlachten. Für diese Zeiten, welche sioh als Zeiten der j 
höchsten Noth meist darzustellen pflegen, bedürfen wir der Noth- I 
Constructionen. Dieselben müssen so gebildet werden, dass ihre Her- j 
Stellung möglichst unabhängig von den Leistungen der Eisenbahnen ist; i 
die erste Bedingung für die Entwürfe ist deshalb so zu fassen: 
Sämmtliche Baumaterialien der Unterkunftsstätten sollen an J 
Ort und Stelle gekauft oder im Requisitionswege beschafft > 
werden können. 

lu gleicher Weise wie die Unabhängigkeit von den Eisenbahnen als 
Bedingung hingestellt ist, muss auch dahin gestrebt werden, dass die 
Herstellung der Unterkunftsstätten nicht von dem Vorhandensein bestimmter 
Handwerker abhängig werde, dass die Constructionen vielmehr von jedem 
Handwerker zusammengefugt werden können. Hiernach würde die 
zweite Bedingung für die Entwürfe etwa, wie folgt, lauten müssen: 

Die Zubereitung des Zeltes und die Aufstellung desselben S 
soll auch von wenig geübten Handwerkern (ev. von Angehörigen j 
des Feldlazareth-Personals, yon Mitgliedern der freiwiUigen Kranken- ; 
pflege etc.) bewirkt werden können. 

Die dritte Bedingung leitete ich aus Folgendem her. Die im < 
deutsch-französischen Kriege verwendeten Zelte hatten im Vergleich mit 
den Baracken meist den Nachtheil, dass sie Luft und Licht nicht in dem 
Ma&sse wie jene den Eintritt gestatteten; genügten zu diesem Zweck die 
Eiogangsöffnungen nicht, so musste man die Zehwände vom Boden auf¬ 
beben, um Licht und Luft einzulassen. Dies geht bei schlechtem Wetter 
oft nicht an, und man befindet sich dann in Verlegenheit Dieselbe wird bis¬ 
weilen dadurch gemehrt, dass bei anhaltendem Regen das Zelt mit 

12 * 


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- 


— 164 — 


| Wasserdunst sich fallt v welcher eine starke Abkühlung bewirkt. Diese 
f Missstande wird man vermeiden, und ebenso wird man die nnter den 
f Zelten im Sommer eintretende Hitze mindern können, wenn man bei dem 
l Zeltban die Baracken-Gonstruction nachahmt and in der First Oeffnangen 
' schafft. Hieraus leitete ich die dritte Bedingung ab: Auch für das 
• improvisirte Zelt sind Ventilations-Vorrichtungen erforderlich« 


Figur 1. 

Grundriss des Zeltes. 





•3 




I Um die erste Bedingung zu erfüllen, ist das nachstehend dargestellte 
| Zelt*) so zusammengefügt, dass Pfahle und Stangen, wie sie in einer 
1 Kiefern- oder TaDnenschonung oder auch in einem Laubholzwald leicht 
| gewonnen werden können, zur Herstellung des Zeltgerippes verwendet 

I- 

{ *) Von Baracken ist weiter unten die Rede. 


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165 


werden.*) Die Verbindungen erfolgen dnrch Bindedraht, wie solcher bei 
Baorüstungen benutzt wird, oder in Ermangelung desselben mit Stricken. 
Es entstehen somit ähnliche Bane, wie der Indianer seine Heimstätten 
entstehen lässt Dieselben sind in den Fignren 1 bis 7 znr Darstellung 
gebracht 

Die Decke des Zeltes und die Wände werden atn besten aus Segeltuch 
hergestellt; fehlt dasselbe, so wird man Leinwand und andere Zeuge 
wählen nnd sie ungetheert oder aber getheert verwenden, im Nothfalle 
wird man auch auf alte Mäntel, leere Säcke etc. zurückgreifeo. Bei 
Verwendung von Mänteln, Säcken oder anderen Eindeckuqgen, bei denen 
viele Nähte entstehen, wird es sich empfehlen, zwischen den Sparren ein 
Netz von Stricken (starken Schnüren) herznstellen, welches der Eindeckung 
als Unterlage dient — Auch Dachpappe würde unter Znhülfenahme von 
Dachlatten Anwendung finden können.. 


Figur 3. 

Figur 4. Querschnitt des Zeltes. Figur 5. 



Die zweite Forderung wird insbesondere dadurch erfüllt, dass die 1 
Construction des Zeltes den Aufbau und ebenso den Abbruch ohne An- • 
Wendung von Rüstungen gestattet Die Errichtung des Zeltes erfolgt ; 
nämlich in folgender Weise: Zuerst werden die senkrechten Pfähle a der 
Langwand (siehe die Figuren 2 und 3) paarweise in den Boden getrieben, ; 
wobei nach Beschaffenheit des Bodens ein Vorschlagpfahl oder auch ein 
Erdbohrer zu benutzen ist. An diese senkrechten Pfähle werden mit 
Draht (Stricken) die wagerechten Holme b der Langwand so befestigt, 
wie dies bei Baurüstungen zu geschehen pflegt. Für die Verbindung der 

*) Die Pfahle sind 3,2—3,5 m lang 0,08 m stark. Die Sparren 8,2 m lang und 
0,10 am Zopfende stark. Die Holme bedürfen einer Stärke von etwa 0,06 m; ihrer * 
Länge nach (15 m und mehr) können sie aus zwei ev. auch mehreren Theilen her¬ 
gestellt werden, die Längenverbindung erfolgt mit einem Drahtband, welches sich 
in einige mit der Säge oder dem Messer gemachte Einschnitte legt. 


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166 


Sparren c wird zunächst auf dem Erdboden eine Lehre nach Figur 4 in 
der Weise gebildet, dass man Pfahle A B und G in die Erde einschlägt, 
um die Fusspunkte A und C der Stangen und die Ueberschneidung B zu 
bestimmen; an diese Lehre werden die Stangenpaare gelegt und an der 
Ueberschneidung mit Draht verbunden. Die also zusammengefugten 
Stangenpaare richtet man auf und trägt sie zur Baustelle, dort schiebt 
man sie auf den Holmen der Langwände von der Giebelseite her vor, bis 
sie am richtigen Punkt angekommen sind. Eine feste Lage erhalten die 
Sparren, indem man an ihrem Fusspunkt die kurzen Pfähle d einschlägt 
und zwischen den Pfählen und Sparren durch Draht Verbindungen ber¬ 
steilt (vergl. Fig. 2 und 3).*) Das ganze Gerüst hat hierdurch so viele 
Festigkeit erhalten, dass man Leitern anlegen und die Firstfette e (Figur 2) 
aufbringen kann. Nachdem die Fette mit den Sparrenpaaren verbunden 
und die senkrechten Holzer g (Figur 1) der Giebelseiten angebracht sind, 
ist das Gerüst in den Hauptbestandteilen beendet; es fehlen nur noch 
die vier Sturmbänder, welche von der Firstfette her nach vier in den 
Erdboden getriebenen Pfählen h (Figur 6) gezogen werden. Dieselben 


Figur 6. 

Perspectiyische Skizze des Zeltes. 



Figur 7. 

Befestigung der Leinwand 

I auf den Sparren. 

\ sollen dem Winddruck, -welcher in der Längsrichtung des Baues angreift, 
\ in gleicher Weise Widerstand leisten, wie die bis zum Boden herunter 
!- geführten Sparren c dies in der Breitenricbtung bewirken. Die Sturm- 
r bänder sind aus Draht nach Art der bei Telegraphenleitungen üblichen 
l Drahtanker gebildet; sie werden hergestellt, indem man in eine zwischen 
den beiden Festpunkten (hier dem Pfahl im Boden und der Firstfette e) 
eine Drahtschleife anbringt, in dieselbe einen Nagel oder ein anderes kleines 

*) Bei der ersten Ausführung waren an den Fusspunkten noch Ueberlagshölzer 
parallel den Fetten angeordnet, so dass die Drahtverbindungen Ueberlagshölzer, 
Pfahle und Sparren verbanden; diese Hölzer erschienen indess als nicht erforderlich. 


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167 


Eiseostück steckt und dieses so lange dreht, bis der Anker die erforderliche 
Spannung erhalten hat. — Für die Sparrenverbindung ist eine Versatzung 
(nach Fig. 5) zu empfehlen; bei kräftigem [Anziehen der Bindedrähte 
wird dieselbe aber auch entbehrt werden können. Um die Firstfette wird 
eine Packung aus Stroh hergestellt; dieselbe wird so gestaltet, dass sich 
in der First eine Rundung bildet, welche verhütet, dass die Enden der 
Sparren die Leinwand durchscheuern. 

Die oben unter III geforderte Ventilation soll an heissen Tagen da¬ 
durch erreicht werden, dass man die Langwände des Zeltes in die Hohe 
hebt; demgemäss sind diese beweglich, und nur die Zeltdecke und die 
Giebelwände — letztere natürlich ausschliesslich der Eingangsthüren — 
sitsen auf dem Oerippe fest. Die Zeltdecke wird an ihrem unteren Ende 
an einen Strick genäht, welcher von Sparren zu Sparren gezogen wird; 
die Giebel wände sind an den Ecksäulen und Endsparren festgenagelt; 
ausserdem wird an den Säulen und über die Sparren hin noch die in 
Figur 7 dargestellte Befestigung angewendet: man legt über die Lein¬ 
wand a b die dünnen Latten c und nagelt sie auf die 8äulen oder Sparren 
mit dünnen Nägeln fest. Die Leinwand der Langwände ist nur an ihrem 
oberen Ende an den Holmen b befestigt (s. Fig. 3); in das untere Ende ist eine 
lange Holzstange 1 eingewickelt, welche durch ihr Gewicht die Leinwand 
herunterzieht, wenn das Zelt geschlossen sein soll; sollen die Langwände 
gehoben werden, so dreht man die Stange mehrfach herum und wickelt 
ao die Leinwand auf; schliesslich hängt man die Stange in Seilschleifen 
aof^ welche an den Holmen b festsitzen.*) — Das Heben der Leinwand 
an den Langwänden verbietet sich bei nassem Wetter von selbst; es muss 
dann ein anderes Mittel der Lüftung eintreten, um zu verhüten, dass 
Wasserdanst im Zelt sich bildet. Dieses Mittel ist durch zwei Lüftungs¬ 
klappen im Dach gewonnen. Die Klappen i i (siehe Figur 3) sind aus 
je zwei neben der Firstfette in der Dachfläche liegenden und drei 
schräg darunter befindlichen wagerechten Knüppeln gebildet; die 
obersten wagerechten Knüppel sind durch zwei Drahtbänder unter sich 
oder aber mit der Firstfette lose verbunden, so dass die Bewegung der 
Knüppel nicht gehindert ist. Die auf jeder Dachseite liegenden zwei 
geneigten und drei wagerechten Knüppel haben an ihren Kreuzungspunkten 

*) Statt einer Stange kann man auch mehrere anwenden, indem man die Lein¬ 
wand nach der Länge des Zeltes in zwei oder noch mehrere Theile zerlegt; die 
einzelnen Leinwandflächen müssen sich dann um etwa zehn Centimeter überdecken. 
Ein in Tempelhof aufgestelltes Probezeit mit 14 Betten, wie in Figur 1 f f skizzirt, 
hatte nur eine Stange an jeder Langwand; bei einer Zerlegung der Wandfläche in 
2 Theile wäre das Aufwickeln der Leinwand leichter gewesen. 


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168 


; feste Drahtbänder; die hierdurch gebildeten mit Leinwand gedeckten 
| Klappen werden in folgender Weise auf nnd nieder bewegt: An den 
| mittleren wagerechten Knüppeln sind gelochte Stangen m angebracht, 

) deren Lochnngen auf Stifte der unter den Klappen stehenden senkrechten 
| Pfahle f geschoben werden können; je nachdem hoher oder niedriger 
j gelegene Locher eingestellt sind, werden die Klappen weniger oder mehr 
[ gehoben. Muss bei lebhaftem Winde gelüftet werden, so kann man die 
I dem Winde abgekehrten Klappen allein heben, so dass ein Saugen des 
Windes eintritt. In Figur 3 sind die Klappen geschlossen, in Figur 6 
geöffnet gezeichnet. 

Der Boden des Zeltes wird mit Kies oder Coaksasche gedeckt; man 
wurde auch Fussboden anwenden können, es wird hierzu aber oft Zeit 

< und Material fehlen. 

\ Die Anfügung des Aborts an den Zeltbau erhellt aus den Zeichnungen 
; ohne Weiteres; in Betreff der Construction für die Aufnahme der Excre* 
! mente will ich noch Folgendes erwähnen: Das in Tempelhof errichtete 
; Zelt hat unter den Sitzen des Abortes zwei Hälften eines Petroleumfaases, 
| welche auf einer Holzplatte stehen; der Holzplatte sind Tier aus Holz- 
; scheiben gebildete Räder gegeben, so dass man die vollen Fässer leicht 
ausfahren nnd leere einschieben kann. Der ganze Apparat ist mehrfach 
getheert und bewährt sich gut 

In dem Grundriss des Zeltes, wie ihn Figur 1 darstellt, sind der in 
Tempelhof erfolgten Ausführung entsprechend 14 Betten angenommen; diese 
Zahl ist nicht durch die Construction des Zeltes bedingt, es durfte sich 
vielmehr empfehlen die Aufnahmefähigkeit auf 24 Betten, oder welche 
Zahl man sonst für die Leistungsfähigkeit eines Wärters bemessen will, 
: durch Verlängerung des Zeltes nach der Längsachse zu steigern. 

Die Construction des Zeltes, wie sie vorstehend besprochen ist, kam 

< schneller, wie dies bei Vorschlägen dieser Art zu sein pflegt, iber das 
Gebiet des Entwurfes hinaus und zur praktischen Erprobung: Während 
ich mit der Anfertigung des ersten Modelles beschäftigt war, richtete der 
Vorstand der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte an mich 
die Aufforderung, vor der im September 1884 in Magdeburg abzuhalten¬ 
den 57. Versammlung eine Frage aus der Kriegs-Hygiene zu besprechen; 
als erwünschtes Thema wurde bezeichnet „Die provisorische Unter¬ 
bringung grosser Krankenzahlen im Kriege“. Dieser Vortrag, welchem 

, eine grössere Anzahl von Militär-Aerzten beiwohnte, und die sich daran 
schliessende Besprechung forderten die Frage wesentlich; eine noch be¬ 
deutendere Förderung erfuhr die Sache dadurch, dass Herr Oberst Golz, 


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169 


Commandear des Eisenbahn-Regiments, die Gute batte, im Frühjahr 1885 
nach dem Modell eine Ausführung in richtiger Grosse auf dem Uebungs- 
platz des Regiments ausführen zu lassen. Die praktischen Erfahrungen 
welche Offiziere und Mannschaften des Regiments in Improvisationen 
dieser Art bereits besassen, fanden bei der Ausführung reiche Verwerthung;*) 
ausserdem gab der Ban Veranlassung zu einer Prüfung der Einrichtung, 
welche auf Anordnung Sr. Excellenz des Herrn Kriegsministers eine 
Commission der Militär-Medicinal-Abtheilung, bestehend aus den Herren 
Generalarzt Dr. von Coler, Wirkl. Geb. Kriegsrath Zehr, Oberstabs¬ 
arzt Dr. Strube nnd Stabsarzt Dr. Körting, vornahm. Infolge dieser 
Prüfung wurde seitens des Königlichen Kriegsministeriums beschlossen, 
ein Zelt dieser Construction im Anschluss an ein Berliner Militärlazareth 
zu errichten und mit Kranken zu belegen; die Ausführung dieses Beschlusses 
erfolgte im Sommer 1885 und zwar in den Anlagen des 2. Garnison- 
lasareths zu Tempelhof. 

Wenn gleich diese Ausführung eines Nothzeltes allen Ansprüchen 
genügt hat, so sind doch meine Wünsche in dieser Sache noch nicht er¬ 
füllt; dieselben gehen dahin, dass aus dem Zelt eine Nothbaracke gebildet 
werde, welche auch als Schutz für die kältere Zeit des Jahres genügt. 
Für diese Nothbaracke werden dieselben drei Grundbedingungen, zu 
stellen sein, welche ich oben für das Zelt notirte; auch soll das Gerüst 
wesentliche Veränderungen nicht erfahren, nur sollen die Seiten wände 
etwas hoher sein, wie bei dem Zelt Dies scheint insbesondere deshalb 
geboten, weil der Luftraum der Nothbaracke grosser sein muss, 
wie bei einem Zelt, dessen Wände für die Lufterneuerung mitwirken. 
Der Luftraum des Zeltes betragt 6,2 (2,1 +-^) 14,4 = 303,8 cbm also 
303 6 

-jj 1 - = 21,7 cbm für jedes Bett. 

( 2 g\ 

2,5 4- -yj 14,4 = 339,3 cbm 

also auf 24,2 cbm für das Bett vermehrt. 

Durch die Erhöhung der Seitenwände bietet sich ferner die Gelegen¬ 
heit, unter dem Schutze des Dachüberstandes**) eine Fensterreihe ber- 
zostellen, welche an der ganzen Langseite durchgehen soll, damit eine 
vollkommene Erleuchtung des Raumes erzielt werde. Diese Aenderung 

*) Die Ausführung erfolgte unter Leitung des Herrn Roenneberg, Hauptmann 
im Königl. Eisenbahn-Regiment. 

**) Lasst man den Ueberstand weit aber die Seitenwand hinausragen, so wird 
der dadurch gebildete Schutz auch gestatten, fehlende Fensterscheiben für kurze Zeit 
durch Papier zu ersetzen. 


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170 


erscheint deshalb erforderlich, weil an die Stelle der Leinwanddecke 
eine Brettbekleidnng, wie Figur 8 sie darstellt, oder glatte Schalung 
mit Dachpappe nnd an die Stelle des Zelttnches der Wände Brett- 
schalnng treten soll. Die Brettschalnng der Wände ist anf der Innen¬ 
seite der Pfähle angenommen, weil es für die Reinigung des Raumes 
wünschens werth ist, eine möglichst glatte Wandfläche zn haben; es 
gestattet diese Anordnung ferner folgende Verstärkung des durch die 
Wände zu bewirkenden Schutzes, welche bei niedrigen Temperaturen 
in Anwendung kommen soll: An die Aussenfläche der senkrechten 
Stiele werden Faschinen gelegt, wie Figur 8 dies andeutet, an die 
Faschinen wird Erde geworfen. Doppelte Wände in diesen Anordnungen sind 
ein guter Schutz gegen die Kälte; sie liefern daneben sehr trockene Räume, 
wenn der Figur 8 gemäss bei Entnahme der Erde für die Wände Gräben 
gebildet werden, welche dem Boden der Baracke die Feuchtigkeit entr 
ziehen. Es wird sich empfehlen, den Wall (and je nach Beschaffenheit 
des Bodens auch den Graben) an einer Giebelseite durchgehend und 
an der zweiten soweit herzustellen, wie die Thüranlage dies gestattet. 

Figur 9. Figur 8 . Sofern dem Vorstehenden gemäss 

^uTsbodenpiatte^ ^Nothbaracke. er das Aeussere der Baracke so gestaltet 

ist, dass es in den Hauptflächen Dach¬ 
pappe, Glas und Erde zeigt, ist die 
Uebertragung von Feuer von 
einer Baracke zur andern nach 
Möglichkeit ausgeschlossen. 

In dem Innern des Zeltes, welches 
probeweise in Tempelhof in Be¬ 
nutzung genommen war, wurde vor 
der Belegung die Grasnarbe beseitigt 
und dann aus Coaksasche 
Grundriss der Nothbaracke. ein Boden gebildet Für 

den Sommer genügte dies, 
ob es aber auch für die 
kältere Jahreszeit der Fall 
sein wird, glaube ich be¬ 
zweifeln zu müssen. Es 
wird dann für die Kranken, 
welche zeitweise das Bett 
verlassen können, ein Holzboden wünschenswerth sein. Stellt mau 
denselben nach Figur 9 in derselben Weise her, dass man aus mehreren 




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171 


Brettern Platten mit Unterlagen bildet and mit diesen den Mittelgang 
und die Raume zwischen je zwei Betten belegt, so hat man den 
Vortheil, dass man den Fassboden auch nach der Belegung der 
Baracke noch einbringen kann, dass man ferner die einzelnen Platten aus 
dem Raume jederzeit herausnehmen und im Freien reinigen und desinfi- 
ciren kann. Damit diese Arbeit keine Schwierigkeiten biete, scheint es 
wunschenswerth, für die Platten ungehobelte Bretter nicht zu benutzen; eben¬ 
so würde ein durchgehender Fussboden nur aus behobelten Brettern zu 
bilden sein, es sind aber für derartige Nothbaracken meines Erachtens 
die Platten dem durchgehenden Fussboden vorzuziehen. 

Eine wichtige Frage bildet die Anordnung der Heizung: In den" 
Kriegsbaracken des Jahres 1870/71 hatte man eiserne Oefen angewendet 
und die Heizfläche derselben dadurch gemehrt, dass man die eisernen 
Ofenrohre auf eine gewisse Entfernung wagerecht im Raum und dann 
senkrecht durch die Decke führte. Die strahlende Wärme der Oefen 
und Rohre wurde oftmals den nächstgelegenen Kranken lästig — ein 
Gebelstand, welcher für die entworfene Mothbaracke in höherem Maasse 
wird zu befürchten sein, weil die Dimensionen geringer sind, wie bei 
den Kriegsbaracken des deutsch-französischen Krieges. Mit Rücksicht 
hierauf scheint sich folgende Anordnung zu empfehlen, welche in den Figuren 
9 und 10 zur Darstellung gekommen ist: In eine Ecke der Baracke und 
zwar an der Giebelseite, welche der Eingangsthür gegenüber liegt, wird 
ein eiserner Ofen hinter einem aus Ziegelsteinen gemauerten Schirm au¬ 
geordnet Der Schirm ist so gebildet, dass ihm mehrere Züge (wie bei 
den Kachelöfen) gegeben werden; das Rauchrohr des eisernen Ofens 
wird in den ersten Zug des gemauerten Schirmes von oben eingeführt, 
der erste Zug steht an seinem unteren Ende mit dem 2., dieser an seinem 
oberen Ende mit dem 3. in Verbindung; ebenso besteht zwischen dem 3. 
und 4. Zuge eine Verbindung am unteren Ende. Nachdem das Feuer so 
zweimal wieder nach unten geleitet ist, geht es durch ein eisernes Rohr 
zum Dache hinaus. Dieses Eisenrohr sitzt in einem weiteren Rohr mit 
Blechplatte, welche sich auf die Dachschalung legt; das Rohr kommt 
also mit dem Holz nicht in Berührung. Ausser diesem Feuerschutz wird 
ein fernerer auf den Holzflächen am eisernen Ofen nöthig; derselbe wird 
durch Bedecken der Holztheile mit Blech oder Dachpappe erreicht — 
Dem Vorstehenden gemäss bildet die Heizanlage eine Vereinigung eines 
eisernen Ofens und eines Kachelofens. Constructionen dieser Art haben 
sich in den Bahnwärterbuden, welche wegen des Zu- und Abgehens der 
Wärter schwer warm zu erhalten sind, als sehr zweckmässig bewährt. 


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172 — 


Für die Nothb&racken werden sie noch den besonderen Vortheil bieten, 
dass die gemauerten Theile da, wo kein Nachtdienst der Krankenwärter 
stattfindet, die Wärme lange halten, ohne dass Fullofen cor Anwendung 
kommen, es wurde somit während der Nacht eine starke Abkühlung des 
Raumes nicht an befurchten sein. — Die eisernen Oefon können auch in 
gewisser Weise einen Ersata der Theeküche liefern, welche die Kriegs¬ 
baracke des deutschen Heeres bekanntlich hat. In einem Wassergefiss, 
welches auf dem Ofen steht, wird allerdings das Wasser meist nicht zum 
Kochen kommen, aber es wird hieran eine geringe Nachhülfe mit Spiritus 
genügen; ausserdem kann der Ofen, wenn man eine geeignete Form 
* wählt, daan dienen, den fertigen Thee warm an stellen. Der bei dem 
Wärmen nnd Kochen des Wassers entwickelte Dampf wird ausserdem 
ein willkommenes Mittel bieten, das Austrocknen der Luft, welches eiserne 
Oefen au eraeugen pflegen, in wirksamer Weise au verhindern. Diesem 
Aostrocknen wird auch der Luftwechsel entgegenwirken, welcher für 
die Nothbaracke in gleicher Weise, wie für das Zelt erstrebt wird, so " 
lange es sich um die Benotaung bei Sommerwärme und bei mittleren 
Temperaturen handelt. Die Klappen wird man indess nicht mit Lein¬ 
wand, sondern mit Dachpappe and awar in der Weise bedecken, dass 
wie Figur 8 dies andeutet, ein Dachpappenstreifen über beide Klappen 
reicht und in der Mitte einen Wulst bildet. Dieser Wulst wird verhüten, 
dass bei häufiger Bewegung der Klappen die Dachpappe brüchig werde. Soll 
diese Firstventilation in Thätigkeit treten, so werden die Klappen ent¬ 
weder beiderseitig gehoben, so dass die Form der Firstventilation der 
Baracke des deutschen Heeres entsteht, oder aber man öffnet die Klappen 
nur einseitig und awar in der von dem Winde abgewendeten Richtung. 
Ersteres wird, wie bereits oben erwähnt, sich bei ruhigem Wetter empfehlen, 
letzteres bei stärkerem Winde, welchen man nicht direct will in die 
Baracke eintreten lassen; bei der letateren Anordnung wirkt der Wind 
durch Absaugen der Luft. Tritt eine Temperatur ein, welche die Heizung 
der Baracke nothig macht, so werden die Oeffnuugen der Ventilations¬ 
klappen als au gross, so wird die Luftzuführuug als zu kräftig sich 
erweisen,*) und es soll dann eine mit der Heizung verbundene 

*) Es wird sieb sogar für grosse Kälte vielleicht empfehlen, die Fuge zwischen 
Dach nnd Klappe zu dichten, indem man an die anfliegenden Theile der Klappen 
von unten schmale Kissen annagelt. — Will man im Winter, solange die Erdwälle 
an der Nothbaracke bestehen, zum Desinficiren den unteren Tbeilen des Baracken¬ 
raumes Luft zuführen, so dienen hierzu Thonröhren, welche in die Wälle gelegt 
werden (siehe p p in Figur 8). 


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173 


Ventilation in Benutzung genommen werden. Das eiserne Rauchrohr, 
welches ans dem Steinofen senkrecht durch die Dachfläche geht, wird 
mit einem weiteren Rohre ummantelt; zwischen beiden Rohren wird eine 
süfsteigende Bewegung der Luft eintreten, sobald geheizt wird. Durch 
diese Bewegung wird dem Krankenraume zeitweise eine grossere Menge 
Luft entfuhrt werden, wie dies mit Rücksicht auf die Erwärmung des 
Brames zulässig ist, und es muss deshalb das Abzugsrohr zeitweise 
geschlossen werden können. Hierzu dient eine in der Zeichnung (Fig. 8) 
mit o bezeichnete Schiebervorrichtung. 

Zu solchen Zeiten, wo eine zu starke Loftentziehung zu furchten 
ist, kann den dem Eingänge zunächst liegenden Kranken auch die Luft¬ 
zufuhren g lästig werden, welche bei dem Oeffnen der Eingangsthür ein¬ 
treten muss. Als Schutzmittel wird ein an der aufschlagenden Seite der 
Thür aufzustellender Holzschirm passende Verwendung finden, weniger 
empfehlenswerth erscheint eine Windhausanlage vor der Eingangsthür, 
denn diese wurde bei entstehendem Feuer der raschen Räumung der 
Baracke ein Hinderniss bieten können. 

Die Nothwendigkeit, Bauten wie die vorbeschriebenen zu errichten, 
wird selbstverständlich zunächst da eintreten, wo Häuser zur Aufnahme 
der Verwundeten in der Nähe des Schlachtfeldes fehlen. Ferner werden 
sie durch die Anlage der Krankensammelstellen bedingt werden; diese 
Sammelstellen werden bekanntlich in der Nähe der Bahnhöfe erforderlich, 
um den Verwundeten und Kranken, welche der Eisenbahn Zuströmen, 
bis zu ihrer Aufnahme in die Züge Aufenthaltsräume und Schutz gegen 
die Witterung, sowie die nöthige Pflege zu geben. Ebenso sind für die 
Insassen der Krankenzüge, welche sitzend die Fahrt zur Heimath zurück¬ 
legen, Unterkunftsräume zum Aufenthalt während der Nacht nöthig, weil 
sie längere Fahrten ohne Unterbrechung nicht machen können, theilweise 
auch« weil in Feindesland der Eisenbahnbetrieb bei Nacht zu ruhen pflegt 
(Uebernachtungs-Stationen). Alle diese Bauten bedingen eine kurze 
Herstellongszeit, und es ist daneben wünschenswert, dass sie aus leicht 
zu beschaffenden Materialien und auch von wenig geübten Leuten her¬ 
gestellt werden können. — Aber nicht allein zur Aufnahme von Kranken 
sollten meines Erachtens Bauten dieser Art passende Verwendung finden 
rach für Gesunde werden derartige Unterkunftsstätten unter Umständen 
erforderlich werden. Michaelis,*) welcher die durch Eirankheiten 


*) Oesterr. militär. Zeitschrift 1881 (2. Bd.), S. 55 ff. Die militärischen Ursachen 
and Folgen des Flecktyphus auf der Balkan-Halbinsel im russischen Heere 1877/78. 


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erzeagteo Verloste der rassischen Armee im Kriege 1877/78 einem ein¬ 
gehenden Stadium unterzog, findet die Ursachen des Flecktyphus, welcher 
dieser Armee so verhängnisvoll wurde, im Wesentlichen darin, dass die 
Truppen unerwartet bei Kissenew Halt machen und dott in äusserst 
dichten Gantonnements überwintern mussten, ohne dass ein stehendes 
Lager errichtet worden wäre. Das hierdurch veranlasste Zusammen- 
drängen von Menschen auf einen relativ geringen Raum, daneben die 
geringe Reinlichkeit, welche überall zu Tage trat, und endlich die mangelnde 
Sorge für ausreichende Desinfection, lieferte die Grundbedingungen für den 
Ausbruch und insbesondere für das gewaltige Umsichgreifen der Krankheit. 
In letzterer Beziehung kommt Michaelis zu dem Schluss, dass die 
* ursprüngliche“ Invasions-Armee fast ganz allein durch Flecktyphus 
consumirt ist. 

Wie nun hier durch die schleunige Herstellung eines stehenden 
Lagers der Entstehung der Krankheit wahrscheinlich hätte vorgebengt 
werden, jedenfalls aber das Umsichgreifen der Seuche hätte eingedämmt 
werden können, so sind ferner die Fälle in Betracht zu ziehen, in welchen 
das von der Armee betretene oder durchzogene Land stellenweise den 
Flecktyphus oder eine andere Seuche bereits zeigt, so dass es geboten 
erscheint, die Berührungsflächen mit der 8euche so weit wie möglich 
einzuschränken und aus diesem Grunde Unterkunftsstätten zu errichten. — 
Endlich können auch Belagerungen von Festungen, welche im Winter 
durchgeführt werden müssen, die Ausführung von provisorischen Bauten 
im grossen Umfange bedingen. 

Die Ausbildung solcher Einrichtungen erscheint somit als eine Frage, 
welche einer eingehenden Erwägung werth ist 


Ueber Augenuntersuchungen bei Kopfverletzten. 

(Nach einem in der Berliner militarärztlichen Gesellschaft gehaltenen Vortrag.) 

Von 

Stabsarzt Dr. A. Koehler. 


Eine grosse Zahl kasuistischer Mittheilungen aus den letzten Jahren, 
sowie die häufig wiederkebrende Ermahnung an Aerzte, namentlich Chi¬ 
rurgen, mehr als bisher auf den Zusammenhang zwischen Sehstörungen 
resp. Veränderungen am Sehorgan und Kopfverletzungen zu achten, be¬ 
weisen, dass durch die wichtigen, von Holder, Berlin, Reich, 
v. Oettingen, v. Bergmann u. A. gelieferten Abhandlungen die all- 


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— 175 - 


gemeinere Aufmerksamkeit auf dieses Thema gelenkt ist. Es dürfte des¬ 
halb nicht überflüssig erscheinen, die wenn auch geringen positiven Er¬ 
gebnisse der. Aogennntersnchungen mitzntheilen, welche ich im Laufe des 
letsten Jahres an einer grossen Reihe von Kopfverletsten (107) auf der 
chirurgischen Abtheilung des Charitökrankenhauses vorgenommen habe. 

Chirurgische und ophthalmologische Erfahrungen müssen Zusammen¬ 
kommen, wenn für diese Frage brauchbare, annähernd vollständige Resultate 
ersieh werden sollen. Dem Chirurgen entgehen naturgemass fast alle 
diejenigen Falle, bei denen das Augenleiden sich erst spater zeigt, viel¬ 
leicht, wenn man kaum noch an die Kopfverletzung denkt; dem Ophthalmo¬ 
logen aber diejenigen, welche infolge schwerer Verletzungen schnell 
so Gründe gehen, oder nach leichterem Trauma die chirurgischen Ab¬ 
teilungen geheilt verlassen. Auch wenn diese letzteren nicht über Seh- 
störung klagen, so können doch Veränderungen im Bulbus vorhanden seid, 
welche auf die Verletzung zu beziehen sind, und bei denen ein Einfluss 
auf das Sehvermögen sich vorläufig nicht oder überhaupt nicht geltend 
macht Man muss deshalb eine genaue Untersuchung der Augen auch 
bei leichteren Kopfverletzungen und bei solchen, welche gar nicht die 
Umgebung der Augen, sondern eine beliebige Stelle des Kopfes trafen, 
nicht für nebensächlich halten. Es ist sehr wohl denkbar, dass ein Befund 
am oder im Auge uns bei der Behandlung einer anscheinend leichten 
Kopfverletzung zur Vorsicht mahnt. Da wir nun oft sehen, dass der¬ 
artige Patienten eine Herabsetzung der Sehschärfe auf einem Auge nur 
anfällig entdecken oder erst bei der Untersuchung zugeben, müssen wir 
die letztere möglichst früh und möglichst vollständig vornehmen. Das 
wird nicht schwer durchzufübren sein, weil bei geringen Verletzungen 
eine Untersuchung der Augen einfach und leicht zu sein pflegt« Ein 
positiver oder negativer Befand aus der ersten Zeit der Beobachtung kann 
zach für eine gerichtsärztliche Beurtheilung, vielleicht lange Zeit nach 
der Verletzung, sehr wichtig sein. Für die Fremdkörper in der Orbita 
hat Berlin ermittelt, dass sie in 6% bei der Arbeit, 45% durch un¬ 
glücklichen Zufall und 49% durch activen Eingriff anderer Personen 
acqnirirt waren; von diesen gehörten 7 % der Kriegschirurgie an, 41 % 
stellten Körperverletzungen im Sinne des Strafgesetzbuches dar (Berlin, 
Verletzungen der Orbita, Graefe-Saemisch, Bd. VI, pag.631). Wir werden 
nicht fehlgehen, wenn wir für alle Kopfverletzungen ein ähnliches Ver- 
haltniss annehmen; ja, hier wird die Schuld anderer Personen noch 
häufiger anzunehmen sein und demgemäss die Frage nach dem ursächlichen 
Zos&mmenhang von Sehstörung und Kopfverletzung recht oft gestellt 



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werden. Fast in der Hälfte der von mir untersuchten Fälle handelt es 
sich um Schlägereien, die andere Hälfte besteht zu ziemlich gleichen 
Theilen aus gewerblichen Verletzungen, bei denen spätere Entschädigungs¬ 
ansprüche auch nicht selten sind, und aus solchen, bei denen die Schuld 
eines Dritten auszuschliessen war; also mindestens */> der Fälle konnten 
eventuell zu gerichtlichen Verhandlungen Veranlassung geben. 

Eine grosse Zahl früher rathselhafter Sehstörungen nach solchen 
Traumen, welche entfernt vom Auge, vielleicht nicht einmal am Hopfe, 
eingewirkt hatten, ist zuerst durch die Untersuchungen Hölder’s in ihrer 
Entstehungsweise klargelegt Er sammelte, wie Berlin berichtet, in 
einer 32 jährigen, meist gerichtsärztlichen Thätigkeit 124 Fälle von 
Schädelfractur; darunter waren 86 Basisbruche und unter diesen 79 mit 
Brüchen des Orbitaldaches, ln */s dieser Fälle war die Wand des Ganalis 
opticus mltzerbrochen, nicht nur bei Einwirkung der Gewalt in der Nähe 
der Orbita, sondern auch als directe Fortsetzung eines Bruches des Stirn¬ 
beins, Sohläfebeins, Scheitel-, sogar des Hinterhauptbeins, oder als indirecte 
Bruche bei Einwirkung der Gewalt z. B. auf den Hinterkopf. (Vergl. auch 
v. Bergmann, Die Lehre von den Kopfverletzungen, pag. 209.) 

Zu ähnlichen Schlüssen kamen Reich und v. Oettingen, speciell 
für Schnssfracturen des Schädels. Vossius berichtet über einen Patienten, 
der beim Turnen auf die Tubera ischii gefallen war und nach 3 Tagen 
rechts fast vollständige Amaurose und Hemiparese zeigte. Letztere ging 
zuruck, das Sehvermögen besserte sich etwas (nach 8 Mon. *%<>, grün und 
roth verkannt). Die Papille zeigte atrophische Veränderungen. Vossius 
nimmt deshalb, obwohl die sonstigen Hauptsymptome einer Basisfractur 
fehlten, eine solche an mit Fortsetzung durch den Canal, opticus und 
Bluterguss (Zehender’s Monatsblätter XXI. pag. 284). Schweigger 
berichtet über eine 6 Tage anhaltende Amaurose nach Fall auf die Ober¬ 
kiefergegend (Archivf. Augenheilk. XIII. pag.244), Page, Denti, Hirsch¬ 
berg, Baas u. A. haben ähnliche interessante Beobachtungen veröffentlicht. 
Letzterer hat einen sehr merkwürdigen Fall von Amaurose, infolge einer 
ganz geringen Verletzung des linken oberen Augenlides, beschrieben. 
(Zehender, XXII. pag. 280.) 

Ein 54 Jahre alter Mann streifte den vorstehenden Zinken einer Gabel, 
so dass eine oberflächliche strichförmige Abschürfung der Haut und eine 
kleine Stichwunde im linken Oberlid entstand. Kein Schmerz, keine 
Blutung. „Damit kein Staub hineinkomme" trug Patient 4 Tage lang 
einen Verband, ohne einen Arzt aufzusuchen; als er dann den Verband 
abnahm, constatirte er selbst vollständige Blindheit links. Er behauptete 


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— 177 — 


ganz bestimmt, früher hier so gut wie rechts geseheo zu haben. Baas 
fand eine ganz kleine unbedeutende Narbe; sonst waren Lider, Sklera, 
Hornhaut, vOtdere Kammer, Pupille, Iris — Alles, auch der Augenhintergrund 
bis in die äusserste Peripherie, normal. Nach 3 Wochen wurde „hell 
and dunkel“ wieder unterschieden. Ba&s betont mit Recht, dass man 
in diesem Falle nicht einmal eine Erschütterung des Sehnerven resp. der 
Netzhaut annehmen könne, welche mehrfach einen ähnlichen Symptomen- 
complex herbeigeführt hat und fast immer durch diffuse milchweisse 
Trübung der Netzhaut mit zahlreichen Blutungen auch ophthalmoskopisch 
diagnosticirt werden konnte. An die räthselhafte Dupoy tren’sche Reflex¬ 
blindheit darf nur dann gedacht werden, wenn eine traumatische Neuralgie 
des Supra- oder Infraorbitalis mit einer Sehstorung zugleich erscheint und 
verschwindet (v. Bergmann, 1. c. pag. 33, Hoffmann, Hdb. d. gerichtl. 
Medicin, pag. 424.) 

Dass Beobachtungen, wie die vorstehend kurz referirten, gar nicht so selten 
sind, ist ein Grund mehr, eine möglichst frühzeitige Augenuntersuchung 
and Beobachtung auch bei geringeren Kopfverletzungen für mehr als nur 
wÜDSchenswerth zu halten; und wenn auch bei den von mir angestellten 
Untersuchungen mit jedem neuen Dutzend meine Hoffnungen auf einen 
reichen Ertrag geringer, und die Zahl derer grösser wurde, welche „mit 
blauem Auge“ davongekommen waren, so hat doch eine so grosse Reihe 
von Untersuchungen immer einen gewissen Werth. 

Ehe ich zur Besprechung der Fälle übergehe, möchte ich noch einiges, 
für Augenunterauchungen bei Kopfverletzten Wichtige hervorheben. 

Man beginnt — und muss häufig beginnen — mit der objectiven 
Untersuchung, und zwar mit der Betrachtung und Betastung der Um¬ 
gebung der Augen. Schwellung, Verfärbung, Temperatur, Consistenz 
(z. ß. Emphysem), locale Schmerzhaftigkeit und allgemeine Sensibilitäts¬ 
störungen. Gleichzeitig achten wir auf Ptosis, Lagophthalmus und auf 
die Tension und Beweglichkeit des Augapfels. Sind zu Anfang die Lider 
so geschwollen,*) dass sie nur mit einem Lidheber zu öffnen sind, dann 
suchen wir uns bei möglichst schonender Anwendung eines solchen von 
der Reaction der Pupille zu überzeugen; ist diese normal, dann sind wahr¬ 
scheinlich keine tiefergreifenden Veränderungen oder hochgradigen Seh¬ 
störungen vorhanden (vergl. Berlin, 1. c. pag. 580). Bei diesem kurzen 
Einblick werden uns Bluterguss in die vordere Kammer und Sugillationen 

*) Auch tief Bewusstlose kneifen zuweilen die Augen fest zusammen, wenn man 
die Lider auseinanderziehen will; hierdurch sowie durch das „Fliehen“ der Augen 
nach oben kann die Untersuchung recht erschwert werden. 

13 


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unter der Conjunct. bulbi auch nicht entgehen. Von den letzteren 
wissen wir, dass sie, kurze Zeit nach der Verletzung und gleichzeitig 
mit Lidsugillationen auftretend, die Diagnose einer directen Orbital- 
wandfractur unterstützen, und dass sie, wenn ihr Erscheinen längere Zeit 
nach der Verletzung dem der Lidsugillationen noch vorausgeht, zu den 
Symptomen der Basisfractur mit Fortsetzung durch das Orbitaldach 
gerechnet werden (Bardeleben, pag. 48, v. Bergmann, pag. 227). Das 
sogen, „blaue Auge“, die Lidsugillationen allein haben bei Kopfverletzungen 
nur dann Bedeutung, wenn sie indirect entstanden sind, wenn das Trauma 
nicht das Auge selbst oder seine nächste Umgebung getroffen hat. Die 
oberflächlichen und deshalb fast immer hellrothen, keilförmig oder wie 
gespritzt aussehenden Blutergusse innerhalb der Conjunct. bulbi, wie sie 
auch bei heftigem Husten, Niesen, Würgen etc. Vorkommen, haben an 
und für sich keine Bedeutung. Sehr häufig finden wir, ausser der Lid¬ 
schwellung, den Augapfel vorgetrieben; der Grad der Protrusion lässt sich 
io Ermangelung eines Exophthalmometers (Zehender) auch annähernd 
bestimmen, wenn man einen Stab gegen den unteren Orbitalrand hält 
und von der Seite her visirt, wie weit der Hornhautscheitel hervorragt. 
Selbstverständlich muss dies des Vergleiches wegen auch auf dem anderen 
Auge constatirt werden. Für die weitere diagnostische und prognostische 
Beurtheiluog der Protrusion ist es wichtig, erstens, ob sie pulsirt, oder 
ob pulsirende Geschwülste sich in ihrer Nähe befinden, und zweitens, ob 
sie gleich oder erst längere Zeit nach der Kopfverletzung aufgetreten ist. 
ln letzterem Falle nehmen wir an, dass ein Bluterguss an der Basis sich 
durch die Fissurae orbitales in die Orbita fortbewegt hat Entsteht die 
Protrusion gleich oder bald nach der Verletzung, dann ist sie durch 
Blutung ans den retrobulbären Gefässen bedingt und pflegt auf Druck¬ 
verband bald zurückzugehen. Nur in sehr seltenen Fällen entsteht diese 
Blutung im Fettpolster hinter dem Bulbus ohne Bruch der Orbitalwände, 
freilich ist in solchen leichteren Fällen selten Gelegenheit zur Section 
gegeben; Protrusion, Lid- und Bindehautsugillationen schwinden unter 
geeigneter Behandlung; wir glauben oft einen Orbitalbruch ausschliessen 
zu können, aber beweisen können wir sein Fehlen leider oder glücklicher¬ 
weise nicht (vergl. v. Bergmann, 1. c. pag. 226). Retrobulbäre Blut¬ 
ergüsse durch stumpfe Gewalt, welche nur den Bulbus traf, hat erst vor 
Kurzem Morian experimentell hervorgerofen. (Langenbeck's Archiv, 
Bd. 28 pag. 803.) 

Eine Vordrängung des Augapfels, ein sogen. Glotzauge, kann auch 
durch Emphysem in der Orbita bedingt sein, wenn die Siebbein zellen mit 


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einer Orbita) wandfissur in Verbindung stehen. Das emphysematose Knistern 
and die Verstärkung der Protrusion beim Niesen, Schneuzen, oder einem 
dem Val8alratschen ähnlichen Versuch wurden die Diagnose erleichtern. 
Ist das Emphysem auf Lidbaut und Umgebung beschränkt, dann beweist 
es nur Durchgängigkeit der Lamin. papyr. (ganz vorne) oder Verletzung 
.der vorderen Wand eines Sinus frontalis. Als fernere Ursachen für Pro¬ 
trusion des Augapfels sind noch zu berücksichtigen: venöse Stauung 
(höchster Grad bei Erstickten), ferner Krampf des von Müller entdeckten, 
vom Sympathicus innervirten Musculus orbito-ocularis (Hofmann, 1. c. 
psg. 455, Jacobson,*) pag. 98), Raumbeschränkung in der Augenhöhle 
durch abgebrochene Theile der Orbital wand, Lähmung sämmtlicher oder 
doch aller vom Ooulimotoiius abhängigen Augenmuskeln, sogen, paraly¬ 
tischer Exophthalmus — alles Zustände, welche nicht selten nach Kopf¬ 
verletzungen beobachtet werden. 

Von Luxationen (Avulsionen) des Augapfels können wir hier absehen; 
finden wir einen traumatischen pulsirenden Exophthalmus, dann werden 
wir, wenn er gleich nach der Verletzung mit starken Sugillationen an 
Bulbus und Lidern auftrat, an ein Aneurysma spurium der Arter. ophthalm. 
denken können, obgleich ein solches noch nie nachgewiesen und als 
Ursache für den pulsirenden Exophthalmus gewiss sehr selten ist. In 
den (weitaus) meisten Fällen zeigt sich die Pulsation erst später, nach 
Wochen, Monaten. Nach den Forschungen von Sattler, Schläffke u. A. 
(s. Sattler in Graefe-Saemisch, Bd. VI) hat sich dann ein Aneurysma 
arterioso-veno8um durch Verletzung der Carotis int. im Sinns cavernos. 
oder noch innerhalb des Felsenbeines im Canalis carotic. gebildet Die 
Arterie kann gequetscht sein und später an der gequetschten Stelle bersten; 
sie kann auch direct durch den verletzenden Gegenstand (Messer, lange 
Nadel, Geschoss von der Orbita, von der Ohrgegend, vom Gaumen aus) 
getroffen sein« Am häufigsten waren es Knochensplitter bei Basisbrüchen, 
speciell solchen der mittleren Schädelgrube. Durch irgend einen günstigen 
Zufall muss dabei der Riss im Gefäss recht klein geworden und geblieben 
sein, sonst würde es wohl zu schnellem Tod, entweder sofort oder unter 
rapide zunehmenden Druckerscheinnngen resp. Blutungen gekommen sein. 
Zuweilen ist die Pulsation sichtbar; meist ist sie nur durch die aufgelegte 
Hand wahrzunehmen. Später werden auch aus den kleinen Venen der 
Orbita, der Lid- und Gesichtshaut, pulsirende Tumoren; die betreffende 
Gesichtshälfte bekommt ein diffus hypertrophisches „varicose aneurismati- 


*) Beziehungen der Krankheiten des Sehorgans zu pilgern. Leiden. Leipzig 1885. 

13* 


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cal tt Ansehen (Morton bei Sattler, pag. 873), so dass ein Bild furcht¬ 
barer Entstellung sich entwickeln kann. Bei Compression der entsprechenden 
Carotis schwinden oder werden diese Schwellungen, sowie subjectiv and 
objectiv an Orbita und Kopf wahrnehmbare, sehr verschieden beschriebene 
Geräusche geringer. Sehr hantig sind dabei bleibende Lähmungen des 
Abduce ns und vorübergehende Lähmungen anderer Augenmuskeln beobachtet. 

Der übrige Tbeil der objectiven Untersuchung schliesst sich am 
besten dieser Betrachtung und Betastung des Auges und seiner Umgebung 
unmittelbar an, wenn nicht allzu pralle Lidschwellung es unmöglich macht. 
Beweglichkeit und Sensibilität lassen sich natürlich nur feststellen, wenn 
der Patient wenigstens etwas reagirt, dem vorgehaltenen Finger mit den 
Augen folgen, sensible Veränderungen angeben kann. 

Zunächst betrachten wir die Pupille; wenn auch geringe Verschieden¬ 
heiten zwischen rechts und links häufig bei Gesunden Vorkommen, so 
lasst sich doch oft aus Ungleichheiten der Pupillen in Weite und Reaction 
auf Sitz, Ausdehnung und Art der Kopfverletzung schliessen. Die Weite 
resp. Enge, Mydriasis resp. Myosis der Pupille hangt, ob nun ein be¬ 
sonderer Dilatator existirt, oder nicht, vom Oculimotorius und Sympathicus 
ab, so dass die Reizung des einen dieselben Symptome an der Pupille 
hervorruft, wie Lähmung des anderen. Ist der Oculimotorius gelähmt, 
dann ist die Pupille mittel weit und starr, reagirt weder auf Licht, noch 
bei Convergenz resp. Accommodation. Eine solche, nur den Sphincter 
iridis betreffend, finden wir öfters als einfach traumatische Lähmung bei 
Contusion des Bulbus; Pupille mittelweit, starr; oder schief und auf Licht 
reagirend bis auf die der Lähmung entsprechende erweiterte Stelle, wenn 
die Contusion nur an beschränkter Stelle eingewirkt hat. Die Iris ist 
dabei meist verfärbt, wenn man will, sugillirt; zuweilen treten auf ihr 
kleine Blutstippchen zu Tage, zuweilen liegt ein Bluterguss in der vor¬ 
deren Kammer. Dabei kann der übrige Bulbus intact, das Sehvermögen 
gut geblieben sein. Ausser der Lähmung des Oculimotorius nehmen wir 
noch eine Reizung der Dilatationscentren (Sympathicus) an, wenn wir die 
Pupille ad roaximum erweitert finden; bei Gehirnanämie nach starken 
Blutverlusten, bei höheren Graden von traumatischem Hirndruck (Kuss- 
maul-Tenner). Bei der traumatischen Meningitis ist das Verhalten der 
Pupille unsicher und wechselnd; am häufigsten ist Myosis infolge ent¬ 
zündlicher Reizung des Oculimotorius; kommt es im späteren Verlaufe 
zu Exsudaten, dann tritt wieder die Druck- event Lähmungs-Erweiterung 
auf. Ausserdem sind dabei Hippus, zuckende Pupillen Veränderungen und 
nystag musähnliche rollende Bewegungen der Augen beobachtet (v. Berg- 


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mann, pag. 349, Jacobson, pag. 102). In einem derartigen Falle fiel mir 
die Incougruenz io den Bewegungen beider Augen auf; das Zusammen¬ 
wirken der. beiderseitigen Augenmuskeln schien vollständig aufgehört zu 
haben (Fall, Dobberberg, No. 98). Die Erweiterung der Pupille bei 
Hautreizen (sehr deutlich bei Berührung der Nasenschleimhaut) scheint 
aof sympathischen Fasern zu beruhen, welche im Trigeminus verlaufen, 
im Oangl. Gassen, ciliare und intraocularen Ganglien entsprungen sind. 
Facialis, Acustic., Glossoph. und Hypoglossus scheinen auch derartige 
Fasern zu fuhren. 

Fehlt an der Pupille die Reaction auf Licht bei vorhandener Ver¬ 
engerung anf Convergenz resp. Accommodation, dann hat nicht der 
Oculimotorius, wohl aber die reflectorische Bahn zwischen ihm und der 
Netzhaut gelitten, und wir haben die Ursache am Nerv, optic. zwischen 
Chissma und Retina zu suchen. Verletzung eines Tractus hat auf dies 
Verhalten der Pupille keinen Einfluss; Zerstörung des Chiasma bedingt 
natürlich mittelweite, aufLicbtreiz nicht reagirende, bei Convergenz sich 
verengernde Pupillen bei absoluter Amaurose auf beiden Augen. Zer¬ 
störungen hinter dem Chiasma, event. bis zu der jüngst sehr angefochtenen 
Munk'schen Sehsphäre im Occipitallappen, müssten, ähnlich wie die Zer¬ 
störungen eines Tractus, wegen der Semidecussation im Chiasma, gleich¬ 
seitige Hemianopsie zur Folge haben, ohne Veränderung der Pupillar- 
reaction, wenn man den Lichtreiz auf die empfindende Netzhauthälfte 
einwirken lasst. 

Die weitere Untersuchung hat sich bei focaler Beleuchtung mit der 
Hornhaut, deren Sensibilität wir schon geprüft hatten, um event. auf 
neuroparalytische Keratitis gefasst zu sein, mit der vorderen Kammer und 
dem Irisgewebe (Blutungen, Zerreissungen, Dialysen) und schliesslich bei 
ophthalmoskopischer Durchleuchtung mit Glaskörper und Augenhinter- 
grund zu beschäftigen. Wir finden an diesen Theilen nach Kopfverletzungen 
die Zeichen der verschiedenen Grade von Erschütterung, Blutung, Stauung 
und früher oder später Entzündung mit dem häufigen Ausgang in Atrophie. 

Hornhaut, vordere Kammer, Iris und Linse werden, wenn nicht das 
Aoge selbst oder die nächste Umgebung getroffen ist, zu Anfaug kaum 
deutliche Veränderungen zeigen. Die etwa im Glaskörper gefundenen 
Blutungen fordern zu genauer Untersuchung der Aderhaut resp. Netzhaut 
auf; sie senken sich zuweilen, bei Bewegungen ihren Platz ändernd, im 
Glaskörper nieder und verursachen, wie Netzhautablösungen, eine Lücke 
im Gesichtsfeld. Blutungen am Augenhintergrund mit weisslicher diffuser 
Trübung der Netzhaut gelten für Symptome der Netzhauterscbütterung 


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(Knapp, Archiv f. Aogenheiik. Bd. X. pag. 337, Berlin, Zehender’s 
Monateblätter, 1873 pag. 42—78, Leber, Graefe-Saemisch V. pag. 747, 
Hir8chberg, Berl. klin. Wocbenschr. 1875 No. 22 u. 8. w.). Die Blut- 
extravasate allein, welche oft vollständig wieder verschwinden, nachdem 
sie eine Zeit lang weiss, wie Locher, in denen die Sklera freilag, aus- 
gesehen hatten, lassen das Sehvermögen, wenn sie nicht die Macala ein¬ 
nehmen, ganz intact. Stannngserscheinnngen am Angenhintergrond, also 
enge Arterien, weite geschlängelte, oft schwarze Venen, machen, wenn 
sie nicht za hochgradig sind, anfangs auch keine Sehstörong; früher oder 
später treten aber doch Ernährungsstörungen auf, die Linse kann cataractos 
werden (Michel, „Das Verhalten des Auges bei Störungen im Circulations- 
gebiete der Carotis* in den Beiträgen zur Ophthalmologie, Wiesbaden 1881), 
Sehnerv und Netzhaut können, mit oder ohne dazwischenliegende ent¬ 
zündliche Erscheinungen, mit oder ohne Stauungspapille, atrophisch werden. 
Einfache, nicht plötzlich entstandene, nicht zu hochgradige Stauung kann 
Monate lang bestehen, ohne das Sehvermögen zu schädigen. Ist die 
Stauung freilich so, dass der Augenhintergrund das Bild einer Embolie 
der Arteria centralis retinae darbietet, dann ist sofortige Blindheit nächste, 
und bleibende Blindheit durch Atrophie die weitere Folge, weil bei 
Kopfverletzungen die Ursachen dieser absoluten Stauungen, ausgedehnte 
Blutungen intracraniell, oder in der Sehnervenscheide, oder sehr grosse 
retrobulbäre Blutungen zu häufig mit Verletzung des Nerven selbst ver¬ 
bunden sind. Einer Zerreissung desselben folgt natürlich unfehlbar die 
Atrophie, und zwar zuweilen, ohne dass anfangs Papille und Netzhaut 
überhaupt Veränderungen gezeigt hätten. So finden wir, wenn die Zer¬ 
quetschung, Zerreissung, Durchschueidung des Nervus opticus hinter der 
Stelle des Eintritte der Centralgefässe (12—15 mm hinter dem Bulbus) 
stattfand, sofortige bleibende Amaurose, anfangs ohne Befund; später, 
meist nach drei Wochen, mit dem der Atroph, nerv, optici bei normalen 
Gefässen (vergl. Denti, Ref. im Archiv f. Augenheilkunde XIII. pag. 525; 
HirBchberg, Centralbl. f. prakt. Augenheilk. VIII. pag. 212; Leber im 
Handb. von Graefe-Saemisch; Vossius, Zehender’s Monateblätter 
XXI. pag. 282; 8. u. Fall Hofmann (No. 21); Aschmann, Beitr. zu der 
Lehre von den Wanden de9 Sehnerven, Inaug.-Dissert. Zürich 1885, u. s.w.). 
Eine Zerreissung vor dieser Stelle liefert wieder das Bild einer Embolie 
der Centralis und sehr bald Trübung und Atrophie. 

Die functioneile Untersuchung ist oft gar nicht möglich; sei es, dass 
die Patienten aus der Bewusstlosigkeit nicht wieder erwachen, sei es, 
dass sie längere Zeit unfähig sind, brauchbare Angaben zu machen. 


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Wenn sie erwachen und eine Sehstörung angeben, dann bleibt es unge¬ 
wiss, ob dieselbe in unmittelbarem Anschluss an die Kopfverletzung oder 
allmälig während der Bewusstlosigkeit entstanden war. 

Die Untersuchung selbst geschieht in der bekannten Weise mit be¬ 
sonderer Berücksichtigung des Gesichtsfeldes und der Farbenerkennung 
event der Drnckempfindlichkeit der Netzhaut (Fhosphens). Sie muss in 
zweifelhaften Fällen öfter wiederholt werden, immer zugleich mit der ob- 
jectiven Untersuchung, damit auch später auftretende, auf entzündlichen 
Veränderungen beruhende Sehstörungen uns nicht entgehen. 

Das letzte entscheidende Wort über die Entstehungsweise von Ano¬ 
malien des Sehorgans bei Kopfverletzungen, oft auch bei solchen, welche 
eine objective und functionelle Untersuchung zuliessen, spricht die Section. 
Diese ist einzige Quelle der Kenntniss in den häufigen Fällen, in denen 
der Tod ein trat, ohne dass eine genauere Untersuchung möglich war. 
Der Vertreter der pathologischen Anatomie wird uns seine werthvolle 
Hilfe dabei oft versagen müssen, weil es sich in den weitaus meisten 
Fällen um gerichtliche Sectionen handelt; hier tritt der Gerichtsarzt für 
ihn ein, und wie wesentlich ein solcher zur Klärung dieser oft schwierigen 
Beziehungen beitragen kann, das beweisen die grossartigen Leistungen 
Hölder’s. 

In meiner Liste befinden sich 99 Männer und 8 Frauen; alle zur 
Aufnahme gelangenden Kopfverletzungen zu untersuchen, war äusserer 
Umstände wegeu nicht möglich, doch wird das obige Verhältnis auch 
im Allgemeinen zutreffend sein. Während unter den Frauen eine durch 
Unfall und sechs durch activen Eingriff anderer Personen Verletzte und 
ein Selbstmordversuch sich befinden, ist das Verhältnis bei den Männern 
so, dass auf 41 Schlägereien der verschiedensten Art 58 anderweitige 
Verletzungen kommen. Unter diesen sind wieder 23 gewerbliche Ver¬ 
letzungen (Fall vom Baugerüst, Verschüttetwerden u. s. w.), mehrere 
Ueberfahrene (eine Eisenbahn Verletzung), vier im epileptischen Anfall 
Verletzte, vier Selbstmordversuche (zweimal durch Schuss, Gutheri No. 2 
and Tornau No. 99; einmal Sprung ins Wasser, All stein No. 65, ein¬ 
mal Sprung aus dem Fenster (drei Etagen), Faulhaber No. 32). Mit 
Erysipel wurden drei Patienten aufgenommen (No. 4, 17, 3 [Frau]); nur 
einer (No. 56) bekam Erysipel, nachdem er acht Tage auf der Abtheilung 
gelegen hatte; ein sehr günstiges Verhältnis, wenn man bedenkt, wie 
viele wirklich schauderhaft vernachlässigte Wunden, vorgeschrittene Phleg¬ 
monen und Erysipele zur Aufnahme gelangen. 

In einem Falle (Petigk No. 9) war überhaupt eine Untersuchung 


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nicht möglich, weil der Patient, in der Nacht anfgenommen, schon nach 
einigen Standen starb. In sieben Fällen konnte, oft mit vieler Mähe, 
wohl eine objective, aber keine functioneile Prüfung vorgenommen werden 
(Fall Gutheri No. 2, Schlotte No. 46, Blumenreich No. 47, Dobber¬ 
berg No. 98, Faulhaber No. 32, Friese No. 15, Allstein No. 65, die 
beiden letzteren waren zu schwachsinnig, die anderen bis zum Tode be¬ 
wusstlos, oder, wie Faulhaber, geisteskrank). Gestorben sind Gutheri, 
Schlotte, Blumenreich, Dobberberg, Faolhaber, Petigk, also 
sechs. Die Obductionen waren sämmtlich gerichtlich, mit Ausnahme der 
von Gutheri ond Dobberberg. 

Die weitere Betrachtung unserer langen Liste ergab erstens die be¬ 
kannte Thatsache, dass das Gros der Eopfverletzten, wie schon anfangs 
betont, mit blauem Auge davon kommt; zweitens aber, dass wir bei an¬ 
scheinend geringen Verletzungen Veränderungen am Sehorgan finden, 
welche wir wieder vergebens suchen in manchen anscheinend recht 
schweren Fällen. Fall 95 (Jordan) zeigt uns Netzhautblutungen in der 
Peripherie ohne Sehstorung nnd spurlos vorübergehend, ohne die sonst 
bei Netzhauterschütterung beobachtete milchweisse Trübung bei einer 
oberflächlichen Quetschwunde; p. Jordan war sonst vollkommen ge¬ 
sund. Einen ähnlichen, noch geringeren Befund (eine kleine Blutung 
in der Nähe der Papille) bei voller S zeigte Fall 62 (Hirscher). Das 
Bild einer sehr schweren Verletzung bot Frau Couball (No. 8) dar; es 
war ihr ein Wagen über den Kopf gefahren, sie war bewusstlos, stöhnend 
eingeliefert Der Schädel mit Stirn und Augengegend war durch einen 
colossalen Bluterguss aufgetrieben wie ein Kürbiss; die untere Gesichts¬ 
hälfte hing wie ein kleiner Fortsatz an dieser unförmlichen Masse. Die 
Kranke erwachte und konnte nicht hören und nicht sprechen; es zeigte 
sich aber später, dass dies nicht Folge des Unfalles, sondern dass um¬ 
gekehrt der Unfall Folge ihrer Taubstummheit war. ln einigen Tagen 
schwollen die Lider ab, die Conj. bulbi et palp. war beiderseits frei von 
Sugillation. Es bestand Emmetr., volle S, ophth. keine Abnormitäten. Im 
weiteren Verlaufe wurde, da es unsicher war, ob das vorhandene Fieber 
allein der Resorption des grossen Blutergusses zuzuschreiben war, unter 
antiseptischen Cautelen geöffnet und eine grosse Menge serös-blutiger Flüssig¬ 
keit mit grossen Blutklumpen entleert. Es erfolgte vollständige Heilung. 

Directe Verletzungen des Bulbus waren dreimal vorgekommen: 
1) Zerquetschung des linken Bulbus durch Stoss mit einem Schirm; dieser 
hatte, wie sich bei der Enucleation zeigte, die obere Orbital wand ge- 


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troffen, entblösst, aber nicht zerbrochen (für die Prognose wichtig!)*) 
(Fall 90, Thon). 

2) Fauatschlag gegen das rechte Ange; die Sklera zeigte einen (noch 
tod Conjonctiva bedeckten) Spalt, der mehr als die Hälfte der Hornhant 
umgab; Bulbus stark gespannt, vordere Kammer mit Blut dicht angefüllt, 
kleinste Flamme wurde erkannt, die Projection war aber unsicher. Das 
unvermeidliche Resultat war Phthisis bulbi nach chron. Entzündung.**) 
(Linkes Auge Hornhautnarben, Frau Kloschinska, No. 7.) 

3) Contusion des Oberkiefers, Jochbeins und Bulbus links; Patient 
war im Dunkeln gegen die Kante eines Brettes gerannt. Hier hatte der 
untere Orbitalrand, welcher sehr schmerzhaft war, aber eine Fractur 
nicht deutlich erkennen liess, die Gewalt des Stosses aufgehalten und 
den Bulbus soweit beschützt, dass er, ausser starken Sugillationen in 
seiner unteren Hälfte, nur eine Lähmung des Sphincter iridis mit Ver¬ 
färbung und kleinen Blutpünktchen an der Iris zeigte; im Uebrigen war 
der Bulbus und das Sehvermögen bis auf die aufgehobene Accommo- 
dation intact (Fall 78, Brauer). 

Am 21. XI. war die linke Pupille noch etwas weiter, reagirte aber 
wieder, ermüdete noch leicht (Patient konnte noch nicht lange lesen), 
ophth. Alles normal. Sugillationen verfärbten sich. Es erfolgte in kurzer 
Zeit vollständige Heilung. 

Wir haben auch einen jener interessanten Fälle von Zerquetschung 
des Sehnerven in der Orbita und hinter der Eintrittsstelle der Centralgefässe 
zu verzeichnen (Fall 21, Hofmann). Mit starkem Glotzauge rechts und 
einer kleinen nicht blutenden Wunde am rechten Innenwinkel, geringen 
Schmerzen kam Patient zur Abtbeilung. Er war — und ist es geblieben — 
absolut blind, während er vorher rechts gut sah (eine kleine oberflächliche 
nicht centrale Hornhauttrübung wird wenig genirt haben). Bulbus un¬ 
beweglich, Pupille mittel weit, reactionslos. In ca. 8 Tagen functionirten 
die Muskeln wieder, die Pupille reagirte bei Convergenz, nicht auf Licht¬ 
reiz. Dabei ophth. zuerst enge Arterien, weite geschlängelte Venen. Die 
Protrusion verlor sich auf Druckverband in einigen Tagen, zugleich 
schwanden die Stauungserscheinungen. Jetzt, nach 8 Monaten, R. Pup. — L. 
bei mittlerer Beleuchtung, Bulbus frei beweglich, ophth. Atrophia opt., 
Arterien und Venen eng, Papille blassgrünlich und scharfrandig. Ab- 

*) Bulbus war ein schlaffer Sack mit einer vorderen von der zerplatzten Horn¬ 
haut umgebenen und einer oberen Oeffnung. * 

**) Zu Anfang starke Protrusion, vielleicht hier retrobulbärer Bluterguss ohne 
Fractur an der Orbita! 


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solate Amaurose. Die rechte Papille re&girt bei Convergenz and bei 
Beleachtang des anderen Auges, sonst nicht 

Die Schassverletzang des Oaamens (Fall 99, Tornan) mit nach¬ 
folgenden multiplen Lähmungen (im Gebiete des 3., 4., 6., 7. and 8. Basal¬ 
nerven) and pulsirendem Exophthalmus wird an anderer Stelle genauer 
beschrieben werden. Hier sei nur erwähnt, dass in diesem Falle eine 
Schuss Verletzung der Basis wahrscheinlich ohne Läsion (indir. Brach) 
des Canalis optic. und des Orbitaldaches vorliegt, wie das lange lotact- 
bleiben des Opticus und das Fehlen jeglicher Sugillatiouen an den Augen 
annehmen lassen. Freilich war ein Revolver mit nur 7 mm Galiber be¬ 
nutzt. Der Patient befindet sich noch iu Behandlung, es geht ihm sehr 
viel besser, so dass man vielleicht hoffen darf, eine Heilung durch Com- 
pression und ohne Unterbindung der Car. comm. zu erreichen. 

In die folgende Liste sind nur die uns specieller interessirenden 
Fälle aufgenommen; die 4 Epileptiker und die 4 mit Erysipelas boten 
ophthalmologisch nichts Bemerkenswertes; fortgelassen habe ich auch 
die grosse Zahl leichterer Verletzungen, bei denen nichts gefunden wurde, 
sowie eine Anzahl schwererer Verletzungen ohne Befund. Die im Vor¬ 
stehenden. beschriebenen Fälle sind in der Liste nur kurz erwähnt. Die 
an verschiedenen Stellen angeführten Nummern beziehen sich nicht auf 
die folgende kleine, sondern auf die des Raumes wegen nur auszugsweise 
wiedergegebene Gesammtliste. 

Faulhaber,*) Schriftsteller, 41 J., 19. IX. 84, + 5. X. 84. Sturz 
aus dem Fenster (3 Etagen). Geisteskrank. Multiple Fracturen an den 
Extremitäten, Fractur der Nasenbeine, Quetschwunde an der Stirn. Starke 
Sugillationen an den Lidern. Keine Druckerscheinungen. 

S nicht zu untersuchen, ophth. auch schwer; nichts Abnormes. 

Section gerichtlich. 

Thon, Schlächter, 20 J., 14. 1. 85, 29. I. geh. Stoss mit Schirm 
ins linke Auge, Zerquetschung des Bulbus, Enucleation (s. o. pag. 185). 

Matzutt, Knecht, 26 J., 17. I. 85, 26. I. geh. Fall von der Leiter 
auf den Hinterkopf (gefrorener Boden), Schwindelgefuhl, Blut aus dem 
rechten Ohr, starkes Brummen im Kopf, ist 2 Tage lang fast taub, hört 
in 4 Tagen wieder normal. Puls und Respiration normal. S u. ophth. normal. 

Hofmann, Bäcker, 21 J., 7. III. 85, 26. III. geb. a. W. Verletzung 
mit einem Schirm am rechten innern Augenwinkel. Ruptura nervi optici 


# ) Von den beiden neben einander stehenden Daten ist das erste immer das 
der Aufnahme, das zweite das der Entlassung resp. des Todes. 


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(8.o. pag. 185). Spater Atrophie, (ln der Sitzung der militärärztl. Gesellscb. 
vom 21. XI. 85 vorgestellt) 

Gutheri, Kfm., 31 J., 20. V. 85, 23. V. f. Suicid. Schuss durch die 
rechte Schlafe ins Gehirn, Ausfluss von Hirnsubstanz. Puls frequent, 
unregelmässig. Athmung stertoros, Bewusstlosigkeit. Nach 2 Tagen Delirien. 
Pupillen ad max. verengt, reactionslos; S nicht zu untersuchen, ophth. auch 
schwer, nichts Abnormes gefunden. 

Section: Haemorrh. extra, intra et intermeningealis, Encephalomalacia 
rubra. 

Petigk, Arbeiter, 25. VI. 85. Fall von der Treppe. Bewusstlosigkeit, Blut 
aus Mund und rechtem Ohr. Keine Lähmung, Contracturen, keine Druck- 
erscheinungen. + 2 Stunden nach der Aufnahme, deshalb nicht ophth. 
untersucht 

Section gerichtlich. 

Tornau, Malerlehrling, 20 J., 5. VI. 85. Schuss mit 7 mm Revolver 
in den Mund. Pulsir. Exophth. (s. o. pag. 186). 

Hirscher, Hausdiener, 25 J., 26. VII. 85, 3. VIII. geh. Schlag mit 
Bierseidel, so dass es zerbrach; keine Hirnerscheinungen. Quetschwunde 
an dem rechten Scheitelbein, Knochen intact. Emmetr., volle S, ophth. 
oben innen von der rechten Papille eine kleine Blutung (in einigen Tagen 
schwindend), sonst normal. (Gfr. pag. 184.) 

Jordan, Schlosser, 55 J., 27. VII. 85, 5. VIII. geh. a. W. Fall auf 
Steine, keine Hirnerscheinungen. Quetschwunde über dem linken Auge, 
Knochen intact. Lider stark sugillirt. S beiderseits **/ 3 o (kleine alte Horn¬ 
hauttrübung). Links zahlreiche kleine Blutungen in der Peripherie, nament¬ 
lich oben innen. Rechts normal. Am Entlassungstage: Flecke sehr spärlich, 
8 dieselbe, Farben richtig. (Gfr. pag. 184.) 

Schlotte, Kfm., 29 J., 14. IX. 85, 13. X. f. Eisenbahnverletzung, 
confu8e Angaben. Multiple Fracturen (colli fern, sin., coct. X dextr., proc. 
spinös, vertebr. dors. X), Pleuropneumonie. Quetschwunde am Hinter¬ 
kopf, Knochen intact. S nicht zu untersuchen, ophth. normal. 

Section gerichtlich. 

Rüssel, Arbeiter, 49 J., 29. IX. 85. Fall ca. 1 Etage, keine Hirn¬ 
erscheinungen. Sofort Schiefheit des Kopfes, Steifigkeit, Schmerzen, Pro¬ 
minenz im Schlunde (Fractur des Atlas). 

Hyperopsie ca. */§, S 15 / 3 o, ophth. Astigm., sonst normal (1., 4. X. u. 
19. XI. untersucht). 

Blumenreich, Kfm., 48 J. 85, 17. X., 19. X. f* Von einer Droschke 
überfahren. Bewusstlosigkeit, Erbrechen. Am 18. früh schon 39,0, Respir.40, 
Puls 86 voll. Blut aus den Ohren. Pupillen sehr eng, reactionslos. 


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S nicht festzustellen. Ophth. links zahlreiche Glaskörper- and 
Netzhautbiotangen. Papille hochroth, nicht geschwollen. Rechts Stau¬ 
ungspapille, keine Blutungen, Lider und Bulbi ohne Sugillatiooen. 

Schulte, Arbeiter, 31 J., 26. X. 85, 21. XI. geh. Fall auf Strasse, 
keine Bewusstlosigkeit, Blut aus Nase und rechtem Ohr. Sugillirt nur Lider. 
Vom 3.—8. XI. Reizungserscbeinungen, grosse Unruhe, frequenter Puls, 
Fieber, Unbesinnlichkeit etc. Ophth. hyperäm. Papillen, sonst normal. 
S 1& /so 9 Emmetr. (gleich nach dem Fall und hei der Entlassung). Untersucht 
am 28. X., 7. XL, 17. XI. 

Brauer, Lacksieder, 39 J., 15. XI. 85. Stoss mit dem Gesicht gegen 
die Kante eines Brettes (s. o. pag. 185). 

Dobberberg, 18. XI. 85,20. XI. +. Fall von der Treppe, bewusst¬ 
los eingeliefert und geblieben; Blut aus Nase und linkem Ohr, kleine Sogil- 
lationen an beiden inneren Augenwinkeln und am linken Bulbus. Am 19. XI. 
schon 38,0, Puls 120—140, keine Lähmung, Contracturen unsicher. 

S nicht zu bestimmen. Rollende, ganz incongruente Augenbewegungen; 
rechte Pupille etwas weiter als links, trage Reaction. Ophth. nur mit 
Elevateur möglich: keine Stauungspapille, keine Blutungen; aber Arterien 
und Venen eng, der ganze Augenhintergrund weisslich (rechts); links 
flieht das Auge so nach oben, dass eine Untersuchung nicht möglich ist. 

Section ergiebt Schädelfractur, und zwar ist die Basis durch eine 
grosse Zahl Fissuren fast zersplittert; eine Spalte geht durch das rechte 
Orbitaldach bis zur Lam. cribrosa. Sehnervenscheide intact, von Blot aus¬ 
gedehnt, am Bulbus am meisten (fast ampullenartig). Blutergüsse im 
Fettgewebe hinter dem Bulbus. (Cfr. pag. 181.) 

Von den Frauen sind Kloschinska (s. o. pag. 185) und Co'uball 
(8. o. pag. 184) schon beschrieben; die übrigen hatten nur leichtere Ver¬ 
letzungen und normale S bei normalem ophthalmoskopischen Befund. 


Ein Fall von Aktinomykosis bei einem Soldaten. 

Mitgetheilt von Dr. Winter, 

Stabs- and Bataillons-Arzt des 1. Bataillons 6. Westfälischen Infanterie-Regiments No. 56 in Soest. 


Bei meiner Rückkehr vom letzten Manöver fand ich am 17. September 
im Garnison - Lazareth den Ulanen Rafflenbeul des 5. Westfälischen 
Ulanen-Regiments vor, welcher vor fünf Tagen von der manövrirenden 
Truppe dorthin geschickt war. Im rechten äusseren Gehörgang des wenig 


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kräftigen Menschen wucherten polypöse Granulationen mit geringfügiger 
Eiterabsonderung. Zwischen der Ohrmuschel und dem Warzenfortsatz 
befand sich eine Incisionswunde mit ebenfalls geringer Eiterabsonderung. 
Beide Ulcerationen communicirten miteinander. — Sonst keine Compli- 
cationen, der Warzenfortsatz nicht geschwollen, auch nicht besonders 
empfindlich. 

Die Anamnese betreffend, so mag hier gleich Alles angeführt werden, 
was Patient bei den spateren genaueren Recherchen angab. Danach hat 
er früher am Ohre noch nicht gelitten und will Mitte August 1885 zuerst 
Ton Sehmerzen in der Gegend des rechten Unterkieferwinkels befallen 
sein. Infolge dessen habe er den Mund nicht gut öffnen können. Zahn¬ 
geschwüre oder sonstige Erkrankungen der Kiefer stellte er in Abrede. 
Bald hatten sich auch Schmerzen im rechten Ohre eingestellt, doch wäre 
bei der im Revier erfolgenden Untersuchung nichts Krankhaftes gefunden 
worden. — Patient rückte zum Manöver mit aus und soll sich nun am 
7. resp. 8. September „ein Geschwür im Ohre von selbst geöffnet“ haben. 
Die zugleich entstandene schmerzhafte Schwellung hinter dem Ohre sei 
am 11. September incidirt und Patient am folgenden Tage nach Soest 
geschickt worden. 

Es zeigte sich nun alsbald eine beträchtliche Neigung zur Eitersenkung 
resp. Fistelbildung am Halse. Obwohl sofort stets Gegenöffnungen an 
den tiefsten Stellen gemacht wurden, breitete sich allmalig über die ganze 
rechte Halsseite eine starke Schwellung mit massiger Röthung aus, nach 
onten bis zum Schlüsselbein, nach links bis zum Kehlkopf. Dabei war 
die Schwellung zum grössten Theil bedingt durch ein derbes Infiltrat im 
Unterhautgewebe. Das Gesicht war ganz nach links gewendet, im Ge¬ 
biete der rechten Jugularvenen deutliche Stauung, sowohl im Gesicht als 
in der Mundhöhle. An mehreren Stellen bildeten sich fluctuirende Stellen, 
deren Incision aber nur theil weise Eiter lieferte, theil weise ein stark 
blutendes Granulationsgewebe. 

Patient magerte bei allabendlichem massigen Fieber (38,5 bis 38,8) 
ab, hatte indessen stets guten Appetit und bekam selbstverständlich 
stärkende Kost Trotz häufiger Incisionen absolut keine Neigung zur 
Heilung, die Eiterung blieb stets unbedeutend, aus den Fistelöffnungen 
wucherten üppige glasige Granulationen hervor. 

Dieser Verlauf war ganz unverständlich. Keinerlei Dyscrasie lag 
bei R. vor, keine Lymphdrüse war geschwollen, die Lungen gesund. Der 
Warzenfortsatz war entschieden nicht betheiligt. 

Da die Fistelgänge ziemlich unregelmässig verliefen, theilweise direct 


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in die Tiefe, so wurden nur einzelne oberflächlichere Gänge gespalten 
und das Granulationsgewebe durch Auflegen von Watte zerstört, die 
längere Zeit in einer Mischung von Liq. Ferri und Aq. destillata aa. ge¬ 
legen hatte. Der Erfolg war jedesmal ein vortrefflicher, die Granulationen 
hätten durch Auskratzen nicht besser entfernt werden können, aber sie 
waren in einigen Tagen stets in alter Starke wieder da. So schlich die 
Zellgewebsentzündung bis zum linken Kopfnicker und Brustbein, während 
nach hinten eine vom Warzenfortsatz gezogene Verticale die Grenze 
bildete. Vor dem Kehlkopfe bildete sich ein gut wallnussgrosser Abseess. 

Da erinnerte ich mich, in verschiedenen Journalen über Akünomykose 
gelesen zu haben. Ich suchte und fand darüber mehrfache kürzere 
Referate, die genügten, den Verdacht der aktinomykotischen Natur der 
vorliegenden Zellgewebsentzündung zu bestärken. Ich fand auch sofpyt 
in dem spärlichen Eiter, der sich aus jeder einzelnen der bereits be¬ 
stehenden Fistelöffnungen hervordrücken liess, die charakteristischen, meist 
gries- bis hirsekorngrossen, grünlichen, bräunlichen oder gelblichen Kör¬ 
per von schmieriger Consistenz, doch immerhin so derb, dass sie sich 
leicht isoliren Hessen. Jedes Korn zeigte sich umhüllt von einer kleinen 
Eiterschicht und dann zusammengesetzt aus kleineren Kügelchen nach 
Art einer Brombeere. 

Diese letzteren Kügelchen nun waren, wie das Mikroskop darthat, 
aus lauter winzigkleinen kugeligen Drusen gebildet, und jede Druse endlich 
liess schon bei schwächeren Vergrösserungen (Seibert III Ocul. II) die 
alleinige Zusammensetzung aus Pilzfaden erkennen. Besonders an etwas 
plattgedrückten Körnern sieht man aus dem Centrum einer Druse ein 
äusserst dichtes Geflecht von Fäden nach allen Punkten der Oberfläche 
laufen. Gegen die Peripherie sind die Fäden etwas geschlängelt. Am 
schönsten präsentiren sie sich mit Seibert V Ocul. II. Man erkennt 
dann an abgequetscbten Stückchen eine reiche, scheinbar dichotomische 
Verästelung der Fäden und bei noch stärkerer Vergrösserung (Homog. 
Immers v.» Ocul. II), dass sie keine glatten Conturen haben, sondern 
rauh sind, wie mit zahllosen kleinen Emergenzen resp. mit Detritus 
gleichmässig besetzt. Auf Aetherzusatz blieben die Fäden völlig unver¬ 
ändert. 

Dass hier der Strahlenpilz — Actinomyces — vorlag, konnte bei 
der ausgezeichnet strahligen Anordnung der Fäden nicht mehr gut 
zweifelhaft sein, und dass dieselben nicht von aussen während der Be¬ 
handlung in die Fistelöffnungen gelangt sein konnten, dafür leistete die 
streng antiseptische Behandlung Bürgschaft. Dazu konnte gerade der 


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frische Abscess vor dem Kehlkopf geöffnet werden, welcher einen guten 
Esslöffel voll Eiter mit zahlreichen Pilzkörnchen lieferte. Ich sandte einen 
Theil desselben umgebend nach Bonn an den Herrn Professor Ribbert, 
welcher mir sehr bald mittheilte, dass unzweifelhaft ein Fall von Aktino- 
Eijkosis Vorlage. 

Eins war auch mir sofort aufgefallen, dass nämlich den Pilzfaden 
die von Ponfick und Israel beschriebenen charakteristischen keulen¬ 
förmigen Endstücke fehlten. Doch konnte es auch nicht zweifelhaft 
sein, dass die vorliegenden Pilzgenerationen wie überhaupt der ganze 
Fall relativ noch sehr jungen Datums waren, während die von Ponfick 
und Israel mitgetheilten Fälle sehr viel älter waren, in denen die Pilze 
ihre Gesammtentwickelung wohl vollendet hatten. Ganz fehlten übrigens 
die Keulen doch nicht, einzelne fanden sich schon in frischen Präparaten. 
Als ich dann zufällig etwas Eiter im Uhrglase vier Tage an einem 
massig kühlen Ort batte stehen lassen, fand ich die Pilzdrusen fast dicht 
besetzt mit kleinen Keulen, eben den Endstücken der Fäden. Also hatten 
sie sich wahrscheinlich noch nachträglich entwickelt. 

Uebrigens muss hier auf die Beschreibung des Formenreichthums des 
Strahlenpilzes hingewiesen werden, die J. Israel in seiner Monographie 
„Die Aktinomykose des Menschen, Berlin 1885“ am Schlüsse der mit¬ 
getheilten Fälle giebt. Dort findet sich genau die Form ohne Keulen 
erwähnt, wie sie in unserem Falle sich präsentirte. 

Was nun zunächst den weiteren Verlauf des Falles betrifft, so war 
mit der richtigen Diagnose ja auch die Erkenntniss gewonnen worden, 
dass möglichst schnell die Pilze zerstört werden mussten, um Heilung zq 
erzielen. Die in der Monographie Israel’s aufgeführten Fälle Hessen 
allerdings die Prognose nicht besonders günstig stellen, denn die Actino- 
roycesknoten durchwachsen und zerstören genau wie die bekannten 
malignen Neubildungen alle entgegen stehenden Gewebe ohne jede ana¬ 
tomische Grenze. 

Operativ konnte nicht mehr viel gemacht werden, denn die Fistel- 
gange verliefen in zu beträchtliche Tiefen; so gelangte die Sonde von 
der ersten Incisionsöffnung hinter dem Ohr fast 10 cm schräg nach unten 
und vorn gegen das Brustbein und war hier der Knopf nicht durchzufühlen. 
Dazu blutete das Granulationsgewebe, welches mitunter ein gelbgesprenkeltes 
Ansehen hatte, meist recht intensiv. Deshalb wurde zunächst versucht, 
mit etwas gewaltsamen Durchspritzungen von fünfprocentiger Carbollösung 
durch das fistulöse Gewebe die Pilzmassen zu tödten; der Erfolg war 
nicht bedeutend, doch immerhin sichtbar. Der Process breitete sich nicht 


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weiter Dach der Fläche aas, die ödematöse Schwellung nahm ab, während 
die derbe schwartige Infiltration eines grossen Theils der rechten Hals¬ 
seite blieb. Die Pilzkorner verringerten sich an Menge. Innerlich erhielt 
Patient Sol. Fowleri. Er erholte sich entschieden, das Fieber schwand 
völlig. 

Anfang November wurden nun Sublimat-Durchspritzungen gemacht 
(1,0 :1000,0) und zwar mit allerbestem Erfolge. Bereits nach acht Tagen 
war jedes Pilzkorn in dem sparsamen Eiter der vielen Gänge geschwunden 
und konnte seitdem auch keine mehr ans Tageslicht befördert werden. 
Damit begann dann auch endlich die Vernarbung der Fisteln, und war 
dieselbe nach vierzehn Tagen vollendet. Der Kopf konnte ziemlich gerade 
getragen werden, doch restirte noch immer die derbe Infiltration des 
Unterhautgewebes in ca. handtellergrosser Ausdehnung an der rechten 
Seite des Halses. Patient wurde am 21. November seinem Truppentheil 
nach Düsseldorf als vorläufig geheilt überwiesen. 

Dass die Heilung eine dauernde sein sollte, ist kaum anzunehmen, 
denn nach Israel werden gerade die schwartigen Gewebsmassen von 
den Pilzrasen durchsetzt, welche sich dann von hier aus langsam weiter 
verbreiten. Der Verlauf der Aktinom^kose ist ja ein äusserst chronischer 
und erstreckt sich oft über mehrere resp. viele Jahre. Eine gründliche 
operative Entfernung der erkrankten Theile wäre jedenfalls indicirt ge¬ 
wesen, wenn sich die Ausbreitung des Processes hätte jeder Zeit über¬ 
sehen lassen. Man hätte aber mindestens die Zeit der acuteren Ent¬ 
zündung vorübergehen lassen müssen, um dann einen grossen Theil der 
Haut und Weichtheile der rechten Halsseite bis in unbestimmbare Tiefen 
heraus zu präpariren. — Vielleicht wird später ein operatives Eingreifen 
noch erforderlich. 

Noch eine Frage bliebe zu erörtern, die der Infectionsquelle. 

Nach Israel sind die Fälle von Gesichts- resp. Halsaktinomykose 
wohl immer auf eine Infection von der Mundhöhle aus zurückzuführen, 
und zwar am häufigsten von einem cariösen Zahn aus resp. von einem 
entzündlichen Herd des Pharynx oder der Tonsillen. Auch unser Patient 
hatte rechts hinten unten zwei tief cariöse Backenzähne, und da er ausser¬ 
dem angab, bereits längere Zeit vor dem Auftreten des Processes im 
Ohre Schmerzen am rechten Unterkieferwinkel, Beschwerden, den Mund 
zu öffnen etc. gehabt zu haben, so liegt es nahe, auch in diesem Falle 
an eine Infection vom Munde resp. von den Zähnen aus zu denken. 
Allerdings stellte Patient jedes entzündliche Leiden in der Mundhöhle 
bestimmt in Abrede; ich konnte in den hohlen Zähnen den Strahlenpilz 


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---»- — — - ■ . . - 

nicht nachweisen, doch spricht dies ebensowenig gegen eine solche In- 
feetion wie die zur Zeit gesunde Nachbarschaft der kranken Zahne. Die 
Krankheit ist entschieden von grossem Interesse und erlaube ich mir 
noch besonders auf die mehrfach genannte Monographie Israelis hin- 
raweisen. 


Referate und Kritiken. 


Ueber die Beziehung der Mikroorganismen zur Eiterung. 
(Aus dem Laboratorium der II. medicinischen Klinik zu Berlin.) Ge¬ 
krönte Preisarbeit von Georg Klempener, cand. med. (mit zwei Zeich¬ 
nungen). 

Verf. ist es in Uebereinstimmung mit Straus (Comptes rendus heb- 
dom. des seances de la Societe de biologie, Sitzg. vom 15. Dec. 1883, 
S. 651) und Scheuerlen (Archiv f. klin. Chirurgie, Bd. 32, H. 2, S. 5C0) 
gelungen, die in letzter Zeit viel discutirte, aber in widersprechendem 
Sinne beantwortete, wichtige Frage: „Giebt es Eiterungen ohne Inter¬ 
vention von Mikroorganismen ? a durch eine überaus fleissige Experimental¬ 
arbeit endgültig zum Abschluss zu bringen. 

Er bediente sich zu seinen Versuchen in Kürze folgenden Verfahrens: 

Von der in Handtellergrösse geschorenen und rasirten, mit fünfpro- 
centiger CarbollösuDg desinficirten Haut des Versuchstieres wurde— nach 
dem Vorgänge von Straus — eine markstückgrosse Stelle mit einem glühen¬ 
den Eisen verschorft, durch den Schorf hindurch der Injectionsstich mit 
sterilisirter Spritze gemacht und sofort nach der Einspritzung der sterili- 
sirten Flüssigkeit der Sticbcanal auf das sorgfältigste wieder verschorft. 
Um gleichzeitig die Mikrobien der Luft nach Möglichkeit auszuschliessen, 
wurde vor der Injection ungefähr 15 Minuten lang eine l°/ 0 o Sublimat- 
lösnng über das Operationsterrain gesprayt. Tisch und Vivisectionsbrett 
waren vor jedem Versuch sorgfältig mit fünfprocentiger Carboilösung abge¬ 
rieben und Hände und Finger des Experimentirenden und des Gehülfen nach 
allen Regeln der Antisepsis desinficirt worden. — 

Die Iniectionsflüssigkeit selbst befand sich in einer dünnwandigen, 
auf beiden Seiten in Spitzen ausgezogenen, nur zur Hälfte gefüllten Glas¬ 
röhre, welche bei 150* 3 Stunden geglüht und alsdann in fünfprocentiger 
Carbollösung aufbewahrt war. 

Nach Präparation des Versuchsthieres wurden beide Spitzen der Röhre 
mit aasgeglühter Pincette abgebrochen und in demselben Augenblick die 
Flüssigkeit in einen kurz vorher ausgeglühten Platintiegel entleert, dessen 
Deckel ein Gehülfe mit ausgeglühter Pincette einen Augenblick abhob. 

Als Injectionsflüssigkeiten dienten: 

Schwefelsäure, Essigsäure und Natronlauge in verschiedenen Con- 
ceiitrationsgraden, Cantharidin, Senfol, Petroleum, Terpentinöl, Crotonöl 
und Quecksilber. 

Von Thieren wurden verwandt: 

Kaninchen, Meerschweinchen und Mäuse. — 

Die in der Arbeit niedergelegten, äusserst lehrreichen Einzelbeob¬ 
achtangen sind in einem kurzen Referat schwer wiederzugeben und es 


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mögen daher hier nur folgende, von dem Verf. am Schlosse seiner Mit- 
theüungen in kurze Sätze zusammengefasste Hauptresultate derselben 
ihren Platz finden: 

1) Die Injection von Alkalien und Säuren erzeugt bei Fernhaltung 
von Mikroorganismen niemals Eiterung. 

2) Gantbaridin, ol. Sinapis, Petroleum erzeugen heftige Entzündung, 
niemals Eiterung. 

3) Crotonöl, Terpentin und Quecksilber sind als die am stärksten 
entzündungserregend wirkenden Stoffe anzusehen. Die Injection kleiner 
Mengen erzeugt seröse Entzündung. 

4) Die Injection grösserer Mengen Terpentinöl und Groton in öliger 
Lösung und Quecksilber erzeugt das Bild der Goagulationsuekrose 
(Weigert) zugleich mit fibrinöser Entzündung. 

5) Die Injection grösserer Mengen alkoholischer Lösung von 
Terpentinöl und Grotonöl erzeugt seröse Entzündung, weil jene zur schnel¬ 
leren Resorption gelangt. 

6) In dem bei der Injection etwa gebildeten Eiter lassen sich stets 
Mikroorganismen nachweiseh; dieselben sind auf künstlichen Nähr¬ 
böden zu züchten, wenn die Uebertragung vor dem muthmaasslichen Ab¬ 
sterben der Mikrobien erfolgt. 

7) Die Eiterung beruht auf einer quantitativen und qualitativen 
Aenderung des entzündlichen Processes. Die quantitative Besonderheit 
liegt in der stärkeren Extravasition weisser Blutkörperchen, in der Pro¬ 
gredienz des Processes und der oft eintretenden Störung der Allgemein¬ 
functionen des befallenen Organismus. Die qualitative Differenz liegt 
in dem Flüssigbleiben des eitrigen Exsudats, trotzdem die anfäng¬ 
liche Anwesenheit der Fibringeneratoren nicht zu bezweifeln ist 

8) Die stärkere Auswanderung weisser Blutkörperchen, sowie die 
Störung der Allgemeinfunctionen erklärt sich aus der muthmaasslichen 
Absonderung phlogogener resp. allgemein giftiger Stoffwecbselproducte 
der Mikrococcen. Die Progredienz beruht auf dem Fortkriechen der 
Coccen entlang der Gefässe u. 8. w. — 

Das Nichtgerinnen des Eiters beruht auf dem Fehlen des Fibrinogens. 
Es ist wahrscheinlich, dass dieser Fibringenerator durch die Goccen in 
Pepton umgewandelt wird. 

Das Peptonisirungsvermögen der Coccen, sowie der Peptongehalt des 
Eiters ist nachgewiesen. — 

Indem wir dem Hauptsatze des Verf.: „Mikroorganismen sind 
die Veranlassung jeder Eiterung“ voll und ganz beitreten, geben 
wir zugleich der Hoffnung Ausdruck, dass es recht bald gelingen möge, 
nun auch jene giftigen Stoffwecbselproducte bezw. chemischen Agentien 
zu isoliren resp. rein darzustellen, welche den Eitermikrococcen erst ihre 
specifische Wirksamkeit verleihen. 

Möglich, dass wir alsdann im Stande sein werden, ohne die Gegen¬ 
wart der Coccen selbst, mit diesen Substanzen allein eine eitrige Ent¬ 
zündung hervorzurufen. — Pfuhl. 


Ueber experimentelle Myo- und Endocarditis. Von Prof. Dr. 
Ribbert in Bonn (Fortschritte der Medicin 1886, No. 1, mit 1. Tafel). — 

Wyssokowitsch (Centralbl. f. d. m. Wiss. 1885, No. 33), der unter 
der Leitung Orth'8 arbeitete, hatte durch Verletzung der Aortenklappen 


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mittelst einer durch die -Carotis eingefübrten Sonde nnd nachherige In- 
jection von Stapbylococcen und Streptococcen ins Blut endocarditische 
Processe der verletzten Klappen erzeugt. 

Die injicirten Pilze siedelten sich auf der Oberfläche derselben an 
und drangen von hier aus in die Tiefe des Gewebes vor. 

Der Verf. war nun im Stande, auch ohne voraufgegangene Verletzung 
der Klappen endocarditische Vorgänge an denselben hervorzurufen, wo¬ 
rüber er bereits kurz auf der Naturforscherversammlung in Strassborg 
berichtet hat. 

Die Ergebnisse weiterer einschläglicher Experimente bilden den In¬ 
halt vorliegender interessanter Original-Mittheilung. 

Zar Verwendung kam der Staphylococcus aureus (vonW yssoko witsch 
and Weichselbaum bei Endocarditis aufgefunden); und zwar in Form 
einer Emulsion von Kartoffelculturen des Pilzes, welche so grosse 
Bröckchen enthielt, als es die Weite der Canüle einer Pravaz’schen Spritze 
erlaubte. 

Aeltere mehr in die Tiefe der Kartoffel vorgedrungene Gulturen er¬ 
wiesen sich als geeigneter, als jüngere, nur auf der Oberfläche ge¬ 
wachsene. — Die Injectionen geschahen nur bei Kaninchen in die Ohr¬ 
vene. 

Je mehr injicirt wurde und je dichter die Emulsion war, desto 
racher gingen die Thiere zu Grunde. Eine ganze Spritze todtete ge¬ 
wöhnlich innerhalb 20—24 Stunden; geringere Mengen in längerer Zeit; 
nur wenige Thiere blieben jedoch bis zu 5 Tagen am Leben. Wurde 
weniger als */« der Spritze injicirt, so starben die Thiere zwar später, 
indess trat keine Endocarditis ein. — 

Die durch den Staphylococcus zunächst gesetzten Veränderungen, 
welche detaillirt in makroskopischer und mikroskopischer Beziehung 
beschrieben werden, bestehen in einer von dem Embolus ausgehenden 
Nekrose der Herzmuskulatur, die sich allmälig in die Umgebung verliert, 
einer entzündlichen Hyperämie in einer weiteren Zone, und einer Ab¬ 
lagerung von Kalksalzen. — Hieran schliesst sich bald eine den Infeclions- 
herd demarkirende Entzündung. 

Wegen des frühzeitigen Todes der Versuchstiere konnte Verf. das 
weitere Schicksal der Coccencolonie nicht verfolgen. — 

Wichtiger als die myocarditischen sind die endocarditischen 
Processe. Bei Jnjection von mindestens */* Spritze kamen ganz regel¬ 
mässig Ansiedlungen der Coccen an den Klappen zu Stande; 
and zwar nur an der Mitralis und Tricuspidalis, während die Aorten- 
ood Pulmonalklappen stets verschont blieben. 

Die Natur der daselbst gefundenen Mikrococcenhaufen wurde durch 
die Züchtung controlirt 

Die Ansiedlung geschah mit Vorliebe auf den dem freien Rande 
nähergelegenen Theilen der Sehnenfäden. An der Klappe selbst fanden 
rieh die Colonien an beiden Flächen, oft an der äusseren besonders Zahlreich- 

Genaueren Aufschluss über den Ablauf des gesammten Processes er. 
gab die miskroskopische Untersuchung an Schnitten (Bräunung in Os- 
miumsäure, oder Färbung entweder allein mit Picrocarmin und Behand¬ 
lung mit Salzsäure-Glycerin, oder Picrocarmin mit Anilinwasser-Gentiana- 
violett und Extraction in Alkohol). Fünf Figuren illustriren den mikros¬ 
kopischen Befund. — 

Auch bei der Einwirkung des Pilzes auf das Klappengewebe 

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handelt es sich, wie bei dem Myocard, zunächst om eine Nekrose 
des angrenzenden Bezirks and weiter aussen eine entzündliche 
Reaction. Ferner aber ruft der Goccenhaufen auch die Abscheidung 
einer thrombotischen Masse aus dem vorbeiströmenden Blute 
hervor. — 

Verf. glaubt, die experimentell gewonnenen Veränderungen der Klappen 
als gleichwertbig mit den beim Menschen beobachteten Processen ansehen 
und demgemäss als endocarditische bezeichnen zu dürfen. 

Während nun die Myocarditis unzweifelhaft embolischer Natur ist, 
so handelt es sich dagegen bei der Endocarditis des Versuchsthiers stets 
um eine primäre Entwickelung der Coccen auf der Oberfläche der Klappen. 
Ob dieser Vorgang aber auch für die menschliche Endocarditis ohoe 
Weiteres Gültigkeit habe, lässt Verf. unentschieden. Hier kommen jeden¬ 
falls, wie die Untersuchung Koester’s dargethan (Virchow’s Archiv, 
Bd. 72), sehr wesentlich embolische Vorgänge in Betracht. — Auch 
in rein anatomischer Beziehung bleibt noch eine Reihe Differenzen zwischen 
experimenteller und menschlicher Endocarditis übrig. 

Wenn die Arbeit somit auch zu keinem abschliessenden Resultat ge¬ 
führt hat, so ist Ref. doch mit dem Verf. darin einverstanden, dass die 
am Versuchsthier begründete Genese der fraglichen Krankheit „auch beim 
Menschen in grösserem oder geringerem Umfange“ wird in Betracht ge¬ 
zogen werden müssen. — Pfuhl. 


Die Untersuchung des Auswurfs auf Tuberkelbacillen. Von 
Dr. med. Hermann Peters, prakt. Arzt in Bad Elster (Königreich 
Sachsen). Leipzig, Verlag von Otto Wigand. 1886. 

Das von dem Verf. beschriebene Verfahren, welches im Wesentlichen 
darin besteht, statt Salpetersäure oder Essigsäure zur Entfärbung das 
noch etwas räthselhafte Natriumhydrosulphid einzuführen, stellt eine ganz 
unmotivirte Erschwerung des Nachweises der Tuberkelbacillen dar und 
dürfte keine Nachahmung finden. 

Dass sich Schimmelbildung in wässerigen Farbstofflösungen sehr 
einfach durch Hinzufügen eines Stückchens Kampfer verhüten lässt, 
scheint dem Verf. nicht bekannt zu sein. 

Ueberra8chend ist auch die Mittheilung, dass die Anilinwasser- 
Gentiauaviolettlösung „vom Augenblick der Bereitung an für Tuberkel¬ 
bacillen nur einen Tag ihre Färbekraft behält“. — 

_ Pfuhl (Hamburg). 

Dr. A. Goldscheider: „Die Wirkungen des Cocains und anderer 
Anästhetica auf die Sinnesnerven der Haut.“ (Monatshefte für 
praktische Dermatologie. V. Band 1886. No. 2.) 

G. bat seine interessanten Untersuchungen über die Hautsinnesnerven 
(veröffentlicht in den obigen Monatsheften 1881 No. 7—10 und 1885 No. 1 
und in dem Archiv für Anatomie und Physiologie, Supplementband 1885) 
bedeutend erweitert und hat den dort niedergelegten interessanten That- 
sachen eine bemerkenswerthe praktische Nutzanwendung gegeben, indem 
er die Wirkungen gewisser Arzneistoffe auf die Sinnesnerven der Hast 
in längeren Versuchsreihen studirte. Diese umfassen ausser dem io 
letzter Zeit so viel verwendeten und noch mehr besprochenen Cocain 
noch das Carbol, ferner das von Lewin gerühmte Cawa-Cawa, das 


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Chloroform and da8 besonders auch bei Nasenaffectionen mit entschiedenem 
Erfolg in Anwendung gesogene Menthol. G.’s originell erdachte und mit 
eingehender Sorgfalt ausgefnhrte und beschriebene Untersuchungen, deren 
Anordnung wir detaillirt hier nicht auseinandersetzen können, suchen 
festzustellen, wie sich die Wirkungen dieser Stoffe zu den verschiedenen 
Qualitäten der Hautnerven, nämlich zu den Kälte-, Wärme-, Gefühls- 
uud Drucknerven stellen. Wir referiren in Folgendem die wichtigsten 
Gesichtspunkte und die interessantesten Ergebnisse dieser Untersuchungen. 
Die sehr interessante Frage, ob die Temperaturempfindungen überhaupt 
vom Cocain beeinflusst werden, beantworten die Versuche bei äusserer 
Application und subcutaner Injection dahin, „dass bald nach Anwendung 
des Cocains die Sensation eines Anschwellens der Haut eintritt, und 
gleichzeitig damit die Temperaturempfindlichkeit sich abstumpft und 
schliesslich absolut aufgehoben wird. Das eigentliche Schmerzgefühl 
dagegen wird durch Cocain nur herabgesetzt, nicht aufgehoben, ebenso 
Drocksinn und Ortsgefuhl. Es leiden also sämmtliche Qualitäten unter 
der lähmenden Wirkung des Cocain. Diese zunächst an der Zunge 
aufgefundenen Wirkungen controlirte G. durch Versuche, in denen das 
Cocain auf Hautstellen des Vorderarms aufgetragen wurde, an denen 
mittelst Collod. canthar. vorher Blasenbildung bewirkt war. An der 
wunden cocainisirten Haut fand er die hervorragendste Empfindlichkeit 
an den Haarinsertionsstellen. Bei der Cocainisirung beobachtete G. eine, 
ohne Betheiligung der Wärmenerven auftretende, Hyperalgesie gegen 
Wärmereize und folgert daraus, dass das Cocain zuerst einen Erregungs¬ 
zustand bewirkt und nicht von vornherein eine Lähmung. Bei Injection 
einer zehnprocentigen Lösung trat die bemerkenswerthe Erscheinung ein, 
dass die Anästhesie in centrifugaler Richtung genau im Verlauf des 
Nerven fortschritt, was man wohl dahin deuten muss, dass das Cocain 
auch auf die Stämme der Nerven, nicht nur auf die Endausbreitungen 
derselben wirkt. Auch in Bezug auf die räumliche Ausbreitung des 
anästhetischen Gebietes wird am meisten das Temperaturgefühl vom 
Cocain betroffen; an Stellen, wo der Drucksinn erst kaum Herabgesetzt 
ist, erscheint der Temperatursinn erheblich abgeschwächt, Cocain ver¬ 
ursacht also in gewisser Weise eine partielle Empfindungslähmung “. 
Das Resumö ist also: „Cocain bewirkt einen Erregungszustand der 
Gefuhlsnerven, lähmt dann Temperatur-, Gefühls-, Druck- und Geschmacks¬ 
nerven und zwar in der beschriebenen Reihenfolge, es wirkt endlich nicht 
nor auf die Endigungen der centripetalen Nerven, sondern auch auf die 
Nervenstämme. — Einen ähnlichen Modus der Einwirkung auf die Haut¬ 
sinnesnerven beobachtete G. beim Carbol, nur ist die Wirkung schneller 
vorübergehend und von mehr localem Charakter. In funfprocentiger Lösung 
auf die Zunge gebracht, löscht es Schmeckfähigkeit und Temperaturempfind¬ 
lichkeit aus, setzt Druck- und Schmerzempfindlichkeit herab. In 2i/ 2 pro- 
centiger Lösung injicirt, hebt es an der Injectionsstelle selbst die Schmerz- 
empfindlichkeit auf. Die Anästhesie folgt dabei dem Verlauf auch der 
stärkeren im Subcutangewebe verlaufenden Nervenstämmchen. In dem 
von diesen versorgten Hauptgebiet ist die Wirkung sehr prompt, immerhin 
aber weniger intensiv als beim Cocain. — Cawa-Cawa hat ähnliche 
Wirkungen wie Cocain, äussert sich aber schwächer. Injectionen des 
durch leichtes Erwärmen verflüssigten a-Harzes bewirken an der Injections¬ 
stelle Aufhebung des Temperatursinnes, Herabsetzung des Druck- und 
Schmerzgefühles; die Wirkung ist jedoch exquisit local, ihre Fähigkeit, 


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1 


die Gewebe zu durchdringen, wegen mangelhafter Resorption nur gering. 
Uebrigens warnt G. vor Jojectionen des Cawa-Harzes, sie brachten ihm 
Bildung schmerzhafter Abscesse ein, aus deren Incisionswunden sich nach 
18 Tagen einige Tropfen dickflüssigen Harzes entleerten. Dass auch 
beim Cawa-Cawa wieder zuerst Störung des Temperatarsinnes Auftritt, 
veranlasst G., für alle localen Anästhetica diese Stufenfolge der Einwirkung 
auf Temperatur-, Druck-, Schmerzgefühl, Kitzelgefübl und Geschmack 
als eine gesetzmassige zu statuiren. Auch für Chloroform bestätigt sich 
dieses Gesetz. Man kann mit Chloroformapplication völlige Aufhebung 
des Temperaturgefühles beiErhaltung des Druckgefühles erzielen. Interessant 
sind die analogen Wirkungen des Menthol, die G. nicht durch die durch 
die Flüchtigkeit bewirkte Verdunstung, sondern durch directe chemische 
Reizung der Kälte- und Wärmenerven erklärt; dabei wird das 
Vorherrschen der Kälteempfindung bedingt durch das numerische Ueber- 
gewicbt der Kältenerven. Beim Menthol findet sich Hyperästhesie für 
Kältereize, der dann Aufhebung des Temperatur-, Herabsetzung des 
Druck- und Schmerzgefühls folgt. Dieses die interessantesten Ergebnisse 
der G.’schen Untersuchungen, deren näheres Studium sich sehr wohl verlohnt 

Langhoff. 

Dr. E. Geisel er: „Sublimatsei fe tt . (Pharmäceutische Centralballe 
1886 No. 5.) 

Die Bestrebungen, gerade für die vorbereitende Desinfection der Hände 
des Operateurs und des Operationsfeldes ein sicher wirkendes Desinfections- 
mittel zu finden, haben Dr. Geissler zur Fabrikation einer Snblimatseife 
geführt, die allen billigen Anforderungen zu genügen scheint! Die 
technischen Schwierigkeiten der Herstellung waren bedingt durch die 
geringe Haltbarkeit solcher Sublimatseffen. Die G.’sche Sublimatseife, 
deren Darstellung nicht genauer angegeben ist, garantirt Haltbarkeit (bis 
zu 4 Monaten erprobt) und durchgreifende Wirksamkeit, die von Professor 
Johne nachgewiesen ist durch Desinfectionsversuche. Mit Milzbrand¬ 
sporen inficirte Seidenfäden wurden in Sublimatseifenschaum gelegt; 
Einwirkung dieses Schaumes während einer halben Minute genügte, diese 
bekanntlich doch enorm widerstandsfähigen Sporen zu todten. Wir hätten 
also in dieser Seife ein handliches, haltbares, transportirbares Desinfections- 
mittel, das für die Haut Reinigungs-, Entfettungs- und sicherwirkendes 
Desinfectionsmittel zugleich ist. Langhoff. 


The optical manual: or bandbook of instructions for the guidance 
of surgeons in testing the ränge and quality of vision of Recruits and 
otbers seeking employment in the military Services of Great Britain 
(Ophthalmologisches Handbuch; oder Instructions-Handbuch zur Anleitung 
von Aerzten bei Prüfung des Umfangs und der Qualität des Sehens 
von Rekruten und anderen Leuten, welche sich um Anstellung im 
Heeresdienst Grossbritanniens bewerben) by Surgeon - general 
Longmore. Third edition 1885. 

Das Werk Longmore's ist im Titel charakterisirt; seine Wichtigkeit 
kann kaum überschätzt werden, denn die Schlagfertigkeit jeder Armee 
hängt in hohem Grade davon ab, dass die Soldaten für den Gebrauch 
sehr weittragender Feuerwaffen körperlich qualificirt sind, solches sind 
sie nicht ohne gute Sehschärfe. In dieser Beziehung hat der Sanitats- 


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Offizier zuerst za entscheiden, ist des Mannes Sehschärfe, auf jedem Auge 
besonders geprüft, gleich 1, ferner ist der Mann frei vom Verdacht auf 
Farbenblindheit. Aber auch andere Fragen sind zu beantworten: Sind 
die Aogen nicht vollständig emmetropiscb, so ist in der englischen Armee 
zu entscheiden, ob der Mann tauglich ist für die Miliz oder das Frei- 
willigen-Corps, für das Commissariat oder den Train, oder eine andere 
Abtheilang des Heeresdienstes. Bei Offiziers-Aspiranten handelt es sich 
um die Frage, sind dieselben strengen Regeln wie bei Einstellung der 
Soldaten maassgebend. Eine wichtige Frage ist ferner die: schliesst ein geringer 
Fehler der Refraction vom Eintritt in die Armee überhaupt oder von 
gewissen Branchen aus. In einer andern Reibe von Fallen hat der 
Militärarzt zu entscheiden, ob durch die Folgen einer Verletzung oder 
Krankheit des Soldaten Gesichtssinn so gelitten bat, dass er zu fernerem 
Dienst untauglich geworden ist 

Surgeon-General Longmore’s Werk erschöpft all diese Fragen von 
Grund aus, es ist überhaupt eines der vollkommensten and praktischsten 
Werke über Diagnose von Augenerkrankungen, welches je veröffentlicht 
worden. , 

Das Handbuch beginnt mit einem mit bemerkenswerther Klarheit 
geschriebenen, einleitenden Capitel aus der Optik, es folgt dann die 
Besprechung der Affectionen, die auf Refractions-Anomalien beruhen, 
dann Anweisung zum Gebrauch von Ophthalmoskop und Keratoskop. Im 
4. und 5. Capitel werden Accommodationskrankheiten, weiter Defecte des 
Farbensinns und Schielen gründlich und geschickt abgehandelt, daran 
schliesst sich die Diagnose der übrigen Augenaffectionen, zuletzt werden 
die maassgebenden Bestimmungen der britischen und anderer Armeen 
rucksichtlich der Mangel des Gesichtssinns zusammengestellt und was 
davon unbrauchbar zum Militärdienst macht mit grosser Präcision for- 
mulirt. (Brit. med. Journ. No. 1312.) B— r. 


Annual report of the Surgeon-General U. S. A. 1885. 

Wer die vorliegenden Jahresberichte verfolgt hat, wird sich der Er- 
kenntniss nicht verschliessen, dass dieselben an Bedeutung immer mehr 
gewinnen. Wenn dieselben mit den Sanitatsberichten des Kgl. Preuss. 
Kriegsministeriums M. M. A. auch kaum genannt werden können, so 
dürfen sie doch das Interesse des Militär-Statistikers und des Sanitäts¬ 
offiziers wohl für sich in Anspruch nehmen. — Um nur Einzelnes hervor- 
zoheben, wird von Murray die Einführung von Desinfections-Oefen zur 
Verbrennung aller Abfälle in ausgiebigster Weise bei drohender Cholera- 
Gefahr empfohlen, auch wird eindringlich der hier und da sich geltend 
machenden Neigung, die Quartiere zu überlegen, entgegengetreten; überhaupt 
scheinen die Rules der indischen Armee den amerikanischen Bestimmungen 
zu Grunde gelegt. — In hygienischem Interesse wird ferner eine aus¬ 
reichende Beschaffung von Eismaschinen für die Armee angestrebt — 
Die Nothwendigkeit der Einrichtung leistungsfähiger hospital corps wird 
auch diesmal wieder betont — 

Im Anhang wird eine Casuistik mitgetheilt von zwei Schusswunden, 
einer compiicirten Fractur des Stirnbeines nach einem Hieb mit dem 
Schaft eines Revolvers mit Ausgang in Heilung nach Trepanation, sowie 
ein Bericht über eine Typhus-Epidemie in Vancouver barracks im 
September und October 1884. 


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Der Bericht wird durch 8 Tafeln graphisch dargestellter Morbiditäts- 
verhältnisse erläutert, aus denen man mit Interesse mancherlei bei uns ge¬ 
machte Beobachtungen auch bei der U. S. A. in Ansatz gebracht sieht — 

Breitung. 


Mittheilnngen. 


In der physiologischen Gesellschaft zu Berlin hielt Dr. Goldscheider, 
Assistenzarzt 1. Classe im Eisenbahn-Regiment, einen Vortrag: „De¬ 
monstration von Präparaten, betreffend die Endigung der 
Temperatur- und Drucknerven in der menschlichen Haut* 
Wir geben in dem Folgenden einen Auszug aus dem Vortrag nach einem 
Separat-Abzug aus den „Verhandlungen der physiologischen Gesellschaft 
zu Berlin* 1885—86 No. 3 und 4. 

Die Kenntniss der Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut 
des Menschen bietet zwei allgemeine Lücken. Einmal sind zwar eine 
erhebliche Menge von Endigungen beschrieben, aber nur wenige sicher¬ 
gestellt. Weiter entbehren selbst die nachgewiesenen Endigungen einer 
sicheren physiologischen Deutung. Der Nachweis der auf der em¬ 
pfindenden Hautoberfläche räumlich getrennten Sinnespunkte für den 
Druck-, Kälte- und Wärmesinn ist geeignet, diese letztere Lücke auszu¬ 
füllen, insofern der physiologischen Deutung der histologischen Befunde 
durch jene Thatsachen eine neue fruchtbare Aussicht eröffnet wird. Die 
Berücksichtigung der discontinuirlichen Sinnespunkte ist für die Histologie 
geradezu ein Postulat. Um dieses zu realisiren, griff G., da eine andere 
Methode ihm nicht erfindlich war, dazu, sich selbst kleinste Hautstückchen, 
welche je nur einen Sinnespunkt enthielten, zu exstirpiren. Nach Auf¬ 
suchung und Bezeichnung eines Kälte-, Wärme- oder Druckpunktes am 
linken Unterarm wurde eine krumme Nadel dicht neben dem Punkt ein¬ 
gestochen, unter demselben durchgeführt und auf der anderen Seite des¬ 
selben ausgestochen; während die Nadel sodann, und mit ihr der gerade 
auf ihr liegende Sinnespunkt etwas angehoben wurde, führte G. einen 
Schnitt unmittelbar an dem unteren convexen Rand der Nadel durch die 
Haut. Auf diese Weise erhielt er Hautkegel, deren Basis die Oberhaut 
bildete, von einer ausserordentlichen Kleinheit; die Narben sind kaum zu 
sehen; Schmerz war bei den Temperaturpunkten minimal oder gar 
nicht vorhanden; bei den Druckpunkten war er erheblicher. Die 
Stückchen wurden in O^procentiger Arsensäure angesäuert, kamen sodann in 
1—2procentige Goldchloridlösung um in lprocentiger Arsensäure reducirt 
zu werden (Mays’sches Verfahren, auf der histologischen Abtheilung des 
physiologischen Instituts durch den Assistenten Herrn Dr. Bend a modificirt 
und durch Herrn Prof. Fritsch mir gütigst empfohlen). Sodann wurden die 
Stückchen in Serieschnitte zerlegt. Bei der Mehrzahl der Stückchen wurde 
vor der Exstirpation genau an dem Sinnespunkt eine feine Nadel senk¬ 
recht in die Epidermis eingestochen; dies machte sich an den Schnitten 
in Gestalt eines die Zellenlagen der Oberhaut durchsetzenden Canals 
kenntlich. Nach diesem Verfahren war die Schlussfolgerung berechtigt, 
dass diejenigen Nervenenden, welche sich im mikroskopischen Bilde in 
der unmittelbaren Nähe des künstlichen Oberhautcanals finden würden, 


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201 


der betreffenden Sinnesqualität zurorechnen seien. Die Präparate haben 
folgendes ergeben: 

1) Ohne Ausnahme findet sich an jedem Sinnespunkt eine auffallende 
Nervenanbäufung, derart, dass nicht bloss eine relativ grossere Dichtig¬ 
keit derselben besteht, sondern dass aus der Tiefe der Cutis ein Bündel 
von Nervenfasern schräg aufsteigt und direct dem Punkt zustrebt, wo 
dann eine Ramification derselben Platz greift. Es zeigt somit die Inner¬ 
vation der Haut einen discontinuirlichen Charakter, genau entsprechend 
den physiologischen Feststellungen über die discontinuirlich angeordneten 
8innespunkte. 

2) Die Endausbreitung der Nerven verhält sich bei den Druck¬ 
punkten einerseits und den Temperaturpunkten andererseits ver¬ 
schieden. Druckpunkt: Einige zusammenliegende Nervenfasern steigen 
aus der Tiefe der Cutis gegen die Papillarregion auf und gelangen 
ziemlich nahe an die Epithelgrenze. Dann zerfallen sie in mehrere Aestchen, 
welche vorwiegend in zwei entgegengesetzten Hauptrichtungen verlaufen. 
Dieselben kriechen in leicht wellenförmiger Gestalt eine längere Strecke 
unter dem Stratum mucosum fort, vielfache Fäden gegen das letztere empor¬ 
sendend. Diejenigen Schnitte, welche die grösste Concentration von 
Nervenfasern zeigen, entbehren gewöhnlich der Gefässe fast ganz. Die 
Endfäden konnten im Allgemeinen nur bis an die unterste Zellenreihe 
verfolgt werden; zuweilen schien das zugespitzte Ende zwischen die Zellen 
der untersten Reihen einzudringen. Eine celiuläre Endigung konnte nicht 
constatirt werdeu; Endknöpfchen wurden zuweilen gesehen, jedoch halte 
ich es nicht für erwiesen, dass hier immer präformirte Bildungen zu 
Grunde lagen, die spitze Endigung war viel häufiger. 

Temperaturpunkt: In ähnlicher Weise wie beim Druckpunkt steigt 
ein Nervenbündel in der Cutis schräg aufwärts; dasselbe löst sich gewöhnlich 
schon in grösserer Tiefe als die Druckneiven in eine Anzahl von Aestchen 
auf. Letztere kriechen jedoch nicht unter dem Epithel hin, sondern steigen 
in kurzem Verlauf theils gerade, theils schräg gegen dasselbe auf, so dass 
sie eine Art Büschel von umgekehrt kegelförmiger Gestalt bilden. Sie 
sind feiner als die Aestchen der Drucknerven und bilden auf relativ engem 
Raume eine Art von Plexus, welcher sich bald erst dicht unter dem 
Epithel, bald schon etwas tiefer in der Cutis entwickelt. Schliesslich 
tritt eine Anzahl von Fäden bis an das Epithel heran, wo sie nicht weiter 
zu verfolgen sind; auch scheinen Fäden in der Cutis zu endigen. Diese 
Ramification findet sich stets in unmittelbarer Nachbarschaft von Capillar- 
schliogen, an welche auch Fasern herantreten; jedoch endigen dieselben 
wahrscheinlich nicht in denselben, sondern gelangen an ihnen vorbei, um 
sich dann gleichsam zwischen Capillaren und Epithel einzukeilen. Eine 
besondere Art der letzten Endigung konnte nicht constatirt werden, 
speeiell auch nicht eine Fortsetzung in das Epithel. Ein Unterschied 
zwischen Kälte- und Wärmenerven, bezüglich der Endausbreitung, konnte 
mit Sicherheit nicht festgestellt werden. 

3) Von der Existenz von Epidermisnerven in dem Sinne von Langer¬ 
bans, Ranvier u. A. habe ich mich nicht überzeugen können, obwohl 
solche Bilder, wie sie auch von den Autoren gezeichnet werden, vielfach 
gesehen wurden. Zu den Gründen, welche bereits gegen die Epithel¬ 
nerven vorgebracht sind (W. Wolff), möchte ich noch hinzufügen, dass 
die Häufigkeit dieser schwarzen Fäden in der Oberhaut, welche als 
Epidermisnerven interpretirt worden sind, in meinen Präparaten in 


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202 


keinem Verhältniss stand zu dem discontinuirliehen Auftreten der Nerven- 
anhäufungen an der Epithel-Grenze, vielmehr eiqe überall ziemlieh 
gleichmäs8ige war. 

4) Von besonderem Interesse dürfte es sein, dass sich an den Druck¬ 
punkten keine Tastkörperchen fanden. Ich kann denselben eine 
integrirende Bedeutung für die Tastwahrnehmungen als solche nicht zuer¬ 
kennen, halte dieselben vielmehr in der Hauptsache für Schutzorgane der 
Nervenenden. 

5) Es ist immerhin möglich, dass an den Endigungen speciell der 
Temperaturnerven noch irgendwelche zarten Gebilde sich befinden, welche 
durch die eingreifende Präparation zerstört werden; im Uebrigen dürfte 
man sich auch vorstellen können, dass die plexusäbnliche Art der 
Endramification auch an sich schon genügen möchte, um Dichtigkeits¬ 
veränderungen des Gewebes, wie sie ohne Zweifel durch die Temperatur¬ 
reize hervorgebraebt werden, aufzufangen. Die Beziehung der Gefässe 
zu den Temperaturnerven - Enden halte ich nicht von reizvermittelnder 
Bedeutung, sondern darin gipfelnd, dass die letzteren möglichst unter 
den unmittelbaren Einfluss der Blutwärme gesetzt werden. 

Die Untersuchungen sind auf der histologischen Abtheilung des 
physiologischen Instituts, unter wohlwollender Unterstützung durch Herrn 
Professor Fritsch, angestellt 


Aus dem Inhalt der Archives de medecine et de pharmacie 
militaires. 1. Januar bis 1. März 1886 und ein Nachtrag aus 
dem Heft vom 1. Sept. 1885. 

VI. 174. Des ptomaines. Leur histoire chimique, leur 
preparation, leursreactionß, leur röle physiologiqueet patholo- 
gique. In neuester Zeit sind aus faulenden Stoffen eine Reihe von 
basischen Producten dargestellt worden, welche sich in Reactionen den 
vegetabilischen Alkaloiden gleich verhalten und mit dem Namen Ptomaine 
belegt worden sind. Die Entdeckung dieser Körper ist vielleicht berufen, 
dereinst in der Aetiologie gewisser lnfectionskrankheiten Manches neu zu 
beleuchten. Vorläufig kann man sich dem Eindruck nicht verschliessen, 
dass einige Punkte auf diesem Gebiete wieder weniger einfach, weniger 
leicht erklärlich erscheinen, als nach den neueren Ergebnissen der 
Forschung schien. Nach der zeitigen Theorie werden die Ptomaine als 
Producte gedacht, welche von den Spaltpilzen in und ans den thierischen 
Geweben gebildet werden. Sind jene Producte erst sämmtlicb gefunden, 
so würde es weniger schwierig sein, ihre toxischen Wirkungen zu unter¬ 
suchen und festzustellen, welche Rolle ihnen bei der Entwickelung der 
durch Spaltpilze hervorgerufenen Krankheiten zufällt. 

Vorliegende Arbeit behandelt an der Hand der Untersuchungen 
Brouardel’s und Boutmy’s die Darstellung und die Reactionen der 
Ptomaine im Allgemeinen. Es wird darauf aufmerksam gemacht, wie 
schwierig nunmehr wiederum z. B. der forensische Nachweis vegetabilischer 
Alkaloide in Leichen geworden, nachdem es keine völlig einwandfreie 
Reaction giebt, welche jedes der hier in Betracht kommenden Alkaloide 
von etwa in die Erscheinung getretenen Ptomainen sicher zu trennen im 
Stande wäre. — Einen weiteren Blick eröffnet die Entdeckung dieser 
Körper auf die Erklärung der Noxen, welchen die Infection bei Genoss 
faulender Nahrungsmittel wie Brot, Wurst, Fleisch, Käse u. s. w. io- 


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203 


susehreiben ist Verf. geht sogar so weit, dass er eine truppenhygienische 
WasserunterSQchung künftig nicht für vollständig anseben würde, wenn 
nicht auch nach der Anwesenheit von Ptomainen geforscht wäre. 

VII. 14. Note sur l’al teration des conserves pari es ptomaines, 
p. Camus. Die Familie eines Offiziers in Bou-Saäda (Algier) verspeist 
die Hälfte einer Büchse conservirten Hammers, der ebenso gut schmeckt 
wie bekommt. Der Rest wird in der Speisekammer so kühl, wie es dort 
möglich, in einer Schale mit frischem Wasser aafbewahrt und am nächsten 
Tage genossen. Geschmack und Geruch tadellos. 2 Stunden nach der 
Mahlzeit erkranken Alle, die davon gegessen, mit Brechdurchfall acutester 
Art, verbunden mit schwerer Abgeschlagenheit der Kräfte. Die Er¬ 
scheinungen gehen in 24 Stunden vorüber, lassen jedoch eine langdauernde 
Schwache der Verdauung zurück. Verf. schiebt die beobachtete Vergiftung 
nach sorgfältiger Ausschliessung aller anderen Momente auf die Entwickelung 
cadaveröser Alkaloide in dem conservirten, nach Oeffnung der Büchse 
der Luft ausgesetzten Hummerfleisch. Die Bedingungen waren in der 
Temperatur gegeben, welche selbst in den kühlsten Nachtstunden nicht 
unter 34 Grad herabging. Schon Arnould hat in seinen Nouveaux 
elements d’hygiene 1881 darauf aufmerksam gemacht, wie einmal geöffnete 
Conserven unter günstigen Bedingungen (Luftzutritt, Wärme) in wenigen 
Stunden giftige Eigenschaften annehmen können, welche sich weder durch 
den Geschmack noch durch den Geruch verrathen. Der Schluss daraus 
für die Truppenhygiene lautet: Conservenbüchsen für Sommergebrauch 
nicht grösser zu wählen, als dass sie mit einem Male verbraucht werden 
können, da Luft und Hitze auch bei bester Beschaffenheit der Conserven 
sehr schnell zur Entwickelung von Ptomainen Veranlassung geben können, 
deren Einverleibung zuweilen schwere Vergiftungen nach sich zieht. 

S. 2. Chute sur l'epaule gauche; paralysie de la sensibilite 
du membre superieur, de la face et du tronc ä gauche; mal 
perforant palmaire; nystagmus, p. Michaud. Fall vom Pferde auf 
die linke Seite und den Ellenbogen. Quetschung des N. ulnaris. Zunächst 
Ameisenkriechen in den von diesem Nerven versorgten Fingern, später 
auch in den vom Medianus versorgten. Weiterhin Lähmung der Finger 
und Anästhesie der Hand. Infolge dessen Ungeschicklichkeit beim Reiten, 
und häufigeres Fallen, welches seinerseits den bestehenden Reizzustand 
im Gebiete der betroffenen Nerven steigert. Es entwickelt sich eine 
chronische aufsteigende Neuritis, die langsam das Halsmark erreicht und 
die hier gelegenen Nervencentren in Mitleidenschaft zieht. Daher im 
weiteren Verlauf Anästhesie der linken Gesichts-, Hals- und Brustseite, 
doppelseitiger Nystagmus, Pupillenerweiterung, motorische und sensible 
Lähmung des linken Armes und trophische Störungen, als deren Symptom 
Verminderung des Muskelgefühles, sowie der elektrischen Erregbarkeit 
einerseits; schwielige Verdickung der Haut in der Hand, Schrundenbildung 
und torpide Ulceratiön andrerseits in die Erscheinung treten. In diesem 
Zustande erst wird Patient aufgenommen. Die Heilung des Geschwürs 
erfolgt langsam, in den übrigen Symptomen war bei der Entlassung als 
unbrauchbar keine Besserung erzielt. Prognose ungünstig bei dem augen¬ 
scheinlichen Weiterkriechen des Processes. Der Fall ist lehrreich für 
die Vorsicht, welche bei Beurtheilung derartiger, nicht eben seltener 
primärer Dienstbeschädigungen geboten ist 

S. 24. De la tröpanation du cräne chez les indigenes de 
TAurbs (Algerie), p. Vedrfenes. Historische und akiurgische Studie 


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204 


aber die Verbreitung der Trepanation in einem geographisch kleinen 
Bezirk Algiers, wo dieselbe seit unvordenklichen Zeiten von Specialiaten 
mit den primitivsten Instrumenten in ausserordentlicher Häufigkeit aus- 
geübt wird. Verf. hat aus der Praxis von 11 Trepaneuren 953 Fälle 
sammeln können! Die Kunst wird in bestimmten Familien vererbt, die 
Operation als so ungefährlich angesehen, dass sie hin und wieder gemacht 
wird, um eine Kopfverletzung als wichtiger darzustellen, wie sie wirklich 
war, um eine grössere Entschädigung vom Gegner zu erlangen. Besonders 
merkwürdig ist der Umstand, dass das Verfahren in geringer Entfernung 
vom Aurfes völlig unbekannt ist 

S. 137. Relation d'un cas de Perforation de la main par 
une bagnette de fusil, p. Krantz. Ein Soldat reinigt den Lauf seines 
Gewehres mit dem eisernen Entladestock, dessen unteres Ende er mit 
einem Putzlappen umwickelt bat. Der Lappen keilt sich im Lauf ein. 
Um ihn nach unten ausstossen zu können, presst der Mann mit grösster 
Kraft auf das äussere Ende des Stockes, nachdem er die Hand durch 
Umwickelung mit mehreren Lagen Tuch geschützt hat. Plötzlich durch¬ 
bohrt das obere Ende des Stockes sowohl die Umwickelung der Hand, 
als diese selbst völlig, so dass es noch 10 cm zum Handrücken hinausragt. 
Unbedeutende Blutung. Entfernung von 2 Tuchfetzen aus der Wunde, 
reactiooslose Heilung in 16 Tagen. Man stelle sich die Gewalt vor, 
welche nöthig war, um ca. 10 Lagen Tuch und eine schwielige Mannes¬ 
hand mit einem Instrument zu durchbohren, dessen Ende vollkommen 
flach ist und */ s cm Durchmesser hat. 

S. 145. De TEpidemie de fievre typhoide au camp du Pas- 
des-Lanciers 1885, p. Duchemin. Wird besonders besprochen. 


General-Rapport 

von den Kranken der Königlich Preussischen Armee, des XII. (Königlich 
Sächsischen) und des XIII. (Königlich Wurttemberjpschen) Armee-Corps, 
so wie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich Bayerischen 
Besatzungs-Brigade pro Monat Januar 1886. 

1) Bestand am 31. December 1885: 9 291 Mann und 49 Invaliden 

2) Zugang: 

im Lazareth 13 505 Mann und 2 Invaliden, 
im Revier 21672 - 7 

Summ a 35 177 Mann und 9 Invaliden. 

Mithin Summa des Bestandes und Zuganges 44 468 Mann und 58 Invaliden, 
in Procenten der Effectivstärke 11,5 °/ 0 und 20,9 °/o. 

3) Abgang: 


geheilt .... 

. 29 826 Mann, 

1 Invalide, 

gestorben . . . 

70 - 

1 

invalide .... 

173 - 

0 

dienstunbrauchbar 

431 - 

— 

anderweitig. . . 

244 - 

2 

Summa . 

• 30 744 Mann, 

4 Invaliden. 


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— 205 


4) Hiernach sind: 

geheilt 67,1 % der Kranken der Armee und 1,7 % der erkrankten In¬ 
validen, 

gestorben 0,16 % der Kranken der Armee und 1,7 % der erkrankten In¬ 
validen. 

5) Mithin Bestand: 

am 31. Januar 1886 13 724 Mann und 54 Invaliden, 

in Procenten der Effectivstärke 3,5 % und 19,4 °/ 0 . 

Ton diesem Krankenstände befanden sich: 

im Lazareth 9 407 Mann und 8 Invaliden, 
im Revier 4 317 - 46 

Es sind also von 635 Kranken 425,9 geheilt, 1,0 gestorben, 2,5 als 
invalide, 6,2 als dienstunbrauchbar, 3,5 anderweitig abgegangen, 195,9 im 
Bestände geblieben. 

Von den Gestorbenen der activen Truppen haben gelitten an: Schar¬ 
lach 1, Blutvergiftung 1, Unterleibstyphus 5, acutem Gelenkrheumatismus 5, 
bösartigen Geschwülsten 1, Hirn- und Hirnhautleiden 5. Kehlkopfent¬ 
zündung 1, Lungenentzündung 19, Lungenblutung 2 , Lungenschwindsucht 18, 
Brustfellentzündung 2, Blinddarmentzündung 1, Bauchfellentzündung 4, 
Nierenleiden 2, Knochenentzündung 1; an den Folgen einer Verunglückung: 
Ueberfahren durch die Eisenbahn 1, Sturz vom Turngerüst bei einer ausser- 
dienstlichen Uebung 1. Von den Invaliden: an chronischem Lungen- 
catarrh 1. 

Mit Hinzurechnung der nicht in militärärztlicher Behandlung Ver¬ 
storbenen sind in der Armee im Ganzen noch 27 Todesfälle vorgekommen, 
davon 9 durch Krankheiten, 6 durch Verunglückung, 12 durch Selbst¬ 
mord; von den Invaliden: durch Krankheiten 3; so dass die Armee im 
Ganzen 97 Mann und 4 Invaliden durch den Tod verloren hat. 

Nachträglich pro November 1885: 

1 Verunglückung durch Ertrinken. 


Gedruckt in der Königlichen Hofbuchdruckerei von E. S. Mittler und Sohn Berlin S Vf. Kochstruiee 68— 70. 


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Deutsche 

Militärärztliche Zeitschrift. 

Redaction: \ Verlag: 

Dr ‘ ^L^**?* 1 *’ Generalarzt ’ f. §- Sttittfet & $•$#, 

u. Dr. SR. m *•«**, Stabsarzt, Komgliche Hofbuchhandlung, 

o .. „ . _/ , c \ Berlin, Kochstrasee 68-70. 

Berlin, Hedemannstr. 16. 

Monatlich erscheint ein Heft von mindestens 3 Druckbogen; dazu ein „Amtliches Beiblatt 14 . Dez 
Zeitschrift wird das Werk: „Jahresbericht über die. Fortschritte auf dem Gebiete des Militix- 
Sanitats-Wesens 4 *, heransgegeben vom Generalarzt Dr. Roth, unentgeltlich beigegeben. Bestellung 
nehmen alle Postämter und Buchhandlungen an. Preis des Jahrgangs 16 Mark. 

XV. Jahrgang. 1886. Heft 5. 

Die Bedeutung des Schultergttrtel-Beckenumfanges für die 
Beurtheilung der Militärdienstfähigkeit 

Von Stabsarzt Dr. Lehmbecher, 
im Königl. Bayerischen 9. Infanterie-Regiment.' 

Die Benrtheilang der Militärdienstfähigkeit gehört zu den wichtigsten 
und schwierigsten Aufgaben des Militärarztes. Der Bedarf der Armee 
an Ersatzmannschaften ist ein sehr grosser, die an die körperliche 
Leistungsfähigkeit des Soldaten sowohl im Frieden als im Kriege ge¬ 
stellten Anforderungen sind jedoch so beträchtlich, dass nur Derjenige 
ihnen genügen kann, welcher im vollen Besitze der Gesundheit ist und 
die entsprechende Kraft hat. Die Frage der Gesundheit ist eine ärzt¬ 
liche und wird durch die ärztliche Untersuchung nnd Anamnese ent¬ 
schieden. Die Tauglichkeit fordert jedoch, dass der gesnnde Organismus 
des Militärpflichtigen auch die entsprechende körperliche Kraft besitze, 
d. h. hinreichend entwickelt sei. Die körperliche Entwickelung des Sol¬ 
daten mnss im Verhältnisse zu den Anfordernngen and Beschwerden des 
Militärdienstes stehen; diese nun zu erkennen ist die Schwierigkeit Nach 
Ausweis des statistischen Sanitätsberichtes über die Königl. Bayerische 
Armee wurden in den Altersklassen 1847—1851 von den bei dem Ersatz¬ 
geschäfte Untersuchten 21114 Mann oder 9,8 pCt. aller Untersuchten wegen 
allgemeiner Schwächlichkeit dienstunbrauchbar befunden, ein Beweis, 
wie viele der Untersachten die für den Militärdienst nöthige Entwickelung 

15 


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nicht besessen, and wie häufig der Militärarzt iu die Lage kam, ein 
Urtheil in diesem Punkte abzogeben. 

In Bezog aaf die körperliche Entwickelung der Soldaten ist von den 
Staaten ein Minim alm&ass der Grosse festgesetzt worden, unter welchem 
ein Mann zum Dienst nicht mehr eingestellt werden soll. Dasselbe ist 
in den einzelnen Staaten zu verschiedenen Zeiten ein verschiedenes ge¬ 
wesen; im Deutschen Reiche gilt gegenwärtig als Minimalmaass die Grosse 
von 157 cm. Es ist klar, dass bei Feststellung des Minimalmaasses die 
Forderung eines gewissen Grades körperlicher Kraft und Entwickelung 
maassgebend war, für welchen das Minimalmaass Ausdruck und unterste 
Grenze darstellte. Die tägliche Erfahrung zeigt, dass die Grosse kein 
adäquater Ausdruck für Kraft und Entwickelung eines Mannes ist, dass 
gegebenen Falles ein Mann von 160 cm Grosse weniger kräftig sein 
kann als ein solcher von 157 cm. Da für das Urtheil in diesem Falle 
kein bestimmtes Maass gegeben war, so trat vorerst der praktische Blick 
in seine Rechte. Derselbe übersieht an den ihm vorgestellten Militär¬ 
pflichtigen zu gleicher Zeit eine grossere Anzahl von Verhältnissen und 
Eigenschaften und vergleicht sie mit dem Bilde, welches er sich auf 
Grund seiner Erfahrungen von einem taoglichen Soldaten gemacht hat. 
In vielen Fällen tritt der praktische Blick das Richtige und findet hier¬ 
mit seine Berechtigung, dennoch kann er sichere Resultate nicht liefern, 
da ihm für seine Vergleichung bestimmte Maasse fehlen. Es entstand 
denn auch bei den Militärärzten das Streben, Maasse zu finden, welche 
für Soldaten bei gegebener Körpergrösse den Grad der nothwendigen 
körperlichen Entwickelung und Kraft anzeigen sollten. 

Seit einer Reihe von Jahren wurden vielfache Messungen des Brust¬ 
umfanges vorgenommen, aus deren Resultaten bestimmte Schlüsse für Be- 
urtheilung der Kriegstüchtigkeit abgeleitet wurden; man behauptete, dass 
ein bestimmter Brustumfang die Tauglichkeit entweder zuliess oder aus¬ 
schloss, namentlich sollte der Brustspielraam einen direkten Schluss auf 
die körperliche Kraft des Untersuchten gestatten. Man schloss hierbei: 
Brustumfang und Brustspielraum entsprechen einem bestimmten Lungen¬ 
volumen und einer bestimmten Atbemgrosse, von dieser hänge der Grad 
des Stoffumsatzes ab und von diesem die körperliche Kraft. Es hat sich 
nun gezeigt, dass diese Schlüsse nicht richtig sind. Wir wissen, dass 
zwischen Brustumfang und Langenvolumen ein bestimmtes Verhältnis 
nicht besteht, dass auch die Athemgrösse von dem Lungenvolumen nicht 
abhängig ist, dass vielmehr die Quantität des aufgenommenen Sauerstoffes 
und die hiervon abhängige Intensität der Zersetzungsvorgänge im Körper 


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Ton der Quantität des vorhandenen Eiweisses and mithin in letzter Linie 
von dem Grade seiner Ernährung bedingt werde. Der menschliche 
Körper ist eine Kraftmaschine, deren Leistangsfähigkeit in Beziehung za 
dem Vorrathe an Kraft Steht, welche durch Zersetzung der eingeführten 
Nahrung erzeugt wird. Der Brustumfang gestattet demnach keinen 
directen Schluss auf die Leistungsfähigkeit des Körpers und hat für 
dessen Entwickelung die gleiche Bedeutung, welche ein anderes Körper* 
maass, z. B. der Schultergürtel, besitzt. Dieser Werth des Brustumfangs- 
maasees wird jedoch durch die jetzt vorzüglich gebrauchte Messungsart 
am grössten Umfange über Brustwarzen und unteren Winkel des Schulter¬ 
blattes, welche nur unsichere Resultate liefert, stark beeinträchtigt. Der 
Umfang des Thorax ändert sich nach der Haltung des Körpers und der 
wechselnden Stellung in den verschiedenen Momenten der Athmung; diese 
'Aenderang beeinflusst die Messung, lässt sich aber in verschiedenen Zeiten 
nicht genau fixiren. Die angegebenen Verhältnisse waren denn auch der 
Grand, weshalb die bei der Messung des Brustumfanges und namentlich 
des Brustspielraumes erhaltenen Werthe sehr stark differirten. Im Zu¬ 
sammenhang mit den eben angeführten Thatsachen steht auch die Be¬ 
stimmung in den Vorschriften für die Beurtheilong der Militärdienstfähig¬ 
keit, dass der Brustumfang nicht für sich allein für die Diensttauglich¬ 
keit maassgebend sein darf, sondern dass derselbe mit Rücksicht auf den 
übrigen Körperbau beurtheilt werden muss. Feste elastische Haut, starke 
breite Schultern, starke Knochen und kräftig entwickelte Muskeln seien 
die Neuerlich wahrnehmbaren Zeichen eines kräftigen Körperbaues. 

Unter, diesen Umständen erscheint es gerechtfertigt und angezeigt, 
noch andere Ausdehnungen des Körpers in das Auge zu fassen, um 
weitere Maasse für die Beurtheilung seiner Entwickelung zu erhalten. 
Seit langer Zeit sind in den Lehren der plastischen Anatomie auf Grund 
empirischer Messung und idealer Vorstellung Maasse festgesetzt, welchen 
in der künstlerischen Darstellung Gestalt und deren Glieder unterworfen 
sein müssen, wenn das Abbild in seinen Proportionen den wirklichen 
Verhältnissen nnd unserem Schönheitssinne entsprechen soll. Beträgt 


gegebenen Falles die Totalhöhe des Körpers 1000, 

ao soll die ganze Beinlänge 505, 

die Entfernung von der Halsgrube bis zum Schamberge 290, 
die 8chulterbreite in der Mitte der Deltamuskel 265, 
die Hüftbreite 167, 

die schmälste Stelle der Taille 150 betragen. 


Nach diesem Vorgänge könnte wohl auch in Rücksicht auf militärische 

15* 


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Zwecke die Frage gestellt werden, welche Maasse ein Mann haben muss, 
wenn er die für den Militärdienst hinreichende Entwickelung hat Der 
Unterschied besteht darin, dass für die plastische Anatomie nur das 
Moment der äusseren Gestaltung, für militärische Zwecke auch das der 
körperlichen Kraft in Betracht kommt. Es ist wohl klar, dass die äussere 
Gestaltung des Körpers dessen Kraft nicht vollkommen ausdrückt, den* 
noch dürfte es gestattet sein, bei mehr gleichartig entwickelten Individuen 
aus der Gestalt, deren Ausdehnung durch mehrfache Messungen bestimmt 
wird, unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Gewichtes, auf die körper¬ 
liche Kraft einen Schluss zu ziehen, um so mehr, da die Kraft in letzter 
Linie von der Ernährung abhangt, welche Gewicht und Ausdehnung be¬ 
einflusst Allgemein gilt als Ausdruck für die Kraft eines Körpers bei 
gegebener Lange dessen Wachsthum in die Breite. Die Kraft des Muskels 
ist gleich der Quadratflache seines Querschnittes, die Tragfähigkeit des 
Knochens nimmt als die eines festen Körpers bei sonst gleichen Verhält¬ 
nissen mit der Flache seines Querschnittes zu, mit der zunehmenden Breite 
vergrössert sich der Raum der Körperhöhlen und die Ausdehnung der 
ihren Inhalt bildenden Organe, welche das Leben des Organismus ver¬ 
mitteln. 

Bei Betrachtung des menschlichen Körpers treten der Schulter- und 
Beckengürtel als diejenigen Theile hervor, an welchen das horizontale 
Wachsthum am stärksten zum Ausdruck gekommen ist. Denkt man sich 
durch Schulter- und Beckengürtel einen Querschnitt gelegt, so erhält 
man Flächen, in welchen zu gleicher Zeit die Grundflächen des Stammes 
und der an diesem befestigten Extremitäten liegen, deren Ausdehnung 
mithin im Verhältniss zur Grösse der Entwickelung von Rumpf und 
Gliedern steht. Den Querschnitt des Schultergürtels erhält man durch 
eine Ebene, welche den Körper vorne an der Fuge zwischen Handhabe 
und Körper des Brustbeines, an den Seiten in der Mitte des Deltamuskels und 
an der Rückenfiäche 2 cm abwärts von der Spina scapulae schneidet Diese 
Ebene hat horizontale Lage und fallt mit der sogenannten ersten Mess¬ 
ebene des Brustumfanges zusammen; sie durchschneidet am Thorax den 
Brustraum in seinem oberen Abschnitte und geht durch die oberen Lappen 
beider Lungen, an der äusseren Wand fallen von den Muskeln der grosse 
und kleine Brustmuskel, der Kapuzenmuskel und die langen Strecker der 
Wirbelsäule, an den oberen Gliedmaassen die Deltamuskel in diesen 
Schnitt und zwar an Stellen, an welchen diese Muskel die grösste Ent¬ 
wickelung zeigen. Den Querschnitt des Beckengürtels erhält man durch 
eine Ebene, welche nach rückwärts das Gesäss in dessen grösstem Um- 


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211 


fange, nach vorwärts den oberen Rand der Symphyse schneidet und 
seitwärts etwas unter den grossen Trocbanteren verlauft. Bei diesem 
Querschnitt kommen weniger die Organe des Inhaltes der Beckenhoble 
als vielmehr Skeletttheile und Muskelgebilde in Betracht, welche zur Ent¬ 
wickelung des ganzen Körpers und zur Muskulatur des Gesässes, die 
die Last des Stammes zu tragen und zu stutzen hat, in Beziehung treten. 

Durch die eben beschriebene Lage der Querschnittsebene des Schulter¬ 
rad Beckengurtels ist auch der Verlauf ihrer Messlinien gegeben. Die 
Messung selbst wird in aufrechter Haltung des zu Messenden vorgenommen, 
welcher mit an den Körper anliegenden Armen, mit angezogenen Knieen 
and geschlossenen Fersen sich vor dem Arzte befindet Bei der Messung 
des Schultergürtelumfanges markirt man den Brustbeinpunkt an der 
Foge zwischen Handhabe und Körper des Brustbeines damit, dass man 
Zeige- und Mittelfinger so über den Knorpel legt, dass die Kante desselben 
zwischen beiden zu liegen kommt; die Lage des Schulterblattpunktes 
erhalt man, wenn man mit den Vordergliedern von Zeige- und Mittel¬ 
finger am unteren Rande der Crista einen Eindruck macht, während der 
Oberarmpunkt in der Mitte der Deltamuskel aus dem Augenmaasse und aus 
dem horizontalen Verlaufe der Messlinie sich ergiebt. Die durch den 
Fingerdruck herbeige führte Verfärbung der Haut giebt genau die Stellen 
so, an welchen der obere Rand des Messbandes zu liegen kommt. Der 
Sehnltergurtelumfang wird in der Athempause gemessen. Bei der Messung 
des Oesässumfanges ist der Verlauf der Messlinie rückwärts durch die 
grösste Wölbung des Gesässes, vorwärts durch den oberen Rand des 
Schambeins gegeben, während die seitliche Lage abwärts der grossen 
Trocbanteren aus dem horizontalen Verlaufe, welcher durch die erwähnten 
Prakte schon bestimmt ist, sich ergiebt. Mit Hülfe der angegebenen 
Punkte ist eine genaue Messung des Schultergürtel- und Beckenumfanges 
ermöglicht. Um diese Genauigkeit zu prüfen, habe ich an 10 Mann zu* 
verschiedenen Zeiten und ohne besondere Sorgfalt drei Messungen vor¬ 
genommen, deren Resultate folgende sind: 

Schulter, Becken; Schulter, Becken; Schulter, Becken. 


1) 

103 

89 

103 

89 

103 

90 

2) 

104 

89 

105 

90 

104 

90 

3) 

101 

84 

100 

83 

101 

84 

4) 

101 

85 

100 

85 

101 

86 

5) 

102 

84 

102 

84 

108 

84 

6) 

102 

91 

102 

92 

101 

91 

7) 

108 

86 

106 

87 

107 

86 


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212 



Schulter, Becken; 

Schulter, 

Becken; 

Schulter, Becken; 

8) 

110 

92 

110 

92 

108 

92 

9) 

101 

92 

102 

91 

101 

91 

10) 

103 

90 

103 

89 

104 

88 


Man sieht, dass die grösste Differenz für den Umfang des Schulter¬ 
gürtels zweimal 2 cm, für den Umfang des Beckengürtels mehr als 1 cm 
beträgt. Eine Verschiedenheit der Messungsresultate nm 1 cm kann nicht 
vermieden werden, weil das Messband nicht jedesmal gleich stark angesogen 
wird and weil halbe Centimeter nicht abgelesen werden. DifFerenaen 
von 2 cm lassen sich bei hinreichender Sorgfalt vermeiden. 

Unter Anwendung der eben beschriebenen Messlinien für Schalter- 
gartel-Beckenumfang habe ich non eine Anzahl Messungen an ausgebildeter 
Mannschaft and an Rekruten vorgenommen. Bei der ausgebildeten 
Mannschaft habe ich zugleich das Körpergewicht bestimmt Betrachtet 
man die Querschnitte des Schalter- und Beckengurtels als Grund- und 
Deckfläche des abgestumpften Kegels des menschlichen Stammes, so kann 
man die Frage stellen, in welchem Verhältnisse die Ausdehnung dieses 
Kegels, als dessen Hohe die Hohe des ganzen Körpers angenommen 
wird, za dem Gewichte des Körpers steht Die Schwere eines Körpers 
im Allgemeinen ist durch dessen Ausdehnung and Masse bestimmt; ist 
das specifische Gewicht uBd die Ausdehnung bekannt, so lässt sich das 
absolute Gewicht durch Rechnung Anden. Da in unserem Falle das 
specifische Gewicht ausser Acht bleiben kann, so entsteht die Frage, in 
welchem Verhältnias die durch Länge, Schultergurtel- und Beckenumfang 
bestimmte Ausdehnung des Körpers zu seinem Gewichte steht. Zur 
Beantwortung dieser Frage habe ich eine Tabelle hergestellt, aus welcher 
sich ergeben wird, wie weit eine Uebereinstimmung zwischen beiden 
Werthen besteht 

Vor Darlegung der durch die angestellten Messungen und Wägnngen 
erlangten Resultate halte ich es für zweckmässig, die wichtige Frage zu 
besprechen, welches Körpergewicht als Minimalgewicht für den Dienst 
mit der Waffe zu betrachten ist Von den Autoren werden 60, 55, 50 kg 
angegeben; meine Erfahrungen hierüber gründen sich auf verschiedene Be¬ 
obachtungen. Seit mehreren Jahren werden übungspflichtige Ersatzreaer- 
visten einberufen, um in verhältnissmässiger Zeit so weit ausgebildet zn 
werden, dass sie als Ersatz für erlittenen Verlast sofort in Dienst gestellt 
werden können. Unter ihnen befinden sich Leute mit geringen körper¬ 
lichen Gebrechen und namentlich ziemlich viele Mindermässige; die an die 
körperliche Leistungsfähigkeit dieser Leute gestellten Anforderungen sind 


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jedoch sehr beträchtliche. Ich habe non 80 Mann solcher Ersatzreservisten 
eines Infanterie-Bataillons gewogen and hierbei gefunden, dass 
unter 120 Pfund*) = 60 Mann 
- 110 - = 25 - 

106 - = 11 Mann Körpergewicht hatten. 

Die 10 niedersten Gewichte waren: lx 105, lx 104, lx 106, 5x 102, 
Jx 101, lx 100, worunter 6 Mindern)ässige. Von diesen Ersatzreservisten 
meldeten sich während einer lOwochentlichen Uebung 32 Mann, darunter 

3 zehnmal, mithin im Ganzen 25 Mann krank und waren 66 Tage 

lazareth- und 65 Tage revierkrank; meistens bestanden äussere Leiden, 
die theilweise aus der Zeit vor der Einberufung datirten, und nur in 

4 Fällen war innere Erkrankung (Magen-Darmkatarrh) vorhanden. Es 
ist hieraus zu ersehen, dass die lOwochentliche Uebung von diesen 
Reservisten ohne erkennbaren Nachtheil für ihre Gesundheit ertragen 
worden ist, wobei nur bemerkt werden muss, dass dieselben sehr gut 
verpflegt waren. 

Von 460 Mann ausgebildeter Mannschaft befanden sich 
unter 120 Pfund = 100 

- 110 - m* 8 

- 106 - =2, 

die 10 niedersten Gewichte waren: 4x 109, 3x 107, 2x 106, lx 105. 

Ich habe dann von Reservisten und Landwehrleuten, welche zu 
lOtagiger Uebung einberufen waren, 90 Mann gewogen; von diesen 
befanden sich unter 120 Pfund = 25 

- 110 - = 3 

- 106 - = 2; 

die 10 niedersten Gewichte waren: lx 115, 2x 114, lx 113, 2x 112, 
lx 110, lx 109, lx 105, lx 100. 

Wurde man 120 Pfund == 60 kg als das Minimalgewicht der Tauglichen 
annehmen, so mussten nach den Ergebnissen der angestellten Wägungen 
29,3 pCt von gegenwärtig tauglichen Mannschaften als untauglich erklärt 
werden; bei einem Minimalgewichte von 110 Pfund = 55 kg wäre dieses 
bei 5,9 pCt. der Fall, bei einem solchen von 106 Pfund = 53 kg würden 
von der ausgebildeten Mannschaft und den Reservisten 4 Mann, von der 
Er8atsmannschaft 11 Mann unter diese. Grenze fallen. Obwohl nun 
lagestanden werden muss, dass ein Mann mit 120 Pfund Körpergewicht 
besser geeignet wäre, die Anstrengungen des Militärdienstes zu ertragen, 
•oist kaum nöthig zu erwähnen, dass bei weiterer Ausschliessung von 29,3 pCt. 

*) Pfund = Va bg. 


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214 


Militärpflichtiger von dem activen Dienste der jetzige Bedarf der Armee 
an Ergänzung8mannschaften nicht gedeckt werden konnte. Ferner 
besitzen Leute von 110 bis 106 Pfund Körpergewicht, wie sich aus den 
Beobachtungen bei den Ersatzmannschaften ergiebt, bei sonstiger guter 
Verpflegung die für den Dienst nötbige körperliche Entwickelung. Man 
kann also aus diesen Thatsachen den Schluss ziehen, dass das Minimal¬ 
körpergewicht zwischen 110—106 Pfund = 55—53 kg liege. 

Nach den im Vorstehenden näher geschilderten Gesichtspunkten 
wurden nachfolgende Bestimmungen ausgefuhrt: Eis wurde an 460 Mann 
ausgebildeter Mannschaft eines Infanterie-Bataillons vor dem Abmarsche 
zu den Herbstmanövern der Brustumfang, der ScHultergurtel- und Becken¬ 
umfang gemessen und das Körpergewicht gewogen; ferner wurden bei 
dem Ersatzgeschäft an 436 Mann Militärpflichtiger, von welchen 

240 - tauglich, 

139 - körperschwach, 

57 - mindermässig waren, desgleichen Brust¬ 

umfang, Schultergurtei-Beckenumfang gemessen. Aus den hierbei erhaltenen 
Werthen wurden nun Mittelwerthe hergestellt und zwar derart, dass 
einmal die Körpergrösse, das andere Mal der Brustumfang als Eintbeilungs- 
grund angenommen wurde, mit welchem dann die berechneten Werthe in 
ein Verhältnis gesetzt wurden. Auf diese Weise entstanden Tabelle I 
und II. Die Herstellung des Verhältnisses der berechneten Werthe zum 
Brustumfang hielt ich für nöthig, um diese mit bereits bekannten Werthen 
vergleichen zu können. 

Aus dieser Tabelle lassen sich folgende allgemeine Sätze ableiten: 

I. Verhalten des Brustumfanges zum Schultergürtelumfang. 

1) Der mittlere Scbultergürtelumfang beträgt 

a. bei der ausgebildeten Mannschaft 105.2 cm : 87,5 mittlerer Brustumf. 

* b. bei den Rekruten 103,4 - :87,0 

c. bei den Körperschwachen 93,4 - : 77,0 

d. bei den Mindermässigen 95,0 - : 78,0 

Der mittlere Schultergürtelumfang beträgt demnach im Durchschnitt 
nahezu um 17 cm mehr als der Brustumfang, er ist bei der ausgebildeten 
Mannschaft und den Mindermässigen im Mittel etwas höher als bei den 
Rekruten und Körperschwachen. 

2) Mit dem Wachsthum des Brustumfanges wächst der Schulter- 
gurtelumfang, abgesehen von geringen Schwankungen in den einzelnen 
Längsstufen, ziemlich gleichmässig an, so dass Linien, welche den Verlauf 
beider graphisch darstellen, nahezu parallel liegen. 


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— 215 — 


II. Verhalten des Brustumfanges zum Beckengürtelumfang. 

3) Der mittlere Beckengurtelumfang betragt: 

a. bei der ausgebildeten Mannschaft 86,6 cm : 87,5 mittlerer Brustumf. 


b. bei den Rekruten 

90,9 - 

: 87,0 

- 

c. bei den Körperschwachen 

82,5 - 

: 77,0 

- 

d. bei den Mindermässigen 

81,9 - 

: 78,0 

* 


Der mittlere Beckengurtelumfang ist demnach im Durchschnitte 
3,1 cm grosser als der Brustumfang, zeigt jedoch bei den vier Kategorien 
von Mannschaften grossere Differenzen, indem der Beckengurtelumfang 
bei den Rekruten, Körperschwachen und Mindermässigen über dem Brust* 
umfang, bei den ausgebildeten unter demselben steht. 

4) Mit dem Wachsen des Brustumfanges nimmt der Beokengürtel 
weniger stark zu, so dass eine den Verlauf des Beckengürtels darstellende 
Linie zur Linie des Brustumfanges geneigt ist. 

5) Aus vorstehenden Sätzen folgt, dass das Breitenwachsthum im 
Beckengürtel und. Schultergürtel im Verhältnis zum Brustumfang bei den 
aasgebildeten. Mannschaften und in den höheren Längsstufen mehr im 
Schultergürtel, bei den Rekruten, Körperschwacben und in den unteren 
Langsstufen mehr im Becken Ausdruck gefunden hat 

Zur näheren Betrachtung des Verhaltens der Körpergrösse zu den 
anderen Maassen wurde die Tabelle III berechnet In der Tabelle II ist 
die Erkennung einer vorhandenen Gesetzmässigkeit, namentlich in dem 
Verhalten der Maasse mit zunehmender Körpergrösse, dadurch erschwert, 
dass diese zwar im Allgemeinen eine mit zunehmender Körpergrösse 
wachsende Grösse zeigen, einer regelmässig fortschreitenden Progression 
aber entbehren. Man kann nun mit Hülfe der Gleichungen 

tn = a 4- (n—1) d 
Sn = (a 4- tn) £ 

arithmetische Progressionen erhalten, indem man 

n = Anzahl der Glieder 

Sn = Summe sämmtlicher Glieder 

a = erstes Glied der Reihe 

aus der Tabelle II als bekannt erhält, während 
d = constante Differenz 
tn = letztes Glied der Reihe 

durch Rechnung gefunden werden. Mit Hülfe dieser Gleichungen wurde 
Tabelle III hergestellt 


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216 


111. Verhalten der Korpergrosse zum Brustumfang. 

6) Der mittlere Brustumfang beträgt: 

a. bei der ausgebildeten Mannschaft 85,8 cm: 168,5 mittlere Grosse 


b. bei den Rekruten 

83,5 

- : 167,0 

- 

c. bei den Körperschwachen 

’ 77,6 

- : 165,5 

- 

d. bei den Mindermässigen 

77,7 

- : 151,5 

- 


7) Mit dem Wachsen der Korpergrosse nimmt der Brustumfang im 
Allgemeinen, jedoch nicht gleichmässig zu; derselbe betragt bei dem aus¬ 
gebildeten Manne bis zur Hohe von 172 cm und bei den Rekruten bis 
166 cm mehr als die Hälfte, der Grosse, bei den Korperschwachen 
erreicht er in keiner Grosse die Hälfte und bei den Mindermässigen 
beträgt er in allen, mit Ausnahme einer, mehr als die Hälfte der Grosse. 
Nach Tabelle III beträgt die Zunahme des Brustumfanges für 1 cm Länge 
bei der ausgebildeten Mannschaft 0,35, bei den Rekruten 0,29, bei den 
Korperschwachen 0,05 cm. 

8) Das Wacbsthum an der Brust ist demnach bei den Tauglichen 
und Mindermässigen ein stärkeres als bei den Korperschwachen, und die 
Tauglichkeit nimmt ab mit dem U eberschreiten des Längenwachstbums 
über das Doppelte des Brustumfanges. 

IV. Verhalten der Korpergrosse zum Schultergürtelumfang. 

9) Der mittlere Scbultergurtelun^fang beträgt bei mittlerer Grosse 

a. bei der ausgebildeten Mannschaft 

104,9 = 19,1 mehr als der mittlere Brustumfang; 

b. bei den Rekruten 

101,1 = 17,6 mehr als der mittlere Brustumfang; 

c. bei den Korperschwachen 

94,2 = 16,6 mehr als der mittlere Brustumfang; 

d. bei den Mindermässigen 

93,0 = 15,3 mehr als der mittlere Brustumfang; 
im Mittel demnach 17,1 mehr als der mittlere Brustumfang. 

10) Mit dem Wachsen der Korpergrosse nimmt der Schultergurtei 
im Allgemeinen zu, bei den Rekruten und Körperschwachen jedoch in 
viel geringerem Grade als bei der ausgebildeten Mannschaft. Nach 
Tabelle HI beträgt die Zunahme bei der ausgebildeten Mannschaft 0,45, 
bei den Rekruten 0,05, bei den Korperschwachen 0,03 für 1 cm Länge. 

11) Das Wachsthum am Schultergürtel ist demnach bei der aus¬ 
gebildeten Mannschaft und den Rekruten ein bedeutenderes als bei den 
Korperschwachen und Mindermässigen und es ist zu erkennen, dass der 
Schultergürtelumfang in naher Beziehung zum Brustumfang steht, indem 


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217 


bei der ausgebildeten Mannschaft, bei welcher der Brustumfang am stärksten 
zur Entwickelung gekommen ist, auch der 8chultergurtelumfang am 
meisten ober das Mittel sich erhebt 


V. Verhalten der Korpergrosse zum Beckenumfang. 

12) Der mittlere Beckenumfang betragt bei mittlerer Korpergrosse 

a. bei der ausgebildeten Mannschaft 

86 5 ^»7 grosser als der Beckenumfang, 

’ ~~~ 18,4 kleiner als der Schultergurteiumfang; 

b. bei den Rekruten 


87,9 


83,0 = 


80,5 = 


3,9 grosser als der Beckenumfang, 

13,7 kleiner als der Schultergurtelumfang; 

c. bei den Körpersch wachen 

5,4 grosser als der Beckenumfang, 

11,2 kleiner als der Schultergurtelumfang; 

d. bei den Mindermassigen 
2,8 grosser als der Beckenumfang, 

12,5 kleiner als der Schultergurtelumfang. 

18) Mit dem Wachsen der Körpergrosse nimmt der Beckenumfang su, 
jedoch in verschiedenem Grade bei den vier Kategorien. Diese Zunahme 
betragt nach Tabelle III bei der ausgebildeten Mannschaft 0,35, bei den 
Rekruten 0,25, bei den Körperschwachen 0,15 für 1 cm Körperlange. 

14) Das Wachsthum am Beckengurtel ist demnach bei den Rekruten, 
Körperschwachen und in den niederen Längsstufen ein bedeutenderes als 
bei der ausgebildeten Mannschaft, welche jedoch in den höheren Längs¬ 
stofen durch stärkere Zunahme dieses Wachsthums wieder an Umfang 
gewinnt 

VI. Verhalten der Korpergrosse zum Schultergurtei-Beckenumfang. 

15) Der mittlere Schultergurtelumfang beträgt bei mittlerer Grösse 

a. bei den ausgebildeten Mannschaften 

191.4 s 22,9 grösser als die Korpergrosse; 

b. bei den Rekruten 

188.5 cs 21,5 grösser als die Körpergrösse; 

e. bei den Körperschwachen 

177,2 = 11,7 grösser als die Korpergrosse; 

d. bei den Mindermässigen 

173.5 = 22,0 grösser als die Korpergrosse. 

16) Mit der Korpergrosse nimmt der Schultergurtei-Beckenumfang 
im Allgemeinen su und es beträgt diese Zunahme nach Tabelle 111 bei 


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218 


der aasgebildeten Mannschaft 0,80, bei den Rekruten 0,30, bei den Körper- 
schwachen 0,21 für 1 cm Länge. 

17) Das Wachsthum in der Breite im Verhältnis rar Länge ist 
demnach bei der aasgebildeten Mannschaft und den Rehruten ein bei 
Weitem stärkeres als bei den Körperschwachen und es nimmt auch mit 
zunehmender Länge das Breitenwachsthum bei der ausgebildeten Mannschaft 
stärker zu, als bei den Rekruten und Körperschwachen. 

VII. Verhalten der Körpergrösse zum Gewichte. 

18) Das mittlere Gewicht beträgt bei der ausgebildeten Mannschaft 
130,0 Pfunll = 65,0 kg bei einer mittleren Grösse von 168,5 cm. 

19) Das Gewicht nimmt mit der Länge zu und es beträgt die Zunahme 
nahezu 1,5 Pfund = 0,75 kg für 1 cm Höhe. 

Aus vorstehenden Sätzen ergiebt sich zur Genüge, dass das Breiten¬ 
wachsthum bei der ausgebildeten Mannschaft mehr in den Dimensionen 
des Schultergürtels und der Brust, besonders in den höheren Längsstufen, 
zur Ausbildung gekommen ist, während dasselbe bei den Rekruten und 
vorzüglich bei den Körperschwachen unter Zurückbleiben an der Brust 
und im Schultergürtel mehr in den Querdimensionen des Beckens, besonders 
in den unteren Längsstufen, Ausdruck gefunden hat. Das Wachsthum 
und der Bau des menschlichen Körpers ist demnach bestimmt durch die 
Grösse seiner Dimensionen am Thoräx und am Becken, deren Berück¬ 
sichtigung daher Bedingung seiner Brkenntniss ist. 

Die bisherigen Berechnungen ergaben nur Mittelwerthe für einzelne 
Dimensionen des Körpers. Es ist klar, dass sich von diesen zwar 
allgemeine Sätze ableiten lassen zur Kenntniss der Gesetze, welche im 
Bau des menschlichen Körpers ausgedrückt sind, dass sie jedoch für die 
Beurtheilung des einzelnen Falles nur geringe Anhaltspunkte gewähren. 
Die Längsstufen des Körpers haben sehr verschiedene Maxima und 
Minima der Querdimensionen, welche sich zwar in einem gemeinsamen 
Mittelwerthe auflösen, bei dem Individuum jedoch wieder zum Vorschein 
kommen und in ihrer Bedeutung gewürdigt werden müssen; namentlich 
sind die Minima für den Militärarzt von grösster Wichtigkeit, welcher im 
gegebenen Falle wissen möchte, welche niederste Querdimension einer 
gewissenKörpergrösse mit der Militärdiensttauglichkeit sich noch vereinbart 
Es soll nun in nachfolgender Darstellung der Weg gezeigt werden, auf 
dem der Militärarzt Anhaltspunkte für das Urtheil im einzelnen Falle 
findet 

Bringt man die bei den Wägungen und Messungen der ausgebildeten 
Mannschaft erhaltenen Werthe für Schultergürtel-Beckenumfang und Gewicht 


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219 


zugleich in ein Verbaltniß zur Körpergröße, so ergiebt sich Tabelle IV. 
Id dieser ist somit die Körpergrosse zugleich durch das Gewicht und die 
Querdimension vom Schultergurtei - Beckenumfang bestimmt; bei einer 
Körpergröße von 170 cm beträgt z. B. der Schul tergürtel-Becken umfang 
im Mittel 192,6 cm, das Körpergewicht 132,9 Pfund. Aus dieser einfachen 
Tabelle lässt sich eine zweite ableiten, in welcher das Körpergewicht 
berechnet wird, wenn in derselben Längsstufe der Sch ulte rgürtel-Becken- 
umfang um eine bestimmte Grösse zu- oder abnimmt, also um 1 cm 
schwankt. Bei dieser Berechnung ist die Annahme gemacht, dass das 
Gewicht um Gleiches zu- oder abnimmt, wenn die Querdimension um gleiche 
Größe sich ändert Diese Annahme enthält in sich keinen Widerspruch 
und empfiehlt sich, um der ganzen Berechnung eine gewisse Gleich- 
mässigkeit zu geben. Durch diese Rechnung wurde Tabelle V hergestellt, 
deren Einrichtung und Gebrauchsweise sich aus einem Ueberblicke sofort 
ergiebt Hat z. B. ein Mann eine Grösse von 170 cm und einen Schulter- 
gurtel-Beckenumfang von 180 cm, so beträgt sein Gewicht 124,5 Pfund. 
Es fragt sich nun, wie weit diese dureh Rechnung gefundenen Werthe 
der Tabelle V mit dem wirklichen Gewicht übereinstimmen, wie weit 
dieselben also Anspruch auf Wahrheit haben. Ich habe zur Entscheidung 
dieser Frage eine Anzahl Messungen und Wägungen an Reservisten, 
welche zu zehntägiger Uebung einberufen waren, sowie an Reconvalescenten 
verschiedener Krankheiten vorgenommen, und die hierbei erhaltenen 
Werthe mit den in der Tabelle berechneten in Vergleich gesetzt; diese 
Zusammenstellungen sind in Tabelle VI enthalten. Die Rubrik „Be^ 
merkungen* wurde nach dem Augenmaasse und möglichst wenig beein¬ 
flusst von dem Ergebnisse der Messungen ausgefüllt; während in der 
Zusammenstellung A nur ein allgemeines Urtheil über Tauglichkeit 
angeführt ist, wurde in der Zusammenstellung B der Ernährungsstand 
näher angegeben. Man sieht, dass in vielen Fällen die wirklichen 
Gewichte von den berechneten nur wenig diflferiren; dieses zeigt sich bei 
Leuten, welche einen guten Ernährungsstand haben. In anderen Fällen 
besteht eine kleinere oder größere Minus- und Plusdifferenz, d. h. das 
wirkliche Gewicht ist geringer oder grösser als das berechnete; dieses 
Verhältniß besteht bei Leuten, die weniger gut genährt und mager oder 
mehr fett und sehr fett waren. Will man für die verschiedenen Grade 
des Ernährungsstandes eine bestimmte Zahl einsetzen, so kann man nach 
dem Ergebnisse der Zusammenstellung B für den Ernährungsstand 
«weniger gut genährt und mager* eine Minusdifferenz von 6 Pfund und 
12 Pfund und für den Ernährungsstand «mehr fett und sehr fett* eine 


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— 220 — 


Plusdifferenz von 6 Pfand aod 12 Pfand oder 3 and 6 kg annehmen. 
In der Zusammenstellung A sind 4 Falle aofgefuhrt, welche als un¬ 
tauglich and an der Grenze der Tauglichkeit befindlich angegeben sind. Die 
zugehörigen bedeutenden Minusdifferenzen zeigen an, dass die betreffenden 
Leute den Ernährungsstand „mager“ hatten. Aus dem ganzen Sachverhalte 
ergiebt sich zur Genüge, dass die durch die Zahlen der Tabelle V be¬ 
rechneten Werthe von den wirklichen nur wenig differiren bei Leuten, 
die gut genährt sind, dass sie jedoch kleinere und grössere Differenzen 
bei Leoten, die weniger gut genährt und mager oder mehr fett und sehr 
fett sind, anfweisen. Da sich diese Differenzen des Ernährungsstandes durch 
den Augenschein leicht erkennen lassen, so kann man mit Hülfe der 
Tabelle V einen ziemlich genauen Einblick in die Ernährungs- und 
Constitutionsverbältnisse eines Individuums erlangen. 

Ich komme nun dazu, für Gewicht und Querdimension (Schnlter- 
gürtel-Beckenumfang) in den verschiedenen Längsstofen die Minimalwerthe 
zu bestimmen, welche noch vorhanden sein müssen, wenn Militärdienst- 
tanglichkeit bestehen soll. Zu diesem Zwecke habe ich für jede Körper- 
grosse zwei Fälle niedersten Gewichtes, ferner zwei Fälle niederster 
Querdimension bei der ausgebildeten Mannschaft und einen Fall bei den 
Rekruten in der Tabelle VII zusammengestellt. Diese Minimalwerthe 
zeigen, wie man sieht, kein mit der Grösse gleichmässiges Fortschreiten, 
sondern bewegen sich in kleineren und grösseren Schwankungen fort; 
mit Hülfe der für arithmetische Progressionen geltenden Gleichungen 
kann man jedoch, wie dies bereits früher geschehen ist, für die fraglichen 
Minimalwerthe gleichmässig fortschreitende Zahlenreihen hersteilen. Bei 
dieser Rechnung wurde als erstes Glied der Reihe für das Gewicht im 
Zusammenhänge mit den bereits entwickelten Gründen 55 kg = 110 Pfund 
und als erstes Glied der Querdimension 180 cm angenommen, welche 
Werthe thatsächlich nur in wenigen Fällen überschritten wurden. Auf 
diese Weise entstanden die zwei letzten Colonnen der Tabelle VII. 

Markirt man in Tabelle V die den Minimalwerthen für Schultergürtel- 
Beckenumfang entsprechenden Gewichte, ebenso die den berechneten 
Minimalgewichten nächstgelegenen, so sieht man, dass beide Curven ziemlich 
stark von einander differiren und graphisch dargestellt einen Raum zwischen 
sich einschliessen, welcher von den unteren zu den oberen Längsstofen 
an Ausdehnung zunimmt. Es besteht Tauglichkeit bei einem Körper¬ 
gewichte, welches einer bedeutend geringeren Querdimension als der 
berechneten Minimaldimension entspricht, ferner Tauglichkeit bei einer 
Querdimension, die ein viel höheres Gewicht als das berechnete Minimal- 


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gewicht ausweist. Wenn wir einen concreten Fall annehmen, so war in 
der Längsstafe 180 cm ein M&nn mit 185 cm Umfang and ein solcher 
mit 126 Pfand Gewicht tauglich; das Gewicht 126 Pfand entspricht aber 
einem Umfange von 170 cm, welches nm 15 cm tiefer als der berechnete 
Minimalomfang ist, der Umfang 185 cm dem Gewichte 137 Pfand, 
welches am 11 Pfand aber dem Minimalgewichte liegt. Wir wissen 
bereits, dass die Zahlenwerthe der Tabelle V dem Ernährangsstande „gut 
genährt 11 entsprechen and dass Minusdifferenzen sich ergeben, wenn der 
Emabrnngsstand sinkt. Berechnet man die Differenzen, welche zwischen 
dem berechneten Minimalgewichte in Tabelle VII and dem Gewichte 
bestehen, welches den berechneten Minimaldimensionen in Tabelle V ent¬ 
spricht, so erhält man in Tabelle VIII Zahlenreihen, welche in den Längs- 
stnfen 157 cm und 169 cm von 2,9 and 6,6 zu 11,6 Pfand in der Stufe 
180 cm ansteigen. Diese Werthe sind Minusdifferenzen and bedeuten 
nach Tabelle VI einen Ernährungsstand „weniger gut genährt und mager*. 
Wenn wir obigen concreten Fall nochmals anziehen, so war der Mann, 
welcher mit 126 Pfund in der Längsstafe 180 cm noch tauglich war, 
mager, hatte jedoch eine Minimaldimension von 185 cm. 

Wenn man die für die Minimal-Querdimension gefundenen Werthe 
abrundet, und den Ernährungsstand, welcher sich aas den Tabellen VI 
and VIII ergiebt, für die einzelnen Körpergrössen einträgt, so erhält man 
für die Minimal werthe des Schultergürtel-Beckenumfanges die ergänzte 
and abgerundete Tabelle IX. Mit Hülfe dieser Tabelle kann man sich 
non, da der Ernährungsstand durch den Augenschein sich erkennen lässt, 
ein Urtbeil über die Militärdienstfäbigkeit eines Militärpflichtigen bilden. 
Ein Mann, welcher 157 cm gross ist, muss eine Querdimension von 180 cm 
haben und gut genährt sein, ein Mann von 180 cm Grösse und 185 cm 
Breite ist tauglich, auch wenn er mager ist. 

Ich habe zum Schluss noch die Richtigkeit der angewendeten Methode 
za erörtern, nach welcher von den Grössen- und Gewicbtsverhältnissen 
im Dienst stehender tauglicher Mannschaften ein Schluss auf die Taug¬ 
lichkeit überhaupt gemacht wird. Man erhebt den Vor warf, dass diese Schluss¬ 
folgerung sich im Kreise bewege und verlangt, dass man bei Feststellung 
der Minimalgrenze eine grosse Anzahl Individuen von verschiedenen 
Körpermaassen während ihrer ganzen Dienstzeit beobachte, um das ge¬ 
ringste für die Felddienstbraachbarkeit noch erforderliche Maass durch 
directe Beobachtung zu erhalten. Darauf kann Folgendes erwidert werden: 
Durch Wägung and Messung einer grösseren Anzahl tauglicher Mann¬ 
schaften, z. B. eines Infanterie-Bataillons, erhält man eine gewisse Ge- 


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222 


sammtgrosse für Maass und Gewicht; die daraus zu berechnenden Mittel- 
werthe haben zwar für Beurtheilung des Einzelnen keinen grossen Vor* 
theil, lassen sich jedoch, wie dies in Tabelle V geschehen ist, zerlegen 
und weiter theilen und ergeben einen Maassstab, mit dem man den 
Einzelnen messen kann. Der Arzt hat das Verhalten der Dimensionen 
des Körpers und das Verhalten von Maass und Gewicht zu suchen; die 
Entscheidung darüber, wie weit in denselben bei Einsteilang Militär¬ 
pflichtiger zum Dienst hcruntergegangen wird, liegt meistens nicht in 
seiner Hand. Die Feststellung der Minimalwerthe geschieht dann da¬ 
durch, dass man der Beobachtung und Rechnung die Maass- und Ge¬ 
wichtsverhaltnisse von korpenschwachen Leuten zu Grunde legt, welche 
bei den jetzigen Anforderungen noch Dienst thun. Zur richtigen 
Durchführung dieser Methode halte ich die Beobachtung nachfolgender 
Punkte für geboten: 

1) Man wiege und messe Mannschaften der Infanterie, welche bereits 
ein Jahr im Dienste stehen. 

2) Von der Messung und Wägung werden diejenigen Soldaten aus¬ 
geschlossen, welche im Laufe ihrer Dienstzeit wiederholt und längere 
Zeit krank waren, namentlich an Leiden, die mit einer Affection der 
Lungen und des Herzens im Zusammenhang stehen. 

3) Es ist eine grosse Anzahl von Soldaten zu wiegen und zu messen, 
um für die Ableitung allgemeiner Satze eine hinreichend breite Basis zu 
erhalten. Die Mannschaft eines Bataillons dürfte zur Feststellung end¬ 
gültiger Satze zu klein sein. 

Würde in gleicher Weise eine grossere Anzahl Militärpflichtiger ge¬ 
messen und gewogen, so konnten die verschiedenen hierbei gewonnenen 
Maasse einer Vergleichung unterstellt werden, und man wäre in der Lage, 
die Differenzen feststellen zu können, welche zwischen den Maassen und 
Gewichten der ausgebildeten Mannschaft, der Rekruten und Körper- 
schwachen bestehen und bestehen dürfen. Ich bin überzeugt, dass auf 
dem angegebenen Wege neue Anhaltspunkte für die so schwierige Be¬ 
urtheilung der Militardienstfahigkeit gewonnen werden dürften. 


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Vergleichende Zusammenstellung berechneter und wirklicher Gewichte bei Reservisten und Reconvalescenten. Tabelle VI. 









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— 228 — 


lieber Fleisch conservirung im Felde. 

Von Oberstabsarzt Dr. Port 

Es tritt im Kriege mitunter der Fall ein, dass momentan übergrosse 
Fleischvorräthe sich ansammeln, die nutzlos verderben, wenn sie nicht 
auf irgend eine Art für spätere Verwendung conservirt werden. Ich 
erinnere nur an die Verlegenheiten, die im Jahre 1870 durch ansteckende 
Krankheiten unter den Rinderheerden den Verpflegsabtheilungen entstanden. 
Es mussten die gesund gebliebenen Thiere der inficirten Heerden schleunigst 
getödtet und mit den dadurch erhaltenen Fleischvorräthen gleichfalls 
schleunigst aufgeräumt werden. Dass bei solchen Veranlassungen mit 
dem Material verschwenderisch umgegangen wird, und dass dasselbe auch 
vielfach ganz unverwerthet zu Grunde geht, wird zwar meist der Krieg¬ 
führung keinen directen Nachtbeil bringen, weil die Armeebedürfnisse durch 
neue Zufuhren doch gewöhnlich wieder gedeckt werden können, aber 
ganz anders gestalten sich die Verhältnisse, wenn eine Deckung der 
Verluste durch frische Zufuhren ausgeschlossen ist Hier muss jede 
Verschleuderung von Nahrungsmitteln die Waffenerfolge in unmittelbarster 
Weise gefährden. 

Die in Metz eingeschlossene französische Armee hätte die Uebergabe 
jedenfalls um Wochen hinausziehen können, wenn die Pferde rechtzeitig 
geschlachtet und die Fleischvorräthe in zweckmässiger Weise conservirt 
worden wären. Die sehr verspäteten Conservirungsversuche, die erst 
begannen, als die Hälfte der Pferde verhungert und die andere Hälfte 
zum Skelett abgemagert war, konnten um so weniger einen Erfolg erzielen, 
als man obendrein noch eine unzweckmässige Conservirungsmethode 
an wendete. Man versuchte es nämlich mit der Conservirung in Blechbüchsen, 
deren Anfertigung aber anfangs viel zu langsam ging, und die sich, als 
man die Anfertigung forcirte, grossentheils als undicht herausstellten. 
(Grellois, Histoire medicale du blocus de Metz.) 

Man scheint also im vorigen Kriege auf eine feldmässige Conservirungs¬ 
methode weder auf deutscher noch französischer Seite vorbereitet gewesen 
zu sein. Die Ermittelung eines den Kriegsverhältnissen angepassten Impro¬ 
visationsverfahrens zur Herstellung von Fleischconserven ist für kommende 
Kriege ein offenbares Bedürfnis. Es gehört unter die Aufgaben der Kriegs* 
Vorbereitung, auch für diese Nothfälle durch Experimente zur Friedenszeit 
eine Methode festzustellen, die augenblickliches sicheres Handeln gestattet 

Von den im Frieden gebräuchlichen Conservirungsmethoden lässt sich 
meines Erachtens nur eine den Kriegsverhältnissen anpassen, nämlich die 


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Austrocknung, die anderen .sind alle zu complicirt und zu zeitraubend. 
Aber aach das Aastrocknen muss in anderer Weise geschehen, als bei 
der Herstellung des Fleiscbpulvers. Nach meinen Versuchen lässt sich 
in folgender Weise am raschesten zum Ziele kommen. 

Das rohe Fleisch wird gehackt oder gewiegt, mit Mehl unter Salz¬ 
zusatz zu einem Teige angeknetet und dann im Ofen bis zu möglichster 
Austrocknung gebacken. Die frischen Fleischstacke werden dadurch im 
Laufe von 2—3 Standen in Fleiscbzwieback, also in eine nicht nur sehr 
haltbare, sondern auch direct geniessbare Speise verwandelt. Es ist 
keinerlei Umhüllung erforderlich, durch welche die Herstellungsarbeit 
und das Gewicht vermehrt wird. Wenn die Brote in solcher Grosse 
angefertigt werden, dass sie einer Tagesportion entsprechen, so ist auch 
die Vertheilung sehr einfach und bequem. Man kann 100 g zerkleinertes 
Fleisch ohne Wasserzusatz mit 70 g Mehl zusammenkneten. Zur Unter¬ 
bringung von mehr Mehl muss etwas Wasser zugesetzt werden. Um die 
Albuminate und Kohlehydrate in das für die Ernährung richtige Verhältnis 
zu bringen, wären nach Prof. v. Voit's „Anhaltspunkte zur Beurtheilung 
des eisernen Bestandes" und zwar nach Ansatz a (S. 15) auf 100 g Fleisch 
120 g Mehl zu nehmen. 

Es wird sich fragen, ob man dieser Mischung nicht auch gleich das 
dritte Ingredienz, das für einen vollen eisernen Bestand nothwendig ist, 
das Fett, beisetzen solle. Ich mochte diese Frage verneinen. Erstens 
wird durch die Beifügung des Fettes die Herstellung der Fleischconserve 
umständlicher. Zweitens ist die Aufnahmsfähigkeit für Fett nicht nur 
bei den einzelnen Individuen, sondern auch nach dem jeweiligen Gesundheits¬ 
zustand der Verdauung8organe eine sehr ungleiche. Ich halte es für besser f 
das Fett für sich zu conserviren, d. h. auszulassen und es neben dem 
Fleischzwieback zur Vertheilung zu bringen, damit Jeder davon soviel 
verbrauchen kann, als ihm zusagt. 

Aus den Fleischzwieback- und Fettportionen können sich die Soldaten 
dreierlei wohlschmeckende Gerichte darstellen: 

1) Der trockene Zwieback wird im heissen Fett gebacken und kann dann 
wie geröstetes Brot pur gegessen werden (Herstellungszeit 3 bis 4 Minuten). 

2) Der Zwieback wird grob zerstückelt und über Nacht in kaltem Wasser 
eingeweicht. Am andern Morgen werden die angequollenen Stucke leicht 
abgetrocknet und dann in Fett gebacken. Man erhält auf diese Weise 
einen consistenten Schmarren, der im Brotsack untergebracht und im Lauf 
des Tages nach Bedarf verzehrt werden kann (Herstellungszeit circa 
5 Minuten). 


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3) Die unter 1) gewonnenen gerosteten, Zwieback stücke werden mit 
Wasser aufgekocht and liefern eine Einbrennsuppe. (Herstellungszeit ca. 
Va Stunde, unter der Voraussetzung, dass der Zwieback vor dem Ein¬ 
bringen in das Wasser gehörig zerkleinert wurde.) 

Von diesen verschiedenen Zubereitungsweisen, die dem etwas an* 
spruchsvollen Geschmack der Soldaten lauter wohlbekannte und beliebte 
Speisen bieten, durfte der Schmarren besonders bei gesundem, die Ein* 
brennsuppe bei angegriffenem Zustand der Verdauungsorgane zu em¬ 
pfehlen sein. — 

Richtige Improvisationen bilden in vielen Pallen die Wegweiser für 
die regulären Einrichtungen und Maassregeln. Ich glaube, dass auch ans 
der vorliegenden Improvisationsstudie sich ein Fingerzeig für die normale 
Verpflegung der Truppen wenigstens unter gewissen Verhältnissen er¬ 
geben durfte. Unsere Administration hat im letzten Kriege in glücklichster 
Weise die schwierige Aufgabe gelost, selbst bei den angestrengten Märschen, 
die den grossen Aktionen vorauszugehen pflegen, den Truppen fast bis 
zu ihrem Eintritt ins Gefecht frisches Fleisch und frischen Speck zu 
liefern. Aber hat dieser Triumph der administrativen Umsicht den 
Truppen wirklich viel genutzt? Ich glaube nicht. Bei angestrengten 
Märschen hilft es dem Soldaten nichts, wenn ihm ein Stuck rohes Fleisch 
ausgehändigt wird. Er ist viel zu müde, um sich mit dem Kochen des¬ 
selben abzugeben. Sein Hauptbedurfniss ist der Schlaf und dieses wird 
befriedigt auf Kosten der Ernährung. Beim Aufbruch am Morgen liegt 
das Tags vorher empfangene Fleisch noch ungekocht da; vielleicht bleibt 
sogar der Speck liegen, wenn kein Brot geliefert wird, weil viele Sol¬ 
daten nicht wissen, wie sich Zwieback und Speck zu einem schmackhaf¬ 
ten Nahrungsmittel vereinigen lassen. So kommt es, dass trotz der regel¬ 
rechtesten Verpflegung die bedeutenden Ausgaben, die der Körper des 
Soldaten zu leisten hat, auch nicht im entferntesten gedeckt werden. 

Mit dem Beginn forcirter Märsche sollte meines Erachtens den Sol¬ 
daten Fleischzwieback und Fett gereicht werden, nachdem ihnen schon 
in Friedenszeiten die obigen Bereitungsweisen geläufig gemacht worden 
sind. Sie können sich dann aus dem über Nacht eingeweichten Fleisch¬ 
zwieback neben dem Morgenkaffee einen Schmarren machen und erhalten 
auf diese Weise mit dem denkbar geringsten Zeitaufwand nicht nur jenes 
anregende und substantielle Frühstück, das im Gebirge für anstrengende 
Touren besonders geschätzt wird, sondern haben sich mit dem übrig¬ 
bleibenden Schmarren gleichzeitig für den ganzen Tag verproviantirt. 
Durch einen Griff in den Brotsack können sie unter Tags zu jederZeit, 


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ob sie auf dem Marsch, auf Vorposten oder im Gefecht sich befinden, 
den ein tretenden Hunger stillen. Eine sehr wichtige Eigenschaft des 
Schmarrens ist, dass er wie alle fetten Speisen nicht viel Durst macht. 

Auf einfachere Weise durfte sich eine Verköstigung, die zur vollen 
Erhaltung der Körperkräfte selbst bei grossen Anstrengungen ausreicht, 
kaum erhalten lassen. 

Damit die Feld-Intendanturen überall, wo es erforderlich ist, recht¬ 
zeitige Vertheilungen von Fleiscbzwieback an die Truppen machen können, 
ist es durchaus nicht nothwendig, etwa schon im Frieden Vorräthe davon 
anxulegen oder bei Ausbruch des Krieges Fabriken zu errichten. Die 
Bereitung des Fleiscbzwiebacks ist so einfach, dass sie in jeder Privat^ 
kuche mit Leichtigkeit ausgeführt werden kann. Bei Ausbruch eines 
Krieges hat Jedermann den Drang, sich den ausmarschirenden Truppen 
in irgend einer Weise nützlich und dienstbar zu erweisen. Es geschieht 
den Zurückbleibenden der grösste Gefallen, wenn man ihnen zeigt, auf 
welchem Wege sie ihren patriotischen Eifer in zw eck massigster Weise 
betbatigen können. Die Kriegsverwaltungen brauchten bei Beginn eines 
Feldzuges nur in den Tagesblattern die Anweisung zur Bereitung des 
Fleischzwiebacks (400 g Fleisch auf 480 g Mehl für eine Tagesportion) 
nebst dem dafür gewünschten Format bekannt zu geben und Lusttragende 
zur Angabe der von ihnen gegen eine bestimmte Entschädigung zu über¬ 
nehmenden Portionen einzuladen. Die besten Familien würden wetteifern 
in der Betheiligung an einer solchen gemeinnützigen Leistung; sie würden 
einen Stolz darein setzen, den Vertbeidigern des Vaterlandes in eigener 
Küche den Kraftstoff für die Schlachttage bereiten zu lassen. Damit 
waren die Kriegs Verwaltungen einerseits der Mühe der Selbstherstellung 
des Fleischzwiebacks überhoben, andererseits vor den Fälschungen und 
der Verwendung minderwerthiger Waare, die bei der Verdingung der 
Lieferungen an Accordanten immer zu furchten sind, sichergestellt 
Durch die Vertheilung der Arbeit auf die breite Masse der Bevölkerung 
könnte jeder noch so grosse Bedarf in der kürzesten Zeit gedeckt werden. 

Mit dem Fleischzwieback könnte auch einem anderen sehr dringenden 
Bedürfoiss im Kriege abgeholfen werden, nämlich einer zweckmassigeren 
Verpflegung der Verwundeten auf den Verbandplätzen. Hier ist das um¬ 
ständliche Fleischkochen gerade so wenig am Platz, als auf forcirten 
Marschen. Dagegen wäre eine aus Fleischzwieback bereitete Einbrenn- 
«wppe ein viel rascher herzosteilendes und gewiss in jeder Beziehung sehr 
entsprechendes Nahrungsmittel für die Verwundeten. 


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Ein Fall von Psendohypertrophie der Muskeln. 

Von Dr. Weber, 

Stabs- und Bataillonsarzt des Hannoverschen Pionier-Bataillons No. 10. 


Da dieses Leiden immerhin zu den selteneren gehört, so dürfte viel¬ 
leicht die Veröffentlichung eines Falles von einigem Interesse sein. In 
den meisten Handbüchern der speciellen Pathologie und Therapie ist die 
Krankheit gar nicht erwähnt. Von den Lehrbüchern, die mir zu Oebote 
standen, fand ich nur in dem von Eichhorst eine Schilderung derselben. 
Hiernach sind im Ganzen bis jetzt etwas über 100 Falle bekannt geworden. 
Das Hauptsymptom der Krankheit äussert sich in Umfangszunabme 
einzelner Muskelgruppen bei abnehmender Kraft und Leistungsfähigkeit 
derselben. Im Nachfolgenden soll durchaus keine Erörterung über das 
Wesen der Krankheit und die durch sie hervorgerufenen resp. sie be¬ 
dingenden anatomischen Veränderungen erfolgen, sondern nur eine kurze 
Schilderung eines beobachteten Falles. 

Der Rekrut Jakob D., 20 Jahre alt, aus Weiher a. L. im Eisass, 
wurde am 6. November a. er. beim hiesigen Pionier-Bataillon in Dienst 
gestellt. Derselbe gab gleich bei der ersten ärztlichen Untersuchung an, 
dass er an Schwäche in den Gliedern leide, dies sei schon seit der Jugend 
der Fall, in den letzten Jahren habe es noch zugenommen. Besonders 
nach der Ruhe könne er die Glieder anfangs nur sehr schlecht bewegen, 
dieselben wären dann ganz steif. Die Eltern leben und sollen im Allge¬ 
meinen gesund sein; von seinen Geschwistern, drei Brüdern und zwei 
Schwestern, soll der älteste Bruder, 32 Jahre alt, an demselben Uebel 
leiden; die beiden anderen Brüder sind Soldat gewesen, einer von ihnen 
ist angeblich wegen einer FussVerletzung, die er sich beim Turnen zu¬ 
gezogen, entlassen worden. Eine Schwester ist, 36 Jahre alt, gestorben, 
angeblich an einem fieberhaften Lungenleiden, die lebende Schwester soll 
kränklich (brustkrank) sein. Es ist dem Manne nicht bekannt, dass von 
seinen Grosseltern oder von sonstigen Verwandten noch irgend einer an 
demselben Uebel gelitten habe resp. leide. Vor 4 Jahren will er einmal 
einige Zeit an einem Hautausschlage (wahrscheinlich Krätze) und vor 
3 Jahren mehrere Wochen an Geschwüren in der linken Fusssohle ge¬ 
litten haben, im Uebrigen stets gesund gewesen sein. Der Mann istKorb- 
macher, er hat dieses Geschäft angeblich deshalb ergriffen, weil er wegen 
Schwäche in den Armen und Beinen andere Arbeit und Beschäftigung 
nicht betreiben konnte. Schon in der Schule hat er nicht wie die anderen 
Kinder ordentlich und schnell gehen und laufen, noch schlechter springen 


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und tarnen können, was in seiner Heimath allgemein bekannt sei. D. wurde 
in der ersten Zeit wiederholt untersucht, jedoch zunächst zum Dienst heran¬ 
gezogen, um seine Ausbildungsfähigkeit kennen zu lernen, nachher wurde 
er zur genaueren Beobachtung ins Lazareth aufgenommen. Hier wurde 
nachstehender Befund constatirt: Soll der Mann, nachdem er einige Zeit 
gesessen oder gelegen hat, plötzlich aufstehen und gehen, so macht er 
dies sehr ungeschickt, schwerfällig, steif, ähnlich wie Leute, die durch 
Alter und Schwäche oder wegen Schmerzen (z. B. bei rheumatischen 
Affectioneti, Knochenleiden) nicht oder nicht mehr im Stande sind, ihre 
Glieder schnell, frei und kräftig zu bewegen; der Gang ist sehr wenig 
fest und sicher, wackelnd, der ganze Körper fällt bei jedem Schritt etwas 
nach der Seite über, die Kniee werden nicht ordentlich durchgedruckt, 
dann knickt er bei jedem Tritt in den Knieen etwas ein. Der Gang ist 
ähnlich, wie bei einem Menschen, der nach langem angestrengten Marsche 
schon sehr ermüdet ist, und die ermüdeten, schmerzhaften Glieder mit 
Mühe nachzieht. Die geringe Festigkeit und die Unsicherheit beim Gehen 
fallen noch mehr auf, wenn man ihn langsamen Schritt üben lässt; er 
kann sich dann kaum auf dem einen Beine halten, wankt hin und her, 
fallt öfter, noch bevor er den weiteren Schritt machen soll, schon mit dem 
andern Fusse auf. Gefragt, weshalb er nicht ordentlich stramm gehe 
wie die anderen Soldaten, sagt er, er könne nicht, er besitze keine Kraft 
dazu und habe Schmerzen, hauptsächlich in der Gegend der Kniekehlen. 
Nach längerem Gehen klagt er über Schmerzen in den Muskeln des 
Ober- und Unterschenkels * sowie in der untern Wirbelsäolengegend. 
Schon nach ganz kurzem Marschiren keucht er stark, den Kopf halt er 
dabei stets nach hinten, angeblich weil er sonst keine Luft habe. Ganz 
besonders auffallend ist die Muskelschwäche seiner Beine beim Treppen¬ 
steigen, er kann nur langsam, ähnlich wie alte schwache Leute, von Stiege 
zuStiege hinaufgehen; die sehr bequeme Lazarethtreppe z. B. wie jeder 
andere junge Mensch hinauf zu laufen, etwa mit Ueberspringung eines 
Trittes, ist ihm absolut unmöglich. Legt er sich mit ausgestrecktem 
Leibe auf den Boden hin, so vermag er nur mit grosser Mühe und vieler 
Anstrengung, unter allerhand Windungen und Drehungen des Körpers, 
laogsam sich wieder zu erheben, ebenso wenn er sich auf den Boden 
binsetzt und dann aufstehen soll; schon beim einfachen Hinsetzen auf 
einen Stuhl stützt er sich zuerst mit den Händen auf. Beim Exerciren 
ist er auch mehrmals hingefallen und hat sich dann nur sehr schwer 
wieder erheben können. Länger wie V 2 bis 3 /j Stunden hat er überhaupt 
die Exercirübungen nicht ausgehalten, er war dann vollständig ermüdet 


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234 


and musste längere Zeit ausruhen. Den beschriebenen nnsicbern and 
anfesten Charakter behalten die Bewegungen bei, auch nachdem er einige 
Zeit gegangen ist. Aehnlich ist es mit den Bewegungen der Arme. 
Soll er dieselben in horizontaler Richtung aasstrecken, so macht er dies 
langsam, gar nicht straff, im Ellenbogen bleiben die Arme sogar etwas 
gekrümmt; soll er sie einige Zeit in dieser Stellung halten, so zittern 
dieselben and beginnen bald nach unten zu sinken. Die geringe Kraft 
zeigt sieh besonders deutlich, wenn er einen Gegenstand halten soll. 
Einen Stahl, den ich mit einem Arme in horizontaler Streckung ganz gut 
einige Zeit halten kann, vermag D. nicht mit beiden Armen zu halten, 
die Arme zittern stark and sinken sofort nach unten. Aach hierbei klagt 
er aber Schmerzen and Steifigkeit in den Gliedern. Mit den in letzter 
Zeit mehrfach veröffentlichten Fällen von Thomsen’scher Krankheit 
stimmt das Krankheitsbild unseres Untersuchten insoweit durchaus nicht, 
als hier nicht nur die Anfangsbewegungen, nach der Ruhe, besonders 
behindert und schwer ausführbar sind, sondern dieselben auch spater un¬ 
sicher und unfest bleiben und schnelle, vollständige Ermüdung eintritt 
D. ist 166 cm gross, der Brustumfang beträgt 83—90cm, der Er¬ 
nährungszustand ist ein guter, der Panniculus adiposus ziemlich stark ent- 
wickelt, und beim blossen Anblick sollte man denselben für einen recht 
kräftigen Menschen halten. Die Muskulatur am Rumpfe und an den 
Armen erscheint ziemlich normal, weder besonders fest noch schlaff, 
weder deutlich atrophisch noch hypertrophisch. Die Muskulatur der Beine 
dagegen erscheint auffallend stark entwickelt (hypertrophisch) wie die 
eines Athleten, die Muskeln fühlen sich auch recht fest und straff an. 
Das stärkste Volumen haben die Wadenmuskeln und die Extensoren der 
Oberschenkel, dann ist noch besonders in die Augen fallend und charakte¬ 
ristisch die ganz aussergewohnliche Volumenszunahme des Muse, sterno- 
cleidomastoideus. Beide Korperhälften sind überall gleichmässig entwickelt 
Die Haatsensibilität scheint eine ziemlich normale zu sein, jedenfalls ist 
sie nicht erhöht, eher vielleicht etwas herabgesetzt. Der Patellarreflex ist 
nur schwach ausgesprochen, jedoch deutlich vorhanden. Die elektrische 
Reizbarkeit der Muskeln (Faradisation) ist an den unteren Gliedmaassen 
bedeutend herabgesetzt (was Vergleiche mit anderen Leuten sehr deutlich 
zeigen), an den oberen Gliedmaassen und dem Rumpfe ist sie auch herab¬ 
gesetzt, jedoch weniger wie an den Beinen. Sehr auffallend im Gegen¬ 
satz hierzu ist die wesentlich erhöhte elektrische Muskelsensibilität. Der 
Untersuchte windet sich und schreit auf vor Schmerz bei einer Strom¬ 
stärke, die andere Patienten und Lazarethgehülfen ganz gut ertragen, ohne 


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235 


cor dos geringste Schmerzgefühl za äussern. Dieses Symptom ist bei 
wiederholten Versuchen stets beobachtet worden. Die Untersuchung der 
inneren Organe ergiebt nichts wesentlich Abweichendes. Herztone rein, 
72 Schlage in der Minute, eine Herzvergrösserung ist nicht nachweisbar, 
Puls massig voll und kräftig. Sämmtliche Organe functioniren normal, 
Appetit und Schlaf sind gut, Stuhlgang regelmässig, täglich, der Urin 
enthält weder Eiweiss noch Zucker, Gesicht und Gehör sind gut. Die 
Haut hat ein normales Aussehen, die Schweisssecretion scheint vermindert 
zu sein; Patient giebt an, dass er erst nach längerer, stärkerer Körper- 
Anstrengung anfange wenig zu schwitzen, dagegen in der Ruhe oder bei 
nur massiger Bewegung auch in der warmen Jahreszeit nie schwitze; 
es sei ihm jedoch umgekehrt leicht zu kühl und er habe stets kalte 
Fasse. Der Gesichtsausdruck hat etwas Gedunsenes, kindlich Blödes, je¬ 
doch durchaus nichts Blödsinniges. Der Schädel ist symmetrisch geformt, 
die geistigen Fähigkeiten sind normal entwickelt. Die Wirbelsäule ist 
im unteren Brusttheile ganz wenig nach links gebogen. Die Leisten- 
ond Schenkeldrüsen sind etwas angeschwollen und wenig schmerzhaft, 
was angeblich vom Marschiren herrührt. Sonstige Abweichungen oder 
Fonctionsstörungen sind nicht nachzuweisen. Nicht uninteressant dürfte 
Doch eine kurze Erwähnung der Ergebnisse von Recherchen sein, welche 
in dem Heimathsorte des Mannes angestellt wurden. 

Der Bürgermeister erklärt, dass p. D., nach Aussage der Eltern, in 
serner Jagend oft nervenkrank war, besonders sei die Zahnperiode für 
ihn eine schlimme Zeit gewesen, im 4. Lebensjahre habe er noch nicht 
gehen können; dann ferner, dass Gang und Haltung aller Mitglieder dieser 
Familie eine fehlerhafte Körperconstitution zu verrathen scheinen. Der 
Lehrer des Patienten giebt Folgendes an: Krank ist derselbe nie gewesen, 
folgte nach einer Unterrichtsstunde eine Pause, so kostete es ihm immer 
ordentlich Mühe sich zu erheben und den Mitschülern ins Freie zu folgen, 
man bekam dabei die Meinung, als seien seine Beine ohne Gelenke, ein 
leichter Stoss hätte ihn wohl zu Boden gestreckt. Schnell gehen und 
laufen oder gar springen habe ich denselben nie gesehen, von den Turn¬ 
übungen habe ich ihn deshalb meistens dispensirt. Verschiedene Mit¬ 
schüler machen ähnliche Angaben, sie sagen, D. habe nie ordentlich 
laufen und die meisten Turnübungen nicht mitmachen können, sei er beim 

Spielen hingefallen, so hätten sie ihm beim Aufstehen behülflich sein 
<• * 
müssen. 

Diesämmtlichen im Vorstehenden erwähnten Angaben und beschriebenen 
Symptom^ charakterisiren aufs Deutlichste und unzweifelhafteste das Krank- 


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236 


heitsbild einer Pseudohypertrophia musculorum, welches Leiden in nnserm 
Falle entweder angeboren ist, oder wenigstens schon in froher Kindheit 
begonnen hat 

Der Mann wurde selbstverständlich als dienstnnbranchbar eingegeben 
und entlassen. 

Minden, im December 1885. 


Referate and Kritiken. 


Die ätiologische Bedeutung des Typhusbacillus. Untersuchungen 
aus dem allgemeinen Kranken hause zu Hamburg, von Dr. Bugen Frankel 
und Dr. M. Simmonds. Mit 3 Farbentafeln. Hamburg und Leipzig, 
Verlag von Leopold Voss. 1886. Preis 5 Mark. 

Nach der Entdeckung der Bacillen des Abdominaltyphus durch 
Eberth und R. Koch und nach der Darlegung der biologischen Ver¬ 
hältnisse des in Reinculturen gezüchteten Typhusbacillus durch Gaffky 
blieb als wichtigste, noch zu losende Aufgabe die Sicherstellung der 
ätiologischen Bedeutung der neu gefundenen Mikroorganismen für den 
Typbu8proceSB übrig: d. h. es musste in exacter Weise dargethan werden, 
dass die fraglichen Bacillen in der That die eigentliche causa morbi dar¬ 
stellten. 

Zum Zweck dieses Nachweises haben die Verfasser — Beide Sobüler 
Koch's — im vergangenen Sommer gelegentlich einer heftigen, ausge¬ 
breiteten Typhosepidemie in Hamburg am allgemeinen Krankenhause 
eine grössere Reihe Leichenuntersuchungen und Thierexperimente vorge¬ 
nommen, deren Resultate bereits in No. 44 des Centralblatts für klio. 
Medicin, 1885, kurz mitgetheilt sind. 

Die vorliegende, vortreffliche Arbeit, welche von Neuem Zeugniss 
ablegt von der Classicität der Koch'sehen Methodik und dem Meister 
sowohl wie den Verfassern zur Ehre gereicht, enthält die ausführliche 
Darstellung sämmtlicher, auch nach jener Zeit noch hinzugekommenea 
Untersuchungen über den fraglichen Gegenstand. 

Sie zerfällt in folgende Abschnitte: 1) Untersuchungen an Typhus¬ 
leichen; 2) Untersuchungen an Typhuskranken; 3) Uebertragungsversuche 
auf Thiere; 4) Erklärung der Abbildungen. 

Der 1. Abschnitt enthält zunächst die gedrängte Beschreibung von 
33 untersuchten Sectionsfällen, bei denen es sich in der überwiegenden 
Mehrzahl um frische Erkrankungen handelte. Mittelst des Plattenverfahrens 
gelang es, aus den Milzen, abgesehen von 4 Fällen, deren Platten verun¬ 
glückten, in den übrigen 29 Fällen 25 mal die Typhusbacillen, und 
zwar stets in Reinculturen, nachzuweisen. Bei den vier übrigen 
Fällen blieben die Platten steril, da es sich stets um Individuen handelte, 
bei denen der typhöse Process als abgelaufen zu betrachten war und 
nur noch Residuen von Geschwüren im Darm Vorlagen. Dass indess 
auch in derartigen Stadien der Krankheit die Bacillen sich dennoch sehr 
lange im Organismus halten können, beweist ein Fall, wo trotz voll- 


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237 


ständiger Reinigung and Vernarbung der Geschwüre sich doch noch 
reichlich Typhusbacillen in der Milz nachweisen Hessen. Diese Be¬ 
obachtung verdient deshalb besonders hervorgehoben zu werden, weil sie 
uns ein Verständniss für die in späteren Abschnitten des Typhus bis¬ 
weilen auftretenden Recidive giebt. 

Ein bestimmtes Verhältnis zwischen der Zahl der Bacillen im Milz¬ 
gewebe und der Intensität der Erkrankung wurde nicht constatirt; ebenso¬ 
wenig ermittelt, ob die Zahl in frischen Fällen eine grossere, in späteren 
Krankheitsabschnitten eine geringere sei. Dagegen konnten die Verfasser 
die Angaben der oben genannten Autoren bezüglich der Form und Grosse 
der Typhusbacillen durchaus bestätigen, betonen indess, gegenüber allen 
früheren Arheiten, ausdrücklich den grossen Wechsel in Form und 
Grösse bei den fraglichen Mikroorganismen. Dieser Umstand, sowie 
die Thatsache, dass manche andere Stäbchen mikroskopisch vollständig 
den Typbusbacillen gleichen, beweisen zur Genüge die Unzuverlässig¬ 
keit der Erkenntniss dieses Pilzes durch die rtikroskopische 
Untersuchung allein und verlangen in allen zweifelhaften Fällen zur 
Sicherung der Diagnose die Anwendung der verschiedenen Culturverfahren. 
Von diesen bietet das Verhalten bezw. das Wachstbum des Typhus- 
fiacillos, wie bereits Gaffky besonders hervorgehoben hat, auf gekochten 
Kartoffeln das sicherste Kriterium für die Entscheidung der 
Frage, welche Stäbe als Typhusbacillen angesehen werden können, und 
welche nicht; Die mit dem Pilze besäte Kartoffel fläche nämlich lässt in 
den ersten Tagen, abgesehen von einem leicht feuchten Glanze im Be¬ 
reich der Impfung nichts wahrnehmen, obwohl schon jetzt durch das 
Mikroskop die Anwesenheit einer üppigen Pilz Vegetation constatirt werden 
kann. — Erst bei längerem Stehen bildet sich eine blassgraue, kaum er¬ 
kennbare Cultur, die sich durch völlige Geruchlosigkeit auszeichnet. 
(Alle übrigen bekannten Mikroorganismen bilden im Gegensatz hierzu 
schon nach zweimal 24 Stunden meist einen mehrere Millimeter dicken 
Belag oder Rasen von höckeriger, unebener Beschaffenheit mit oder ohne 
Farbstoffentwickelung, auf der Schnittfläche der Kartoffel und gewöhnlich 
einem specifischen, meist mehr oder minder unangenehmen Geruch. Ref.) 

Bei den Untersuchungen der Gewebe, speciell von Schnitten aus der 
Milz (gefärbt mit alkalischer Methylenblaulösung), Hessen sich die 
charakteristischen Bacillenherde, falls das Organ kurze Zeit nach dem 
Tode (3 — 12 Stunden) in Alkohol eingelegt worden war, entweder gar 
nicht oder nur in geringer Zahl nachweisen. Wurden dagegen Milzstücke 
erst nach 1—4tägiger Aufbewahrung unter Glasglocken und in anti¬ 
septischer Umhüllung zur Härtung eingelegt, so fand sich in den Schnitten 
Zahl und Grösse der Bacillenherde um so beträchtlicher, je später das 
betreffende Milzstück in den Alkohol gebracht worden war. Für diese 
postmortale Bildung und Weiterentwickelung der fraglichen Bacillen- 
berde werden noch weitere (im Original nachzulesende) Beweise erbracht, 
so dass sich die Verfasser der Ansicht Re her’s (Archiv für experim. 
Pathologie und Pbarmacologie 1885, Bd. XX. $. 420) anschliessen müssen, 
dass „eben die im lebenden Organ vorhandenen Bedingungen eine der¬ 
artige Wucherung der Typhuspilze in Haufen nicht zulassen“. 

Die vor Allem in hygienischer Beziehung wichtige Frage, ob auch 
bei weiterem Fortschreiten der Fäulniss die Bacillen sich noch vermehren, 
— was ja eine weit verbreitete Tagesmeinung ist, — oder ob sie im 
Kampf mit den üppiger wuchernden Fäulnisspilzen zu Grunde gehen, 


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238 


konnten die Verfasser nnr in negativem Sinne beantworten: Aus einer in 
Erde eingegrabenen, einer in einem Gefäss mit Leitnngswasser eingelegten 
und einer unbedeckt, in einer feuchten Glocke aufbewahrten Milz kamen 
in den nach 8 — 10 Tagen angefertigten Platten wohl massenhaft Faulniss- 
pilze, aber niemals eine Typbusbacillencolonie zur Entwickelung. (So¬ 
mit zeigt also der Typhusbacillus den Fäulnissproeessen gegenüber genau 
dasselbe Verhalten, wie der Choleravibrio! Ref.) — 

In der Leber fanden die Verfasser ebenfalls die Typhusbacillen in 
der von Gaffky beschriebenen herdweisen Anordnung, jedoch nicht in 
derselben Häufigkeit wie dieser Forscher. (Unter 15 Fällen 8 mal, 
2 mal im Gewebe, 6 mal in Capillaren, parallel zur Gefässwand gelagert) 
Daneben waren regelmässig jene bereits vielfach beschriebenen Ver¬ 
änderungen, eine mehr oder minder ausgesprochene kleinzellige In¬ 
filtration des Bindegewebes und jene eigentümlichen, als Lymphome 
bezeichneten Bildungen vorhanden. Die Verfasser deuten diese Herde 
ihrem tinctoriellen Verhalten nach als coagulations-nekrotische Gewebes- 
abschnitte und neigen zu der Annahme, dass es sich ursprünglich um 
kleine, circumscripte Degenerationsherde handelt, deren Folge reactive 
Vorgänge mit Anhäufung von Rundzellen in den nekrotischen Partien 
seien. Ob diese Gebilde mit der Anwesenheit der Typhusbacillen in 
directem Zusammenhang stehen, wird als unwahrscheinlich hingestellt 

Sehr interessant und in pathogenetischer Beziehung beteutungsvoll 
ist der Nachweis, dass der Typhusbacillus als solcher niemals im Stande 
ist, Entzündung und Eiterung zu erzeugen. Bei 6 mit Complicationen zur 
Section gelangten Fällen (1 eitrige Parotitis, 1 lobuläre und 2 lobäre 
Pneumonien, 1 eitrige Meningitis und Pleuritis und 1 retrotonsilläre 
Phlegmone) wurden in den Nährsubstraten niemals Typhusbacillen, sondern 
stets Micrococcen verschiedener Arten (in Fall 1 Staphylococcus aureus) 
resp. andere, völlig differente Mikroorganismen gefunden. — 

Der 2. Abschnitt beschäftigt sich mit dem Nachweis des Typhusbacillus 
am Lebenden; und zwar zunächst mit der Frage, ob dieser Nachweis 
am Krankenbette nicht möglicherweise für die Differentialdiagnose 
des Typhus von anderen unter ähnlichem Symptomencomplex verlaufenden 
Krankheiten verwerthet werden könnte. 

Die Versuche indess, aus dem Blute von Typhuskranken die Bacillen 
darzustellen, ergaben in 6 verschiedenen, den ersten 3 Wochen der Er¬ 
krankung angehorenden Fällen ein völlig negatives Resultat.*) Die Platten 
blieben stets steril. 

Glücklicher waren die Verfasser bei Untersuchung der Darm¬ 
entleerungen von Typhuskranken. Es gelang ihnen in 11 Fällen 
mittelst der gewöhnlichen Koch’schen Gelatinemischung — im Gegensatz 
zu P ei ff er, welcher den mühevolleren Weg der Agar-Agar-Platten mit 
Erfolg gewählt hatte — 3 mal Typhusbacillenherde ■ aufzufinden, 2 mal 
in grosserer, 1 mal nur in sehr geringer Zahl. Obgleich somit die dia¬ 
gnostische Bedeutung dieser Untersuchungsmethode durch den 
überwiegend negativen Erfolg in jenen Fällen stark beeinträchtigt 
wird, so dienen doch andererseits die positiven Resultate der alten An¬ 
schauung von der Gefährlichkeit der Typhusentleerungen zur 
wesentlichen Stütze. 


*) Dieser Nachweis ist mittlerweile Neuhaus gelungen. (Berl. klin. Wochen¬ 
schrift 1886. No. 6.) Ref. 


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239 


Im 3. Abschnitt werden die Beobachtungen und Resultate der Ueber- 
tmgungsversuche des Typhusbacillus auf Thiere, welche merkwürdiger¬ 
weise von Gaffky ohne Erfolg angestellt worden waren, abgehandelt. 

Zu den Versuchen dienten: Meerschweinchen, graue Hausmäuse und 
Kaoinehen. Die ersten beiden Gruppen wurden nur zu Injectionen einer 
ziemlich <$oncentrirten Aufschwemmung von Typhusculturen auf Kar¬ 
toffeln in sterilisirtem, destillirtem Wasser, welche von 11 verschiedenen 
Typbusfallen stammten, in die Bauchhöhle benutzt. Bei den Kaninchen 
geschah die Uebertragung auf verschiedene Weise: 1) durch Einspritzung 
in die Ohrvene; 2) direct in die Bauchhöhle; 3) durch Einbringung ins 
Jejunum oder Duodenum nach vorheriger Laparotomie; 4) durch mehr¬ 
malige Inhalation zerstäubter Culturen und 5) durch Injection ins subcutane 
Gewebe der Rückenhaut und in die Lungen. 

Die Infection gelang in der Regel um so sicherer, je concentrirter 
die Injectionsflüssigkeit war. 

Von den 3 Meerschweinchen (6 Injectionen) ging nur eins zu Grunde, 
wahrend sich die Mäuse gegen das Typhusgift sehr wenig widerstandsfähig 
zeigten. Es erlagen von 31 Mänsen (35 Infectionsversuche) 27. 

Bei den 50 Kaninchen (mit 79 Uebertragungsversuchen) blieben 
die oben unter No. 3 bis 5 angeführten Versuche gänzlich resultatlos; 
die Thiere zeigten nicht einmal irgend welche wahrnehmbare Kran k hei ts- 
erocheinungen. Anders dagegen bei der directen Einverleibung der Rein- 
colturen in die Blutbahn oder in die Bauchhöhle. 

Hier boten die meisten inficirten Thiere schon einige Stunden nach 
der Injection deutlich ausgesprochene Krankheitssymptome, welche beson¬ 
ders bei den Kaninchen leicht zu beobachten waren: 1) grosse Hinfällig¬ 
keit und Trägheit der Bewegungen, 2) verminderte oder aufgehobene 
Fresslust, 3) bei vielen Thieren bis zum Tode andauernde diarrhoische 
Entleerungen. Der Tod erfolgte meist innerhalb des 1. Tages, ausnahms¬ 
weise schon nach 3—4 Stunden, selten nach 2—4 Tagen. Ueberlebten 
die Thiere die Infection, so fiel eine, oft äusserst rasch auftretende, höch- 
gradige Abmagerung derselben auf. — 

Was die Sectionsergebnisse der spontan zu Grunde gegangenen Thiere 
betrifft, so sind dieselben bei allen Arten ganz typische und durchaus 
übereinstimmende: Frischer Milztumor, Anschwellung der bisweilen 
auch hämorrhagisch gefärbten Mesenterialdrüsen, hochgradige, 
namentlich anden Peyer’schen Haufen ausgesprochene markige 
Schwellung (3 mal bei Kaninchen mit exquisiter Verschorfung an 
den intumescirten und zwar den solitären wie conglobirten 
Follikeln). Ausser dieser „im Anschluss an die gelungene Infection mit 
mathematischer Sicherheit auftretenden pathologisch - anatomischen Sym¬ 
ptomen-Trias 8 worden auch an anderen Organen, wenn auch weniger 
coustant, Veränderungen beobachtet, und zwar: Vergrösserung der in den 
Achselgruben und Leistenbeugen befindlichen Lymphdrüsen; in einigen 
Fällen kleinfleckige Blutungen in der Darmschleimhaut und an serösen 
Häuten (der Lungenpleura und dem Epicard); endlich bei den meisten 
obducirten Thieren deutliche parenchymatöse Schwellung und auf 
Durchschnitten trübe Beschaffenheit der Nieren und Leber. Daneben 
tls constantes Sectionsergebniss der Mangel von Reizerscheinungen 
&n denjenigen Localitäten, von denen aus die Infection einge¬ 
leitet worden war. — 

Bei allen an der Infection eingegangenen Thieren gelang es den 


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Verfassern, sowohl durch das Plattenverfahren, als mit Hülfe des 
Mikroskops die zur Infection verwaudteu Bacillen in den Organen 
der Versuchsthiere wieder aufzufinden. Die Lage und Anordnung der 
Bacillen war speciell in Milz und Leber genau dieselbe, wie beim Menschen. 

Mit Feststellung dieser experimentellen Thatsachen war also nicht 
bloss der unanfechtbare Beweis für die Pathogenität des Typbusbacillus 
geliefert, sondern die an den Versuchstieren hervorgerufenen Krankbeits- 
erscheinungen batten sogar eine auffallende Aebnlicbkeit mit dem beim 
menschlichen Abdominaltyphus beobachteten klinischen und anatomischen 
Befunde! — 

Am Schluss ihrer Arbeit lassen die Verfasser noch eine Analyse 
sämmtlicher an Kaninchen angestellten Versuche folgen, der indess nur 
Folgendes entnommen sei: Zwischen verschiedenen Thierarten sowohl, 
als auch verschiedenen Exemplaren derselben Gattung besteht eine ver¬ 
schiedenartige Disposition bezw. Vulnerabilität gegenüber dem Typbnsgift. 

Thiere, welche bereits eine einmalige Infection überstanden haben, 
sterben auch bei wiederholten Uebertragungsversuchen nicht; erlangen 
also — wie Analoges ja beim Menschen längst beobachtet ist — durch 
die erste Erkrankung eine nahezu absolute Immunität gegen das Typhns- 
gift. Mit diesem letzten Resultat, welches die Verfasser als das Endziel 
einer bacteriologischen Untersuchung vom praktisch-medicinischen Stand¬ 
punkt aus hinstellen, sind in der That „neue Gesichtspunkte für eine, 
etwa durch die Vornahme prophylaktischer Impfungen zu erreichende, 
wirksame Verhütung des Abdominal typhus beim Menschen * eröffnet 
worden. — 

Druck und Ausführung der Farbentafeln sind mustergültig. — 

Nach obiger Skizzirung des reichen Inhaltes wird das vorliegende 
Werk keiner weiteren Empfehlung bedürfen: es stellt einen Markstein in 
der Geschichte des Abdominal typhus dar, an welchem kein späterer 
Forscher ohne Rast zu halten vorübergehen kann. — 

•Mit besonderer Befriedigung erfüllt es den Referenten, dass es ihm 
nicht bloss vergönnt war, einem grossen Theil der betreffenden Unter¬ 
suchungen beizuwohnen und sich von der Richtigkeit der Beobachtungen 
durch den Augenschein zu überzeugen, sondern dass er auch durch spätere 
eigene Experimente Gelegenheit hatte, die Resultate der Verfasser io 
jedem Punkte zu bestätigen. — Pfuhl (Hamburg). 


Ueber die Abdominaltyphus-Epidemie, welche 1885 unter den 
Truppen der für Tonkin bestimmten Reserve-Division im 
Lager du Pas des Lanciere gewüthet )iat. Von Duchemin, 
M6d. principal 2. cl. Arch. de Med. et de Pharm, mil. 1886. S. 145. 

In Aussicht weiterer Verwickelungen mit China wurde im Mai 1885 
aus verschiedenen Truppentheilen der französischen Armee eine „Reserve- 
Division für Tonkin u gebildet und zunächst im Lager du Pas des Lanciers 
nördlich Marseille versammelt. Das Lager bestand bereits für die jähr¬ 
lichen Schiessübuogen der Marseiller Garnison, wurde aber für vorliegenden 
Zweck bedeutend erweitert. Das Terrain stellt ein Kalkplateau dar, 
welches mit einer festen Mergelschicht bedeckt ist. Zahlreiche Spalten 
in dieser Decke erlauben den Ausdünstungen des Grundwassers, mit der 
Aussenluft in Verbindung zu treten. Die Tage waren in dieser Jahreszeit 


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241 


glühend heiss, die Nächte kalt und reich an Than. Der herrschende Nord¬ 
wind (Mistral) erhob nicht nnr Wolken von Staub, sondern erreichte 
einige Male eine solche Gewalt, dass er die Zelte umwarf, den Soldaten 
seines einzigen Schutzes beraubend. 

Für die Aufnahme der Truppen war in folgender Weise gesorgt 
An Wasser stand Quell- und Brunnenwasser, jedoch nicht gerade 
reichlich, zur Verfügung. Ausserdem ein Bach (la Cadiöre), dessen 
Wasser jedoch wegen allzu grossen Gehaltes an organischen Bestand- 
theilen nicht zum Trinken zugelassen wurde. Hinsichtlich der Latrinen 
masgte man bei der Härte des Bodens leider auf die Anlage von Wechsel¬ 
graben verzichten. Man liess deshalb Dauergruben ausheben, welche zur 
Aufnahme von je 6 getheerten Zinkbehältern dienen sollten. Der Urin 
wurde durch eine besondere Rinne unter dem Sitze abgeleitet. Die Des- 
infection geschah durch Sol. Ferr. sulph. 1:100. Eine Marseiller Ge¬ 
sellschaft war für die tägliche Abfuhr sowohl dieser als auch der Behälter 
für die Küchenabfalle u. s. w. engagirt. Leider erlaubte das Terrain 
sieht, die Gruben so zu vertheilen, dass nicht ein Th eil des Lagers bei 
des herrschenden Winden unter den Ausdünstungen zu leiden gehabt 
hätte. Ausserdem aber blieb Manches frommer Wunsch. Die Fertig¬ 
stellung der Behälter und Einrichtung der Gruben verzögerte sich, die 
Abfuhr fand Schwierigkeiten, die geplante Desinfection missglückte nach 
den verschiedensten Versuchen gänzlich; kurz, die putride Infection des 
Bodens spottete bald jeder Gegenanstrengung und trug zur Verbreitung 
der Epidemie wesentlich bei. 

Zur Unterkunft der Leute dienten conische Zelte, die anfangs mit 
12, später mit 10 Mann belegt, oder besser überlegt waren. Die Ven¬ 
tilation in den Zelten war ungenügend. Zur Lagerstatt diente ein Stroh¬ 
sack, dessen Inhalt monatlich einmal entleert und verbrannt werden sollte. 
Aas Sparsamkeit wurde indess das gebrauchte Stroh ausserhalb des Lagers 
gesammelt und verkauft. 

In der Kleidung wurde nichts geändert. Sie blieb unter der Sonne 
der Provence dieselbe wie im Norden und Westen Frankreichs. Zwar 
lagerten Korkhelme und Flanellblousen für die Division in Marseille, sie 
wurden'aber nicht ausgegeben, und erst auf Antrag des M6d. Inspecteur 
des 6. Armeebezirks erreichte man wenigstens die Vertheilung von wollenen 
Leibbinden und Nackenschleiern. 

Die Verpflegung war qualitativ gut. Nur hatte man es nicht ge¬ 
nügend berücksichtigt, dass das dauernde Leben im Freien den Appetit 
mächtig steigert uod dass die Concentration einer grossen Anzahl von 
Menschen in einem armen Laudstrich bald eine bedeutende Steigerung der 
Preise der freihändig zu beschaffenden Lebensmittel im Gefolge haben 
musste. Die „Indemnitä de rassemblement“, etwa zu übersetzen mit „Kriegs- 
Verpflegungszuschuss“, war nicht bewilligt worden und daher manche er¬ 
wünschte Verbesserung der Ernährung ausgeschlossen. Vom 1. Juli ab 
worden übrigens die Mittel für eine Branntweinration bewilligt. 

Der Sanitätsdienst der Division war nach dem Feld - Sanitäts- 
Reglement vom 25. August 1884 geordnet. Da die hiernach etatsmässige 
Ambulanz jedoch erst auf dem Kriegsschauplätze in Function treten 
sollte, so batte man ihr vorderhand nur das technische Personal, aber 
weder Infirmiers, noch Material, noch besondere Zelte zugetheilt. Daher 
mossten alle, auch die leichtest Kranken nach Marseille evaeuirt werden. 
Erst unter dem Druck der Epidemie, Ende Juni, errichtete man eine 

17* 


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242 


Zeltetation für die der Cholera verdächtigen Diarrhoen and erst am 
8. Juli, nachdem die Lazarethe in Marseille and einer Anzahl nahe ge¬ 
legener Garnisonen aberfallt waren, trat ein Feldlazareth im Lager in 
Function. 

Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass die ans dem Norden, Westen 
und Centrum Frankreichs stammende und in keiner Weise acclimatisirte 
junge Mannschaft namentlich in den ersten Wochen ihres Zusammenseins 
durch schweren Dienst und harte Arbeit stark mitgenommen wurde« 
Rechnet man hierzu die glühende Hitze unter den directen Sonnenstrahlen, 
die wolkenbruchähnlichen Regengüsse und die heftigen Stürme, welche 
den Leuten oft die unter den Zelten an sich schon mangelhafte Nacht¬ 
ruhe raubten, so ergiebt sich eine Summe von Einflüssen, die einen ausser¬ 
gewohnlichen Zustand von Erschöpfung herbeiführte und unterhielt und 
die Empfänglichkeit für krankmachende Potenzen in hohem Grade 
steigerte. 

Die Division war aus dem 22. Jäger-Bataillon (aus Moriaix), je 
2 Bataillonen des 47. (Saint-Malo), 63. (Limoges), 62. (Lorient) und 123. 
(La Rochelle) Infanterie-Regiments, 2 Batterien des 13. Artillerie- und 
einer Compagnie des 1. Genie-Regiments gebildet worden. Dieselbe ruckte 
mit 192 Offizieren und 2312 Mann am 14. Mai 1885 ins Lager und er¬ 
höhte sich durch Einziehung von Reserven auf 199 Offiziere und 8416 
Mann. Die Leute waren vor dem Ausmarsch besonders ausgesucht und 
für durchaus felddienstfähig erklärt worden. Eis erkrankten und wurden 
an Lazarethe abgegeben in den 74 Tagen der Belegung des Lagers: 
2902 Mann einschliesslich 15 Offiziere. Aus dieser Zahl waren 1560 
Mann vom Abdomi naltypbus befallen, der bei 610 das typische 
Bild des schweren Typbus in allen seinen Erscheinungen darbot, wahrend 
950 Fälle mehr oder weniger unvollständig und leichter blieben. Die Krank¬ 
heit ist nach dem Urtheile gleichzeitiger Veröffentlichungen, denen Verfasser 
allerdings widerspricht, durch das 62. Iof. Regt, eingescbleppt worden. 
In der Garnison desselben herrschte der Typhus. Das Regiment liess 
bereite auf dem Marsche 2 Verdächtige in Limoges zurück und gab 
gleich nach dem Einrücken ins Lager 3 Typhöse nach Marseille ab. 
ln den ersten Wochen hatte es sodann zwar nur gastrische Fieber, aber 
doch von Anbeginn mehr als die anderen Truppen. Ende Mai zeigten 
sich in der Division häufiger Diarrhöen, die man zunächst als Cholerinen 
ansah. Bis Mitte Juni jedoch war die Typhusepidemie offenbar, nachdem 
grosse Regengüsse dazu geholfen batten, die unter den früher geschilderten 
Missständen hervorgerufene putride Infection des Bodens weit zu verbreiten. 

Die Betheiligung der Truppentheile der Division an den Erkran¬ 
kungen geht aus nebenstehender Tabelle hervor. Hinsichtlich des täg¬ 
lichen Zuganges sei auf das Original verwiesen. 

Wie die Sache lag, erwiesen sich alle Palliativmittel ohnmächtig. 
Der Krankenzugang wuchs in erschreckender Progression. Nachdem 
der Typhus den inneren Zusammenhang der Division bereits 
erschüttert, ihre Verwendungsfähigkeit für den Krieg ver¬ 
nichtet batte, blieb nichts übrig, als sie so schleunig wie 
möglich aus dem völlig verseuchten Lager zu entfernen, um 
den Rest der Leute zu retten. Wäre der Friede mit China nicht 
gesichert gewesen, so hätte von diesen Truppentheilen kein Einziger nach 
dem Kriegsschauplätze abgehen können. 


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243 


Truppentheile 

Während des Aufenthalts im 

Lager 

Nach Ver¬ 
lassen des 
Lagers 

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Typhus 

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davon Typhen 

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(Offiziere eingeschlossen) 


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818 

178 

23 

24 

5 


15 

1 

67 

6 

47. Infant. - Regiment 

1855 

315 

22 

68 

4 


78 

5 

172 

9 

62. 

1829 

826 

141 

337 

32 

24 

32 

1 

534 

33 

63. - 

1634 

588 

112 

183 

38 

B: 

40 

2 

335 

40 

123. - 

1647 

833 

163 

302 

39 

SS 

28 

4 

499 

43 

Artillerie. 

489 

98 

8 

30 

3 

B 

*) 

— 



Genie. 

138 

27 

— 

3 

1 

9 




Train. 

Stäbe u. Verwaltungs- 

127 

( 37 


3 


m 

angegeben 

Personal . 

78 

J 




■ 






Auf den Vorschlag des zur Untersuchung der Sachlage entsandten 
Medecin Inspectenr general Didiot hob der Kriegsminister Anfang Juli 
das Lager auf. Der Verband der Division wurde aufgelost und der 
Rückmarsch der Truppen in ihre Garnisonen in der Zeit vom 16. bis 
24. Juli ausgeführt. Um eine Verbreitung des Typhus in der Bevölkerung 
za verhüten, liess man die Regimenter etc. jedoch nicht sofort ihre Ca- 
aeroen, sondern in der Nachbarschaft der Garnisonen abgesonderte Lager 
beziehen, in denen sie theilweise bis September Quarantäne halten mussten. 
Dass das nicht überflüssig war, zeigt die Zahl der nach Verlassen des 
Lagers du Pas des Lanciers noch Erkrankten; nämlich: 39 auf dem 
Rückmarsch, 193 in der Heimath, mit 13 Todesfällen. Eine Weiterver¬ 
breitung der Epidemie auf andere Bewohner trat nicht ein. 

Seine Ansichten über die Genese der besprochenen Epidemie legt 
Verf. in einer längeren Auseinandersetzung dar, von der hier nur die 
Haoptsätze wiedergegeben werden können. In der politischen wie medi- 
cinischen Tagespresse wurde, wie bereits erwähnt, das 62. Regiment an¬ 
geschuldigt, die Krankheit mitgebracht zu haben. Verf. glaubt nicht daran 
und stützt seine Ansicht hauptsächlich damit, dass das Regiment nach 
Abgabe der drei mitgebrachten Typhuskranken bis zum allgemeinen Aus¬ 
brach der Seuche ebenso frei gewesen sei, wie die anderen Truppentheile. 
Er glaubt auch nicht an Contagion oder Bodeninfection, da von den zahl¬ 
reichen Bewohnern der Ortschaften in der Umgebung des Lagers Nie¬ 
mand erkrankte, obwohl diese Leute dieselbe Luft athmeten, dasselbe 
Waaser tranken wie die Soldaten und fortwährend mit ihnen in Berührung 
kamen. Der putriden Ausdünstung der niemals ordentlich entleerten und 
de8inficirten Latrinen schreibt Verf. wohl einen accidentellen Einfluss im 
Allgemeinen, nicht aber einen bestimmenden auf die Fortpflanzung der 
Infection zu. Er legt das Hauptgewicht auf die Auto-Infection**), das 

*) Nicht angegeben. Im Text steht: „an assez grand nombre*. 

**) Die Zaelzer z. B. auch zulässt. Vergl. Eulenburg, Real - Encyclopädie. 
2. Aufl. L 27. 


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heisst, auf die iufectiöse Wirkung der Schädlichkeiten, welche durch Ueber- 
anstrengung und Erschöpfung im Körper entstehen und unter der Fort¬ 
dauer genannter Einflüsse nicht eliminirt werden, was sonst während der 
Ruhe und Erholung nach der Anstrengung regelmässig zu geschehen 
pflegt Ein vom Verf. citirter Autor, Prof. Peter, nennt dies die Auto- 
typhisation par exces de fatigue. Verf. hält den acuten, hochfebrilen, 
contagiös oder miasmatisch entstandenen Abdominaltyphus, wie er den 
kräftigen, bis dahin gesunden Organismus befällt, für eine wesentlich 
andere Affection, als den in allen Kriegen und auch hier beobachteten 
schleichend entstehenden ambulatorischen Typhus, bei dem nach der sehr 
späten Offenbarung des Leidens als erstes Anzeichen eine ganz ausser¬ 
gewohnliche Prostratio virium in die Erscheinung tritt, das Fieber dagegen 
oft fehlt. In der Reserve-Division für Tonkin kam Alles zusammen, 
was diesen adynamischen Zustand herbeizuführen geeignet ist. Jäher 
Wechsel der gesammten Lebensbedingungen für die Mannschaften, 
strammer Dienst bei übermässiger Sonnengluth ohne Erfrischung in der 
dienstfreien Zeit, psychische Alteration durch die Ungewissheit des Ge¬ 
schickes und endlich die hygienischen Missstände dieses Lagers, welche 
den Einfluss des concentrirten Zusammenlebens einer grossen Menschen¬ 
menge auf engem Raum nur steigern konnten. 

Wenn wir vorerst von der Auto-Infectionstheorie des Verfs. absehen, 
so ist die Schilderung des Lager- oder Kriegstyphus eine treffende. Bei 
dem grossen Antheil, mit welchem alle Armeen von jeher an der Typhus¬ 
frequenz ihrer Länder betheiligt sind, ist es schwer zu begreifen, dass 
man selbst in den modernsten Lehrbüchern diese Form und die Momente 
so wenig gewürdigt findet, welche zu ihrer Ausbildung wesentlich bei¬ 
tragen.*) Militärärztliche Veröffentlichungen werden eben nicht nach 
Gebühr beachtet. 

Im Uebrigen wird gegenüber der vom Verf. vertretenen Ansicht von 
der autochthonen Entstehung de^ Typhusgiftes im Körper etwas Skepsis 
geboten sein. Ref. kann den Exclusionsbeweis hinsichtlich der Ein¬ 
schleppung durch das 62. Regiment nicht für .geführt erachten, zumal 
es bei der grossen Dauerhaftigkeit des Typhudgiftes nichts Befremd¬ 
liches hat, eine Art relativer Latenz desselben bis zu dem Zeitpunkt 
zuzulassen, wo die grossen Regengüsse und die inzwischen eingetretene 
Ueberfüllung der Latrinengruben eine weite Verbreitung desselben ans 
dem ursprünglich vielleicht begrenzten Herde erleichterten. Auch ist be¬ 
kannt, dass die hygienischen Missstände im Lager du Pas des Lanciere, 
welche der Militärverwaltung zum Vorwurf gereichen, in der That 
schlimmer waren, als Verf. in dem von derselben Militärverwaltung her¬ 
ausgegebenen Organ auszusprechen wagen könnte. Es ist von seinem 
Standpunkt aus verständlich, dass er die Einschleppung des Typhus durch 
das 62. Regiment zu widerlegen bemüht ist, weil ein Zugeständnis die 


*) Nach 1870/71 wurde auf den „Inanitionstyphus* u. A. hingewiesen von 
Fraentzel, Zeitschr. f. klinische Medicin II. 217, Strube, Berl. klin. Wochen¬ 
schrift 1871 No. 30. Beobachtungen ans Tunis brachte nach den Archives de med. 
milit. die Deutsche Militärärztliche Zeitschr. 1884 S. 109 u. 375, nach dem Bulletin 
internat. de la Croix rouge, dieselbe Zeitschr. 1882 S. 55. Aus den Feldzögen der 
Oesterreicher in Bosnien nach Myrdacz, dieselbe Zeitschr. 1882 S. 103 und 1885 
S. 447. Excessive Kälte hatte den gleichen Einfluss auf das Zustandekommen der 
Erschöpfung wie übermässige Hitze. 


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245 


Sorglosigkeit der maassgebenden Behörde in einem ebenso üblen Liebte 
erscheinen lassen würde, wie 1881 die Entsendung des inficirten 142. Regi¬ 
ments nach Tunis*) mit ihren verhängnisvollen Folgen. 

Dies beiseit, ist die Arbeit nach Anlage nnd Durchführung ein recht 
gründlicher Beitrag zur Epidemiologie der Armeen. Ihre Lectüre kann 
zu Nutz und Frommen Allen empfohlen werden, die es angeht. 


Vorlesungen über Infectionskrankheiten von D. Liebermeister, 
o.o. Prof, in Tübingen. Mit 7 Abbildungen. Leipzig bei Vogel 1885. 
303 8. 5 M. 

Der auf dem einschlägigen Gebiete berühmte Verf. beginnt mit dem 
vorliegenden Bande die Veröffentlichung von Vorlesungen, welche er 
während seiner akademischen Lehrthätigkeit regelmässig gehalten hat. 
Zweck ist ihm hauptsächlich, die Gruppe der Infectionskrankheiten in 
solcher Weise zusammenfassend darzustellen, dass dadurch die klinische 
Vorführung des Einzelfalles ihre notbwendige Ergänzung erhält. Dass 
solche Vervollständigung auch gegenüber den Einzelbildern der ärztlichen 
Praxis willkommen sein muss, liegt auf der Hand. Man kann es daher 
nur begrüssen, wenn die erforderliche Repetition dem beschäftigten Arzt 
durch ein Werk ermöglicht wird, welches, wie das vorliegende, in 
knapper Form Alles bietet, was für die Beurtheilung wünschenswert 
ist Namentlich möchten wir die Aufmerksamkeit der Collegen auf den 
allgemeinen Theil lenken, der das Wesen der Infectionskrankheiten, ihr 
Vorkommen und ihre Bedeutung, ihre -Eintheilung, allgemeine Aetiologie, 
Symptomatologie und Therapie in grossen Zügen und unter Berücksichti¬ 
gung der neuesten Forschungen zur Darstellung bringt. Dass in der 
Therapie — namentlich der hochfebrilen Infectionskrankheiten— Lieber¬ 
meister die antipyretischen Indicationen mehr in den. Vordergrund 
rückt, als nach den allerneuesten Veröffentlichungen seitens der Berliner 
Schule im Allgemeinen geschieht, darf bei einem klinischen Lehrer von 
so fest ausgeprägter individueller Stellung zu diesen Fragen nicht Wunder 
nehmen. Dem Werth des Buches als Nachschlage- und Hülfsbuch für 
den kritisch urtheilenden und selbständig verantwortlichen Arzt thut 
dies keinen Eintrag, und der Student soll in verba magistri schwören. 

Ein nicht geringer Vortheil des Werkes ist angesichts seines reichen 
Inhaltes der niedrige Preis. Derselbe fällt ins Gewicht, wenn man er¬ 
wägt, zu welcher maasslosen Höhe allmälig die Preise für so vergäng¬ 
liche Objecte gestiegen sind, wie medicinische Lehrbücher darstellen. 


System der Gesundheitspflege. Für die Universität und die 
ärztliche Praxis von Dr. L. Hirt, a. ö. Prof, in Breslau. 8. ver¬ 
besserte Auflage. 247 S. mit 26 Illustrationen. Breslau, Maruschke 
u. Berendt. 1885. 4 M. 

Ein alter Bekannter in neuem Gewände. Den Hauptzweck der Ge- 
sammtanlage, wie er im Vorwort zur ersten Auflage 1876 ausgesprochen 
ist: „zur Arbeit, zum Studium anzuregen a , hat Verf. auch hier 


*) Deutsche Militärarzt!. Zeitschr. 1684 8. 374. 


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246 


unverrückt festgehalten. Hierin besteht sowohl die Beschränkung, als 
der Werth des kleinen Buches. In gedrängter Kürze sind nach einem 
geschichtlichen Abriss über die Entwickelung der Hygiene als Wissen¬ 
schaft, in den einzelnen Abschnitten Luft, Wasser, Boden, die zymotischen 
Krankheiten und ihre Verhütung, die Nahrungsmittel, Kleidung and 
Pflege des Körpers, die Berufsarten und ihr Einfluss auf den Gesundheits¬ 
zustand, endlich die zum Aufenthalt von Menschen dienenden Räume 
behandelt. Eine Uebersicht über die hygienische Seite des Beerdiguugs- 
wesens schliesst die Arbeit, deren praktischer Werth durch ein genaaes 
Sachregister noch erhöht wird. Den grossartigen Fortschritten der 
Bacteriologie und den Vervollkommnungen der Untersuchungsmethoden 
auf diesem Gebiet ist besonders in den ersten drei Abschnitten eingehend 
Rechnung getragen; auch bei den übrigen Capiteln sind die Umwandlungen 
genau berücksichtigt, die viele hygienische Fragen innerhalb der letzten 
Jahre in Folge epochemachender Entdeckungen erfahren haben. Das Be¬ 
dürfnis des Arztes ist überall in den Vordergrund gerückt Dies in Ver¬ 
bindung mit den ausserordentlich genauen, kritisch gesichteten Literatur¬ 
verzeichnissen bei jedem Abschnitt erklärt die Beliebtheit, deren sich das 
Büchlein besonders bei den Physikatscandidaten erfreut. Im Uebrigen 
hebt Verf. hervor, und die Darstellung bestätigt seine Ansicht, dass 
er nichts weniger beabsichtigt habe, als ein „Paukbuch“ im engeren 
Sinne zu schreiben. 

Eine specielle Rücksichtnahme auf die Militärhygiene lag nicht im 
Plane des Buches. Trotzdem kann dasselbe dem Militärarzt sehr 
empfohlen werden. Eis wird ihm in den mannigfachen an ihn heran¬ 
tretenden Fragen, deren Beantwortung oft eine ebenso grosse Summe von 
Kenntnissen erfordert, wie Verantwortung mit sich bringt, ein zuverlässiger 
Wegweiser zu schneller Orientirung sein. 

Der Preis ist so niedrig, dass er die Anschaffung jeweiliger neuer 
Auflagen und somit die Currenterhaltung der nothwendigen Lehrbücher 
auf diesem Gebiet leicht gestattet. — . — 


Dr. Hans Schmid: „Die Antisepsis in den beiden Belgrader 
Hospitälern des deutschen rothen Kreuzes.* (Centralblatt für 
Chirurgie 1886, No. 12.) 

Die im Aufträge des deutschen rothen Kreuzes nach Serbien ge¬ 
schickten ärztlichen Expeditionen haben jetzt nach ihrer Rückkehr 
Rechenschaftsberichte von ihrer dortigen Thätigkeit in den Fachjouroalen 
niedergelegt, so Dr. Sch. in dem März-Schlusshefte des Centralblattes 
für Chirurgie. Alle diese Arbeiten zeigen insofern eine gewisse Ueber- 
einstimmung, als sie nicht eigentlich über Erfolge einer antiseptischeo 
Wundbehandlung auf dem Kriegsschauplätze berichten und zur Losung 
dieser brennenden Frage Beiträge liefern, sondern über ein Gebiet der 
Antisepsis, das kennen zu lernen in unseren Krankenhäusern sich glück¬ 
licherweise immer weniger Gelegenheit bietet; wir meinen die secuudäre 
Antisepsis. Auch die Sch.’schen Berichte geben eine Bestätigung dafür, 
dass die heutige Methode und Technik der Antiseptik nicht nur auf dem 
Gebiete der vorbeugenden Wundbehandlung Grosses leistet, sondern dass 
sie auch im Stande ist, in schweren septischen Fällen noch eine Asepsis 
zu erreichen. Insofern sind diese Mittheilungen sehr lehrreich. Die 
unter Sch.’s Leitung thätige Mission fand in Belgrad Gelegenheit, noch 


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247 


197 Verwundeten die erwünschte Hülfe zu Theil werden zu lassen. Die 
Resultate dieser Behandlung waren recht gute. Von den 197 Ver¬ 
wundeten, die iheilweise erst nach lOtägiger gänzlicher Vernachlässigung 
zur Behandlung kamen, starben nur 3, davon 2 an Tetanus, der dritte 
an Entkräftung nach Zertrümmerung des Oberschenkels, lange andauernder 
Jaucbung und zuletzt ausgeführter Hüftgelenksexarticulation. An son¬ 
stigen eingreifenden Operationen wurden 5 Amputationen und 4 Resec- 
tionen mit Erfolg noch ausgeführt. Dass es gelang, bei schwer vernach¬ 
lässigten Wunden in späten Stadien noch Asepsis zu erzielen, ist um so 
anerkennenswert!) er, als die Verhältnisse der Hospital hygiene bei der 
Uebernahme die denkbar dürftigsten waren; im Hospital selbst fand 
keine Infection statt, ln 172 Fällen konnte durch eine erste gründliche 
Desinfection und den ersten operativen Eingriff (Incision, Drainage, 
Gegenöffnung, Splitter- und Fremdkörperextraction, partielle oder totale 
Resection) noch eine Asepsis erzielt werden, die spätere operative Ein¬ 
griffe unnöthig machte. Von den anderen 25, zum Theil desolaten, Fällen, 
die nach 4—5 Wochen mit schlecht aussehenden Wunden, weitgehenden 
Phlegmonen, schweren Eiterverhaltungen, hohem Fieber zur Behandlung 
kamen, wurden z. B. 13 Knochenschüsse mit Fractur, 3 ohne Fractur, 
8 Gelenkschüsse zur Heilung gebracht. Was die Behandlung anlangt, so 
wurde als flüssiges Antisepticum Sublimat gebraucht, sonst Jodoform in 
Gestalt von Pulver und Mull; zur Drainage meist Jodoform-Mullstreifen. 
— Auf das Detail der Fälle brauchen wir hier nicht einzugehen, zumal 
Sch. über seine und der anderen Missionen Thätigkeit noch detaillirteren 
Bericht in Aussicht stellt. Langhoff. 

Das Mikroskop und seine Anwendung. Ein Leitfaden bei mikro¬ 
skopischen Untersuchungen für Apotheker, Aerzte, Medicinalbeamte etc. 
von Dr. Hermann Hager. 7. Auflage mit 316 Abbildungen. Berlin 1886. 
Verlag von J. Springer. Preis M. 4,—. 

Das Werk beschäftigt sich in den ersten Capiteln mit der Technik 
des Instruments; Kürze, Prägnanz und Klarheit machen es hier besonders 
für den Neuling im Mikroskopiren zu einem sehr werthvollen Selbst- 
belehrung8-Werk, aber auch der Geübtere findet vielfach Belehrung; nach¬ 
dem dann die Darstellung und Aufbewahrung mikroskopischer Präparate be¬ 
sprochen, folgen die „Mikroskopischen Objecte 41 . Von den einfachen 
wellen, Stärkemehlkörnchen etc., den Gewürzen, Nahrungs- und Genuss¬ 
mitteln, von den physiologischen Flüssigkeiten Milch, Blot, Harn bis zu 
den pathologischen Producten Eiter, Sputum, und den pflanzlichen 
and thierischen kleinsten Lebewesen, kommt so ziemlich Alles zur 
Abhandlung, was Gegenstand mikroskopischer Untersuchung werden 
kann. 316 in den Text gedruckte, meist instructive Abbildungen unter¬ 
stützen den Anschauungs-Unterricht. — 

Es braucht wohl nicht hervorgehoben zu werden, dass Verf. in den 
Capiteln „Bacterien“, „Spirillen 44 , „Kommabacillen 41 , „Tuberkelbacillen 44 etc. 
nur beansprucht eine orientirende Grundlage zu geben, nicht eine das 
Thema erschöpfende, wissenschaftliche Abhandlung. 

Die Ausstattung des Buches ist eine vortreffliche und wir glauben 
der Verlagshandlung es besonders nachrühmen zu sollen, dass sie ein Buch 
mit 316 zum Theil recht complicirteu Abbildungen für den sehr billigen 
Preis von 4 Mark herstellt, dass jetzt die 7. Auflage nöthig geworden, 
ist ein Beweis, welche Verbreitung in weiten Kreisen das Werk gefunden 
hat, B—r. 


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248 


Mittheilnngen. 


Sanitäts-Offiziers-Gesellschaft za Dresden. 

1. (161.) Sitzang 1886. 

Donnerstag, den 21. Janaar. 

Vorsitzender: Generalarzt 1. CI. Dr. Roth. 

Stabsarzt Dr. Maller: Statistische Mitteilungen aber die 
Krankenbewegung in dem XII. (Königl. Sachs.) Armee-Corps 
in den letzten drei Rapportjabren. 

Seit Einführung der neuen, aus dem Jahre 1882 datirenden 
Rapport- und Berichterstattung, welche infolge des Wegfalls der Schonungs¬ 
kranken neue, im Allgemeinen mit den früheren Jahren nicht vergleich¬ 
bare Morbiditätsverhaltnisse darstellt, hat das Sachs. Armee-Corps bei 
einer durchschnittlichen Iststärke von 27000 Mann ca. 20000 Kranke 
pro Jahr mit 280000 Behandlungstagen gehabt. Der grösste Zuwachs 
erfolgte im Januar, der niedrigste iip September und October. Während 
die Erkrankungsziffern in den einzelnen Krankheitsgruppen in den drei 
Jahren überAschend conform waren, erkrankten die einzelnen Garnisonen 
und Truppengattungen sehr ungleichmässig. Pegau und Zittau, Train 
und Pioniere, hatten den höchsten, Lausigk und Grossenhain, Artillerie 
und Cavallerie, den niedrigsten Zugang. Auffallend sind die grossen 
Differenzen in der Morbiditätsziffer einzelner gleichartiger, unter gleichen 
äusseren Verhältnissen stehender Truppentheile, die mit Bezug .auf die in 
Dresden garnisonirenden Infanterie-Regimenter in detaillirter Weise be¬ 
sprochen werden. Hinsichtlich der einzelnen Krankheitsgruppen erwähnt der 
Vortragende die Typhusepidemie in Oschatz 1882, weist die Zunahme des 
Gelenkrheumatismus im ganzen Armee-Corps nach und erörtert die Er¬ 
krankungen der Athmungsorgane und die Ernährungskrankheiten. Aus 
dem Zusammenhänge des zeitlichen Verlaufes der Mandelentzündungen 
mit dem Gange der Erkrankungen der Athmungsorgane und allgemeinen 
Erkrankungen folgert er die Zweckmässigkeit, dieselben auch im Rapport- 
Schema der einen oder der anderen der letztgenannten Krankheiten zu- 
zutheilen. Während die venerischen Krankheiten im Allgemeinen ab- 
nahroen, wuchs die Zahl der constitutionell Syphilitischen — eine Folge 
der Concentration der Truppen in grossen Industriestädten. Rekruten, die 
bei ihrem Eintreffen mit venerischen Krankheiten behaftet vorgefunden 
werden, sollten als zeitig untauglich entlassen werden, wenn ihreHeilung nicht 
in kürzester Zeit zu erwarten stände. Unter den anderen Erkrankungen 
waren die mechanischen Verletzungen die häufigsten, jährlich gegen 
5000 Fälle mit 57000 Behandlungstagen; hauptsächlich in ihrer Anzahl 
beeinflusst durch die Fälle von Wundlaufen und Wundreiten, welche mit 
einer so constanten Ziffer alljährlich im Rapport vertreten sind, dass die 
Annahme entstehen muss, es sei in der Bevölkerung ein bestimmter Pro¬ 
centsatz durch besondere Reizbarkeit und Empfindlichkeit der Haut für 
dergleichen Erkrankungen prädisponirt. Die Mortalität des Armee-Corps 
betrug im letzten Decennium 3,7°/oo, wovon x / b allein auf Selbstmord 
kommt. Eine Zusammenstellung über den Verbrauch von Arznei- und 
Verbandmitteln ergiebt, dass jeder Kranke durchschnittlich für 3 ^Arznei¬ 
mittel und für 2 A Verbandmittel bekam. 


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249 


Der Vorsitzende bemerkt hierzu, dass das IV. Corps nahezu die 
gleiche Zahl von Selbstmordfallen habe, wie das XII. und dass diesem 
das XIII. (Königl. Württembergische), XI. and V. Corps sich anschliessen. 

Stabsarzt Dr. Evers: Referat aber „P. Chasseriaad, Au Tonkin tt . 

Da Ch&sseriaad (französischer Marinearzt) in der Schlacht beiBac- 
L6 verwundet wurde und dabei seiner Aufzeichnungen verlustig ging, 
beschränkte er sich darauf, persönliche Beobachtungen mit einer detaillir- 
ten Casuistik zu geben. Nach einer Schilderung von Land und Leuten 
in Tonkin beschreibt Verf. die von den Franzosen eingerichteten Laza- 
rethe und verbreitet sich über die Wundkrankheiten, sowie über die epi¬ 
demischen und inneren Krankheiten der Expeditionstruppen und Ein¬ 
geborenen selbst. Zum Schlüsse folgen hygienische Rathschläge für die 
in Tonkin sich aufhaltenden Europäer. 

Der Vorsitzende bemerkt, dass wegen der Art der Kriegführung 
und der ausserordentlichen Inanspruchnahme der dort thätig gewesenen 
Militärärzte die sanitären Verhältnisse im Kriege gegen Tonkin wohl 
nie eine vollständige Darstellung finden würden; er habe auch von 
Vallin keine eingehende Auskunft erhalten können. Die bei der Ex¬ 
pedition vorgekommenen Choleraerkrankungen seien unzweifelhaft, die 
Cholera aber bei dieser Gelegenheit sicher nach Südfrankreich ver¬ 
schleppt worden. 

2. (162). Sitzung 1886. 

Donnerstag, den 18. Februar. 

Vorsitzender: Generalarzt 1. CI. Dr. Roth. 

Stabsarzt Dr. Seile demonstrirt eine Anzahl kriegschirargisch er 
Apparate, die er aus Kiel und München bezogen. 

1) Ein neues Spiralfeder-Tourniquet, welches aus vernickelten mit 
Handschuhleder überzogenen Messingspiralen besteht und einen sehr ein¬ 
fachen Schlussapparat hat. 2) Schienen aus Telegraphendraht. 3) Die 
bekannten Blumentopfgitter aus gekreuzten Holzstäben. 4) Eine Reihe 
von Instrumenten mit gewöhnlichem Holzgriff, welcher galvanisch über- 
kupfert und dann vernickelt war. 5) Sublimatwatte - Bäuschchen nach 
Professor Helferich, die sich auch besonders für das Feld empfehlen. 

Oberarzt Dr. Wahlberg: Ueber die Betbeiligung des finnischen 
Garde-Schützen-Bataillons am letzten russisch-türkischen 
Feldzu ge. 

Vortragender schildert mit lebhaften Farben die Schicksale des Bataillons, 
welchem er selbst angehört, vom Befehl zur Mobilisirung an bis zum 
Friedensschluss, speciell die Gefechte um Plewna und bei Gorny- 
Dnbniak, sowie den Balkan -Uebergang; er entwirft dabei eine Reihe 
Stimmungsbilder und verweist wegen speciellerer Daten auf das von ihm 
über denselben Gegenstand geschriebene Bucb. Eine Anfrage des Vor¬ 
sitzenden, ob ihm persönlich bekannt geworden, dass die Türken Ver¬ 
wundete massakrirt, beantwortet er verneinend. 

Hierauf verliest der Vorsitzende noch einen Brief des Stabsarztes ä la 
suite Dr. Wolffvom 28. April 1885, welcher der Kassai-Expedition unter 
Lieutenant W iss mann angehört. Der Brief schildert die Expedition 
wischen Kassai und Labilosch, wobei der noch nie von Europäern be- 


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suchte Strom der Bakuba erreicht wurde und gab eine Fülle von Details 
über diese vom Stabsarzt Wolff selbstständig ausgeführte Expedition. 
Spätere Briefe, die eher eiogegangen waren hatten, schon die glückliche 
Beschiffung des Eassai gemeldet. 


General-Rapport 

von den Kranken der Königlich Preussischen Armee, des XII. (Königlich 
Sächsischen) und des XIII. (Königlich Württembergischen) Armee-Corps, 
so wie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich Bayerischen 
Besatzungs-Brigade pro Monat Februar 1886. 

1) Bestand am 31. Januar 1886: 13 724 Mann und 54 Invaliden 

2) Zugang: 

im Lazareth 12 359 Mann und 1 Invalide, 

im Revier 22 576 - - 8 _ 

Summ a 34 935 Mann und 9 Invaliden. 

Mithin Summa des Bestandes und Zuganges 48 659 Mann und 63 Invaliden, 
in Procenten der Effectivstärke 12,6% und 22,16%. 


3) Abgang: 


geheilt. 

32 131 

Mann, 11 

Invaliden, 

gestorben .... 

78 

1 

- 

invalide. 

162 

— 

- 

dienstunbrauchbar . 

351 

- — 

- 

anderweitig . . . 

275 

— 

- 

Summa . . 

32 997 Mann, 12 Invaliden. 


4) Hiernach sind: 

geheilt 66,0% der Kranken der Armee und 17,5% der erkrankten In¬ 
validen, 

gestorben 0,12% der Kranken der Armee und 1,6% der erkrankten In¬ 
validen. 

5) Mithin Bestand: 

am 28. Februar 1886 15 662 Mann und 51 Invaliden, 

in Procenten der Effectivstärke 4,1% und 18,3%. 

Von diesem Krankenstände befanden sieb: 

im Lazareth 10 210 Mann und 6 Invaliden, 
im Revier 5 452 - - 45 

Es sind also von 624 Kranken 412,0 geheilt, 1,0 gestorben, 2,1 ah 
invalide, 4,5 als dienstunbrauchbar, 3,5 anderweitig abgegangen, 200,9 io 
Bestand geblieben. 

Von den Gestorbenen der activen Truppen haben gelitten an: Schar¬ 
lach 1, Rose 1, Diphtheritis 1, Blutvergiftung 1, Unterleibstyphus 8, 
acutem Gelenkrheumatismus 1, Blutarmuth 1, Hirn- und Hirnhautleiden 4, 
Lungenentzündung 21, Lungenblutung 1, Lungenschwindsucht 18, Brust¬ 
fellentzündung 1, Herzleiden 2, innerem Darm Verschluss 1, Blinddarm¬ 
entzündung 2, Leberleiden 3, Bauchfellentzündung 6, Nierenleiden h 


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251 


Mittelohrcatarrh 2, Knochenentzündung 1; an den Folgen eines Selbst¬ 
mordversuches: Erschiessen 1. Von den Invaliden: Lungenschwindsucht 1. 

Mit Hinzurechnung der nicht in militärärztlicher Behandlung Ver¬ 
storbenen sind in der Armee im O&nzen noch 30 Todesfälle vorgekömmen, 
davon 11 dnrch Krankheiten, 4 durch Verunglückung, 15 dctrch Selbst¬ 
mord; von den Invaliden: durch Krankheiten 2; so dass die Armee im 
Ganzen 108 Mann und 3 Invaliden durch den Tod verloren hat. 

Nachträglich pro December 1885: 

1 Mann in Westafrika an Malaria verstorben. 


Amtlicher Erlass. 

(Dienstverhältnisse im Bayerischen Sanitätscorps betr.) 

Seine Majestät der König haben durch Allerhöchste Entschliessung, 
d. d. Hohenschwangau den 17. Februar 1. Js., nachstehende ergänzende 
Bestimmungen über die Dienstverhältnisse in der Königlich Bayerischen 
Armee — Sanitätscorps — unter Aufhebung aller entgegenstehenden 
Vorschriften Allergnädigst zu genehmigen und zugleich das Kriegs¬ 
ministerium zu ermächtigen geruht, etwa nothwendig werdende Erläute¬ 
rungen und Zusätze beziehungsweise Abänderungen nicht principieller 
Natur in eigener Zuständigkeit zu erlassen. 

München, 26. Februar 1886. 

Kriegsministerium, 
v. Heinleth. 

Der Chef der Central-Abtheilung: 

Sixt, Oberst z. D. 

Ergänzende Bestimmungen über Stellung, Pflichten und Be¬ 
fugnisse der Oberstabsärzte, Stabsärzte und Assistenzärzte. 

Die Oberstabsärzte verrichten bei den' Truppentheilen den Dienst 
als Regimentsärzte, die Stabsärzte als Bataillonsärzte bezw. als Ab¬ 
theilungsärzte. Beide zählen zur Kategorie der oberen Militärärzte. 

Die Assistenzärzte besorgen in der Regel die hülfsärztlichen Ge¬ 
schäfte. 

1) Die Regimentsärzte bei den Infanterie- und Feldardllerie- 
Begimentern versehen einerseits den obermilitärärzdichen Dienst stets bei 
demjenigen Bataillon (oder derjenigen Abtheilung), welchem der Regi¬ 
mentsstab attachirt ist, andererseits dienen sie den Regimentscomman- 
deuren als technische Sachverständige für den Betrieb des Sanitätsdienstes 
beim Regiment und haben denselben über alle diesen Dienstzweig be¬ 
treffenden Angelegenheiten Vortrag zu erstatten, sowie die zur einheitlichen 
Verwaltung dieses Dienstes nöthigen Anordnungen zu beantragen. Der 
Regimentsarzt der Cavallerie, welcher analog den obermilitärärzdichen 
Dienst beim Regiment versieht, verhält sich in gleicher Weise. 

Der Regimentsarzt ist in Bezug auf den obermilitärärzdichen Dienst, 
welchen er bei seinem Bataillon bezw. seiner Abtheilung wahrzunehmen 
hat, auch dem betreffenden Bataillons- (Abtbeilungs-) Commandeur 
onterstellt, im Uebrigen jedoch dem Regimentscommandeur, in ärztlich- 
wissenschafdichen Dingen dagegen dem betreffenden Divisionsärzte sowie 
dem Corpsarzte unmittelbar untergeordnet. 

Die vom Regimentscommandeur, sowie vom Corps- oder Divisions¬ 
uzte erhaltenen Befehle — letztere nach vorgängiger Bekanntgabe an 
den Regimentscommandeur — bringt derselbe zum technischen Vollzüge, 


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indem er die etwa nothigen Detailverfugungen an die ihm unterstellten 
Aerzte bekannt giebt und deren Ausführung überwacht 

Gr vermittelt ferner die vorgeschriebenen Rapporte und Mittheilungen 
über den Sanitätsdienst und die Krankenbewegung der anderen Bataillone 
bezw. Abtheilungen des Regiments, welche an ihn gerichtet werden, an 
den Divisionsarzt oder Chefarzt (vide Instruction zur Ausführung der 
ärztlichen Rapport- und Berichterstattung) und regulirt das etwa nöthige 
au8sergewöhnliche Rapportwesen beim Regiment nach seinem Ermessen. 

Stehen mehrere Bataillone bezw. Abtheilungen des Regiments in 
einer Garnison, so hat der Regimentsarzt hinsichtlich der Vertheilong 
der beim Regiment in Zugang gekommenen einjährig-freiwilligen Aerzte 
und Unterärzte zu den Bataillonen bezw. den Abtheilungen die ent* 
sprechenden Vorschläge zu machen. Der Befehl hierzu erfolgt vom 
Regiment8Commandeur. 

Ein gleiches Verfahren hat auch bei den Lazarethgehülfen bezüg¬ 
lich ihrer Verwendung beim Truppentheil oder im Lazareth Platz zu greifen. 

Von jeder durch Regimentsbefehl erfolgten Veränderung in der 
Diensteintheilung der Aerzte und Lazarethgehülfen ist vom Regiments- 
arzte dem Corpsarzte Meldung zu erstatten. 

Ebenso hat der Regimentsarzt dem Regimentscommandeur die erforder¬ 
lichen Assistenzärzte, Unterärzte oder einjährig-freiwilligen Aerzte — 
mit möglichster Berücksichtigung eines entsprechenden Wechsels zur 
Theilnahme bei Manövern, grösseren Märschen oder anderweitigen Com- 
maodoe vorzuschlagen, insofern hierzu ausnahmsweise Lazarethgehülfen 
als nicht hinreichend erachtet werden können. 

Die Einleitung der Maassregeln gegen contagiöse und Infections- 
krankheiten concentrirt sich für alle an einem Orte befindlichen Ba¬ 
taillone bezw. Abtheilungen des Regiments — unbeschadet der Rechte 
und Pflichten des Corpsarztes — in den Anordnungen des Regiments- 
arztes, bei welchen er sich jedoch mit den betreffenden Bataillons- bezw. 
den Abtheilungsärzten der seiner unmittelbaren ärztlichen Pflege nicht 
anvertrauten Bataillone etc. zu verständigen hat. In Kasernen, in welchen 
verschiedene Truppentheile untergebracht sind, trifft der dienstälteste 
Regimentsarzt unter den gleichen Voraussetzungen die nothigen Anord¬ 
nungen. 

2) Den Bataillons- bezw. Abtheilungsärzten, welche von den Re- 
gimentscommandeuren bei den Bataillonen bezw. den Abtheilungen eio- 
getheilt werden, liegt der specielle obermilitärärztliche .Sanitätsdienst des 
betreffenden Bataillons bezw. der Abtheilung ob. 

In militärdienstlicher Beziehung stehen sie unter dem directen Befehl 
des Bataillons- bezw. Abtheil ungscommandeurs. 

Dieselben haben den Dienst an die ihnen unterstellten Assistenz¬ 
ärzte, Unterärzte und einjährig-freiwilligen Aerzte und an die ihnen 
untergebenen Lazarethgehülfen zu vertheilen, ebenso die erforderlichen 
sanitätspolizeilichen Maassregeln, die Vorkehrungen gegen contagiöse ond 
Infectionskrankheiten in ihrem Truppentheile, sowie die Einleitung des 
Vaccinations- und Revaccinationsgeschäftes, nach den Directiven des 
Regimentsarztes und im Einklänge mit den militärdienstlichen Verhält¬ 
nissen zu treffen. 

Dagegen sind dieselben in Betreff der übrigen ärztlichen Dienste, der 
Krankenbehandlung und der Ausstellung von amtlichen Attesten voll¬ 
kommen selbstständig and unabhängig von dem Regimentsarzte. 


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253 


Dieses gilt auch von den vorgeschriebenen oder von den Militär- 
Vorgesetzten geforderten Untersuchungen der ihrem Bataillon bezw. ihrer 
Abtheilung zugetheilten Rekruten, der zum Eintritte bei demselben sich 
meldenden Dreijährig- und Einjahrig-Freiwilligen und überhaupt sämmt- 
licher Mannschaften des Bataillons resp. der Abtheilung in Bezug auf 
Diensttauglichkeit oder Untauglichkeit resp. Invalidität. 

3) Die bei detachirten Bataillonen bezw. Abtheilungen befindlichen 
Bataillons- oder Abtheilungsärzte — Stabsärzte — haben in allen An¬ 
gelegenheiten des Sanitätsdienstes, namentlich auch zur Zeit des Auf¬ 
tretens contagiöser oder Infectionskrankheiten bei ihren Bataillonen bezw. 
Abtheiluogen die Pflicht der Initiative und berichten hierüber unmittelbar 
an den Corpsarzt bei gleichzeitiger Meldung an den Regimentsarzt, wenn 
es sich um aussergewohnliche Vorkommnisse handelt. 

Im Uebrigen sind ihre Pflichten und Befugnisse die im Vorher¬ 
gehenden (sub 2) aufgeführten. 

4) Die Stabsärzte — Bataillonsärzte — der Fussartillerie-Regimenter 
und der Jäger-, Pionier- und Train-Bataillone verrichten als erste Aerzte 
ihres Truppentheils den Dienst gleich den Regimentsärzten und haben 
ihren Commandeuren gegenüber dieselben Pflichten wie diese. 

5) Die Assistenzärzte bei den Truppentheilen sind dem Regiments¬ 
stabe (bezw. Bataillonsstabe) einverleibt und werden von dem Regiments- 
commandeur auf Vorschlag des ersten Arztes des Truppentheils den 
Bataillonen resp. Abtheilungen oder Escadronen zu ärztlichen Dienst¬ 
leistungen beigegeben, insofern nicht vom Kriegsministerium oder vom 
betreffenden Generalcommando über dieselben anderweitig verfügt worden 
ist. Sie unterstehen in dienstlicher Beziehung ihrem Bataillons- resp. 
Abtheilungscommandeur. 

Die Assistenzärzte können auch mit der Vertretung von Obermilitär¬ 
ärzten und mit Wahrnehmung vacanter obermilitärärztlicher Stellen auf 
Vorschlag des Corpsarztes vom betreffenden Generalcommando für kürzere 
und längere Zeit beauftragt werden und fungiren in diesem Falle dann 
als Obermilitärärzte mit allen denselben zukommenden Pflichten und 
Befugnissen. 

Die bei detachirten Escadronen etc. eingetheilten Assistenzärzte 
können zwar in ärztlicher Beziehung bei denselben selbstständig fungiren 
auch als Chefärzte —, dagegen fällt ihnen die Ausstellung militär- 
ärztlicher Atteste nicht ohne weiteres zu, sondern sie müssen damit vom 
Generalcommando nach Aqhören des Corpsarztes besonders beauftragt 
sein. In gleicher Lage sind die bei anderen Behörden eingetheilten oder 
commandirten Assistenzärzte. 

Garnisonen, in welchen sich kein Obermilitärarzt befindet, sind behufs 
Revision der Lazarethe, der Controle des ärztlichen Dienstes etc. jährlich 
in.der Regel einmal seitens des betreffenden Regimentsarztes zu bereisen. 

In wichtigen Krankheitsfällen kann auch ausserdem der Regiments¬ 
arzt zu einem detachirten Truppentheil beordert werden. 

Diese Bestimmungen sind nur für die gewöhnlichen Sanitätszustände 
der Truppen maassgebend, nicht aber für aussergewöhnliche Ereignisse, 
als vorkommende Epidemien etc., durch welche besondere Maassregeln 
nothwendig werden können. 

6) Zur Regelung des ärztlichen Dienstes in Garnisonen, in welchen 
neben Infanterie- etc. Truppentheilen mit oberen Militärärzten Cavallerie- 
oder Fu8sartillerie mit Assistenzärzten steht, wird Nachstehendes bestimmt: 


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254 


Ein oberer Militärarzt bei einem Infanterie- etc. Bataillon, eventuell 
einer Artillerie-Abtheilang ist ordinirender Arzt für alle Lazarethkranken, 
die der Cavallerie bezw. Fussartillerie nicht ausgeschlossen. Derselbe 
ist verpflichtet, den von Seiten letzterer Commandos an ihn gerichteten 
Requisitionen um Auskunft über ihre Lazarethkranken zu entsprechen. 
(Sinngemäss hat dieses auch für den Fall Geltung, wenn mehrere Sta¬ 
tionen gebildet werden.) 

Der Lazarethwachdienst für diese Garnisonen wechselt unter den 
Assistenzärzten der Garnison, insofern hierfür nicht besondere Bestim¬ 
mungen getroffen worden sind. Zu denselben können auch Unterärzte 
und einjährig-freiwillige Aerzte beigezogen werden. 

Ebenso ist der Dienst in der Dispensiranstalt nach der bestehenden 
Vorschrift wahrzunehmen. 

In der Function des ordinirenden Arztes resp. Chefarztes des 
Lazareths wird der obere Militärarzt der Infanterie etc. im Falle von 
Erkrankung, Beurlaubung oder dienstlicher Abwesenheit — sollte kein 
weiterer oberer Militärarzt in der Garnison sein — durch deu dienst- 
ältesten Assistenzarzt in derselben vertreten, in seinen übrigen Functionen 
hingegen beim Truppentheil durch einen Arzt desselben. Für ander¬ 
weitige vertretungsweise Verrichtung des ärztlichen Dienstes in der¬ 
artigen Garnisonen hat der Garnisonsarzt oder der einschlägige obere 
Militärarzt Sorge zu tragen und hierüber dem Corpsarzte Meldung zu 
erstatten. 

Abgesehen von der Behandlung der Lazarethkranken wird der ärzt¬ 
liche Dienst bei der Cavallerie bezw. Fussartillerie, namentlich die Be¬ 
handlung der Revierkranken durch den Assistenzarzt derselben, selbst¬ 
ständig, d. h. ohne dienstliche Concurrenz eines oberen Militärarztes der 
Garnison, versehen. 

Diese Selbstständigkeit des Assistenzarztes bei der Cavallerie bezw. 
Fussartillerie alterirt natürlich dessen dienstliches Verhältnis zu seinem 
Regimentsarzt in keiner Weise. Er hat letzterem die vorgeschriebenen 
Rapporte etc. zu erstatten, Berichte über Lazarethkranke seiner Ab¬ 
theilung jedoch nur mit Vor wissen des ordinirenden Arztes resp. Chef¬ 
arztes zu fertigen. 

Die Beurtheilung und Attestirung der Diensttauglichkeit, Dienst- 
untanglichkeit oder Invalidität der in Rede stehenden Cavallerie- bezw. 
Fus8artilierie-Mann8chaften geschieht — wenn der Assistenzarzt genannter 
Truppentheile nicht, mit der Ausstellung von Attesten betraut ist — durch 
einen oberen Militärarzt der an dem gleichen Orte garnisonirenden In¬ 
fanterie etc., welcher von dem Commando des Cavallerie- oder Fuss- 
artillerie-Regiments durch Vermittelung des ihm Vorgesetzten Trnppen- 
commandos requirirt wird. Die von ihm abgegebenen Urtheile und aus¬ 
gestellten Atteste unterliegen nicht mehr dem Superarbitriura des Regi¬ 
mentsarztes der Cavallerie bezw. Stabsarztes der Fussartillerie. 

Wenn letztere Aerzte im Aufträge des Regimentscommandeurs oder 
sonst dienstlich in der Garnison ihrer detachirten Abtheilungen sich be¬ 
finden und die Kranken derselben im Lazareth besuchen wollen, so ist 
der Chefarzt desselben vorher hiervon zu benachrichtigen. Eine Ein¬ 
wirkung auf die ärztliche Behandlung dieser Kranken steht denselben 
nicht, eventuell nur mittelst collegialischer Berathung mit dem ordiniren¬ 
den Arzte zu. 


Gedruckt in der KSniflichen Hofbuchdruckerei von E. 8. Mittler und Sohn, Berlin, Kochetram M—70. 


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- Jff- 


Deutsche 


Militärärztliche Zeitschrift. 


Rriaction: 

Dr. fU Generalarzt, 

Berlin, Tubenstraaee 5, 

u. Dr. 3&. Stabsarzt, 

Berlin, Hedem&nnstr. 15. 


Verlag: 

f. §. 3Büitet & 

Königliche Hofbnchhandlung, 

Berlin, Kochstrasse 68—70. 


Monatlich erscheint ein Heft Ton mindestens 3 Druckbogen; dazu ein „Amtliches Beiblatt' 1 . Der 
Zeitschrift wird das Werk: „Jahresbericht über die Fortschritte anf dem Gebiete des Militir- 
Sanitlto-Weeens 14 , heransgegeben Tom Generalarzt Dr. Roth, unentgeltlich beigegeben. Bestellung 
nehmen alle Postämter nnd Buchhandlungen an. Preis des Jahrgangs 15 Mark. 


XV. Jahrgang. 1886. Heft 6. 


Ueber den Entatchungs-Mechanismus traumatischer Rupturen am 

Augapfel. 

Von Stabsarzt Dr. Kern. 

Die mechanischen Vorgänge bei tranmatischer Gestaltveränderung 
des Augapfels haben die lebhafteste and anch bis jetzt noch keineswegs 
abgeschlossene Discnssion in der Frage aber die Entstehung der in- 
directen Chorioideal-Rupturen gefunden. SKmisch, Knapp, Berlin, 
Arlt and Becker*) haben selbstständige Erklärungen des Entstebungs- 
Mechanismue gegeben, ohne dass indess die Erklärungen fehlerfrei oder 
erschöpfend wären. 

Sämisch hebt hervor, dass durch die zahlreichen Gefässe, welche 
nach Durchbohrung der Sclera in die Chorioidea eintreten, diese beiden 
Häute besonders im hinteren Bnlbasabschnitt innig verbunden sind nnd 
Zerreissungen von Membranen in Folge von Bulbnsqoetschnng immer an 
solchen Stellen auftreten werden, wo der Zusammenhang derselben 
mit ihrer Unterlage ein innigerer ist. Gewiss kann ein solches 

*) Samisch in Klm. Mon. Bl. f. Augenb. IV. Band 1866 nnd V. Band 1867. 

Knapp in Arch. f. Augen- und Obrenh. I. Band 1869. 

Berlin in Klin. Mon. BL f. Augenh. XL Band 1873 und in Berlin. Klin. 
Woch. 31. Band 1881. 

Arlt. Ueber die Verletzungen des Auges. Wien 1875. 

Becker in Klin. Mon. Bl. f. Augenh. XVI. Band 1878. 

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256 


ätiologisches Moment bei den Folgen der Bulbusquetschung in Betracht 
kommen, aber allein konnte es höchstens ansreichen, am den Prädilections- 
sitz solcher Zerreissangen, nicht am diese selbst in ihrem Entstehungs- 
Mechanismus za erklären. 

Knapp nimmt den Contrecoup in Anspruch und stutzt sich auf 
die Lehre vom Contrecoup bei Schädelbrachen. Aber die hierin be¬ 
hauptete Analogie zwischen Bulbus und Schädel ist nicht nur, wie Arlt 
bemerkt, wegen der verschiedenartigen Elasticitätsverhältnisse — ein 
nur gradueller Unterschied —, sondern vor Allem deshalb fehlerhaft, 
weil der Bulbus nicht die freie Lage des Schädels besitzt, vielmehr in 
der Orbita zum grosseren Theile fest umschlossen ist und deshalb Gestalt- 
Veränderungen nicht in gleicher Art wie am Schädel Platz greifen können. 

Berlin lässt zwar gleichfalls den Gegendruck in den Vordergrund 
treten, aber in einem Sinne, welcher von dem Knapp’schen weit ab¬ 
weicht Gerade der den Bulbus einschliessende Orbitalinhalt ist es bei 
Berlin, welcher das Zustandekommen des Gegendrucks ermöglichen 
soll. Die verletzende Gewalt bewirke, deducirt Berlin, zunächst an der 
direct getroffenen Stelle einen Eindruck, eine Dehnung, aber gleichzeitig 
auch eine Locomotion des ganzen, so leicht beweglichen Bulbus, d. h. 
in praxi werde der Augapfel meistentheils stark gegen den Inhalt der 
Orbita angepresst und die Augenwandung auch hier eingedruckt 
werden, als ob auf dieser (der entgegengesetzten) Seite ebenfalls eiu 
stumpfer Körper einwirkte und dadurch zur Dehnung der hinteren Theile 
der Umhüllung8hänte des Bulbus führte. Der hierin von Berlin betonte 
Vorgang der Dehnung, so richtig er an sich ist, wie die späteren Er¬ 
örterungen zeigen werden, ist in den Deductionen Berlin’s auf ein 
falsches Zwischenglied, die Gestaltveränderung (das Eingedrucktwerden) 
der Augenwandung, bezogen, während er zunächst nur aus der erhöhten 
Tension des flüssigen Bulbusinhalts resultirt, welche Berlin ausser 
Betracht lässt. Daher ist der in seinen Deductionen zum Gipfelpunkt 
erhobene Vorgang einer Dehnung der Umhüllungshäute trotz aller seiner 
Richtigkeit doch physikalisch nicht in zutreffender Weise deducirt und 
fälschlich als partielle Dehnung aufgefasst. Den letztgenannten Fehler 
hat Arlt mit unbestreitbarem Recht hervorgehoben mit dem Vermerk, 
dass eine partielle Compression des Bulbus an der dem Angriffspunkt dia¬ 
metral entgegengesetzten Seite — vermöge der gleichmässigen, dicken 
und elastischen Auspolsterung des Lagers des Bulbus in mehr als der 
Hälfte seines Umfanges — nicht zu Stande kommen könne, und dass, 
auch hiervon abgesehen, der nicht compressible, flüssige Bulbusinhalt 


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(Glaskörper und Kammerwasser) den Druck nach allen Theilen der 
amscbiiessenden Wandung fortpflanze. Trotzdem ist die Annahme nicht 
za verwerfen, dass die dem Angriffspunkt gegenüberliegende Stelle vor¬ 
wiegend betroffen wird. Die Cohäsion der Wassermoleküle und noch 
mehr die Cohäsion des consistenteren Glaskörpers und Kammerwassers ist 
nicht einfach ausser Rechnung zu stellen, sie ist immerhin gross genug, um 
einen partiell wirkenden Druck bis zur entgegengesetzten Wandung zum 
Theil noch in der Richtung der Gewalteinwirkung fortzupflanzen und 
hier eine vorwiegende Compression gegen den Orbitalinhalt entfalten zu 
lassen. 

Arlt legt seinen Erklärungsversuchen ganz ausschliesslich die all¬ 
gemeine, nach allen Seiten erfolgende Fortpflanzung des ausgeübten 
Druckes zu Grunde. Der Bulbus, in der Gegend des vorderen Pols ab¬ 
geplattet und in der Gegend des hinteren Pols an das elastische Fett¬ 
polster angedrückt, soll momentan im Aequatorialdurchmesser grösser 
werden, die Erweiterung in der Aequatorialzone ihr Summum erreichen. 
Bei dieser Schlussfolgerung liegen aber zwei Fehler zu Grunde; erstens 
der, dass die Erweiterung der Aequatorialzone des Bulbus, zumal wenn 
derselbe durch Druck von vorn her in die Orbita hineingepresst wird 
auch ihrerseits durch den Widerstand des äquatorial gelagerten Orbital¬ 
polsters verhindert oder beschränkt wird, und zweitens der, dass Arlt 
ober der Formveränderung der Umhüllungshäute deren Anpassungsfähigkeit 
an solche Formveränderung vergisst. Für nahezu starre Hüllen, z. B. 
die Schädelknochen, welche durch eigene Kraft an ihrer Form festhalten, 
wären seine Behauptungen richtig, nicht aber für die schmiegsamen 
Häute des Bulbus, für welche die Formveränderung als dehnendes 
Moment nicht an sich, sondern nur vermöge des sein Volumen beibe¬ 
haltenden Inhalts in Betracht kommt; d. h. nicht die Form Veränderung 
der Umhüllungshäute als solche führt zu Dehnungsvorgängen, sondern 
der aas der Kugelform gebrachte und deshalb eine grössere Oberflächenaus¬ 
dehnung beanspruchende Bulbusinhalt bedingt die Dehnung der Um- 
hällung8häute, deshalb aber nicht eine local (auf den Aequator) be¬ 
schränkte, sondern eine ganz allgemeine Dehnung. Gerade der 
charakteristische Punkt der Erklärung Arlt’s fällt damit in sich zu¬ 
sammen. 

Schliesslich hat Becker einen eigenartigen Weg eingeschlagen und 
mit mancherlei beachtenswerten Gründen einen Vorgang gestützt, 
welchem die Einmündung des Sehnerven in den Bulbus als be¬ 
dingendes Moment zu Grunde gelegt ist Wenn eine stumpfe Gewalt 

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258 


vorn auf das Auge in derjenigen Richtung einwirkt, in welcher sieh 
hinten der Sehnerv an die Sclerotica ansetzt, so werde sich eine con- 
centrisch zum Sehnerven gelagerte Einknickung der formgebenden Haute 
bilden müssen, welche letzteren dadurch Zerrung und Dehnung erleiden, i 
Becker setzt dabei offenbar voraus, dass die Resistenz des Sehnerven I 
gegen den fraglichen Druck starker sei, als die des retrobulbären Fett¬ 
gewebes, and führt zur Erläuterung des Vorganges ausserdem noch an, 
dass sich ein matsch gewordenes Leichenauge theilweise über den Seh¬ 
nerven hinüberstülpen lasse, so dass der letztere sich in den Bulbns 
einsenke, wie etwa der Stiel eines Apfels oder einer Kirsche in die 
Frucht So einleuchtend ein solcher Vorgang auch an weichen Augen 
sein mag, so bleibt doch der Beweis noch zu führen, ob der Sehnerv in 
seiner Consistenz wirklich im Stande sein könne, dem Anpressen eines 
lebenden Bulbus von normaler Spannung und Härte irgend welchen in 
Betracht kommenden Widerstand zu leisten, zumal derart, dass es hier¬ 
durch zu einer Zerrung, Dehnung und Beratung der Formhäute, wenn 
auch nur der Chorioidea, kommen kann. Und es fällt noch schwerer 
gegen den zureichenden Einfluss des gedachten Vorganges ins Gewicht, 
dass er von vornherein nur für diejenigen Chorioideal-Rupturen passen 
würde, welche auf Contusionen der vorderen Bulbus-Peripherie zurück¬ 
zuführen sind, nicht aber für die bei Schussverletzungen so häufigen 
Fälle, in denen Quetschung des Bulbus durch dislocirte Knochentheile 
der Orbital Wandungen, also vor Allem seitliche Quetschungen desselben, 
Chorioidealrupturen zur Folge haben, — ein Ein wand, welcher auch den 
Erklärungsversuchen Berlin’s und Arlt’s ihrem Wortlaut nach nicht 
zu ersparen ist Immerhin hat Becker damit ein Moment zur Sprache 
gebracht, welches in seiner Mechanik möglich und dessen Mitwirkung 
unter Umstanden wohl denkbar ist. 

Das allgemein maassgebende, das typische Moment bei Verletzung 
und Contusion des Augapfels ist die Gestaltveränderung, die Abweichung 
von der Kugel form,*) wie und wo auch die Gewalteinwirkung ein- 
setzen mag. Nach mathematischen Gesetzen ist die Kugelform diejenige 
der kleinsten Oberflächenausdehnung bei gegebenem Inhalt Ist, wie beim 

*) Obwohl im strengen Sinne der Baibus nicht eine vollkommene Kagelform 
besitzt, so steht er letzterer doch so nahe, dass keine traumatische Gestaltveränderung 
ihn der Kugelform näher bringen, sondern nur noch weiter von ihr entfernen kann. 
Unter dieser Voraussetzung steht die Berechtigung nicht in Zweifel, bei den hier zu 
gebenden physikalischen Deductionen die mathematische Kugelform als Ausgangs¬ 
punkt zu benutzen. 


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259 


Augapfel, der lohalt unveränderlich and incompressibel, so resaltirt aas jeder 
Gestaltveränderang eine Distorsion der Hallen in tangentialer Richtung 
mit Compre88ion derselben in radiärer Richtung, und auch die letztge¬ 
nannte Compression, wie jede Gewebscompression, ist in ihrem wesent¬ 
lichen Effect gleichfalls wieder eine Distorsion, ein Aaseinandertreiben 
der nebengelagerten Gewebselemente vertical auf die Druckrichtuug. Der 
überall beobachtete Effect solcher Distorsionsvorgänge ist zunächst das 
Bersten von Blutgefässen, sei es von Capillaren, sei es von mehr oder 
weniger starken Venenstämmchen; daher die Blutextravasate von punkt¬ 
förmiger bis zu flächenhafter Ausdehnung, welche eine kaum fehlende 
Begleiterscheinung aller höheren Grade der Quetschung sind, zumal wenn 
die Quetschung einen solchen Grad erreicht, dass die beregte Distorsion 
über die Cohäsion der zarten Gefässe hinaus auch diejenige der häutigen 
Flächen selbst und sogar die Cohäsion der Sclera zu überwinden vermag. 

Dieser allgemeine, principielle Effect der Contusion wird jedoch 
beeinflusst erstens durch die Umgebung des Bulbus, zweitens durch die 
Art der Gewalteinwirkung. 

Betreffend die Umgebung des Bulbus kommt in erster Reihe das 
Fettgewebe der Orbita und die knöchernen Orbitalwandungen in Betracht; 
Das Fettgewebe giebt theils durch seine Verschiebbarkeit, theils durch 
Entleerung seines Blutgehalts, theils auch durch die eigene Compressibilität, 
Alles in Allem durch seine physikalische Elasticität dem Andrängen des 
Bulbus bis zu einem gewissen Grade nach und ermöglicht hierdurch aller¬ 
dings, dass die vorbesprochene allgemeine Gestaltveränderung des Bulbus 
und deren Folgen auch an dessen hinteren und den seitlichen Abschnitten 
sur Geltung kommen können. Indess nur bis zu einem gewissen Grade; 
darüber hinaus tritt das orbitale Fettgewebe, zumal in den vorderen 
dünnen Schichten, im Verein mit den knöchernen Orbitalwandungen einer 
Gestaltveränderung des Bulbus hindernd entgegen. Letztere ist unbehindert 
nur an der vorderen Peripherie desselben möglich; ihre Folgen treten in 
diesem Bereich völlig typisch zu Tage, in den bekannten Formen der 
Sderalrupturen und den totalen und partiellen Beratungen der Cornea. 
Einen stärkeren Widerstand als das peribulbäre Fettgewebe mag, wie 
Becker angenommen, wohl der starre Sehnervenstamm einem etwaigen 
Andrängen des Bulbus entgegensetzen und hierdurch weiteren localen 
Einfluss dem vorgenannten hinzufügen. 

Mannigfaltiger gestaltet sich der Einfluss, welchen Art und Ort der 
Gewalteinwirkung ausübt. Am deletärsten äussert sich dieselbe bei 
Orbitalfracturen und den damit verbundenen Enochendislocationen, welche 


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260 


den Bulbus völlig zerquetschen können, welche ihn häufig von den Seiten 
her comprimiren und zu derart ausgedehnten Rupturen der Sclera und 
Cornea führen, dass der Bulbusinhalt ganz oder zum grössten Theil ent¬ 
leert wird. Dieselben Folgen ruft aber in nur graduellem Unterschiede 
auch local beschränktere Gewalteinwirkung hervor. Der Aggregatzustand 
des nahezu flüssigen Bulbosinhalts gestaltet die zunächst locale Druck¬ 
wirkung sofort zu einer allgemeinen um, bewirkt allgemeine Druck¬ 
steigerung im Inneren des Bulbus und deren vorstehend bereits ausein¬ 
andergesetzte Folgen. Doch ist dies nicht der einzige Effect, vielmehr 
ist gleichfalls bereits erörtert, dass — im Gegensatz zu gasförmigem In¬ 
halt — die Medien des Glaskörpers, der Linse und des Kammerwassers 
vermöge ihres Aggregatzustandes den Einfluss der Cohäsion nicht ver¬ 
leugnen. Es tritt ein weiterer Effect hinzu, bestehend in der separaten 
Fortpflanzung einer Componente der Contusionskraft in der Richtung der 
Gewalteinwirkung. Findet die letztere an der vorderen Peripherie des 
Bulbus statt, so wird — nächst der Angriffsstelle selbst — ein Theil der 
hinteren Peripherie desselben vorwiegend betroffen, d. h. an dieser Stelle 
die consecutive Distorsions Wirkung sich am stärksten geltend machen, 
und umgekehrt. 

Und ausserdem greift hier der directe Contusionseffect ein, 
welchen die Angriffsstelle selbst erleidet, unter Mitwirkung der vorbe¬ 
sprochenen indirecten Folgen. Durch jegliche Contusion erleidet die 
zunächst getroffene Stelle des Bulbus eine Abplattung. Da zwischen 
zwei Punkten die gerade Linie die kürzeste ist, würde eine solche Ab¬ 
plattung an sich eine Entspannung der Häute bedeuten, — wenn der 
Inhalt freien Ausfluss hätte und wenn die Hüllen gleich einer ideellen 
mathematischen Kageloberfläche keine Dickenausdehnung hätten!! Da 
beides nicht zutrifft, ist die Sachlage eine andere. 

Der Inhalt vermindert sein Volumen nicht, sondern strebt die Bei¬ 
behaltung der Kugelform an, tritt jeder Gestaltveränderung der Höllen 
zunächst entgegen und lässt eine solche nur insofern zu, als die Ober¬ 
fläche des quetschenden Körpers dazu zwingt; letztere ist also das allein 
Maassgebende für die Form Veränderung. Eine Abflachung tritt demnach 
auch im günstigsten Falle lediglich für denjenigen Theil der Bulbusober¬ 
fläche ein, welcher mit dem quetschenden Körper in directe Berührung 
tritt; je kleiner diese Berührungsfläche, desto kleiner die Ausdehnung der 
Abflachung, am kleinsten bei spitzen Körpern. 

Eine punktförmige Spitze würde nur für den einen berührten Punkt 
der Oberfläche eine solche Abflachung erzeugen können. Schon die 


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261 


nächste Umgebung dagegen wird eine Zerrung erleiden; sobald als erster 
anmittelbarer Effect der minimale Ausgleich »wischen punktförmiger 
Kugelflache und punktförmiger Ebene (einem mathematischen Differential 
vergleichbar) erreicht und überwunden ist, wird die getroffene Stelle und 
deren Umgebung nach innen gebuchtet und nun doppelt gezerrt, erstens 
durch die Theilnahme an der allgemeinen Oberflächendistorsion, zweitens 
durch das hier hinzutretende Plus des Einbuchtung, d. h. der in gegen- 
tbeiügem Sinne eintretenden Abweichung von der mathematischen Ebene. 
Hiernach wirken spitze Körper vorwiegend im Sinne der local beschrankten, 
stumpfere im Sinne der allgemeinen Distorsion der Bulbuskapsel. 

Hiermit ist indess der örtliche Effect noch nicht erschöpft. Nacl^ 
dem Vorstehenden wurde ein quetschender Gegenstand mit ebener An¬ 
griffsfläche örtlich am wenigsten nachtheilig wirken. Aber selbst wenn 
dieser denkbar günstigste Fall angenommen wird, tritt dem örtlichen 
Eotspannungseinfluss der Nachtheil unheilvoll entgegen, den die reelle 
Dickenausdehnung der Hüllen ausübt Die Entspannung oder vielmehr 
Compression der Gewebselemente findet nur an der äusseren Oberfläche 
statt. Wären die successive nach innen gelegenen ideellen Flächen 
gegenseitig frei verschiebbar, dann würde jede sich gleichfalls abflachen, 
aber sie sind es nicht; vielmehr ist jede derselben gleichsam Punkt für 
Punkt mit der nächst äusseren verwachsen, ingleichen jede innere Um- 
hüllungsmembran mit der nächst äusseren. Die Folge hiervon ist, dass 
die mehr nach innen gelegenen Flächen, welche ja als concentrische 
Kogelschalen an Ausdehnung kleiner wie die äusseren sind, eine Dehnung 
erleiden, welche jene mit diesen bezüglich der Grosse in Uebereinstimmung 
bringt, eine Dehnung, die mit dem Moment beginnt, wo die etwa mög¬ 
liche Verkürzung der äussersten Flächen ihre Grenze erreicht hat. Als 
Beispiel kann die Cornea dienen. Deren äussere Oberfläche als unver¬ 
änderlich angenommen, werden die nach dem Krümmungsmittelpunkt 
convergirenden Krümmungsradien schliesslich in parallele oder diver- 
girende Linien verwandelt und dadurch die homonymen Punkte jener 
Radien von einander entfernt werden müssen; und die Differenz gegen¬ 
über dem ursprünglichen Verhältnis wird um so grosser, je näher dem 
Centrum jene homonymen Punkte gelegen sind, in Wirklichkeit also an 
der inneren Hornhautfläche, welche hierdurch den stärksten Grad der 
Dehnung erleidet. 

Ein reelles Bild zur Erläuterung dieser Verhältnisse ist der Schädel 
unter der Einwirkung von Contusionen durch stumpfe Gewalt (u. A. auch 
Schnsscontusionen), Compression an der äusseren, Distorsion an der 


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262 


inneren Flache, — und «war bedingt durch die Flächenverwachsuug. Da¬ 
her die Sprunge der Tabula vitrea bei Integrität der Tabula externa. 

Und wie bei der Cfornea, die vorher als Beispiel gedacht war, das 
Resultat zur Ruptur der inneren Flächen neigt, so wird es bei lose zu¬ 
sammenhängenden Flächen (z. B. Retina und Chorioidea) mitunter auch 
zur Trennung der Flächenverwachsung (zur Ablösung) neigen, zumal 
wenn die bezüglichen Flächen verschiedene Dehnungsfahigkeit besitzen. 

Mit diesen theoretischen Voraussetzungen, welche in Nachstehendem 
ihre Ergänzung und praktische Erläuterung finden sollen, übrigens in 
ihren subtileren Bedingungen zum Theil auch vernachlässigt werden 
können, sollen die häufiger beobachteten Gruppen von Zerreissungen am 
Bulbus in ihrem Entstehungs-Mechanismus erörtert werden. 

Allgemein ist es der Fall, dass die ausgeprägtesten Zerstorungsvor- 
gänge am leichtesten ihre angemessene Erklärung finden, während sich 
gerade die subtileren recht spröde gegen ihre Deutung verhalten. So 
auch hier, wo die Fälle einer völligen Zerquetschung des Augapfels 
durch irgend welche Gewalteinwirkung ohne Weiteres in ihrem Ent¬ 
stehungsvorgang durchsichtig sind. Discreter bereits sind Vorkommnisse, 
wie sie bei Schussverletzungen der Orbita besonders häufig beobachtet 
sind, in welchen die gebrochenen Orbitalknochen den Bulbus seitlich 
bis zu einem solchen Grade zusammenquetschen, dass die freie, nicht 
unterstützte Vorderfläche desselben platzt, der Inhalt bisweilen ganz her¬ 
ausgeschleudert wird und dann die Fetzen des geborstenen Bulbus vorn 
aus der Orbita heraushängen. Bisweilen werden die geplatzten Augäpfel 
noch ausdrücklich als prolabirt bezeichnet, es finden sich sogar Fälle, in 
denen auf solche Weise die Augäpfel ohne gleichzeitige Beratung aus 
der Orbita herausgedrängt werden,*) und endlich solche, in denen die 
Augäpfel völlig verschwunden sind.**) Letztere Vorkommnisse haben 
nur deshalb hier Erwähnung gefunden, um den Mechanismus des Bersten* 
unter solchen Umständen zu erläutern, nämlich durch die plötzliche 

*) cfr. z. B. Zander und Geissler, Die Verletzungen des Auges. Leipzig 
und Heidelberg. 1864. S. 312 ff. 

Dupuytren, Traite theorique et pratique des blessures par armes de guerre. 
Paris 1834. Mouat in Army med. dep. report for 1865. 

**) cfr. z. B. Haschek in Allg. Wiener med. Zeitung. 1867 No. 10. Genthin 
Klin. Mon. Bl. f. Augenh. 1871. 

Solche Fälle verlieren den Schein des Wunderbaren um so mehr, wenn die 
Schussrichtung eine derartige war, dass der luxirte Bulbus durch das austretende 
Geschoss in einem zweiten Gewaltact noch von den letzt bestehen gebliebenen Ver¬ 
bindungen abgerissen werden konnte. 


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263 


Drueksteigerung, welche der Orbit&linh&lt und unter Umstanden vor¬ 
wiegend der Bulbusinhalt durch das Andrängen der Orbitalknochen er¬ 
fahrt bei Schussverletzungen, in denen das Projectil selbst den Bulbus 
gar nicht berührt. 

Unmittelbar reihen sich den vorerwähnten die Fälle der typischen 
Scleralrupturen an, welche, concentrisch und unweit dem Hornhaut¬ 
rande, ihren Site meist am oberen Bulbusabschnitt haben. Arlt (1. c.) 
bat auf diese, übrigens nicht die Sclera allein, sondern die ganze Conti- 
nuität der Bulbuskapsel einnehmenden Risse, welche nach Einwirkung 
stumpfer Gewalt auf den Bulbus entstehen, seine oben bereits zurückge¬ 
wiesene Erklärungstheorie von dem äquatorialen Spannnngs-Maximum 
angewandt, welche sich hierbei auch nach einer anderen Richtung als 
unhaltbar erweist „Nimmt man an tt , sagt Arlt, „dass grossere fremde 
Körper den Bulbus nicht leicht von anderswoher als von unten 
oder ünten aussen treffen können, und das Auge im Moment der herein- 
brechenden Gefahr wohl meistens (mit dem Hornhautcentrum) nach oben 
oder innen oben flieht, so fällt der Angriffspunkt wohl meistens unten 
oder unten aussen zwischen Cornealrand und Aequalor bulbi auf die 
Sclera. Dann kommt aber die Stelle des Scleralrisses ziemlich genau in 
den Kreis zu liegen, welcher in Bezug auf die Verbindungslinie zwischen 
Angriffs- und Gegenpunkt als Aequator bezeichnet werden kann. Kein 
Wunder also, dass die Sclera in diesem Kreise die grösste Spannung 
erfahren muss, und dass sie in jener Gegend dieses grössten Kreises 
bersten wird, welcher in actu laesionis relativ am wenigsten von aussen 
unterstützt ist“ Abgesehen davon, dass ein solches äquatoriales 
8pannung8- Maximum am Bulbus principiell nicht eintritt, liegt in der 
wiedergegebenen Erklärung*) noch der besondere Fehler, dass, wenn 
Angriffspunkt und Gegenpunkt als Pole und der hierauf bezogene 
Aequatorialkreis als Sitz der stärksten Spannung oder Dehnung bezeichnet 
werden, selbst bei Zugeständnis zu diesen Annahmen, der Riss nicht 
innerhalb oder parallel jener Kreislinie, sondern senkrecht zu derselben 
liegen müsste, was genau in derselben Weise auch gegen die Arlt’sche 
Erklärung der Ghorioidealrupturen und deren Lage (concentrisch zum 
Sehnerven) zu sagen ist Vielmehr kann für die Entstehung der hier 
zunächst in Betracht gezogenen Scleralrisse lediglich die allgemeine 
Erhöhung des intraocularen Drucks geltend gemacht werden, welche 
den Bulbus an einer nicht unterstützten Stelle platzen lässt, wo gleich- 

*) Die von Arlt zu Grunde gelegte Erklärung, welche Manz hierfür gegeben 
bat, ist viel richtiger, als die oben citirte Deduction Arlt’s. 


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264 


zeitig — wie Manz vordem ganz richtig gesagt hatte — die relativ 
geringste Cohäsion besteht, d. h. nicht in der Cornea, sondern in der 
Solera. Und für die concentrische Lage solcher Rnptoren zum Hornhaut* 
ran de mag der von Arlt anhangsweise als mitwirkend berahrte«Umstand 
za Recht bestehen, dass die Fasern der Sdera im Bereiche der Zone des 
Ciliarkörpers vor waltend concentrisch zum Cornealrande verlaufen. Dass 
die Rnpturstellen im Allgemeinen der Einwirkung der Gewalt gegenüber 
liegen, erklärt sich leicht daraus, dass die Stelle der Gewalteinwirkung 
selbst als unterstützt betrachtet werden muss, daher hier die Ruptur 
nicht eintreten kann, wahrend andererseits nach den früher gegebenen 
Deductionen die gegenüberliegende Stelle und deren Umgebung einen 
prävalirenden Dehnungs-Insult erleidet durch directe und partielle Fort* 
pflanzung des Insults in dessen ursprünglicher Richtung. Natürlich tritt 
im Moment des Berstens meist Entleerung eines Theils des flüssigen 
Bulbusinbalts ein und in unmittelbarer Consequenz hiervon bisweilen eine 
gleichgerichtete Dislocation der Linse, was einer weitergehenden Er¬ 
örterung nicht bedarf. 

In anderen Groppen von traumatischen Affectionen des Augapfels 
ist es, ohne das Zwischenglied der intraocularen Druckerhöhung, vielmehr 
die Gestaltveränderung selbst, welche in directen ätiologischen Zusammen¬ 
hang mit der erzeugten Affection tritt. So z. B. bei den circumscripten 
Trübungen der Cornea nach Contusion des Bulbus, welche aufisolirte 
Beratung der Descemet'schen Membran bezogen werden. Ein Fall dieser 
Art, welcher durch seine einfache Klarheit besonders werthvoll erscheint, 
ist von Cohn*) beschrieben worden. Die Affection der Cornea in jenem 
Falle — scheibenförmige leicht graue Trübung im Parenchym ohne Ver¬ 
letzungsspuren an der Oberfläche, mit dauernder Hinterlassung einer 
schmalen strichförmigen Trübung — ist nicht anders aufzufassen, denn 
als Beratung ihrer hinteren Oberfläche (in Folge eines Streifschusses des 
oberen Augenlids ohne Tarsus Verletzung), und der Entstehungs-Mecha¬ 
nismus ist einfach genug, wenn man die isolirten Sprünge der Tabula 
interna des Schädels zum Vergleich heranzieht. Wird die Cornea nach 
innen gebuchtet oder auch nur abgeflacht, so reisst eben aus den ange¬ 
führten Gründen deren innere Oberfläche auseinander und der entstandene 
Riss bleibt nach Restitution des umgebenden Cornealgewebes als weisser 
Streif bestehen. Allerdings würde ich den gezogenen Vergleich mit dem 
Schädel nur auf die Cornea — vermöge ihres festen internen Zusammen* 


*) Schussverletzungen des Auges. Erlangen 1872. Beob. 24. 


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265 


haogB und der starken intraocularen Spannung — angewendet wissen 
wollen, nicht aof andere Theile der Bulboskapsel. Uebrigens sind der¬ 
gleichen Hornhaut-Affectionen von Berlin*) auch experimentell am 
Eanincbenange durch Contusion erzeugt worden. „Die Hornhaut zeigt,, 
wenn direct getroffen, natürlich oft Epitbelialabschürfungen, aber ausser- •; 
dem diffuse, manchmal in Form paralleler Streifen angeordnete Trübungen ; 
ihres Parenchyms, welche letzteren auch dann beobachtet werden, wenn 
der Schlag mehr die 8clera und nur den Rand der Hornhaut traf.* Die 
letztangefugte Bemerkung Berlin’s ist besonders wichtig, weil sie zeigt, 
wie die Gestaltveränderung, die Abflachung auch noch in gewisser Ent¬ 
fernung von der direct getroffenen Bulbuspartie die gekrümmte Cornea 
betheiligt. 

Andersartig werden natürlich die im Innern des Augapfels ausge¬ 
spannten Membranen bei Gestaltveränderungen der Kapsel desselben 
betroffen. Bei der LFIs sind es hauptsächlich Dialysen, partielle Ab¬ 
lösungen der Iris vom Ciliarkörper. Der Sitz dieser Dialysen stimmt in 
vielen Fallen überein mit der Stelle der Gewalteinwirkung, indem durch 
den Anprall eines mehr oder weniger stumpfen Körpers die Sclera nach 
innen gebuchtet oder abgeflacht wird, hierbei einen nach rückwärts ge¬ 
richteten Zug auf die ciliare Peripherie der Iris ausübt und sich von der 
infolge der Contusion plötzlich stark contrahirten Iris trennt.**) In 
anderen Fällen .tritt die Irisdialyse an der gegenüberliegenden Seite ein. 
Und ohne Beeinträchtigung der voracceptirten Theorie Anden auch diese 
Fälle eine ungezwungene Erklärung, wenn man erwägt, dass die Sclera 
hier genau in derselben Weise an den Orbitalrand angepresst und nach 
innen gebuchtet wird, wie in den ersteren Fällen durch den Stoss direct. 

Arlt hat auch hierfür seine Theorie von der E^reiterung des Corneo- 
Sderalringes zu verwerthen gesucht und dieselbe auch auf die Entstehung 
von Läsionen des Linsensystems übertragen. Um aber auf die 
Schwäche dieser Theorie, die hier nicht einmal recht einleuchtend er¬ 
scheint, nicht nochmals einzugehen, die Erklärung bezüglich der letzt¬ 
genannten Läsionen liegt viel näher; es scheint nur wunderbar, dass 
dieselbe überhaupt im Dunklen bleiben konnte. Der Hohlraum des 
Augapfels ist durch das Linsensystem in zwei, von einander völlig 
getrennte, communicationslose Abschnitte getheilt, deren einer von dem 
Kammerwasser, deren anderer von dem Glaskörper ausgefullt wird. 
Beide siftd getrennt durch die Linse mit ihren Befestigungsmitteln, welche 

*) Zur sog. Commotio retinae. Klin. Mon. Bl. f. Augenh. 1873. S. 74. 

**) cfr. Schmidt-Rimpier im Archiv f. Augenh. XII. S. 146. 


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266 


nicht lose flottirend oder leicht beweglich, sondern derart straff gespannt 
sind, dass sogar im Ruhezustände der Accommodation die Form der 
Linse entgegen ihrem elastischen Gleichgewicht hierdurch abgeflacht er* 
halten wird. Spannung der Zonola und Spannung der Linsenkapsel 
stellen den physiologischen Ruhezustand des Auges dar. Demnach muss 
jede Contusion mit ihrer consecutiven Steigerung des intraocularen 
Druckes auch zur weitergehenden Dehnung dieser straff gespannten 
Scheidewand fahren, sei es, dass die Drucksteigerung zunächst (bei 
Contusionen der vorderen Peripherie) das Kammerwasser oder (bei 
Contusionen der seitlichen und hinteren Peripherie) den Glaskörper 
betrifft. Und ist die Drucksteigerung eine heftige und plötzliche, so 
fuhrt sie auf diesem höchst einfachen Wege nicht bloss zu weitergehender 
Dehnung, sondern zu Zerreissung im Bereiche der Zonola und der Linsen¬ 
kapsel. Es leuchtet unmittelbar ein, warum die häufigere Läsionsfolge 
die Ruptur der Zonula, die seltenere diejenige der Linsenkapsel ist: 
letztere stellt gleichsam eine verdoppelte und durch die Linse selbst 
gefestigte Gewebslage dar. Es leuchtet nicht weniger ein, dass die un¬ 
gleiche Dehnung der vorderen und der hinteren Linsenfläche in jedem 
einzelnen Falle auch ohne Kapselriss so Berstungen und consecutiven 
Trübungen des Linsengewebes fuhren kann, wiewohl das thatsächliche 
Vorkommen solcher Fälle noch nicht unbestritten steht Und es hat 
schliesslich nichts Befremdendes, dass auch allgemeine Erschütterungen 
des Kopfes oder des Gesammtkörpers zu den besprochenen Rupturen 
führen. Ein Fall auf den Hinterkopf z. B. veranlasst nothwendigerweise 
bei plötzlicher Hinderung der Rückwärtsbewegung des Kopfes ein ebenso 
plötzliches Andrängen (des Glaskörpers gegen die hintere Bulbuskapsel 
und) des Kammerwassers gegen das Linsensystem, was ja auch bei dem 
local beschränkten Effect der Contusion des Bulbus von vorn der Fall 
ist. Der unklare Begriff einer mittelbaren Erschütterung des Augapfels 
wird dadurch aufgelost in seine wirksamen Componenten. 

Zurückkehrend zu den Läsionen der Iris klärt auch hier ein Theil 
durch den gleichen Vorgangs-Mechanismus sich befriedigend auf. Die 
Rupturen der inneren Peripherie bei verengerter und gespannter Iris, die 
Umstülpung bei erschlaffter Iris, die traumatische Irideremie unter be¬ 
sonderer Ungunst der Verhältnisse, — Alles das sind einfache Folgen 
des plötzlichen Andrängens des Kammerwassers von vorn her auf die 
Regenbogenhaut, zumal wenn letztere bei enger Anlagerung an die LinsO 
mit dieser oder vielmehr deren Centrum ein andersartig combinirtes 
Septum bildet und die Communication zwischen den beiden Kammern 


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267 


gleichfalls sperrt, im entgegengesetzten Sinne, wenn ein plötzlicher Ab¬ 
schluss des Kammerwassers die Linse und das hintere Kammerwasser 
von hinten her gegen die Iris andrängen lässt Ob übrigens der gleiche 
Mechanismus nicht auch für die Entstehung der Dialysen der Iris der 
maassgebende ist, soll zunächst nur angedeutet werden, obwohl eine 
zustimmende Beantwortung dieser Frage berechtigt erscheint 

Im hinteren Bulbus - Abschnitt sind das häufigste Yorkommniss 
ßefässzerreissungen und als deren Folge Blutextravasate, bedingt 
durch die mannigfaltigsten DehnungsVorgänge, welche einer nochmaligen 
Erörterung nicht bedürfen. Bei den dünnwandigen Gefäss- besonders 
Venenstämmchen genügt offenbar jede plötzliche Dehnung, um Zer- 
reÜBungen herbeizuführen; die stärkeren Stämmchen, zumal die Arterien, 
laufen Gefahr mehr dann, wenn die Dehnung in der Nähe eines stärker 
befestigten Punktes, einer Durchtrittsstelle stattfindet, wodurch die 
Verschiebbarkeit des Oefässes vermindert wird. Für den Entstehungs- 
Meehanismns ist es dann gleichgiltig, ob der Bluterguss zwischen Chorio- 
idea und Sclera oder zwischen Chorioidea und Retina sich ausbreitet, ob 
er letztere durchbrechend in den Glaskörper eindringt oder vielleicht auf 
das Gewebe der genannten Membranen beschränkt bleibt. 

Eine geschlossene und charakteristische Gruppe, obwohl dem Ur¬ 
sprünge nach sehr verschiedenartig zu deuten, bilden die Ablösungen 
der Netzhaut In erster Reibe für die Deutung ihrer Entstehung 
kommt die Zeit derselben in Betracht Und entgegen der absoluten 
Häufigkeit dieser Affectionen erscheint es nothwendig zu betonen, wie im 
unmittelbaren Anschluss an die stattgehabte Verletzung Netzhautab¬ 
lösungen relativ selten zum Nachweis gelangt sind. Die weit überwiegende 
Mehrzahl ist erst in einem späten Zeitstadium festgestellt und lässt dann 
zunächst immer einen secundären Ursprung vermuthen. Dass Netzhaut- 
ablösungen umfangreicher und bleibender Art als unmittelbare Consequenz 
von subretinalen Blutergüssen auftreten, ist nicht zu bezweifeln. Einer 
der ausgeprägtesten Fälle dieser Art ist von Höring*) veröffentlicht 
worden. Ebenso zweifellos aber sind bald nach der Verletzung auch 
Ablösungen der Netzhaut mit unblutiger, seröser Flüssigkeitsansammlung 
nachgewiesen worden, und es scheint dann kaum anders möglich als an¬ 
zunehmen, dass jene Flüssigkeitsansammlung aus dem Glaskörper durch 
eine Rupturstelle unter die Netzhaut eingedrnngen sei, da es unerklärlich 
ist, wie andernfalls zwischen den eng an einander liegenden Membranen 

*) Oculistische Kriegs-Casuistik aas der Augenklinik in Ludwigsburg. Klin. 
Mon. Bl. f. Augenh. 1871. 


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268 


der Netzhaut und der Aderhaut sich ohne Extravasations- und Entzun- 
dungsvorgänge eine solche Flüssigkeitsansammlung bilden sollte. Auch 
wenn man einen primären Ablosungsvorgang voraussetzt, liegt immerhin 
noch kein Motiv vor für die Flussigkeitsansammlung, der entgegen 
vielmehr durch den intraocularen Druck die Netzhaut an die Aderhaut 
fest angedruckt erhalten werden musste. Die Möglichkeit dazu wird 
erst durch die Ruptur der Netzhaut herbeigeführt. Es bedarf nach den 
allgemein gegebenen Erörterungen keiner besonderen Discussion, wie be¬ 
liebige ungleichmäs8ige Dehnungsvorgänge an der Bulbuskapsel zu solchen 
Rupturen der zarten Netzhaut fuhren können, zumal deren Sitz an keiner¬ 
lei Regeln gebunden ist Indess bedingt eine blosse Ruptur immerhin 
nicht ohne Weiteres auch Ablösung der Umgebung, und thatsächlich 
kommen ja auch dergleichen Rupturen ohne coincidirende Ablösung vor. 
Das Punctum saliens liegt vielmehr in der Frage, wie die Ablösung 
sich zur Ruptur gesellt Und hierfür liegt es allerdings am nächsten, 
die Ablösung als Folge der Ruptur gelten zu lassen, insofern die letztere 
Bedingungen erzeugt, unter denen die anpressende Druckwirkung des 
Glaskörpers modificirt wird. Die Ruptur bietet die Möglichkeit, dass — 
selbst nur unter der normalen Spannung der Netzhaut — letztere sich 
retrahirt oder dass die Kugelkappe sich der Basalfläche des beliebig 
grossen Kugelsegments nähert, unter allmählichem passiven Eindringen 
von Glaskörperfiüssigkeit zwischen Netz- und Aderhaut Die Leichtig¬ 
keit, mit welcher am geöffneten Leichenauge sich die Netzhaut von der 
Aderhaut spontan ahhebt, die Häufigkeit von Netzhautablösungen am 
Lebenden nach den mannigfaltigsten Ursachen, die übliche Vergrösserung 
bestehender Netzhautahlösungen mit der Zeitdauer ihres Bestehens — 
sind Beweise für die allgemeine Disposition der Netzhaut zur Ablösung 
von der Chorioidea, für die zarte Natur der Verbindung dieser beiden 
Membranen, denen übrigens auch jede Gefässverbindung fehlt; für so ge¬ 
staltete Verhältnisse genügt dann auch die leichteste gegenseitige Ver¬ 
schiebung, um die Trennung der Contiguität herbeizuführen. Kommen 
hierneben noch locale Einflüsse in Betracht mit einer auch nur minimalen 
Mitwirkung auf geringe Verschiebung der Netzhaut gegen ihre Unterlage, 
so wird der geschilderte Vorgang nur um so wahrscheinlicher und durch¬ 
sichtiger. Wir haben damit zwei Formen von traumatischer Netzhaut¬ 
ablösung gewonnen, diejenige durch subretinale Blutextravasate und die¬ 
jenige durch Ruptur der Netzhaut. Um die Aetiologie der Netzhautab¬ 
lösungen zu erschöpfen, sei noch binzugefügt, dass die späten Ablösungen 
sich anders erklären, nämlich durch Schrumpfungsvorgänge im Glas- 


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269 


körper oder Krümmungsanomalien der Bulbuskapsel, mögen directe 
Verletzungen, Rupturen, organisirte Blntextravasate zu Grunde liegen. 

Und nun endlich zuruck zu dem Ausgangspunkte dieser Erörterungen, 
den Chorioidealrupturen und deren Entstehung. Zunächst bedarf die 
diagnostische Beceichnungsweise noch einer kurzen Klarstellung. Mit 
dem Namen der Chorioidealrupturen sind zwei wesentlich differirende 
Reihen von intraocularen Veränderungen bezeichnet worden. Der Unter¬ 
schied in dem objectiven Befund besteht darin, dass die einen als schmale, 
meist bogenförmig die Papille umkreisende, weiss gefärbte Streifen oder 
Sicheln beschrieben sind, die anderen dagegen als ausgedehnte Plaques 
von verschiedensten Formen, gleichfalls weiss gefärbt, aber ohne be¬ 
stimmten Sitz und meist mit ganz bedeutender Pigmentanhäufung in un¬ 
mittelbarer und weiterer Umgebung. Als Prototyp der letzteren Kategorie 
kann ein von Cohn*) veröffentlichter Fall in Bezug genommen werden, 
welcher nachher in der Litterator viel umstritten worden ist Cohn 
selbst hat unter Anführung des Wald ey er'sehen Sectionsresultats die 
Affection als Chorioretinitis mit fibröser Entartung der Retina und Atrophia 
Chorioideae gedeutet Dem gegenüber hat v. Oettingen**) in jenem 
selbigen Falle die constatirten Veränderungen auf einen complicirten 
Chorioidealriss mit bedeutender entzündlicher Reaction bezogen unter 
Vergleich mit einer Anzahl eigener Beobachtungen; er beruft sich für 
diese Auffassung unter Anderem auf den pathologisch-anatomischen Be¬ 
fand nach welchem „im Bereich der weissen exsudirten Stellen die 
Chorioidea sich nur noch durch das Vorhandensein vereinzelter pigmen- 
tirter Zellen 46 markirte. Goldzieher***) zieht jenen Fall von Neuem her¬ 
an, um gegenüber der Diagnose von Aderhautruptur diejenige der 
plastischen Chorioretinitis zu stützen; der letztgenannte Autor beruft 
sich hierfür auf den Befund „einer exsudativ - entzündlichen aus der 
Chorioidea hervorgegangenen Masse, in welche Retina und Chorioidea 
anfgegangen waren 44 . Berlinf) endlich tritt dieser Auffassung unter 
eingehender Detaillirung des Sectionsbefundes entgegen, betont die aus¬ 
gesprochene Zellenarmuth der sogenannten exsudativen Producte, die 
Atrophie des chorioidealen Gewebes und die Integrität des Corpus ciliare, 
and charakterisirt den pathologischen Process als regressive Metamorphose 

*) Schussverletzungen des Auges. Erlangen 1872. Beob. 28. 

**) Die indirecten Läsionen des Auges bei Schussverletzungen der Orbitalgegend. 
Stuttgart 1879. S. 62. 

***) Wiener med. Wochenschrift. 1881. No. 16 und 17. 

f) Ibidem No. 27 und 28. 


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einfach hämorrhagischer Prodacte. Es ist gerechtfertigt, bei dieser Auf¬ 
fassang stehen za bleiben and auf Grand der Ton Berlin näher ausge¬ 
führten Deductionen auch die zahlreichen analogen Fälle der Litteratur, 
d. h. die ganze oben zosammengefasste Kategorie, za deaten als Aasdruck 
umfangreicher regressiver Metamorphose der Retina and Chorioidea, be¬ 
dingt durch chorioideale and sabchorioideale Blatangen, zum Theil mit 
Organisation des Extravasats. 

Die eingreifende Wichtigkeit des gewonnenen Resultats für die hier 
in Frage stehenden Verhältnisse springt in die Aogeq und rechtfertigt 
wohl die scheinbare Abschweifung. Nicht die etwaige Chorioidealser- 
reissung tritt in jener ganzen Kategorie von Fällen in den Vordergrund, 
sondern die Folge der Gefässraptar, welcher letzteren gegenüber es im 
Endeffect von untergeordneter Bedeutung ist, ob gleichzeitig eine Zer¬ 
reissang des Chorioidealgewebes stattgefanden habe oder nicht. Mit 
welchem Recht aber darf man die Zerreissung von Chorioidealgefässen 
von den Zerreissungen des Chorioidealgewebes abtrennen? Principiell 
and genetisch ist in allen diesen Fällen die Zerreissang des an sich ge- 
fässhaltigen Chorioidealgewebes das za Grande Liegende, and es ist 
lediglich ein Zufall, ob die Raptar an einer gefässreichen oder gefäss- 
armen bezw. gefässlosen Stelle der Chorioidea eintritt Mit Fug und 
Recht würde man vielmehr nur Chorioidealruptaren mit Blatextrav&s&t 
and solche ohne (erheblichere) Blatang za unterscheiden haben. Damit 
fällt aber die ganze Charakteristik, welche ans der Oertlichkeit der sog. 
typischen Chorioidealruptaren entspringt, als gegenstandslps in sich zu¬ 
sammen, die auf jene gestützten Erklärungen des Entstehungs-Mechanismus 
werden hinfällig und — sie werden überflüssig. Als bedingendes 
Moment bleibt nur die Dehnung der Balbuskapsel bestehen, in deren 
Gefolge die Chorioidea hier und da Continuitätstrennungen erfahren kann, 
ohne wesentlichen Unterschied der Localität, nur mit den hiervon ab» 
hängigen Folgen grosserer oder geringerer Blutextravasate. Dass in 
diesem Sinne Chorioidealzerreissangen an der Stelle der Gewalteinwirkung 
infolge der örtlichen Impression und Dehnung der Kapsel häufig sind, 
bedarf nach den allgemeinen Erörterungen nur dieser Erwähnung, dass 
sie auch an anderen Stellen Vorkommen kann, hat als Folge der allge¬ 
meinen Dehnungsvorgänge nichts Befremdendes, und dass sie in den 
letztgenannten Fällen mit Vorliebe in der Umgebung des Sehnervenein¬ 
tritts and concentrisch zur Papille auftreten, dafür dürfen die eingangs 
dieser Erörterungen unbeanstandet gebliebenen Lagerangs- und Textar- 
verhältnisse etc. gewiss geltend gemacht werden, wenn auch nicht mehr 
mit dem Anspruch aaf die gleiche ausschlaggebende Bedeutung. 


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'*■ ■ 


- 271 — 


Das Gesammtresultat der im Vorstehenden nnternommenen 
Erörterungen gipfelt hiernach in dem ausschliesslichen Recurs 
auf directe örtliche oder auf allgemeine Dehnungsvorgänge 
an der Bulbuskapsel, daneben auf solche, an deren intr&ocu- 
larer Scheidewand (Linsensystem und Iris); nur die Intensität 
und Localität der Gewalteinwirkung bedingt die selbstver¬ 
ständlichen Unterschiede der oonsecutiven Affectionen. 


Aerztliche Verbandtasche för Manöver- nnd Feldzwecke. 

(Ungefärbtes Kleidertuch als Verbandstoff.) 

Von Stabsarzt Dr. Ftashar. 

Im Manöver wie im Felde soll der Arzt Verbandtasche (und etwas 
Verbandmaterial) stets bei sich fuhren. Die Frage aber, wie und wo er 
dasselbe unterzubringen habe, ist bei den antiseptischen Anforderungen 
heut noch schwieriger zu beantworten, als früher. Jedenfalls sieht es mit 
der Antiseptik „faul“ aus, wenn Verbandmaterial in durchschwitzten 
Taschen oder im Verein mit dem Frühstucksbrötchen und dergl. con- 
servirt werden muss. 

Wohl Jeder suchte dem factisch vorhandenen und empfundenen 
Nothstande auf irgend eine passende Art abzuhelfen. Ich möchte nach¬ 
stehend eine besonders construirte Verbandtasche beschreiben, die sich 
mir seit ca. 4 Jahren recht gut bewährt hat 

Da man das Verbandzeug in den Kleidern nicht antiseptisch erhalten 
kann, muss es nothwendigerweise ausserhalb derselben getragen werden. 
Ich habe mir zu dem Zweck eine Tasche anfertigen lassen, die äusser- 
lich dem Futteral eines Krimstechers täuschend ähnlich sieht und ebenso 
wie dieser getragen wird. Von diesem unterscheidet sie sich nur durch 
steife Wandungen. Die Grössen Verhältnisse dieser Tasche sind folgende: 


GeBammthöhe (geschlossen).15,0 cm, 

Hohe ohne Deckel.13,0 - 

Deckelrand ..3,0 - 

LängsdurchmesBer oben .15,0 - 

do. unten .14,0 - 

Querdurchmesser oben.8,0 - 

do. unten .5,0 - 


Beim Verschluss überdeckt der Deckel, welcher sich an einem Leder- 
chamier nach rückwärts öffnet, um ca 1 cm die Tasche, so dass diese fest 

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272 


geschlossen ist, wenn der Deckel mit einem kleinen Riemchen an einer 
an der Tasche befindlichen Schnalle festgezogen wird. Auf der Innenseite 
des Deckels ist in der Mitte ein Täschchen befestigt, welches Nadeln 
und Seide enthält. Dieses Täschchen wird durch eine feste lederne 
Klappe, die sich in entgegengesetzter Richtung, wie der Deckel offnen 
lässt und gleichsam einen doppelten Boden des Deckels bildet, völlig ver¬ 
deckt. Auf der Innenseite dieser Klappe sind durch Lederösen befestigt 
die nöthigsten Instrumente der Verbandtasche, wie Doppelbistourie, Scheere, 
Sonde, Lancette, Schieber- und Hakenpincette bequem untergebracbt. 
Wenn diese Klappe umgelegt und der Deckel der Tasche geschlossen ist, 
liegt das Instrumentarium fest und übt auf den übrigen Inhalt der Tasche 
einen ausreichend festen Druck aus, um auch diesen in unverrückbarer 
Lage zu erhalten. 

Der Raum der Tasche selbst ist folgendermaassen verwerthet. An 
der nach vorn gelegenen innern Fläche befindet sich in der Mitte eia 
senkrecht gerichtetes Täschchen von der Breite und Tiefe, dass eine 
Pravaz’sche Spritze genau hineinpasst und durch Zug von oben her leicht 
hervorgezogen werden kann. Beiderseits von diesem Täschchen sind je 
drei rundliche lederne Behälter angebracht, in denen genau einpassende 
Fläschchen (also 6), von ca. 5,5 cm Höhe und mit Glasstöpseln versehen, 
fest Unterkommen. Die Glasstöpsel ragen über den Rand der Tasche 
nach oben und werden bei Schliessung der Tasche durch deren Deckel 
in ihrer Lage so fest erhalten, dass eine Verschüttung des Inhalts unmöglich 
ist. Die Fläschchen sind signirt und enthalten einerseits Stoffe zur sab- 
cutanen Injection, wie Chinin-, Morphium-, Carbolsäurelösung und Spirit, 
aether.; andererseits Jodoform und Sublimat zu Verbänden. — In dem noch 
übrigen Raum der Tasche sind untergebracht 2 Mullbinden, die schon 
einen grösseren Verband ermöglichen (5 cm breit), ein in Wachspapier 
zusammengepresstes vorher carbolisirtes Badeschwämmchen, ein kleines 
Holzbüchschen mit Heftpfiasterstreifen (PauIcke, Leipzig), ein Stack 
Wachstaffet, 2 Federposen, ein kleines Glas trieb terchen (6 cm hoch) und ca. 
30 cm schwarzen Gummischlauchs. Letzterer dient event. zur Compression 
bei Blutungen, andererseits ist er mit dem Glastrichter zusammen als 
Hörrohr zu benutzen (Trichter auf die zu behorchende Körpergegend, 
Gummischlauch mit freiem Ende in den Gehörgang); im Verein mit der 
Federpose sind Trichter und Schlauch auch als kleiner Irrigator zu ver¬ 
wenden; Federpose ist event. als Drainrohr zu brauchen. 

Ausser dem Genannten ist in der Tasche noch in Wachspapier ein- 
gewickeltes antiseptisches Verbandmaterial enthalten, das unten besonders 
beschrieben werden soll. 


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- 273 — 


Der Raum der Tasche ist hierdurch ausgefüllt, allenfalls konnte noch 
ein kleines Päckchen comprimirter Verbandwatte Platz finden. 

Die Tasche ist ans Leder fest gearbeitet, so dass sie aoch Wind und 
Wetter abersteht, äusserlich von der Farbe and Form des Krimstecher- 
Fotter&ls, so dass sie nach unten *u im Querdurchmesser sich etwas ver¬ 
jüngt and wird an einem schwarzen Riemen, welcher in Oesen am die 
Tasche herumführt, wie ein Krimstecber getragen. Durch einen zweiten 
Riemen, welcher in 2 Oesen an der Rückseite der Tasche läuft und jeder¬ 
zeit leicht entfernt werden kann, lässt sie sich beim Reiten am Leib so 
befestigen, dass sie ihre Lage behält 

Die Tasche hat sich mir bisher gut bewährt; sie war vor mehreren 
Jahren (1881) durch Vermittelung des Instrumentenmachers Thamm in 
Berlin angefertigt und kostete ohne Inhalt 12,50 Jft.*) 

Oegen die Art, sie zu tragen, dürfte nicht viel einzuwenden sein; ein¬ 
mal herrscht die Nothwendigkeit vor, das Instrumentarium ausserhalb 
des eigenen Körpers unterzubringec; ausserdem trägt der Offizier den 
Krimstecher so vielfach in gleicher Weise, dass es nicht auffallen kann, 
wenn der Arzt scheinbar dasselbe Ding mit anderem Inhalt ebenso trägt. 

Für Interessenten bin ich zu genaueren Angaben, wie sie zur Anfertigung 
erforderlich sind, gern bereit. — 

Das antiseptische Verbandmaterial, das ich bisher in jener Tasche 
führte, ist ungefärbtes Kleidertuch von besserer Sorte als Commisstuch. 
Es sieht aus, wie weisser Flanell, hat aber viel dichteres und dickeres 
Gewebe. 

Ich hatte aus einer Tuchfabrik 1 Meter Tuch in ungefärbtem Zustande 
bezogen, dasselbe mit der Münnich-Bruns’schen Masse (unter Zusatz 
von Jodoform) imprägnirt und dann in Stücke von 10—15 qcm geschnitten. 
Solche imprägnirte Verbandstücke sind in Wachspapier (ca. 3—4 Stück) 
in der Tasche untergebracht. 

Die ersten Versuche vor ca. 3—4 Jahren ergaben, dass ein Stück 
Rindfleisch in solch imprägnirtes Tuch fest eingewickelt über V 4 Jahr 
im Sommer in freier Luft Tag und Nacht bei Regen und Sonnenschein 
hingen konnte, ohne zu verderben (es war nur eingetrocknet). Die 
imprägnirten Tuchstücke wurden nachdem in Wachspapier in einer vier¬ 
eckigen Blechbüchse verwahrt und haben auch heut noch antiseptische 
Kraft, obgleich mehrere Jahre darüber vergangen sind. 

Auf diese Imprägnirung kommt es heut wohl nicht mehr an, da solcher 

*) Genau nach dem ersten Muster fertigt sie jetzt nach dem Tode Thamm’s 
Herr Instrumentenmacher Detert, Berlin W., FransOsischestr. 53. 

19* 



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andere Stoffe, besonders Soblimatlösung, vorgezogen werden wurden. Ich 
habe mich aber seither immer mit der Vorstellung getragen, dass ungefärbtes 
Kleidertuch, etwas stärker wie Commisstuch, für Feldzwecke ein recht 
passendes Verbandmaterial abgeben musste. 

Man wird ja immer trennen müssen zwischen Verbandmaterial für 
Feld- und Kriegslazarethe einerseits und für Verbandplätze auf dem Schlacht¬ 
feld (incl. Krankenträger) andererseits. Bei letzteren, namentlich bei den 
Krankenträgern, kommt es doch vornehmlich darauf an, den Verwundeten 
transportfähig zu machen und vor Sepsis zu schützen. Es erscheint nichts 
einfacher, als die Wunde mit einem Sublimat-Tuchstück von oben genanntem 
Umfang event. in doppelter bis dreifacher Lage zu bedecken und dieses 
mit dreieckigem Tuch oder Binde zu befestigen. Die Imbibitionsfähigkeit 
des Tuches ist für die Transportzeit ausreichend und doch nicht zu gross, 
schliesslich auch durch doppelte bis dreifache Lage resp. durch Befeuchtung 
zu modificiren. Mit einem Tuchballen aber von 25 Metern, aus dem sich 
nach und nach ca. 1500—2000 Tuchstücke schneiden lassen und welcher 
als ganzes Stück wenig Platz braucht, kann ein Sanitäts-Detachement 
viele Schlachten hindurch, ja selbst für einen kurzen Feldzug auskommen 
mit Unkosten von ca. 150 Mark. Tuchstreifen von etwa 0,5 cm Breite 
werden sich ausserdem auch zur Ableitung von Secreten benutzen lassen, 
wenn sie statt Drainrohren in Wunden eingeführt werden; auch Binden 
aus Tuchstoffen würden oft gute Verwendung für antiseptische Zwecke 
finden. 


Die militärärztlichen Fortbildungscurse za Berlin im Frühjahr 1886. 


Nachdem in diesem Jahre das Programm der militärärztlichen Fort¬ 
bildungscurse zu Berlin einen gewissen Abschluss erfahren hat, wird es 
für die Leser der Zeitschrift interessant sein, sich einmal im Zusammen¬ 
hänge zu vergegenwärtigen, was Ihnen bei dieser Oelegenheit geboten 
wird, und wie sich der Verlauf der Curse zu gestalten pflegt. 

Es ist bekannt, dass ausser den Berliner Cursen auch in Königsberg, 
Greifswald, Halle, Breslau, Marburg, Bonn, Rostock, Gottingen, Giessen, 
Freiburg und Strassburg alljährlich Fortbildungscurse von gleichfalls 
dreiwöchentlicher Dauer für Assistenzärzte des Beurlaubten- und des 
Friedensstandes gehalten werden. Ein näheres Eingehen auf diese Curse 
ist nicht beabsichtigt. Sie unterscheiden sich in den Hauptfächern nicht 
wesentlich von den Berliner Cursen, welche als Prototyp der ganzen 


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Einrichtung dienen können. Anf einzelne Verschiedenheiten wird, wo es 
hingehört, Bezug genommen werden. 

Die Frühjahrscurse in Berlin sind in zeitlicher Folge für Assistenz- 
ond Oberstabsarzte bestimmt; der Stabsarztcnrsus fallt in den Herbst. 

Zorn Assistenzarztcursus, der vom 8. bis 27. März fiel, waren 
30 Assistenzärzte der Armee, 2 der Marine* commandirt, unter ersteren 
2 vom XIIL (Königlich Wurttembergischen) Armeecorps. 

Am Oberstabsarztcursus waren 27 preussiscbe und zwei württem- 
bergiscbe Oberstabsärzte betheiligt, ausserdem — ausnahmsweise — 
2 Stabsärzte der Armee und einer der Marine. Dieser Cursus begann 
am 29. März und schloss am 17. April. 

Das Lehrprogramm umfasste, wie bisher: 

1. Topographische Anatomie. Lehrer Geh. Med. R. Prof. Dr. 
Waldeyer, diesmal durch Krankheit an der Abhaltung des Unterrichts 
fast ganz verhindert und durch den Prosector Prof. Dr. Hartmann 
vertreten. 

2. Operationsubungen an der Leiche. Dieselben wurden während 
des Assistenzarztcursus vom Geh. O. M. R. Prof. Barde leben, unterstützt 
vom Oberstabsarzt Köhler, geleitet; während des Oberstabsarztcursus 
vom Geh. Med. R. Prof. v. Bergmann. 

3. Medicinische Curse verbunden mit praktisch diagnostischen 
Uebungen, unter Leitung des Prof. Fraentzel. 

4. Ophthalmologischer und ophthalmoskopischer Cursus 
unter Leitung des Geh. Med. R. Prof. Sch weigger (nur für die Oberstabs¬ 
ärzte). 

5. Hygienische Curse unter Leitung des Geh. Med. R. Prof. Koch 
und seiner Assistenten. Diese Curse wurden für die Assistenzärzte in 
Gestalt praktischer Uebungen, für die Oberstabsärzte als Vorlesung mit 
Demonstrationen abgehalten. 

Zur geschäftlichen Assistenz der Lehrer war Stabsarzt Roch8 vom 
Friedrich-Wilhelms-Institut commandirt. Derselbe betheiligte sich auch 
tls wissenschaftlicher Assistent, wo sich ihm Gelegenheit bot. 

Die Durchführung des reichhaltigen Programms gestaltete sich 
folgendermaassen. 

In der Anatomie wurde gleichartig in beiden Cursen die Topographie 
des ganzen Körpers an der Hand frischer und conservirter Präparate 
dorchgenommen. Hierbei wurde vornehmlich auf diejenigen Gegenden 
gerücksichtigt, welche bei chirurgischen Eingriffen eingehendere Rücksicht 
erfordern. Eine Stunde für sich war der Demonstration des Situs gewidmet. 


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Die Einrichtung der Operationsüb ungen unterschied sich im All* 
gemeinen nicht von der aberall üblichen. Das Leichenmaterial, im 
Mittel V/i Leichen auf den Theilnehmer, erlaubte eine reichliche Be¬ 
schäftigung jedes einzelnen, so dass die meisten Commandirten die wichtigeren 
Operationen mehr als einmal ausführen konnten. Als eine sehr wesent¬ 
liche Bereicherung des Programmes und mit lebhaftestem Dank wurde 
es aufgenommen, dass Geh. R. v. Bergmann in der letzten Woche die 
Oberstabsarzte zu Krankenvorstellungen und Operationen in die chirurgische 
Universitätsklinik einlud und dort die Technik des antiseptischen Dauer¬ 
verbandes eingehend demonstrirte. Es sei hier bemerkt, dass auch in den 
Provinzialcursen ausnahmslos der regelmassige Besuch der chirurgischen 
Klinik seitens der Herren Professoren als Cursnslehrern nicht nur gestattet, 
sondern gewünscht, und zu einem der interessantesten Abschnitte des Gursus 
gemacht wird. 

Prof. Fraentzel wiederholte auf seiner Abtheilung in der Charitö 
mit den Commandirten das Gebiet der medicinischen Diagnostik in 
allen ihren Einzelfachern. An die systematische Erörterung der Unter¬ 
suchungsmethoden schlossen sich praktische Uebungen im Auscultiren, 
Percutiren, Laryngoskopiren etc. sowie mikroskopische Uebungen in der 
Untersuchung von Sputis auf Tuberkelbacillen. Die Einfügung dieses 
letztgedachten Abschnittes in den medicinischen Gursus war von 2 Jahren 
von der Militar-Medicinal- Abtheilung des Kriegsministeriums angeordnet 
worden, um die Diagnose phthisischer Lungenerkrankungen seitens der 
Militärärzte so früh wie möglich zu sichern, und die Entlassung derartig 
Kranker schon in den ersten Stadien des Leidens zu ermöglichen. Mit 
besonderem Dank wurde eine Reihe von lichtvollen Vortragen entgegen¬ 
genommen, die Prof. Fraentzel den Oberstabsärzten über neuere 
therapeutische Fragen und Anschauungen hielt Er erörterte hier die 
Behandlung des Typhus, der Pleuritis und anderer wichtiger Affiectionen 
an der Hand seiner maassgebenden Arbeiten und Erfahrungen eingehend 
und begründete namentlich auch den nicht selten von den herkömmlichen 
Anschauungen abweichenden Standpunkt der heutigen Berliner Schule 
mit besonderer Genauigkeit und Kritik. 

Im ophthalmologischen Gursus nahm Prof. Schweigger in der 
ersten Woche die Refractionsanomalien durch, deren Kenntniss und 
objective Feststellung für den Militärarzt von besonderer Wichtigkeit 
ist Hieran schlossen sich praktische Uebungen im Gebrauche des 
Ophthalmoskops, sowie Kranken Vorstellungen, bei denen die Gelegenheit 
nicht fehlte, die derzeitige ophthalmologische Operations- und Verband* 


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technik, namentlich auch die Anwendung der Antiseptik in der Augen¬ 
heilkunde, kennen zu lernen. 

Mit besonderer Erwartung hatten die Commandirten den hygienischen 
Cursen entgegengesehen; und in der That, das Gebotene entschädigte 
für die damit verbundene, nicht unerhebliche Vermehrung des täglichen 
Arbeitspensums. Wie bereits erwähnt, war für die Stabs- und Assistenz- 
inte eine praktische, für die Oberstabsärzte eine theoretische Unter¬ 
weisung in Aussicht genommen worden. Zu diesem Zweck hatte die 
Behörde Fürsorge getroffen, dass die grossen, mit homogener Immersion 
versehenen Mikroskope, deren sich die Lazarethe an den Corps-Stabs¬ 
quartieren-seit einigen Jahren erfreuen, den Assistenzärzten nach Berlin 
mitgegeben wurden, um hier im hygienischen Institut zur Hand zu sein. 

Geh. Med. R. Koch liess die commandirten Assistenzärzte in zwei Ab¬ 
heilungen abwechselnd unter Leitung seiner militärärztlichen Assistenten 
täglich von 11—4 Uhr praktisch arbeiten. 

Bei diesen Uebnngen wurden zuerst die allgemeinen Untersuchungs- 
metboden in der von Koch angegebenen unübertroffenen Weise gelehrt. 
Es folgten die Reinculturen, die Bereitung von Nährgelatine und Gelatine- 
platten, Färbung der Bakterien, Anfertigung und Färbung von Schnitt¬ 
präparaten. Ferner Untersuchung pathogener Mikroorganismen, von 
Eher-, Typhus-, Tuberkelbacillen, Pneumoniekokken mit Einfach- und 
Doppelfärbung. Untersuchung von frischem Choleramaterial; Reinculturen 
im hohlgeschliffenen Objectträger, Fertigung von Deckglaspräparaten, 
die den Anfertigern verblieben. 

An die bakteriologischen Arbeiten schlossen sich täglich einstündige 
chemische Untersuchungen und Demonstrationen unter specieller Leitung 
des chemischen Assistenten des Instituts Dr. Proskauer. In diesen 
Stunden wurden Luft, Wasser, Boden, Milch und alkoholische Getränke 
zum Gegenstände der Betrachtung gemacht. Endlich hielt Geh. R. Koch 
persönlich von 4—5 täglich Vorträge über die Mikroorganismen in Wasser, 
Loft und Boden, ihre Dauerformen, Sporenbildung und Stoffwechsel; über 
Iufection und Infectionsmethoden bezw. Krankheiten, sowie über Desin- 
feciion. Specieü wurde auch hier die Cholera erörtert. 

Die Lehrgegenstände waren im Oberstabsarztcursus von den vor¬ 
stehend aufgeführten nicht verschieden, wenngleich sie den Commandirten 
nur in Gestalt von Vorträgen mit Demonstrationen durch die bereits 
genannten Herren vorgefübrt wurden. 

Es ist nicht nöthig besonders hervorzuheben, dass die Befriedigung 
über das Gebotene allgemein war und dass die sämmtlichen Lehrer 


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wohl wiederholt den Ausdruck des herzlichen Dankes haben entgegen¬ 
nehmen können, den ihnen die Coznmandirten gern aassprachen. Der 
Bericht wurde aber unvollständig sein, wollte man nicht anch der That- 
sache gedenken, dass mit jedem der Fortbildnngscnrse, in Berlin wie 
draussen, eine Pflege der Kameradschaft verbunden ist, deren fordernder 
Einfluss sich jetzt bereits offenbart Sind anch die Berliner Verhältnisse 
nicht danach angethan, den Commandirten die Vorzüge der überaus 
gastfreundlichen Aufnahme zn gewahren, welche dieselben in den Provinzial- 
Universitäten überall im Kreise der Offiziercorps finden, so geben doch 
auch hier die Abendstunden Gelegenheit zn fröhlichem und anregendem 
Meinungsaustausch. Abgesehen hiervon nahmen jedoch, alter guter 
Gewohnheit folgend, beide Curse Gelegenheit, einen besonderen Festabend 
in Gesellschaft der Lehrer zu verbringen. So versammelten sich am 
18. Marz die Assistenzärzte in den Kaiserhallen; die Oberstabsärzte am 
16. April im Hotel Impdrial. War bei dem enteren Fest Geh. R. Barde¬ 
leben der Mittelpunkt der Verehrung, so concentrirte sich bei letzterem 
der Ausdruck der allgemeinen Werthschätzung auf Geh. R. v. Berg¬ 
mann. Beide gefeierten Lehrer brachten, nachdem man ihrer dankbar 
gedacht, das Wohl des SanitätscorpB aus, dem beide selbst angehören 
und dauernd ihr Wohlwollen, ihr wissenschaftliches Können und ihr 
lebhaftes Interesse seit langem bethätigen. Auch sei nicht vergessen, 
dass bei dem Abschiedsessen des Oberstabsarztcursus ein schnell und 
allgemein beliebt gewordener Gast desselben, der finnische Oberarzt 
Dr. Wahlberg, in warmer und aufrichtiger Herzensäusserung deutscher 
Gastfreundschaft und deutscher Wissenschaft gedachte und mit seinem 
Hoch auf unser Vaterland jubelnden Beifall erntete. 

Der Gesammteindrack beider Fortbildnngscnrse lässt es ohne Rück¬ 
halt aussprechen, dass sowohl die leitende Behörde im Interesse der 
Armee wie jeder einzelne Theilnehmer im eigenen Interesse mit dem 
Verlaufe zufrieden sein kann. — . — 

Der militärärztliche Fortbildungs-Curaus für das XII. (Königl. 
Sächsische) Armee-Corps in den Winterhalbjahren 1884/85 
und 1885/86. 

Von W. Roth, 

Generalarzt 1. Classe and Corpsarzt. 

Wie früher, fanden auch in den beiden verflossenen Wintern in Dresden 
militärärztliche Fortbildungs-Curse und zwar der 14. (vom 13. X. 84 
bis 7. II. 85) und der 15. (vom 12. X. 85 bis 12. II. 86) statt. 


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Zu den erwähnten Cnrsen waren 1884: 6 Stabsärzte, 5 Assistenzärzte 
und 5 einjährig - freiwillige Aerzte commandirt, 1885: 5 Stabsärzte, 
3 Assistenzärzte, 1 Unterarzt, 10 einjährig-freiwillige Aerzte; ansser diesen 
nahmen im Jahre 1884 noch 6 Assistenzärzte 1. Claas©, 1886 3 Assistenz¬ 
ärzte 1. Classe des Benrlanbtenstandes während einer dreiwöchentlichen 
Dienstleistung behufs Erlangung der Qaalification zum Stabsarzt der 
Reserve besw. Landwehr an den Operations-Uebungen Theil. Von aus¬ 
ländischen Sanitäts-Offizieren betheiligten sich mit Genehmigung des 
Königlichen Kriegsministeriums noch im Jahre 1884 der Königlich Nor¬ 
wegische Militärarzt Ly che, 1885/86 der Kaiserlich Japanische Stabs- 
arztMori sowie der Oberarzt Wahlberg vom finnischen Garde-Schützen- 
Bataillon an den Vorträgen. 

In der Dauer der Vorträge war insofern den früheren Jahren gegen¬ 
über eine Abänderung getroffen worden, als der Curaus für die von aus¬ 
wärtigen Garnisonen befehligten Militärärzte nur bis zu Weihnachten 
dauerte, während für die in Dresden selbst stationirten Curstheilnehmer 
die Uebungen und Vorträge bis zu dem obengenannten Datum fortgesetzt 
worden. 

Verschiedene Veränderungen sind in dem Lehrpersonal zu verzeichnen. 
Die bisher vom Oberstabsarzt 1. Classe Tie tz geleiteten ophthalmoskopischen 
Uebnngen wurden in Folge Ausscheidens desselben aus dem activen 
Dienst im Jahre 1885 an den Stabsarzt Fischer übertragen und als 
Assistent bezw. Stellvertreter desselben trat Stabsarzt Hey mann ein. 

In Folge Berufung des bisherigen Lehrers der pathologisch-anato¬ 
mischen Uebungen, des Herrn Midicinalraths Birch-Hirschfeld zu der 
durch das Ableben des Professors C o h n h ei m erledigten Professur für Patho¬ 
logie an die Universität Leipzig wurden während des letzten Cursus diese 
Uebnngen an den neuernannten Prosector des hiesigen städtischen Kranken¬ 
hauses, Herrn Professor Nee Isen, übertragen. 

Herr Stabsarzt a. D. Credö, welcher in früheren Jahren chirurgisch- 
klinische Vorträge gehalten hatte, trat von seiner Lehrthätigkeit zurück. 
Der Lehrer der Operations-Uebungen, Stabsarzt Seile, hat die durch den 
Rücktritt des genannten Herrn entstandene Lücke in dem Lehrplan aus- 
gefüllt 

Ferner erledigte sich im Vorjahre auch noch die bisher vom Ober¬ 
stabsarzt Z ocher innegehabte Stelle als Lehrer für Militär-Medicinal- 
Verfassung durch Versetzung desselben nach Strassburg. Als Nachfolger 
desselben ist der Stabsarzt Müller eingetreten. 

Den genannten vier, aus dem Lehrverband ausgeschiedenen Herren 


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ist das Königlich Sächsische Sanitäts- Corps für ihre langjährige Lehr¬ 
tätigkeit zu aufrichtigstem Danke verpflichtet. 

Als neues Lehrfach ist zu den bisherigen im letzten Fortbildungsr- 
Cursus noch „Diagnostik der Brustkrankheiten Ä hinzugekommen, mit deren 
Leitung der Stabsarzt Balmer beauftragt wurde. 

Die einzelnen Lehrgegenstände angehend, so wurden die pathologisch¬ 
anatomischen Uebungen im Winter 1884/85 von Professor Birch- 
Hirschfeld, im Winter 1885/86, wie erwähnt, von Professor Neelsen 
geleitet. Die Zahl der Sectionen betrug in beiden Wintern über 50 und 
wurde denselben das für gerichtsärztliche Sectionen gültige Schema zu 
Grunde gelegt. Gleichzeitig wurde pathologisch-anatomisches Material 
von über 250 anderweitigen Sectionen verwerthet, auch Gelegenheit zu 
mikroskopischen und bacteriologischen Untersuchungen geboten. 

In dem vom Stabsarzt 8elle abgehaltenen Operations-Curaus 
wurden an 16 mit Wickersheimer’s Conservirungs-Flüssigkeit recht gut 
erhaltenen Leichen von 22 (bezw. 26) Theilnebmern in 50 (bezw. 54) Stunden 
948 (bezw. 964) Operationen ausgefuhrt. 

Gelegentlich der Vorlesungen aus der Kriegs-Chirurgie wurden die 
Grundsätze für die Behandlung der Schussverletzungen der Brust-, Becken- 
und Bauchhöhle, sowie der Gelenkschusswunden und Resectionen eingehend 
besprochen. Gleichzeitig fanden praktische Uebungen im Anlegen von 
Verbänden, besonders der Immobilisirungs- und Transportverbände, statt. 

Der im Jahre 1884/85 zum ersten Mal vom Stabsarzt Fischer 
geleitete Unterricht über Augen - Untersuchungen wurde in 26 
(bezw. 19) Stunden von 18 (bezw. 21) Zuhörern in derselben Weise, wie 
er bisher vom Oberstabsarzt Tietz gehandhabt worden war, ertheilt, 
wonach im 1. Theil des Cursus die objective Untersuchung insbesondere 
mit dem Augenspiegel, in der 2. Hälfte vorwiegend die functionelle 
Prüfung geübt wurde. Als pathologisches Material gelangten in beiden 
Cursen zur Demonstration und Untersuchung: 48 Hornhaut-, 23 LinBen-, 
8 Glaskörpertrübungen, 26 Netz- und Aderhautentzündungen, 8 Sehnerven- 
Atrophien, 79 Fälle von Kurzsichtigkeit, 57 Fälle von Hypermetropie, 
38 Fälle von Astigmatismus. Bei der functionellen Prüfung fand der 
Raum-, Licht- und Farbensinn, sowie die Simulation eingehende Be¬ 
sprechung. 

ln dem wie früher vom Oberstabsarzt Becker in 24 (bezw. 20) 
Stunden ertheilten Unterricht über Ohrenkrankheiten waren an der 
Hand praktischer Untersuchungen Ohrenkranker seitens der 16 (bezw. 17) 
Curstheilnehmer die wesentlichsten Capitel der Ohrenheilkunde Gegen- 


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stand der Besprechung. Es kamen iosgesammt 278 Kranke car Unter¬ 
suchung and Behandlung, welche an 388 Affectionen des Gehörorgans, 
sowie an verschiedenen, für den Militärarzt wissenswerthen Erkrankungen 
des Nasen* und Rachenraums and Kehlkopfes litten. 

Ueber innere Militär-Medicin hielt, wie in früheren Jahren, 
Oberstabsarzt Stecher 9 (bezw. 10) Vorlesungen and kamen in den* 
selben die wichtigsten Soldaten-Krankheiten an vorgeführten Patienten 
zur Besprechung. Erwähnt seien der Unterleibstyphus unter besonderer 
Würdigung seines epidemischen Auftretens in Armeen und der Massen¬ 
behandlung im Felde, die Malaria-Krankheiten, wobei gelegentlich der 
Verfälschung von Chininpräparaten gedacht und die Wirkung des Kairin 
and Antipyrin als Antipyretica eingehend besprochen wurde, die croupose 
Pneumonie und der acute Gelenkrheumatismus, Lähmungen peripherer 
Nervenstämme, die chronischen Herzkrankheiten und deren Beziehungen 
tum Militärdienste, Epilepsie mit besonderer Rücksicht auf Diagnose, 
Simulation und Militärtauglichkeit 

Die Vorträge über Militär-Medicinal-Verfassung wurden, wie 
erwähnt, während des letzten Cursus zum ersten Male vom Stabsarzt 
Müller gehalten. Nach einer eingehenden Darstellung der Geschichte 
des Militär -Medicinal -Wesens wurden die wichtigsten Reglements be¬ 
sprochen und im Anschluss seine praktischen Uebungen im Ausheben, 
in der Beurtheilung von Militärdienstfähigkeit und Invalidität, Ausstellung 
von militärärztlichen Zeugnissen und Anfertigung sonstiger schriftlicher 
Arbeiten abgehalten. 

In dem im Vorjahre zum ersten Male abgehaltenen Cursus über 
Diagnostik der Brustkrankheiten, mit deren Leitung der Stabs¬ 
arzt Balm er beauftragt war, wurde entsprechend der gestellten Aufgabe 
das Hauptgewicht auf das sichere Handhaben der diagnostischen Hülfs- 
mittel gelegt, daneben jedoch auch Aetiologie, Prognose und Therapie, 
soweit erforderlich, besprochen. Die Art des Auftretens und der Ver¬ 
breitung der genannten Krankheiten im Heere, ihr Einfluss auf den 
Dienst und ihr Verhältniss zur Dienstuntauglichkeit bezw. Invalidität 
fanden eingehende Erörterung. 

Die Vorlesungen des Generalarztes 1. Classe Roth über Militär- 
Gesundheitslehre erfuhren während des Winters 1884/85 in Folge 
Erkrankung des Vortragenden eine empfindliche Unterbrechung, während 
dieselben in dem letzten Cursus in der planmässigen Weise abgehalten 
werden konnten. In der ersten Hälfte der Vorträge — bis zu Weihnachten 
— wurde in eingehender Weise die allgemeine Hygiene: Wasser, Boden, 


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Laft, Ventilation, Heizung, Beleuchtung, Beseitigung der Abfallstoffe, 
behandelt, wahrend in dem zweiten Theile die epecielle Militär-Hygiene: 
Gasernemente, Lazarethe, Biwaks, im Lager, Marschhygiene und beweg¬ 
liche Lazarethe besprochen wurden. 

Ferner wurde im Anschluss an diese Vorlesungen eine Reihe 
hygienisch interessanter Anstalten besichtigt. Diese Besichtigungen 
betrafen mehrere Kasernen, das Garnison-Lazareth, die städtischen Wasser¬ 
werk e, das Dresdener Hoftheater, das Zellengefangniss, die grosse Kunst¬ 
muhle in Plauen bei Dresden, die Droguen-Appretur-Anstalt von Gehr 
& Co., die Gasanstalt, das Montirungsdepot, die Militär-Waschanstalt, 
Militär-Bäckerei, das Kornermagazin sowie schliesslich das Stadtkranken¬ 
haus zu Dresden. Schliesslich hielt Herr Hofrath Professor Topler in 
beiden Gursen einen ausführlichen hochinteressanten Experimental-Vortrag 
über die neuesten Fortschritte auf dem Gebiete der Electricität und zeigte 
insbesondere die Anwendung von Projections-Apparaten zum Zweck der 
Demonstration chemischer und physikalischer Vorgänge vor einer grosseren 
Zuhörerzahl. Es sei gestattet, ihm an dieser Stelle noch besonderen 
Dank auszusprechen. 

Die vom Oberstabsarzt Helbig gehaltenen Vorträge und Demon¬ 
strationen über hygienische Chemie verbreiteten sich über die all¬ 
gemeinen Eigenschaften der Gase, Wasser, speciell Trinkwasser- und Luft¬ 
untersuchungen. Im Anschluss an diese Vorträge fanden Uebungen in 
hygienischer Chemie statt Diese waren im Einzelnen dieselben wie in 
den Vorjahren und erstreckten sich vorwiegend auf Luft- und Wasser* 
Untersuchungen. Ausserdem worden von den in chemischen Arbeiten 
bereits Geübten Untersuchungen von Milch, Bier, Petroleum sowie 
quantitative Bestimmungen der Salpetersäure nach Schulze, ferner Kohlen¬ 
säure-Bestimmungen im Leuchtgase nach Rüdorff, Harn-Untersuchungen 
u. 8. w. durchgenommen. 

Mit der Leitung der bacteriologischen Vorträge und Demon¬ 
strationen war, wie in den Vorjahren, der Stabsarzt Schill beauftragt 
Nach eingehender geschichtlicher Entwickelung der Bacteriologie unter 
besonderer Würdigung des heutigen Standes der Wissenschaft sowie 
nach Besprechung derjenigen Krankheiten, als deren Enstehnngsursacben 
Mikroorganismen zur Zeit angenommen werden müssen, wurden die all¬ 
gemeinen Lebensbedingungen der verschiedenen Spaltpilze, ihre Fort¬ 
pflanzung, Nachweieung und Züchtung sowie deren Resistenz gegen 
chemische thermische Einflüsse, die Bedingungen der Wachsthum«* 
behinderung bezw. ihre Vernichtung und endlich dielmmunitätsfrage erörtert. 


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Die Vorträge über Train dienst sowie der Unterricht im Reiten 
wurden vom Lieutenant Maller des Train-Bataillons No. 12 in der 
üblichen Weise abgehalten nnd erstreckten sich die ersten aaf Beurtheilung 
and Wartung der Pferde, Stalldienst, Hufbeschlag unter Berücksichtigung 
der besonderen anatomischen Verhältnisse, Beschreibung des Reitzeuges 
und Geschirrs, Pferde-Krankheiten und den Traindienst bei der mobilen 
Armee. Der Reitunterricht wurde in 48 (bezw. 47) Stunden an je 10 
Theilnehmer ertheilt. Das angestrebte Ziel, ein Pferd in allen Gangarten 
mit Sicherheit und richtigem Tempo zu reiten, wurde von fast allen 
Theilnehmern in durchaus zufriedenstellender Weise erreicht. 

Der Bericht kann nicht ohne den Ausdruck des ehrerbietigsten 
Dankes an das Königliche Kriegsministerium geschlossen werden, welches 
von Neuem dem Fortbildungs-Cursus reichliche Mittel für die Anschaffung 
weiteren Lehrmaterials gewährt hat. 


Zar Casaistik der perforirenden Schädelschttsse. 

(Nach einem in der Berliner militärärztlichen Gesellschaft gehaltenen Vortrag.) 

Von Stabsarzt Dr. A. Koehler. 

M. H.l Durch die Güte des Herrn Geheimraths v. Bergmann bin 
ich in der Lage, Ihnen einen geheilten perforirenden Schädelschuss und 
das Präparat einer schnell letal verlaufenen derartigen Verletzung zu 
demonstriren. 

An dem geheilten Patienten sehen und fühlen Sie von seiner ge¬ 
fährlichen Verletzung nichts mehr, als an der rechten Stirnseite die kaum 
linsengrosse, nicht empfindliche, nicht pulsirende, ganz wenig eingezogene 
Narbe, welche noch mit einem kleinen Schorfe bedeckt ist. Weder an 
den Augen, nodh sonst im Gesicht und an den Extremitäten sind motorische 
oder sensible Storungen aufzufinden. Die Sprache ist normal, der Gang 
ist sicher, fest, nicht schwankend. 

Der Patient, 17 Jahre alt, hat sich vor drei Wochen mit einem 
Teschin (wie er angiebt, 6mm-Caliber) die Verletzung beigebracht. In 
der Königlichen Universitätsklinik ist ca. 10 Minuten später nach Rasiren, 
Reinigen und Desinficiren die Schussoffnung, ohne dass nach Kugel oder 
Knochensplittern gesucht wäre, mit einem Sublimatgazeverband bedeckt 
und ist unter demselben p. pr., ohne locale oder allgemeine Reaction, 
ohne Eiterung verheilt. Patient war eigentlich nur die vier ersten Tage 
krank; er klagte über Kopfschmerz, war benommen, schlief viel und 


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hatte deutliche Pulsverlangsamung (50 bis 60 pro Minute), dagegen 
fehlten: Bewusstlosigkeit, Erbrechen, Blutung aus Nase oder Ohr, Sugil- 
lationen an Lidern und Conj. bulbi. Ebenso fehlte jede Spur lähmungs- 
oder krampfartiger Zustande. Pulsverlangsamung und Schlafsucht bestanden 
nur vier Tage; seitdem hat Patient gar keine Beschwerden mehr; seit 
ca. acht Tagen ist er ausser Bett, geht den ganzen Tag umher und wird 
in nächster Zeit entlassen werden. 

Der Fall ist in mehrfacher Beziehung interessant; erstens als Bei¬ 
spiel der Heilung eines Schusscanals p. pr. unter dem feuchten aseptischen 
Blutschorf, auch ohne Entfernung der Kugel, und zweitens als neuer 
Beweis für die Toleranz der Stirnlappen. Eine Läsion im Bereiche der¬ 
selben (rechterseits) müssen wir, auch ohne dass sie direct oder durch 
Sondenunter8nchung nachgewiesen wäre, annehmen. Die Stelle der 
Schussöffnung, die vier Tage anhaltende Benommenheit mit Pulsver¬ 
langsamung sprechen dafür. Sie kann durch die Kugel selbst, durch 
abgesprengte Stücke der Tabula vitrea, oder durch einen comprimirenden 
Bluterguss oder durch mehrere dieser Ursachen zugleich bedingt sein. 
Es ist ja bekannt, dass an den Vorderlappen grosse durch Trauma oder 
durch das Wachsthum eines Tumors bedingte Defecte ohne Hirner¬ 
scheinungen verlaufen können. Von anderer Seite wird wieder berichtet, 
die betreffenden Patienten hätten an Gedächtnissschwäche, Abnahme der 
Intelligenz gelitten; seien theilnahmlos bis zur Stupidität, unsicher in 
ihren Bewegungen geworden. So waren diese Erscheinungen in einem 
Falle von Durante in Rom (Ret in Lancet 30. I. 86) mit der Ent¬ 
wickelung des schliesslich apfelgrossen Tumors im linken Vorderlappen 
aufgetreten und waren nach der erfolgreichen Exstirpation desselben 
wieder geschwunden. Meynert (W. m. W. 86. No. 13) und Munk ver- 
muthen in den Vorderlappen die Centren für die Muskulatur des Stammes, 
welche die Wirbelsäule fixirt, die Haltung des Rumpfes auf den unteren 
Gliedmaassen und so die Möglichkeit des aufrechten Ganges bewirkt. 
Jedenfalls müssen über diese Verhältnisse und darüber, ob zwischen rechts 
und links dabei Unterschiede bestehen, noch weitere klinische Erfahrungen 
gesammelt werden. Unser Patient zeigt nichts von alledem; weder 
psychische noch motorische Defecte sind an ihm zu entdecken. Es ist 
natürlich, dass wir auch in diesem Falle, wie bei allen Schädel Verletzungen, 
mit der Prognose trotz des günstigen Verlaufes vorsichtig sind. Es 
können noch nach langer Zeit bedenkliche Erscheinungen auftreten 
(Parö’s 100 Tage); wir müssen auch die Möglichkeit zugeben, dass das 
zurückgebliebene Geschoss durch Lageveränderungen oder aus anderen 


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Ursachen gefährlich werden kann, wenn hier nicht die höchst seltene 
definitive Einheilnng und Abkapselung einer Kugel im Schädel (vergl. 
v. Bergmann, Lehre von den Kopfverletzungen S. 185, Bardeleben, 
Bandbuch S. 75) stattgefunden hat 

Im Anschluss an diesen geheilten Fall besprechen wir das sehr 
interessante Präparat eines Doppelschädelschusses. 

Wir fanden während des letzten von Herrn Geheimrath v. Berg¬ 
mann geleiteten Operationscurses eines Morgens unter den aufgelegten 
Cadavern .den eines unbekannten (nicht mit Erkennungszettel versehenen) 
erwachsenen (anscheinend 30 bis 40 Jahre alten) Mannes mit hoch¬ 
gradigen rhachitischen Verbiegungen und Verkrümmungen namentlich an 
den unteren Extremitäten. 

Auf eine ausführliche Darstellung aller vorhandenen rhachitischen 
Veränderungen mochte ich hier wegen der Kürze der Zeit nicht ein- 
gehen; ich mochte nur hervorheben, dass in diesem Falle der Anfang 
der Krankheit nicht im ersten Lebensjahre, sondern erst später stattge- 
fnnden haben kann, als das betreffende Individuum schon umherlief. Man 
konnte das aus den fast monströsen Krümmungen der Beine schliessen, 
während die Wirbelsäule nicht so hochgradig verbogen und der Schädel 
ungefähr das Gegentheil von Craniotabes oder Pergamentschädel war, 
wie Sife gleich sehen werden. Was uns noch mehr als diese Veränderung 
interessirte, waren zwei Schussoffnungen am Kopf; eine kleinere an der 
rechten Schläfe, eine grossere, in deren Grunde diese erste Kugel lag, 
dicht oberhalb der Nasenwurzel. Die erstere als Eingangs-, die letztere 
als Ausgangsoffnung anzunehmen ging nicht an; denn das beinahe trichter¬ 
förmige Loch im Proc. nasal, war ebenfalls im Grunde und nächster Um¬ 
gebung verbrannt und geschwärzt (ohne die Scrzka 1 sehen Platzwunden 
der Haut). Es mussten deshalb zwei Schüsse angenommen und noch 
eine zweite 'Kugel gefunden werden. Der Schädel wurde von seinen 
Weichtheildecken entblosst und dicht oberhalb der ziemlich in einer 
Horizontalen liegenden Schussoffnung durchsägt. Das war sehr schwierig; 
die Säge arbeitete stellenweise so tief, dass sie mitten durchs Gehirn zu 
gehen schien, und dennoch sass das Dach unverrückbar fest. Endlich 
konnte es abgenommen werden und zeigte nur diese auffallend unregel¬ 
mässige Verdickung der Basis, des Stirn- und Hinterhauptbeins; weniger 
au den den Epiphysen entsprechenden Randpartien der Scbädelknochen 
und in der Gegend der sehr erweiterten Nähte und Fontanellen; stellen¬ 
weise hatte die Dicke der Knochen nicht zu- sondern, abgenommen, so 
dass man l*/i Zoll dicke und dünne durchsichtige Partien nebeneinander 


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sieht. Der eine Schass hatte die dickste, der andere fast die dünnste Stelle 
des Schädels getroffen; der erstere perforirte nicht; ein Sinas frontal, 
war gar nicht vorhanden. Die Kagel war hier in die weiche, die 
Spongiosa vertretende osteoide Masse wie in eine Matratze eingeschlagen 
ohne jede Spar von Fissuren in der Umgebung oder an der Tabula 
vitrea. Der Schass in der Schlafengegend hatte perforirt, hatte ein kegel¬ 
förmiges Stück (Basis innen) heraas- oder vielmehr hineingeschlagen 
(das Stück fand eich in der Nahe der Oeffnung in zertrümmerter Hirn- 
subst&nz), war durch den rechten Seitenventrikel, durch das Foram. 
Monroi in den linken Seitenventrikel hinein zu verfolgen, and hier lag 
diese zweite Kagel im Unterhirn. Das Gehirn ist infolge eines Versehens 
nicht aufgehoben; es war aber durch den Schuss und durch unsere Sage- 
versuche so derangirt, dass jetzt doch nicht viel mehr daran zu demon- 
striren sein würde. Die rechte Mening. med. war an ihrer Theilungs- 
stelle zerrissen; es fand sich aber kein Blut zwischen Schädel und Dura, 
sondern inter- und intra-meningeal; die Hirnfurchen rechterseits waren 
in allen Verzweigungen wie mit Blut ausgegossen. Die Bulbi wurden 
mit den Opticusstümpfen exstirpirt; es zeigte sich (ohne Fissur am Or¬ 
bitaldach oder an der Decke des Canal, opt) die rechte Sehnervenscheide 
durch Blut ausgedehnt. 

Anamnestische Bemühungen hatten nur ein sehr dürftiges Resultat; 
der Mann war bewusstlos, moribund im Krankenbause am Friediichs- 
hain eingeliefert und nach einigen Stunden gestorben. Mehr war nicht 
zu eruiren; er war nicht recognoscirt, folglich blieb auch sein näheres 
wie früheres Vorleben dunkel. 

Das Präparat kann man wohl als Unicum bezeichnen; es ist wichtig: 
erstens durch die hochgradigen Veränderungen an den Knochen des 
Schädels durch die Form und Grosse desselben (der normal entwickelte 
Gesichtstheil hängt wie ein kleiner Processus daran). Der Umfang des 
Schädels (dicht über dem Margo supraorb. horizontal gemessen, eine 
Protub. occip. ext. existirt nicht) beträgt 61 cm, der sagittale Durchmesser 
20Vicm, der grösste Breitendurchmesser (hier am hinteren Theile der 
stark verdickten Stirnbeine) 16 Vs cm.*) Auffallend ist die Asymmetrie 
an Schädel- und Gesichtsknochen. Die vordere Schädelhälfte ist rechts 
sehr viel stärker als links; am Hinterhaupttheil ist das Verhältnis um¬ 
gekehrt. Die linke Schläfenbeinschuppe, das linke Jochbein, sogar der 

*) An einem Schädel von gewöhnlicher Grösse betrugen diese Maasse: Um¬ 
fang 51cm, sagittaJer Durchmesser 18 cm, grösster Breitendurchmesser 14^/2cm. (Die 
beiden letzten nach He nie 17 und 14 cm.) 


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horizontale Ast der linken Unterkieferhälfte sind fast kolbig verdickt, 
fiel stärker entwickelt als rechts. (Locale Hyperostose, Leontiasis ossea, 
Virchow.) Die vordere Oeffnnng der linken Augenhöhle ist qneroval, 
die der rechten fast rund. Trotz der enormen Grosse des Schädels ist 
die Schädelhohle, wegen der Verdickung der Wände anscheinend nicht 
grösser als die eines normalen Schädels, der ungefähr halb so gross ist. 
Eine genauere Ermittelung der Capacität und des Gewichtes soll erst 
vorgenommen werden, wenn der Schädel macerirt ist; es hängen jetzt 
noch zu viele mit Scheere und Pincette nicht oder nur sehr schwer zu 
eotfernende Periost- und andere Weichtheile daran. Zweitens ist das 
Präparat für den Chirurgen interessant; eine bei rapide zunehmenden 
Himdruckerscheinungen oder aus anderen Ursachen nothwendige Trepa¬ 
nation wurde hier mit den grössten Schwierigkeiten verbunden und wegen 
der Beschaffenheit der Blutung (das Blut lag in den Ventrikeln und in 
den Forchen der Oberfläche) auch ohne Erfolg gewesen sein. Das Prä¬ 
parat zeigt ferner, wie unnütz bei solchen und ähnlichen Fällen das 
Sondiren nach der Kugel, das Suchen nach Knochensplittern ist, welche 
nicht ganz nahe der Oeffnung liegen. Ophthalmologisch interessant ist 
das Präparat wegen des Blutergusses in die Sehnervenscheide, der hier 
aus dem subduralen Raum stammen musste. Unter welchen Bedingungen 
ein derartiger Befund sich zu Lebzeiten durch Anämie des Augenhinter- 
grundes oder durch venöse Stauung, oder endlich durch die trübe 
Schwellung der Papille, die sog. Stauungspapille, zu erkennen jgiebt, ist 
noch nicht festgestellt — auch in diesem Falle war eine genauere Unter¬ 
suchung intra vitam nicht möglich. 

Endlich hat das Präparat noch hervorragendes forensisches Interesse. 
Dass es sich nicht um Mord, sondern um Selbstmord handelt, können 
wir hier als sicher annehmen — denn sonst würde die Section gericht¬ 
lieh und der Fall für uns verloren gewesen sein. Bei einem Selbstmord 
ist aber der Befund zweier Schädelschüsse immer eine Seltenheit; wo 
man sie fand, waren beide fast immer nahe bei einander, wie z. B. in 
dem von Naegeli (Vierteljahresschrift f. ger. Med. Bd. 41) berichteten 
Falle, und nicht, wie hier, der eine dicht über der Nasenwurzel, also in 
der Mittellinie, und der andere in der Schläfengegend. Freilich müssen 
wir den letzteren als den zweiten und den Stirnschuss als den ersten an- 
oehmen, darüber kann kein Zweifel sein. Der Schläfenschuss war ab¬ 
solut todtlich, der Stirnschuss hat vielleicht, bei der Beschaffenheit des 
Knochens an dieser Stelle, wenig Eindruck auf den Selbstmörder ge¬ 
macht; er blieb bei Bewusstsein und im Stande, den zweiten Schuss auf 

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sich abzageben; Huguenin kennt eine ganze Reibe von Schädelschüsseo 
ohne Bewusstseinsstörung — der vorhin vorgestellte junge Mann ist ein 
weiteres Beispiel dafür. 

Dass wir bei diesen Selbstmordversuchen so selten total perforirende 
Schüsse, viel häufiger nur eine Eingangsöffnung sehen, ja oft die Kugel 
zwischen Haut und Schädel flach und breitgedruckt wie einen Knopf 
finden, werden wir nicht, wie Atkinson (Br. M. J. 23. 1. 86), darauf 
zurück fahren, dass das Geschoss erst in einiger Entfernung von der 
Waffe seine volle Flugkraft bekommt. Es liegt wohl näher, dafür die 
geringe Percussionskraft der bei solchen Gelegenheiten am häufigsten 
verwendeten Terzerole, Revolver u. 8. w. verantwortlich zu machen. 


Referate nnd Kritiken. 


Au8 dem Sanitätsdienst in Tonking 1883—1885. Von Nimier, 

Med. maj. 2. cl. Archives de medecine et de pharmacie militaires. 1886. 

Heft 6., 7., 8. 

Als Material zu einer Sanitätsgeschicbte des Feldzuges io Tonking 
theilt Verf. seine Erfahrungen über die Verhältnisse mit, unter denen 
sich dort der Sanitätsdienst vollzog und besonders über die erste Hülfe bei 
Verwundungen. Beide Ziele verpflichteten unsere Zeitschrift, die Arbeit 
eingehend zu referiren, abgesehen davon, dass dieselbe auch sonst, namentlich 
casuistisch, des Interessanten die Fülle bietet. 

I. Bedingungen, mit denen der Sanitätsdienst zu rechnen hatte. 

1. Bewaffnung der Gegner. Die Bewaffnung der chinesischen 
Regulären bestand zu ca. 95% aus modernen Hinterladern, unter denen 
die Systeme Remington, Peabody, Martini-Henry, Mauser, 
Snider, Winchester und Winchester-Repetir vertreten waren. 
Auch Wallbüchsen von 2—3 m Länge und 15-—20 mm Caliber kamen 
zur Verwendung. Die Projectile waren fast ausnahmslos cylindro-ogivaL, 
von 10,5—13,5 mm C. Nur bei Lang-Son wurden häufiger Verwundungen 
durch ein Winchester-Carabiner-Geschoss von 8 mm C. beobachtet, und 
der günstige Verlauf der Wanden hat wieder gezeigt, wie sehr im In¬ 
teresse berechtigter Humanität eine Reduction des Geschosscalibers ca 
wünschen ist.*) Die Deformation der Geschosse war, selbst bei reinen 
Weichtheilschüssen durchgängig bemerkbar, oft beträchtlich. Das Feuer 
der Chinesen war meist verschwenderisch. Verf. meint, dass der Satf, 
nach welchem im Kriege der Tod eines Mannes das Gewicht desselben 
an Blei erfordere, für diesen Feldzug noch unter der Wirklichkeit bleibe, 
auch wenn man das von französischer Seite verschossene Blei mitrecbne. 
Von ihrer Artillerie wussten die Chinesen nicht viel Gebrauch zu machen. 
Der Effect ihrer Vavasseur- und Krupp-Geschütze war gleich Null; auch 


*) Ein Wunsch, der nicht ohne Aussicht auf Erfüllung sein dürfte, weil er mit 
dem militärischen Interesse der Vermehrung der Patronenzahl ohne stärkere Be¬ 
lastung des Mannes zusammentrifft. Vgl. D. militärärzt). Zeitschr. 1885. S. 243. 


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tod den Nordenfeit-Mitrailleusen, welche in Bac-Ninh and L&ng-Son ge¬ 
funden wurden, wurden keine Verwundungen beobachtet. Alte Vorder- 
lad-Kanonen, aus denen eiserne Vollkugeln von 4—10 cm C. gefeuert 
wurden, verursachten bei Sontay einige Verluste. 

Von blanken Waffen waren Lanzen und Bajonette in Gebrauch; 
ausserdem ein kurzer, schwerer, sehr scharfer Säbel, den die Franzosen 
nach seinem häufigsten Gebrauch Coupe-cou tauften. Verwundete, welche 
den'Chinesen in die Hände fielen, wurden massacrirt. Besonders beliebt 
war das Kopfabschneiden, da der Franzosenkopf bezahlt wurde. Verf. 
nimmt an, dass etwa 96 seiner Landsleute so umgekommen sind. Bei 
der Belagerung von Tuyen-Quan machten die Chinesen auch von Minen 
Gebrauch, und nicht ohne Erfolg. Endlich kamen bei der Verteidigung 
fester Plätze Bambuspallisaden, und als Weghindernisse versenkte Bambus¬ 
pfähle in Anwendung, deren eben zu Tage tretende äusserst harte, scharfe 
Enden den Fussen der Marschirenden, besonders der barfussigen 
tonkinesischen Tirailleurs gefährlich wurden. 

2. Entfernung und Stellung der Kämpfenden in ihren Be¬ 
ziehungen zu den Verwundungen. Die meisten Schusswunden 
kamen bei 200—400 m Entfernung vor, nur bei dem nicht seltenen Sturm 
auf feste Stellungen wurden Nahschüsse häufiger beobachtet. Uebrigens 
schossen die Chinesen fast immer aus verschanzten Stellungen, sowohl 
stehend hinter Brustwehren als niedergekauert in Gräben, welche die 
Forts verbanden. Die angreifenden Franzosen waren dem Feuer ganz 
schutzlos aosgesetzt. Von 1709 Verwundungen entfielen 155 auf den 
Kopf, 327 auf Hals und Rumpf, 535 auf die obere und 692 auf die 
untere Extremität. Diese Gesammtzahl erhebt auf absolute Genauigkeit 
keinen Anspruch; Verf. selbst hält sie für erheblich zu niedrig. 

3. Sanitätspersonal und Material. Bis zum Februar 1884 be¬ 
fand sich der Sanitätsdienst in den Händen der Marineärzte. Als General 
Millot das Commando übernahm, brachte er — ausser den zu seiner 
Division gehörigen Truppenärzten — eine vollständige Ambalance unter 
dem Commando des M6d. principal Driout mit. Doch blieb auch jetzt 
noch und bis zu Ende der Kämpfe, d. h. bis Mai 1885, der Lazarethdienst 
beim Marineressort Verf. lässt durchblicken, dass diese Zweitheilung 
administrativ wie wissenschaftlich viele Schwierigkeiten im Gefolge hatte; 
eine alte Erfahrung. — 

Das Klima des tropischen Sumpf- und Berglandes, die Bodenbeschaffen¬ 
heit, der Mangel an Wegen und die Kampfes weise des Feindes stellten 
an den Sanitätsdienst besondere Anforderungen. Jeder Truppentheil 
wurde von seinem Arzt und den etatsmässigen Truppenkrankenträgern 
begleitet, denen Tragen und das vorschriftsmässige Sanitätsmaterial zu 
Gebote standen. Ausserdem befand sich bei jedem Regiment eine 
Anzahl Culis als Träger. Vor dem Marsch wurden die Schwächlichen 
ausgesucht und zuruckgelassen; sie bildeten die Besatzung der Etappen- 
punkte. Im Gefecht errichteten die Truppenärzte die vorgeschriebenen 
Verbandplätze. Nicht selten zwangen jedoch die Verhältnisse, hiervon 
abzustehen, die Verwundeten in der Feuerlinie zu verbinden und direct 
an die Ambalance zu senden. Letztere etablirte gewöhnlich ihre beiden 
Sectionen getrennt. Eine vorgeschobene Section wurde neben der 
Artillerie aufgestellt, nahm hier zunächst Verwundete auf und beförderte 
sie dann weiter. Dies war zulässig, weil man mit der Artillerie des 
Feindes nicht zu rechnen hatte, und praktisch, weil dieser Platz auch 


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bei ausgedehnter Gefechtslinie von den Krankenträgern leicht gefunden 
wurde. Die 2. Section lag als Gros weiter zurück. Hier wurden typische 
Verbände und etwaige Operationen gemacht und die Verwundeten bis 
zu ihrem weiteren Rücktransport gepflegt. 

4. Verwundetentransport. Wo die französischen Krankenträger 
nicht ausreichten, mussten für den ersten Transport annamitische Calis 
eintreten. Da dieselben aber zu schwach waren, die Tragen in den 
Fäusten fortzubrtngen, so hängten sie, nach Landessitte, die Trage an 
einem Bambus auf, den vorn und hinten je zwei Culis auf ihren Schultern 
trugen. Für diese Art der Fortschaffung eigneten sich die Hängematten 
der Marine besser als die Armeetragen. Jene bestanden aus einem festen 
Rahmen, mit Segeltuch überspannt und mit ebensolchen Seitentheilen, 
so dass der Kranke vor dem Herausfallen geschützt war. Uebrigens 
construirte man auch in der Armee unter dem Zwange der Verhältnisse 
bald leichtere Tragen aus 2 Bambusstangen, zwischen denen Zeltleine¬ 
wand ausgespannt wurde [also nach Art der deutschen Marinetrage]. 
Diese Transportart entsprach dem Bedürfniss und wurde auf weiten 
Strecken benutzt, wenn es gelang, die Culis am Davonlaufen zu hindern 
und zu strammem Marschiren anzutreiben, was nicht leicht war. — Bei 
den Chinesen war jeder Combattant von 2 Dienern begleitet, wie der 
Ritter von seinen Knappen. Wurde der Krieger verwundet, so steckten 
ihm die beiden einen langen Bambus durch den Gürtel, befestigten 
Hände und Füsse des Verwundeten an der Stange und trugen ihn so 
aus dem Gefechtsbereich. So auch mit den Todten. Aus diesem Grunde 
wurden selbst nach heissen Gefechten nur sehr wenig Todte, noch seltener 
Blessirte des Feindes gefunden. 

Vom Wassertransport auf Hanoi und Hai-Phong wurde bei dem 
sehr entwickelten System der Wasserwege ein weitgehender Gebr&ach 
gemacht. Meist benutzte man vorhandene Dschunken; doch nahmen 
auch die Kanonenboote und Schaluppen der Kriegsflottille Verwundete 
mit, oder dienten als Remorqueure. In einem Gefecht konnte sogar Verf. 
seinen Verbandplatz an Bord eines Kanonenbootes errichten wie die 
Oesterreicher in Bosnien 1882.*) Bei dem Dampfschiffstransport wurde 
die schon 1870**) gemachte Erfahrung wieder bestätigt, dass die Er¬ 
schütterungen der kleinen Fahrzeuge durch die Schiffsschraube einzelnen 
Verwundeten unerträglich wurden und zur Ausschiffung derselben 
zwangen. Die Dschunken boten Platz für 2—25 und mehr Kranke. 
Wo man sie besonders herrichten konnte, wurden sie mit einem Fass¬ 
boden versehen und die Leute auf diesem senkrecht zum Kiel gelagert. 

5. Art der Verwundungen. Die Gewehrschusswunden boten nichts, 
was diesem Feldzuge eigenthümlich gewesen wäre. Von Wunden durch 
grobes Geschoss werden aus 1883 5 Fälle auf 626 Verwundungen, aus 
1884 1 Fall und aus 1885 6 auf ca. 1100 mitgetheilt, im Ganzen 0,65%. 
Hinsichtlich der Casuistik wird auf das Original verwiesen; die Fälle 
sind dort kurz referirt, jedoch meist vom Verf. nicht zu Ende beobachtet. 

Eine eigentümliche Reihe von Verletzungen entstand durch Splitter 
der eisernen Schutzdächer (Paraballes), welche man auf den Kanonen¬ 
booten zum Schutze der vom Deck feuernden Matrosen errichtet hatte. 
Das auf den Schirm aufschlagende Geschoss erzeugte am Treffpunkt 

*) Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1885. S. 445. 

**) Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1883. S. 555. 


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291 


eine Depression, an der inneren Seite einen Vorsprang, von welchem 
doreh die Gewalt des Aufschlages kleine Metalltheilchen losgesprengt 
wurden. Die hierdurch veranlassten Wunden blieben mit Ausnahme 
zweier Falle auf die Haut beschränkt. 

Von Wunden durch blanke Waffen theilt Verf. 9 Fälle mit, unter 
denen eine Eröffnung des Spinalcanals in der Gegend des 6. Brustwirbels 
durch Säbelhieb, mit nachfolgender Paraplegie und tödtlichem Ausgange 
Erwähnung verdient. 

Durch die früher erwähnten versenkten Bambuspfähle wurden oft 
Riss- und Stichverletzungen an den Fussen verursacht; schwer genug, 
nm die Marschfähigkeit für einige Zeit aufzuheben. In einem Falle drang 
ein solcher Splitter zwischen Schien- und Wadenbein bis zur Wade durch, 
die Fibula fracturirend. Auch Nates und Dammgegend waren in dieser 
Weise oft gefährdet, wenn die Leute sich unvorsichtig niederwarfen, um 
auszuruben. Einem Araber durchbohrte bei solcher Gelegenheit der 
Bambus Perinaeum und Blase; der Mann behielt eine Urinfistel. 

Durch Explosion von Pulvervorräthen und Minen wurde eine Anzahl 
von Verbrennungen hervorgebracht, die hier und da durch ihre Ausdehnung 
gefährlich wurden. Bemerkenswerther waren Erscheinungen von all¬ 
gemeiner Commotion, welche bei Leuten auftraten, die in die Höhe 
geschleudert waren. Ausser dem Verlust des Bewusstseins und verschiedenen 
Lähmungssymptomen fielen constant Schmerzen in der Nierengegend auf, 
welche Verf. auf die Distorsion der Wirbelsäule bei dem urplötzlichen 
Auffliegen bezieht. Die Casuistik ist hier besonders wichtig und interessant. 

6. Statistisches. Von 1883—1885 wurden nach Tonking, Annam 
und Formosa gesandt: 6877 Mann Marine-Infanterie und Artillerie; 
31 950 Mann von der Armee incl. Offiziere. In Tonking belief sich die 
Verpfiegungsstärke im April 1885 auf rund 21 000 Mann; ausserdem waren 
5517 Mann eingeborener Truppen vorhanden. Die Verluste in 33 ver¬ 
schiedenen Gefechten werden auf 1592 Mann berechnet, darunter 495 Todte. 
Hinsichtlich der Vertheilung der Verwundungen auf die verschiedenen 
Körpergegenden vergl. S. 289. Wissenschaftlich verwerthbare Genauigkeit 
wohnt keiner der mitgetheilten Zahlen bei. 

II. Kriegschirurgi8che8. 

1. Erster Verband. Die Truppen waren nicht mit Verbandpäckchen 
versehen. Dennoch haben die Verhältnisse des Feldzuges Gelegenheit ge¬ 
geben, die von Delorme*) gegen dasselbe geltend gemachten Grunde an 
den beobachteten Verwundungsfällen und ihren Nebenumständen zu prüfen. 
Verf. hält sich durch diese seine Erfahrung zu dem Schlüsse berechtigt, 
dass das Verbandpäckchen in der Hand des Verwundeten ebenso über¬ 
flüssig ist, wie in der des Krankenträgers. Die Soldaten waren, abgesehen 
von ihrer Kleidung und Bewaffnung, mit dem Tornister, einer Zeltbahn, 
Lebensmitteln und 120 Patronen belastet. Unter solchen Umständen, ohne 
sich zu entkleiden, nach dem Packet zu suchen, ist überall schwierig, 
wie viel mehr im feindlichen Feuer! Hat aber ausserdem, wie in Ton¬ 
king, der Verwundete die gegründetste Anwartschaft, seinen Hals ab¬ 
geschnitten zu sehen, wenn er in feindliche Hände fällt, so liegt ihm die 
Sorge seiner Entfernung uni jeden Preis näher als die, sich zu verbinden. 
Ist er an den oberen Gliedmaassen verletzt, so wird er das Packet entweder 


*) Deutsche militärarztliche Zeitschrift 1885. S. 45 u. 399. 


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292 


aus der Tasche oder gar aus dem Rockfatter nicht hervorholen können 
und, wenn ihm dies gelingt, es mit einer Hand anzulegen nicht im Stande 
sein. Bei Kopfwanden — aach ohne Bewusstlosigkeit etc. — kann die 
Selbstanlegung keine genaue sein, da der Verwundete die Wunde nicht 
sehen kann. Dasselbe gilt für die seichteren Schusswunden am Rücken, 
abgesehen davon, dass für diese, wie für Fleischschüsse an der Vorder¬ 
seite des Stammes die Entkleidung eine nothwendige Vorbedingung des 
Verbandes ist, die der Verwundete wiederum nicht selbst erfüllen kann. 
Für penetrirende Wunden dürfte auch der eifrigste Vertheidiger des 
Päckchens ein Selbsteingreifen des Verwundeten nicht für möglich oder 
angezeigt erachten. Bei den unteren Gliedmaassen wird die Streifung 
eines Knochens genügen, um dem Verwundeten die Lust zu Verband¬ 
versuchen zu benehmen, auch hier würde ausserdem die Vorbedingung 
der Entkleidung die Ausführbarkeit des Unternehmens in Frage stellen. 
Nun der Krankenträger. Er würde das Päckchen benutzen können. 
Aber man vergegenwärtige sich die Lage dieser Leute im Feuer, um 
einzusehen, dass sie weder die erforderliche Ruhe, noch die Zeit haben, 
an Ort und Stelle an etwas anderes zu denken, als den Verwundeten 
aufzuheben und schleunigst mit ihm zurückzugehen. Endlich aber: Die 
wesentlichste Forderung der Antiseptik ist die Sauberkeit; würde diese 
mit dem Päckchen je zu erreichen sein, wenn man erwägt, welche 
Beschaffenheit dasselbe nach allen bisherigen Erfahrungen im Kriege bald 
annimmt, welche Hände dasselbe verwenden und unter welchen Umstanden 
es gebraucht werden würde? Nach alledem tritt Verf. dafür ein, die 
Sanitätswagen, namentlich die der Trappen, recht vollständig mit Ver¬ 
banden auszurüsten, um den Aerzten die ihnen allein zukommende Ver- 
bandthätigkeit möglichst zu erleichtern. Ein Verzug von einigen Stunden, 
wie er nach Verletzungen im Frieden ganz gewöhnlich ist, hat an sich 
noch nie die Infection einer Wunde herbeigeführt; innerhalb 12 Stunden 
aber waren in Tonking nach allen Gefechten die Verwundeten regelrecht 
verbunden. Hiermit sind die Ausführungen des Verfs. noch nicht er¬ 
schöpft, der Raum verbietet aber, näher auf sie einzugehen. Nur 
das sei noch betont, dass Verf. seine Grundsätze auch in europäischen 
Kriegen für durchführbar hält, da dort gegenüber der viel grösseren 
Anzahl von Verwundeten auch ein viel grosseres Personal an Aerzten 
und ad hoc geschulten Lazarethgehülfen zur Verfügung steht. Natürlich 
fordert Verf. ein vollständig vorbereitetes antiseptisches Verbandmaterial, 
welches er, nach Verbänden geordnet, in einem grösseren und einem 
kleineren Muster zur Hand zu haben wünscht. 

2. 3. Verfahren in der Ambulanz. Gewöhnlich trafen die Ver¬ 
wundeten ohne oder mit einem provisorischen Carbolcharpie- bezw. Carbol- 
watteverband bei der Ambulanz ein. Einige Male, wo es die Zeit 
gestattete, hatten auch schon die Truppenärzte definitive antiseptische 
Verbände angelegt, deren Wechsel weder in der Ambulanz noch wahrend 
des folgenden Transportes erforderlich wurde. Als oberster Grundsatz 
für das ärztliche Handeln war vom Chefarzt Driout die weitgehendste 
Anwendung des conservativen Princips anempfohlen worden — gerade 
das, was Herr Audet auf dem ersten französischen Chirurgencongress 1885 
mit lächerlichem Chauvinismus als die „methode allemande“ zu verurtheilen 
für gut befunden hat.*) In Folge der Directiven Driout’s basirte die 


*) Archives de m6d. et de pharm, milit Bd. V. S. 354. Deutsche milit&rarztl. 
Zeitschr. 1885. S. 398. 


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Beartbeiluiig der Verletzungen auf der anatomischen Kenntniss des 
getroffenen Theiles, auf den sensiblen und motorischen Störungen und 
den Erfahrungen der Aerzte. Die Exploration der Wunden war streng 
Terboten. So kam es wohl vor, dass man hin und wieder eine noth- 
wendige Operation nicht ausführte; sicher aber wurden unnütze Eingriffe 
Termiedeo und Complicationen ausgeschlossen, die man als die Folge von 
Explorationen furchten gelernt hat. 

War die Erhaltung des verwundeten Eörpertheiles beschlossen, so 
wurde nach Blosslegung der Wunde die Umgebung derselben weithin auf 
das sorgfältigste gereinigt und bei dieser Gelegenheit jeder Fremdkörper 
entfernt, der sich sichtbar präsentirte. Hiermit verband man eine vor¬ 
läufige Durchspülung des Wundcanales mit 2,5 procentiger Carbollösung. 
Es folgte dann die Bedeckung der Wunde mit vorräthiger*) Listergaze und 
darüber mit Charpie, welche man vor dem Gebrauch mit Carbol tränkte. 
Hierüber wurde der Körpertheil mit einer weit umfassenden Lage Wund¬ 
watte eingehüllt und diese mit einer Binde befestigt. Nun erst folgten 
etwaige immobilisirende Verbände. Zu letzteren dienten vorzüglich Draht¬ 
schienen; doch halfen sich die französischen Aerzte vielfach mitBambus- 
schienen, auch boten die rinnen förmigen untern Enden der Blattstiele des 
Pinang (Areca catechu) vortreffliche elastische Laden dar, welche das 
hineingelagerte Glied sehr gut umschlossen. Auch Rohr und Reisig kam 
zur Herstellung von Schienen etc. zur Verwendung, die unseren Stroh¬ 
schienen ähnlich gewesen sein mögen. 

Die beschriebenen Verbände leisteten im Ganzen Genügendes, um 
die Wunden bis zur Ankunft des Verwundeten im Lazareth vor Sepsis 
zu bewahren. Wenn auch Septichämie selten blieb, so machte sich doch 
die schnelle Durchfeuchtung der Verbände oft eben so störend geltend, 
wie der Reiz, den die Listergaze und Charpie ausübten, wenn sie aus¬ 
getrocknet und indurirt waren. Dies ist verständlich, da die Verband- 
ltgen nicht sehr dick waren und eine Verwendung undurchlässiger Stoffe 
nicht stattgefunden zu haben scheint 

4. Entfernung von Fremdkörpern und Splittern. Nach den 
im Vorstehenden skizzirten Grundsätzen für das erste Handeln versteht 
es sich, dass nach Fremdkörpern etc. primär nicht gesucht wurde. Man ent¬ 
fernte diejenigen Fremdkörper, welche man ohne Gewalt entfernen konnte; 
auch nahm man Projectile heraus, die unter der Haut fühlbar waren. 
Angesichts der Verfilzung der stets deformirten Geschosse mit den Ge¬ 
weben erwies es sich als vorteilhafter, das Projectil nach dem Haut¬ 
schnitt mit der Spitze des Bistouri aus seinen Verbindungen zu lösen, als es 
drehend und ziehend unter grossen Beschwerden für den Patienten her- 
auaznbefördern. 

Auch im Hospital beeilte man sich nicht mit Extractionsversuchen. 
Man überlegte, dass die Anwesenheit eines Projectils die Schwere einer 
Verletzung an sich nicht nennenswerth erhöht und dass andererseits bei 
schon ungünstigem Verlauf die Extraction keine bedeutende Besserung 
in der Prognose herbeizuführen im Stande ist. Mehrere Beispiele aus 
des Verfs. Casuistik belegen die Richtigkeit dieses Grundsatzes. Was end¬ 
lich die wichtige und seit langer Zeit von den verschiedensten Gesichts- 


•) Die Arbeit enth&lt leider keine Andeutung über die wichtigen Fragen, wo¬ 
her diese Gaze stammte und wie lange sie unter dem tropischen Klima ihren Car- 
bolgehalt feethielt. 


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294 


punkten ans beleuchtete Frage der Splitterextraction betrifft, so wurde 
auch hier das Nicht - Interventionsprincip befolgt. Man wartete im All¬ 
gemeinen ab, bis die Heilungsvorgange offenbart hatten, welche der vor¬ 
handenen Splitter wieder angewachsen, welche necrotisirt wären. Ein 
endgültiges Urtheil über die Berechtigung dieses Verfahrens ist jedoch 
nicht gewonnen worden. Das wird erst möglich sein, wenn eine Ueber- 
sicht über die Heilungs- bezw. Sterblichkeitsziffer der insgesammt be¬ 
obachteten Schussfracturen vorliegt 

5. Operationen, ln der Zeit, wo der Sanitätsdienst allein von 
den Marineärzten wahrgenommen wurde, ist nicht nennenswerth primär 
operirt worden. Es liegt das mit daran, dass die Verwundeten von des 
Hauptgefechten sich in weniger als 24 Stunden nach der Verwundung 
im Hospital zu Hanoi befanden. Letzteres sowohl, wie das zu Hai-Pbong 
waren 1883 in den alten Kasernen etablirt, welche seit 1875 zum Aufent¬ 
halt der Marine - Infanterie gedient hatten. Hospitalbrand, Septichämie 
und Pyämie horten in ihnen nicht auf. Erst M4d. princ. Driout schof 

1884 in der Citadelle von Hanoi ein geräumiges Hospital, welches nach¬ 
her die erspriesslichsten Dienste leistete. Auch in den Jahren 1884 und 

1885 ist indessen nicht viel primär operirt worden, in Oemässheit der 
früher besprochenen Directiven zu möglichst conservativem Verhalten. 
Die vom Verf. mitgetheilten Operationsfälle gliedern sich folgendermaassen: 


a. Auf dem Schlachtfelde 



* 

72 

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gestorben 

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® ff 

C © 
HH 

Gangrän 

acute 

Anämie 

nicht 

bezeichnet 

Exartic. humeri 

1 

■ 

B 

II 


■ 

■ 

■ 

Amput. hum. 

1 

2 

B 

B 





Exartic. cubiti 

_ 



B 


■ 

1 

1 

Am put. antibrach. 

— 

11 

u 

I 


II 

1 


A. et E. digitorum 

2 

B 

B 

B 


1 

II 


Amput. femoris 

1 

B 

21 

B 






b. Später (meist intermediär) 


Exartic. hum. 

B 


B 

1 

B 

2 

B 

■ 

Amput. hum. 




2 

9 

— 

■ 

2 

Amput. antibr. 



1 

n 


— 


— 

Amput. digit. 




| 

B 

— 

B 

— 

Amput. femoris 



1 

■1 


6 


2 

Amput. cruri8 


1 

1 

B 

1*11 

— 


1 

Amput. halucis 

— 

1 

— 1 

- 

— 

— 

- 

— 


Eine nähere Betrachtung dieser Zahlen würde bei den aphoristischen 
Angaben des Verfs. zwecklos bleiben. 

Verf. hält sich nach seinen Mittheilungen nicht für berechtigt, allgemeine 


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295 


Schlüsse za ziehen. Erst wenn eine officielle Darstellung nach den 
Berichten der Betheiligten, namentlich auch nach den Acten deijenigen 
Lazarethe in Frankreich and Algier vorliegt, in denen sich vielfach die 
Beendigung der Einzelfalle abspielte, — erst dann wird es möglich sein, 
aas den gemachten Erfahrungen Nutzanwendungen za entnehmen. Be¬ 
merkenswerth erscheint dem Verf. der Umstand, dass in Tonking zam 
ersten Male Sectionen der Verstorbenen ausgeführt worden sind. Die 
Ergebnisse hieraus dürften werthvolle Beiträge zur Beantwortung einer 
Reibe von kriegschirurgischen Fragen liefern, welche heut noch streitig 
sind. Verf. hat hiermit vollkommen Recht, und es ist zu wünschen, dass 
in dem officiellen Bericht diesen wissenschaftlichen Forderungen Rechnung 
getragen werde. 

Ni mi er’s Arbeit bietet trotz ihrer Lücken eine solche Summe von 
interessanten Erfahrungen über wichtige Abschnitte des feldärztlichen 
Dienstes, dass ihre Bedeutung auch bei uns nicht unterschätzt werden 
wird. — . — 


Bacteriologische Mittheilungen. (Aus dem Laboratorium der 
L med. Klinik zu Berlin.) Von rrof. A. Fraenkel. (Hierzu 1 Tafel.) 

Die interessante, fleissige Arbeit enthält Beobachtungen, welche Verf. 
während der letzten beiden Jahre theils auf rein experimentellem Wege, 
theils unter Mitbenutzung des Materials der genannten Klinik zu machen 
Gelegenheit hatte. 

Den Ausgangspunkt der Untersuchungen bildete die genuine croupöse 
Pneumonie. Einiger der gewonnenen Resultate ist bereits auf dem 
III. Gongress für innere Medicin Erwähnung geschehen. — Die vorlie¬ 
genden Mittheilungen bewegen sich hauptsächlich auf ätiologischem Ge¬ 
biet und erörtern die äusserst wichtige Frage nach den Beziehungen der 
Pneumoniecoccen zu denjenigen Mikroben, welche sich „unter Umständen 
bereits in der Mundhöhle gesunder Individuen finden“. 

Im I. Abschnitt werden die Mikroben der vom Verf. sogenannten 
„Sputumsepticämie“, im II. die Mikrococcen der Pneumonie und im III. 
die Beziehungen beider Organismen-Arten zu einander abgehandelt. Den 
beiden ersten Abschnitten ist eine historisch-kritische Uebersicht sämmt- 
licber einschläglicher litterarischer Erzeugnisse voraasgeschickt. 

Das Ergehniss der früheren und der in der Arbeit niedergelegten 
Untersuchungen über die parasitäre Natur der Pneumonie lässt sich kurz 
in Folgendem zusammenfassen: 

Es giebt verschiedene wohl charakterisirte Spaltpilze, welche an¬ 
scheinend die Eigenschaft besitzen, bei ihrem Eindringen in das Gewebe 
der menschlichen Lunge echte lobäre Pneumonie zu erzeugen. Von 
diesen sind bisher zwei Arten aus dem entzündlichen Infiltrat isolirt: 
1) Der Friedlaender’sche Coccus und 2) ein lanzettförmig gestalteter 
Doppelcoccus, welcher zuweilen bereits in den oberen Respirationswegen 
gesunder Menschen angetroffen wird (Sputumsepticämie-Coccus des Verfs.). 
Wenn es dem Verf. einigemale gelungen ist, auch in Verdichtungs¬ 
herden in den Lungen Typhuskranker „in reichlichster Menge“ kleine 
Bacillen, und zwar „zum Theil in herdförmiger Anordnung“ sowohl 
innerhalb der Alveolen, wie in dem interstitiellen Lungengewebe aufzu- 
finden (S. 439), so kann Ref. der Annahme, dass die Ursache der Spleni- 
aation in diesen Fällen in der Ansiedelung der Typhusstäbchen in den 


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296 


atelectatisch gewordenen Langenp&rtien za suchen sei, nicht beitreten. 
Denn erstens unterblieb die Identificirang dieser Stäbchen mit dem Typhus- 
bacillas durch die Züchtung auf der Kartoffel; und ferner widerspricht 
jene Annahme direct den Beobachtungen und experimentellen Feststellungen 
von £. Fraenkel und Simmonds (die ätiologische Bedeutung des 
Typhusbacillus), sowie denen des Ref. selbst — 

Der Friedlaender’sche und A. Fraenkel’sche Coccus stellen zwei 
durchaus verschiedene Species dar, sowohl hinsichtlich ihrer differenten 
Wirkung auf die Versuchstiere, als auch besonders des makroskopischen 
und mikroskopischen Verhaltens der Reinculturen. 

Der Friedlaender’sche „Coccus“ —welcher des verhältnissmässig 
reichlichen Vorkommens von verschieden grossen Stäbchen formen wegen 
besser den Bacillen zugerechnet und daher statt „Pneumococcus“ richtiger 
„Pneumobacillus“ genannt werden durfte — gedeiht bereits bei 
Zimmertemperatur auf Gelatine und ist durch ein ausserordentlich ener¬ 
gisches Wachsthum ausgezeichnet. Im Gegensatz hierzu ist das Wachs¬ 
thum des zweiten Spaltpilzes ein verhältnissmässig kümmerliches. Es 
findet in reger Weise nur bei erhöhter Temperatur statt, um selbst unter 
diesen günstigen Lebensbedingungen bei längerer Berührung mit der Luft 
gänzlich zu erlösehen. In den Reinculturen desselben werden aus¬ 
schliesslich nur ovaläre Doppelcoccen gefunden, niemals 
stäbchenförmige Elemente. 

Der Friedlaender’sche Mikrobe vermag Mäuse schon durch In¬ 
halation zu tödten, während der lanzettförmige Coccus nicht entfernt 
eine derartige Virulenz besitzt. Es gelang dem Verf. niemals, durch In¬ 
halation einer Culturaufschwemmung eine schädliche Wirkung bei Kanin¬ 
chen, Meerschweinchen und Mäusen zu erzielen. 

Nur in einer Beziehung herrscht Uebereinstimmung in ihren patho¬ 
genen Eigenschaften Thieren gegenüber: Es gelingt nicht, durch 
Inoculation derselben mit Sicherheit eine der lobären fibri¬ 
nösen Pneumonie des Menschen entsprechende typische Ent¬ 
zündung zu erzeugen, selbst dann nicht, wenn das Virus 
direct in die Lunge injicirt wird. — 

Hinsichtlich des Häufigkeitsverhältnisses der beiden bisher bekannten 
Mikroben zur Zahl der Pneumoniefälle lassen sich z. Z. noch keine be¬ 
stimmten Angaben machen. Doch ist Verf. geneigt, aus dem Umstande, 
dass im Aus warf der Pneumoniker der mit dem lanzettförmigen Pneu- 
moniecoccus identische Mikrobe der Sputumsepticämie so sehr viel öfter 
gefunden wird, als in demjenigen Gesunder, den Schluss zu ziehen, dass 
dieser Pilz der häufigere und gewöhnliche Erreger der Pneu¬ 
monie ist Hierfür spricht auch die Thatsache, dass ob bisher nicht 
gelangen ist, den Friedlaender’schen Bacillus aus dem rostfarbenen 
Auswurf direct zu isoliren. 

Was schliesslich die Entstehungsweise der Pneumonie beim Menschen 
betrifft, so befindet sich Ref. hinsichtlich einiger, besonders betonter all¬ 
gemeiner Gesichtspunkte mit dem Verf. im vollsten Einverständniss. 

Ohne Weiteres ist zuzugeben, dass das die Lungenentzündung er¬ 
zeugende Virus sehr verschiedene Intensitätsgrade aufweist und in einigen 
Fällen eine ganz besonders maligne Beschaffenheit besitzt. Unter solchen 
Umständen mag vielleicht bisweilen, selbst bei geringer Disposition eines 
Individuums, das blosse Eindringen des Krankheitserregers mit dem Luft¬ 
strom in die Luftwege bezw. die Lunge zur Entstehung der Entzündung 


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397 


geoogen. „Aber es wäre durchaus falsch, diesen so zu sagen einfachsten 
Hergang für alle Fälle in Anspruch nehmen zu wollen/ 1 Selbst die 
anfälligsten Beispiele streng localisirter Epidemien sind nicht im Stande, 
die Thatsache aus dem Wege zu räumen, dass die genuine Pneumonie 
in vielen, ja in den meisten Fällen in mehr sporadischer Verbreitung 
aoftritt — immerhin noch ein gewisser Einfluss von Jahreszeit und 
Temperatur auf die Zahl der Erkrankungen zugestanden — und dass 
bestimmte Gelegenheitsursachen bei ihrer Entstehung wirksam sind.- Das 
Pneumonievirus gehört eben, gleich den Eitermikroben, zu den ubiquitären 
Krankheitsgiften, welche, obwohl sie unter besonders günstigen Umstän¬ 
den an bestimmten Localitäten sich zu einem ausnahmsweisen Grade von 
Virulenz entwickeln können, doch im Grossen und Ganzen stets und 
überall vorhanden sind. Unter den Gelegenheitsursachen nimmt, 
nach der grössten Mehrzahl der Erfahrungen, Erkältung den 
ersten Platz ein. 

Wenn wir nun auch über die Art und Weise der Einwirkung der Ge- 
legenheitsursacbe in den meisten Fällen noch im Unklaren sind, so wird 
doch zugestanden werden müssen, dass die Pathogenese der Lungenent¬ 
zündung „sehr viel verständlicher durch den Nachweis wird, dass der sie 
verursachende Spaltpilz zeitweise bereits in den Respirationswegen ganz 
gesunder Menschen angetroffen wird a . — Pfuhl (Hamburg). 


Anforderungen an ein gutes Trinkwasser. Gesundheits- 
Ingenieur. 1886. No. 7. 

Der 6. internationale pharmaceutische Congress zu Brüssel stellte 
folgende Sätze über die Eigenschaften auf, welche ein gutes, den An- 
fordernngen der Hygiene und Physiologie entsprechendes Trinkwasser 
haben soll: 

1) Das Wasser muss klar, durchsichtig, färb- und geruchlos, frei 
von suspendirten Stoffen sein. 

2) Es muss frisch sein und von angenehmem Geschmack; Temperatur 
nicht über 15° C. 

3) Es muss Luft und eine gewisse Menge Kohlensäure enthalten; 
diese Luft muss reicher an Sauerstoff sein, als die gewöhnliche. 

4) Es darf nicht mehr als 20 mg organische Substanzen im Liter 
enthalten, als Oxalsäure berechnet. 

5) Die stickstoffhaltigen organischen Stoffe, mit Kaliumpermanganat 
oxydirt, dürfen nicht mehr als 0.1 mg Eiweissstickstoff im Liter liefern. 

*6) Es darf nicht mehr als 0,5 mg Ammoniak im Liter enthalten sein. 

7) Ein Liter Wasser darf nicht mehr als 0,5 mg Mineralsalze, 
60 mg Schwefelsäureanhydrid, 8 mg Chlor, 2 mg Salpetersäureanhydrid, 
200 mg Oxyde alcalischer Erden, 30 mg Silicium und 3 mg Eisen ent¬ 
halten. Das Trinkwasser darf weder Nitrite, noch Schwefelwasserstoff, 
noch Sulfide, noch durch Schwefelwasserstoff oder Scbwefelammonium 
fällbare Metallsalze enthalten; ausser Spuren von Eisen, Aluminium oder 
Magnesium. 

8) Das Wasser darf, in einem verschlossenen oder offenen Gefässe 
aufbewahrt, keinen unangenehmen Geschmack annehmen. 

9) Es darf keine Saprophyten, Leptotrix, Leptonuten, Hyphaeotrix 
und andere weisse Algen, zahlreiche Infusorien und Bacterien enthalten. 


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10) Die Zugabe von weissem Zocker darf darin keine Entwiekelong 
von Pilzen hervorrufen. 

11) Auf Gelatine cultivirt, darf das Wasser innerhalb 8 Tagen keine 
die Gelatine verflüssigenden Bacteriencolonien prodnciren. — . — 


Benjamin Westbrook (New York). Ueber die Anwendung des 
Antipyrin8 bei Hitzschlag (Sunstroke). The New York medic. journ. 
25. Juli 1885, S. 92. 

Shattuck (Boston). Die Resultate des Antipyrin-Gebrauchs in dem Boston 
City Hospital. The Boston medic. and surgic. journ. 23. Juli 1885. 
S. 78. 

Mag man Jacubasch’s Dreitheilung des Hitzschlages annehmen 
oder nicht, jedenfalls wird man die hohe Temperatur des Blutes und 
der Gewebe als das wesentliche Moment für die Pathologie der ein¬ 
schlägigen Erankheitsformen anerkennen müssen. Wie diese Hyperpyrexie 
entstanden ist, ist offenbar erst eine Frage zweiter Ordnung. Ist aber 
diese Prämisse richtig, so ist diejenige Methode der Behandlung die beste, 
weiche die rascheste Abkühlung des Körpers herbeizuführen vermag. 
Yon diesem Gesichtspunkte aus erscheinen daher Versuche mit den 
neuen, die Temperatur prompt herabsetzenden Antipyreticis höchst rationell 
und mit ihnen etwa erreichte Resultate sehr beachtenswerth. 

Westb rook bat nun in 2 Fällen von schwerem, comatösem „Sunstroke* 
die subcutane Darreichung von Antipyrin versucht Zwei Ein¬ 
spritzungen von ca. je 2 Gramm desselben in 50 procenti^er Losung und in 
Zwischenräumen von */* Stunde applicirt, bewirkten einen Temperatur¬ 
abfall von 42,8° resp. 43,6° C. auf ca. 37° C. Nach Erzielung dieses 
riesigen Abfalls wurden die bisher zur Unterstützung angewandten Eis- 
uir schlage auf Kopf und Körper fortgelassen und durch warme trockene 
Tücher ersetzt, sowie Reizmittel, Whiskey, subcutan gegeben. In beiden 
Fällen erfolgte GeuesuDg, in einem derselben wurden wegen der noch 
fortdauernden tetanischen Muskel-Zuckungen später ausserdem noch 
2 gr Chloralhydrat per rectum verabreicht 

Auch Shattuck hat in seinem Bericht über das Antipyrin im 
Bostoner Hospital einen Fall von „Sunstroke* aufgeführt, in welchem 
gleichfalls durch eine Dosis von 2 gr Antipyrin subcutan innerhalb 
1 '/* Stunden ein Temperaturabfall von 42° C. auf 37° erreicht wurde 
und Genesung eintrat. 

So gering die Zahl dieser Fälle auch sein mag, so sehr fordern sie 
zur Wiederholung der Versuche auf. Lühe, Demmin. 


Dr. A. J. Skrebitzky. „Ueber Verbreitung und Intensität der 
Erblindungen in Russland und die Vertheilung der Blinden 
über die verschiedenen Gegenden des Reiches.* (Separatab¬ 
druck der St. Petersburger Medicinischen Wochenschrift No. 4. 1886.) 

Der von Sk. auf dem I. Congress der russischen Aerzte im De- 
cember 1885 gehaltene Vortrag stellt einen geradezu erschreckenden 
socialen Nothstand in ein grelles Licht und ist ein lauter Mahnruf an 
Aerzte und Behörden. In ärztlichen Kreisen Russlands war schon wieder¬ 
holt der ungewöhnlich hohe Procentsatz der Bevölkerung an Blinden 


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299 


anfgefallen; Sk. liess es sich deshalb angelegen sein, für die Benrtheilang 
dieser Frage statistische Daten zu sammeln, und zwar wählte er als 
genau controlirbares Actenmaterial die bezüglichen Ergebnisse bei der 
Rekrutirung während der Jahre 1879—1883. Der Vorwurf, dass gerade 
diese Zahlen für die Allgemeinheit der Bevölkerung einen zu ungünstigen 
Ma&ssstab abgeben, weil sie auf Geschlecht und Alter nicht Rücksicht 
nehmen, trifft nicht zu; denn erstens halten sich, nach den Ergebnissen 
der Statistik, in Betreff der Blinden, die Zahl der Männer und Weiber 
das Gleichgewicht; zweitens könnten in Bezug auf das Alter, die bei 
Berücksichtigung der Wehrpflichtigen gewonnene Zahl der Blinden höchstens 
za niedrig sein, da die Altersclassen von 40—80 Jahren den höchsten 
Procentsatz an Blinden liefern. Sk. hat nun festgestellt, dass von 
1388 761 besichtigten Wehrpflichtigen 13 686 blind waren. (Dabei sind 
noch nicht mitgerechnet 6287 Mann mit resp. Hornhautnarben, Exoph¬ 
thalmus, Blepharophimosis, Staphyloma und 9059 Mann mit Herabsetzung 
der Sehschärfe bis zur Hälfte.) Es kommt oft ein Blinder auf 100 Sehende. 
Diese Zahlen müssen durch ihre erdrückende Grossartigkeit in Erstaunen 
versetzen. In der tabellarischen Uebersicht finden sich sogar Provinzen, 
wo 1 Blinder auf 60 sehende Wehrpflichtige kommt Wenn man dagegen 
erwägt, dass man bei uns in Deutschland schon in dieser Beziehung von 
einer Calamität spricht, wo vielleicht unter 1400—1500 Personen der 
Bevölkerung 1 Blinder vorkommt, so reden diese Zahlen eine deutliche 
Sprache und werfen zum mindesten doch noch bedenkliche Streiflichter 
auf die numerische Unzulänglichkeit ärztlicher Hülfe und auch wohl auf 
trostlose Zustände im Hebeammenwesen in Russland, denn auch Sk. 
deutet an, dass die Mehrzahl dieser Erblindungen wohl auf blennorrhoischer 
Infection im Kindesalter beruht Jedenfalls haben die russischen Behörden 
hier ein reiches Feld der Thätigkeit vor sich; und wenn man sieht, wie 
in Deutschland auf diesem Gebiete auf ärztliche Mahnrufe hin gerade in 
letzter Zeit Vieles geleistet ist, kann man diese Arbeit nicht für aussichts¬ 
los halten. Langhoff. 


Mittheilnngen. 


Ueber die Feier zu Ehren des nun in Ruhestand tretenden, in 
weiteren Kreisen bekannten und beliebten Oberlazarethgehülfen 
F. Wiest geht uns folgender näherer Bericht aus Freiburg vom 2. Mai zu. 

Am heutigen Tage vollzog sich hier eine Feier, welche nicht nur 
für die Kreise unserer engeren Garnison, sondern für das gesammte 
Unteroffiziercorps des XIV. Armeecorps kn Besonderen, sowie des ge¬ 
lammten Deutschen im Allgemeinen von Bedeutung ist. Ein Mann, der 
auf eben bescheidenen Wirkungskreis angewiesen, es dennoch verstanden 
hat, durch seine ausserordentliche Pflichttreue und Hingebung, durch seine 
stramme und stets humane Gesinnung, durch sein stolzes Hochhalten 
seines Standes als Unteroffizier neben taktvollster und treu ergebenster 
Diensterfüllung sich die volle Achtung seiner Unterstellten und das Wohl¬ 
wollen, ja die Freundschaft seiner höheren und hohen Vorgesetzten zu 
erwerben und bis an seben Lebensabend zu erhalten; ein Mann, der im 
Krieg und Frieden stets nur an seine Pflicht, nie an sich selbst dachte, 


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300 


schied heute aus seiner Dienststellung, um in den wohlverdienten Ruhe¬ 
stand eu treten. Der in hiesiger Stadt und in den altbadischen Regimentern 
wohlbekannte Oberlazaretbgebülfe und Feldwebel Wiest wurde heute 
von seinem Regiment und von dem Sanitäts - Corps nach 46 jähriger, 
ununterbrochener activer Dienstzeit verabschiedet Ferdinand Wiest ist 
am 12. Oktober 1819 zu Rothweil am Kaiserstuhl geboren und trat am 

1. April 1840 in das damalige Leib-Infanterie-Regiment ein. Heute 
durfte Wiest der älteste und längstgediente Unteroffizier der deutschen 
Armee sein. 

Die verschiedenen Phasen, welche er in seiner Dienstzeit durch¬ 
zumachen hatte, geben ein Bild der Entwickelung des Sanitätsdienstes in 
der vormals badischen Felddivision, jetzt XIV. Armeecorps. Als gemeiner 
Soldat zum Bandagentaschenträger und später als Wundarzneidiener aus¬ 
gebildet, wurde er im Jahre 1842 zum Gefreiten und im Jahre 1845 zum 
Unteroffizier befördert. Im Jahre 1848 machte er das Gefecht bei Kandern 
mit und nahm an dem Ausmarsch nach Schleswig-Holstein Theil. Von 
dort zurückgekehrt wurde er im Jahre 1849 in Karlsruhe in dem im 
Grossherzoglich Badischen Cadettenhause etablirten Lazarethe als Wund¬ 
arzneidiener verwendet und 1850 dem IV. Infanterie-Bataillon, späteren 

2. Badischen Infanterie-Regiment in Rastatt zugetheilt. Dort erregte er 
durch sein persönliches Geschick und seine Anstelligkeit, sowie durch 
seine Zuverlässigkeit die Aufmerksamkeit seines damaligen Regiments¬ 
arztes, jetzigen Corps-Generalarztes, des Herrn Dr. v. Beck, welcher 
ihn für seine persönliche Assistenz bei Operationen und bei der Behandlung 
schwieriger chirurgischer Fälle besonders ausbildete. Im Jahre 1857 
wurde er io das 3. Badische Infanterie-Regiment in Rastatt versetzt, doch 
veranlasste Generalarzt v. Beck schon im Jahre 1858, als er selbst in 
die Garnison Freiburg zom 2. Füsilier'Bataillon versetzt wurde, die Mit¬ 
versetzung seines ihm werth gewordenen Heilgebülfen. Als im Jahre 1859 
unter der Leitung des jetzigen Herrn Generalarztes die Grossherzoglich 
Badische Sanitäts-Compagnie formirt wurde, ist Wiest zum Feldwebel 
derselben befördert worden. In dieser Stellung machte er den Feldzug 
1866 mit und hier war ihm bei den Gefechten von Hundbeim, Würzburg, 
Tauberbischofsheim, Gerchsheim etc. Gelegenheit geboten, seine ganze 
Umsicht und Thatkraft an den Tag zu legen. Die badische Sanitäts- 
Compagnie galt als eine Mustertruppe, sowohl hinsichtlich ihrer Organi¬ 
sation als auch in ihrer dienstlichen Wirksamkeit. Diesen Posten be¬ 
kleidete Wiest bis zum Juli 1868, wo die Sanitäts-Compagnie aufgelöst 
und das preussische Reglement für die Krankenpflege im Felde adoptirt 
wurde. Wiest trat von da ab dauernd zur 9. Compagnie des 5. Badischen 
Infanterie-Regiments, jetzt No. 113, über. Bei der Mobilmachung 1870 
wurde er dem 1. Badischen Feldlazareth als erster Revier-Aufseher zu- 

§ etheilt und machte bei demselben den Feldzug gegen Frankreich mit. 

eine ausserordentliche Pflichttreue und Aufopferung trug ihm schon bei 
der ersten Engagirung seines Lazaretbs in der Schlacht bei Worth das 
Eiserne Kreuz ein, so dass er der erste badische Unteroffizier war, dem 
diese Ehrenauszeichnung zu Theil wurde, gleichwie sein Chef, der da¬ 
malige Oberstabsarzt Dr. Beck, als erster der badischen Sanitäts-Offiziere 
diese Decoration erhielt Seine Betheiligung am Feldzug fällt zusammen 
mit der Kriegsgeschichte des badischen Corps in demselben, insofern als 
sein Lazareth bei allen grösseren Actionen, und nachdem dieselben beendigt 
waren, noch an der Verpflegung von Typhuskranken sich im reichlichsten 


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301 


Maasse betheiligte. Eine grosse Zahl von Decorationen schmückt die 
Brost des Veteranen: Im Jahre 1858 wurde ihm die badische Civil- 
Verdienstmedaille, 1866 die silberne und 1870/71 die goldene Medaille 
des Earl-Friedrich-Ordens, sowie das Eiserne Kreuz 2. Klasse ertheilt 
Ausser den badischen Felddienstmedaillen von 1866 und 1870/71 und der 
deutschen Feldzugsmedaille von 1870/71 besitzt er die Dienstauszeichnuog 
1. Klasse und das allgemeine Ehrenzeichen. Bei Abschluss der Militär- 
Convention wurde Wiest als Oberlazarethgehülfe mit dem Range eines 
Feldwebels und mit seinen früheren Competenzen als solcher übernommen. 

Heute wurde demselben io feierlicher Weise von dem Regiments- 
Commandeur des 5. Badischen Infanterie-Regiments No. 113 der ihm 
Allerhöchst verliehene Königlich preossische Kronen-Orden 4. Klasse und 
eine Dedication des Offiziercorps des Regiments in Gestalt einer werth - 
▼ollen Wanduhr mit Warnungstafel überreicht. Um 11 Uhr hatten sich 
in dem festlich decorirten Aufnahmezimmer des Garnisonlazareths in 
reichlichen Abordnungen die Sanitäts- Offiziere des Armeecorps versammelt, 
an der Spitze der Herr Generalarzt Dr. v. Beck, sowie als Vertreter 
des Regiments der stellvertretende Regiments-Commandeur, Herr Oberst¬ 
lieutenant v. Winning, der Bataillons-Commandeur Herr Major Dieck¬ 
mann und der Compagniechef Freiherr v. Kirchbach; ausserdem die 
Herren Professoren Kraske, Oberstabsarzt der Reserve, und Herr Hof¬ 
rath Schinzinger, sowie eine Anzahl früherer badischer Feldärzte. Der 
Jubilar wurde durch seinen Bataillonsarzt Herrn Stabsarzt Dr. Saarboorg 
eingeführt und von dem Herrn Generalarzt Dr. v. Beck in einer ebenso 
ehrenden als warmen, den Redner nicht weniger als den Angeredeten 
ergreifenden und die gesammte Zuhörerschaft tief bewegenden Rede 
angesprochen. Darauf wurde ihm von Seiten des Herrn Generalarztes 
die Beglückwünschung Sr. Königl. Hoheit des Grossherzogs unter Ueber- 
reichung der grossen goldenen Verdienstmedaille ausgesprochen. Seine 
Königliche Hoheit hatten den Herrn Generalarzt allergnädigst zu beauftragen 
geruht, dem Seiner Königlichen Hoheit persönlich wohlbekannten Wiest 
die Allerhöchste Anerkennung und Dankbarkeit für seine langjährigen, 
treuen Dienste auszudrücken. Ebenso hatte der Herr Redner die Beglück¬ 
wünschung und die Anerkennung des commandirenden Generals des 
XIV. Armeecorps, Excellenz v. Obernitz, zu übermitteln, und in 
seinem Namen ihm die Hand zu drücken zum Zeichen seiner hohen 
Werthschätzung, welche er als Soldat für einen braven alten Kameraden 
empfinde. Der Generalstabsarzt der Armee, Excellenz v. Lauer hatte 
durch ein offenes Handschreiben dem Jubilar seine Anerkennung im 
Namen des gesammten deutschen Sanitatscorp9 anszusprechen und in 
einem Telegramm an den Herrn Generalarzt nochmals zu wiederholen die 
Qüte gehabt Eine Anzahl Schreiben von der Familie des Herrn Corps- 
Generalarztes bringen die Sympathien zum Ausdrucke, welche dieselbe 
für den altbewährten Ehrenmann empfindet. Zum Schluss wurde ihm 
das Bildniss des Herrn Corps-Generalarztes Dr. v. Beck mit persönlicher 
Widmung sowie ein schöner Ruhesessel als Ehrengabe des Sanitäts- 
Offiziercorps des Armeecorps überreicht 

Um 1 Uhr versammelte sich die Festgesellschaft zu einem solennen 
Mahle im Hotel zum Pfauen. Nach dem vom Herrn Generalarzt aus¬ 
gebrachten Toaste auf Se. Majestät den Kaiser als obersten Kriegsherrn 
und auf Se. Königliche Hoheit den Grossherzog als Landesherrn des 
Jubilars vervollständigte derselbe in einer tief empfundenen Rede das 


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Bild, welches er von dem Ehrengäste als Soldat entworfen hatte, indem 
er dessen Tugenden als Mensch sowohl im Dienste der Humanität als 
auch in seinen Beziehungen zu der Familie des Herrn Redners in das 
richtige Licht stellte. Seit 36 Jahren hatte er an ihm sowohl einen 
treuen Gehülfen in der Ausübung seines ärztlichen Berufs, als auch eine 
thatkräftige und viel bewährte Stütze in den verschiedenen Lebens- | 

Schicksalen seiner eigenen Familie würdigen, schätzen und verehren ge¬ 
lernt Demnächst begrüsste der Herr Oberstabs- und Divisionsarzt Dr. 
Deimling die Vertreter des Offiziercorps und dankte denselben für ihr 
Erscheinen, durch das sowohl dem Jubilar als auch dem Sanitatscorps 
ein Beweis der Werthschätzung der Dienste des Letzteren für die Armee 
erbracht werde. Nach verschiedenen ferneren Toasten, in welchen der 
Herr Generalarzt als Vertreter des Sani täte-Offiziercorps die theilnehmen- 
den Professoren der Universität, sowie die anwesenden früheren badischen 
Feldärzte feierte, und nach so mancher froher und erhebender Gegenrede 
wurde die Feier geschlossen. Mittlerweile waren noch mehrfach Glück¬ 
wunschtelegramme, sowie auch Dedicationen für den Jubilar eingetroffen. 
Diese Feier möge auch in weiteren Kreisen der Armee als ein Zeichen 
gelten, wie sehr eine treue und selbstlose Pflichterfüllung, ein standhaftes 
Ausharren im Dienst unseres Allerhöchsten Kriegsherrn zu allen Zeiten 
geehrt und geschätzt wird, und wie in einer Persönlichkeit, wie die des 
scheidenden alten verdienten Feldwebels nicht nur ihm selbst, sondern 
zu gleicher Zeit seinem Stande und seinem Wirkungskreise, den er so treu 
und vollständig auszufüllen wusste, die gebührende Anerkennung nnd 
Hochachtung von Höchster und Allerhöchster Stelle in ehrender Weise j 
entgegengebracht wird. —i. 


Gedruckt in der Stattlichen Hofbuchdruckerei von E 8. Mittler nnd 8ohn, Berlin SW., Kochetratte ßfi-fat 


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Am 28. Juni 1886, Vormittags 10 Uhr, entschlief sanft 
nach schweren Leiden, im 43. Lebensjahre, der langjährige 
Mitredacteur der „Deutschen Militärärztlichen Zeitschrift“ 

Dr. med. Max Bruberger, 

Stabs- und Bataillonsarzt im Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiment No. 2, 
Ritter des Eisernen Kreuzes 2. CI. a. w. B., des Kronen-Ordens 3. CI. und 
des Rothen Adler-Ordens 4, CI., Offizier des Ordens Stern von Rumänien 

mit Schwertern. 

Seit 1876 der Redaction angehörend, hat der Verblichene, 
geleitet von der wärmsten Hingabe für den Königlichen Dienst 
wie für die Wissenschaft, sein Ganzes, Bestes eingesetzt, um 
unserer Zeitschrift diejenige Stellung in der Fachliteratur zu 
erringen, deren sie sich jetzt erfreut. Oft mit den tiefgreifenden 
Störungen kämpfend, die ihm sein chronisch-destructives Nieren¬ 
leiden seit fast acht Jahren immer wieder auferlegte, und nicht 
im Unklaren über sein Geschick, — ist er trotz alledem rastlos 
thätig gewesen, Mitarbeiter zu gewinnen und zu erhalten; hat 
hier anregend und fördernd, dort beschwichtigend und aus¬ 
gleichend gewirkt und in dieser Thätigkeit unwandelbar das 
volle Vertrauen Aller genossen, die ihm nahe getreten sind. 

Noch die vorliegende Nummer lässt in seiner letzten 
Arbeit, die er schon schwerkrank vollendete, das ganze 
lebendige Interesse erkennen, welches er der von ihm ver¬ 
tretenen Sache entgegenbrachte. 

Was er dem Allerhöchsten Dienst, was er seiner tief¬ 
gebeugten Gattin — die in schweren Zeiten treu zu ihm 
gestanden —, was er seinen Freunden gewesen, wird ander¬ 
weitig gewürdigt. Hier ist es schmerzliche Pflicht der Redaction 
und der Verlagsbuchhandlung, dem heimgegangenen Mitarbeiter 
einen herzlichen Abscliiedsgruss in die Ewigkeit nachzurufen! 

Sein Andenken wird in Treuen bewahrt bleiben. 

Leicht sei ihm die Erde! 


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Deutsche 

Militärärztliche Zeitschrift. 


Redaction: 

Dr. *. Generalarzt, 

Berlin, Tenbenstneee 6, 

n. Dr. 9U gtatfcfftt, Stabsarzt, 

Berlin, Hedemumstr. 15. 


Verlag: 

§. §. k £o?«, 

Königliche Hofbachhandlang, 
Berlin, Kochstraase 68—70. 


Monatlich «scheint ein Heft Ton mindestens 8 Druckbogen; dun ein „Amtliches Beiblatt“. Der 
Zeitschrift wird, du Werk: „Jahresbericht über die Fortschritte auf dem Gebiete des Milittr- 
9anitxt»>Wesens M , herausgegeben rom Generalarzt Dr. Botb, unentgeltlich heigegeben. Bestellung 
nehmen alle Postämter und Buchhandlungen an. Preis des Jahrgangs 15 Muk. 

XV. Jahrgang._ 1886. _Heft 7. 


Die neue Beilage 5, § 63 der Kriegs-Sanitäts-Ordnong und die 
inkttnftige Gestaltung der Kriegs-Antisepsis Deutschlands. 

Im amtlichen Beiblatt des letzten Heftes dieser Zeitschrift S. 51 
befindet sich der Erlass Sr. Exc. des Kriegsministers, welcher von der 
Neubearbeitung der Beilage 5 der Kriegs-Sanitäts-Ordnung 
— enthaltend den medicinisch - chirurgischen Etat der Feld-Sanitäts- 
Formationen — Kenntnis« gieht Die über 9 Druckbogen starke Beilage 
ist durch die Königl. Hofbuchhandlung von E. S. Mittler n. Sohn za 
beziehen (Preis 1 Mark). — 

Die Neubearbeitung war nötbig geworden hauptsächlich durch die 
Umwälzungen, die die Einführung der Antiseptik in den Etats-Positionen 
für Antiseptica für Verbandstoffe und Utensilien hervorgerufen hatte, zu 
gleicher Zeit ist den Etats eingefügt worden, was die Chirurgie in den 
8 Jahren seit Erscheinen der K. S. O. Zweckmässiges bezüglich der 
Wundbehandlung zu Tage befördert hat, so dass das Material, was der 
Staat im Feldlazareth, beim Sanitätsdetachement etc. zum Zweck der 
Verwundeten-Behandlung und des Transports derselben zur Verfügung 
stellt, jetzt wieder vollkommen anf der Höhe der modernen Chirurgie 
steht Entsprechend der früheren Beilage 5 zerfällt auch die neue in 
Abtheilungen: 

A. Medicinischer Etat B. Chirurgischer Etat C. Packordnungen. 
D. Verladungsordnnng für ein Lazareth- Reserve-Depot Neu hinzuge¬ 
kommen ist: E. Anleitung zur Zubereitung und Verwendung 
des antiseptischen Verbandmaterials (Sublimat-Verband). 

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Jeder Chirurg, der diese Anleitung in die Hand nimmt, wird ebenso 
sehr über die Zweckmässigkeit wie über die Einfachheit des Verfahrens 
erstaunt sein. Wer im Jahre 1875*) in Deutschland sich mit der Technik 
des antiseptischen Verfahrens bekannt machen wollte, dem standen zu 
diesem Zweck als gute Bücher zur Verfügung das 283 Seiten um¬ 
fassende Werk Lister’s, ins Deutsche übertragen von O. Thamhayn 
(cfr. diese Zeitschr. 1875 S. 221), oder das in demselben Jahre von 
v. Nussbäum unter dem Titel „Die chirurgische Klinik in München im 
Jahre 1875* herausgegebene, sich ausschliesslich mit der Technik des 
antiseptischen Verbandes beschäftigende Werkchen. Auch dies letztere 
Werk braucht, um in knappester Form die Technik auseinanderzusetzen, 
noch 60 enggedruckte Seiten. Heute genügen der K. S. O. drei und eine 
halbe Seite, um die Anwendung des antiseptischen Verbandes nicht^nur 
zu erläutern, sondern auch ein vollkommenes Verfahren für die Zubereitung 
des Verbandmaterials zu geben. Auf so einfache Formen ist das ur¬ 
sprünglich so complicirte Verfahren zurückgeführt worden. Verschwunden 
sind der Spray, Silk Protective, Mackintosh, das 5- und lOpro- 
centige Carbolol, die Salycil-Emulsion, die 8procentige Chlorzink¬ 
losung, die Salicylwatte und Jute, der Borlint etc. Oeblieben oder neu 
eingefuhrt sind Sublimat als souveränes Antisepticum, für einzelne Fälle 
Jodoform, Carbol nur noch zur Desinficirung der Instrumente; als Ver¬ 
bandstoffe figuriren ausser den Binden zur Befestigung einzig Mull und Watte. 

Erst mit der einfachen Gestaltung, die das antiseptische Verfahren 
jetzt nach 12jährigen ausgedehntesten Studien und Versuchen in Deutsch¬ 
land angenommen hat, ist dasselbe wohl nach allgemeiner Ueberzeugung 
so recht „felddienstfähig* geworden, dem Staate aber ist viel Geld er¬ 
spart worden dadurch, dass die Centralleitung entsagend genug war, mit 
der hundert Mal energisch geforderten Einführung der Antiseptik in die 
Kriegspraxis zu warten, bis die unendlich vielen Wandelungen der noch 
immer interessanten Frage der antiseptischen Wundbehandlung überwunden 
und jetzt für voraussichtlich recht lange Zeit maassgebende einfache 
Formen gefunden wurden. 

Als Strohmeyer während seiner Thätigkeit vor Paris im Jahre 
1870/71 die Ansicht aussprach, die Behandlung der Verwundeten müsse 
durch eine amtliche Instruction geregelt werden, wurde er viel verlacht, 
es hatte den Anschein, als beabsichtige er die ganze Chirurgie in eine 

*) 3 Jahre nachdem Stabsarzt A. W. Schulze in dieser Zeitschrift zuerst 
(cfr. Jahrgang I S. 287) die berühmt gebliebene Arbeit veröffentlichte, welche dem 
bislang in Deutschland nicht beachteten oder angefeindeten Lister-Verband die 
Wege öffnete. — 


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paragraphirte Dienst-Ordnung umzu wandeln; wenn er mit seinem Aassprach 
meinte, dass die Art der Wundbehandlung dienstlich vorgeschrieben werden 
misse, dann scheint dem vorausschauenden Geiste in der That etwas 
der heutigen „Anleitung zur Zubereitung und Verwendung des antiseptischen 
Verbandmaterials 11 Aebnliches vorgeschwebt zu haben. Der Individualität 
des Arztes bleibt auch mit der heutigen „ Anleitung“ in der Hand Bewegungs¬ 
freiheit genug, um für specielle Zwecke specielle Verbände innerhalb 
des gegebenen Schemas zu ersinnen, nur ein Rahmen ist ihm gezogen, 
der nicht überschritten werden darf, er darf nicht verlangen, dass ihm 
im Felde Verbandmaterialien wie Holzwolle, Torfmoos, Oacum etc. oder 
Antiseptica etwa wie Thymol, essigsaure Thonerde, Bismuthum subnitricum 
etc. geliefert werden, falls er zu Hause mit dergleichen Materialien ge¬ 
arbeitet hatte und darauf eingeübt ist Im Uebrigen, wenn er Sublimat 
als Andsepticum acceptirt und Mull und Watte als Verbandstoffe, kann er 
anch heute noch die Wundbehandlung leiten, wie es seiner Individualität 
and seiner Ausbildung entspricht. Gerade in der grossen Vereinfachung 
des ursprünglich so gewaltig complicirten Apparates für die Antiseptik 
Hegt ja die Möglichkeit ihrer Durchführung im Kriege. 

Bei der grossen Wichtigkeit der Frage lohnt es, eine kurze Betrachtung 
anzustellen, wie sich nach dem Inkrafttreten der neuen Beilage 5 
zur K. 8. O. die Antiseptik im Felde wenigstens in den vordersten 
Limen gestalten wird. 

Antiseptisches Verbandmaterial liefert der Staat bei den verschiedenen 
Formationen reichlich an den verschiedensten Stellen.*) 

I. Für die Feuerlinie und die Truppen-Verbandplätze dicht 
hinter derselben kommt in Betracht (ausser dem Verbandpäckchen, was 
jeder Soldat event. bei sich trägt) 1) Wundwatte (in Pressstücken zu 
100 g) in jeder Lazarethgehülfentasche 1, im Bandagentornister 10, 
im Medicin- und Bandagenkasten 10, im Medicinwagen und -Karren 10. — 
2) Mullcompressen (40 cm lang und 30 cm breit) im Medicinwagen 
500. — 3) Verbandpäckchen in wasserdichtem Verbandstoff (enthaltend 
1 Binde von Cambric zu 3 m, 2 Mullcompressen, 1 Sicherheitsnadel) 
in jeder Lazarethgehülfentasche 5, im Bandagentornister 15, im Medicin- 
ond Bandagenkasten 25, im Medicinwagen und -Karren 50. 4) Der 

Inhalt der Verbandmitteltaschen an den Krankentragen der Sanitäts- 
Detachements (unter Anderem in jeder Tasche 4 Cambric-Binden, 

*) Die Zubereitung des fertig mitzuführenden antiseptischen Verbandmaterials 
der FelfLSanitätsformationen erfolgt nach befohlener Mobilmachung, jedoch vor dem 
Verlassen des Mobilmachungsortes (cfr. S. 404 s Beil. 5.) 

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306 


6 Verbandpäckchen, 1 Preasstück Wundwatte ca 100 g etc.). — 
5) Jodoform im Bandagentornister 100 g, im Medicin- and Bandagenkaaten 
300, im Medicin wagen nnd -Karren 500 g so event. noth wendigen Pulver- 
verbänden. 

Wie die Verhältnisse sich auch in der Feuerlinie gestalten, mögen, 
man wird zugebeu müssen, dass an den verschiedensten Stellen antiseptisches 
Material für einen provisorischen Occlnsionsverband vorhanden ist, so 
dass, wenn wirklich in der Feuerlinie ein Verband angelegt werden must, 
dasselbe kaum fehlen kann. Bei grosseren Gefechten wird es immer 
die Regel bleiben müssen, dass in der Feuerlinie nicht verbunden wird, 
der Verwundete ist zunächst zu bergen und nach dem Hauptverband¬ 
platz zu schaffen, dort erst ist die Stelle, wo der erste Verband angelegt 
wird; handelt es sich nur um kleinere oder um.Recognoscirungs-Gefechte 
und wird kein Sani täte- Detachement etablirt — also auch kein Haupt¬ 
verbandplatz aufgeschlagen, dann ist es mit dem aufgeführten Verband¬ 
material möglich und durchaus durchführbar, allen Wunden einen ausreichend 
sicheren, provisorischen Occlnsionsverband zukommen zu lassen. 

II. In der zweiten Linie, d. h. auf dem Hauptverbandplatz 
des Sanitäts-Detachements, stehen an Materialien*) zum antiseptischen 
Verband zur Verfügung: 1) Wund watte, a. Pressstücke zu 1 kg 18 Stück, 
b. Pressstücke zu 100 g 56 Stück, c. gewöhnliche ungeleimte Watte 12 kg, 
zusammen 35,6 kg Watte. 2) Mullcompressen (wie unter I ad 2) 
1000 Stück. 3) Entfetteter Mull 1600 m. 4) Verbandpäckchen (wie 
unter I ad 3) 672. 5) Jodoform 3600 g. 6) a. Hydrarg. bichlorat. 
1000 g, b. Liq. Hydrarg. bichlorati (1 g = 0,2 Hydr. bichldr. = 16 Tropfen) 
1400 g. 7) Acid. carbol. liquefsct. 2600 g. 

Mit dem hier aufgeführten Material wird es nicht nur möglioh sein, 
eine antiseptische Occlusion herzustellen, wenn in der Feuerlinie über¬ 
haupt verbunden wird, sondern auch grosse Operationswunden definitiv zu 
verbinden, überhaupt alle complicirten Verbände herzustellen. Für Irri- 
gationsfiüssigkeiten haben wir nicht nur das nicht ganz leicht lösliche 
Sublimat in Substanz zur Verfügung, sondern auch einen Sublimat-Liquor, 
mit Hülfe dessen wir in der kürzesten Zeit uns jede beliebige Verdünnung 
oder Goncentration der Berieselnngsflüssigkeiten hersteilen können. 

Es ist im Uebrigen ein so colossales Verbandmaterial, welches die 
Sanitäts-Detachements mitschleppen, dass nach unserer oberflächlichen 

*) Wir fuhren hier nur die eigentlichen Verbandstoffe und Antiseptica auf, 
selbstverständlich sind auch alle Hülfsniaterialien wie Draius, Catgut, Seide, Gaze-, 
Cambric-Binden, Verbandtücher etc. ausreichend vorhanden. 


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807 


Schätzung, aueh wenn ein Armee-Corps an drei Schlachten, wie die am 
14^ 16. and 18. August 1870 bei Metz, betheiligt sein sollte, man noch 
dem letzten Verwundeten werde gerecht werden können, wenn eine halb- 
wegs gleichmässige Vertheilang der Sanitäts-Detachements aof dem Ge¬ 
fechtsfeld durchführbar ist 

111. In der dritten Linie, im Feldlazareth, stehen an Mate¬ 
rialien zum antiseptischen Verband zur Verfügung: 1) Wandwatte, 
a. Presssticke ca 1 kg 24 Stick, h. gewöhnliche, angeleimte Watte 
16 kg. 2) Mullcompressen (wie unter I ad 2 und unter II ad 2) 
1000 Stoek. 3) Entfetteter Mall 2400 m. 4) Jodoform 4000 g. 
5) Hydrarg. bichlorst 1000 g. 6) Acid. carbol. liquefact 14 000 g. 

Gegenüber den Materialien des Sanitats-Detachements fehlen hier 
die „Verbandpäckchen“ ganz; im Feldlazareth wird eben nicht mehr 
provisorisch occludirt, sondern Definitives geleistet; ferner fehlt der für 
lasche Improviairung der Berieselungsflissigkeiten nothwendige Liq. 
Hydrarg. bichlorat (cfr. II ad 6 b), die Irrigationsflüssigkeiten können 
hier in der im Defectbuch verschriebenen Stärke bezogen werden. Die 
1000 Stock abgepasster Mullcompressen werden in den ersten Tagen der 
Etablirung des Lazareths, wo alle Hände beschäftigt sind, gute Dienste 
leisten, später bei grosserer Ruhe kann die gewünschte Form leicht vom 
Lazarethpersonal aus den grossen Beständen zugeschnitten werden. 

Wie lange ein Feldlazareth mit den von ihm selbst mitgeschafften 
Verbandmaterialien ausreichen könne, ist schwer zu taxiren; dasselbe ist 
bekanntlich für die Aufnahme von 200 Verwundeten und Kranken ein¬ 
gerichtet. Eine oberflächliche Schätzung, bei der wir die Annahme zu 
Grande legen, dass ein* etablirtes Feldlazareth fünf Mal mehr Verband¬ 
material braucht als eine der Zahl nach gleich starke äussere Station 
eines Friedenslazareths, und weiter annehmen, dass dasselbe ausschliess¬ 
lich mit Verwundeten bis auf den letzten Platz gefüllt sei, hat ans heraus¬ 
rechnen lassen, dass das Verbandmaterial 2>/a bis 37* Wochen reichen 
werde, jedenfalls also lange genug, um für geregelten Nachschub za sorgen. 

Für diejenigen Sanitäts-Offiziere, welche noch nicht auf eine ge¬ 
nügende eigene Erfahrung über die Sublimat-Antiseptik verfügen, dürfte 
es nicht ohne Werth sein, klargestellt za sehen, was das jetzt officielle 
sntiseptische Verfahren zu leisten vermag, namentlich mit Rück¬ 
rieht auf die accidentellen Wundkrankheiten, deren Auftreten in gewissem 
Sinne als^Gradmesser für die Beurtheilnng der in Anwendung gekommenen 
chirurgischen Verbandtechnik zu gelten hat. Ich halte mich in dieser 
Bwiehnng zu folgendem Ausspruch für berechtigt; 


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308 


Wenn auf einer grossen chirurgischen Station seitlich und 
örtlich ringsumher Erysipelas, Diphtherie und andere All¬ 
gemein-Erkrankungen Vorkommen und es tritt bei keiner 
mit Sublimat-Antiseptik behandelten Wunde oder Operation 
in dem Zeiträume eines halben Jahres und darüber Erysipelas 
auf, so ist dies nicht Zufall, sondern der Beweis der Vermeid¬ 
barkeit dieser Krankheit durch die eingeschlagene Therapie. 
Hospitalbrand, Pyamie und Septicamie muss jede Antiseptik 
vermeiden können; auch Erysipel zu vermeiden war bei der 
früheren Carbol- etc. Antiseptik und vor Allem bei Jodoform¬ 
behandlung nicht mit Sicherheit möglich, bei Sublimat-Anti¬ 
septik gehört auch das Wund-Erysipel zu den vermeidbaren 
Krankheiten. 

Dieser Ausspruch ist abgeleitet nicht aus Erfahrungen, die an einem 
wohl situirten, namentlich über ein stetiges zuverlässiges Huifspersonal 
verfügenden Hospital gewonnen sind, sondern aus Erfahrungen, die im 
Militärlazareth gemacht wurden, wo ein fortwährender Wechsel des Hülfe- 
Personals stattfinden muss, weil das Militarlazareth eben auch die Auf¬ 
gabe hat, alljährlich eine recht erhebliche Zahl von Lazarethgehulfen- 
Lehrlingen auszubilden; gerade deshalb aber, weil die guten Resultate 
der Sublimat-Antiseptik mit fast ganz ungeschultem Huifspersonal er¬ 
reicht sind, lege ich um so grösseres Gewicht darauf. Hinzuzufugen ist 
noch, dass die Resultate erreicht sind mit einem im Wesentlichen der 
jetzt officiellen „Anleitung zur Zubereitung und Verwendung etc.“ ganz 
gleichen Verfahren; der einzige Unterschied war, dass die Verband- 
Materialien nicht mit einer wässerig-Spirituosen Sublimatlösung, sondern 
nur mit einer einfach-spirituösen durchtränkt wurden und im Prosen tr 
gehalt um ein Geringes differirten. 

Als weitere Vortheile der Sublimat-Antiseptik ist noch kurz anzu¬ 
führen Folgendes: Die Wunden und Operationen heilen rascher als bei 
jeder andern Antiseptik, die Secretion dabei ist so gering, dass die Ver¬ 
bände fast stets acht Tage liegen bleiben können, Nachblutungen kommen 
kaum noch vor, parenchymatöse Blutungen machen nicht annähernd die 
Schwierigkeit wie bei Carbol-Antiseptik, z. B. nach Conatriction, von In- 
toxicationserscheinungen hat Berichterstatter, trotzdem die Snblimatr 
lösungen bei jeder Gelegenheit recht abundant flössen, nur einmal ein 
ungefährliches Erythem beobachtet. 

Zum Schluss möge es gestattet sein, noch mit ein paar Worten 
auf einige Details der „Anleitung zur Zubereitung und Ver- 


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Wendung des antiseptisehen Verbandmaterials* 1 eineugehen; bei der äusserst 
knappen and präcisen Form der Anleitung, die es verschmäht, auch nur 
ein einziges unnöthiges Wort zu sagen, durften einige Fingerzeige aus 
der Praxis willkommen sein. 

Die Anleitung giebt an,' dass man mit 15 1 der spirituös-wässerigen 
Sublimatlösung (cfr. das der Anleitung beigegebene Recept) etwa 400 m 
Mull dnrchtränken, d. h. aseptisch präpariren könne; uns gelang es 
bei grösstmöglicher Ausnutzung der Lösung nur 375 m zu durchtränken, 
die Imbibitionsfähigkeit verschiedenen Mulls ist gewiss nicht immer ganz 
gleich, daher die geringe Differenz. 

Mit . 11 der nach der officiellen Receptformel hergestellten Sublimat- 
löteuDg ist mau also im Stande, c. 26,6 m Mull zu imprägniren, und da diese 
ziemlich genau 1000 g wiegen, darf man als einfachste, dem Gedächtniss 
sich am leichtesten einprägende Formel die Rechnung aufsetzen: 1 1 
(=* 1 kg) der officiellen Sublimatlösung imprägnirt gleiche 
Gewichtstheile Mull — nämlich ca. 25 m. 

Beim Verschreiben der Flüssigkeit zur Bereitung des Verbandmaterials 
io unseren Friedenslazaretheu erweist es sich als praktisch, den fünften 
Theil des officiellen Originalreceptes zu verschreiben, man hat dann ein¬ 
fache runde Zahlen, die das Abwiegen sehr leicht machen, und kann 
mk der verschriebenen Menge 75 m Mull imprägniren, was ungefähr dem 
Bedarf eines halben Monats auf der Aeusseren Station unserer grossen 
Garnisonlasarethe mit einem täglichen Krankenstand zwischen 110 bis 
140Mann entspricht; die Formel wurde dann lauten: 


Rp. Hydrarg. bichlorat. 10,0 = 0,05 M. 

Spir. vini. 1000,0 = 0,90 „ 

Aq. deetill. 1500,0 = 0,15 „ 

Glycerini. 500,0 = 0,50 „ 

Fuchsin .. 0,1 = 0,01 „ 

3000,0 = 1,61 M. 
75 m Mull (ä 14 Pf.).= 10,50 * 

75 m Sublimatmull.= 12,10 M. 


oder 

1 m Sublimatmall kostet .... = 0,16 M. 

Von der Verbandwatte ist man im Stande bei grösstmöglicher 
Ausnutzung der Flüssigkeit mit 1 1 der officiellen spirituos-wässerigen 
Sublimatlösung 650 g zu imprägniren. Während man also beim Mull mit 
der officiellen Lösung ziemlich genau das gleiche Gewichtsvolumen 


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durchtränkt, kaon man von der Watte nnr 6 bis 7 Zehntel des Gewichts* 
volnmens aseptisch machen. 

1 kg entfettete Watte kostet 1,67 M. 

1550 g zur Imprägnirnng nöthige Flüssigkeit = 0,84 „ 

Demnach kostet 1 kg selbstbereitete Sublim&twatte 2,51 M. gegenüber 
6,50 M. billigsten Ladenpreises. 

Die Znbereitnng selbst des Snblimatmnlls and der Watte ist 
sehr einfach und geht rasch von statten. Am zweckmassigsten übergiesst 
man 10 m Mull in achtfacher Lage in einer grossen irdenen Schüssel mit 
der Flüssigkeit, lasst dieselben durchkneten, dann wringen zwei Gehalten, 
die an beiden Enden anfassen, das Stück, indem sie es zu einem Seil 
zusammendrehen, mit Aufbietung grosser Kraft so lange aus, als noeh 
ein Tropfen zurück in die irdene Schüssel flieset. — Aus den Watte¬ 
pressstücken zu 1 kg lassen sich fast stets vier (250 g) oder fünf (200 g) 
ziemlich gleich grosse Abtheilungen bilden, die auseinander gefaltet eine 
grössere Tafel bilden; diese Tafeln werden in gleicher Weise in der 
irdenen Schüssel durchgeknetet und gleichfalls unter Zusammendreheo 
zu einem Strang energisch ausgepresst. Der Zusatz von Fuchsin zur 
Impragnirungsflüssigkeit erweist sich insofern als sehr praktisch, als 
die Rothfarbung erkennen lässt, ob alle, auch die zu innerst gelegenen 
Theile von der Flüssigkeit durchdrungen worden sind. — Ersetzt man, 
was die officielle Anleitung dem ärztlichen Ermessen anheimstellt, in dem 
Originalrecept einen Theil oder das ganze Wasser durch Spiritus, so 
erzielt man zwei Vortheile, die Lösung dorchtränkt viel rascher und 
gleichmässiger und ohne Anwendung von so grosser physischer Kraft 
die Verbandstoffe, und zweitens trocknen letztere — was namentlich im 
Winter von Belang sein kann — rascher, dafür steigt allerdings der 
Preis nicht unerheblich, indem 1 m mit rein spirituoser Sublimatlösuug 
getränkten Mulls um 4 Pf. theurer wird, nämlich 0,20 M. kostet; der 
Preis des Kilo Watte steigt bei der gleichen Bereitung von 2,51 M. aaf 
3,17 M., immer noch billig gegenüber den 6,50 M. Ladenpreis. 

Der Procentgehalt unserer Verbandstoffe an Sublimat berechnet 
sich folgendermaassen: 

1000 g Mull = 25 m enthalten 3,3 g Sublimat, unser Verbandmull ist 
also 0,33procentig; 

650 g Watte enthalten 3,3 g Sublimat, 1 kg Watte also fast genau 
5,0 g; unsere Verbandwatte ist also 0,5procentig. 

Sehr interessant ist die Uebereinstimmung dieses Procentgehalts mit 
den in dieser Beziehung von Lister gestellten Forderungen. Lister 


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311 


sprach am 23. Februar 1884 io der militararztlichen Gesellschaft zu 
Woolwich*) über die Vereinfachung der antiseptischen Methoden fürs 
Feld und sagte etwa wörtlich: „Man kann hoffen, im Kriege sich gutes 
antiseptisches Verbandmaterial zu verschaffen, wenn man nur Sublimat 
und eine grosse Menge leinener Ueberzuge, Com pressen etc. zur Verfügung 
hat; man würde nur nothig haben, Sublimat mit dem gleichen Gewichts- 
tbeil Glycerin in 200 Theilen Wasser zu losen, die Verbandstücke einzn- 
taochen und dann zum Trocknen zu hangen.* Alte Leinwand braucht 
etwa dieselbe Menge Impragnirungsflüssigkeit wie Mull. Nach Lister 
wurden also benothigen 1 kg alte Leinwand 1 1 seiner Sublimatlosung 
(enthaltend 5,0 g Sublimat). 

Also auch das Li sterische improvisirte Verbandmaterial würde 
0,5 pCt Sublimatgehalt haben. — Wer den oben citirten Aufsatz Lister’s 
genauer durchliest, muss sich freuen, dass volle Uebereinstimmung in 
allen wesentlichen Punkten herrscht zwischen den Ansichten des Alt¬ 
meisters der englischen Chirurgie und unserer deutschen officiellen An¬ 
leitung, gewiss liegt auch hierin, da beide Theile unabhängig von einander 
in denselben Resultaten gekommen sind, eine Bürgschaft, dass nicht 
sobald wieder ein Wandel der Ansichten eintreten werde, dass vielmehr 
auf Jahrzehnte hinaus die Wundbehandlung im Kriege in den bestimmten, 
sicheren, nach langer, mühseliger Arbeit gefundenen Normen sich be¬ 
wegen wird. 

Im Vorstehenden haben wir nur auf die fundamentalen Neuerungen 
in unserem medicinisch-chirurgischen Kriegsetat hin weisen können, es ist 
ganz unmöglich, auf die tausend Einzelheiten einzugehen, der Chirurg 
besitzt in der Beil. 5 der K. S. O. nicht nur eine Zusammenstellung 
unendlich vieler hochwichtiger Details, die er jeden Augenblick braucht 
und die er doch nicht dem Gedachtniss an vertrauen kann, weil zuviel 
vergessliche Zahlen dabei sind, sondern auch eine Quelle mannigfacher 
Belehrung; um nur ein Beispiel herauszugreifen, mochte ich fragen, wie 
fiele Chirurgen schon die unter No. 19 des Verbandmitteletats aufgeführte 
Asbestpappe kennen, mit welcher der Staat die Sanitäts-Detachements und 
Feldlazarethe ausstattet zum Zweck, eine schmiegsame nach dem Erkalten 
sehr fest werdende Stutze für gebrochene Knochen zu liefern. — Pie 
Packordnungen und Verladungsordnungen durchzustudiren, ohne 
die gleichzeitige Möglichkeit, die einzelnen Gegenstände in die dafür 
bestimmten Fächer und Behälter hineinzupassen, ist ein Ding der Un- 


*) cfr. diese Zeitschrift 1884 S. 204. 


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möglichkeit; bei oberflächlicher Durchsicht gewinnt man den Eindruck, 
als stecke eine Unsumme von Fleiss und Arbeit darin, das gedämmte 
Material zur Pflege und Behandlung von Tausenden von Verwundeten so 
auf relativ wenig Transportfahrzeugen unterzubringen, dass nicht bloss 
jedes Stück vom Operationstisch, vom Bettlaken und Stechbecken an bis rar 
Tracheotomie-Canüle und dem Catheter, die jeden Augenblick gebraucht 
werden können, mitgeschleppt wird, sondern dass es auch von jedem aus 
der Fremde zugereist kommenden Arzte mit der Beil. 5 in der Hund 
rasch gefunden und zogängig gemacht werden kann. Diese wunderbare 
Ordnung in dem buntscheckigen Mosaik des verschiedenartigsten Materials 
hat etwas Imponirendes, sie ist im Uebrigen nur ein Stück guter, alt- 
preussischer Tradition; Jeder, der auch auf diesem beschränkten Gebiete 
einen Einblick in die Instructionen unseres Vaterlandes nimmt, muss mit 
dem Gefühl vermehrter Achtung und Liebe erfüllt werden, die ganze 
Armee aber schuldet für die hier besprochene Neubearbeitung eines der 
wichtigsten Theile der K. S. O., deren segensreiche Folgen in jedem zu¬ 
künftigen Eiriege hervor treten müssen, dem preussischen Kriegsministerium 
den allerwärmsten und aufrichtigsten Dank. Bruberger. 


Nachtrag. 

Der vorstehende Aufsatz war im Druck vollendet, als uns in 
No. 45 der Pharmaceutischen Zeitung (Verlag von J. Springer in 
Berlin) ein Artikel „Darstellung von Verbandstoffen“ zuging, welcher 
eine in hohem Maasse abfällige Kritik über die offfcielle „Anleitung zur 
Zubereitung des antiseptischen Verbandmaterials“ enthält. Der Tenor 
dieses Artikels lautet wörtlich: 

„Nachdem vor 2 Jahren unter dem Protectorate Ihrer Majestät der Kaiserin* 
Königin Augusta eine Versammlung der Koryphäen unserer Chirurgie hier getagt 
und über die zweckmäßigsten und geeignetsten antiseptischen Verbandstoffe berathen 
hat, so durfte man wohl erwarten, dass auf Grund der damaligen B&rathungen und 
unter Befragen der einzelnen Mitglieder dieser Commission eine zweckmässigere 
und auf etwas mehr Sachkenntnis beruhende Anleitung verfasst und 
erlassen würde etc.“. 

Wenn der mit F. M. Th. unterzeichnende Referent der Pharm. Ztg. 
nur diese abstracto Kritik lieferte, könnte man ihn mit Stillschweigen 
übergehen, da er sich aber die Miene eines ernsten Kritikers giebt und 
mit scheinbar thatsächlichen Angaben gegen die „Anleitung“ polemisirend 
sein abfälliges Urtheil begründet, muss ihm Antwort auf seine thatsäch¬ 
lichen Angaben werden. Mit letzteren verhält es sich folgendermaassen: 


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313 


1) Der pharmaceatische Kritiker sagt bezüglich der Her8teil qd g 
des Snblimatmolls: 

„Wenn der Arbeiter nach Absatz 3 (sc. der officiellen Anleitung) bei dem 
Imprägniren verfahrt und nach dem Durchkneten u. s. w. den Mull presst, so 
dürfte wohl reichlich i/s» wenn nicht fast die Hälfte der Flüssigkeit 
ablaufen, somit der Mull auch nur dementsprechend 3 /io pCt. Sublimat enthalten. 
. . . . Das Volumen der zur Bereitung des Sublimatmulls dienenden Flüssigkeit ist 
mit einem Worte gesagt zu gross .... und dürfte sich nach jahrelanger (?) Er¬ 
fahrung wohl die Reduction des Volumens auf 10 Kilo (statt 15. Ref.) derGesammt- 
flöscigkeR empfehlen.“ 

Die Wahrheit ist: dass nicht ’/a oder gar die Hälfte der Flüssigkeit 
abläuft, sondern dass man, wie oben S. 310 ausein&ndergesetzt, bei grosst- 
möglicher Ausnützung der Imprägnirnngsflüssigkeit kaum im Stande ist, die 
abgegebene Mullmasse ganz zu durchtränken. Verfasser hat mit seinem 
derzeitigen Assistenten an der Aeusseren Station des Garmson-Lazareths 
Tempelhof, Herrn Dr. Goldscheider, die Versuche in der Art angestellt, 
dass Mallstücke von 25 and 10 Meter Länge nach ihrer Durchknetang in 
einer irdenen Schüssel von zwei besonders starken Gehülfen über der 
Schüssel zum Strang gedreht, so stark aosgewrungen wurden, dass kein 
Tropfen mehr aaszuquetschen war, die 15 Liter Imprägnirnngsflüssigkeit 
reichten ans nie für volle 400 Meter Mull, sondern nur für 375 — der 
pharmaceatische Kritiker lässt ein Drittel, wenn nicht die Hälfte der 
Flüssigkeit abfliessen. 

2) Der pharmaceatische Kritiker sagt in demselben Absatz: 

„Da nach den gültigen Submissionsbedingungen das Stück Mull von 40 Meter 

in der Regel 1 Kilo wiegt.' 

In Wahrheit ist auch diese Angabe ganz falsch, wir haben Mull 
von Kahnemann and Siebenlist gewogen, ein Weniges mehr als 
26 Meter wiegen in Wirklichkeit 1 Kilo, wir glaubten uns deshalb 
berechtigt, in vorstehendem Artikel abrnndend zu sagen: 

Die offlcielle Sublimatlösung imprägnirt das gleiche Gewichts« 
Volumen MulL 

15 Liter Sublimatlösung imprägniren 400 Meter Moll, 

1 „ =1 Kilo imprägnirt 26Vs Meter Mull = 1 Kilo, 

sUo 1 Liter Flüssigkeit = 1 Kilo Mull. 

3) Welchen Werth sollen wir der Berechnung des Proceutgehalts 
der Verbandstoffe an Sublimat, die der pharmaceutische Kritiker liefert, 
beilegen, wenn derselbe mit so groben Irrthümern rechnet? — 

4) Der pharmaceatische Kritiker sagt: 

„Nun, wer jemals zum Imprägniren der Watten wässerige Lösnngen benutzt 
uod wer jemals das Anlegen von grösseren Verbänden mit solchen wässerigen 


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314 


Watten beobachtet hat, wird es unbegreiflich finden, dass bei einer so tief ein¬ 
greifenden Anleitung för die ganze Armee mit so -wenig Sachkenntniss vorgegangen 
worden ist. Nach Absatz 9 soll die Watte recht (gedruckt steht „nicht“. Ref.) 
locker bei dem Trocknen liegen, der arme Pharmaceut oder Lazarethgehülfe mag 
sehen, wie er diesem Absatz nachkommt! Der verbindende Stabsarzt wird von der 
nach Vorschrift hergestellten Watte wenig genug erbaut sein; zum Imprägniren der 
Watte darf eben nur eine spirituöse, aber niemals eine wässerige Losung ge¬ 
nommen werden.“ 

In Wahrheit ist auch die mit wässerig-spirituoser Sublimatloeung 
ixnprignirte Watte ein ganz vortreffliches Verbandmaterial, die, nachdem 
sie, ebenso wie der Mull in Stricke zusammengedreht, ansgepresst wurde, 
über Waschleinen rasch trocknet (12 Standen) and nach dem Trocknen 
schon locker and zam sofortigen Verband geeignet ist Nachdem Ver- 
fasser sowohl mit Spirituosen wie mit wässerigen Watten genügsam ge¬ 
arbeitet, zieht er mit Rücksicht auf den Preisunterschied (cfr. S. 309) 
die letzteren vor. 

5) Was der pharmaceutische Kritiker von dem Mürbe- and Zerreiblich- 
werden des Catgats sagt, bedarf keiner Zurückweisung, die offfcielle 
Anleitung lässt weder Catgut noch Seide in öprocentige Sublimatlösong 
legen, sondern in 5promillige. — 

Wir kennen die Pharmaceutische Zeitung als ernstes wissenschaftliches 
Organ, die Verlagshandlung derselben erfreut sich in medicinischen 
Kreisen des besten Rufes, um so mehr müssen Redaction und Verlag 
bemüht sein, eine sachliche Prüfung vorzunehmen, sie werden es alBdann 
für Pflicht halten,*) ihren irrenden und übelwollenden Referenten zu 
corrigiren. Bruberger. 

*) Mit Freude ersehen wir, dass die Pharmaceutische Zeitung schon von selbst 
dieser Pflicht nachgekommen ist, sie bringt in No. 47 folgende Berichtigung: 

„Wir brachten in No. 45 der Pharmaceutisehen Zeitung eine uns zugesandte 
Kritik des vom Preussischen Kriegs-Ministerium neu eingeführten Verfahrens zur 
Darstellung von Verbandstoffen, worin dieses Verfahren als ein unbrauchbares und 
einer sofortigen Abänderung bedürftiges bezeichnet wird. Es geht uns nunmehr 
von anderer sachkundiger Seite die Mitteilung zu, dass jene Kritik eine durchaus 
unberechtigte und unbegründete war. Das betreffende Verfahren ist ein von Auto¬ 
ritäten der Kriegs - Chirurgie gebilligtes, welches erst nach zahlreichen sorgfältigen 
Versuchen angenommen worden ist.“ 


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315 


Weitere Beiträge znr Kenntniss der WärmeSkonomie 
des Infanteristen anf dem Marsche nnd znr Behandlung 
des Hitzschiages. 

, Von 

Dr. A. Hiller, 

Stabs- and Bntaillonsarzt im 2. Schlesischen Grenadier-Regiment No. 11 nnd Priratdocent an der 

Universität Breslau. 


Die Fortsetzung meiner Untersuchungen über die Wärmeökonomie 
des Infanteristen auf dem Marsche hat zu Ergebnissen geführt, welche 
die in der ersten Arbeit*) gemachten Angaben wesentlich erweitern 
und befestigen, zn einem kleinen Theile sogar berichtigen. Die Er¬ 
weiterung besieht sich auf das Verhalten der Eigenwärme des Infante¬ 
risten anf dem Marsche, auf die genaue Berechnung der während des 
Marsches durch die Kleidung im Körper zuruckgehaltenen Wärme und 
die darauf begründete Schätzung der während der Marschleistung vom 
Körper überhaupt gebildeten Wärme, sowie anf die Vergleichung der 
Wirkung des von mir zur Abkühlung hitzschlagkranker Soldaten empfoh¬ 
lenen Verfahrens mit der Wirkung kühler Bäder und die praktische Er¬ 
probung dieses Verfahrens an fiebernden Typhuskranken; die Berichtigung 
endlich betrifft die unmittelbare Anwendung der in den rein physikalischen 
Versuchen der Reihe D. „Abkühlungsversuche“ (Seite 361 a. a. O. 
und Seite 53 des S.-A.) gewonnenen Erfahrungen betreffs der Ab- 
kühlungszeit bei schwitzender Oberfläche und in bewegter Luft auf die 
Abkühlungszeit beim erhitzten (hitzschlagkranken) Menschen. 

Ihrer Natur nach und entsprechend ihrem verschiedenartigen Inhalt 
habe ich diese Zusätze zu der ersten Arbeit in Form kleinerer Abhand¬ 
lungen nachfolgend zusammengestellt, von denen die erste die Eigen¬ 
wärme des Infanteristen auf dem Marsche, die zweite die Wir¬ 
kung des von mir empfohlenen Abkühlungsverfahrens beim 
Menschen behandelt; als dritte Mittheilung habe ich, infolge einer 
Aufforderung von Offizieren, eine Erörterung über die wünschens¬ 
werten Erleichterungen in der Kleidung des Infanteristen 
im Sommer hinzngefugt. 

*) Ueber Erwärmung und AbkGhlung des Infanteristen auf dem Marsche und 
den Einfluss der Kleidung darauf. — Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1885 % 
Heft 7 u, 8. 


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316 


I. Das Verhalten der Eigenwärme des Infanteristen auf 
dem Marsche. 

Die Eigenwärme des Menschen wird bestimmt durch swei Factoren 
von entgegengesetzter Tendenz, welche während des Lebens in beständiger 
Bewegnng begriffen sind, nämlich dnrch die Einnahmen des Organismus 
an Wärme and die Ausgaben an solcher. 

Die Einnahmequellen an Wärme sind für den marschirenden 
Infanteristen zur Sommerzeit, wie wir in der früheren Arbeit gesehen 
haben, dreierlei Art: 

1) die vom Organismus im Zustande der Ruhe gebildete Wärme, 

2) die durch Muskelarbeit beim Marschiren mit Qepäck erzeugte 
Wärme, und 

3) die Erwärmung durch Bestrahlung von der Sonne. 

Von diesen drei Quellen sind die beiden ersteren, wie wir sahen, 
auf dem Marsche continuirlich wirksam, während die letztere in der 
Regel nur zeitweise, selten während der ganzen Dauer eines Marsches, 
thätig ist. Die Grösse der Wärme-Einnahmen hatten wir für den Zu¬ 
stand der Ruhe und die Dauer einer Stunde auf Grund der calori- 
metrischen Untersuchungen von Hirn*) auf durchschnittlich 155 Ca- 

*) Die von Hirn für die Ruhe erhaltenen Werthe erscheinen, verglichen mit 
der von Helmholtz durch Rechnung ermittelten Zahl, als beträchtlich zu gross. 
Auch a priori war, nach den von Ludwig, Clausius und Liebermeister geltend 
gemachten Fehlerquellen an Hirn’s Calorimeter, ein zu grosser Werth zu erwarten. 
Dennoch haben diese Versuche, wie Liebermeister (Handbuch der Pathologie 
und Therapie des Fiebers. Leipzig 1875. Seite 192) anerkennt, „eine grosse 
relative Beweiskraft, um so mehr, da nach der Anordnung des Versuchs und 
der Rechnung zu erwarten ist, dass die während der Arbeit erhaltenen Werthe im 
Vergleich zu den in der Ruhe erhaltenen jedenfalls zu gering ausfallen mussten. 6 
Es wird hierdurch der Fehler bei der ersten Berechnung (für die Wärmeproduction 
in der Ruhe) einigermaassen wieder ausgeglichen. Wir können daher die für die 
Muskelarbeit ermittelten Werthe, welche wir unserer Berechnung der Wärme- 
production durch die einstündige Marschleistung des Infanteristen zu Grunde legten, 
als annähernd richtig annehmen. 

Ich lasse hier, zur Vervollständigung meiner früheren Angaben, einige Resultate 
der Hirn'sehen Versuche im Auszuge folgen: Ein Mann von 42 Jahren lieferte in 
6 verschiedenen Versuchen in der Ruhe: 144, 147, 148, 155, 170, 170 Calorien, 
während der Arbeit (Gehens auf dem beweglichen Tret-rade) in 12 Versuchen: 
246, 284, 302, 309, 334, 251, 203, 351, 292, 269, 251, 255 Calorien, mithin im 
Mittel in der Ruhe 155, in der Arbeit 251 Calorien. — Bei einem 18 jährigen 
Manne betrug die st&udliche Wärmeabgabe in der Ruhe 161, während der Arbeit 
264 Calorien; bei einem 18jährigen Frauenzimmer in der Ruhe 129, während der 
Arbeit 252 Calorien; bei einem 47jährigen Manne in der Ruhe 140—148, während 
der Arbeit 229—251—280 Calorien. — Man vergl. bezüglich der Kritik dieser 
Versuche Liebermeister, a. a. O. Seite 138—142. 


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317 


lorien angenommen (nach der theoretischen Berechnung von Helmholt* 
würde sie nur etwa 114 Calorien pro Stande betragen). Die darch ein- 
stündiges Marschiren in vollständig kriegsmässiger Aus¬ 
rüstung, d. h. also durch das Forttragen der Körperlast -f- 35 kg Be- 
kleidang and Aasrastang, gebildete Warme hatte ich, gleichfalls unter 
Zugrundelegung der von Hirn für geleistete mechanische Arbeit von 
bestimmter Grösse gefundenen Werthe, auf ungefähr 300 Calorien oder 
das Doppelte der in der Rahe gebildeten Warme berechnet 
Endlich für die erwärmende Kraft der Sonnenstrahlen auf einem ein» 
ständigen Marsche hatte ich* unausgesetzte Bestrahlung and nahezu senk¬ 
rechte Incidenz der Sonnenstrahlen vorausgesetzt, auf Grund des von 
0. Hagen durch directe Versuche ermittelten absoluten Erwärmungs- 

werthes ( 1,76 g Calorien pro , bei 800 qcm bestrahlter Haut¬ 

oberflache des Körpers des Infanteristen eine Einnahme von 84,48 Ca¬ 
lorien angenommen, wobei die gleichzeitige, nicht unbeträchtliche 
Erwärmung der Kleidungs- und Ausrüstungsstücke durch die Sonne (vergl. 
Versuchsreihe A. der ersten Arbeit, a. a. O. Seite 332) ganz ausser 
Rechnung gelassen wurde. 

Die ge8ammten Einnahmen an Wärme während eines ein- 
stündigen Marsches im Sommer zur Mittagszeit in voller 
kriegsmässiger Ausrüstung wurden daher auf rund 385 Ca¬ 
lorien oder das 27>fache der in der Ruhe gebildeten Wärme 
berechnet Der Zuwachs an Wärme-Einnahmen durch die Marsch¬ 
leistung unter den genannten Bedingungen beträgt demnach etwa 235 Ca¬ 
lorien (oder wahrscheinlich mehr, wenn wir die von Hirn für die Ruhe 
ermittelten Werthe als zu gross annehmen). Diese 235 Calorien 
würden die Körpertemperatur eines Mannes von 70kg Gewicht 
und 0,83 specifischer Wärme bei gleichbleibender, d. h. nicht 
gesteigerter Wärmeabgabe um 2,8° C., d. h. von 37,5° bis auf 
40,3° C. erhöhen. Wir werden unter den nachfolgenden Messungen der 
Körpertemperatur von Infanteristen nach Marschleistungen von bestimmter 
Grösse eine solche Messung Anden (Lazarethgehülfe Hämel, VH. Beob. 
am 17. 9. 85, Seite 334), in welcher bei fast völliger Gleichheit der Ver¬ 
suchsbedingungen — % ständiger Marsch zur Mittagszeit bei + 27 ° C. Luft¬ 
temperatur, unausgesetzter Bestrahlung und massigem Winde — die ge¬ 
nannte Körpertemperatur, nämlich +40,2° C. im After, thatsächlich 


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318 


erreicht wurde.*) Schoner kann die Uebereinstimmung zwischen 
theoretischer Berechnung und praktischem Versuch, zumal bei der Mannig¬ 
faltigkeit und Veränderlichkeit der gleichzeitigen, die Abkühlung des 
Körpers beeinflussenden Bedingungen (Witterung, Kleidung, Schweits- 
ab8onderung), wohl nicht gedacht werden! — 

Was nun die Ausgaben des Organismus an Wärme während 
eines einstündigen Marsches anbetrifft, so hatten wir darüber Folgendes 
ermittelt: 

In der Ruhe entsprechen die abgegebenen Wärmemengen genau den 
eingenommenen; es besteht vollkommene Wärmebilance. Der Organismus 
giebt demnach in 24 Stunden nach Helmholtz 2736 Calorien, nach Hirn 
3720 Calorien nach aussen ab, im Mittel 3216 Calorien oder pro Stunde 
134 Calorien. 

Von diesen Wärmemengen werden (in der Ruhe) etwa 4/* (nach 
Helmholtz 77,5 pCt, nach J. Rosenthal und Vierordt 85 pCu) 
durch die Haut ausgeschieden, der Rest, etwa */») durch die Lungen 
abgegeben und zur Erwärmung aufgenommener Speisen und Getränke 
verwendet. 

Die Haut ist demnach das bei weitem wichtigste Abkuhlungsorgan 
des Menschen. Sie giebt die Wärme des Körpers auf drei verschiedene 
Weisen nach aussen ab: durch Leitung, Strahlung und Wasser- 
verdunst'ung. Alle diese drei Vorgänge stehen in strenger Abhängig¬ 
keit von dem Verhalten der atmosphärischen Luft, welche den 
Körper umspult, und zwar von der Temperatur, dem Feuchtigkeits¬ 
gehalt und dem Bewegungsgrade derselben. Da die Grösse dieser 
einzelnen Factoren und damit die Grösse der Wärmeabgabe durch Leitung, 
Strahlung und Verdunstung je nach Zone, Klima, Jahres- und Tageszeit 
einem beständigen und ausgiebigen Wechsel unterworfen ist, so bedarf 
der menschliche Organismus, um schwere Störungen seiner Wärmebilance 
zu verhüten, auch seinerseits der Fähigkeit, die Grösse der Wärmeabgabe 
von der Haut durch Leitung, Strahlung und Verdunstung variiren 
und den wechselnden atmosphärischen Einflüssen anpassen zu können. 
Diese Regulirung der Wärmeabgabe erfolgt bekanntlich durch Er¬ 
weiterung und Verengerung der Blutgefässe lind dadurch herbeigefuhrte 
wechselnde Blutfulle der Haut einerseits, durch Veränderung der Grösse 

*) Die geringere Belastung des Lazarethgehülfen im Vergleich zum Infanteristen 
(durchschnittlich im Manöver 12,5 kg gegen 33,5 resp. 35 kg, also + Körpergewicht 
[65 kg] = 77,5 kg gegen 100 kg, oder s /4 4er Gesammtlast des Infanteristen) wurde 
in diesem Falle .durch die um */4 grössere Weglänge bezw. Marschdauer compen9irt. 


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319 


der Schweißabsonderung andererseits, und zwar in so vollkommenem 
Grade, tdass für gewöhnlich, im Zustande der Rohe, der Mensch im 
Winter f nnd im Sommer, am Aeqoator nnd in der gemässigten Zone, 
immer die gleiche Körpertemperatur hat 

Die grosse Veränderlichkeit dieses Wärmeregulirungs-Mechanismus 
der Haut bei wechselnden äusseren Bedingungen und selbst schon aus 
mannigfachen inneren Ursachen (psychische Vorgänge, Verdauung, Fieber) 
maeht es fast unmöglich, die Grosse der Wärmeabgabe der Haut durch 
Leitung, Strahlung und Verdunstung bei bestimmter Lufttemperatur, be¬ 
stimmtem Bewegungsgrad und Feuchtigkeitsgehalt derselben mit hin¬ 
reichender Genauigkeit zu bestimmen. Nicht nur ist die Weite der 
Hautgefässe und damit der Blutgehalt der Haut bei Anwendung ver¬ 
schiedener Lufttemperaturen sehr verschieden, sondern es wechselt auch 
das Caliber und der Blutgehalt im Verlaufe eines Versuches sehr erheblich 
je nach der Intensität des Reizes, welchen die Wärmeentziehung ent¬ 
sprechend ihrer verschiedenen Schnelligkeit auf die Hautgefässe ausübt. 

Man kann wohl rein physikalisch die Grosse der Wärmeentziehung 
durch Wasserverdunstung einerseits und durch Leitung und Strahläng 
andererseits bei verschiedener Temperatur, Feuchtigkeit und Geschwindig¬ 
keit der Luft feststellen; doch dürfen die auf diese Weise ermittelten 
Werthe nicht ohne Weiteres auf die Wärmeabgabe der menschlichen 
Haut übertragen werden. Für die Wasser Verdunstung hat Helm- 
holtz*) die Grosse der Wärmeentziehung bei verschiedener Lufttemperatur 


Temperatur 

der 

Atmosphäre 

0 Celsius 

A. 

Sättigungsgrad der Luft mit Feuchtigkeit 

B. 

Ohne 

Verdunstung 

50«/. 

70«/. 

90»/. 

100«/. 

35 

11,6 

8,0 

4,3 

2,4 

0,5 

30 

15,0 

12,1 

9,3 

7,9 

1,7 

25 

17,9 

15,8 

13,6 

12.5 

2,9 

20 

20,5 

18,9 

17,3 

16,5 

4,2 

15 

22,9 

21,7 

20,5 

19,9 

5,6 

10 

25,1 

24,2 

23,3 

22,9 

6,9 

5 

27,2 

26,5 

25,9 

25,5 

7,4 

0 

29,1 

28,6 

28,2 

28,0 

9,9 


# ) Encyklopädisches Wörterbuch, Band XXXV, S. 553. Artikel: Wärme 
(1846). — Die Calor, der Tabelle sind kleine oder sog. Gramm- Cal. 

22 


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320 


and verschiedenem Sättigungsgrade der Luft mit Feuchtigkeit theoretisch 
berechnet und in einer Tabelle zusatnmengestellt. Da dieselbe wenig be¬ 
kannt sein dürfte, gebe ich sie hier (S. 319) wieder. Es sind darin diejenigen 
Wärmemengen berechnet, welche 1 g Luft bei 760 mm Atmosphärendruck 
einer stets 37° G. warmen Haut entziehen würde; Golumne A. giebt die 
Werthe für die schwitzende Haut, B. diejenigen für die trockene Haut an. 

Also bei 20° R. (25° C.) würde hiernach 1 cbm Luft*) mit 50 pCt 
relativer Feuchtigkeit der schwitzenden menschlichen Haut 21,2 Calorien 
Wärme entziehen können, wenn die Temperatur, der Blutgehalt und die 
Feuchtigkeit der Haut immer die gleiche bliebe. Um dem marschirenden 
und schwitzenden Infanteristen die in einer Stunde insgesammt (in maximo) 
eingenommenen 385 Calorien wieder zu entziehen, würden demnach bei 
20° R. und 50 pCt. relativer Feuchtigkeit nur 18,15 cbm Loft erforderlich 
sein, vorausgesetzt, dass dieselbe sich vollständig mit Wasserdampf sättigte 
und gleichzeitig bis auf 37° (Hauttemperatur) erwärmte. Selbst bei 
trockener, also gar nicht schwitzender Haut würden, um dem Körper die 
genannten Wärmemengen zu entziehen, doch nur 113 cbm Luft erforder¬ 
lich sein, wofern dieselbe sich von 25° auf 37° C. erwärmte. Nimmt 
man an, was der Wirklichkeit viel näher kommt, dass die Luft sich 
hierbei nur bis auf 29° C. erwärmte — welche Temperatur, wie ich in 
der vorigen Arbeit gezeigt habe, von der Luft der äusseren Kleider¬ 
schichten, selbst bei weit niedrigerer Aussentemperatur, thatsächlich ganz 
gewöhnlich erreicht wird —, so würden, um jene 385 Calorien von der 
Haut aufzunehmen, bei nicht schwitzendem Körper nur 339 cbm 
Luft pro Stande and bei schwitzendem Körper and 100 pCt 
relativer Feuchtigkeit, also unter den denkbar ungünstigsten Ver¬ 
hältnissen, sogar nur 114 cbm pro Stunde erforderlich sein. 

Wäre der Körper des Infanteristen nackt, nur von seinen noth- 
wendigen Ausrüstungsstücken (Tornister, Gewehr, Patronentasohen, Seiten¬ 
gewehr, Brotbeutel, Feldflasche, Schanzzeug) bedeckt, und böte etwa 
1,0 qm freier Hautoberfläche**) der atmosphärischen Luft zur Abkühlung 
dar, so brauchte dieselbe unter den genannten Bedingungen, also bei 


*) 11 Luft wiegt bei 0° und 760 mm barometr. Druck 1,293 g. Bei 25° C. hat 1 g 
Luft ein Volumen von 0,8441. 1 cbm Luft wiegt demnach bei 25° C. = 1184,8 g und 

17 9 

kann (bei 50 pCt. rel. Feuchtigkeit) 1184.8 X —= 21,2 Calorien aufnehmen. 

**) Die gesammte Hautoberfläche hatte ich in der früheren Arbeit auf rund 
1,75 qm berechnet. Vierordt giebt sie, wie ich nachträglich gefunden habe, fast 
ebenso gross an, nämlich auf 1,65 qm. 


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321 


+ 85° C. aod gar nicht schwitzendem Körper, nor eine Ge¬ 
schwindigkeit von 0,91 m in der Secunde, ja bei schwitzendem 
Körper nnd vollständiger Sättigung der Luft mit Wasser¬ 
dampf sogar nur eine Geschwindigkeit von 0,31 m in der 
Seennde haben, nm 385 Calorien im Verlaufe einer Stunde von der 
Bant aufzunehmen; in beiden Fällen wurde die Luft von der Haut als be¬ 
wegt gar nicht verspürt werden. Da der Infanterist aber auf dem Marsche 
sich selber mit einer Geschwindigkeit von durchschnittlich 1,4 m in der 
Seennde (1 km in 12 Minuten) fortbewegt, so brauchte in beiden Fällen 
die Luft überhaupt gar nicht bewegt zu sein, sondern es konnte absolute 
Windstille bestehen, welche in Wirklichkeit indessen im Freien niemals 
vorkommt 

Man ersieht aus diesen Betrachtungen, dass der Körper des In¬ 
fanteristen an und für sich auch unter den denkbar ungünstigsten atmo¬ 
sphärischen Bedingungen-f- 25° C., 100pCt. relativer Feuchtigkeit 

und absoluter Windstille!— mit Leichtigkeit im Stande ist, sich der 
wahrend eines einstündigen Marsches im Sommer zur Mittagszeit bei 
vollständiger kriegsmässiger Belastung in maximo aufgenommenen Wärme¬ 
menge von etwa 885 Calorien wieder zu entledigen. Auch wenn, wie 
es sehr wahrscheinlich ist, angenommen werden muss, dass die Haut in 
diesem Falle nicht constant 37° C. warm bliebe, sondern sich bis auf 
36° C. abkühlte, dass ferner durch die infolge des Abkühlungsvorganges 
ein tretende Verengerung der Hautgefässe der Blutgehalt der Haut auf 
oder unter das Durchschnittsmasse sänke und die Schweisssecretion 
beständig innerhalb mittlerer Grenzen sich hielte, ja endlich, dass auch 
die den Körper umspülende atmosphärische Luft bei der nur kurz dauern¬ 
den Berührung mit der Hautoberfläche sich nicht um 4°C., sondern nur 
mn 1° C. erwärmte, so würden doch die enormen Luftmengen, welche in 
Wirklichkeit beim Marschiren im Freien während einer Stunde die 
Korperoberfiäche des Soldaten bestreichen, vollkommen ausreichen, um 
die durch die Marschleistung mehr gebildete Wärme dem Körper wieder 
za entziehen. Um jenes Maximum von 385 Calorien während einer 
Stande dem Körper zu entziehen, müsste die umgebende Luft pro 
Seennde 1,069 Calorien aufnehmen. Die hierzu erforderliche Luft¬ 
menge beträgt, wenn wir einen im Sommer häufig vorkommenden und 
erfkhrungsgemäss so überaus leicht zum Auftreten von Hitzschlag führen¬ 
den Fall annehmen, nämlich + 30° C. (24° R.) und 70 pCt. R. F., 
bei nur 1 qm bestrichener, aber schwitzender Hautoberfläche, und Er¬ 
wärmung der Luft dabei nur um 1° C. voraasgesetzt, bei vollständiger 

22 * 


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322 


Sättigung bis 100 pCt. pro Secunde = 112 1 oder pro Stunde 40,6 cbm,*) 
und bei unvollständiger Sättigung der Luft mit Wasserdampf s. B. nur 
bis zu 80 pCt. R. F., etwa das Dreifache oder rund 120 cbm pro 
Stunde, ln Wirklichkeit werden aber dem Körper des Infanteristen auf 
dem Marsche, bei nur 4m Wind- und Marschgeschwindigkeit, also bei 
ruhigem Wetter, in der Secunde schon 4 cbm, in einer Stunde demnach 
360 x 4 = 1440 cbm Luft zugeführt; diese 1440 cbm Luft wären im 
Stande, unter den angeführten, dem Auftreten von Hitzschlag erfahrungs- 
gemäss höchst günstigen Bedingungen, das Zwölffache an Wärme dem 
Körper des Infanteristen zu entziehen. 

Soviel erhellt aus diesen Berechnungen, dass es an den atmosphäri¬ 
schen Verhältnissen unseres Glimas und an dem Organismus des In¬ 
fanteristen nicht liegen kann, wenn trotzdem so häufig im Sommer 
schwere Störungen der Wärmebilanz seines Körpers mit beträchtlicher 
Wärmeanhäufung und excessiver Steigerung der Körpertemperatur bis 
zur tödtlichen Höhe des Hitzschlages (+ 44° C.I) Vorkommen. Vielmehr 
ist der Grund hierfür, wie ich in der früheren Arbeit ausführlich dar¬ 
gelegt habe, lediglich in der Kleidung des Infanteristen zu suchen, 
und zwar nicht etwa in der Kleidung an und für sich, sondern in der 
Art seiner Bekleidung. 

Führt man obige Berechnung der Wärmeentziehung durch die Loft 
nach der Tabelle von Helm hol tz für niedrigere Temperaturen, wie sie 
in unserem Clima im Frühjahr, Herbst und Winter herrschen, weiter 
durch, so überzeugt man sich bald, dass die dem nackten Körper ent¬ 
zogenen Wärmemengen weit grösser werden, als das Bedürfnisse zumal 
des ruhenden Körpers, erheischt. Um sich daher gegen übermässige, 
dem Organismus nachtheilige Verluste an Wärme zu schützen, bedarf 
der Mensch unseres Climas der Kleidung. Da aber das Bedürfniss nach 
einem Schutzmittel gegen zu starke Abkühlung der Haut in deu einzelnen 
Jahreszeiten verschieden gross ist, so wird die Kleidung von der Be¬ 
völkerung instinctiv so gewählt, dass sie ihren Körper in der kühleren 
Jahreszeit mit zahlreicheren und in der Regel auch dickeren Schichten 


*) 1 g Luft von 30° C. hat ein Volumen von 0,858 1. 1000 1 oder 1 cbm Luft 
von 30° wiegen demnach 1165,5 g. lg dieser Luft von 70 pCt. relativer Feuchtig¬ 
keit kann der schwitzenden menschlichen Haut von 37° C., bei Erwärmung um nur 
1° — also bis 31° — 8,13 kl. Calorien entziehen. 1 cbm Luft von gleicher 

_8,13 
1000 


Beschaffenheit demnach 1165,5 X 


= 9,475 Calorien (Liter - Calorien). 


385 Calorien erfordern demnach pro Stunde 40,6 cbm. 


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323 


von schlechten Wärmeleitern umgiebt, als in der wärmeren Zeit. Ganz 
allgemein unterscheidet man in der Civilbevölkerung in den nur einiger- 
Insassen begüterten Classen einen Sommeranzug und einen Winter¬ 
anzug und hat selbst bei diesen noch Modifikationen (Sommer- und 
Winteruberzieher, Unterkleider), welche ein genauestes Anpassen dieser 
Hemmungsvorrichtung für .den Wärmeabfluss des Körpers an das jeweilige 
nnd so mannigfach wechselnde Abkühlungsbedürfniss in den verschiedenen 
Jahres- und selbst Tageszeiten ermöglichen. 

Anders der Infanterist. Oekonomische und militärisch-praktische 
Grunde haben dahin geführt, dem Soldaten für alle Jahreszeiten nur 
einen Anzug zu geben. Der gegenwärtige Anzng der preussischen 
Infanterie ist aber, wie ich in der ersten Arbeit bereits darlegte, in 
ausgesprochenem Maasse ein Winter an zag, Mehr als %o der Korper- 
oberfläche des Infanteristen ist mit einer zwei- bis dreifachen Schicht 
von Kleiderstoffen umgeben, welche in der Reihe der schlechten Wärme¬ 
leiter obenanstehen nnd die Wärmeabgabe der Haut durch Leitung und 
Strahlung energisch hindern; die Dichtigkeit des Gewebes dieser Stoffe, 
die allseitige Umfriedigung von Rumpf und Extremitäten mit diesen 
Stoffen, endlich das feste Andrücken derselben an die Korperoberfläche 
durch die Befestigungsart und die Last der Ausrüstungsstücke (Tornister, 
Patronentaschen, Mantel, Schanzzeug, Feldflasche, Brotbeutel, Gewehr) 
aetst der Schweissverdunstung auf der Haut und der Lufterneuerung auf 
der Korperoberfläche — diesen wichtigsten Abkühlungsfactoren des 
Infanteristen auf dem Marsche — kräftigen, an manchen Stellen (Schultern, 
Brust, Lenden) fast unüberwindlichen Widerstand entgegen. 

Ich habe sodann durch eine grossere Reihe von Versuchen den die 
Abkühlung hemmenden Einfluss dieser Kleidung an einer mit warmem 
Wasser gefüllten Glasflasche ziffermässig festzustellen gesucht, indem ich 
die Abkühlungszeit der nackten und der militärisch (mit Hemde und 
Waffenrock) bekleideten Flasche von 44° und 36° C. (Hitzschlag- 
Temperaturbreite), in schwitzendem und nicht schwitzendem Zustande, 
bei bestimmter Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit und Windgeschwindigkeit 
mit einander verglich (S. 361—377 a. a. O. oder S. 53—69 des Separat- 
Abdrucks). Es ergab sich, dass die Bekleidung mit Hemde und Waffen¬ 
rock die Abkühlung der Flasche bei trockener Oberfläche um das 
3—5fache, bei schwitzender Oberfläche um das 4 »/j fache an Zeit 
verzögerte oder, mit anderen Worten, in der gleichen Zeit das 3—5 fache 
reap. 3*/i—4 J /ifache an Wärmeeinheiten in der Flasche zurückhielt. Der 
den Wärmeabfluss hemmende Einfluss der Kleidung war demnach grosser 


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bei trockener als bei schwitzender Oberfläche, d. h. die Kleidung hemmte 
die Wärmeabgabe durch Leitang and Strahlung in höherem Grade, als 
diejenige durch SchweissVerdunstung, zumal bei bewegter Loft von 
3—4 m Geschwindigkeit. 

In folgender Tabelle habe ich die Resultate der hier in Betracht 
kommenden Versuchsreihen zusammengestellt. 

A. Oberfläche trocken. 


Unbekleidet 

Mit Hemde bekleidet 

Mit Hemde und Waffenrock 
bekleidet 

q Temperatur 

3 Bewegung ^ 

Feuchtigkeit 

Ab- 

gekühlt 

von 

° C. 

in 

Minuten 

q Temperatur 

Luft 

tc 

Sd 

4> 

£ 

a 

m 

% , Ab- 
.5? i gekühlt 
| von 

i\ °c. 

in Minuten 

^ Temperatur 

3 Bewegung g> 

«- 

% 

f 

<y 

°/o 

Ab¬ 

gekühlt 

von 

°c. 

in Minuten 

i7 ; 0 

33 

1 44—36 

57' 

20 

0 

34 44—36 

85' 

17,5 

0 

52 

44—36 

134 

19 1 

22 

i 44—36 

36' 

— 

— 

I 

— 

14 

i 

75 1 

44—36 

69 

13 2 

43 

44—36 

22' 

__ 

— 


— 

15 

2 

41 

44—36 

77' 

17 3 

38 

44—36 

18’ 15" 

— 

— 

— — 

— 

15 

3 

44 

44—36 

76' 

T 

31 

44—36 

15 

23 

4 

36 44—36 

41" 

15 

4 

69 

44—36 

75' 


Von diesen Ergebnissen sind am besten vergleichbar, wegen Ueber- 
einstimmung der Lufttemperatur, diejenigen bei Windstille; es verhalt 
sich hierbei die Abkühlungszeit der unbekleideten znr militärisch be¬ 
kleideten Flasche (unter fast gleichen Bedingungen) wie 1:2,4. 
Bemerkenswerth ist, dass trotz wachsender Windgeschwindigkeit von 2 
bis zu 4 m in der Secunde, bei gleicher Lufttemperatur, die militärische 
Kleidung die Abkühlung der Flasche in fast genau gleichem Grade 
hinderte. Es erklärt sich dies aus der Dichtigkeit des Tuchgewebes, 
welche die unmittelbare Einwirkung des Windes auf die Oberfläche des 
warmen Gefässes hinderte. Im Mittel verhält sich die Abkühlungszeit 
der nackten zu derjenigen der bekleideten Flasche bei 3 m Windgeschwin¬ 
digkeit und 17° bezw. 15° C. Temperatur wie 1:4,7. 


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B. Oberfläche schwitzend. 


Mit Hemde bekleidet 

Luft- 



s | 

Ab- 


2 1 

jil 

in 

2 1 5 

.SP gekühlt 


0h 1 

2 

Minuten 

S | 



H « 

£ 


°C.| m 

ö 

0 

© 



Mit Hemde und Waffenrock 
bekleidet 



in i»i*i 


r*TTii 














326 


stets feucht erhalten) bei weit geöffnetem Kragen jind fast freiem Habe 
(ohne Halsbinde) stattfand. 

Wir sehen also, dass zwei Momente vorhanden sind, welche Störung« 
in der Wärmeökonomie des Infanteristen auf dem Marsche herbeizufuhren 
im Stande sind, einerseits die Steigerung der Einnahmen an Wärme Ins 
aaf das Doppelte der normalen Wärme und darüber, andererseits die 
erhebliche Verminderung der Ausgaben an Wärme durch die Kleidung 
des Infanteristen und zwar um das Drei- bis Vierfache der Ausgaben 
des unbekleideten Körpers. 

Die erstere Grösse bleibt, bei gleicher Belastung und gleicher Dauer 
der Marschleistung des Infanteristen, bis auf den wechselnden Einfluss der 
Bestrahlung durch die Sonne, unter allen Verhältnissen annähernd 
constant; die Behinderung des Wärmeabflusses durch die Kleidung hin¬ 
gegen erweist sich in ausgesprochenem Maasse abhängig von den 
wechselnden meteorologischen Zuständen der atmosphärischen Luft, ins¬ 
besondere von der Temperatur, von der Windgeschwindigkeit und dem 
Feuchtigkeitsgehalt der Luft. 

Es wird daher zunächst die Aufgabe sein, festzustellen, unter welchen 
meteorologischen Bedingungen eine Störung der Wärmebilanz des In¬ 
fanteristen unter dem Einflüsse der Kleidung, gleiche Marschleistung und 
damit gleiche Wärmeeinnahmen vorausgesetzt, zu Stande kommt Dies 
war nur zu ermitteln durch Messungen der Körpertemperatur des 
Infanteristen bei verschiedenartigem Wetter, nach Zurück¬ 
legung eines Marsches von bestimmter Dauer. 

Diese Messungen habe ich theils im letzten Manöver, tbeils im 
laufenden Frühjahr (Monat Mai 1886) in hiesiger Garnison an Mann¬ 
schaften meines Truppentheils ausgeführt. Es stehen mir gegenwärtig 
72 solcher Beobachtungen zu Gebote. Alle Temperaturbestimmungeo 
wurden im After der Leute gemacht; Bestimmungen der Achselhöhlen¬ 
temperator — allerdings sehr viel leichter ausführbar und öfter von 
meinen Lazarethgehülfen unaufgefordert gemacht — wurden grundsätzlich 
zurückgewiesen, da die Haut der Leute nach dem Marsche stets schwitzt 
und es nicht möglich ist, die Achselhöhle beim Messen hermetisch gegen 
die Aus8enluft abzuschliessen. Die Messungen wurden nur mit brauch¬ 
baren und vorher regulirten Krankenthermometern mit Zehntel-Theilung 
gemacht. Bei 44 Beobachtungen und zwar den zuletzt (in der Garnison) 
ausgeführten war die Bestimmung der Aftertemperatur eine doppelte, 
^ nämlich kurz vor dem Marsche und nach Beendigung des Marsches; bei 
der Mehrzahl derselben wurde ausserdem gleichzeitig die Temperatur in 

i 


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327 


den Kleidungsstücken des Infanteristen (Helm, Mütze, Waffenrock, Mantel, 
Patronentasche, Tornister) in der früher angegebenen Weise bestimmt. 
£s dienten stets dieselben Leute zn diesen Messnngen. Von Allen wurde 
das Körpergewicht vor der Versuchsreihe bestimmt. Jeder hatte sein 
besonderes Thermometer, mit welchem alle Temperaturbestimmongen an 
ihm gemacht wurden. Diese 44 Beobachtungen sind daher in jeder 
Beziehung die genauesten; sie gestatten auch, wie wir sehen werden, 
einige weitere, nicht unwichtige Schlussfolgerungen. 

A. Beobachtungen im Manöver. 

Temperaturbestimmungen im After von Infanteristen wahrend eines 
Manövers haben, wie jeder Militärarzt weiss, ihre ganz besonderen 
Schwierigkeiten. Einestheils ist die Schamhaftigkeit der Leute, anderen- 
theils die Schwierigkeit, dieselben den Blicken der Cameraden und neu¬ 
gieriger Einwohner zu entziehen, diesen Beobachtungen sehr hinderlich. 
Die erstere gelang es durch Zureden und durch die Aussicht auf eine 
gute Belohnung, welche nach jeder Messung ausgezahlt wurde, sowie 
auch durch allmälige Gewöhnung an das unvermeidlich Komische der 
Procedur zu überwinden; bezüglich der letzteren Schwierigkeit indessen 
war ich ganz auf die mehr oder weniger zufällige Anwesenheit eines 
Gebüsches oder hohen Maisfeldes am Ende eines Marsches angewiesen. 
Oft genug musste die Messung im Manöver wegen Mangels eines solchen 
natürlichen Schutzes — Gebäude und Räumlichkeiten in bewohnten 
Orten waren zu diesen Messungen, wie die Erfahrung bald lehrte, gar 
nicht zu gebrauchen — unterbleiben. 

Als Personen zur Bestimmung der Körpertemperatur dienten mir die 
drei Lazarethgehülfen meines Bataillons und acht Füsiliere der 12. Com¬ 
pagnie, welche mir wiederum Herr Hauptmann Kr aus 8 bereitwilligst 
rar Verfügung gestellt hatte. Diese Letzteren bildeten eine Section, 
welche an Marschtagen, unter Führung des Sergeanten K., am Ende 
des Bataillons marschirte, zusammen mit den Lazarethgehülfen. Auf ein 
von mir gegebenes Zeichen schwenkte diese Section vom Wege ab, um 
in einem in der Nähe befindlichen Gebüsch oder Maisfeld zu verschwinden, 
woselbst nach möglichst schneller Lüftung der Kleider und Entblössung 
der Hüften — es vergingen darüber immer 1—2 1 /* Minuten — die Ein¬ 
führung des Thermometers in den After durch die Lazarethgehülfen und 
mich vorgenommen wurde. Sergeant K. hielt vor dem Busch Wache. 

Für die Beurtheilung der erhaltenen Temperaturgrade ist in Betracht 
«u ziehen die durch das Entkleiden bedingte unvermeidliche Verzögerung 


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328 


der Messung, sowie die relative schnelle Abkühlung des durch den Manch 
erhitzten Körpers bei eintretender Ruhe und theilweiser Entkleidung des¬ 
selben. Rechnet man dazu die Dauer der Messung bis zur Erreichung 
des höchsten Standes des Quecksilbers durchschnittlich zu 4—5 Min uten, 
so ergiebt sich, dass die erhaltenen Werthe für die Körpertemperatur 
durchweg als etwas zu niedrig anzusehen sind. Die Erniedrigung 
fallt nach Controlmessungen (durch weiteres Liegenlassen der Thermo¬ 
meter und Beobachtung der Abkühlungsgeschwindigkeit) sehr verschieden 
aus, je nach der Grosse der Differenz zwischen der Körpertemperatur 
und der ausseren Lufttemperatur; sie schwankt für die bei unseren Messungen 
in Betracht kommenden Temperaturgrenzen und für die Dauer von 
5 Minuten zwischen 0,1 und 0,3° C. Diese Grösse wäre also streng 
genommen zu dem abgelesenen Temperaturgrade hinzuzuaddiren, um die 
wahrend des Marsches erreichte höchste Körpertemperatur mit Genauig¬ 
keit zu bestimmen. 

Die meteorologischen Daten habe ich stets am Orte und Tage 
der Beobachtung selbst bestimmt, in der Regel erst wahrend des Marsches. 
Ich hatte zu diesem Zwecke ein gutes Luftthermometer in starkem 
Holzfutteral (Reise - Thermometer), ein Aneroid-Barometer*), «n 
Reise-Hygrometer nach August **) (bezogen von Warmbruan, 
Quilitz & Co. in Berlin) und einen Com pass zur Bestimmung der 


*) Das AneroTd-Barometer — von einem „Optiker und Mechaniker* in Breslau 
x bezogen — stellte sich bald als für wissenschaftliche Beobachtungen ganz unbrauch¬ 
bar heraus. Zum Glück waren die Bestimmungen des Luftdrucks an Beobachtnngs- 
tagen von allen meteorologischen Bestimmungen die am wenigsten wichtigen. Allen¬ 
falls konnte man die Thatsache des Steigens und Fallens von einem Tage zum 
andern an dem Instrument wahrnehmen, aber mehr auch nicht; der auf der Skai» 
angezeigte Luftdruck differirte oft um mehr als 10 mm (!) von dem Stande eines 
guten Quecksilber-Barometers. Noch Aergeres kann man wahrnehmen, wenn maa 
— wie ich es hier in Breslau gethan habe — mehrere Tage hintereinander die 
in dem Schaufenster eines grösseren Geschäftes ausgestellten AneroTd-Barometer 
regelmässig abliest. Die Differenzen sowohl untereinander als auch in der Gangart 
des einzelnen Instruments sind ganz unglaubliche. Unter 28 ansgestellten Instrumenten 
fand ich nicht zwei (!), die unter sich oder mit dem Gange eines Heber-Barometers 
übereinstimmten. 

**) Das Reise-Hygrometer kann ich für ähnliche Zwecke sehr empfehlen, so¬ 
wohl hinsichtlich, der Dauerhaftigkeit als auch der Zuverlässigkeit. Es hat allen 
Fährlichkeiten und Erschütterungen einer vierwöchigen Reise über Land auf unge¬ 
federtem „Vorspannwagen“ ohne Schaden widerstanden und zeigte nach der Rück¬ 
kehr, verglichen mit einem Psychrometer von August, noch annähernd so genan, 
wie bei der Abreise. 


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329 


Windrichtung mitgenommen; die Windgeschwindigkeit dagegen konnte 
nur nach den in der gebräuchlichen Landskala gegebenen sichtbaren 
Anhaltspunkten (Rauch, Wimpel, Zweige, Bäume, — siehe Seite 363 der 
früheren Arbeit bezw. Seite 55 des S.-A.), sowie nach dem Hautgefühl 
geschätxt werden. 

Was die Grosse der Arbeitsleistung und damit zusammenhängend 
der Wärmeproduction des Organismus auf dem Marsche anbetrifft, 
so ist noch zu erwähnen, dass der Infanterist im Manöver nicht die volle 
Last trägt, welche er im Kriege zu tragen hat, da das nicht unbeträcht¬ 
liche Gewicht der 80 scharfen Patronen, sowie einer Menge von Kleinig¬ 
keiten und Lebensbedürfnissen im Manöver in Wegfall kommt. Ich habe 
theils durch Rechnung, theils durch directe Wägung die Belastung des 
Infanteristen im Manöver (Kleidung und Ausrüstung) zu durchschnitt¬ 
lich 21,970 kg oder rund 22 kg angenommen, was für manche Marsch¬ 
tage, z. B. bei Rückkehr in dasselbe Quartier, entschieden noch zu hoch 
ist Die Belastung der Lazarethgehülfen ist noch eine geringere, da sie 
in der Regel keinen Tornister und keinen Mantel tragen und das Gewicht 
des Gewehres und der Patronentaschen nur ersetzt ist durch das Gewicht 
der Medicin- und Bandagentasche (ca. 3,5 kg); im Ganzen beträgt die 
Last des Lazarethgehülfen im Manöver ungefähr 12,15 kg. 

Rs betrug demnach die auf dem Marsche durch Muskelarbeit fort- 
zntragende gesammte Last: 


Beim 

Körpergewicht 

Kleidung u. 
Ausrüstung 

Gesammtlast 

Lazarethgehülfen H. . . 

• • 67 kg 

12,15 kg 

79,15 kg 

Unterlazarethgehülfen L. 

• . 61,5 . 

12,15 „ 

73,65 „ 

. W. 

• • 61 , 

12,15 , 

73,15 „ 

Füsilier Sp. 

. . 59 „ 

22 , 

81,0 , 

„ p.. 

• • 62 , 

22 . 

84,0 , 

» M. 

. • 57,5 „ 

22 , 

79,5 „ 

L.. 

. . 59,5. 

22 „ 

81,5 . 

* D. . . . . • 

• • 63,5 , 

22 „ 

85,5 „ 

„ F. . ... . 

. . 63,0 „ 

22 . 

85,0 . 

Y> . 

. . 66,0 „ 

22 , 

88,0 , 

,, W.. 

• • 61,5 . 

22 , 

83,5 „ 


In der früheren Berechnung hatte ich für den kriegsmässig ausge¬ 
rüsteten Infanteristen ein Durchschnitts-Körpergewicht von 70 kg und 
eine Belastung durch Kleidung, Waffen und Gepäck von 35 kg ange¬ 
nommen und daraus auf Grund von Hirn ’ s calorimetrischen Bestimmungen 


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für den arbeitenden Menschen eine Wärmeprodnction von etwa 300 Ca- 
lorien wahrend eines einstündigen Marsches berechnet. Diese 
Zahl würde also für die Marschleidtang im Manöver zu beschränken seio, 
da die Gesammtlast des Infanteristen von 105 kg auf durchschnittlich 
83,5 kg oder 4 /> herabsinkt. Wenn wir dementsprechend auch die Warme- 
production um etwa */» gegen die frühere Berechnung geringer ansetzen, 
so beträgt die durchschnittliche Wärmeprodnction des marschirendeo 
Füsiliers pro Stunde ungefähr 240 Calorien und diejenige des mar- 
ßchirenden Lazarethgehülfen, mit durchschnittlich 76,5 kg Gesammtlast, 
etwa 3 /« des obigen Werthes oder ungefähr 230 Calorien. 

Würde nur die Hälfte dieser Wärme nach aussen abgegeben, dk 
andere Hälfte dagegen im Körper des Infanteristen (durch die Kleidang) 
zurückgehalten, so würde sich dadurch die Körpertemperatur des Füsiliers 
von durchschnittlich 68,5 kg Gewicht nach einstündigem Marsche um I 
1,6 ° C. oder von 37,5 ° auf 39,1 ° C., diejenige des Lazarethgehülfen 
von durchschnittlich 63,5 kg Körpergewicht um 1,5 0 C. oder von 37,5 0 j 
auf 39,0 ° C. erhöhen. Dass diese Berechnungen, trotz aller scheinbaren | 
Kühnheit, sich doch thatsächlich innerhalb der Grenzen der Wahrschein- j 
lichkeit bewegen, wird durch die nachstehend aufgeführten Ergebnisse 
der directen Bestimmung der Körpertemperatur von Füsilieren und Lazareth- 1 
gehülfen im Manöver nach Marschleistangen überzeugend dargethau. 

Ich lasse nunmehr die Beobachtungen im Einzelnen folgen: 

1. Beobachtung: Sonntag, den 23. August 1885. 

Marsch von Bahnhof Löwen nach dem Schiessplatz bei Friedland O. S. von Mittags 
11 Vs Uhr bis 5 Uhr Nachmittags, mit zwei Unterbrechungen von 10 Minuten resp. 

1 Stunde Dauer. 

2. Mar schperiode: nach 10 Minuten Aufenthalt folgt ein 5 /4ständiger 
Marsch von 12 3 /i—2 Uhr Mittags auf offener Chaussee von Gr. Mangersdorf bis 
hinter Falkenberg. 

Temp.: 4- 15° R. (19° C.); Wind: SW, ziemlich frisch (4— 7m); Rel. 
Feucht.: 44 pCt.; Wetter: bewölkt. 

Unmittelbar nach beendigtem Marsche wird gefunden; 

Beim im After 

Lazarethgehülfen H.4- 88,6° C. 

Unterlazarethgehölfen L.4- 88,8° C. 

„ W.4- 88,9° C. 

Alle drei Personen hatten massig geschwitzt; die Haut der sichtbaren Körper- 

theile war geröthet und feucht; das Hemde stark feucht. Subjectives W&nnegefühl 
massig erhöht. Wenige Minuten nach dem Entkleiden fiel die Temperatur, im After 
ziemlich schnell; dies war wohl der Grund, dass bei H. die Temperatur um 0,2 
resp. 0,3 ° niedriger w r ar. 


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11. Beobachtung: An demselben Tage. 

Nach einstündiger Rast bei FalkenbeTg mit reichlicher Einnahme von Speise 
and Trank folgt von 3—5* Uhr Nachmittags ein zweistündiger Marsch fas 1 
ganz durch Wald (Nadel- und Laubhölzer, stellenweise mit dichtem Unterholz); 
nur kurz vor dem Schiessplatz wurde noch eine 20 Minuten lange freie Strecke 
passirt, auf welcher frischer und kühlender SW-Wind blies. 

Temp.: 4- 15° R. (19° C.); Wind: im Walde still, sonst SW 2 (4—7m); 
Rel. Feucht.: 52 pCt.; Wetter: fast heiter. 

Messung kurz vor dem Ziel, im Walde. 

Lazarethgehülfe H. . ' . 4 - 89,4° C. 

Unterlazarethgehülfe L. . 4- 89,8° C. 

„ W.4- 89,4° C. 

Man erkennt hier sofort den bedeutenden Einfluss der Windgeschwindigkeit 
auf die Abkühlung des Körpers. Alle drei schwitzten reichlich; das Hemde war 
nass. Kragen und oberster Knopf des Waffenrocks waren während des Marsches 
geöffnet. Trotzdem eine ziemlich erhebliche Steigerung der Körpertemperatur um 
fast 2° C.l 

HI. Beobachtung: Dienstag, den 1 . September 1885. 

Rückmarsch vom Schiessplatz nach Löwen. Abmarsch Morgens Uhr. 
Herbstlich kühler Morgen; sogenanntes „gutes Marschwetter“. Um 6 l /4 Uhr 10 Mi¬ 
nuten Rast im Walde. Dann folgt ein Marsch von 1 Stunde und 25 Mi¬ 
nuten Dauer auf der Chaussee, grösstentheils noch durch Wald. Kragen und 
oberster Knopf waren geöffnet. 

• Temp.: + 9,5 ° R. (12 ° C.); Wind: NW, meist still (Wald); Rel. Feucht.: 
82 pCt.; Wetter: trübe, nebelig. 

Messung in dichtem Gebüsch. 

Lazarethgehülfe H. 4 - 89,1° C. 

Unterlazarethgehülfe L. 4 - 88,9° C. 

„ W. 4- 88,8° C. 

Bei W. war das Thermometer, wie beim Herausziehen festgestellt wurde, nicht 
so tief in den After eingeführt als bei H. Dies dürfte die gefundenen Unterschiede, 
trotz der Gleichheit aller übrigen Bedingungen, hinreichend erklären. 

Also auch hier war die Temperatursteigerung eine ziemlich beträchtliche, etwa 
1,5 0 C. betragend, trotz der niedrigen Lufttemperatur, offenbar wegen der geringen 
Luftbewegung und dem hohen Feuchtigkeitsgehalt der Luft. 

IV. Beobachtung: An demselben Tage. 

Nach fast einstündiger Rast mit Einnahme von Speise und Trank folgt ein 
einstündiger Marsch von 8 3 / 4 — 9 3 /4 Uhr Vormittags bis dicht vor Löwen. 
Hierselbst Messung von acht Füsilieren in einem nahe der Chaussee gelegenen 
Busch. 

Temp.: + 10,5° R. (13,0° C.); Wind: NW 1 (schwach); Rel. Feucht.: 
58 pCt.; Wetter: trübe. 

Füsilier Sp.4- 88,9° C. 

„ P.4- 88,8° C. 

, M. 4- 89,0° C. 

, L. . *' . . .. 4- 89,1° C. 


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332 


Füsilier D. + 88*8° C. 

, K. . . .. 4- 89,0° C. 

. F.4- 88,7° C. 

„ W.4- 88,8° C. 

Die Leute waren massig erhitzt, doch alle ziemlich lebhaft im Schweiss. Da 
die Messung gut vorbereitet war, so ging sie ziemlich schnell von statten; daher 
auch die ziemlich gute Uebereinstimmung der Resultate. — Mittlere Körper¬ 
temperatur = 38,9° C. oder etwa 1,5° über der Norm. 

V. Beobachtung: Mittwoch, den 2. September 1885. 

Marsch von Löwen nach Mollwitz, von 5 3 /4 Uhr Morgens ab. Um 7 1 /* Uhr 
10 Minuten Rast. Dann folgt Marsch von 1 Stunde und 10 Minuten Dauer 

(7 Uhr 40 Minuten bis 8 Uhr 50 Minuten) auf offener Landstrasse, mit freiem 

Zutritt der Lufit. 

Temp.: 4- 8° R. (10° C.l); Wind: NW, ziemlich frisch, 1—2, (4 —6m 
in der Secunde); Rel. Feucht.: 63 pCt.; Wetter: bewölkt. — Hautgefühl: 
Sehr frisch, kalter Wind. 

Um 8 Uhr 55 Minuten wurde gefunden bei: 

Füsilier K.. . 4" 88,2° C. 

„ M. .4" 88,8° C. 

. P.4- 88,8° C. 

Bei zwei Leuten (F. und Sp.) glitt das Thermometer infolge angeregter 
peristaltischer Bewegung des Mastdarms unvorhergesehenerweise aus dem After 
wieder heraus. Die übrigen drei Leute waren zu spät zur Stelle, so dass die Messung 
nicht mehr vorgenommen wurde. Ueberhaupt war die Ausführung der Messung 
diesmal wegen Schwierigkeit der Auffindung eines schützenden Ortes um etwa 
5—7 Minuten nach beendigtem Marsche verzögert worden, was (bei vollständig 
bekleidetem Körper) eine Differenz von etwa 0,15 bis 0,2° C. ausmacht 

VI. Beobachtung: Dienstag, den 8. September 1885. 

Marsch von Mollwitz nach Prieborn. Abmarsch 6 Uhr 45 Minuten Morgens. 
Um 9 Uhr Ysstündige Rast bei Bankau, mit Einnahme von Nahrung. Dann folgt 
ein D/zstündiger Marsch von 9Ya—H Uhr Vormittags, meist auf ganz freier 
Chaussee in etwas hügeligem Terrain. 

Temp.: 4- 15° R. (19° C.); Wind: W, ganz schwach (1—2 na); Rel. 
Feucht.: 83 pCt. (!); Wetter: trübe; vorübergehend einige Regentropfen. — 
üautgefühl: weiche, laue, fast schwüle Luft; in der Ruhe für die Haut sehr 
angenehm, bei längerem Marschiren dagegen drückend. 

Die nachfolgende Messung, welche sehr wichtige Resultate ergab, verdanke 
ich wesentlich der Umsicht des Sergeanten K., welcher, etwa Yä Stunde vor 
Prieborn, die am Ende des Bataillons marschirende Beobachtungs-Section plötzlich 
ganz selbstständig, ohne meinen Befehl hierzu abzuwarten, vom Wege abschwenken 
und in ein über mannshohes Maisfeld eintreten liess. Es stellte sich hinterher heraus, 
dass in der That auf der noch übrigen Strecke keine Gelegenheit mehr zur Aus¬ 
führung der Messungen gewesen wäre. 

Die ungesäumt in dem dichten Maisfelde vorgenommene Messung ergab über¬ 
raschende Werthe, nämlich bei: 

Füsilier Sp. :. .....4- 89,8° C. 

„ P. . . . ... 4-89,7° C. 


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*333 


Füsilier M..4- 89,4° C. 

„ L.. 4- 89,4° C. 

„ D.+ 89,8° C. 

, K.-f 40,1° C .(!) 

„ F.. 4- 89,2° C. 

^ W. 4-40,0° C. 

K. brach während der Messung ohnmächtig zusammen, in dem Augenblicke, 
als das noch im Steigen begriffene Thermometer 40,1° C. erreicht hatte, erholte sich 
im Freien jedoch schnell wieder und marschirte bis zu Ende weiter. Er gab an, 
dass ihm im Maisfelde plötzlich schwarz vor den Augen und ganz schwindelig ge¬ 
worden wäre; es sei ihm vorher sehr heiss gewesen, doch habe er noch bis zum 
Eintreten in das Maisfeld klares Bewusstsein gehabt. — Alle Leute waren stark 
erhitzt, das Gesicht hochroth und etwas gedunsen, Gesicht und Hände mit Schweiss 
bedeckt, das Hemde nass; die Athmung war bei Allen frequent (über 48!), dabei 
ziemlich tief und meist mit hörbarem Geräusch verbunden; der Mund weit geöffnet, 
der Blick starr. Puls konnte qiclit gezählt werden. 

Dies Ergebniss überraschte mich in hohem Grade. Ich hatte eine 
derartige Steigerung bei so milder Lufttemperatur (4- 15° R.) nicht er¬ 
wartet. Also bei angenehmer Zimmertemperatur, aber in 
ruhiger, wenig bewegter und mit Feuchtigkeit fast ge¬ 
sättigter Luft bewirkte eine Marschleistung von 1 */aständiger 
Dauer auf hügeligem Terrain eine Steigerung der Körper¬ 
temperatur des Infanteristen um durchschnittlich 2,0 bis 
2,5° C., d. h. auf volle Fieberhohe (4-39,2° bis 40,1° C.). 

Dieses Resultat gab mir in mancher Beziehung zu denken. Es 
drängte sich mir auf dem Weitermarsche namentlich die Frage auf nach 
der Ursache des sogenannten Schlaffwerdens auf dem Marsche, 
das im Sommer bekanntlich so häufig auftritt und der Vorbote, ja ge- 
wissermaassen das Warnungssignal einer Truppe für Hitzschlaggefahr 
zu sein pflegt; ferner die Frage, ob physische Ermüdung auf dem 
Marsche und sogenanntes Schlaffwerden (Erschlaffung)*) wirklich, 
wie man bisher gewöhnlich annimmt, identisch oder nicht vielmehr grund¬ 
verschieden seien, ob nicht jene (die Ermüdung) im Wesentlichen ein 
durch die Arbeitsleistung bedingtes Muskel-Phänomen, diese (die Er¬ 
schlaffung) aber im Wesentlichen ein durch die Erhitzung bedingtes 
nervöses Phänomen sei. Es fiel mir ein, dass im Beginne fieberhafter 

*) Der specifische Berliner und mit ihm — soviel mir bekannt — die ganze 
Armee sagt: „Schlapp'werden“ oder „Schlappe“, anstatt Schlaffwerden 
nnd Schlaffe oder Erschlaffte. Jener Ausdruck ist aber in keinem deutschen 
Wörterbuche zu finden. Offenbar ist die Bezeichnung nachgebildet dem ebenso 
sprachlich uncorrecten Worte „stramm“ anstatt „straff“, dessen Heimath auch Berlin 
«ein dürfte. 


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334 


Krankheiten bei plötzlich eintretender Temper&ture teigerung etwas ganz 
Aehnliches, eine allgemeine nervöse Erschlaffnng and Hinfälligkeit des 
Körpers, sich steigernd bis za wirklicher Ohnmacht, wesentlich als Folge 
der Einwirkung der erhöhten Körpertemperatur auf das Nervensystem 
beobachtet werde; es entstand daher die Frage, ob nicht die im Wesent¬ 
lichen gleichfalls nervösen Krankheitssymptome beim Hitssehlage — 
die Benommenheit des Kopfes, die Störung der Sinnesfunction (Schwarz¬ 
werden vor den Augen), das Schwindelgefuhl, der taumelnde Gang, das 
Schwinden des Bewusstseins, das Zittern der Hände, die enorme Steigerung 
der Puls- und Athemfrequenz, endlich die Convulsionen — in ihrer Ent¬ 
stehung auf einem ganz ähnlichen Vorgänge beruhen, mit anderen Worten, 
ob nicht das fieberhafte Allgemeinleiden, das Schlaffwerden auf dem 
Marsche und der Hitzschlag pathogenetisch verwandt und nur dem Grade 
und ihrer Ursache nach verschieden seien. Doch genug der Hypothesen! 
Weiter unten (s. die Schlussfolgerungen) wird näher auf diese Frage 
eingegangen werden. 

VII. Beobachtung: Donnerstag, den 17. September 1885. 

Divisionsübung bei Peilau von Uhr Morgens bis gegen 3 Uhr Mittags. Der 

Morgen war kühl, das Wetter heiter; von 10 Uhr ab wurde es warm. Es war 
einer der heissesten Tage im Manöver. — Der Rückmarsch der Truppen erfolgte 
bald nach 12 Uhr. Das Füsilier-Bataillon war ganz auseinandergezogen worden; 
die Compagnien traten getrennt den Rückmarsch an. Ich wollte diesen Rückmarsch 
zur Messung der acht Füsiliere benutzen; doch habe ich die 12. Compagnie nicht 
mehr zu sehen bekommen. Die Lazarethgehülfen waren bei ihren Compagnien. 
Ich marschirte mit der 11. Compagnie, bei welcher der Lazarethgehülfe H. sich 
befand. Diesen ersuchte ich, die Messung an sich selbst vorzunehmen. 

Um 1 Uhr 10 Minuten ward ein 15 Minuten langer Aufenthalt bei einem 
Dorfe gemacht mit reichlicher Einnahme von Wasser und Bier. Dann folgte ein 
Inständiger ununterbrochener Marsch bis in das Quartier. 

Terap.: +22° R. (27,5° C.!); Wind: SW, 1—2, frisch, auf der letzten 
Strecke (im Thale) dagegen wehte nur schwacher Wind; Rel. Feucht.: 32 pCt; 
Wetter: heiter; die Sonne brannte heiss. — Der Weg war gewöhnlicher Landweg 
ohne Schatten. Die Leute waren bei der Ankunft aufs äusserste erhitzt und 
erschöpft; sie schlichen langsam in ihre Quartiere, entkleideten sich schnell bis aufs 
Hemd, tranken nochmals reichlich Wasser und legten sich dann lang hin auf den 
Erdboden. Keiner hatte Verlangen nach Mittagessen, obwohl es überall bereit stand. 

Lazarethgehülfe H. hatte 

vor dem letzten Marsche (vollständig abgekühlt) eine Körpertemperatur von 4-37*9° C. 
nach dem l l /4ständigen Marsche, „ B „ 4 -40*2° C., 

mithin eine Steigerung der Eigenwärme um 2,3° C.! Die Messung war mit aller 
Genauigkeit und möglichst geringem Zeitverlust ausgeführt worden, mithin durchaus 
zuverlässig und dadurch besonders werthvoll für mich. Wie bedauerte ioh, nicht 
mehr Messungen an diesem Tage haben machen zu können! 

Das Körpergewicht voo H. betrug zur» Zeit der Messung 67 kg. 


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335 


Die epecifische Wärme des Körpers ist 0,83. Mithin entsprechen 2,3° C. 
einer Wärmemenge von 185,66 Calorien, welche also während des 
*/< ständigen Marsches durch die Kleidung im Körper zurückgehalten 
wurden. Mithin muss die durch die Muskelarbeit beim Mar- 
9chiren gebildete und durch Bestrahlung von der Sonne ein¬ 
genommene Wärme weit mehr als 186 Calorien betragen haben. 

Wir hatten oben durch Rechnung die Wärme-Einnahme eines mgr- 
schirenden Lazaretbgebülfen, unter Berücksichtigung seiner Belastung, 
pro Stunde auf 230 Calorien abgescbätzt. Nehmen wir hiervon, auf 
Grund früherer Berechnungen a. a. O. (Seite 313), etwa die Hälfte als 
in der Ruhe gebildet an, also 115 Calorien — was übrigens mit dem 
von Helmholtz angegebenen Wertbe (114 Calorien) fast identisch 
ist! — so bleibt für die Muskelarbeit des 7< ständigen Marsches eine 
Wirmeproduction von gleichfalls 7« x 115 = 143,7 Calorien; dazu 
kommt durch 7«Bändige Bestrahlung von der Sonne eine Wärme-Ein¬ 
nahme von 7< X 84,48 = 105,6 Calorien. 

Es betrug also beim Lazarethgehülfen H. während des 7« ständigen 
Marsches 

die gesammte Einnahme an Wärme (berechnet) 

in der Ruhe. ( 6 /aX 115) = 143,7 Calorien, 

durch Muskelarbeit.143,7 „ 

durch Bestrahlung von 800 qc m Haut . . 105,6 „ 

zusammen 393,0 Calorien. 

Von diesen 393 Calorien wurden: 
im Körper zurückgehalten (laut der Messung) 185,7 Calorien. 

Es wurden mithin durch Abkühlung nach aussen an die Luft 
abgegeben 207,3 Calorien oder nur 63,6 Calorien mehr als in der 
Ruhe. 

Der Zuwachs an Wärme - Einnahme betrug demnach ungefähr 
249,3 Calorien; dem gegenüber war aber die Wärme-Abgabe nur um 
63,6 Calorien gesteigert. Es hinderte demnach die Kleidung des p. H. 
die Wärme-Abgabe seines Körpers um mehr als das 37sfache. Es 
stimmt dieses Resultat absolut genau mit dem (siehe oben S. 325) 
auf dem Wege des Versuchs, durch Vergleichung der Abküb- 
luogsgeschwindigkeit der bekleideten und der unbekleideten 
schwitzenden Glasflasche (bei 4- 23° C. und 2 m Windgeschwindig¬ 
keit), ermittelten Werthe überein(!). 

Bevor ich die zweite Beobachtungsreihe mittheile, stelle ich die Re¬ 
sultate der ersten Reihe noch einmal übersichtlich zusammen. 

23 


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336 


17. 9. 85 

Mittags 1 i/j — 3 Uhr 

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2. 9. 85 

Vorm. 8 — 9 Uhr 

1. 9. 95 

Vorm. 9 — 10 Uhr 

1. 9. 85 

Morgens 6 1 /*—8 Uhr 

23. 8. 85 

Nachm. 3 — 5 Uhr 

23. 8. 85 

Mittags 12 — 2 Uhr 

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sonnig 

Trübe, 

regnerisch 

Bewölkt 

Trübe 

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Fast 

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jHügeliger, meist 
offener Landweg 

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Offene Chaussee 

Ebenso 

Fast ganz durch 
Wald 

Offene Chaussee 

Beschaffenheit 

des 

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337 


Diese Beobachtungen lehren, dass schon unter meteorologischen Ver- 
iltnissen, welche der Wärme-Abgabe des Körpers verhältnissmässig 
onstig sind, wie z. B. bei einer Lufttemperatur von + 9,5° bis 15° R. 
p(12° bis 19° G.)i durch eine ein- bis zweistündige Marschleistung Steige¬ 
rangen der Körpertemperatur bis auf 39,55° C. (im Mittel) zu Stande 
kommen können, wofern hierbei die Luft nur schwach bewegt und hoher 
als bis 50 pCt. mit Feuchtigkeit gesättigt ist. 

Noch hoher, nämlich bis auf 40,2° C. — also bis zu einer dem 
Hitzschlage äusserst nahe kommenden Grenze — steigt die Eigenwärme 
des Infanteristen unter dem Einflüsse seiner Winterkleidung nach Instän¬ 
digem Marsche bei 22° R. Lufttemperatur und strahlender Mittagssonne, 
selbst wenn hierbei ein frischer Wind (über 4 m Geschwindigkeit!) bläst 
und die Luft nur 32 pCt. Feuchtigkeit enthält — also unter meteoro¬ 
logischen Verhältnissen, wie sie in unserm Klima im Sommer ganz ge¬ 
wöhnlich Vorkommen. 

Einen noch grosseren Werth für die Beurtheilung des Grades der 
Temperatursteigerung würden diese Messungen haben, wenn gleichzeitig, 
wie in der letzten Beobachtung, vor dem Marsche die Temperatur im 
After bestimmt worden wäre. Diese Lücke habe ich durch die nach¬ 
folgende Beobachtungsreihe auszufüllen gesucht. 


B. Beobachtungen in der Garnison. 


Dieselben fielen in die Zeit vom 19. Mai bis 3. Juni 1886, also in 
das milde und Wechsel warme Frühjahr. 

Es dienten zu diesen Beobachtungen 1 Lazarethgehülfe und 4 Füsiliere 
in ziemlich vollständiger kriegsmässiger (sogen, feldmarschmässiger) Aus¬ 
rüstung. Die Tornister waren gepackt, die Feldflaschen gefüllt; jeder 
Mann trug seine 80 scharfen Patronen. Der Anzug war der vorschrifts¬ 
massige Tuchanzug. Das Gewicht bezw. die fortzutragende Last der 
Leute betrug: 


Unterlazarethgehülfe W. . . , 

Körper¬ 

gewicht 

. . . 61 kg 

Gepäck 
(feldmarsch- 
mässig) 
12,15 kg 

Gesammt- 

last 

73,15 kg 

Füsilier L. 

. . . 70 - 

26 - 

96,0 - 

- p. 

. . . 67 - 

26 - 

93,0 - 

- Scb. 

. . . 60 - 

26 - 

86,0 - 

- Bl. 

, . . 66,5 - 

26 - 

94,5 - 


23* 


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338 


Id einer besonderen Reihe von Beobachtangen werde der An sag und 
die Belastung behufs Stadiums des Einflusses derselben auf die Warme* 
Ökonomie variirt. Es marschirte 

1 Mann feldmarschmässig; 

1 Mann (Lazarethgehülfe) modificirt feldmarschmässig: Mütze, 
Halsbinde, Tuchrock, leinenes Hemde, Drillichhose, Seitengewehr, Labe* 
flasche, gefüllte Medicin- und Bandagentasche; 

1 Mann leicht gekleidet: Mütze, Halsbinde, Litefke, Drillichhose., 
leinenes Hemde; Seitengewehr, 2 Patronentaschen, 80 Patronen, Gewehr; 
Mantel mit Kochgeschirr, Feldflasche, Brotbeutel; 

1 Mann ganz leicht* gekleidet: Mütze oder Helm, Halsbinde 
(durfte auf dem Marsche nach Bedürfnis abgenommen werden), wollenes 
Hemde, Drillichrock, Drillichhose; Waffen-und Ausrüstungsstücke wie 


vorstehend. 

Es betrug das Gewicht: 

der feldmarschmässigen Belastung. . ..26 kg 

t der modificirt feldmarschmässigen Belastung (Lazarethgehülfe) . 11,17 „ 

des leichten Marschanzuges (Litefke etc.).18,5 „ 

des ganz leichten Marschanzuges (ganz Drillich mit Wollenbemd) 18,25 „ 
Die Personen wechselten in der Art der Bekleidung. 


Die meteorologischen Daten an den einzelnen Beobachtungs¬ 
tagen sind den Messungen der hiesigen Universitäts-Sternwarte entnommen, 
also so genau als nur wünschenswert!]. 

I. Beobachtung: Mittwoch, den 29. Mai 1886. 

Inständiger Marsch von 12!/2—2 Uhr Mittags. Weg durch die Stadt auf der 
Chaussee nach Gandau und zurück in meine Wohnung. Anzug feldmarsch, 
massig. 

Temp.: 4- 20° R. (-|- 25° C.): Wind: SO, 1, massig; Rel. Feucht.: 31 pCt: 
Wetter: heiter, sonnig. 


Vor dem Marsch Nach dem Marsch Zunahme 


Upterlazarethgehülfe W. 

87,7° C. 

89,9° C. (!) 

2,2° C. ( 

Füsilier L. 

88,0° C. 

89,8° C. 

1,3° C. 

. p. 

88,0° C. 

89,4° C. 

1,4° C. 

» Sch. 

87,9° C. 

89,8° C. 

1,4° C. 

im Mittel 

87,9° C. 

39,3° C. 

1,4° C. 


Bei W. glaubte ich anfänglich, dass ein Irrthum vorläge. Allein die gleich 
nachher vorgenommene Nachprüfung des Thermometers ergab die volle Richtig, 
keit des Ganges desselben. Offenbar haben hier individuelle Einflüsse Vor¬ 
gelegen. Es fiel mir auch auf,* dass W. bei der Ankunft blass aussah, der Blick 
starr und das Auge gläsern war, die Haut fast gar nicht schwitzte, obwohl 
das Hemde nass war, und an den Händen zitterte; auf Befragen gab er an, er sei 
absichtlich immer in der Sonne marschirt (!) und habe unterwegs nicht getrunken: 


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es sei ihm zwar auf dem Rückmarsch sehr schwül geworden, doch fühle er sich „so¬ 
weit ganz wohl“. 

Offenbar hat hier die cessirende Schweisssecretion auf dem Rückmärsche in 
Verbindung mit unausgesetzter Bestrahlung das ungewöhnlich hohe Ansteigen der 
Körpertemperatur veranlasst. Jedenfalls kann ich die Richtigkeit der Messung 
verbürgen. 

Der Einfluss der Bestrahlung auf diesem Marsche geht noch hervor aus 
mehreren Bestimmungen der Kleidertemperatur, welche ich, genau in der 
früher angegebenen Weise, bei einzelnen Leuten angestellt habe. Es hatten während 
des Marsches 

Unterlazarethgehülfe W. 


im Helm.eine Temperatur von 39,4° C. 

Füsilier L. 

im Helm. „ * , 42 °C. 

Füsilier Sch. 

im Helm. „ * * 39,5° C. 


in der Tornister-Seitentasche » n , 58,0° C. 

Im Kochgeschirr . . . „ ,, „ 37,6° C. 

in der Patronentasche . „ „ „ 36,4° C. 

Bei L. war die Quecksilberkugel des (freischwebend befestigten) Thermometers 
im Hehn sehr nahe dem Lederdach gekommen. 

II. Beobachtung: Donnerstag, den 20. Mai 1886. 

D/ 4 ständiger Marsch bis vor Gandau und zurück, von l*/2 bis 2 3 /4 Uhr Mittags. 
Die Hälfte des Weges führt durch die Stadt. Anfang und Ende des Marsches war 


vor Wind geschützt. — Anzug: feldmarschmässig. 

Temp.: -f- 22° R. (27,5° C.); Wind: SO, 2 (4—7 m); Rel. Feucht.: 31 pCt. 
Wetter: heiter, sonnig. 

Vor dem Marsch Nach dem Marsch Zunahme 

Unterlazarethgehülfe W.4- 87,6° C. 40,7° C. (!) 84° C. (!) 

Füsilier L. .. 87,5° C. 88,8° C. 1,8° C. 

P. 87,5° C. 88,9° C. 1,4° C. 

, Sch. 87,7° C. 88,9° C. 1,2° C. 


im Mittel: 88,9° C. 1,8° C. 

Wiederum zeigte W. eine excessiv hohe Temperatur nach dem Marsch. Das 
meist bei ihm eingeführte Thermometer stieg sehr schnell, innerhalb 2 Minuten 
bis nahe auf 42° C. (!). Da ich glaubte, dass mit dem Thermometer etwas passirt 
sei, zog ich es heraus und führte schnell ein anderes, stets in Reserve gehaltenes 
Krankenthermometer in den After ein. Auch dieses stieg erstaunlich schnell und 
erreichte innerhalb 2 Minuten den oben angegebenen Grad von 40,7°. In Wirk¬ 
lichkeit, wenn wir die erste Messung als richtig annehmen, was durchaus wahrschein¬ 
lich ist, muss also die Körpertemperatur noch höher gewesen sein, nämlich etwa 
41,8° bis 42,0° C. — Dem entsprach auch das ganze Verhalten W’s. Sofort als 
er in das Zimmer hereintrat, fragte ich ihn erschrocken und wiederholt: w Ist Ihnen 
•chlecht geworden? Wird Ihnen ohnmächtig?“ Ich hatte den Eindruck, dass W. 
augenblicklich zusammenbrechen würde. Die Haut des Gesichts und der Hände 
war auffallend blass, fast cyanotiscb, schwitzte gar nicht (!); der 


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340 


Gesichtsausdruck war stupide, benommen, der Blick verschleiert, die Athmung sehr 
frequent. Meine erste Frage beantwortete er nicht, als ob er sie nicht gehört hätte. — 
Es wurden sofort alle Kleider gelüftet, W. erhielt während der Messung reichlich 
Wasser zu trinken und erholte sich im Verlaufe einer halben Stunde soweit, dass 
er in die Caserne gehen konnte. — An den folgenden Tagen klagte er noch über 
Mattigkeit und grosse Muskelschwäche. 

Als Ursache dieser excessiven Temperatursteigerung ist theils wiederum die 
gänzliche Enthaltung vom Wassertrinken auf dem Marsche, dadurch bedingtes Ver¬ 
siegen der Schweisssecretion, und das unausgesetzte Exponiren des Körpers der 
strahlenden Mittagssonne anzusehen, theils vielleicht der Umstand, dass W. bereite 
am Vormittage eine fünfstündige, ziemlich anstrengende Uebung (von 6—11 Uhr) 
mitgemacht hatte. 

Auffallend und neu in dem Krankheitsbilde war mir die Blässe der Haut, 
sowohl gestern als auch heute, ja heute mit einem deutlichen Anflug von Cyanose. 
Möglicherweise lässt diese Erscheinung auf eine abnorm gesteigerte Erregbarkeit 
der Hautgefässe schliessen, welche ihrerseits schon wesentlich dazu beitragen würde, 
die Temperatur im. Innern des Körpers zu erhöhen, theils durch Steigerung der 
Blutfülle der inneren Organe, theils durch Verminderung der Wärmeabgabe durch 
die Haut. 

Eine ähnliche Beobachtung habe ich bisher in der Hitzschlaglitteratur nicht 
gefunden. Jedenfalls verdient sie Beachtung. 

III. Beobachtung: Sonnabend, den 22. Mai 1886. 

s / 46 tündiger Marsch von der Füsiliercaserne in der Richtung nach Gandau, 
bis zu dem Gasthof „Zum letzten Heller*, in welchem die Messung vorgenommen 
wurde. Mittags l 8 /4—21/g Uhr. 

Temp.: -f- 23,8° R. (29,7° C.); Wind: S, 1 (1—4 m); innerhalb der Stadt 
wenig Wind; Rel. Feucht: 25pCt; Wetter: heiter, sehr sonnig. 

Anzug theils feldmarschmässig, theils ganz leichter Marschanzug. 


Unterlazarethgehülfe W. (modificirt 

Vor dem Marsch 

Nach dem Marsch 

Zunahme 

feldmarschmässig). 

87,8° C. 

89,2° C. 

M° c - 

Füsilier L. (feldmarschmässig) . . 

87,9° C. 

89,2° C. 

1*8° C. 

Füsilier P. (feldmarschmässig) . . 
Füsilier Sch. (ganz leichter Marsch¬ 

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O 

894° C. 

M° c - 

anzug) . 

1 

o 

p 

88,4° C. 

0,6° C. 


Also in feldmarschmässiger Ausrüstung wurde nach % ständigem Marsche eine 
Körpertemperatur von 39,2° C. (im Mittel), d. h. eine Steigerung um 1,4° C., 
erreicht; im ganz leichten Marschanzuge (wollenes Hemde, Drillich, ohne Tornister) 
stieg die Temperatur im After hur bis auf 38,4° oder um 0,6° C. 

IV. Beobachtung: An demselben Tage. 

Einstündiger Marsch auf der Chaussee von Gandau in die Stadt zurück 
bis zu meiner Wohnung, von 2 Uhr 50 Minuten bis 3 Uhr 50 Minuten. 


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341 


Witterung wie vorstehend. Der Wind war auf dem Rückmärsche lebhafter. 

Es wurden vor dem Abmarsch aus dem Gasthof „Zum letzten Heller* noch 
Thermometer in verschiedene Kleidungs- und Ausrüstungsstücke eingelegt. — Anzug 
wie in der III. Beobachtung; Kragen und oberster Knopf am Rock waren geöffnet. 

Vor dem Marsch Nach dem Marsch Zunahme 


Unterlazarethgehülfe W. (modificirt 


feldmarschmäßig). 

87,9° C. 

89,4° C. 

1,5° C. 

Füsilier L. (feldmarschmässig) . . 

87,8° C. 

8»4° c. 

1,8° C. 

Füsilier P. (feldmarschmässig). . 

87,7° C. 

89,1° C. 

1,4° C. 

Füsilier Sch. (ganz leichterMarsch- 
anzug). 

87,9° C. 

88,4° C. 

0,6° C. 


Wiederum ist die Differenz der Temperatursteigerung bei verschiedenem Anzuge 
in die Augen fallend. Sch. im Drillichanzuge mit Wollenhemd (ohne Tornister) 
bat nur eine Steigerung um 0,5° resp. bis 38,4° C., während die beiden feld- 
(uarschmässig ausgerüsteten Füsiliere wiederum eine Steigerung um 1,4° C., d. h. 
bi« 39,1° C. aufweisen. W. hat wiederum, trotz seiner erleichterten Last und 
leichteren Kleidung (Mütze, Drillichhose) die höchste Temperatur (39,4°) und die 
grösste Zunahme (um 1,5° C.). Es kann hiernach wohl keinem Zweifel unterliegen, 
dass individuelle Besonderheiten bei W. eine Rolle spielen, welche ihn zu 
abnormen Temperatursteigerungen im Innern des Körpers, mithin auch zur Er¬ 
krankung an Hitzschlag (vergl. Beobachtung I und II) ganz besonders disponirt 
erscheinen lassen. 

Die in den Kleidungs- und Ausrüstungsstücken auf diesem Marsche erreichten 
Temperaturen waren folgende: 


W.: Mütze ..44,0° C. (!)*) 

L.: Helm.38,8° C. 

Mantel (gerollt). 36,9° C.**) 

Kochgeschirr.39,5° C. 

Patronentasche .'.33,0° C. 

P.: Helm.38,0° C. 

Waffenrock, Brust.34,5° C.***) 

Kochgeschirr.41,3° C. 

Patronentasche.34*0° C. 

Sch.: Drillichrock, Brust.38,2° C.***) 

Patronentasche.38,9° C. 


Der Einfluss der Bestrahlung auf die Temperatur der Kleidungs- 
und Ausrüstungsstücke ist auch hier wieder evident (vergl. Versuchsreihe A. 
der früheren Arbeit, Seite 332 a. a. O.). Im Helm, in der Mütze, im 


*) Thermometer im Deckelfutter mittelst Sicherheitsnadeln befestigt 
**) Thermometer im Schultertheil unter der obersten Schicht befestigt 
***) Thermometer am Futter in der Herzgegend mit Sicherheitsnadeln befestigt 


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342 


Kochgeschirr and in der Patronentasche wurde die Körpertemperatur des 
Infanteristen mehr oder weniger hoch überschritten (bis 44° C.); im 
Waffenrock und im Mantel wurde sie nahezu erreicht Es bedarf keines 
erneuten Hinweises darauf, dass durch eine derartige Erwarmung der 
Kleidungsstücke ihre Fähigkeit, die Warme des Körpers von der mensch¬ 
lichen Haut nach aussen fortzuleiten, gänzlich aufgehoben wird, ja sogar 
dieselben unter Umstanden zu neuen Wärmequellen für den ohnehin mit 
Wärme überladenen Organismus des Infanteristen werden können. Es 
erhellt weiterhin daraus, dass unter solchen Verhätnissen die Wärme¬ 
abgabe der Haut des Infanteristen fast ausschliesslich auf die Schweiss- 
verdunstung und die Lufterneuerung auf der Haut angewiesen ist, und 
dass mithin von der Ausgiebigkeit und dem Fortbestehen dieser letzteren 
im Wesentlichen die Entscheidung über die Frage abhängt, ob die 
Wärmebilanz im Körper und damit das Temperaturgleichgewicht des¬ 
selben, wenn auch vielleicht für einen höheren Temperaturgrad als den 
normalen, während der Dauer eines Marsches aufrecht erhalten wird 
oder ob die Temperatur continuirlich, von Minute zu Minute, steigt 
und der dem Hitzschlag eigenthümliche, für den Organismus tödtliche Grad 
(+ 44° C.) erreicht wird. Die am Unterlazarethgehülfen W. in Beob¬ 
achtung I und II gemachten Wahrnehmungen sind in dieser Beziehung 
sehr lehrreich. 

V. Beobachtung: Mittwoch, den 26. Mai 1886. 

3 / 4 ständiger Marsch, wie in Beobachtung III. Mittags 2—2 3 /< Uhr. — Die Luft 
war warm, aber ziemlich stark bewegt. 

Temp.: 4- 21° R. (26,2° C.); Wind: S, 2, frisch (4—7 m); Rel. Feucht. 
30pCt.; Wetter: ziemlich heiter, sonnig. 

Vor dem Marsch Nach dem Marsch Zunahme 


Unterlazarethgehülfe W. (modifl- 


cirt feldmarach massig) . . . 

88,2° C. 

88,8° C. 

0,6° C. 

Füsilier L. (ganz feldmarschmässig) 
Füsilier P. (ganz leichter Marsch- 

37,9° C. 

38,5° C. 

0,6° C. 

anzug). 

Füsilier Sch. (ganz leichter Marsch- 

38,0° C. 

88,8° C. 

0,3° C. 

anzug). 

37,9° C. 

88,2° C. 

0,3° C. 


(Letzterer in der Mütze 44,6° C.!) 


Im feldmarschmässigen Anzuge wurde mithin nach 3 / 4 Stündigem Marsche eine 
Temperatur von 38,65° im Mittel, d. h. eine Steigerung um 0,6° erreicht, im ganz 
leichten Marschanzuge dagegen nur eine Temperatur von 38,25° im Mittel, d. i. 
eine Zunahme um 0,3° C. 


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343 


VI. Beobachtung: An demselben Tage. 

3 / 4 Stfindiger Rückmarsch in die Stadt von 3— 3 3 /4 Uhr. 

Witterung dieselbe, nur war der Wind ausserhalb der Stadt noch etwas leb¬ 
hafter. — Anzug unverändert. 

Vor dem Marsch Nach dem Marsch Zunahme 


Unterlazarethgehülfe W. (modifi- 


cirt feldmarschmässig) . . . 

Füsilier L. (ganz feldmarsch- 

88,2° C. 

88,8° C. 

0,6° C. 

massig). 

.38,0° C. 

88,6° C. 

0,3° c. 

Füsilier P. (ganz leichter Marsch- i 

anzug). 

87,9° C. 

38,1° C. 

0,2° C. 

Füsilier Sch. (ganz leichter 

Marschanzug). 

88,0° C. 

88,8° C. 

0,8° C'., 


Das Resultat war mithin fast identisch mit dem vorigen, wie bei der Gleich¬ 
heit der Bedingungen zu erwarten war. 

VII. Beobachtung: Donnerstag, den 27. Mai 1886. 

3 / 48 tündiger Marsch zum „Letzten Heller“, von ltys — 2*/4 Uhr Mittags. — 
Warmes, sonniges, aber sehr windiges und staubiges Wetter. 

Temp.: 4- 23,5° R. (29,2° C.) \ 

( Welcher Contrast! 

Wind: S, 3, scharf (7—11) ) 

Rel. Feucht: I9pCt; Wetter: heiter sonnig. 



Vor dem Marsch 

Nach dem Marsch 

Zunahme 

Unterlazarethgehülfe W. (modifi- 

cirt feldmarschmässig) . . . 

88,1° C. 

38,6° C. . 

0,5° C. 

Füsilier P. (feldmarschmässig) . 

37,9° C. 

38,4° C. 

0,5° C. 

Füsilier L. (ganz leichter Marsch- 

anzug). 

37,9° C. 

88,4° C. 

0,5° C. 

Füsilier Sch. (ganz leichter 




Marschanzug). 

37,8° C. 

38,2° C. 

o 

p 


Dieses Ergebnis ist sehr merkwürdig. Es überraschte mich. Trotz 
der erheblichen Verschiedenheit in der Bekleidung und der 
Belastung der Leute doch bei Allen fast die gleiche Tempe¬ 
ratursteigerung! 

Vergleicht man hiermit Beobachtung III, wo bei gleicher Marsch¬ 
dauer dieselbe Luftwarme, Luftfeuchtigkeit und Sonnigkeit herrschte, so 
kommt man sofort zu der Einsicht, dass nur die beträchtliche Ver¬ 
schiedenheit in der Starke des Windes diese eigenthumliche Er¬ 
scheinung bedingen kann. 


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344 


Dort war bei schwachem Südwinde (S 1) im feld marsch massigen 
Anzüge eine Steigerung der Eigenwärme um ^,4° (I), im ganz leichten 
Marschanzuge um 0,6° erreicht worden; hier bei scharfem Südwinde 
(S 3), aber sonst ganz gleichen Bedingungen, im feldmarschmässigen 
Anzuge eine Steigerung um 0,5°, im ganz leichten Marschanzuge um 

O, 45° G. Hieraus lässt sich schliessen, dass der scharfe Wind von 
7—11 m Geschwindigkeit dem feldmarschmässig gekleideten Infanteristen 
2,8 Mal oder fast 3 Mal mehr Wärme entzogen hat als der schwache 
Wind, dem ganz leicht gekleideten Infanteristen dagegen nur IVa Mal 
mehr. 

Dieser Unterschied ist auf den ersten Blick auffallend, namentlich 
mit Rücksicht auf die der Wärmeabgabe günstigere Kleidung des in 
Drillich gekleideten Infanteristen. Diese paradoxe Erscheinung erklärt 
sich aber leicht, wenn man hierbei das Verhalten des Wärme¬ 
regulirungsmechanismus in Betracht zieht. Der ganz feldmarsch¬ 
mässig belastete und gekleidete Infanterist producirt in der Zeiteinheit 
offenbar mehr Wärme auf dem Marsche, als der weniger belastete nnd 
leichter gekleidete Infanterist. Bei Jenem ist also das Abkühlungsbedürfniss 
behufs Erhaltung der Wärmebilanz grösser als bei dem Letzteren. Die 
Einrichtung des Wärmeregulirungsmechanismus der Haut kommt diesem 
Bedürfniss, wie bekannt, dadurch entgegen, dass sich bei Jenem die Haut* 
gefässe stärker erweitern und die Schweissdrüsen stärker secerniren, als 
bei Letzterem. In der That schwitzten auf dem letzten Marsche W. und 

P. , wie der Augenschein lehrte, ungleich viel stärker als B. und Sch.; ja 
die letzteren Beiden zeigten kaum bemerkbare Symptome der Erhitzung 
und waren, wie sie selbst angaben, kaum in Schweiss gekommen. Wie 
beträchtlich verschieden aber die Abkühlung eines stark schwitzenden 
und eines wenig schwitzenden Körpers bei einem Winde von mehr als 
4 m Geschwindigkeit ist, haben meine früher mitgetheilten Abkühlungs¬ 
versuche an der Glasflasche hinreichend dargelban. So ist also das 
scheinbare Paradoxon der letzten Beobachtung, wie ich glaube, in voll¬ 
kommen befriedigender Weise erklärt. 

Immer und immer wieder werden wir in diesen Beobachtungen auf 
den enormen Einfluss des Schwitzens auf die Abkühlung des marschiren- 
den Infanteristen hingewiesen, von welchem wir schon in der ersten 
Arbeit nachweisen konnten, dass sie auf dem Marsche zur Sommerzeit, 
wo die Kleidungsstücke des Infanteristen bis auf und selbst über die 
Körpertemperatur erwärmt sind, von den drei Abkühlungsfactoren des 
Organismus — Leitung, Strahlung und Schweissverdunstung — fast ganz 


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345 


»Hein thätig ist und ganz allein die schwierige Aufgabe za 
losen bat, den beträchtlichen Ueberschnss an Wärmeein¬ 
nahmen auf dem Marsche wieder abzuführen. 

VIII. Beobachtung: An demselben Tage. 

D/^stündiger Marsch, Nachmittags 2 3 /4—4 Uhr vom „Letzten Heller* mit 
einem Umwege über Dorf Cosel, Pöpelwitz-Eichenpark, die Schiessstände zurück in die 
Stadt Der Weg führte von Cosel an bis zur Stadt am Oderdamm entlang. 

Witterung dieselbe wie vorher. Lebhafter S 3-Wind. 

Vor dem Marsch Nach dem Marsch Zunahme 

Unterlazarethgehülfe W. (modificirt 

feldmarschmassig).88,2° C. 

Füsilier P. (ganz feldmarschmässig) 87,9° C. 

Füsilier L. (ganz leicht gekleidet) 87,9° C. 

Füsilier Sch. (ganz leicht gekleidet) 88,1° C. 

Die Temperatursteigerung verhält sich also ganz ähnlich wie in der vorigen 
Beobachtung. — Nimmt man dagegen aus den beiden letzteren Messungen das 
Mittel = 0,4° an, so ist die Steigerung im ganz leichten Marschanzuge diesmal 
um Vs geringer, als in feldmarschmässiger Ausrüstung. Dieses für die leichte 
Kleidung günstigere Verhältniss ist dadurch erklärlich, dass einestheils durch die 
grössere Marschleistung, andemtheils durch die reichliche Flüssigkeitsaufnahme 
anmittelbar vor dem Abmarsch — jeder Mann hatte im „Letzten Heller* zur 
Erfrischung und Aufmunterung ein Glas Bier erhalten — die Schweisssecretion 
auch bei den leicht gekleideten Füsilieren L. und Sch. in stärkerem Grade angeregt 
worden war, als auf dem Hinmärsche (Beobachtung VII). 

Den Einfluss der Bestrahlung durch die Sonne, trotz des scharfen Windes, 
zeigt wiederum die Temperatur der Eleidungs- und Ausrüstungsstücke. Es wurde 
gefunden 

in 


beim 

Helm 

Mütze 

Waffen¬ 

rock 

(Brust) 

Drillich¬ 

rock 

(Brust) 

Patronen¬ 

tasche 

Mantel 

(gerollt) 

Unterlazarethgehölfen W. 

— 

d 

o 

36,4° C. 

— 

— 

— 

Füsilier P. 

39,8° C. 

— 

35,5° C. 

— 

33,3° C. 

— 

. L- . 

— 

S 

o* 

o 

p 

— 

33,2° C. 

d 

O 

O 

CO 

d 

0 

H 

CO 

» Sch. 

— 

Cr* 

oo 

o 

O 

O 

1 

39,0° C. 

32,6° C. 

— 


Bemerkenswerth ist hier wiederum, dass die Mütze sich sehr viel stärker 
erwärmt auf dem Kopfe bei Sonnenschein, als der Helm bezw. die Luft im Helm; 
die Luftlöcher in der Helmspitze und die freie Verdunstung des Schweisses auf der 
Stirn wirken offenbar der starken Erwärmung entgegen. Immerhin ist ein 1 Pfd. 


88,8° C. 
38,5° C. 
88,4° C. 
88,4° C. 


0,6° C. 

0,6° C. 

0,5° C.\ im 
X ^ Mittel 
0,8° C./ 0,4°. 


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346 


schwerer und heisser Lederbehälter mit ca. 1 1 Luft von 39,8° G. auf dem Kopfe 
sicherlich keine Annehmlichkeit für den Infanteristen auf dem Marsche. 

IX. Beobachtung: Sonnabend, den 29. Mai 1886. 

3 / 48 tündiger Marsch bis zum „Letzten Heller“. Nachmittags 374—4 Uhr. * 
Alle vier Leute in verschiedenem Anzuge (siehe oben). ' 

Temp.: -f-19,6° R. (4- 24,7° C.); Wind: Mittags still, von 2 l / 2 -Uhr ab 
kühler Nord wind von 3—4 m Geschwindigkeit (N 1); Rel. Feucht.: 52pCt: 
Wetter: bewölkt. Während über Mittag die Luft für das Hautgefühl schwül 
war, wurde sie Nachmittags, mit dem unerwarteten Eintritt des Nordwindes, für die 
Hautempfindung kühl. 

Vor dem Marsch Nach dem Marsch Zunahme 


Unterlazarethgehülfe W. (modifi¬ 
cirt feldmarschmassig) . . . 

88,2° C. 

88,55° C. 

0,35° C. 

Füsilier L. (ganz feldmarseh- 
mässig). 

37,8° C. 

38,8 0 C. 

0,5 0 C. 

Füsilier P. (leichter Marsch¬ 
anzug [Litefke etc.]) . . . 

38,0° G, 

38,25° C. 

0,25° C. 

Füsilier Sch. (ganz leichter 
Marschanzug [Drillich etc.]) . 

37,8° C. 

38,0 ° C. 

0,2 0 C. 


Die Steigerung der Körpertemperatur war also, entsprechend der kühleren 
Witterung, im Allgemeinen gering. Dennoch lassen sich deutliche, wenn auch 
nicht grosse Unterschiede zwischen den einzelnen Bekleidungsarten erkennen. 

Es ergab, unter den genannten Bedingungen, 

der feldmarschmfissige Anzug .... einen Zuwachs um 0,5 ° C. 
der modificirt feldmarschmässige Anzug 

(Mütze, Drillichhose, ohne Tornister). , , „ 0,35° C. 

der leichte Marschanzug (Mütze, Litefke, 

Drillichhose, ohne Tornister).... „ * „ 0,25° C. 

der ganz leichte Marschanzug (Wollen¬ 
hemd, Mütze, Drillichrock, Drillich¬ 
hose, ohne Tornister). , n , 0,2 ° C. 

X. Beobachtung: An demselben Tage. 

3 /4 ständiger Rückmarsch in die Caserne, von 472—574 Uhr. 

Temp.: -1- 18,5° R. (23° C.). Sonst dieselbe Witterung. 

Vor dem Marsch Nach dem Marsch Zunahme 


Unterlazarethgchülfe W. (modifi- 


cirt feldmarschmässig) . . . 

38,3° G. 

88,8° C. 

0,5° C. 

Füsilier L. (ganz feldmarsch- 




massig) .. 

37,8° C. 

88,2° C. 

0,4° C. 

Füsilier P. (Litefke etc.) . . . 

38,0° C. 

38,2° C. 

0,2° C. 

Sch. (Drillich etc.) . . 

37,8° C. 

88,0° C. 

o,2° e. 


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347 


Also im Wesentlichen dasselbe Resultat wie in Beobachtung IX. 
In den Kleidungsstücken wurde gefunden: 


in 

Helm Mütze Waffenrock Litefke Drillichrock Patronen- 
(Brust) (Brust) (Brust) tasche 

bei W. — 31,1° C. 33,3° C. — — — 

„ L.33,7° C. — 31,2° C. — — 30,0° C. 

„ P. — 31,0° C. — 32,8° C. — 28,4° C. 

, Sch. ... — 34,0° C. — — 34,7° C. 31,2° C. 


Es erwies sich somit auch der erwärmende Einfluss der Bestrahlung durch die 
Sonne in. diesen beiden Beobachtungen als gering, woraus die nur geringe Zunahme 
der Körpertemperatur erklärlich wird. 

Ganz ähnlich verhält es sich in der folgenden, letzten Beobachtung: gänzlicher 
Mangel an Sonnenschein, kühler und mässig bewegter Nordwind nach vorauf¬ 
gegangener Tagesschwüle (hoher Luftfeuchtigkeit), in Verbindung mit sehr reich¬ 
licher Schweisssecretion, hinderten hier — trotz Inständigen Marsches im gewöhn¬ 
lichen Tempo — ein irgend erhebliches Ansteigen der Körpertemperatur. 

XI. Beobachtung: Donnerstag, den 3. Juni 1886. 

Die schwüle, feuchtwarme Luft bei bedecktem Himmel, welche am Vormittag 
bis gegen Mittag herrschte, hatte mich veranlasst, trotzdem dass ein Feiertag 
(Himmelfahrt) war, einen Marsch ausführen zu lassen. l ] / 2 Stündiger Marsch 
von 2 bis 3*/a Uhr Nachmittags, auf offenem Landwege nordwestlich von 
Breslau, zurück in meine Wohnung. 

Temp.: -4- 20,0° R. (25,5° C.). Wind: N 1 (2—4m). Rel. Feucht.: 47 pCt. 
Wetter: Bewölkt. Abends Regen, Nachts starkes Gewitter. 

Für Füsilier L. war Füs. Bl. eingetreten, ein kräftig gebauter Mann von 69 kg 
Körpergewicht, für Sch. Füs. PI. mit ebenfalls 69 kg Gewicht. 

Vor dem Marsch Nach dem Marsch Zunahme 


Füsilier P., ganz feldmarsch- 


mässig. 

88,8° C. 

38,5° C. 

0,5° C. 

Füsilier Bl., leichter Marsch- 




anzug (Litefke etc.)... . 

88,1° C. 

88,4° G. 

0,3° C. 

Füs. PI., ganz leichter Marsch- 




anzug (Drillich etc.) . . 

88,2° G. 

38,5° C. 

0,3° C. 



In 



Helm 

Waffenrock 

Patronen¬ 



(Brust) 

tasche 

Füs. P., ganz feldmarschmäss. 35 ° C. 

33,2° C. 

CO 

o 

o 

p 

„ B1., leichter Marschanzug 



(Litefke etc.) . . 

. . 35,5° C. 

34,8° C. 

32,4° C. 

„ PI., ganz 1. Marschanzug 



(Drillich etc.). . 

. . 34 ° C. 

32,3° C. 

32,0° C. 


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348 


Ein feuchter, kubier Wind oder auch ein trockener, kühler Wind 
(N1), wenn er eine feuchte (schwitzende) Oberfläche bestreicht, kühlt 
demnach beträchtlich ab und ist im Stande, der durch die Muskelarbeit 
auf dem Marsche allein (ohne Sonoe) herbeigeführten Ueberprodnction 
an Warme fast vollkommen das Gleichgewicht zu halten; selbst die 
dichtere Bekleidung und die stärkere Belastung des feldmarschmassig 
ausgerüsteten Infanteristen ändert an diesem Verhältniss nichts oder doch 
nicht viel. 

Dass die Körperob er fläche der drei Füsiliere, und zwar sowohl 
die unbekleidete, als auch die bekleidete Oberfläche, thatsächlich feucht 
war, davon konnte man sich hier durch den Augenschein leicht über¬ 
zeugen. Alle drei Leute hatten auf dem Marsche so stark ge¬ 
schwitzt, dass nicht bloss das Hemde zum Ausringen nass war, 
sondern auch der Waffenrock an mehreren fast handgrossen 
Stellen nach aussen durchgeschwitzt war. Damit war also die 
Möglichkeit einer sehr vollkommenen und bei allen drei Füsilieren fast 
gleichmässigen Wärmeentziehung auf dem Marsche gegeben. 

Ueber die Grösse der Schweisssecretion lässt sich ans der 
Grösse der Wassereinnahme während des Marsches ein annähernd 
richtiges Urtheil fällen. Die Feldflaschen der drei Leute, je 500 g 
Wasser haltend, waren auf der ersten Hälfte des Marsches schon geleert; 
im Beginne des Rückmarsches wurde an einem Bauernhöfe von Jedem 
frisches Brunnenwasser in reichlicher Menge (ca. 200 g) getrunken. 
Keiner hatte auf dem Marsche Harn gelassen; Keiner hatte nach der 
Ankunft ein Bedürfniss danach. Während der letzten »/* Stunde des 
Marsches war kein Wasser mehr getrunken worden. Nimmt man an, 
dass bei Beendigung des Marsches im Innern des Körpers noch eben¬ 
soviel Wasser vorhanden war, als bei dem Abmarsch, so sind also 
während des l’/sStündigen Marsches ungefähr 700 "cbcm 
Wasser in Form von Schweiss durch die Haut ausgeschieden 
worden. 

Diese Menge erscheint, gegenüber der in der Ruhe von der Haut 
abgegebenen Menge des Schweisses, als ganz beträchtlich. Vierordt 
berechnet die vom menschlichen Körrper im Zustande der Ruhe durch 
Schweissverdunstung in 24 Stunden ausgeschiedene Wassermenge auf 
660 g und die zu ihrer Verdampfung erforderliche Wärmemenge zu 
384,12 Calorien. Nehmen wir an, dass von jenen secernirten 700 cbcm 


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Wasser nur etwa die Hälfte, also 350 g, verdunstet, die andere 
Hälfte dagegen in tropfbarer Form von den Kleidungsstücken (Hemde, 
Unterhose, Halsbinde, Hose, Rock) aufgesogen worden ist, so wurden 
dadurch allein schon 206,8 Calorien Warme wahrend des l’/sStündigen 
Marsches dem Körper des Infanteristen entzogen. Die Wärme- 
production des Füsiliers während dieser Zeit berechnet sich, bei 26 kg 
Belastung, auf l 1 /* x 282 = 423 Calorien. Zieht man hiervon die 
durch Schweissverdunstung abgegebenen 207 Calorien, sowie die im 
Körper zurückgehaltenen, aus 0,5° C. Temperatursteigerung berechneten 
43,6 Calorien, also zusammen 251 Calorien ab, so bleibt ein Rest von 
172 Calorien, welche also theils durch Leitung und Strahlung von der 
Körperoberfläche, theils durch den Atbmungsprocess (Erwärmung der 
Athmungsluft, Wasserverdunstung in Lungen und Luftwegen) nach aussen 
abgegeben wurden. 

Man erhält demnach folgende Wärmebilanz für den l’/s ständigen 
Marsch des feldmarschmässig gekleideten Füsiliers P.: 

Wärme-Einnahmen Wärme* Abgaben 

während des Marsches (ohne Bestrahlung) bei •+■ 20,4° R., 47 pCt. rel. Feucht, und 
bei 67 H- 26 = 93 kg Körperlast. N 1 (2—4 m). 

In der Ruhe in l 1 /* Stunden Durch Verdunstung von 

(n. Helmholtz). 172 Cal. k 350 g Wasser. 207 Cal. 

Durch Muskelarbeit (n. Hirn) 251 Cal. Durch den Athmungsp’rocess 

(= 19,9 pCt.). 84,2 Cal. 

£ Durch Leitung und Strahlung 

von Haut- und Kleider¬ 
oberfläche . 88,2 Cal. 

Zusammen 379,4 Cal. 

Im Körper zurückgehalten, 
berechnet aus 0,5 ° C. 
Temperatursteigerung . . . 43,6 Cal. 

Summa 423 Cal. Summa 423 Cal. 

Die Wärmeabgabe durch den Athmungsprocess haben wir 
als gleich derjenigen in der Ruhe (vergl. S. 318 der früheren Arbeit) 
angenommen, hauptsächlich aus dem Grunde, weil über die Veränderung 
desselben bei der Muskelarbeit nichts bekannt ist; jedenfalls correspondirt 
die Grosse dieser Art von Wärmeabgabe mit der Grosse des Luft¬ 
wechsels bei der Athmung, welche letztere bekanntlich bei Beschleunigung 
der Athemzüge durch Muskelarbeit keine wesentliche Aenderung erfährt, 


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350 


da mit der grosseren Frequenz gleichseitig ihre Ausgiebigkeit abnimmt*) 
— Wir sehen in obiger Rechnung, dass die Wärmeabgabe durch 
Schweissverdunstung während des Marsches beträchtlich, nämlich 
von 14,5 pCt in der Ruhe (Vierordt) bis auf 49 pCt. gesteigert, 
die Wärme-Abgabe durch Leitung und Strahlung hingegen 
von 70,5 pCt. (in Ruhe) auf 20,8 pCt. herabgesunken ist Die 
Steigerung der Schweisssecretion ist Wirkung des Wärmeregulirungs- 
Mechanismus der Haut, also eine physiologische Erscheinung, hervor¬ 
gerufen dorch die Steigerung der Wärmeproduction im Körper; zu diesem 
Mechanismus gehört das erhöhte Durstgefühl der Leute auf dem Marsche 
und die gesteigerte Aufnahme von Wasser. Die beträchtliche Abnahme 
der Wärmeabgabe durch Leitung und Strahlung von 70,5 auf 20,8 pCt 
hingegen ist — wie in der früheren Arbeit ausführlich dargelegt wurde — 
Wirkung der Kleidung des Infanteristen. Vergleicht man den 
hier erhaltenen Werth für die Verminderung der Wärme-Abgabe durch 
die Kleidung (im schwitzenden Zustande!) mit den in den Abkühlungs¬ 
versuchen der ersten Arbeit (S. 371 u. folg, und S. 325 dieser Arbeit) 
unter fast gleichen Bedingungen — bei 128° C. Lufttemperatur, Wind von 
2 m Geschwindigkeit und 44 pCt. rel. Feucht. — erhaltenen Zahlen, so 
findet man abermals zwischen beiden eine fast vollkommene Ueber- 
einstimmung, nämlich bei letzteren Versuchen ein Verhältnis 
von 1 : 3,65, bei der erstereri Berechnung ein solches von 
1 : 3,39. 

Schoner kann die Übereinstimmung zwischen theoretischer Berech¬ 
nung und praktischem Versuch, zumal unter so complicirten Bedingungen, 
wohl nicht gedacht werden! 

Ich gebe zunächst wieder eine tabellarische Zusammenstellung 
der Resultate dieser Beobachtungsreihe. 


*) Eine weit wichtigere Holle spielt das Athmungsorgan bei der Abkühlung 
des Hundes. Da der Hund bekanntlich durch den Mangel an Sehweissdrüsen 
ausgezeichnet ist, so übernimmt hier das Athmungsorgan die wichtige Function der¬ 
selben; bei gesteigerter Wärmeproduction in Folge von Jagen und Laufen, ja 
schon bei anhaltender Bestrahlung durch die Sonne im ruhigen Liegen, wird die 
Athmungsfrequenz enorm beschleunigt (bis über 100 in der Minute), das Maul weit 
aufgesperrt, die Zunge lang herausgestreckt behufs Vergrösserung der Abkühiungs- 
oberfläche, während gleichzeitig der Speichel in so überreichlichem Grade seeemirt 
wird, dass er von den Mundwinkeln herabtropft. Es ist dies das bekannte Bild 
des Lechzens beim Hunde. Ein Jagdhund kann daher auch im erhitzten Zustaude 
ungestraft in das Wasser springen. 


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feldmarschmftswig — 11,17 kg; y. leichter Marschanzug (Lltofko oto.) —* 1 8 , ft kg; '«fi ganz 1. Marechanzug (Drillich etc.) «» 18,26 kg. 


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(Schloss folgt.) 24 


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i) Füsilier BL 68,5 kg. a) Füsilier PL, 69 kg. 





352 


Referate und Kritiken. 


Instruction der Medicinalabtheilung des englischen Kriegs 
ministerinms an die das Expeditionscorps von Saakin 1885 
begleitenden Aerzte. Von Dr. Braune, Marine-Stabsarzt. 
Beiheft znm Marineverordnungsblatt No. 63 Seite 1—18. Berlin 1886. 
E. S. Mittler and Sohn, Koaigl. Hofbachhandlang. 

Schon einmal ist in dieser Zeitschrift (1885 S. 610) auf den »hoch- 
interessanten 0 Anhang VII des Berichtes der englischen Militär-Medici nal- 
abtheilung für das Jahr 1883 aufmerksam gemacht worden, welcher die 
von dem zeitigen Generalstabsarzt der englischen Armee, Crawford, er¬ 
lassene Information für Offiziere and Aerzte der Expeditionstrappen in 
Saakin enthält. Braune hat nun mit Genehmigung des Herrn Verfassers 
das, was darin von allgemeinerem Interesse ist, znsammengestellt and 
dadurch die mit bewundernswürdiger Umsicht and Präcision abgefasste 
Instruction aach weiteren Kreisen zugänglich gemacht, weshalb auch wir 
hier etwas genauer auf dieselbe eingehen wollen. Nachdem die noch 
weiter unten zu besprechenden, zur Disposition des Expeditionscorps 
stehenden Lazaretheinrichtungen aufgeführt sind, werden die klimatischeu 
Verhältnisse des Landes sowie deren Einfluss erörtert. Als Hauptfactoren 
für die Entstehung der Armeekrankheiten gelten die Ermüdung und die 
unzulängliche Ernährung, während klimatische Verhältnisse insofern 
untergeordnet sind, als sie durch Vermeidung der ersteren und durch 
ergiebige Maassnahmen gegen die letztere mehr oder weniger überwunden 
werden können. Die ägyptische Augenkrankheit muss wegen ihrer 
specifischen Eigenschaften dem Schmutz, der Ueberfüllung und den Fliegen 
zugeschrieben werden. Bei den grossen täglichen Temperaturschwankungen 
ist es von grösster Bedeutung für die Verhütung von Unterleibserkrankungen, 
die Mannschaften durch Beaufsichtigung ihrer Bekleidung (flanellne Leib¬ 
binden) gegen die Abkühlung bei Sonnenuntergang zu schützen. Alle 
Fälle von Durchfall, welche mit Temperatursteigerung (Fieber) einher¬ 
gehen, sollen so lange als Typhus behandelt werden, bis eine weitere 
Beobachtung das Gegentheil festgestellt hat. Hieran schliesst sich folgende 
wohl zu beachtende Bemerkung. Nicht selten wird bei der in jedem 
Feldzuge allgemein verbreiteten Disposition zu Durchfällen ein Unterleibs- 
Typhus übersehen, sicherlich bleibt die angegebene Zahl der während 
eines Feldzuges daran Erkrankten hinter der Wirklichkeit sehr zurück; 
und der hohe Procentsatz der Sterblichkeit an dieser Krankheit ist zweifel¬ 
los vor allen Dingen der Thatsache zuzuschreiben, dass unter Kriegs¬ 
verhältnissen nur die schweren und deutlicher ausgesprochenen Formen 
als Unterleibstyphus diagnosticirt und zurückgesandt werden. Aerztliche 
Hülfsraittel der mannigfaltigsten Art müssen gerade gegen diese Krank¬ 
heit in ausreichender Menge vorgesehen werden. 

Jeder Arzt ist mit einem tragbaren Lederetui, welches die notbigen 
chemischen Reagentien zu einer vorläufigen Wasseruntersuchung enthalt, 
ausgerüstet; stets ist auch eine eingehende Besichtigung der Quellen 
vorzunehmen. Zwei Fahrzeuge zum Wasserdestilliren, von denen jedes 
täglich 150 Tons condensiren kann, sind in Suakin stationirt und liefern 
das Wasser für die Truppen soweit dies möglich ist. Die Mannschaften 
haben ihre Wasserflaschen mit kaltem Thee, mit einem Zusatz von Limonen- 


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353 


saft and Zucker zu füllen; alle Truppen erhalten Alaun als vorzügliches 
Mittel, das Wasser von suspendirten Verunreinigungen zu befreien; 0,4 g 
reinigen 4,5 1 Nilwasser in 10 bis 12 Stunden; Brackwasser ist möglichst 
nur zum Kochen zu benutzen; ausserdem hat jeder Soldat einen Taschen¬ 
filter resp. werden solche leicht mit Hülfe von reinem Sand und einem 
Stück Leinewand oder Flanell improvisirt; als vorzügliches Reinigungs¬ 
mittel von organischen Substanzen wird Holzkohle empfohlen. 

Die Feldration besteht aus 560 g Brot oder 450 g Zwieback, 560 g 
frischem oder 450 g präservirtem Fleisch, 340 g Kartoffeln oder frischem 
Gemüse, 9,5 g Thee, 9,5 g Kaffee, 64 g Zucker, 14 g Salz. Für gelegent¬ 
liche Abwechselungen mit Erbswurst, Marmelade u. s. w. ist Sorge ge¬ 
tragen. Wird praservirter Proviant ausgegeben, so hat eine tägliche 
Verausgabung von Limonensaft stattzufinden; auf alle Falle muss dies 
geschehen, wenn Kartoffeln oder frische Gemüse nicht geliefert werden. 
Aerztliche Stärkungsmittel sind in reicher Auswahl vorgesehen: Cham¬ 
pagner, Roth wein, Portwein, Cognac, Ale, Porter, Beefessenz, peptonisirter 
Cacao für Typhus- und Ruhrkranke, Geflügel u. s. w., selbst für Eis ist 


gesorgt. 

In Betreff der Gesundheitspflege bestimmt die Instruction zunächst, 
dass an Bord wie an Land Einrichtungen für die Behandlung von Infections- 
krankheiten zu treffen sind, wobei folgende Hauptregeln in Betracht 
kommen: Isolirung der Angesteckten, reichliche Vergrosserung der Grund¬ 
fläche für die übrigen Kranken und Wechsel der Oertlichkeit. Es folgen 
alsdann Bestimmungen über die Dichtigkeit der Belegung mit Truppen 
je nach der Grundfläche für die einzelnen Zelte. Die Latrinen sind stets 
in Lee und wenigstens 50—100 m, die Urinabzüge, in Form schmaler 
Graben, 20—25 m von den Zelten entfernt, Kochplätze mit Gräben für 
Abwässer an der entgegengesetzten Seite anzulegen. Zur Desinfection 
dient trockne Erde mit einem Desinfectionsmittel gemischt; die desinficirten 
Stühle von Typhus-, Cholera- und Ruhrkranken sind abgesondert in sicherer 
Entfernung zu vergraben; ebenso alle Abfallstoffe, sofern sie nicht ver¬ 
brannt werden können. Thierleichen sind auf der Leeseite von Sand- 
hügeln zu vergraben; ist hierzu keine Zeit, so hat dies wenigstens mit 
den Eingeweiden zu geschehen, während im Rumpf des Thieres mit Ge¬ 
strüpp ein Feuer anzuzünden ist. 

Die Bekleidung ist dem tropischen Klima entsprechend eingerichtet 
(Schleier, Nackenschleier, Staubbrillen u. s. w.). 

Nur stationäre Lazarethe gewähren Krankenbeköstigung, während 
die beweglichen Feldlazarethe durch die Feldration verpflegt werden. 
Den Krankentransport sichert zunächst ein zahlreiches Krankentransport¬ 
corps, beim Eisenbahntransport sind in die mit Heu oder Stroh bedeckten 
Fussboden der Güterwagen Latrinenlocber zu schneiden. Für systematische 
Evakuirung der Verwundeten ist ausreichend zu sorgen, „es ist sehr viel 
besser, die Gefahr eines frühzeitigen Transports, als die einer Ueber- 
häufung Verwundeter auf sich zu nehmen und ratbsamer, chirurgische 
Fälle zu vertheilen als sie zu vereinigen.“ Stets sind antiseptische Ver¬ 
bände anzulegen, mögen sie auch noch so roh und einfach sein. Für 
den Rücktransport Kranker und Verwundeter ist ein Transport-Etappen¬ 
system einzurichten. 

Aerztliche Untersuchungen der Truppentheile, die „natürlich 
keine Paraden oder reine Formalitäten sein dürfen“, sind so oft wie 
möglich, beim Auftreten einer Infectionskrankheit sogar täglich vorzu- 

24* 


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354 


nehmen. Wenn Truppen Ortschaften besetzt halten, so sind die Schnapsläden 
des Ortes za schliessen oder unter militärische Polizeiaufsicht zu stellen. 
Vor übermässiger Verabreichung von Arzneimitteln wird gewarnt, 
„je tüchtiger der Arzt ist, einer um so geringeren Zahl von Arzneimitteln 
wird er im Felde und an der Front zur wirksamen Behandlung Kranker 
und Verwundeter bedürfen“. 

Die nun folgenden Bemerkungen und Vorschriften über die 
Verwundetenpflege während des Gefechts sind so ausgezeichnet, 
dass wir sie der Hauptsache nach wörtlich folgen lassen. „Die Annahme, 
dass eine Nothwendigkeit oder die Möglichkeit vorläge, für einen Ver¬ 
wundeten im Feuer oder unmittelbar nach einem Gefecht viel zu thuu, 
beruht auf einem Irrthum, es sei denn, dass man ihm in dem, was 
dringend nothwendig ist, hilft und ihn vorsichtig nach einem Sicherheits¬ 
orte bringt, wo ihm die nöthige Zeit und Aufmerksamkeit zu Theil 
werden und weitere Schritte von einer eingehenden Untersuchung ab¬ 
hängig gemacht werden können. Schwere Blutungen zu stillen, die 
Folgen des Shocks abzuwenden, einen gebrochenen Knochen zu stützen, 
gehört natürlich zu diesem Nothwendigen. Auch ist es sehr wünschens¬ 
wert, den moralischen Effect eines ersten Verbandes zu sichern, der 
darin beRteht, dass man das Blut und die Verletzung dem Anblick 
des Verwundeten und seiner Kameraden entzieht. Perforirende Wanden 
am Rumpf sind diejenigen, welche vor allen Dingen die sofortige per¬ 
sönliche Besichtigung des Arztes beanspruchen. Die gegenwärtige 
Organisation ist wahrscheinlich die beste, weiche erdacht werden kann, 
um das Schlachtfeld schnell von den Verwundeten zu säubern, und für 
europäische Kriege, in denen Artillerie und Präcisionswaffen in Gebrauch 
sind, sind Krankenträger-Compagnien und Verbandstationen wesentlich 
zum Sammeln und Verbinden der Verwundeten und zu ihrer Vertheilang 
auf die verschiedenen Feldlazarethe. Unzweifelhaft ist es in hohem 
Grade wünschenswert, eine Gewehrschusswunde aseptisch zu erhalten, 
aber es wird allgemein angenommen, dass die Entblössung und Berührung 
derselben das Gegenteil zu bewirken geeignet sind, und das Anlegen 
eines ersten Verbandes ist, wie die Erfahrung lehrt, nicht allein eine 
überflüssige Thätigkeit — denn gewöhnlich ist er nur dazu da, um bei 
der ersten Verbandstation oder beim Feldlazareth wieder abgeschnitten 
zu werden — sondern er wird sich wahrscheinlich nicht selten auch als 
schädlich erweisen. Auch darf man nicht vergessen, dass die Natur 
Menschen und Thiere gewissermaassen mit einem ersten Verbände aus¬ 
gerüstet hat, welchen sie stets bei sich tragen, bereit, im Momente der 
Verwundung in Wirksamkeit zu treten, nämlich das Blut; — frisch- 
geronnenes Blut ist der beste aseptische Pfropf, der zum Verschluss 
einer Wunde angebracht werden kann. Die lebenden Gewebe und das 
normale, nicht durch verdorbene Flüssigkeiten oder Fäulnissproducte 
inflcirte Serum besitzen die Kraft, den Wirkungen und der Entwickelung 
der Bacterien zu widerstehen. Wenn diese Bemerkungen auf Thatsachen 
beruhen, so folgt, dass die Ausübung der Antiseptik in der Form eines 
ersten Verbandes im Kriege, welche durch das gelieferte Wundpäckcben 
bewirkt wird, wahrscheinlich einen beschränkteren Anwendungskreis hat, 
als man gewöhnlich annimmt.*) Die Art des ersten Verbandes ist eine 
Detailfrage, über die man noch nicht zu einer endgültigen Entscheidung 


*) Vergl. hierzu die Ausführungen Nimiers auf S. 291. 


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355 


gekommen so sein scheint. Es ist ganz klar, dass er die allerein fachst e 
Form haben muss, doch so, dass er antiseptische Wirkung hat. In der 
grossen Mehrzahl der Fälle ist Alles, was bei der ersten Hülfeleistung 
geschehen kann, temporärer and provisorischer Natur and sollte sich 
aaf einen Verschloss oder eine Bedeckung der Wände beschränken, wo¬ 
zu in Ermangelung von Anderem ein Stück Protective genügen kann, 
ferner auf eine passende Lagerung des verletzten Theils und in gewissen 
Fällen auf die Unbeweglichmachang desselben. Kurz v ein Verwundeter 
soll in der Regel so schnell und so schonend wie möglich zu einem 
Feldlazareth gebracht werden, wo die antiseptische Chirurgie und Ver¬ 
bandmethode kunstgemäss angewandt werden können, und hierfür ist das, 
was in den meisten Kriegen mangelhaft bleibt, erforderlich, nämlich der 
Transport. Die Principien der modernen Chirurgie sind: eine Wände, 
wenn möglich ganz und gar aseptisch zu erhalten; wenn dies nicht gelingt, 
sie antiseptisch zu machen, sie in einem Zustande physiologischer, d. i. 
absoluter Ruhe zu halten und den Abfluss zu sichern. Bei allen Kugel- 
Fleischwunden thue man nichts, sondire, berühre, wasche oder störe sie 
in keiner Weise, nur versuche man sie in denselben Zustand zu bringen, 
wie eine Wunde der subcutanen Chirurgie, z. B. bei der Tenotomie. Die 
Natur hat das Streben, dies provisorisch zu thon, indem sie sie mit ge¬ 
ronnenem Blute verschliesst. Selbst bei ausgedehnten Verletzungen eines 
Knochens oder anderer Theile,' namentlich eines Gelenks, ist es rathsam, 
möglichst wenig zu thun, ausser dass man die Wunde mit einem Anti- 
septicum bedeckt, für möglichste Unbeweglichkeit der Theile Sorge tragt 
and den Patienten nach dem nächsten Feldlazareth transportirt, wo alles 
Erforderliche überlegt und bestimmt und wirksam ahsgeführt werden 
kann. Seitlichen Halt kann man durch irgendwelche Schienen erreichen, 
die mit spiralförmig unterbrochenen Binden befestigt werden; jedoch 
sollten Schienen stets von einem Arzte oder wenigstens unter seiner per¬ 
sönlichen Leitung angelegt werden. Ist Sepsis und Eiterung eingetreten, 
so ist es schlimmer als blo &9 nutzlos, äusserlich einen antiseptischen Ver¬ 
band anzulegen und die Wunde und Höhle mit antiseptischen Polstern 
oder mit Gaze und wasserdichtem Stoff zu bedecken. Man muss zuvor 
den Eiter entleeren, die ganze Höhle mit einer antiseptischen Flüssigkeit 
sorgfältig auswaschen, ein weites Drainrohr, das sich nach abwärts öffnet, 
einfuhren und dann erst das antiseptische aufsaugende Polster auflegen 
and mit einem dreieckigen Tuche befestigen. Rollbinden sind in der 
Regel za vermeiden. Jede chirurgische Hülfeleistung oder jeder Verband, 
die nicht einen ganz bestimmten Zweck im Auge haben, sind unüberlegt, 
und das ist für das aseptische oder antiseptische Verfahren gefährlich.* 

Das ist ungefähr der Inhalt der für den ersten Verband gegebenen 
Directiven, von denen wir nur hoffen wollen, dass sie recht bald in 
succum et sanguinem aller Militärärzte übergehen möchten. 

Im Anschluss hieran wird empfohlen, stets ein gutes Taschenmesser 
ood eine kurze, starke Scheere bei sich zu führen, ausserdem Morphium 
io Pulvern und Lösung. Nach Entfernung der Kleider soll die Wunde 
irad die benachbarte Haut mit 5procentiger Carbollösung sorgfältig gereinigt, 
dann mit Jodoformpulver leicht bestreut, mit in Carbollösung getauchtem 
Protective bedeckt und, nachdem hierüber ein paar Lagen Rorlint gelegt, 
mit einer Gazebinde verschlossen werden. Für die stehenden Lazarethe 
wird die Irrigation als sehr wirksames Verfahren empfohlen. Bandagen, 
Gummistoff und Schwämme sind nach dem Gebrauch stets zu vernichten. 


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Ein Mann mit schlechtem Wnndheilongsprocess soll sofort verlegt werden. 
Die Aerzte haben aber alle wichtigen Fälle Krankenjonrnale za fahren. 
Gegen die Augenentzündung wird ausser den allgemein bekannten Maass- 
regeln das Bestäuben der Innenhaut der Augenlider mit einer Mischung 
von Jodoform und Arrowrootmebl im Verhältnis von Vs bis V* Jodoform 
empfohlen. 

Das für die Expedition zur Disposition gestellte Sanitätsmaterial 
war kurz folgendes: Bei jedem Infanterie- und Cavallerie-Regiment ein 
Arzt, ein Corporal, ein Gemeiner, ein Paar Feld-Medicinpackkörbe, ein 
Medicintornister mit Wasserflasche, eine Verband-Umhängetasche, ein 
Verbandzelt. Zwei Kranken träger-Compagnien, die eine mit Kranken¬ 
transportwagen, die andere mit Krankentragen ausgerüstet, sollen soviel 
wie möglich bei den Feldlazarethen verbleiben. 100 Lushai-Dandiea 
mit Trägern aus Indien sichern den ersten Krankentransport. 4 Feld- 
lazarethe, jedes zu 100 Betten, werden je eins jeder Brigade zugetbeilt. 
Ein stationäres Lazareth zu 200 Betten für die Etappenstrasse. Zwei 
Lazarethschiffe zu 200 Betten und ein Lazarethdepotschiff in Suakin. 
Ein Hauptlazareth zu 300 Betten an der Basis der Expedition. — Be¬ 
stimmungen über die Verwaltung der Lazarethe sowie allgemeine Be¬ 
merkungen über Ausrüstungsgegenstände, Rapportwesen etc. beschliessen 
diese Instructionen, deren Durchsicht gewiss jedem unbefangenen Leser 
die Ueberzeugung aufdrängt, dass die Engländer die bisherigen Erfahrungen 
der Kriegschirurgie und Militärhygiene sehr richtig aufgefasst und in 
rühmenswerther Fürsorge für ihre unter den schwierigsten Verhältnissen 
kämpfenden Truppen mustergiltig verwerthet haben. 

Goebel. 


Die Penjdeh-Seuche. Im St Petersburger Herold befindet sieh 
ein Referat über einen Vortrag, den ein russischer Arzt vor General 
Komaroff und den versammelten Offizieren der Garnison Askabad ge¬ 
halten hat über die sogenannte Penjdeh-Plage, eine Epidemie, welche 
nicht weniger als 90% der Truppen des Murghab-Detachements in der 
Zeit zwischen Januar und November vorigen Jahres befallen hatte. 

Die Krankheit besteht in einer Eruption von Beulen und Schwären 
über den ganzen Körper, welche, obwohl sie nicht besonders schmerzhaft 
sind und auch das Allgemeinbefinden nicht wesentlich alteriren, doch die 
grösste Mehrzahl der damit Behafteten unfähig machen, den activen 
örenzdiesst zu verrichten. Der betreffende Arzt war durch kaiserliche 
Ordre an Ort und Stelle gesandt und hatte die Krankheit mehrere Monate 
hindurch studirt Zuweilen traten bei einem Mann zwischen 40—90 Beulen 
successive auf, von denen jede 4—6 Monate bestehen blieb. Der Arzt 
fertigte zum Studium der Krankheit in allen Stadien ihrer Entwickelung 
bemalte Gypsabgüsse an. Die Ursache der Krankheit schreibt er einer 
Bacterien-Art zu, die in der Luft des Murghab-Thales sehr verbreitet 
Ist, dieselben werden mit Nebel und Sand zusammen leicht dnrch die 
Sommerkleidang hindurchgeblasen und durchdringen die Haut. Der 
Mikrococcus stammt aus dem Murghab-Wasser, von dem ein Tropfen 
mehrere Millionen dieser Organismen bergen soll. Eine Reihe von Todes¬ 
fällen haben sich nach dem Genuss des Wassers dieses Bachs ereignet 
und wurden ausschliesslich diesem Genuss zugeschrieben. Dreizehn¬ 
hundert Krankheitsfälle wurden analysirt und durch Impfung auf ver- 


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357 — 


achiedene Thiere ganz ähnliche Beulen erzengt. Der Vortragende ent¬ 
wickelt die Mittel and Wege, am in Zukunft das Observations-Corps an 
der Afghanischen Grenze vor der Krankheit zu schützen, bespricht die 
milderen Heilmittel und empfiehlt, wenn rasche Heilung nothwendig ist, 
die Cauterisation. 

(Brit. med. Journ. May 8. 1886.) B—r. 


Jahresbericht über die Fortschritte in der Lehre von den pathogenen 
Mikroorganismen, umfassend Bacterien, Pilze und Protozoen. 
Von Dr. med. P. Baum garten, Prof, an der Universität Königsberg. 
Erster Jahrgang 1885. Mit 2 Holzschnitten und einer lithographirten 
Tafel. Braunschweig, Leopold Bruhn, Verlagsbuchhandlung für 
Naturwissenschaft und Medicin 1886. — 

Baumgarten hat mit seinem Jahresbericht einen sehr glücklichen 
Griff gethan, welcher den Dank und die Anerkennung der Fachgenossen 
im höchsten Maasse verdient Der Name des Autors allein, als der eines 
erfahrenen pathologischen Anatomen und Mikroskopikera, genügt, um für 
die Gründlichkeit und Sachgemässheit der Arbeit zu bürgen. 

Der Bericht bringt zum ersten Male in gedrängter Kürze eine Ueber- 
aicht über die sämmtlichen letztjährigen Leistungen des In- und Auslandes 
auf dem Gebiete der die Pathologie interessirenden niederen Mikro¬ 
organismen. Der wesentliche Inhalt der einschläglichen bacteriologischen 
Arbeiten wird treu und gewissenhaft wiedergegeben. Als ein ganz be¬ 
sonderer Vorzug des Berichts sind die dem Referate an zahlreichen 
Stehen beigefügten kritischen Bemerkungen (im Ganzen 190) hervor- 
zoheben. Ein Beispiel möge als Belag hierfür dienen. Auf Seite 110 
wird eine Arbeit des berüchtigten Ferran („Ueber die Morphologie des 
Kommabacillus“), dessen Cholera-Schutzimpfungen seiner Zeit so viel un¬ 
nützen Staub aufgewirbelt haben, mit folgenden kurzen Worten abgetban: 

„Die Angaben Ferran’s mussten von vornherein wegen der man¬ 
gelnden Analogie mit den bisher über die Form ent wickelungsgescb ich te 
von Bacillen, Vibrionen und Spirillen festgestellten Thatsachen, und 
wegen der Unzuverlässigkeit der angewandten Ünterauchungsmethode die 
erheblichsten Zweifel erregen. Die Controluntersuchungen von Rapt- 
schewski, v. Ermen gern , Koch u. A. (siehe später) haben die Hin¬ 
fälligkeit der Deutungen, welche Ferran seinen Beobachtungen gegeben, 
dargethan.“ 

In ähnlicher Art, bald ergänzend, bald einschränkend bezw. berich¬ 
tigend, sind alle übrigen Bemerkungen gehalten. 

Dem Specialisten wird es durch eine übersichtliche Inhaltsangabe 
(Autoren-, Sachregister) des Berichts wesentlich erleichtert, aus der grossen 
Zahl der Originalarbeiten die ihm vorzüglich wichtigen ohne Zeitverlust 
aoszowählen. Vor Allem aber ist nunmehr dem praktischen Arzt 
Gelegenheit gegeben, die Entwickelung dieses neuen medicinischen 
Forschungsgebiets zu verfolgen und sich auf der Höhe der Wissenschaft 
zq erhalten. 

Mögen dem verdienstvollen Unternehmen durch eine rege Betheiligung 
der Fachgenossen sein Bestehen und sein regelrechter Fortgang gesichert 
»ein! — _ Pfuhl (Hamburg). 


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358 


Erinnerungen an die Weltausstellung in Antwerpen. Wett¬ 
bewerb um den von Ihrer Majestät der Kaiserin von Deutsch¬ 
land ausgesetzten Preis von 5000 Francs für das beste trans¬ 
portable Baracken-La zareth. Von einem Mitglieds der inter¬ 
nationalen Jury. Centralblatt für allgemeine Gesundheitspflege, 5. Jahrg. 
4. und 5. Heft. 

Die für die Benutzung im Kriegsfall oder bei grosseren Epidemien 
gedachten Baracken sollten folgenden Anforderungen entsprechen: 1) die¬ 
selben müssen sich leicht abbrechen lassen, 2) sie müssen ebenso leicht 
auf Feld wagen wie auf der Eisenbahn von einem Orte zum andern zu 
transportiren sein und 3) man muss im Stande sein, sie in kürzester Zeit 
aufzubauen und zur Aufnahme von Kranken und Verwundeten einzu¬ 
richten. Ihre einzelnen Theile müssen dabei fest genug zusammengefügt 
sein, um allen Unbilden der Witterung, namentlich der Gewalt des 
Windes, Widerstand leisten zu können. 

Ausserdem wurde gewünscht, dass das angewandte Material un¬ 
durchdringlich gegen den Regen und möglichst auch unverbrennlich sein 
solle. Das Aufbauen und Abbrechen der Baracke solle keine besonders 
geschulten Arbeiter voraussetzen, sie solle deshalb auch aus gleichartigen, 
nach möglichst wenig Typen construirten Stücken bestehen, die sich leicht 
aneinanderfügen lassen, und endlich wurde ein möglichst geringes Gewicht 
und ein niedriger Preis zur Bedingung gemacht. 

Es waren ca. 60 Aussteller erschienen, von denen indessen mehrere 
(Ungarns Rothes Kreuz) auf die Theil nähme am Wettbewerb verzichteten. 
Modelle und Zeichnungen wogen vor, unter den mehr oder weniger aus¬ 
geführten Baulichkeiten war eine einzige vollständig als Feldlazarett] 
eingerichtet — die von William M. Ducker aus Brooklyn. 

Die internationale Jury hat geglaubt, den 1. Preis dem System 
Doecker ertheilen zu müssen, das wir hier wohl als bekannt voraus¬ 
setzen dürfen, nachdem es probeweise in mehreren unserer Militär- 
Lazarethe den Sommer und Winter hindurch belegt war und auf der 
Berliner Hygiene-Ausstellung zur allgemeinen Ansicht ausgestellt war. 
Der Preis einer Baracke für 12 Betten mit 2 Oefen betrug 5200--5600 Frcs. 
und sie wog 3387 Kilo. 

Der ungenannte Verfasser der vorliegenden Arbeit sagt: „Obgleich 
die verschiedenen Vorzüge der prämiirten Baracke sofort ins Auge fallen, 
wurde die Mehrzahl der Besucher der Ausstellung durch die Entscheidung der 
Jury überrascht; auch in den Kreisen der Sachverständigen hatte mau viel¬ 
fach dem Feldlazareth William M Ducker’s aus Brooklyn den Vor¬ 
zug eingeräumt.“ 

Dies letztere besteht aus Rahmen von Holz, die mit wasserdichtem, 
zugleich feuerfestem, hier aber (im Gegensatz zu Doecker’s grauem 
Ueberzug) weissem Stoffe, aus zwei Lagen Segeltuch, dazwischen Filz, 
überzogen sind. Je zwei Rahmen sind durch dauerhafte Charniere zu 
einer Section verbunden, welche zugleich die unentbehrlichste Einrichtung 
des Krankenraumes (Bett, Tisch, Klappstuhl, Rückenkissen) enthält Die 
genannten Theile lassen sich gegen die innere Füllung der einzelnen 
Rahmen aufklappen und zwar Tisch und Stuhl an den Rahmen, in 
welchem sich das mit einer Jalousie verschliessbare Fenster befindet, an 
den anderen das Bett, hinter dem eine unzerbrechliche Schiefertafel mit 
Stift angebracht ist Die Charniere gestatten, dass die Rahmen einer 
solchen Section zusammengeklappt werden, wie die beiden Deckel eines 




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Buches; auf die Art entsteht ein solides, leicht transportables Gepäckstück 
— ein Stück der Barackenwand zugleich mit dem entsprechenden Theile 
der inneren Ausstattung. Besonders hervorgehoben muss noch werden, 
dass sich die Rahmen (im Gegensatz zu Doecker) auch auf unebenem 
Boden sofort horizontal aufstellen lassen, da man ihre Füsse dauerhaft 
and schnell beliebig verlängern kann. — 

Das ganze William Ducker’sche Gebäude besteht aus ebensovielen 
vollkommen gleichen Sectionen, wie es Kranke aufnehmen soll. Die 
Länge des ganzen für 12 Kranke berechneten Raumes beträgt 10,6 m. 
Das Dach besteht am First aus einem resp. mehreren aneinandergefugten 
Längsstücken und aus genau abgepassten, vollständig gleichen Sparren, 
die sich leicht einfügen lassen und auf denen die Decke aus Segeltuch 
ruht Die Baracke kann durch Einfügung weiterer Sectionen und gleich¬ 
zeitiger Vermehrung der Dachsparren beliebig vergrossert werden. An 
die Giebelseiten stosst ein Raum für die Heizung und für die Abtritte. 

Zwei Personen können angeblich die Baracke in der Zeit von 
l’/i Stunden aufschlagen und in kürzerer Zeit abbrechen und verladen; 
besondere Kästen für die Verladung sind nicht nöthig. Das Gesammt- 
gewicht der Baracke mit Einrichtung beträgt heute, nachdem Ducker 
nachträglich noch Verbesserungen angebracht hat, 2800 Pfund, der Preis 
1750 Francs. 

Die Mitglieder der Jury, deren Namen — wie der ungenannte Ver¬ 
fasser hervorbebt — volle Unparteilichkeit bei der Beurtheilung gewähr¬ 
leisten, haben dem amerikanischen Feld-Lazareth, System Ducker, bei 
allen seinen Vorzügen nur die silberne Medaille zuerkannt Die Arbeit 
lasst zur Genüge erkennen, dass das ungenannte Jury-Mitglied den 
Majoritätsbeschluss nicht theilt, sondern mit den vorliegenden Zeilen ein 
Separat-Votum abgiebt 

Am Schluss des Artikels werden noch kurz besprochen das mit der 
goldenen Medaille ausgezeichnete System Tollet, die vom französischen 
Kriegsministerium angenommene Ambulance; ferner das System Emerich 
v. Jvänka (Ungarisches Rothes Kreuz) und die Baracke von Putzey. — 

Am Schluss präcisirt Verfasser die Forderungen, welche nach seiner 
Ansicht an die beste derartige Baracke gestellt werden müssen, sie 
werden nach seiner Ansicht sämmtlich von dem amerikanischen System 
Ducker und zwar von diesem allein erfüllt. 

Gewiss bleibt es jedem Jury-Mitglied unbenommen, eine von dem 
Majoritäts-Votum abweichende Ansicht vor die Oeffentlicbkeit zu bringen 
und mit Gründen zu vertretenf — das hat der ungenannte Verfasser in 
sacbgemässer Weise gethan — aber wozu die Anonymität, wir gestehen 
offen, dass das System Ducker uns sympathischer geworden wäre, wenn 
ein bekannter und nicht ein im Dunkeln bleibender Sachverständiger es 
uns empfohlen hätte. B—r. 


Die acute Neurasthenie, die plötzliche Erschöpfung der 
nervösen Energie. Ein ärztliches Culturbild von Dr. med. Averbeck, 
dirig. Arzt und Besitzer von Heilanstalt und Bad Laubach a. Rh. 
Sonder»Abdruck aus „Deutsche Medicinal-Zeitung“. Berlin 1886. Verlag 
von Eugen Grosser. 57 Seiten. 

Nachdem Verfasser die acute Neurasthenie als eine functionelle 
Storung des Centralnervensystems ohne pathologisch-anatomisch nach- 


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weisbare Veränderung bezeichnet hat, bespricht er als Ursachen dieser 
Erkrankung den Gebrauch und Missbrauch der Reiz- und Genussmittel, 
preist den Vegetarianismus sowie die militärische Erziehung als mächtige 
Schutz waffen gegen die acute Neurasthenie, welche er in die acute 
Cerebrasthenie, die Erschöpfung der nervösen Energie des Gehirns, die 
acute Myelasthenie, die plötzliche Erschöpfung der nervösen Energie des 
Rückenmarks, die acute Sympathicoasthenie, die acute Erschöpfung der 
nervösen Centren des sympathischen Nervensystems und in die allgemeine 
acute Neurasthenie, die sich mehr oder weniger über das gesammte 
Centralnervensystem erstreckende Erschöpfung der vitalen Energie, ein- 
t heilt. Nach Besprechung der Diagnose und der Folgen der acnten 
Neurasthenie wendet sich Verfasser zu der Prophylaxe, welche er haupt¬ 
sächlich io dem Vegetarianismus, verbesserter körperlicher Erziehung der 
Jugend sowie in der Gründung einer Gesellschaft „Gesundheit sieht, 
welch letztere es jedem körperlich-geistig arbeitenden Culturmenschen 
ermöglichen soll, alle drei oder fünf Jahre einen Kurort, eine Sommer¬ 
frische oder einen Landaufenthalt für die Dauer von drei bis acht Wochen 
zu besuchen. Die Behandlung der acuten Neurasthenie soll in der 
Regelung der Diät und des hygienischen Verhaltens, einer streng iodivi- 
dualisirenden Kaltwasserkur, der Heilgymnastik und der Massage be¬ 
stehen. 

Durch das ganze Buch, das weniger eine mediciniscbe Studie als — 
was es auch sein wollte — ein Culturbild vom ärztlichen Standpunkte 
aus ist, zieht sich eine neurasthenisch*pessimistische Stimmung; sicherlich 
aber bat sich Verfasser in seiner Hoffnung, dass seine Betrachtungen, 
wenn nicht immer die Zustimmung, so doch das Interesse der Collegen 
erregen werden, nicht getäuscht. GoebeL 


Real-Encyclopädie der gesammten Heilkunde. Medicinisch- 
chirurgisches Handwörterbuch für praktische Aerzte. Unter Mitwirkung 
zahlreicher Gelehrter herausgegeben von A. Eulenburg. Verlag von 
Urban u. Schwarzenberg. 

Im 14. Jahrgang (1885) dieser Zeitschrift haben wir Seite 39 auf 
das Erscheinen der zweiten Auflage dieses hochbedeutsamen Werkes 
hingewiesen und Seite 604 von dem raschen Fortschreiten der Veröffentr 
lichnng unseren Lesern Kenntniss gegeben. Jetzt liegt mit der 50. Lieferung 
der fünfte Band vollendet vor; ausser sehr zahlreichen kleineren Arbeiten 
finden wir in dem Bande eine stattliche Reihe vortrefflicher Original- 
Artikel; so lasen wir mit grösstem Interesse die Artikel über Decubitus 
(Küster), Delirium (Mendel), Desinfection (Wernich), Diabetes melli¬ 
tus (Ewald), Digitalis (Schulz-Greifswald), Dyspnoe (Landocs) etc. 

Redaction und Verlagshandlung wetteifern, um das Werk zu ver¬ 
vollständigen und zu verbessern. 

Der leichteren Anschaffung wegen ist das Werk auch in Lieferungen 
zum Preise von M. 1,50 zu beziehen. B—r. 


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Unter den im Mai zur Besprechung eingegangenen Werken befindet 
sich die 2. gänzlich umgearbeitete Auflage von G. Morache’s Traite 
d’Hygifene militaire. Die Zeitschrift wird in einer der nächsten 
Nummern eine ausführliche Analyse dieses ausgezeichneten Werkes 
bringen. Eine frühere Fertigstellung hat sich bei dem Umfange desselben 
and der dienstlichen Inanspruchnahme unseres Herrn Referenten nicht 
ermöglichen lassen. 


fflittheilnngeii. 


General-Rapport 

von den Kranken der Königlich Preussischen Armee, des XII. (Königlich 
Sächsischen) und des XIII. (Königlich Württembergischen) Armee-Corps, 
sowie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich Bayerischen 
Besatzungs-Brigade pro Monat März 1886. 

1) Bestand am 28. Februar 1886: 15 662 Mann und 51 Invaliden 

2) Zogang: 

im Lazareth 13 134 Mann und 1 Invalide, 

im Revier 24 352 - - 8 _ 

Summ a 37 486 Mann und 9 Invaliden. 

Mithin Summa des Bestandes und Zuganges 53 148 Mann und 60 Invaliden, 
in Procenten der Effectivstärke 13,7% und 21,4%. 

3) Abgang: 


geheilt. 

38 256 Mann, 5 Invaliden, 

gestorben .... 

112 - 2 

invalide. 

207 - — 

dienstunbrauchbar . 

389 - — 

anderweitig . . . 

346 - — - 

Summa . . 

39 310 Mann, 7 Invaliden. 


4) Hiernach sind: 

geheilt 72,0% der Kranken der Armee und 8,3% der erkrankten In¬ 
validen, 

gestorben 0,21% der Kranken der Armee und 3,3% der erkrankten In¬ 
validen. 

5) Mithin Bestand: 

im 31. März 1886 13 838 Mann und 53 Invaliden, 

in Procenten der Effectivstärke 3,6% und 18,9%. 

Von diesem Eirankenstande befanden sich: 

im Lazareth 9444 Mann und 6 Invaliden, 
im Revier 4 394 - - 47 

Es sind also von 475 Kranken 341,9 geheilt, 1,0 gestorben, 1,9 als 
invalide, 3,5 als dienstunbrauchbar, 3,0 anderweitig abgegangen, 123,7 im 
Bestand geblieben. 


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Von den Gestorbenen der activen Truppen haben gelitten an: Masern 1, 
Rose 2, Blutvergiftung 1, Unterleibstyphus 9, epidemischer Genickstarre 2, 
Blutarmuth 1, bösartigen Geschwülsten 1, Hirn- und Hirnhautleiden 7, 
Rückenmarksleiden 2, Lungenentzündung 39, Lungenschwindsucht 23, 
Brustfellentzündung 6, Herzleiden 1, Lymphgefäss Vereiterung 1, Leber¬ 
leiden 1, Bauchfellentzündung 6, Nierenleiden 3, constitutioneller 
Syphilis 2, Zellgewebsentzündung 1, Knochenmarkentzündung 1; an den 
Folgen einer Verunglückung: Hufschlag 1; an den Folgen eines Selbst¬ 
mordversuches: Vergiftung 1. Von den Invaliden: Blasencatarrh 1, 
Altersschwache 1. 

Mit Hinzurechnung der nicht in militärär Etlicher Behandlung Ver¬ 
storbenen sind in der Armee im Ganzen noch 21 Todesfälle vorgekommen, 
davon 3 durch Krankheiten, 3 durch Verunglückung, 15 durch Selbst¬ 
mord; von den Invaliden: durch Krankheit 1; so dass die Armee im 
Ganzen 133 Mann und 3 Invaliden durch den Tod verloren hat. 

Nachträglich: 

pro November 1885: 

1 Verunglückung durch Ertrinken; 

pro December 1885: 

1 Selbstmord durch Ertranken. 


Jahresessen des Königlich Sächsischen Sanitäts- 
Offiziercorps. 

Am 2. Juni a. c. Nachmittags 5 Uhr fand in den Räumen des 
Königlichen Belvedere der Brühl’schen Terrasse zu Dresden das Jahres¬ 
essen des Königlich Sächsischen Sani täte-Offiziercorps statt. Zahlreiche 
Gäste vom Offiziercorps wie vom Civil, ferner eine Deputation Königlich 
preussischer Sanitäts-Offiziere unter Führung des Oberstabsarztes 1. CI. 
Dr. Gras nick Namens der Militärärztlichen Gesellschaft zu Berlin und 
zwei Sanitäts-Offiziere aus Görlitz beehrten das Fest mit ihrer Gegenwart, 
welches in der gehobensten Stimmung verlief. 

Nachdem das begeisterte Hoch auf Se. Majestät den Kaiser und Se. 
Majestät den König verklungen war, begrüsste Generalarzt 1. CI. Prof. 
Dr. Roth die Gäste, von denen Se. Excellenz Generallieutenant v. Funke 
Namens der Offiziere, Oberstabsarzt 1. CI. Dr. Gras nick Namens der 
preussischen Sanitäts-Offfziere, Hofrath Dr. Stelzner Namens des Stadt- 
Krankenhauses zu Dresden und Geheimer Medicinalrath Prof. Schmidt 
Namens der Universität Leipzig erwiderten. Den Worten des Oberstaba¬ 
arztes 1. CI. Dr. Ziegler, der die zahlreich erschienenen Sanitäts-Offiziere 
der Reserve begrüsste, antwortete Stabsarzt der Reserve Dr. Ritter. — 
Am darauffolgenden Tage fand die Besichtigung der Casernen sowie des 
Garnisonlazareths seitens der preussischen Cameraden statt, worauf ein 
kleines Essen im Sanitäts - Offiziercasino des Garnisonlazareths einen 
heiteren Nachklang zu dem Feste bildete. 


Den rangältesten Sanitäts-Offizieren der verschiedenen Regimenter, 
militärischer Anstalten etc. ist zur Mittheilung an die unterstellten Aerzte 
das folgende Schreiben zugegangen: 


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Seine Excellenz der Herr Generalstabsarzt der Armee ist za seinem 
lebhaften Bedanern wahrend des Tagens der Naturforscher- etc. Ver¬ 
sammlung von Berlin ferngehalten und somit verhindert, sich an den 
Verhandlungen derselben zu betheiligen. 

Aus diesem Grunde haben unter dem Vorsitz d6s Herrn General- 
Stabsarztes die Unterzeichneten sich zusammengethan, zunächst um die 
einleitenden Schritte für die Bildung einer militärärztlichen Section der 
Naturforscher-Versammlung zu veranlassen, welche ihre Sitzungen natur- 
und sachgemäss in den hierzu besonders geeigneten Räumen des medi- 
cinisch-chirurgischen Friedrich-Wilhelms-Instituts — Friedrichstr. 140 — 
abhalten wird. 

Wir wenden uns somit an die Herren Sanitäts-Offiziere und besonders 
an Euer Hochwohlgeboren, dass Sie in freundlicher Weise unsere Bestre¬ 
bungen namentlich durch Ihr eigenes .Erscheinen und das möglichst 
zahlreiche auch der übrigen Militärärzte — soweit es die dienstlichen 
Interessen gestatten — zu fördern suchen, und beehren uns Euer Hoch¬ 
wohlgeboren zu diesem Zwecke . . . Abdrucke dieser Einladung zur ge¬ 
eigneten Vertheilung in Ihrem Corpsbereich hiermit zur Verfügung zu 
stellen. 

Zur Annahme von Anmeldungen zu Vorträgen für die Sitzungstage 
bis spätestens zum 1. August a. c. wird gern jeder der Unterzeichneten, 
in erster Reihe aber der Schriftführer, der auch zur Ertheilung weiterer 
Auskunft stets bereit ist, zur Verfügung stehen. 

Berlin, den 20. Mai 1886. 


Dr. Wegner, Dr. v. Stuckrad, Dr. Schubert, 

Generalarzt 1. CI, Generalarzt 1. CI., Generalarzt 1. CL, 
NW. Dorotheenstr. 50. W.KöniginAugustastr.34. NW. Friedrichstr. 141. 

Dr. v. Coler, Dr. Wenzel, 

Generalarzt 1. CI., W. Matthäikirch- Generalarzt 1. CI., SW. Schelling- 


strasse 4. 


Strasse 13. 


Dr. Bardeleben, 
Generalarzt 1. CI. ä 1. s. des Sanitäts- 
Corps, W. Potsdamerstr. 118 b. 

Dr. Grasnick, 

Oberstabsarzt 1. CJ., SW. Ritter¬ 
strasse 77/78. 


Dr. v. Bergmann, 
Generalarzt 1. CI. ä 1. s. des . 

Corps, NW. Kronprinzen-Ufer 11. 


Dr. Am ende, 
Stabsarzt, als Schriftführer, 
NW. Friedrichstr. 140. 


Oedtockt in der Königlichen Hofbuchdruckerei van E. S. Mittler and Sohn, Berlin SW., Kochstrsue 68 - 70. 


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Deutsche 


Militärärztliche Zeitschrift. 


Redaction: 

Dr. 3t. St* tfoft, Generalarzt, 

Berlin, Taubenstrasse 6. 


Verlag: 

f. §. pttffet ft £*$«, 

Königliche Hofbuchhandlung, 
Berlin, Kochstrasse 68—70. 


Monatlich erscheint ein Heft von mindestens 3 Druckbogen; dazu ein „Amtliches Beiblatt* 4 . Der 
Zeitschrift wird das Werk: „Jahresbericht über die Fortschritte auf dem Gebiete des Milit&r- 
Sanitlto-Wesens**, heraasgegeben vom Generalarzt Dr. Both, unentgeltlich beigegeben. Bestellung 
nehmen alle Postämter und Buchhandlungen an. Preis, des Jahrgangs 1& Mark. 

XV. Jahrgang. 1886. Heft 8. 


Zum Gedächtnis» Bruberger’s. 


Durch die Anzeige im Juliheft ist den Lesern der Zeitschrift Knnde 
von dem erschütternden Ende des Mitredactenrs derselben, Stabsarztes 
Br. Max Brnberger geworden. Seine litterarische Wirksamkeit hat 
ibn mit vielen Menschen in Berührung gebracht, so dass er sowohl dem 
Namen wie der Person nach in weiteren Kreisen bekannt und werth 
geworden ist. Da ist es denn am Platze, einen Rückblick auf dieses 
reiche, vorzeitig abgeschnittene Leben zu werfen. Der Unterzeichnete 
erfüllt damit in tiefer Wehmnth gleichzeitig den letzten Liebesdienst, den 
er den Manen des heim gegangenen theuren Freundes weihen kann. 

B. werde am 15. April 1844 zu Neisse geboren, wo sein Vater als 
Oberstabs- und Regimentsarzt stand. Nach Absolvirung des Gymnasiums 
seiner Vaterstadt trat er am 1. October 1863 als Studirender in das 
Friedrich-Wilhelms-Institut, dem er bis 1867 angehorte. Ans dieser Zeit 
stammt das freundschaftliche Verhältnis, welches den Verblichenen 
dauernd mit einem kleinen Kreise der Studiengenossen verband, dem 
unter Anderen auch der 1884 abbernfene Paul Sachse angehorte. Schon 
in der Studienzeit fand B. Gelegenheit zn praktischer ßethätigung seines 
wissenschaftlichen Eifers, als im Kriegsjahre 1866 die Cholera in Berlin 
herrschte. Er war damals in einem Choleralazareth unter Goltdammer’s 
Leitung eifrig bemüht zn helfen und sein Wissen zn erweitern. Eine 
pathologisch-anatomische Studie, die in Vircbow’s Archiv veröffentlicht 

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wurde, war die Frucht dieser Arbeitszeit. Vom 1. October 1867 bis 
dahin 1868 genügte er als Charite Unterarzt seiner einjährigen Dienst¬ 
pflicht Am 1. October 1868 wurde er, inzwischen promovirt, zum 
Unterarzt im Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiment ernannt, bald danach 
unter Beauftragung mit Wahrnehmung einer vacanten Assistenzarztstelle 
zum. Garde-FÜ8ilier-Regiment versetzt. Am 1. März 1869 schloss er das 
Staatsexamen mit der Note „Sehr gut tt ; am 22. Mai wurde er zum 
Assistenzarzt im Hohenzollernschen Füsilier-Regiment No. 40 befördert 
Während des Feldzuges 1870/71 gehörte er bis zum 15. October 1870 
dem 3. Sanitäts-Detachement VIII. Armeecorps an, mit welchem er am 
16. August bei Gorze und am 18. bei Gravelotte thätig war. Die fernere 
Zeit des mobilen Verhältnisses fand ihn beim 9. Feldlazareth desselben 
Corps. Unterm 26. März 1871 wurde ihm das wohlverdiente Eiserne 
Kreuz 2. CI. a. w. B. verliehen. Nur kurze Zeit noch seiner Garnison 
Cöln angehörend, und ganz vorübergehend (vom 27. Januar bis 18. Juni 1872) 
bei der in Lippstadt detachirten Escadron des 1. Westfäl. Husaren-Regiments 
No. 8 in Dienst, ward er am letztgenannten Tage zum 2. Garde-Feld- 
Artillerie-Regiment nach Berlin versetzt und trat noch in demselben Jahre 
als Assistent beim Augusta-Hospital ein. Die innere Abtheilung des 
Krankenhauses leitete damals Oberstabsarzt Prof. Fraentzel, die chirur¬ 
gische der noch jetzt in derselben Stellung befindliche Prof. Kuester. 
Bei beiden hatte B. Gelegenheit zur Fortbildung, wie sie nicht oft geboten 
wird. In erster Linie zog ihn jedoch die chirurgische Thätigkeit an. 
Dieselbe bot zu jener Zeit ein besonderes Interesse durch die allmälig den 
deutschen Verhältnissen sich anpassende antiseptische Wundbehandlung, 
für deren Uebertragung auf Feldverhältnisse die Studien damals begannen. 
B. widmete sich dem Studium dieser Frage, die sein lebhaftes Interesse 
bis zum Ende seines Lebens fesselte, mit grösstem Eifer. Unterzeichneter 
hat Ende 1872 während eines längeren Urlaubes täglich im Augusta- 
Hospital verkehrt und aus des Freundes Erfahrungen manche Anregung 
geschöpft. 

1876 wurde B. zum Stabsarzt am Friedrich-Wilhelms-Institut be¬ 
fördert. In demselben Jahre trat er in die Redaction der Zeitschrift ein. 
Bald darauf fand er Gelegenheit, die früher erworbene chirurgische 
Ausbildung unter den grossartigen Verhältnissen des Russisch-Rumänisch- 
Türkischen Krieges zu erproben. Er wurde der preussischen militär- 
ärztlichen Mission beigegeben, welche vom 1. October . 1877 bis Ende 
Januar 1878 in Rumänischen Kriegslazarethen thätig war. Wie sehr 
sich B. hier, und zwar besonders in Bukarest, der Anerkennung, selbst 


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der Allerhöchsten Kreise za erfreuen hatte, zeigen ausser den Auszeich¬ 
nungen des Offizier - Kreuzes des Stern b Ton Rumänien mit Schwertern 
und des Donankreuzes die zahlreichen Briefe, Bilder und sonstigen 
Erinnerungszeichen, welche er zum Andenken an diese bewegte Zeit 
aufbewahrte. Die wissenschaftliche Frucht derselben war sein ent¬ 
schiedenes Eintreten in Wort und Schrift für die Antiseptik im Felde, 
deren Durchführbarkeit in diesem Kriege endgültig bewiesen war. B.’s 
letxte Arbeit im Juliheft der Zeitschrift war diesem Gegenstände gewidmet, 
nachdem er noch die Freude erlebt hatte, in der neuen Beilage 5 zur 
Kriegs - Sanitätsordnung die antiseptische Wundbehandlung bei den 
Deutschen Feldsanitätsformationen obligatorisch gemacht zu sehen. Nach 
der Rückkehr aus Rumänien wurde B. mit dem Rothen Adler-Orden 
4. CL decorirt 

Höhere Weihe gab seinem Wirken der Sommer 1878, indem er nach 
dem Juni-Attentat als Assistent des Leibarztes, jetzigen General-Stabsarztes 
Dr. y. Lauer zur Dienstleistung bei unserem schwer verletzten Herrn 
und Kaiser berufen wurde. Wie er hier mit Hingebung und Erfolg 
thätig gewesen und wie er es verstanden hat, sich die Allerhöchste Zu¬ 
friedenheit zu erwerben, zeigte ihm die bei der Rückkehr Sr. Majestät im 
December 1878 erfolgte unmittelbare Zustellung des Kronen-Ordens 3. CI., 
den ein Stabsarzt im Frieden bisher nicht erhalten hat. Mehr jedoch, als 
die äussere Auszeichnung, hob ihn das stolze Bewusstsein, zu den Wenigen 
gehört zu haben, die damals auserwählt waren, dem Hohen Leidenden 
ihren Beistand zu gewähren. 

Noch in anderer Hinsicht war ihm das Jahr 1878 ein glückliches. 
Denn da knüpfte ihm die Liebe das Band, welches seither immer fester 
werdend durch Freude und schwere Prüfungen gehalten hat, bis der Tod 
es zerriss. B. verlobte sich im Herbst mit seiner, heute tiefgebeugt ihn 
überlebenden Gattin. Frisch und lebendig, wie er damals war, konnte 
diese Verbindung, die ihn in einen grossen, vielseitig anregenden Familien¬ 
kreis führte, nur fordernd auf ihn wirken. Der erste Schatten fiel auf 
sein Dasein, als e* gleich nach der Verlobung in Eisenach unter Erschei¬ 
nungen schwer erkrankte, die als Ileus betrachtet, von dem Eisenacher 
Arzt jedoch bereits auf ein Nierenleiden bezogen wurden. 

Im März 1879 führte B. die Braut heim. Im Herbst desselben Jahres 
wurde er zum Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiment versetzt, dem er 
bis zuletzt angehorte. Seitdem theilte er sein Leben zwischen dem Dienst, 
den Redactionsgeschäften, der Familie und — leider — seiner Krankheit. 

Aus der dienstlichen Thätigkeit eines Stabsarztes ist nicht viel her- 

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vorzuheben. Die Einzelheiten einer solchen sind den Lesern der Zeitschrift 
bekannt B. that schlicht und recht seine Pflicht und erfreute sich im 
Truppentheil wie im Lazar,eth des vollen Vertrauens seiner Pflegebefoh¬ 
lenen. Namentlich wurde er als ordinirender Arzt der chirurgischen Station 
im Garnisonlazareth zu Tempelhof von den assistirenden Aerzten, wie vom 
Unterpersonal als ein ebenso belehrender wie liebenswürdiger Vorgesetzter 
geschätzt. Noch im laufenden Sommer versah er den Dienst auf dieser 
Station, und war daselbst noch thätig, als bereits Schüttelfröste und Fieber¬ 
schauer seine letzte Leidenszeit bedrohlich einleiteten. 

. Was er als Redacteur der Zeitschrift geleistet, wird durch die letzten 
10 Jahrgange derselben ausreichend dargethan. Und zwar besonders, 
wenn man berücksichtigt, dass ihm die Geschäftsführung in der Redaction 
wahrend der letzten fünf Jahre fast allein zufiel. Nicht jedoch ist aus 
den Banden zu ersehen, welche Summe von persönlicher wie materieller 
Uneigennützigkeit er diesem Amt entgegenbrachte. Kleinere Leiden sind 
mit jeder derartigen Thatigkeit verbunden; sie steigern sich, wenn, wie hier, 
nur ein verhaltnissmassig kleiner Leserkreis ein Journal stützt und wenn 
auf Mitarbeiter, Leser und Kritiker mehr sachliche und persönliche Rück¬ 
sichten genommen werden müssen, als in der nichtmilitarischen Fach¬ 
presse. Dass und wie B. es verstanden hat, in diesen Schwierigkeiten, 
die er mir oft geklagt, die rechte Vermittelung zu finden, und jede An¬ 
gelegenheit zu einem für die Zeitschrift gedeihlichen Ziele zu führen, 
zeigte sich in der einstimmigen Anerkennung, die diese Seite seiner 
Thatigkeit allseitig gefunden hat. Sein ruhiges, klares Urtheil, seine Ge¬ 
wandtheit und die Lauterkeit seines Charakters sicherten ihm unter allen 
Umstanden das Vertrauen. 

Es hangt mit seiner dienstlichen und redactionellen Thatigkeit eng 
zusammen und wirkte fordernd auf beide, dass er ein warmes Herz für 
den Stand hatte, dem er angehörte. Alle Entwickelungsphasen des Sani- 
tatscorps erregten lebhaft sein Interesse. Gern betheiligte er sich an 
einschlagenden wissenschaftlichen Untersuchungen und Arbeiten. So hat 
er einen wesentlichen Antheil an der Gestaltung des — nachher im y 4. Bande 
des Kriegs - Sanitatsberichtes für 1870/71 veröffentlichten — Cataloges 
der kriegschirurgischen Sammlung des Friedrich-Wilhelms-Institutes ge¬ 
nommen; so hat er ferner jahrelang das Amt eines Schriftführers der 
Berliner militärärztlichen Gesellschaft versehen und die Sitzungsberichte 
regelmassig für die Zeitschrift bearbeitet. — 

Und nun sein Haus. In einer auf vollkommener Uebereinstimmung 
der Charaktere und Lebensanschauungen wohlgegründeten Ehe fand er, 


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wenn ihtn auch Kinder versagt blieben, in diesen sieben Jahren ein 
glückliches Loos. Bin kleiner Freundeskreis hat dies mit durchleben 
dürfen. Jeder, der die gern gebotene Gastlichkeit in dem traulichen, 
reich und mit feinem Geschmack ausgestatteten Heim in derHedemann- 
strasse genossen hat, wird mit dem Verluste des Hausherrn auch den 
dieses harmonischen und freundlichen Vereinigungspunktes schmerzlich 
beklagen. 

Leider wurde das Glück bald getrübt. Schon 1879 hatte B., wie 
man jetzt beurtheilen kann, Nierencoliken. 1880 trat die erste ernstere 
Attacke der Pyelitis auf, freilich damals als fieberhafter Magendarmkatarrh 
gedeutet. Seit 1881 war ihm die Bedeutung der abgehenden Concremente 
als aus der Niere stammend selbst klar. Wiederholte Curen in Carlsbad, 
Graefenberg, Wildungen konnten neue Anfälle leider nicht dauernd ver¬ 
hüten. Der Winter von 1882 auf 83 gefährdete durch das erstmalige Auftreten 
urämischer Intoxication das Leben des Leidenden aufs Aeusserste. Seine 
starke Natur überwand den Stoss, doch blieb er körperlich angegriffen und sein 
Gemüth voll schwerer Besorgniss; nur selten noch konnte er den harm¬ 
losen Frohsinn zeigen, den er in früheren Jahren hatte. Doch kamen 
noch zwei gute Jahre. 1884 und 85 schien es, als sollte er ganz genesen. 
Er war merklich frischer und ertrug z. B. im Herbst 1885 die Anstren¬ 
gungen einer sechswochentlichen Nordlandsreise in Begleitung seinerGemah- 
ÜQ ausgezeichnet. Im Frühjahr 1886 peinigten ihn wiederum Schmerzen; 
im Juni traten Schüttelfröste und Fieber ein, die er leider nur zu richtig 
selber auf einen sich vorbereitenden todtlichen Rückfall deutete. Am 
19. Juni legte er sich, wurde wenige Tage darauf bewusstlos — urä¬ 
misch — und blieb so, bis am Montag den 28. Juni, Vormittags 10 Uhr, 
der Tod seinen Leiden ein Ziel setzte. 

Am 1. Juli betteten wir ihn zur letzten Ruhe. 

Ursprünglich ein frischer, heiterer Gesell, arbeitsfroh und froh ge¬ 
niessend, dabei ein ehrlicher, gerader Charakter, so war Bruberger; und 
hieran ändert es nichts, dass er in den letzten Jahren, als trübe Ahnun¬ 
gen seine Stimmung oft verdüsterten, manches Ding herber beurtheilte, 
als vordem. 

Dies das Bild eines Mannes, der, wie jeder Sterbliche, wohl in seinem 
Wirken ersetzt werden kann, nicht aber im Herzen seiner Gattin und in 
der kleinen Gemeinschaft seiner Freunde. Hier bleibt die Lücke unge¬ 
schlossen, die sein früher Tod gerissen. 

Berlin, im Juli 1886. Körting. 


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Weitere Beitrage zur Kenntnis» der Wärmeökonomie 
des Infanteristen anf dem Marsche und zur Behandlung 
des Hitzschlages. 

Von 

Dr. A. Miller, 

Stabs- and B&Uillonsarzt im 2. Schlesischen Grenadier-Regiment No. 11 and Priratdooent an der 

Universität Breslau. 

(Fortsetzung statt Schluss.) 


Schlussfolgerungen ans diesen Beobachtungen. 

1) Vor Eintritt in die Besprechung der Ergebnisse vorstehender 
Beobachtungen ist darauf hinzuweisen, dass dieselben sämmtlich to- 
gestellt wurden im Frühjahr, also in einer verhältnissmässig noch 
kühlen oder doch wechselwarmen Jahreszeit. Eigentliche Sommer- 
Beobachtungen — und auf diese war es gerade rücksichtlich des Zweckes 
dieser Arbeit abgesehen — fehlen noch. Zwar kommen auch im Monat 
Mai bereits recht warme Tage vor, Tage mit heiterem Himmel und un¬ 
unterbrochenem Sonnenschein; doch treffen hier die erwärmenden 
Sonnenstrahlen in der Regel noch auf kühles Erdreioh, kühles Wasser, 
kühle Häuser und verschieden kühle Luftschichten. Es werden auf 
diese Weise Bewegungen und Strömungen in der Luft auf der Erd¬ 
oberfläche erzeugt, oft von solcher Intensität, dass sie den Charakter von 
lebhaften Winden annehmen, welche bei lachendem Himmel und unaus¬ 
gesetztem Sonnenschein wehen und die Erwärmung des schwitzenden 
Mannes wirksam hindern (vergl. Beob. V—VIII). Es entstehen auf 
diese Weise nicht nur merkwürdige Contraste in der Physiognomie der 
Witterung (s. Beob. VII: 29,2° C. und heftiger S3-Wind bei heiterem 
Himmel), sondern auch auffallende Verschiedenheiten in dem Grade der 
Temperatursteigerung auf dem Marsche. Man vergleiche in dieser Be¬ 
ziehung nur Beob. Vll und Beob. IH; bei fast gleicher Lufttemperatur 
(29,2° resp. 29,7° C.), gleicher Marschdauer, gleicher Wegbeschaffenheit, 
gleicher Kleidung und Belastung und gleich heiterem Himmel betrug die 
Zunahme der Körpertemperatur 

bei einem Winde S3 (7—lim i. d. Sec.) im Durchschnitt 0,5° C., 

- S1 (1—4m - - - ) - - 1,4° C., 

also beinahe das Dreifache. 

Diese Erfahrungen bestätigen somit von Neuem den bereits in den 
Beobachtungen der ersten Arbeit constatirten und anlässlich dessen durch 
eine Reihe methodischer Abkühlungsversuche genauer studirten, mächtigen 


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and von Meter zu Meter Geschwindigkeit wachsenden Einfluss des 
W indes auf die Abkühlung des durch die Marschleistung erhitzten 
Körpers des Infanteristen, zumal bei schwitzender Oberfläche. Es zeigen 
diese letzteren Beobachtungen (No. VII und VIII), dass es bei einem Winde 
von 7—lim Geschwindigkeit, trotz hoher Lufttemperatur (24 bis 25°R.I) 
und unausgesetzter Bestrahlung durch die Mittagssonne, zum Auftreten 
von Hitzschlag nicht wohl kommen kann, so lange der Organismus des 
Infanteristen nicht an Wasser verarmt und nicht die Fähigkeit verliert, 
Schweiss zu secerniren. 

Noch in einer anderen Weise zeigt sich der abkühlende Einfluss des 
Windes in vorstehenden Beobachtungen. Auch seine Herkunft oder 
mit anderen Worten seine Temperatur ist, wie die Beobachtungen IX, 
X und XI lehren, dabei bestimmend. Ein kühler Nordwind von nur 
massiger Geschwindigkeit (1—4 m), allerdings bei relativ feuchter Be¬ 
schaffenheit der Luft (47 bis 54 pCt.), hatte dieselben, ja sogar noch 
grossere abkühlende Wirkungen, als der lebhafte, aber wärmere und 
trockenere Südwind. 

2) Umgekehrt sehen wir bei schwachen Winden (1—4 m), auch 
wenn eine relativ niedrige Lufttemperatur (20° R.) herrscht, nach 
1 Vs ständiger Marschleistung regelmassig Körpertemperaturen von mehr 
als 39° C. (39,1° bis 40,7° C.) zu Stande kommen. Bei warmem sonnigen 
Wetter (24,5° R.) wurden diese hohen Temperaturen sogar schon nach 
ViStündigem Marsche erreicht (Beoh. III). 

Am evidentesten ist dieser Einfluss bei Windstille, welche z. B. auf 
den Marschen im Walde (Beob. II und III der Reihe A) herrschte. Bei 
einer Lufttemperatur von nur 9,5° R. betrug hier die Körpertemperatur nach 
l’/s ständigem Marsche im Mittel 38,95° C., bei 15° R. Lufttemperatur 
nach zweistündigem Marsche 39,4° C. 

Man kann sagen: Bei Windstille und schwachem Winde 
dominirt der Einfluss der Lufttemperatur auf die Erwarmung 
des Infanteristen; bei frischem Winde von 4—11 m Geschwin¬ 
digkeit (No. 2—3 der Landscala) hingegen überwiegt der ab- 
knhlende Einfluss dieses letzteren auf den schwitzenden Körper 
des Infanteristen in solchem Grade, dass es selbst bei hoher 
Lufttemperatur unseres Klimas (24 bis 25° R. im Schatten) und 
bei Sonnenschein nach ö / 4 ständigem Marsche nicht zu einer 
erheblichen und gefahrbringenden Steigerung der Eigenwarme 
kommt, wenigstens so lange, als der Infanterist hierbei aus- 
giebigschwitzt. 


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3) Von der Bestrahlung durch die Sonne gilt dasselbe, wie von 
der Lufttemperatur. Ihr erwärmender Einfluss ist bedeutend bei Wind¬ 
stille und schwachem Winde (Beob. VII der Reihe A und I und UI der 
Reihe B); aber dieser Einfluss verschwindet gegenüber der Herrschaft eines 
frischen und lebhaft bewegten Windes, wie ganz eclatant Beob. VII, B. 
lehrt. Indirect aber kann die Bestrahlung auch im letzteren Falle noch er¬ 
wärmend oder abkühlungshemmend wirken, indem sie die Kleidungen und 
Ausrüstungsstücke auf und selbst weit über Körpertemperatur erwärmt 
(s. Beob. IV und VIII B). 

4) Der Einfluss der Luftfeuchtigkeit fängt nach den Erfahrungen 
beider Beobachtungsreihen eigentlich erst dann an bemerkbar, zu werden, 
wenn der Sättigungsgrad der Luft mehr als 50 pOt. beträgt. Bei 
niedrigerem Procentgehalt überwiegt über denselben der Einfluss des 
Windes und der Lufttemperatur. Auch bei höherem Procentgehalt 
(83 pCt.) wird dieser die Abkühlung durch Schweissverdunstung hemmende 
Einfluss erst vorherrschend, wenn nur ein ganz schwacher Wind bläst 
und die Sonne nicht scheint (Beob. VI, A). Unser Hautgefühl — bei 
einiger Uebung ein guter Wetteranzeiger im Felde und auf Märschen im 
Frieden — empfindet eine solche Combination der Luft bekanntlich als 
schwül und drückend. 

Einen entgegengesetzten und ziemlich bedeutend abkühlenden Ein¬ 
fluss scheint feuchte Luft (47—54pCt.) zu haben, wenn gleichzeitig ein 
kühler N-Wind bläst (Beob. IX, X und XI, B). Wahrscheinlich beruht 
dies darauf, dass das Wärmeleitungsvermögen der Luft durch zunehmen¬ 
den Feuchtigkeitsgehalt derselben beträchtlich erhöht wird. 

5) Das Verhalten des Luftdruckes habe ich in der letzten Be¬ 
obachtungsreihe, obwohl ich es an der Hand der Messungen der hiesigen 
Sternwarte fortlaufend verfolgt habe, nicht angegeben. Es wird genügen, 
hier darauf hinzuweisen, dass ich einen directen Einfluss desselben auf 
die Eigenwärme des Infanteristen nicht habe constatiren können. Höch¬ 
stens konnte der Barometerstand als Indicator für die jeweilig vorherr¬ 
schenden meteorologischen Verhältnisse gelten, insofern tiefer Barometer¬ 
stand in der Regel auf das Vorhandensein oder Vorherrschen von 
südlichen und westlichen, also wärmeren und wasserreicheren Luftströ¬ 
mungen hindeutet, hoher Barometerstand aber gewöhnlich durch vor¬ 
wiegend nördliche und östliche, also kalte, trockene und den Himmel 
wolkenfrei erhaltende Luftströmungen bedingt ist. Doch ist dies keines¬ 
wegs constant und zuverlässig. Die directe Beobachtung der letzteren 
meteorologischen Erscheinungen (Luft-Temperatur, -Bewegung, -Feuchtig¬ 
keit) bleibt jedenfalls vorzuziehen. 


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6) Marschdauer and Weglänge. Alle Märsche fanden auf ebener 
Erde, auf goten chaussirten oder festen Landwegen statt; nur in Beob. VI 
der Beihe A war das Terrain hügelig. Da ferner die Marschgeschwindig¬ 
keit bei gut aasgebildeten Füsilieren — and am solche handelt es sich 
hier — wohl stets als die gleiche anzanehmen ist, so lässt sich die Weg¬ 
länge aas der Dauer des Marsches leicht berechnen. Der preassische 
Infanterist macht bekanntlich durchschnittlich 112 Schritte in der Mi¬ 
nute;*) dies ergiebt, bei einer reglementsmässigen Schrittlänge von 0,8 m, 
pro Stande eine Weglänge von 5,38km. 

Die Marschdaner schwankte in beiden Beobachtangsreihen zwischen 
*/« and 2 Standen, also zwischen 4,0 and 10,76 km Weges. Bei diesen 
beträchtlichen Schwankungen in der Dauer und Länge des Weges und 
damit in der Grosse der geleisteten Muskelarbeit sollte man a priori er¬ 
warten, dass auch das Verhalten der Eigenwärme des Infanteristen diesen 
Schwankungen entsprechend sehr verschieden sich verhalte. Dies ist je¬ 
doch, wie ein Blick auf die tabellarische Zusammenstellung lehrt, keines¬ 
wegs der Fall. Vielmehr müssen wir die höchst auffällige Er¬ 
scheinung constatiren, dass unter fast genau gleichen meteoro¬ 
logischen Bedingungen (Beob. IX und XI, Reihe B) die Körper¬ 
temperatur nach einem l’/sStündigen Marsche noch nicht um 
einen Zehntel-Grad hoher gefunden wird, als nach einem 
^ständigen Marsche, mit anderen Worten, dass die nach Zurück¬ 
legung von 4km erreichte Körpertemperatur bei Zurücklegung 
von weiteren 4km, bei gleicher Belastung und Kleidung, un¬ 
verändert dieselbe bleibt. Ja, wenn wir die anderen Beobachtungen 
daraufhin miteinander vergleichen, so besonders Beob. I und II, III und 
IV, VII und VIII, so finden wir hier ganz dieselbe Erscheinung wieder, näm¬ 
lich gleiche meteorologische Verhältnisse, ungleiche Marsch¬ 
dauer und Weglänge, gleiche Temperatursteigerung des 
Körpers. 

7) Diese Wahrnehmung führt uns auf eine eigentümliche Erscheinung 
hinsichtlich des Verhaltens der Eigenwärme des Infanteristen 
auf Märschen, welche wissenschaftlich von dem grössten Interesse ist 
und für welche wir in der Experimental-Physiologie bereits analoge Er¬ 
fahrungen besitzen. J. Rosenthal**) machte meines Wissens zuerst 

•) Man vergl. hierüber C. Kirchner, Lehrbuch der Militär-Hygiene. 
IL Auflage. 1877. S. 466. 

**) J. Rosenthal, Zur Kenntniss der Wärmeregulirung bei den warmblütigen 
Thieren. Erlangen, 1872. S. 15 u. ff. 


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darauf aufmerksam, dass bei Kaninchen, welchen man durch starke Be¬ 
hinderung der Wärmeabgabe im Wärmekasten von 32 bis 36° C. die 
Körpertemperatur künstlich in die Hohe treibt, die Eigenwärme bald auf 
41° bis 42° C. steigt, dann aber constant bleibt und sich Stunden, 
.ja Tage lang auf dieser Höhe erhält. Die Wärmeregulirung des 
Thieres hat sich, wie man hier sagt, für den genannten Temperaturgrad 
eingestellt, in ähnlicher Weise, wie unter normalen Bedingungen für die 
Grenzen der Normaltemperatur. 

Ganz dasselbe Verhalten zeigt also auch die Eigenwärme des In¬ 
fanteristen auf dem Marsche. Es fragt sich nun, wie diese Erscheinung 
zu erklären ist. 

Dies wird am besten an einem concreten Beispiel erläutert Nehmen 
wir an, ein Mann von 70 kg Gewicht und 37,9° C. Temperatur (im After) 
trete mit einem Gepäck, welches dem halben Gewicht des Körpers ent¬ 
spricht, einen Marsch von gleich massiger Geschwindigkeit an. Er wird, 
nach Hirn 1 s Versuchen, auf dem Marsche ungefähr das Doppelte an 
Wärme produciren, als vorher in der Ruhe. Die letztere Grösse soll 
114 Cal. pro Stunde (nach Helmholtz) betragen, oder pro Minute 
3,8 Cal. Beim Antritt des Marsches ist die Wärmeabgabe während der 
ersten Minuten noch gleich derjenigen in der Ruhe; sie steigt erst, wenn 
die Ueberproduction und Anhäufung von Wärme im Körper einen solchen 
Grad erreicht hat, dass die Körpertemperatur anfangt die Grenzen der 
Norm zu überschreiten. Die Hautgefässe erweitern sich alsdann, die 
Schweissdrüseu secerniren stärker. Aber die Grosse der Wärmeabgabe 
erreicht nicht sogleich im Anfang ihre volle Höbe, sondern sie ent¬ 
faltet sich, wie schon der Augenschein und die Erfahrung am eigenen 
Körper lehrt, während eines Marsches ganz allmälig. Es steigt sowohl 
die Weite der Hautgefässe, als auch die Menge des secernirten Schweisses 
von Minute zu Minute, und es dauert stets eine gewisse Zeit, z. B. 20 Mi¬ 
nuten, bis die Haut roth geworden ist und sichtbar schwitzt. 

Hieraus ergiebt sich folgendes Verhältniss zwischen Wärmeeinahme 
und Wärmeabgabe auf dem Marsche: während der ersten fünf Minuten 
Wärmeabgabe in der Ruhe (3,8 Cal.), dagegen doppelte Wärmeeinnahmen 
von 7,6 Cal. in der Minute. Dies ergiebt mithin nach Ablauf der fünf 
Minuten einen Ueberschuss von 19,0 Cal., welche die Körpertemperatur 
des Mannes um 0,22° C., also auf 38,12° C. erhöhen. Jetzt beginnt die 
Wärmeregulirung in Thätigkeit zu treten, aber, da das Bedürfnis nach 
gesteigerter Wärmeabgabe zunächst noch ein geringes ist, anfänglich in 


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sehr beschranktem Maasse. Nehmen wir an, die Steigerung der Abgabe 
durch die Haut betrage in der ersten Minute der Thätigkeit der Wärme- 
regulirung 0,2 C&L und wachse nun von Minute zu Minute gleichmässig 
um ebensoviel, so würdet weitere 19 Minuten erforderlich sein, bis die 
Grosse der Wärmeabgabe der Grösse der Wärmeproduction gleich ge¬ 
worden ist. Es hat mithin in diesem Falle gerade 24 Minuten 
gedauert, bis die Wärmeeinnahmen den Ausgaben gleich ge¬ 
worden sind, d. h. volle Wärmebilance eingetreten ist. Die 
Körpertemperatur bleibt jetzt constant. Inzwischen hat aber der 
Organismus einen beträchtlichen Ueberschuss an Wärme eingenommen, 
nämlich in den ersten fünf Minuten 19,0 Cal., in jeder folgenden Minute 
0,2 Cal. weniger als in der voraufgegangenen, also 3,6, 3,4, 3,2 u. s. w. 
Dies ergiebt nach Ablauf von 24 Minuten einen Ueberschuss von 19,0 
+40,2=59,2 Cal., welche die Körpertemperatur von 37,9° auf 38,6° C. 
erhöhen. Diese schon nach 24 Minuten Marschdauer erreichte Körper¬ 
temperatur des Infanteristen wird also, vorausgesetzt, dass die Bedingungen 
für die Wärmeabgabe die gleichen bleiben, noch nach Ablauf von einer 
Stunde oder 1 >/a Stunden bei der Messung gefunden. 

Die Höhe der Körpertemperatur, welche während eines Marsches 
mit Gepäck von dem Infanteristen erreicht wird, ist also — stets gleiche 
Wärmeproduction vorausgesetzt — abhängig von der Zeit, welche ver¬ 
streicht vom Beginn des Marsches bis zum Eintritt vollkommener Wärme¬ 
bilance. Diese Zeit ist aber ihrerseits wieder abhängig von den während 
des Marsches herrschenden meteorologischen Verhältnissen und von dem 
Maasse, in welchem dieselben der Wärmeabgabe des Körpers günstig 
oder ungünstig sind. Bei niedriger Lufttemperatur und stärkerer Luft¬ 
bewegung erfolgt die Wärmeabgabe von der Haut bei gesteigerten Ein¬ 
nahmen leichter; es wird in der Zeiteinheit mehr Wärme abgegeben, mit^ 
hin der Zustand vollkommener Wärmebilance schneller erreicht; der 
Ueberschuss des Körpers an Wärmeeinnahmen bleibt gering, die Körper¬ 
temperatur steigt nur um Weniges (vergl. Beob. V, Reihe A). Bei warmer 
Lufttemperatur (+25° R.), bei Windstille und hohem Feuchtigkeitsgehalt 
dagegen sind die Bedingungen für eine Steigerung der Wärmeabgabe 
von der Haut ungünstig; es dauert erheblich länger, bis die Wärme¬ 
ausgaben den Einnahmen völlig gleich geworden sind; die Körpertemperatur 
steigt infolge dessen beträchtlich höher (vergl. Beob. VI, Reihe A). 

Es braucht natürlich die Steigerung der Wärmeabgabe, wie hier der 
Einfachheit der Rechnung wegen angenommen wurde, nicht immer eine 
gleichmässige zu sein. Es ist vielmehr sogar wahrscheinlich, dass die 


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Wärmeabgabe stets ungleichmässig und zwar in abnehmendem Maasse 
wächst. Es spricht hierfür die Erfahrung, dass die Verdunstung von 
Schweiss auf der Haut bezw. die dadurch bedingte Wärmeentziehung 
einen Reiz für die Hautgefässe abgiebt, welcher dieselben zur Zusammen¬ 
ziehung zwingt. Diese Verengerung der Hautgefässe wirkt aber der 
Thätigkeit des Wärmeregulirungs-Mechanismus entgegen, sie hemmt die 
ursprünglich gesteigerte Wärmeabgabe von der Haut wieder. Es wird 
also das Ziel, die völlige Gleichstellung der Ausgaben mit den Einnahmen 
an Wärme, seitens des Organismus später erreicht, als es nach der oben 
aufgestellten Rechnung zu erwarten war. 

Wie lange der auf diese Weise erreichte Zustand vollkommener 
Bilance bei einer bestimmten Temperaturhohe des Organismus, z. B. 38,6° C., 
bestehen bleibt, ist hiernach leicht zu ermitteln, so lange nämlich, als 
die Bedingungen für die Wärmeabgabe des Organismus auf dem Marsche 
unverändert bleiben. Die Wärmeproduction des Infanteristen bleibt 
während der Dauer eines Marsches annähernd die gleiche. Auch die 
atmosphärischen Bedingungen für die Wärmeabgabe, also die Lufttempe¬ 
ratur, Windgeschwindigkeit und die relative Feuchtigkeit der Luft, pflegen 
sich während eines Marsches von 1 bis höchstens 2 Stunden Dauer nicht 
wesentlich zu ändern. Wohl aber kann sich andern erstens die Intensi¬ 
tät der Bestrahlung durch die Sonne, welche bekanntlich ein 
mächtiges Hinderniss für die Wärmeabgabe bildet, theile durch directe 
Erwärmung des Körpers, theils durch Erwärmung der Kleider, und 
zweitens die Ausgiebigkeit der Schweisssecretion, infolge von Ver¬ 
armung des Organismus an Wasser oder durch Erlahmung der Schweiss- 
drüsen. 

Beides sind Momente, welche auf die Wärmeabgabe der Haut hemmend 
bezw. beschränkend einwirken. Mit ihrem Eintritt beginnt mithin eine 
neue Phase der Störung der Wärmebilance. Es steigen wiederum 
die Einnahmen an Wärme .über die Ausgaben, und die Körpertemperatur 
geht von Neuem in die Höhe. Welcher Temperaturgrad nunmehr erreicht 
wird bis zur Herstellung erneuten Gleichgewichts, ja ob dieser Gleich¬ 
gewichtszustand vom Organismus überhaupt wieder erreicht wird, diese 
wichtige Entscheidung ist wesentlich abhängig von dem Grade und der 
Dauer der neuen Störung der Wärmeabgabe, sowie von der Grösse der 
Leistungsfähigkeit des Wärmeregulirungs-Mechanismus unter den be¬ 
stehenden meteorologischen Bedingungen. 

Erläutern wir diese zweite Phase der Störung wieder an einem concreten 
Beispiel. In Beob. III der Reihe B wurde nach ^ständigem Marsche 


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bei 29,7° C., heiterem Sonnenschein and S1 von Füsilier L. in feld¬ 
marschmassiger Ausrüstung eine Körpertemperatur von 39,2 ° C. erreicht. 
Die Steigerung betragt 1,3° C., der Zuwachs an Warme 109,6 Cal. oder 
durchschnittlich pro Minute 2,4 Cal« Zur Zeit der Messung ist 
vollkommenes Wärmegleichgewicht eingetreten. Aber die Leistungs¬ 
fähigkeit des Wärmeregulirungsvermögens ist gleichzeitig auf ihren höch¬ 
sten Orad angelangt; die Hautgefässe sind strotzend gefüllt, die Haut 
ist dunkelroth und gedunsen, der Schweiss rinnt in grossen Tropfen her¬ 
ab. Mühsam hält der Organismus das Gleichgewicht aufrecht und die 
Körpertemperatur auf 39,2° coostant. Jetzt fuhrt der Weg in einen 
Wald. Statt S 1 herrscht hier vollkommene Windstille, die Feuchtigkeit 
der Luft steigt von 25 pCt. auf 35 pCt., die Temperatur ist die gleiche. 
Sonnenschein und Muskelarbeit dauern unverändert fort Sofort sinkt die 

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Wärmeabgabe wieder, und zwar von =5,9 Cal. in der Minute (Gleich¬ 
gewichtszustand) auf 3,0 Cal« Wiederum steigt seine Körpertemperatur 
und zwar, falls diese Abnahme constant bleibt, nach Verlauf von weiteren 
V« Stunden um 130,5 Cal. = 1,55° oder auf 40,75° C. Nach Zuruck- 
legung von im Ganzen 2 Stunden Weges hat seine Körpertemperatur 
41,8° C« erreicht; sie ist somit der Grenze des Hitzschlages äusserst 
nahe gekommen. 

Mit dieser zweiten Phase der Störung beginnt mithin erst 
die eigentliche Gefahr für den Organismus; denn nunmehr sind 
alle Chancen gegeben, jene excessiv hohe Körpertemperatur (-4-42° und 
darüber) zu erreichen, welche, wie wir früher gesehen haben, den Eintritt 
von Hitzschlag bedingt. Sind jene meteorologischen Bedingungen dem 
Wärmeregulirungs-Mechanismus ungünstig, ist die Luft zwischen +20° 
und 25° R. warm, dabei wenig bewegt oder mit Feuchtigkeit in höherem 
Grade gesättigt und sind die Hautgefässe bereits vorher nahe ad 
maximum erweitert, so ist die Aussicht, das erneute Ueberwiegen der 
Einnahmen über die Ausgaben wieder auszugleichen, sehr gering; die 
Körpertemperatur steigt continuirlich in die Höhe. Wird nicht 
der Marsch rechtzeitig beendet oder (absichtlich oder unabsichtlich) unter¬ 
brochen, so ist der Infanterist unrettbar verloren und dem Hitzschlage 
verfallen. Wird dagegen der Marsch zu einer Zeit unterbrochen, wo die 
Körpertemperatur erst 42° C. erreicht hat, und hört also nunmehr die 
gesteigerte Wärmeproduction des Organismus auf, so kann, wie die Er¬ 
fahrung lehrt und die Versuche J. RosenthaFs bestätigen, noch voll¬ 
kommene Erholung eintreten. Es sind dies diejenigen Fälle von Hitzschlag, 
welche, wenn rechtzeitig erkannt, in Genesung enden. 


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Es braucht natürlich, wie leicht ersichtlich, die Ausgleichung der 
beim Beginn eines Marsches eintretenden Storung der W&rmeokonomie 
durch den Wärmeregulirungs-Mechanismus nicht immer in der Weise 
zu erfolgen, dass nach einer bestimmten Zeit Wärmegleichgewicht, 
allerdings bei einer höheren Körpertemperatur, erzielt wird; sondern es 
können von vornherein die Bedingungen für die Wärmeabgabe der Haut 
so ungünstig sein, dass es dem Wärmeregulirungs-Mechanismus überhaupt 
nicht gelingt, die Wärmeabgabefähigkeit der Haut bis zur gleichen Höbe 
mit der Wärmeeinoahme zu steigern. Alsdann wird die Körpertemperatur 
natürlich continuirlich, wenn auch langsam, ansteigen und nach Verlauf 
kurzer Zeit, z. B. einer Stunde, jene excessive und tödtliche Höhe des 
Hitzschlages erreichen. Diese Fälle sind in unserem Klima selten, aber 
sie kommen vor. 

8) Aus vorstehenden Erörterungen über das eigenthümliche Ver¬ 
halten der Eigenwärme und der Wärmeregulirung des Infanteristen auf 
dem Marsche, welche zugleich auf die Pathogenese des Hitzschlages ein 
ganz neues Licht werfen, folgt weiterhin, dass die Deutung der 
beim Infanteristen nach Zurücklegung eines Marsches gefun¬ 
denen Analtemperatur eine ganz andere sein muss, als sie 
nach den landläufigen Vorstellungen über die Wärmeökonomie bisher 
war. Es erscheint gegenwärtig nicht mehr zulässig, die am Ende eines 
Marsches von längerer Dauer gefundene Temperatur als Maassstab dafür 
anzusehen, in welchem Maasse die Wärmeabgabe des Körpers während 
der ganzen Dauer des Marsches behindert gewesen ist; dies würde nur 
angängig sein, wenn der Marsch von kürzerer Dauer ist (7i—*/ 4 Stunde) 
oder die Bedingungen für die Wärmeabgabe der Haut relativ ungünstig 
gewesen sind, so dass angenommen werden kann, dass der Zeitpunkt der 
Messung mit dem Zeitpunkt der erreichten Ausgleichung zwischen Ein¬ 
nahmen und Ausgaben zusammenfällt. Das letztere war der Fall in 
der Beob. VII der Reihe A (Lazarethgehülfe H., 40,2° C.), für 
welche ich daher die oben im Anschluss an dieselbe aufgestellte calori- 
metrische Berechnung der Einnahmen und Ausgaben an Wärme aufrecht 
erhalten möchte, umsomehr als das Resultat dieser Berechnung mit 
früheren ähnlichen Berechnungen eine auffallend gute Uebereinstimmung 
zeigt. 

Der gefundene Temperaturgrad muss jetzt vielmehr angesehen werden 
als ein Maassstab für die Grösse des Hindernisses, welches die Wärme¬ 
regulirung zu überwinden hatte, um vollkommene Gleichheit zwischen 
Einnahmen und Ausgaben herzustellen, oder mit anderen Worten, als ein 


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Maassstab für die Lange der Zeit, welche die Wärmeregnlirung unter 
bestimmten meteorologischen Bedingungen gebrauchte, um jenen Gleich¬ 
gewichtszustand zu erreichen. In diesem Sinne gieht also der nach 
einem Marsche gefundene Grad der Temperatursteigerung des Körpers 
immerhin einen brauchbaren relativen Maassstab ab für die Grosse der 
Störung der Wärmeabgabe während eines Marsches, wenn auch eine 
absolute (calorimetrische) Berechnung dieser Grösse nicht oder doch nur 
unter Bedingungen zulässig erscheint.*) 

9) Aller Wahrscheinlichkeit nach giebt es auch unter den Menschen 
individuelle Verschiedenheiten in der Fähigkeit der Wärmeregu¬ 
lirung, eingetretene Störungen der Wärmebilance wieder auszugleichen. 
Wenigstens lässt die beim Unterlazarethgehulfen W. fast constant 
beobachtete höhere, ja einige Male sogar ungewöhnlich hohe Eigen¬ 
wärme im Vergleich mit den drei Füsilieren kaum eine andere Erklärung 
zu, als die, dass bei ihm die Fähigkeit der Wärmeregulirung bezw. der 
Haatgefässe, sich dem je nach der Grösse der Störung verschieden 
grossen Bedürfnisse nach Steigerung der Wärmeabgabe schneller oder 
langsamer anzupassen, vermindert ist. Andernfalls wäre es auch zulässig, 
hier eine infolge der Wasserverdunstung auf der Haut eingetretene 
tetanische Verengerung der Hautgefasse, also eine gesteigerte Irritabilität 
der glatten Muskelfasern derselben als Ursache der excessiven Temperatur¬ 
steigerung anzunehmen; ja, die thatsächlich bei ihm beide Male (Beob. I 
und II, B) beobachtete auffallende Blässe der Haut, das letzte Mal ge¬ 
steigert bis zu leichter Cyanose, ist dieser Annahme entschieden günstig. 
Ohne Zweifel kann die Fähigkeit der Anpassung der Wärmeregu- 

*) Am besten kann diese Berechnung noch in Beob. III, B durchgeführt werden, 
wo beide Bedingungen, kürzere Marschdauer und beträchtliche Behinderung der 
Wärmeabgabe durch die atmosphärische Luft, Zusammentreffen. In 45 Minuten, 
bei 29,7° C. (24° R.!) Lufttemperatur, S 1, 25 pCt. relativer Feuchtigkeit und Sonnen¬ 
schein, stieg die Körpertemperatur 

bei W. um 1,4° C.; es wurden also im Körper zurückgehalten 102,9 Calorien oder 
43,6 pCt. der während des Marsches eingenommenen Wärme (236 Cal.), 
bei L. um 1,3° C.; es wurden also im Körper zurückgehalten 109,6 Calorien oder 
38,0 pCt. der während des Marsches eingenommenen Wärme (288 Cal.), 
bei P. um 1,4° C.; es wurden also im Körper zurückgehalten 113,0 Calorien oder 
40,0 pCt. der während des Marsches eingenommenen Wärme (282 Cal.), 
bei Sch. (ganz leicht gekleidet) um 0,6° C.; es wurden also im Körper zurück- 
gehalten 43,4 Calorien oder 16,3 pCt. der während des Marsches einge¬ 
nommenen Wärme (265 Cal.). 

Der Einfluss der verschiedenen Bekleidung auf die Wärmeabgabe während des 
Marsches ist hierbei evident. 


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lirnng der Haut an das gesteigerte Abkühlungsbedürfniss auf dem Marsche 
durch Uebang gesteigert, also gewissermaassen ercogen werden. Dem¬ 
entsprechend würden also ältere Infanteristen, namentlich Berufssoldaten 
(Unteroffiziere. Offiziere) bei eintretender Ueberprodnction von Wärme 
auf dem Marsche viel schneller den vom Organismus erstrebten Gleich¬ 
gewichtszustand zwischen Einnahmen und Ausgaben an Wärme erreichen 
und mithin eine geringere Erhöhung der Eigenwärme unter gleichen Be¬ 
dingungen zeigen, als junge an das Marschiren in Uniform mit Gepäck 
noch wenig gewohnte Soldaten, wie Rekruten, Einjährig-Freiwillige, ein- 
gezogene Reservisten und Reserve-Offiziere. Wenn ich mich recht er¬ 
innere, so liefern gerade die genannten Kategorien von Soldaten das 
grösste Contingent an Hitzschlagkraqken auf dem Marsche. Auch meine 
Lazarethgehülfen, besonders der Unterlazarethgehülfe W., waren zur Zeit 
der Beobachtungen an das Marschiren mit Gepäck noch wenig gewöhnt. 

10) Der Einfluss der Bekleidung auf die Grösse der Tempe¬ 
ratursteigerung des Infanteristen auf Märschen ist in den Beobachtungen 
evident. Die feldmarschmässig gekleideten und ausgerüsteten (a) Füsiliere 
hatten durchweg die höchste Körpertemperatur; die leicht und ganz 
leicht gekleideten (y und 8) Füsiliere unterschieden sich nicht wesentlich 
von einander, hatten jedoch stets (ausgenommen Beob. VII, B) erheblich 
niedrigere Temperaturen, als die a-Füsiliere. Es war im Durchschnitt 
die Temperatursteigerung bei beiden letzteren Bekleidungs¬ 
arten (Litefke, Leinenhemd, Mütze oder Helm, Drillichhose, ohne 
Tornister — ganz Drillich, Wollenhemd, sonst ebenso) nm die Hälfte 
geringer, als bei den feldmarschmässig gekleideten Mann¬ 
schaften. 

Es betrug die Temperatursteigerung im 


a f 8 

feldmarschmässigen leichten Marsch- ganz leichten 

Anzuge anzuge (Litefke) Marschanzuge (Drillich) 


Beobachtung III: 

1,4° 

— 

0,6° 

- 

IV: 

1,4° 

— 

0,5° 

- 

V: 

0,6» 

— 

0,3° 

- 

VI: 

0,6° 

— 

0,25° 

- 

VIII: 

o 

o* 

0 

— 

0,3° (0,5°) 

- 

IX: 

0,5° 

0,25° 

0,25° 

- 

X: 

P 

o 

0,2° 

0,2° 

- 

XI: 

0,5» 

o 

*03 

O 

0,3° 

An 

warmen 

Tagen, 

an welchen die Steigerung 

der Eigenwärme 


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381 


beträchtlicher ist, werden natürlich auch die Unterschiede der Steige« 
rang bei den einzelnen Bekleidnngsarten deutlicher und frappanter. 
Hier gewinnt man denn auch die Ueberzeugung, dass nicht die ver¬ 
schiedene Belastung — ihre Unterschiede sind nicht so bedeutend 
(8. Seite 329), — sondern wesentlich die verschiedene Bekleidung und 
deren Einfluss auf die Wärmeabgabe der Haut diese Unterschiede bedingt. 
Leider ist die Zahl der Beobachtungen nach dieser Richtung hin noch 
gering. 

11) Ueber die Wirkungen der erhöhten Körpertemperatur 
auf die Leistungsfähigkeit des Infanteristen auf Märschen. 
Es liegt auf der Hand, dass eine Fiebertemperatur von 39,4° C. während 
der Dauer eines mehrstündigen Marsches an Sommertagen für die Marsch- 
Fähigkeit des Infanteristen keine gleichgültige Sache ist, sondern ihre 
Wirkungen hat, welche sich hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des 
Körpers in nachtheiliger Weise bemerkbar machen. Diese Wirkungen 
werden bei aufmerksamer Beobachtung einer marschirenden Truppe leicht 
wahrgenommen; sie betreffen theils die Ernährung, theils das Nerven¬ 
system des Infanteristen. 

Betrachtet man einen Infanteristen nach zwei oder drei vorauf- 
gegangenen ziemlich weiten Märschen zur Sommerzeit an dem darauf 
folgenden Ruhetage, so wird man regelmässig finden, dass sein Gesicht 
nicht bloss brauner, sondern auch dass es magerer geworden ist; lässt 
man ihn sich auskleiden, so scheint der ganze Körper von seiner früheren 
Randung und Fülle eingebüsst zu haben. Bei manchen Leuten, z. B. 
Unteroffizieren, die mir schon in der Garnison hinsichtlich ihres Er¬ 
nährungszustandes gut bekannt waren, war mir die Abmagerung nach 
grosseren Märschen, bei gleichzeitiger stärkerer Bräunung des Gesichts, 
im Manöver sehr auffallend. Leider habe ich Wägungen bisher nicht 
aasführen können. Hat der Mann gesunde Verdauungsorgane und gute 
Quartiere, so hat diese Erscheinung nicht viel zu bedeuten; er holt den 
Verlust an Korpersubstanz bald wieder ein und kehrt sogar nicht selten, 
wenn das Manöver nicht anstrengend war, mit grösserem Körpergewicht 
in die Garnison zurück, als er ausgerückt war. 

Früher nahm ich an, dass diese Abmagerung nach Märschen auf 
den gesteigerten Verbrauch von Körpermaterial durch die Muskelarbeit 
beruhe, dass das im circulirenden Blute vorhandene und durch die Nah¬ 
rung anfgenommene Nährmaterial für die gesteigerte Arbeitsleistung 
nicht ausreiche, und daher das Fettdepot des Körpers, das seinen haupt¬ 
sächlichen Sitz unter der Haut hat, in Angriff genommen werde. Theil- 

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382 


weise mag dies auch wohl zutreffen. Allein in Anbetracht der gewöhn¬ 
lich reichlichen Nahrungsaufnahme vor einem Marsche und während des¬ 
selben erscheint die Abmagerung in der Regel doch zu gross, um hier¬ 
aus allein erklärt werden zu können. Ausserdem ist durch Versuche an 
Thieren direct nachgewiesen worden, dass Warmblüter, welchen ohne 
jegliche Muskelarbeit, einfach durch starke Behinderung der Wärme¬ 
abgabe im Wärmekasten die Körpertemperatur künstlich in die Hohe ge¬ 
trieben worden ist, bei längerer Dauer dieses Zustandes beträchtlich an 
Körpergewicht verlieren und bedeutend abmagern [Litten,*) J. Rosen¬ 
thal**)]. Auch die beträchtliche Abmagerung von fiebernden Kranken, 
z. B. Typbuskranken, ist Lieber meist er***) geneigt, zum Theil wenig¬ 
stens auf die Wirkung der erhöhten Temperatur Zurückzufuhren, was 
auch nach den vorher erwähnten Thierversuchen entschieden begründet 
ist Ohne Zweifel muss daher auch die nach Märschen an heissen Tagen 
zu beobachtende Abmagerung des Infanteristen zu einem Theile auf die 
Wirkung der erhöhten Körpertemperatur zurückgeführt werden. 

Als Ursache der Abnahme des Körpergewichts in solchen Fällen ist 
nach den Untersuchungen Litten’s und Anderer hauptsächlich ein ge¬ 
steigerter Zerfall von Ei weises ubs tanzen (u. a. rothen Blutkörperchen) 
im Körper anzusehen, welcher sich durch eine beträchtliche Vermehrung 
der Harnstoffausscheidung kundgiebt; möglicherweise sind auch die von 
Litten in seinen Versuchen constant gefundenen Verfettungen in inneren 
Organen (Leber, Nieren, Herz, Muskeln) für die Gewichtsabnahme in An¬ 
spruch zu nehmen. Ueber aao Verhalten des Fettpolsters, überhaupt des 
abgelagerten Fettes im Thierkörper, fehlt es dagegen noch an Unter¬ 
suchungen. 

Die zweite sichtbare Wirkung der erhöhten Körpertemperatur auf 
dem Marsche ist diejenige auf das Central nervensystem. Ich habe 
bereits oben anlässlich des Falles K. (Beob. VI, A) Gelegenheit ge¬ 
habt, die hier in Betracht kommenden Störungen kurz anzudeuten. Seit 
jenem Falle habe ich unausgesetzt mein Augenmerk auf die an erhitzten 

*) M. Litten, Ueber die Einwirkung erhöhter Temperaturen auf 
den Organismus. Yirch. Archiv, Band LXX, Heft 1. S.-A. „Jedesmal zeigten 
die dem Versuch unterworfenen Thiere eine colossale Abmagerung, welche nicht 
vom Hunger allein abhängt.“ 

**) J. Rosenthal, ZurKenntniss der Wärmeregulirung bei den warm¬ 
blütigen Thieren. Erlangen, 1872, S. 16. — Hermann’s Handbuch der 
Physiologie, Band IV, 2. S. 335. 

***) C. Liebermeister, Handbuch der Pathologie und Therapie des Fiebers. 
Leipzig, 1875, S. 409. 


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383 


Infanteristen wahrxunehmenden Veränderungen in der Körperhaltung, 
Gemätbsstimmung, im Wesen, in den Aensserungeu der Seelenthätigkeit, 
im Bewusstsein, in der Sprache und in der Sinneswahrnehmung gerichtet. 
Diese Beobachtungen haben mich mit stetig wachsender Bestimmtheit xu 
der Ueberseugung gedrängt, dass das, was wir „Hitzschlag* nennen, 
durchaus kein plötzlich eintretendes, den Soldaten unerwartet und „schlag¬ 
artig* treffendes Ereigniss ist, sondern dass der „Hitsschlag* eine Krank¬ 
heit ist, welche ihre bestimmten Symptome und ihre Vorboten hat, und 
welche in mehrfachen Abstufungen von ganz leichten ungefährlichen 
Formen bis zu den schweren, todtlich verlaufenden Fällen bei marschiren- 
deo Truppen vorkommt 

Man kann zweckmässig drei Grade der Einwirkung der erhöhten 
Körpertemperatur auf das Centralnervensystem des Infanteristen unter¬ 
scheiden. Erster Grad: Die Körpertemperatur ist ungefähr 
«wischen 88,0° und 39,0° C. stabil geworden. Die Erscheinungen 
sind ähnlich denjenigen, welche im Beginne fieberhafter Krankheiten beim 
ersten Ansteigen der Körpertemperatur beobachtet werden. Der Mann 
wird zunächst still auf dem Marsche; er hört auf zu singen, wird wortkarg 
und zeigt Abneigung gegen Unterhaltung mit Cameraden. Sein Gesichts¬ 
ausdruck wird ernst, fast trübe und verdriesslich; man sieht ihm die 
Empfindung des Unbehagens an, als ob ihn etwas bedruckt oder beengt, 
oder als ob er etwas zu leisten habe, was ihm Muhe macht. Das Be¬ 
wusstsein ist dabei vollkommen klar. Sein Gang ist sicher, seine Haltong 
gewöhnlich, wie bei den meisten Leuten, etwas vornüber gebeugt, der 
zweck massigeren Vertheilung der Last zum Schwerpunkt wegen. Auch 
seine Sprache ist noch klar und deutlich, nur spart er seine Worte und 
giebt ungern Antwort. Wird ein Halt gemacht, so hat er die Neigung, 
sich sofort zu setzen oder hinzulegen, ein Beweis, dass er sich schlaff 
und abgeschlagen fühlt. Gewöhnlich hält man diese Erscheinungen für 
Symptome der Ermüdung; dass sie dies nicht sind, erkennt man leicht 
an wärmeren Marschtagen, an welchen die Symptome der Depression 
und Abgeschlagenbeit bei einer Truppe bereits zu einer Zeit wahr¬ 
genommen werden, wann von physischer Ermüdung bei so kräftigen 
jungen Leuten noch nicht die Rede sein kann. — Dieser Zustand ist 
natürlich ganz ungefährlich. Wird ein längerer Halt gemacht, so erholt 
sich der Mann schnell und gewinnt bald seine frühere Munterkeit und 
Rüstigkeit wieder. 

Zweiter Grad der Erhitzung: Die Körpertemperatur ist 
unter allmäligem Anstieg binnen 7*—1 Stunde zwischen 39,0° 

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384 


und 40,5° C. stabil geworden. Der Mann zeigt die beim ersten Orade 
angeführten Erscheinungen in viel ausgeprägterem Maasse. Er macht« 
den Eindruck der Benommenheit; er marschirt apathisch und theilnahm- 
los, wie in Gedanken versunken, vorwärts, hat keine oder nur geringe 
Aufmerksamkeit mehr für die Vorgänge in seiner Umgehung, kein Inter¬ 
esse mehr für landschaftliche Reize und Abwechselung. Auf Fragen 
giebt er nur zögernd und mit Unlust Antwort. Sein Gesicbtoaus- 
druck hat etwas Starres, oft Stupides. Das Gesicht ist dunkel ge- 
röthet und gedunsen; von Stirn und Schläfen rieseln Sch weisstropfen her¬ 
ab; die Augen erscheinen glotzend, gerothet und starr auf den Boden 
geheftet; der Mund ist geöffnet, die Athmung beschleunigt, dabei gewöhn¬ 
lich etwas vertieft und hörbar. Die Haltung ist die beim ersten Grade 
beschriebene. Der Gang, anfänglich noch fest und sicher, wird sehr 
bald mühsam und schleppend; der Mann stösst leicht an kleine Hinder¬ 
nisse an und hat augenscheinlich Mühe, sich und seine Last davon zu 
tragen. Es tritt nun alsbald ein Zustand der Erschlaffung und selbst tiefer 
Erschöpfung ein. Dem Manne wird dabei nicht selten schwarz vor den 
Augen, und mit dem Gefühle der Ohnmacht tritt er alsdann, falls er 
noch bei Bewusstsein ist, aus Reihe und Glied heraus, um zur Seite des 
Weges niederzusinken oder sich an den Rand des Grabens zu setzen. 

Es ist dies das bekannte, aber bisher nur wenig beachtete und mit 
Unrecht geringschätzig behandelte Bild des Schlaff Werdens auf dem 
Marsche.*) Ein rechtzeitig eingeführtes Thermometer, welches eine 
Analtemperatur zwischen 39° und 40° C. oder darüber anzeigt, wurde 
den Arzt sofort darüber belehren, dass es sich in der That hier um 
ernste Störungen handelt, welche, im Wesentlichen derselben Art und des¬ 
selben Ursprungs sind, wie der echte Hitzschlag, und sich nur durch ihre 
geringere Schwere und ihre geringere Gefährlichkeit von demselben 
unterscheiden. Schlaffe (Marode) pflegen dem Auftreten von wirklichem 
Hitzschlag auf Märschen in grösserer Anzahl voraufzugehen. Diese 
Vorboten sollen den Truppen stets ein Warnungssignal sein! Man kann 
es nur als ein Glück betrachten, dass diese Leute rechtzeitig erschlafften; 
denn diese Mannschaften, die augenscheinlich für Erkrankung an Hitz¬ 
schlag besonders disponirt sind, schützten sich dadurch gewissermaassen 
gegen diese Gefahr. Von beiden Uebeln ist das Schlaff werden offenbar 
das kleinere. 

*) Selbstverständlich sind hiervon zu trennen die Fälle von Marodewerden 
infolge von wunden und schmerzhaften Füssen, oder infolge von anderen nach¬ 
weisbaren äusseren oder inneren Krankheiten. 


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Ich sagte: „besonders disponirt sind“. Ich komme damit auf eineu 
bisher noch nicht erörterten Punkt Ohne Zweifel giebt es eine Dis¬ 
position, welche den Einen weniger, den Anderen mehr geneigt macht 
sar geschilderten Erkrankung infolge von Ueberhitzung. Nach obigen 
Darlegungen ist diese Disposition zu suchen in einer verschiedenen 
•Erregbarkeit oder, anders ausgedruckt, in einer verschiedenen 
Energie des Centralnervensystems. Personen mit sog. „schwachen“ 
Nerven, welche durch psychische Alterationen leicht erregt werden, 
welche nach geistiger Beschäftigung oder lebhafter Thätigkeit der 
Sinnesorgane leicht ermüden, deren Hautnerven schon gegen Aenderungen 
der Au88entemperatur empfindlich sind, und endlich solche, welche durch 
Abusus 8pirituosorum (Bier, Schnaps), durch den Gebrauch von Narcoticis 
(Morphium, Opium) oder durch zu reichlichen Genuss von Tabak und 
starkem Caffee, wie man sagt, „nervös“ geworden sind, d. h. ein abnorm 
empfindliches und erregbares Centralnervensystem besitzen; diese Per¬ 
sonen müssen als besonders disponirt für das „Schlaffwerden auf dem 
Marsche“ und für die Erkrankung an Hitzschlag angesehen werden. Das 
ganze grosse Gebiet der „Neurasthenie“ (Neurasthenia cerebralis, Nerven¬ 
schwäche) — dieser Modekrankheit der Neuzeit — wurde hiernach das 
Hanptcontingent an Hitzschlag-Candidaten, besonders aus den wohlhabenden 
and gelehrten Gesellschaftskreisen, stellen. — Auf der anderen Seite er¬ 
scheinen Personen mit gesunden Nerven, welche eine gute Ernährung 
and gesunden Schlaf haben, welche mässig in ihren Lebensgenüssen 
and nüchtern sind, — und diese Leute bilden in unserer Infanterie glück¬ 
licherweise die Mehrzahl — sehr wohl befähigt, eine stabile Körper¬ 
temperatur zwischen 39,5° und 40,5° C. etwa eine Stande lang auf dem 
Marsche ohne erhebliche Beschwerden zu ertragen; es wird dies nament¬ 
lich bei solchen Soldaten der Fall sein, welche bereits mehrere Jahre 
dienen nnd an die Erhöhung der Eigenwärme auf Märschen im Sommer 
einigermaas8en gewohnt sind. Es kommt hier noch hinzu, dass bei 
solchen älteren Infanteristen, wie oben bereits ausgeführt wurde, der 
Wärmeregulirangs-Mechanismus der Haut gewöhnlich durch Uebung zu 
einer schnelleren. Steigerung der Wärmeabgabe erzogen worden ist, so 
dass dag Stadium der Ausgleichung zwischen Einnahmen und Ausgaben 
früher erreicht wird und die Körpertemperatur mithin weniger hoch an¬ 
steigt 

Dritter Grad der Erhitzung: Die Körpertemperatur hat 
41,0°C. erreicht und steigt noch weiter in die Hohe (Hitzschlag). 
Die vorher beschriebenen Symptome schreiten weiter fort und nehmen 


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nunmehr einen bedrohlichen Charakter an. Der Mann verliert nach and 
nach das Bewusstsein; za der Eingenommenheit des Kopfes gesellt sich 
Schwindelgefühl, so dass er beim Marschiren schwankt; es wird ihm 
schwarz vor den Augen, er sieht and hört nicht mehr deutlich, so dass 
er auf Fragen nicht mehr antwortet. Die Athmung wird dabei gewöhn¬ 
lich äusserst frequent and oberflächlich, der Pols fliegend and anzählbar. 
Gleichzeitig wird in der Regel die Haut, infolge Erlöschens der Schweiss- 
secretion and Lähmang der Haatgefasse, trocken und cyanotisch. Taumelnd 
bewegt er sich, dem Pflichtgefühl and der Gewohnheit mechanisch fol¬ 
gend, noch einige Schritte weiter, am dann bewusstlos zusammen za 
brechen. Manchmal sind ausgesprochene Gehirnerscheinangen, and 
zwar in der Regel Reizangserscheinungen, damit verbanden, besonders 
Zackangen in einzelnen Maskelgrappen and selbst aasgesprochene Con- 
vulsionen. Aach tetanische Krämpfe in einzelnen Maakelgebieten von über 
24 Stunden Dauer habe ich kürzlich in einem Hitzschlagfalle gesehen. 
Endlich sind bisweilen auch Delirien, grosse psychische Unrahe and Auf¬ 
geregtheit, H&llacinationen, selbst Mania transitoria dabei beobachtet worden. 

Dieses Stadinm der Wärmewirkang auf das Centralnervensystem ist 
bekanntlich immer in hohem Grade lebensgefährlich. Um den todtlichen 
Ausgang der Erkrankang fern za halten, ist es von grosser Wichtigkeit 
erstens, dass die Gefahr frühzeitig erkannt und der Mann aas Reihe 
and Glied herausgebracht wird, and zweitens, dass er möglichst schnell 
bis auf eine niedrigere, ungefährliche Körpertemperatur abgekühlt wird. 
Bezüglich des ersten Punktes habe ich in den alljährlichen Instructionen 
über Hitzschlag den Offizieren und Unteroffizieren meines Bataillons 
dringend anempfohlen, auf Märschen an heissen Tagen, sobald sich eine 
Ermattung der Truppe bemerklich macht, die ihnen unterstellten Leute 
stets im Auge zu behalten, die Einzelnen, insbesondere solche, welche za 
schwanken scheinen, von Zeit zu Zeit laut mit ihrem Namen anzu- 
rafen. Man hat in der Anrufung bezw. im Namensaufruf ein ganz gutes 
Mittel, auf dem Marsche sich davon za überzeugen, ob ein Mann noch 
bei Bewasstsein ist. Schwinden des Bewusstseins ist aber das 
erste Symptom der eintretenden Lebensgefahr. 

Das zweite Erfordemiss anlangend, so habe ich in der früheren Ar¬ 
beit (a. a. 0. Seite 369) ein einfaches and sehr wirksames Abkühlnngs- 
verfahren angegeben, von welchem in dem folgenden Abschnitt II dieser 
Arbeit noch die Rede sein wird. (Schloss folgt.) 


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Sublimat-Papier als Verbandmaterial. 

Von 

Stabsarzt Dr. Goedicke. 


Die in No. 6 1886 dieser Zeitschrift von Stabsarzt Flashar empfohlene 
Verbandtasche wird Viele, als einem wirklichen Bedürfnis entgegen¬ 
kommend, interessirt haben. An Stelle des Kleidertnchs als Verband¬ 
material kann natürlich jedes andere Material benutzt werden. 

Die Priorität des Gedankens, imprägnirtes Papier za Verbandzwecken 
zu benutzen, gebührt meines Wissens Prof. Petersen in Kiel. Seine 
näheren Angaben darüber sind mir aber unbekannt. Seit reichlich einem 
Jahre nun lasse ich mir auf diese Anregung hin in der Apotheke Filtrir- 
Papier mit 2%. Sublimatlosuug unter Zusatz von 5 % Glycerin tränken 
and benutze dieses getrocknet vielfach in der Hospital- und auch der 
Privat-Praxis als antiseptisches Verbandmaterial. 

Dasselbe ist billig, sehr compendiös, bequem zu handhaben und erfüllt 
durch seine stark aufsaugende und völlig aseptische Eigenschaft alle 
Anforderungen, welche man an ein Material für einen ersten Verband 
stellen kann, sofern er kein Dauerverband sein soll. Die Art der An¬ 
wendung ist die, dass man die Wunde je nach der zu erwartenden 
Menge des Secrets mit 2—8 Schichten des Papiers bedeckt und dieses 
mit einer trockenen Binde (am besten Mull oder Cambric) befestigt. 

Als ich die ersten Versuche mit diesem Papier machte, nahm ich 
es nur bei kleineren, genähten Wunden, z. B. gleich anfangs einmal nach 
Ausschälung eines Atheroms auf dem Kopfe bei bestehender Glatze. 
Ich fixirte es nur mit Collodium, darüber wurde eine Perrücke getragen 
und es trat ohne jegliche Reaction prima intentio ein. Da mir mehrere 
Wunden so ohne alle Reaction ‘heilten, wurde ich vertrauensvoller und 
verband damit grössere Wunden, vorzugsweise frische, genähte. So sah 
ich einen Daumen anheilen, welcher durch einen Beilhieb fast ganz 
abgetrennt war, Wunden nach Exstirpation von Drüsenpacketen am 
Halse, nach Exarticulation von Zehen und Fingern heilten reactionslos; 
einmal habe ich sogar eine frische Amputationswunde am Oberschenkel 
damit verbunden und fast völlige prima intentio erreicht. Die Wunde 
war nicht drainirt, nur sehr sorgfältig genäht, auch die Periostlappen 
und die Muskelstümpfe. Der erste Verband war 10 Tage liegen geblieben, 
weil jede Reaction fehlte — ein Verfahren, was ich jetzt übrigens nicht 
mehr beobachten werde, nachdem ich das Material besser kennen gelernt 


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habe. Statt der Drainage Hess ich in der Regel den untersten Wand¬ 
winkel etwas offen. 

Schliesslich verbuchte ich das Filtrirpapier auch bei älteren, schon 
eiternden Wunden als Verbandmaterial, hier kann ich es aber nicht 
empfehlen. Die Wunden waren natürlich vor dem Verbände gehörig 
gesäubert und aseptisch gemacht, ln einem besonders prägnanten Falle, 
einer enormen gerissenen Wunde, durch Ueberfahren entstanden, welche 
vom Knie bis zum Fussgelenk reichte, verband ich, sobald die Wände 
sich gereinigt hatte, mit Papier. Die Kranke, ein 12jähriges Mädchen, 
befand sich vollkommen wohl, Fieber und Schmerzen fehlten gänzlich, 
und so Hess ich den Verband reichlich eine Woche liegen. Als ich ihn 
abnahm fand ich das Papier in der Umgebung der Wunde mit der Haat 
durch eingetrocknete Secrete fest verklebt, über der Wunde das Papier 
feucht, durchtränkt mit seröser Flüssigkeit, unter der Papierschicht einen 
dicken, völlig geruchlosen Eiter, welcher die Wunde bedeckte, die Wunde 
selbst aber vom besten Aussehen ohne entzündliche Reaction, die Ver¬ 
narbung gut fortgeschritten. Nun ist das ja gewiss kein Fall, der zur 
Nachahmung auffordert, er lehrt aber soviel, dass wir mit Sublimat- 
Papier verbundene Wunden im Nothfalle auch einmal längere Zeit un¬ 
berührt lassen dürfen, ohne septische Zersetzung der Secrete zu furchten. 
Dass die Eiterkörperchen zurückgehalten werden und der Eiter condensirt 
wird, liegt natürlich in der Eigenschaft des Materials als Filtrir-Papier. 
Wie ich mich aber in mehreren Fällen überzeugt habe, bleibt der Eiter asep¬ 
tisch. Wie sich die Sache gestalten würde, wenn wir eine frische Schass¬ 
oder tiefe Stichwunde zu verbinden hätten, darüber habe ich keine Erfahrung 
machen können, doch glaube ich sicher, dass eine entsprechend dickere 
Lage Papier im Stande sein würde, die Wundsecrete für 1—2 Tage völlig 
aufzusaugen und die Wunde aseptisch zu erhalten und das ist doch für 
einen Nothverband vorläufig immer die Hauptsache — nach Ablauf dieser 
Zeit wird sich wohl immer Gelegenheit, finden, einen regelrechten 
Danerverband anzulegen. 

Meine Erfahrungen würde ich in die Sätze zusammenfassen: 

1) Mit 2 %o Sublimat]ösung imprägnirtes Filtrirpapier ist ein sehr 
brauchbares Verbandmaterial. 

2) Zum Verband ist nach vorheriger Reinigung der Wunde nur 
Papier, je nach Umständen in zwei- bis achtfacher Lage, und eine Binde 
erforderlich. 

3) Der Verband eignet sich vorzugsweise für frische Wunden. 


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389 


4) Bei complicirten Fingerverletzungen wirkt eine mehrfache Lage 
Papier xngleich immobiliairend. 

5) Der Verband soll im Allgemeinen nur 2—3 Tage liegen bleiben. 

6) In Ermangelung eines anderen antiseptischen Materials können 
auch ältere, schon eiternde Wanden für kurze Zeit mit 8ublimat-Papier 
verbunden und aseptisch erhalten werden. 


Zur Casnistik der perniciösen Anämie in der Armee. 

Von 

Stabsarzt Dr. Grimm in Spandau. 

Sergeant M. vom Schleswig. Inf.-Regt. No. 84 wurde am 21. October 
1885 der inneren Station des Garnison-Lazareths zu Spandau überwiesen, 
naehdem er zuvor vom 25. September ab im Lazareth des Festungs- 
gefäognisses ärztlich behandelt war. M., z. Z. im 30. Lebensjahre, ist in 
Ost'Preussen auf dem Lande geboren. Sein Vater, massig kräftig, ver¬ 
starb im 57. Lebensjahre angeblich an einem Lungenleiden, die noch 
lebende Mutter soll gesund und kräftig sein. Vier Geschwister sind gesund, 
our soll eine ältere Schwester stets bleich ausgesehen, eine jüngere 
Schwester und ein Bruder in den Jugendjahren häufig an Nasenbluten 
gelitten haben. Der Grossvater mütterlicherseits ist geisteskrank ge¬ 
storben. Bluterkrankheit soll in der Familie nie bestanden haben. 

Seine Kindheit verbrachte M. im elterlichen Hause. Im 6. oder 
7. Lebensjahre überstand er Wechselfieber, im achten Masern und im 
neunten eine scharlachartige Krankheit. Als junger Mann litt er zeit¬ 
weise an anhaltendem Nasenbluten, nach welchem er sich stets sehr er¬ 
mattet fühlte. Er sah ständig blass aus und galt bei den Angehörigen 
für krank, obgleich die Ernährung eine gute und kräftige war; nur die 
Wobnungsverhältnisse Hessen zu wünschen übrig. Vom 15.—18. Lebens¬ 
jahre erlernte er die Kürschnerei, ohne hierbei mit Pelzsacben in Be¬ 
rührung zu kommen, deren Zurichtung durch Arsenikbehandlung be¬ 
werkstelligt wurde. Uebermässigen Anstrengungen war er in seiner 
Beruf8thätigkeit nicht ausgesetzt. Vom 18. bis 21. Lebensjahre wurde 
er auf der Unteroffizierschule zu Weissenfels erzogen. Hier hoben sich 
seine Körperkräfte schnell. Er blieb gesund; nur im 2. Dienstjahre trat 
einmal ein so starkes Nasenbluten ein, dass demselben eine tiefe Ohn¬ 
macht folgte. 


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390 


Von 1877 ab stand er 6 Jahre hindurch im Frontdienst in Schleswig. Br 
fühlte sich gesund und kräftig und hatte nur selten kurz dauerndes Nasenbluten. 
Am 1. October 1883 wurde er zum Festungs-Gefangniss in Spandau 
commandirt. Hier bestand seine dienstliche Thätigkeit während der 
ersten 9 Monate hauptsächlich in der Beaufsichtigung der Gefangenen in 
den Arbeitssälen, in denen er sich 9 bis 10 Stunden aufhalten mnsste. 
Auch der übrige Dienst wurde nur in geschlossenen Räumen abgehalten. 

Vom Juli 1884 ab bis zu seiner Erkrankung am 25. September 1885 
wurde ihm der sehr schwierige Aufsichtsdienst über die isolirten Festungs- 
Gefangenen zugetheilt Dieser Dienst wurde in den verschlossenen 
Corridoren, oder in den Isolirzellen, oder im Schulsaale abgemacht, and 
somit dem M. nur wenig Gelegenheit geboten, an die frische Luft za 
kommen. Im ersten Jahre seines Commandos fühlte er sich wohl, 
schon im zweiten traten ab und zu Verdauungsstörungen ein. I>er 
Appetit fehlte und die Stuhlfunction war meist träge. Diese Er¬ 
scheinungen steigerten sich allmälig, er bekam ein bleiches Aussehen, 
fühlte sich nie mehr völlig wohl, wurde leichter müde als früher, litt 
oft an Kopfschmerzen und war ausserdem infolge von Verdriesslichkeiten 
leicht erregt und missgestimmt. Seit Beginn des Jahres 1885 empfand 
er oft Schmerzen und Schwere in den Beinen, bemerkte zeitweise eine 
Schwellung der Fussgelenke; seine Umgebung machte ihn wiederholt 
auf die ständige Zunahme seiner Gesichtsblässe aufmerksam und er selbst 
fühlte sich mehr und mehr abgeschlagen und matt. Endlich am 25. Sep¬ 
tember 1885 konnte er infolge hochgradiger Steigerung der eben an¬ 
geführten Beschwerden nicht mehr seinen dienstlichen Obliegenheiten 
genügen. Er meldete sich krank und fand sofortige Aufnahme in dem 
Lazareth des Festungsgefängnisses, demnächst im hiesigen Garnison- 
Lazareth. 

Als anamnestische Momente will ich noch anführen, dass M. nie 
Erdesser gewesen, nie mit Ziegel- oder Bergwerks-Arbeitern in engere 
Berührung gekommen sein und nie in Gegenden gelebt haben will, in 
denen es auffallend viel bleich aussehende Menschen gab. 

Der im Garnison-Lazareth festgestellte Krankheitsbefund und 
Krankheitsverlauf war folgender: Hervorragende Blässe des Mannes; 
die Haut hatte ein wachsartiges, leicht durchscheinendes Aussehen mit 
einem Stich ins Grüngelbliche, was besonders am Lippenroth und den 
Fingern hervortrat Die sichtbaren Schleimhäute waren sehr bleich and 
schienen völlig blutleer. An der Conjunctiva bulbi fiel ein matter 
Glanz mit einer leichten Gelbfärbung auf. Das Gesicht schien gedunsen. 


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— 391 — 


Hydropische Erg aase der serösen Hohlen waren nie nachweisbar. 
Deutliche Oedeme traten erst in der letzten Zeit der Krankheit constant 
auf and beschränkten sich aaf Fasse and Unterschenkel, an denen sie 
meist am die Malleolen sichtbar waren. Der Ernährungszustand war 
dürftig, der Mann stark abgemagert and das Fettpolster nur spärlich vor¬ 
handen. 

Der Mann fühlte sich sehr hinfällig and konnte fast nur in der 
Bettlage verbleiben, denn beim Aufsichten traten leicht Schwindelanfälle 
und Ohnmächten ein. Vielfach bekundete er Apathie gegen Alles in der 
Umgebung and seine matten Blicke Hessen deutlich Uebermüdung und 
.Schwäche erkennen. Das Denken ging langsamer von Statten, wie 
es bei ihm sonst wohl der Fall war, und Kopfschmerzen von grosser 
Heftigkeit plagten ihn ständig. Häufig störte ein lästiges starkes Herz¬ 
klopfen den Schlaf und erzeugte Schmerzgefühl in der Herzgegend. DieHerz- 
thitigkeit war meist frequent und veränderUch. Der Puls klein, weich, leicht 
wegdruckbar, 100—120 Schläge in der Minute, sein Rhythmus ungestört. 
Der dpitzenstoss, im fünften Intercostalraum etwa in der Mitte zwischen 
Brustwarzenlinie und Brustbeinrand am deutlichsten fühlbar, erzeugte 
wellenförmige Bewegungen, welche von der Brustwarze bis zum Brust¬ 
beinrande sichtbar waren. Eine besondere Hervorwolbung der Anschlag¬ 
stelle bestand nicht Durch Palpation war eine Verstärkung oder Ver¬ 
breiterung des Spitzenstosses nicht wahrzunehmen, nur fühlte man zu¬ 
weilen an einzelnen Stellen des Herzens ein ganz leichtes Schwirren. 
Eine Erweiterung der Herzdämpfung nach links oder rechts hin liess sich 
nicht constatiren. Bei der Auscultation hörte man am Spitzenstoss, sowie 
an allen vier Ostien beide Herztone deutlich, den zweiten Ton etwas 
verstärkt, daneben aber überall bei der Systole ein sehr lautes anä¬ 
misches Blasen, am deuüichsten über der Pulmonalis, mit einem weichen 
schlürfenden Charakter. 

An den grossen Halsgefässen sah man fortdauernd ein heftiges 
Pulsiren und^ horte über den Arterien blasende systolische Geräusche 
und über den Venen, welche nie besonders geschwollen waren, ein 
lautes Nonnensausen (bruit de diable.) Die blasenden systoHschen Ge¬ 
räusche konnte man auch an der Arteria temporalis und cruralis 
deutlich wahrnehmen, während dieselben in den Handtellern und an 
den Fusssohlen nicht beobachtet wurden. An den grossen Halsgefässen 
waren die Geräusche als ein deutliches Schwirren fühlbar. Der Mann 
klagte ständig über sausende Geräusche in den Ohren, die besonders 
links häufig so stark wurden, dass sie die Horfähigkeit beeinträchtigten. 



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392 


Die Re8piration8organe zeigten keine Abweichung von der Norm. 

In der Magengrube verspürte der Mann stets ein wehes Gefühl and 
nach Genuss von Speisen ein Rollen und Poltern im Magen. Die Magen- 
gegend war nie aufgetrieben, eher eingesunken. Die Palpation ergab 
Druckempfindlichkeit, die Percussion zeigte keine Ectasie. Nach ein¬ 
genommener Mahlzeit empfand der Mann Schwere im Magen, litt aber 
nicht an Aufstossen. Der Appetit lag meist darnieder. Wurden Speisen 
ausnahmsweise mit Appetit gegessen, so traten Uebelkeiten und Erbrechen 
fast nie ein, wurden sie aber, wie das fast immer der Fall war, wider- 
willig genommen, so zeigten sich diese Erscheinungen sofort. Zeitweise 
trat auch spontanes Erbrechen ein, insonderheit nach Anstrengungen. 
Unmittelbar nach dem Erbrechen hatte der Mann oft ein starkes Hunger¬ 
gefühl. Zuweilen quälte ihn anhaltendes Uebelsein und zwar mehr in 
den Abend- als in den Morgenstunden. Das Erbrochene enthielt meist 
Speisereste und zähe gallig gefärbte Schleimmassen, aber nie Blotbei¬ 
mengungen. Durch das Mikroskop konnten in dem Erbrochenen nie 
andere als den Speiseresten und Schleimmasseu Angehörige Bestandtheile 
aufgefunden werden. Die Zunge war bei dünner Epitheldecke meist 
schwach belegt. Ueber Empfindlichkeit derselben, wie auch über Wund¬ 
sein im Munde wurde erst gegen Ende der Krankheit geklagt, ohne dass 
sich Erosionen nachweisen Hessen. 

Der Stuhlgang blieb trage und konnte bis auf wenige Ausnahmen 
nur durch Infusionen erzielt werden. Faeces meist fest und knollig, 
normal gefärbt, ohne Blutbeimengungen. Eier von Ankylostoma wurden 
nie entdeckt, auch nicht nach Extract. filic. maris oder Kosso. 
Eine Steigerung der Speichelabsonderung bestand nie, ebensowenig Nei¬ 
gung zum Genüsse absonderlicher Dinge. Die Leberdampfung reichte 
in der Axillarlinie bis zum 7., in der Brustwarzenlinie bis zum 6. Zwischen* 
rippenraume, in der Parasternallinie bis zum unteren Rippenbogen, nach 
links hin etwa 1 cm über die linea alba hinweg. !Die Milzdämpfung 
begann in der Axillarlinie an der 7. Rippe und erreichte nach unten 
hin den Rippenbogen. Ihr Durchmesser betrug 12 cm. Urin in Menge 
und Farbe normal, frei von Eiweiss und Gallenfarbstoff. Die Körper¬ 
temperatur war nie erhöht. Schweisse und Durstgefühl fehlten. Die 
Haut zeigte geringe Talgabsonderung und neigte mehr zur Trockenheit 
Zeitweise empfand der Mann heftige Schmerzen an verschiedenen Körper- 
stellen, eine Zeit lang besonders in der rechten Ferse. Er bezeichnet® 
als deren Sitz die Knochen. 

Wiederholt traten reichliches Nasenbluten und Blutungen aus dem 


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Zahnfleische ein. Petechien der Haut fehlten, dagegen wurden Retinal- 
Hämorrhagien wiederholt nachgewiesen. Dieselben zeigten sich besonders 
io der Nähe des Sehnerveneintritts längs der Gefässe als kleine unregel¬ 
mässig gestaltete, hellroth gefärbte Blutaustritte. Seit Beginn der 
schweren Krankheitserscheinungen batte der Mann eine Abnahme seiner 
Sehkraft bemerkt. Vorgehaltene Schrift vermochte er nur mit Muhe 
io lesen, angeblich weil ihm die Scbriftzeichen bald verschwanden, und 
auch grossere Schriftzeichen war er ausser Stande in weiterer Entfernung 
zu erkennen. Richtete er seinen Blick längere Zeit angestrengt auf 
einen Gegenstand, so trat in der Regel ein Flimmern vor den Augen 
ein. Das dem Körper frisch entnommene Blut war heller als normal 
ood schied sich bald in eine zum grössten Theile seröse, zum kleineren 
blutig gefärbte Masse. Die mikroskopische Untersuchung des Blutes 
leigte im Gesichtsfelde eine Vermehrung der weissen Blutkörperchen, so¬ 
wie veränderte Grösse und Form der rothen Blutkörperchen; die Grösse 
derselben war sehr ungleich, die Gestalt oval oder zeigte die Pessarien-, 
Keulen- oder Pilzform. Geldrollenbildung wurde vermisst. Schliesslich 
sah man im Gesichtsfelde noch eine Anzahl unregelmässig gestalteter, 
theils vereinzelter, theils .zusammenliegender Plättchen und zuweilen auch 
rothe Blutkörperchen, welche schon zum Theil zerfallen waren. 

Während des ganzen Krankheitsverlaufes traten diese eben angeführten 
Erscheinungen bald im grösseren, bald im geringeren Umfange zu Tage. 
Eine kurze Zeit lang schien die Krankheit sich zum Bessern wenden zu 
wollen, denn der Appetit begann sich zu heben und die Kräfte insoweit 
zu bessern, dass der Mann einige Stunden am Tage das Bett verlassen 
und auf dem Krankenstuhle sitzend zubringen konnte. Allein die 
Kachexie und der progressive Charakter der Krankheit machten sich 
bald wieder geltend. In den letzten Wochen seines Lebens nahm die 
Nahrungsaufnahme stetig ab und war schliesslich eine ganz geringe. 
Der Mann glich zuletzt mehr einem Todten als einem Lebenden. 

Vier Tage vor seinem Tode stellte sich plötzlich eine ganz erhebliche 
Schwerhörigkeit ein; der Mann fühlte eine derartige Mattigkeit, dass er 
nicht vermochte die Arme zu heben und leichte Gegenstände mit den 
Händen zu halten. Bald darauf trat Benommenheit des Sensoriums und 
Somnolenz, an den folgenden Tagen auch Coma ein. Der Puls wurde 
fadenförmig und fehlte zuweilen ganz. Unter Zunahme dieser Er¬ 
scheinungen am 10. 2. 86 Exitus letalis. 

Die Obduction wurde seitens der Angehörigen versagt. 

Nach dem im Vorstehenden gegebenen Krank hei tsbilde unterliegt es 


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wohl keinem Zweifel, dass wir es hier mit einer perniciosen Anämie zu 
thnn haben. Die fast dieselben Krankheitserscheinangen verursachende 
Ankylostomiasis ist sicher auszuschliessen, denn die leicht za er¬ 
kennenden Bier des Ankylostoma wurden weder in den Faeces, noch 
in den erbrochenen Massen gefunden. Auch fehlte jeder anamnestische 
Anhaltepnnkt für dieses Leiden. Ebenso konnten diese Erscheinungen 
weder durch ein chronisches Magengeschwür, noch durch Krebs bedingt 
sein, weil die für diese Krankheiten specifischen Magensymptome völlig 
mangelten. Endlich ist die Annahme einer Herzkrankheit auszuschliessen, 
weil das Blasen stets ein systolisches blieh und an allen vier Ostien, am 
1 autesten über der Lungenarterie, neben den Herztonen gehört warde, und 
die Herzdämpfung nicht vergrossert war. 

Für die Entstehungsweise und weitere Entwickelung der Krankheit 
giebt die Anamnese genügende Anhaltepunkte. Durch diese erfahren wir, 
dass M. nie ein besonders kräftig entwickelter Mensch war, sowohl 
in den Jugend- wie auch in den späteren Lebensjahren vielfach an 
Nasenbluten litt and meist bleich aussah, ferner bei seinem Commando 
im Festnngsgefängni88 nicht allein anstrengende dienstliche Verrichtungen 
zn versehen batte, sondern auch gezwungen war, dieselben in geschlossenen 
Gefangenenräumen zu thun, dabei vielfachen Verdriesslichkeiten und Er- 
regungen ausgesetzt war and nnr selten an die frische Lnft kommen 
konnte. 

Der Mann neigte von Jugend auf zur Anämie nnd war während 
seines Commandos zum Festungsgefängniss einer Summe von Einflüssen 
ausgesetzt, die für ihn zu ebensoviel Schädlichkeiten wurden. Es scheint 
zweifellos, dass letzterer Umstand günstige Bedingungen für einen erneuten 
Ausbruch und die weitere Entwickelung der Anämie gab, und schliesslich 
deren Endstadium, die perniciöse Anämie, herbeiführte. 


Referate und Kritiken. 


Die transportable Lazarethbaracke mit besonderer Berücksichtigung 
der von Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Augusts hervor« 
gerufenen Baracken-Ausstellung in Antwerpen im September 1885. 
Herausgegeben von Generalarzt 1. Classe Professor Dr. v. Lange abeck, 
Generalarzt 1. Gasse Dr. v. Coler und Stabsarzt Dr. Werner. Mit 
24 litbogr. Tafeln und Holzschnitten im Text. Verlag von A. Hirsch¬ 
wald in Berlin 1886. 

Von einem Werke, dessen Widmung Ihre Majestät die Kaiserin 
angenommen hat, lässt sich von vornherein annehmen, dass es formell 


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wie inhaltlich hohen Ansprüchen genügen werde. Es ist bekannt, dass 
seitens der Internationalen Conferenz der Gesellschaften vom Rothen Kreuz 
xu Genf 1884 ein von Ihrer Majestät der Kaiserin bewilligter namhafter 
Preis für das beste Modell einer transportablen Lazarethbaracke ausgesetzt 
war.*) Die Baracken erschienen in stattlicher Anzahl auf der Antwerpener 
Ausstellung im September 1885, deren Ergebnis die Zeitschrift seiner 
Zeit mitgetheilt hat.**) Vorliegendes Werk nimmt den Bericht über diese 
Concurrenz zum Ausgangspunkt, um die ganze Barackenfrage in ihrer 
ausserordentlichen Bedeutung für Feldverhältnisse wie für Seuchen im 
Frieden gründlich zu beleuchten. Hierbei ergab es sich von selbst, auch 
die Entwickelung der immobilen Baracke in einem historischen Rückblick 
zur Anschauung zu bringen; und dieser, bei dem Mangel jeder Litteratur 
besonders schwierigen Aufgabe ist die Bearbeitung in einer Weise gerecht 
geworden, wie es die Namen der Verfasser a priori erwarten liessen. 
Es ist erstaunlich zu sehen, wie viele der in neuerer Zeit erfundenen 
Vervollkommnungen in Bau und hygienischer Vorsorge bereits vor langen 
Jahren in Einzelfallen bekannt gewesen und zur Anwendung gekommen, 
aber der Vergessenheit anheimgefalien sind. Indem diese militärärztliche 
Studie zum ersten Mal alle Errungenschaften früherer Zeit nebst den 
neuesten, durch die Ausstellung bekannt gewordenen technischen Fort¬ 
schritten sammelt, sichtet, kritisch beleuchtet und in zahlreichen, sehr 
guten Abbildungen vor Augen führt, schafft sie ein Fundament, auf dem 
für lange Zeit Jeder stehen wird, der diesen Dingen näher zu treten hat. 

Die genauere Analyse des Werkes ist einer bewährten technischen 
Kraft Vorbehalten. Zweck vorstehender Zeilen war es, im Interesse des 
Heeres-Sanitätswesens auf die hohe Bedeutung einer Arbeit aufmerksam 
tu machen, welche in ihrer Art ohne Vorgang ist. — . — 


Zeitschrift^für Hygiene: Herausgegeben von Dr. R. Koch und 
Dr. C. Flügge. Erster Band, erstes Heft. Mit 10 Abbildungen im 
Text und 3 Tafeln. Leipzig, Verlag von Veit u. Comp. 1886. 

Das Erscheinen obiger Zeitschrift ist als ein Tagesereigniss ersten 
Ranges für die mediciniscbe Wissenschaft zu bezeichnen: trägt sie doch 
die Namen der beiden grössten Bacteriologen der Gegenwart auf ihrem 
Titelblatt! — Am freudigsten wird das Werk von allen Hygienikern 
begrüsst werden, welche der Koch’schen exacten Schule angehören. 
Für diese stellt es gewissermaassen ein Centrum aller einscbläglichen 
Bestrebungen dar und bietet Gelegenheit, die gemeinsamen literarischen 
Erzeugnisse wie in einem Brennpunkte zu vereinigen. Welche Vortheile 
sich hieraus aber wiederum für die Gesammtwissenschaft ergeben, bedarf 
keiner besonderen Betonung. 

Die Zeitschrift wird mit einem Vorwort: „Zur Einführung“ ein¬ 
geleitet, in welcher der Standpunkt der Herausgeber und die Tendenz 
des Unternehmens selbst klar und präcise dargelegt sind. Der Wichtigkeit 
der Sache wegen und um den Leser völlig zu orientiren haben wir geglaubt, 
diese „Einführung 0 im Wortlaut wiedergeben zu sollen: 

„Die hygienische Lehre und Forschung hat innerhalb des letzten 
Jahrzehnts eine bedeutungsvolle Umwandlung dadurch erfahren, dass neben 

*) cf. Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1884 S. 620 u. 1885 S. 142. 

**) 1885 S. 507. 


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der empirischen Beobachtung, welche bis dahin fast ihre ausschliessliche 
Basis bildete, mehr und mehr die Methode der naturwissenschaftlichen 
Beobachtung und des Experiments zur Lösung der mannigfaltigen und 
schwierigen hygienischen Aufgaben herangezogen wurde. Durch die 
Begründung eigener Institute ist es seit Kurzem möglich geworden, in 
der neuen Richtung energisch und erfolgreich vorzugehen; und es ist 
vorauszusehen, das$ fortan in rasch steigender Zahl experimentelle Unter¬ 
suchungen hygienischer Fragen unternommen werden. 

Im engen Anschluss an diesen Zuwachs neuer Methoden wird aber 
auch die Form der Mittheilungen hygienischer Arbeiten zum Theil eine 
andere werden müssen. Experimentelle Untersuchungen lassen eine 
genaue Mittheilung der Methode und der Versuchsprotokolle wünschens¬ 
wert erscheinen, da ohne solche eine Cootrole und Vergleichung mit 
anderen Versuchsreihen unmöglich wird; Publicationen speciell bacterio- 
logiscben Inhalts erfordern ferner oft eine Erläuterung durch schwierig 
herzustellende Abbildungen, z. B. durch Photogramme, welche allein 
zur Wiedergabe absolut naturgetreuer Bilder geeignet sind, oder durch 
8orgfältigst ausgeführte lithographische Tafeln, in welchen feinere 
morphologische Details entsprechenden Ausdruck finden. 

Derartige Mitteilungen experimentell gewonnener Resultate wurden 
in letzter Zeit oft in notgedrungener Kürze in den wöchentlich erschei¬ 
nenden Fachjournalen oder aber in grösserer Ausdehnung in einzelnen 
Broschüren veröffentlicht, somit in einer Form, welche dem Interesse des 
Autors so wenig wie dem des Publicums entspricht. Die „Zeitschrift für 
Hygiene u soll in dieser Beziehung ergänzend eintreteu, indem sie auch 
Versuchsprotokollen, Tabellen und erläuternden Abbildungen ausreichend 
Raum gewährt und dadurch der Erweiterung des Arbeitsgebiets der 
Hygiene im vollsten Maasse Rechnung trägt. 

Unter den einer experimentellen Behandlung zugänglichen Gapiteln 
der Hygiene ist gegenwärtig die Bacteriologie in den Vordergrund des 
Interesses gedrängt; und da dieses Gebiet gleichzeitig ein neubebautes und 
ungemein ertragsfähiges Terrain darstellt, so ist es wohl verständlich, 
dass in den nächsten Jahren auch in der „Zeitschrift für Hygiene 44 
grös8tentheils Arbeiten bacteriologischen Inhalts erscheinen werdeo. 

Von vornherein möchten wir aber der irrthümlichen Anschauung 
entgegen treten, dass die Zeitschrift einen specifisch bacteriologischen 
Charakter tragen solle; so wenig wie die Hygiene in der Bacteriologie auf- 
zugehen bestimmt ist, ebensowenig wird die „Zeitschrift für Hygiene 44 einen 
einseitigen Standpunkt vertreten. Sie hat vielmehr die Aufgabe, Arbeiten 
aus allen Theilen der Experimentalhygiene, aus der hygienischen Statistik 
und aus der öffentlichen Gesundheitspflege io gleicher Weise Raum zu 
gewähren. Ihr Ziel ist die Förderung exacter wissenschaftlicher 
Arbeit auf dem ganzen Gebiete der Hygiene 44 . — 

Das erste Heft enthält folgende Arbeiten: 

1) W. Wyssokowitsch, Ueber die Schicksale der ins Blut injicirten 
Mikroorganismen im Körper der Warmblüter. Mitgetheilt von C. Flügge 
(hierzu Tafel I); 

2) R. Deneke, Ueber die Bestimmung der Luftfeuchtigkeit zu 
hygienischen Zwecken. Mitgetheilt von C. Flügge; 

3) Meade Bolten, Ueber das Verhalten verschiedener Bacterienarten 
im Trinkwasser. Mitgetheilt von C. Flügge; 


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4) Paal Liborius, Beiträge zur Kenntniss des Sauerstoffbedürfnisses 
der Bacterien. Mitgetheilt von C. Flügge (hierzu Tafel II und III.); 

5) W. Hesse, Ueber Wasserfiltration. 

Die ersten vier Arbeiten sind in dem hygienischen Institut zu Gottingen 
entstanden; iur das zweite Heft wird eine Anzahl einschläglicher Arbeiten 
aas dem gleichen Institut zu Berlin in Aussicht gestellt. 

Die ,.Zeit8chrift für Hygiene“ erscheint in zwanglosen Heften von 
8 bis 10 Druckbogen Stärke, von den denen 3 bis 4 einen Band bilden. 
Die Verpflichtung zur Abnahme erstreckt sich auf einen Band; 
einzelne Hefte werden nur soweit überzählig vorhanden und zu erhöhtem 
Preise geliefert. — 

Indem wir uns für heut mit dieser Ankündigung der neuen Zeitschrift 
begnügen, behalten wir uns unserer Aufgabe gemäss die Besprechung 
der in derselben niedergelegten wichtigeren Arbeiten rein bacteriologischen 
Iohalts für später vor. Pfuhl (Hamburg). 


Organisation, Ergänzung, Verwendung und Ausbildung des 
niederen Sanitätspersonals der Landarmee in Deutschland, Russ¬ 
land, Oesterreich-Ungarn, England, Frankreich, Italien und der Schweiz 
nach den in den einzelnen Armeen bestehenden Bestimmungen etc. 
zusammengestellt von Dr. Grimm, Stabs- und Bataillonsarzt des 
Füsilier-Bataillons 4. Garde-Regiments z. F. 

Die vorliegende Arbeit, welche das 3. und 4. Heft des Beiheftes zum 
Militär-Wochenblatt 1886 (Seite 83 bis 193) ausfüllt, muss als ein sehr 
dankenswerter Beitrag zur Kenntniss der Gestaltung des Heeres-Sanitäts- 
wesens der europäischen Grossstaaten bezeichnet werden, zumal nur ein 
diese gesammte Materie freilich sehr eingehend, aber mehr vom militärisch - 
geschichtlichen Standpunkte aus, behandelndes Werk, das von Knorr, 
vorhanden ist, wohingegen Berichte über das Sanitätswesen einzelner 
Staaten Bich mehrfach besonders in unserer Zeitschrift vorfinden. Verf. 
behandelt zuerst das niedere Sanitätspersonal Deutschlands excl. 
Bayerns — Lazarethgehülfen, Krankenwärter, Krankenträger und Hüils- 
krankeuträger — an der Hand der bestehenden Bestimmungen und In¬ 
structionen. In Betreff der Krankenträger wünscht G., dass jedem aus- 
zubildenden Mann ein Unterrichtsbuch in die Hand gegeben werde, ferner, 
dass die Zahl der praktischen Uebungen sowohl am Feld-Sanitätsmaterial 
wie auch im Terrain vermehrt würden, und endlich, dass sie während 
der Ausbildung für kurze Zeit an ein Lazareth commandirt werden 
möchten. In Bayern ist erst seit März 1879 die Ausbildung des niederen 
Sanitätspersonals fast dieselbe geworden wie in der übrigen deutschen 
Armee. Indess besteht für jedes der beiden bayerischen Armee-Corps 
noch je eine Sanitätscompagnie in Verbindung mit einer K ranken wärter- 
abtheilung als ein integrirender Bestandtheil des Train-Bataillons. Die 
Mannschaften dieser Sanitätscompagnien erhalten nur eine Sanitätsaus¬ 
bildung als Krankenträger, im Uebrigen haben sie noch den Wach- und 
Arbeitsdienst beim Train-Bataillon zu versehen und nur ausnahmsweise 
dürfen sie im Bedarfsfälle als Krankenwärter in ein Lazareth comman¬ 
dirt werden. Im Felde bilden sie ausschliesslich das Krankenträger- 
personal der Sanitäts-Detachements. Hülfskrankenträger werden nicht 
nur bei der Infanterie, den Jägern und der Cavallerie, sondern auch bei 

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der Artillerie, dem Pionier-Bataillon nnd der Eisenbahn-Compagnie aus- 
gebildet. 

Die Rassische Armee hat drei Classen niederen Sanitätspersonals: 
Feldscheere, Hospitaldiener nnd Sanitäre. Die Feldscheere, die unter 
allen Verhältnissen allein der militärischen Commando- nnd Disciplinar- 
gewalt unterstellt sind, nnd deren es pro Bataillon im Frieden 6, im 
Kriege bis 20 giebt, ergänzen sich aus Mannschaften, welche ein soge¬ 
nanntes Progymn&8inm (gute Elementarschule) durchgemacht haben nnd 
alsdann drei Jahre in Feldscheerschulen, deren es drei .giebt, ausgebildet 
sind. Sie erhalten in diesen Feldscheerschulen Unterricht in Religion, 
Mathematik, Geographie und Geschichte, Latein, Physik, Anatomie, 
Physiologie, Pathologie und Therapie, Hygiene u. 8. w., kurz eine 
Halbbildung aus allen möglichen Gebieten. Während der Ferienzeit 
werden sie behufs Erlernung des Truppen - Sanitätsdienstes den ver¬ 
schiedenen Feldlagern zugetheilt. Nach absolvirtem Examen treten sie 
als Feldscheere niederer Ordnung (Unteroffiziere) zu den Compagnien etc. 
oder sie werden Hospitälern zugetheilt. Ausser diesen „gelehrten“ Feid- 
scheeren werden aus Mannschaften des zweiten Dienstjahres je nach 
Bedarf befähigte Soldaten auf drei Jahre behufs praktischer und theore¬ 
tischer Ausbildung in ein Lazareth commandirt, sogenannte Feldscheer- 
schüler der Truppe, um nach Absolvirung des Cursus gleichfalls als Com- 
pagniefeldscheere eingestellt zu werden. Die Hospitaldiener werden etwa 
unseren Krankenwärtern analog und die Sanitäre ganz nach dem Master 
unserer Krankenträger ausgebildet und verwendet, nur besteht die gewiss 
sehr empfehlenswerthe Einrichtung, dass während der Regiments- nnd 
Brigade-Uebungen praktische Krankenträger-Uebungen ausgefuhrt werden. 

Oesterreich-Ungarn besitzt eine Sanitätstruppe, welche im Frieden 
in das Sanitätstruppen-Commando und 26 Sanitäts-Abtheilungen zerfallt, 
die von Sanitätstruppen-Offizieren (Hauptleuten) befehligt werden. Sani¬ 
tätsoffiziere gehören weder im Frieden noch im Kriege zum Stande der 
Sanitätstruppe. Die Ergänzung der Sanitätsmannschaft im Frieden erfolgt 
hauptsächlich durch Einstellen von für die Sanitätstruppe ausgehobenen 
Ersatzrekruten, durch Versetzen von geeigneten Mannschaften aus anderen 
Truppenkörpern, sowie durch Eintritt von Freiwilligen und Einjährig- 
Freiwilligen. Die Ausbildung zerfällt in die militärische und in die fach¬ 
technische: erstere dauert vier bis sechs Wochen, alsdann tritt der Sani¬ 
tätsrekrut in die Mannschaftsschule, macht dort einen drei- bis vier¬ 
monatlichen Curaus durch, um alsdann dem Militärspitale seiner Abtheilung 
zur Verwendung überwiesen zu werden. Zu Unteroffizieren werden be¬ 
fähigte Leute in Unteroffizierschulen ausgebildet; ihre Auswahl trifft der 
Sanität8abtheilungs-Commandant. 

Für den Krieg wird die Sanitätstruppe durch Sanitäts-Feldübungen, 
sowie durch Erlernung der Grundzüge des praktischen Pionierdienstes 
herangebildet. Aus den Einjährig-Freiwilligen sollen die Reserveoffiziere 
für die Sanitätstruppe hervorgehen. Im Frieden findet die Sanitätstruppe 
hauptsächlich in den Garnisonspitälern Verwendung, ferner liegt ihr der 
Transport der Erkrankten in die Sanitätsanstalten, sowie der Sanitäts- 
Hülfsdienst in Lagern, auf Märschen u. 8. w. ob; im Kriege wird sie bei 
den Divisions-Sanitätsanstalten, Feldspitalen,Eisenbabn-Sanitätszügenu. s. w. 
verwendet Ferner gehören zu dem niederen Sanitätspersonal die militär¬ 
ärztlichen Eleven, Candidaten der Medicin, welche während der ein¬ 
jährigen Dienstzeit eine gewisse fachtechniscbe Ausbildung als Militärärzte 


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erhalten. Endlich werden zum niederen Sanitätsdienst bei der eigenen 
Trappe noch Blessirten- und Bandagenträger aasgebildet Die Ausbildungs¬ 
zeit währt vom October bis April, während welcher Zeit sie keinenei 
Dienst bei der Truppe thun, hingegen auf zwei bis drei Monate zu den 
Trappenspitälern commandirt werden. 

Auch in England besteht für den niederen Sanitätsdienst der Land¬ 
armee ein in sich abgeschlossener Truppentbeil, das Army-hospital-corps, 
dessen Mitglieder aber — Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften — 
den Sanitätsoffizieren (Arroy-medical-officers) unterstellt sind. Das Army- 
hospital-corps ergänzt sich durch freiwilligen Uebertritt von Unteroffi¬ 
zieren und Mannschaften der Truppen und durch Anwerbung von Rekruten, 
und zwar werden Alle erst sechs Monate auf Probe eingestellt. Ihre Aus¬ 
bildung erfolgt in der Training-school im Lager zu Aldershot sowohl als 
Lazarethgehülfen, wie als Krankenträger, Koche, Wäscher, Schreiber u. s. w. 
Nach erfolgter Ausbildung werden Unteroffiziere und Mannschaften in 
den Lazarethen je nach Geschick und praktischer Befähigung in den 
eiozelnen Dienstzweigen beschäftigt. Als Truppen-Eirankenträger im 
Felde hat jede Compagnie zwei dazu ausgebildete Mannschaften. Für 
den niederen Sanitätsdienst bei der Truppe im Frieden werden nur aus¬ 
nahmsweise Mannschaften des Army-hospital-corps commandirt, sonst 
liegt derselbe ausschliesslich den mit dem Truppendienst beauftragten 
Sanitätsoffizieren ob. In den General-hospitals und anderen grosseren 
Lazarethen sind officiell Krankenpflegerinnen (Nurses) angestellt, welche 
in disciplinarer Beziehung einer Lady Superintendent resp. der Lady 
Soperintendent-General of nurses unterstellt sind. Die Krankenwärter 
haben den Nurses Folge zu leisten. 

In Bezug auf die Organisation des niederen Sanitätspersonals in 
Frankreich und Italien schliesst sich Verfasser eng den in der Zeit¬ 
schrift veröffentlichten Arbeiten Kortin g’s (1884, S. 341) und Kern’s 
(1885, S. 9) an. Wir können uns daher, um Wiederholungen zu ver¬ 
meiden, darauf beschränken, auf diese bezw. auf das Original zu ver¬ 
weisen. 

Die Schweiz besitztauch eine Sanitätstruppe, die aber ebensowenig 
wie die übrige Schweizerische Armee ein stehender Truppenkörper ist. 
Die Sanitätstruppe steht unter der Befehls- und Disciplinargewalt der 
Sanitätsoffiziere und ergänzt sich durch eigens für sie aasgehobene 
Rekruten. Dieselben werden in 11 (I) Tagen militärisch ausgebildet, um 
alsdann in den Sanitätsrekruten-Schulen, deren es 12 giebt, während fünf 
Wochen durch Sanitätsinstructoren (Militärärzte) ihre fachtechnische Er¬ 
ziehung zu geniessen. Je nach Befähigung werden die Mannschaften 
nach Schluss des Cursus in Krankenwärter und Krankenträger getheilt. 
Entere machen noch einen dreiwöchentlichen Cursus in einem Civilspital 
durch und sind die eigentlichen Arztgehülfen, während die Krankenträger 
zum Verwundetentransport und als Gehülfen der Krankenwärter dienen 
sollen. Specialcurse für die Unteroffiziere der Sanitätstrappe, Wieder- 
holangscurse für die Mannschaften, grössere Feld-Sanitätsübungen, sowie 
häufige praktische Sanitätsübungen am Material und im Terrain vervoll¬ 
ständigen die Ausbildung. 

Das Studium des sehr gewandt und übersichtlich zusammengestellten 
Werkes kann allen Cameraden dringend empfohlen werden. Ist doch 
die Ausbildung des niederen Sanitätspersonals ein gewiss nicht zu unter¬ 
schätzender Factor bei der Beurtheilung der Leistungsfähigkeit des ge- 

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sammten Heeres-Sanitätswesens eines Staates, und kein deatscber Militär¬ 
arzt wird es sich verhehlen können, dass insbesondere die Ausbildung 
unserer Lazarethgehülfen noch so mancher Verbesserung fähig sein 
durfte. GoebeL 


Dr. Ludwig Schaffer, k. k. Regimentsarzt etc. „Die Hygiene und 
Aesthetik des menschlichen Fusses.“ (Wien 1886, Wilhelm 
Braumüller.) 

Die Frage nach einer rationellen Fussbekleidung hat neuerdings, be¬ 
sonders in militärischen Kreisen, ein hervorragendes Interesse gewonnen, 
und jeder von berufener Hand stammende literarische Beitrag zu dieser 
Frage wird mit Freuden begrüsst. So auch das auf reichhaltiger praktischer 
Erfahrung und eingehendem theoretischen Studium basirte, obenbezeich- 
nete Werk, das eine Fülle interessanten Materials enthält. Sch. giebt da¬ 
rin zunächst einen kurzen geschichtlichen Ueberblick über die Entwicke¬ 
lung einer menschlichen Schuhform und kritisirt scharf die auf diesem 
Gebiet noch jetzt herrschende Indolenz und Modetyrannei. Er kommt 
dann zu einer Betrachtung der Anatomie des Fusses und der Mechanik 
seiner Functionen. Er charakterisirt den Fuss als einen complicirteo 
zweiarmigen Hebel, in einer im Original naher zu studirenden Analysiruog 
der einzelnen Theile desselben. Die einheitliche Mechanik des Fusses 
geht mit stetigen Formveränderungen desselben einher, die für die Con- 
struction der mechanischen Fusshülle entscheidend sind. Die Füsse nennt 
er „untere Hände“ und verlangt für die grösse Zehe die Bewegungsmog- 
lichkeit des Daumens. Der Fuss verdient Beachtung nicht nur als Be¬ 
wegungsorgan, sondern auch deshalb, weil durch die Mechanik des Gehens 
das Gesammtskelett, und fast alle Muskeln mit in Thätigkeit versetzt 
werden. So können durch das Balancement des durch hohe Absätze 
unrichtig unterstützten Körpers Krümmungen der Wirbelsäule entstehen, 
die, zumal beim weiblichen Geschlecht, durch Beeinflussung der Becken- 
organe schlimme Folgen haben können. 

Den dann folgenden, in Anlehnung an das Werk von Burmeister 
ziemlich breit ausgeführten Betrachtungen über die Aesthetik des Fasses 
wollen wir hier nicht nachgehen; denn die Gesichtspunkte der Aesthetik 
kommen für militärische Verhältnisse erst in letzter Instanz in Betracht, 
und die etwas kühnen Schlussfolgerungen, dass man aus Fuss- und Schuh¬ 
werk Schlüsse auf Charakter und Intelligenz des Besitzers ziehen könne, 
wären auf militärischem Gebiete absurd. 

Sehr interessant sind dagegen die Darstellungen der praktischen 
Seiten der Erzeugung und Conservirung des Schuhwerkes und der Hy¬ 
giene des Fusses, die wir, ohne uns streng an die Disposition des Ver¬ 
fassers zu binden, hier kurz skizziren wollen. Bei der Sohlenconstruotion 
sollten eigentlich die Mittelfuss-Zehengelenke entsprechende Vertiefungen 
in der Ledersohle vorgebildet haben, ebenso sollten die Hauptlager für 
die wichtigsten Stellen der Gelenkserbabenheiten vorgeformt sein; es darf 
die Pufferwirkung des Fettpolsters, der Ferse und der Sohle nicht beein¬ 
trächtigt sein. Da aber längeres Gehen in solchen Stiefeln ermüden wurde, 
so ist es praktischer, den dem Fass beim Gehen eigentümlichen, Seiten- 
sebub durch eine schiefe Ebene, die durch entsprechende Einlagen gegen 
den äusseren Rand ansteigt, auszugleichen. Solche wechselbaren Einlagen 
können gleichzeitig als Träger eines Desinficiens benutzt werden und con- 


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serviren das Schuh werk durch Aufsaugen der Feuchtigkeit Der Absatz 
soll niedrig und breit sein; die Absatzeisen sollen als geschlossener Reif 
auf die Absatzränder aufgepresst werden. Ausser dieser peripheren Be¬ 
festigung soll das Absatzeisen noch eine centrale erhalten in Gestalt einer 
verzinkten Schraube, die durch die Sohle hindurchgeht, im Schuhriemen 
einen flachen Nietenkopf hat und im Absatz durch eine versenkte Schrau¬ 
benmutter fixirt wird. Das Fusssohlengelenk (der Theil zwischen Absatz 
ond eigentlicher Gangsohle) soll schmal und durch eine Stahl federein läge 
genügend festgemacht sein. Zur Conservirung des Sohlenleders empfehlen 
sich häufiger Theeranstrich odef tägliche Imprägnirung mit conserviren- 
den flüssigen Stoffen (Harzen, Fetten oder den zum Anstreichen des 
Riemenzeuges gebräuchlichen Lacksorten). Der Strumpf soll keine 
Ferse und keiue Spitze besitzen, sondern einen Sack darstellen, da nicht 
der Fuss dem Strumpfe folgen soll, sondern der elastische Strumpf sich 
plastisch der Ferse, dem Fassriste and den Zehen anschmiegen kann. 
Die Fusslappen sollten aus alten, durch vieles Waschen weichgewordenen 
Militärleintüchern genommen werden. Letztere sollten aus reiner Baum¬ 
wolle gefertigt werden, ohne Naht mit durchgehenden rothen Fäden, die 
die zukünftigen Fusslappen vorzeichnen. Ein solches Leintuch könnte 
15 Fusslappen liefern und machte sich zu einem Theile bezahlt durch 
Ersparung der Beschaffungskosten für Fusslappen. Die Häufigkeit der 
Fussschäden erklärt sich dadurch, dass bei feuchter Wärme und bei al¬ 
kalischer Einwirkung der ammoniakalischen Hautsecrete auf die durch 
die Fettsäuren und ihre Verbindungen macerirten oberen Hautschichten die 
niedrigen pflanzlichen Organismen („Schuhgift 0 ) einen sehr gedeihlichen 
Boden finden. Der Schuh sammt Inhalt ist ein ausgezeichneter Nähr¬ 
boden für niedere Pilzculturen. Nie sollten stärkehaltige Klebemittel zur 
Festigung der Sohle gebraucht werden (weil sie es sind, die den Leder- 
wurm anziehen), sondern Kautschuk- oder Schellacklösungen. Die Sohlen¬ 
zwischenschichten sollen das antiseptische Depot des Schuhwerks bilden. 
Die beim Infanteristen fast wie eine Berufskrankheit auftretenden Fuss- 
kraokheiten sind zu beseitigen durch Belehrung und Bestrafung (im Sinne 
einer Selbstbeschädigung). Belehrung über Pflege und Conservirung des 
Fasses stellt Sch. an Wichtigkeit parallel der Belehrung über die com- 
pücirte Mechanik des Gewehres. Zur Wichse sollen pilzhemmende 
Mischungen genommen werden. Für die antiseptische Behandlung der 
Fussschäden empfiehlt Sch. Quecksilberpflaster (mit grauer und gelber 
Salbe). Für die Prophylaxe sind Abends Waschungen 1—3procentiger 
Carbollösung vorzunehmen und zwar en gros in einem im Mannschaftszimmer 
aufgestellten Badefass. Als „SoldatenBeifen“ sindTheer- und Carbolseifen 
einzubürgern. Die Stiefel sind in regelmässigen Pausen mit Carbolsäure 
zu desinficiren. „Schweissfuss“ ist nie als eine Krankheit, sondern als 
strafbare Nachlässigkeit anzusehen und sollte nie Grund zur Dienstun- 
brauehbarkeits-Erklärung sein, da diese sogenannte Krankheit meistens 
sehr gesunde Leute betrifft und von Jedem producirt werden kann. Für 
die Form des zu construirenden Schubzeuges formulirt Sch. vier Bedin¬ 
gungen 

1) Entsprechende Form und Länge der Schuhsohle, 

2) Beweglichkeit des Gelenkes der Ledersohle, 

3) Eine entsprechende Schuhspitze als Bewegungs- und Ventilations¬ 
raum für alle Zehen, 

4) Breite und niedrige Absätze. 


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402 


Die weiteren Ausführungen dieser Punkte und die am Schluss auf¬ 
gestellten Thesen sind im Original nachzulesen. Langhoff. 


Oberstabsarzt Dr. S egg eis „Mittheilungen aus der Augenkr anken- 
Station des König). Garnisonlazareths München. 44 (Münchener 
medicinische Wochenschrift. 1886. No. 16.) 

S. veröffentlicht zwei interessante Falle von partieller Peritomie 
der Hornhaut und redet dieser von v. Graefe in die ophthalmo- 
logische Praxis eingeführten, neuerdings aber wenig geübten Operations¬ 
methode das Wort. In beiden Fallen wurde nicht die totale Circumcision 
gemacht, sondern nur eine partielle Gefassdurcbschneidung ausgeführt. 
1m ersten Falle handelte es sich um ein ausgedehntes parenchymatöses 
Hornhautinfiltrat. Das Resultat der Operation war vollständige Auf¬ 
hellung der Hornhaut mit Wiederherstellung normaler Sehschärfe. Der 
zweite Fall, in dem es sich ebenfalls um ausgedehnte Geschwürsbildung 
mit reichlicher Gefässbildung handelte, ist dadurch besonders interessant, 
dass die gerade in letzter Zeit von vielen Seiten als durchaus leistungs¬ 
fähig anerkannte Methode der Cauterisation mit dem Galvanocauter in 
Stich gelassen hatte, wahrend die partielle Peritomie ein sehr gutes Ope¬ 
rationsresultat bot Besonders hervorgehoben wird noch die völlige Ün- 
gefahrlichkeit des operativen Eingriffes. Der dritte Fall betrifft die mit 
besonderem Geschick ausgeführte Extraction eines Eisensplitters aos dem 
Auge mittelst des Elektromagneten. Der Fall bietet insofern hervor¬ 
ragendes Interesse, als der Eisensplitter ausserordentlich klein war (l*/ 4 mm 
lang, */« mm breit und nur 0,0002 g schwer) uud nicht mit der vorher 
magnetisirten Lanze herausbefordert werden konnte, sondern durch den 
ganz besonderen Kunstgriff des Aufsetzens des Magnetpoles auf die Lanze. 
Das functioneile Resultat in Bezug auf die Sehschärfe wurde dadurch be¬ 
einträchtigt, dass durch das lauge Verweilen des Fremdkörpers io der 
Linse eine spinnwebenartige Trübung der Linsencapsel bewirkt worden 
war. Langhoff. 


Augenheilkunde und Ophthalmoskopie von Prof. Dr. Hermann 

Schmidt-Rimpier in Marburg. Braunschweig 1886. Wreden. 

642 Seiten. M. 14. 2. verbesserte Auflage. 

Wenn es keines besonderen Scharfblickes bedurfte, dem Schm.-Röschen 
Lehrbuche bei seinem Erscheinen eine glanzende Aufnahme in ärztlichen 
Kreisen vorherzusagen, so sind die Erwartungen nach dieser Richtung 
noch übertroffen worden. Eine zweite Auflage nach kaum l*/t Jahren 
bedeutet für ein Lehrbuch wohl zweifellos einen grossen Erfolg, über 
den Verfasser wie Verleger eine vollberechtigte Freude empfinden durften. 
In der' vorliegenden, als „verbessert 41 bezeichneten zweiten Auflage ist 
u. A. neu hinzugetreten: Abhandlung über die Anwendung des Cocain, 
exactere Methode der Lichtsinn-Messungen etc. Mit Gefallen wird man 
bemerken, dass auch den militararztlicben Bedürfnissen besonders Rechnung 
getragen. So dürfte z. B. eine unter „Simulation von Amaurose“ an¬ 
geführte Methode der Ueberführung vielleicht Manchem neu und wegen 
ihrer leichten sondirenden Anwendbarkeit interessant sein. — Das Ver¬ 
fahren besteht — bei Simulation doppelseitiger Erblindung — darin, dem 
Simulanten den eigenen Finger nach verschiedenen Richtungen hin vor- 


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403 


zuhalten und ihn za veranlassen, denselben anzasehen. — Der Blinde 
richtet seine Augen darauf oder giebt sich wenigstens Mähe, den Angen 
die entsprechende Richtung zu geben, da er durch das Allgemeingefühl 
über die Lage der Hand und der Finger unterrichtet ist Die Simulanten 
halten die Aufforderung für eine Falle und drehen die Augen absichtlich 
nach ganz entgegengesetzten Richtungen. — Es steht diese Thatsache 
in Parallele mit der, dass Taube sich umdrehen, wenn hinter ihnen ein 
Gegenstand zur Erde fallt, was durch die Erschütterung ihnen zur Per- 
ception gelangt, während Simulanten nichts bemerken. 

Sehr zahlreiche und vorzügliche Abbildungen und eine Farbendruck- 
tafel mit 7 Figuren — Normaler Augenhintergrund mit macul. lutea, 
Staphyloma posticum, Retinitis albuminurica, Atrophia nervi optici, 
Chorioiditis, Netzhautablösung, Papillitis bei Hirntumor — geben dem 
Text nicht nur ein instructives Relief, sondern verleihen auch dem äussern 
Gewände, in dem sich das Buch präsentirt, einen gewissen Reiz, den 
man gern auf sich wirken lässt. — Wenn alle Lehrbücher sich in so 
anziehendem Kleide vorstellten, wie das vorliegend?, so würde sicherlich 
mancher Studirende manchen Abend sich auch in der Gesellschaft derselben 
wohler fühlen und aus diesem Umgang mehr Nutzen ziehen als aus anderm. 

Breitung. 


Henneberg’s Desinfector in Bezug auf Princip, Construction, 
Betrieb und Kosten etc. (Berlin, H. S. Hermann, Beuthstrasse.) 

H. hat einen Desinfectionsapparat construirt, der auf der Anwendung 
des heissen stromenden Wasserdampfes basirt, sich durch Einfachheit der 
Construction auch in dem Sinne auszeichnet, dass man zur Erzeugung 
der Dämpfe eines der Concessiouspfiicbt unterworfenen Dampfkessels 
nicht bedarf. Er empfiehlt sich deshalb, sowie bei seinem verhältniss- 
mMssig geringen Preise und den mässigen Unterhaltungskosten besonders 
für kleinere Anstalten. 

In der v. Bergmann 1 sehen Klinik hat sich dieser Apparat, dessen 
Constructiou im Original zu studiren ist, sehr gut bewährt. 

Langhoff. 


Mittheilangeii. 


Aus dem Inhalte der Archives de Medecine et de Pharmacie 
militaires, 16. März bis 1. Juni 1886. 

S. 225. Recherches sur la transmission, l’incubation et la 
prophylaxie de la Rougeoie p. Geschwind, M. M. 1 cl. Auf 
Grund seiner Erfahrungen bei einer Masernepidemie im 13. Infanterie- 
Regiment zu Nevers 1885 kommt Verfasser zu folgenden Schlüssen: 
1) Die Uebertragung kann bereits vor Ausbruch des Exanthems statt¬ 
finden; dies dürfte sogar die Regel sein. 2) Die Incubationsdauer beträgt 
bis zu den ersten Symptomen, nicht bis zum Erscheinen des Exanthems, 
10 bis 13 Tage. 3) Die Isolirung der Kranken bleibt aus dem zu 1) er¬ 
wähnten Grunde hinsichtlich der Weiterverbreitung gewöhnlich wirkungslos. 
4) Deshalb ist die Entleerung einer inficirten CaSerne von zweifelhaftem 
Werth; der Transport kann aber für die bereits Iuficirten gefährliche 


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404 


Folgen haben. 5) Die Desinfection der Zimmer, Kleider und Betten mit 
schwefliger Säure ist wirkungslos, abgesehen davon, dass sie meistens 
unausführbar ist. 

S. 273 und 307. Etüde generale sur les luxations du Meta- 
tarse p. Claudot, M. P. Monographische Studie über die Luxatiouen 
und Subluxationen im Bereich der Lisfranc'schen Gelenkverbindungen. 
Au der Hand eigener Beobachtungen und einer sehr genauen Würdigung 
der in der Litteratur vorhandenen Casuistik wird die Eintheilung, Aetio- 
logie, Entstehung, Symptomatologie, pathologische Anatomie, Prognose 
und Behauchung dargestellt, auch die militärdienstliche Seite eingehend 
berücksichtigt. Die Arbeit wird als Quelle von Nutzen sein. 

S. 343. Observations de trois cas de traumatisme de la 
moelle avec integrite du rachis p. Sorel. Drei Fälle von Ver¬ 
letzungen der Medulla spinalis ohne Beschädigung der Wirbelsäule. 
1) Vollständige motorische und sensible Lähmung der unteren Hälfte des 
Körpers, plötzlich entstanden bei einer grossen Kraftanstrengung zum 
Heben eines Geschützes. Nach sechs Monaten noch sehr unvollständige 
Herstellung. 2) Fall auf den Nacken von 1 m Höhe. Paralyse der vier 
Extremitäten, vasomotorische Lähmung im Gebiete des Gesichtes. Zurück¬ 
bleiben eines Zustandes von Hemiparese und Hemianaesthesie mit theil- 
weiser Muskelatrophie und Contracturen. 3) Ganz ähnlicher Fall nach 
Sturz in einen Bach von ca. 60 cm Tiefe. 

S. 357. De la constatation objective de l’Astigmatisme 
par les images cornöennes p. Chauvel, M. P. 1 cl., Prof, am Val 
de Gräce. Die Französische Ersatzinstruction vom 27. Februar 1877 
bestimmt im § 152: Astigmatismus, welcher gewöhnlich die Kurz- und 
Uebersichtigkeit begleitet, bedingt Untauglichkeit, wenn er die Sehschärfe 
rechts unter y*i links unter Vis herabsetzt. Da die Correction des A. 
militärdienstlich nicht vorgesehen ist, so genügt die Feststellung des Zu¬ 
standes zur Begründung des militärärztlichen Urtheils. Die Untersuchung 
erstreckt sich nur auf den Hornhautastigmatismus, der der Linse bleibt, 
als irrelevant für das militärpflichtige Alter, ausser Betracht. Verfasser 
bedient sich des Keratoskops. Der Apparat besteht aus einer mit weissem 
Papier überzogenen Metallscheibe von 14 cm Durchmesser, welche um 
eine centrale Oeffuung von 1 cm drei schwarze concentrische Ringe von 
3 mm Dicke und 1 cm Randdistanz trägt, ausserdem mit einem wage¬ 
rechten Durchmesser und einem auf diesem senkrecht stehenden Radius 
von gleicher Dicke versehen ist. Hinter dem Sehloch befindet sich eine 
Vorrichtung zur Aufnahme eines Convexglases von 4 D behufs Ver- 
grösserung des Cornealbildes. Bei der Untersuchung ist für genau senk¬ 
rechte Haltung des Kopfes des Untersuchten und des Instrumentes, sowie 
für volle Beleuchtung des letzteren Sorge zu tragen. Verfasser schliesst 
aus den Befunden Folgendes: 1) Das Bild ist die exacte Wiedergabe des 
Keratoskops, dann ist entweder kein A. vorhanden, oder einer, der 2 D 
nicht überschreitet, also vernachlässigt werden kann. 2) An Stelle der 
Kreise erscheinen Ellipsen, und zwar gewöhnlich mit horizontaler 
grosser Axe. Es handelt sich um regelmässigen A., dessen Grad 
bis auf 1,5 — 2 D aus der Erfahrung vom Verfasser leicht geschätzt 
wird. Weitere Untersuchungen desselben Mannes durch mehrere Tage 
[also nach versuchsweiser Einstellung; Ref.] lässt dann leicht den Grad 
des A. und die Beeinträchtigung von S. erkennen. 3) Das Cornealbild 
ist unregelmässig verzerrt, die Kreise erscheinen wellenförmig, auch wohl 


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405 



unterbrochen, in mannigfaltigem Wechsel. Es ist unregelmässiger A. vor¬ 
handen, der stets die Tauglichkeit beeinflusst. Die Feststellung, desselben 
fuhrt nicht selten noch zur Entdeckung von Opacitäten der Cornea, 
welche vorher selbst bei schiefer Durchleuchtung derselben entgangen 
sein können. 

Verfasser verwendet sein Verfahren bei allen militärdienstlichen 
Untersuchungen und empfiehlt dasselbe der Prüfung der Militärärzte. 
Seine ausserordentliche, tägliche Uebung und Erfahrung erlaubt ihm aus 
dieser Prüfung weitgehende Schlüsse. Den meisten, ihm hierin nicht 
gleich geübten Militärärzten sei die Keratoskopie unter dem Vorbehalt 
empfohlen, dass sie dieselbe als ein schnell undobjectiv orieutirendes, 
nicht als ein bestimmendes Mittel für ihre verantwortlichen Aussprüche 
betrachten, sobald es sich um Schlüsse auf gleichzeitig vorhandene Ame¬ 
tropie oder Sehschwäche handelt. 

S. 362. Appareil pour la contention des fractures de l’hu- 
merus par coup de feu. Appareil Hennequin modifie p. De- 
lorme, M. M. 1 cl., Prof, am Val de Gräce. D. schlägt für die 
Behandlung der Oberarm-Schussfracturen den hier abgebildeten Apparat 
vor, der die Vortheile der permanenten Extension 
mit denen des Conteutivverbandes vereinigen 
soll. In acht bis zehnfacher Lage, aus Zeug 
geschnitten und mit Gyps getränkt, ist diese 
Schiene von Hennequin in der Friedenspraxis 
viel erprobt worden. Für den Krieg will D. sie 
aus Zink gefertigt wissen. Die in der Zeichnung 
gegebenen Maasse sind Grenzwerthe, die jedes¬ 
mal erforderliche Länge des Mittelstücks soll 
am gesunden Arm gemessen werden. Nach 
guter Polsterung der Achselhöhle und Ellenbeuge 
bezw. nach Anlegung eines antiseptischen Ver¬ 
bandes wird der Apparat in der Weise ver¬ 
wandt, dass der obere Ausschnitt in die Achsel¬ 
höhle kommt. Nun wird der Unterarm bei 
guter Extension so durch den unteren Ausschnitt 
geführt, dass nach rechtwinkliger Beugung des 
Cubitos die Ellenbeuge sich gegen den Rand 
dieses Ausschuittes stützt. Dann wird die Schiene 
um den Arm zusammengebogen und unter Zn- 
hülfenahme der vorhandenen Löcher durch 
Schnürung vereinigt; die oberen Enden werden 
über der Schulter gekreuzt und durch Binden- 
8treifen über dem Thorax fixirt, die unteren in 
Achtertouren um den rechtwinklig gehaltenen 
Unterarm geführt und mit einer Binde in dieser 
Lage gehalten. Der Sinn ist der, dass der 
Unterarm als Hebel auf dem Hypomochlion des 
unteren Ausschnittes der Schiene die Extension 
des gleichzeitig geschienten Oberarms besorgt. 

Der Hauptein wand ergiebt sich hieraus von selbst. 

Verfasser sucht ihn im Voraus zu entkräften, indem 
er sagt, dass häufige Verwendung der Schiene ihm den Beweis geliefert 
habe, dass man wegen etwaigen einseitigen Druckes gegen Achsel und 



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Ellenbeuge keine Besorgniss zu hegen brauche. Wir geben dies für den 
Gypsapparat zu, der in plastischer Beschaffenheit angelegt wird — wagen 
aber hinsichtlich der von vornherein starren Zinkschiene einige Zweifel 
zu hegen, die auch dadurch genährt werden, dass die Achselhöhle uod 
Eflenbeuge bei ungezwungener Haltung des Armes in zwei rechtwinklig 
aufeinandersteheuden Ebenen liegen, während beide Ausschnitte der. Zink¬ 
schiene sich in derselben befinden. 

S. 385. De la valeur des resections traumatiques, an point 
de vue des rösultats cliniques et fonctionnels. Von demselben 
Verfasser. Die Arbeit ist ein Auszug aus einer seitens des Kriegsmini¬ 
steriums veranlassten und preisgekrönten Abhandlung, deren Wiedergabe 
im Ganzen der Raum des Archivs verboten hat. Verfasser geht an der 
Hand seiner umfangreichen Studien und unter Berücksichtigung der ein¬ 
schlägigen Litteratur*) die für traumatische Resectionen in Betracht 
kommenden Gelenke Einzeln durch. Unter Beigabe klarer Abbildungen 
wird die anatomische Structur der betreffenden Knochen und die Art und 
Weise der Splitterung zur Darstellung gebracht, welche gleichsam typisch 
nach Schussverletzungen zur Beobachtung kommt. Hiernach werden die 
Indicationen für die Resection festgestellt und besonders genau die Grenzen 
angegeben, innerhalb deren diese Operation mit Aussicht auf Erfolg noch 
gestattet werden kann. Die Arbeit ist von praktischer Bedeutung und 
hat unseres Wissens keiuen Vorgang. Wir können sie den deutschen 
Feldärzten als Ergänzung zu jedem Handbuch der Chirurgie und Opera¬ 
tionslehre empfehlen. — . — 


Impfung nnd Wiederimpfung in der Oesterreichischen A*rmee. 

Durch das Normal-Verordnungsblatt für das k. k. Heer 1886.' 
16. Stück ist § 16 des Sanitätsdienst-Reglements folgendermaassen abge¬ 
ändert worden: 

1. Alle im Präsenzdienste stehenden Personen des k. k. Heeres 
unterliegen dem Impfzwange. 

2. Personen, die bei ihrem Eintritt in das k. k. Heer in eine Rang¬ 
klasse eingereiht werden oder in Gagebezug gelangen, sind verpflichtet, 
falls sie noch nicht geimpft sind, sich zu diesem Zeitpunkte impfen zu 
lassen. 

3. Sämmtliche Rekruten sind sofort nach ihrem Einrücken zu impfen, 
bezw. der Wiederimpfung zu unterziehen. 

4. Jene Mannschaft, welche über die gesetzliche Linien-Dienstzeit 
präsent bleibt, ist erneuert zu impfen, wenn seit ihrer letzten Impfung 
und Wiederimpfung mehr als 5 Jahre verflossen sind. Die Wieder¬ 
impfung dieser Mannschaft hat gleichzeitig mit der Impfung der Rekruten 
zu geschehen. 

5. Bei normalem Verlaufe der Impferscheinungen können die Ge¬ 
impften zu allen Diensten herangezogen werden, die nicht eine stärkere 
mechanische Reizung der Impfstellen zur Folge haben. Die Commandanten 
haben in dieser Richtung die Beschäftigung der betreffenden Mannschaft 
zu regeln, insolange und soweit dies nach dem ärztlichen Anträge er¬ 
forderlich ist 


•) Die deutsche des letzten Krieges nach Gurlt Der in Aussicht stehende 
3. Band des officiellen Kriegs-Sanit&tsberichts dürfte das Urtheil über die Resecirten 
in mehr wie einer Hinsicht klarer stellen, als dies G. möglich war. 


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407 


6. Die geimpfte Mannschaft ist dem impfenden Militärärzte an dem 
von ihm bestimmten Tage zur Constatirong des Impferfolges vorzuführen. 
Erstgeimpfte, bei denen eip deutlicher Erfolg nicht nachweisbar ist, 
müssen erneuert geimpft werden. 

7. Auch von den Offizieren, Beamten und sonstigen im Oagebezug 
stehenden Personen des k. k. Heeres wird erwartet, dass sie sich zur 
Wahrung gegen Blatterninfection nach angemessenen Zeiträumen der 
Wiederimpfung unterziehen, da die zeitweilige Wiederholung dieser 
Schutzmaassnahme nothwendig ist. 

8. Diese Bestimmungen über die Durchführung der Impfung und 
Wiederimpfung finden auch für die,Zöglinge der Militär-Erziehungs- und 
Bildungsanstalten, dann für die Frequentanten der ( Kadettenschulen volle 
Anwendung. 

9. Zur Impfung und Wiederimpfung ist, soweit nur thunlich. animaler 
Impfstoff zu verwenden. Den Sanitätschefs der Militär-Territorial- 
Commanden liegt es ob, die Einleitung zur Erlangung des nothigen 
Impfstoffes stets derart zu treffen, dass die Durchführung der erörterten 
Schutzmaassnahme zur vorgeschriebenen Zeit in ihrem vollen Umfange 
erfolgen kann. 

10. Ueber die Impfung und Wiederimpfung haben die Militärärzte 
ein Impfjournal zu führen, welches gleichzeitig den Zweck hat, den 
vorgesetzen Commanden und Behörden zur Information über die Durch¬ 
führung der Impfung und Wiederimpfung zu dienen. Die Zahl der 
Impfungen und Wiederimpfungen sowie deren Erfolg ist jährlich in den 
Sanitätsberichten auszuweisen. 

• Wir machen namentlich* auf Satz 4 und 7 dieser erschöpfenden 
Vorschrift aufmerksam, beide sind von hervorragender Wichtigkeit für 
den beabsichtigten vollen Erfolg der Maassregel. Interessant ist auch 
Satz 9, in welchem die Oesterreichische Militärverwaltung als die erste 
sich ganz auf die Seite der Verfechter der animalen Impfung stellt. 


Durch Erlass des Kaiserlichen Statthalters in Eisass- 
Lothringen vom* 26. September 1885 ist eine neue Prüfungs-Ordnung 
für die Befähigung zur Anstellung als Kreisarzt in Elsass-Lothringen 
erlassen worden. Das Reglement ist fast unverändert dem für das 
preussische Physikatsexamen nachgebildet, namentlich ist auch hier die 
Doctorwürde obligatorische Vorbedingung. Entbunden von der Prüfung 
sind Bewerber, welche bereits in einem deutschen Bundesstaate die Be¬ 
fähigung zu entsprechenden Aemtern (als Kreisphysicus, Staatsarzt, Ge¬ 
richts- oder Polizeiarzt etc.) nachgewiesen haben. Ausserdem hat sich 
das Ministerium die Befugniss Vorbehalten, solchen einheimischen Aerzten 
Dispens zu ertheilen, welche durch ihre praktische Thätigkeit den Beweis 
für ihre Befähigung zum Amt eines Kreisarztes geliefert haben. D. V. 
f. offen tl, Gesundheitspfi. 18. Bd. 1886. S. 307. — . — 


Berliner militärärztliche Gesellschaft. 

Sitzung vom 21. April 1886. 

Nachdem Stabsarzt Köhler einen rhacbitischen Schädel mit unge¬ 
wöhnlicher Verdickung, sodann einen geheilten Fall von perforirendem 


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Schädelschuss demonstrirt hat,*) berichtet der Assistenzarzt 1. Claase 
Dr.jRiedel über die „Vermehrung der Bacterien im W^asser“.**) 

Noch bis vor Kurzem war es fast ausschliesslich die chemische 
Untersuchung, deren Resultate die Entscheidung über die Zulässigkeit 
eines Wassers als Trinkwasser abgaben. Man hatte dabei den Grundsatz, 
dass gewisse Stoffe, wie Ammoniak und salpetrige Saure, in einem guten 
Trinkwasser überhaupt nicht Vorkommen dürften, wahrend man für 
andere Bestandteile, wie für Nitrate und Chloride und für die durch 
Kaliumpermanganat oxydirbaren Stoffe Grenzwerthe festsetzte. Die Auf¬ 
stellung dieser Grenzwerthe hatte etwas Willkürliches, war aber nothig 
für die Bedürfnisse der Praxis und der Executive. Ammoniak und 
salpetrige Saure waren verpönt, nicht weil sie an und für sich eine 
Schädlichkeit bedingten, sondern weil sie einen Anhaltspunkt dafür ab¬ 
gaben, dass die verunreinigenden Stoffe die Stadien des oxydirenden Zer- 
setzungsprocesses noch nicht völlig durchlaufen haben. Man hatte das 
Wasser früher auch mikroskopisch auf morphotische Bestandteile unter¬ 
sucht und beim Nachweis des Vorhandenseins von Stäbchen u. dergl. 
diese in bestimmten ursächlichen Zusammenhang mit schädlichen Folgen 
gebracht, die nach dem Genüsse des fraglichen Wassers zu Tage getreten 
waren, eine Schlussfolgerung, welcher eine Berechtigung nicht zuerkannt 
werden darf, da der mikroskopische Befund in der Regel nicht gestatten 
dürfte, etwaige pathogene Mikroorganismen von harmlosen Formen mit 
Sicherheit zu unterscheiden. 

Erst seitdem die Kocb’sche Methode des festen Nährbodens auch 
für die bacterioskopische Wasseruntersucbung verwertet worden, ist 
man in die Lage gekommen, die im Wassser vorhandenen Mikroorganismen 
ihrer Zahl und Art nach zu erkennen, und der Aussicht etwas näher ge¬ 
rückt, einen Zusammenhang zwischen bestimmten Krankheiten und be¬ 
stimmten, im Wasser in Gestalt von Mikroorganismen enthaltenen Ver¬ 
unreinigungen nachzuweisen. 

Die Methode ist bekannt. Es wird eine bestimmte Menge des zu 
untersuchenden Wassers, abhängig von der vermuteten Keimzahl, bei 
Trink wässern meist 1 ccm oder V 2 ccm, mit einem Röhrchen verflüssigter 
Gelatine vermischt und zu einer Gelatineplatte ausgegossen, auf welcher 
dann nach einigen Tagen die zur Entwickelung gekommenen Colonien 
gezählt werden. Die Zählung geschieht mit der Lupe und wird mit dem 
von Wolffhügel angegebenen Zählapparat ansgeführt, bei welchem die 
auf einem dunklen Grunde ruhende Platte mit einer in Quadratcentimeter 
eingetheilten Glasplatte überdeckt wird. 

Das verschiedene charakteristische Aussehen der einzelnen Colonien 
gewährt uns die Möglichkeit, die etwa vorhandenen, bekannten pathogeneu 
Mikroorganismen zu erkennen, während bis dahin unbekannte Arten 
isolirt studirt und auf ihre Pathogeuität geprüft werden können. 


*) Vergl. Heft 6 des laufenden Jahrganges dieser Zeitschrift: »Köhler, 
Zur Casuistik der perforirenden Sehädelsehüsse.* 

**) Die betreffenden Versuche und Ergebnisse sind inzwischen in den * Arbeiten 
aus dem Kaiserlichen Gesuncfheitaamte. Erster Band. Drittes bis Fünftes Heft. 
Berlin. 1886.“ ausführlich mitgetlieilt. (Die Vermehrung der Bacterien im Wasser. 
Experimentelle Ermittelungen von Regieruugsrath Dr. Wolffhügel und Assistenz¬ 
arzt 1. CI. Dr. O. Riedel.) 


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- 409 - 


( Es sind nun im Laufe der letzten l 1 /* Jahre von Regierungsrath 
Wolffhügel und mir auf der hygienischen Abtheilung eine Reihe von 
Wasseruntersuchungen ausgeführt worden, welche einerseits den Zweck 
[. hatten, an der Hand der beschriebenen Methode die Vermehrungsbe- 
I dingungen der im Wasser meist vorhandenen indifferenten Mikroorganismen 
festzustellen; andererseits zu prüfen, ob das Wasser geeignet sei, den 
1 pathogenen Mikroorganismen menschlicher Infectionskrankheiten als Nähr¬ 
boden zu dienen. Die Ergebnisse dieser Versuche sind inzwischen in 
den „Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte* Bd. I, Heft 3—5, 
S. 455—480, veröffentlicht worden. 

Als Resultat der bezüglich der ersten Frage angestellten Unter¬ 
suchungen ergab sich, dass in einer zur Prüfung entnommenen Wasser¬ 
probe von der Entnahme ab eine Aenderung der Keimzahl der im Wasser 
enthaltenen, sowie der in keimfreies Wasser eingesäten Mikroorganismen 
eintritt, welche bei günstiger, erhöhter Temperatur in einer rapiden Ver¬ 
mehrung besteht. Durch Kälteeinwirkung dagegen wird eine deutliche 
Abnahme der Mikroorganismen erzielt, eine Verminderung, die sich aber 
nicht auf alle Formen erstreckt. Der Einfluss der Erschütterung auf 
Zu- oder Abnahme der Mikroorganismen im Wasser ist noch nicht end¬ 
gültig entschieden. 

Aus dem Gesagten erhellt, dass, wenn man aus der bacterioskapischen 
Untersuchung eine genaue Zahlenangabe der im Wasser vorhandenen 
Keime gewinnen will, diese Untersuchung unmittelbar nach der Ent¬ 
nahme der Proben, nicht Tage oder viele Stunden darauf und nicht 
nach einem weiteren Transport ausgeführt werden darf. 

Eine weitere Frage, deren Entscheidung Berufeneren überlassen 
bleibt, ist die, inwieweit überhaupt die Keimzahl an sich zur Verwerfung 
eines Wassers als Trinkwasser von Bedeutung ist. Der Satz, dass, je 
zahlreicher die im Wasser vorhandenen Keime sind, mit um so grösserer 
Wahrscheinlichkeit sich darunter auch pathogene befinden, ist nicht als 
richtig anzuerkennen. Richtiger würde es sein, anzunehmen, dass, je 
mehr verschiedene Arten von Mikroorganismen sich vorfinden, um so 
wahrscheinlicher unter diesen auch pathogene seien. — Die absolute 
Keimzahl ist z. B. bei Pumpbrunnen von Zufälligkeiten, Gebrauch u. s. w., 
abhängig, indem bei länger fortgesetztem Pumpen durch Nachdringen 
keimfreien Grundwassers der Keimgehalt in auffallendster Weise herab¬ 
gesetzt werden kann, während bei längerer Ruhe und namentlich günstiger 
Temperatur die Vermehrung der Mikroorganismen eine enorme werden 
kann. 

Aus den dem Verhalten der pathogenen Mikroorganismen im Wasser 
gewidmeten Versuchen mag Folgendes hervorgehoben werden: 

1) Milzbrandbacillen können in sterilisirtem Pankewasser, auch 
wenn dasselbe stark mit destillirtem Wasser verdünnt wird, bei Tempe¬ 
raturen von 15° und darüber sich vorzüglich weiter entwickeln und stark 
vermehren, während sie bei niedrigerer Temperatur (7— 10° C.) in einigen 
Tagen zu Grunde gehen. 

2) Typhusbacillen können sich in sterilisirtem Flusswasser bei 
ib° C. und darüber vermehren, während sie bei 8° C. noch längere Zeit 
lebensfähig bleiben. 

In unreinem Brunnenwasser und selbst in Berliner Wasserleitungs¬ 
wasser, welche gleichfalls durch Hitze sterilisirt waren, wurden die ein¬ 
geimpften Typhusbacillen bis zum 32. Tage lebensfähig nachgewiesen. 


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410 


Es geht daraus hervor, dass ein Wasser, welches nach Maassgabe 
seiner chemischen Beschaffenheit als Trink- und Nutzwasser nicht zu 
beanstanden ist, immerhin seiner Zusammensetzung nach noch die ge¬ 
eigneten Bedingungen zu einer vorübergehenden Vermehrung, sicherlich 
aber zu einer wochenlangen Erhaltung der Entwickelungsfahigkeit der 
Typhuskeime darbieten kann. 

Die Typhusbacillen zeigen aber auch eine bemerkenswerthe Wider¬ 
standsfähigkeit gegen niedere Temperaturen. Sie bleiben in gefrorenem 
Zustande lebensfähig, so dass die Möglichkeit einer Typhusinfection 
durch Eis nicht ausgeschlossen erscheint. 

Die namentlich von englischen Autoren als Vehikel des Typhusgiftes 
aDgeschuldigte Milch erwies sich in sterilisirtem Zustande in der That 
als ein für das Wachsthum von Typhusbacillen ausserordentlich günstiges 
Nährmedium. 

3) Cholerabacillen, in sterilisirte Wasserproben eingesät, zeigten 
bei 16—20° C. ein typisches Verhalten, indem regelmässig in den ersten 
Tagen eine starke Abnahme der Keime stattfand, welche Verminderung 
in dem nährstoffarmen Wasserleitungswasser am weitesten ging, weniger 
stark im unreinen Pankewasser sich geltend machte, während darauf in 
8ämmtlicben Proben (Fluss-, Brunnen- und Leitungswasser) eine pro¬ 
gressive Zunahme der Cholerabacillen erfolgte, welche ungefähr am 
7. Tage das Maximum erreichte. Darauf trat wieder eine allmälige Ab¬ 
nahme ein, doch so dass die Bacillen noch nach 82 Tagen als Vielfaches 
der Einsaat zahlenmässig nachgewiesen wurden. Uebrigens zeigten die 
geimpften Wässer zum Theil noch nach 4 Monaten einen reichlichen 
Gehalt an entwickelungsfähigen Cholerakeimen, entweder als Reincultur 
oder neben Verunreinigungen durch andere Mikroorganismen. 

Im destillirten Wasser gingen die Cholerabacillen der Regel nach 
schnell zu Grunde. 

Im nicht sterilisirten Wasser wurden die aus Bouillon- oder Gelatine- 
culturen eingesäten Cholerabacillen bald völlig oder fast völlig von den 
im Wasser heimischen Mikroorganismen verdrängt, doch zeigten aus 
Wasserculturen eingesäte Cholerabacillen eine grössere Widerstandsfähig¬ 
keit. Diese bereits an das Wasser adaptirten Cholerakeime unterschieden 
sich von den direct aus Bouillon oder Gelatine entnommenen dadurch, 
dass sie, in sterilisirtes Wasser eingesät, schon vom ersten Tage ab eine 
Vermehrung zeigten. 

Eine Uebertragung der bei der Einsaat von Cholerabacillen in nicht 
sterilisirte Wässer gewonnenen Resultate auf die natürlichen Verhältnisse 
erscheint nicht ohne Weiteres zulässig, da es sich bei diesen nicht um 
eine gleichmässige Vermischung der nebeneinander vorkommenden Mikro¬ 
organismen handelt, wie sie bei den Versuchen im Glaskolben durch 
Umschütteln zu Ungunsten der weniger widerstandsfähigen und concurrenz- 
fähigen Arten hergestellt wird. Vielmehr ist anzunehmen, wie Koch 
gelegentlich der zweiten Choleraconferenz andeutete, dass in stagnirenden 
Wässern nebeneinander verschiedene Bacterienarten ansiedelungsweise 
als Reincultur Vorkommen können. 

An den Vortrag schliesst sich eine kurze Discussion, an welcher 
sich insbesondere die Herren Wegner, Schubert, Loeffler und Riedel 
betheiligen. 


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411 


V Sitzung vom 21. Mai 1886. 

[ Nachdem der Geheime Medicinalrath Professor Dr. Leydeo auf 
[ seinen Antrag als Mitglied in die Gesellschaft aufgenommen ist, berichtet 
Stabsarzt Lenhartz ober seine Reise-Erlebnisse in England. Derselbe 
giebt eia Bild des höheren Unterrichtswesens in England überhaupt, mit 
besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse des medicinischen Studiums; 
berichtet über den Besuch einer höheren Lehranstalt in Schottland und 
nimmt Gelegenheit, einige Bemerkungen über die Pflege der nationalen 
Spiele und die Freiwilligenbataillone in England anzuscbliessen. Bei 
Besprechung des Studienganges der englischen Mediciner legt Vortragender 
die Zustande zu Grunde, welche er in Edinburg und London bei mehr- 
mooatlicher Beobachtung kennen gelernt hat. 

An den Vortrag schliesst sich eine Discussion über die Kranken¬ 
häuser Londons in baulicher Beziehung, Ventilation der Krankensäle und 
über die praktische Ausbildung der Studirenden in der inneren Medicin. 
Au der Discussion betheiligeu sich insbesondere die Generalärzte v. Coler, 
Schubert, Mehlhausen, Geheimer Rath Leyden und Stabsarzt Len¬ 
hartz. 


Sitzung vom 21. Juni 1886. 

Vortrag des Stabsarztes Herrlich: Ueber die operative Be¬ 
handlung subphrenisch gelegener Krankheitsherde durch In- 
cision des Zwerchfells. 

Der Vortragende stellt eine 35jährige Frau vor, bei welcher im Juni 
v. J. ein in der rechten Thoraxseite unterhalb des Zwerchfells gelegener 
jauchiger Abscess eröffnet und zur Heilung gebracht wurde. Dies ge¬ 
schah durch eine Operation, welche nach dem Typus der Thoracotomie 
mit Resection der siebenten Rippe angelegt, sich von einer gewöhnlichen 
Empyem-Operation nur dadurch unterschied, dass noch die Incision des 
Zwerchfells von der oberen Seite aus hinzugefügt werden musste, um 
die Entleerung des Jaucheherdes nach aussen zu bewirken. Die Incisions- 
stelle der stark nach oben in den Thoraxraum emporgedrängten Zwerch¬ 
fellshälfte musste in die äussere Wunde hineingezogen und mit ihr ver¬ 
näht werden, um den Abfluss zu sichern. Wie sich bei der Operation 
herausstellte, handelte es sich um einen verjauchten, von der Convexität 
der Leber ausgehenden Echinococcus. — Im Anschluss an diesen Fall 
bespricht der Vortragende Diagnose und operative Behandlung derartig 
subphrenisch gelegener, in auffälliger Weise ihre Wachsthumsrichtung 
nach oben in den Thoraxraum nehmender Eiteransammlungen. Die nicht 
lufthaltigen, subphrenischen, auf der rechten Seite zwischen Convexität 
der Leber und Zwerchfellskuppel ein^eschlossenen Abscesse, welche in 
ätiologischer Hinsicht und ihrem numerischen Vorkommen nach am meisten 
von vereiterten Echinococcen der Leberconvexität abhängig sind, kommen 
in diagnostischer Beziehung vorwiegend in die Lage, mit pleuritischen 
Exsudaten verwechselt zn werden. Auch in dem vorgestellten Falle be¬ 
stand vor der Operation der Symptomencomplex eines grosseren pleuri¬ 
tischen Exsudates. Handelt es sich um lufthaltige, abgekapselt unter 
einer Zwerchfellshälfte gelegene und zugleich nach oben in den respira¬ 
torischen Abschnitt des Brustkorbes hinaufragende Abscessräume, wie 
dieselben in Gefolgschaft von Perforations-Peritonitis, nach Gasaustritt 
unter die Kuppel des Zwerchfells, zur Entwickelung kommen, so con- 


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412 


statirt die Untersuchung am Thorax das Vorhandensein eines Gas und 
Flüssigkeit zugleich enthaltenden Hohl raumes an fast allen für wirklichen 
Pyopneumothorax charakteristischen Zeichen. Es besteht nur der ana¬ 
tomische Unterschied, dass die im Thorax gelegene gashaltige Jauche¬ 
hohle von dem emporgedrängten Zwerchfell überdacht wird, nicht ober¬ 
halb, sondern unterhalb desselben gelegen ist. Der führende Gesichts¬ 
punkt für die richtige differentielle Diagnose derartiger Krankheitsbefunde 
wird vorwiegend gegeben durch die anamnestisch festzustellenden Vor¬ 
gänge der Krankheit und die den Krankheitsprocess einleitenden und be¬ 
gleitenden Symptome, welche auf eine schwere Erkrankung der 
abdominellen Organe hinweisen und sich u. A. durch Kolikanfalle, 
Icterus, vor Allem aber durch Zeichen voraufgegangener Perforations- 
Peritonitis bemerkbar machen. Das übrige differentiell diagnostische 
Detail ist sehr reichhaltig und werthvoll, jedoch giebt es keine auf alle 
Fälle anwendbaren und absolut sicheren pathognomonischen Zeichen. 

Die operative Technik hat davon auszugehen, dass die in Frage 
stehenden subphrenischen Krankheitsherde wegen ihres Emporragens in 
einen hoher gelegenen Thoraxabschnitt, gauz besonders auf der rechten 
Seite bei ihrer Lage zwischen Leberconvexität und Zwerchfellkoppe, von 
der Abdominalhohle aus den operativen Eingriffen nicht zu¬ 
gänglich sind. Dementsprechend kommt nur die Eröffnung von der 
Thoraxseite und der oberen Fläche des Zwerchfells nach voraufgegangener 
Kippenresection in Frage. Da es sich fast immer um die Eröffnung 
jauchiger, das Leben direct bedrohender Abscesshöhlen handelt, ist die 
Dringlichkeit und Berechtigung auch eingreifender Operationsverfabren 
ausser Frage. Als Ort der Operation empfiehlt sich die Seitenwand des 
Thorax in der mittleren und hinteren Axillarlinie mit Incision auf die 7. 
bis 9. Rippe. In der Seitenwand hat man die meiste Aussicht, da hier 
die seröse Spalte im sogen. Complementärraum am tiefsten herabsteigt, 
die Pleurablätter miteinander verwachsen zu finden und bis zum Zwerch¬ 
fell Vordringen zu können, ohne einen erheblichen Pneumothorax herbei¬ 
zuführen. 

Ein weiterer und günstiger Fall ist der, dass man hinter der Thorax¬ 
wand zunächst ein abgekapseltes pleuritisches Exsudat vorfindet und von 
hier aus auf gesicherter Bann zum Zwerchfell und zu dem subphrenischen 
Jaucheherd gelangt. — Der Vortragende erörtert noch die bei freier, 
nicht obliterirler Pleurahöhle gegenüber subphrenischen Krankheitsherden 
in Frage kommenden Operationsmethoden, welche darauf gerichtet sind, 
die Eröffnung der Pleurahöhler möglichst aseptisch unter beschränktem 
Lufteintritt vorzunehmen und des Weiteren in zwei Zeiten zu operiren, 
d. h. die Incision des Zwerchfells erst vorzunehmen, nachdem im Ope¬ 
rationsgebiet Verwachsung der Pleurablätter erzielt ist. Derartige glück¬ 
liche Operationsfälle liegen bereits von Volk mann, Israel u. A. vor. 
Endlich wird darauf hingewiesen, dass die Operationsmetboden nach den 
vorgetrageuen verschiedenen Typen fruchtbar zu machen sind für die 
chirurgische Behandlung der Leberabscesse. welche zu einem Drittel der 
Fälle ihren Sitz an der Convexität des Organs haben, eine ausgesprochene 
Neigung zeigen, in die Lungen durchzubrecben, sich also für die in 
Frage stehenden Zwerchfell - Operationen in jeder Beziehung günstig 
formiren. 

Stabsarzt Dr. Falkenstein knüpft daran Mittheilungen über eiuen 
kürzlich im Garnisonlazareth I. zu Berlin beobachteten, ungünstig ver- 


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413 


laufenen Fall von subphrenischem Abscess. Oberstabsarzt Hahn betont 
die Wichtigkeit der physikalischen Zeichen für die Diagnose eines 
derartigen Abscesses. In Verfolg einer Bemerkung des Stabsarztes 
Hommerich über einen in Mainz vorgekommenen Fall, in welchem bei 
der unmittelbar nach der Operation vorgenommenen Ausspülung der 
Hohle so lange Flüssigkeit hineinlief, bis der Tod erfolgte, hebt Stabs¬ 
arzt Herrlich hervor, dass die Ausspülung allerdings sehr vorsichtig 
stattflnden müsse, da anderen Falls viel Unheil angerichtet werden könne. 
Vor Allem müsse bei der ganzen Operation durchaus aseptisch vorge¬ 
gangen werden. _ 

General-Rapport 

von den Kranken der Königlich Preussischen Armee, des XII. (Königlich 
Sächsischen) und des XIII. (Königlich Württembergischen) Armee-Corps, 
sowie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich Bayerischen 
Besatzungs-Brigade pro Monat April 1886. 

1) Bestand am 31. März 1886: 13 838 Mann und 53 Invaliden 

2) Zugang: 

im Lazareth 9632 Mann und 1 Invalide, 

im Revier 15755 - - 18 _ 

Summa 25 387 Mann und 19 Invaliden. 
Mithin 8umma des Bestandes und Zuganges 39 225 Mann und 72 Invaliden, 
in Procenten der Effectivstarke 10,1% und 25,4%. 


3) Abgang: 


geheut. 

27123 

Mann, 

15 

Invaliden, 

gestorben .... 

111 

- 

— 

- 

invalide. 

148 

- 

— 

- 

dienstunbrauchbar . 

302 

- 

— 

- 

anderweitig . . . 

314 

- 

— 

- 

Summa • • 

27 998 

Mann, 

15 

Invaliden. 


4) Hiernach sind: 

geheilt 69,1% der Kranken der Armee und 20,8% der erkrankten In¬ 
validen, 

gestorben 0,28% der Kranken der Armee und — % der erkrankten In¬ 
validen. 

5) Mithin Bestand: 

am 30. April 1886 11 227 Mann und 57 Invaliden, 

in Procenten der Effectivstarke 2,9% und 20,0%* 

Von diesem Krankenstände befanden sich: 

im Lazareth 7 613 Mann und 8 Invaliden, 
im Revier 3 614 - - 49 

Es sind also von 353 Kranken 244,0 geheilt, 1,0 gestorben, 1,3 als 
invalide, 2,7 als dienstunbrauchbar, 2,8 anderweitig abgegangen, 101,2 im 
Bestand geblieben. 

Von den Gestorbenen der activen Truppen haben gelitten an: Schar¬ 
lach 5, Rose 2, Diphtheritis 2, Unterleibstyphus 10, epidemischer Genick¬ 
starre 2, acutem Gelenkrheumatismus 1, Blutarmuth 1, Hirn- und Hirn¬ 
hautleiden 15, Kehlkopfcatarrh 1, Lungenentzündung 22, Lungenschwind¬ 
sucht 17, Brustfellentzündung 7, Herzleiden 4, Blinddarmentzündung 3, 


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414 — 


Leberleiden 1, Bauchfellentzündung 4, Nierenleiden 7, Ohrenleiden 1, 
Zellgewebsentzündung 3, chronischer Hüftgelenkentzündung 1; an den 
Folgen einer Verunglückung: Hufschlag 1; an den Folgen eines Selbst¬ 
mordversuches: Erschlössen 1. 

Mit Hinzurechnung der nicht in militarärztlicher Behandlung Ver¬ 
storbenen sind in der Armee im Ganzen noch 24 Todesfälle vorgekommen, 
davon 8 durch Krankheiten, 5 durch Verunglückung, 11 durch Selbst¬ 
mord; von den Invaliden: durch Krankheit 2; so dass die Armee im 
Ganzen 135 Mann und 2 Invaliden durch den Tod verloren hat. 

Nachträglich: 
pro Februar er.: 

1 Selbstmord durch Ertranken. 


Gedroekt in der KOnlflieben Hofbachdruckerei von B. 8. Mittler and Sohn, Berlin SW., Kochstnuee 88.70. 


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Deutsche 


Militärärztliche Zeitschrift. 


Redaction: 

Dr. 3L <£etttQoR», Generalarzt, 

Berlin, Taubenstrasse 6, 

n. Dr. <£titQar$, Stabsarzt, 

Berlin, Kaiser Franz Grenadier-Platz 11/12. 


Verlag: 

$. $. JBttffrr & $o$tt, 

Königliche Hofbuchhandlung, 
Berlin, Kochstrasse 68—70. 


Monatlich erscheint ein Heft von mindestens 3 Druckbogen; dazu ein „Amtliches Beiblatt“. Der 
Zeitschrift wird das Werk: „Jahresbericht über die Fortschritte auf dem Gebiete des Milit&r- 
Sanitats-Wesens“, herausgegeben vom Generalarzt Dr. Roth, unentgeltlich beigegeben. Bestellung 
nehmen alle Postämter und Buchhandlungen an. Preis des Jahrgangs 16 Mark. 


XV. Jahrgang. 1886. Heft 9. 


An die Leser! 


Deo Herren Lesern der Zeitschrift wird hierdurch bekannt gemacht, 
dass an Stelle des verewigten Stabsarztes Dr. Bruberger Herr Dr. Len- 
hartz, Stabsarzt beim Reserve-Landwehr-Regiment (1. Berlin) No. 35, 
in die Redaction eingetreten ist. Freundliche Beiträge wurden an die 
Adresse desselben, Berlin SO., Kaiser Franz Grenadier-Platz 11/12 (Bureau 
des Reserve-Landwehr-Regiments No. 35), oder an die Verlagsbuchhand¬ 
lang einzusenden sein. Erwünscht sind nach wie vor besonders kürzere 
Originalartikel, Besprechungen und Mittheilungen aus den einschlägigen 
Gebieten. Ebenso wird jeder der Herren Cameraden, die das Blatt bis 
jetzt so freundlich gestützt haben, gebeten, in seinem Kreise für ver¬ 
mehrte Betheiligung zu wirken, da sieb nur hierdurch diejenige Erweite¬ 
rung and Vertiefung des Journals sichern lässt, welche den oft geäusserten 
Wünschen des Sanitäts-Corps entsprechen würde. 

Redaction und Verlag 

der 

Deutschen Militärärztlichen Zeitschrift. 


28 


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416 


Weitere Beiträge zur Kenntniss der Wärmeökonomie 
des Infanteristen auf dem Marsche und znr Behandlung 
des Hitzschlages. 

Von 

Dr. A. Hiller, 

Stabs- and Bataillonsarzt im 2. Schlesischen Grenadier-Regiment No. II and Privatdocent an der 

Universit&t Breslau. 

(Schluss.) 

II. Ueber die Abkühlung des hi tzsch lagk ranken Soldaten 
durch Wasserverdunstung auf der Haut in bewegter Luft 

Die Versuche, welche ich angestellt hatte, um den bei allen Beob¬ 
achtungen der ersten Arbeit so auffällig hervorgetretenen Einfluss des 
Winde8 auf die Abkühlung des Körpers und der Kleidungsstücke des 
Infanteristen auf dem Marsche genauer festzustellen (vergl. Seite 361 
Deutsche miliiärärztl. Zeitschr. 1885, Reihe E., Abkühlungsversuche), 
hatten mich die ganz bedeutende wärmeentziehende Wirkung kennen ge¬ 
lehrt, welche die Wasserverdnnstung auf der Oberfläche eines 36° bis 
44° C. warmen Körpers in bewegter Luft von 1—4 m Geschwindigkeit bei 
Zimmertemperatur (17—19° C.) erzeugt. Diese Erfahrungen hatten un¬ 
willkürlich dahin geführt, ein Verfahren znr Abkühlung des hitzschlag- 
kranken Soldaten zu ersinnen, welches im Wesentlichen darin besteht, 
den nackten oder bis auf Hose und Stiefel vollständig entkleideten Körper 
mit Wasser aus der Feldflasche möglichst gleichmassig zu besprengen, 
wahrend ein zweiter Gehülfe, über den Hüften des Kranken stehend, mit 
dem zwischen den Händen ausgebreiteten und im Tempo des Parade¬ 
marsches kräftig auf und nieder geschwungenen Waffenrock des Mannes 
Wind von 4—5 m Geschwindigkeit macht (vergl. a. a. O. S. 369). 

Dies Verfahren hat, abgesehen von seiner bedeutenden Wirksamkeit, 
auch den militärisch wichtigen Vorzug der Einfachheit für sich. Es be¬ 
ansprucht keinerlei Vorbereitungen oder mitgenommene Apparate; es ist 
überall auf dem Marsche, selbst mitten im heissen Sommer und auf 
offener Landstrasse, auch von den ungeübten Händen der Soldaten leicht 
ausführbar. Der mit der energischen Abkühlung verbundene kräftige 
Hautreiz macht ausserdem die sonst übliche Anwendung voti Ammoniak, 
Hoffmannstropfen, künstlicher Athmung und anderen beim Hitzschlag 
mehr oder weniger problematischen Mitteln überflüssig. 

Um den Grad der Wirksamkeit dieser Abküblungsmethode ge¬ 
nauer festzustellen, schlug ich bereits am Schlüsse der früheren Arbeit 
den Weg der Vergleichung derselben mit der Abkühlung im 


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417 


lauen Wasser bade ein (a. a. O. S. 377). Von vornherein musste an¬ 
genommen werden, dass die wärmeentziehende Wirkung des Bades be¬ 
trächtlicher sein werde, als diejenige der Wasserverdnnstung in bewegter 
Loft, da Wasser die Wärme nngleich viel besser leitet als Loft und zu¬ 
gleich eine viel grössere Wärmecapacität (1,0:0,2377) bat. Das Ergeb¬ 
nis aber war, dass die Abkühlung des Wärmegefässes in einem Wasser¬ 
bade mit dem 57ifachen Volumen Wasser, bei gleicher Temperatur, nur 
am ein Dritttheil schneller erfolgt, als durch Wasserverdunstung 
and Wind von 4 m Geschwindigkeit. Die 1,43 1 warmen Wassers haltende 
Glasflasche mit 808 qcm Glasoberfläche kühlte von 44° bis 30° C. — 
also um 14° C.I — ab. im Bade von 17° C. während 8 */* Minuten, be¬ 
sprengt in Luft von 17° und 4 m Geschwindigkeit während 1374 Minuten. 

Diese Versuche Hessen indessen in mehrfacher Beziehung eine Ver¬ 
vollständigung wünscbenswerth erscheinen. Namentlich war die in Ver¬ 
gleich gezogene Abkuhlungs-Temperaturbreite eine viel zu grosse, wie sie 
in Wirklichkeit beim bitzschlagkranken Soldaten nicht in Betracht kommt. 
Hier handelt es sich in der Regel nur um die Breite von 4-42° bis 38° C., 
also um 4 Grade, bei welchen die Zeitdifferenz zwischen beiden Verfahren 
natürlich erheblich geringer ausfallen muss. Eine Vergleichung inner¬ 
halb dieser Grenzen war aber bei den früheren Versuchen nicht aus¬ 
führbar, da bei der Abkühlung im Bade wegen gewisser Unvollkommen¬ 
heiten in der Versuchsanordnung nur die beiden Endtemperaturen (44° 
und 30°) genau bestimmt werden konnten. Ausserdem waren die Ver¬ 
suche noch zu wenig zahlreich, um den Einfluss der Badetemperatur 
auf die Abkühlungsgeschwindigkeit genügend beurtheilen zu können. 

Ich habe daher diese Abkühlungsversuche im Wasserbade mit noch 
grösserer Genauigkeit fortgesetzt. Wiederum wurde dabei die Wirkung 
des Wassers im ruhigen und im bewegten Zustande miteinander verglichen. 

Eine 1,35 1 warmen Wassers haltende Glasflascbe, welche durch einen mit 
einem Thermometer armirten Kautschukstopfen luftdicht verschlossen war, wurde 
in einem mit 8 1 kühleren Wassers gefüllten Blecheimer bis an den Hals unter¬ 
getaucht und durch eine geeignete Befestigung in dieser Stellung schwebend er¬ 
halten. Das Thermometer hatte diesmal eine solche Länge, dass die Quecksilber¬ 
kugel ziemlich genau in der Mitte der Flasche stand und der obere für die Beob¬ 
achtung allein in Betracht kommende Theil der Skala (von 35° an aufwärts) 
oberhalb des Stopfens sichtbar war. — Um den Einfluss des bewegten Wassers 
zu ermitteln, wurde nicht das Wasser mit bestimmter Geschwindigkeit bewegt, 
— es war das bei der geringen Menge Wassers im Eimer nicht gut ausführbar — 
sondern es wurde die Flasche im Wasser kreisförmig mit einer Geschwindigkeit 
von 0,5 Metern in der Sekunde herumgeführt, was natürlich für die Abkühlung 
den gleichen Effect haben musste. 

Ich lasse die Resultate dieser Versuche wieder tabellarisch geordnet folgen: 


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28* 

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418 


Abkühlung im Wasserbade, 
a. Wasser ruhig. (Temp. in ° C.) 



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419 


Verfolgt man den Gang der Abkühlung in den einzelnen Versuchen, so fallt 
sofort die Unregelmässigkeit der Temperaturabnahme von 15 zu 15 Secunden in die 
Augen. Dieselbe ist am auffälligsten am Anfänge der Beobachtung; gegen Ende 
wird die Abkuhlungsgeschwindigkeit in der Regel viel gleichmässiger. Es erklärt 
sich dies aus den mannigfachen Bewegungen des Wassers, welche trotz scheinbarer 
äusserer Ruhe in diesem überaus labilen, dabei starr umfriedigten Medium theils 
durch Fortpflanzung von Erschütterungen des Tisches, theils durch Ausgleichsbe¬ 
wegungen der verschieden erwärmten Flüssigkeitsschichten, theils endlich, zumal im 
Anfang der Beobachtung, als Nachwirkung der durch das Eintauchen der Flasche 
hervorgerufenen Bewegungen, Vorkommen. Obwohl die Beobachtung schon bei 
50° C. begann, war doch wohl bei der Abkühlung bis auf 44° noch keine voll¬ 
kommene Ruhe eingetreten. 

Diese Wahrnehmung deutet also bereits den sehr bemerkenswerthen Einfluss 
des Bewegungsgrades des Wassers auf die Abkühlungsgeschwindigkeit eines 
wannen Körpers an. Noch evidenter geht dieser Einfluss aus den folgenden 
Versuchen hervor: 

b. Wasser bewegt (o = 0,5 m). 

(Tabelle umseitig.) 

ln dieser Beobachtungsreihe ist die Unregelmässigkeit der Abkühlung von 15 
zu 15 Sec. noch viel auffälliger. Offenbar sind dieselben nur durch Ungleich- 
mässigkeit der Massenbewegung des Wassers, zum Theil auch wohl durch Bewe¬ 
gungen des Wassers innerhalb der Flasche (da dieselbe rotirend bewegt wurde) 
zu erklären. 

Stellt man die Resultate beider Reihen einander gegenüber, so ist 
der Unterschied in der Abkühlungsgeschwindigkeit in der That ganz auf¬ 
fallend. Es kühlte die 1,351 warmen Wassers haltende Glasflasche ab 
von 44° bis 36° C. im Bade von 81 (6 x 1,35) Wasser 

bei unbewegt bewegt 


17° C. 

Badetemperatur in 5 Min. 

— 

Sec. 

— 

Min. — 

Sec. 

18° C. 

- 5 - 

20 

- 

3 

- 40 


20° C. 

- 6 - 

25 

- 

4 

- 8 


22° C. 

- 7 - 

16 

- 

4 

- 20 


24° C. 

- 7 - 

51 

- 

4 

- 50 


26° C. 

- 8 - 

25 

- 

5 

- 30 


27° C. 

- — - 

— 

- 

6 

- — 


28° C. 

- 9 - 

30 

- 

6 

- 15 


30° C. 

- 11 - 

5 

- 

— 

. _ 



Es übertrifft demnach die Wärmeentziehung des bewegten 
Wassers von ca. 0,5m Geschwindigkeit diejenige des ruhenden 
Wassers bei gleicher Temperatur um beinahe ein Dritttheil 
der Zeit (genauer um 4 /n)• Es ist Grund zu der Annahme vorhanden, 
dass, analog den Versuchsergebnissen mit bewegter Luft, bei noch 


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Dauer Dauer 


420 



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Bad von 



421 


f stärkerer Bewegung des Wassers die Wärmeentziehung eine noch viel 
lebhaftere sein wird. Leider Hessen sich höhere Grade von Bewegung 
in dem beschränkten Raume eines Wassereimers nicht ausführen. 

In diesen höchst einfachen Versuchen ist zugleich der Schlüssel enthalten 
zur Erklärung des altbekannten Unterschiedes in der Wirkung zwischen einem 
Wannenbade und einem Flussbade, zwischen dem Bade im ruhigen Binnen¬ 
see und dem Bade im offenen Meere, ja selbst zwischen einem Ostsee- und 
einem Nordseebade; sie erklären ferner die bekannte energische, haut¬ 
reizende Wirkung des Wellenbades, des Sturzbades und der kalten Douche. 
Nächst der Temperatur ist lediglich der verschiedene Bewegungs¬ 
grad des Wassers in den angeführten Arten von Bädern für ihre ver¬ 
schiedene, d. h. verschieden intensive Wirkung auf die Haut entscheidend. 

Die diätetische Wirkung dieser Bäder beruht höchst wahrschein¬ 
lich nicht so sehr auf der Wärmeentziehung an und für sich — denn 
diese ist in einem kurzdauernden Bade von mittlerer Temperatur (18° R.) 
bei Gesunden überhaupt nicht sehr bedeutend —, sondern weit mehr auf 
dem Reize, welchen die Wärmeentziehung je nach ihrer Ausgiebigkeit 
auf die sensiblen Nerven der Haut und damit auf das gesammte Central¬ 
nervensystem einerseits, sowie auf die contractilen glatten Muskelfasern 
der Haut, die Mm. arrectores pilorum und die Muskulatur der kleineren 
Gefässe, andererseits ausübt. Die erstere Art der Wirkung zeigt sich in 
dem Gefühle der Erfrischung während eines Bades und nach demselben, 
welches je nach Individualität und je nach der Intensität des Reizes sich 
steigert bis zur starken Erregung des Nervensystems. Viele Personen 
werden bekanntlich nach einem Seebade aufgeregt, schlaflos. Benommene 
Typbuskranke kommen im kühlen Wannenbade wieder zum Bewusstsein. 

Die andere diätetisch wichtigere Einwirkung auf die contractilen 
Elemente der Haut erkennt man unmittelbar an der im Bade eintretenden 
Blässe und GänsebautbilduDg, in der Regel verbunden mit subjectivem 
Frostgefühl, sowie mittelbar, nach Verlauf von Wochen (bei täglichem 
Baden), an der nunmehr durch fortgesetzte Uebung erlangten Fähigkeit 
der Hautgefässe, bei plötzlich eintretenden intensiveren Abkühlungs¬ 
vorgängen auf der Haut sich schneller und ausgiebiger als früher zu¬ 
sammenzuziehen, dadurch die Wärmeentziehung von der Haut zu be¬ 
schränken und den Körper gegen „Erkältung* zu schützen. Bekanntlich 
wird diese Fähigkeit gemeinhin „Abhärtung* genannt. Eine bei vor¬ 
handener Neigung zu Erkältungen zum Zwecke der Stärkung der Wider¬ 
standsfähigkeit bezw. der Abhärtung unternommene vierwöchige Badecur 
in einem Nordseebade oder einer Kaltwasserheilanstalt ist somit, physio¬ 
logisch betrachtet, nichts Anderes, als eine auf ärztliche Anordnung unter¬ 
nommene vierwöchige Uebung der contractilen Elemente der Haut in der 


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422 


Fähigkeit, sich zusammenzuziehen.*) Beim Nordseebade, zumal auf 
einer kleinen Insel (Norderney, Helgoland > Sylt), kommt hierzu noch 
die bemerkenswerte diätetische Wirkung der Seeluft, welche durch die 
grosse Gleichmässigkeit und Stetigkeit ihrer Bewegung, sowie durch 
ihren grösseren Feuchtigkeitsgehalt, im Vergleich mit der Landluft, die 
Wärmeabgabe der Haut und damit die Wärmeproduction, sowie den 
Stoffumsatz im Körper (Appetit) in gleichmässiger und meist angenehm 
empfundener Weise steigert. 

Die oben mitgetheilten Abkühlungsversuche im Wasserbade zeigen, 
verglichen mit der Abkühlung in bewegter Luft bei schwitzender Ober¬ 
fläche, wiederum das schon a priori zu erwartende Uebergewicht der 
Bäder über die letztgenannte Methode. Doch ist zur Ermittelung des 
Grades dieser Superiorität eine genaue Gegenüberstellung von Parallel¬ 
versuchen beider Reihen erforderlich. 

Ich habe zu diesem Zwecke zwei neue Reihen von Abkühlungsver¬ 
suchen der letzteren Art angestellt, welche der Uebereinstimmung der 
Temperatur wegen besser mit jenen vergleichbar sind, 
a. Abkühlung bei schwitzender Oberfläche, -f-22° c. Lufttemperatur und 36% rel. 

Luftfeuchtigkeit. 


Wind von 


1 m 

2 m ' 

3 m 

4 m 

4 

c 

ä 

h 

6 

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CO 

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d 

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Diff. 

Min. 

h 

0) 

co 

d 

o 

5 

38 

30 

44,0 


,, 

45 

44,0 


57 

30 

44,0 


36 

55 

44 


39 


43,7 

0,3 

18 


43,8 

0,2 

58 


43,5 

0,5 

37 


43,8 

0,2 

40 


43,0 

0,7 

19 


43,0 

0,8 

59 


42,4 

0,9 

38 


42,8 

1,0 

41 


42,3 


20 


42,2 

» 

60 


41,5 

» 

39 


41,8 

1,0 

42 


41,6 


21 


41,4 


1 


40,6 


40 


40,8 

1,0 

43 


40,9 


22 


40,7 

0,7 

2 


39,7 


41 


39,9 

0,9 

44 


40,2 


23 


40,0 

B 

3 


38,8 


42 


39,0 

* 

45 


39,5 

• 

24 


39,2 

0,8 

4 


38,0 

0,8 

43 


38,15 

0,85 

46 


38,8 


; 25 


38,5 

0,7 

5 


37,2 

» 

44 


37,3 

n 

47 


38,2 

0,6 

26 


37,7 

0,8 

6 


36,4 

yf 

45 


36,5 

0,8 

48 


37,6 

» 

27 


37,0 

0,7 

— 

30 

36,0 



38 

36,0 

* 

49 


36,9 

0,7 

i 28 


36,3 

n 


Dauer 


P 

Dauer 


50 


36,3 

0,6 

1 — 

25 

36,0 

» 


9' —" 




8' 43" 


— 

30 

36,0 

» 

f 

Dauer 











Dauer I 10' 40' 

12 '—" i 


*) E. du Bois-Reymond nennt es in seiner geistvollen Rede „Ueber die 
Uebung“, gehalten am Stiftungstage der militärärztlichen Bildungsanstalten am 
2. August 1881 (Berlin, 1881, A. Hirschwald), ganz treffend „Turnen der 
glatten Hautmuskulatur“. Die Badeärzte haben, als Turnlehrer, hier ent¬ 
schieden noch ein Feld zur Vervollkommnung der Uebungsmethode. 


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423 


b. Bei 4-28° C. und 30 O/o rel. Feuchtigkeit. 


Wind von 


D 

Still. 

1 m 

2 m 


3 m 

1 

1 


4 m 


6»* 

.51 « 

< X 

o | 

Diff. 

5h 

.5 6 
& x ! 

d 

° 1 

2 1 

i 4h 
iS & 

S X 

O 'S 

o 1 Q 

1 4 

i\ 

£5 

h 

o 

X 

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5 

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h ! 

6 

i 

X 

d 

o 

5 

12 

30 44,0 1 


30 45 44,0 


1 1 M 

27 45 44,0 53 


1 

44,0 


5 

37 44,0 


13 

'43,8 

0,2 

31 


43,8 

0,2 

28 

43,8 0,2 

54 


43,3 

0,7 

6 


43,7 

0,8 

14 


43,4 

0,4 

32 


_ 9 

0,6 

29 

-1 °. 7 

o5 


42,6 

rt 

7 


42,9 

1 n 

15 


43,0 


33 


42,6 

y* 

301 

42,5 0,6 

561 


41,9 

V 

8 


-1 


16 


42,6 


34 


—>0 

rt 

|3l| 

41,8 0,7 , 

57 


41,2 

, 

9 i 


41,3 

rt 

17 


42,3 

0,3 

35 


41,4 


32 

— 1 

j 1 rt 

58 


,40,5 

V 

10 


40,5 

i rt 

18 


41,9 

0,4 

36 


40,8 


33 

40,4 „ 

59 


39,8 


11 


39,7 

w 

r.» 


41,5 

* 

371 


40,2 

n 

34 

39,7 „ 

60 


139,1 


12 


39,0 

0,7 

20 


41,2 

0,3 

38 


39,7 

,0,5 

35 j 

1-1 1 . 

I 1 


38,4 


13 


38,3 


2] 


40,8 

0,4 

39' 

39,2 

L 

36 

38,4 0,7 

2 


37,7 

1 ” 

14 


(37,6 

„ 

22 


40,5 

0,3 

401 

38,7 


37; 

37,6 0,6 

3 


37,1 

0*6 

15 


136,8 

0,8 

23 


40,2 


41 

'38,15,0,55 381 

37,2 0,6 

4 


36,5 

I rt 

16 


36,1 

0,7 

24' 


39,9 

*> 

42 


]37,55 0,6 30 

] 36,6 v 

— 

|50|36,0 



1« 

36,0 


25 


39,6 


43 


37,050,55.40 

36,0 „ 


Dauer 



Dauer 


26 


39,3 


44 


|36,6 

. 

|i Dauer 


11’50" 



10' 31' 


27 


39,0 


45 


36,1 


12' 15" 









28 


38,75 

0,25 

1 —] 

|12i36,0 

jO,5 



II 








20 


38,5 

rt 


Dauer 












30 


38,25 

» 


14' 27' 












31 


38,0 

7t 















32 


37,75 

7) 















33 


37,5 

7t 















34 


37,25 

7t 















35 


37,0 

7t 















36 


36,75 

rt 















37 


36,5 

7t 















38 


36,25 

7» 















39 


36,0 

V 
















Dauer 
26 ' 30 " 


Nehmen wir ans allen diesen Versuchen die gerade in der Mitte 
der gewählten Abkühlungsbreite (44°—36°) liegende, für die Abkühlung 
des hitzschlagkranken Soldaten fast ausschliesslich in Betracht kommende 
Temperaturbreite von 42° bis 38° C. zum Vergleiche beider Methoden an, 
so erhalten wir folgende Zusammenstellung: 

Es kühlte die Flasche von 42° bis 38° G. ab 

in Luft von 4m im Wasserbade, 

bei Geschwindigkeit unbewegt ( bewegt 

22° C. in .... 4 Min. 22 Sec.3 Min. 30 Sec.2 Min. 10 Sec. 

28° C. in .... 5 Min. 16 Sec.4 Min. 24 Sec.3 Min. 8 Sec. 


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424 


Der Unterschied ist auch hier za Gunsten des bewegten Wasserbad es 
evident; doch sind die Zeitdifferenzen, nach ihrem absoluten Werthe be¬ 
trachtet, nicht sehr erheblich; sie betragen bei beiden Temperaturgraden 
etwa 2 ! /e Minuten. Es ist hiernach die Abkühlung durch Wasser¬ 
verdunstung in bewegter Luft von -+*16° R. (20° C.) und 4m Ge¬ 
schwindigkeit ungefähr der abkühlenden Wirkung eines wenig 
bewegten Wannenbades von +24° R. (30° C.) gleichzusetzen. 

Dies wird auch durch die Erfahrungen bestätigt, welche ich privatim 
gelegentlich der Behandlung eines Typhuskranken, bei welchem 
die sonst übliche Wärmeentziehung durch kalte Bäder zeitweise durch 
mein Abkühlungsverfahren ersetzt wurde, machen konnte. 

Es handelte sich um einen mittelschweren Ileotyphus in der 
Mitte der zweiten Woche bei einem ziemlich kräftigen Manne. Die 
Behandlung bestand bis dabin in der Anwendung von abkühlenden Bädern 
und Darreichung von Salzsäure, ohne Antipyretica. Bei diesem Kranken 
wurde 7 Mal die Abkühlung anstatt durch ein Bad durch mein Ver¬ 
fahren ausgeführt. 


1) Am 15. Juni, Abends 7 Uhr. 

Pat. war an diesem Tage bereits dreimal gebadet worden, je 15 Minuten 
lang in Wasser von —|—20° R., um 8 Uhr, 1 Uhr und 4*/2 Uhr. Temperatur in 
der Achselhöhle um 7 Uhr früh: 39,2°; lUhr: 39,8°: 4 Uhr: 40,1°; 7 Uhr: 40,0°. 
SenBorium ziemlich stark benommen. Zimmertemperatur: 20,5° R. 

Pat. wird vom Hemde entkleidet und im Bette auf die rechte Seite gelegt. 
Bettunterlage aus Wachstuch. Die Haut des ganzen Körpers, soweit sie freilag, 
wurde alsdann mittels einer Blumengiesskanne mit Wasser von -P20° R. fein und 
gleichmässig besprengt, während ein Assistent mit einem grossen Damenfacher *) 
über dem Körper Wind von circa 2—3 m Geschwindigkeit machte. 

Dauer der Abkühlung 15 Minuten, von 7 Uhr 10 Minuten bis 7 Uhr 


25 Minuten. 

Körpertemperatur vor der Abkühlung nach der Abkühlung Differenz 

in der Achselhöhle . . 40,0°.38,9° C. 14° 

im After. 40,75°.40,5° C. 0,25° 


Pat. hat lebhaftes Frostgefühl während der Abkühlung, gerade so wie im 
Bade, und ist zu sich gekommen. Die Haut zeigte, namentlich im Beginn des 
Versuchs, intensive Gänsehautbildung, Blässe und an einzelnen Stellen deutliche 
Cyanose. — Nach beendetem Versuch wird der Körper abgetrocknet, die Bett¬ 
unterlage entfernt und Pat. wieder wie vorher gebettet. Nachwenigen Minuten 
schon tritt starke Erweiterung der Hautgefässe und lebhafte Haut- 

*) Der in der Regel zart gebaute Damenfächer ist für diese Zwecke nicht sehr 
geeignet. Der Arm ermüdet sehr bald vom Schwingen. Besser ist ein mit einer 
Handhabe versehener ausgebreiteter Schwanenflügel oder Gänseflügel. 


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425 


röthang am ganzen Körper, verbunden mit erhöhtem Wärmegefühl, 
ein. Offenbar muss durch diese nachfolgende Reaction die Wärmeabgabe von der 
Haut durch Leitung und Strahlung noch nachträglich erheblich gesteigert werden 
und gleichzeitig durch die starke Fluxion des Blutes aus dem Körperinnern zur 
Haut hin die Temperatur im Innern noch nachträglich mehr oder minder beträcht¬ 
lich sinken. Dies wird durch entsprechende, weiter unten folgende Beobachtungen 
in der That bestätigt. — . . ... 

2) Am 17. Juni 1885, Morgens 8 Uhr. 

Zimmertemperatur: 19° R. — Temp. des Wassers -4-19° R. Abkühlung in 


derselben Weise, 15 Minuten lang. 

Temperatur vor der Abkühlung nach der Abkühlung Differenz 

in der Achselhöhle . • 89,4°.87,7°.1,7° 

im After. 89,9° .....! 89,7° ..... 0,2° 


Pat. hat wieder starkes Frostgefühl gehabt und ist vollkommen bei Besinnung 
gewesen. — 

3) Am 17. Juni, Abends 8 Uhr. 

Zimmertemperatur: 20° R. — Temperatur des Wassers: 19,5° R. Dauer der 
Abkühlung 12 Va Minuten. 

Temperatur vor der Abkühlung nach der Abkühlung Differenz 

in der Achselhöhle . 89,8°.85,6° (!) .... 8,7° 

im After. 40,0°.89,7°.0,8° 

Gänsehautbildung und partielle Cyanose der Haut waren auch hier wieder in¬ 
tensiv, ebenso die nachher im Bett eintretende allgemeine Röthung der Haut mit 
erhöhtem Wärmegefühl. 

4) Am 18. Juni, Abends 772 Uhr. 

Zimmertemperatur: -4-19° B- — Temperatur des Wassers 4-19° R. Dauer der 


Abkühlung 12 Minuten. 

Temperatur vor der Abkühlung nach der Abkühlung Differenz 

in der Achselhöhle . . 89,6°.37,6°.2,0° 

im After. 40,0°.89,4°.0,6° 


Die Erscheinungen während und nach der Abkühlung wie vorstehend. — 

In den noch folgenden 3 Beobachtungen wurde die Temperatur im After nicht 
bloss vor und unmittelbar nach der Abkühlung — das Thermometer blieb gewöhnlich 
im After liegen — bestimmt, sondern auch noch 20 bis 30 Minuten später, um die 
theils aus der Wärmevertheilung im Körper während der Abkühlung zu schliessende 
theils aus dem beobachteten Verhalten der Blutcirculation und der Wärmeregulirung 
nach der Abkühlung zu folgernde nachträgliche Temperaturerniedrigung 
^m Körperinnern festzustellen. 

5) Am 18. Juni 1885, Morgens 7*/4 Uhr. 

Zimmertemperatur: 18° R. — Temperatur des Wassers: 18° R. Dauer 
15 Minuten. 

vor nach 

Temperatur der Abkühlung Differenz Vs Stunde später Differenz 
i. d. Achselhöhle 89,0° 87,4° . 1,6° .... 88,6° . . . 0,4° 

im After . . 89,5° 89,1° . 0,4° .... 88,0° . . . 1,5° 

Erscheinungen wie früher. 


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426 


6) Am 18. Juni 1885, Mittags l 1 /? Uhr. 

Zimmertemperatur: 19° R. — Temperatur des Wassers: 18,5° R. Dauer 
15 Minuten. 

vor nach 

Temperatur der Abkühlung Differenz Va Stunde später Differenz 

i. d. Achselhöhle 40,8° 88,8° . . 1,5°.—.— 

im After. . . 40,8° 40 4 ° . . 0,2° .... 88,2° .... 2,1° 

7) Am 19. Juni 1885, Nachmittags 4 Uhr. 
Zimmertemperatur: 19° R. — Wassertemperatur: 19° R. 
vor nach 

Temperatur der Abkühlung Differenz 20 Minuten später Differenz 

i. d. Achselhöhle 89,4° 87,2° . . 2,2°. . . . . —.— 

im After . . 39,9° 89,6° . . 0,3° ..... 88,1° .... 1,8° 

Der Fieberverlauf des Pat. zeigte von dieser Zeit an bereits deutliche spon¬ 
tane Remissionen, mit welchen eine Abnahme sämmtlicher Krankheitserscheinungen 
und am Ende der 3. Woche vollständige Entfieberung eintrat. Bäder oder Ab 
kühlungen nach meiner Methode wurden daher seit dem 19. Juni nicht mehr 
gemacht. Die Reconvalescenz erfolgte ohne irgend welche Störung. — 


Uebersic'ht der Ergebnisse beim Menschen (Typhnskrauken 
in der Mitte der «weiten Woche). 


No. 

Temperatur 

Luft Wasser 

Ort der 
Messung 

vor¬ 

her 

n ? ch * Diff. 
her || 

20 Min. 
später 

I 

30 Min. 
später ( 

Diff. 

I 

20,5° R. 

20° R. 

Acbselh. 

After 

40,0°C. 

40,75° 

38,9° 1,1° 
40,5° 0,25° 



— 

11 

19° R. 

19° R. 

Acbselh. 

After 

39,4° 

39,9° 

37,7° 1,7° 
39,7° ,0,2° 


— 

— 

hi 

20° R. 

19,5° R. 

Acbselh. 

After 

89,8° 

40 , 0 ° 

35,6° 3,7° 
39,7° 0,3° 

— 

_ . 

. 

IV 

19° R. 

19° R. 

Acbselh. 

After 

39,6° 
40,0° ; 

37,6° 2,0° 
39,4° 0,6° 




V 

18° R. 

18° R. 

Acbselh. 

After 

39,0° 

39,5° 

37,4° 1,6° 
39,1° 0,4° 


38,6° 

38,0° 

0 , 4 ° 

1 . 5 ° 1 

VI 

19° R. 

18,5° R. 

Achselh. 

After 

40,3° 

40,3° 

38,8° 1,5° 
40,1° 0,2° 


38,2° 

2 , 1 ° 

VII 

19° R. 

19° R. 

Achselh. 

After 

39,4° 

39,9° 

!l I 

37,2° 2,2° 
39,6o 0,3° 

II 

1 38,1° 

1 1 

— 

1 , 8 ° 


Diese Versuche zeigen somit eine grosse Uebereinstimmung der 
Wirkungsweise meiner Abkuhlungsmethode mit der Wirkungsweise kühler 
Bäder bei Typhuskranken. Die Abkühlung zeigt sich zunächst am 


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427 


stärksten in der Haut und den angrenzenden peripherischen 
Schichten des Körpers; sie schwankt in der Achselhöhle eines Typhös- 
kranken auf der Hohe des Fiebers, bei durchschnittlich 19° R. Luft- und 
Wassertemperatur, zwischen 1,1° und 3,7° C. Im Innern des Körpers 
dagegen ist die Abkohlung am Ende der Wärmeentziehung (12 bis 
15 Minuten) zunächst nur gering; die Temperaturabnahme im After 
schwankt nm diese Zeit zwischen 0,2° uud 0,6° C.; sie nimmt aber im 
Verlauf von weiteren 20—30 Minuten noch mehr und zwar beträchtlich 
zu und erreicht dann eine Abnahme um 1,5° bis 2,1° €. Im Mittel be¬ 
trägt die Temperaturerniedrigung durch Wasserverdunstung 
auf der Haut von 15 Min. Dauer in der Achselhöhle 2,0° C., im 
After unmittelbar nachher 0,3° C., V* Stande später 1,8° C. An 
dem Zustandekommen dieser Nachwirkung der Wärmeentziehung, 
die in derselben Weise, wenn auch wohl kaum in diesem Umfange, auch 
bei der Abkohlung durch Bäder und zwar sowohl bei Fieberkranken, 
als auch bei Gesunden beobachtet worden ist (Liebermeister, Jürgen- 
sen u. A.), ist einesteils die mit dem Aufhoren der Wärmeentziehung 
alsbald eintretende Ausgleichung der Wärme im Körper zwischen Rinde 
und Kern, anderntheils die nachträgliche starke Erweiterung der Haut- 
gefässe und die dadurch bedingte vermehrte Wärmeabgabe von der Haut 
durch Leitung und Strahlung betheiligt. 

Aus dieser ungleichen Wärmevertheilung im Körper nach 
der Abkohlung ergiebt sich auch die Unmöglichkeit, aus der gefundenen 
Temperaturabnahme in der Achselhöhle und im After die Wirkungs¬ 
grösse des Verfahrens calorimetrisch zu bestimmen, in ähnlicher Weise, 
wie dies Liebermeister und Hagenbach, Bartels, Jorgensen, 
E. v. Wahl, Barth, Kernig, Hattwich u. A. bei den abkühlenden 
Bädern gethan haben. Auch der Versuch, die Grösse der Wärme¬ 
entziehung aus der zur Abkühlung verbrauchten Wassermenge, unter 
Anwendung der von Regnault für die Grösse der Verdampfungswärme 
des Wassers bei bestimmter Temperatur aufgestellten Formel, zu be¬ 
rechnen, misslang; stets fielen die erhaltenen Werthe viel zu gross aus, 
was sich daraus erklärt, dass die zum Verdampfen verbrauchte Wärme¬ 
menge nicht allein der Haut des Kranken, sondern auch und wohl zum 
überwiegenden Theile der umgebenden Luft entzogen wird. 

Eine annähernd richtige Vorstellung von der Wirkungsgrösse des 
von mir zur Abkühlung hitzschlagkranker Soldaten empfohlenen Ver¬ 
fahrens erhält man, wenn man die Wirkung desselben mit der Wirkung 
von Bädern unter den gleichen Bedingungen, also möglichst an derselben 


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428 


Person und in demselben Fieberstadium, vergleicht. Ich habe diese Ver¬ 
gleichung an jenem Typhuskranken an zwei Tagen anstellen können. 

1. Vergleich: 15. Juni 1885. 

Lufttemperatur: 20,5° R. — Wassertemperatur: 20° R. Bad von 20° R. und 
15 Minuten Dauer. 

Um 4Va Uhr Nachmittags. 

Temperatur vorher nachher Differenz 

in der Achselhöhle . . . 40,1° . • . 38,0° .... 2,1° 

im After 40,2° . . . 39,6° .... 0,6° 

Abkühlung nach meinem Verfahren. Um 7*/4 Uhr Abends. 


vorher nachher Differenz 

40,0°.38,9°. 14° 

40,75°.40,5°. 0,25° 


2. Vergleich: 17. Juni 1885. 

Lufttemperatur: 19° R. 

Bad von 19° R. Abkühlung mit Wasser von 19° R. 

Abends 5 Uhr. Morgens 8 Uhr. 

Temperatur vorher nachher Differenz vorher nachher Differenz 
i.d. Achselhöhle 39,8° . 37,6 . . . 2,2° . . 39,4° . 37,7° . . 1,7° 

im After . 40,4° . 39,1 . . . 1,8° . . 39,9° . 39,7° . . 0,2° 

Man ersieht hieraus, dass die Abkühlung durch Wasserverdunstong 
derjenigen durch ein Bad von gleicher Temperatur und gleicher Dauer 
an Wirksamkeit nicht unerheblich nachsteht. Immerhin erscheint aber 
der abkühlende Effect der ersteren Methode au und für sich, wie obige 
Zusammenstellung beweist, doch ziemlich bedeutend, und er wird heim 
Hitzschlagkranken ohne Zweifel noch viel grosser ausfallen, da hei diesem 
die Ueherproduction an Wärme, welche beim fiebernden Typhnskranken 
während und nach dem Bade fortdauert, mit dem Eintritt der körper¬ 
lichen Ruhe sofort aufhort. Soviel leuchtet jedenfalls aus allen hierüber 

angestellten Versuchen ein, dass die Abkühlung des bitzschlag¬ 

kranken Soldaten auf dem Marsche durch die Anwendung jenes 
Verfahrens, das keinerlei besondere Vorbereitungen erfordert 
und überall ausführbar ist, ganz beträchtlich beschleunigt 
werden kann. Nicht zu unterschätzen ist dabei die gleich¬ 
zeitige intensiv reizende Einwirkung des Verfahrens auf die 
sensiblen Nerven der Haut und damit auf das ganze Central¬ 
nervensystem, welche die Anwendung aller anderen bisher 
gebräuchlichen roedicamentosen Mittel entbehrlich macht. 


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429 


III. Ueber die wünschenswertben Erleichterungen 
der Kleidung des Infanteristen auf Märschen im Sommer. 

Die oben mitgetheilten Beobachtungen über das Verhalten der Körper¬ 
wärme des Infanteristen auf Märschen haben gezeigt, dass die bisher ge¬ 
statteten Erleichterungen in der Kleidung desselben, das Oeffnen des 
Waffenrockkragens und der zwei obersten Rockknopfe — es wurde im 
weitesten Umfange von ihnen Gebrauch gemacht — nicht genügen, auf 
Märschen eine beträchtliche und unter Umständen gefahrdrohende Steige¬ 
rung der Körpertemperatur des Soldaten zu verhindern. Man wird sich 
also früher oder später zu weitergehenden Erleichterungen entschliessen 
müssen. 

Es stehen in dieser Hinsicht zwei Wege offen, welche zum Ziele 
fuhren, nämlich gänzliche Umänderung des bisherigen Be¬ 
kleidungssystems oder Beibehaltung des bisherigen Systems 
und Abänderung desselben nur für den Sommer. Ich bin aus 
mehrfachen Gründen für den letzteren Weg. 

Da in unserem Klima die kühleren Jahreszeiten, d. i. die Jahres¬ 
zeiten mit einer mittleren Lufttemperatur unter -hlO°R., die Majorität 
haben, auch diejenigen Nachbarländer, in welche kriegerische Verwicke¬ 
lungen unsere Truppen in absehbarer Zeit führen können, ein ähnliches 
Verhältnis aufweisen,*) so geht daraus hervor, dass der Infanterist einen 
hauptsächlich für diese klimatischen Verhältnisse berechneten Anzug, den 
ich kurz Winteranzug nennen will, haben muss. Unsere bisherige 
Uniform hat sich auch für den Winter, den Herbst und das Frühjahr, 
soviel mir bekannt ist, bewährt. Ich bin daher im Princip für Beibe¬ 
haltung des bisherigen Systems. 

Es bedarf also nur gewisser Abänderungen dieses Systems für die 
drei Sommermonate Juni, Juli und August. Nach mannigfachen Er¬ 
wägungen der vielen hierbei in Betracht kommenden praktischen Rück¬ 
sichten bin ich zu der Ueberzeugung gekommen, dass eine wirksame Er¬ 
leichterung der bisherigen Bekleidung nur möglich ist dadurch, dass man 
dem Infanteristen einen besonderen Sommeranzug giebt. Wer die freie 
Wahl in seiner Kleidung hat, kleidet sich instinctiv im Sommer leichter 
als im Winter; in der Civilbevölkerung hat jeder nur einigermaassen 
Bemittelte einen Sommeranzug und einen Winteranzug. 

*) In MGller-Pouill et’s „Lehrbuch der Physik*, Braunschweig 1852, Band II, 
Seite 623—627, findet man eine Zusammenstellung der mittleren Temperatur der 
Jahreszeiten von 123 Orten der Erde, die für klimatische Fragen der genannten 
Art einen sehr guten Anhalt giebt. 


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In der Armee konnte man daran denken, die Mannschaften im Sommer 
ganz in Drillich gekleidet, sonst aber vorschriftsmässig aasgerüstet 
marschiren zu lassen. Es ist dies jedoch vom hygienischen Standpunkt 
aus durchaus zu verwerfen, da ein mit leinenem Hemde und Drillich¬ 
jacke bekleideter Mann, sobald — was bekanntlich auf dem Marsche 
im Sommer sehr schnell eintritt — Hemde und Jacke durch geschwitzt 
sind, durch die nun eintretende intensive Verdunstung auf der dem Körper 
enganliegenden Kleideroberflache der Gefahr der Erkaltung in hohem 
Maasse ausgesetzt ist. Bei der sehr locker und luftig sitzenden Drillich¬ 
hose ist dies nicht zu befürchten; das Tragen derselben im Sommer ist 
daher auch reglementsmässig gestattet. 

In neuester Zeit ist vielfach die versuchsweise bei einzelnen Truppen- 
theilen als Ersatz für die Drillichjacke eingeführte sogenannte Litefke 
— eine Art von blousenartigem, locker sitzendem Waffenrock aus blauem 
ungefüttertem Tuch — als Sommer-Uniform bei kleineren Uebungen in 
Anwendung gekommen. Auch ich habe einige Male von einem Füsilier 
Marsche darin ausführen lassen (s. oben), stets verbunden mit wesentlichen 
Erleichterungen des Gepäcks (ohne Tornister, statt Helm Mütze). Obwohl 
diese Beobachtungen noch sehr spärlich sind und bei relativ der Abkühlung 
günstigen meteorologischen Verhältnissen angestellt sind, lassen sie doch 
einen Unterschied in der Erwärmung des Körpers von der feldmarsch- 
mässigen Ausrüstung zu Gunsten der Litefke erkennen. Es bedarf dies 
jedoch vor Abgabe eines definitiven Urtheils noch einer umfassenderen 
Prüfung, besonders auf Märschen an wirklich warmen und windstillen 
Sommertagen. Abgesehen davon weicht aber der Sitz und der Schnitt 
dieses Kleidungsstückes so sehr von der hergebrachten knappen Form 
des preussischen Waffenrocks ab, dass das Auge des älteren Militärs, 
soviel ich darüber bisher in Erfahrung gebracht habe, sich nur schwer 
daran gewöhnt. Es ist dies ein Punkt, welcher in der Bekleidung einer 
Armee, die, wie die unsrige, so viel auf ihre äussere Erscheinung in 
Körperhaltung und Kleidung giebt, sicherlich die vollste Berücksichtigung 
verdient. 

Alle diese Erwägungen — die Rücksichtnahme auf die Forderungen 
der Gesundheitspflege des Soldaten, auf seine äussere Erscheinung und 
auf eine möglichst geringe Abweichung von der hergebrachten, in vieler 
Beziehung bewährten Bekleidungsform — haben mich im Laufe des ver¬ 
flossenen Jahres auf ein Project einer Sommer-Kleidung unserer 
Infanterie geführt, welches ich kurz skizzirt nachfolgend zu veröffent¬ 
lichen wage. 


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— 431 ' — 


Die Bestandteile dieser Sommerkleidung, als Marschanzug 
betrachtet, sind folgende: 

Innere Schicht: Wollenes Hemde, ungefärbt 

Halsbinde. 

Baumwollene Unterhose. 

Wollene Strümpfe bezw. Fusslappen aus Parchend 
oder Flanell. 

Aeussere Schiebt: Helm (oder Mütze). 

Waffenrock aus blauem Drillich; genau vom 
Schnitt des bisherigen, mit metallenen Knöpfen, 
mit aufgenähtem rothen Kragen und Aermel- 
besatze, mit Achselklappen und Rangabzeichen, 
alles aus waschbarem, leinenem oder baum¬ 
wollenem Stoff. 

Drillichhose, naturfarben oder dunkelblau gefärbt. 

Lederstiefel. 

Ausrüstung: Mantel, gerollt; daran festgeschnallt 

Kochgeschirr, enthaltend 40 scharfe Patronen und 
Victualien. 

Seitengewehr mit Leibriemen. 

2 Patronentaschen mit je 20 scharfen Patronen. 

Brotbeutel. 

Feldflasche. 

Schanzzeug. 

Gewehr. 

Das Gewicht dieses Anzuges beträgt, alles in allem, 17,5 Kilogramm. 
Für den Marsch gelten hierbei dieselben Vorschriften wie bisher: an 
wärmeren Tagen können der Kragen und die beiden oberen Knopfe ge¬ 
öffnet werden; an besonders warmen Tagen, oder wenn die Mannschaft 
Symptome stärkerer Erhitzung zeigt, darf auch die Halsbinde abgenommen 
und der Hemdenkragen geöffnet werden. 

Den Kern obigen Entwurfs bilden drei von dem Herkömmlichen 
wesentlich abweichende Forderungen. 1) Die Einführung wollener 
Hemden in die Armeean Stelle der leinenen, 2) Die Einführung 
eines Sommer - Waffenrocks aus blauem Drillich, sonst dem 
bisherigen Winter-Waffenrock in Schnitt und Abzeichen ähnlich, und 
3) ein viel ausgiebigerer Gebrauch vom Mantel als bisher. 

Ueber die Vorzüge des wollenen Hemdes vor dem leinenen bei 
Personen, welche leicht schwitzen und daher zu Erkältungen neigen, 

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— und der Infanterist schwitzt beständig and mehr oder weniger beträcht¬ 
lich auf dem Marsche — ist heutzutage kaum noch ein Wort zu verlieren. 

Praktische Erfahrung und wissenschaftliche Untersuchung haben 
den Vorzug der Wolle als unmittelbares Bekleidungsmittel für die Haut 
hinlänglich begründet. Das wollene Gewebe ist, nach den Versuchen von 
Coulier und von v. Pettenkofer (vergl. meine frühere Arbeit, Deutsche 
militärärztl. Zeitschrift 1885, Heft 7 u. 8, S. 326), bedeutend hygro¬ 
skopischer als Leinwand; es vermag, bei gleichem Gewicht des Stoffes, 
das Drei- bis Vierfache an Wasser der letzteren aufzunehmen. 
Sowohl die Aufsaugung des Schweisses als auch die Verdunstung desselben 
geht beim Wollengewebe langsamer vor sich als bei der Leinwand; 
die dadurch bedingte Abkühlung der Haut ist also bei einem wollenen 
Hemde viel weniger rapide und damit die Gefahr der Erkältung eine 
viel geringere. Jedermann weiss, dass ein nasses, sch weissgetränktes 
Leinenhemde beim Auskleiden sofort, zumal in Zugluft, das Gefühl eisiger 
Kälte auf der Haut erzeugt, während das wollene Hemde in einem solchen 
Falle eine kaum merkliche Kälteempfindung erzeugt. Das wollene Gewebe 
ist ferner, wie v. Pettenkofer gezeigt hat, viel durchgängiger für 
Luft und Wasserdampf als Leinwand (Verhältniss 10,4 : 6,0). 
Endlich kommt hierbei in Betracht die grossere Elastizität des 
wollenen Gewebes gegenüber dem leinenen, welche den Druck der Riemen 
und Ausrüstungsstücke auf die Haut des Infanteristen wesentlich mildert 
Bei der Fassbekleidung haben dieselben Gründe bekanntlich schon lange 
zu der Bevorzugung des wollen Strumpfes (bezw. Fusslappens) vor dem 
baumwollenen geführt. Kurzum, ich würde in der Einführung 
wollener Hemden in die Armee einen wichtigen Fortschritt 
in der Gesundheitspflege unseres Heeres erblicken. 

Was den Sommer-Waffenrock anbetrifft, so erscheint mir Drillich 
vorläufig als der geeignetste Stoff dazu. Ein solcher Rock ist leicht, 
dünn und luftig; er stellt der Wärmeabgabe von der Haut bezw. der 
Wasserverdunstung von der Oberfläche des Wollenhemdes nur ein geringes 
Hinderniss entgegen, namentlich im Vergleich mit dem gefütterten Tnch- 
Waffenrock. Der blauen Farbe, ungeiähr von der Nuance des bisherigen 
Militärtuches, habe ich aus naheliegenden praktischen Gründen den Vor¬ 
zug- gegeben. Der Rock soll waschbar sein. Wie oft das Waschen 
erforderlich ist, muss erst die Erfahrung ergeben. Aus diesem Grunde 
müssen die Knopfe leicht entfernbar angebracht sein. Die Art der 
Befestigung derselben an den Offizier-Drillichröcken mittels spiral förmiger 
Drahtringe scheint mir hierfür empfehlenswert!! zu sein. Die Grad- 


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abzeichen (Tressen) mussten gleichfalls aus waschbarem Stoff und fest 
aofgenäht sein*). 

Eine derartige Sommerbekleidung unserer Truppen ist jedoch praktisch 
nor ausführbar, wenn gleichzeitig vom Mantel ein viel ausgiebigerer 
Gebrauch gemacht wird als bisher. Mitgenommen wird er ja gewöhnlich 
auf Märschen und Uebungen im Sommer, aber nur selten gebraucht 
Beim Sommer-Waffenrock ist seine häufigere Benutzung unerlässlich 
z. B. auf dem Manöver, im Quartier, wenn der Drillichrock vom Regen 
oder vom Schweiss durchnässt ist und getrocknet werden soll, an Ruhe¬ 
tagen, wenn der Drillichrock gewaschen werden muss, im Biwak an 
kühlen Herbsttagen, besonders des Abends und Nachts. 

Einen gewissen Grad von Vollkommenheit in hygienischer Beziehung 
würde dieser Sommer-Anzug haben, wenn es gelänge, Waffenrock 
und Drillichhose wasserdicht oder richtiger undurchlässig für 
Regentropfen zu machen. In der That gelingt dies, wie ja vom Zelt- 
tucb, Segeltuch, von den Schober-Plänen u. 8. w. bekannt ist, und zwar 
durch Imprägnation mit gewissen Salzen (essigsaurer Thonerde), ohne 
dass die Permeabilität des Gewebes für Luft dadurch wesentlich beein¬ 
trächtigt wird. Allein der Gehalt des Rockes an essigsaurer Thonerde 
gebt, wie ich an meinem eigenen Drillichrock nachweisen konnte, bei 
fortgesetztem Tragen durch Ausfallen des Salzes allmälig verloren, ebenso 
beim jedesmaligen Waschen; es müsste also der Waffenrock nach 
jeder Wäsche von Neuem imprägnirt werden, was praktisch umständlich 
ist. Dagegen mochte ich dringend empfehlen, an Stelle des Drillichrockes 
den Mantel des Soldaten durch Imprägnation mit solchen Salzen 
„wasserdicht“ zu machen. Auch diese Procedur müsste, wenn sie 
wirksam sein soll, in jedem Jahre ein Mal erneuert werden. Doch ist 
das Verfahren der Imprägnation so einfach, dass es sehr leicht von dem 
Kammerunteroffizier erlerut und ausgeführt werden kann. Bei eintretendem 
Regenwetter auf Märschen, bei Uebungen, im Biwak und auf Posten wäre 
der Mantel jedesmal umzuhängen. Der Soldat würde auf diese Weise 
ziemlich wirksam geschützt werden können gegen Durchnässung. 

Den Einfluss dieser Sommerkleidung auf die Wärmeabgabe des 
Infanteristen auf dem Marsche habe ich bereits oben gelegentlich der 
Temperaturmessungen in der Marschreihe B. erörtert. Der dort an- 

*) Solche Drillich-Waffenröcke, an Farbe, Schnitt und Rangabzeichen dem bis¬ 
herigen vollkommen ähnlich, habe ich inzwischen, nachdem die angestellten Färbe¬ 
versuche in Bezug auf Nuance und Haltbarkeit ein günstiges Resultat ergeben haben, 
probeweise anfertigen lassen. 

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geführte „ganz leichte Marschanzug“ ist im Wesentlichen mit dem 
hier beschriebenen Sommeranzog identisch; statt des blauen Drillich- 
Waffenrocks wurde nur der gewöhnliche graue Drillichrock unserer 
Unteroffiziere benutzt. Das Resultat war insofern für diese Bekleidungs¬ 
art günstig, als der so gekleidete Füsilier Sch. auf allen Marschen die 
niedrigste Körpertemperatur hatte, ja, seine Körpertemperatur überhaupt 
niemals die Grenze von 38,5° C. überschritt. Seine Feuerprobe würde 
indess der projectirte „Sommeranzug“ erst bestehen können, wenn an 
wirklich heissen Sommertagen bei geringer Luftbewegung und unausge¬ 
setzter Bestrahlung durch die Sonne grössere Marschleistungen, wie sie 
im Kriege Vorkommen, von dem Infanteristen gefordert werden. Vielleicht 
bietet mir der bevorstehende Sommer hierzu die erwünschte Gelegenheit. 


Einklemmung des Wurmfortsatzes. Bruchoperation. 
Verschluss des Ileum durch Achsendrehung. Laparotomie. 

Nach einem im Allgemeinen ärztlichen Vereine in Cöln gehaltenen Vortrage von 
Dr. Glasmacher, Stabsarzt im 3. Westfäl. Inf. Regt. No. 16. 


Füsilier M. vom 5. Rhein. Inf. Regt. No. 65 war am 5. November 1884 
eingestellt worden. Bei der ersten Untersuchung war in der rechten Leiste 
eine taubeneigrosse Geschwulst gefunden worden, welche im Leisten- 
canale dem Bauchringe anlag. Da man dieselbe für eine Samenstraug- 
cyste hielt, blieb der Mann im Dienste. Fast ein Jahr lang hatte der¬ 
selbe allen Dienst gethan und nie über Beschwerden, die von der Ge¬ 
schwulst herrührten, geklagt. Vier Tage vor seiner Aufnahme ius 
Garnisonlazareth hatte Patient plötzlich in der Nacht sehr heftige 
Schmerzen im Unterleibe, hauptsächlich in der Nabelgegend, verspürt 
Keine Stuhlverstopfung lag vor, kein St098 hatte ihn getroffen, er hatte 
keine Lasten gehoben. Am folgenden Tage war nur noch sehr geringe 
Empfindlichkeit im Unterleibe, besonders in der rechten Seite, zurückge¬ 
blieben; Stuhlgang war von selbst erfolgt. Am Tage vor seiner Aufnahme 
fühlte sich der Kranke so wohl, dass er mit Kameraden ausgegangen war. 
In der Nacht aber stellten sich wieder sehr heftige Schmerzen in der 
rechten Unterbauch- und Nabelgegend ein. Der Befund bei der Aufnahme 
insLazaretham27.10 1885ergab: Brechneigung, Sensorium benommen, Unter¬ 
leib massig meteoristisch aufgetrieben, auf Druck und Percussion sehr empfind¬ 
lich, Zwerchfell etwas nach oben gedruckt, Athmung oberflächlich, Puls 
klein, 90 in der Minute, Temperatur 39,2° C. Als Patient am folgenden 


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! Morgen auch aber Schmerzen in der rechten Leiste klagte, and in dieser 
die pralle Geschwulst sich fand, wurde er der aasseren Abtheilung aber¬ 
wiesen. Temperatur 38,9, Puls klein, 86 in der Minute, Klagen über 
Schmerz in der rechten Leiste, Unterbaach- und Nabelgegend. Meteoris- 
mos war ziemlich gross, Stahlgang und Abgang von Darmgasen war 
seit 3 Tagen nicht erfolgt. An der inneren Seite des rechten Samen¬ 
stranges wurde eine sehr pralle, taubeneigrosse Geschwulst gefunden, 
welche dicht vor dem Eintritte des Canales in den Unterleib lag. Bei 
der Kleinheit derselben ergab die Percussion keinerlei Anhaltspunkte über 
den Inhalt; oberhalb des Poupart’schen Bandes liess sich eine deutlich 
gedämpfte Zone von Handbreite nachweisen. Percussion und Palpation 
des Unterleibes ergaben sonst nur die Zeichen von hochgradigem 
Meteorismus. 

Bei den A llgomeinerscheinungen von Bauchfellentzünd ung, Brechneigung, 
viertägiger Obstipation und der prallen, schmerzhaften Geschwulst in der 
Leiste musste an eine Darm- oder Netzeinklemmung gedacht werden. 
In Narcose wurde die Taxis versucht, als diese aber erfolglos blieb, 
machte ich den Bruchschuitt. Langsam drang ich auf die Geschwulst 
vor von der aussern Seite her, wo selbige mit dem Samenstrange ver- 
l wachsen war. In der Absicht, den Bruchsack zu eröffenen, incidirte ich 
! eine Cyste, die einen Tbeelöffel voll normalen, eingedickten Eiters ent¬ 
hielt. Weder Fremdkörper, noch Koth, noch Darmgase kamen in der 
Cyste zum Vorschein; die Umgebung der Cyste war massig entzündet. 
Nachdem die Cystenwäode herauspräparirt und von dem Samenstrang 
isolirt waren, fand sich ein Strang von Gänsefederkiel-Dicke, welcher zur 
i Bauchhöhle führte; nachdem auch dieser vom Samenstrange isolirt war, 
wurde er mit Catgut unterbunden und in die Bauchhöhle reponirt. Die 
Brucbpforte wurde vollständig frei gefunden. Ich vernähte sorgfältig, 

! drainirte und verband antiseptisch. Abends war Temperatur normal, 

| Puls hatte sich etwas gehoben, Patient fühlte sich relativ wohl, Senaorium 
war bedeutend freier. Medioation: Tinct. opii, Eispillen und Eisblase 
' auf Unterleib. In der Nacht stellte sich sehr starkes, andauerndes Er¬ 
brechen galliger, nicht fäculenter Massen ein. Patient war dadurch am 
Morgen aufs Aeusserste erschöpft. Nach dem Vorschläge von Prof, 
i Dr. K u88maul und den Erfahrungen von Prof. Dr. Bardeleben 
applicirte icb die Magensonde und spülte den Magen so lange aus, bis die 
Flüssigkeit klar ablief; drei Liter Wasser waren dazu nothwendig. So¬ 
gleich nachher verabreichte ich durch die Magensonde Cocain, mur. 0,05 
in wenig Wasser gelöst. Die Brechneigung hörte sofort auf, und nach 


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5 Minuten schlief Patient ein. Den Tag aber blieb der Zastand befriedigend, 
Defäcation und Abgang von Darmgasen erfolgte nicht. Am zweiten 
Tage nach der Operation fohlte Patient keine Schmerzen, der Meteoris¬ 
mus hatte aber bedeutend zugenommen: Zwerchfell stand sehr hoch, 
Leberdämpfung war kaum zo constatiren, Herzstoss war nach oben ge¬ 
ruckt, Puls sehr schwach, 90 in der Minute, Athmung sehr behindert 
Bei dem relativ leidlichem Kräftezustande entschloss ich mich am 29.10. zur 
Hebung des etwaigen Hindernisses in der Darmpassage zur Laparatomie. 
Ich operirte in der Linea alba. Das Netz bekam man nicht zu sehen. 
Es fielen keine Darmschlingen vor, weil dieselben durch die Entzündung 
unter sich und den Bauchdecken adhärent waren. Das Coecum, das 
Ende des Ileum und die nahegelegenen Darmschlingen waren mit 
dicken Eiterlagen bedeckt. Das Coecum lag der Bauchöffoung des 
Leistencanales fest auf und war fast leer von Darminhalt. Durch sanften 
Zug mobilisirte ich das Ende des Coecum und fand, dass nur ein ganz 
minimales Stückchen Wurmfortsatz daran war. Ein Hinderniss, welches 
die Darropassage hinderte, konnte in der Coecalgegend nicht gefunden 
werden, es fanden sich dort nur Zeichen und Producte weit vorgeschrittener 
Bauchfellentzündung. Eine kurze Strecke vom Coecum entfernt nahm 
das Ileum eine bedeutende Injection an, die nach dem Mesenterium zn 
so bedeutend zunabm, dass in der Hohle des Nabels am Ende des Bauch- 
schnittes der Darm schwarzbraun aussah. Zur genaueren Uebersicht 
wurde der Bauchschnitt noch etwa 5 cm nach dem Magen zu erweitert; 
die stark ausgedehnten Darmschlingen wurden dann von ihren peri- 
tonitischen Verwachsungen gelost, in warme, mit Salicylsäurelosung ge¬ 
tränkte Tücher gehüllt gegen den Magen zu hinaufgeschlagen. So über¬ 
sah man den ganzen entzündeten, fast brandigen Dünndarm. Eine 
Achsendrehung oder ein sonstiges Hinderniss konnte nicht gefunden 
werden; der Darm war nach oben und unten gleichmässig stark ausge¬ 
dehnt. Zur Verminderung der Spannung durch Darmgase und Darm- 
inhalt punktirte ich den Darm ausserhalb der Peritonealhohle durch einen 
sehr weiten Troicart und entleerte eine bedeutende Menge von dünner 
fäculenter Flüssigkeit und von Darmgasen. Zum Verschlüsse der Darm- 
wunde, die etwa 1 cm weit eingerissen war, legte ich 4 Catgut-Näbte an 
in der Weise, wie es Lembert vorgeschlagen. Auch jetzt, da der ent¬ 
färbte Dünndarm bedeutend weniger gespannt war, konnte kein Hioder- 
niss nachgewiesen werden. Die zunehmende Schwäche mahnte zur 
Beendigung der Operation. Die Bauchhöhle wurde auf das Peinlichste 
mit Oazetampons, die in beisser Salicylsäurelosung gelegen, gereinigt, die 


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D&rmschlingen ebenfalls desinficirt und reponirt. Zur Vereinigung des 
Bauchschnittes wurden 20 Nahte, tbeils tiefe durch Musculatur und 
Peritoneum gehende, theils Hautnähte, angelegt. Während des anti- 
septischen Verbandes wurden Campheröl-Injectionen nothwendig; nach 
demselben wurde durch Umwickeln von Armen und Beinen Autotrans- 
fosion bewirkt. 12 Stunden nach der Operation starb Patient am 
29. 10. a. p. 

Die Obduction der Leiche wurde verweigert, es wurde nur gestattet, 
die Nähte nochmals zu losen. In der Bauchhöhle fand sich kein freies 
Exsudat, das Netz war ganz nach oben gegen Colon transversum ver¬ 
schoben; der ganze Dünndarm war durch peritonitische Entzündungs- 
producte lose verklebt und durch Darmgase hochgradig gespannt. Nach¬ 
dem die obersten Darmschlingen zur Seite geschoben, fiel die fast brandige 
Darmpartie wieder auf; die hochgradigen Erscheinungen von Darm¬ 
entzündung begannen 5 cm vom Coecum, nahmen im weiteren Verlaufe 
nach oben stetig zu; in der Hobe der Radix mesenterii änderte der Darm 
plötzlich seine Richtung, er bog nach links ab und war gleichsam um¬ 
geschlagen. Als man diese Dünndarmpartie von den unteren peritonitischen 
Adhäsionen löste und nach oben schlug, konnte man den Darminhalt; 

, Oase und Flüssigkeit, beliebig von rechts nach links und umgekehrt im 
■ Lumen des Darmes verschieben. Liess man aber den Darm wieder 
los, so schlug derselbe wieder nach unten um, und der Verschluss war 
wieder perfect: es liess sich alsdann kein Darminhalt über die durch die halbe 
Achsendrehung des Dünndarmes verengte Stelle wegdrücken. Der Stiel 
des Mesenterium war sehr schmal. Das Coecum lag dicht auf der 
Bauchöffnung des Leistencanales und war dort durch eiterig fibrinöse 
Auflagerung verklebt. An dem Coecum wurde nur ein minimales 
Stückchen vom wurmförmigen Fortsatze gefunden. 

Die Leichenöffnung zeigte also, dass das Coecum gleichsam auf der 
Darmbeinschaufel nach unten geglitten, und der wurmförmige Fortsatz 
io den Leistencanal vorgefallen und mit dem Samenstrange verwachsen 
war. Als sich nun noch in dem Wurmfortsätze eine Cyste entwickelte, 
die die Reposition hinderte, waren die Verhältnisse für Entstehen von 
. Einklemmung ausserordentlich geeignet. Als diese nun ein trat, und die 
* Peristaltik des Darmes sich enorm steigerte und der Darm selbst sich 
bedeutend ausdehnte, ist es bei der Schmalheit des Mesenterialstieles 
leicht erklärlich, dass sich der Dünndarm gleichsam überschlug, eine 
halbe Achsendrehung machte und so den Verschluss herbeifuhrte. 
Die Stelle des Abschlusses wurde jedoch bei der Operation nicht ge- 


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fanden, weil durch das Hinaufschlagen der Dünndarinschlingen eben diese 
halbe Achsendrehung gehoben wurde. Bei der Operation musste ich 
mich daher damit zufrieden geben, durch Entleerung von Oasen und 
Flüssigkeiten günstigere Verhältnisse für die reguläre Darmpassage zu 
schaffen. Von einer Resection des ganzen brandigen Darmabscbnitts 
konnte bei der ohnehin weit ausgebreiteten Bauchfellentzündung keine 
Rede sein. Das Einzige, was bei genauerer Kennntuiss der thatsächlichen 
Verhältnisse hätte noch in Ueberlegung gezogen werden können, wäre 
die Anlage eines künstlichen Afters oberhalb der abgeschnürten Stelle 
gewesen, nachdem vorher die eingeschlagene Darmpartie nach oben zu- 
rückgebracht und angenäht worden. Ob man diese Operation mit einem 
Schimmer von Wahrscheinlichkeit lür einen günstigen Erfolg instituirt 
hätte, glaube ich nicht. 

Wenn man dem wurm förmigen Fortsatze im Ganzen keinen physio¬ 
logischen Werth vindicirt, ihn vielmehr nur als unnöthigen Anhang de* 
Blinddarmes betrachtet, so liegt doch in pathologischer Veränderung 
desselben und in Veränderung der Lage manche Gefahr für Leben und 
Gesundheit. Die mannigfachsten pathologischen Processe spielen sich 
darin ab: von dem einfachen Catarrh mit Schwellung der Schleimhaut 
und Prominenz der Follikel mit schleimiger und eitriger Secretion, von 
Verstopfung desselben durch Fremdkörper (Fruchtkerne, Gräten, Schrot¬ 
kügelchen) bis zum Durchbruche und selbst vollständigem, necrotischem 
Verfalle, von tuberculöser Geschwürsbildung bis zu krebsartiger Geschwulst¬ 
bildung. In anderer Hinsicht sind Fälle bekanut (Leichtenstern, 
Ziemssen Sammelwerk), in denen sich der Wurmfortsatz eng spiralig 
oder schneckenartig aufgewunden hatte. Tritt dann eine Darm- (meist 
Ileum>) schlinge durch, so wird sie entweder in die Spirale eingeklemmt 
oder sie verwandelt den Ring in einen rechten Wurmfortsatzknoten 
Prof. Leichtenstern führt für die Häufigskeitsverhältnisse dieser Ein¬ 
klemmungsarten aus der Litteratur folgende Zahlen an: von 36 Fällen 
waren: 28 Fälle Einklemmung unter den adhärenten Wurmfortsatz, 
4 durch den spiralförmig verdrehten Wurmfortsatz, 4 durch Knotenbildung. 
Prof. Leichtenstern betont, dass sich allenthalben die Meinung einge¬ 
bürgert habe, dass bei Wurmfortsatz-Einklemmungen das weibliche 
Geschlecht prävalire und zwar, weil durch Beckenperitonitiden der Fort¬ 
satz häufiger Gelegenheit habe adhärent zu werden; doch zeigen Zahlen 
das entgegengesetzte Verhältnis: von 106 Wurmfortsatz-Entzündungen 
kamen 89 auf das männliche, 17 auf das weibliche Geschlecht und 
von 34 Einklemmungen 21 auf das männliche, 13 auf das weibliche 


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Geschlecht, Die Diagnose dieser Zustände wird immer nur eine Wahr¬ 
scheinlichkeitsdiagnose sein, sie wird sich immer an geringere und 
grossere Mitbetheiligung des Bauchfelles anlehnen müssen unter Berück¬ 
sichtigung der Hinderung der Darmpaseage. In therapeutischer Be¬ 
ziehung wird daher die Entscheidung der Frage, ob die Entzündungs- 
Vorgänge intra- oder retroperitoneal liegen, von Wichtigkeit sein. Das 
wichtigste objective Symptom für einen therapeutischen Eingriff wird der 
Nachweis einer Geschwulst in der Bauchhöhle oder von Eiter über dem 
Po upa raschen Bande oder mehr in der Lendengegend sein. Andauernde 
Hinderung in der freien Darmpassage wird die Eröffnung der Bauch¬ 
höhle bedingen. 

Von anderen Lageveränderungen des Processus vermiformis ist noch 
zu erwähnen, dass derselbe, wie jedes andere Eingeweide, durch eine 
Bruchpforte vorfallen kann und so auch gelegentlich Einklemmungen 
erleidet, die das Leben bedrohen. 

Davies-Colley (Guys hospital reports 1884) hat 4 selbst beobachtete 
Fälle dieser Art zusammengestellt und erwähnt 5 sonst in der Litteratur 
geschilderte Fälle. Der erste der selbst beobachteten war eine Femoral- 
hernie, deren Inhalt der Wurmfortsatz war. Der Bruch war acut durch 
Heben einer schweren Last entstanden und gab zu häufigen Einklemmungs- 
Erscheinungen Veranlassung. 3 Tage vor der Operation war bei regel¬ 
mässigem Stuhle Einklemmung eingetreten; bei der Operation fand sich 
der 3 Zoll lange Wurmfortsatz; der Bruchsack wurde vernäht und der 
Wurmfortsatz reponirt. Die Heilung erfolgte in einigen Wochen. Im 
zweiten Falle handelte es sich um eine rechtsseitige Leistenhernie, 
welche seit 30 Jahren irreponibel gewesen war. 4 Tage vor der Operation 
traten mit Stublverhaltung und Fieber Einklemmungssymptome auf. 
Bei der Operation fand sich als Bruchinhalt angewachsenes Netz und 
Proc. vermif. Beide Theile wurden abgetragen und eine Seitenligatur 
angelegt. Tod erfolgte nach acht Tagen durch acute Peritonitis und 
Einklemmung des Ileum. Bei der Obduction waren die abgeschnittenen 
Enden des Netzes und Wurmfortsatzes der Bruchpforte adhärent. Beim 
dritten Falle bestand seit 3 Tagen Obstipation und unstillbares Erbrechen, 
jedoch reichlicher Abgang von Flatus. Im Bruchsack fand man einen 
perforirten necrotischen Processus. Heilung trat ein unter Zurücklassung 
einer Kothfistel. Der 4. Fall war wieder ein Schenkelbrucb, in dessen 
Bruchsack sich zwei Unzen Serum und ein darmähnlicher an der Wand ad- 
härenter Knoten fand. Bei der schichtweisen Incision wurde eine Höhlung 
voll stinkenden Serums freigelegt und eine Schlinge von der Dicke eines 


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Ringfingers gefunden, nach deren Oeffnung Darmgase entwichen. Eine 
Sonde liess sich in den Processus einfuhren. Heilung in zwei Monaten. 
Die Fälle aus der Litteratur, die Davies-Colley anfuhrt, sind: 1 Fall 
Leistenhernie (Tod 5 Stunden nach der Operation) von Pick (Lancet 
1880) beobachtet, 1 anderer Fall von Court beschrieben. Heilung durch 
Reposition. Dieffenbach (Oper. Chirurgie) operirte einen Schenkelbrucb, 
dessen Inhalt der Wurmfortsatz war. Tod zwei Tage nach der Repo¬ 
sition. Keine Obstipation hatte bestanden. De Morgan (Transact. of 
the Pathol. Society XXV) operirte eine entzündete Scrotalhernie, bei 
welcher weder Erbrechen noch Obstipation bestand. In dem Bruchsack 
wurde Eiter aus dem durch Fischgräten entzündeten wurmformigen 
Fortsatze gefunden. Tod in 24 Stunden nach der Operation. Bill rot h- 
(Archiv, für kl. Chirurgie Bd. XXI) beschreibt eine entzündete Leisten¬ 
hernie mit typischen Einklemmungs-Erscheinungen. In dem Bruchsacke 
fand sich eine Cyste, deren Wände mikroskopisch als solche des Proc. 
verm. diagnosticirt wurden. Heilung wurde nach localer Peritonitis erzielt* 

In diesen geschilderten Fällen scheint die Diagnose der Einklemmung 
des Wurmfortsatzes allemal erst bei der Operation gestellt zu sein. Der 
Grund liegt jedenfalls darin, dass die Symptome, sowohl im frühen Stadium 
bei directen Vorfällen, sowie auch später bei Entzündungen und Ein 
klemmungen so wenig prägnant sind, dass die Diagnose zwischen Netz¬ 
bruch und Wurmfortsatzbruch nur eine wahrscheinliche sein kann. Wenn 
sich nun gar noch eine Cyste oder ein Abscess im äussersten Ende des 
wurmformigen Fortsatzes befindet, so wird es unmöglich sein, vor der 
Operation über das Wesen des Vorgefallenen in’s Klare zu kommen. 

Bei Anschwellungen in dem rechten Leisten- und Schenkelcanale 
wird man daher immerhin an die Möglichkeit des Vorfalles des Wurm¬ 
fortsatzes denken müssen. In therapeutischer Beziehung wird man in 
frischen Fällen das fragliche Gebilde reponiren müssen und den weiteren 
Vorfall durch ein gut sitzendes Bruchband zu verhindern suchen. Ist 
eine Reposition jedoch unmöglich, so wird man aufs Sorgsamste Ent¬ 
zündungen und Einklemmungen zu verhindern suchen müssen; sind aber 
solche eingetreten, so wird man operiren müssen. Man wird alsdann 
die Verwachsungen trennen und das Ganze, wenn nicht durch Einschnürung 
hochgradig entfärbt, in die Bauchhöhle zurückbringen. Bei Vereiterungen, 
Ahscesshildung und starker Entfärbung wird es sich empfehlen, den peri¬ 
pheren Theil abzutragen und den centralen in die Bauchhöhle zu reponiren* 
Bei jeder Operation wird es zweckmässig sein, nach der Reposition die 
Bruchpforte zur Verhütung weiteren Vorfalles mit Catgut zu vernähen* 


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Darf die Transfusion als ein lebensrettendes Mittel gelten? 

Von Dr. Klopstech, 

Stabsarzt im 2. Thüringischen Infanterie-Regiment No. 32. 


Der Grundgedanke der Bluttransfusion, dass sich der Verlust an 
lebendem Blute am sichersten durch lebendes Blut ersetzen lassen müsse, 
ist so naheliegend, dass ihn Jedermann verstehen kann. So einfach in¬ 
dessen die Sache scheint, so verwickelt ist die praktische Ausführung des 
Ersatzes, und so complicirt sind die dabei in Betracht kommenden physio¬ 
logischen Verhältnisse. 

Als Gesellin8 zur Bekräftigung seiner Ansichten über das Wesen 
der Transfusion des Blutes*) den Ausspruch Wunderlich’s citirt, dass 
die Naturforschung still und stolz fortschreitend, ihre Gaben über Freunde, 
Feinde und Verächter ausschatte, da hat er gewiss nicht vermnthet, dass 
eben diese Naturforschung bald darauf, in weniger Jahren, als sein Citat 
Zeilen enthalt, im Stande sein werde, nicht nur seinen Anschauungen, 
sondern der ganzen Bluttransfusionslehre den Todesstoss zu versetzen. 
Seine „unerschütterliche“ Meinung, dass die Lammbluttransfusion in der 
Medicin eine neue Aera — die blutspendende — inauguriren würde, hat 
sich als hinfällig erwiesen, und wir werden im Folgenden zu zeigen ver¬ 
suchen, was sich von den grossen Erwartungen erfüllt hat, und was von 
dem so kunstvoll errichteten Gebäude, nachdem es in seinen Grundfesten 
erschüttert worden, übrig geblieben ist. 

Wenn man die Erregung der Geister im Kampf um Details dieser 
Transfusion, um die Methoden, um Vorzüglichkeit der eigenen und Ver¬ 
werflichkeit der fremden, oft ganz nebensächlichen Hand- und Kunstgriffe 
wahrend des letzten Decenniums betrachtet, und wenn man die Zuversicht¬ 
lichkeit der Behauptungen von der grossen Errungenschaft, die nun der 
staunenden Welt zu gute kommen sollte, verfolgt, so wird man fast von 
einem Gefühl der Wehmuth und des Bedauerns beschlichen, dass so viel 
Arbeit, Fleiss, Scharfsinn und Tbatkraft oft tüchtiger, erprobter und ge¬ 
lehrter Männer, die dem edelsten Ziele der Menschheit gegolten, die Leiden 
Anderer zu erleichtern, umsonst gewesen sind; umsonst wenigstens in so¬ 
fern, als die beabsichtigte und driugend ersehnte Hülfe sich nicht be¬ 
währt hat. 

Wenn Männer von allerbestem Ruf die Sache mit Begeisterung 
ergriffen haben, wenn sie der Transfusion einen Triumphzug prophezeiten 

*) Ge Belli us, Die Transfusion des Blutes. Eine historische, kritische und 
physiologische Studie. Petersburg 1873. Seite 157. 


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und in ihr „eine Waffe zu schaffen* meinten „gegen Krankheiten, welche 
wir bis dahin vergeblich bekämpften“,*) ja, wenn sogar sie selbst Er¬ 
folge zu haben glaubten, so möchten doch nicht Viele unter uns berufen 
erscheinen, heut vom erhabenen Standpunkt des Besserwissenden verächt¬ 
lich auf diese Bemühungen herabzuschauen. Gerade die Transfusionen 
haben Anregung zu einer Reihe Forschungen von allergrösster Bedeutung 
in den verschiedensten Gebieten der Physiologie gegeben, und wenn wir 
heute auf die Bluttransfusion als auf einen überwundenen Standpunkt zu¬ 
rück blicken können, so ist auch dies zum grössten Theil das Verdienst 
von Männern, welche sich für die Transfusion begeistert, welche ihr 
ganzes Können daran gesetzt hatten, das Wesen der Vorgänge zu studiren. 
Sie besassen Mannesmuth genug, ihre bei den Operationen auftretenden 
unglücklichen Vorkommnisse sachverständigen Genossen mitzutheilen, um 
mit ihnen die verborgenen Ursachen zu ermitteln. 

Ich möchte auch nicht unerwähnt lassen, dass die geradezu über¬ 
raschenden Mittheilungen einzelner Fälle, bei denen der momentane 
Effect wenigstens eclatant war, kurz nach dem Kriege 1870/71, wo 
so manches Opfer dem Verblutungstode anheim gefallen war, weil der 
Arzt nicht im Stande gewesen, das entfliehende Leben durch Blutersatz 
zurückzurufen, etwas ungemein Verlockendes und Bestechliches für den 
Menschenfreund und Arzt hatten, — und wer unter uns hat nicht sein 
Herz freudiger schlagen gefühlt bei dem wahrhaft beglückenden Gedanken 
an die Möglichkeit einer Rettung durch eine scheinbar so einfache Ope¬ 
ration! Ist es nicht verzeihlich und erklärlich, wenn der einzelne, als 
Operateur eigentlich nicht berufene Arzt mit Eifer die Gelegenheit er¬ 
griff, rettend einzuspringen, wo ohne diesen letzten Versuch sicherer Tod 
des Kranken vor Augen stand? Da war nicht lange zu prüfen, nicht zu 
wägen, da war gegebenen Falles keine Zeit zu verlieren; da musste ge¬ 
bandelt werden nach dem alten Wort: bis dat, qui cito dat! 

Zwar hat es schon, so lange die Transfusion vorgeschlagen und aus¬ 
geführt ist, Stimmen gegeben, die dagegen eiferten; aber wie oft mögen 
es rein persönliche Gründe und Interessen gewesen sein, die das Pro und 
Contra verfochten? Das Eine ist gewiss nicht anzunehmen, dass es ge¬ 
rade die gewissenloseren, schlechteren und unwissenderen Elemente unter 
den älteren Aerzten waren, welche für die vermeintliche gute Sache 
kämpften, und was die frühesten Gründe gegen die Ausführung der Ope¬ 
ration anbetrifft, so sind sie mehr vom Gefühl der Einzelnen beeinflusst, 

*) Hüter, Arterielle Transfusion. 

v. Langenbeck’s Archiv für klinische Chirurgie. Band XII, Heft 1. 


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als Auf wissenschaftliche Erkenntniss der Fehler begründet gewesen. 
Oder man wäre gezwungen, nm ein Beispiel anznfuhren, einen Hofrath 
Metzger in Königsberg für einen der aufgeklärtesten und bedeutendsten 
Männer auf ärztlichem Gebiete anzusehen, der seinen Zeitgenossen weit 
voraus war, da er sieb mit seinem Ausspruch über die Transfusion auf 
den Standpunkt der modernsten Erkenntniss gestellt hat; er nennt näm¬ 
lich in seiner Skizze einer pragmatischen Litteraturgeschichte der Medicin, 
Königsberg 1792, § 268:*) „die Transfusion eine ebenso getährliche als 
auf einer gänzlichen Rohheit der Begriffe sich gründende Operation“; er be¬ 
zeichnet die damit in therapeutischer Hinsicht angestellten Versuche „als 
ein redendes Beispiel von der Verirrung des menschlichen Geistes“, wahr¬ 
lich ein Urtheil, wie es ein moderner Professor nach den Forschungen der 
Neuzdt nicht schärfer aussprechen konnte, um seinen Schülern dieüngehörig- 
keit der Transfusionsbestrebungen des 19. Jahrhunderts zu documentiren. 

Ob der gute Metzger wohl eine Ahnung gehabt hat, warum wir 
ihm heute so voll und ganz zustimmen müssen und in welchem Sinne? 
Bewiesen hat er nichts. Leider! müssten wir sagen, wenn er es gekonnt 
hätte; denn er hätte der Nachwelt viel Arbeit und Mühe gespart! 

Wie dem auch sein mag, das so gläuzend inaugurirte Zeitalter der 
blotspendenden Transfusion ist vergangen, wie es gekommen; das „Aschen¬ 
brödel“**) der chirurgischen Operationen ist nicht die vermuthete Königs- 
braut geworden, sondern hat sich wieder nach kurzem Auftreten in 
Verborgenheit zurückziehen müssen, um dort als wirkliches Aschenbrödel 
zu verbleiben. 

Zur Beurtheilung der Frage über den Werth der Transfusion als 
lebensrettendes Mittel ist es zunächst nöthig, zu untersuchen: „Was er¬ 
wartete man von der Operation und wie dachte man sich ihre 
Wirkung?“ 

Oie Transfusion beruhte zunächst auf der Idee, dass irgend ein Blut, 
welches einem gesunden lebenden Körper entnommen werde, für einige 
Zeit die Fähigkeit bewahre, seine Existenz als Blut in dem Gefässsystem 
eines anderen Thieres fortzufübren und wie im früheren Körper zu 
wirken. Später vertiefte sich diese Anschauung insoweit, dass man an- 
uahm, der in den rothen Blutkörperchen befindliche Sauerstoff sei das 
Agens der Ernährung. Der Tod eines Thieres entstünde z. B. bei plötz- 


•) Gesellius, I. c. S. 173. 

**) Leisring: Ueber die Transfusion des Blutes. Volkraann’s Sammlung 
klinischer Vorträge. No. 41. (1872.) 


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lichem Blutverlast dadurch, dass die im Körper übrigbleibenden rotben 
Blutkörperchen nicht mehr im Stande waren, die Ernährung und Er¬ 
haltung des Körpers fortzufuhren. 

Auf die geschichtliche Entwickelung des Näheren einzugehen, ist 
hier nicht der Ort, weil einmal der Rahmen dieser Abhandlung weit 
überschritten werden müsste, andererseits mehr oder weniger ausführliche 
Schilderungen der Entwickelung in allen Schriften über Transfusion vor¬ 
handen sind. Ein eigentliches Quellenstudium darüber anzustellen, sind 
Wenige in der Lage gewesen; das Meiste haben Spätere aus froheren 
Arbeiten entnommen,*) sich auf ihre Weise zurechtgelegt und von ihrem 
speciellen Standpunkt aus gedeutet 

Wann die Idee, Blut direct in die Adern eines lebenden Thieres ein- 
zufübren, entstanden sei, wird sich kaum ermitteln lassen. Der Erste, 
der sie nachweislich am Hunde ausgefübrt bat, ist nach Boyle in 
Philosophical Transactions, Vol. I, pag. 125, Lower gewesen; derselbe 
brachte einen Hund, der durch Oeffnen einer Ader dem Verblutungstode 
nahe gebracht war, durch Ueberführung von Blut in die Adern wieder 
zum Leben (im Jahre 1666). Bald darauf, im Jahre 1667, vollzogen 
Denis und Emmerez die Transfusion von Kalbsblut an verschiedenen 
Menschen, welche die Operation mehr oder weniger lange überlebten. Näheres 
über die Operation und die Krankengeschichte ist in der erwähnten Studie 
von G es eil i us Seite 32—38 des Genaueren angegeben, der wiederum 
seinerseits Scheel als Quelle bezeichnet. Für uns möge das Factum 
genügen, dass damit die Möglichkeit der Operation beim Menschen con- 
statirt war. Blut, als die lebendige Quelle des Lebens betrachtet, wurde 
hier direct aus den Gefässen eines lebenden Wesens in die eines anderen 
übergeleitet. Die Thatsache war durch glaubwürdig angesehene Zeugen 
verbrieft und besiegelt; was bedurfte es da weiterer Untersuchungen! 

Wenn dem aber so war, so lag ja nichts näher, als die Anwendung 
in allen Fällen für angezeigt zu halten, wo es sich um den Ersatz 
fehlenden oder um die Verbesserung schlechten, kranken Blutes handelte. 
Es schien nichts leichter, als das unbrauchbare Blut durch Aderlass fort¬ 
zunehmen (das war ja eine sehr beliebte, vielgeübte Kunst in damaliger 
Zeit) und durch brauchbares zu ersetzen. 

Entsprechend den humoral-pathologischen Anschauungen, die im Blute 
nicht nur den Grund aller Krankheiten, sondern auch der vitalen Er- 

*) Besonderes Verdienst hat sich Scheel darum in seiner erschöpfenden Arbeit 
erworben; er ist meist Quelle. 

Vergl. Paul Scheel: Die Transfusion des Blutes. Kopenhagen 1802. 


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schein nagen für Charakter, Gewohnheiten, Leidenschaften und dergleichen 
sachte, eröffnete sich durch geringe Raisonnements ein wahrhaft gross¬ 
artiges Feld der kühnsten Combinationen. Man glaubte und behauptete 
mittelst der Bluttransfusion alte Menschen jung, böse gut, heftige sanft 
(dies besonders durch Lammblut!), zornige geduldig machen zu können; 
man wollte freundschaftliche Gefühle zwischen Feinden durch wechsel¬ 
seitige Transfusionen erwecken.*) 

Trotz dieser grossartigen Aussichten wollte die Sache nicht recht vor¬ 
wärts gehen; denn die Kranken, welche noch etwas zu hoffen hatten, trauten 
den Versprechungen nicht recht, wenn sie horten, dass die durch die 
Transfusion Geretteten nachher doch gestorben wären. Die Aerzte frei¬ 
lich behaupteten, die Rettung habe wirklich stattgefunden, die dennoch 
später (vielleicht sehr bald) Gestorbenen seien nur zufälligen, nebenher¬ 
laufenden Ursachen erlegen. Die Transfusion blieb deshalb lange Zeit Schau¬ 
stück mit Thieren, bei Menschen kam sie wegen unzureichenden Materials 
fast ganz in Vergessenheit; sie wurde nur hin und wieder bei den mannig¬ 
fachsten v meist verzweifeltsten Fällen als ultimum refugium angewendet 
und konnte fast 100 Jahre keinen rechten Boden gewinnen. 

Endlich kam statt des bisherigen Traumlebens eine Zeit praktischer 
Nutzanwendung für dieselbe, als Martin im Jahre 1859 sein Werk über 
„die Transfusion bei Blutungen Neuentbundener* herausgab und darin 
glänzende Resultate zu verzeichnen hatte. Unter 57 Fällen waren 40 ge¬ 
nesen! Wir finden hier die bestimmte Indication der acuten Anaemie, 
wir finden hier die bestimmte Absicht, das dem Körper rasch verloren 
gegangene Blut durch lebendes**) Blut direct zu ersetzen. 

Warum bei Martin ein fast augenblicklicher Erfolg auftreten konnte, 
vielleicht sogar musste, werden wir später genauer erkennen; warum 
dauernder Erfolg so oft die Operation krönte, wird aus den später fol¬ 
genden Betrachtungen auch in hohem Grade plausibel erscheinen. 

Aus den Marti n’sehen Versuchen oder vielmehr Resultaten schienen 
zwei Sätze mit absoluter Gewissheit bervorzugehen: 

1) Die Bluttransfusion ist eine leichte, einfache Operation. 

*) Gesellius, Studie S. 1G7, erwähnt eines gewissen Hüne (1667), der — ein 
Vertheidiger der Transfusion — sagte: „dass man uneinige Eheleute durch 
eine wechselseitige Transfusion einig machen könne, glaube er nielit“. Das schien 
ihm also selbst mit der Transfusion zu schwierig. 

**) Lebendes Blut ist hier stets als ein kurzer Ausdruck für solelies Blut an- 
gewendet, das bei seiner Entnahme aus einem gesunden Körper die Eigenschaft 
bewahrt, welche es befähigt, im Gefässsystem eines anderen Thieres oder Menschen 
als Blut fort zu functioniren. 


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2) Das übertragene Blot functionirt an Stelle des verlorengegangenen 
und ersetzt dies. 

Diese beiden Sätze aber als richtig angenommen, so schien bei 
weiterer Reflexion kein Grund vorzuliegen, die Bluttransfusion nur für 
die acute Anaemie zu reserviren, vielmehr zeigten sich sehr bald Ver¬ 
treter der Ansicht, lebenskräftiges Blut auch für anormales bei Septicaemie, 
Chlorose und Leukaemie, bei Typhus, Cholera und acuten Vergiftungen 
und dergl. zu substituiren. Die mehr oder weniger gelungenen Heilungen oder 
wenigstens Besserungen liessen natürlich nicht lange auf sich warten. 
Dass man dabei meist dem einzuführenden Blute durch Aderlass des 
Patienten Platz schaffen musste, ergab sich fast von selbst, schon um 
die gefürchtete Plethora zu vermeiden. 

Leis ring*) z. B. stellt in seiner Arbeit vom Jahre 1872, also un¬ 
gefähr im Beginn der Blütbezeit, die Indication der damaligen Wissen¬ 
schaft, wie folgt: »Die Transfusion ist indicirt bei allen denjenigen krank¬ 
haften Zuständen, wo das Blut, sei es quantitativ, sei es qualitativ, so 
verändert ist, dass es seine physiologischen Pflichten nicht mehr er¬ 
füllen kann.“ 

Er fügt zwar hinzu: »Gewiss^eine sehr weite Stellung der Indication, 
und doch hoffen wir zu beweisen, eine durchaus gerechtfertigte; denn es 
muss ebensowohl die Anaemie, acut und chronisch entstanden, heran¬ 
gezogen werden, als die Vergiftung des Blotes durch die verschiedensten 
Gifte, oder die Veränderungen des Blutes, in der die einzelnen körper¬ 
lichen Bestandtheile desselben quantitativ fehlen oder vermehrt sind — 
(hartnäckigste Fälle von Chlorose und die Leukaemie).“ 

Martin hatte ganzes, d. h. nicht defibrinirtes Menschenblut ver¬ 
wendet, das er mittelst einer einfachen Stempelspritze in die Vene ein¬ 
spritzte. Bei nur etwas längerer Zeitdauer mussten sich bei dieser Art 
der Operation Gefahr der Gerinnung mit all ihren höchst fatalen Folge¬ 
erscheinungen einstellen, es entwickelte sich deshalb aus dem ganzen 
Menschenblut der erste streitige Punkt Es bildeten* sich zwei Parteien, 
die mit Heftigkeit ihre Meinung geltend machten. Die eine wollte die 
Gefahren der Gerinnung des ganzen Blutes, Thrombose und Embolie, die 
leicht eintreten konnte (und auch eingetreten ist), durch Defibrination 
vermeiden und behauptete, das defibrinirte Blut enthielte den allein maass- 
gebenden Hauptbestandteil, die rothen Blutkörperchen, in intacter Form 
und sei deshalb gleichwertig mit ganzem Blut in Bezug auf die Trans- 


*) Leisring, 1. c. Seite 237 ff. 


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fusion. Die andere bestritt die Gefahr der Gerinnung bei einiger Vor¬ 
sicht oder beschuldigte das durch Schlagen defibrinirte Blut als' stark 
verdächtig, da es kleine nicht bemerkbare Gerinnsel und, was noch 
schlimmer, minimale Bestandtheile der Colirleinewand u. s. w. enthalten 
könne resp. müsse. Die erste Partei meinte, dass durch das Schlagen 
resp. Quirlen defibrinirte Blut sei sauerstoffreicher und darum lebens¬ 
fähiger geworden, die Gegner erwiderten, das gequirlte oder gepeitschte 
Blut sei destruirt und untauglich; ausserdem nähme das Defibriniren 
kostbare Zeit weg u. s. w. Eine Einigung wurde nicht erzielt und 
konnte nicht erzielt werden, da beide Parteien Recht und Unrecht hatten, 
und wenn wir noch heut in die NothWendigkeit versetzt wurden, uns 
entscheiden zu müssen, so wurden wir nach Kenntnissnahme der Unsumme 
aller aufgeführten Gründe pro und contra in Verlegenheit bleiben, falls 
wir nicht, zunächst nach rein theoretischen Gründen, im Princip das 
ganze, möglichst unberührte Blut vorzieben wollten. Denn das müssen 
wir zugestehen, dass das Ideal einer Bluttransfusion darin bestehen müsste, 
das Blut des Blutspenders unmittelbar, ohne Berührung mit der Aussen- 
weit, in den Blutempfänger überzufübren. Leider ist dies beim Menschen 
mit gleichartigem Blot wegen Mangels der Blutspender, die sich zu der 
auch für sie selbst nicht ganz gefahrlosen Operation hergeben, durch un¬ 
überwindliche Hindernisse unmöglich gemacht. 

Nun konnte Jemand fragen, wo bleibt bei solchem Zweifel unsere 
bewährte Freundin, die Statistik? Auch diese lässt hier im Stich, weil 
ohne volle Würdigung des Kräftezustandes des Patienten im Moment der 
Operation, der Krankheit, der Nothwendigkeit der Operation, der wirklich 
transfundirten Blutmenge, — der endgültige Effect, bestehend in 
Tod oder Genesung, gar nicht maassgebend sein kann. Es würde 
durchaus unbeweisbar sein, wenn Jemand z. B. behaupten wollte, der Tod 
eines Kranken sei nur eingetreten, weil statt defibrinirten Blutes ganzes 
gegeben worden sei oder umgekehrt. Auch die Thierversuche, bei denen 
man die Macht hat, jederzeit die Beobachtung abzubrecben und den Tod 
behufs Untersuchung der inneren Veränderungen eintreten zu lassen, ent¬ 
scheiden nicht, weil das Nichtauffinden eines feineren Thrombus oder einer 
kleinen Embolie noch nicht beweist, dass solche nicht irgendwo bestehen. 

Da, wie schon angedeutet, die Entscheidung für unsere Frage keine 
grosse Wichtigkeit mehr hat, wie seiner Zeit für die Transfuseurs, sondern 
uur der Vollständigkeit wegen erwähnt sein soll, so brauchen wir auf 
die weiteren Ansichten und gegenseitigen Einwände nicht erschöpfend 
eiuiugehen. 

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Aehnliche Streitfragen haben sich an die Menge des zu transfundireo- 
den Blutes geknüpft; es mag hier nur angegeben werden, dass man sich 
ungefähr zwischen 30,0 und 300,0 g bewegte, und dass die günstigeren 
Resultate im Allgemeinen mit den geringeren Quantitäten verknüpft ge¬ 
wesen zu sein scheinen. Martin hat nur geringe Mengen transfundirt 
Ferner stritt man über die Temperatur, in der das zu transfundirende 
Blut zu halten sei (±0 bis 4-37,5° C.); über die Art der Transfusion, 
ob direct oder indirect; ob direct von Vene zu Vene (von Postempskv 
vorgeschlagen);*) ob von Vene in Arterie (mit Einschaltung eines Pomp- 
apparates), von Arterie in Vene (treibende Kraft ist das Herz des Blut¬ 
spenders); ob indirect in eine Arterie (Hüter)**) oder Vene (wie die 
Mehrzahl wollte); ob das Blut unmittelbar bei der Operation durch 
Venaesection entnommen werden müsse oder ob es schon vorher ge¬ 
sammelt und präparirt werden könne. Als Curiosum mag erwähnt sein, 
dass vorgeschlagen ist, das Blut, welches Blutegel in sieb aufgenommen, 
diesen wieder auszudrücken und dasselbe als zur Transfusion geeignet 
später zu gebrauchen; ja, es ist sogar von einem Praktiker behauptet 
worden, dass man im Nothfall getrocknetes Blut in Pulverform mit 
Wasser verdünnen und mit Vortheil zur Einspritzung verwenden könne! 
Doch genug der Verirrungen! 

Bei den Transfusionen mit Menschenblut hat sich in der Praxis her¬ 
ausgestellt, dass geeignetes Blut in seltenen Fällen leicht, in den meisten 
gar nicht zu haben war, mit Ausnahme der Kliniken, wo Schüler freudig 
ihr Blut darboten und auch sonst auf eine und die andere Art Blut zu 
beschaffen war. Besonders für eine directe Transfusion, der mau in 
einem bestimmten, später noch näher zu bezeichnenden Fall viel¬ 
leicht eine gewisse Berechtigung zusprechen könnte, hat es stets ge¬ 
fehlt. Und mit Recht; denn wenn auch die Gefahr eines Aderlasses uud 
der Verlust einer angemessenen Quantität Blut für einen gesunden kräf¬ 
tigen Menschen nicht allzu gross ist, so wird die Sache doch schon 
anders, wenn man jemand zumuthen will, er solle sich eine Schlagader 
öffnen lassen und sich in diese oder wohl gar in eine Vene eine Caoüie 
einlegen resp. einbinden lassen. Für den Blutempfänger kann ja eveoL 
die Gefahr der Einführung der Canüle in ein Gefäss nur wenig in Be¬ 
tracht kommen, weil der zu Operirende diese Gefahr mit in den Kauf 


*) Neudorfer: Beiträge zur Transfusion. Deutsche Zeitschrift der Chirurgie 
Band VI, Heft 1 u. 2 Seite 49 ff. 1875. 

**) Hüter: Die arterielle Transfusion. Langenbeck’s Archiv 1870. 


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nehmen muss und weil die Chancen einer Arterien- resp. Venen-Entzun- 
dang immer noch günstig sind im Vergleich zu einem gewissen Tode. 

Ehe wir uns zu den Consequenzen des menschlichen Blutmangels ' 
wenden, mochte ich hier noch über die verschiedenen Vorschläge und 
Angaben der Instrumente sprechen, die zur Transfusion dienen sollten. 

(Schluss folgt) 


Referate uud Kritiken. 


Sanitatsbericht über die Deutschen Heere im Kriege gegen 
Frankreich 1870/71. Herausgegeben von der Mil. Med. Abthlg. 
des Preuss. Kriegs-Minist. 2ter Band. Morbidität und Mor¬ 
talität bei den Deutschen Heeren und den in Deutschland 
untergebrachten kriegsgefangenen Franzosen. Quart. 215 S. 
Text u. 474 S. Beilagen. Mit 22 lithogr. Tafeln, 16 Zeichnungen im 
Text und 1 Karte. Berlin 1886. E. S. Mittler und Sohn.*) 

Vorliegender Band, welcher von dem rüstigen Fortscbreiten des ge¬ 
waltigen Gesammtwerkes erfreuliches Zeugniss ablegt, enthalt die allge¬ 
meine Statistik der Verwundungen und Erkrankungen nnd der dadurch 
herbeigeführten Todesfälle bei den mobilen Deutschen Heeren, desgleichen 
die wichtigsten Erkrankungs- und Sterblichkeitsziffern der immobilen 
Deutschen Truppen und der kriegsgefangenen Franzosen, also ein Material, 
welches für die weitesten und verschiedensten Kreise gleichmassiges 
Interesse hat. 

Die Grundsätze und Methoden, nach welchen die Sammlung und 
Bearbeitung des Materials stattgefunden hat, sind im Vorwort ausein¬ 
andergesetzt. Ebenda finden sich auch — wenigstens zwischen den 
Zeilen — die Schwierigkeiten angedeutet, welche die Bewältigung des 
durch seine Massenbaftigkeit erdrückenden Rohmaterials verursacht hat. 
Um so wohlthuender berührt die Uebersichtlichkeit, zu welcher es jahre¬ 
lange emsige Thatigkeit zu ordnen vermocht hat 

Nächst dem höchsten erreichbaren Grade von Genauigkeit durch 
Anwendung des Zählkarten-Systems, welches an und für sich schon von 
vorn herein die vorliegende Statistik jeder früheren Kriegs-Statistik über¬ 
legen erscheinen lasst, wurde möglichste Bequemlichkeit der weiteren 
wissenschaftlichen Verwerthung durch mannigfache Gruppirung und 
durch ausgiebigen Umsatz der absoluten Zahlen in Verhältnisszahlen 
angestrebt. So wurden die einzelnen Krankheits- und Sterblichkeits¬ 
ziffern in gleicher Weise auf die Durchschnitts-Kopfstarke, auf die Ge- 
sammtzahl der Erkrankungen bezw. der Todesfälle bezogen, bei den 
Gestorbenen ausserdem ihr Verhaltniss zu den Zahlen der Behandelten 
berücksichtigt. 

Alle wichtigeren Verhältnisse sind auf meist mehrfarbigen lithogra¬ 
phischen Tafeln, sowie durch die in den Text eingestreuten Zeichnungen nach 

*) cf. D. Milit. Ztschr. 1884 S. 432, 467, 500 n. 1886 S. 35. 

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verschiedenen graphischen Methoden bildlich dargestellt nnd erhalten eine 
vielfach unentbehrliche Ergänzung durch die beigegebene Marschroaten- 
Karte. An den statistischen Tafeln mochten wir namentlich die so ober« 
sichtliche Darstellungsmethode hervorheben, welche die einzelnen 
Krankheiten bezw. Krankheitsgruppen als farbige Sectoren von Kreisen 
anschaulich macht, deren Sehnenlänge denjenigen Werth repräsentirt, auf 
den sich die Einzelzahlen beziehen. Da für jede Krankheitsgruppe ein 
und dieselbe Farbe in sämmtlichen dieser Darstellungen festgehalten ist, 
so giebt ,eine Gruppirung der Tafeln nebeneinander ein sofort in die 
Augen fallendes Bild von dem Frequenzwerthe einer jeden Gruppe unter 
verschiedenen Verhältnissen. 

Der Text beschränkt sich, soweit er die Deutschen Heere betrifft, dem 
Gesammtplane des Werkes gemäss, auf allgemein-statistische Erörterungen 
unter Auschlnss der den eigentlichen Krankheitsverlauf betreffenden 
Gesichtspunkte, welche hinsichtlich der Verwundungen dem III., hin¬ 
sichtlich der Seuchen- und Nerven-K rank beiten dem VI. und VII. Bande 
Vorbehalten blieben. Im dritten, den Gesundheitszustand der kriegs- 
gefangenen Franzosen behandelnden Abschnitt des Textes wurde die ge¬ 
legentliche Besprechung einzelner Krankheitsfälle nicht völlig abgewiesen, 
weil solche dort zur Erklärung der Zahlen nicht gänzlich entbehrt werden 
konnte. Einen besonders interessanten und durchaus originellen Zag 
erhält der Text durch das von Erfolg gekrönte Bemühen, nicht bloss die 
wichtigsten Zahlen hervorzuheben, sondern — soweit es ohne Zwang 
möglich ist— den inneren Zusammenhang aufzudecken, welcher zwischen 
den für den ersten Blick regellosen, lediglich durch den Zufall beherrscht 
erscheinenden Krankheitsziffern der einzelnen Trappenverbände obwaltet. 
Dass ein solcher Zusammenhang überhaupt besteht und nachgewiesen 
werden kann, beruht auf der Zusammensetzung der Deutschen Heere, 
deren einzelne Armee-Corps sich überwiegend aus bestimmten, ein zu¬ 
sammenhängendes Gebiet (Provinzen etc.) darstellenden Territorien re- 
krutiren, so dass die Mannschaften der verschiedenen Truppen verbände 
deutliche Stammesunterschiede an sich tragen, welche sich insbesondere 
auch in einer verschiedenen Erkrankungsneigung kundgeben. Zar Dar¬ 
legung dieser Verhältnisse musste der Betrachtung der Kriegsmorbidität 
eine ausführliche Erörterung der Friedensmorbidität vorangehen. 
Diese Aasführungen gipfeln in dem Nachweise, dass die zeitliche 
Krankenbewegung im Frieden nicht durch die besonderen 
Eigenthümlichkeiten des Militärdienstes, sondern in ent¬ 
scheidender Weise durch die Jahreszeit (d. h. mittelbar oder 
unmittelbar vorwiegend durch Witterungszustände), die örtliche Zu- 
und Abnahme bestimmter Erkrankungsformen aber durch die 
geographische Lage der Garnisonen (d. h. durch Race, Klima 
und Boden mit ihrem Einfluss auf die gesammten Lebensbedingongen) 
herbeigeführt wird. 

Die Besprechung der Kriegsmorbidität gliedert sich nach Ver¬ 
wundungen und Erkrankungen. Als Gesammtzahl der Deutschen Ver¬ 
wunde ten (Tab. 171) ergiebt sich die Zahl 116821 = 143,3 auf Tausend 
der Durchschnitts-Kopfstärke = 104,9 auf Tausend aller mobil Gewordenen. 
Davon sind: auf dem Schlachtfelde gefallen: 17 255=21,2%o K. = 14,8 
Procent aller Verwundeten; später gestorben: 11,023=13,5%o K. = 11,1 
Procent der 99 566 in ärztliche Behandlung gelangten Verwundeten. 
Von Letzteren sind 7402 wegen Geringfügigkeit der Verletzung bei der 


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Trappe verblieben; in die Lazarethe kamen somit 92 164 Deutsche Ver¬ 
wundete. Im Ganzen (auf dem Schlachtfelde und später) starben nach 
Obigem 28 278 Verwundete = 34,7%o K. = 24,2 Procent aller Verwundeten. 
Bis Ende Mai 1871 sind von den in Lazarethen behandelten Verwundeten 
17325 = 18,8 Procent geheilt zu ihrem mobil enTruppentheil zuruckgekehrt. 

Die Hälfte aller Verwundungen (rund 57 000) drängte sich auf den 
einzigen Monat Augnst zusammen. Die in den Text eingefugten Tabellen 
XVII und XVIII (S. 89 ff.) geben die höchsten Verluste Deutscher 
Truppenverbände an einzelnen Tagen, sowie Deutscher Regimenter bezw. 
Bataillone während des ganzen Krieges an. Danach zählte z. B. das 
Garde-Corps am 18. August 7744, das 3. Armee-Corps am 16. August 
0438, das 5. Armee-Corps bei Wörth 4659 u. s. w. todte und verwundete 
Mannschaften (ausschliesslich der Vermissten). Von Infanterie-Regi¬ 
mentern stehen oben an: 

das Infanterie-Regiment No. 16 mit der Zahl 1313 am 16. August 

- 52 - - - 1151 - - 

Grenadier- - - 11 - - - 1089 - - - u. s. w. 

Von Jäger- und Schützen-Bataillonen das Garde-Schützen-Bataillon 
mit der Zahl 416 am 18. August. Während des ganzen Krieges verlor 
durch Tod auf dem Schlachtfelde und Verwundung die meisten 
Mannschaften: 


das Infanterie-Regiment No. 44: 

1530 

- 52: 

1520 

- 16: 

1495 

Garde Schützen Bataillon 

470 u. s. w. 

Nach Procenten der Kopfstärke ergeben sich 
Mannschaften (ausschliesslich der Vermissten): 

todte und verwundete 

bei Vionville—Mars la Tour: 

16,8% 

- Gravelotte—St. Privat: 

8,5- 

- Colombey—Nouilly: 

6,3- 

- St Quentin: 

6,0- 

- Noisseville: 

3,9- 

- Sedan: 

3,8 - u. s. w. 

Ausserordentlich hoch stellen sich die Verluste der Offiziere dar. 


Dieselben betrugen während des ganzen Krieges 262,0 auf Tausend der 
Durchschnittskopfstärke gegenüber 141,l°/ 0 o der Mannschaften. 

Die Hiebwunden machten nur 0,6, die Stichwunden 1,3% aller Ver¬ 
wundungen aus; 98,1% entfallen somit auf Schusswunden, davon 90% 
durch Gewehrprojectile. 

Die Gesamint-Sterblichkeit der Deutschen an Wunden war im 
Deutsch-Französischen Kriege (24,2% aller Verwundeten) fast genau so 
gross wie im Feldzuge von 1866 bei den Preussen (24,6o/ 0 ), in beiden 
genannten, gleichfalls noch der vorantiseptischen Zeit angehörigen 
Kriegen kleiner als in allen europäischen Kriegen der neueren Zeit. 
Wenn die Sterblichkeit an Wunden in den Lazarethen 1870/71 etwas höher 
erscheint (11,1%) als 1866 (10,6%), so darf darauf hingewiesen werden, 
dass die geringere Zahl der im Jahr 1870/71 auf dem Schlachtfelde Ge¬ 
bliebenen (14,8% gegen 15,7% im Jahr 1866) überwiegend der in Folge 
der verbesserten Militär-Sanitäts-Organisation ausgiebigeren ersten Hülfe 
zugeschriebten werden kann, welche die Resultate der Lazarethbehandlung 
scheinbar verschlechtern muss. Dieser Gesichtspunkt ist auf S. 97 ff. 
des Textes erörtert. Insbesondere konnte dort der Einfluss, welchen die 


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452 


Gegenwart einer grösseren oder geringeren Zahl von Feld-Lazarethen 
auf dein Schlachtfelde auf die nachträgliche Sterblichkeit an Wunden 
ausübt, durch Beispiele belegt werden. 

Von Kranken der Deutschen Armeen wurden nach Tab. 171, ein¬ 
schliesslich Oüziere etc., während des ganzen Krieges in Lazarethen 
behandelt 480 035 Mann = 589,0% o K, Die Erörterungen im Text 
(S. 113 ff.) beziehen sich ausschliesslich auf die Erkrankungen bei den 
Mannschaften. Dieselben belaufen sich auf die Zahl 475 400=603 auf 
Tausend der Durchschnitts-Kopfstärke = 4^7 auf Tausend aller mobil 
gewordenen Mannschaften. Bei dem Preussischen Kontingent betrug der 
Gesammtzugang im Kriegsjahr (591 % 0 K.) nur */ 5 mehr als der durch¬ 
schnittliche Jahreszugang während der Friedensjahre 1867—72 (4957oo K). 
Das Maass der Vergleichsfähigkeit, welches den Kriegs- und Friedenazahleo 
beigelegt werden kann, ist im Text erörtert. Zeichnung 4 auf Seite 116 
thut dar, dass der Lazarethzugang bereits im Januar 1871 fast genau 
bis zur durchschnittlichen Friedenshöhe herabgegangen war und in den 
nächstfolgenden Monaten noch unter den Friedensdurchschnitt sank. 
An diesem bemerkenswerthen Ergebniss ist insbesondere die Armee 
vor Paris betheiligt, obwohl sie stark mit Typhus und Ruhr inficirt vor 
der Hauptstadt eingetroffen war und obwohl von jeher die lagernden 
Truppen am meisten von Krankheiten heimgesucht zu werden pflegten. 

Die Tafeln VII und VIII verbildlichen eindringlich den guten Ge 
sundheitszustand der Truppen vor Paris sowohl gegenüber den mar- 
schirenden Heeren als gegenüber der Armee vor Metz, bei welcher sich 
in vollem Gegensatz zu derjenigen vor Paris der Gesundheitszustand 
vom Tage der Einscbliessung an bis zur Capitulation unausgesetzt ver¬ 
schlechterte. Im Text (S. 118 ff.) ist versucht worden, gerade dieser 
Erscheinung und den Gründen, welche sie veranlasst haben, insbesondere 
der Gefährlichkeit eines engen Zusammenlegens der Mannschaften in in- 
salubren Quartieren im Zusammenhänge mit den neueren Anschauungen 
über die Krankheitsursachen nachzugehen. 

Dass die Seuchen (Typhus und Ruhr) die Bewegung der Ge- 
8ammtmorbidität wesentlich beherrscht haben, zeigt Zeichnung 5 auf 
S. 123. Zieht man die Summe der mit Infectionskrankheiten Behafteten 
vom Gesammt-Lazarethzugange in Krieg und Frieden ab, so ergiebt sich 
(S. 122) das höchst beachtenswerte Resultat, dass der Lazarethzugang 
wegen nicht infectiöser Krankheitsformen im Kriege (435°/oo K.) den 
Friedensdurchschnitt (424% 0 K.) kaum noch übertrifft. Eine entspre¬ 
chende Zusammenstellung auf Seite 125 führt zu der noch eindringlicheren 
Erkenntniss, dass die Todesfälle an nicht infectiösen Krankheiten im 
Kriege (3,9%o K.) fast genau dem Friedensdurchschnitt (3,7%o K.) 
gleichkommen. Nahezu die gesammte Vermehrung an Krankheiten und 
Todesfällen durch Krankheiten im Kriege entfällt somit auf die Infectioos- 
krankheiten. Der Kampf gegen letztere muss danach den eigentlichen 
Inhalt der gesammten Heeree Hygiene bilden. 

Im Ganzen starben während des Krieges an Krankheiten 14904 
Offiziere etc. und Mannschaften = 18,2%o K., davon 14,3%o an Infektions¬ 
krankheiten, gegenüber einer Sterblichkeit an Wunden 

von 34,7%o K. einschliesslich der Gefallenen und 
von 13,5%o K. ausschliesslich der Gefallenen. 

Ein gleich günstiges Verhältnis zwischen Todesfällen durch Krank¬ 
heiten und solchen durch Wunden ist bisher noch in keinem grösseren 
und länger dauernden Kriege erreicht worden. 


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Drei Infectionskr&Dkheiten sind während des Krieges zu Seuchen 
angeschwollen: Pocken, Typhus und Ruhr.*) 

An Pocken sind im Ganzen 4835 Mann = 6,l%o K. erkrankt und 
278 (*5,9% der Behandelten) gestorben. 

Von typhösen Krankheiten (Unterleibs-Typhus und gastrisches 
Fieber) wurden 73 396 Mann = 93,1% 0 K. befallen; 8789 Mann (=12,0% 
der Behandelten) starben. 

Ruhr ergriff 38 652 Mann = 49,9% 0 K. und todtete 2380 (= 6,2% 
der Behandelten). 

Andere Infectionskrankheiten (Masern, Scharlach, Diphtherie, 
Cholera nostras) kamen nur vereinzelt zur Beobachtung. Die kleinen 
Gruppen von Erkrankungen (im Ganzen 124 Beobachtungen mit 84 
Todesfällen) an Genickstarre (Meningitis cerebrospinalis) sind im 
VII. Kapitel des VII. Bandes des Berichtes eingehend besprochen. 
Wechselfieber gelangte nur unter den Badischen Truppen vor Strass¬ 
barg zu grosserer Verbreitung; bei fast allen anderen Truppen verbänden 
blieb es infolge der Bodenverhältnisse und der Cultur des Landes, 
welches den Kriegsschauplatz abgab, seltener als im Frieden. 

Uebrigen8 konnte sowohl bei dem Wechselfieber als bei einigen 
anderen Erkrankungsformen, namentlich bei den Krankheiten der Ath- 
mungs- und Ernährungs-Organe sowie bei den Augenkrankheiten der 
Zusammenhang der Kriegsmorbidität mit derjenigen des Friedens d. 8. 
mit den Einflüssen der Jahreszeit einerseits, mit den Stammeseigen- 
thumlichkeiten der Mannschaften andererseits im einzelnen nachgewiesen 
werden. Ganz besonders gilt dies von der Lungenentzündung 
(S. 145 ff.), deren Häufigkeit bei den einzelnen Truppenverbänden in 
augenfälligster Weise der Verbreitung dieser Krankheitsform unter 
Friedensverhältnissen und ihrer Abhängigkeit von klimatischen Zuständen 
eotsprach. Die Tafeln D und E (hinter S. 143 und 148) sind bestimmt, 
die darauf bezüglichen Ausführungen des Textes zu erläutern. 

Die in der medicinischen Litteratur mehrfach besprochene Epidemie 
von katarrhalischer Gelbsucht, welche im Frühjahr 1871 namentlich 
die Bayerischen und Sächsischen Truppen vor Paris ergriff, ist in Tabelle 
XXXVIII (S. 164) in Zahlen dargestellt. Tabelle XXXIII (S. 153) giebt 
eine Uebersicht über die 1014 Fälle von Frostschäden (mit 6 Todes¬ 
fällen), weiche während des Krieges eine Lazarethbehandlung erforderten. 
Die durch Wundlaufen bezw. Mängel der Fussbekleidung verursachten 
Erkrankungen sind auf Seite 151/152 berücksichtigt, soweit das Material 
es zuliess. 

Im Ganzen starben von den während des Kriegsjahres Verwundeten 
und Erkrankten 41 210 Mann (einschliesslich Offiziere etc.) = 52,3%o K. 
= 37,0%<> aller mobil Gewordenen. Als kriegsinvalide wurden bis 
Ende 1884 anerkannt 69 895 = 62,8%o aller mobil Gewordenen. 

Die Krankenbewegung und der Krankenstand bei den immobilen 
Truppen gestaltete sich sehr ähnlich wie bei der Friedens-Armee. 
Sowohl der Gesammtzugang im Lazareth (591,2% 0 K.) als die Zahl der 
Gestorbenen (8,1%<> K.) ging etwas über den Friedensdurchschnitt 
hinaus, wahrscheinlich jedoch nur scheinbar infolge von Miteinrechnung 
von Kranken der mobilen Armee, welche den Ersatz-Truppentheilen 
überwiesen waren. Von Wichtigkeit ist die Thatsache, dass trotz der 


*) Erhalten im VI. Baude ihre ausführlichere Darstellung. 


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umfangreichen Evacuation von Typhus- und Ruhrkranken keine dieser 
beiden Seuchen in die immobile Armee oder in die Civilbevölkerung 
Deutschlands verschleppt worden ist. Kleine Gruppen meist leichter 
Erkrankungen dieser Art kamen bei den Bewachungsmannschaften in 
einigen Gefangenendepots vor (S. 214/215). Bei Weitem mehr hatte 
die immobile Armee unter den Pocken zu leiden, welche in derHeimath 
3472 Mann =ll,6%o K. (mit 162 Todesfällen) ergriffen. 

Der Besprechung der Erkrankungen unter den Kriegsgefangenen 
ist eine Schilderung ihres Gesundheitszustandes zur Zeit der Gefangennahme 
sowie eine Erörterung ihrer besonderen Lebensbedingungen in den Depots 
vorangestellt. Auf Grund dieser Darlegungen und der Erkrankung»- 
bezw. Sterblichkeitsziffern konnte alsdann nachgewiesen werden, dass die 
Gesundheitsverhältnisse der Gefangenen stets am schlechtesten waren 
unmittelbar nach der Internirung infolge der vorausgegangenen Strapazen, 
Entbehrungen und der zahlreichen mitgebrachten Infectionen, mit der 
Dauer der Gefangenschaft hingegen sich besserten, und dass schliesslich 
ihre Morbidität diejenige der Preussischen Friedens-Armee nicht mehr 
überstieg (s. Zeichnung 5 auf S. 193). Die sehr hohe Sterblichkeit an 
Krankheiten unter den Kriegsgefangenen (48,3 auf Tausend der Durch¬ 
schnitts-Kopfstärke gegen 18,6 bei der mobilen Deutschen Armee) 
stellt sich keineswegs als Folge eines Vorherrschene solcher Krankheits¬ 
formen dar, welche immer und überall zahlreiche Todesfälle bedingen, 
sondern ganz überwiegend als Folge der von vorn herein äusserst geringen, 
erst allmälig sich hebenden Widerstandsfähigkeit der Gefangenen auch 
an sich leichten Erkrankungen gegenüber. Typhus und Ruhr blieben 
trotz der mitgebrachten Infection und trotz der Massenanhäufung in den 
Depots, welche die Verbreitung in höchstem Maasse begünstigen musste, 
erheblich seltener als bei der mobilen Deutschen Armee, während freilich 
die Pocken wegen des mangelnden oder geringwertigen mitgebrachten 
Impfschutzes der Gefangenen stark um sich griffen und in hohem Grade 
mörderisch verliefen, bis es gelungen war, der grossen Masse der In- 
ternirten durch Impfung bezw. Wiederimpfung ausreichende Wider¬ 
standsfähigkeit gegen das Contagium zu verleihen. Nächst den oben 
genannten Kriegsseuchen bedrohten und vernichteten Lungenent¬ 
zündung und Tuberculose am meisten das Leben der Gefangenen. 

Im Ganzen sind 199 031 Franzosen in Deutschen Lazaretben be¬ 
handelt worden, darunter 35898Verwundete und 163133 Kranke. Die 
Gesammt-Sterblicbkeit (17 633 Mann) betrug rund 9% der Behandelten, 
in den Lazaretben des Inlandes 8%. 

Im Anhang (S. 210 ff) ist auf Grund Schweizerischer und Fran¬ 
zösischer Quellen nacbgewiesen, dass nicht nur bei den in die Schweix 
übergetretenen Mannschaften der Französischen Ostarmee, sondern seihet 
unter der Kriegsbesatzung der Festung Langres Krankheit und Tod 
reichere Ernte gehalten haben, als bei den in Deutschland untergebrachten 
Gefangenen. 

Was über die uneigennützige Mitarbeit der ungenannten Autoren, 
über die vorzügliche Darstellung und Ausstattung des Werkes bei Be¬ 
sprechung der früher erschienenen Bände gesagt ist, liesse sich hier nor 
wiederholen. Nach Ansicht des Ref. liegt jedoch ein ganz besonderer 
Werth des 2. Bandes darin, dass er den Militärärzten die Wege zeigt, 
auf deuen sie zu einer richtigen statistischen Verwerthung ihrer eigenen 


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455 


alljährlichen Erhebansen gelangen und darauf Schlüsse basiren können, 
die sich in heilsamen Vorschlägen und Maassnahmen für die Verhütung 
wie Beseitigung krankmachender Einflüsse in der Armee wiederspiegeln. 


Die transportable Lazarethbaracke mit besonderer Berücksichtigung 
der von Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Augusta 
hervorgerufenen Barackenausstellung in Antwerpen im September 1885. 
Herausgegeben von Prof. Dr. v. Langenbeck, Generalarzt mit dem 
Range als Generallieutenant, Wirklicher Geheimer Rath, Dr. v. Coler, 
Generalarzt I. CI. und Abtheilungschef im Kriegsministerium und 
Dr. Werner, Stabsarzt. Berlin 1886 bei Aug. Hirschwald. 

Gewidmet Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Augusta. 

Die Vorrede hebt hervor, dass bereits in der Jury, welche in Ant¬ 
werpen zusammengetreten, der Wunsch zum Ausdruck gebracht wurde, 
das durch die Ausstellung gebotene 'reichhaltige Material möglichst aus¬ 
zubeuten und für die Krankenpflege nutzbar zu machen. Diesen Wunsch 
haben wohl alle sachkundigen Besucher der Ausstellung getheilt; denn 
eine überschlägliche Schätzung ergab, dass für die Lösung der gestellten 
Aufgabe ausser weitgehender Geistesarbeit ein Capital von mindestens 
150000 M. aufgewendet war. Die Zahl der Besucher, welche aus der 
Besichtigung einen Nutzen für sich oder gar zur Losung der Frage 
ziehen konnten, war im Vergleich hiermit eine verschwindend kleine. 
Wenn uns somit bei unseren Wanderungen durch die Ausstellung eine 
gewisse Sorge an wandelte, es möchte das reiche Wissen und Können 
zu nur geringem Nutzen aufgewendet sein, so ist diese Sorge heute nach 
Erscheinen des vorliegenden Werkes hingeschwunden — ein grosses 
Verdienst, weiches die Herren Verfasser sich erworben haben. Von den 
ausgestellten 

13 Baracken in natürlicher Grösse, 

36 Barackenroodellen in kleinerem Maassstabe, 

11 Beschreibungen und Plänen von Baracken ohne Beifügung 
von Modellen 

sind in dem Werke 23 Entwürfe auf ebenso vielen Tafeln (eine 24. Tafel 
zeigt ausserdem die Skizzen von vier fahrbaren Baracken) so dargestellt, 
dass die Zeichnungen einschliesslich der vorausgehenden Beschreibungen 
ein volles Bild dessen geben, was die Aussteller erstrebten. Einige fernere 
Entwürfe, welche Beachtung zu verdienen schienen, haben nur in den 
Beschreibungen Aufnahme, gefunden, weil die Zeichnungen nicht zu er¬ 
langen gewesen sind. In allen Beschreibungen sind zur besseren Ueber- 
sicht die für die Beurtheilung des Materials, der Construction, der Ven¬ 
tilation, der Heizung, der Abortanlagen u. 8. w. wesentlichen Punkte in 
bestimmter Reihenfolge erörtert, so dass dadurch ein Vergleich der 
einzelnen Entwürfe erleichtert wird. — Den Beschreibungen haben die 
Herren Verfasser eine erschöpfende Erörterung der allgemeinen Gesichts¬ 
punkte und der Constructionsgrundsätze vorausgeschickt; sie bilden aus 
dieser Abhandlung, den Beschreibungen und den Zeichnungen die Ab¬ 
theilung III des Buches — betitelt „Die praktische Gestaltung der trans¬ 
portablen Baracke auf der Concurrenz-Ausstellung in Antwerpen“. Diesem, 


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den eigentlichen Kern des Werkes bildenden Abschnitt gehen zwei andere, 
in das Thema einführende, voraus, nämlich: 

I Die Entwickelung der immobilen Lazarethbaracke. 

II Die Theorie der transportablen Baracke. 

In dem ersten Theil ist dargelegt, wie im vorigen Jahrhundert — 
insbesondere in der zweiten Hälfte desselben — die Erfordernisse eines 
guten Krankenhauses erkannt sind; es ist u. a. aus dem Konigl. Preussischen 
Feldlazarethregleinent von 1787 folgende Stelle angeführt: „Die Kranken¬ 
häuser müssen, wo möglich, frei und erhaben liegen, mit reiner Luft um¬ 
geben und nicht weit von fliessendein Wasser entfernt sein. Je mehr 
man einzelne Krankenhäuser erhalten kann und je entfernter dieselben 
vQn einander liegen, desto besser ist es für die Kranken, die Lazareth- 
officianten und die Einwohner des Ortes selbst“. Demnächst ist ent¬ 
wickelt, wie aus dem Verfolgen dieser Grundsätze die immobile Lazareth¬ 
baracke erstand. 

In dem Abschnitt II ist ausgeführt, dass die immobilen Baracken 
meist im Rücken der Armee und zwar in bedeutender Entfernung von 
derselben vorbereitet werden müssten und nur nach langem Transport 
zu erreichen seien. Diesen Transport kann* aber ein recht erheblicher 
Theil der Verwundeten und Kranken des kämpfenden Heeres nicht er¬ 
tragen, und es sind dies gerade die am schwersten Leidenden, welche eine 
sorgfältige Unterbringung ganz besonders erfordern. Daneben sind die 
mit ansteckenden Krankheiten behafteten Krieger von dem Rücktrans¬ 
port ausgeschlossen, denn sofern man sie auf die rückwärtigen Linien 
und in die Heimath brächte, würde man die Ansteckung auf den Nach¬ 
schub des Heeres und auf die Bevölkerung verpflanzen. Beides drängt 
zum Bau der fliegenden Baracke und so hat sich das Verlangen nach 
ihren Einrichtungen in Frankreich bereits lebhaft geltend gemacht; ge¬ 
waltiger wird dieses Bedürfnis hervortreten, wenn ein Heer in Gegenden 
stehen muss, welche die Cultur in geringerer Weise gefordert hat. Dies 
war z. B. im russisch-türkischen Kriege und bei der Besetzung Bosniens 
und der Herzegowina der Fall, wo wir denn auch die beweglichen 
Baracken zuerst in Anwendung finden. Sie haben hier einen verhältniss- 
mässig geringen Nutzen gehabt, weil sie nicht schnell genug beschafft 
und zur Stelle waren, und es ist hieraus die Forderung zu erheben, das 
eine Anzahl versendbarer Baracken bereits im Frieden vorräthig sei, 
so dass bei Beginn des Krieges nur eine entsprechende Ergänzung einzu¬ 
treten hat. Besitzt die Lazaretbverwaltung eines jeden Corpsbezirks 
auch nur wenige versendbare Baracken und stellt sie dieselben bei Epi¬ 
demien, bei Manövern u. s. w. auf, so wird man auch leicht Mannschaften 
erhalten, welche für die Kriegsverwendung die nöthigen Vorkenntnisse 
besitzen. 

Werfen wir nach dieser Betrachtung der einzelnen Abschnitte einen 
Blick zurück auf das ganze Werk, so müssen wir anerkennen, dass die 
Herren Verfasser den Dank aller verdienen, denen die Pflege des ver¬ 
wundeten Kriegers am Herzen liegt, denn sie schufen eine vortreffliche 
Grundlage für die weitere Behandlung einer hervorragenden Frage der 
Krankenpflege. Dieser Dank gebührt in höherem Masse Ihrer Majestät 
der Kaiserin und Königin, welche, wie so vielfach auf dem Gebiete der 
Krankenpflege, so auch für die Antwerpener Ausstellung den Antrieb gab. 

zur Nieden. 


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457 


Vorschriften für die ärztliche Ausrüstung 8. M. Schiffe und 
Fahrzeuge. Genehmigt durch den Herrn Chef der Admiralität am 
18. Mai 1886. 

Im Anschluss an die Neubearbeitung der Beilage 5 der K. S. O. ist 
seitens der Kaiserlichen Admiralität eine Umarbeitung der „Vorschriften 
für die ärztliche Ausrüstung S. M. Schiffe und Fahrzeuge“ vorgenommen 
worden, durch welche der Ausrüstungsetat der letzteren vielfach verändert 
und ergänzt und der Sublimat-Verband auch für die Marine allgemein 
eingeführt worden ist. Nachdem in 8 Paragraphen allgemeine Vor¬ 
schriften über Ausrüstung der Schiffe mit Inventarien und Materialien, 
aber deren Erneuerung bei dauernder Stationirung im Auslande, über 
Beschaffung, Bereitung, Verpackung und Aufbewahrung derselben an 
Bord, so wie über deren Rücklieferung bei Ausserdienststellungen ge¬ 
geben worden sind, folgen in VI Abschnitten die Specialetats an In¬ 
ventarien und Materialien für Schiffe 1. und 2., sowie 3. bezw. 4. Ranges 
und für Fahrzeuge mit und ohne Apotheke; den Beschluss machen 
4 Beilagen, von denen die erste eine Uebersicht über die überetatsmässige 
Ausrüstung im Kriegsfall, die zweite eine Anleitung zur Zubereitung und 
Verwendung des antiseptischen Verbandmaterials, die dritte ein Verzeichniss 
des Inhalts einer Umhängetasche (für Landungen) und die vierte ein 
solches der von den Marineärzten selbst zu haltenden Ausrüstungsgegen¬ 
stände enthält. — 

Die eingreifendste Aenderung gegen früher haben Abschnitt III 
(Aerztliche Geräthe), Abschnitt IV (Verbandmittel) und Abschnitt VI 
(Arzneien und Reagentien) erlitten. In ersterem Abschnitt sind sämmt- 
liche Instrumentenbestecks erheblich verbessert und ergänzt worden und 
eine Anzahl neuer Gegenstände sind hinzugetreten, so z. B. ein sehr 
compendiöser Kasten zum antiseptischen Verbände und ein Besteck mit 
Instrumenten etc. zur Mikroskopie. In Abschnitt IV ist der Etat an Gaze 
bezw. Gazebinden und Watte bedeutend erhöht worden, während anti¬ 
septische Watte und Moll neu etatisirt, Charpie und Jute dagegen ge¬ 
strichen worden sind. Unter den Arzneien endlich (Abschnitt Vl) sind 
eine Anzahl veralteter bezw. solcher Mittel, welche an Bord leicht ver¬ 
derben, aufgegeben und dafür eine Anzahl neuerer erprobter Mittel (z. B. 
Antipyrin, Apomorphin, Cocain) eingefübrt worden. Den Marineärzten 
steht somit nunmehr eine Ausrüstung zu Gebote, welche allen billigen 
Anforderungen auch nach dem neuesten Standpunkt der Wissenschaft 
genügen dürfte. 

Die Vorschriften über die Zubereitung etc der Sublimat-Verbandstoffe 
(Beilage 2) schliessen sich möglichst an die der Beilage 5 zur Kriegs- 
Sanitäts- Ordnung an, nur ist die antiseptiscbe Flüssigkeit in der Marine 
etwas stärker gewählt (4: 1000) als in der Armee (5: 1500). Ausserdem 
sind für den Fall, dass im Auslande entfetteter Mull angekauft und anti¬ 
septisch gemacht werden soll, Anweisungen zur Reinigung desselben 
beigefügt worden (mehrstündiges Kochen- in Seifen und Sodalauge, 
Spulen in reinem Wasser und nochmaliges stundenlanges Kochen in 
frischem Wasser). Schliesslich fehlt auch nicht eine Vorschrift über die 
Behandlung von Gaze, falls solche im Nothfalle zur Herstellung anti¬ 
septischer Verbandstoffe benutzt werden muss. 

Noch sei erwähnt, dass das antiseptische Verbandpäckchen der 
Armee auch für die Marine zur Einführung gelangt ist. Es werden den 


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458 


Schiffen eine kleine Anzahl derselben als Modelle mitgegeben, und nach 
diesen wird der Bedarf bei bevorstehenden Landengen an Bord her¬ 
gestellt. Eiste. 


Mittheilnngen. 


Programm 

der 

59. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte. 

Die 59. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte wird, ge¬ 
mäss dem Beschlüsse der vorjährigen Versammlung in Strassburg, in 
Berlin vom 18. bis 24. September d. J. tagen. 

Dieselbe wird drei allgemeine Sitzungen, am 18., 22. und 24. September 
abhalten, welche in der Zeit von 11 bis etwa l ! /i Uhr im Circus Renz 
stattfinden sollen. 

Ausserdem sind 30 Sectionen für einzelne Fächer gebildet worden. 
Für die Mehrzahl derselben sind Sitzungsräume in der Königlichen Uni¬ 
versität und in den nächstgelegenen Uuiversitäts- und sonstigen Sta&ts- 
und städtischen Anstalten ausgewählt worden. Genauere Nachweise sind 
in einer besonderen Zusammenstellung gegeben. Unbeschadet der Frei¬ 
heit der Sectionen, die Zeit und den Ort für jede ihrer Sitzungen zu be¬ 
stimmen, wird denselben vorgeschlagen, die letzteren nach den allge¬ 
meinen Sitzungen und an den freien Tagen erst von 11 Uhr ab anzu¬ 
setzen, um die Morgenstunden für den Besuch der Ausstellung, der Samm¬ 
lungen und Museen, sowie für Excursionen nach den staatlichen und 
städtischen Aussenanstalten (astrophysikalisches Observatorium in Potsdam, 
Garnisonlazareth in Tempelhof, Wasserwerke, Rieselfelder, Viehhof, Irren¬ 
anstalt in Dalldorf) frei zu halten. 

Es wird gleichzeitig eine Ausstellung wissenschaftlicher Apparate, 
Instrumente und Unterrichtsgegenstände statlfinden, für welche die König¬ 
liche Akademie der Wissenschaften und die Königliche Akademie der 
Künste Räume in dem Akademie-Gebäude, Unter den Linden 38, zur 
Verfügung gestellt haben und welche durch ein besonderes Comite ein¬ 
gerichtet wird. Die Ausstellung wird täglich in der Zeit von 8 — 11 Uhr 
Vormittags den Mitgliedern und Theilnehmern der Versammlung aus¬ 
schliesslich und unentgeltlich geöffnet sein. Während dieser Stunden 
werden die Aussteller und deren Vertreter, sowie Fachgelehrte anwesend 
sein, um die erforderlichen Erklärungen zu geben. Den Mitgliedern einzelner 
Sectionen wird anheimgegeben, ihre Besuche gemeinsam zu machen; für 
diesen Fall ist der Schriftführer des Ausstellungs-Comitös, Dr. Lassar 
(Karlstr. 19 NW.) vorher schriftlich zu benachrichtigen. In anderen 
Stunden wird die Ausstellung auch dem Publicum gegen Eintrittsgeld 
geöffnet werden. Die Eröffnung soll am 16. September geschehen, und 
wird Mitgliedern und Theilnehmern gegen Vorzeigung ihrer Mitglieds¬ 
karte schon von dieser Zeit an der Zutritt freistehen. 

Für die ganze Dauer der Versammlung steht der Wintergarten des 
Central - Hotels zu geselligen Zusammenkünften und als Mittelpunkt des 
persönlichen Verkehrs zur Verfügung. Insbesondere werden die Mitglieder 


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459 


and Theilnebmer daselbst für sieb and ihre Damen an jedem freien 
Abend Gelegenheit za musikalischer Unterhaltung finden. 

Das Bureau der Geschäftsführer ist Leipzigerstr. 75 SW. ein¬ 
gerichtet. Dahin bitten wir alle Correspondenzen geschäftlicher Art, 
welche die Versammlung betreffen, zu adressiren. Vom 1. bis 12. Sep¬ 
tember werden daselbst auch gegen Einsendung oder directe Einzahlung 
der Beitrage Mitgliedskarten aasgegeben werden. 

Das Wohnungs- und Auskunftsbureau wird am 1. September in 
dem Central - Hotel (Eingang von der Dorotheenstrasse 18/21) eröffnet 
werden und daselbst bis mindestens zum 18. September fortbestehen. Da¬ 
selbst werden Anmeldungen für Wohnungen entgegen genommen und vom 
13. September ab gegen Einzahlung der Beitrage Mitgliedskarten ausge¬ 
geben werden. Am 16., 17. und 18. September dient dieses Bureau zugleich 
als Empfangsbureau für die Ankommenden. Diejenigen Herren, welche 
auf dem Bahnhof Friedrichstrasse ankommen, finden Empfangsraume ge¬ 
öffnet in dem Central-Hotel, Eingang von der Georgenstr. 25/27, gegen¬ 
über dem Bahnhof, und können von da aus ohne Zeitverlust die Geschäfte 
auf dem Empfangsbureau erledigen. 

Vom Nachmittage des 18. September ab wird ein zweites Auskunfts¬ 
bureau in der Königlichen Universität eröffnet werden. Daselbst werden 
auch die Drucksachen, Specialbillets u. s. w. zur Vertheilung gelangen 
und Einrichtungen für die Post, den Besuch der Sammlungen, der Theater 
und so fort, vorhanden sein. 

Obwohl die Versammlung nach ihrem Statut eine „Gesellschaft 
deutscher Naturforscher und Aerzte“ ist, so ist die Betheiligung fremder 
Gelehrten stets in hohem Maasse willkommen geheissen worden, und 
werden dieselben hierdurch freundlich eingeladen. 

Die Versammlung besteht aus Mitgliedern und Theilnehmern, jedoch 
haben nur die ersteren Stimmrecht (§ 7 der Statuten). Als Mitglied 
wird jeder Schriftsteller im naturwissenschaftlichen und artzlicheu Fache 
betrachtet (§ 3); wer aber nur eine Inaugural-Dissertation verfasst hat, 
kann nicht als Schriftsteller angesehen werden (§ 4). Beitritt (als Theil¬ 
nebmer) haben Alle, die sich wissenschaftlich mit Naturkunde und Medicin 
beschäftigen (§ 6). 

Jedes Mitglied und jeder Theilnebmer erhalt zu seiner Legitimation 
eine Karte nebst Erkennungszeichen (Schleife), für welche 15 Mk. zu 
entrichten sind. Auch können dieselben zum Preise von 10 Mk. Karten 
für angehörige Damen erhalten. Die Vorzeigung der Karte wird sehr 
häufig nothwendig sein; es wird daher gebeten, sie stets bei sich zu 
tragen. 

Beschlüsse der Naturforscher-Versammlung können nur in einer all¬ 
gemeinen Sitzung gefasst werden. Alles wird durch Stimmenmehrheit 
(der Mitglieder) entschieden (§ 8 der Statuten). Eine Fassung von 
Resolutionen über wissenschaftliche Thesen findet in den allgemeinen 
Sitzungen sowohl als in den Sectionssitzungen nicht statt (§ 21). 

Die Sectionen werden durch die Einführer eröffoet, wählen sich dann 
aber ihre Vorsitzenden selbst. Als Schriftführer fungiren während der 
ganzen Dauer der Versammlung die von den Geschäftsführern eingesetzten 
Personen. An Letztere sind, auch schon jetzt, alle die einzelnen Sectionen 
betreffenden Mittheilungen, Anfragen u. 8. w. zu richten. 

Um zeitliche Collisionen solcher Sectionen zu vermeiden, welche ver¬ 
wandte Gegenstände zu verhandeln haben, wird es zweckmässig sein, 


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dass die Schriftführer derselben sich rechtzeitig miteinander in Beziehung 
setzen. Es ist in einer vorläufigen Besprechung eine Verständigung 
dahin getroffen worden: 

1) dass ein gleichzeitiges Tagen der Sectionen für Pathologie, innere 
Medicin und Chirurgie vermieden werden sollte, und dass, wenn 
möglich, die pathologische Section von 3—5 Uhr, die innere 
Medicin und Chirurgie von 11—1 Uhr sitzen möchten, 

2) dass die Sectionen für Hygieine, Tropenhygieine und 
Militär-Sanitatswesen sich, soweit gemeinsame Themata zor 
Verhandlung kommen, untereinander benehmen, 

3) dass im Uebrigen die Sectionen für medicinische Specialwissen¬ 
schaften Stunden von 1—3 Uhr wählen möchten, 

4) dass die Sectionen für Physik und Chemie, sowie diejenigen für 
Chemie, Pharmakologie und Pharmacie einerseits, die for Zoo¬ 
logie, Anatomie und Physiologie andererseits, wenn irgend aus¬ 
führbar, verschiedene Sitzungszeiten wählen, wobei auch mit 
den Sectionen für das landwirtschaftliche Versuchswesen und für 
naturwissenschaftlichen Unterricht Fühlung zu nehmen wäre. 

Das Tageblatt wird an jedem Morgen ausgegeben werden und ausser 
den Anzeigen der Geschäftsführer, den Mitgliederlisten u. 8. w. die Ver¬ 
handlungen der allgemeinen Sitzungen so viel als möglich vollständig, 
die Verhandlungen der Sections-Sitzungen in kurzen Auszügen bringen. 
Von einer vollständigen einheitlichen Veröffentlichung der gesammten 
Sectionsverhandlungen muss wegen der voraussichtlich übergrossen Menge 
des Materials abgesehen werden. 

Die Redaction des Tageblattes haben die Herren Dr. Guttstadt 
und Dr. Sklarek übernommen. Das Redactionsbureau wird sich in dem 
Universitätsgebäude befinden. Dahin werden die Herren Schriftführer 
so bald als möglieh nach dem Schlüsse der jedesmaligen Sitzung den 
Bericht über die stattgehabten Verhandlungen abliefern. Um die er¬ 
forderliche Correctheit zu erzielen, werden sie während der Sitzungen 
jedem der Redner ein Blatt überreichen, auf welchem derselbe selbst 
den Inhalt seiner Mittheilung resumiren kann. Für jede Sitzung einer 
Section wird einer der Schriftführer die Verpflichtung übernehmen, den 
Bericht druckfertig herzustellen. 

Eine Uebersicht der verfügbaren Hotels wird besonders ausgegeben. 
Es wird dringend gebeten, die Wohnungen im Voraus zu bestellen, da 
es sehr schwer werden dürfte, im letzten Augenblick geeignete Räum¬ 
lichkeiten zu finden. 

Berlin, Anfang August 1886. 

Die Gechäftsführer der 59. Versammlung Deutscher Natur¬ 
forscher und Aerzte. 

Rud. Virchow. A. W. Hofmann. 


Allgemeine Tagesordnung, 
vorbehaltlich einzelner Aenderungen und Zusätze. 

Donnerstag, 16. September. 11 Uhr Vorm.: Eröffnuug der Aus¬ 
stellung im Akademiegebäude. Freitag, 17. September. 7 Uhr Abends: 
Zusammenkunft zu gegenseitiger Begrüssung im „Wintergarten“ des Ceu* 


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461 


tral-Hotels (Eingang Doi'otbeenstr. 18/21). Sonnabend, 18. September. 
8 Ubr Vorm.: Besuch der Ausstellung. 11 Uhr Vorm.: Erste allgemeine 
Sitzung im „Circus Renz“ (Markthallenstrasse, Eingang zwischen Karl¬ 
strasse 18 und 19). Wahl des Versammlungsortes und der Geschäfts¬ 
führer für 1887. 2 Uhr Nachm.: Einführung der Sectionen in ihre Locale. 

CoD8tituirung und eventuell Sitzungen der Sectionen. 5 Uhr Nachm.: 
Festessen. 8 Uhr Abends: Concert im „Wintergarten“ des Central-Hotels. 
Sonntag, 19. September. 8 Uhr Vorm.: Abfahrt zu der Regatta. 
10 Uhr Vorm.: Segel-Regatta auf dem Müggelsee (Friedrichshagen), ver¬ 
anstaltet von dem Berliner Yacht-Club. Nachm.: Rückfahrt nach Berlin. 
Nach dem Ermessen der Mitglieder Fahrten durch Berlin und Umgegend.*) 
8 Uhr Abends: Concert im „Wintergarten des Central-Hotels. Montag, 
20. September. 8 Uhr Vorm.: Ausstellung event. Besuch von Samm¬ 
lungen, Museen; Excursionen. 11 Uhr Vorm., 1 Uhr Nachm., 3 Uhr 
Nachm.: Sections-Sitzungen. 8 Uhr Abends: Concert im „Wintergarten“ 
des Central-Hotels. Dienstag, 21. September. 8 Uhr Vorm.: Aus¬ 
stellung, event. Besuch von Sammlungen, Museen; Excursionen. 11 Uhr 
Vorm, und 1 Uhr Nachm.: Sections-Sitzungen. 4 Uhr Nachm.: Besuch 
des Polytechnicum in Charlottenburg. 6 Uhr Nachm.: Freie Vereinigung 
im Zoologischen Garten. Mittwoch, 22. September. 8 Uhr Vorm.: 
Ausstellung, event. Besuch von Sammlungen, Museen. 11 Uhr Vorm.: 
Zweite allgemeine Sitzung im „Circus Renz“. 3 Uhr Nachm.: Sections- 
Sitzungen. C Uhr Abends: Fest der Stadt Berlin in der Kunst-Aus¬ 
stellung. Donnerstag, 23. September. 8 Uhr Vorm.: Ausstellung, 
event. Besuch von Sammlungen, Museen; Excursionen. 11 Uhr Vorm., 
1 Uhr Nachm., 3 Uhr Nachm.: Sections-Sitzungen. 8 Uhr Abends: Ball 
im „Wintergarten“ des Central-Hotels. Freitag, 24. September. 8 Uhr 
Vorm.: Ausstellung, event. Besuch von Sammlungen, Museen. 11 Uhr 
Vorm.: Dritte allgemeine Sitzung im „Circus Renz“. Schluss der Ver¬ 
sammlung. 

Es ist der Wunsch ausgedrückt worden, dass am Sonnabend, den 
25. September eine Extrafahrt nach den Nordseebädern veranstaltet werde. 


Ans dem auch nur vorläufigen Verzeichnisse der einzelnen Sectionen 
heben wirdes beschränkten Raumes wegen lediglich das der Section 26 
für Militär-Sanitätswesen hervor: 

Sitzungsort: Med.-chir. Friedrich-Wilhelms-Institut, Friedricbstr. 140. 

Einführer: Generalarzt Dr. Wegner, Generalarzt Dr. v. Stuckrad, 
Generalarzt Dr. Schubert, Generalarzt Dr. v. Coler, Generalarzt 
Dr. Wenze). 

Schriftführer: Stabsarzt Dr. Am ende, Friedricbstr. 140, NW. 

Angemeldete Vorträge. 

Generalarzt Dr. Roth: Die neuesten Erscheinungen auf dem Gebiete 
des Militär-Sanitätswesens. 

Regierungs- und Baurath Dr. zur Nie den: Mittheilungen über eine 
transportable Baracke. 


*) Wer Potsdam, Wannsee oder einen der Vororte an der Potsdamer Eisenbahn 
besuchen will, kann sofort von Friedrichshagen mit der Stadtbahn dahin durchfahren. 


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Stabsarzt Dr. Lad ewig: Ueber bis jetzt noch nicht beschriebene 
Exercirknochen nebst Demonstration von Präparaten. 

Stabsarzt Dr. Reger. \ 

Stabsarzt Dr. Erocker. % Wortlaut noch nicht festgestellt. 
Stabsarzt Dr. Werner. J 


Tagesordnung der dreizehnten Versammlung des Deutschen 
Vereins für öffentliche Gesundheitspflege zu Breslau, am 
13., 14. und 15. September 1886. 

Montag den 13. September 9 Uhr Vormittags in der Aula der Kgl. 
Universität I. Die Untersuchuugsanstalten für Nahrungs- und 
Genussmittel sowie Gebraucbsgegenstände, deren Organisation 
und Wirkungskreis. Referent: Herr Professor Dr. Albert Hilger (Erlangen). 
— II. Volks-undScbulbäder. Referenten: Herr PrivatdocentDr. Oscar 
Lassar (Berlin), Herr Oberbürgermeister Merkel (Göttingen). 

Dienstag, 14. September 9 Uhr Vormittags in der Aula der Kgl. 
Universität III. Antrag des Ausschusses auf Abänderung der 
§§. 4 u. 7 der Satzungen. — IV. Ueber Rieselanlagen mit be¬ 
sonderer Berücksichtigung von Breslau und über andere Reinigungs¬ 
methoden der städtischen Abwässer. Referenten: Herr Baurath 
Kau mann (Breslau), Herr Professor Arnold (Braunschweig). 

Mittwoch, den 15. September 9 Uhr Vormittags in der Aula der 
Kg). Universität. V. Moderne Desinfectionstechn ik mit besonderer 
Beziehung auf öffentliche Desinfectionsanstalten. Referenten: 
Herr Professor Dr. Franz Hofmann (Leipzig), Herr Bezirksphysicus 
Dr. Jacobi (Breslau). 

Donnerstag 16. September. Gemeinsamer Ausflug nach Alt¬ 
wasser, Besichtigung des Fuchsstollens (Kohlenbergwerk), Bad Salzbrunn 
und Fürstenstein. Abfahrt: 9*/« Uhr Vormittags vom Freiburger Bahn¬ 
hof, Berliner Platz. 


General-Rapport 

von den Kranken der Königlich Preussischen Armee, des XII. (Königlich 
Sächsischen) und des XIII. (Königlich Württemhergischen) Armee-Corps, 
sowie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich Bayerischen 
Besatzungs-Brigade pro Monat Mai 1886. 

1) Bestand am 30. April 1886: 11227 Mann und 57 Invaliden 

2) Zugang: 

im Lazareth 11 532 Mann und — Invaliden, 

im Revier 19 683 7 _ 

Summa 31 215 Mann und 7 Invaliden. 
Mithin Summa des Bestandes und Zuganges 42 442 Mann und 64 Invaliden, 
in Procenten der Effectivstärke 10,5% und 22,3%. 

3) Abgang: 


o O- 

geheilt. 

29 490 Mann, 14 Invaliden, 

gestorben .... 

109 - 3 - 

invalide. 

178 - — 

dien8tunbrauchbar . 

292 - — 

anderweitig . . . 

468 - 2 

Summa . . 

30 537 Mann, 19 Invaliden. 


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463 


4) Hiernach sind: 

geheilt 69,5% der Kranken der Armee und 21,9% der erkrankten In¬ 
validen, 

gestorben 0,25% der Kranken der Armee und 4,7 % der erkrankten In¬ 
validen. 

5) Mithin Bestand: 

am 31. Mai 1886 11 905 Mann und 45 Invaliden, 

in Procenten der Effectivstärke 2,9% und 15,7%. 

Von diesem Krankenstaude befanden sich: 

im Lazareth 8 304 Mann und 4 Invaliden, 
im Revier 3 601 - - 41 

Es sind also von 389 Kranken 270,3 geheilt, 1,0 gestorben, 1,6 als 
invalide, 2,7 als dienstunbrauchbar, 4,3 anderweitig abgegangen, 109,1 im 
Bestand geblieben. 

Von den Gestorbenen der activen Truppen haben gelitten an: Schar¬ 
lach 2, Diphtheritis 1, Karbunkel 1, Unterleibstyphus 7, chronischer Al¬ 
koholvergiftung 1, acutem Gelenkrheumatismus 3, Scorbut 1, Scrophu- 
lose 1, Hitzschlag 1, bösartigen Geschwülsten 1, Hirn- und Hirnhaut¬ 
leiden 6, Rückenmarksleiden 1, Croup 1, Lungenentzündung 24, Lungen¬ 
schwindsucht 29, Brustfellentzündung 5, Herzleiden 4, Krankheiten der 
Speiseröhre 1, Blinddarmentzündung 4, Bauchfellentzündung 4, Krankheiten 
der Ernährungsorgane 1, Nierenleiden 4, constitutioneller Syphilis 1, 
Zellgewebsentzündung 1, Knochenentzündung 3; an den Folgen einer 
Verunglückung: Sturz mit dem Pferde 1. Von den Invaliden: an Krank¬ 
heiten: Blutarmuth 1, Gehirnleiden 1, chronischem Magenkatarrb 1. 

Mit Hinzurechnung der nicht in militärärztlicher Behandlung Verstor¬ 
benen sind in der Armee im Ganzen noch 43 Todesfälle vorgekommen, 
davon 5 durch Krankheiten, 15 durch Verunglückung, 23 durch Selbst¬ 
mord; von den Invaliden: durch Krankheiten 1; so dass die Armee im 
Ganzen 152 Mann und 4 Invaliden durch den Tod verloren hat. 

Nachträglich pro April er.: 

1 Selbstmord durch Ertränken. 


General-Rapport pro Monat Juni 1886. 

1) Bestand am 31. Mai 1886: 11905 Mann und 45 Invaliden. 

2) Zugang: 

im Lazareth 8 704 Mann und — Invaliden, 
im Revier 14 514 - 10 

Summa 23 218 Mann und 10 Invaliden. 
Mithin Summa des Bestandes und Zuganges 35 123 Mann und 55 Invaliden 
in Procenten der Effectivstärke 8,7% und 19,2%. 


3) Abgang: 


geheilt .... 

. 23 320 Mann, 8 Invaliden, 

gestorben . . . 

79 - — 

invalide .... 

188 - 

d ien st u nbrauchbar 

314 - — 

anderweitig . . 

461 - - 

Summa . 

. 24 362 Mann, 8 Invaliden. 


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464 


4) Hiernach sind: 

geheilt 66,4 °/o der Kranken der Armee und 14,5% der erkrankten In¬ 
validen, 

gestorben 0,23% der Kranken der Armee und — % der erkrankten In¬ 
validen. 

5) Mithin Bestand: 

am 30. Juni 1886 10 761 Mann und 47 Invaliden, 

in Procenten der Effectivstärke 2,6% und 16,4%. 

Von diesem Krankenstände befanden sich: 

im Lazareth 7 369 Mann und 6 Invaliden, 
im Revier 3 392 41 

Es sind also von 445 Kranken 295,5 geheilt, 1,0 gestorben, 2,4 als 
invalide, 4,0 als dienstunbrauchbar, 5,8 anderweitig abgegangen, 136,3 im 
Bestand geblieben. 

Von den Gestorbenen der activen Truppen haben gelitten an: Kar¬ 
bunkel 1, Eitervergiftung 1, Unterleibstyphus 6, Wechselfieber 1, epi¬ 
demischer Genickstarre 1, acuter Alkoholvergiftung 2, acutem Gelenk¬ 
rheumatismus 2, Hitzschlag 1, Geisteskrankheit 1, Hirn- und Hirnhaut¬ 
entzündung 7, Lungenentzündung 7, Lungenhlutung 1, Lungenschwind¬ 
sucht 20, Brustfellentzündung 10, Herzleiden 3, Darmverschlingung 1, 
Darmentzündung 2, Bauchfellentzündung 2, Nierenleiden 2, Zellgewebs¬ 
entzündung 1, Knochenentzündung 2, chronischer Gelenkentzündung 2; 
an den Folgen einer Verunglückung: Hufschlag 1, Sturz vom Pferde 1; 
an den Folgen eines Selbstmordversuches: Erschiessen 1. 

Mit Hinzurechnung der nicht in militararztlicher Behandlung Ver¬ 
storbenen sind in der Armee im Ganzen noch 58 Todesfälle vorgekommen, 
davon 11 durch Krankheiten, 23 durch Verunglückung, 24 durch Selbst¬ 
mord; von den Invaliden: durch Krankheiten 1; so dass die Armee im 
Ganzen 137 Mann und 1 Invaliden durch den Tod verloren hat. 

Nachträglich pro Mai er. verstorben: 

1 Mann an Leberleiden (Urlaub). 


Gedruckt in d«r Königl. Hofbockdruckerei von B. & Mittler u. Sohn, Berlin Kochatruse 69-T0. 


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General-Vertreter und I.icenzträger für Deutschland: 

. STREINER & GOLDSCHMIDT. 

Berlin SW., Friedrichstrasse 241. 






























































Deutsche 

Militärärztliche Zeitschrift 


Redaction: 

Dr. Jt. Generalarzt, 

Berlin, Tanbenstrasse 6, 

u. Dr. $• <£*ttfar$, Stabsarzt, 

Berlin, Kaiser Franz Grenadier-Platz 11/12. 


Verlag: 

f. §. SKtttfer & $•'«, 

Königliche Hofbachhandlang, 
Berlin, Kochstrasee 68—70. 


Monatlich erscheint ein Heft von mindestens 8 Druckbogen; dazu ein „Amtliches Beiblatt“. Der 
Zeitschrift wird das Werk: „Jahresbericht Uber die Fortschritte anf dem Gebiete des Milit&r- 
SanitEts-Wesens“, heransgegeben vom Generalarzt Dr. Both, unentgeltlich beigegeben. Bestellung 
nehmen alle Postämter und Buchhandlungen an. Preis des Jahrgangs 15 Mark. 


XV. Jahrgang._1886. Heft 10. 


Die 59. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte. 

Der glänzende Verlauf, welchen die diesjährige 59. in der Reichs- 
hanptstadt abgehaltene Versammlung deutscher Naturforscher nnd Aerzte 
genommen hat, ist den Lesern dieser Zeitschrift bereits durch die Tagespresse 
bekannt geworden. In alle Gaue des Reiches haben inzwischen Mitglieder 
und Theilnehmer der Versammlung mündliche Runde getragen von der 
derselben entgegengebrachten Allerhöchsten Huld, von dem warmen luter 
esse der Staatsbehörden, der Gastfreundschaft der Stadt, von der Un¬ 
ermüdlichkeit und Umsicht der Vorsitzenden und ihrer Gehülfen, von der 
bewundernswerthen Organisation der wissenschaftlichen und geselligen 
Vereinigungen, von dem gewählten Charakter der dargebotenen Feste 
und — last not least — von der Fülle und dem Werthe der geleisteten 
Arbeit. Der durch letztere gegebene Anstoss kann erst allmälig zu all¬ 
gemeinem Bewusstsein kommen, in dem Maasse, als die davon aus¬ 
gehenden Schwingungen in die Erscheinung treten, — aber schon ein 
Blick in die Protocolle der Versammlung muss auch den Ferugebliebenen 
mit der Empfindung erfüllen, dass eine unermessliche Anregung für alle 
Zweige der Naturwissenschaften und der Medicin gerade von dieser Ver¬ 
sammlung ausgegangen ist, vor deren Zusammentritt vielfach nicht ohne 
scheinbaren Grund besorgt wurde, dass sie durch allzu grosses Aufgehen 
in den Vergnügungen der Hauptstadt diejenigen Stimmen vermehren 
werde, welche diese älteste Wander-Versammlung für überlebt zu er¬ 
klären geneigt sind. 

31 


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466 


Es liegt nicht in der Aufgabe dieser Zeitschrift und würde schon 
den äusserlichen Rahmen derselben weit überschreiten, an dieser Stelle 
die Gesammtheit der dargebotenen wissenschaftlichen Gaben auch nur 
zu verzeichnen, geschweige denn im Einzelnen za verfolgen and za 
würdigen. Nar die Thatigkeit der Section für Militär-Sanitätswesen 
soll hier geschildert and im Anschiasse daran das für die Armee-Aerzte 
Wichtigste aas den Verhandlungen der Section für Chirurgie mit- 
getheilt werden. 

Die (26.) Section für Militär -Sanitätswesen constitairte sich 
Freitag, den 17. September, nach Schluss der ersten allgemeinen Sitzung, 
in der Aula des Friedrich-Wilhelms-Instituts. Die Vorbereitung und Ein¬ 
führung hatten die Generalarzte 1. CI. Wegner, v. Stuckrad, Schubert, 
v. Coler und Wenzel übernommen unter Mitwirkung des Stabsarztes 
Amende als Schriftführer. Nachdem Generalarzt 1. CI. Wegner die 
Sitzung eröffnet hatte, wurde derselbe (auf Vorschlag des Generalarztes 
1. CI. Roth) zam Vorsitzenden für sammtliche abzuhaltende Sections- 
Sitzungen, Generalarzt 1. CI. Roth (auf Vorschlag des Generalarztes 
1. CI. v. Coler) zum dauernden Stellvertreter des Vorsitzenden durch 
Acclamation gewählt; der Vorschlag des Vorsitzenden, die Stabsärzte 
Amende und Jaeckel mit den Functionen der Schriftführer za be¬ 
trauen, fand ebenfalls die ungeteilte Zustimmung der Anwesenden. Es 
wurde beschlossen, drei Sections-Sitzungen (Montags, Dienstags und 
Donnerstags) abzuhalten und dem durch den Dienst bei Sr. Majestät 
dem Kaiser und König am Erscheinen verhinderten Generalstabsarzt der 
Armee Dr. v. Lauer, Excellenz, das Bedauern der Versammlung über 
seine Abwesenheit telegraphisch aaszusprechen. 

War die Betheiligung schon an der Eröffnung eine lebhafte, so 
steigerte sich dieselbe noch bei den eigentlichen Sections-Sitzangen. Nach 
Ausweis des Tageblattes der Naturforscher-Versammlung sind 101 Mit¬ 
glieder und Theilnehmer der Section für Militär-Sanitätswesen beigetreten. 
Die Generalärzte 1. CI. k la suite Bardeleben und v. Bergmann fehlten 
trotz ihrer vielfachen anderweitigen Inanspruchnahme, namentlich durch 
die Section für Chirurgie, bei keiner Sitzung der militärärztlichen Section, 
deren warmen, wiederholt durch die Vorsitzenden ausgesprochenen Dank 
sie sich dadurch, wie durch ihre Vorträge erwarben. 

Unter den von auswärts Erschienenen befanden sich die Generalärzte 
Abel, Eilert, Lommer. Das Sächsische Sanitäts-Offiziercorps war, 
ausser durch den Generalarzt 1. CI. Roth, durch eine grössere Zahl 
älterer und jüngerer Mitglieder vertreten. Als besonders erfreulich wurde 


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467 


die rege Beteiligung seitens des Sanitäts-Offiziercorps der österreichisch- 
ungarischen Armee empfunden. Generalstabsarzt Hour, die Regiments- 
irste Nendoerffer, Kowalski, Kirchenberger wohnten den Sections- 
Sitzungen bei und griffen theilweise in die Discussionen ein. Auch Salem 
Pascha, Leibarzt des Vicekonigs von Egypten, befand sich unter den 
Anwesenden. Mit allgemeiner Theilnahme wurde des durch schwere Er¬ 
krankung ferngehaltenen Generalarztes 1. CI. Schubert gedacht, der 
infolge seiner Stellung als Subdirector des Friedrich-Wilhelms-Instituts 
recht eigentlich berufen gewesen wäre, gewissermaassen die Honneurs 
des Hauses zu machen, welches zum Theil auf seine Veranlassung der 
Section sich öffnete, der in dem ursprünglichen Verzeichniss der Ein¬ 
fuhrenden nicht gefehlt und noch vom Krankenlager aus die Vorbereitungen 
für die Versammlung gefordert hatte. 

Montag, den 20. September, Abends fanden sich die der militärärzt¬ 
lichen Section beigetretenen Mitglieder und Theilnehmer als Gäste der 
Berliner militärärztlichen Gesellschaft in den Sitzungsräumen 
der letzteren (Arnim’s Hotel) zu geselligem Gespräch und einem Abend¬ 
essen zusammen. Noch keine Gelegenheit, auch kein Stiftungsfest der 
Gesellschaft hat je vorher in diesen Sälen einen so mannigfach zusammen¬ 
gesetzten Kreis von Militärärzten vereinigt. Dem brausenden Toast auf 
Se. Majestät den Kaiser und König, ausgebracht durch den Generalarzt 
1. CI. Wegner, folgten Toaste des Generalarztes ä la suite Barde¬ 
leben und des österreichischen Generalstabsarztes Hour, welche die 
ohnehin angeregte Stimmung noch weiter belebten und die allseitig 
empfundene Eigenart dieses Zusammenseins zu charakteristischem Aus¬ 
druck brachten. 

Von den zwölf angemeldeten Vorträgen fiel der von dem Königlich 
sächsischen Oberstabsarzt Stecher (a. zur Aetiologie der Icterus-Epide- 
mien, b. über subcutane Ruptur der geraden Bauchmuskeln) angekündigte 
wegen bedauerlicher Behinderung des Anmelders aus; auf die von Stabs¬ 
arzt Schirach beabsichtigten, auf die Tagesordnung der letzten Sitzung 
gebrachten „Bemerkungen über die neue Trageweise des Gepäcks* 
musste verzichtet werden, weil die zur Verfügung stehende Zeit durch 
die übrigen Mittheilungen vollauf in Anspruch genommen war. 

Abgesehen von den nachstehend ausführlicher geschilderten Demon¬ 
strationen einzelner Gegenstände, blieben während der Dauer der Ver¬ 
sammlung im Garten des Friedrich-Wilhelms-Institutes aufgestellt: ein 
neues Verbindezelt für Sanitäts-Detachements mit einem gemäss der neuen 
Beilage 5 zur Kriegs-Sanitäts-Ordnung gepackten Sanitäts-Wagen, eine 

31* 


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46 $ 


Dock er’sehe Baracke für den Feldgebrauch, eine ebensolche grossere 
(für die Universität®-Klinik in Greifswald bestimmte), sowie ein Zelt. 
Am Schluss der letzten Sitzung erklärte Herr Hauptmann Gemmel 
einige auf Veranlassung der Medicinal-Abtheilung des Eriegsministeriums 
herbeigeschaffte Apparate zur Herstellung und Compression antiseptischer 
Verbandmaterialien. 

Die Besichtigung des Garnisonlazareths in Tempelhof war seitens 
Sr. Excellenz des Herrn Kriegsministers allen Mitgliedern und Theil- 
nehmern der Versammlung freigestellt 

Auch in der mit der Naturforscher-Versammlung verbundenen Aus¬ 
stellung „wissenschaftlicher Apparate, Instrumente und Unterrichtsgegen- 
Stande“ im Akademiegebäude nahm das Militär-Sanitätswesen eine eigene 
Abtheilung ein. Dieselbe umfasste dort einige Modelle transportabler 
Baracken, Apparate zum Transport und zur Lagerung von Kranken, 
Verbandkasten, Verbandpäckchen und Ausrüstungsstücke zu einem neuen 
Tragsystem. Herr Generalarzt 1. Gl. Roth übernahm am Vormittag 
des 21. September die Führung der Section durch die gesammte glän¬ 
zend beschickte Ausstellung. 

Der Verlauf der Sections-Sitzungen ist aus dem Nachstehenden er¬ 
sichtlich. 


A. Section für Militär-Sanitätswesen. 

I. Sitzung am Montag, den 20. September. 

Vorsitzender: Herr Roth. 

1) Herr Bardeleben: Ueber Verhinderung von Blutverlusten 
bei Amputationen im Felde. Die Esmarch’sche Blutleere, deren 
hohe Bedeutung für den chirurgischen Fortschritt Redner ganz besonders 
betont, entspricht dem im Thema angegebenen Zwecke nicht ohne 
Weiteres in der gehofften Weise. Die Bereithaltung des Schlauches im 
Frieden stösst auf Schwierigkeiten, da das Material ungebraucht verdirbt. 
Diesem Uebelstande lässt sich freilich durch die vom Redner ange¬ 
gebene Ein Wickelung mit leinenen, nachher befeuchteten Binden and 
Anlegung eines Tourniquetgurtes (ohne Pelotte) abhelfen. Eine andere 
Erschwerung liegt in der Unsicherheit ihrer Benutzung bei Exarticulationen 
der Extremitäten; vorherige Unterbindung der Hauptgefässe mit folgender 
schichtweiser Durchschneidung der Weichtheile ist hinreichend blutsparend. 
Der dritte Nachtheil aber ist die durch die Einwickelung bedingte Gefass- 
paralyse, welche Blutung aus kleinsten Gefässen und zahlreiche, zeit¬ 
raubende Unterbindungen bedingt. Deshalb wird in vielen Fällen wegen 


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469 


der enormen Anforderungen nach einer Schlacht die Digitalcompression 
in ihr Recht treten mdssen. 

ln der Discussion betont Herr v. Bergmann, dass er, seitdem er 
der Umschnürung keine Ein wickelang, sondern nur eine Erhebung vor- 
sasgehen lässt, die Gefässparalyse nicht mehr gesehen hat und die Zahl 
der nach Losung des Schlauches nothwendigen Unterbindungen seitdem 
anerheblich sei. Aus diesem Grunde mochte er den Schlauch bezw. die 
Umschnürung auch für das Feld nicht entbehren. 

2) Herr Enoevenagel: Ueber Erkältung und Beziehungen 
der Wetterfactoren zu Infectionskrankheiten. Vortragender will 
den sogenannten ErkältungsVorgang im Wesentlichen auf local-rheuma¬ 
tische Eirankheiten beschränkt, die meteorologischen Factoren, namentlich 
zum Ver8tändnis8 der Entwickelung von Infectionskrankheiten und Epi¬ 
demien, aber in anderer Weise verwerthet wissen. Das Entscheidende 
SQcht Redner nicht in plützlicher Abkühlung oder Erhitzung, sondern in 
der längeren Andauer bestimmt charakterisirter Witterungsperioden. Es 
werden Tabellen demonstrirt, welche gewisse Erkrankungen in der Militär- 
bevolkerung Schwerins zu atmosphärischen Vorgängen in Beziehung setzen. 
(Ausführlichere Wiedergabe der hauptsächlichsten Ausführungen bleibt 
Vorbehalten. Red.) 

3) Herr Werner: Die transportable Lazarethbaracke. Der 
Gegenstand dieses Vortrages, die Lazarethbaracke, ist heutzutage Gemeingut 
des Civil- wie des Militär-Hospitalwesens; gleichwohl darf er das Interesse 
militärärztlicher Kreise besonders in Anspruch nehmen. 

Nicht nur, dass die Lazarethbaracke bis vor wenig Decennien fast 
ausschliesslich auf dem Gebiete des Militär- 8anitätswesens Verwendung 
fand, auch ihr Werden und Entstehen hängt auf das Innigste mit der 
Geschichte desselben zusammen. Der Umstand, dass die Krankenpflege 
in deutschen Heeresthcilen von bestimmendem Einfluss auf die Ent¬ 
wickelung der Lazarethbaracke wurde, konnte es gerechtfertigt erscheinen 
lassen, gerade an dieser Stelle einen kurzen Rückblick auf die Gründe 
für ihre Einführung zu werfen und zu zeigen, wie sie Ende des vorigen 
Jahrhunderts gewissermaassen als Zeichen und Ausdruck der ersten 
Regungen einer rationellen Lazareth-Hygiene entstand und wie sie im 
weiteren Verlauf letztere selbst in der hervorragendsten Weise zu fördern 
berufen war. 

Die kurz bemessene Zeit erlaubt es jedoch nicht, auf die ersten 
Anfänge einer im hygienischen Sinne zielbewussten Anwendung der 
Lazarethbaracke einzugehen, sondern bedingt es, hier mit der Schluss- 


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470 


i 


epoche des ersten Stadiums der Krankenfrage za beginnen, dem nord¬ 
amerikanischen Secessions- und dem deutsch - französischen Kriege, io 
welchem sie ihre höchsten Triumphe feierte. Aber gerade die Höhe der 
erzielten Erfolge, der Wunsch einer- und die Unmöglichkeit andererseits, 
ihrer überall theilhaftig zu werden, lenkten den Blick auf eine Unzuläng¬ 
lichkeit des Systems und führten zu einer fundamentalen Aenderung des¬ 
selben, mit welcher eine neue Aera des Barackenwesens, die der trans¬ 
portablen Baracke an Stelle der bisherigen immobilen, eingeleitet wurde. 

Zweck dieses Vortrags ist es, kurz die Grande zu erörtern, welche 
diese Umgestaltung der immobilen Baracke bedingten. 

Im nordamerikanischen Secessionskriege dienten die umfangreichen 
Barackenlazarethe, welche für mehr als 133000 Kranke Lagerstellen 
boten, durchweg der Krankenpflege in den rückwärts befindlichen Linien. 
Alle waren Hauptlazarethe. Man wollte den Schwerpunkt der Be¬ 
handlung in diese verlegen und dieses Princip ist bei richtiger Begrenzung 
gewiss zweckmässig. Allein man darf nicht vergessen, dass ein grosser 
Theil der Kranken und Verwundeten, der Schwere ihres Leidens wegen, 
entweder gar nicht oder erst sehr spät vom Kriegsschauplätze in diese 
Hauptlazarethe befördert werden kann, will man nicht dem Princip ma 
Liebe die Evacuation über Gebühr und zum Nachtheil der Kränken ans- 
dehnen. Für die ganze Kategorie ansteckender Kranken aber, die 
trotz des relativ günstigen Gesundheitszustande 8 der mobilen deutschen 
Armeen im Feldzuge 1870/71 über 26 % des gesammten Lazarethzugangs 
an Krankheiten ausmachte, ist der Transport in die rückwärtigen Lazarethe 
geradezu ausgeschlossen, wenn man nicht der Invasion der die Kriegs¬ 
heere begleitenden Seuchen in das Hinterland die Thore öffnen will 

Diese beträchtliche Quote der nicht transportfähigen und der an¬ 
steckenden Kranken ist mithin auf dem Kriegsschauplätze selbst zu be¬ 
handeln. Was aber steht uns hier zur Unterbringung einer so grossen 
Zahl von Pflegebedürftigen zu Gebote? Kaum mehr als vor 100 Jahren, 
wo die Erkenntniss der Nothwendigkeit einer Abhülfe in dieser Beziehung 
sich bereits Bahn brach. Wir sind im Wesentlichen nach wie vor auf 
die Baulichkeiten angewiesen, welche der Kriegsschauplatz uns bietet. 
Diese aber sind nach unseren heutigen Anschauungen über Lazareth- 
Hygiene in der Mehrzahl ein dürftiger und oft nicht einmal räumlich 
ausreichender Nothbehelf für Kranke und Verwundete; dies gilt selbst 
von dem Kriegsschauplätze in einem so hoch cultivirten Lande, 
wie Frankreich. Die actenmässige Darstellung des Kriegs-Sanitäts¬ 
berichts legt hiervon beredtes Zeugniss ab. In allen Berichten über 


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Krankenunterbringung von den ersten Schlachten bei Weissenburg und 
Worth an bis za den Kämpfen an der Loire, im Norden and Süden kehrt 
die Silage wieder, dass es an Raum zur Bergung der Verwundeten und 
Kranken fehlte und andererseits, dass die in Anspruch genommenen 
Baulichkeiten oft nicht den niedrigsten Anforderungen an einen gesund- 
beitsmissigen Aufenthalt für Pflegebedürftige genügten. Dies galt nicht 
bloss für die ersten Tage nach grosseren Actionen, sondern machte sich 
Wochen and Monate nach denselben noch geltend und wahrend der Ein¬ 
schliessung von Metz wurden diese Uebelstande je länger je schlimmer. 
Zwei Mittel gab es, dem Mangel geeigneter Lazarethräame zu begegnen: 
die Evacaation der Kranken nach Deutschland und die Im- 
provisirung von Lazarethen auf dem Kriegsschauplätze. Bei 
dem Interesse, welches schon vor dem Ausbruche des deutsch-französischen 
Krieges für die Barackenbehandlung allenthalben erwacht war, müsste es 
Wunder nehmen, wenn nicht der Versuch zur Schaffung von Baracken- 
lazarethen gemacht worden wäre. Wie er in Deutschland ausfiel, ist 
allbekannt; je mehr die Erfolge hier befriedigten, um so weniger gilt dies 
vom Kriegsschauplätze. Zwar gelang es wohl, in den dauernd occupirten 
Gebieten an grosseren Bevölkerungscentren mit ausreichenden Hülfsmitteln 
brauchbare Barackenlazarethe zu errichten, aber im Bereich der Kriegs¬ 
operationen selbst, wo sie am meisten vermisst wurden, stiessen derartige 
Unternehmen auf Schwierigkeiten über Schwierigkeiten. Zumeist fehlte 
es an geeigneten Arbeitskräften. Pionier -Commandos, die hier und da 
zur Verfügung gestellt werden konnten, mussten, um ihren eigentlichen 
Aufgaben zu genügen, bisweilen mitten in der begonnenen Arbeit auf- 
horen, und was von ihnen und sonstigen Truppenabtheilungen in der Eile 
zusammengezimmert wurde, genügte oft nicht dem Bedürfnisse der nächsten 
Tage, viel weniger grosseren Ansprüchen. Die Beispiele sind nicht ver¬ 
einzelt, dass derartige Barackenbauten wegen Undichtigkeit gegen Sturm 
and Regen schon nach wenigen Wochen ja Tagen verlassen werden 
mussten; in der Regel geschah dies bei Eintritt der kälteren Jahreszeit, 
wenn nicht langwierige Aptirungsarbeiten den Improvisationsbau für den 
Wintergebrauch herzustellen vermochten. Bisweilen fehlte es auch an 
Baumaterial, so bei Metz, wo das Project umfangreicher Baracken¬ 
anlagen zum Theil an dem Mangel an Holz scheiterte. Man hat gemeint, 
dies wäre von rückwärts her wohl heranzuschaffen geweseu. Will man 
dies in Zukunft thun, so wird man, schon um unnützen Ballast für 
den Transport zu vermeiden, auf Rohmaterial verzichten und vorgearbeitetem 
den Vorzug geben, dies aber führt bereits auf den Weg zur zerlegbaren, 
transportablen Baracke. 


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472 


Da die Bemühungen, auf dem Kriegsschauplätze den Mangel an aus¬ 
reichenden und geeigneten Lazarethräumen durch Improvisationabauten 
zu ersetzen, von einem genügenden Erfolge nicht begleitet waren, so 
musste man nothgedrungen, um sich der Ueberfülle der Kranken za 
erwehren, von dem zweiten Ausweg zur Unterbringung der letzteren, der 
Evacuation, vielfach mehr Gebrauch machen, als es den Wünschen der 
Aerzte und den Interessen der Kranken entsprach. 

Um den Unzuträglichkeiten zu entgehen, welche sich aus dem Miss¬ 
verhältnis zwischen Krankenzahl und disponiblen Lazarethräumen ergeben, 
tauchte schon damals die Idee auf, die Kranken nicht um jeden 
Preis nach rückwärts, sondern für dieselben fertiggestellte, 
transportable Lazarethe nach vorwärts, an den Ort des Be¬ 
darfs, auf den Kriegsschauplatz zu schaffen. 

Pirogoff nahm diese Idee als Frucht seiner Bereisung der Lazareth- 
aostalten in Elsass-Lothringen mit sich und gab ihr Ausdruck in dem 
dem russischen Rothen Kreuze ertheilten Rath, die vorbereitende Thatig- 
keit für den Krieg auf die Organisation beweglicher Hospitalgebaude zu 
richten, die an jeder Oertlichkeit leicht zu handhaben und leicht dahin 
zu bringen seien, wo das meiste Bedürfniss danach gefühlt wird. Selbst 
zur praktischen Verwirklichung gelangte — im Kleinen wenigstens — 
diese Idee bereits 1870/71, indem die Badische Felddivision zur Bergung 
ihrer Kranken Lagerbaracken des Artillerie-Depots in Karlsruhe als 
Krankenbaracken auf das Belagerungsterrain vor Strassburg überführte. 

Esmarch hatte schon 1869 im Zweigverein des Rothen Kreuzes zu 
Kiel betont, dass in Zukunft die Benutzung von Privatgebäuden zu 
Lazarethzwecken im Kriege auf das Nothwendigste zu beschränken und 
deshalb, etwa nur nach Schlachten, in der Nähe des Schlachtfeldes zu 
gestatten, dass aber auch hier sobald als angängig mit der Herstellung 
von Baracken nach amerikanischem System zu beginnen sei* Dagegen 
sollten Reservelazarethe, das heisst Lazarethe im Inlande, nicht anders als 
nach dem amerikanischen Barackensystem eingerichtet werden. Da aber 
derartige Baracken nicht überall leicht und gut zu erbauen seien, so 
empfahl er, zerlegbare herzurichten, welche gegebenenfalls an dem Ort 
des Bedarfs aufgestellt werden sollten. Er fand in dem Ingenieur Risold 
einen geschickten Vertreter seiner Idee. Letzterer entwarf die Zeichnungen 
zu einer zerlegbaren Holzbaracke, die über den ursprünglichen Plan 
EsmarctTs hinaus als eigentliche Feldbaracke gedacht war. Verwendung 
als solche hat sie — soweit bekannt — weder 1870/71 noch nachher 
gefunden, immerhin gebührt ihr das Verdienst, die erste planmässig vor* 
bereitete transportable Baracke zu sein. 


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War in einem Culturstaat wie Frankreich, mit seinem Reichthum an 
Gebäuden und seinen zahlreichen Schienenwegen, guten Land- und Wasser¬ 
strassen , für die Unterbringung und den Transport von Kranken das trans¬ 
portable Lazareth mehr eine Frage der Zweckmassigkeit als der zwin¬ 
genden Nothwendigkeit, so machte letztere sich um so mehr auf dem 
Gebiete des nächsten grosseren, des russisch-türkischen Krieges geltend. 
Die vorhandenen Gebäude waren an Zahl und Beschaffenheit für die An¬ 
forderungen der Krankenpflege grosser Truppenmassen nicht ausreichend 
und Alles wies gebieterisch auf die Benutzung improvisirter L&zareth- 
anlagen hin. 

Die Erbauung solcher auf dem Kriegsschauplätze gelang aus Mangel 
an Arbeitskräften und besonders aus Mangel an Holz nur vereinzelt und 
ging, wo sie versucht wurde, nur recht langsam von Statten. Die Armee 
selbst aber verfugte an eigenen Lazareth Vorrichtungen nur über das 
Hospitalzelt, und 'dieses hat denn auch vorwiegend dem grossen Bedarf 
an Krankenräumen in den vorderen Linien genügen müssen. Dass dies 
in dem strengen Winter des Krieges nur recht kümmerlich der Fall sein 
konnte, liegt auf der Hand, und Pirogoff selbst, ein eifriger Vertreter 
des Hospitalzelts, gab zu, dass dasselbe nur ein trauriger Nothbehelf 
war, dass in kalter Jahreszeit und offener Gegend, besonders auf bedeu¬ 
tenden Höhen, die Unterbringung von Kranken und Verwundeten in Zelten 
nur geduldet werden könne und in solchen Districten, wo sich bessere 
Unterkunftsmittel nicht bieten, ein nothwendiges Uebel sei. 

Die Verwendbarkeit des Zeltes ist klimatisch eben eine begrenzte 
und von der Witterung und Jahreszeit abhängige. Die Erhebungen, welche 
in der preussischen Lazareth-Verwaltung schon früher und wiederum seit 
vorigem Jahre in dieser Richtung angestellt wurden, haben dies von 
Neuem bestätigt; an manchen Orten Hess sich die Belegbarkeit der Zelte 
in dem allerdings ungünstigen Sommer kaum 2 bis 3 Monate aufrecht 
erhalten. Sie stehen trotz des Vorzugs des leichteren Transports aus 
diesem nnd anderen Gründen, unter denen die nicht immer ausreichende 
Beleuchtung und Ventilation des Zeltinnern besonders hervorzuheben ist, 
der Baracke nach, und Pirogoff erkennt dies nach den Erfahrungen des 
russisch-türkischen Krieges ohne Vorbehalt an. Nach seinem Urtheil 
waren die schlechtesten Hospitäler die Wohnhäuser in den Städten, 
während alle Vortheile der Kranken Unterkunft sich auf Seiten der ver¬ 
einzelt erbauten Baracken amerikanischen Systems befanden, sowohl für 
den Sommer wie für den Winter. Ihr einziger Nachtheil sei, dass man 
sie nicht überall haben könne, wo man sie brauche. 


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Ueber ihre Anwendung als transportable Baracken konnte er im 
russisch-türkischen Kriege nur wenig Erfahrungen sammeln und diese 
waren, da die in Aussicht genommene Benutzung derartiger Baracken 
wegen ungenügender Regelung der Beschaffung gar nicht oder doch nur 
langsam stattfand, nicht geeignet, sein Vertrauen zur Deckung des Bedarfs 
an Lazarethräumen auf diesem Wege zu begründen. Wo sie übrigens 
gebraucht wurden, befriedigten sie völlig, sofern es sich um eingeschossige 
Baracken handelte. 

Pirogoff blieb deshalb aus Rücksichten auf die Schwierigkeiten der 
Beschaffung und des Transports zerlegbarer Baracken der Ansicht, dass 
das Zelt auch in Zukunft die geeignetste transportable Lazaretheinrichtong 
für die russische Armee sei. 

Dass die Transportschwierigkeiten kein Hinderniss für die Einführung 
des Systems transportabler Baracken sein können und dürfen, hat bald 
darauf die österreichische Heeresverwaltung wahrend der Occupation 
Bosniens und der Herzegowina bewiesen. Wahrend ursprünglich gehofft 
wurde, das in Aussicht genommene kleine Occupationscorps in den vor¬ 
handenen Garnisonorten des Landes kaserniren zu können, musste, als 
feindlicher Widerstand der Bevölkerung die Aufwendung grösserer 
Truppenmassen erforderte, auf die Herstellung von Unterkunftsraumen 
Bedacht genommen werden. Hierzu waren die Baulichkeiten des an sich 
nicht dicht bevölkerten Gebietes im Allgemeinen wegen ihrer höchst 
primitiven Construction und der ihnen anhaftenden Insalubritat so wenig 
geeignet and ausreichend, dass nicht nur für Kranke, sondern auch für 
Mannschaften und Pferde die Aufstellung von Baracken zur Nothwendig- 
keit wurde. Man wollte an der dem Mutterlande benachbarten Operations¬ 
basis in Oesterreich gefertigte zerlegbare Baracken verwenden, in den 
entlegeneren Theilen des Occupationsgebiets aber solche durch die Truppen 
selbst oder durch Unternehmer, die aus Oesterreich herangezogen wurden, 
erbauen lassen. Aber gerade dieser letztere, mit Rücksicht auf die 
Transportschwierigkeiten gewählte Theil des Planes wurde vielfach un¬ 
ausführbar, vorwiegend wegen des grossen Holzmangels, das meist nur 
in grünem Zustande und auch so nicht ausreichend zu haben war. Es 
mussten deshalb gerade für die entfernteren Gebiete des feindlichen Terri¬ 
toriums zerlegbare Baracken ganz oder in einzelnen ihrer Bestandteile 
eingeführt werden. Die Schwierigkeiten des Transports waren ungeheure, 
die Energie, mit welcher sie überwunden wurden, staunenswert. Die 
einzige Eisenbahnlinie war unbrauchbar, die Strassen nicht chaussirt, bei 
Regenwetter grundlos, der Verkehr im Lande meist nur auf Saumpfade 


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»geschnitten. Von den beiden eingerichteten Etappenstrassen wurde die 
eine durch Ueberschwemmungen nnd Eisgang, gerade als der Baracken- 
trsnsport begann, ausser Betrieb gesetzt, und der ganze Verkehr concen- 
trirte sich auf die zweite entferntere, auf der alle Bedürfnisse des Heeres 
ans Oesterreich heran geschafft werden mussten. Und doch gelang es, 
die in Oesterreich angefertigten Baracken relativ schneller oder doch 
nicht langsamer zur Benutzung zu stellen, als die an Ort und Stelle 
erbauten. 

Rieger, Hauptmann im österreichischen Geniestab, berichtet über die 
Anwendung von Baracken im Occupationsgebiet. Trotz der relativ ge¬ 
ringen Starke der Occupations-Armee mussten solche für 4000 Kranke, 
für 10 500 Mannschaften und für 9400 Pferde errichtet werden. Der 
kleinste Theil davon wurde in eigener Regie der Truppen gebaut; sie 
befriedigten am wenigsten, was ganz mit unseren Erfahrungen in Frank¬ 
reich übereinstimmt, der Rest wurde von Unternehmern geliefert und 
von ihnen waren die in jeder Beziehung zweckmässigsten die transport¬ 
ablen Baracken, welche aus Oesterreich heran geschafft wurden. Rieger 
misst ihnen deshalb nach allseitiger Erwägung des Für und Wider unter 
allen den Vorzug bei und tritt ganz und voll für die Einführung dieses 
Systems zur Benutzung im Kriege ein. Bei eingehender Prüfung der 
Verhältnisse wird man diesem Urtheil beipflichten dürfen. Alles in 
Allem ist sonach die transportable Baracke aus der ersten Campagne, 
in welcher sie systematische Verwendung fand, mit Ehren hervorgegangen 
nnd die Hoffnung ist berechtigt, dass sie den Feldarmeen für die Zu¬ 
kunft umfangreiche Dienste zu leisten berufen sein wird. In welchem 
Umfange, hangt von dem Charakter des Kriegsschauplatzes ab. Man 
braucht seine Anforderungen nicht so weit auszudehnen, dass die ge- 
sammte Lazarethbehandlung n u r in Baracken-Hospitalern dieses Systems 
stattfinden solle; Zelten und Baracken-Improvisationen in Holzrohbau 
wird eine Stelle gewahrt bleiben, wenn auch manche Gründe dafür 
sprechen, gerade die letzteren durch die zerlegbare Baracke thunlichst 
zu ersetzen. 

Sie soll uns dazu dienen, das zu so hohem Ansehen gelangte Princip 
der Krankenzerstreuung in weiser Beschränkung zu üben, gute Unter- 
kunftsmittel für nichtj transportable Kranke und Schwerverwundete zu 
gewahren und die Seuchenprophylaxe mit Nachdruck zu betreiben, in¬ 
dem überall, wo'es Noth thut, rechtzeitig passend gelegene Seuchen- 
lazarethe errichtet werden. Dieses letztere Ziel allein ist einiger Mühe 
werth, wenn man sich vergegenwärtigt, dass vom deutsch-französischen 


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Kriegsschauplätze eine mörderische Epidemie, nicht ohne Mitschuld der 
Krankentransporte, ganz Deutschland und die benachbarten Staaten 
uberzog, und wenn man beherzigt, was der Kriegs-Sanitäts-Bericht so 
uberzeugend darthut, dass die höhere Morbidität und Mortalität dar Feld¬ 
armee im Gegensatz zur Friedensarmee, abgesehen von den Verwundungen, 
fast lediglich durch das Plus der ansteckenden Krankheiten bedingt 
wurde. 

Damit wir vom Beginn eines Krieges an in der Lage sind, mit 
Baracken überall, wo es angezeigt ist, helfend und fordernd für die 
Kranken-Unterkunft und Kranken -Isolirung eintreten zu können und 
nicht erst eine kostbare Zeit bis zur Schaffung eines gewissen Vorrat!» 
an Baracken nutzlos vergeht, muss das System der transportablen 
Baracke schon im Frieden cultivirt werden, und hierzu bietet sich im 
Civil- wie Militär-Hospital wesen reichlich Veranlassung bei den so zahl¬ 
reichen Gelegenheiten, welche einen aussergewohnlichen Bedarf an 
Kranken-Unterkunftsräumen erfordern, insbesondere bei Epidemien. 

Die preussische Heeresverwaltung hatte sich in Erkenntniss der 
Bedeutung, welche die transportable Kranken-Baracke im Felde erlangen 
könne, schon seit 1883 mit der Erprobung derselben beschäftigt. Anlass 
hierzu bot das auf der Hygiene-Ausstellung vorgeführte Modell des 
sogenannten Doecker’scben Filzzelts; die Versuchsergebnisse berechtigten 
durchaus die weitere Verfolgung des eingeschlagenen Weges, und dieSanitäts- 
Conferenz, welche im Frühjahr 1884 zu Berlin zusammentrat, wies im 
Zusammenhänge mit anderen Vorschlägen für Verbesserungen im Feld- 
Sanitätswesen gleichfalls auf die Nothwendigkeit der Einführung 
transportabler Baracken hin. Es galt zunächst brauchbare Modelle hier¬ 
für zu gewinnen. 

Als daher der im Herbst 1884 zu Genf tagenden 3. internationalen 
Conferenz der Gesellschaften vom Rothen Kreuz seitens Ihrer Majestät 
der Kaiserin und Königin Augusta ein namhafter Preis für eine her?or- 
ragende Leistung auf dem Gebiete des Feld-SanitätsWesens zur Ver¬ 
fügung gestellt wurde, nahm der Delegirte Preussens, Herr General¬ 
arzt v. Coler, Veranlassung, als Preisobject das beste Modell 
einer transportablen Baracke vorzuschlagen. Der Vorschlag wurde an¬ 
genommen und hatte die Concurrenz-Ausstellung transportabler Baracken 
zu Antwerpen im September vorigen Jahres zur Folge. Diese Aus¬ 
stellung, über Erwarten reich beschickt, lieferte eine Fülle sinnreichster 
Constructionen und eigenartiger Verwendungen der verschiedensten 
Materialien; sie hat in reichem Maasse den Zweck erfüllt, eine breite 


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t sichere Grandlage fdr die praktische Gestaltung des Systems der 
portablen Baracke za gewahren and die Einführung derselben in 
d&s Hospitalwesen zu ermöglichen; sie bat, wie die Erfahrung inzwischen 
lehrte, anregend zu weiterem Schaffen und fruchtbringend gewirkt Es 
handelt sich jetzt nur um die Prüfung und Entscbliessung, welche Con- 
8truction8art und welches Material das geeignetste ist Hierzu bedarf 
es praktischer Versuche, die bereits im Gange sind. Das Versuchsobject, 
welches gegenwärtig in der preussischen Lazareth-Verwaltung geprüft 
wird, ist auf dem Hofe dieser Anstalt ausgestellt Es hat nach den einge¬ 
gangenen Mittheilungen durchaus befriedigt, so dass gegenwärtig zwei 
wichtige Fragen, die Belegungsfähigkeit im Hochsommer und die Heiz- 
barkeit im strengen Winter als gelost zu betrachten und trotz der 
leichten Construction dieses Baracken-Systems im bejahenden Sinne zu 
beantworten sind.*) 

Versuche mit weiteren Modellen und anderen Constructionen werden 
voraussichtlich hier wie anderwärts folgen und hoffentlich bald eine 
Klärung der wichtigen Frage herbeiführen, wie die in der Theorie als 
nothwendig anerkannte transportable Baracke zum Heile unseres Heeres- 
Sanitätswesens am zweckmässigsten zu gestalten sei. 

4) Herr zur Nieden: Mittheilungen über eine transportable 
Baracke (unter Demonstration eines Modells). Zunächst wird 
bervorgehoben, dass man für stehende Krankenhäuser 35 bis 40 cbm 
Luftraum fordere, für transportable Baracken aber sich mit etwa 12 cbm 
(Forderung der Antwerpener Concurrenz) begnügen müsse. Diese Minder¬ 
bewilligung bedingt ausserordentliche Mittel der Lüftung. Das vorgeführte 
Modell ist deshalb so gestaltet, dass 

a. im Winter die Rauchrohre der Oefen zwischen einer doppelten 
Ummantelung die Luft abführen; 

b. bei gewöhnlichem Frühlings- und Herbstwetter Lüftungsklappen 
nach Art der Dachreiter bei stehenden Baracken, aber verschliess- 
bar, die Luft absaugen; 

*) Das Entgegenkommen der Firma Streiner & Goldschmidt hat es er¬ 
möglicht, die Abbildung einer Doecker'schen Baracke beizufügen, welche dem 
während der Naturforscher-VerSammlung ausgestellten Modell nahezu vollkommen 
entspricht, nur dass letzteres eine grössere Firsthöhe erhalten hatte und somit 
günstigere Bedingungen für die Ventilation und einen grösseren Luftraum gewährte, 
Die Dimensionen dieses Modells betrugen: Länge = 13 m, Breite = 5 m, Wand¬ 
höhe =2,35 m, Firsthöhe = 3,65 m, Fussboden = 65 qm Luftraum = 195 cbm 
Cubikraum pro Kranken bei 12 Betten = 16,25 cbm — Gewicht einschl. Fuss¬ 
boden = 3400 kg. Kosten 3275 Mark. 


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c. dass bei steigender Wärme die dem Winde zugekehrte Längsseite 
der Baracke durch eine feste Wand,^ die andere durch eine Zelt¬ 
wand gebildet wird; 

d. dass beide festen Wände beseitigt werden können [und ein Zelt 
entsteht; 

e. dass eine oder beide Zeltwände gehoben werden können, wodurch 
volle Verbindung mit der äusseren Luft hergestellt wird. 

Ausser vorstehenden Grundsätzen bleibt zu beachten: 

f. dass kein Barackentheil grösser sein darf, als der Kasten gewöhn¬ 
licher Eisenbahnwagen, weil es den Transport erschwert, wenn 
Wagen selten vorkommender Constrnctionen nöthig werden; 

g. dass der Aufbau und Abbruch der Baracke von gewöhnlichen 
Handwerkern und ohne Rüstungen muss bewirkt werden können. 

Diesen Grundsätzen gemäss hatte der Vortragende eine Baracke für 
die Ausstellung in Antwerpen entworfen; die jetzt vorgenommenen 
Aendernngen haben namentlich grössere Feuersicherheit zum Ziel. 

II. Sitzung am Dienstag, den 21. September. 

Vorsitzender: Herr Wegner. 

Vor Eintritt in die Tagesordnung findet eine kurze Discussion ober 
transportable Baracken (siehe vorige Sitzung) statt. 

Herr Kirchenberger betont im Anschluss an den Vortrag des Herrn 
Werner, dass seitens der österreichischen Kriegsverwaltung schon im 
Jahre 1788 während des damaligen österreichisch-türkischen Krieges 
mobile Lazarethbaracken verwendet wurden. Ausser Pirogoff ist auch 
Oberstabsarzt Michaelis in zwei Schriften für die Bereitstellung mobiler 
Kranken-Unterkunft8räume im Frieden eingetreten« Die von zur Nieden 
jüngst angegebene Improvisation einer Lazarethbaracke ist in holzarmen 
Gegenden, wie z. B. in der Herzegowina, nicht zu verwenden. Ueberhaupt 
dürfe man sich nicht, um keine Enttäuschungen zu erleiden, auf den 
glücklichen Zufall, brauchbares Holz oder anderes geeignetes Material 
zu finden, verlassen. Herr Wegner will die improvisirten Constrnctionen 
doch nicht ganz preisgeben; es werde sich immer empfehlen, für den 
Nothbehelf selbst primitive Constrnctionen aus einfachstem Material im 
Auge zu behalten. Nach der Schlacht bei Wörth seien innerhalb 24 Stunden 
fünf recht gut und verhältnissmässig lange Zeit brauchbare Baracken aus 
Brettern, Bohnenstangen u. 8. w. unter Leitung eines Hauptmanns aufgestellt 
und sogar mit Dachreitern versehen worden. 


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1) Herr Reger: Demonstration von Ergebnissen neuerer 
Schiessversuche mit besonderer Beziehung auf den hydrau¬ 
lischen Druck. Redner hat in den letzten Jahren eine grosse Reihe 
von Schiess versuchen angestellt, namentlich unter dem Gesichtspunkte 
der Erforschung des hydraulischen Drucks. Er hat als Geschosse Weich¬ 
blei (Cal. 2 Mauser), Hartblei, verlotbete Kupfer- und Stahlmantel (Cal. 9), 
massive Stahlgeschosse und Geschosse des Armeerevolvers benutzt. Als 
Objecte verwandte er Blechbüchsen, die er theils mit Wasser, theils mit 
Moskelfleisch füllte und mit einem Maximum-Manometer verband, einen 
mächtigen Eichenblock, aus dem Fleische geschälte Röhrenknochen und 
lebende resp. während der Versuche getodtete Thiere: 8 Pferde, 7 Hammel 
und 2 Schweine. 

Er hat mit abgebrochenen, genau berechneten Ladungen geschossen 
und zwar aus Entfernungen von 25, 100, 300, 600, 900 und 1200 m. 
Die Geschosse wurden in Seih aufgefangen. Deformiren sich die Geschosse, 
so findet keine oder nur sehr geringe Wärmeeinwirkung auf das Ziel 
statt; deformiren sie sich nicht, so bemerkt man eine starke Sengung 
bezw. Verkohlung des Ziels. Die manometrischen Messungen beweisen 
das Vorkommen des hydraulischen Druckes, doch geben sie nur denjenigen 
Grad des Druckes an, bei welchen das Gefäss auseinanderfliegt. 

Redner belegt durch zahlreich vorgelegte Abbildungen das Vorkommen 
des hydraulischen Druckes in den verschiedenen Geweben des Körpers, 
in der Musculatur, im Fettgewebe, in der Leber, Milz, in den Därmen, 
in der Harnblase, im Herzen und in grossen Gefässen, in der Lunge, im 
Gehirn, im Rückenmark, in den Knochen und hat die Grenzdistancen 
festgestellt, bei denen verschiedene Geschosse diesen Druck noch hervor- 
rufen. Als Grundursachen zur Erzeugung des Druckes bezeichnet er 
1. die Geschwindigkeit, 2. die Deformation des Geschosses, 3. die Belastung 
der auftreffenden Fläche an verschiedenen Organen. 

Die Armeerevolver (M/79) haben infolge ihrer Geschwindigkeit und 
lebendigen Kraft nur die Wirkung eines Weichbleigeschosses Mauser 
Cal. 2 bei ca. 800 m Entfernung. Die landläufigen Revolver können 
niemals hydraulischen Druck hervorbringen. (Ausführlichere Mittheilungen 
über diesen Gegenstand in einem der nächstem Hefte dieser Zeitschrift 
hat Redner sich Vorbehalten, Red.) 

2) Herr v. Bergmann: Demonstrationen von Schussfracturen 
des Schädels. Redner zollt den exacten Untersuchungen des Vorredners 
und besonders seinem Untersuchungsplan vollste Anerkennung, da durch 
ihn die Frage der physikalischen Geschosswirkung gelöst sein durfte. 


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Unter den seitens des Vortragenden demonstrirten Präparaten 
interessiren besonders vier Fälle von Streifschüssen des Schädeldaches, 
bei denen die Siebbeinpl&tte bezw. die Orbitadächer infolge von Fern¬ 
wirkung gebrochen waren, sowie einige Fälle sehr ausgedehnter Zerstörung, 
die man früher als Granatsprengschüsse angesehen hat, die aber heote 
als Flintenschüsse mit hydraulischem Druck erkannt sind. 

3) Herr Ludewig: Ueber bis jetzt noch nicht beschriebene 
Exercirknochen (nebst Demonstration von Präparaten). Bis 
jetzt sind nur Exercirknocben in der Muskulatur der linken Schulter and 
Reitknochen in den Adductoren der Oberschenkel beschrieben. Die drei 
mitgetheilten Fälle stellen eine Verbindung zwischen Exercir- und Reit- 
knochen dar, weil sie beim Reiten durch Aufschlagen der Waffe entstanden 
sind. Träger der Neubildungen waren drei kräftige preussische Dragoner 
im ersten Dienstjahre, frei von Dyskrasien. Sitz der Exercirknocben 
an dem Muse, vastus externus des linken Oberschenkels. Als Ursache 
wurde Aufschlagen des Säbelkorbes auf die äussere Seite des linken 
Beines bei anhaltendem Galoppiren auf Pferden mit hartem Racken 
angegeben. Zeit der Entstehung die Schwadrons-Exercirzeit Der grösste 
dieser Knochen, von denen zwei exstirpirt wurden, war 25 cm lang, 
6,5 cm breit und 124 g schwer. (Ausführlichere Veröffentlichung des 
Vortrages in dieser Zeitschrift bleibt Vorbehalten. Red.) 

4) HerrBeck: Demonstration eines neuenTransportapparates. 
Es handelt sich um eine Vorrichtung zu Gebirge- und Treppen transport, 
sowie zur Verladung schwer Verwundeter in Dampf- oder Pferdefuhrwerke. 
Die Vorrichtung beruht auf der Grundlage des Hase-Bec kochen Kranken¬ 
hebers, dessen in modificirter Construction angefertigte Zangen an eine 
2*/* m lange hölzerne Transportstange gehängt werden. Die Zangen 
werden durch zwei unter der Achselhöhle des Patienten durchgreifende, 
an einem quer durch die Transportstange gesteckten Querstabe eingehängten 
Haken ergänzt, welche die Stützpunkte darstellen, vermöge deren Patient 
auch in die geeignetste, durch die jeweiligen Transport- oder Verladnngs* 
Verhältnisse gebotene Lage gebracht werden kann. Sämmtliche Mani¬ 
pulationen geschehen, wie beim Hase-Beck’schen Apparat, ohne dass 
eine weitere Berührung von Wärterhänden zur Unterstützung des Rumpfes 
oder der Extremitäten des Patienten erforderlich wäre. Mittelst an den 
Enden der Transportetange anzubringender zusammenlegbarer und zum 
Gebrauch zu spreizender Füsse lassen sich die nöthigen Ruhepausen für 
die Träger erzielen, auch Gelegenheiten zu bequemster Pflege der Ver¬ 
wundeten gewinnen, sogar zu etwaigen, während des Transportes noth- 


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wendig werdenden Operationen. Durch ein über die Transportstange 
gelegtes Tuch von genügender Grosse wird dieselbe in eine Art wan¬ 
dernden Schirmdaches verwandelt. 

Ansserdem demonstrirt Herr Beck eine an dem Hase-Beck’schen 
Krankenheber angebrachte, dem Schneider-Merel’schen Apparat nach¬ 
gebildete Extensionsvorrichtung, deren Mechanismus demjenigen des 
Hase’schen Hebegewindes entspricht und wie jenes mittelst einer Kurbel 
in Bewegung gesetzt wird; endlich eine an dem Krankenheber anzuhangende 
Beckeostätze, welche erforderlichenfalls in einen Becken verband ein- 
gegypst werden kann. 

HL Sitzung am Donnerstag, den 23. September. (Schluss-Sitzung.) 

Vorsitzender: Herr Wegner. 

1) Herr Rühlemann: Demonstration einer Tragbahre. Die 
auch in der wissenschaftlichen Aasstellung in der Kunstakademie aus¬ 
gestellte, zerlegbare Tragbahre ist von dem Vortragenden „Matratzen- 
Tragbahre" benannt, weil der Bezug von braunem, imprägnirtem Segeltuch 
eine Duplicatur hat, so dass derselbe durch seitlich angebrachte Schlitze 
mit Stroh, Seegras u. s. w. ausgestopft eine Art Matratze darstellt. 
Dieser Bezug ist an den eiserne!) Querstangen (Kopf- und Fusstheil) 
durch eine leicht lösbare Verschnürung befestigt. Die runden Tragstangen 
werden durch Ringe an den Querstrebeu und durch eine Duplicatur des 
Bezuges durchgeschoben; die beweglichen Füsse sind um diese Ringe 
drehbar und werden durch eine in dieselbe einschnappende Feder fest- 
gestellt. Die Kopflehne wird durch eine Tasche ersetzt, welche mit 
irgend welchem Material ausgestopft werden muss. Zusammengerollt 
wird die Trage, indem die Stangen herausgezogen und die Füsse horizontal 
herausgeschlagen werden; sie wiegt dann 12 Kilo und kann von einem 
Manne bequem auf die Schulter genommen werden. 

2) Herr Roth: Die wichtigsten Erscheinungen auf dem 
Gebiete des Militar-Sanitatswesens im Jahre 1885. Redner 
widmet zunächst warme Worte der Anerkennung dem im Jahre 1885 
erschienenen VII. Bande (Erkrankungen des Nervensystems) des deutschen 
Sanitatsberichts über den Krieg 1870/71, bespricht sodann ausführlich 
den russischen Bericht über den russisch - türkischen Krieg von 1877/78, 
den Bericht von Myrdacz über den Aufstand in der Herzegowina, 
die Berichte über die englischen Feldzüge in Egypten, über die 
französische Expedition nach Tonkin, über den serbisch-bulgarischen 
Krieg, über die Expedition der Engländer gegen die Ackas und über die 

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Bürgerkriege in Columbia. Als wichtigstes Ereigniss auf dem Gebiete 
der Kr&nkenbebandlung bezeichnet Vortragender die obligatorische 
Einführung der antiseptischen Wundbehandlung in die Armee. Hohe 
Bedeutung unter den Vorbeugungsmaassregeln gegen Krankheiten 
legt derselbe den Resultaten der Preisausschreibung des Königlich 
preussischen Kriegsministeriums betreffs» Umänderung des Gepäcks bei; 
ebenso als Vorbereitung für die Kranken Unterbringung der Annahme 
einer transportablen Baracke. Der Werth der in dieser Zeitschrift er¬ 
schienenen Hiller’schen Arbeiten über den Einfluss der militärischen 
Bekleidung auf die Wärme-Oekonomie des Körpers wird ruhmend 
anerkannt. Mit Berührung einiger organisatorischen Fragen aus 
verschiedenen Armeen schliesst Redner unter dem lebhaften Beifall 
der Anwesenden. (Von einer ausführlicheren Wiedergabe des Vortrages 
glaubt die Red. mit Rücksicht darauf absehen zu können, dass der von 
dem Vortragenden verfasste „ Jahresbericht über die Leistungen und 
Fortschritte auf dem Gebiete des Militär -Sanitätswesens“ zugleich mit 
diesem Hefte der Zeitschrift in die Hände unserer Leser gelangt.) 

3) HerrKrocker: Ueber das Verhältnis der geographischen 
Medicin und der militärischen Krankheits-Statistik an ein¬ 
ander. 

Meine Herren! 

Sie wissen, dass diese 59. Versammlung deutscher Naturforscher 
und Aerzte die erste ist, welche neben den früher entstandenen Sectioneo 
eine solche für medicinische Geographie aufweist. Gerade die militär- 
ärztliche Section hat Ursache, den neuen Spross an dem alten Stamm 
mit warmer Sympathie zu begrüssen. Zahlreich und von einschneidender 
praktischer Bedeutung sind die Punkte, bei denen die Militärhygiene der 
Unterstützung durch die mit der medicinischen Geographie innig ver¬ 
wachsene geographische Medicin bedarf, und wir können diesem Bedürf- 
niss um so unbefangener Ausdruck geben, als die geographische Medicin 
ihrerseits längst gewöhnt ist, einen mächtigen Verbündeten in den 
Sanitätsberichten der Armeen und der Flotten zu erblicken. 

Eine starke Empfindung für den Werth des Beistandes, welchen die 
geographische Medicin der Heereshygiene zu leisten vermag, weckt das 
Studium der Kriegsseuchen. In diesem Kreise brauche ich nicht im 
Einzelnen auseinander zu setzen, dass noch kaum ein länger dauernder 
Krieg geführt worden ist, ohne dass eine oder mehrere Infeetionskrank- 
heiten zu Seuchen angeschwollen sind. Auch der deutsch-französische 
Krieg von 1870/71, so viele hygienische Neuheiten er sonst gebracht 


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hat, macht in dieser Beziehung keine Ausnahme. Als die eigentliche 
Kriegsseuche dieses Feldzuges müssen in gewissem Sinne die Podken 
angesehen werden, in dem Sinne, dass diese Epidemie — und zwar nur 
diese — in der Civilbevölkerung der kriegführenden Staaten und 
weit über deren Grenzen hinaus im Anschluss an den Krieg und durch 
denselben jene gewaltige Ausdehnung erlangt hat, welche ihr eine bedauer¬ 
liche Berühmtheit in der Geschichte der Seuchen sichert, eine Ausdeh¬ 
nung, welche diese Epidemie, soweit nur die Zahl der Opfer in Betracht 
kommt, geradezu zu einer grosseren Heimsuchung gemacht hat, als den 
Krieg. Zwei Zahlen genügen, um dies zu verdeutlichen: 43000 Mann 
haben die gesummten mobilen deutschen Heere wahrend des Kriegsjahres 
durch Wunden und Krankheiten verloren; im Königreich Preussen allein 
aber erlagen bloss im Jahre 1871 nicht weniger als 60000 Menschen 
den Pocken. Trotzdem können wir hier von den Pocken absehen, denn 
für die mobilen deutschen Heere hatten sie — Dank dem gründlichen 
Impfschutze, dessen die meisten Contingente sich erfreuten — keine 
Bedeutung. Den Beweis dafür liefern die Tafeln zum II. Bande des 
Kriegs-Sanitats-Berichtes. Um so grossere Bedeutung erlangten Typhus 
und Ruhr, wie schon aus denselben Tafeln ohne Weiteres ersichtlich ist, 
deutlicher aber noch — wie ich glaube — aus dem im II. Bande des 
Kriegsberichtes geführten Nachweise, welcher mir von hohem bleibenden 
Interesse erscheint, dass der ganze Ueberschuss an Krankheiten und 
Todesfällen durch Krankheiten, welchen die mobilen deutschen Heere 
über den Friedensdurchschnitt hinaus aufzuweisen hatten, so gut wie 
ausschliesslich auf Infectionskrankheiten, d. h. eben, da die Zahlen der 
übrigen Krankheitsformen dieser Gruppe ohne Belang sind, auf Typhus 
und Ruhr entfallt 

Eine ebenso ausgemachte Thatsache wie die regelmassige Vergesell¬ 
schaftung von Krieg und Seuchen aber ist es, dass die Kriegsheere bisher 
noch fast ausnahmslos von den Seuchen mehr oder weniger überrascht 
worden sind, selbst wenn der Krieg sich in einer Gegend abspielte, 
welche schon vorher den Schauplatz kriegerischer Ereignisse abgegeben 
hatte, in welcher schon vorher denselben Völkern Gelegenheit gegeben 
war, üble Erfahrungen zu sammeln. Der Grund dafür liegt im Allge¬ 
meinen dann, dass, wie Seidlitz nach dem russisch-türkischen Kriege 
von 1828/29 mit vollem Rechte hervorhob, mindestens in früherer Zeit 
nur die militärischen Kriegserfahrungen sich forterbten, nicht aber die 
medicinischen. In neuerer Zeit hat dieser Satz allerdings seine Giltig¬ 
keit wohl sum grössten Theile verloren; der Krimkrieg und die daran 

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sich knüpfende Entwickelung der modernen Heereshygiene bezeichnet in 
dieser Beziehung den Wendepunkt Specieller und mit grosserer 
Berechtigung auch für die jüngste Vergangenheit kann man den Grund 
für die Ueberraschung der Kriegsheere durch die Seuchen dahin formu- 
liren, dass es bisher keine eigentliche geographisch-medicinische Statistik 
gab, und dass das Wenige, was davon etwa vorhanden war, keine 
allgemeinere Beachtung gefunden hat Auch hinsichtlich der Ueber¬ 
raschung durch die Seuchen unterscheidet sich der Krieg von 1870/71 
nicht wesentlich von den früheren Feldzügen. Nirgends findet sich eine 
Andeutung dafür, dass die Aerzte bei Ueberschreitung der Grenze sich 
bewusst gewesen waren, dass sie drei sicher zu erwartenden Epidemien 
— Pocken, Typbus und Ruhr — entgegenmarschirten. Freilich ist es 
für uns, die wir soeben mühevolle Jahre damit zugebracht haben, die 
Sanitätsverhältnisse des deutsch-französischen Krieges zu studiren und 
darzustellen, leichter, hinterher zu entwickeln, dass Manches füglich so 
kommen musste, wie es thatsächlich gekommen ist, als es damals inmitten 
der Ereignisse war, es vorauszusehen; Einiges aber hätte immerhin auch 
vorausgesehen werden können, wenn die Sanitätsgeschichte der früheren 
Franzosenkriege und die Ergebnisse geographisch-medicinischer Ermitte¬ 
lungen mehr in das allgemeine Bewusstsein übergegangen gewesen waren, 
als thatsachlich der Fall war. Von weit zurückliegenden Zeiten will ich 
gar nicht reden; ich will nicht verweilen bei der gerade medicinisch 
denkwürdigen Belagerung von Mets durch Kaiser Karl V., schon deshalb 
nicht, weil aus den damaligen Schilderungen doch nicht sicher zu erkennen 
ist, um welche Krankheitsformen es sich eigentlich gehandelt hat, — aber 
schon die Erinnerung an den Feldzug von 1792, dessen unrühmlicher 
Ausgang zu gutem Theil, wenn nicht hauptsächlich, der Ruhr zugeschrieben 
werden muss, mit welchem überdies der Beginn des Krieges von 1870/71 
dieselbe ruhrbegünstigende Jahreszeit gemeinsam hatte, konnte darauf 
aufmerksam machen, dass der Vormarsch unserer Armeen seine Richtung 
durch ein historisches Ruhrland nahm, und die geographische Medicin 
vermochte zu lehren, dass diese historische Eigenart der in Betracht 
kommenden Landstriche sich in der Gegenwart keineswegs verwischt hat, 
dass noch heut wie vor Jahrhunderten das ganze 8aarthal, das ganze 
Unter-Elsass, das ganze sogenannte „Metzer Land“, einen mehr oder 
weniger zusammenhängenden, gewaltigen Ruhrherd darstellt, in welchem 
bei dem Zusammentreffen gewisser Bedingungen — und Kriege sind 
offenbar unter allen Umständen geeignet, seucbenbefo^dernde Bedingungen 
zu schaffen — noch heut regelmässig die Krankheit zum Ausbruch 


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kommt Natürlich will ich nicht bestreiten, dass der Eine oder der 
Andere etwas davon gewusst habe, aber ein lebendiges, fruchtbares Wissen 
war es auch bei dem Einzelnen schwerlich, und ein irgend allgemeineres 
Wissen war es ganx bestimmt nicht Wieder ist es eine Thatsache, 
welche aus den Laxarethberichten mit aller Deutlichkeit erhellt, dass man 
noch in einer Periode, als die Ruhr langst unter den Truppen wüthete, 
viel Zeit damit verbrachte, xu fragen und xu xweifeln, xu prüfen und zu 
überlegen, xu berathen und xu streiten, ob denn Das, was man vor sich 
sah, wirklich die epidemische Ruhr, diese von Alters her gefürchtete 
Kriegsseuche, sei. Die Beobachtung am Krankenbette, selbst die patho¬ 
logische Anatomie, konnte freilich darüber im Dunkel lassen, sie allein 
vermochte dies bei Beginn der Epidemie im Grunde gar nicht xu ent¬ 
scheiden, aber die geographische Medicin, der Umstand, dass man in 
einem fraglosen Ruhrcentrum sich bewegte, wäre geeignet gewesen, bei 
der ersten Häufung verdächtiger Vorkommnisse jedem Zweifel über den 
wirklichen, ernst bedrohlichen Charakter der Erkrankungen von vorn¬ 
herein ein Ende xu machen. 

Allerdings können Sie entgegnen: „Zugegeben, dass Alles dies richtig 
sei, was hätte es denn geholfen, auch wenn wir es damals gewusst 
hätten; was wäre denn anders gekommen? Sollten wir etwa darum den 
Krieg nicht aufnehmen? Oder sollten unsere Armeen am Rhein stehen 
bleiben und sich auf die Vertheidigung beschränken, weil der Weg nach 
Paris durch ein Ruhrland führte ?“ — Davon kann natürlich nicht im 
Ernste die Rede sein; solche Fanatiker der Hygiene gedeihen unter den 
Armeeärzten gewiss am allerwenigsten. Auch wird man ohne Weiteres 
zngeben müssen: die Aufstellung unserer Heere und die Richtung ihres 
Vormarsches wäre schwerlich auch nur um eine Meile verschoben worden, 
selbst wenn man gewusst hätte, dass x. B. die alte Kaiserstrasse Saar¬ 
brücken—St. Avold so verhängnisvoll für den Gesundheitszustand der 
Truppen werden würde, dass die Rohrmorbidität der einzelnen Truppen- 
verbände der I. und II. Armee in einer directen Proportion steht zu der 
Entfernung, in welcher sie an diesem Infectionsherde vorbeimarschirt 
sind, und zu der Zahl der Tage, welche sie in jener Gegend verweilen 
mussten. Und doch hätte solches Wissen vielleicht seinen praktischen 
Nutzen gehabt; noch weniger erscheint es ausgeschlossen, dass ein analoges 
Wissen unter anderen Verhältnissen einmal praktischen Nutzen bringe. 
Wenn mehrere Strassen nach demselben Ziele offen standen und der 
Kriegszweck auf den verschiedenen Wegen gleich vollständig zu erreichen 
war, dann pflegten Truppenführer auch sonst schon denjenigen ein- 


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Zuschlägen, welcher die Gesundheit ihrer Leute am wenigsten bedrohte, 
wenn sie nur wussten, dass auf der einen eine Seuche lauere, wenn es 
ihnen nur gesagt und überzeugend nachgewiesen wurde. Und wenn der 
Krieg8sweck es nothig macht, eine inficirte oder infectionsverdächtige 
Strasse dennoch zu wählen, so mag die Kenntnis« dieses Umstandes 
wenigstens im Stande sein, Maassregeln hervorzurufen, welche die Gefahres 
vermindern. Nur auf Eines lassen Sie mich hindeuten. Es hat sich 
nachweisen lassen, dass die Ruhrmorbidität verschiedener Truppenverbiode 
wahrend des deutsch-französischen Krieges unter sonst gleichen Bedin¬ 
gungen in einem annähernd umgekehrten Verhältnis stand zu der Zahl 
ihrer Biwaks: je mehr Biwaks, desto weniger Ruhr. Der Grand ist ein¬ 
leuchtend: je mehr biwakirt wurde, desto weniger waren die Mann¬ 
schaften den nachtheiligen Einflüssen insalubrer, inficirter Quartiere 
aosgesetzt. Für die Pocken gilt etwas Aehnliches. So wohlbegründet 
im Allgemeinen der Grundsatz ist, das schlechteste Quartier dem schönsten 
Biwak vorzuziehen, so mag es doch unter Umstanden nützlich sein, darauf 
hinzuweisen, dass er in Seucheherden seine Berechtigung verlieren kann, 
dass die Besorgniss vor Rheumatismen, Katarrhen und dergleichen mehr, 
die Sorge um den allgemeinen Kräftezustand von Menschen und Thieren 
zurücktreten muss hinter die Nothwendigkeit, die hauptsächlichsten 
Infectionsquellen nach Möglichkeit zu vermeiden. Für derartige hygienische 
Rathsohläge, ebenso wie für die eigentlichen Sanitätsmaassregeln, macht 
es gewiss einen Unterschied, ob die Sanitätsorgane einer Armee wissen, 
dass eine Seuche — und zwar eine Seuche bestimmter Art — zu erwarten 
steht, oder ob sie unvermuthet hereinbricht. Wenn man selbst einranmen 
mag, dass dies früher keinen allzu grossen Unterschied bedingt hätte, 
weil die Sanitätsausrüstung der Armeen eben doch eine gänzlich unzuläng¬ 
liche war, desgleichen weil die Epidemiologie und die allgemeine Hygiene 
zu wenig Anhaltspunkte für eine wirksame Seuchenprophylaxe dar boten, 
so ist dies doch anders, seit auch das Feld-Sanitätswesen auf breiter 
Grundlage im Frieden vorbereitet wird, im Kriege selbst mit wesentlich 
vermehrter Autorität, mit ganz anderen Hülfsmitteln auftritt, seit überdies 
die allgemeine Hygiene und die Epidemiologie dem praktischen Eingreifen 
ganz anders sichere Unterlagen gewähren. Auch auf die neulich hier 
gehaltenen Vorträge über transportable Kranken- Unterkunftsräume lassen 
Sie mich bei diesem Anlasse zurüekkommen. Beide betreffenden Redner 
haben das Missliche des Transportes ansteckender Kranker betont, haben 
hervorgehoben, wie wünschenswert es sei, Kranke dieser Art womöglich 
sämmtlich auf dem Kriegsschauplätze zu behandeln. Im Jahre 1870/71 


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sind bekanntlich viele Tausende von Typhus- und Ruhrkranken nach 
Deutschland evacuirt worden, aus swingenden, triftigen Gründen, aber 
oft genug gegen die eigentliche wissenschaftliche Ueberseugung der 
Bvacuirenden, welche nicht nur — häufig mehr als nothig — von Sorge 
um das Schicksal der Transportirten erfüllt waren, sondern namentlich 
auch von banger Sorge betreffs der Gefahren, welche dem Heimathlande 
aus der Deberweisung so vieler mit Infectionskrankheiten Behafteter 
erwachsen mochten. Nun, die Ruhr ist 1870/71 nicht nach Deutschland 
verschleppt worden, weil sie eben überhaupt nicht so ohne Weiteres, 
nicht unter allen Umstanden verschleppbar ist, und auch die Evacuation 
noch viel zahlreicherer Typhuskranker hat nirgends so grosseren Epidemien 
Veranlassung gegeben, aber, meine Herren, vergessen Sie nicht: es hat 
sich damals ausschliesslich um 1 leotyphus gehandelt! Die üblen 
Erfahrungen, welche wir mit den Pocken gemacht haben, obwohl der 
Transport Pockenkranker selbstverständlich durchaus verboten war, 
weisen nachdrücklich darauf hin, was unter Umstanden sich ereignen 
konnte, wie es 1812 und wahrend der nächstfolgenden Jahre sich wirk¬ 
lieh ereignet hat, wenn wir es wieder einmal mit Flecktyphus zu thun 
bekommen sollten, welcher an einem Theile der deutschen Ostgrenzen 
ebenso festgenistet ist, wie an den Westgrenzen die Ruhr. Gewiss macht 
es einen Unterschied, ob man sich lediglich im Allgemeinen sagt : »Krieg 
and Seuchen haben sich gewöhnlich vergesellschaftet; irgend eine 
Epidemie wird auch wohl diesmal nicht ausbleiben tf , oder ob man 
den Ausbruch einer ganz bestimmten Epidemie von wohlbekanntem 
Charakter, leicht verschleppbarer Art, mit Sicherheit voraussieht und 
von vornherein seine Maassnahmen daraufhin trifft. 

Indessen, m. H., dieser bisher behandelte Gesichtspunkt, dass die 
geographische Medicin vor Beginn eines Krieges Aufschluss darüber zu 
geben vermag, ob mit Wahrscheinlichkeit auf eine bestimmte 8euche ge¬ 
rechnet werden muss, giebt nur den ganz allgemeinen Rahmen ab, inner¬ 
halb dessen die geographische Medicin der Kriegshygiene vorarbeitet. 
Eine detaillirte geographische Kraokheits - Statistik — so detaillirt, 
wie sie im Allgemeinen zur Zeit nicht vorliegt, wie sie aber von der 
Zukunft erhofft werden darf — vermochte weit mehr im Einzelnen nütz¬ 
liche Winke zu ertheilen. Wieder will ich nur ein Beispiel aus dem 
deutsch-französischen Kriege herausgreifen und zwar wieder mit Bezug 
auf die Ruhr. In dem VI. Bande des Kriege-Sanitats-Berichtes, auf 
welchem auch meine vorigen Auseinandersetzungen fussten, ist dargelegt, 
dass beispielsweise wahrend der Belagerung von Strassburg die Ruhr- 


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morbidität der einzelnen Regimenter, welche in verschiedenen Ortschaften 
dislocirt waren, so ziemlich demjenigen Maasse entsprach, in welchem 
die Civilbevolkerong der betreffenden Orte mehr oder weniger regel¬ 
mässig von der Ruhr beimgesncht zu werden pflegt. Möglich, dass der 
Kriegszweck die Belegung — ond zwar die ebenso dichte, ebenso 
dauernde Belegung — aller dieser Ortschaften unter allen Umständen 
gefordert hätte; möglich aber ist es auch, dass die schlimmsten Ruhr¬ 
herde hätten gemieden werden können, wenn sie als solche bekannt ge¬ 
wesen wären; jedenfalls erscheint es möglich, dass ein anderes Mal, anf 
einem anderen Schauplatze, unter anderen Verhältnissen eine solche Kennt- 
niss von Nutzen werden kann. Gewiss ist es fraglich, ob der Artillerie- 
Schiessplatz für das XIV. und XV. Armee-Corps bei Hagenau, von 
welchem die einzigen grösseren Rubrepidemien ausgegangen sind, welche 
die Armee-Statistik nach dem Kriege zu verzeichnen hat, gerade dort 
angelegt werden musste und gerade dort angelegt worden wäre, wenn 
eine detaillirte medicinisch - geographische Statistik früher gelehrt hätte, 
dass er inmitten eines ausgesprochenen Ruhrbezirkes gelegen ist, rings 
umgeben von Ortschaften, in welchen bei dem Zusammentreffen gewisser 
Bedingungen die Ruhr regelmässig ihre Opfer fordert* 

Derjenige, m. H., welcher sich der dornenreichen aber dankbaren 
Aufgabe unterzogen hat, die Ruhrepidemie des Jahres 1870 im Kriegs- 
Sanitäts-Bericht zu schildern, ist in der angedeuteten Weise mit unend¬ 
licher Mühe den einzelnen Erkrankungen nachgegangen und auf diese 
Weise zu einer Anzahl von Resultaten gelangt, von denen ich einige 
hier im Umriss vorführen konnte. Derjenige, welcher die wegen der 
grösseren Zahlen und wegen der Mannigfaltigkeit der klinischen Er¬ 
scheinungen in mancher Beziehung noch schwerer zu überblickenden 
typhösen Erkrankungen darzustellen übernahm, hat einen anderen nicht 
minder lehrreichen, nicht minder fruchtbringenden Weg eingeschlageo. 
Ein abweichendes Verfahren forderte schon die wesentlich verschiedene 
Sachlage. Die epidemische Ruhr war in der deutschen Friedensarmee 
eine nahezu unbekannte Krankheit, bevor infolge der Wiedergewinnung 
von Elsass-Lothringen deutsche Truppen in einem historischen Ruhrlande 
untergebracht wurden. Nachweislich sind auch die deutschen Heere des 
Jahres 1870, mit Ausnahme einzelner weniger, genau bekannter Truppen- 
theile, welche sich bereits in Saarlouis und Umgegend inficirten, ruhr- 
frei über die Grenze gegangen. Im Gegensatz dazu bildet der Abdominal¬ 
typhus einen ständigen wesentlichen Factor in der Morbidität der deutschen 
wie jeder anderen europäischen Friedens - Armee, and da die Mobil- 


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machung in eine Jahreszeit fiel, in welcher die jährliche Typhus-Curve 
in ganz Mittel-Europa im Ansteigen zu sein pflegt, hatten sämmtliche 
Armee-Corps bei Beginn des Krieges einzelne Typhuskranke aufzuweisen, 
ja, in einzelnen Corpsbezirken — in demjenigen des VI. und des XI. Armee- 
Corps, desgleichen in Württemberg — waren sogar kleine Epidemien — 
sehr unbedeutende, räumlich durchaus beschränkte, aber doch immerhin 
Epidemien — unmittelbar vorausgegangen. Unzweifelhaft also hatten 
wir — im Gegensatz zur Ruhr — den Typhus von Anbeginn an in der 
Armee, ein Umstand, welcher die weitere Verfolgung der Epidemie hoch¬ 
gradig erschwert Infolge dieser verwickelteren Zustände sind zwischen 
der Typhus-Morbidität der Heere und den geographisch-medicinischen Ver¬ 
hältnissen nicht ebenso klare, nicht ebenso zweifelsfreie Beziehungen zu 
Tage getreten, wie es hinsichtlich der Ruhr der Fall ist, immerhin aber 
konnte Einiges solcher Art ermittelt werden, was mindestens so viel zu 
denken giebt, dass ich nicht unterlassen will, die Aufmerksamkeit eines 
grosseren Kreises von Fachgenossen auch darauf hinzulenken. 

Im Jahre 1865 machte Magne einen schätzenswerthen Versuch, die 
geographisch - medicinische Statistik Frankreichs dadurch zu bereichern, 
dass er die aus den einzelnen Departements während der Jahre 1841 
bis 1863 eingegangenen amtlichen Meldungen über — im Ganzen 760 — 
Typhus-Epidemien zusammcnstellte. Diese Meldungen sind zweifellos 
lückenhaft. Man kann dies schon daraus schliessen, dass es sich um 
eine Periode handelt, in welcher das Interesse und das Verständniss für 
medicinische Statistik noch bei weitem weniger entwickelt war als heut; 
ausserdem aber liegen bestimmte Anhaltspunkte dafür vor, dass in ge¬ 
wissen Gegenden während der in Rede stehenden Zeit mehr Typhus- 
Epidemien vorgekommen sind, als das amtliche Verzeichniss aufweist. 
Dass indessen das Verhältniss der einzelnen Departements zu einander 
hinsichtlich der Häufigkeit von derartigen Epidemien auch auf Grund 
genauerer Unterlagen nicht wesentlich anders erscheinen mochte, dafür 
spricht ausser manchem Anderen schon der Umstand, dass Gaultier 
de Claubry einige Jahre vor Magne mit Hülfe eines beschränkteren 
Materials der Hauptsache nach zu ähnlichen Ergebnissen gelangt war. 
Wir haben die Angelegenheit für wichtig genug gehalten, um die Re¬ 
sultate der Magne’schen Zusammenstellungen in eine Karte einzutragen 
(Tafel IV zum VI. Bande des Kriegs-Sanitäts-Berichtes), auf welcher 
nach der gewöhnlichen Methode kartographischer Darstellungen die De¬ 
partements mit grösster Typhushäufigkeit am dunkelsten, diejenigen mit 
den seltensten Typhus - Epidemien am hellsten erscheinen. Es ergiebt 


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sich daraas zunächst im Allgemeinen die starke Belastung der östlichen 
Gegenden gegenüber den westlichen, des Weiteren die verhältnissmässig 
grosse Häufigkeit des Typbus in denjenigen Departements überhaupt, 
welche von den deutschen Heeren überzogen worden sind. Zu den 
dunkelsten Stellen der Karte geboren die Umgebungen von Mets und 
Paris, wo thatsächlich auch die Typhus*Epidemie im Kriege ihre stärkste 
Entwickelung erlangt bat Grosses Gewicht wird man darauf freilich 
nicht legen können, weil bei den gewaltigen Heeresmassen, welche vor 
jenen Festungen lagerten, eben eine ganze Anzahl seuchenbefordernder 
Momente sich zusammenfanden. Wichtiger erscheinen einige andere 
Punkte. Wenn Sie die Gegend von Paris auf Tafel IV betrachten, so 
finden Sie im Osten der Hauptstadt weit dunklere Färbung als im Westen, 
und wenn Sie deu Blick auf die Diagramme (Tafel Va zum VI. Bande 
des Kriegs-Sanitäts-Berichts) lenken, welche die Typhus-Morbidität der 
einzelnen Truppenverbände vor Paris veranschaulichen, so bemerken Sie 
ebenfalls die stärkere Schraffirung, d. h. die grossere Typhus-Häufigkeit 
bei den im östlichen Theile des Cernirungsbezirkes gelagerten Armee- 
Corps. Auch hierbei dürfen jedoch andere Dinge nicht unberücksichtigt 
bleiben, so namentlich der Umstand, dass die am stärksten belasteten 
Truppenverbände der Maas-Armee möglicherweise während ihres kurzen 
Aufenthaltes vor Metz Gelegenheit gehabt hatten, sich dort zu inficiren. 

Erhebliches Interesse bei einer Betrachtungsweise wie die, welcher 
wir im Augenblick uns hingeben, fordern die auf dem südöstlichen Kriegs¬ 
schauplatz operirenden Heeres theile (XIV. Armee-Corps, 1. und 4. Re¬ 
serve-Division) heraus. Tafel XIII zum II. Bande des Kriegs-Sanitäts 
Berichtes zeigt, wie gleichartig der zeitliche Verlauf der Typhus-Epide¬ 
mie während des Krieges sich bei allen übrigen Truppenverbänden ge¬ 
staltet hat. Ueberall ist die Typhusfrequenz bei Ausbruch des Krieges 
eine äusserst geringe, steigt dann schnell an und erreicht im October das 
Maximum, um sodann bis zum Friedensschluss mehr oder weniger regel¬ 
mässig zu sinken. Einigermaassen abweichend erscheint die Curve nur 
bei der 17. Infanterie - Division (XIII. Armee-Corps) und bei der Württem- 
bergischen Feld-Division, insofern bei beiden eine Wintersteigerung hinsutritt. 
Für diese Abweichung bietet sich bei der 17. Infanterie-Division eine aus¬ 
reichende Erklärung dar; weniger deutlich ist der Grund bei der Württem- 
bergischen Feld-Division, — beide Ausnahmen aber erscheinen doch nur als 
Modificationen des wohl erkennbaren allgemeinen Typus. Von Grund aus 
anders hingegen ist die Typhuscurve der genannten, auf dem südöst¬ 
lichen Kriegsschauplätze beschäftigten Truppenverbände. Bei ihnen bleibt 


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die Typhusfrequenz gering bis in den Winter hinein; erst im Februar 
macht sich eine steile Erhebung bemerklich. Nun wissen Sie, dass diese 
Truppenkorper bis cum November in der Gegend von Strassburg ver¬ 
weilten, dann aber in südöstlicher Richtung (nach Vesoul, Dijon, Beifort 
u. s. w.) vordrangen. Betrachten Sie daraufhin die nach den Magne 1 sehen 
Zahlen angefertigte Karte, so finden Sie wiederum die Gegend von Strass- 
trarg und das Eisass überhaupt durch helle, die Gegend der spateren 
Kämpfe aber durch dunkle Farbengebung gekennzeichnet. Wenn auch 
gerade für Eisass die Magne 9 sehen Zahlen beanstandet werden müssen, 
so würde doch muthmaasslich die Zunahme des Typhus nach Südosten 
hin — worauf es allein ankommt — immerhin bestehen bleiben; des 
Weiteren aber muss darauf hingewiesen werden, dass die steile Erhebung 
der Typhuscurve erst im Februar eintritt, d. h. nachdem das XIV. Armee- 
Corps mit dem von Paris bezw. vom nördlichen Kriegsschauplätze herbei¬ 
geeilten II. und VII. Armee-Corps zur Sud-Armee vereinigt und dadurch 
in enge Berührung mit diesen Truppenverbanden gekommen war, welche 
damals immerhin noch unter den Nach wehen der grossen vor Metz bezw. 
Paris überstandenen Typhus-Epidemie litten. 

Den Einfluss der Gegend von Sedan zu schildern, glaube ich mit 
Rücksicht auf die vorgerückte Zeit unterlassen zu müssen, so interessant 
er gerade im Hinblick auf die uns beschäftigende Frage erscheint. Im 
VL Bande des Kriegs-Sanitats-Berichtes ist ausführlich dargelegt, dass 
zwingende Gründe dieses Terrain infolge des Zusammentreffens zahl¬ 
reicher ungünstiger Umstande als wirksame Infectionsquelle erscheinen 
lassen. 

M. H., ich enthalte mich, aus den letzten Ausführungen praktische 
Folgerungen zu ziehen. In welchem Sinne solche Beobachtungen meiner 
Vorstellung nach überhaupt für die Kriegshygiene nutzbar gemacht 
werden können, habe ich vorhin ja im Allgemeinen angedeutet Auch 
ohne derartige Folgerungen, denke ich, wird man in diesem Kreise den 
Werth solcher nachträglicher Erklärungsversuche nicht unterschätzen. 
Wenn man ein für alle Mal von der Ueberzeugung durchdrungen ist, 
dass jede ernsthafte wissenschaftliche Untersuchung über kurz oder lang 
— oft in ganz anderer Weise, als man erwartete — auch Früchte für 
das praktische Leben trägt und dass das Verständnis der Vergangenheit 
eine unerlässliche Vorbedingung ist für ein zweckentsprechenderes Ein¬ 
greifen in die Zukunft, so hat man gar nicht das Bedürfnis, in jedem 
Einzelfalle zu fragen; wozu die Untersuchung denn nützt Ich wenigstens 
gestehe, ich habe dieses Bedürfnis noch nie empfunden. 


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Nur den ersten Tbeil meines Themas, m. H., habe ich hier be¬ 
handeln, nnr die Wichtigkeit der geographischen Medicin für die Heeres- 
Hygieno durch einige Beispiele andeaten können; es bliebe übrig darin- 
thnn, in welcher Weise die Militär-Sanitäts-Statistik die geographische 
Medicin unterstützt und ihr weiter vorzuarbeiten vermag. Auch dafür 
steht mir ein reiches und, wie ich annehmen darf, nicht allgemein be¬ 
kanntes Material zu Gebote; indessen, ich glaube Ihren Wünschen am 
besten zu entsprechen, wenn ich diesen zweiten Theil meiner Aus¬ 
führungen für eine andere Gelegenheit vertage. 


B. Ans der Section für Chirurgie. 

I. Sitzung am Sonnabend, den 18. September. 

Herr v. Bergmann stellt folgenden Fall vor: Herr B., 22 Jahre 
alt, fiel am 22. November 1885 von einem ca. 70 Fuss hohen Mast nnd zog 
sich eine complicirte Unterkieferfractur, eine Oberschenkelfractur nnd 
eine Patellarfractur rechts zu. Behandelt wurde er vom Capitan des 
Schiffes. 

Bei seiner Aufnahme in die Klinik fand sich eine mit starker Dis¬ 
location, ca. 7 cm Verkürzung, geheilte Oberschenkelfractur und eine 
Diastase der Patellarfragmente von fast Handbreite. Nachdem durch 
eine am 28. Marz ausgeführte Osteotomie und nachfolgende Extension 
die Dislocation der durch Callus vereinigten Fragmente des r. Femur 
beseitigt war, wurde Ende Mai die Patellarnaht versucht Als nach 
Freilegung der Fragmente in gewöhnlicher Weise dieselben auch nach 
Freilegung des Rectus nicht vereinigt werden konnten, machte Geheim¬ 
rath v. B. einen die Tuberositas tibiae kreisförmig umgreifenden 8chnitt 
unterhalb der letzteren, meisselte die Tuberositas tibiae schräg nach 
oben bis ins Kniegelenk hinein ab und verschob das abgemeisselte Stück 
nach oben, worauf die Vereinigung der Patellarfragmente gelang. 

Die Meisseifläche der Tuberositas tibiae blieb jedoch mit ihrem 
unteren Theile in Contact mit der Meisselflache der Tibia nahe der 
Gelenkfläche. Die Heilung der Patella sowohl wie der Tuberositas er¬ 
folgte knöchern, und Patient kann das Bein extendiren, wenngleich die 
Beweglichkeit im Knie noch beschränkt ist, was aber vor der Operation 
noch mehr der Fall war. 

II. Sitzung am Montag, den 20. September. 

1) Herr F. Kr au 8 e (Halle): Ueber Veränderungen der Nerven 
und des Rückenmarks nach Amputationen. Nach Amputationen 


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atrophiren nur sensible Nervenfasern in den Nerven der Stumpfe. Die 
Atrophie besteht darin, dass das Mark seine normalen Beschaffenheiten 
and Reactionen verliert und erheblich im Durchmesser verringert wird. 
Aach der Achsencylinder atrophirt, bleibt aber selbst nach 10 Jahren 
noch nachzuweisen. Diese qualitative Veränderung geht bis zum Spinal¬ 
ganglion, oberhalb desselben ist nur eine quantitative Veränderung vor¬ 
handen und zwar eine Verschmälerung der Hinterstränge (nach Ampu¬ 
tation einer Unterextremität im Lenden- und Brustmark, nach Arm- 
ampntation im Halsmark). Ferner nehmen die Ganglienzellen in den 
Clarke’schen Säulen nach Beinamputationen an Zahl ab, ebenso die 
Ganglienzellen in der hinteren lateralen Gruppe des Vorderhorns der 
Lendenanschwellung. Nach Armamputation ist die Verschmälerung des 
Hinterstrangs im ganzen Haismarke sehr deutlich. 

Der Vortrag soll in extenso in den „Fortschritten der Medicin tt er¬ 
scheinen. 


III. Sitzung am Dienstag, den 21. September. 

3) Herr Küster: Ueber narbige Stenosen der Trachea. K. 
unterscheidet unter den intratrachealen Processen, welche das Athmnngs- 
rohr einnehmen, folgende Gruppen: 

1. Die traumatischen Stenosen. Er stellt einen Fall von subcutaner 
Zerreiösung der Trachea vor. 

2. Die diphtherischen Stenosen, die häufigste Form. K. sah unter 
704 Tracheotomien wegen Diphtherie 286 Genesungen = 40,63 pCt. 
Unter diesen 286 Genesungen kamen 11 Stenosen vor, also 3,84 pCt. 
Dazu 5 von ausserhalb gekommene Stenosen, im Ganzen 16. 

Die diphtherischen Stenosen zeigen folgende Formen: a. Granula¬ 
tionsstenosen, am häufigsten durch Canulenreiz erzeugt, zuweilen in Form 
der Narbengranulome nach änsserlich vernarbter Wunde; b. die submucose 
Narbenstenose. Der schnürende Ring liegt im submucosen Gewebe, die 
sonst normale Schleimhaut, besonders an der Hinterwand, legt sich in 
Längsfalten zusammen. Zuweilen sind auch die Knorpel verändert, oder 
der schnürende Narbenring liegt im peritrachealen Bindegewebe; c. die 
mucose Narbenstenose nach Zerstörung der Schleimhaut ist selten, da die 
Kinder unter solchen Umständen meist sterben. Weitere Grunde, wie zu 
engen oder zu weiten Schnitt, erkennt K. nicht an. 

3. Die syphilitischen Stenosen, meist zu ausgedehnt, als dass sie zu¬ 
gängig wären. 

4. Die Neubildungen der Trachea, Sarkome oder Carcinome, 


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Therapie. Zuerst blutige Erweiterung der Fistel oder Eröffnung der 
Trachea, Wegnahme von Granulationen, Durchschneidung von Brücken, 
Strängen u. s. w. Dann fortgesetzte Erweiterung, welohe K. fast immer 
von der Wunde her macht mit biegenlassen des Instruments; endlich 
etwas veränderte Dupuia’sche Schornsteincanüle. Man muss häufig 
wieder von vorn anfangen. In sehr schweren Fällen und bei Neubildungen 
räth K. zur Resection der Trachea, welche er in einem Falle von trau¬ 
matischer Strictur mit gutem Erfolge ausgefuhrt hat. \ 

Von den 17 Stenosen der Trachea, welche E. sah, sind 12 geheilt, 
3 wegen ungenügend langer Behandlung ungeheilt, 2 gestorben. 

Discussioo. 

Herr Bock er (Berlin) berichtet über 2 Fälle von Granulations¬ 
geschwülsten in der Trachea nach Tracheotomie; im ersten Falle wurde 
die Geschwulst mit einem Katheter unter Führung des Spiegels, im zweiten 
Falle ohne Spiegel unter Führung des Fingers herausgeholt Ein dritter 
Fall von Faltenbildung wurde durch Tracheotomie und blosse Incision 
der Falte geheilt 

Herr Weinlechner erinnert sich bei einer grossen Zahl von 
Tracheotomien unterhalb der Schilddrüsen keiner länger bestehenden 
Stenosen; dagegen hat bei der Laryngotomie die Entwöhnung der Canäle 
sehr viel häufiger zu Schwierigkeiten geführt; in zwei Fällen konnte die 
Canüle überhaupt nicht weggelassen werden. Trachealstenose beobachtete 
Weinlechner bei Perforation einer verkästen Drüse in die Trachea; 
ferner einen Fall von Verblutung durch Erosion bei sehr hartnäckiger 
Strictur. Weinlechner hält die von Küster beobachtete Zahl der 
Stricturen für auffallend hoch. 

Herr Krön lein (Zürich) erwähnt, dass die Zahl der Strioturen nach 
Art, Epidemie und Operateur sehr wechselt; er ist für sehr frühzeitiges 
Wegnehmen der Canüle. 

Herr Küster nimmt die Canüle durchschnittlich am .6. Tage weg. 
Seine Fälle sind meist nicht Granulationsstfenosen, sondern entstehen auf 
submucoser Basis. 

Herr Bruns (Tübingen) bemerkt, dass er drei Mal an der hinteres 
Wand der Trachea Tumoren exstirpirt hat, die sich als aus strumösem Ge¬ 
webe bestehend ergaben. 

Herr Körte (Berlin) bemerkt, dass in der That bei den in Bethanien 
geübten unteren Tracheotomien die Stenose durch Faltung der Schleim¬ 
haut ebenfalls vorkam, wie mehrere Präparate zeigen. Ferner sah er 
Stricturen durch Narbendruck von aussen, in welchen starke Zerstörungen 


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der Weichtheile durch diphtherische Infection der Wunde statthatten. 
Drei Mal kam Verblutung durch Arrosion der A. anonyma vor. 

Herr Sonnenburg (Berlin) meint, dass Stenosen bei hoher Tracheo¬ 
tomie häufiger Vorkommen, als bei tiefer und fuhrt dies auf Druck durch 
die Canule zuruck. 

Herr Bramann (Berlin) hat bei ca. 650 Fällen keine Stenose beob¬ 
achtet; Tracheotomia super, und infer. wurde ausgeführt. 

4) Herr Bocker: Isolirte Exstirpation des Ringknorpels 
wegen Ekchondrom. 

Nach einer einleitenden Bemerkung über die Seltenheit der Ek- 
chondrosen des Kehlkopfs und dem Nachweis, dass Virchow zuerst eine 
eingehende Beschreibung dieser Oeschwulstform gegeben, erwähnt der 
Vortragende, dass der erste sichere Fall von Chondrom des Larynx von 
Froriep im Jahre 1834 beschrieben sei. Spater veröffentlichten Macken¬ 
zie, Staerck, Asch und Ehrendorfer Falle von Ekchondrom des 
Kehlkopfs. 

Der Vortragende selbst hat zwei Ekchondrosen beobachtet, von denen 
der eine ein allgemeines chirurgisches Interesse bot 

Es handelte sioh um einen Tumor, der von der hinteren Wand des 
Kehlkopfe von der Platte des Ringknorpels ausging, von hier nach vorn 
wucherte und nur einen kleinen sichelförmigen Raum übrigliess. Es wurde 
die Tracheotomie gemacht, die Ha h n’sche Tampon canule eingelegt, 
der Schildkuorpel gespalten und die Oeschwulst mit dem Ringknorpel 
entfernt Am 4. Tage eine Nachblutung. Die Heilung trat ohne weitere 
Storung ein. 

Die Sprache ist laut und deutlich und geschieht mit Hülfe der 
Bruns’achen Phonationscanüle mit Leichtigkeit 

Herr Bruns (Tübingen) erwähnt einen Fall von Enchondrom des 
Ringknorpels, der ohne Entfernung des letzteren exstirpirt werden konnte. 

Herr Weinlechner halt die Entfernung des ganzen Riogknorpels 
mit der Geschwulst für besser wegen der Gefahr des Recidivs. 

5) Herr Bardeleben: Ueber Pseudocroup. Bardeleben will 
unter Pseudocroup solche Falle verstanden wissen, welche mit den Erschei¬ 
nungen des Croup auftreten und doch nicht Croup sind. 

Als solche erläutert er 3 Falle von „Fremdkörpern im Kehlkopf“ 
(von Goepel, Wehner und Bardeleben in Gemeinschaft mit Traube 
beobachtet), in denen diagnostische Zweifel lange bestanden und schliess¬ 
lich durch Herausbeförderung des Fremdkörpers geklart wurden, ln dem 
1. Fall handelte es sich um einen Hemdenknopf, im 2. um ein 6 mm 


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io jedem Darebmesser messendes steinbartes Stuck eines Salzkuchens, im 
3. am ein Stock des Restes eioer wilden Ente. 

B. weist zum Schloss darauf bin, dass in solchen Fällen erst recht 
die Tracheotomie indicirt sei. 

6) Herr Weinlechner berichtet ober 3 Fälle von wandernden 
Fremdkörpern in der Trachea; in diesen Fällen konnte stets ein 
klapperndes Geräusch bemerkt werden, einmal bei der Ex-, das andere 
Mal bei der Inspiration. 

Herr Goebel tbeilt Näheres ober die Aetiologie des Falles von 
Herrn Bardeleben mit 

7) Herr Böcker berichtet ober einen Fall von Tracheotomie, dorch 
welche die bestehende Athemnotb nicht gehoben wurde; die Section ergab, 
dass ein Bronchus dorch eine verkäste Druse comprimirt, der andere durch 
einen Theil einer solchen verstopft war. 

Herr Kronlein hat einen todtlich verlaufenen Fall von Fremdkörper 
(Elfenbeinknopf) in der Trachea beobachtet. 

IV. Sitzung am Donnerstag, den 23. September. 

1) Herr Pauly (Posen): Ueber die Granolationsstenose nach 
Tracheotomie. Die Ursache der Granolationsstenose muss im Reiz 
der Canule gesucht werden, welche länger liegen bleibt, weil das Cavom 
laryngis aus verschiedenen Gründen nicht genügend abschwillt 

2) Herr Baumgärtner (Baden-Baden): Ueber Cachexia strumi- 
priva. B. berichtet zuerst ober das weitere Schicksal seiner vor 
2 Jahren dem Congresse vorgelegten, der Kachexie verfallenen Fälle 
und fugt noch einen weiteren hinzu. Diesen gegenüber legt er 6Total- 
excisionen vor, die nicht zur Kachexie führten. B. glaubt den Schlüssel 
zor Kachexie in Veränderungen bis zor Atrophie in den Centren des 
Sympathicos suchen za sollen. Der Operateur müsse jedenfalls mit 
der Thatsache der Kachexie rechnen, sie za meiden suchen. Manche 
Gefahr könne dorch bessere Technik noch vermieden werden, und nach 
Auffahrung verschiedener Gesichtspunkte erklärt B., die Totalexcision 
könne nicht von der Liste der legalen Operationen gestrichen werden, 
da sie eine das Leben erhaltende Operation sei. 

Discussion. 

Herr Semon (London) glaubt, dass das Myxoedem, welches in 
England häufig ist und genau studirt wird, mit der Cachexia stromipriva 
und Kretinismus identisch ist. Es ist häufiger bei Weibern. Alle todtlich 
verlaufenen Fälle zeigten eine Totalatrophie der Schilddrüse; der genau 


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untersuchte Sympathicus zeigte nichts Anomales. Bei geheilten Total- 
exatirpationen des Kropfes glaubt er, dass accessorische, versprengte 
Schilddrüsenpartikel die Compensation hersteilen. Derartige Operationen 
beim Affen führten zu enormen Schleimprodnctionen in den verschie¬ 
densten Theilen des Körpers (Hasseley). 

Herr Bardeleben (Berlin) glaubt nicht, dass bei Händen, Katzen, 
Ziegen o. s. w. die anffallend kleine Schilddrüse dieselbe Function besitze, 
wie das grosse Organ des Menschen. Er hat bei mehr als einem Dutzend 
Operirter, die zum Theil im jugendlichen Alter standen, keinen einzigen 
Fall von Cachexia strumipriva; einige sind noch jetzt besonders intelligent. 
Warum ist der Procentsatz der Bösartigkeit so sehr verschieden? Das 
Vorkommen von Nebenschilddrüsen beim Menschen halt er für eine sehr 
grosse Seltenheit Selbst Lähmung des Nervus laryngeus inferior hat 
nur motorische Störungen gemacht 

Herr Schmidt (Berlin) stellt einen in zwei Sitzungen operirten 
Knaben mit Cachexia strumipriva vor, der die Erscheinungen von Myx- 
oedem zeigt Er scheint sich zu bessern. 

Herr Julius Wolff (Berlin) hat in sechs Fallen von Totalexstirpation 
des Kropfes ohne jegliche Unterbindung Heilung per primam erzielt. 
Ein Operirter, bei welchem er unterbinden musste, starb. 

Herr Witzei (Bonn) hat ein kleines Mädchen beobachtet, das 
schon vor der Operation Zeichen von Cachexia strumipriva zeigte. 
Er bestätigt den schädlichen Einfluss der Karbolsäure auf die bloss¬ 
gelegten Halsnerven, hat dabei Collaps und einmal sogar einen Todesfall 
erlebt. 

Herr Küster (Berlin) will wegen Qefahr der folgenden Cachexia 
strumipriva die Totalexstirpation nur wegen ausgedehnter maligner 
Tumoren, sonst aber die partielle Exstirpation ausgeführt wissen. 

Herr Oenzmer (Berlin) glaubt, dass bei dem Thier accessorische 
Schilddrüsen sehr leicht übersehen werden können, da sie nicht selten 
weit ab von der normalen Stelle ihren Sitz haben. Man habe sie früher 
nicht gekannt. 

Herr Bardeleben hat stets auf Nebenmilz und Nebenschilddrüse 
geachtet, die bereits Hedemann und Bischoff bekannt waren. 

4) Herr Witzei (Bonn): Ueber die Sehnennaht W. empfiehlt, 
in schwierigen Fällen von Sehnennaht die Stümpfe unter Bildung von 
Hautlappen so bloss zu legen, dass der Hautschnitt nicht mit dem 
Schnitt zusammenfällt, welcher die Sehnenscheide eröffnet Die Ver¬ 
einigung der Sehnenenden geschieht durch eine combinirte Entspannungen 

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und Vereinigungsnaht, bei welcher besonders das Entschlüpfen der 
Stümpfe and die Zerfaserung derselben vermieden werden soll. 

Herr Rydygier (Kulm): Zar operativen Behandlung des Pes 
varus paralyticus. R. schlagt vor, Patienten, die nicht häufiger den 
Bandagisten aufsuchen können und so nicht selten verdorbene Maschinen 
tragen, welche nicht nur nicht ihren Zweck erfüllen, sondern noch schaden, 
operativ von ihrem Pes varus paralyticus zu befreien, zumal, da in selteneren 
Fallen wegen Zartheit der Haut überhaupt keine Maschinen oder nur 
schlecht ertragen werden. Ueberdies giebt es Patienten, welche viel lieber 
sich einmal, wenn auch einer eingreifenden und langer dauernden Be¬ 
handlung unterwerfen, als alle Augenblicke in ihrer Beschäftigung durch 
ihr Leiden gestört werden. Die Operation wurde so ausgefuhrt, dass 
nicht nur eine Ankylose im Fussgelenk, sondern zu gleicher Zeit auch 
eine Richtigstellung des Fasses erlangt wurde. Das Verfahren war 
folgendes: 

Vorn über der dorsalen Fläche des Fussgelenks wurde längs der 
Fibula ein Längsschnitt von beiläufig 6 cm gemacht. Von hier aus konnte 
man mit Leichtigkeit die einander zugekehrten seitlichen Gelenkfiächen 
des Talus und der Fibula vom Knorpel entblossen. Wenn man mit 
einem breiten Haken die vorderen Weichtheile etwas abhebt, so kann 
man ohne Schwierigkeit einen schmalen, horizontal gelegten mit der 
Basis nach aussen gekehrten Keil aus der oberen Fläche des Talus zu¬ 
gleich mit dem Knorpelüberzug abtragen und ebenso die Gelenkfläche 
der Tibia vom Knorpel entblossen. Darauf wird das Gelenk nach 
hinten zu drainirt, der Fuss richtig gestellt und ein antiseptischer Ver¬ 
band angelegt, welcher zugleich zur Fixirung des Fasses ausreicht. 
Man thut gut, zur Sicherung des Erfolges dem Patienten einen Stiefel 
mit unbeweglichen Seitenschienen zu geben. Gehen die Schienen entzwei, 
so brauchen keine neuen mehr angelegt werden. Bei Revision der 
Patienten nach 9 resp. 6 Monaten ging die erste Patientin sehr gut, der 
zweite Patient, welcher zugleich eine sehr starke Contractur im Knie¬ 
gelenk gehabt hat, nicht ganz so gut; es steht aber zu erwarten, dass 
auch er noch besser gehen wird. 

Referate and Kritiken. 

Bericht über die 13. Versammlung des deutschen Vereins für 
öffentliche Gesundheitspflege zu Breslau. 

Auf der Tagesordnung der 13. Versammlung des deutschen Vereins 
für öffentliche Gesundheitspflege za Breslau am 13., 14., 15. September 


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d. J. stand als erstes Thema für die Verhandlungen: Die Untersuchungs¬ 
anstalten für Nahrungs- und Genussmittel, sowie Gebrauchsgegenstände, 
deren Organisation und Wirksamkeit. 

Der Referent, Professor Hilger-Erlangen, wies einleitend darauf 
hin, wie sich die Controle der Nahrungs- und Genussmittel überall 
dringend nothwendig erweise und wie besonders das Nahrnngsmittelgesetz 
vom Jahre 1879 hierfür eine grosse Anzahl Einrichtungen ins Leben ge¬ 
rufen habe. Dieselben befinden sich augenblicklich noch in einem leb¬ 
haften Entwickelungsstadium und wird das Bedürfnis einer einheitlichen 
Organisation dieser Anstalten allgemein empfunden. Als Schlusssätze 
wurden hierfür aufgestellt: die Errichtung öffentlicher, vom Staate als 
solche anerkannter Untersuchungsanstalten zum Zweck dauernder Controle 
der Nahrungs- und Genussmittel, sowie der Verbrauchsgegenstände ist 
dringendes Bedürfnis. Diese Untersuchungsanstalten sollen theils staat¬ 
liche, theils städtische sein. Die ersteren sind wo möglich mit Universitäten, 
technischen Hochschulen oder sonstigen höheren technischen Lehranstalten 
zu vereinigen und haben ihre Thätigkeit vor Allem in den kleineren 
Städten und Landgemeinden zu entfalten, während die letzteren zunächst 
für den betreffenden Stadtbezirk errichtet werden. Für die staatlichen 
Anstalten empfiehlt sich besonders auch ambulante Thätigkeit, d. i. Be¬ 
sichtigung, Ertheilung von Auskunft, Entnahme von Proben und Prüfung 
derselben so weit möglich an Ort und Stelle, ln der Umgegend von 
Nürnberg sind bei der ersten derartigen Untersuchung 50 bis 60 pCt. Fäl¬ 
schungen ermittelt worden. 

Die staatlichen Anstalten sollen hauptsächlich die regelmässige Con¬ 
trole besorgen, damit sie nicht durch private Benutzung zu sehr überbürdet 
werden, und empfiehlt sjch nach den in Bayern gemachten Erfahrungen 
hierbei ein Contractsverhaltniss zwischen Anstalt und einzelnen Districten, 
die dort 60 bis 70 Gemeinden einschliessen und denselben nur etwa 200 
bis 300 Mark Kosten pro Jahr verursachen. Im Allgemeinen hat die 
Erhaltung der Staatsanstalten aus öffentlichen Mitteln zu erfolgen. 

Die Vorstände der öffentlichen Untersuchungsanstalten und ihre Mit¬ 
arbeiter, deren einer Vorstands-Stellvertreter ist, müssen unabhängig und 
selbstständig gestellt sein. Sie sollen entsprechende naturwissenschaft¬ 
liche Ausbildung besitzen, besonders in Chemie, Physik, Botanik (Waaren- 
kunde), Mineralogie, Geologie, Zoologie, Hygiene und in chemisch¬ 
analytischen sowie mikroskopischen und bacteriologischen Untersuchungen 
geübt sein und ihre Qualification durch eine bestandene Staatsprüfung 
darthun. Ein Vertreter der Medicin, am besten ein Medicinalbeamter, 
ist einer jeden öffentlichen Untersuchungsanstalt als Sachverständiger und 
Berather an die Seite zu stellen. Jede solche Anstalt soll neben den zu 
chemischen Arbeiten nothwendigen Räumen getrennte Abtheilungen für 
optische und spectralanalytische Untersuchungen, Gasanalysen, mikro¬ 
skopische und bacteriologische Arbeiten besitzen. Ihr Wirkungskreis soll 
sich nur auf Nahrungs- und Genussmittel sowie auf Verbrauchsgegenstände 
erstrecken, welche letzteren einschliessen: gefärbte Gegenstände von Holz, 
Metall, Kautschuk, Papier, Spielwaaren, Buntpapiere, Beizen, Leder, 
Haus- und Kücbengeräthe, Umhüllungs-, Verpackungs-, Aufbewahrungs¬ 
materialien, Oblaten, Petroleum und Beleuchtungsstoffe, Textiifabrikate, 
Seifen, Cosmetica, Geheim mittel, Zündmaterialien, Wasser. 

Es sind für ganz Deutschland gültige einheitliche Bestimmungen 
über die Ausübung der Controle auf dem Gebiete der Nahrungs- und 

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GeDQ88mittel sowie Verbrauchsgegenstände in Betreff der Probe-Entnahme, 
der Betheiligung der Untersuchungsanstalten bei der Ausübung der 
Lebensmittel-Polizei festzustellen, ebenso mass auf das Energischste an« 
gestrebt werden, einheitliche Untersochungs- und Beurtheilungsnormen 
durchzuführen. 

Die Versammlung erklärte sich mit diesen Grundzügen einverstanden 
und sei es dringend wunschenswerth, dass in jedem Regierungsbezirk 
mindestens ein staatliches und daneben möglichst zahlreiche öffentliche 
Untersuchungsämter eingerichtet werden. 

Der zweite Gegenstand der Tagesordnung betraf: Volks- und 
Schulbäder. 

Referent Docent Lassar-Berlin wies aus statistischen Ermittelungen 
in */s sämmtlicher deutscher Physicate nach, dass, wöchentlich ein 
Reinigungsbad als Norm vorausgesetzt, in Deutschland anstatt 45000 
Badeanstalten zu 10 Wannen nur 1011 Badeanstalten vorhanden sind, 
und dass auch diese nicht genügend benutzt werden. In den von Krupp 
in Essen eingerichteten Bädern müssten bei wöchentlich einem Bade 
jährlich 500C0O verabfolgt werden, verlangt werden nur 4000. Es ist 
demnach eine Hauptaufgabe der praktischen Hygiene, das Bedürfniss 
nach körperlicher Reinigung zu verallgemeinern und für systematische 
Vermehrung der Badegelegenheiten besonders in Form von Brausebädern 
zu sorgen: sie sind erfrischend, wirksam und reinlich, erfordern wenig 
Zeit, Einrichtung und Bedienung. Dabei siud sie ungemein billig; bei 
einem Wasserpreise von 15 Pfennig für 1000 Liter (Breslau) erfordert 
ein Wannenbad 200 Liter = 3 Pfennig, ein Brausebad höchstens 10 Liter 
= 0,15 Pfennig. 

Für Verallgemeinerung des Badebedürfnisses werden Brausebad-Ein¬ 
richtungen in den Volksschulen empfohlen, wie sie in Göttingen seit 
Jahresfrist mit gutem Erfolge in Wirksamkeit sind. Generalarzt Roth 
wies darauf hin, dass solche Einrichtungen seit einem Jahrzehnt in den 
Casernements der deutschen Armee bestehen. 

Am zweiten Versammlungstage referirte Baurath Kau mann-Breslau 
über unterirdische Städtecanalisation und Rieselanlagen mit besonderer 
Berücksichtigung von Breslan. 

Dieses Abrahrungs- und Reinigungssystem der Schmutzwässer hat 
sich auch hier seit 10 Jahren aufs Beste bewährt. Bei 659 Hectar 
Rieselfläche ist die Reinigung von etwa 40 000 Cubikmetern Schmutzwasser 
pro Tag eine fast vollständige, indem durchschnittlich a/ s des Gesammt- 
stickstoffs, V« bis V* des Chlors, s /< des Kali, die Phosphorsäure ganz 
entfernt werden. Die Gesammtkosten betragen jährlich l 1 /« Mark pro 
Einwohner. Uebelstände, besonders in sanitärer Beziehung, sind nicht 
hervorgetreten. Gleich günstige Erfahrungen wurden über die Danziger 
Rieselfelder berichtet. 

Wo Berieselung nicht zweckmässig ausführbar ist, muss die möglichste 
Reinigung der Abwässer in Nachahmung der Rieselwirkung durch ein 
combinirtes Verfahren der chemischen Fällung, Abklärung und Filtration 
ersetzt werden unter thunlichster Gewinnung der für die Landwirthschaft 
dungwerthigen Stoffe. 

Correferent Professor Arnold-Braunschweig berichtet im Weiteren, 
dass von den dabei in Betracht kommenden Systemen im Grossen zwei 
Gruppen ausgeführt sind: 1) solche mit Klärbassins, wie zu Frankfurt a. M. 
und Wiesbaden, 2) mit aufsteigender Abklärung und Filtration, wie in 
Halle und Essen. 


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Unter der grossen Zahl der Zuschläge sind am gebräuchlichsten and 
i weck massigsten Kalk, Schwefelsäure Thonerde und vielleicht Torf. Die 
richtige Wahl dieser Stoffe nach Art und Menge hängt von der Be¬ 
schaffenheit der Schmutzwässer ab und wird erschwert durch die im 
Laufe des Tages wechselnde Zusammensetzung, wenn nicht der Dung¬ 
werth leiden soll. 

Je nachdem die Abwässer, d. i. Closetabgänge, Haus-, Strassen-, 
Regenwässer, summarisch oder getrennt gereinigt werden sollen, ist die 
Ausführung der Systeme verschieden. Industriewässer werden am besten 
einer besonderen Behandlung unterworfen, da sie unter Umständen den 
Dungwerth vollständig vernichten können. 

Bei der summarischen Canalisation ist viel Sand etc. den Abwässern 
beigemischt und Abklärung um so nötiger. Nach Zusatz der Chemiealien 
bleibt das Wasser in den Klärbassins stehen und der Niederschlag fällt 
zu Boden. 

In Frankfurt a. M. wird das Schmutzwasser durch eine mit Sandfang 
versehene Zuleitungsgalerie in eine siebartige Kammer geführt, welche 
die gröberen Beimengungen zurückbehält und gelangt hierauf in die Misch¬ 
kammer, wo Kalk und schwefelsaure Thonerde zugesetzt werden. Von 
hier läuft es behufs möglichster Vermischung mit atmosphärischer Luft 
über breite flache Ueberfälle in grosse Klärbecken mit geneigter Sohle 
und geringer Strömung. Das so geklärte Wasser fliesst zuletzt durch den 
Ableitungscanal in den Main. Die Anlage, welche übrigens noch nicht 
im Betriebe ist, erfordert bedeutende Unterhaltungskosten und der Schlamm 
kann nur schwer durch Handarbeit herausbefördert werden. 

Die Anlage in Wiesbaden, die schon im Betriebe steht, ist mit Filtra¬ 
tion verbunden. Das Wasser tritt nicht direct in die Klärbecken, sondern 
wird durch Vorkammern gezwungen, auf- und absteigende Bewegungen 
zu machen, unter Zusatz von Kalk und Einführung von Luft, wobei die 
gröberen Stoffe zu Boden fallen. Der Ueberfall erfolgt in zwei Reihen 
kleinerer Schlammkasten mit verjüngtem Durchschnitt, die durch Pumpen 
gereinigt werden können. Ans den zwei Becken kann das Wasser nur 
durch Ablassen entfernt werden und tritt hier leicht Fäulniss ein. 

In Halle strömen die Abwässer durch einen Sandfang in das Maschinen¬ 
haus. Hier ist für den Zusatz der Chemiealien in der Filtrirkammer 
ein regulirender Apparat vorhanden, so dass die Menge derselben dem 
Quantum des zustromenden Wassers entspricht. Der Reinigungseffect ist 
noch nicht ausreichend festgestellt. 

Die Anstalt in Essen ist schon seit längerer Zeit im Betriebe. Das 
System hat als Eigentümliches einen Brunnen mit Heber, dessen auf¬ 
steigender Ast ein Cylinder ist, während den absteigenden das Abfluss¬ 
rohr bildet. Auf dem Cylinder sitzt ein Aufsatzrohr, 11 m über dem 
Wasserspiegel. Das Wasser steigt im Brunnen durch Ansaugung sehr 
langsam in die Höhe, unter gleichzeitiger Filtration und Zusatz von 
Chemiealien. Unten im Brunnen befindet sich ein Stromzertbeiler, oben 
ringsum der Ueberlauf, so dass die Verteilung der Stoffe eine sehr 
gleichmässige wird. Die stärkeren Stoffe sinken leicht zu Boden, das 
Wasser, weil gut entgast, riecht wenig und fliesst völlig geklärt ab. Die 
chemischen Zuschläge werden nach Quantität und Qualität des Schmutz¬ 
wassers regulirt und deshalb gut ansgenutzt. Die jährlichen Kosten be¬ 
tragen eine Mark pro Kopf, ungerechnet die Verwerthung des Schlammes. 
Derselbe enthält 75 pCt. anorganische und 25 pCt. organische Bestand- 


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theile, in letzteren 0,71 Stickstoff und 0,84 Phosphorsäure. Der Dung- 
werth würde sich demnach bei 50 pCt. Wassergehalt auf 5 Mark pro 
cbm stellen. Aber die Verwerthung des Schlammes ist bei allen diesen 
Systemen schwierig und bis jetzt ein wesentlicher Uebelstand. 

An diese beiden Systemgruppen reiht sich in neuester Zeit eine 
dritte Gattung in der Berliner Maschinenbau-Gesellschaft Schwarzkopf 
an. Es berücksichtigt nur die Closetabgänge der 800 Fabrikarbeiter und 
beruht auf pneumatischer Aufsaugung der Abgänge mittelst einer Luft¬ 
pumpe in ein Reservoir mit Rührwerk, behufs gleichmässiger Vertheilang. 
Weiterhin gelangen die Abgänge in den Zerreisser, der die gröberen Stoffe 
möglichst zerkleinert, sodann durch einen Schwenkhahn, welcher Menge and 
Qualität misst, in Reservoirs zum Zusatz von Chemiealien. Daran schliessen 
sich offene Rinnen mit Absatzkästen und Torffilter, durch welche das 
Closetwasser anscheinend rein abfliesst. Der Schlamm wird pneumatisch 
in Schwenkkästen gebracht, geseiht und mit dem verbrauchten Material 
der Torffilter vermischt zu trocknen Ziegeln gepresst Ueber den finan¬ 
ziellen Effect ist noch nichts Näheres bekannt geworden. 

Die anschliessende Discussion constatirte, dass im Allgemeinen diese 
künstlichen Klärungen der Abwässer noch nicht über das Stadium des 
Versuches hinausgekommen sind und besonders gegenüber der Berieselung 
zunächst nur als Nothbehelfe gelten können. Schliesslich einigte Bich 
die Versammlung zu der These: Die Reinigung der städtischen Schmatz¬ 
wässer vor ihrer Abführung in die Wasserläufe bleibt nach wie vor an¬ 
zustreben. Bei dem jetzigen Stande der Technik und den erheblichen 
mit jeder Reinigung verbundenen Kosten empfiehlt es sich jedoch, die 
Forderung der Reinigung nur in den Fällen zu erheben, wo gesundheits¬ 
schädliche Missstände zu befürchten sind, oder sonst erhebliche Uebel- 
stände sich fühlbar gemacht haben, und zwar in einem solchen Umfange 
als zur Beseitigung dieser Uebelstände geboten ist. 

Die dritte Tagesordnung betraf: moderne Desinfectionstechnik 
mit besonderer Beziehung auf moderne Desinfectionsanstalten. 
Die Referenten Prof. Hoffmann-Leipzig, und Physicus Jacoby-Breslau, 
wiesen darauf hin, dass die Anlage wirksamer Desinfectionseinrichtungen 
im öffentlichen Interesse Pflicht der Gemeinden sei. Es giebt eine Reihe von 
Infectionskrankheiten, deren Infectionskeime direct von Körper zu Körper 
übergehen, aber auch durch Gebrauchsgegenstäude, insbesondere Kleider, 
Wäsche, Betten, übertragen werden können. Desinfection durch Private 
unterliegt den grössten Schwierigkeiten, ja sie kann als geradezu un¬ 
möglich bezeichnet werden. Wirklicher Erfolg ist von der Desinfection 
nur da zu erwarten, wo eine allgemein zugängliche Desinfectionsanstalt 
besteht, welche zweckmässig eingerichtet ist, ein gewissenhaftes und gut 
geschultes Personal besitzt und unter sachgemässer ständiger Controle 
steht. Privatanstalten werden diese Bedingungen viel unsicherer erfüllen, 
als öffentliche. Die Benutzung dieser öffentlichen Anstalten soll unent¬ 
geltlich sein, jedoch nur auf Grund eines ärztlichen Attestes, um Ueber- 
bürdung und Missbrauch zu vermeiden. 

Am bequemsten und vorteilhaftesten würden Einrichtungen 'sein, 
welche Räume und Effecten zugleich desinficiren. Es ist dies aber un¬ 
möglich und man muss deshalb für Apparate sorgen, in denen desinficirt 
werden kann. 

Als Desiufection8mittel sind dabei chemisch wirksame auszuschliessen, 
am besten ist strömender Wasserdampf zu verwenden. Jeder Apparat 


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muss eine ausreichende Menge Dampf liefern, der den Innenraum stets 
füllt und darin circulirt. Die zu desinficirenden Gegenstände müssen im 
Apparate so gelagert sein, dass der heisse Dampf sicher und rasch bis 
in die Mitte derselben eindringt, wobei jedoch Durchnassung durch Be¬ 
schränkung des Tropfwassers und Umhüllung mit Wachsleinwand zu 
vermeiden ist, weil sonst die Wirksamkeit der Desinfection in Frage ge¬ 
stellt wird, und Wasche etc. auch leicht gelb und fleckig wird. Für 
Gegenstände von Leder, Pelze eignet sich Wasserdampf nicht, wohl aber 
für solche von Papier. Rosshaare werden durch Wasserdampf gelockert, 
verlieren aber an Gewicht, gebrauchte wollene Stoffe bekommen ein 
besseres Ansehen. Im Allgemeinen erfolgt die Desinfection innerhalb 
einer Stunde, bei grosseren Objecten in zwei Stunden. 

Wo Dampfkessel vorhanden, sind gespannte Dämpfe vorzuziehen, der 
Einfachheit wegen und weil die Desinfectionskammer dann rascher er¬ 
wärmt und Condensionswasser besser vermieden wird. Die Wahl der 
Apparate und technischen Einrichtungen, deren Zahl gross ist, hängt von 
den örtlichen Verhältnissen ab und bedarf für jeden Fall specieller 
Prüfung. Anschluss der Desinfectionseinrichtungen an andere öffentliche 
Anstalten ist zulässig. Für kleine Ortschaften und ländliche Gemeinden 
ist die Beschaffung eines transportablen Desinfectionsapparates vorzusehen. 
Es ist zweckmässig mit der Desinfectionsanstalt Badegelegenheit zu ver¬ 
binden. Kirchner. 


Statistischer Sanitäts-Bericht über die Königlich bayerische 
Armee für die Zeit vom 1. April 1882 bis 31. März 1884. Bear¬ 
beitet von der Militär-Medicinal-Abtheilung des Königlich bayerischen 
Kriegsministeriums. Mit 11 graphischen Darstellungen. München 1886. 
4°. (268 Seiten.) 

Der vorliegende Band lehnt sich nach Art seiner Vorgänger eng an 
die preussiscben Berichte an und hält sich im Wesentlichen innerhalb des 
durch letztere gezogenen Rahmens. Derselbe giebt Raum genug für sta¬ 
tistische und casuiBtische Mittheilungen von actuellem sowohl als bleibendem 
Werth. Wenn aber schon in den früheren bayerischen Veröffentlichungen 
dieser Art ein entschiedenes Streben nach weiterer Vertiefung erkennbar 
war, so enthält die in Rede stehende Publication Nachrichten über eine 
Neuerung, welche, wie wir sicher annehmen zu müssen glauben, geeignet 
ist, einen entscheidenden Einfluss anf die fernere Entwickelung der Armee- 
Sanitäts-Statistik, weit über die Grenzen Bayerns hinaus, zu gewinnen. 

Wer die Entfaltung der Statistik überhaupt auch nur oberflächlich 
überblickt, kann sich der Erkenotniss nicht entziehen, dass sie immer 
mehr von dem Allgemeinen in das Specielle gedrängt worden ist. Wie 
überall, so hat dieser Process sich auch auf dem Gebiet der Militär- 
Sanitats-Statistik vollzogen und ist hier wie überall in immer weiterem 
Fortschreiten begriffen. Während man anfangs sich begnügte, die Ge- 
sammtheit der Todten, allenfalls noch hier und da die Gesammtheit der 
Kranken bei grossen Verbänden festzustellen, sah man sehr bald ein, dass 
solche Ziffern höchstens eine oberflächliche Neugier befriedigen, in keiner 
Weise aber als Unterlagen weder für administrative noch für wissenschaft¬ 
liche Zwecke zu gebrauchen sind. Mehr und mehr fand man sich ge- 
nöthigt, die Zahlen zu detailliren, sowohl nach der Art der Krankheiten 
als nach der Grösse der Einheiten, auf welche die Krankheitsziffern sich 


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504 


beziehen. In ersterer Beziehung dürfte das gegenwärtig in Kraft stehende 
Rapport-Schema noch anf längere Zeit hinaus allen wesentlichen An¬ 
sprüchen genügen; in letzterer Beziehung haben die preussischen Berichte 
zuerst einen gewaltigen Schritt vorwärts gethan, indem sie den Kranken¬ 
ziffern der Armee-Corps diejenigen der einzelnen Garnisonen hinzufügten. 
Tausendfach ist inzwischen gerade auf dem Gebiete der Administration 
die Erfahrung gemacht, dass auch die Garnison-Statistik auf zahllose 
Fragen von höchster praktischer Wichtigkeit keine Antwort giebt, welche 
vielmehr nur eine Casernen-Statistik zu geben vermag. Wir können 
dies nicht besser beleuchten, als es in dem vorliegenden bayerischen Be¬ 
richte geschieht Es heisst daselbst (Seite 155): 

„Die Militär - Sanität» Verwaltungen sehen sich täglich der Frage 
gegenübergestellt, ob Klagen, welche über die schlechten Gesundheits¬ 
verhältnisse von Casernen eingehen, überhaupt begründet oder welche 
von den vorliegenden Beschwerden die begründetsten, einer Abhülfe be¬ 
dürftigsten sind; sie haben ferner zu erwägen, ob es nicht Casernen giebt, 
über die zufällig keine Klage geführt wird, die aber wegen ihrer an¬ 
dauernden Insalubrität in allererster Linie administratives Einschreiten 
erfordern. 

„Zur Beurtheilung der Salubritätsverhältnisse der einzelnen Casernen 
fehlten bisher den Sanitäts-Verwaltungen die statistischen Anhaltspunkte, 
da die Krankheiten nur nach Truppenabtheilungen, aber nicht nach 
Wohnräumen ausgeschieden wurden. 

.So oft es sich darum handelte, über die Gesundheitsverhältnisse von 
Wohnräumen Informirung zu erhalten, mussten besondere Recherchen 
angestellt, d. h. es musste in Ermangelung schriftlicher, zu diesem Zwecke 
gemachter Aufzeichnungen auf die Erinnerung der betreffenden Garnison¬ 
arzte und auf den mehr oder minder begründeten Leumund der Casernen 
zurückgegriffen oder durch Augenschein der Gesundheitscharakter der¬ 
selben aus den baulichen Einrichtungen zu entnehmen gesucht werden. 

„Abgesehen von der Unmöglichkeit, die Casernen auf diese Weise 
untereinander zu vergleichen, sind die Fehlerquellen bei den Recherchen 
so gross, dass ihr Werth fast illusorisch wird. Am wenigsten verlässig 
sind die Schlüsse, die aus dem Augenscheine gezogen werden, da sich die 
Mangelhaftigkeit der baulichen Einrichtungen mit dem Begriffe der Insa¬ 
lubrität bekanntlich durchaus nicht deckt, vielmehr äusserlich recht mangel¬ 
haft erscheinende Casernen nicht selten zu den gesündesten, und scheinbar 
möglichst rationell eingerichtete manchmal zu den weniger gesunden ge¬ 
rechnet werden müssen. 

„Zur Ermöglichung eines besseren Einblicks in diese Verhältnisse 
wurden durch Kriegs-Ministerial-Rescript vom 16. März 1880 No. 3953 
sogenannte „Salnbritätsrapporte“ eingefuhrt, nämlich monatliche, tabella¬ 
rische Berichte über die in den einzelnen Casernen vorgekommenen 
Erkrankuugen mit Angabe der Iststärke. 

„Durch dieses Rescript wurde für die Beurtheilung der Casernen ein 
bedeutender Fortschritt erzielt Dieselben konnten jetzt sowohl bezüglich 
constanten als temporären Vorherrschens einzelner Krankheitsformen genau 
controlirt und nach der Frequenz der wichtigeren derselben Casernen- 
scalen angelegt werden. 

„Es zeigte sich bei dieser Gelegenheit unter Anderem, dass nicht nnr 
Typhus und Wechselt!eher, sondern auch Lungenentzündung und Gelenk¬ 
rheumatismus in gewissen Casernen selbst einer und derselben Garnison 
constant häufiger vorkamen als in anderen. 


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505 


„Trotz dieser im Allgemeinen befriedigenden Resultate erwiesen sich 
die Salubritätsrapporte einer weiteren Verbesserung bedürftig. 

„Erstens beschränkten sich dieselben auf die Lazarethkranken, gaben 
also in mancher Beziehung unvollständige Bilder, da Fälle von Gelb¬ 
sacht, Ohrspeicheldrüsen-Entzündung, Wechselfieber, selbst von Gelenk¬ 
rheumatismus häufig gar nicht zur Lazarethbehandlung kamen, sondern 
im Revier verbliehen.*) 

„Ferner musste es bei der Aufstellung von Casernenscalen sich als 
sehr misslich erweisen, dass die schwersten und leichtesten Erkrankungs¬ 
falle als gleichwertig zählten, indem z. B. ein nur wenige Tage dauernder 
Gelenkrheumatismus etc. ebenso gut als Fall gerechnet werden musste, 
wie ein anderer von mehreren Monaten. 

„Endlich führte gerade bei den letztgenannten Krankheiten wegen 
der häufigen Recidive das Zählen der Fälle zu mancherlei Unrichtig¬ 
keiten; auch die Irrungen in der Diagnose mussten bei monatlicher 
Berichterstattung als keineswegs unbeträchtlich angesehen werden. 

„Die genannten Fehlerquellen konnten nur durch eine gründliche 
Umgestaltung des Rapportes beseitigt werden, und schien es wünschens¬ 
wert^ neben den rein dienstlichen auch den wissenschaftlichen, das heisst 
ätiologischen Gesichtspunkten thunlichste Berücksichtigung zuzuwenden. 

„Als wichtigstes dienstliches Erforderniss musste die Gewinnung von 
Zahienwerthen für die Salubrität der einzelnen Casernen betrachtet 
werden und mit Hülfe derselben die Aufstellung einer Casern-Rangliste, 
die in allen praktischen Fragen als handlicher Qualificationsbehelf dienen 
konnte. 

„Nachdem es als unzulässig erkannt war, den Gesundheitswerth ein¬ 
fach durch die Zahl der Erkrankungsfälle auszudrücken, hätte man daran 
denken können, die Todesfälle als Gradmesser der Salubrität zu benutzen. 
Aber diese werden sehr häufig durch Krankheiten bedingt, die mit letzterer 
gar nichts zu thun haben; ferner können Casernen recht insaluber sein, 
ohne viele Todesfälle aufzuweisen, da zwei der schwersten Soldaten¬ 
krankheiten — Wechselfieber und Gelenkrheumatismus — doch selten 
zum Tode fuhren. Auch aus der Frequenz einer bestimmten Krankheits¬ 
form, z. B. des Typhus, kann man die Salubrität nicht beurtheilen, da 
Casernen, die von einer solchen besonders stark heimgesucht werden, 
von sonstigen auffallend verschont bleiben können, so dass im Ganzen die 
Gesundheit der Bewohner nicht mehr, vielleicht sogar weniger leidet als 
anderswo. 

„Nur das Verhältniss der gesammten innerlichen Krankheitstage zur 
Iststärke giebt einen möglichst richtigen, summarischen Ausdruck für 
den Gesundheit88tand, weil in der Dauer der Erkrankungen ihre Schwere 
und Bedeutung noch am besten zur Geltung kommt. 

„Wenn neben der Gesammtzahl der innerlichen Krankheitstage, die 
als Grundlage der Rangliste dient, für jede Caserne auch noch die vor¬ 
gekommenen Erkrankungsformen nach Zahl der Fälle und Behandlungs¬ 
tage, sowie die Todesfälle und Unbrauchbarkeits-Erklärungen ersichtlich 
gemacht werden, so ist damit Alles gegeben, was für die gründlichste 
Beurteilung der Salubrität wünschenswert erscheinen kann. 


*) Hierbei entstanden noch Ungleichheiten dadurch, dass in manchen Regi¬ 
mentern infolge beschränkter Räumlichkeiten die Revierbehandlung eine sehr geringe, 
in anderen sehr ausgedehnt war. 


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506 


„Es ist jedenfalls von dienstlichem Interesse, in derselben Weise wie 
die Casernen auch die Regimenter und Compagnien zu charakterisiren 
und auch hier die Oesammtsumme der Krankheitstage sowie den Beitrag, 
welchen die einzelnen Krankheitsformen zur Gesammtsumme liefern, 
ferner die Todesfälle und Unbrauchbarkeits-Erklärungen zu ermitteln. 

„Es wird also der praktische Theil in doppelter Richtung, nämlich 
im Sinne einer Casern-Compagnie-Statistik zu entwickeln sein« 

„Solche Ausführungen erfordern für jeden einzelnen Krankheitsfall 
Angaben über die Dauer der Krankheit und deren Ausgang, sowie die 
Compagnie-Angehörigkeit und den Wohnort des Patienten. Dieselben 
können auch für ätiologische Zwecke in mehrfacher Richtung Ver- 
werthung finden, besonders bezüglich der Einflüsse der Localität und der 
Contagiosität. Zu diesem Zwecke müssen die Angaben über den Wohn¬ 
ort bis zur Bezeichnung des Zimmers pracisirt werden. Behufs Ermitte¬ 
lung des Einflusses der Jahreszeiten und des zeitlichen Verlaufes der 
Epidemien müsste noch das Datum der Erkrankung und für die Beur- 
theilung der dienstlichen Einflüsse und der Acclimatisation die Angabe 
des Dienstalters hinzukommen. 

„Um diesen vielfachen Anforderungen zu genügen, wurde 
die tabellarische Erhebungsform verlassen und zu den Zahl¬ 
karten übergegangen. a 

„Die weitere Schilderung der in Bayern nach dieser Richtung ge¬ 
troffenen Anordnungen kann hier ausser Betracht bleiben; dieselben wurden 
sich ohnehin überall anders gestalten müssen, schon deshalb, weil Das¬ 
jenige, was für zwei Armee-Corps verhaltnissmassig leicht ausführbar ist, 
ein ganz anderes Ansehen gewinnt, wenn es sich darum handelt, es auf 
einen grösseren Armeeverband zu übertragen. Uns kam es darauf an, 
die beiden folgerichtig entwickelten Principien zum Ausdruck zu bringen, 
denen, wie wir fest uberzeugt sind, keine Armeeverwaltung sich auf die 
Dauer wird entziehen können, nämlich 1) das Princip der auf die kleinsten 
Einheiten zurückgeführten localistischen Statistik, 2) das Princip des 
Zahlkartensystems als der allein zuverlässigen und für die wichtigsten 
Zwecke allein brauchbaren Grundlage jeder Statistik. 

Es ist wohl kein Zufall, dass der erste, seit Jahren vorbereitete 
Anlauf zu einer detaillirten localistischen Statistik in grossem Stil gerade 
in Bayern genommen wird. Durchaus unzutreffend aber wäre es, zu 
glauben, dass die localistische Statistik lediglich aus einer bestimmten 
(localistischen) Theorie hervorgegangen und in den Dienst derselben zu 
stellen sei. Eine localistische Statistik wird vielmehr von jeder Theorie 
gefordert und von jeder bisher vermisst; unabhängig von jeder Theorie 
vermag sie die nützlichsten Winke für das Handeln zu ertheilen, und 
ohne Zweifel kann sie wesentlich dazu beitragen, manche theoretische 
Streitfrage zu schlichten. ^ 


Mit Bezug auf dasselbe Werk geht uns von anderer Seite eine Mit¬ 
theilung zu, welche uns geeignet erscheint, das Vorstehende zu ergänzen: 

In dem jüngsten statistischen Sanitätsbericht über die bayerische 
Armee, der durch sorgfältigste Verwerthung des Rapportmaterials sich 
den preussischen Vorbildern würdig an die Seite stellt, ist Seite 155 und 
flgde. ein Abschnitt neuartigen Inhalts eingeschaltet. Es wird daselbst 
eine Schilderung des Zählkartenrapports gegeben, der seit einigen Jahren 


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507 


io Bayern versuchsweise neben dem bisherigen Rapportsystem eingeführt 
wurde, um sowohl in praktischer als wissenschaftlicher Beziehung ein 
tieferes Eindringen in die den Krankheitsvorkommnissen zu Grunde 
liegenden Verhältnisse zu ermöglichen. 

_Das8 der bis nun übliche Tabellenrapport wegen der spärlichen Auf¬ 
schlüsse, die er über die einzelnen Krankheitsfalle liefert, die berechtigte 
Wissbegierde nicht befriedigt, und dass hierzu nur Erhebungen mittelst 
einigermaa8sen ausführlicher Zählkarten geeignet sind, das lehrt am deut¬ 
lichsten die ärztliche Geschichtschreibung des deutsch - französischen 
Krieges. Dieses grossartige Werk ist nicht auf der Basis der tabellarischen 
Kriegs rapporte aufgebaut, sondern es musste dafür aus Millionen von nach¬ 
träglich angefertigten Zählkarten die erforderliche breite Basis eigens ge¬ 
schaffen werden. Welche unsägliche Mühe es gekostet haben muss, aus 
den Krankenbüchern der Lazarethe und Truppen, aus sonstigen Kranken- 
journalen, Todtenregistern, Evacuationslisten, Acten und Publicationen 
das Zählkartenmaterial nachträglich zu Stande zu bringen, davon werden 
sich ansser den direct Betheiligten nur Wenige eine annähernde Vorstellung 
machen. Es drängt sich unwillkürlich die Frage auf, ob es nicht viel 
zweckmässiger und auch zuverlässiger wäre, in einem künftigen Kriege 
die Zählkarten schon im Felde angesichts der Erkrankungsfälle ausstellen 
zu lassen, überhaupt den Zählkartenrapport, im Kriege wie im Frieden, 
als das einfachste und zweckmässigste Rapportsystem in Anwendung zu 
bringen. 

Es kann hier nicht auf eine ausführliche Wiedergabe der Vortheile 
eingegangen werden, welche in dem fraglichen Abschnitt des bayerischen 
statistischen Sanitätsberichts dem Zählkartenrapport zugeschrieben werden. 
Es soll nur die Aufmerksamkeit derjenigen, die sich für statistische Fragen 
interessiren, auf diesen Bericht hingeleitet werden, der nicht verfehlen 
dürfte, bei den Lesern den Eindruck zu hinterla89en, dass der Zählkarten¬ 
rapport einen wirklichen Organisationsfortschritt darstellt. 

Dagegen mag es Erwähnung verdienen, dass mit den in dem frag¬ 
lichen Bericht aufgeführten Punkten die Vorzüge des Zäblkartenrapports 
nicht vollständig erschöpft sind. Ein sehr wesentlicher Vortheil dieses 
Systems besteht unter Anderem auch darin, dass bei manchen Krankheits¬ 
formen, bei denen die diagnostischen Gepflogenheiten der Aerzte ziemlich 
weit auseinandergehen, aus der Kenntniss der Dauer der Einzelerkran¬ 
kungen eine statistische Berichtigung der Diagnosen und damit die Mög¬ 
lichkeit eines Vergleichs der einzelnen Beobachtungspunkte in Bezug 
auf die wirkliche Zahl und die Intensität der Krankheitsfälle erreicht 
werden kann. 

Um dies verständlicher zu machen, wird es am besten sein, eine be¬ 
stimmte Krankheitsform, z. B. den Typhus, herauszugreifen. Jedermann 
weiss, dass in Bezug auf die Diagnose des Typhus die Aerzte von sehr 
verschiedenen Gesichtspunkten ausgehen. Der eine erklärt nur die ganz 
ausgesprochenen Fälle als Typhus, alle leichteren und einigermaassen 
zweifelhaften Fälle als Febris gastrica. Andere dehnen den Begriff des 
Typhus unendlich viel weiter aus, indem sie auch Febriculae und sog. 
coupirte Fälle unbedenklich dazu rechnen. Zu diesen wissenschaftlichen 
Meinungsverschiedenheiten kommen häufig noch allerlei andere Rücksichten, 
z. B. das Bedürfnis, besorgte Gemüther durch möglichste Vermeidung der 
Diagnose Typhus zu beschwichtigen oder das therapeutische Bedürfnis, 
eine möglichst grosse Anzahl von geheilten Fällen zusammen zu bringen. 


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Da dnrch dieses angleichmässige Verfahren eine Vergleichung der 
verschiedenen Beobachtangs punkte zur Unmöglichkeit wird, so suchen 
sich die Statistiker in der Regel damit za helfen, dass sie die Rubriken 
Typhus und Febris gastrica vereinigen und die Summe als „typhöse 
Erkrankungen 4 in Rechnung setzen. Das wäre ganz rationell, wenn die 
Rubrik Febris gastrica nar aas verkappten oder zweifelhaften Typhus* 
fällen bestände, aber diese Voraussetzung ist eine ganz verfehlte. 

Seitdem man in Bayern mittelst der Zählkarten die Dauer der Einzel¬ 
erkrankungen erfährt, hat man sich überzeugt, dass wenigstens */« aller 
gastrischen Fieber eine geringere Daaer als zehn Tage, sehr viele nur 
eine zwei- bis dreitägige Dauer haben. Dass unter diesen 75 %> kein 
typhusverdächtiger Fall steckt, liegt auf platter Hand. Die sog. gastrischen 
Fieber sind zu allermeist nichts Anderes als einfache Magencatarrhe, die 
der Abwechselung halber hier und da als Febris gastrica bezeichnet 
werden. 

Nachdem dies bekannt ist, wird sich Niemand mehr dazu verstehen, 
die „typhösen Erkrankungen 4 als Maassstab für die Ab- oder Zunahme 
der Typhusfrequenz oder als Maassstab für die Heilungsresultate zu ver- 
werthen. Der Tabellenstatistik bleibt unter solchen Verhältnissen nichts 
Anderes übrig, als sich einfach und schlicht an die Mortalität zu halten. 
Die Zählkartenstatistik dagegen wird durch die diagnostischen Unklar¬ 
heiten nicht im Geringsten in Verlegenheit gesetzt; sie kann anch die 
Typhusmorbidität in ganz zuverlässiger Weise zu Vergleichnngen ver- 
werthen, weil sie die Mittel besitzt, ohne alle Mühe den Weizen von der 
Spreu abzusieben. 

Es wird keinem grossen Widerspruch begegnen, wenn man den Satz 
aufstellt, dass eine Febris gastrica von mehr als dreiwöchiger Krankheits¬ 
dauer als Typhus gezählt und ein Typhus von weniger als dreiwöchiger 
Krank heitsdaner gestrichen werden soll. Wenn man nach diesem Grund¬ 
satz die „typhösen Erkrankungen 4 sichtet, so kann wohl hier und da ein 
verkümmertes Typhuskörnchen verloren gehen, auch wohl ein oder das 
andere Spreublättchen hängen bleiben; aber darauf kommt praktisch gar 
nichts an. Man gewinnt jedenfalls ein gereinigtes und, was die Haupt¬ 
sache ist, ein trotz aller diagnostischen Verschiedenheiten vergleichbares 
Material, mit dem man getrost an die Lösung wissenschaftlicher Fragen 
herantreten kann. Ohne diese Sichtung sind alle unsere statistischen 
Bemühungen sowohl beim Typhus als bei verschiedenen anderen Krank- 
heitsformen eitel, und schon aus dem einzigen Grunde der Möglichkeit 
einer Berichtigung der Diagnosen dürften die Zählkartenerhebungen jedem 
Statistiker als unentbehrliche Arbeitsgrandlage erscheinen. 


Statistique mödicale de l’armde Beige. Periode de 1880—1884. 
Bruxelles. 1886. 4°. (XXXIII Seiten Text und 259 Seiten Ta¬ 
bellen.) 

Mit Recht wird im Vorwort hervorgehoben, dass die Sanitätsberichte 
der Armeen an actuellem Interesse um so mehr einbüssen, je längere 
Zeit zwischen der Berichtsperiode und dem Erscheinen des Berichts ver- 
fliesst. Die ausgesprochene Absicht, fortan jährliche Mitteilungen so 
veröffentlichen, kann gewiss nur den Wunsch rege machen, dass es in 
Belgien und anderwärts gelingen möge, diesen Vorsatz zu verwirklichen. 

Für den auswärtigen Leser tritt freilich das actuelle Interesse dieser 


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509 


ond analoger Arbeiten hinter ihrem bleibenden Werthe als Vergleichs¬ 
objecte zurück; für ihn ist es daher in gewissem Sinne sogar vortheilhaft, 
wenn er die Werthe einer Reihe von Jahren in einem Bande vereinigt 
findet, zumal wenn ihm — wie es in dem vorliegenden Werke geschehen 
ist — die Mühe der Durchschnittsberechnungen darch die Bearbeiter 
selbst abgenommen ist 

Da das Vorwort für die Zukunft auch eine Erweiterung des Inhalts 
und anderweitige Gruppirung des Materials in Aussicht stellt, darf den 
künftigen Publicationen mit um so grosserer Hoffnung entgegen gesehen 
werden. Der in Rede stehende Bericht lasst — ebenso wie seine Vor¬ 
gänger — bedauern, dass die specielle Krankheitsstatistik nur die Lazareth- 
kranken, d. h. nur den fünften bis vierten Theil des Gesammtzuganges 
umfasst. Die militärische Statistik sollte sich den ihr ausschliesslich 
eigenthümlichen Vortheil nicht entgehen lassen, welcher daraus erwachst, 
dass sie im Stande ist, sich auf alle überhaupt zur ärztlichen Kenntniss 
kommenden Erkrankungen auszudehnen. Dass nur eine derartig voll¬ 
ständige Statistik für manche wissenschaftliche Untersuchungen brauch¬ 
bare Unterlagen zu liefern vermag, ist in dem I., auf die Friedensmorbiditat 
der Heere bezüglichen Abschnitt des zweiten Bandes des deutschen 
Kriegs-Sanitatsberichtes für 1870/71 überzeugend dargethan. 

Des Weiteren gewinnt mehr und mehr die Erkenntniss Boden, dass 
nur detaillirte Zahlen theoretische und namentlich praktische Zwecke 
zu fordern im Stande sind. Auf dem gegenwärtigen Standpunkte haben 
summarische Angaben über Erkrankungen, Todesfälle u. 8. w. kaum 
etwas Belehrendes; mehr und mehr drangt die Hygiene zu einer 
localis tischen Statistik. Die Hindernisse, welche einer solchen bei 
grossen Armeen entgegenstehen, beruhen ganz überwiegend in den tech¬ 
nischen Schwierigkeiten, welche die Bewältigung des Rohmaterials ver¬ 
ursacht; sie sind also um so leichter zu überwinden, ein je kleinerer 
Truppenverband in Betracht kommt. Der neueste Sanitatsbericht der 
bayerischen Armee über die Rapportjahre 1882/83 und 1883/84 zeigt 
den Weg, auf welchem die Militar-Sanitütsstatistik zu wandeln berufen 
ist Die Vorbedingungen für eine derartige Behandlung der Sache sind 
freilich nicht im Handumdrehen zu schaffen, doch liegen viele Mittel¬ 
stufen zwischen der bayerischen Casernenstatistik und den sehr allgemein 
gehaltenen Daten aus den belgischen Garnisonen. 

Der Krankenzugang bei der gesummten belgischen Armee betrug 
auf Hundert der Kopfstarke: 

im Jahre im Lazareth im Revier (ä la chambre) 

1880 37,73 107,08 

1881 36,59 101,57 

1882 33,00 108,70 

1883 34,72 105,13 

1884 35,39 114,27 

Für beide Kategorien fallt der Durchschnitt etwas günstiger aus als 
wahrend der Berichtsperiode von 1875—1879. Diese Abnhhme der 
Krankenziffern in neuerer Zeit ist allen europäischen Heeren, über welche 
Berichte vorliegen, gemeinsam als sprechender Erfolg der Bemühungen 
aller Culturstaaten auf dem Gebiete der Gesundheitspflege überhaupt und 
der Heereshygiene im Besonderen. 

Casuistische Mittheilungen enthalten die belgischen Armeeberichte 
nicht. Hinsichtlich des Drucks und der Ausstattung zeichnen sie sich vor 
vielen anderen vortheilhaft aus. 


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510 


Traitö d’Hygiene militaire par G. Mora che, Directeur da Service de 
santö da XVIII 6 Corps d’armee; Professeur ä la facaltö de Medecine 
de Bordeaux. Zweite gänzlich umgearbeitet« Ausgabe, mit 173 Holz¬ 
schnitten. 926 B. 8°. Paris, Bailiiere et Fils, 1886. 

Schon eine oberflächliche Betrachtung zeigt, dass das im Jahrgange 
1874, S. 453 der Zeitschrift besprochene Werk in ganz neuer, wesentlich 
erweiterter Gestalt vor uns liegt. Es hat sich in diesen 12 Jahren in 
der Organisation der französischen, wie der anderen vom Verfasser ein¬ 
gehend berücksichtigten Armeen so manche Aenderung vollzogen, die mit 
der Gesundheitspflege in engem Zusammenhänge steht. Dies allein musste 
für die Beleuchtung wichtiger Abschnitte neue Gesichtspunkte geben. 
Dennoch tritt dieses Moment zurück gegen die gewaltigen Aenderungen 
und Fortschritte, welche die Hygiene als Wissenschaft seither gemacht 
hat. Mehr und mehr auf experimentelle Ergebnisse und praktische Er¬ 
fahrungen gestützt, hat die Hygiene jetzt einen gesicherten Platz in der 
medicinischen Wissenschaft wie in der Nationalökonomie gefunden, die 
Beachtung der Behörden wie der Bevölkerung sich erzwungen und da¬ 
durch die Mittel gewonnen, ihre zielbewussten Absichten mit zunehmender 
Aussicht auf Erfolg zu verwirklichen. Jedes Capitel des Werkes musste 
nach diesen Erfahrungen aufs Neue Satz für Satz durchgearbeitet, be¬ 
richtigt, ergänzt werden. Der Herr Verfasser ist dieser Eiesenaufgabe in 
einer Weise gerecht geworden, welche ihm nicht nur bei seinen Lands¬ 
leuten, sondern bei jedem Fachgenossen zu hohem Lobe gereichen muss. 

Gleich das erste Buch, welches von der Organisation der Heere und 
ihres Ersatzes bandelt, hat dadurch ein wesentlich neues Gesicht be¬ 
kommen, dass das französische Eekrutirungsgesetz von 1872, dessen Wirk¬ 
samkeit beim Erscheinen der 1. Auflage eben begann, jetzt seit einem 
Zeitraum in Kraft ist, welcher einen abschliessenden Ueberblick über den 
wichtigen Schritt der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht gestattet. 
Nach einem historischen Rückblick finden wir neben den französischen 
die Ersatzordnungen der deutschen, österreichischen, italienischen, belgi¬ 
schen und englischen Armee gewürdigt, die Anforderungen an Grosse, 
Brustumfang, Gewicht, ebenso wie die Bedingungen der Untauglichkeit 
verglichen. Es ist interessant zu sehen, wie trotz der fast allgemeinen 
Unterstellung der Ersatzcommissionen unter Offiziere de facto überall 
dem Militärarzt die Hauptstimme zufällt, dem bei vorkommenden Unregel¬ 
mässigkeiten ja auch de jure die alleinige Verantwortung auferlegt wird. 
Ein Ueberblick über die Bedingungen der Tauglichkeit für die verschiedenen 
Waffengattungen, sowie über die Behandlung der Rekruten bis zu ihrer 
Einstellung in die Truppe schliesst dieses Capitel. 

Das zweite Buch behandelt die Unterkunft des gesunden 
Soldaten. Hier sind durch die seit 1874 festgestellten neuen Systeme 
(z. B. das Tollet’sche) eine grosse Reihe von Aenderungen zu besprechen 
gewesen. Wir finden die Casernen nach Platz, Anordnung der Gebäude, 
innerer Einrichtung, Heizung, Beleuchtung, Ventilation etc. in der er¬ 
schöpfendsten Weise behandelt. Es giebt keinen Punkt aus dem ganzen 
Gebiet, über den sich der suchende Militärarzt hier nicht Rath erholen 
könnte, ob er nun die Wohnungen im engeren Sinne, ob er die Neben¬ 
räume, wie Höfe, Küchen, Wachen, lnfirmerien, Werkstätten, Stalle, 
Arrestlocale etc. kennen zu lernen wünschte. Alles ist nach dem neuesten 
Standpunkte der Technik mit ebenso sachgemässer wie ma&ssvoller Kritik 
beleuchtet. Es folgt die Besprechung der Can tonne men ts im Kriege, so- 


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wie der Unterbringung von Truppen in öffentlichen Gebäuden von 
ursprünglich anderer Bestimmung; ferner die Quart)erverhältnisse in 
befestigten Plätzen. Mit grosser Klarheit sind endlich die gesundheitlichen 
Bedingungen der Lager und Biwaks, der Baracken und Zelte erörtert 
und durch werthvolle Rathschläge für die Erhaltung eines guten Gesund¬ 
heitszustandes bei lagernden Truppen vervollständigt. Das zweite Buch 
ist das längste und am meisten specialisirte des ganzen Werkes. 

Das dritte Buch fixirt, so gut dies möglich, den gegenwärtigen Stand¬ 
punkt der militärischen Bekleidung und Ausrüstung. Es liegt in 
der Natur der immer steigenden Anforderungen an weitgehendste Be¬ 
weglichkeit grosser Truppenmassen, dass dies ganze Gebiet sich bei den 
grossen europäischen Heeren in einer dauernden Vervollkommnung, also 
Umwälzung befindet, die noch keinen Abschluss sehen lässt. Daher kann es 
nicht Wunder nehmen, dass Verfasser, der andere Armeen, namentlich 
die deutsche, genau berücksichtigt, hier und da Dinge als noch in Kraft 
befindlich angiebt, die es nicht mehr sind. So z. B. den Czako der 
Landwehr, der bereits seit Jahr und Tag durch den Helm*), und die 
österreichische Blouse, welche inzwischen bei Ulanen und Dragonern 
stellenweise durch einen Pelzrock ersetzt, in allerneuester Zeit jedoch in 
verändertem Schnitt und beschränkterer Anwendung restituirt worden ist 

Im vierten Buch über die M und Verpflegung ist in geradezu er¬ 
schöpfender Weise den Fortschritten Rechnung getragen, welche durch die 
stetig vervollkommnete Conservenfabrikation einerseits, die hiermit schritt¬ 
haltende hygienische Prüfung der Nahrungsmittel andrerseits bedingt sind. 
Doch hält sich Verfasser in letzterer Beziehung streng an das, was der 
Militärarzt zu leisten im Stande ist, auf specielle Untersuchungsmethoden 
geht er nicht ein. Mit besonderer Genauigkeit ist namentlich die Feld¬ 
portion des Soldaten erörtert, deren richtige Zusammenstellung und recht¬ 
zeitige Beschaffung heutzutage an den Scharfsinn der Hygieniker, wie an 
die Leistungsfähigkeit der Intendanturen enorme Anforderungen stellt, wenn 
es sich um Concentration moderner Massenheere handelt. Als besonders 
gelungen sind die Capitel über Brot und Alkoholika hervorzuheben. 

Unter dem Titel „Das militärische Leben des Soldaten“ finden 
wir im fünften und letzten Buche die Abhandlung aller Thätigkeitszweige, 
welche auf die Gesundheit des Mannes Einfluss zu gewinnen ira Stande 
sind, so lange er unter den Waffen ist. Exerciren, Turnen, Marschiren, 
Casernenleben werden sowohl im Allgemeinen, wie nach den Verhältnissen 
der einzelnen Waffengattungen besprochen Hierbei ist auch in einem 
besonderen Abschnitte der Gesundheitspflege in europäischen und colonialen 
Kriegen Rechnung getragen. Dies ganze Buch ist — unter dem Druck 
des ins Riesige gewachsenen Gesammtstoffes — nicht so eingehend in 
der Darstellung wie die früheren. Besonders aber gilt dies von dem 
geradezu stiefmütterlich behandelten letzten Capitel desselben, welches 
den Hospitälern gewidmet ist. Neben dem System Tollet ist kaum ein 
anderes näher gewürdigt; die deutschen Grundsätze für den Neubau von 
Friedenslazarethen vom 19. Juni 1878, durch welche das Blocksystem 
reglementarisch eingeführt worden ist, scheinen dem Herrn Verfasser 
ebenso wenig zur Hand gewesen zu sein, wie die in mannigfachen Werken 

•) Der vom Verfasser S. 451 als Modele general abgebildete preussische Helm 
ist nicht das allgemeine Modell, sondern ein Generalshelm. Wahrscheinlich liegt 
jener Bezeichnung ein sprachlicher Irrthum zu Grunde. 


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gegebenen Abbildungen deutscher Militärkrankenhäuser, welche zahlreichen 
anderen, auch ausländischen Anlagen zum Muster gedient haben. Auch 
bei der Besprechung vorübergehender Unterkünfte für Kranke ist zwar 
der Antwerpener Ausstellung gedacht, indessen nur die Ravenez’sche 
Baracke als preisgekrönt erwähnt. 

Eine kurze Üebersicht der Desinfectionsmethoden und eine summa¬ 
rische Verluststatistik moderner Armeen aus den letzten Kriegen bilden 
den Schluss des Werkes, welches, unbeschadet kleiner Ausstellungen, zu 
den bedeutendsten Erscheinungen in der heutigen Hygiene-Litteratur gehört. 

Verfasser will mit seiner Arbeit nicht bloss die Aerzte, sondern auch 
die Commandobehörden für das wichtige Studium der Militärgesundheits¬ 
pflege einnehmen. Dass ihm dies gelingen wird, ist ausser Zweifel. Die 
Nichtbeachtung hygienischer Grundsätze straft sich unerbittlich durch Ver¬ 
minderung der Schlagfertigkeit eines Heeres. Diese zu erhalten und zu 
erhöhen, ist in unserer Zeit des bis an die Zähne bewaffneten Friedens 
eine so gebieterische Forderung der Selbsterhaltung einer Nation, dass 
keine Militärverwaltung die Verantwortung auf sich nehmen wird, hygie¬ 
nischen Forderungen nicht vollste Rücksicht zu gewähren. 

Die Ausstattung des Werkes ist tadellos. Der Druck zwar klein, 
aber durch Zeilendistanz und Schärfe der Typen ausserordentlich klar 
und übersichtlich. — . — 


fflittheilnngen. 


Sanitäts-Offiziers-Gesellschaft zu Dresden. 

3. (163.) Sitzung. 

Donnerstag, den 11. März 1886. 

Stabsarzt der Reserve Dr. Mund: Ueber statische Electricität 
und deren therapeutische Verwendung. 

Redner vergleicht die therapeutischen Wirkungen der statischen 
Electricität und der sonst verwendeten Electricitätsarten, besonders des 
galvanischen Stromes. 

Nach Erörterung einiger Vorbegriffe und Demonstration der ent¬ 
sprechenden Apparate bespricht Redner die physiologischen Wirkungen 
des Maschinenstromes mit eingeschalteter Luftstrecke: Erhöhung der 
Pulswelle, Vermehrung der Ausdünstung und Diurese sind die objectiven 
Merkmale der Reizung; zugleich findet eine intensive Reizung der 
sensiblen Nerven und Contraction der oberflächlichen Muskeln, erst 
Contraction, dann Erweiterung der Gefässe der Haut statt. Die Leydener 
Flasche ist dem Inductionsstrom insofern überlegen, als die Hant dem 
Entladungsstrom des Condensators kaum Widerstand entgegensetzt und 
die Leydener Flasche genaue Abmessung des Electricitätsquantums gestattet. 
Nach kurzer Schilderung der Einwirkung auf die Sinnesnerven und der 
localen Faradisation, sowohl mit als ohne eingeschaltete Luftstrecke, 
demonstrirt der Vortragende einen von Lean es construirten tragbaren 
Apparat zur Anwendung der statischen Electricität. Als diagnostisch 
besonders wichtig hebt er hervor, dass gelähmte Muskeln die Reactioo 
gegen statische Electricität erst verlieren, wenn die faradische Erregbar¬ 
keit längst erlosch. 


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513 


4. (164.) Sitzung. 

Donnerstag, den 18. März 1886. 

Stabsarzt Dr. Balm er: Die Erkrankungen des Nerven¬ 
systems bei den Deutschen Heeren im Feldzuge 1870/71, nach 
dem VII. Bande des Kriegs-Sanitätsberichts. 

5. (165.) Sitzung. 

Donnerstag, den 15. April 1886. 

Stabsarzt der Reserve Dr. Cahnheim: Reiseskizzen aus 
Tunis. 

Redner giebt zunächst einen kurzen Ueberblick über die Geographie 
der Regentschaft und Stadt Tunis und schildert dann die militärischen 
Verhältnisse, so weit sie ihm bekannt geworden. Danach soll die 
tunesische Landmacht bestehen aus 7 Infanterie-, 4 Artillerie-Regimentern 
und einer Abtheilung C&vallerie in einer Gesammtstärke von ca. 20 000 Mann 
Der Effectivbestand ist im Ganzen ungefähr 2—3000 Mann, von denen 
ungefähr 1000 Mann in der Hauptstadt stehen und der Rest in den 
Provinzgarnisonen Kernan, Susa, Sfax, Gabes und Monastir. Die Ca- 
vallerie existirt in Wirklichkeit nur auf dem Papier oder besteht viel¬ 
mehr aus ein paar Obristen und ungefähr 20 Mann ohne Pferde. Es 
giebt für diese Armee etwa 100 Generale und tausend Offiziere aller 
&rade« Die Bezahlung des Heeres ist dessen Diensten entsprechend, 
d. b. etwas mehr als nichts, so dass z. B. der gemeine Soldat an monat¬ 
lichem Solde 2 M. 40 Pf., der Lieutenant (Molasser) 11 M., der Haupt¬ 
mann 18 M., der Oberst 116 M. erhalten soll; doch der Sold ist stets 
viele Monate im Rückstand und wird im besten Falle nur theilweise be¬ 
zahlt. Offiziere und Mannschaft erhalten von der Regierung Wohnung, 
Kleidung und Kost; die Tagesration soll betragen für den gemeinen 
Soldaten 2 Laib Schwarzbrot, 100 Gramm Olivenöl und Gemüse, zwei¬ 
mal wöchentlich Fleisch; für den Offizier 2 Laib Brot und 1 Pfund 
Fleisch. Es würden non Sold und Verpflegung bei der Bedürfnisslosig- 
keit des Orientalen ausreichen, jedoch es läuft alles dieses durch die 
Hände so vieler Generale, Obersten undCapitane, dass vom Sölde nichts, von 
der Kleidung alte Fetzen und von derKostBrot and ranziges Oel übrig bleiben. 
Die Besichtigung der Kasernen, welche in ziemlich gatem Zustande 
waren, der Militärforts, des Artilleriedepots und des Arsenals zeigten 
überall dieselbe schreckliche Misswirtschaft. Eine feste Militärdienst¬ 
zeit oder geregelte Aushebung giebt es nicht, sondern ist der Willkür 
des Kriegsministers und seiner Offiziere überlassen. Jedenfalls ist das 
Loos des tunesischen Soldaten in keiner Richtung ein beneidenswertes. 

Nachdem der Vortragende noch einige Streifliäter auf das tunesische 
Haremsleben, sowie auf das Gerichts- und Gefängnisswesen geworfen bat, 
schlie88t er den Vortrag. 

6. (166.) Sitzung. 

Donnerstag, den 20. Mai 1886. 

StabsarztDr. Seile: Referat über den diesjährigen Congress 
deutscher Chirurgen in Berlin. 


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514 


General-Rapport 

von den Kranken der Königlich Preussischen Armee, des XU. (Königlich 
Sächsischen^ nnd des XIII. (Königlich Württembergischen) Armee-Corps, 
so wie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich Bayerischen 
Besatiungs-Brigade pro Monat Jnli 1886. 

1) Bestand am 30. Juni 1886: 10 761 Mann and 47 Invaliden 

2) Zugang: 

im Lazareth 10 246 Mann und 2 Invaliden, 

im Revier 18 296 - - 11 _ 

Summ a 28 542 Mann und 13 Invalidem 
Mithin Summa des Bestandes und Zuganges 39 303 Mann und 60 Invaliden, 
in Procenten der Effectivstarke 9,8% und 21,2%. 


3) 


o o 

geheut . 

27 405 

Mann, 

16 

Invaliden, 

gestorben .... 

75 

- 

2 

- 

invalide. 

234 

- 

— 

- 

dienstunbrauchbar . 

328 

- 

— 

- 

anderweitig . . . 

445 

- 

— 

- 

Summa . • 

28 487 

Mann, 

18 

Invaliden. 


4) Hiernach sind: 

geheilt 69,7% der Kranken der Armee und 26,7% der erkrankten 
Invaliden, 

gestorben 0,19% der Kranken der Armee und 3,3% der erkrankten 
Invaliden. 

5) Mithin Bestand: 

am 31. Juli 1886 10 816 Mann und 42 Invaliden, 

in Procenten der Effectivstarke 2,8% und 14,8%. 

Von diesem Krankenstände befanden sich: 

im Lazareth 7 239 Mann und 3 Invaliden, 
im Revier 3 577 - 39 

Es sind also von 524 Kranken 365,4 geheilt, 1,0 gestorben, 3,1 als 
invalide, 4,4 als dienstunbrauchbar, 5,9 anderweitig abgegangen, 144,2 im 
Bestand geblieben. 

Von den Gestorbenen der activen Truppen haben gelitten an: Ma¬ 
sern 1, Rose 3, Unterleibstyphus 8, acutem Gelenkrheumatismus 1, Hits¬ 
schlag 2, Hirn- und Hirnhautleiden 6, Lungenentzündung 13, Lungen¬ 
schwindsucht 20, Brustfellentzündung 4, Herzleiden 1, Lymphdrüsenent¬ 
zündung 1, Darmkatarrh 2, Leberleiden 2, Bauchfellentzündung 3, Nieren¬ 
leiden 4, Furunkel 1; an den Folgen einer Verunglückung: Hufschlag 1, 
Stichwunde bei einer Schlagerei 1; an den Folgen eines Selbstmordver¬ 
suchs: Erschiessen 1. Von den Invaliden: an Epilepsie 1, Lungenent¬ 
zündung 1. 

Mit Hinzurechnung der nicht in militararztlicher Behandlung Verstor¬ 
benen sind in der Armee im Ganzen noch 44 Todesfälle voroekommen, 
davon 4 durch Krankheiten, 19 durch Verunglückung, 21 durch Selbstmord. 
Von den Invaliden: durch Krankheiten 3; so dass die Armee im Ganzen 
119 Mann und 5 Invaliden durch den Tod verloren hat. 


Qedrnckt io der Königlichen Hofhuchdruckerei von E. 8. Mittler und Sohn in Berlin, Kochetrua* M-79. 


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Deutsche 


Militärärztliche Zeitschrift. 


Redaction: 

Dr. 3*. <£eittQ0fi>, Generalarzt, 

Berlin, Taubenstrasse ö, 

u. Dr. <£ett9ar$, Stabsarzt, 

Berlin, Kaiser Franz Grenadier-Platz 11/12. 


Verlag: 

C. 

Königliche Hofbuchhandlang, 
Berlin, Kochstrasse 68—70. 


Monatlich erscheint ein Heft von mindestens 3 Druckbogen; dazu ein „Amtliches Beiblatt“. Der 
Zeitschrift wird das Werk: „Jahresbericht fiber die Fortschritte auf dem Gebiete des Milit&r- 
Sanitats-Wesens“, herausgegeben vom Generalarzt Dr. Roth, unentgeltlich beigegeben. Bestellung 
nehmen alle Postämter und Buchhandlungen an. Preis des Jahrgangs 15 Mark. 


XY. Jahrgang. 1886 . Heft 11. 


lieber Bronchialasthma. 

(Nach einem Vortrage, gehalten in der militärärztlichen Gesellschaft am 21. Juli’1886.) 

Von E. Leyden. 

(Mit einer Tafel in Lichtdruck.) 

M. H.I Der Gegenstand meines heutigen Vortrages betrifft eine Krank¬ 
heit, welche sowohl in früherer, wie auch in neoerer Zeit, sowohl in 
theoretisch-pathologischer, sowie in praktisch-therapeutischer Beziehung 
Gegenstand lebhafter und wiederholter Discussionen gewesen ist. Da 
ich mich selbst vor Jahren durch eigene Untersuchungen an der schweben¬ 
den Frage betheiligt habe, so darf ich mir wohl auf einige Minuten Ihre 
Aufmerksamkeit erbitten, um den Standpunkt darzulegen, den ich den 
verschiedenen Ansichten gegenüber selbst zur Zeit einnehme. 

Ehe ich jedoch auf die gegenwärtig in Discussion stehenden Punkte ein¬ 
gehe, scheint es mir zweckmassig, daran zu erinnern, dass die Lehre vom 
Asthma ein altes medicinisches Problem darstellt, dessen fortschreitenden 
Entwickelungsgang ein Blick auf die Geschichte der Medicin darlegt. 
Diese gegenwärtig leider so wenig cultivirte Disciplin mag uns auch hier 
veranschaulichen, wie die wichtigsten und schwierigsten Fragen der 
Medicin schon in frühester Zeit in Angriff genommen worden sind. Zuerst 
in allgemeinen, häufig unklaren Umrissen erfasst, sehen wir dieselben unter 
den im Laufe der Zeit angesammelten Erfahrungen nach und nach an Licht 
und Gestalt gewinnen. Die Fortschritte geschehen nicht gleichmassig, son¬ 
dern in Epochen. Nach anscheinend längerem Stillstand tritt ein grosser Fort- 

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516 


schritt ein, geknüpft an einen illustreq. Namen. So giebt jede Zeit ihren 
Beitrag znr Losung wichtiger Fragen; auch unsere Zeit greift io 
emsiger Arbeit fördernd in das gemeinsame Werk ein. Als ein Glied in 
der Kette der Jahrhunderte nehmen wir dasjenige, was die Vorfahren 
geleistet haben, dankbar auf und übergeben das Werk den künftigen 
Geschlechtern, durch eigene Arbeit gefördert und bereichert, selbst wenn 
die völlige Lösung in weite Ferne gerückt erscheint. 

Eine solche fortschreitend sich entwickelnde Arbeit zeigt uns auch 
die Geschichte des Asthma. 

Die alte griechische Medicin hat das Asthma nicht als eine besondere 
Krankheitsform unterschieden, aber das krankhaft erschwerte Athroen 
wohl gekannt und gewürdigt. Von Celsus rührt die Eintheilung in 
drei Grade her: die Dyspnoe, das Asthma, die Orthopnoe, letztere als 
der höchste Grad des erschwerten Athmens. Eine Andeutung des asthma¬ 
tischen Anfalles liegt in dem Satze: „ist der Anfall aber heftiger, so dass 
der Kranke ohne Geräusch und Keuchen nicht athmen kann, so heisst 
es Asthma“. — Die arabischen Aerzte unterscheiden ein Asthma humidum 
und ein Asthma siccum. Bedeutungsvoller ist die Bemerkung des Are- 
taeus von Cappadocjen, welcher eine vortreffliche Schilderung des 
Asthma hinterlassen hat und derselben hinzusetzt: „wenn das Herz dabei 
leidet, so bleiben die Kranken nicht lange am Leben“. Dieser Satz be¬ 
weist, dass der Autor bereits das Herzasthma (Asthma cardialc) von dem 
gewöhnlichen Asthma zu unterscheiden weiss und die weit gefährlichere 
Bedeutung desselben kennt. 

Indessen bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts findet sich keine be¬ 
stimmte Angabe über ein nervöses oder spasmodisches Asthma. Eine 
solche Auffassung ist allerdings zuerst von van Helmont ausgesprochen, 
welcher die Krankheit mit der Epilepsie vergleicht und sie geradezu als 
Morbus caducus pulmonum bezeichnet. Das Auftreten in Anfällen, 
das Krampfartige ist hiermit gekennzeichnet. Jedoch eine genaue Be¬ 
schreibung der Krankheit verdanken wir erst in der nächstfolgenden 
Zeit drei englischen Aerzten, welche selbst an dieser lästigen Krankheit 
litten. Der erste und maassgebende ist der berühmte englische Arzt 
Thomas Willis,*) derselbe, welcher durch den Nervus accessorius und 
den Circulus arteriosus in der Anatomie, durch die Entdeckung des 
Zuckers im Harn der Diabetischen in der Pathologie hochberühmt ist. 
Willi8 gab die erste minutiöse Beschreibung der Krankheit, begründete 


*) Pathologiae cerebri et nervosi generis specimen. London 1682. 


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517 


dadurch die Diagnose und verschaffte der Ansicht von der nervösen 
Natur der Krankheit allgemeine Geltung; er führte übrigens auch den 
Gebrauch des Opiums als regelmässige Therapie des Asthma ein. Dieser 
Arbeit reihen sich würdig an die Abhandlungen von Floyer (1703)*) und 
von Bree (1808).**) 

Hieran schliesst sich die Beschreibung anderer abweichender 
Formen von Asthma, wie des Asthma Millari (1769) und Asthma Koppii 
s. thymicum.***) 

Die Ansicht von Willis blieb für lange Zeit die herrschende. Die 
in den ersten Anfängen aufstrebende experimentelle Physiologief) Haller’s 

*) Treatise on Asthm. 1698. 2. Aufl. 1703. 

**) A practical Inquiry into disordered respiration distinguishing the Species 
of Convulsive Asthma (1800). Eigentümlich und bemerkenswerth ist die Ansicht, 
welche Bree über den asthmatischen Anfall aufstellt. Er meint, dass alle excessive 
Muskelaction, welche ihn begleitet, nur eine ausserordentliche Anstrengung sei, um 
eine schädliche, reizende Materie, die sich in den Luftwegen befindet, flott zu 
machen und zu entfernen, ähnlich wie der Tenesmus oder die krampfartige Con- 
traction der Blase ausserordentliche Anstrengungen sind, um die Quelle der Reizung 
zu entfernen. Die reizende Materie müsse bereits vor dem Anfall in den Luft¬ 
wegen vorhanden sein. Diese Ansicht stützt Bree auf die Thatsache, dass in der 
grossen Mehrzahl der Fälle auf den asthmatischen Paroxysmus eine copiöse 
Schleimsecretion folgt. 

***) Auch in neuerer Zeit hat England mehrere Monographien über Asthma 
aufzoweisen, und zwar von H. Ramadge (1847), von Hy de Salter (1860) und von 
B. Berkart (1878). 

f) Schon relativ frühzeitig sind Versuche angestellt worden, um die vitale 
Lungencontraction zu erweisen. Die ersten Versuche derart rühren von Boimont 
(Histoire de l’Academie des Sciences. Paris 1729) her, in der primitivsten Weise 
dargestellt, derart, dass man bald eine, bald beide Seiten der Brusthöhle (bei 
Thieren) anstach und, je nachdem die Lunge aus der Oeffnung hervortrat oder sich 
zurückzog, Schlüsse über die gestellte Frage zog. Aus seinen Beobachtungen an 
Fröschen mit geöffnetem Brustkasten kam Boimont zu folgendem Schluss: Ces ob- 
servations prouvent asscz bien la force particuliere des fibres du poumon, et de- 
montrent, que leur action depend de la volonte dans certains animaux. — Nicht lange 
darauf hat Haller (Memoires etc., Lausanne 1756) den Lungen eine vitale Con- 
traction oder Irritabilität abgesprochen. M. Varnier (1779) sagt, er habe mit 
blossem Auge merkliche Contractionen an den freigelegtcn, mit einem Stabe ge¬ 
stochenen Lungen beobachtet. Auch Prochaska (Lehrsätze aus der Physiologie des 
Menschen. Wien 1801) sagte: „Die Lunge hat eine Kraft, sich zusammenzuziehen. 
Man sieht z. B. am lebenden Hunde, dessen Brust eröffnet ist, wie sich augenblick¬ 
lich die Lunge so klein zusammenzieht, dass sie nur den kleinsten Theil der 
Brusthöhle ausfullt.“ Licht in diese Verhältnisse brachten erst die classischen Unter¬ 
suchungen von Don der s, welcher nachwies, dass diese Zusammenziehnngen nicht 
Effecte einer Contraction, sondern der Elasticität des Lungengewebes sind. — Die 

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518 


suchte die Fähigkeit der Lungen zu krampfartigen Contractionen nach¬ 
zuweisen. Als nun im Jahre 1822 durch Reisseisen*) in Berlin das 
Vorhandensein von glatten Muskelfasern in den Wandungen der kleinen 
Luftröhrenäste entdeckt wurde, gewann die Anschauung von spasmodi¬ 
schem Asthma eine wesentliche Bereicherung. Besonders auf Rom- 
b er g’s**) Autorität gestutzt, erwarb sich die Theorie des Bronchialkrampfes 
als Ursache des spasmodischen Asthma fast allgemein Geltung. Diesem 
Standpunkte entspricht die im Jahre 1850 erschienene gekrönte Preis¬ 
schrift von Bergson.***) 

Wie bekannt, zählt die von Willis begründete, von Romberg be¬ 
stimmt formulirte Auffassung bis heute die meisten Anhänger. 

Indessen blieb diese Auffassung keineswegs in ungestörter Geltung. 
Der Begriff des Asthma und besonders des spasmodischen Asthma be¬ 
ginnt zu wanken und sich zu verwirren. Zwar war es ein wesentlicher 
Fortschritt, dass die von Herzkrankheiten ausgehenden asthmatischen 
Zustande, namentlich seit der Beschreibung der Angina pectoris durch 
Hebenden, gänzlich vom spasmodischen (convulsivischen) Asthma abge¬ 
sondert wurden. 

Aber das nervöse Asthma selbst beginnt in seiner Wesenheit zu ver¬ 
schwimmen, einerseits durch die jetzt sich breit machende planlose Abson¬ 
derung systematischer Krankheitsbilder, andererseits durch die strengen 
Anforderungen der neu aufstrebenden pathologischen Anatomie. 

Die Symptomatologie unterschied allgemach eine zahllose Fülle von 
Asthmaformen, indem fast jeder besondere Fall von asthmaäbnlicher 
Dyspnoe zu einer eigenen Form des Asthma gestempelt wurde. Wir 
finden nunmehr nicht allein das Asthma Millari (1769) und Asthma 
Koppii, sondern auch ein Asthma bystericum, uterinum, dyspepticum, 
herpeticum, arthriticum, ja selbst ein Asthma carcinomatosum. Hiermit 
ging die schon erworbene und anscheinend fest begründete Schärfe des 
Krankheitsbildes verloren. 

späteren zahlreichen experimentellen Untersuchungen über die Contractionsfähigkeit 
der Bronchien und über die Wege, auf welchen eine solche Contraction auszulösen 
ist, wollen wir hier nicht aufzählen, es kam uns nur darauf an, die ersten Versuche 
der experimentellen Physiologie auf diesem "Felde zu nennen und zu zeigen, wie 
fest bei den Aerzten die Idee einer Contractionsfähigkeit der Lungen wurzelte. 

*) Reisseisen, Ueber den Bau der Lungen. Berlin 1822. Gekrönte Preis- 
schrift. 

**) Lehrbuch der Nervenkrankheiten. Berlin 1841. Er definirt das Asthma 
bronchiale als Spasmus bronchialis in Folge von Vagusreizung. 

***) Das krampfhafte Asthma der Erwachsenen. Berlin 1850. 


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Noch einschneidender ging die pathologische Anatomie vor. Man 
beginnt, die idiopathische Natnr des Asthma in Abrede zu stellen, ihm 
nnr eine symptomatische ßedeutung zuzuerkennen, da die Section bei 
solchen, welche an Asthma gestorben waren, ganz verschiedene Läsionen 
der Brustorgane und des Herzens nach wiesen. Bereits Morgagni macht 
die Bemerkung, es scheine ihm, dass manche Aerzte unter dem Einfluss 
der Lehre von Th. Willis Lungenkrankheiten, welche offenbar aus Ver¬ 
stopfungen derLungengefässe entstanden seien, für nervöses oder krampf¬ 
haftes Asthma gehalten hätten. Namentlich ist es die berühmte patholo¬ 
gisch-anatomische Schule von Paris, welche die Berechtigung eines 
spasmodischen oder nervösen Asthma bestreitet und andere Auf¬ 
fassungen einfuhrt. Ros tan (1822) behauptet, dass die Symptome des 
Asthma besonders bei Greisen von Fehlern des Herzens und der grossen 
Gefässe herrührten. Bouillaud erklärt, dass ohne eine organische 
Storung der Respirations- oder Circulationssysteme überhaupt kein 
Asthma vorkäme. Bekannt ist die Auffassung Laennec’s, welche eine 
Vermittelung der physikalischen Diagnostik und der pathologischen 
Anatomie darstellt. Laennec unterscheidet nach den physikalischen 
Zeichen (auch dem Auswurf) den trockenen Catarrh (Catarrhe sec) und 
bringt denselben einerseits mit dem Asthma, andererseits mit dem vesi- 
culären Lungeuemphysem in Beziehung. Daneben erkennt Laennec 
noch das Asthma spasmodicum als eine idiopathische Krankheit, einen 
Morbus sui generis an, da es ihm trotz der sorgfältigsten Untersuchung 
in einigen (todtlich verlaufenen) Fällen nicht gelungen war, eine organische 
Läsion nachzuweisen, auf welche man das Asthma hätte zurückführen 
können. 

Rokitansky vertritt den rein pathologisch - anatomischen Stand¬ 
punkt: das Emphysem stellt eine substantielle Erkrankung der Lungen 
dar, welche unstreitig vielen für nervös angesehenen Fällen von Asthma 
zu Grunde liegt. 

In solcher Weise war durch die auf physikalischer Diagnostik und 
pathologischer Anatomie basirte moderne Klinik der Begriff des nervösen 
Asthma arg bedrängt. Soweit ich selbst mich entsinne, war zu meiner 
Zeit auf den Kliniken von Asthma kaum die Rede. Der trockene oder 
capilläre Katarrh und das Lungenemphysem resp. das Volumen pulmonum 
auctum prävalirten. Als vor ca. 25 Jahren (1862) in der hiesigen medi- 
elnischen Gesellschaft eine Discussion über Asthma stattfand, erklärte 
Traube den asthmatischen Anfall für einen Catarrhus pulm. acutissimus. 

Inzwischen war auf der anderen Seite zwar der Begriff des Spora- 


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diseben und Anfallsweisen beibehalten, aber die Theorie des Bronchial¬ 
krampfes verworfen worden. Wintrich*) legte klar, dass die schwachen 
Muskelfasern der Bronchialwände unmöglich eine solche tonische Con- 
traction leisten können, um dem Zug der kräftigen Inspirations-Muskeln za 
widerstehen. Der Spasmus bronchialis als Ursache des asthmatischen Anfalls 
sei unmöglich; statt dessen stellt W. die Theorie des Zwerchfellkrampfes 
auf, d. h. die Entstehung des asthmatischen Anfalls durch spastische 
Contraction des Zwerchfells, eine Theorie, der sich Bamberg er**) und 
neuerdings Riegel angeschlossen haben. 

Die Discussionen ruhten nun eine Weile, bis sie im Beginn der sieb¬ 
ziger Jahre durch klinische Arbeiten und durch die von Lange und 
Vivenot eingeführte, gerade für diese Krankheit gerühmte pneumatische 
Therapie wieder in Fluss kamen. 

Im Jahre 1870 machte Bi er m er in einem klinischen Vortrage 
(No. 12 in Volkmann’s Sammlung): Ueber Bronchialasthma auf 
die eclatante Wirkung des Chlorals zur Linderung heftiger asthmatischer 
Anfälle aufmerksam und legte zugleich seine Ansichten über diese Krank¬ 
heitsform dar. Er tritt mit Entschiedenheit für den Bronchialkrampf 
gegen den Zwerchfellkrampf ein und wirft als Erscheinungen von wichtiger 
Beweiskraft die bei Asthma so häufig auftretende acute Lungenblähung, 
sowie die stark behinderte Exspiration in die Wagschale. Freilich wäre 
ein Bronchialkrampf bis zum Verschluss des Lumen bei ganz intacten 
Bronchien kaum begreiflich, es müsse daher eine Fluxion oder ein Katarrh 
der feinen Bronchien hinzutreten.***) 

Für dieses „Fluxionselement“ ist auch H. Weber eingetreten, der 
sich übrigens dem Standpunkte Bier m er’8 anschliesst. 

Ein Jahr später veröffentlichte ich selbst in Virchow’s Archiv Bd. IV 
S. 324: „Zur Kenntniss des Bronchialasthma u meine Untersuchungen über 
einen eigentümlichen, in mehrfacher Beziehung bemerkenswerthen Aus¬ 
wurf, welchen ich zur Symptomatologie und Pathologie des Asthma in 
nahe Beziehung brachte und als ein wesentliches Merkmal desselben be¬ 
trachtete. 

Ich gab die folgende Beschreibung des Auswurfs bei Bronchialasthma. 
„ Derselbe ist sparsam im Anfall, reichlicher nach demselben, im Allgemeinen 

*) Virchow’s Handbuch der spec. Pathologie und Therapie. 

**) Würzburger med. Zeitschrift Band VI Heft 1 u. 2. 

***) Biermer hat auf der diesjährigen Naturforscher-Versammlung in einem in der 
inneren Section gehaltenen Vortrage seine früheren Ansichten und Gründe nochmals 
auseinandergesetzt und aufrecht erhalten. 


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521 


zähe, grauweiss, stark schaumig und enthält in einer durchscheinenden, fast 
glasigen Grundsubstanz eine grosse Anzahl kleiner Flocken, Fäden und 
Pfropfe. Unter diesen charakterisirt sich eine Anzahl dadurch, dass sie 
rundliche Pfropfe oder fadenförmige Würstchen bilden, trocken sind, von 
derber Consistenz, und dass sie, unter dem Deckglase zerdrückt, ein 
krümeliges Aussehen von mattem Glanze darbieten. Unter dem Mikro¬ 
skop stellen sie ein dicht gehäuftes Convolut von bräunlichen körnig zer¬ 
fallenen Zellen dar, zwischen denen mehr oder minder reichlich eigen- 
thümliche zierlicheKrystalle abgelagert sind. Die Zellen sind meist zer¬ 
fallen, durch eine feinkörnige Zwischensubstanz zusammengehalten, welche 
Molecularbewegung zeigt. Nichts aber, was Aehnlichkeit mit Sporen- 
bildung oder gar Pilzbildung hätte. Ausser den Krystallpfröpfen finden 
sich noch viele weichere, manche aus zusammengeklebten Eiterzellen, 
Lungen- und Cylinder- resp. Flimmerepithelien bestehend. Die grossen 
Zöllen zeigen theils myelinartigen Zerfall, theils erscheinen sie als Haufen 
von gelbbraunen körnig pigmentirten Zellen.“ — „Zwischen diesen Zellen 
findet sich eine mehr oder minder grosse Anzahl sehr zierlicher Krystalle 
eingebettet; sie sind farblos (oder grünlich), haben einen matten ruhigen 
Glanz und die Form sehr spitzer Octaeder.*) Ihre Grösse ist sehr 
wechselnd, einige so gross, dass sie sofort in die Augen fallen, andere 
erst bei stärkster Vergrösserung durch Immersion erkennbar. Die Krystall- 
form war im Allgemeinen regelmässig und scharf ausgeprägt, doch zeigten 
sich auch unvollkommene Bildungen von Zwillingskrystallen etc., besonders 
aber war es auffällig, wie ihre Consistenz offenbar eine weiche war; 
denn viele zeigten sich durch den Druck bei der Präparation zerbröckelt, 
in würfelförmige oder kegelförmige Stücke zerfallen, die noch in natür¬ 
licher Anordnung nebeneinander lagen; die Brucbflächen waren im 
Ganzen glatt, so dass eine erhebliche Sprödigkeit augenscheinlich nicht 
vorlag.“ 

Ich habe der obigen Beschreibung nichts Wesentliches hinzuzufügen; 
nur das sei noch hervorgehoben, dass die Menge des Auswurfs in den 
einzelnen Fällen sehr wechselt. Sie beträgt zuweilen nur einen Theelöffel 
oder kaum soviel in 24 Stunden, oder sie steigt bis zu V* zu 7a Liter pro 
Tag. Der reichliche Auswurf ist sehr dünnflüssig, aber doch fadenziehend, 
die Flüssigkeit enthält neben Schleim auch Eiweiss. Je sparsamer der 
Auswurf, um so zäher ist er, seine Farbe ist öfters grünlich bis grasgrün, 
zuweilen deutlich blutig. Die Zahl und Grösse der Fäden und Pfropfe 


*) Die Winkel betragen 18° und 162°. 


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522 


wechselt Nicht selten findet man grossere fibrinöse Fäden, selbst bis 
zur Dicke eines Wollfadens, mitunter 1 cm lang und mehr, mitunter 
sogar verzweigt, also Gebilde, welche der sogenannten fibrinösen 
Bronchitis entsprechen. Diese Fibrinfäden enthalten meistens sehr zahl* 
reiche Krystalle, zuweilen wenige, zuweilen gar keine. 

Figur 1 ist einem solchen Fibrinfaden entnommen und zeigt inmitten der 
faserigen Zeichnung zahllose Asthmakrystalle von verschiedenster Grosse. 

Auch die von Curschmann beschriebenen Spiralfäden habe ich damals 
schon gesehen und beschrieben. 

Dieser eigenthümliche Auswurf erscheint nun gewöhnlich im Gefolge 
des asthmatischen Paroxysmus in derjenigen Periode der Krankheit, wo 
überhaupt die Anfälle typisch ausgeprägt, von Pfeifen, abgeschwäcbtem 
Athmen und erschwerter Exspiration begleitet sind. Wenn dieser Aus- 
wurf im Allgemeinen den Charakter des Sputum crudum trägt, so treten 
nach einiger Zeit Zeichen der Lösung ein, der Husten wird leichter, die 
Atbmung freier, die Expectoration ergiebiger. Der Auswurf verliert an 
Zähigkeit, wird lockerer und trocken. Die bisher derben grünlichen 
Fäden werden dicker, lockerer, weisslich, leichter zerdrückbar, weiter¬ 
hin treten zuerst kleine, dann grössere gelbgrünliche Ballen auf. Diese 
bestehen aus Schleim- und Eiterzellen, in deren Mitte man zuweilen noch 
Reste der Pfropfe und ihrer Krystalle vorfindet Zuweilen halten sie sich 
mehrere Tage, zuweilen verschwinden sie ausserordentlich schnell. Für 
den Geübten behält der Auswurf noch längere Zeit charakteristische 
Eigenschaften, doch kann es leicht Vorkommen, dass man, wenn man 
nicht zeitig untersucht, während des ganzen Anfalles weder Fäden 
noch Krystalle auffindet. Noch leichter als in frischen, acuten, kann dies 
in chronischen Fällen geschehen, wo das Sputum oft ausserordentlich 
sparsam und zähe ist; es erscheinen nur kleine Brockel jener charakte¬ 
ristischen Fibrinfäden mit wenigen Krystallen in einem zähen glasigem 
oder grünlich eitrigem Schleime. 

Was den auffälligsten Bestandteil dieses bemerkenswerten Aus¬ 
wurfs betrifft, so erinnere ich daran, dass dieselben Krystalle schon 
früher wiederholt beobachtet worden sind. Zuerst hat sie, wie Zenker 
nachgewiesen, Cb arcot gesehen und beschrieben, ohne ihnen eine besondere 
Bedeutung beizulegen (1853 in einer leukämischen Milz, sowie im Aus¬ 
wurf einer an fibrinösem Bronchitis-Emphysem leidenden Frau). Förster 
und ebenso Harting fanden sie im Auswurf einer schnell vorüber¬ 
gehenden Bronchitis, Förster noch in einer Schleimgeschwulst des Opticus 
und im eingedickten Schleim eines Gallenganges. Endlich fand sie 


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E. Neum&nn im Blute eines leukämischen Mannes, sodann im leukämischen 
und normalen Knocbenmarke. v. Recklinghausen fand sie später in 
den Fibringerinnseln, welche in Lymphgefässen eines puerperal erkrankten 
Uterus steckten. Endlich erinnere ich sogleich daran, dass die schon von 
Böttcher entdeckten, von Für bringer genauer studirten Sperma-Krystalle 
ebenfalls identisch sind. Die Indentität wird wesentlich durch die 
charakteristische zierliche Form, auch durch einige chemische Reactionen 
erwiesen, auf welche ich hier nicht näher eingehen will. Die chemische 
Natur dieser Gebilde ist trotz vielfacher Untersuchungen bis heute nicht 
völlig eruirt. Sicher ist soviel, dass sie Tyrosin, wofür sie Fried reich 
und später Huber halten wollten, nicht sind, vermuthlich bestehen sie 
aus der phosphorsanren Verbindung einer unbekannten organischen Base 
(Scheiner). 

Demnach sind die Krystalle allerdings schon früher gesehen worden, 
im Auswurf wie in anderen Körpersäften, aber sie waren nur als ein 
zufälliges Curio8um angesehen; ich darf für mich in Anspruch nehmen, 
dass ich sie mit einer bestimmten Krankheit, dem Bronchialasthma, in Zu¬ 
sammenhang gebracht und auf ihr häufiges, ja fast regelmässiges Vorkommen 
nnd somit auf ihre pathologische Bedeutung aufmerksam gemacht habe. 

Was die Bedeutung des geschilderten Auswurfs betrifft, so war da¬ 
durch bewiesen, 1) dass das Bronchialasthma nicht ein rein nervöser Vorgang, 
sondern regelmässig mit einer Secretion in den Luftwegen verbunden ist, 
2) dass es sich dabei um ein ganz eigenthümliches Secret handelt, 
welches die diagnostische Unterscheidung dieser (typischen) Form des 
Bronchialasthma ermöglicht und welches 3) zu der pathologischen Natur 
der Krankheit in einer bestimmten Beziehung stehen muss. Allerdings 
blieb zu berücksichtigen, dass es nicht in jedem Moment möglich ist, 
diesen Nachweis zu führen, sondern nur auf der Höhe des Anfalles; 
denn später verschwindet die charakteristische Beschaffenheit des Aus¬ 
wurfes. Vielleicht gelingt es auch nicht in jedem Falle des wirklichen 
typischen Asthma, die charakteristischen Pfropfe und Krystalle zu 
finden, ebenso gut, wie nicht in jedem Falle von genuiner Pneumonie das 
rostfarbene Sputum beobachtet wird. Die Natur verfährt eben nicht 
schematisch. Abzeichen, an denen die Krankheit sofort erkannt (oder 
ausgeschlossen) werden kann, giebt sie nicht. Aber dass es sich um ein 
ganz besonderes und eigenartiges Secret handelt, welches zur Natur des 
Krankheitsprocesses in bestimmter Beziehung stehen muss, das kann nicht 
wohl zweifelhaft sein. 

Wie ist nun der Krankheitsprocess des Bronchialasthma aufzu- 


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fassen? Kann uns die Kenntniss des Auswarfes in der Erkenntoiss der 
Krankheit fördern? Die Auffassung, welche ich damals ausgesprochen, 
halte ich auch heute noch für richtig. S. 343 sagte ich: „Der hier etablirte 
Process ist keinesfalls den Katarrhen zuzuzählen, sondern erscheint als 
ein ganz besonderer, von dem wir bisher an anderen Schleimhäuten noch 
keine Analogie kennen, abgesehen von Förster 1 8 zufälligem Befund der 
Krystalle in der Schleimhaut der Gallenwege. Ziehen wir die Bildung 
der Krystalle in leukämischem Blut und Knochenmark in Betracht, so 
ist anzunehmen, dass von Zeit zu Zeit in die Alveolen der kleinen 
Bronchien eine eigenthümliche lymphartige Masse austritt, welche liegen 
bleibt, sich eindickt und nun zur (Fibrinbildung und) Ausscheidung jener 
Krystalle fuhrt. 4. In der That muss man anerkennen, dass ein Katarrh 
oder eine Entzündung der kleinen Bronchien ein solches Secret nicht 
liefern kann, dass dasselbe vielmehr einer dicken resp. sich schnell ver¬ 
dickenden Lymphe entspricht. Da die Alveolen als Lymphsäcke 
angesehen werden können, so ist zu schliessen, dass in ihnen von Zeit zu 
Zeit (durch eine Art Fluxion) ein solches Ausströmen stattfiudet, welches 
die Alveolen und zum Theil die kleinen Bronchien füllt und hier sich 
eindickt. Jetzt kommt es zu einer Reaction, welche theils in Husten, 
theiU in Beklemmung und Bronchialkrampf, theils in dem nachfolgenden 
Katarrh ihren Ausdruck findet. Die Art der Reaction zeigt in den ein¬ 
zelnen Fällen Verschiedenheiten. Zuweilen ist der Husten sehr lebhaft und 
quälend, vermuthlich wenn das Secret weiter in die Bronchien hinein¬ 
ragt, denn der Reiz der Bronchialschleimhaut erregt, wie bekannt, Husten. 
In anderen Fällen tritt der durch Reflex erregte Bronchospasmus hervor, 
der vermuthlich von den Nervenenden in den Alveolen leichter ausgelöst 
wird. Es kommt sodann auch zu einer (katarrhalischen) Secrction, welche 
mehr oder minder lebhaft wird und die Lösung resp. Expectoration des 
Lymphergusses befördert. 

Diese Auffassung, welche ich bereits 1871 entwickelt habe, halte 
ich auch gegenwärtig aufrecht. Man kann übrigens das Hypothetische 
derselben acceptiren oder verwerfen, dem Thatsächlichen und Beobachteten 
wird dadurch kein Abbruch geschehen. 

In die Augen fallend ist die Analogie des beschriebenen Auswurfes 
mit dem der fibrinösen oder croupösen Bronchitis. Dennoch habe ich 
nicht, wie es wohl nahe lag und mir auch von anderer Seite nahe gelegt 
wurde, beide Processe identificirt, ich habe hierzu um so mehr Grund gehabt, 
als die fibrinöse Bronchitis keine bestimmte Krankheitsform ist; es handelt 
sich bei derselben auch wohl um Austretungen von gerinnbarer Lymphe 


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aas den Alveolen in die Bronchien, Austretungen, welche übrigens, wie 
bekannt, unter verschiedenen Verhältnissen stattfinden können, bei Herz¬ 
kranken, bei Tuberkulosen and aach bei Asthmatischen. 

Bald nach meiner ersten Publication habe ich i. J. 1871 eine Reihe neuer 
entsprechender Beobachtungen, in der Dissertation von Dr. Schleassner, 
gegenwärtig Kreisphysikus in B., publiciren lassen, wodurch meine früheren 
Angaben vervollständigt and besonders die therapeutische Wirksamkeit 
des Jodkali bestätigt wurde. 

Seither habe ich nichts Ausführlicheres über diesen Gegenstand ver¬ 
öffentlicht. 

Ich nehme die Gelegenheit wahr, hier eine, wie ich meine wichtige, 
bisher von mir noch nicht publicirte Beobachtung anzuschliessen, welche 
dadurch von Bedeutung ist, dass mir die seltene Gelegenheit wurde, die 
Autopsie einer an typischem, chronischem Asthma leidenden Dame zu 
machen. 

Asthmakranke sterben selten zu einer Zeit, wo das Asthma noch 
deutlich ausgebildet ist, in der Regel erst in vorgerücktem Alter an Folge¬ 
zuständen. Meist handelt es sich um Emphysem oder chronischen 
eitrigen Bronchialkatarrh, wobei sich in der letzten Zeit weder typische 
Anfälle noch typischer Auswurf dargeboten haben. Vor sieben Jahren 
hatte ich eine Dame von 40 Jahren behandelt, welche seit frühester 
Kindheit an typischem Bronchialasthma litt. Durch Aufregungen und 
Kümmernisse war ihre Constitution untergraben. Patientiu war in hohem 
Grade morphiumsüchtig. Die Krankheit hatte sich zu einer ganz un¬ 
gewöhnlichen Höhe entwickelt, Hydrops und Albuminurie waren seit 
einiger Zeit hinzugekommen und Hessen das baldige Ende voraussehen. Die 
Lungen waren hochgradig emphysematos, sibilirende Geräusche und ab¬ 
geschwächtes Athmen verbreitet. Die Patientin wurde täglich mehrfach 
von heftigen asthmatischen Anfällen heimgesucht, die sich in exquisitester 
Weise darstellten und verliefen, es wechselten nur die Zahl und Intensität 
derselben. In diesen Anfällen wurde nun ein Auswurf geliefert, welcher 
den frischen Fällen ziemlich entsprach. Seine Quantität wechselte, er 
war zähe, grauweiss, schaumig und enthielt fast immer lange, weissliche 
fibrinöse Fäden, sehr wenig kleine grünliche Ballen. Die trockenen 
Fäden bestanden aus lockerem Fibrin und Schleimzellen, an und 
neben ihnen fanden sich kleine derbe Flocken, in welchen ich wiederholt 
die charakteristische Beschaffenheit des Asthma-Sputums und namentlich 
auch die Krystalle nachweisen konnte. Der Exitus erfolgte unter gleich- 
mässiger Dyspnoe, Cyanose und Stertor. Die Autopsie, 24 Stunden 


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post mortem gemacht, ergab hochgradiges vesiculäres Emphysem beider 
Lungen. Dieselben, sehr gross, aufgebläht, blass, zeigten zum Theil be¬ 
sonders an den Rändern grosse Blasen, neben allgemeiner Aufblähung des 
ganzen Organs. Die Bronchien zeigten sich nicht erweitert, ihre Schleim¬ 
haut gerothet, nicht wesentlich verändert. In den kleinen Bronchien lagen 
geringe Schleimmassen, auf dem Schnitt Hessen sich grünliche oder weiss- 
liche Schleimtropfen ausdrücken, in welchen ich weder Fibrin noch 
Krystalle auffinden konnte, ebensowenig in den von der Schnittfläche abge¬ 
strichenen Massen. Die Lungen wurdeu nun in Alkohol gehärtet, um 
Schnitte davon zu fertigen. Ich erlaube mir hier die Zeichnung eines 
solchen Schnittes herumzugeben. (Fig. 2.) Sie sehen eine Anzahl erwei¬ 
terter Lungenzellen, dazwischen mehrere nicht erweiterte. Mehrere der¬ 
selben sind von einer körnigen (krümeligen) Masse angefüllt, welche eine 
mässige Anzahl grosser Zellen enthält Ferner sehen Sie zwei Durch¬ 
schnitte kleiuer Bronchien, die Wandung derselben ist nicht wesentlich 
verändert, dagegen liegt auf der Innenfläche der Schleimhaut eine Schicht 
derbkörniger, wie es scheint amorpher Masse, welche der Wandung fest 
anklebt und das Lumen des Bronchus erheblich verengert; in dem einen 
Bronchus ist die Auflagerung ringförmig, das verengte Lumen liegt in 
der Mitte, der andere Bronchus zeigt eine mehr pfropfenartige Ausfüllung, 
und ein halbmondförmiges Lumen. 

Diese Präparate zeigen, wie bei dem chronischen Asthma die Bronchien 
eine dauernde Verengerung durch aufgelagerte derbkörnige Massen erfahren 
können, eine Verengerung, welche die Wirkung des Brouchialkrampfes 
zu illustriren wohl geeiguet ist. — 

Meine ersten Mittheilungeu zur Kenntniss des Bronchialasthma haben 
von Seiten anderer Autoren erst langsam Beachtung und Bestätigung er¬ 
fahren. Da die mikroskopische Untersuchung des Auswurfs nur von 
Wenigen mit der hierbei erforderlichen Uebung und Geduld ausgeführt 
ward, so wurde auch das Verhalten de9 Aus wurfs im Bronchialasthma 
nur langsam bestätigt. Zunächst waren die meisten Autoreu geneigt, 
die Krystalle als eine Zufälligkeit zu betrachten, zumal ich selbst angegeben 
hatte, sie auch einige Male in geringer Menge in tuberkulösen Sputen 
gefunden zu haben. Allein ich kann nur wiederholen, es handelt sich 
nicht um die pathognomisch-diagDostische Legitimationskarte, sondern um 
die Anzeichen eines bestimmten pathologischen Vorganges, von dem sich 
Andeutungen wohl auch sonst einmal finden können. 

Bestätigungen meiner Befunde wurden zuerst von Nothnagel 
und O. Fräutzel gegeben. Pfuhl (Charite-Annalen 1878) berichtete 


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über einschlägige Sputa-Untersuchungen, welche er auf meiner Klinik in 
der Charite angestellt hatte und gab an, in allen Fällen von Bronchial¬ 
asthma diese Krystalle und die von mir beschriebenen Eigenschaften des 
Auswurfs gefunden zu haben. Im Jahre 1880 veröffentlichte Dr. Un ger 
aus Bonn zuerst im Centralblatt für klinische Medicin No. 4 (zur Kennt- 
ni9S des Bronchialasthma) über seine fortgesetzten Untersuchungen der 
Sputa und gab an, den von mir beschriebenen Auswurf mit Krystallen 
bis auf 2 Mal in allen seinen Fällen gefunden zu haben. Diese Unter¬ 
suchungen, welche er dann auch auf dem Congress für innere Medicin 
1882 vortrog, haben wesentlich dazu beigetragen, dem Factum allgemeine 
Anerkennung zu verschaffen. 

Auch der Arbeiten von Lazarus, Petri und Lewy muss ich 
gedenken, welche sich im gleichen Sinne äusserten. 

Um diese Zeit publicirte Curschmann*) seine Untersuchungen über 
Bronchialasthma. Er beschrieb spindelförmige Gebilde, welche er neben 
den Asthmakrystallen im Auswurfe Asthmatischer sehr regelmässig gefunden 
hat. Er legt auf diese Gebilde, welche ich auch bereits gesehen, ohne ihnen 
grössere Bedeutung zuzumessen, das Hauptgewicht und schliesst daraus, 
dass es sich beim Asthma um eine Bronchiolitis exsudativa handelt. Ich 
kann jedoch diese Spiralen ebenso wenig wie Lewy für charakteristisch 
halten; sie kommen ebenfalls bei eitriger Bronchiolitis, bei Tuberkulose, 
sogar bei Pneumonie vor. Ob sie sich gerade in den kleinsten Bronchien 
bilden, erscheint mir auch nicht erwiesen. Welche Bedenken überhaupt 
gegen die Auffassung des Asthma als capillärer Katarrh oder Bronchiolitis 
zu erheben sind, ergiebt sich zum Theil schon aus dem bisher Erörterten 
und soll weiterhin nochmals zusammengefasst werden. 

Es bleibt mir noch die jüngste Phase der Asthmalehre kurz zu be¬ 
sprechen: Die Entstehung desAsthma durch Krankheiten derNase. 

Vor einigen Jahren machte Voltolini darauf aufmerksam, dass 
Kranke mit Nasenpolypen häufig an asthmatischen Beschwerden litten, 
und dass sie durch Entfernung der Polypen geheilt werden könnten. 

Sodann haben B. Fränkel, Schäffer, Makenzie, Bresgen u. A. 
gezeigt, dass nicht nur Nasenpolypen, sondern die mannigfachsten Processe 
der Nasenhöhle und des Nasenrachenraumes zur Auslösung asthmatischer 
Anfälle Veranlassung geben können, und zwar bandelt es sich dabei um 
ein Asthma mit den typischen Erscheinungen des spasmodischen Bron¬ 
chialasthma, d. h. sowohl den sibilirenden Geräuschen, der Lungenblähung 

*) Curschmann: lieber Bronchiolitis exsudativa und ihr Verhältniss zum 
Asthma nervosum. Deutsches Archiv f. klin. Med. XXXIf. S. 1—34. 


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wie dem charakteristischen krystallhaltigen Aaswurf. Darch Hack 1 8 
therapeutische Erfolge ist diese Ansicht za besonderer Bedeutung gelangt. 
Zwar ist, wie die kürzlich gepflogene Discussion im Verein für innere 
Medicin ergeben hat, die Frage weder in theoretischer noch in prakti¬ 
scher Hinsicht abgeschlossen; es scheint sogar, dass ein Theil der thera¬ 
peutischen Erfolge nur vorübergehende gewesen wären, dennoch ist es kaum 
zu bezweifeln, dass ein thatsächlicher Zusammenhang zwischen Nasen¬ 
krankheiten und Asthma besteht Hierfür sprechen viele Thatsachen. 
Das Vorkommen von Schnupfen und krampfhaftem Niesen bei Asthma 
beschreibt schon Troussean. Ferner beweist das Hen-Asthma einen un¬ 
zweifelhaften Zusammenhang der asthmatischen Erscheinungen mit der Nasen¬ 
reizung. Der Nervus trigeminus bei seinen ausserordentlich vielen Reflex¬ 
beziehungen scheint zur Erzeugung eines Reflexasthma wohl geeignet. Auch 
mochte ich an die bei Kindern in der Dentitionsperiode auftretenden 
Katarrhe erinnern, welche durch die sibilirenden Geräusche und die starke 
Dyspnoe an das Asthma erinnern; sie schwinden mit dem Durchbruch 
des Zahns und dürften auch auf einen vom Nervus alveolaris ausgehenden 
Reflexreiz zu beziehen sein. 

Wenn sich derartige Beobachtungen weiter bestätigen nnd nament¬ 
lich das Auftreten der typischen asthmatischen Anfälle durch primäre 
Nasenkrank beiten sichergestellt wird, so würde hierin eine wesentliche 
Stütze für diejenigen Ansichten gegeben sein, welche das Asthma nicht 
für einen Bronchialkatarrh resp. eine Bronchiolitis, sondern für eine mit 
einer eigenthümlichen Fluxion verbundene Reflexreizung erklären. — 

Ueberblicken wir nun die sänimtlichen Ansichten, welche über das 
Bronchialasthma aufgestellt sind, so zerfallen sie in zwei grosse Gruppen, 
von denen die Einen die nervöse und spasmodische Natur festhalten, die 
Anderen dagegen die Krankheit in die Reihe der Katarrhe setzen. 

Als Begründer dieser letzteren Ansicht wollen wir Laennec nnd die 
pathologisch-anatomische Schule zu Paris nennen; den gleichen Stand¬ 
punkt nimmt Rokitansky ein; sie erhält eine wesentliche Stütze durch 
Traube, dem sich O. Fraentzel anschliesst. Von den neuesten Autoren 
gehört Curschmann hierher. 

Die andere Gruppe fasst entsprechend der ersten durch van Helmont 
und Willis begründeten Anschauung das Asthma als eine in Paroxysznen 
auftretende ganz eigenartige Krankheit auf, deren spasmodischer Charak¬ 
ter nicht zu verkennen ist. Diese Gruppe hat wieder mehrere Unterab¬ 
theilungen : 

a. Durch Romberg wird die Theorie des Bronchospasmus aus- 


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gebildet; als der eigentliche Ausgangspunkt gilt der N. vagu9. Der Theorie 
des Bronchial krampfes schliesst sich Bi er me ran, indessen er wie Weher 
sehen sich gezwungen, noch eine Fluxion nach den Lungen hinzuzufugen, 
um den Einwürfen Wintrich’s gegen den Bronchialkrampf zu begegnen. 

b. Wintrich, Bamberger, neuerdings Riegel erkennen die spas¬ 
modische Natur der Krankheit an, nehmen aber nicht den Bronchospas¬ 
mus, sondern den Zwerchfellkrampf als Ursache der Anfalle an. Daran 
reiht sich 

c. die Theorie des Nasenreflexasthma an, (Voltolini, Hack, 
B. Frankel etc.), sowie 

d. die Theorie des Pariser Klinikers Germain See*), welcher 
zwar auch die nervöse Natur vertritt, aber den Sitz der Krankheit 
im Centrum der Respiration, dem Bulbus medullae, sucht; er zieht 
gegen den Bronchospasmus zu Felde und tritt für den Zwerchfellkrampf 
ein. Diese Theorie des „ pneum obul baren Asthma“ ist schon von 
Curschmann und Biermer zurückgewiesen, und ich muss zugeben, 
dass sie sich in der vorgetragenen Form auf bestimmte Thatsachen nicht 
stützen kann. 

Was mich selbst betrifft, so habe ich mich auf die Seite derjenigen 
gestellt, welche den asthmatischen Anfall von einem Bronchospasmus ab¬ 
leiten und welche in der Krankheit nicht einen katarrhalischen oder 
bronchitischen Process sehen. Wenn Autoren wie Biermer und Weber 
sieb gezwungen sehen, zur Erklärung des Asthmaanfalle9 eine Fluxion 
nach den Bronchien anzunehmen, so möchte ich in dem eigentümlichen 
von mir beschriebenen Secrete denjenigen Vorgang erblicken, welcher einer 
solchen Fluxion entsprechen würde, welcher aber zugleich die eigen¬ 
tümliche Natur der Krankheit kennzeichnet und die Wirkung des Bron¬ 
chialkrampfes erläutert. Der Bronchospasmus, gleichgültig, wodurch 
man sich denselben bervorgerufen denkt, findet nicht in ganz freien 
Bronchien statt, sondern in solchen, welche durch das zähe, zum Theil ge¬ 
ronnene Secret verengt sind, wie es die Fig. 2 veranschaulicht. 

Der Reiz zu dieser Fluxion kann auf verschiedenen Wegen erfol¬ 
gen, durch Reizung der Luftwege oder von der Nase aus, durch Kältereiz 
auf die Haut oder selbst durch psychische Affecte u. 8. f. 

Wer der geschichtlichen Entwickelung der Asthmafrage gefolgt ist, 
kann nicht umhin, das Bild einer Neurose zu gewinnen, welche in Pa- 


*) M&ladies simples de Poumon. — Asthmas pneumo-balbaires. Paris 1886. 


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— 530 


roxysmen auftritt und durch den spasmodischen Charakter der Anfälle 
ausgezeichnet ist Die ausgesprochene Aetiologie der hereditären Belastung, 
die Neurasthenie der meisten an Asthma leidenden Patienten spricht 
ebenfalls zu Gunsten dieser Auffassung. — 

Wenn ich hiermit die, wie ich meine, besonders interessante noso¬ 
logische Seite der Asthmafrage ziemlich vollständig behandelt zu haben 
glaube, so bitte ich noch um einige Minuten Gehör zu einer kurzen 
summarischen Darstellung der Symptomatologie and Therapie, damit es 
mir vergönnt ist, wenigstens ein einigermaassen abgerundetes Bild zu 
geben. 

Für die Symptomatologie ist der Kernpunkt der asthmatische Anfall, 
den ich mit den anschaulichen und zutreffenden Worten von Bergson 
wiedergeben will: 

„Der Kranke schreckt, meistens um Mitternacht, plötzlich auf, empfin¬ 
det ein Gefühl von Erstickung und Zusamtnenschnürung der Brust, gleich¬ 
sam als wenn diese von einem eng nmschliessenden Bande fest zusammen¬ 
gezogen sei, oder als liege auf ihr eine unerträgliche Last, and ist nicht 
im Stande, den Brustkorb gehörig auszudehnen, um die nöthige Luft¬ 
menge einzuziehen. Kaum erwacht, richtet er sich auf, springt aus dem 
Bette, lauft zum Fenster, reisst es auf, öffnet die Thüren, athmet ängst¬ 
lich, sucht nach einem festen Punkte, wie etwa einem Tische oder Fenster¬ 
brette, um seine Hände und Arme darauf zu stützen, damit die Hülfs- 
krafte der unvollständigen Respiration, wie die Muskeln der Arme, der 
Brust, der Schultern und des Unterleibs zur Erweiterung der Brusthöhle 
besser agiren können, und in dieser Stellung, mit fixirten Händen oder 
Ellenbogen, pflegt der Leidende, sobald der Luftmangel nur einigermaassen 
befriedigt werden kann, eine Art von Erleichterung in seinem Zustande 
zu verspüren. Dabei geschieht das Athmen mühsam, keuchend, oft mit 
so lautem pfeifenden oder rasselnden Geräusch, dass man es schon in 
der Ferne hört. Die Bewegungen des Thorax geschehen normal; er wird 
mühsam mehr aufwärts gezogen und dann wieder hinabgedrückt, wobei 
seine Wände zu starr und unbeweglich stehen, als dass er sich frei und 
vollständig ausdehnen könnte. Da der Kranke keine von den Verrich¬ 
tungen, zu denen irgend ein Aufwand von respiratorischer Thätigkeit 
erforderlich ist, vollziehen kann, so ist er nicht im Stande, laut zu 
sprechen, tief zu respiriren, zu schlucken oder zu husten.“ 

Im Gegensätze zu Bergson, der die mühsame Inspiration hervor¬ 
hebt, ist von anderen Autoren mit Recht die vorherrschende exspiratorische 



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l Dyspnoe und die lauten sibilirenden exspiratorischen Geräusche hervor- 
• gehoben worden.*) 

t Ein solcher Anfall dauert einige Minuten bis zu einer halben Stunde. 

Zuweilen ist das Entstehen sowie das Verschwinden des Asthma über- 
| aus plötzlich und überraschend. Besonders unter den Einflüssen der 

i Narcotica schwinden nicht selten die heftigsten Anfälle mit fast zauber- 

i hafter Präcision — eine Wirkung, welche für die Auffassung von der 

krampfhaften Natur des Asthma schwer ins Gewicht fällt. 

Am Schlüsse des asthmatischen Anfalles wird das Athmen freier, 
das Pfeifen geht in ein kleinblasiges Rasseln (Keuchen) über, und nach¬ 
dem es zur Expectoration eines zähen Sputums gekommen, pflegt der An¬ 
fall beendet zu sein. 

' Indessen ist die Affection mit einem einzelnen Anfall der Art nicht 

beendet. In der Regel tritt nach einer Pause von mehreren Stunden ein 
i neuer, ebenso gearteter Anfall auf, der wiederum vorübergeht und wiederum 

\ von einem neuen gefolgt ist. In der Zwischenzeit ist der Kranke zuweilen 

| ganz frei; z. B. der Patient befindet sich Tags über vollkommen wohl 

! und wird gegen Abend beim Schlafengehen von einem heftigen Anfall 

' befallen, oder Patient schläft die Nacht ruhig und wird jedesmal am 

Morgen von einem Anfall heimgesucht. In den acuten Fällen, wo 
die Ueberfluthung der Luftwege heftiger zu sein pflegt, ist der Patient 
auch in der Zwischenzeit nicht ganz frei, sondern wird von einem meist 
lebhaften Reizhusten heimgesucht, welcher ab und zu von asthmatischen 
Anfällen unterbrochen ist. In solchem Wechsel dauert die Affection 
meist mehrere Wochen und geht, ähnlich wie ein verschleppter Katarrh, 
nur allmälig in Genesung über. 

Auch nach der Heilung hinterlässt dieser Zufall eine grosse Dis¬ 
position zu Rückfällen und Exacerbationen, wodurch der Uebergang zu 
dem chronischen Stadium gegeben ist. 

Das chronische Asthma ist ausgezeichnet entweder dadurch, dass 
in kürzeren Zwischenräumen Erkrankungen auftreten, welche den acuten 
Attaquen des Asthma entsprechen, einige Wochen andauern und dann in 
Genesung enden (chronisches recidivirendes Asthma), oder aber der Zustand 
des Asthma bleibt in ermässigter Weise andauernd bestehen. Die Patienten 
befinden sich im Ganzen gut, aber werden regelmässig, resp. nach der 

*) Die geringe Ausdehnung des Thorax lässt sich auch durch pneumatome¬ 
trische Messung constatiren, welche auf der Höhe des Anfalls äusserst geringe 
Werthe ergiebt. (Vergl. die auf meiner Klinik gearbeitete Dissertation von 
F. Krause: Pneumatometrische Untersuchungen. Berlin 1879.) 

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kleinsten Erkältung oder Aufregung, sei es Abends beim Schlafengehen, 
sei es Morgens beim Erwachen, oder auch mitten am Tage von ziemlich 
heftigen Anfällen heimgesucht; diese Anfälle sind insofern ganz typisch, 
als sie mit starker Dyspnoe und mit sibilirenden Geräuschen einhergehen 
und mit dem gewöhnlichen Auswurf endigen (chronisches continuirliches 
Asthma). In solchen Fällen kann man sich auch von dem schnellen 
Auftreten der Lungensecretion überzeugen, welche einem gewöhnlichen 
Katarrh durchaus widerspricht. Untersucht man am Tage, so sind die 
Lungen ganz frei, das Athmungsgeräusch rein, gegen Abend stellt sich 
Pfeifen ein und alsbald bricht der Anfall aus, in welchem weithin sibi- 
lirende Geräusche ertönen, das Athmungsgeräusch fast verschwindet und 
schliesslich ein ziemlich reichlicher Auswurf herausbefördert wird. 

In diesem chronischen Stadium treten die physikalischen Zeichen 
zuweilen sehr zurück, und es entwickelt sich eine allgemeine Nervosität 
(Asthma nervosum, nervöses Stadium). Auch die Lungensyroptome be¬ 
kommen etwas Unberechenbares und Launisches, die kleinsten unbegreiflichen 
Ursachen können die Anfälle hervorrufen oder zum Verschwinden bringen. 
Bekannt ist die günstige Wirkung eines oft ganz geringfügigen Luft¬ 
wechsels. Der Uebergang von der Stadt zum Lande bringt schon das 
Asthma zum Verschwinden. Manche Patienten fühlen sich in der kohlen¬ 
geschwängerten Luft grosser Städte am besten, andere verlangen nach 
Land- und Seeluft. Die Einen können keinen Luftzug vertragen, die 
Anderen können nur bei offenen Fenstern schlafen, sonst glauben sie zu 
ersticken. So sehen wir das Unberechenbare, Launische einer Neurasthenie, 
und wir können mit Recht von einem Stadium nervosum der Krankheit 
sprechen. 

Lange Zeit kehrt die Lunge nach Ablauf der Anfälle immer wieder in ihr 
normales Verhalten zurück, dann aber entwickelt sich früher oder später 
Emphysem. Damit ist eine organische Veränderung der Lunge eingetreten, 
welche zwar noch viele Jahre ertragen werden kann, aber nicht mehr voll¬ 
ständig zurückzubilden ist. Zuweilen trifft man diese Veränderung der Longe 
schon bei jugendlichen Individuen an, die nur wenige Jahre an Asthma 
gelitten haben. Gewöhnlich aber entwickelt sie sich erst in späteren 
Lebensjahren, nach vieljährigem Bestehen der Krankheit. Alsdann ver¬ 
wischen sich oft die asthmatischen Anfälle, die Secretion wird sparsamer 
oder eitrig, doch zeigt der oben mitgetheilte Fall, dass auch bei aus¬ 
gesprochenem Emphysem noch das typische Krnnkheitsbild von Asthma 
fortbestehen kann. 

Wie das Emphysem nach jahrelangem Bestehen zur dauernden Dvspno«', 


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533 


za Herzbypertrophie, schliesslich za Hydrop9 and zum Exitus letalis fuhren 
kann, ist so allgemein bekannt, dass ich nicht dabei zu verweilen 
brauche. 

Dagegen möchte ich noch an zwei Folgezustande erinnern, welche 
nicht selten aus dem Bronchialasthma sich entwickeln; das ist die 
chronische eitrige Bronchitis mit Bronchiektasie und die putride Bron¬ 
chitis. Jene ist nicht eine directe Folge, etwa ein weiteres Stadium des asth¬ 
matischen Processes, sondern die allmälige Folge der Reizungen, welchen 
die Bronchien infolge der asthmatischen Secretion ausgesetzt sind. Diese 
andaaernde Reizuog führt zu reactiven Katarrhen, und, wenn von aussen 
Entzündung resp. Eiterung erregende Keime eindringen, zu purulenten 
Katarrhen mit allmalig fortschreitender Bronchialerweiterung. Wie sich 
hieraus durch Aufnahme faulnisserregender Keime putride Bronchitis 
entwickeln kann, ist leicht verständlich; doch ergiebt die Erfahrung, 
dass diese Formen von putrider Bronchitis nicht sehr hartnackig zu sein 
pflegen und einer geeigneten Therapie meist in kurzer Zeit weichen. 

Zum Schluss möchte ich mir noch einige Worte über die Grund¬ 
züge der Therapie des Asthma erlauben. Von einer ausführlichen Er¬ 
örterung derselben würde ich schon aus Rücksicht auf die dazu erforderliche 
Zeit Abstand nehmen. Die Geschichte der Therapie der Krankheit lasst 
ebenso wie die Pathologie eine fortschreitende Entwickelung erkennen, und 
unsere Zeit kann sich rühmen, erhebliche Beiträge zur Asthma-Therapie 
geliefert zu haben, obgleich wir auch heute noch nicht diese Krankheit 
za den allemal sicher und leicht heilbaren rechnen dürfen. Die Ein¬ 
führung des Opium, des wichtigsten Heilmittels in die Therapie des 
Asthma, ist bis auf Willis zurückzuführen. Die von Romberg an¬ 
gegebene Therapie enthält die Grundzüge der auch heute bewährten. 
(Das Opium, sagt Romberg, nimmt den ersten Rang ein, sowie Ein- 
athmen von Schwefeläther, Ipecacuanha, Blausäure, saturirter CafFee, 
Moschus, Strammonium (Cigarren), Lobelia inflata, kalte Abreibungen, 
Seeluft.) Unsere heutige Therapie ist an Mitteln und Methoden viel 
reicher geworden; freilich nicht alle diese Bereicherungen sind von 
gleichem Werthe. Wir wollen die wichtigsten Gruppen derselben kurz 
and übersichtlich besprechen. 

1) In erster Linie sind für die Behandlung des Asthma unzweifel¬ 
haft dieNarcotica zu nennen; sie vermögen heftige Anfälle in wenigen 
Minuten zu mildern resp. zu beseitigen; sie vermindern das Gefühl der 
Angst, der Dyspnoe und verschaffen dem gequälten Patienten einen 
ruhigen Schlaf. Da mit ihrer Wirkung auch der Bronchialkrampf be- 

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seitigt wird, sonst aber keine erheblichen Respirationshindernisse bestehen, 
so ist ihre Anwendung ganz unbedenklich, nur besteht die Gefahr, dass 
mit der Zeit die Dosen gesteigert und gehäuft werden müssen und dass 
der Patient — leider ein nicht seltenes Ereigniss bei Asthma bronchiale 
— dem Morphinismus verfallt. 

Die wirksamsten Narcotica sind das Morphium und das Chloral, ihnen 
schliesst sich an das Opium, das Pulvis Doweri, und die zwei Alkaloide 
Narceün und Codeün. Die Einzeldose und die Wiederholung der Dosis 
richtet sich nach der Intensität der Anfälle und der Receptivität des 
Patienten. Von geringer W'irkung ist das Cocain und das Extract. Cocae, 
die Aqua Laurocerasi, das Bromkali. 

Hieran schliessen sich die narcotisirenden Inhalationen: das Stick¬ 
stoffoxyd ulgas, die Inhalation von Chloroform, Aether, Amylnitrit, Jod- 
aethyl, das vor nicht langer Zeit von See empfohlene Pyridin. 

Narcotica, welche speciell den Bronchospasmus zu lösen geeignet er¬ 
scheinen und auch zuweilen diesen Erfolg haben, sind die Belladonna 
(Atropin), Hyoscyamus, Strammonium, Cannabis indica, welche zum Theil 
als innerliche Arznei, zum Theil als Räucherungen in Cigarretten ge¬ 
braucht werden. 

2) Nächst den Narcoticis nenne ich die Räucherungen (Fumigationes) 
als sehr gebräuchliche und bewährte Mittel, welche den asthmatischen 
Anfall oft schnell beseitigen resp. lindern, allerdings auch nicht selten 
im Stich lassen. Die Anzahl der hierzu angewandten Mittel ist nicht ge¬ 
ring, ebenso die arzneiliche Form mannigfaltig. Die Individualität spielt 
hier eine grosse Rolle, zuweilen nützt dem einen Patienten eine Form, 
welche der andere verwirft. 

Die älteste bewährte Form dieser Räucherungen ist die Charta 
nitrata, das Salpeterpapier; dann unter Zusatz von Strammonium und 
anderen Kräutern das Strammonium nitrat. American, und andere ähn¬ 
liche Räucherpulver. Dieselben Medicamente sind in Form von Räucher¬ 
kerzchen gebracht, zu bequemerer Anwendung. Sehr beliebt sind die 
Asthma - Cigarretten, welche mit den narcotisirenden krampfstillenden 
Kräutern versetzt sind, mit Belladonna, Hyoscyamu9, Cannabis indica, 
Strammonium, Grindelia, Coca. Auch die französischen Tubes astbmatiques 
sind sehr beliebt. Der Arzt muss ausprobiren, welche von diesen ver¬ 
schiedenen Formen dem einzelnen Kranken am besten bekommt. 

3) Ein wesentlicher Fortschritt in der Asthma-Therapie ist durch die 
Anwendung des Jod gegeben. Am wirksamsten ist das Jodkali; wenn 
jedoch dieses Mittel von dem Magen schlecht vertragen wird, kann man 


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das Jodnatrium wählen, welches freilich weniger sicher wirkt. Die von 
See empfohlenen Inhalationen von Jodaethyl verdanken ihre Wirkung 
wohl weniger dem Jod, als dem narcotisirenden Aethyl. 

Das Jodkali scheint zuerst in dem bewährten Aubrö 1 sehen Geheim¬ 
mittel*) gegen Asthma angewandt zu sein. Sodann habe ich selbst auf 
seine Wirkung bei Bronchialasthma schon in meiner ersten Arbeit, be¬ 
stimmter in der Dissertation von Schleussner hingewiesen. Eine noch 
grössere Verbreitung fand dieses Mittel auch in Deutschland durch die 
Empfehlung von G. S6e; es ist seitdem in der Therapie des Asthma 
eingebürgert und seine Wirksamkeit unbestritten. Freilich muss man auch 
zugeben, dass es mitunter im Stiche lässt, besonders in chronischen 
Fällen, dass es zuweilen von den Patienten schwer oder gar nicht ver¬ 
tragen wird und dass es namentlich gegen die Disposition zu Recidiven 
von geringer Bedeutung ist. Dennoch muss man anerkennen, dass eine 
richtig geleitete Jodkali-Behandlung, welche allmälig zu sehr grossen 
Dosen steigt (3 bis 6 grm pro die, am besten in Milch dargereicht), sehr 
gute Erfolge zu erzielen im Stande ist. 

W T enn wir in gewissem Sinne das Jodkali als ein Specificum gegen 
Asthma bezeichnen können, so schliessen sich demselben an: die früher 
sehr gerühmte Lobelia inflata, das Lactucarium, das Pyridin, der Ar¬ 
senik; Mittel, welche gegenwärtig nicht hoch im Curse stehen. Auch 
der Schwefel ist hier zu nennen, welcher innerlich ziemlich häufig ge¬ 
geben wird (als Sulphur aurat.); besonders haben gewisse Schwefelquellen, 
wie Langenbrücken, Nenndorf, Baden, sich einen Ruf für die Behandlung 
Asthmatischer erworben und behalten. 

4) Nervina und nervenstärkende Mittel können bei der Behandlung 
des Asthma nicht ganz eutbehrt werden; sie verdienen zum grössten 
Theil kein besonders grosses Vertrauen, sind jedoch gerade im Stadium 
nervosum indicirt und auch wohl von Erfolg. 

Einen grösseren Ruf hatte eine Zeit lang das Bromkali, das Brom¬ 
chinin nnd andere Bromsalze, ferner die Valeriana, Asa foetida, auch 
die Eisenpräparate. Ein altbewährtes Mittel ist starker Kaffee (auch 
Thee und Cocathee). 

5) Die Hydropathie zur Abhärtung, die Massage und Gymnastik 
zur Kräftigung des ganzen Körpers sind eben so empfehlenswerth, wie 
die Sorge für eine gute Ernährung nicht vernachlässigt werden darf. 


*) Dasselbe besteht aus Lactucarii gall. 0,6, Kalii jodati 5,0, Spirit, nitr. aeth. 
1,2, Aqu. destill. 150,0, Syr. Sacchar. 20,0. 2 bis 3 mal täglich 1 Esslöffel. 


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In diesem Sinne können Milch- and Molken-, Kumys- and K6fir-Karen 
von wesentlichem Nutzen sein. 

6) Bemerkenswerth ist die Wirkung der Ableitungen. Sie waren 
zu Zeiten sehr in Mode, sind dann abgekommen und wieder herbeige¬ 
zogen. Fontanelle hatten grossen Ruf, auch Traube hatte sie Ln deu 
letzten Jahren mehrfach mit Nutzen angewendet. 

Bemerkenswerth ist die Behandlung des Asthma durch Application 
von AmmoniakpinseluDgeu auf die hintere Seite des Pharynx, welche 
Ducros rühmte, sowie die Ammoniakinhalationen nach Faure, von 
welchen auch Trousseau Erfolge sah. 

Die Wirkung dieser ableitenden Methode ist nicht leicht wissen¬ 
schaftlich zu begründen, findet aber eine gewisse Analogie in Beobachtungen^ 
wonach das Bronchialasthma mitunter für längere Zeit verschwindet durch 
Auftreten anderer, besonders Hautaffectionen. Maximilian Stoll sagt im 
§. 174 seiner Aphorismen: „Wenn bei Asthmatikern Geschwüre an den 
Schenkeln entstehen, so kann sich die Krankheit manchmal dadurch 
heben, daher sind auch Aetzmittel an den Schenkeln dabei dienlich. 6 
Hierher gehören auch Beobachtungen, auf welche Waldenburg seiner 
Zeit die Aufmerksamkeit gelenkt hat, wonach eine gewisse Wechsel¬ 
wirkung zwischen Ekzem der Haut und Asthma bronchiale besteht, d. h. 
das eine verschwindet, wenn das andere exacerbirt. Blanchez theilte 1883 
in der Societe medicale des höpitaux den Fall eines zwölfjährigen Kindes 
mit, welches seit dem zweiten Lebensmonat an Ekzem litt, und bei 
welchem die Remission dieses Ausschlages allemal von heftigen asthma¬ 
tischen Anfällen gefolgt war. 

7) L u ft- oder K1 i m a w e c h s e 1 ist ein schon von Alters her empfohlenes 
Heilmittel. Die Erfahrung lehrt, da6S ein Wechsel des Aufenthaltes den 
Asthmatischen sehr gewöhnlich eine schnelle und auffällige Besserung 
bringt. Ganz gewöhnlich ist es, dass Amerikaner in Europa von Asthma 
frei bleiben oder dass ein Luftwechsel vom Norden nach dem Süden 
Nutzen bringt. Zuweilen sind es aber auch anscheinend unbedeutende 
Ortswechsel, der Umzug in eine nur wenige Meilen entfernte Stadt, der 
Umzug von der Stadt auf das Land und umgekehrt. Ich kannte einen 
Apotheker in Oranienburg, welcher dort an heftigen Asthma-Anfällen 
litt und in Berlin stets frei davon war; er sah sich deshalb veranlasst 
nach Berlin überzusiedeln. Solche und ähnliche unberechenbare Einflüsse 
sind ebenfalls geeignet, die nervöse Natur der Krankheit zu demonstriren 
und kommen hauptsächlich im nervösen Stadium vor. Der Erfolg eines 
Klimawechsels ist übrigens keineswegs sicher zu berechnen. Manche 


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Kranken befinden sich in der rauchigen Luft grosser Städte am besten, 
wie dies englische Aerzte von London angeben. Aebnliches habe ich 
selbst wiederholt beobachtet. Manche Kranke vertragen Wind und 
windiges Klima, können nur bei offenem Fenster frei athmen. Andere 
vertragen keinen Luftzug, ohne sich zu erkälten und zu husten. Auf 
manche wirkt das feuchte Seeklima günstig, im Allgemeinen jedoch wirkt 
Bergluft entschieden wohlthätiger. Luftkurorte (in Schlesien Reinerz, 
Flinsberg, in der Schweiz Klosters, Flims, Pontresina, in Bayern 
Reichenhai), Ischl u. s. f.) werden von Asthmatikern vielfach mit Nutzen 
aufgesucht. Aber auch die Riviera oder besonders geschützte warme 
Orte, wie Honnef, bewährten sich als Kurorte. Es ist schwer, mit Sicher¬ 
heit zu berechnen, welcher Ort für den speciellen Patienten der vortheil- 
hafteste ist, jedenfalls kommen auch andere Rücksichten, welche für die 
Nerven von Bedeutung sind, bei der Wahl des Ortes in Betracht. 

8) Von der Elektricität werden Erfolge gerühmt, doch dürften 
dieselben kaum in der unmittelbaren Wirkung auf die Krankheit zu 
suchen sein. 

Es bleiben noch zwei Heilmethoden zu erwähnen, die der neueren 
Zeit angehören, welche für die Asthma-Therapie von grosser Bedeutung 
gewesen bezw. noch sind, über deren Werth aber die Urtheile der Aerzte 
sehr auseinandergehen. 

9) Die pneumatische Therapie durch Lange und Vivenot be¬ 
gründet, in den sogenannten Glocken oder auch durch die transportablen 
Apparate von Waldenburg und Biedert geübt, erfreute sich eine Zeit 
lang eines sehr grossen Rufes gerade bei der Behandlung des Asthma. 
Die mechanischen Anschauungen, welche in den sechziger und siebziger 
Jahren herrschten und welche auch in der Therapie prävalirten, trugen 
dazu bei, dieser Methode leicht Eingang zu verschaffen. Man begann so¬ 
gar, sich nicht auf die ursprüngliche Methode der comprimirten Luft zu 
beschränken, sondern specielle Indicationcn (Ausathmung in verdünnte 
Luft etc.) zu stellen. Es kann nicht geleugnet werden, dass diese mechani¬ 
sche Behandlungsmethode an Ansehen und Verbreitung verloren hat, nament¬ 
lich die transportablen Apparate sind fast verlassen. Ich selbst gehöre 
nicht zu den unbedingten Verehrern dieser Therapie, obgleich doch viele 
Namen von gutem Klang für dieselbe eintreten, namentlich v. Liebig, 
Knauthe, Corval, Lazarus. 

Vor einigen Jahren war diese Therapie Gegenstand einer Discussion im 
Verein für innere Medicin, deren Resultat derselben nicht sehr günstig war. 

10) Die neueste Heilmethode des Asthma beruht auf den bereits oben 


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besprochenen Beziehungen zwischen Nasenkrankheiten und Asthma. Die 
von Hack berichteten glanzenden Erfolge der operativen Behandlung 
haben ihr besonders schnell Eingang und Ansehen verschafft Die Acten 
hierüber sind noch nicht geschlossen, wie die wiederholten über diesen 
Gegenstand gepflogenen Discussionen ergeben haben. Aber soviel dürfte 
nach den Ergebnissen der neuesten Discussion im Verein für innere Me- 
dicin doch feststehen, dass die operative Behandlung der Nase günstige 
Erfolge aufzuweisen hat. Bei der leichten und ungefährlichen Ausführ¬ 
barkeit der Operation wird man in heftigen und hartnäckigen Fällen nicht 
versäumen dürfen, die Untersuchung der Nase und die operative Be¬ 
seitigung etwaiger Abnormitäten vornehmen zu lassen, wenn auch nicht 
in jedem so operirten Falle Heilung oder Erleichterung für längere Zeit 
wird erwartet werden können. 


Darf die Transfusion als ein lebensrettendes Mittel gelten? 

Von Dr. Klopstech, 

Stabsarzt im 2. Thüringischen Infanterie-Regiment No. 32. 

(Schluss.)*) 

Es wäre eine schwierige und undankbare Aufgabe, eines derselben 
als das beste zu bezeichnen; es ist dies aber auch nicht nothig. Denn 
das ganze Armatorium, das allein für die Zwecke der Transfusion er¬ 
funden und ausgeklügelt ist, hat heute nur noch historischen Werth und 
wird entweder vergessen werden, oder es wird in den Raritätenkammern 
der ärztlichen Instrumentensammlungen die zukünftigen Generationen 
lehren, was der menschliche Scharfsinn erfunden hat, um die einzelnen 
Zwischenfälle bei der Transfusion unmöglich zu machen. Da nun aber 
dieser Zwischenfälle recht viele sein können, so sind einige der „voll¬ 
kommensten u Instrumente wahre Ungeheuer geworden, zuweilen noch 
vergrössert durch voluminöse doppelwandige Umhüllungen aus Gummi, 
Seide oder Wolle, die im Ernstfall durch Füllung mit warmem Wasser 
dem zu transfundirenden Blute die für nothwendig erachtete Temperatur 
erhalten sollten. 

Die für die directe Transfusion aus einer Arterie des Blutspenders 
in eine Vene des Blutempfängers bestimmten Apparate sind einfach und 
practicabel, sie bestehen im Wesentlichen aus 2 Canülen, die durch ein 
kurzes Verbindungsglied aus Glas, Metall und Gummi vereinigt wurden. 

*) cfr. Heft 9 S. 441—449. 


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Die Geschicklichkeit des Operateurs oder eigene Vorrichtungen (Hähne, 
Verschluss- und Einsatzstücke, die natürlich wieder ihrerseits Gelegenheit 
zu Gerinnselbildung geben konnten) sollten das gefürchtete Eindringen 
von Luft beim Beginn und während der Operation verhindern. Das Herz 
des Blutgebers war treibende Kraft. 

Complicirt waren die Apparate für die indirecte Transfusion; hier 
musste das Blut in das Gcfässsystem des Blutempfängers eingepresst und 
mussten oft erhebliche Widerstände überwunden werden. Man hatte da¬ 
zu eine grosse Menge verschiedener Apparate erfunden, deren treibendes 
Moment fast ohne Ausnahme eine Druck- und Säugpumpe, eine Stempel¬ 
oder Ballonspritze war. 

Gesellius wollte Dicbts von Einspritzen wissen, er liess das Blut 
nach dem Gesetz der Schwere einfliessen. Erwähnen möchte ich seinen 
ersten Apparat,*) vermittelst dessen er das von ihm für das geeignetste 
gehaltene Capillarblut aus der Haut des Blutspenders abschröpfen und 
unter Luftabschluss in den Patienten überleiten wollte. Am Schluss der 
zuversichtlichen Broschüre theilt er „die 1. Transfusion mit meinem 
Apparat“**) mit und wundert sich selbst über die reiche Blutfülle 
die er aus dem blutspendenden Soldaten erzielte und die (wohlgemerkt 
aus den Capillaren stammend!) so bedeutend war, dass er die Nach¬ 
blutung nachher mit Ferrum sesquicblorat. stillen musste! Er hatte in 
einer Minute mehr Blut, als er brauchte, und damit schien ihm der Be¬ 
weis der Vorzüglichkeit des Schröpfapparats, dessen genügende Functions¬ 
fähigkeit hätte angezweifelt werden können, völlig bewiesen. (Dass er 
den Soldaten durch die Blutentziehung noch von einem lästigen Rheu¬ 
matismus der oberen hinteren Schultergegend, wo der Schröpfapparat 
angesetzt war, befreit hatte, sei nur nebenbei bemerkt.) Leider musste 
der Erfinder einige Jahre später***) zugestehen, dass der Apparat, trotz 
seiner Vorzüglichkeit, nicht brauchbar sei, da er nicht schnell genug, 
oder gar nicht, genügende Blutmengen absauge, und dass der Soldat des 
oben beschriebenen Versuchs zufällig ein Hämophile gewesen sei! Am 
besten waren die einfachsten Apparate, und eine sorgfältig gearbeitete 
Stempelspritze aus Glas, deren Spitze der eingeführten Canüle genau und 
leicht einzupassen war, schien den Meisten genügende Sicherstellung der 
Transfusion zu bereiten. 

*) Gesellius, Capillarblut — undefibrinirtes — zur Transfusion. Peters¬ 
burg 1868. 

**) ibidem Seite 48 und 49. 

***) In seiner Studie vom Jahre 1873. Seite 21. 


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Doch kommen wir wieder auf den obenerwähnten Mangel menschlichen 
Blutes zurück. Das Factam stand fest, and man bezweifelte die umfassende 
Ausbeutung der Errungenschaft, weil im Augenblick der Noth menschliches 
Blut nicht zu erhalten war. Scanzoni*) that deshalb den Ausspruch: 
„Die Transfusion dürfte nur ein brillantes Schaustück auf Kliniken bleiben, 
eine allgemeine Verbreitung blüht ihr nie!“ 

Oesellius hatte, entgegen den Ansichten Hüter’s, Panum’s und 
Anderer, die Transfusion defibrinirten Blutes so lebhaft bekämpft, dass er 
und seine Anhänger bei der Unmöglichkeit, ganzes Blut zu haben, schon 
um consequent zu bleiben, lieber ganz auf das Menschenblut verzichten 
wollten; sie erhoben zum Princip die Transfusion mit ganzem Thierblut, 
dessen directe Beschaffung und Verwendung sich leichter ermöglichen 
liess. Man griff auf die älteren und neueren Mittheilungen von solchen 
Transfusionen zurück, die günstig gewesen sein sollten, gegenüber denen 
mit defibrinirtem Blute. (Gesellius liefert eine seinen Wünschen ent¬ 
sprechende Tabelle).**) 

Wir haben oben schon gezeigt, dass von einer Statistik kein beweis¬ 
gültiger Aufschluss zu erwarten ist, welche auf die grösste Unähnlich* 
keit der Fälle in Bezug auf Krankheit, Indication, Blutmenge, Zeit u. s. w r . 
gar keine Rücksicht nimmt, sondern sich einzig und allein an die Worte 
klammert: defibrinirt, nicht defibrinirt; todt, genesen, gebessert. 
Doch erreichte Gesellius seinen Zweck und die Verehrer der Trans¬ 
fusion traten wieder in hellen Schaaren auf, leider diesmal auch viele 
Unberufene. 

Die Operation wurde in einzelnen Veröffentlichungen glücklicher 
Fälle als so einfach und ihr Effect als so geradezu verblüffend geschildert, 
dass wirklich dem praktischen Arzte, der fern von den geistigen Mittel¬ 
punkten lebte, kaum ein Vorwurf gemacht werden kann, wenn er auch 
versuchen wollte, an den schönen Erfolgen der Lammbluttransfusionen 
Theil zu nehmen. Das winzige Werkzeug, eine Lancette, eine Canüle 
und ein Stückchen Drainrohr in der Verbandtasche, ein Lämmchen auf 
dem Wagen, so zogen sie fröhlich hinaus, um Todescandidaten mit 
Schwindsucht, Magenkrebs und anderen unheilbaren Krankheiten zu retten 
und sich bewundern zu lassen von dem staunenden Publikum, das nicht 
so scheu und zurückhaltend blieb, wie sonst, wo doch der Eine und 
Andere vom Arzte um einen gefälligen freiwilligen Aderlass ersucht 
worden war. 

*) ibid. Seite 31. 

**) Transfusion des Bluts. Petersburg 1873. 



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Hasse io Nordhausen hatte den Reigen eröffnet, Unzählige folgten, 
and mit ihnen wachs der Umfang der Indicationcn, so dass kaum noch 
ein Leiden denkbar war, wo man nicht Transfusion mit und ohne de- 
plethorischen Aderlass indicirt gehalten hätte! 

Wie manches hochklingende Schriftstückchen mag in jener Zeit 
nicht an die Oeffentlichkeit zur weiteren Verbreitung in den Zeitungen 
gekommen sein, weil es dem Operateur noch im letzten Moment nach 
der völligen Druckreife gelang, es wieder in den Schreibtisch zurück- 
znziehen, da der Gerettete doch mittlerweile gestorben war. Das un¬ 
mittelbar betheiligte Publikum liess sich leicht von dem Arzt, der das 
Vertrauen hatte, beruhigen und betheuerte auf Wuusch mit voller Ueber- 
zeugang, dass der Nutzen zur Zeit der Operation ein grossartiger gewesen 
sei, nach eigener Beobachtung und nach eigener Aussage des Operirten 
selbst. Ich will gewiss nicht behaupten, dass nicht bei weitem die 
meisten der unbekannt gebliebenen Operateure bona fide gehandelt haben; 
aber bei Durchsicht der vielen hochathmigen Berichte und Artikel, von 
denen die Zeitschriften der Siebzigen Jahre angefüllt sind, wird man doch 
unwillkürlich oft an die Charlatanerie früherer Jahrhunderte erinnert, 
und man muss sich zuweilen besinnen, ob es wirklich die allerneueste 
Zeit ist, in der die Wunder passirt sein sollen. 

Dass auch der Stand der Militärärzte, der auf alle Neuerungen im 
Gebiete der Chirurgie und der operativen Technik ein so eifersüchtig- 
wachsames Auge hat, trotz aller Skepsis in Bezug auf die unglaublichen 
Heilerfolge und Indicationen, der Transfusion seine fortgesetzte Auf¬ 
merksamkeit nicht entziehen konnte und wollte, braucht wohl kaum er¬ 
wähnt zu werden. Denn wenn eine Irdication berechtigt schien, so war 
es die der acuten Anämie bei äusseren Verwundungen, und diese musste 
ja dem Militärarzt in seiner eigentlichsten Domäne eine unschätzbare 
Gelegenheit bieten, seine Wirksamkeit im Felde zu erhöhen. 

Das Interesse in der deutschen Armee war auf die Beobachtung und 
Würdigung aller einschlägigen Neuerungen der Bewegung gerichtet; man 
prüfte Alles, uift das Beste eventuell behalten zu können, besprach sich 
in den einzelnen Fachgesellschaften. Man engagirte sich aber nach keiner 
Richtung bin und war vorsichtig genug, bei der Erwägung, ob man die 
Anschaffung von Transfusionsapparaten für den Kriegsfall vorbereiten 
sollte, nur einen solchen in Vorschlag zu bringen, der in compendiöser 
Form, in Verbindung mit einem Fräntzel’schen Troicart und einer 
Schlundsonde, auch eine volle Berechtigung als „Apparat zur Entfernung 
von Blutergüssen, pleuritischen Ex- und Transsudaten aus dem Thorax 


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542 


und als vollkommene Magenpumpe hatte“ (den Schliep’schen Traos- 
fusor).*) 

Neudörfer**) in Wien giebt an, dass er mit besonderer Berück¬ 
sichtigung der Anwendbarkeit im Felde seine Versuche nur mit Hammel¬ 
blut gemacht habe, obgleich er Lammblut in mancher Beziehung vor¬ 
zieht, und kommt mit bestimmten Vorschlägen für den Kriegsfall. 

Nach seiner Methode kann seine Canüle schon einige Stunden vor 
dem Gebrauch oder wenigstens entfernt vom Operationsort in die Carotis 
des Thieres eingebunden werden. Die befestigte Canüle wird unter die 
Haut versenkt, die betreffende Stelle des Halses durch ein umgelegtcs 
Tuch geschützt. Durch diese Theilung der Arbeit soll cs möglich sein, 
ohne Hast und Mühe bei 40 Verwendeten mit acuter Anämie die Blut¬ 
transfusion in weniger als 2 Stunden auszuführen,***) (Jeder Hammel er¬ 
laubt 4 Transfusionen.) 

Die Beiträge Neudörfer’s sind überhaupt für den damaligen Stand 
der Transfusionsfrage sehr instructiv. Er giebt eine sehr eingehende 
Kritik der vorhandenen Methoden, .wägt die Vortheile und Nachtbeile 
der einzelnen Apparate ab, verbessert den für den besten anerkannten 
Rou ßsel’schen Pumpapparat noch erheblich durch seine neu construirte 
Arteriencanüle (mit einer sich vom Hauptrohr abzweigenden Nebenröhre) 
und durch eine Venencanüle aus Metall, und schafft so einen Apparat, 
an dem nichts auszusetzen sein soll. Derselbe gestattet bei der directen 
Hammelbluttransfusion die unmittelbare Aufeinanderfolge mehrerer 
Kranken, ferner die oben erwähnte Arbeitsteilung, genaue Controle des 
wirklichen Ueberfliessens von Blut, die Messung der transfundirten 
Blutmenge, verhindert Eintreiben von Gerinnseln und Luft, ist also nach 
seiner Meinung vollkommen. 

Das ungefähr waren die Verhältnisse zur Zeit der ßlüthe der 
Transfusion, als die Reaction und damit ein Wendepunkt eintrat, von 
welchem es sehr rasch und immer rascher bergab ging. Fassen wir, 
ehe wir fortfahren, hier noch einmal das Wesen der Bluttransfusionslebre 
zusammen, so ergeben sich folgende Hauptsätze. 

1) Ausgehend von der Erfahrung, dass man fast verblutete Thiere 
durch Transfusion von Blut wieder zum Leben gebracht hatte, schrieb 
man dies Resultat hauptsächlich den rothen Blutkörperchen der über¬ 
geführten Blutmenge zu. 

*) Bruberger, Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1874 Seite 534. 

**) Neudörfer, Beiträge zur Bluttransfusion 1875. Deutsche Zeitschrift für 
Chirurgie Bd. VI. Heft 1 Seite 57. 

***) ihid. Seite 103. 


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2) Man hat sich den Effect des Wiederbelebens so zu erklären ge¬ 
sucht, dass man annahm, der Tod trete durch ungenügende Menge der 
übrig gebliebenen rotheu Blutkörperchen ein; träte aber das transfundirte 
Blot schnell hinzu, so genüge die Summe des Blutes nun wieder zur 
Ernährung des Körpers. 

3) Man hielt die Bluttransfusion, wenn sie mit einiger Vorsicht und 
Schonung ausgeführt wurde, auch heim Menschen für einen ungefährlichen 
Eingriff. 

4) Man fürchtete bei der Transfusion hauptsächlich die Plethora und 
sachte die Erscheinungen, die man für den Ausdruck derselben hielt, 
durch einen entsprechenden Aderlass zu paralysiren. 

5) Man glaubte im defibrinirten Blute nicht nur ein dem ganzen 
Blote völlig gleichwerthiges Mittel für den Blutersatz zu haben, sondern 
hielt so praparirtes Blut sogar für geeigneter, da die Defibrination 
dasselbe sauerstoffreicher und somit lebenskräftiger mache, und weil die 
Gefahr der Gerinnung mit ihren Folgeerscheinungen (Embolie und Throm¬ 
bose) völlig vermieden werden könne. 

6) Man nahm an, die transfundirten Blutkörperchen seien eigentlich 
trausplantirt und übernähmen die ernährende und respiratorische Function 
neben den im Körper befindlichen guten und an Stelle der im Körper 
untauglichen Blutkörperchen. 

7) Nur das Blut solcher Thiere sei unbedingt zu verwerfen, welches 
grössere rothe Blutkörperchen habe, als das menschliche, da die grösseren 
Körperchen die nur für die eigenen durchgängigen Capillaren nicht 
passiren können. 

8) Lammblut sei ein geeigneter Ersatz für Menschenblut. 

9) Man glaubte krankes Blut der Kranken dadurch auf die einfachste 
Weise verbessern zu können, dass man einen Theil desselben durch 
Aderlass entferne und zu dem znrückbleibenden solches von guter Be¬ 
schaffenheit aus einem anderen Individuum hinüberleite. Die Operation 
könne unter Cautelen so oft wiederholt werden, bis die Mischung des im 
Körper vorhandenen ein genügendes Gesammtblut darstelle. 

10) Man hielt die subjectiv und objectiv nachweisbaren, oft sehr 
stürmischen Reactionserscheinungen für bedeutungslos. 

11) Die Richtigkeit dieser Annahmen vorausgesetzt, musste die Blut¬ 
transfusion nicht nur bei acuter Anämie, sondern auch bei hochgradiger 
chronischer Anämie durch Säfteverlust und bei allen sonstigen das Leben 
durch abnorme Beschaffenheit des Blutes bedrohenden Krankheiten als 
ein lebensrettendes Mittel angesehen werden. 



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Im folgenden Theile dieser Abhandlung wird es aber unsere Aufgabe 
sein, n ächz uw eisen, dass alle diese Sätze als folgenschwere Irrthümer 
erkannt werden müssen und dass demgemäss die lebensrettende Thatder 
Transfusion in ein Nichts zusammensinkt. 

Die vortrefflichen und beweiskräftigen Untersuchungen und Experi¬ 
mente von Worm-Müller, Lesser, Panum, Ponfick, Armin Köhler 
und Anderen haben die Unbaltbarkeit und Gefährlichkeit der Lehre von 
der Bluttransfusion dargelegt und dienen auch unseren Deductionen als 
Grundlage. 

Aus den epochemachenden Arbeiten dieser Forscher wird Folgendes 
ersichtlich: 

1) Die Auffassung vom Verblutungstod, die der Bluttransfusion zur 
Stütze gedient hat, ist falsch. 

2) Die Ernährung der Gewebe durch Stoffe, die aus der verdauten 
Nahrung gewonnen werden, kann nicht durch das transfundirte Blut 
ersetzt werden. 

3) Die Gefahr der Plethora wird durch die Bluttransfusion nicht bedingt. 

4) Der deplethoriscbe Aderlass ist demgemäss überflüssig und, als 
blutraubend, schädlich. 

5) Die ReactionserscheiDungen bei und nach der Operation sind zum 
Theil psychischer Natur (Ohnmacht, Unruhe, Flimmern vor den Augen), 
zum Theil durch zu schnelle und nngleichmässige Einführung der Blut- 
menge bedingt (Herzshoc, Uebelkeit, Erbrechen); diese sind zum Theil 
zu vermeiden oder wenigstens zu mildern. Die bedrohlichsten Er¬ 
scheinungen, Schüttelfrost, Fieber, Anomalien der Harnsecretion, sind 
die Folgen einer Blutdecomposition, welche sich stets in einer, der ein- 
gefuhrten Blutmenge entsprechenden, mehr oder weniger heftigen Nierenent¬ 
zündung äussere. 

6) Jedes fremdartige und auch das defibrinirte eigenartige Blut übt 
bei der Transfusion einen giftigen, zerstörenden Einfluss auf die festen 
Elemente des Blutes aus. 

Betrachten wir zunächst die Lehre von dem Tode durch acute 
Anämie in Folge von Blutverlust aus einem grosseren Gefass. 

Die Versuche von Worm-Müller*) (Christiania) und Lesser**) 

*) Worm-Müller, Die Abhängigkeit des arteriellen Drucks von der Blut¬ 
menge (Bericht der Königl. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften. Math, 
physik. Klasse. 12. XII. 73.). 

**) S. Lesser, Lehre vom Blutersatze. Habilitationsschrift aus Würzbirg, 1875 
(erschienen in Leipzig). 


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545 


zeigen ans, dass bei plötzlicher Blatentziehung der Tod nicht eintritt, 
wenn so viel Blut abgeflossen ist, dass der Rest zur Ernährung nicht 
mehr ausreicht, sondern dass dieser Tod schon viel früher eintritt. 

Die Gefahr des Todes liegt bei Blutverlusten bis a /3 der Gesammt- 
menge in dem Missverhältnis zwischen Gefässweite und Gefässinhalt 
und wird bedingt nicht durch Mangel an Blut zur Ernährung der Nerven- 
centren, sondern durch Mangel der Blutbewegung, die wiederum ihrer¬ 
seits durch eine plötzliche, abnorme Abnahme des arteriellen Blutdrucks 
herbeigefuhrt wird. Die Blutsäule wird unterbrochen und das arbeitende 
Herz vermag nicht mehr durch seine Thätigkeit dieselbe in Bewegung 
zu erhalten. „Das Herz arbeitet zunächst noch fort; aber seine Arbeit 
ist wirkungslos; es gleicht einer leeren Pumpe, es hebt und treibt nicht 
mehr die Blutsäule, deren Spannungsdifferenzen in den verschiedenen 
Abschnitten des Gefässsysteros aufgehört haben. 

Die Beobachtung zeigt dementsprechend, dass bei Thieren, denen 
man tödtliche Blutentziehungen macht, der todtliche Collaps schneller 
eintritt, wenn man sie so lagert, dass der Kopf hochliegt und das 
Hintertheil berabhängt. Der venöse Rückfluss des Bluts zum Herzen 
wird dadurch erschwert und die Function desselben dadurch früher un¬ 
wirksam gemacht Umgekehrt kann man den Collaps eines Thieres noch 
längere Zeit hinhalten, wenn man es entgegengesetzt lagert, so dass die 
venöse Blutmasse aus den Extremitäten und dem Unterleib besser und 
länger dem Herzen zugeführt wird. 

Den gleichen Effect erzielt man auch durch die sogenannte Auto¬ 
transfusion, wobei durch Einwickeluug der Extremitäten mit elastischen 
Binden nach Esmarch’scber Manier das Blut aus dem Capillarsystem 
und den kleineren Venen der umschnürten Körpertbeile heraus- und dem 
Herzen zugetrieben wird. 

Dass aber bei drohendem Verblutungstode die noch vorhandene 
Blutmenge zum Leben genügt, zeigten Cohnheim und nach ihmKron- 
ecker und Sander durch den einfachen Versuch, dass sie den Blut¬ 
druck durch infundirte Kochsalzlosung erhöhteu und das wieder aufge¬ 
weckte Thier mit dem in seinen Adern übrig gebliebenen Blutrest dauernd 
am Leben erhielten. Nahmen sie statt der Kochsalzlösung Blut zur 
Transfusion, so war nach der bald entnommenen Blutprobe die nach¬ 
folgende Hydrämie zunächst geringer, als bei Kochsalzlösung; aber sehr 

*) v. Bergmann, Die Schicksale der Transfusion, Rede 1883 Seite 9. 


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bald schon zeigte sieb, dass dieselbe nach der Salzlösung doppelt so 
schnell verschwand, als die nach der Bluttransfusion.*) 

Auch vergleichende Zählungen der rothen Blutkörperchen bei der 
acuten und chronischen Anämie beweisen, dass die Zahl der beim 
schnellen Verblutungstode zuruckbleibenden rothen Blutkörperchen noch 
zum Leben genügt haben wurde.**) Bald nach erheblichen Blutver¬ 
lusten sinkt die Anzahl der rothen Blutkörperchen von 5 auf 2—2V* 
Millionen pro cmm. Bei chronischer Anämie sinkt sie häufig auf 
2—300000 pro cmm; hier ist also noch der 10. Theil für das Leben 
ausreichend, während dort bei der bedeutend grösseren Anzahl von Blut¬ 
körperchen das Leben erlöschen muss. 

Es ist demnach klar, dass die Transfusion des Blutes nicht vermöge 
einer specifischen Wirkung seiner rothen Blutkörperchen günstigen Ein¬ 
fluss auf ein dem Vcrblutungstode nahes Individuum gehabt hat, sondern 
dass dies nur durch eine Wiederherstellung der normalen Druckver¬ 
hältnisse im Gefässsystem des verletzten Organismus geschehen ist. Dass 
aber das angewandte Transfusionsmedium nicht nur nicht vortheilhaft für 
den Blutersatz, sondern sogar schädlich war, haben wir soeben bei Er¬ 
wähnung der Hydrämie schon angedeutet und werden es später noch 
ausführlich beweisen. 

Was nun die Plethora anbetrifft, welche den Kopfschmerz, Schwindel, 
die Ohnmacht, die Athemnoth, Beklemmung, das Gefühl von Völle, im 
höchsten Grade sogar den plötzlichen Tod bedingen sollte, so ist ihre 
Existenz bei der Transfusion eben nur angenommen worden, weil man 
iu ihr eine Erklärung der oben angeführten Symptome zu haben glaubte. 

Wie aber experimentell nachgewiesen werden kann, tritt eine irgend 
wie erhebliche Steigerung des Blutdrucks im Gefässsystem über die Norm 
gar nicht ein. 

Schon im Jahre 1873 wies Worm-Müll er***) nach, dass bei Ver- 
grösserung der Blutmenge von 2—4°/ 0 des Körpergewichts, der Blut¬ 
druck allerdings steige; aber nur in ganz geringem Maasse and ganz vor¬ 
übergehend, so dass der normale Zustand sehr bald zurückkehrt Durch 
weitere Blutzufuhr um das Doppelte, ja um das Dreifache der ursprüng¬ 
lichen normalen Menge, vermag dann der Normaldruck iu keiner Weise 
erhöht zu werden. 

*) Recklinghausen, Handbuch der allgemeinen Pathologie des Kreislaufs 
und der Ernährung. 1883. S. 182 ff. 

**) ibidem. 

***) Worm-Mü 1 ler, S. GÖ2. (Abhängigkeit des arteriellen Drucks u. s. w. s. oben.) 


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Lesser kann in seiner oben angeführten Habilitationsschrift*) diese 
Beobachtungen durch eigene Versuche nur bestätigen. 

Zur Erklärung dieser auffallenden Thatsache nimmt Worm-Müller 
an, dass gleichsam 3 Territorien der Capacität des Gefässsystems bestehen 
uod zwar: 

1) Nach Verringerung des Gefässinhalts durch acute Anämie (nach 
Venaesection und einem unfreiwilligen Blutverlust durch Gefässtrennung) 
steigt der Blutdruck allmälig wieder bis zum Normalen. (Die Grenze 
für die Blutmenge beträgt 1,5—2,5% des Körpergewichts über die Norm.) 

2) Die Blutmenge steigt von 2—4% des Körpergewichts über die 
normale Grenze. Hier bedingt der Einfluss des vasomotorischen Nerven¬ 
systems, welcher den Normaldruck zu erhalten strebt, dass nur geringe 
Schwankungen nach oben und unten in schneller Aufeinanderfolge 
auftreten. 

3) Bei noch weiter zunehmender Blutmenge deshalb nicht mehr, 
weil wahrscheinlich eine Reckung der Gefässe eintritt.**) 

Daraus geht mit Sicherheit hervor, dass bei der für die Bluttrans¬ 
fusion in Betracht kommenden Menge von einer Steigerung des Drucks 
über die Norm, also von einer künstlichen Plethora, gar nicht die Rede 
sein kann. Das vasomotorische Nervensystem ist noch im Stande 
2—4% des Körpergewichts an Blutzunahme zu verarbeiten, während bei 
Menschen die Menge des eingeführten Blutes l°/ 0 des Körpergewichts 
oder ungefähr y 8 der normalen Blntmbnge kaum je erreicht hat, ge¬ 
wöhnlich waren es nur 3—5% 0 . 

Der deplethorische Aderlass, den man so oft und den viele Opera¬ 
teure stets zur Einleitung der Trausfusion oder gleichzeitig mit derselben 
vorgenommen haben, muss als eine directe Schädigung des Patienten 
angesehen werden. Er war, selbst die volle güustige Wirksamkeit der 
eingeführten Blutmenge vorausgesetzt, überflüssig und man nahm mit 
der einen Hand, was man mit der anderen Hand geben wollte. Wenn 
aber noch sogar, wie gezeigt werden wird, das infundirte Blut nichts zur 
Ernährung beitragen konnte, so wurde der Aderlass doppelt verhängnis¬ 
voll für den Kranken. 

In einem einzigen Fall war eine rationelle Indication für den Ader¬ 
lass gegeben, als man bei hochgradiger Kohlenoxydgas-Vergiftung, deren 
Wesen bekanntlich in einer Zerstörung resp. Unbrauchbarkeit der vor¬ 
handenen rothen Blutkörperchen besteht, die functionsunfähigen Blut- 

*) Lesser etc. Seite 10. 

**) Worm-Müller, Seite 652. 

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körperchen vermittelst der Transfusion durch neue ersetzen wollte. 
Hier war es nicht die eingebildete Plethora, sondern der ausgesprochene 
Wille des Arztes, einen Tbeil der verdorbenen Blutkörperchen schnell 
zu entfernen, was den Aderlass indicirte, um dafür neue, int&cte einzu¬ 
führen, die an Stelle der abgegebenen im Körper des Patienten functio- 
niren sollten. Wenn der Erfolg trotzdem dem Wunsche des Opera¬ 
teurs nicht entsprach, so lag der Grund sicher nicht in dem Aderlässe, 
sondern darin, dass das transfundirte Blut die Functionen normalen 
Menschenbluts zu übernehmen eben nicht im Stande war. 

Nun, könnte man aber fragen, war die Indication für den Aderlass 
in allen den Fällen nicht eben so berechtigt, in welchen der Arzt durch 
die Transfusion ein Blutbesserung bei chronischer Anämie, in Folge von 
Phthisis, Carcinom, Pyämie und anderen Krankheiten bezweckte? Diese 
Frage muss verneint werden; denn während bei der Kohlenoxydgas- 
Vergiftung die Zerstörungsquelle bei der Einleitung des Heilverfahrens 
schon abgesperrt war, und der Blutersatz nicht mehr durch das ein- 
geathmete Kohlenoxydgas angegriffen wurde, bleibt bei den Krankheits¬ 
processen, die im Körper begründet sind, die deletäre Einwirkung auf 
das Blut fortgesetzt bestehen und wird auch die neu eingeführten Blut¬ 
körperchen zu verderben fortfahren. 

Wir kommen nun zu der supponirten ernährenden Wirkung des 
traüsfundirteo Blutes, die von allen denjenigen Aerzten angenommen 
wurde, welche die Indication für die Operation dahin erweitert wissen 
wollten, dass die Transfusion mit Erfolg in allen Fällen anzuwenden 
sei, wo eine Ernährung des Patienten durch den Magen und Darm wegen 
Carcinom, Brechneigung Schwangerer uud dergleichen mehr, nicht möglich 
oder dienlich sei. 

Grund zu dieser Annahme hatten in den fünfziger Jahren die Mit¬ 
theilungen von Cbossat, Bidder und Schmidt*) gegeben, welche 
gefunden haben wollten, dass die Blutmenge bei der Inanition in einem 
viel stärkeren Maasse, als die übrigen Körpergewebe, mit Ausnahme 
des Fetts, abnähmen. Besonders sollte nach Chossat und Vierordt 
die Anzahl der rothen Blutkörperchen viel geringer werden. Auch 
neuere Autoren, wie Eulenburg und Landois, stützten diese Ansicht, 
indem sie angaben, dass es ihnen gelungen sei, Hunde längere Zeit ohne 
Nahrung,nur durch wiederholte Transfusionen, am Leben zu erhalten. 

Die genauen Untersuchungen Panum’s entsprechen diesen Resultaten 


*) Pan um, Zur Orientirung in der Transfusionsfrage (siehe oben) Seite 3 fl*. 


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der Letztgenannten nicht. Er hat an Hunden, die er fasten liese, durch 
Zählung der rothcn Blutkörperchen nach den besseren Methoden der 
Neuzeit und durch Wägung der festen Bestandteile des Bluts intra vitam 
und post mortem nachgewiesen, dass eine relativ grössere Abnahme dieser 
Bestandteile des Blutes nicht vorhanden war. Ferner hat er eine andere 
Reihe von Hunden abwechselnd fasten lassen und hat ihnen dann wieder¬ 
holt dazwischen Transfusionen von Hundeblut gemacht. Die Blutunter¬ 
suchungen ergaben gleichfalls nicht nur keine relative Abnahme, sondern 
sogar in Folge des Transfundirens grosser Blutmassen eiue ganz be¬ 
trächtliche Zunahme der rothen Blutkörperchen. (Ob diese Zunahme 
von Bestand blieb, kam für diese Versuche nicht in Betracht!) Es geht 
aus den Versuchen dieser Gruppe sicher hervor, dass die infundirten 
Blutkörperchen nicht zur Erhaltung des Körpers gedient haben können, 
denn, um nur einige Zahlen ans den interessanten Versuchsreihen auzu- 
fähren, der Körpergewichtsverlust eines kleinen Hündchens beim Fasten 
betrug durchschnittlich in 24 Stunden 70—80 gr., am ersten und zweiten 
Tage nach der Transfusion in 24 Stunden 140 gr. und darüber, am 
dritten und vierten Tage durchschnittlich 135 gr. Dies hätte nicht geschehen 
können, wenn das eingeführte Blut als Nahrungsmaterial zur Deckung 
der unvermeidlichen Ausgaben des Stoffwechsels verwendet worden wäre. 

Pan um schliesst aus alledem, dass die ernährende Wirkung des 
Blutes nicht darin bestehen kann, dass Bestandtheile desselben von den 
Geweben zur Nahrung aufgezehrt werden, sondern vielmehr, dass der 
physiologische Einfluss des Blutes darauf beruht, dass es Transportmittel 
für die aus den Verdauungsorganen herstammeudeu Nährstoffe ist, die 
durch den Kreislauf in den Körper geführt werden sollen. Und diese 
Ansichten sind in neuerer und allerneuster Zeit wiederholt bestätigt 
worden. 

Das Ergebniss der Untersuchung, wie sich die einzelnen Theile des 
Blutes als Transportmittel betheiligen, mag hier kurz Platz finden. 

Das Wasser des Plasma enthält die Salze (die kohlensauren und phos- 
pborsauren Alkalien des Bluts). 

Das Plasma im Ganzen führt die Kohlensäure, die Nahrungsstoffe 
und die Excretionsstoffe der Gewebe, die rothen Blutkörperchen den 
Sauerstoff. Das Hämoglobin der rothen Blutkörperchen nimmt 10—l8pCt. 
freien Sauerstoff auf. Es verbindet sich mit demselben zu Oxyhämoglobin. 
[Die Kohlenoxyd Vergiftung, die im Lauf der Betrachtungen schon öfter 
erwähnt werden musste, beruht darin, dass das CO grössere Affinität 
zum Hämoglobin hat, als das O. Das Oxyhämoglobin wird deshalb 

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beim Hinzutritt von Kohlenoxydgas decomponirt und die rothen Blut¬ 
körperchen büssen ihre Fähigkeit als Sauerstoffträger ein.] 


Gelegentlich der ernährenden Wirkung des Blutes möchte ich noch 
an dieser Stelle erwähnen, dass Gesellius und andere auch deshalb ein 
besonderes Gewicht auf die Verwendung undefibriuirten Blutes legten, 
weil sie das Fibrin für einen zur Ernährung wichtigen Factor hielten. 
Demgegenüber zeigt eine einfache Berechnung, dass das Fibrin seiner 
Menge nach kaum in Betracht kommen kann. In 500 gr. normalen 
Blutes befindet sich ungefähr 1 gr. Fibrin, dessen Stickstoffmenge 0,3 gr. 
Harnstoff entspricht. 

Da nun die täglich secernirte Harnstoffmenge 30 gr. beträgt, so 
würde der Fibringehalt einer transfundirten Blutmenge von 500 gr. das 
Material zur Harnstoffbildung nur für 20 Minuten liefern können. 

Wir kommen nun zu den Reactionserscheinungen, welche zumeist 
der Plethora, die, wie oben gezeigt, gar nicht vorhanden ist, zugeschoben 
worden sind. Dieselben sind schon seit den ältesten Transfusionsversucben 
mit grosser Uebereinstimmung geschildert worden. Man hatte sich daran 
gewöhnt, wie an etwas Selbstverständliches, Altbekanntes, ohne ihnen 
grosse Beachtung zu schenken oder ihnen besondere Bedeutung beizulegen. 
Alle Operationsmethoden und sogenannten Verbesserungen hatten keine 
wesentliche Veränderung des gesammten Symptomencomplexes bedingt. 
Ja, wir sind heut sogar berechtigt zu sagen, dass in den Fällen von 
Bluttransfusion, wo die bekannten Erscheinungen in erkennbarem Grade 
nicht aufgetreten sind, entweder gar kein Blut übergeflossen ist, mithin 
der Apparat nicht functionirt hat, (wie es oft bei directer Lammblut¬ 
transfusion wegen Verstopfung zu feiner Canülen wider Wissen and 
Willen des Operateurs geschehen sein mag), oder absichtlich nur minimale 
Mengen angewandt sein können. Stets wird sonst eintretende Uuruhe, 
Wärmeempfindung in der Nähe der Transfusionsstelle, Schmerzen im 
Rücken, Brustbeklemmung, Athemnoth, Flimmern und Dunkelwerden 
vor den Augen, Uebelkeit, Brechreiz und Erbrechen, Tenesmen und 
blutig gefärbter Urin*) in mehr oder weniger grossem Umfange erwähnt, 
stets traten nach der Operation mehr oder weniger heftiger Schüttelfrost und 
Temperaturerhöhung mit nachfolgendem Schweiss auf; in den schwersten 

*) Schon Denis 1667, dann Hasse, Sander, Thurn, K linge lhöfe r, 
Brüggemann und Andere erwähnen eine Hämaturie (?) [musste heissen Hämo¬ 
globinurie], ohne ihr besondere Wichtigkeit beizulegen. Brügge mann sagt, 
Hämaturie tritt gewöhnlich auf; aber je kleiner das blutspendende Thier, desto ge- 
geringer ist sie! (Kurz und bündig!) 



551 


Fällen trat entweder schon während der Operation tödtlicher Collaps 
ein, oder der Tod erfolgte nach 2—40 Stunden als langsames Hinsterben, 
selten unter heftigen Krämpfen. 

Die Erscheinungen von Seiten des Digestionsapparats sind nach 
Ponfick*) zum Theil durch zu stürmische oder zu ungleichmässige 
Einführungen des Blutes bedingt, da schon ganz geringe Schwankungen 
des Blutdrucks peristaltische Bewegung des Magens und Darms erzeugen 
können. Es entstehe dabei zunächst Kollern im Leibe, dann Ausstossung 
der Fäces, die im Rectum liegen. Bei länger wirkender Ursache werden 
dann dünnere, schleimige und wässrige, zuweilen mit Blutstreifen ge¬ 
mischte Stühle entleert. Selten finden sich auch röthlich gefärbte hämo¬ 
globinhaltige Transsudate im Darm. Auch Pan um**) erklärt einen 
Theil der Symptome durch die Schnelligkeit der Einspritzung und giebt 
an, dass man so langsam verfahren müsse, dass in der Minute höchstens 
100 gr., bei Dyspnoe und temporärem Widerstand in dem Gefässsystem 
noch weniger überfliesse. 

Am bedeutungsvollsten sind die Erscheinungen von Seiten der 
harnbereitenden Organe und der Schüttelfrost, welche bei defibrinirtem 
gleichartigen und in noch stärkerem Grade bei andersartigem Blut 
(beim Menschen kommt nur Lammblut resp. Hammelblut in Frage) 
auftreten. 

Um die Wirkung der verschiedenen transfundirten Flüssigkeiten 
zu prüfen, hat Ponfick in der oben erwähnten Arbeit eine Reihe von 
Untersuchungen angestellt, wo er zur Transfusion ausser Blut auch 
künstliches und natürliches Serum an wendete. Reines Wasser wendete 
er nicht an, da seine auflösende Wirkung auf die rothen Blutkörperchen 
den Versuch von vornherein ausschloss. 

Die Einführung künstlichen Serums, bestehend aus 1 Theil Hühner- 
eiweiss und 1 Theil einprocentiger Kochsalzlösung, hatte bei Hunden, selbst 
in grossen Quantitäten, fast keinen irgend wie bedenklichen Einfluss auf 
den Organismus. Auffällig war nur, dass das Hühnereiweiss schon nach 
2 Stunden im Urin nachweisbar war, dass im gleichen Maasse der 
Harnstoff geringer wurde und dass das specifische Gewicht des Harns 


*) Ponfick, Experimentelle Beiträge zur Lehre von der Transfusion. Virchow’s 
Archiv. Band 62 Heft 3 Seite 298 vom Jahre 1875. 

**) Pan um, Zur Orientirung etc. Seite 29. 


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in hohem Grade abnahm.*) Beim bezüglichen Versuchsthier betrug das 
specifische Gewicht des 

Morgenharns 1,045—1,0601 
des Tagesharns 1,030-1,040 J ReactioD 8auer > 
des Harns nach der Transfusion 1,010—1,025 Reaction alkalisch« 

Mit vorschreitender Ausscheidung des Hühnereiweisses und endlich 
mit dem Verschwinden desselben stellte sich allmalig neutrale, dann 
saure Reaction des Harnes ein, nahm das specifische Gewicht und die 
Harnstoffmenge wieder zu, so dass nach 2 Tagen der alte Zustand 
wieder hergestellt war. 

Die Einführung natürlichen Serums, das aus Lammblut sehr sorg¬ 
fältig bereitet war, um nach Möglichkeit die Anwesenheit von rothen 
Blutkörperchen auszuschliessen, hatte ebenfalls gar keinen verderblichen 
Einfluss. Eiweiss trat im Urin nicht auf, die Reaction blieb sauer, das 
specifische Gewicht bewegte sich innerhalb der normalen Grenzen. 

Die Transfusion von Hundeblut (direct und indirect) hatte bei einer 
Gesammtmenge von 64*/ 0 o des Körpergewichts ausser massigen Oppressions- 
erscheinungen nichts Abnormes gezeigt und die Hunde hatten es gut 
ertragen. 

Ganz anders war der Einfluss fremdartigen Blutes (hier Hammelblut 
beim Hunde). Bei einer Gesammtmenge von 30%o des Körpergewichts 
des blutempfangenden Hundes erfolgte starker Collaps noch wahrend der 
Einspritzung. Es bestand absolute Anurie, der Tod trat nach 2 Stunden 
ein. Aus dem Sectionsberichte dieses Falles**) ergiebt sich Folgendes: 
Herzbeutel und Pleurahöhle frei. Herz durch locker geronnenes Blut 
stark ausgedehnt; in den Lungen zahlreiche geringe Hämorrhagien, 
Kehlkopf und Trachea frei. In der Bauchhöhle wenig schmutzig rothe 
Flüssigkeit. Milz gross, dunkelblaurothe Pulpa. Beide Nieren gross und 
sehr blutreich; auf der Oberfläche und auf dem Durchschnitt zahlreiche 
rothbraune Flecken und Streifen. Harnblase ganz leer, Leber dunkel- 
roth. Der Magen enthalt zähen, blutig gefärbten Schleim. Darm dunkel- 
roth, nach dem Colon zu in grösserer Intensität. Hier isolirte Hamor¬ 
rhagien in der Schleimhaut; im Rectum ziemlich viel blutig gefärbte Faces. 

Im Vergleich mit dem vorigen Versuch (Hundeblut für den Hund) 
ist hier, obgleich verbaltnissmassig nur halb soviel Blut eingeführt wurde, 
ein überaus zerstörender Einfluss zu constatiren, der auch bei allen 
Conlrolver8ucben mit Lammblut immer wieder beobachtet wurde. Die 

*) Ponfick, Virchow’s Archiv B. 62 Seite 277. 

**) Ponfick, ebendaselbst Seite 258 ff. 


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Schwere der Erscheinungen steht mit der transfandirten Blutmenge in 
bestimmtem Verhältnis, wie aus folgender Uebersicbt hervorgeht.*) 

Hunde wurden durch Lammbluttransfusion getodtet: 

bei 14 °/oo des Körpergewichts in 15 Stunden 

- 20 %o - - - 9 

- 32%o - - - 2 

Hunde kamen durch bei Lammbluttransfusion, wenn das über- 
geführte Blut 10, 12, 13*/oo des Körpergewichts betrug, wurden jedoch 
stets schwer krank. 

Fragen wir uns nun, wie kommt der tödtliche Effect zu Stande, so 
müssen wir zunächst constatiren, dass Ponfick bei den Sectionen weder 
einen Anhalt für eine schwere Erkrankung des Gehirns, der Athmungs- 
organe oder des Herzens, noch Gerinnungen von tödtlicher Ausdehnung 
in den Gefässen oder blutig gefärbte Ergüsse in den grossen Höhlen 
(dies Letztere nur in dem oben erwähnten Fall in geringem Maasse) ge¬ 
funden hat. Aber es zeigte sich stets eine schwere Erkrankung der 
harnsecernirenden Organe und besonders der Nieren, die sich zunächst 
durch Schwellung der Nieren und Anhäufung von rötblichbraunen Ein¬ 
lagerungen documentirte. Die mikroskopische Untersuchung ergab in den 
gewundenen und geraden Harncanälchen solide Pfropfe von körniger oder 
hyaliner Grundlage, die mit einer hämoglobinartigen Masse getränkt 
waren; rothe Blutkörperchen als solche waren niemals nachweisbar. 
Durch die spectroskopische Analyse ergab sich, dass sich in den Ge¬ 
weben und in den Gefassen, in den Nieren und in dem röthlich gefärbten 
Harn, sowie in den serösen Ergüssen (wie auch einige Mal in dem Kammer¬ 
wasser der Augen) Hämoglobin befinde. 

Dieses Hämoglobin stammt, wie man jetzt überall weiss, aus zer¬ 
störten rotheu Blutkörperchen; ob aus den transfundirten, wie Ponfick 
meint, ob aus den unbrauchbar gewordenen des Blutempfängers, wie 
Hape vermutbet, ob aus beiden, wie es in Wirklichkeit ist, erscheint 
zunächst irrelevant für uns. Mit dem Plasma wird es durch das Gefäss- 
system geführt; von hier aus kann es nun seinerseits wieder seine zer¬ 
setzende Wirkung auf die noch bestehenden Blutkörperchen ausüben, die 
dadurch auf das Energischste in ihrem Bestände bedroht werden, wenn 
es nicht sehr bald ausgeschieden wird. Diese Ausscheidung beginnt 
allerdings sehr schnell und muss zum allergrössten Theil durch den Harn 
geschehen. Deshalb entsteht auch in den Nieren so schnell der Reizungs- 


*) Ponfick, ebendaselbst Seite 303. 


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und Entzündungszu9tand, der im directen Verhältniss zu der eingeführten 
Blutmenge steht. 

Ist die auszuscheidende Hämogiobinmenge nicht zu gross, so werden 
die Nieren, trotz der sofort entstehenden Entzündung, die Ausscheidung 
durch die wegsam gebliebenen Abschnitte des Organs ermöglichen können, 
und der Körper wird die Nierenerkrankung, die sich durch den Schüttel¬ 
frost und das Fieber äussert, überwinden; der im Harn zuerst durch 
röthliche Färbung erkennbare Hämoglobingehalt vermindert sich allmälig 
so sehr, dass er nur noch durch die spectroskopische Analyse nachweis¬ 
bar ist und schliesslich völlig verschwindet. Kommt aber das Hämo¬ 
globin zu concentrirt und zu massenhaft in die Nieren, dann füllen sich, 
in Folge plötzlich auftretender Entzündung, sämmtliche Harncanälchen so 
vollständig mit Exsudatmassen, dass die Passage für die Secretion und 
damit die Ausscheidung unmöglich wird. Die Blase bleibt vollständig 
leer und der Tod tritt unter urämischen Erscheinungen ein. 

Das Hämoglobin wird nur bei ganz minimalen Mengen derartig im 
Körper zersetzt, dass sein Vorhandensein durch den Spectralapparat nicht 
zu constatiren ist; sein Auftreten im Harn ist daher ein sehr feines 
Kriterium für die Zersetzung rother Blutkörperchen geworden, wo andere 
Symptome noch gänzlich fehlen. Beim Hunde z. B. wird Hämoglobinurie 
noch vermisst bei 1,- %o Lammbluttransfusion, während sie bei 1,3 %9 
schon deutlich nachweisbar ist. 

Wenden wir uns nun zu der Frage, wie entsteht die Zerstörung der 
rothen Blutkörperchen im Gefässsystem, durch welche das Hämoglobin 
frei wird? 

Prevost und Dumas haben constatirt, dass es zum Theil daran 
liege, weil das Blutserum einer Species ein Gift für die Blutkörperchen 
einer anderen Art ist, und neuerdings ist durch Landois die Thatsacbe 
dahin präcisirt worden, dass die Blutkörperchen etlicher Arten durch 
das Serum resp. durch Lymphe und Transsudate anderer direct aufgelöst 
werden, und zwar haben die verschiedenen Species Blutkörperchen von 
verschiedener Resistenz.*) Pan um**) führt über die Ansichten ver¬ 
schiedener Forscher ungefährnoch das Folgende an: Bischoffund nach ihm 
Brown-Sequard glaubten den Grund in dem Kohlensäurereicbthum des 
Thierblutes gefunden zu haben, doch ist dieser Grund sicher nicht er¬ 
schöpfend. C. Schmidt macht auf die wesentlichen Abweichungen der 

*) Cohnheim, Vorlesungen über allgemeine Pathologie. Berlin 1877. Band 1. 
Seite 348. 

**) Panum, Virchow’s Archiv Seite 66, 67. 


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555 


r . 

Aschenaualysen von Blutkörperchen der Menschen and verschiedener Thier- 
species aufmerksam. Danach sind in 100 Gewichtstheilen Blutkörperchen- 
Asche vorhanden: 

Kaliam Natrium Phosphorsäure Chlor 
beim Menschen: 41 10 18 21 

beim Schaf: 15 38 9 27 

Gewiss sind diese Verhältnisse so ungleichartig, dass bei Mischung 
beider Blutsorten Zersetzungen wohl erklärlich scheinen könnten, wenn¬ 
gleich über das eigentliche Wesen der Zersetzung daraus nichts hervorgeht. 

Es handelt sich vielmehr bei der Auflösung der Blutkörperchen, 
weissen sowohl wie rothen, um eine Fermentbildung im Blut, die weiter 
unten besprochen werden wird. 

Ponfick hat den Untergang von Blutkörperchen im Blute der 
frischen Leiche eines Menschen, dem Lammblut transfundirt war,*) unter 
dem Mikroskop beobachten können, und es ist ihm gelungen, aus den 
Grössenverhältnissen**) der vorhandenen schon in Zerstörung begriffenen 
und noch intacten Blutkörperchen nachzuweisen, dass menschliche, die 
fast einhalb Mal grösser sind, als die des Hammels, noch in grosser An¬ 
zahl vorhanden waren, während neben den geschrumpften und zum Theil 
schon zerstörten rothe Blutkörperchen des Hammelblutes von normaler 
Form gar nicht mehr aufgefunden werden konnten. 

Aber nicht nur fremdartiges Blut, in specie Hammelblut für den 
Menschen, übt einen verderblichen Einfluss auf den Organismus ans, son¬ 
dern überhaupt jedes Blut, selbst das eigene, wenn es vor der Transfusion 
schon eine Gerinnung durchgemacht hat. 

Armin Köhler***) zeigt dies in seinem vielbesprochenen, folgenden 
Versuch am Kaninchen.f) Es werden nämlich einem Kaninchen 10 bis 
12 ccm Blut entzogen. Man lässt dasselbe zu einem Kuchen gerinuen 
und sobald sich auf der Oberfläche desselben einige Tropfen Serum zeigen, 
presst man ihn. nachdem er zerschnitten, durch Leinwand. Das erhaltene 
Blut wird filtrirt und davon 5—6 ccm demselben Kaninchen in die Ader 
gespritzt. „Schon ehe die langsame Transfusion vollendet ist, entsteht 

*) Ponfick, Berliner klinische Wochenschrift No. 28. 1874. Wandlungen 

des Lammblntes innerhalb des menschlichen Organismus. 

*•) Das Verhältniss der menschlichen Blutkörperchen zu denen des Hammels 
ist wie 1:0,6. 

•••) Armin Köhler, Ueber Thrombose und Transfusion, Eiter- und septische 
Infection und deren Beziehung zum Fibrinferment. Dorpat 1877. 

f) Cohnheim (siehe oben), Seite 345. 


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plötzlich der charakteristische Opisthotonus, die Pupillen werden weit, 
das Thier macht angstvoll nach Luft schnappende Bewegungen mit Mund 
und Nase, wahrend das Herz mächtig und die Brustwand kraftvoll er¬ 
schütternd fortarbeitet, kurz es entsteht das wohlbekannte und unver¬ 
kennbare Bild der tödtlichen Lungen-Embolie. Bei schneller Eröffnung 
des Herzens findet man nun das noch schlagende rechte Herz voll von 
zähen verfilzten Gerinnseln und die gesammte Verästelung der Pulmonal- 
arterien in beiden Lungen prall und strotzend gefüllt von dem schönsten 
rothen Thrombus, den man bis in die kleinsten mit der Scheere noch 
zugänglichen Verzweigungen prapariren kann. Das linke Herz enthalt 
zuweilen auch noch kleine Gerinnsel, das Blut aber, welches man aus 
den übrigen Gefassen auffangt, ist nun auffallend schwer und langsam 
gerinnbar geworden.“ 

Ueber die Entstehung dieser Gerinnung geben uns Schmidt, Köhler 
und Edelberg interessante Aufklärung. Im defibrinirten Blut befindet 
sich nämlich stets freie fibrinoplastische Substanz und Fibrinferment; 
wenn diese Substanzen in das kreisende Blut gelangen, so rufen sie mehr 
oder weniger ausgedehnte Gerinnungen hervor. Köhl er nennt diesen Vorgang 
im Blut „Fermentiutoxication“ und unterscheidet verschiedene Grade der¬ 
selben, je nachdem, ob bei massenhafter und plötzlicher Auflösung der 
Blutkörperchen, Gerinnung im Kreislauf und Tod auftritt, oder ob bei 
geringerer Zerstörung der Blutkörperchen nur eine Blutzersetzung auftritt, 
die den Organismus mehr oder weniger schädigt, die aber noch von demselben 
überwunden werden kann. Die verschiedene Giftigkeit verschiedenen 
Thierblutes erklärt sich so durch verschiedenen Fermentgehalt desselben. 

Auch nach der Art des Defibrinirens ist der Fermentgehalt ein ver¬ 
schiedener; am grössten ist er in der bei dem Thierversuch eben be¬ 
schriebenen Art des Auspressens durch Leinwand, viel geringer beim 
Defibriniren durch Schlagen oder Quirlen des Blutes. Und so wird es 
auch erklärlich, warum wir gewöhnlich bei Transfusionen, bei welchen 
das Blut meistens mit einem Glasstab gerührt wird, nicht so plötzliche 
und schroff auftretende Erscheinungen beobachtet haben, wie bei dem 
Versuch mit dem Kaninchen. 

Weitere Forschungen haben ergeben, dass jeder Aderlass den Ferment¬ 
gehalt im Blut steigert. Nach Bojanus*) geht die Steigerung des 
vitalen Fermentgehalts im circulirenden Blute bei einem Schaf von 1,4 auf 
2,7 und bei einem Hunde von 7,1 sogar auf 28,5. Ebenso wird nach 


•) v. Bergmann’s Hede (siehe oben) Anmerkung 19 und 21 Seite 29. 


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557 


demselben Forscher der Fermentgehalt durch jedes Fieber, besonders aber 
bei septischer Infection, sehr bedeutend vermehrt, so dass bei der seiner 
Zeit von Hüter*) vorgeschlagenen antipyretischen Transfusion noch ein 
Grund mehr gegen die Indication einer Transfusion auftritt, als in manchen 
anderen Fallen. 

Wir sind so im Laufe der Betrachtungen zu der Erkenntniss ge¬ 
kommen, dass von den beiden grossen Aufgaben, welche der Bluttrans¬ 
fusion gestellt worden sind, die erste: der Ersatz rother Blutkörper¬ 
chen bei der acuten tödtlichen Anämie nach plötzlichen Blutverlusten 
nicht erforderlich, die andere: die Verbesserung des alten Blutes 
durch Hinzufugen neuen Blutes aber unmöglich ist, dass vielmehr jedes 
in das Gefasssystem direct eingefuhrte Blut, besonders in Verbindung mit 
einem Aderlass, den Bestand des vorhandenen Blutes ernstlich gefährdet. 
Rechnen wir noch die mancherlei Gefahren hinzu, welche durch die rein 
operative Seite des Verfahrens auftreten können, so werden wir zuge¬ 
stehen müssen, dass die ganze Lehre von der Bluttransfusion keine Be¬ 
rechtigung mehr hat, unter die Hülfsmittel der ärztlichen Kunst gezahlt 
zu werden. 

Mit dieser Erkenntniss ist natürlich die Frage, ob die Transfusion 
als ein lebensrettendes Mittel gelten darf, selbst trotz der 
beglaubigten Thatsache, dass die Bluttransfusion in einzelnen 
Fällen lebensrettend gewirkt hat, mit „Nein* 4 zu beantworten. 

Wir wären somit am Schluss unserer Aufgabe angelangt, wenn 
sich nicht, gestützt auf Thatsachen, noch eine Frage fast von selbst 
aufdrängte. 

Es ist dies die Frage der Kochsalztransfusion bei acuter Anämie, 
die wir deshalb im Anschluss an das Obige noch kurz betrachten wollen. 

Wie wir oben schon gesehen, hatte Cohnheim und nach ihm 
Krön eck er und Sander experimentell an Hunden, die schon verblutet 
waren, nachgewiesen, dass dieselben durch Transfusion einer Kochsalz¬ 
lösung wieder zum Leben gebracht werden konnten. Ja, es hatte sich 
sogar heraosgestellt,**) dass die entstehende beträchtliche Hydrämie sich 
schneller zurückbildete, als bei der Bluttransfusion. Diese Versuche sind 
durch zahlreiche Experimente an Thieren von Schwarz (siehe uuten) 
bestätigt worden, der auf Grund derselben zuerst empfohlen hat, diese 
Kochsalztransfusion statt der üblichen Bluttransfusion beim Menschen 
anzuwenden. 

*) Hüter, Allgemeine Chirurgie. 1873. § 271. 

•*) Schwarz, Habilitationsschrift. Halle a. S. 1881 und oben Seite 29. 


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558 


Wenn man sich vergegenwärtigt, dass alle die Gefahren and Un¬ 
bequemlichkeiten der Bluttransfusion hierbei vermieden werden, aud die 
lebenerrettende Wiederherstellung des Blutdruckes im Gefässsystem, bis 
das Herz wieder mit Erfolg arbeiten kann, fast gefahrlos erreicht wird, 
so kann man die Wichtigkeit dieses Vorschlages nicht unterschätzen. 

Ausserdem ist die Indication der acuten Anämie bei operativer 
Sicherstellung der Blutstillung zur Zeit der Transfusion eine so präcise 
und beschränkte, dass eine Erweiterung bis ins Unendliche, wie wir sie 
bei der Bluttransfusion eben gesehen haben, gar nicht zu befurchten ist 

Was das Verfahren selbst anbetrifft, so gestaltet sich die Einführung 
einer auf Blut wärme gebrachten 0,6proeentigen Kochsalzlösung*) sehr 
einfach. Die Salzlösung fliesst durch eigene Schwere aus einem ge¬ 
wöhnlichen, gut gereinigten Irrigator, der mit einem Probetroicart oder 
einer Canüle armirt ist, langsam in die Armvene über. Die Menge kann 
nach den oben gezeigten Erfahrungen vom Blutdruck, und da sie in 
jeder Quantität leicht zu haben ist, viel bedeutender sein, als wir sie bei 
Blut angewendet sahen, und beträgt nach den bisherigen Erfahrungen am 
besten 1000,0 gr. durchschnittlich. 

Der Erfolg der bis jetzt in der Litteratur beschriebenen Fälle, die ja, 
der Natur der Indication nach, verhältnissmässig selten sein werden, ist 
ein äusserst günstige rzu nennen. Nach Prof. Mikulicz **) sind bis Anfang 
1885 wegen acuter Anämie 17 Kochsalzinfusionen gemacht worden. In elf 
Fällen trat dauernde Heilung ein. In drei Fällen traten die drohenden 
Erscheinungen der Anämie völlig zurück, doch starben die Kranken 
später an anderen Störungen und zwar: 

a. nach Nierenexstirpation an Amyloiddegeneration der anderen Niere 
(zweiter Tag), 

b. an Sepsis (am sechsten Tage), 

c. an Perforationsperitonitis (nach 3 Wochen). 

Bei 3 Fällen war der Erfolg, obgleich er deutlich constatirt wurde, 
kein dauernder (Tod nach 5 / 4 > 3 ! /a und 12 Stunden). 

a. 1 Fall von Nierenexstirpation, 

b. 1 Fall von unvollständiger Exstirpation eines Ovarialtumors, 

c. 1 Fall von wiederholter Magenblutung aus Magengeschwür. 

•) Recipe: Natron chlorat. 6,0, 
natr. carbonic. 1,0, 
aq. destill. 1000,0. 

**) Mikulicz, Krakau 1884, Ueber die Bedeutung der Bluttransfusion und 
Kochsalzinfusion. 


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559 


Dieser letzte Fall entspricht der oben aufgestellten Indication nicht 
ganz, nnd wird deshalb der Nichterfolg desselben nicht als Grund gegen 
die Anwendung der Kochsalztransfusion verwerthet werden dürfen. 

Schädlichkeiten für die Patienten sind bei diesem Verfahren bis jetzt 
weder beobachtet noch von competenter Seite*) behauptet worden, so 
dass wir hoffen dürfen, in der Kochsalzinfusion ein Mittel zu besitzen, 
welches wenigstens einen Theil der erwünschten Wirkung der Bluttrans¬ 
fusion erfüllen kann. 

AufGrund des oben Dargelegten sind folgende Satze auf¬ 
zustellen: 

1) Der Verblutungstod erfolgt nicht durch zu grossen Verlust rother 
Blutkörperchen, sondern durch Storungen der Blutvertheilung im Gefass- 
sy8tem. 

2) Der Tod bei plötzlichem Blutverlust tritt schon zu einer Zeit ein, 
wo noch genügend Blut vorhanden ist, um das Leben zu erhalten. 

3) Die directe Transfusion von einem Menschen zum andern ist 
wegen Mangels geeigneter und williger Blutspender schwer durchführbar. 

4) Lammblut (Hammelblut) und anderes fremdartiges Blut ist nicht 
geeignet zur Transfusion beim Menschen. 

*) In allerneuster Zeit hat Länderer, wie er auf dem letzten Chirurgen- 
congress in Berlin am 7. 4. 86 mittheilte, diese Salzlösung doch als unzureichend 
erklärt, weil sie aus Mangel an Nährmaterial nicht im Stande sei, das verlorene 
Eiweiss zu ersetzen, um die Kranken am Leben zu erhalten (vergl. Berliner klin. 
Wochenschrift No. 16). Er schlug deshalb vor, auf 4 Theile der alkalischen Lösung 
1 Theil defibrinirten Blutes hinzuzufügen. 

lieber den Werth des transfundirten Blutes als Nährmittel u. s. w., sowie über 
das Eintreten des Verblutungstodes, lange bevor der Verlust an Blut eine lebens¬ 
gefährliche Höhe erreicht hat, ist oben ausführlich gehandelt. Wir würden uns mit 
Annahme dieses neuesten Vorschlages wieder mit einem Mal inmitten der Blut¬ 
transfusion befinden mit all den unerfüllbaren, hofi’nungsvollen Erwartungen und all 
den nachgewiesenen Gefahren, deren Erkenntniss uns von jedem Versuch in 
dieser Richtung unbedingt abhalten muss. 

Ebenso erscheint es vorerst mit dem weiteren Vorschlag des 3proeentigen 
Rohrzuckerzusatzes, schon im Interesse der Einfachheit des Verfahrens der Koch¬ 
salzinfusion, die stets sofort ausführbar ist. Bei eintretender Lebensgefahr aus acuter 
Anämie wird jeder, auch der geringste Zeitverlust verhängnissvoll und sei er auch 
nur so gering, wie die Zeit, welche ein Operateur damit verliert, dass er zu der 
sofort zu bereitenden Kochsalzlösung sich den geeigneten Rohrzuck er zusatz verschafft. 

Es liegt.bei acuter Anämie, die bis jetzt als einzige Indication für die Koch¬ 
salzinfusion anerkannt ist, ein Bedfirfniss nicht vor, da der baldige, zur weiteren 
Erhaltung des Lebens nothwendige Blutersatz bei den bis jetzt mit reiner Kochsalz¬ 
lösung behandelten Patienten in vollkommener Weise stattgefunden hat und auch 
experimentell nachgewiesen ist. 


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560 


5) Blut, das einen beliebigen Grad der Gerinnung durcbgemacbt hat, 
eignet sich nicht zum ßlutersatz durch die Transfusion. 

6) Eine directe ernährende Wirkung des transfundirten Blutes auf 
das Gewebe des Blutempfängers besteht nicht. 

7) Die Gefahr einer Plethora ist durch directe Blutzufuhr in das 
Gefässsystem nicht bedingt. 

8) Der deplethorische Aderlass bei der Transfusion ist unnutz und 
wirkt schädlich. 

9) Das transfundirte Blut fällt mehr oder weniger schnellem Zerfall an¬ 
heim; die Reactionserscheinungen hören erst mit der vollendeten Beseiti¬ 
gung desselben auf. 

10) Hämoglobin ist ein feines Erkennungszeichen für die Auflösung 
rother Blutkörperchen im Organismus. 

11) Blut und Serum verschiedener Thierspecies besitzen einen ver¬ 
schieden grossen Zerstörungseinfluss auf die Blutkörperchen anderer Species. 

12) Der Fibrinfermentgehalt ein und desselben Blutes ist verschieden 
gross, je nach der Art des Defibrinationsverfahrens; er fehlt bei keinem. 

13) Die Bluttransfusion ist zu verwerfen. 

14) Die Kochsalzinfusion ist ein unschädliches Mittel zur Wieder¬ 
herstellung des nöthigen Gefässdruckes nach plötzlicher profuser Blut¬ 
entziehung. 

15) Die Infusion von Kochsalzlösung ist leichter ausführbar als die 
des Blutes. 

16) Die Statistik bestätigt die Ansicht von der Kochsalzinfusion und 
ihrer Indication für acute Anämie. 


Referate und Kritiken. 


Bericht über die Verhandlungen der deutschen Gesellschaft 
für Chirurgie. XV. Congress, abgehalten zu Berlin vom 
7. bis 10. April 1886. Beilage zum Central-Blatt pro 1886. No. 24. 

Entgegen dem früheren Brauch hat die Redaction diesmal den Ver¬ 
such gemacht, die Materialien der Verhandlungen nicht nach der Reihen¬ 
folge in den einzelnen Sitzungen, sondern nach dem Inhalt zu ordnen. 
Man kann zu diesem Versuch nur gratuliren und wird nicht irren, wenn 
man annimmt, dass derselbe für die Zukunft als Norm beibehalten wird. 
Der Tendenz unserer Zeitschrift entsprechend, erscheint es angezeigt, aus 
dem reichhaltigen Inhalt nur das hervorzuheben, was für die Kriegs- 
Chirurgie und die Militär-Medicin von besonderer Bedeutung ist. 

1. Schede: Heilung unter dem Blutschorf. 

Fussend auf den Erfahrungen, dass in aseptischen Wunden liegendes 


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Blut nicht zerfällt, fault, oder verjaucht, sondern selbst umfangreichere 
Blutgerinnsel die Veränderungen eingehen, welche man als Organisation 
bezeichnet, versuchte Schede, im Gegensatz zu v. Bergmann, diese 
Organisationsfähigkeit zu benutzen, um unter Beseitigung von Drainage 
und Compression (Neüber) die Wunden mit einem plastischen Material 
zu fallen. Die directe Veranlassung zu diesen Untersuchungen ergab 
sich aus Erfahrungen, welche beim Klumpfuss mit der offenen Durch¬ 
schneidung der verkürzten Weichtheile (Phelps) gemacht waren. Das 
Verfahren bei S. war im Allgemeinen Folgendes: Möglichst unter Blut¬ 
leere und bei vollkommener Antiseptik — Sublimat 1,0:1000,0 — wurde 
operirt. Die Haut über der Operationswunde wurde durch Nähte geschlossen 
bis auf eine oder mehrere zur Ableitung bestimmte Spalten, welche 
nicht nach unten sondern nach oben resp. nach der höchsten Stelle ange¬ 
legt waren; über die Wunde wurde ein grosses Stück Silk gelegt, so 
gross, dass es die Wandränder nach allen Seiten um einige Centimeter 
überragte, auf diese Grösse legt S. einen besonderen Werth, weil der 
Seidentaffet den Zweck hat, die Anfüllung der Wunde mit Blut zu sichern 
und dessen Austrocknung zu verhindern. Die Füllung mit Blut wird aus¬ 
schliesslich der parenchymatösen Blutung uberlassen. Nachdem folgt ein 
dicker antiaeptischer Verband mit mehrfachen Schichten von Sublimat¬ 
gaze und Watte, Sublimatmooskissen, unter Vermeidung undurchlässiger 
Schichten, bei möglichster Ruhigstellung des Gliedes. 

S. behandelte nach dieser Methode im Ganzen 241 Fälle, z B. 40 Gelenk- 
resectionen mit 37 Heilungen; 13 Fälle von Ausmeisseiungen tuberculöser 
Knochenherde unterhalb der Gelenke mit 12 Heilungen; 30 Fälle von 
Totalexstirpation kleiner käsiger Kuochen mit 23 Heilungen, 24 Fälle von 
Geschwülsten, Schleimbeuteln, Bubonen mit 22 Heilungen u. s. w. 

Der Verlauf war* fast ausnahmslos ein ganz reactionsloser. 

Es ist wohl nicht darüber zu streiten, dass dieses Verfahren, wenn 
auch für die klinische Behandlung vielleicht hier und da zu versuchen, 
in die Kriegs-Chirurgie keinen Eingang finden wird. In diesem Sinne 
äusserten sich auch v. Bergmann und v. Volk mann: ersterer betonte 
auch hier wie sonst und zweifellos in unbedingter Uebereinstimmung mit 
den Vertretern der Kriegs-Chirurgie die Wichtigkeit einer sorgfältigen 
Blutstillung als eines integrirenden Bestandteils des antiseptischen Ver¬ 
fahrens. 

2. Länderer: Ueber Transfusion und Infusion. 

L. machte seit 1880 experimentelle und klinische Untersuchungen 
qu. Art. Er verwendete 1) alkalische Kochsalzlösungen, 2) eine Mischung 
von einem Theil defibrinirten Blutes auf 3 bis 4 Theile alkalischer Koch¬ 
salzlösungen, 3) eine Mischung von alkalischer Kochsalzlösung mit Zusatz 
von 3 °/<> Rohrzucker. L. machte die Beobachtung, dass bei relativer 
Unsicherheit des Erfolgs bei Anwendung der ersten beiden Lösungen ein 
günstiger Verlauf beim Gebrauch der dritten zu constatiren war. So 
z. B. erholten sich Thiere, denen nur noch 1 bis 1 ’/a °/o Körpergewicht 
Blut geblieben war, rasch und ersetzten, wie die Blutkörperchen-Zählungen 
ergaben, den Verlust in etwa 14 Tagen. Auch eine Verblutung am 
Menschen wurde durch eine Infusion von 300 ccm der Mischung No. 3 
geheilt. Versuche mit Vergiftungen, namentlich Kohlenoxydgas, sind noch 
nicht zum Abschluss gelangt*) 


*) cf. S. 659 Anm. 


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562 .— 


3. Czerny: Demonstration eines geheilten Rockgrat- 
sc hasses. 

C. demonstrirte das Präparat der Wirbelsäule einer jungen Frau, 
welche von ihrem eifersüchtigen Gatten links von dem Dornfortsatz des 
letzten Brustwirbels eine Revolverkugel erhalten hatte. Die Wunde selbst 
heilte ungestört, die absolute motorische und sensible Lähmung der untern 
Körperhalfte führte aber in ihren Folgezuständen binnen 7 Monaten zum 
Tode. Die Kugel fand sich zwischen dem letzten Rückenwirbel und 
erstem Lendenwirbel rechts von der Mittellinie eingeheilt. Das Rücken¬ 
mark war vollständig durchtrennt, unterhalb verdickt, oberhalb bis zum vor¬ 
letzten Rückenwirbel eitrig erweicht. Die Dura hatte vorn und hinten 
eine mit dem Knochen verwachsene Narbe. — 

Ob man diesen Fall wirklich als „geheilten* Rückgratschuss aufzn- 
fassen hat, ist doch wohl fraglich; denn die Ansicht, dass das eitrig er¬ 
weichte Rückenmark Product einer Myelitis acuta sei und keine Abace¬ 
dirung, dürfte denn doch bestreitbar sein. Auch die acute Myelitis würde 
doch wohl ohne jeden Zwang als Folgezustand der Schussverletzung auf¬ 
zufassen sein. — Dass für die Behandlung von Rückgratschüssen von der 
Sonde möglichst kein Gebrauch zu machen sei, betonte auch C. in Ueber- 
einstimmung mit anderen Autoren, und wenn auf der einen Seite der Pall 
Garfield als „exemplum docet“ beigezogen wurde, so wurde auf der an¬ 
dern Seite leider des vom Stabsarzt Alber8 behandelten und beschriebe¬ 
nen Falles von K.*) nicht gedacht. Herr von K., mit dem Referenten 
befreundet, präsentirt ein glänzendes Testimonium vivum von geheiltem 
Rückgratschuss. Die Verletzung war der Garfield’schen ungemein ähnlich 
und hat einen so günstigen Ausgang genommen, dass Herr von K. nicht 
nur stehen und gehen, sondern auch reiten und zwar zureiten kann. — 
Ref. möchte nicht unterlassen zu bemerken, wie Herr von K. in der 
ersten Zeit höchst ungehalten darüber war, dass „gar nicht sondirt wurde*. 

4. Bircher: Eine neue Methode unmittelbarer Retention 
bei Knochenbrüchen der Extremitäten. 

B. hat, um bei Knochenbrüchen, welche jeder mittelbaren Retention 
trotzen, eine solche zu erzielen, folgendes Verfahren angewendet. Eis 
wurde bei den Diaphysen ein Elfenbeinzapfen in die Markhöhle gelegt 
und so die Retention bewerkstelligt Bei den Epiphysen wurde eine 
H-förmige Klammer, welche an die Corticalis angelegt wird, in Anwen¬ 
dung gebracht. Auf diese Weise gelangten Fracturen, die jedem Ver¬ 
band, sowie der permanenten Extension auf dem Schlittenapparat trotzten, 
mit minimaler Verkürzung (1 cm) oder ohne solche in relativ kurzer 
Zeit zur Heilung. B. bezeichnet diese unmittelbare Retentionsmethode 
als die einfachste und zweckmässigste, weil sie die sofortige Einrichtung 
der Fractur zugleich mit antiseptischer Occlusion gestattet. — Indication: 
1) Complicirte Fracturen mit rebellischer Dislocation. 2) Einfache Fra¬ 
cturen (Pseudarthrosen) mit Erfolglosigkeit der mittelbaren Retentions¬ 
methoden. — Auch v. Volkmann, Heine, Kraske erzielten mit dem 
B.’schen Verfahren gute Erfolge. 

5. Hausmann: Eine neue Methode zur Fixirung der Frag¬ 
mente bei complicirten Fracturen. 

Das Verfahren von H. besteht darin, dass man die reponirten frei- 


Deutsche militärärztl. Zeitsclir. 1884. S. 10. 


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gelegten Fragmente mit einem schmalen Streifen von ungehärtetem ver¬ 
nickelten Stahlblech überbrückt und diesen, der mit Lochern versehen 
ist, vermittelst besonders construirter vernickelter Stahlschrauben fixirt. 
Die Stiele der Schrauben sowohl, als das an einer Seite rechtwinklig um¬ 
gebogene Blech sehen aus der Wunde heraus als Handhaben für spätere 
Entfernung. Bei event. Lockerung können die Schrauben durch solche mit 
stärkerem Gewinde ersetzt werden. Im Allgemeinen können die Schrauben 
nach 4—8 Wochen entfernt werden, die Herausnahme ist sehr leicht. 
Im Ganzen wurden 20 Fälle verschiedener Art nach dieser Methode auf 
Schede’s Abtheilung in Hamburg behandelt. Vor Nekrosenbildung 
schützt das Verfahren weder, noch begünstigt es dieselbe. 

7. Meusel: Vorstellung einer Schussverletzung des Ellen- 
bogengelenkes. 

Ein 18 jähriger Mann erhielt am 20. October 1885 aus nächster Nähe 
einen Schrotschuss in das linke Ellenbogengelenk, durch den ein ovales 
Stück Haut von Handtellergrösse weggerissen, der musculus anconaeus 
zerfetzt und der humerus zerschmettert wurde. Die entfernten Knochen¬ 
stücke bildeten, zusammengelegt, ein 7 cm langes Knochenstuck. Die 
Gelenkkapsel war eröffnet. Es wurden nach Entfernung der Splitter etc. 
die beiden spitzen Fracturenden glatt abgesagt, adaptirt, der Arm recht- 
winkelig geschient. Sublimatverband. Erster Verbandwechsel nach 
14 Tagen, später alle 8 Tage. Von der 7. Woche an nach eingetretener 
CoDSolidirung wurde activ und passiv bewegt, nach 9 Wochen die durch 
Granulationen verstrichene Wunde mit transplantirten Hautstückchen be¬ 
deckt, um einer Beschränkung der Bewegungen durch die ausgedehnte Narbe 
vorzubeugen. Das Heilresultat ist glänzend: Kräftiger Arm, gute Mus- 
colatur, Bewegungen im Ellenbogen sicher, Beugung, Pronation, Supina¬ 
tion normal, Verkürzung des Oberarms um 3 cm. — Der Mann hat in 
seiner Arbeitsfähigkeit kaum etwas eingebüsst. — Breitung. 


Schuchardt, Stabsarzt. „Die heutigen Indicationen zu Gelenk- 
resectionen nach Schussverletzungen“. (Separatabdruck aus 
der deutschen Zeitschrift für Chirurgie XXIII. Bd.). 

Sch. behandelt in einer eingehenden, auf kritischer Sichtung des 
umfangreichen litterarischen Materials beruhenden Arbeit die heutigen In¬ 
dicationen zuGelenkresectionen nach Schussverletzungen sowohl für primäre 
als secundäre Operation. (Heilungsdauer und Erfolg beider in Bezug 
auf Erhaltung des Lebens und der Gebrauchsfähigkeit.) Nach Bejahung 
der Vorfrage, ob die antiseptische Wundbehandlung mit ihren drei Vor¬ 
bedingungen: Verbandmaterial, Schulung des Personals, Zeit zur regel¬ 
rechten Ausführung der Operationen, in kommenden Kriegen für die ganze 
Armee überhaupt durchführbar sei, führt Sch. sein Thema durch von 
dem Gesichtspunkte aus, ob und wie die antiseptische Methode die 
Indicationen zur Resection modificirt hat. Er kommt dabei zu bemerkens- 
werthen Resultaten, die wir hier auszugsweise wiedergeben wollen. Die 
Resultate der in vorantiseptischer Zeit ausgeführten Resectionen nach 
Schuss Verletzungen der Gelenke sind nicht befriedigend, und zwar lieferte 
in Bezug auf Mortalität die primäre Resection nicht bessere, in Bezug 
auf Gebrauchsfähigkeit wesentlich schlechtere Resultate als die secundäre. 
Die antiseptische Wundbehandlung eröffnete ein weites Feld für die 

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564 


conservircnde Behandlung überhaupt, und in gleichem Schritt mit der 
Ausbildung der Technik dieser Wundbehandlung gewann die conser- 
virende Behandlung der Resection gegenüber an Terrain. Die theore¬ 
tischen Vortheile der antiseptischen Behandlung sind Vermeidung von 
Pyämie und Septicämie, Abkürzung der Heilungsdauer, Möglichkeit 
früheren Transportes in Folge frühen Verschlusses der Weichtheilwunden. 
Die Indicationen für die Resection sind durch die Antiseptik wesentlich 
eingeschränkt. Typische Totalresectionen sind nur dann auszuführen, 
wenn beide Gelenkenden in grösserem Bereich verletzt sind. Meist 
genügt Arthrotomie, Kugel- und Knochensplitterextraction, Auswaschung 
und Drainage des Gelenks. Primär ist dieses döbridement nur indicirt 
bei grosser Weichtheilverletzung und Verunreinigung der Wunde, wenn 
primäre Amputation nicht bessere Resultate verspricht; secundär ist diese 
Operation vorzunehmeo, wenn die conservirend exspectative Behandlung 
missglückt ist! In Bezug auf die Heilungsdauer bietet, bei erreichter 
Asepsis, die primäre Resection zwar günstigere Chancen als die secundäre, 
doch nicht in dem Grade, dass der Versuch einer conservirend exspecta- 
tiven Behandlungdeshalbvon vornherein aufzugeben wäre. Diefunctionellen 
Resultate hängen in erster Linie von der Grösse der resecirten Knochen* 
gtücke, in zweiter von der Nachbehandlung ab. In Bezug auf letztere 
plaidirt Sch. eifrig für die Errichtung von Sammelstationen an den qu. 
Badeorten, wo ein Orthopäde von Fach, etwa unter Assistenz jüngerer 
Militärärzte, die Nachbehandlung der Resecirten nach einheitlichen Ge¬ 
sichtspunkten leiten würde. Die Resectionen auf dem Schlachtfelde 
sind möglichst zu vermeiden wegen der technischen Schwierigkeit, 
aseptische subperiostale Resectionen hier auszuführen, und weil der 
Transport ungünstiger auf Resecirte als auf nicht operirte Verwundete 
einwirkt. Lang ho ff. 


Dr. A. Koehler, Stabsarzt. „Zur Casuistik der Gaumenschüsse“. 

(Separatabdruck aus der deutschen Zeitschrift für Chirurgie XXL) 

K. veröffentlicht zwei, in der Bardel eben’schen Klinik beobachtete, 
sehr interessante Fälle, die er eingehend analysirt Voraufgeschickt wird 
eine auf dem Studium der neuesten Litteratur und theilweise auf den 
Resultaten von Schiessversuchen an Leichen beruhende Besprechung der 
diagnostischen und prognostischen Eigenthümlichkeiten dieser Gaumen- 
Schüsse (d. h. Schüsse mit Eingangsöffnung am Gaumen). Lebensgefährlich 
werden diese Schüsse durch Blutung und Erstickung (durch Blutcoagula, 
Zurücksinken der Zunge, Emphyseme). Bei Blutungen, zumal bei Spät¬ 
blutungen aus dem gefürchteten Winkel der fossa sphenopalatina, ist das 
Erkennen und Fassen der Gefässe sehr erschwert; bei letzteren Blutungen 
wird meist die Unterbindung der Carotis auszuführen sein. Je nach der 
Verschiedenheit der Schussrichtung kann so ziemlich jedes Gefäss, das 
vom Hals zum Kopf zieht, verletzt werden. Die Verletzung eines ein¬ 
zigen wird wohl am seltensten eintreten. Auch ohne Basisfractnr kann 
ein Hauptsymptom der letzteren, Anomalien in der Function der Basal¬ 
nerven, auftreten. Am leichtesten werden durch Gaumenschüsse der 
7., 8., 2., 3., 6. und 4. Hirnnerv tangirt, seltener der 9., 10., 11., 12., weil 
meist die vordere und mittlere Schädelgrube getroffen wird. Bei Basis- 
fractur sind die Gaumenschüsse fast alle tödtlich. Die graduellen Unter- 


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schiede in der Wirkung der Gaumenschüsse werden dann erläutert an 
3 Präparaten aus der Sammlung des medicinisch-chirurgischen Friedrich 
Wilhelms-Institutes und an den Ergebnissen von 3 Schiessversuchen, die 
Verfasser mit 7 mm Revolver an Leichen anstellte. Bei allen 3 Schüssen 
war die Eingangsöffnung nach hinten und links von der Mitte des harten 
Gaumens. Beim ersten Schuss ging die Kugel, in der Mittellinie bleibend, 
wie ein Locheisen durch den Keilbeinkörper ins Gehirn (Schädeldach 
unverletzt, Stück der injicirten Carotis weit ins Gehirn geschleudert). 
Beim 2. Versuch ging die Kugel zu weit link9, durchbohrte die Basis an 
der Gelenkfläche des Unterkiefers ohne weitere Splitterung und lag in 
der hinteren Schädelgrube, nachdem sie eine Rinne aus der Vorderfläche 
des Felsenbeines herausgeschlagen hatte. Bei dem 3. Versuche war es 
gelungen, die Basis des proc. pteryg. zu treffen; die Kugel war auch 
abgelenkt, aber nicht in’s Felsenbein, sondern nach vorn von der Spitze 
desselben, hatte hier ein Loch geschlagen, das Gehirn durchbohrt, und 
an der Innenseite des Scheitelbeins einen Bleifleck, keine Verletzung 
verursacht. Der linke proc. pteryg. mit dem angrenzenden Kieferrand 
war abgerissen; das Loch in der Basis erstreckte sich vom for. oval, bis 
zur fiss. orb. sup., Orbitaldach ohne Fractur. Diese Versuche lehren, 
dass Schüsse, die vom Gaumen aus, der Mittellinie nahe bleibend, die 
Basis erreichen, nicht ein bedeutendes Gefäss zu zerreissen brauchen, dass 
aber die carotis interna der directen oder indirecten Geschosswirkung 
nicht entgehen wird, wenn Keilbeinkörper oder Felsenbein getroffen sind. 
Zur Erklärung seines später zu besprechenden Falles geht dann K. auf 
den bei Basisfractur zuweilen auftretenden Symptomencomplex des pul- 
sirenden Exophthalmus ein, der entsteht bei Quetschungen oder Einrissen 
au der Wand der carotis interna innerhalb des sinus cavernosus oder des 
canalis caroticus. Au9 der Litteratur stellt er 11 einschlägige Fälle in 
tabellarischer Uebersicht zusammen. Von seinen beiden Fällen von 
Gaumenschuss ist d*r erste von hervorragendem Interesse durch die exacte 
Stellung der Diagnose. Die gleichzeitig mit pulsirendem Exophthalmus 
beobachtete Lähmung des 3., 4., 6., 7. und 8. Gehirnnerven erklärt K. damit, 
das9 e9 sich nicht um einen Bruch der Basis handelte, sondern um eine 
Erschütterung der Pyramide, vielleicht mit Infraction an der schwächsten 
Stelle, durch welche zuerst und am meisten die an der Hinterfläche des 
Felsenbeins gelegenen Theile (8., 7., 6 . Hirnnerv) litten. Der pulsirende 
Exophthalmus erklärt sich dann aus einer Quetschung der carotis interna, 
aas der sich bei allmäligera Durchbruch ein Aneurysma arterio-venosum 
bildete. Der Fall, dessen genauere Analysirung im Original zu studiren 
ist, gewinnt noch an Interesse dadurch, dass es innerhalb 8 Monaten 
gelang, relative Heilung zu erzielen, und die von dem pulsirenden Exoph¬ 
thalmus verursachten Beschwerden zu heben durch Anlegung eines 
besonders construirten Carotiscompressoriums. Bei dem 2. Falle, der 
ohne Lähmungen nach einmonatlicbem Verlauf durch Sepsis (Sinusthrom- 
bose uud eiterige Pleuritis) zum Tode führte, ging die Schussrichtung 
zwischen Schädelbasis und aufsteigendem Unterkieferast zum obersten 
Theil der Halswirbelsäule; die Kugel fand sich am foramen jugulare. 
ln Bezug auf den Eintritt der Sepsis wird die Frage angeregt, ob nicht 
bei mehr verticaler Schussrichtung der Verlauf sich (in Folge besseren 
Secretabflusses) gutartiger gestalten würde, als bei horizontal oder schräg 
abwärts gerichtetem Canal. Langhoff. 


37* 


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566 


Martius, Friedrich, „Die Methoden zur Erforschung des Faser- 
Verlaufes im Centralnervensystem“ (Volkmann’sehe Sammlung 
klinischer Vorträge No. 276). 

M. hat einen in der militärärztlichen Gesellschaft zu Berlin gehal¬ 
tenen Vortrag umgestaltet zu einer umfangreichen Darstellung obigen 
Themas. Dieselbe basirt auf eingehendstem Studium dieses schwierigen 
Capitels und zeichnet sich durch besonders geschickte Darstellung aus. 
Wenn auch zu vollständigem Verständnis des Gebotenen genauere Kennt¬ 
nisse in diesem Fache erforderlich sind, so ist die Arbeit doch in hohem 
Grade anregend, weil die darin behandelten Methoden anatomisch physio¬ 
logischer und experimentell pathologischer Untersuchung wohl das Inter¬ 
essanteste darsteilen, was auf dem Gebiete medizinischer Forschung 
geleistet wird. Wir können hier nur in kurzen Grundzügen den Gedanken¬ 
gang des Verfassers wiedergeben. Die Geschichte dieser Forschungen 
beginnt mit Griesinger, der 1860 in seinen „diagnostischen Bemerkungen 
über Hirnkrankheiten“ zuerst die diffusen von den herdartigen Erkran¬ 
kungen des Gehirns unterschied. Während er nur ein Herdsymptom, 
die halbseitige Lähmung, kannte, schrieb Nothnagel 20 Jahre später 
schon ein umfassendes Lehrbuch „der topischen Diagnostik der Gehirn¬ 
krankheiten“. Die durch Reichert angebahnte entwicklungsgeschichtliche 
Betrachtungsweise des Gehirns bezeichnet den Höhepunkt der Morphologie 
des Gehirns. Ihr folgt dann die neueste Phase der Gehirnforschung, die 
physiologische, mit ihrem ersten Vertreter Meynert, der zuerst den ver¬ 
wickelten Faserverlauf des Gehirns von physiologischen Gesichtspunkten 
aus bestimmte. Zur Zeit erstreben wir als ideales Ziel der anatomischen 
Zergliederung des Centralnervensystems die Verfolgung jeder einzelnen 
peripheren Nervenfaser bis zu ihrer primären centralen Endigung und 
von hier aus die Feststellung sämmtlicher vorhandenen Verbindungswege 
centraler Zellen untereinander. Bei der unendlichen Complicirtheit des 
centralen Faserverlaufs konnte nur die mühsamste Combination der 
von den verschiedensten Angriffspunkten aus und durch die verschiedensten 
Methoden gewonnenen Aufschlüsse Licht in die verschlungenen Pfade 
des Centralnervensysteras bringen. Zur Erforschung des Faserverlaufs 
hatte man als rein anatomische Untersuchungsmethoden die der Zer¬ 
faserung nach Härtung in Alkohol, dann die der fortlaufenden Schnitt¬ 
reihen nach Stilling, die durch die Gerlach’sche Karminfärbemethode 
und die W r ei gert’sche Hämatoxylinfärbung bedeutend leistungsfähiger 
gemacht wurde. Alle diese Methoden hatten aber nur eine begrenzte 
Leistungsfähigkeit. Einen wesentlichen Schritt vorwärts brachte die 
entwickeluugsgesch ichtliche Methode Flecbsig’s, die ausgeht von 
der Tbatsache, dass verschiedene Faserzuge zu sehr verschiedenen Zeiten 
der embryonalen Entwickelung ihr Nervenmark erhalten. Dieses Flech¬ 
sig’sehe Princip von der „systematischen Gliederung der centralen Faser¬ 
massen auf Grund der Markscheidenbildung“ erhielt eine kräftige Stütze 
durch die von Turck gemachten pathologischen Beobachtungen über 
secundäre Erkrankungen einzelner Rückenmarksstränge und ihrer Fort¬ 
setzungen zum Gehirn, ausgehend von Gehirn- und Rückenmarksherden. 
Definitiv ergaben sie das wichtige Resultat, dass die Gliederung des 
Rückenmarkes und der Oblongata, welche auf Grund der secundären 
Degeneration gefunden wurde, übereinstimmt mit der entwickelungs¬ 
geschichtlichen Gliederung auf Grund der successiven Markscheidenbildung. 
Bedeutungsvoll waren dann die experimentell pathologischen 


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567 


Methoden von Schiefferdecker nnd von Gudden. Es fand sich, 
dass bei Neugeborenen nach Durchschneidung von Faserzagen nicht nar 
diese selbst, sondern auch die Massen grauer Substanz, zu denen sie 
gehen und aus denen sie kommen, atrophiren und zu Grunde gehen. 
Aas der Degenerationsrichtung schliesst man also auf die Leitungsrichtung 
d. h. die functionelle Stellung eines Faserzuges. An diese Entdeckung 
knüpften an die Untersuchungen über den tropischen Einfluss der Nerven¬ 
zellen auf die Nervenfasern, als deren positives Resultat wohl jetzt das 
formulirt werden darf, dass die centrale Nervensubstanz, die periphere 
Faser und deren periphere Endorgane (Muskeln und Drusen) nicht nur 
eine functionelle, sondern auch eine nutritive Einheit darstellen. Das 
Endergebniss dieser emsigen Forschungen ist jetzt wenigstens das, „dass 
der Anfang zu einem Verständniss der inneren Gliederung des Central¬ 
nervensystems gemacht ist, und eine grobe Umrissskizze vorliegt, in die 
spatere Forschergenerationen ihre Detailzeichnungen eintragen können“. 

Langhoff. 


Führer durch das medicinische Berlin. Nach authentischen Quellen 
bearbeitet. Mit 7 Grundrissen und 1 Plan. Berlin 1886, Fischer’s 
medicinische Buchhandlung. NW. Cbaritästrasse No. 6. (X. und 208 S.) 

Das Büchelchen verschmilzt in geschickter Weise den Inhalt von 
Rigler’s verdienstvollem aber veraltetem „mediciniscben“ und von Bör¬ 
ner’ s „hygienischem“ Berlin, wahrend es in den praktischen Vorbemer¬ 
kungen die Fremden nach Bädecker's Manier in die Weltstadt einführt. 
Erscheint es hiernach in erster Linie für die auswärtigen Besucher Berlins 
bestimmt, so durfte es sich auch den Einheimischen als Nachschlagebuch 
nützlich erweisen, zumal überall bei Krankenhäusern, Kliniken, Polikli¬ 
niken etc. die Personalien berücksichtigt sind urd sogar die Stunden sowie 
theilweise selbst die Honorare der an den verschiedenen wissenschaftlichen 
Instituten abgehaltenen Vorlesungen und Kurse angegeben werden. Auch 
eine Uebersicht der Ferienkurse und ein sehr brauchbares Verzeichnis 
der Bezugsquellen ärztlicher Bedarfsartikel fehlt nicht. S. 


Kalender pro 1887. 

1) Der wohlbekannte kleine Firck’s (Taschenkalender für das 
Heer) ist in seinem 10. Jahrgang (Verlag von A. Bath) erschienen. 
Eine Empfehlung dieses inhaltreichen und für alle militärischen Verhält¬ 
nisse fast unentbehrlichen Nachschlage-Büchleins ist überflüssig, es sollte 
auf keinem Schreibtische resp. in keiner Rocktasche activer Militärs 
fehlen. 

2) Von Dr. Paul Boerner’s Reichs - Medicin al - Kalender 
pro 1887, herausgegeben nach dem Tode Boerner’s von dem lang¬ 
jährigen Mitarbeiter desselben, dem Sanitäts-Rath Dr. S. Guttmann, 
liegt der 1. Theil, das geschäftliche Taschenbuch mit Beiheft, vor. 

Die Anordnung des reichen Inhalts ist im Wesentlichen dieselbe, 
wie in früheren Jahren; hinzugekommen sind: Recepte für die Augen¬ 
therapie, — die französischen und englischen Bezeichnungen der ge¬ 
bräuchlichsten Arzneimittel, — Bestimmungen der Normal - Aichungs- 
Commission betr. Prüfung von Thermometern, — prophyl. und therap. 
Notizen zur Pflege der Mundhöhle und der Zähne. 


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568 


jUittheilongen. 


Die Civilpraxis der Militärärzte. 

In einem Streit zwischen Progr^s und France militaire, von denen 
ersterer die Civilpraxis der Militärärzte verboten zn sehen wünscht, letztere 
nicht — ergreift Avenir militaire*) das Wort. Die Ausführungen 
des in der französischen Armee sehr verbreiteten Blattes sind nicht un- 
interessant. Vom Standpunkt des gemeinen Rechts ist zunächst anzu¬ 
führen, dass die Militäiärzte genau in derselben Wt ise staatlich approbirt 
sind, wie die Civilärzte. Sie haben die gesetzliche Befugoiss, jeden 
Kranken zu behandeln. 

Schon deshalb wäre es nicht gerecht, dieser Kategorie von fertig 
ausgebildeten Aerzten etwas zu untersagen, was man unter dem Schutze 
der Gewerbefreiheit allen möglichen nicht — ausgebildeten Empirikern, 
hohen wie niedrigen Charlatanen gestattet Und liegt denn etwas Un¬ 
ehrenhaftes in der Ausübung der Civilpraxis? Die beste Antwort hierauf 
ist der Hinweis auf die gesellschaftliche Stellung des ausübenden Arztes, 
den Niemand um seines Berufes willen von dem Verkehr in den besten 
Kreisen ausschliessen wird, sofern Gesinnung und Takt den Forderungen 
der Gesellschaft genügen. — Die Geschichte zeigt denn auch, dass die 
Ausübung privatärztlicher Thätigkeit zu keiner Zeit dem Ansehen des 
Sanitätscorps geschadet hat. Man hat sie stets in der richtigen Erwägung 
zugelassen, dass sie nur dazu beitragen könne, die Lust des Militärarztes 
an segensreicher Thätigkeit zu erhöhen, seine Kenntnisse, wie seine 
Geschicklichkeit zu vermehren und hiermit das Vertrauen der Heeres¬ 
angehörigen und ihrer Familien zu starken, denen der Militärarzt Beistand 
zu leihen dienstlich berufen ist. Ist zudem die Civilpraxis des Militär¬ 
arztes das Resultat seiner humanen und barmherzigen Gesinnung gegen 
Leidende, seiner persönlichen Stellung oder seiner besonderen Kenntnisse 
auf bestimmten Gebieten der Heilkunde, so kann sie das Ansehen der 
Mitglieder des Sanitätscorps nur erhöhen, ihren dienstlichen Entscheidungen 
nur ein grösseres Gewicht verleihen. 

Aus allen diesen Gründen haben die Commissionen, welche zur 
Bearbeitung der neueren Dienstvorschriften für den Sanitätsdienst berufen 
waren, sehr weise gehandelt, als sie die vorliegende Frage weder im 
verbietenden noch im gestattenden Sinne anrührten. Es ist dadurch 
einer Regelung nicht vorgegriffen, welche unter Würdigung aller in 
Betracht kommenden Umstände nur local getroffen werden kann. Hier 
aber ist den militärischen wie militärärztlichen Vorgesetzten genügende 
Macht in die Hand gegeben, jedem Missbrauch entgegenzutreten, der 
daraus entstehen könnte, dass Militärärzte über der Ausübung der Privat¬ 
praxis ihren Dienst vernachlässigten oder ihren Schwerpunkt ausserhalb 
ihrer militärischen Stellung verlegten. Letzteres ist jedoch um so weniger 
zu fürchten und ein formelles Verbot der Praxis um so weniger nöthig, 
als die Anforderungen des Dienstes bei der Truppe wie im Lazareth, bei 
Aushebungen und Truppenübungen zahlreich und wichtig genug sind, um 
dem etwaigen Ueberwuchern der Civilpraxis einen wirksamen Riegel 
vorzuschieben. — 

Soviel in sinnentsprechender Wiedergabe aus den Bemerkungen des 


•) Vom 26. Mai 1886. 


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569 


Avenir. Es ist ein Beitrag zu einer Frage, die auch bei uns schon viel 
verhandelt worden ist. Die Grunde, welche das französische Blatt zur 
Sache beibringt, treffen ja auch für viele unserer Verhältnisse wenigstens 
insoweit zu, dass sie im Streite der Meinungen verdienen, berücksichtigt 
zu werden. — • — 


Dieselbe Frage wird in einem Artikel des British Medical Journal 1886 
Juli 3, S. 25 besprochen. 

Veranlasst durch die Klagen eines Civilarztes in einer englischen 
Colonie über die Schädigung seiner Praxis durch den dort stationirten 
Militärarzt bespricht das hochgeachtete Blatt die Frage, ob die Militär¬ 
ärzte Civilpraxis anuehmeu solleu oder nicht. 

Nach kurzer Beleuchtung der Angelegenheit vom civil- und militär- 
ärztlichen Standpunkte kommt das Blatt zu dem Schlüsse, dass es nicht 
weise sein wurde, die Militärärzte in den engen Rahmen ihrer militär- 
dienstlichen Thätigkeit zu bannen. 

Das Journal erinnert dabei an die einschlägigen wichtigen Ver¬ 
handlungen, welche bereits vor ca. 30 Jahren über diese Angelegenheit 
geführt waren, und zieht aus einem an das Parlament erstatteten Berichte 
das Wesentliche aus: wie mit Rücksicht auf die geringe Anzahl von 
Krankheitsformen und Fällen, welche dem Militärärzte in kleinen Garnisonen 
— zumal in gesunder Gegend — dienstlich Vorkommen, der Truppenarzt 
im wohlverstandenen Interesse für das Wohl der seiner Pflege anver- 
trauten Offiziere und Soldaten jede Gelegenheit wahrnehmeu müsse, 
/ seine Kenntnisse zu erweitern und sich auf dem Laufenden zu erhalten; 
deshalb ist dem Militärarzt die Ausübung von Civilpraxis zu gestatten. 
Der Gefahr, in derselben zum Nachtheile des Dienstes aufzugehen, werde 
genügend durch die Vorschriften des Dienstes und den häufigen Garnison¬ 
wechsel vorgebeugt; es sei zu bedenken, dass nur die Praxis den Arzt 
zu einem praktischen Arzte macht, und dass alle die Erfahrungen, welche 
ein Militärarzt durch Ausübung civilärztlicher Thätigkeit gewinnt, direct 
und unverkürzt der Armee zu Gute kommen. 

Dieser Standpunkt scheint, fügt das Blatt hinzu, auch von dem 
Kriegsministerium zeitig festgehalten zu werden — „die Truppenärzte 
sind an der Ausübung von Civilpraxis nicht verhindert, sobald ihre 
dienstlichen Verrichtungen es gestatten“ — und dürfte sich dagegen auch 
wohl eine begründete Einsprache nicht erheben lassen. L. 


General-Rapport 

von den Kranken der Königlich Preussiscben Armee, des XII. (Königlich 
Sächsischen) und des XIII. (Königlich Württembergiscben) Armee-Corps, 
sowie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich Bayerischen 
Besatzungs-Brigade pro Monat August 1886. 

1) Bestand am 31. Juli 1886: 10 816 Mann und 42 Invaliden 

2) Zugang: 

im Lazareth 8 787 Mann und 3 Invaliden, 
im Revier 14 433 - - 12 - 

Summa 23 220 Mann und 15 Invaliden. 
Mithin Summa des Bestandes und Zuganges 34 036 Mann und 57 Invaliden, 
in Procenten der Effectivstärke 8,5% und 20,0%. 


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570 


3) Abgang: 


o o 

geheilt. 

24 532 

Mann, 

13 

Invaliden. 

gestorben .... 

75 

- 

1 

- 

invalide. 

204 

- 

— 

- 

dienstunbrauebbar . 

261 

- 

— 

- 

anderweitig . . . 

381 

- 

— 

- 

Summa . . 

25 453 

Mann, 

14 

Invaliden. 


4) Hiernach sind: 

geheilt 72,0% der Kranken der Armee und 22,8% der erkrankten 
Invaliden, « 

gestorben 0,22% der Kranken der Armee und 1,8% der erkrankten 
Invaliden. 

5) Mithin Bestand: 

am 31. August 1886 8583 Mann und 43 Invaliden, 

in Procenten der Effectivstärke 2,2% und 15,0%. 

Von diesem Krankenstände befanden sich: 

im Lazareth 6 317 Mann und 6 Invaliden, 
im Revier 2 266 - 37 

Es sind also von 454 Kranken 3*27,2 geheilt, 1,0 gestorben, 2.7 als 
invalide, 3,5 als dienstunbrauchbar, 5,1 anderweitig abgegangen, 114.5 im 
Bestand geblieben. 

Von den Gestorbenen der activen Truppen haben gelitten an: 
Diphtheritis 2, Karbunkel 1, Blutvergiftnng 1, Unterleibstyphus 15, 
Grippe 1, Hitzschlag 7, bösartigen Geschwülsten 1, Hirn- und Hirnbant¬ 
leiden 5, chronischem Bronchialcatarrh 1, Lungenentzündung 10, Lungen¬ 
schwindsucht 14, Brustfellentzündung 6, Herzleiden 2. innerem Darm¬ 
verschluss 1, Krankheiten der Ernäbrungsorgane 1, Nierenleiden 1, Zell¬ 
gewebsentzündung 2, Knochenentzündung 1, Alterschwache 1; an den 
Folgen einer Verunglückung: Bruch der Wirbelsäule (XII. Armee- 
Corps) 1, Sturz aus dem Fenster 1. Von den Invaliden: an den Folgen 
einer Verunglückung: Bruch des rechten Schulterblattes (XIII. Armee- 
Corps) 1. 

Mit Hinzurechnung der nicht in militärärztlicher Behandlung Verstor¬ 
benen sind in der Armee im Ganzen noch 47 Todesfälle vorgekommen, 
davon 6 durch Krankheiten, 20 durch Verunglückung, 21 durch Selbstmord. 
Von den Invaliden: durch Krankheiten 1; so dass die Armee im Ganzen 
122 Mann und 2 Invaliden durch den Tod verloren hat. 


Oedrnrkt in «lor Königlichen Hofbuctntruckerri von K. N. Mittler und Sohn in Berlin, K<vhstrajw* CS - TU. 


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Deutsche 

Militärärztliche Zeitschrift. 


Redactlon: 

Dr. 3U Generalarzt, 

Berlin, Taubenstrasse 6, 

u. Dr. $• cfeit$at$, Stabsarzt, 

Berlin, Kaiser Franz Grenadier-Platz 11/12. 


Verlag: 

f. §. 3nttfct & 

Königliche Hofbnchhandlnng, 

Berlin, Kochstrasse 68—70. 


Monatlich erscheint ein Heft von mindestens 3 Druckbogen; dazu ein „Amtliches Beiblatt“. Der 
Zeitschrift wird das Werk: „Jahresbericht über die Fortschritte auf dem Gebiete des Milit&r- 
Sanit&te-Wesens“, herausgegeben vom Generalarzt Dr. Roth, unentgeltlich beigegeben. Bestellung 
nehmen alle Postämter und Buchhandlungen an. Preis des Jahrgangs 15 Mark. 


XV. Jahrgang. 1886 . Heft 12. 


Der Fortbildungscursus für Stabsärzte zu Berlin im Herbst 1886. 


In den Tagen vom 27. September bis 16. October dieses Jahres fand 
hier der militararztliche Herbst-Fortbildnngscnrsns statt. Commandirt za 
demselben waren 33 Stabsarzte, von denen 29 der prenssischen Armee, 
2 dem XIII. (Königlich Wurttembergischen) Armee-Corps nnd 2 der 
Kaiserlichen Marine angehorten. Ausserdem war vom Friedrich-Wilhelms¬ 
institut zur geschäftlichen Assistenz der Lehrer, sowie zur Theiluahme 
am Cursos ein Stabsarzt commandirt, so dass die Gesammtsomme der 
Theilnehmer 34 betrug. 

Das Lehrprogramm war folgendes: 

1) Operationsübungen an der Leiche unter Leitung des Herrn 
Geh. Med.-Raths Prof. Dr. v. Bergmann, in zwei Abteilungen von 7 bis 
9 Uhr. 

Bei diesen Uebungen schickte der Leitende der ersten Ausführung 
einer jeden Operation eine kurze anatomische Betrachtung der betreffenden 
Gegend voraus nnd besprach alsdann in ebenso eingehender als licht¬ 
voller Weise die einzelnen Phasen im Gang der Operation. Die Operiren- 
den wurden angehalten, die nothigen Assistenten anzustellen, so dass die 
Operationen unter fortlaufender Controle seitens des Lehrers in einer 
möglichst der Wirklichkeit angepassten Weise verliefen. Streng wnrde 
hei Amputationen and Exarticalationen darauf gesehen, dass seitens der 

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572 


Operirenden die durchschnittenen Gefässe von an ato misch-constanter Lage 
auch aufgesucht und isolirt wurden. Wenn bei diesem Vorgehen viel¬ 
leicht eine etwas geringere Zahl von Operationen auf den Einzelnen fiel, 
so wurde dies mehr als hinreichend ausgeglichen durch die correcte und 
sachgemässe Ausführung derselben, welche auf diese Weise stets an¬ 
gestrebt und fast stets erreicht wurde. 

Das Leichenmaterial war im Allgemeinen reichlich, wenn auch zeit¬ 
weise nicht von der so wünschenswerten frischen Beschaffenheit. 

Wie früher, so lud auch in diesem Cursus Geb.-Rath v. Bergmann 
die Commandirten wiederholt in die Universitätsklinik ein, wo die Technik 
des antiseptischen Dauerverbandes demonstrirt und eine Reihe von grosseren 
Operationen vorgeführt wurde. Diesem höchst wichtigen Theil des Cursus 
eine weitere, allgemein gewünschte Ausdehnung zu geben, gestattete in¬ 
dessen die Kurze der verfügbaren, durch die anderen Disciplinen noch 
stark in Anspruch genommenen Zeit leider nicht. 

2) Topographische Anatomie von 9 bis IOV 2 Uhr. 

In der ersten Woche wurden seitens des Herrn Geh. Med.-Raths 
Prof. Dr. Waldeyer in classischer und höchst fesselnder Weise die 
topographischen Verhältnisse der Extremitäten mit besonderer Rücksicht 
auf chirurgische Eingriffe vorgetragen und durch schematische Zeich¬ 
nungen sowie Demonstrationen frischer Präparate erläutert. Für die 
übrige Zeit übernahm es Herr Prof. Dr. Hartmann die Topographie 
des Rumpfes, den Situs und die Anatomie des Gehirns an der Hand 
frischer und conservirter Präparate zu besprechen. 

3) Medicinischer Cursus von 11 bis 12 Uhr unter Leitung des 
Herrn Prof. Dr. Fraentzel. 

Diesem verdanken die Commandirten zunächst einen eingehenden 
zusammenhängenden Vortrag über die idiopathischen Erkrankungen des 
Herzens, welcher in scharfen Umrissen ein Bild der jetzigen Anschauungen 
über diese Krankheitsgruppe gab. Es schlossen sich hieran Erörterungen 
über ausgewählte Capitel der inneren Medicin verbunden mit Demon¬ 
strationen und praktischen Uebungen. 

4) Der ophthalmoiogische Cursus unter Leitung des Herrn 
Geh. Med.-Raths Prof. Dr. Schweigger fand in zwei Ahtheilungen von 
12 bis 1 Uhr statt. Zunächst wurden die für den Militärarzt so wichtigen 
Refractionsanomalien und ihre objective Feststellung besprochen. Später 
folgten praktische Uebungen mit dem Augenspiegel und Krankenvor* 
Stellungen. 

5) Der hygienische Cursus wurde in Vertretung des Geh. Med.- 


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573 


Raths Prof. Dr. Koch von den Stabsärzten Dr. Plagge und Dr. Weisser 
abgehalten. Es war die Einrichtung getroffen, dass der eine Coetus von 
12 bis 4 Uhr unter Leitung seines Docenten nach vorher besprochenem 
Programm arbeitete, während der zweite Coetus von 1 bis 4 Uhr, eben¬ 
falls unter Leitung seines Docenten, dnrch Wiederholung, Revision und 
Erweiterung der am Tage vorher angefertigten Präparate, Platten etc. 
arbeitend beschäftigt wurde; beide vereinigten sich dann schliesslich von 
4 bis 5 Uhr zur theoretischen Vorlesung. Bedingt warde diese Maass¬ 
regel durch die begrenzte Zahl der mit homogener Immersion versehenen 
Mikroskope, die von den Lazarethen an den Corps-Stabsquartieren wieder, 
wie früher, hierher uberwiesen waren. 

Die ersten Uehungen bestanden in der Anfertigung der zur Cultivirung 
der Pilze erforderlichen festen Nährsubstrate und der Färbeflüssigkeiten. 
Es folgte dann die Anfertigung zunächst von Kartoffel-, später von 
Plattenculturen, zu deren Herstellung die in Wasser, Boden und Luft 
befindlichen Mikroorganismen, bezw. im Institut vorhandene Bacterien- 
gemenge benutzt wurden, das „Fischen“ der einzelnen Colonien aus den 
Platten und die Herstellung von Reinculturen. Nebenher liefen mikro¬ 
skopische Untersuchungen der betreffenden Colonien im hängenden Tropfen 
und im gefärbten Trockenpräparat. Im weiteren Verlauf wurden pathogene 
Mikroorganismen theils aus Sputum, Eiter, frisch inficirten Thieren und 
Reinculturen bezogen, theils in Schnitten aus gehärtetem Material befind¬ 
lich unter Anwendung einfacher bezw. doppelter Färbung in den Bereich 
der Untersuchungen gezogen. Die Bearbeitung lebenden Choleramaterials 
war nur einigen Commandirten unter besonderer Aufsicht gestattet. Die 
von diesen hergestellten Platten- und Tropfenculturen, sowie Trocken¬ 
präparate dienten zur Demonstration, bezüglich Vertheilung an die anderen 
Theilnehmer. 

In der theoretischen Vorlesung wurden Vorträge über die Mikro¬ 
organismen in Wasser, Luft und Boden, über ihre Dauerformen und 
Sporenbildung, über Infection und die Infectionskrankheiten, besonders 
die Cholera, sowie über Desinfection und verwandte Materien seitens 
beider Herren Docenten gehalten. 

Behufs Demonstration grösserer, hygienisch wichtiger Anlagen wurden 
Ausflüge nach den Rieselfeldern, den Wasserwerken und dem Central- 
Viehhof unternommen. Ausserdem hatte Herr Dr. Petri, Custos des 
hygienischen Museums, die Güte, die reichen Sammlungen desselben den 
Commandirten in eingehender Weise vorzuführen. 

Reich an Arbeit waren diese Wochen; die behandelten Disciplinen 

38* 


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574 


boten indessen soviel Interessantes und Anregendes für jeden der Theil- 
nebmenden, dass durch die gewonnene wissenschaftliche Ausbeute und 
Forderung sowohl die seitens des Einzelnen verwendete Mühe reich belohnt, 
als auch die von der leitenden Behörde in liberalster Weise zur Ver¬ 
fügung gestellten Mittel nicht vergebens aufgewendet worden sind. 

Neben diesen wissenschaftlichen Bestrebungen wurde auch die Pflege 
der Kameradschaft nicht ausser Augen gelassen. Gemeinschaftliche abend¬ 
liche Zusammenkünfte erneuerten manche alte und schufen neue Be¬ 
ziehungen, so wohl zwischen den Commandirten untereinander, als auch 
zwischen diesen und einigen Kameraden der Berliner Garnison, so dass 
auch von diesem Gesichtspunkt aus der Verlauf des Cursus als ein voll¬ 
kommen gelungener bezeichnet werden kann. 


Ueber Erkältung und Beziehung der Wetterfactoren zu 
Infectionskrankheiten.*) 

Von Oberstabsarzt Knoevenagel. 

Hochgeehrte Anwesende! Die Errungenschaften auf bacteriologischem 
Gebiete fordern unabweislich dazu auf, die bisherigen Anschauungen über 
Einwirkung von Wetter und Klima als krankmachender Potenzen einer 
Revision zu unterwerfen. Den Inbegriff dieser Anschauungen kann man 
mit der von Alters her gebräuchlichen, auch jetzt noch vollkommenen 
Einfluss behauptenden Bezeichnung „Erkältung“ zusammenfassen. Es 
fragt sich, ob dieses Wesen von dunkler Herkunft und doch so hohem 
Ansehen auch in Zukunft seine Geltung überall wird bewahren können 
und dürfen. Ich meine „Nein!“ — möchte jedoch diese Negation vor¬ 
läufig nur auf das Gebiet der Infectionskrankheiten beschränken. 

Sehen wir uns, sehr geehrte Herren, die angeblichen Vorgänge bei 
der „Erkältung“ näher an: 

Bis zu einem gewissen Grade verständlich scheinen mir dieselben 
bei den localen, sogenannten rheumatischen Affectionen an Nerven und 
Muskeln. Man kann sich sehr wobl vorstellen, wie durch plötzlich er¬ 
zeugte Wärmedifferenzen — (im Innern Blutwärme, auf der äusseren 
Haut hingegen an irgend einer Stelle durch kalte Zugluft und event 

*) Nach dem in der militärärztlichen Section der 59. Versammlung deutscher 
Naturforscher und Aerzte gehaltenen Vortrage. (Vergl. Heft 10 des Jahrganges 18S6 
dieser Zeitschrift) 


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575 


Schweissverdunstung hervorgerufene jähe Abkühlung) — gewissem aassen 
auf tbermoelectrischem Wege Anomalien der Strömungen in den betreffenden 
Nerven8tämmen und Aesten oder ihren feineren Muskelverzweigongen 
entstehen, und wie sich dann sofort oder bald der Effect in Rheumatismus 
im Nacken, Hexenschuss im Kreuz, Ischias oder Gesichtslähmung zu 
aussern vermag. 

Bei weitem schwerer verfolgbar und nicht recht erklärlich gegenüber 
den klinischen Krankheitsbildern sind die Reflex wirk ungen, auf welche 
nach den bisherigen Anschauungen wohl das Hauptcontingent der an¬ 
geblichen Erkältungskrankheiten würde zurückzuführen bleiben. Vaso¬ 
motorische Storungen pflegen hier supponirt zu werden. 

Ebenso schwer verständlich kommen mir alle Deutungen vor, welche 
die Unterdrückung von Secretionen, namentlich der Haut und der Nieren 
(wohl auch auf dem Wege des Reflexes gedacht?) zur Grundlage für 
den Refrigerations-Vorgang nehmen. Wir kennen ja unzweifelhafte Folgen 
des Cessirens verschiedener Absonderungen durch Functionsstorung be¬ 
stimmter Organe (Urämie, Cholämie); diese aber äussern sich mit ganz 
anderen Symptomencomplexen, als man sie bei sogenannten Erkältungs¬ 
krankheiten findet. Eher noch dürften die Ueberhitzungen mit solchen 
auf Autointoxication beruhenden Zuständen Analogien haben: die lebens¬ 
gefährlichen und meist zum Tode führenden Effecte umfänglicher schwerer 
Verbrennungen, in gewissen Beziehungen auch der Hitzschlag. 

Speciell für die Entwickelung der Infectionskrankheiten ist der Nimbus 
der Erkältung sehr im Abnehmen und wird mehr und mehr dahinschwinden, 
je grosser das Gebiet wird, welches der Infection Vorbehalten bleiben muss. 
Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, dass für verschiedene Formen von 
Bronchitis, Laryngitis, Nasen- und Rachencatarrh, Mandelentzündung, 
Mumps, Gelenkrheumatismus, gehäufte Fälle von Magen- und Darmcatarrh 
bestimmte Infectionskeime werden nachgewiesen werden. Aus diesen und 
anderen Formen, wie z. B. Pneumonie, recrutirte sich aber von jeher 
das Heer der Erkältungskrankheiten. Furunculose, phlegmonöse, herpes¬ 
artige, ekzematöse Eruptionen und Processe hatten ihrer Art und Ent¬ 
stehung nach schon immer etwas Infectiöses an sich. 

In der Natur des Menschen liegt es aber, an der Tradition zu haften. 
So kann man sich auch jetzt von einer vermeintlichen Mitwirkung der 
„Erkältung“ an dem Zustandekommen infectioser Vorgänge nicht trennen. 
„Die Erkältung soll das Individuum für die Infection disponiren, oder 
die Gelegenheitsursache abgeben.“ Damit wird wieder ein neues Räthsel 
zu manchen anderen in die Discussionen hineingeworfen. Wie denkt 


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576 


man sich solche Disposition? War überhaupt das Individuum schon infi- 
cirt, als es sich erkältete, oder erkältete es sich nnd wurde d&dureh 
wehrloser gegenüber dem Andringen der Keime? 

Wenn Mikroorganismen die letzte und wesentliche Ursache der 
Infectionskrankheiten sind, woran nach den neueren Entdeckungen nicht 
mehr zu zweifeln, dann kann man sich füglich nur vier Bedingungen 
denken, welche zum wirklichen Zustandekommen der Infection erfüllt 
werden müssen: 

a. die infectiosen Agentien werden auf irgend eine Art in den 
Organismus hineingelangen, entweder in geringerer oder grosserer Zahl 
auf einmal, oder sich von Tag zu Tag kumulirend unter gleichbleibenden 
Verhältnissen; 

b. sie dürfen nicht sofort wieder eliminirt werden, sondern eine Zeit 
lang wenigstens Zurückbleiben, um sich wirksam zu erweisen; 

c. sie werden sich im Innern des befallenen Körpers reproducireo, 
wahrscheinlich dabei auch besondere Producte giftiger Natur setzen; 

d. oder die Reproduction findet schon ausserhalb unter günstigen localen 
Umständen statt, so dass die Keime gewissermaassen en masse auf den 
Organismus eindringen. 

Die Vorgänge ad a. und c. können unmöglich mit dem alten Er- 
kältungsbegriff, auch nicht in dispositioneller Richtung, vereinigt werden. 
Denn wie soll Erkältung die Invasion oder Reproduction im Innern des 
Individuums begünstigen? Hier tritt ein ganz anderes Etwas in Kraft, 
dasjenige nämlich, was wir „individuelle Disposition“ nennen. Auch 
diese ist ja in ihrem Wesen sehr räthselhaft, doch besteht sie zweifellos 
und Hesse sich durch Beobachtungen und Statistik auf Grund der Lehre 
von der Infection durch Mikroorganismen sicherlich mehr und mehr 
klären. Ich halte solche Klärung für ein Postulat der Zukunft; denn 
ohne dieselbe werden die Infectionsvorgänge im Menschen stets dunkel 
bleiben, so durchschaulich auch die Resultate der bacteriologischen Ex¬ 
perimente zu sein scheinen. 

Der Process ad d. hat mit Erkältung ebenfalls nichts gemein, sondern 
ist von Boden-, Klima- und meteorischen Constellationen abhängig, welche 
auch der^ Invasion event. förderlich werden können. 

So bliebe für „Refrigeration“ allenfalls die Bedingung ad b. übrig, 
gestörte Elimination der Infectionsträger, was dann im Ganzen mit 
Unterdrückung von Absonderungen durch jähe Abkühlung zusammen¬ 
fallen würde. Ich will die Möglichkeit einer schädlichen Wirkung der 
letzteren in diesem Sinne beziehungsweise einer Begünstigung der Infection 


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auf solchem Wege nicht absolut ausschliessen, glaube aber doch, dass 
auch hier die „individuelle Disposition tt des Organismus, der Grad von 
Reactions- und Abwehrfähigkeit desselben nach Maassgabe der Beschaffen¬ 
heit und Energie der lebenswichtigen Organe weit mehr in Betracht 
kommt, als der Erkältungsbegriff. 

Auch der bei der Erkältung gedachte Vorgang erheischt eine Dispo¬ 
sition; nicht Jeder soll sich erkälten. Es käme also unter Umständen 
erstlich diese Disposition, zweitens die dadurch angeblich gesetzte Disposition 
zur Infection und drittens die individuelle Disposition des Individuums zu 
einer bestimmten Infection überhaupt in Frage. 

Welche Häufung von Räthseln? Wozu die zwei ersteren ganz frag¬ 
lichen Dispositionen der, wenn zwar in ihrem Wesen noch unklaren, 
aber doch unzweifelhaften letzteren gegenüber!? 

Hochgeehrte Versammlung! Fern liegt es mir, die schädlichen Folgen 
einer zumal längere Zeit andauernden Verminderung der Eigentemperatur 
an sich zu unterschätzen; eine solche hängt aber mit jenem Begriff wenig 
oder gar nicht zusammen. Beobachten wir doch bei der Erfrierung, also 
bei dem höchsten Grade, ich will lieber zum Unterschiede sqgen: „der 
Erkaltung tt nichts den Refrigerationskrankheiten Aehnliches. Auch ge- : f 
wisse Thatsachen will ich keineswegs bestreiten: so den bekannten Schnupfen i 
nach kalten Füssen; allgemein fieberhafte Erregungen bei Durchnässung; I 
Recidive von Wechselfieberanfällen nach kaltem Baden oder Durchweichen.' 
Aber ich versuche mir dieselben in anderer Weise zu deuten: Wer in 1 
geschlossenen Räumen sich kalte Füsse acquirirt, der wird, wenn auch 
vielleicht unmerkbar, Luftströmungen ausgesetzt sein, welche, von unten 
nach oben gehend, Reizstoffe vom Boden in die Nasenoffnungen führen 
können. Durchnässung der Füsse oder des Körpers vermag direct mit 
der Feuchtigkeit oder indirect unter Mitbetheiligung der Kleidung In- 
fectionskeime innig mit der Haut und manchen Schleimbautpartien in 
Berührung zu bringen. Wissen wir doch, dass der erste Regen nach 
längerer Trockenheit einen von niedersten Organismen wimmelnden 
Niederschlag darstellt, und dass auch die äussere Haut, wenn sie auf¬ 
geweicht wird, keine volle Abwehr mehr gegen die Invasion solcher 
Keime leistet, scheint wobl begreiflich. Wasser, zumal in sumpfiger 
Umgebung, ist mehr als infectionsverdächtig, und es ist nicht zu ver¬ 
wundern, wenn Menschen, welche an Intermittens gelitten, durch Auf- , 
nähme schädlicher Keime beim Baden Recidive erleiden. > 

Noch eine Frage: Warum erkälten sich unsere Patienten nicht, denen 
man aus irgend welchen Gründen Eisblasen auf die Fuss- und Kniegelenke, 


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die Unterschenkel oder gar anf den Unterleib legt? Warum tritt hier 
nicht hartnäckiger Schnupfen, Katarrh oder Diarrhoe ein? 

Wenn man sich aber dergleichen Fälle genau Rechenschaft au geben 
versucht und alle concurrirenden Factoren mit in Betracht zieht, dann 
schrumpft die Erkältung als Ursache solcher und ähnlicher Zustände, 
vor Allem auf dem Gebiete der Infection, eigentlich in nichts zusammen. 
(Damit in Uebereinstimmung stehen auch statistische Nachweisungen, 
falls sie vorurteilsfrei aufgestellt und angesehen werden.) 

Allerdings wird dadurch eine beträchtliche Lucke in alten ätiologischen 
Anschauungen, und zwar nicht bloss in den unmaassgeblichen Kreisen 
des Publikums, sondern auch bei einer grossen Zahl von Aerzten, ich 
mochte sagen, „ein vacuum tt geschaffen, welches in anderer Art ausgefüllt 
werden muss. Denn dass die Witterung Einfluss auf den Gesundheits¬ 
zustand übt und der Entwickelung von Infectionskrankheiten gegenüber 
von wesentlicher Bedeutung ist und bleibt, daran kann wohl Niemand 
zweifeln. 

Es fragt sich, auf welche Weise soll Ersatz geboten werden? Darauf 
lautet meine Antwort: 

Einerseits durch Studien über die die individuellen Dispositionen be~ 
dingenden Momente; 

andererseits durch Verwerthung der meteorologischen Factoren in 
anderer Richtung, als es beim Erkältungsvorgange der Fall; nicht der 
plötzliche Eindruck von Wärmedifferenzen, sondern der mehr unmerkbare, 
all malige und cumulativ zusammenwirkende Einfluss bestimmter Witterungs- 
factoren den infectiösen Agenden gegenüber würde eine breitere ätiologische 
Grundlage schaffen. 

Auf das ausgedehnte und leider noch so wenig beackerte Feld der 
individuellen Dispositionen beabsichtige ich mich in diesem Vorträge 
nicht weiter zu begeben. 

Wie ich mir die Richtung, nach welcher meteorischen Constellationen 
Bedeutung für die Entwickelung von Infectionskrankheiten beizumessen, 
denke, geht aus den seit vier Jahren sorgfältig geführten und controlirten 
statistischen Nachweisen über die Garnison Schwerin hervor, welche ich 
mir gestatte, der Versammlung vorzulegen. 

Zu bemerken wäre dabei, dass dieselben durchaus nicht eine Gesammt- 
Morbidität aller inneren und äusseren oder sonstigen Leiden darstellen 
sollen, sondern nur eine Quote, nämlich diejenigen Formen umfassen, 
welche in irgend welche Beziehungen zu Infection gebracht werden können. 

Auffallen wird es, dass alle Jahrgänge nur von Mitte November bis 


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Mitte August reichen, also nnr s / 4 Jahr umfassen. Es involvirt das 
gewisse Ausfälle insofern, als z. B. über Unterleibstyphus, welcher 
während der Monate August und September zeitweilig in grosserer 
Frequenz auftritt, vollständige Nachweise fehlen. Indess ich hatte dem 
gegenüber mit anderen Umständen, nämlich Ortswechsel und Aendernng 
der Kopfstärke zu rechnen. Will man statistische Nach Weisungen, wie 
die vorliegenden, zum Vergleich für verschiedene Zeiten und zum Zweck 
der Abstraction allgemein gültiger Sätze benutzen, dann müssen die 
begleitenden Umstände sich möglichst gleich bleiben, und das ist beim 
Militär nnr der Fall innerhalb der Zeit vom Eintritt der Rekruten bis 
zum Beginn der grosseren Herbstübnngen. Aber so gleichartig, wie 
während dieser Zeit die Umstande sich verhalten, wird man sie kaum 
jemals anderweit finden; daher ich eine solche militärärztliche Statistik, 
wenn auch aus geringerer Kopfzahl, für beweisender erachte, als andere 
Statistiken von weiterem Umfange, jedoch unter Inbegriff der denkbar 
mannigfaltigsten Verhältnisse. 

Neben dieser sich ungefähr gleichbleibenden Iststärke sind es von 
Haus ans gesunde Individuen, aus welchen die Krankheitsbeobachtungen 
hervorgehen. Unter solcher Voraussetzung gestalten sich die unver¬ 
änderten Wohnungs- und Aufenthaltsorte gewissermaassen zu Flecken 
von z. B. für Schwerin circa 2000 Einwohnern, bei welchen noch viele 
für exacte Statistik Garantien bietende Bedingungen obwalten. — 

Sehr geehrte Herren! Ich kann mir ein besseres Material gerade für 
meteorologisch-statistische Beobachtungen nicht denken,und spreche 
es bei dieser Gelegenheit aus, dass vor Allem die Militärärzte dazu be¬ 
rufen sind, vom Gesichtspunkte der naturgesetzmässigen Entwickelung 
und speciell einer etwaigen Mitbetheiligung meteorologischer Potenzen 
ans zur Klärung der Krankheitsätiologie insbesondere für Infections- 
zustande beizutragen. 

Neben obigen für alle Garnisonen Gültigkeit beanspruchenden 
Momenten kommen weiterhin die jeweiligen localen Nebenumstände in 
der Garnison selbst in Betracht; diese werden wohl nirgends vollkommen 
gleich, oft sogar äusserst verschieden sein, und daraus erwächst beim 
Vergleich der Garnisonen untereinander der Vortheil einer gewissen Viel¬ 
seitigkeit, wie sie in ähnlicher Weise schwerlich so, wie in der Militär¬ 
statistik, geboten werden kann. 

Für die vorliegenden Nach Weisungen sind die Verhältnisse der Garnison 
Schwerin von wesentlicher Bedeutung. Dieselben sind im Allgemeinen 
nicht gerade gesundheitsforderlich, und besteht daher in sehr charak- 


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teristischer und für den meteorologischenEinfluss sprechender 
Art periodisch — also, was zu betonen, nicht immer — eine hohe 
Morbidität; dem gegenüber zwar eine geringere Mortalität, weil die 
Bevölkerung ihrer Natur nach widerstandsfähig ist, und weil eine die 
Mortalität an anderen Orten stark beeinflussende Krankheitsanlage, 
diejenige zur Tuberculose, weniger Verbreitung hat. 

Ein besonderer Vorzug in der Aufstellung der Tabellen liegt meiner 
Ansicht nach darin, dass, abgesehen von den mittleren Wassers tan den, 
von jedweder Durchschnittsberechnung Abstand genommen ist; die Daten 
sind täglich gegeben. Durchschnittswerte aus einem Jahrgang, einem 
Vierteljahr, einem Monat und selbst einer Woche trüben sehr leicht den 
Blick für das factische Verhalten und geben zu fehlerhaften Schluss¬ 
folgerungen Veranlassung. Unvermeidlich war es, die ermittelten Zugangs* 
Zeiten mit den an den betreffenden Tagen stattfindenden Wetterfactoren 
senkrecht übereinander zu stellen. Ich bitte die hochgeehrten Herren, 
diese senkrecht übereinander stehenden Tages-Positionen nicht in Beziehung 
bringen zu wollen. Denn der Wirkung, den Krankheitsanfängen, müssen 
die ursächlich mitbetheiligten Wettermomente nothwendigerweise vorauf¬ 
gehen. Die Witterungs Verhältnisse, welche innerhalb der letzten Hälfte 
eines Monats stattfanden, werden möglicherweise erst gegen Ende desselben 
oder selbst erst im nächsten Monate sich mit ihrem Einfluss auf die 
KrankheitsconstitQtion äussern können. Wie lang der Zwischenraum zu 
denken, ist in den einzelnen Fällen und zu Zeiten gewiss verschieden, 
verschieden sowohl nach Maassgabe des Wetters an sich, als auch be¬ 
sonders der wachsenden Incubationsdaner im Individuum. Diese Incubations- 
zeiten sind im Allgemeinen länger, auch bei ganz gewöhnlichen fieber¬ 
haften Krankheiten, als man sich gewöhnlich vorstellt, jedenfalls äusserst 
selten so kurz, dass an demselben Tage, oder am folgenden und nächst¬ 
folgenden nach Einwirkung des Wetters auch die fertige Krankheit als 
Effect dasteht. 

Der hochgeehrten Versammlung möchte ich die Entscheidung an¬ 
heim stellen, welche Richtung einer ätiologischen Statistik mehr ent¬ 
spricht. Ich für meine Person glaubte in der Nichtbeachtung des in Rede 
stehenden Zeitintervalls, sowie in der Berechnung von Durchschnitts* 
werthen Fehlerquellen zu finden, welche die grossen Differenzen leicht 
erklären, die aus den graphischen Verzeichnungen verschiedener Beob¬ 
achter in solchem Maasse hervorgehen, dass man versucht werden könnte, 
auf rationelle Deutung meteorologischer Ursachen überhaupt zu verzichten. 

Auf eine in hohem Orade interessante Parallele, meine Herren, 


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zwischen den beiden Monaten Januar — Februar 1883 einerseits nnd 
Febrnar—März 1886 andererseits lassen Sie mich Ihre Aufmerksam¬ 
keit besonders lenken. Es sind das gleiche Zeiträume, innerhalb deren 
die bei weitem grösste Morbidität während der vier Jahre obwaltete, über 
welche die statistischen Tabellen berichten. Die Parallele scheint mir 
deshalb so interessant, weil sehr ähnlichen Wetterconstellationen auch 
ähnliche Krankheitsconstitutionen folgen, und weil daneben in beiden Be¬ 
ziehungen eine Verschiebung um die Zeitdauer eines Monats stattfindet. 

Im Februar 1886 dieselbe Curve hohen Barometerstandes von ca. drei- 
bis vierwochentlicher Dauer wie Januar 1883; danach eine Depression 
und nun wieder eine Periode höheren Lnftdrncks vom 8. bis 27. März 1886, 
wie im Februar 1883, nnr nicht ganz so lang. Die Wasserstände sind 
nicht wesentlich verschieden, die Niederschläge besonders im Februar 
1886 und Januar 1883 sehr sparsam; statt derselben mehr Reif und 
Nebel; im März 1886 etwas reichlicher und mehr in Form von Schnee. 
Nur in letzterer Beziehung besteht ein Unterschied insofern, als im ent¬ 
sprechenden Monat Februar 1883 kaum Schnee, sondern nur Regen fiel: 
kurz in beiden zum Vergleich gestellten Perioden sind alle Witterungs- 
factoren gleich, nur die Temperaturen nicht; Januar und Februar 1883 
milderes Wetter; Februar und die ersten drei Wochen des März 1886 
fast permanent andauernde Kalte'(unter 0°). 

Die Morbidität dieser beiden zweimonatlichen Zeiträume ist ungemein 
ähnlich, abgesehen von Diphtherie, die 1883 in grosser Verbreitung, 1886 
nur in vereinzelten Fällen auftrat. Die hohen Zugangsziffern von Mandel¬ 
entzündung, von Kehlkopf- nnd Bronchialkatarrhen, von Masern, auch 
die der winterlichen Jahreszeit gegenüber verhältnissmässig frequenten 
Magen- und Darmkatarrhe gleichen sich durchaus, ebenso die Vermehrung 
der äusseren infectiösen Leiden, worunter für 1886 auch Mumps zu er¬ 
wähnen. 

Bezüglich der Lungenentzündungen und katarrhalischen Fieber 
(Qrippen) zeigt sich bis zn einem gewissen Grade ein Wechselverhältniss; 
1883: 27 Lungenentzündungen und 27 Grippen; 1886: 11 Lungenent¬ 
zündungen und 45 Grippen, beide zusammen je 54 und 56 Fälle in den 
je 2 Monaten. 

Gerade solche nicht anzuzweifelnden Aehnlichkeiten scheinen mir 
einen Beweis abzugeben für die Einwirkung bestimmt charakterisirter 
Wetterperioden auf die Krankheitsconstitution im Gegensatz zu den mehr 
momentanen Einflüssen einer Erkältung. Dabei drängen sich weitere 
Fragen auf, welche vorläufig unbeantwortet bleiben müssen: kam es viel- 


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leicht za einer weiteren Verbreitung der Diphtherie 1886 deshalb nicht, 
weil die Temperaturen anhaltend zu niedrig waren; und begünstigten 
diese niederen Temperaturen in Anbetracht der sonst gleichen und in- 
fectionsforderlichen anderweiten Wetterconstellation nur die Entwickelung 
milderer grippeartiger Zustände, weniger hingegen das Zustandekommen 
der schwereren Lungenentzündungen? 

Bemerkenswerth vor Allem ist die Coincidenz verschiedener Krank- 
heitsformen in mehr oder weniger epidemischer Art: Mandelentzündungen 
und Diphtherie, Kehlkopfs- und Bronchokatarrhe, Lungenentzündungen 
und Grippen, Magen- und Darmkatarrhe, selbst manche äussere in- 
fectiose Leiden steigern sich gemeinschaftlich und sinken gemeinschaftlich 
ab. Dazu hebe ich hervor, dass bei Soldaten sonst häufig vorkommende 
äussere Affectionen, wie Wandlaufen, Fussödem, Sehnenscheidenentzün¬ 
dungen, kurz Alles, was seinen Ursprung auf mechanische Läsionen zu- 
rückfuhren lässt, selbst wenn es durch Verschleppung verschlimmert, in 
den Tabellen geflissentlich fortgelassen worden. 

Auffallend scheint mir ferner der Umstand, dass ausgesprochen con- 
tagiose Krankheitsformen, wie Masern, inmitten solcher Steigerung der 
obigen Affectionen, gleichfalls eine erhebliche Vermehrung zeigen. Für 
Januar und Februar 1883, sowie für Februar und März 1886 kann in 
dieser Hinsicht kein Zweifel herrschen. Im Jahrgang 1883/84, wo die 
günstigste Krankheitsconstitution, findet sich nichts von Masern, nur ein 
vereinzelter Fall von Scharlach; 1884/85 treten im Februar nur zwei 
Masernfälle auf. Die vorläufig auch nicht zu beantwortende Frage ist 
hier wohl gerechtfertigt: wie kommt es doch, dass bei einer gemein¬ 
schaftlich zusammenwohnenden und in engster Berührung stehenden 
Kopfzahl ganz vereinzelt Krankheitsfälle ausgesprochen contagioser Natur 
sich zeigen und doch nicht weiter greifen in gewissen Zeiten? Ist bei 
Verbreitung durch directe Contagion von Individuum zu Individuum auch 
noch ein besonderer von der jeweiligen atmosphärischen Constellation ab¬ 
hängiger Genius epidemicus zum Zustandekommen einer Epidemie er¬ 
forderlich, und konnte (im Bejahungsfälle) das Anfflackern einer solchen 
nicht auch durch wiederauflebende, früher deponirte Keime an bestimmten 
Localitäten sich erklären lassen, ohne dass es dazu jedesmal eines 
menschlichen Individuums bedürfte, welches an der betreffenden con- 
tagiösen Krankheit leiden muss? 

Eines Moments will ich noch gedenken, auf welches in ätiologischer 
Hinsicht früher und bis jetzt viel Werth gelegt wird: dasselbe bezieht 
sich auf die Schwankungen sowohl des Luftdrucks, als auch der Wärme 


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wie auf die schroffen Windwechsel. Dergleichen plötzliche Aenderongen 
finden wir in den Tabellen gerade in den günstigeren Jahrgängen 1883/84 
und 1884/85 öfters: so im Januar 1884 eine Barometerschwankung von 
772 mm auf 725 mm (Differenz 47 mm) innerhalb 5 Tagen; im Februar 
.1885 eine Schwankung von 766 auf 737 mm und wieder hinauf auf 769 
innerhalb 8 Tagen, ähnlich im März 1885. Wärmeschwankungen werden 
im März 1884 von —4,5 auf 4-14°C. und im April 1884 von 4-13° auf 
— 3°C. innerhalb weniger Tage beobachtet; auch im Februar 1885 haben 
mehrfach schroffe Temperaturwechsel stattgefunden, ebenso im Juni 1885. 
Scharfe Windwechsel von SW. auf O. und wieder auf SW. und dann NO. 
stehen in den beiden letzten Decaden des Februar 1884, sowie von SW. 
auf NO. 3—4 Ende März 1884, ferner von SW. 3—4 auf O. 3—4 vom 
10. auf 13. Januar 1885, und von SW. nach NO. 3 und O. 4 Ende April 1885 
verzeichnet: aber nirgends tritt, während sich diese Wechsel vollziehen 
oder bald nach denselben eine Steigerung der Morbidität ein. Ich bin 
von dem Einfluss solcher Schwankungen längst abgekommen, indem ich 
mir die schroffen Wechsel vorstellte, welchen sich Touristen bei Berg¬ 
besteigungen bis in die Schneeregion hinauf unterziehen, ohne dass 
nachweisbare Schädlichkeiten davon bekannt werden. Da der angebliche 
Erkältungsvorgang gleichzeitig auf solche Schwankungen mit begründet 
zu werden pflegt, so schien es mir wichtig, auch diesen Punkt zu er- 
örterp. Dabei leugne ich keineswegs Störungen in den Bahnen der Em¬ 
pfindungsnerven als Folge davon, zumal bei Tabetikern oder bei Leuten 
mit grossen verwachsenen Narben, ebensowenig wie ich Schmerzen im 
Nacken, Kreuz und Hüfte nach jähen Abkühlungen negire. 

Hochgeehrte Versammlung! Ausdrücklich muss ich hervorheben, 
dass ich mit Anlage der vorgelegten Tabellen Versuche habe anstellen 
wollen, inwieweit auf solche Weise statistische Daten zu gewinnen, 
welche praktische Verwerthung zulassen. Das Material ist ja sehr klein 
und beschränkt, dazu die Einseitigkeit in Beziehung auf den Beobachtungs¬ 
ort mit seinen besonderen Verhältnissen. 

Wenn ich zum Schluss es unternehme, die gewonnenen Anschauungen 
in einer Zahl allgemeinerer, vielleicht nicht ganz unanfechtbarer und nicht 
in jeder Hinsicht neuer, auch nicht Alles erschöpfender Sätze zusammen¬ 
zufassen, so geschieht das keineswegs nur auf Orund der Tabellen, son¬ 
dern zufolge vieljähriger eigener Beobachtungen und Reflexionen während 
meines Aufenthalts auch in grossen .Garnisonen entfernterer Provinzen, 
sowie weiterer Anregungen durch Studien verschiedener einschlägiger Ab¬ 
handlungen anderer Autoren. 


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1) In die Reihe der infectiösen Krankheiten gehören auch gering¬ 
fügigere Zustände, wie Coryza, Bronchitis and Laryngitis, Anginen und 
Rachenkatarrhe, selbstverständlich auch Pneumonien. Einfache Magen- 
und Darmkatarrbe, falls sie gehäufter Vorkommen, ferner äusserliche 
Affectionen, wie Furunkel, Panaritium, Phlegmone, Herpes, Ekzem u. a. m. 
reihen sich den Infectionszuständen an. 

2) Meteorologische Einflösse an und für sich haben in unseren Breiten 
nicht in so ausgedehntem Maasse ursächliche Beziehungen zu Allgemein- 
krankheiten als gemeinhin angenommen wird; für infectiöse Leiden dürfen 
ihnen solche nur in Verbindung mit anderen aus der Umgebung stammenden 
Potenzen (den Infectionskeimen) zugeschrieben werden; sie stellen dann 
das mehr oder weniger gut Vermittelnde dar. 

3) Als Umgebung kann nicht nur der Grund und Boden, sondern 
auch alles Andere gelten, wie Wände, Decken und Fussboden der Zimmer, 
Schlote, Siele und Senkgruben, sofern dadurch der Luft innerhalb oder 
ausserhalb der Wohnränme infectiöse Agentien sich beimischen. 

4) Statistische Nachweisungen sind zur Erkenntniss der in meteoro¬ 
logischen Factoren beruhenden Ursachen unbedingt erforderlich. Die so 
gewonnenen Grundlagen werden um so sicherer zu verwerthen sein, je 
mehr gleichartige und gleichalterige von vornherein möglichst gesunde In¬ 
dividuen derselben Lebensart und Beschäftigungsweise an ein und derselben 
Oertlichkeit mit ihren Krankheitszuständen herangezogen werden. In¬ 
sofern wird besonders von Seiten der Militärärzte diese Seite der Aero¬ 
logie Förderung zu erwarten haben. 

5) Ein Nachweis der Erkältung als Krankheitsursache kann nur im 
eng begrenzten Kreise mehr localer Einwirkungen geliefert werden. Für 
Infectionskrankheiten erscheint diese Ursache, auch als Disposition, durch¬ 
aus problematisch. 

6) Solcher angeblichen Disposition gegenüber spielen die „individuellen 
Dispositionen" der Menschen, deren weitere Erforschung eine der Haupt¬ 
aufgaben der Zukunft bleibt, eine bei weitem grössere Rolle. 

7) Eben so wenig, wie der Erkältung, kommt den Wetterschwankungen 
ein maassgebender Einfluss auf Entstehung und Mehrung der Infections¬ 
krankheiten bezw. Epidemien zu. 

8) Höhere Wärmegrade (abgesehen von ganz acuten Einwirkungen 
z. B. beim Hitzschlag und in den Tropen) betbeiligen sich direct riel 
weniger am Infectionsvorgange, als sie in mehr indirecter Weise geeignet 
erscheinen, an passenden Lokalitäten besonders reichliche Reproductioo 
und kräftige Züchtung der Infectionskeime zu befördern. 


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9) Der Schwerpunkt für die Würdigung des Einflusses meteorologischer 
Factoren beruht in der längeren Audauer bestimmter Constellationen, 
somit in der Feststellung und Vergleichung ähnlicher oder verschiedener 
Witternngsperioden. 

10) Als Constellationen von ungünstigem Einfluss glaube ich andauernd 
hohe Barometerstände mit Mangel an Niederschlägen und geringer Luft¬ 
feuchtigkeit ansehen zu dürfen, wobei die intercorrirenden Temperaturen, 
Windrichtungen etc. weniger in Betracht kommen. 

11) Das vermittelnde Moment würde in Consequenz des vorigen 
Satzes in der reichlicheren und bei längerer Andauer von Tag zu Tag 
steigenden Erfüllung der Atmosphäre mit unorganischem und organischem 
Staube zu suchen sein, in welchem letzteren eventuell verschiedenartige 
pathogene, der Umgebung entstammende Mikroorganismen enthalten sein 
dürften. 

12) Die Vorgänge im Organismus scheinen von diesem Standpunkte 
aus auf Inhalation und mehr und mehr comulirter Wirkung zu beruhen. 

13) Für statistische Tabellen ist es von grösster Bedeutung, dass der 
Beginn der ersten Krankheitsäusserungen durch genaueste Nachfrage so 
früh wie möglich ermittelt wird. Die Einwirkung der schädlichen Wetter- 
factoren fallt noch vor diesen Termin. 

14) Durchschnittswerthe der Temperaturen, des Barometerstandes, 
der Luftfeuchtigkeit für Wochen, Monate und gar für den Zeitraum eines 
oder mehrerer Jahre berechnet, trüben vollkommen den Ueberblick über 
die factischen Verhältnisse und machen eine Erkenntniss von Ursache 
und Wirkung unmöglich. 

15) Es scheint, als ob gewisse Krankheitsgruppen in ätiologischer 
Hinsicht insofern Verwandtschaft haben, als sie nach gleichartigen meteoro¬ 
logischen Constellationen in ihrer Frequenz parallel steigen und fallen. 
Zu solcher Gruppe lassen sich zusammenfugen epidemische Coryza, Angina 
tonsillaris, Diphtherie, Katarrhalfieber, Grippe, Kehlkopfs- und Lungen¬ 
katarrhe, Pneunomie, Herpeseruptionen, auch Mumps. 

16) Die hierbei in Frage kommenden Infectionskeime dürften, wenn 
auch nicht gleiche Natur, so doch ähnliche Fortpflanzungs- und Lebens¬ 
bedingungen haben. Indess ist es nicht ausgeschlossen, dass manche der 
erwähnten Formen, ungeachtet der Verschiedenheit des klinischen Krank- 
beitsbildes, vom ätiologischen Standpunkte ans identisch sind. 

17) Eine Reproduction der Keime von älteren Depots her und ohne 
das Mittelglied eines erkrankten Individuums ist selbst für manche con- 
tagiöse Formen (wie Diphtherie, Masern und Scharlach) nicht unwahr- 


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scheinlicb, und können in dieser Hinsicht solche auch von meteorologischen 
Factoren abhängig sein. 

18) Morbidität und Mortalität laufen keineswegs immer parallel, da 
der Grad der Widerstandsfähigkeit innerhalb bestimmter Bevölkerungen, 
Berufsklassen und Familien von der individuellen Disposition zum Erkranken 
zu unterscheiden ist. Doch wirkt daneben auch die mehr oder weniger 
kräftige Züchtung der Infectionskeime auf Steigerung der Mortalität, und 
insofern kann letztere für sich gleichfalls zu meteorischen Umständen in 
Beziehung stehen. 

19) Eine praktisch brauchbare Mortalitätsstatistik muss nicht nur 
eine Verzeichnung nach den Todestagen, oder innerhalb einzelner Wochen, 
sondern möglichst auch die Ermittelung des Anfangs deijenigen Krank¬ 
heiten anstreben, welche zum Tode führten. 

20) Dem Infectionsmodus mittelst Inhalation, also der Luftinfection, 
gebührt eine ebenbürtige Stellung mit den anderen Vorgängen. Er kann 
bei nicht wenigen Infectionskrankheiten neben dem Wege directer Con- 
tagion durch Berührung, durch Kleidung oder durch Genuss inficirter 
Nahrungsmittel und Getränke bestehen; für andere scheint er der einzige 
zu sein, für manche aber gar keine Bedeutung zu haben. 


Zur Casnistik der „zweifelhaften Geisteszustände“. 

Von Stabsarzt Dr. Pfuhl (Hamburg). 


Zu den Verhältnisse!ässig seltenen, dafür aber um so schwierigeren 
Aufgaben der militärärztlichen Thätigkeit gehört bekanntlich die Beur- 
theilung zweifelhafter Geisteszustände, und es bedarf unter allen Umständen 
einer gewissen Summe psychiatrischen Wissens und praktischer Erfahrung, 
um auf diesem Gebiet vor groben Irrthümern bewahrt zu werden. Wenn 
nun auch die verschiedenen Handbücher der Psychiatrie und gerichtlichen 
Medicin, die Schriften über Simulation von Krankheiten u. s. w. nach 
der fraglichen Richtung hin Belehrung genug darbieten, so vermisst der 
Praktiker doch zumeist gerade dasjenige einschlägige Material, was ihm 
im concreten Fall die beste Handhabe liefert und an welchem er sich 
am schnellsten durch den Vergleich orientiren kann: das ist, meiner 
Meinung nach, eine umfassende Special-Casuistik. 

Es würde daher als ein gar nicht hoch genug anzuschlagender Gewinn 
zu bezeichnen sein, wenn von maassgebender Stelle aus eine möglichst 


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um fassende Zusammenstellung aller innerhalb eines bestimmten (vielleicht 
5—10jährigen) Zeitabschnitts in der Armee beobachteten bezw. begut¬ 
achteten Fälle „zweifelhafter Geisteszustände* durch eine sachverständige 
Feder herbeigeführt werden mochte. Unter einer solchen Zusammen¬ 
stellung verstehe ich eine nach Gruppen geordnete, kurze, sachgemäße 
Beschreibung aller einschlägigen Fälle nach der bekannten Art der 
Krankenhaus-Casuistiken, ohne jeden weiteren Commentar, als etwa den 
der specialistischen Kritik bezw. Richtigstellung unzweifelhafter dia¬ 
gnostischer Irrthümer. Welcher praktische Nutzen — abgesehen vom rein 
wissenschaftlichen Interesse — aus einer derartigen Sammlung (sit venia 
verbisl) von Paradigmen auf specifisch militär-psychiatrischem Gebiete 
für die Gesammtheit der Fachgenossen erwachsen würde, ist ohpe Weiteres 
klar. Ferner aber leuchtet ein, dass die Schwierigkeiten eines derartigen 
Unternehmens nur seinem Werthe gleich kommen würden. 

Im Wesentlichen sind es hier zwei grosse Gruppen von Individuen, 
mit deren Begutachtung und Beurtheilung wir uns in der Praxis zu be¬ 
fassen haben: Bei der einen handelt es sich lediglich um Feststellung der 
Dienstbrauchbarkeit bezw. Dienstunbrauchbarkeit gemäss Anlage 4 der 
R. O., oder Beilage IV b. der Dienstanweisung, Buchstabe A. No. 18. 
Die zweite Gruppe dagegen umfasst diejenigen Fälle, in welchen Conflicte 
mit dem Militärstrafgesetzbuch zur Erörterung stehen, — diese bilden 
die eigentliche crux medicorum! — Wenn schon bei der ersten Categorie 
diagnostische Irrthümer mindestens sehr unwillkommen sind, so können 
dieselben bei der zweiten, in Rücksicht auf die rechtlichen Folgen für 
die Betroffenen, geradezu verhängnisvoll werden. 

Unter Berücksichtigung aller dieser Verhältnisse dürfte, wie ich 
glaube, die Mittheilung der beiden nachfolgenden Gutachten nicht ganz 
ungerechtfertigt erscheinen. Sie betreffen nämlich zwei, den äusseren 
Umständen nach manches Gleichartige darbietende Fälle von zweifelhaften 
Geisteszuständen, welche zu ganz entgegengesetzten Resultaten führten 
und demgemäss auch ganz verschiedene Consequenzen nach sich zogen: 
in dem einen Falle folgte Verurtheilung, im andern einfache Dienst¬ 
entlassung. 

Mochten diese Mittheilungen zugleich für die mit besseren psychia¬ 
trischen Kenntnissen ausgerüsteten Herren Collegen eine kleine Anregung 
bieten zur Veröffentlichung weiteren einschlägigen Materials und der Fälle 
ihrer eigenen Erfahrung; des Dankes der Fachgenossen dürfen sie gewiss sein. 

Ich lasse die bezüglichen Schriftstücke nach Vornahme einiger un¬ 
wesentlicher Kürzungen im Wortlaute folgen: 

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x, den . 

Zufolge Befehls der Königlichen Commandantur vom .... berichtet 
der Unterzeichnete bezüglich des Geisteszustandes des Musketiers N. der 
nten Compagnie, Regiments No.wie folgt: 

N. ist am 8. November 1882 in Dienst getreten und wurde am 
27. Februar 1883 als Lazarethgehülfen-Lehrling in das Garnison-Lazareth' 
zu N. commandirt. Weil er sich dort verschiedene Unregelmässigkeiten 
hatte zu Schulden kommen lassen, sich auch zum Sanitätsdienst als nicht 
geeignet erwies, wurde er am 24. Mai er. abgelost und wieder in die 
Compagnie eingestellt. Er meldete sich indessen nicht zuruck, sondern 
desertirte nach der Schweiz. Seine Absicht, sich dort eine feste Stellung 
zu verschaffen, scheiterte an dem Mangel der notbigen Legitimationspapiere. 
Als daher nach Verlauf von vier Wochen seine Geldmittel erschöpft 
waren und sein Vater sich weigerte, ihn dort zu unterstützen, vielmehr 
dringend bat, zurückzukehren, stellte N. sich freiwillig dem Bezirksamts 
in N. und wurde von dort nach N. zurücktransportirt. Bei seiner Ver- 
nehmung vor dem Commandanturgerichte gab N. an „kopfkrank zu sein tt . 
„manchmal an fixen Ideen“, sowie an „Krämpfen, besonders an der linken 
Seite“ zu leiden und behauptete namentlich: „Seine Nerven seien am 
Tage der Ausführung der Desertion überreizt gewesen“. Auf Grund 
dieser Aussage sah sich das Königliche Commandanturgericht veranlasst, 
den N. dem Königlichen Garnison-Lazareth zu überweisen mit dem Er¬ 
suchen, denselben auf seinen Geisteszustand untersuchen zu lassen und 
einen eingehenden Bericht über das Resultat der gemachten Beobachtungen 
cinzureichen. 

N. ist mittelgross, ziemlich breitschulterig, kräftig und regelmassig 
gebaut und gut genährt; sein ganzer Habitus entspricht dem eines Mannes 
von 20 Jahren. Die Untersuchung der Organe der grossen Körperhohlen 
ergiebt nirgends eine Abnormität. Die animalen und vegetativen Functionen 
gehen regelmässig von statteu und im Bereich des peripheren Nerven¬ 
systems ist keinerlei Störung wahrzunehmen. Fieber war weder bei 
der Aufnahme, noch später vorhanden. Das runde, fleischige, pocken¬ 
narbige Gesicht mit der dicken Nase, gewulsteten Lippen, den kleinen, 
tief liegenden, klar blickenden grauen Augen, deren Pupillen meist er¬ 
weitert sind, macht in Verbindung mit rothblondem Haar und gleich¬ 
farbigem Schnurrbart einen nicht sehr sympathischen Eindruck. In 
seinem Benehmen und seinen Bewegungen, die namentlich in der Zeit 
seines Lazarethdienstes als Lazarethgehülfen-Lehrling genauer beobachtet 
werden konnten, zeigte N. jene geräuschvolle, bewegungsreiche Dienst- 


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beflissen heit, welche den hinter dem Ladentisch stehenden, gewandten 
Verkäufer kennzeichnet. — Wiederholt mit ihm geführte Gespräche 
tosen erkennen, dass sein Urtbeil durchaus seiner Bildungsstufe entspricht. 
Sein Gedächtnis ist nicht nur bis in die kleinsten Details seiner Desertions- 
afiaire vollständig zuverlässig, sondern er weiss auch über die ver¬ 
schiedensten Materien, mit denen er sich auf dem Gymnasium beschäftigte, 
ziemlich genaue Auskunft zu geben: so über das Leben Cäsars, den Inhalt 
seiner Schriften; über Xenophons Anabasis u. s. w. Während er in der 
vaterländischen Geschichte sogar sehr gute Kenntnisse zeigte, waren ihm 
auf der anderen Seite litterarische Gegenstände so gut wie unbekannt; 
ein Mangel, der wesentlich auf Rechnung seiner etwas planlosen, in 
gewisser Weise einseitigen Erziehung zu setzen ist. Der von ihm nach 
achttägigem Aufenthalt im Lazareth auf Befehl verfasste Lebenslauf ist 
im Ganzen nur eine lose Aneinanderreihung von Ereignissen, während 
Bemerkungen, welche über das rein Thateächliche hinausgehen, nur an 
einzelnen Stellen eingeflochten sind: so z. B. auf Seite 2, wo er von 
einem unverdient schlechten Zeugniss redet und in jenem Passus, der 
von seiner gekränkten Ehre handelt, welche ihm verbot, in die Compagnie 
zurückzukehren. Im Uebrigen zeigt das Schriftstück in Bezug auf Form, 
Satzconstruction, Inhalt und Schriftzuge nirgends etwas, was auch nur 
den leisesten Verdacht auf Störung der Intelligenz erwecken könnte. 

In Bezug auf sein Vorleben ist Folgendes ermittelt worden: N. ist 
am 4. October 1862 geboren und der einzige Sohn eines wohlhabenden 
Neusilberwaaren-Fabrikanten. Beide Eltern sind gesund. Ein Bruder des 
Vaters ist geisteskrank im Krankenhause gestorben, N.’s Grossmutter 
mütterlicherseits vier Jahre wegen Irrseins daselbst behandelt worden. 
Die einzige Schwester soll an Krampfanfällen im linken Bein leiden, 
welche das Tragen einer Bandage nöthig machen. N. selbst hat in seiner 
ersten Kindheit ausser Windpocken keinerlei Krankheiten durchgemacht. 
Syphilitische Infection wird in Abrede gestellt und sind auch objectiv 
keinerlei Zeichen überstandener Syphilis zu constatiren. N.’s Familie 
gehört einer, auf evangelischen Grundlehren fussenden, kleinen Secte der 
sogenannten „Zionsgemeinde 4 * an, die von ihren Mitgliedern vor Allem 
auch eine äusserlich streng religiöse Zucht verlangt. So wird bei N. bei 
jeder Mahlzeit gebetet, beim Mittagessen vorher und nachher; ausser 
Sonntags ist noch ein Wochengottesdienst, der regelmässig besucht wird. 
Der Einfluss dieser Anschauungsweise zeigt sich am besten in dem Briefe, 
welchen der Vater an seinen Sohn schreibt: An Stelle des eigenen Willens 
Wird stets das Walten einer höheren Macht gesetzt; der Teufel hat den 

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Sohn za der bösen That der Desertion angestiftet, and nur, am ihm nicht 
mit Ueberlegung za dienen, wird dem Sohne kein Geld nachgeschickt 
Der ganze Brief liest sich überhaupt mehr wie eine Predigt; von wirklich 
väterlicher Zuneigung ist wenig darin za bemerken. Die Erziehung des 
Sohnes ist denn auch in dieser asketischen Weise geleitet worden. Das 
Spielen mit Altersgenossen wurde möglichst beschrankt, ins Theater ist 
N. nach seiner Angabe nur einmal gekommen (soll wohl heissen mit 
Wissen seines Vaters). Bei Ausbruch der Pockenepidemie 1871, zu 
welcher Zeit N. bereits die Schule seit zwei Jahren besuchte, lasst der 
Vater, wie es scheint, aus fatalistischen Gründen, seine beiden Kinder 
nicht impfen, überwirft sich deshalb mit seinem Hausarzte, und beide 
Kinder erkranken sehr schwer an den Pocken. Der Sohn ist dreiviertel 
Jahr bettlägerig, erholt sich aber, ohne dass organische Störungen 
Zurückbleiben. 

Nach überstandener Krankheit wird N. in eine andere Schule ge¬ 
schickt, muss dort auch ganz gute Fortschritte gemacht haben, sonst 
hatten sich die Eltern schwerlich dazu verstanden, seinen sehnlichsten 
Wunsch, später zu stadiren, za erfüllen und ihn zu dem Zwecke aafs 
Gymnasium zu schicken. Die gehegten Erwartungen erfüllen sich indess 
nicht. Nachdem er ein Jahr den an ihn gestellten Anforderungen ent¬ 
sprochen, scheitern am Griechischen seine weiteren Bestrebungen and 
ein nach seiner Ansicht trotz Mühe und Arbeit unverdient schlechtes 
Zeugniss reift bei ihm und dem Vater der Entschluss, diese Laufbahn 
aufzugeben, ein Umstand, der, wenn er sich wirklich so verhält, weiter 
nichts beweist, als dass die geistigen Kräfte des Knaben den ihnen ge¬ 
stellten Aufgaben nicht gewachsen waren. Dass N. als Grund seines 
Abganges vom Gymnasium „beginnende Spuren seines Kopfleidens“ an- 
giebt, ist nicht auffällig, wenn man bedenkt, dass er grade dieses Kopf¬ 
leiden mit der zur Zeit der Desertion angeblich vorhanden gewesenen 
Geistesgestörtheit in Zusammenhang bringt, welche unter Umständen 
geeignet sein musste, die Folgen seines Vergehens von ihm abzuwenden. 
Gegen die Richtigkeit der Angabe selbst spricht überdies die Aussage 
des Vaters, welcher sich wohl erinnert, dass N. häufiger über Kopf* 
sch merzen geklagt habe, jedenfalls aber dieselben in ganz anderer Weise 
betont haben würde, wenn sie wirklich bestimmende Ursache gewesen 
wären, dem ganzen Beruf des Sohnes eine andere Richtung zu geben. 
Spuren von Geistesgestörtheit dagegen sind an ihm nirgends wahr¬ 
genommen worden. 

Sein nächster sehnlichster Wunsch ist jetzt, „aufsComptoir zu kommen“. 


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i 


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Der Vater weigert sich indess standhaft, und so wird aas dem angehenden 
Studenten ein Fabrikarbeiter. Drei Jahre lang arbeitete er als solcher 
in einer mechanischen Werkstätte, nm dann zam dritten Male „umzu¬ 
satteln“ and sich kaufmännisch als Commis bei seinem Vater auszabilden. 
Nach Verlauf eines Jahres war N. militärpflichtig. Trotzdem der Vater 
nach seiner eigenen Angabe dem Sohne die Mittel geben wollte, sich 
durch längeren Aufenthalt im Auslande der Dienstverpflichtung zu ent¬ 
ziehen, war N. entschlossen, dem Vaterlande zu dienen und wurde als 
Ersatz-Rekrut eingestellt In der Compagnie führte er sich nach Ausweis 
des Nationales „gut“. Jetzt klagt er freilich, dass er bei angestrengtem 
Ezerziren vom Druck des Helms Kopfschmerzen bekommen habe, ein 
übrigens durchaus nicht ungewöhnliches Vorkommen. Irgend eine per¬ 
verse Geistesrichtung ist auch hier nie an ihm bemerkt worden. Seine 
Behauptung, er habe während der Dienstzeit Krämpfe gehabt, hat sich 
nicht bestätigt, denn der über diese Angabe zeugeneidlich vernommene 
Hanptmann v. M. hat dieselbe verneint. Sie stützt sich bei näheren 
Nachfragen nur auf die eine, nichts beweisende Thatsache, dass, nachdem 
die Compagnie im vorigen Winter beim Appell einmal längere Zeit hatte 
stehen müssen und hinterher zur Erwärmung Freiübungen gemacht wurden, 
N. hierbei die Hände infolge der Kälte nicht gleich hat richtig be¬ 
wegen können. — Das stramme, gebundene Leben in der Compagnie 
scheint ihm auf die Dauer nicht sehr bebagt zu haben, er benutzt daher 
die erste Gelegenheit, sich demselben zu entziehen und meldet sich als 
Lazarethgehülfen-Lehrling. Mit seiner guten Führung ist es jetzt bald 
vorbei; um einen Tag Urlaub zu erhalten, schwindelt er dem betreffenden 
Stationsarzt eine ganz detaillirte Geschichte vor, welche sich später in 
allen Punkten als erlogen erwies. Ein andermal fehlte er in der In- 
structionsstunde, ist aber sofort mit einer entschuldigenden Ausrede bereit, 
welche ebenfalls der Wahrheit nicht entspricht. Als er sich auch sonst 
wenig anstellig und brauchbar zeigt und deshalb zur Compagnie zurück¬ 
versetzt werden soll, desertirt er nach der Schweiz. Dort ist er, wie er 
weiss, sicher; aber um dauernd sich daselbst aufzuhalten, fehlten ihm 
Geld und Legitimationspapiere. Diese zu erhalten, schreibt er an seine 
Eltern jene bei den Acten befindlichen Briefe, welche bei ihrer über¬ 
schwänglichen Schreibweise, für sich allein betrachtet, vielleicht den 
Verdacht einer Psychose erwecken könnten. Hält man indess die Briefe 
des Vaters ihnen gegenüber, so ist unschwer zu erkennen, dass der dem 
Vater geistig entschieden überlegene Sohn stets, unter gehöriger Salvirung 
der eigenen Persönlichkeit, dessen bigott religiöse Gemüthsrichtung dazu 


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benutzt, ihm mit allen möglichen Gründen zuzusetzen, damit der Vater 
zn dem Glauben gelangt, sein Sohn hätte nach besonderer höherer Ein¬ 
gebung gehandelt, und die That sei als eine unter göttlichem Schutze 
gelungene anzusehen. Dass er es mit seinen übertriebenen Versicherungen, 
er wolle nicht wieder lebendig nach Deutschland zurückkehren und 
ähnlichen andern, nicht ganz ernst meint, folgt einfach aus dem weiteren 
Verlaufe der Sache. Als der Vater sich standhaft weigert, weitere 
Subsistenzmittel zu gewähren, stellt N. sich freiwillig der nächsten Militär¬ 
behörde. — 

Fassen wir aus dem Vorstehenden das Wesentliche zusammen, so 
ergiebt sich, dass wir in dem p. N. ein Individuum vor uns haben, dessen 
Erziehung es an einem einheitlichen Plane und bestimmten Ziele fehlte. 
Er besucht drei verschiedene Schulen, wechselt dreimal sein Berufsziel, 
um zuletzt bei dem für ihn bequemsten zu bleiben. Dazu kommt ein 
ständiger Druck in Bezug auf wenigstens äusserliche Erfüllung religiöser 
Förmlichkeiten, die ihm innerlich zuwider sind, so dass er dadurch direct 
zur Heuchelei getrieben wird. Der in dieser bussbedürftigen Askese Er¬ 
wachsende steht auf der anderen Seite täglich unter dem Einfluss der 
mannigfachsten Verführungen einer Grossstadt, dem er auf die Däner 
nicht widersteht. Ueberdies war er nach Angabe des Vaters stets mit 
Geld reichlich versehen und hatte ziemlich viel freien Willen. N.’s in 
dem Briefe aufgestellte Behauptung von der zu strengen Erziehung be¬ 
zieht sich deshalb wohl nur auf die religiöse Seite derselben. Auch dem 
weiblichen Geschlechte war er nicht abhold, wie der den Acten bei¬ 
liegende Brief eines Frauenzimmers beweist, welches sich nicht gerade 
zur Cur auf Sylt aufzuhalten scheint. Kommt nun ein so erzogener, an 
ein ungebundenes Leben gewöhnter Mensch ohne genügenden sittlichen 
Halt in die straffe, unbedingten Gehorsam und strenge Pflichttreue 
fordernde militärische Zucht, so ist es nicht zu verwundern, dass ihm 
dieser Zwaog nach Befriedigung der ersten Neugierde höchst lästig wird, 
und dass er sich demselben erst durch Antritt des Lazarethgehülfen- 
Dienstes, den er sich vermuthlich besonders leicht und bequem vorgestellt 
haben mag, und, als er sich hierin getäuscht sieht, durch Desertion zn 
entziehen sucht. — Dass die Desertion selbst als infolge von Geistes¬ 
störung geschehen zu betrachten sei, dafür liegt absolut kein Grund vor. 
Weder in seiner Jugend, noch während seiner Lehrzeit, noch während 
der militärischen Dienstzeit sind irgend wo Anhaltspunkte zn finden, 
welche den Verdacht auf eine Geistesstörung rechtfertigten. Anch wäh¬ 
rend der Zeit, in welcher N. im Lazareth beobachtet wurde, sind Ab- 


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weich QDgeD von seinem oben geschilderten körperlichen und geistigen 
Zustande nicht wahrgenommen worden. Sein Schlaf, sein Appetit waren 
andauernd gut und von Kopfschmerz und Krämpfen hat sich nie etwas 
gezeigt, das einzige Moment, auf Grand dessen eine derartige krankhafte 
Veränderung seiner geistigen Thätigkeit und eine dadurch event be¬ 
schränkte Zurechnungsfähigkeit vermuthet worden ist, sind seine viel¬ 
leicht durch die Erregung während eines ungewohnten Verhörs proto¬ 
kollarisch deponirten Aussagen, von denen die Bedeutungslosigkeit der 
behaupteten Kopfkrankheit bereits genügend gewürdigt ist. 

Was zweitens die fixen Ideen betrifft, an denen er leiden will, so ist 
zunächst zu bemerken, dass er mit diesem Ausdruck gar keinen be¬ 
stimmten Begriff verbindet, geschweige denn, dass er eine solche Idee, 
die ihn verfolgt, namhaft machen kann. Es stellt sich vielmehr bei 
weiterem Nachforschen heraus, dass N. nichts weiter damit gemeint hat, 
als die Fluehtgedanken, mit denen er sich an den Tagen vor seiner 
Desertion beschäftigte. Nicht mehr Werth hat auch der zweite von ihm 
zur Bezeichnung seines Krankheitszustaudes gebrauchte vage Ausdruck 
von „überreiztem Nervensystem“. Was er darunter verstanden, erhellt 
aus dem betreffenden Passus seines Lebenslaufes: „Der Gedanke, in die 
Compagnie zurück zu müssen", wo er gerade keines sehr freundlichen 
Empfanges gewärtig sein musste, „lässt ihm keine Ruhe, macht ihn von 
Tag zu Tag ängstlicher". — Zu betonen ist hier vor Allem, dass der 
Lebenslauf geschrieben wurde, nachdem N. begriffen hatte, dass er sich 
durch die Behauptung der Geisteskrankheit der Strafe für seine Desertion 
allenfalls entziehen konnte, und dass die Beschreibung seines Zustandes 
vor der Flacht demgemäss einzurichten sei. Dass er in jenen Tagen 
aufgeregt und ängstlich gewesen, ist gewiss wahr, beweist aber gerade, 
dass er sich der Schwere seines Fehltritts und der möglicherweise aus 
ihm entspringenden, für ihn unangenehmen Folgen vollkommen bewusst 
war. — 

Wiewohl N. aus einer Familie stammt, in welcher Geisteskrankheiten 
vorgekommen sind, so ist doch bei ihm selbst weder früher, noch jetzt 
irgend eine Spur von geistiger Abnormität weder in der gemüthlichen 
noch in der intellectuellen Sphäre hervorgetreten. 

Die genügende Berücksichtigung des ganzen Entwickelungsganges 
des Mannes lässt die incriminirte That vielmehr als eine dem freien 
Willen entsprungene, mit Ueberleguog ausgeführte erkennen. Das Resul¬ 
tat der angestellten Beobachtungen ist demnach dahin zusammenzufassen: 

\ „dass N. nicht geisteskrank, sondern durchaus im Stande 


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ist, die Folgen seiner Handlangen za überlegen, and dass kein 
Grund za der Annahme vorliegt, er habe sich zur Zeit der 
Ausführung der Desertion in einem anderen Zustande befanden. 41 

gez. Dr. R. 

N. wurde infolge dieses Gutachtens mit einer mehrmonatlicben 
Festungshaft bestraft: führte sich nach seiner Rückkehr zar Trappe eine 
Zeit lang zar Zufriedenheit, um indess nach einigen Monaten eine neue, 
gleichartige Strafe, and zwar abermals durch Verlassen der Trappe, so 
verwirken. Nach Verbüssung dieser letzteren (Aagast vorigen Jahres) 
bat er za keinen weiteren Klagen bezüglich der dienstlichen Führung 
Veranlassung gegeben, sich vielmehr als einen ganz brauchbaren Sol¬ 
daten erwiesen. N. befindet sich noch im Dienst 


x, den. 

Auf Befehl der Königlichen Commandantnr vom .... berichtet 
der Unterzeichnete bezüglich des Geisteszustandes des Musketiers P. wie 
folgt: 

P. wurde im Jahre 1880 beim Ausbebungsgeschaft für tauglich erklärt 
and für das xte Infanterie-Regiment designirt. Mit der Ordre versehen, 
sich am 4. November 1880 zu stellen, wurde derselbe vorläufig beurlaubt, 
fehlte jedoch an dem Gestellungstermine ohne Entschuldigung, da er vor 
demselben nach Amerika ausgewandert war. P. wurde daher durch 
kriegsgerichtliches Erkenntniss in contumaciam für einen Deserteur erklärt 
und zu 200 M. Geldbusse verurtheilt 

Am 11. December v. J. meldete sich der P. beim Königlichen Land- 
wehr-Bezirks-Commando M. und wurde an demselben Tage als unsicherer 
Dienstpflichtiger eingestellt. Bei seiner Vernehmung vor dem Commao- 
danturgericht gab P. an, dass er schon von Jugend auf sehr „krank im 
Kopf und ganzen Körper“ gewesen sei; besonders zu seiner Schul- und 
Lehrzeit sei er „gemüthskrank“ gewesen. Als er nach seiner Aushebung 
beschlossen habe, nach Amerika auszu wandern, sei er wohl „unzurechnungs¬ 
fähig“ gewesen, auch sei er jetzt noch infolge seines krankhaften Zu¬ 
standes „unzurechnungsfähig“. Geradezu „blödsinnig“ sei er nicht, er 
wüsste nicht, wie er seinen Zustand bezeichnen sollte, jedoch bäte er, 
dass dies genau festgestellt werde. 

Infolge dieser Aussagen sah sich das Königliche Commandantur- 
gericht veranlasst, den P. dem Königlichen Garnisonlazareth zu über» 
weisen mit dem Auftrag, denselben auf seinen Geisteszustand untersuchen 


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zu lassen und einen eingehenden gutachtlichen Bericht über das Resultat 
der gemachten Beobachtungen einzureichen. 

Der P. ist 1,68 m gross, von gracilem Knochenbau, schlaffer Mus¬ 
kulatur und schlecht entwickeltem Fettpolster. Die Korperhaut ist trocken 
und glanzlos und zeigt ein schmutzig-grauweisses Colorit Der Brust¬ 
umfang beträgt 82—86 cm. Die sichtbaren Schleimhäute sind sehr 
anämisch; das Gesicht ist blass und enthält zahlreiche Pockennarben. 
Der Schädel ist dolichocephal und zeigt keine Asymmetrie, Defecte, Narben 
und dergl. Seine Maasse entsprechen den mittleren Durchschnittszahlen. 
Die Stirn ist ziemlich breit und steigt gerade an. Schmerzen machen sich 
bei der Percussion der Schädelknochen nirgends bemerkbar. Die Papillen, 
gleich weit, reagiren gut auf Lichtreiz. Sehschärfe normal, desgleichen 
der Augenhintergrund. Im rechten äusseren Gehorgang befindet sich 
eingedicktes Ohrenschmalz, im Uebrigen ergiebt die Untersuchung mit 
dem Ohrenspiegel keine Abweichungen von der Norm. 

Die Zunge wird gerade heraasgestreckt, ist feucht und zeigt auf ihrer 
ganzen Oberfläche einen weisslichen Belag; die Geschmackswärzchen sind 
nur wenig vergrossert. Die Zähne sind gesund und vollzählig, trotzdem 
ist ein ziemlich starker, unangenehmer Geruch des Athems (foetor ex ore) 
vorhanden. Im Rachen bemerkt man nichts Abnormes. An den Organen 
der Brusthöhle finden sich keinerlei krankhafte Veränderungen, insbesondere 
sind die Herztone vollkommen rein. Die Pulsfrequenz betrag durch¬ 
schnittlich 60—64 Schläge in der Minute; Radialis eng, Welle niedrig, 
von gewöhnlicher Beschaffenheit, Spannung gering. — Der Bauch ist flach, 
die Bauchdecken weich, nicht druckempfindlich und der Magen selbst 
nicht vergrossert; Härten, Geschwulstbildungen und dergl. an seinen 
Wandungen nicht zu fahlen. Die Leber- und Milzdämpfung nicht ver¬ 
grossert. Am After keine Hämorrhoidalknoten. — Da der Patient angiebt, 
früher während seines Aufenthaltes in Amerika in letzter Zeit ein taubes 
Gefühl am 4. und 5. Finger der linken Hand gehabt zu haben, das län¬ 
gere Zeit daselbst durch Elektricität behandelt worden sei, so wird eine 
genaue Untersuchung des Tast-, Druck- und Temperatursinnes seiner Haut 
vorgenommen. Dabei werden weder an den oben angegebenen Stellen, 
noch an den übrigen Körpertheilen irgend welche Storungen des Gefuhls- 
vermogens wahrgenommen. Bei Druck und Beklopfen der Wirbelsäule 
und deren Fortsätze sind keine abnormen Schmerzempfindungen vorhanden. 
Das Kniephänomen (Patellarreflex) ist nicht erhöht, aber auch nicht 
abgeschwäcbt; desgleichen nicht der Cremaster- und Abdominalreflex. — 
Durch die angestellten Beobachtungen ist constatirt, dass der Appetit des 


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P. ein guter, wenigstens verzehrt er die ihm gereichte I. Form stets voll¬ 
ständig. Die Verdauung ist jedoch unregelmässig, indem Stuhlgang meistens 
erst einen um den andern, oder am dritten Tage ein tritt; derselbe hat eine 
normale Farbe und ist von etwas harter Consistenz. Der Urin, von 
bernsteingelber Farbe, ist klar, hat ein normales speciüsches Gewicht 
und enthält weder Eiweiss noch Zucker. In der Woche vom 5. Januar 
bis 13. Januar hat das Körpergewicht des P. um 400 Gramm abgenommen. 

Eine Störung des Schlafes wurde niemals beobachtet; auch hat die 
Nachtwache niemals Aufschrecken, Zusammenzucken, Sprechen im Schlaf 
oder dergl. bemerkt. — Demnach liess sich bei dem P. bei der körper¬ 
lichen Untersuchung ein chronischer Magen-Darmkatarrh ver¬ 
bunden mit Herabsetzung der Peristaltik des Verdauungs¬ 
canals und infolge dieser Störungen eine erhebliche Blut- 
armuth bezw. mangelhafte Blutmischung, sowie ein herabge¬ 
setzter Kräfte- und Ernährungszustand feststellen. — 

Während seiner Anwesenheit im Lazareth änderte er in keinerlei 
Weise sein Benehmen. Er ist verträglich, ordnungsliebend und zurück¬ 
haltend, ruhig und in sich gekehrt. Der Gesichtsausdruck bat dauernd 
etwas Bekümmertes, Vergrämtes an sich. Der Blick der hellblauen Augen 
ist matt und traurig; oft starrt er gedankenlos ins Leere, oder wandelt 
langsam, wie in Sinnen verloren, im Zimmer auf und ab. Die Stimme 
bat einen leisen, gedämpften Klang. Die ihm aufgetragenen Befehle, 
Schreiben des Lebenslaufes, Machen seines Bettes und dergl., verrichtet 
er ohne Widerstreben und ohne Veränderung seines deprimirten Gesichts¬ 
ausdruckes. Bei den wiederholt mit ihm gepflogenen Unterredungen hat 
er sich niemals widersprochen, antwortete vielmehr immer in verständiger, 
logischer Weise und man bemerkte von Seiten der Intelligenz keine, oder 
doch keine nennenswerthe Störung. Jedoch trat als auffallendes Charakte¬ 
ristikum hervor, dass sich seine Gedanken hauptsächlich, ja fast aus¬ 
schliesslich mit seinem körperlichen Befinden beschäftigten. Sein ganzes 
Denken concentrirt sich auf wirklich vorhandene, oder eingebildete Krank- 
heitssymptone: wie Kopf-, Magen-, Kreuz-, Brustschmerzen und dergl. 

Seinen Lebenslauf schrieb er in 4 i/ 9 Stunden, derselbe ist ziemlich 
ausführlich, d. h. langathmig, und die Schriftzüge sind durchaus regel¬ 
mässig. Das Schriftstück enthält verhältnissmässig wenig Verstösse gegen 
die Orthographie und Grammatik. Er versucht nicht nur eine blosse 
Aneinanderreihung von Thatsachen zu geben, wie es bei dergleichen 
Abfassungen von Lebensläufen bei Leuten seines Standes und Bildungs¬ 
grades üblich ist, sondern er hat stellenweise seinen Bildungs- und Lebens- 


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gang za motiviren gesucht. Dies ist ihm allerdings nur sehr unvollkommen 
gelungen und es fehlt hier und da sogar völlig ein Zusammenhang, was 
jedoch bei dem Bildungsgrade des Mannes erklärlich ist Ferner entnimmt 
man dem Schriftstücke, dass P. mannigfaltige Eindrücke auf sich bat 
ein wirken lassen; und es geht speciell daraus hervor, dass er eine streng 
kirchliche bezw. religiöse Denkungs- und Gefühlsweise besitzt Jedoch 
kommt er auch hier, wie in der mündlichen Unterhaltung und hei seiner 
Vernehmung verschiedentlich auf seine körperlichen Gebrechen zurück, 
und dieselben bilden den leitenden Faden in seiner ganzen Erzählung, da 
er schon in seiner Jugendzeit mehrere schwere Krankheiten überstanden 
.hat 

Was sein Vorleben betrifft, so wurde festgestellt, dass P.’s Eltern 
.in ärmlichen Verhältnissen lebten. Sein Vater, Schuhflicker, war sehr 
religiös und scheint sich verschiedenen Secten angeschlossen zu haben, 
seine Schwester, Ww. L., sagt (cfr. Acten): „Mein Bruder ging immer 
bei den frommen Gemeinden zur Kirche, zuletzt bei den Methodisten.“ — 
Der Vater wurde von seinen Bekannten spottweise „der heilige Schuster* 4 
genannt 

Dementsprechend herrschte auch in der ganzen Familie strenge reli¬ 
giöse Zucht Dies beweist wiederum die oben erwähnte L., die mit der 
Familie ihres Bruders wenig verkehrte und diesen Umstand damit moti- 
virt, die Familie sei sehr fromm gewesen und viel zur Kirche gegangen, 
dafür aber sei sie nicht 

So musste auch der P. als Knabe fleissig (des Sonntags dreimal) die 
Kirche besuchen, und in dem übertriebenen Eifer der Eltern, ihre Kinder 
ihrer religiösen Richtung entsprechend zu erziehen, wurden die Kinder 
mehr oder weniger streng von der Mitwelt, von ihren Altersgenossen, deren 
8pielen u. s. w. ferngehalten. Dieser religiöse, asketische Zug, zu dem 
in der Jugend der Keim gelegt wurde, hat sich bei P. beständig erhalten. 
Einen Tanzboden oder ähnlichen Belustigungsort hat er nie besucht Im 
Uebrigen haben die Eltern den Kindern eine verhältnissmässig gute Schul¬ 
bildung angedeihen lassen, sie zur Ordnung und Sparsamkeit angehalten, 
wie man aus dem von W. P. entworfenen Lebenslauf ersehen kann. 
Die äusseren Verhältnisse der Familie scheinen oft recht traurige gewesen 
za sein, zumal verschiedene schwere Krankheiten in derselben vorge¬ 
kommen sind. 

So kam der Vater, 58 Jahre alt, wegen eingebildeter Nahrungssorgen 
auf 8 Monate nach F. in die Irrenanstalt; ein Onkel wurde bereits im 
30. Lebensjahre wegen unglücklicher Familien Verhältnisse schwachsinnig 


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and litt an Wahnideen. P. selbst hat im zehnten Jahre das Nervenfieber 
and im zwölften die Blattern aberstanden; letzteres bezeugt noch heate 
sein pockennarbiges Gesicht. Nach seiner Confirmation erlernte er das 
Tischlerhandwerk, ging, wie es üblich, nach beendeter Lehrzeit auf die 
Wanderschaft, arbeitete in Hannover, Berlin, Leipzig and kehrte dann 
nach M. zuruck. Hier wurde er im Jahre 1880 für das xte Regiment aas¬ 
gehoben, w änderte jedoch vor dem Gestellungstermine nach Amerika aus, 
angeblich, weil er hier schlecht Arbeit erlangen konnte, und vor Allem 
das Bestreben hatte, seine in dürftigen Verhältnissen lebenden Eltern za 
unterstützen. In Amerika erging es ihm anfänglich ganz gut, was man 
daraus entnehmen kann, dass er seinen Eltern zweimal 100 M. schickte. 
Er arbeitete auf den verschiedensten Platzen der Vereinigten Staaten and 
kaufte zuletzt in O. mit seinen Ersparnissen Bauplätze auf Abzahlungen. 
Ans einem den Acten beigefugten Briefe des W. P. an seine Eltern vom 
3. 2. 84 gebt hervor, dass er anfangs geglaubt hat, er würde die Ab¬ 
zahlungen leisten können. Er schreibt dort wörtlich: „Ich habe noch 
200 Dollar mit 10 pCt. Zinsen vom letzten December 1882 an zu bezahlen, 
wofür ich schon 100 Dollar habe. tf Seine Hoffnung hat sich nicht erfüllt 
und er hat seinen Verpflichtungen nicht nachkommen können, wie aas 
einem Briefe seines Bruders A. an seine Eltern vom 4. 11. 84 ersichtlich 
ist. Derselbe schreibt, dass sein Bruder W. 400 M. an dem gekauften 
Lande verloren habe und jetzt beständig kränkele und sehr niedergeschlagen 
sei. — Eine Frau B., bei der er sich aufhielt, schreibt unterm 17. 10. 84, 
der P. schelte beim Essen immerfort auf sich, dass er so viel ässe: „Ich 
esse mich todt tt , oder „ich laufe davon, möchte mich den Kopf abreissen, 
dass ich so viel esse and schmecke doch nichts vom Essen. Ich habe ja 
gar keinen Hunger und esse ja nur zum Vergnügen, es fallt ja doch Alles 
in einem grossen Loch hinein und da bleibt es und kann nicht fort.* 
Dabei sträube er sich gegen Klystiere und sage: „Ich bin ja so schon 
caput, wenn ich doch wüsste, woran es hei mir liegt; aber kein Mensch 
sagt mir das, mein eigener Bruder macht mich unglücklich and sagt 
Anderen, ich sei gemüthskrank. Das sagen alle Menschen and kein 
Mensch hilft mir. Ach wenn ich doch in M. geblieben wäre, so wäre ich 
gesund, die Leute würden mich schon verstehen.** — 

W. P. selbst giebt in seinem Lebenslauf an, dass er schon im Februar 
1884 sich, wenn nicht gerade krank, so doch körperlich und geistig 
schwach gefühlt habe. Wenn sein Brief vom 3. desselben Monats an 
seine Eltern nichts davon erwähne, so sei das geschehen, am den Seinigen 
keine Sorgen za bereiten. Er klagt seit dieser Zeit über Mattigkeit und 


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Schwäche in den Gliedern, Verstopfung, so dass er im Juni zweimal 
Hälfe im Hospital suchen musste, das er aber ungeheilt verliess. 

In den folgenden Monaten besuchte er die verschiedensten Hospitäler 
in D., O. u. 8. w., consnltirte dann hier, dann dort Aerzte und fand 
nirgends dauernde Hülfe. Nachdem er so fast seine ganzen Ersparnisse 
an Arzt und Apotheker, Curpfuscher und Charlatane verausgabt batte, 
wurde ihm gerathen: in der Heimath durch Klimawechsel Heilung von 
seinen Gebrechen zu suchen. Er kehrte daher im November nach Deutsch¬ 
land zurück und stellte sich am 11. December freiwillig dem Königlichen 
Landwehr-Bezirks-Commando M., welches seine Einstellung etc. veran- 
lasste. — 

Fassen wir aus dem Vorstehenden das Wesentlichste zusammen, so 
haben wir in dem P. einen Menschen vor uns, der, aus einer Familie, 
in der mehrfach Geisteskrankheiten vorgekommen sind, stammend, in 
strenger Abgeschlossenheit von der Aussenwelt in einseitiger, kirchlich 
asketischer Weise erzogen wurde. Auch in seinem späteren Leben hat 
er in sich gekehrt, zurückgezogen und sparsam gelebt, und es hat das 
Leben mit seinen Kämpfen und Aufregungen nur wenig auf ihn ein¬ 
gewirkt. Vorübergebend hat er nach seiner Angabe Onanie getrieben. 
Als gemüthsweicher, ängstlicher Mensch kam er nach Amerika, in das 
Land des crassesten Materialismus. Anfangs war er dort glücklich und 
zufrieden, erreichte er doch dort, was er so sehr suchte, Arbeit und Geld. 
Bei der ihm anerzogenen Sparsamkeit erwarb er sich bald einen kleinen 
Fonds und konnte so auch seiner Pietät gegen seine Eltern Ausdruck 
geben und dieselben unterstützen. In seinem rastlosen Streben, mehr zu 
erwerben, verfiel er der Speculationswnth und verlor im Jahre 1884 fast 
sein ganzes mühsam erworbenes Vermögen. Er erkrankte, und zwar an 
einem nur schwer zu beseitigenden Leiden der Verdauungsorgane. Gerade 
jetzt, wo er doch wiedererwerben wollte, verbrauchte er den Rest seiner 
Habe, die ihm geblieben war, um wieder möglichst bald gesund und 
arbeitsfähig zu werden. Seine Ungeduld bezw. eine krankhafte Nervosi¬ 
tät, wahrscheinlich die ersten Vorboten oder Anfänge seines jetzt vor¬ 
handenen Leidens, liessen ihn aber nirgends lange rasten, und so kam es, 
dass er von einem Hospital zum andern und von einem Arzt oder Cur¬ 
pfuscher zum andern ging, ohne Hülfe zu finden. Sein mühsam er¬ 
worbener Gewinn schwand dahin, und trotzdem nahm er keine Besserung 
seiner Leiden wahr. 

So fand er sich, an Geist und Körper hoffnungslos krank, im fremden 
Welttheil mittellos und unvermögend, durch Arbeit das Verlorene zu er¬ 
setzen und die nothigsten Subsistenzmittel zu erwerben. 


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600 


Da wandten sich seine Blicke wieder der Heimath za: hier würde, 
hier müsste er Hülfe and Heilung finden, und mit unwiderstehlicher Ge¬ 
walt trieb es ihn zar Rückkehr. 

Derartige heftige, depressorische Gemüthsbewegnngen wirkten an¬ 
haltend auf einen Menschen ein, der von Seiten seines Vaters her erb¬ 
lich schwer belastet war, also von vornherein eine ausgesprochene Dis¬ 
position zn Störungen im Gebiete des Geisteslebens besass nnd der seinem 
Vater geistig und körperlich vollkommen glich; dem ferner eine genügende 
Elasticitat nnd Widerstandsfähigkeit des Geistes nnd Gemüthes infolge 
einer einseitigen, stets das Walten einer höheren Macht an Stelle des 
eigenen Entscbliessens nnd Handelns setzenden Erziehnngsweise fehlten. 
Hierzu kommt ausserdem, dass bei dem P. ein chronisches Leiden der 
Verdauongsorgane sich entwickelt hatte, welches nicht nur zu den mannig¬ 
faltigsten subjectiven Beschwerden Veranlassung gab, sondern auch einen 
recht erheblichen Defect in der Blotbildung und in dem gesammten Er¬ 
nährungszustände herbeifuhrte, durch welche secundar zu der angeborenen 
eine zweite Grundlage für geistige Alienationen gesetzt wurde. 

Zuerst beschäftigten sich die Gedanken P.’s mit den vorhandenen 
Leiden, die allmälig immer grössere Dimensionen annahmen. Spater 
kamen eingebildete bezw. ihm von Curpfuscbern und dergleichen Leuten 
angedichtete Krankheitszustande hinzu, welche allmalig für den Patienten 
Wirklichkeit gewannen, in seiner Vorstellung nicht mehr unterdrückt 
werden konnten, und so entwickelte sich langsam auf der genannten krank¬ 
haften, individuellen Grundlage jener perverse Gefühls- und Gemüthszu- 
stand, den wir als „hypochondrische Geistesstörung 0 bezeichnen. Ware 
der Mann geistesgesund gewesen und hatte die krankhafte Gemüths- 
stimmung nicht bereits bestanden, welche gewissermaassen mit der Au¬ 
torität einer dritten Person auf ihn einwirkte, so wäre P. niemals nach 
seiner Heimath zurückgekehrt und hatte sich sicher nicht freiwillig der 
Militärbehörde gestellt Das impulsive, zwangsweise Moment, welches 
sich in dieser Handlungsweise zu erkennen giebt, würde beinahe allein 
schon genügt haben, dieselbe als eine von einer geistig nicht vollsinnigen 
Persönlichkeit begangene zu charakterisiren. Das pathologisch gesteigerte 
Krankheitsgefühl beherrschte den Mann vollkommen und überwog daher 
jedes weitere etwa vorhandene Bedenken hinsichtlich der Zukunft, und 
somit trat er seine Rückreise an. 

Auch die ganze Schilderung seiner von Jugend auf krankhaften 
geistigen und körperlichen Beschaffenheit im Verhör ist lediglich als ein 
Spiegelbild seines gegenwärtigen, krankhaften Empfindens aufzufassen 


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601 


und acblie88t jede bewusste, absichtliche Täuschung oder Uebertreibaug 
aus. Die gauze Art der Beschreibung seiner Leiden, welche er selbst 
als undefinirbar bezeichnet und welche er genau zu untersuchen und fest¬ 
ärastellen bittet, stimmt mit den Schilderungen anderer Kranken der 
gleichen Art in der vollkommensten Weise überein: so spricht, erzählt 
und empfindet nur ein Hypochonder. 

Die Krankheit befindet sich zunächst noch in jenem Stadium, in 
welchem die Intelligenz an sich noch nicht bemerkbar gelitten hat. Der 
Kranke vermag seinen Zustand noch zu objectiviren, als etwas Krank¬ 
haftes zu erkennen. Indess dürfte, wie das erfahrungsgemäss feststeht, 
bei der gleichartigen Erkrankung des Vaters und Onkels in kürzerer 
oder längerer Zeit eine weitere Phase derselben nicht ausbleiben, näm¬ 
lich jene, wo die krankhaften Empfindungen bezw. Wahnideen durch 
nichts mehr zu erschüttern sind und sich, wie das gewöhnlich geschieht, 
auf einen bestimmten Korpertheil fixiren. Die Kranken glauben dann, 
dass bei ihrem Zustande äussere Einwirkungen im Spiele seien, dass sie 
von Anderen beobachtet würden u. s. w. Mit dieser Abnahme der In¬ 
telligenz entsteht dann das Krankbeitsbild, welches mit dem Namen 
„hypochondrische Verrücktheit“ bezeichnet wird. 

Mein endgültiges Urtheil über den Geisteszustand des P. geht nach 
alledem dahin: 

„dass derselbe zur Zeit an „hypochondrischer Geistes¬ 
störung“ leidet, welche sich auf dem Boden der erblichen 
Prädisposition im Laufe des Jahres 1884, und zwar unter dem 
Einflüsse schwerer, deprimirender Gemüthsaffecte und eines 
chronischen Leidens der Verdauungsorgane entwickelt hat; 
dass dagegen keinerlei Anhaltspunkte gewonnen werden 
konnteu, welche die Annahme, P. sei bereits im Sommer 1880 
bei seine? Auswanderung nach Amerika gemüthskrank ge¬ 
wesen, zu begründen im Stande wären“. gez. Dr. R. 

Infolge obigen Gutachtens wurde der P. als „für jetzt unbrauchbar“ 
zum Königlichen Militärdienst entlassen. 

Ueber sein späteres Befinden bezw. den weiteren Verlauf des Leidens 
ist nichts bekannt geworden. 


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602 


Referate and Kritiken. 


Kriegschirurgische Mittheilungen aus Bulgarien. Von Prof. 

Gluck. Berl. Klin. Wochenschr. 1886 No. 14—16. 

Die vorliegenden Mittheilungen aus dem serbisch-bulgarischen Kriege 
von 1885 nehmen unser besonderes Interesse in Anspruch, weil der Herr 
Yerf. einer der berufensten Vertreter der Grundsätze seines und unseres 
hochgeschätzten Lehrers v. Bergmann ist und seine Erfahrungen in 
so klaren Sätzen wiedergiebt, dass sie als Richtschnur in analogen Fällen 
nur willkommen zu heissen sind. Auch berührt er am Schluss seiner 
werth vollen Arbeit militärärztliche und administrative Fragen« welche 
ein näheres Eingehen fordern. 

Betreffs des chirurgischen Theiles soll man zunächst nicht vergessen, 
dass die Erfahrungen der deutschen. Aerzte in jenem Kriege einseitige 
bleiben mussten, da ihnen frische Falle so gut wie gar nicht vorkamen; 
andererseits ist ihnen gerade dadurch Gelegenheit geworden, die Macht 
der Antiseptik auf einem ganz neuen Gebiete zu erproben. — 

Verf. hat nur trockeno Dauerverbände angelegt, und die Tam¬ 
ponade der Wunden bevorzugt. Die giftigen Antiseptica wurden sehr 
vorsichtig benutzt, da deren dreister Gebrauch bei septischen Processen 
und heruntergekommenen Kranken zu trüben Erfahrungen geführt hatte. 
Neben dem viel verwendeten Jodoform, neben Carbol und Sublimat kam 
unter sothanen Umständen besonders essigsaure Thonerde zur Verwendung, 
welche bei schätzenswerther Wirksamkeit durchaus ungiftig ist. Unter 
diesen Cautelen hat Verf. durch eine Reihe seltener Heilerfolge abermals 
den Beweis erbracht, dass die antiseptische Wundbehandlung im Kriege 
streng durchgeführt werden muss. 

Die in Behandlung genommenen Verwundeten waren ausnahms¬ 
los septisch inficirt, schlecht gelagert, schlecht verbunden, fiebernd und 
entkräftet. Die Herbeiführung des antiseptischen Zustandes gelang durch 
möglichst breite Aufdeckung aller Jaucheherde. Bei complicirten 
Schussfracturen wurden die Weichtheile ausgiebig gespalten, Incisionen 
bis zu 30 cm Länge gemacht. Von Conserviruug der Splitter konnte bei 
bestehender Phlegmone und Osteomyelitis nicht die Rede sein; sie wurden 
alle entfernt, die Bruchenden resecirt und geglättet,. Die Splitter spielen 
hier nicht nur die Rolle von Fremdkörpern, sie sind auch Träger der 
septischen Infection und propagiren diese. Muss man sich, bei Weigerung 
des Patienten, entschliessen, nicht sofort zu amputiren, so muss man die 
Revision der Wunde in der erwähnten Weise ausführen; allerdings in 
der Erwartung, später, trotz aseptischer Wunde und gutem Allgemein¬ 
befinden, die Amputation doch noch ausführen zu müssen, weil die in 
Folge der Splitterextraction entstandenen Knochendefecte von 10—15 cm 
Länge den künftigen Gebrauch des Gliedes völlig ausschliessen. So 
besonders, wenn es sich um untere Extremitäten handelt Nach der 
Revision wurden die Wundhöhlen mit 50procentigem Jodoformäther aus¬ 
gespritzt, und mit hydrophilem Verbandstoff tamponirt, die Anwendung giftiger 
Antiseptica möglichst eingeschränkt. Verbandwechsel so selten wie 
möglich, auch in Rücksicht darauf, dass die bei septischen Zuständen 
stets vorhandenen Venenthromben gelegentlich der beim Verbandwechsel 
unvermeidlichen Bewegungen leicht zu Embolien Veranlassung geben 


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603 


können, wie Verf. in einem Falle sah. Die Venenthromben hatten noch 
einen Uebelstand. Sie zwangen zur Amputation bei Gelegenheit operativer 
Eingriffe, die nur zur Arterienunterbindung oder Splitterextraction unter¬ 
nommen waren. 

Gypsverbände hat Verf. niemals angelegt, sie auch niemals ver¬ 
misst. Er benutzte Schienenverbände aus starkem Wellblech, welche 
allen Anforderungen entsprachen. 

Für das Verhalten bei Gehirnschüssen bedingt die Antiseptik 
ganz neue Gesichtspunkte. In frischen Fällen ist die Wunde zu umschneiden, 
deprixnirte Knochenstucke sind zu entfernen, die antiseptische Tamponade 
nebst Verband anzuwenden.*) Suchen nach dem Geschoss ist verwerflich. 
Anders in secundären Fällen mit jauchigem Subduralabscess, bei dem 
die Kugel bestimmt noch im Gehirn sitzt. Hier ist es geboten, nach 
Entfernung des deprimirten Knochenstückes den Abscess zu entleeren, 
die nekrotisirte Partie der Dura zu entfernen und event. nach einem 
secundären Jaucheherd in der Umgebung des Projectils vorsichtig zu 
forschen. Denn hier heisst es Alles wagen oder gar nichts und letzteres 
ist vom modernen chirurgischen Standpunkte unstatthaft. — 

Noch gedenkt Verf. eines Punktes, welchen er wegen seiner inter¬ 
nationalen Bedeutung als in den Rahmen der Genfer Convention gehörig 
ansieht. Folgendes sind seine Worte: 

„Es müsste von Seiten der ärztlichen Ressorts der Kriegs¬ 
ministerien eine Bestimmung getroffen werden, wonach den 
Aerzten die Disposition über die Verwundeten zusteht, was 
Ausführung von Amputationen resp. operativen Eingriffen über¬ 
haupt anbelangt. Eine solche Bestimmung ist bislang nicht ge¬ 
troffen worden. Schon im russisch-türkischem Kriege habe ich 
verschiedentlich den Mangel eines solchen Gesetzes schwer be¬ 
klagt, und auch in diesem Kriege sind eine Reihe junger hoffnungs¬ 
reicher Existenzen vernichtet worden, einfach darum, weil sie 
jeden operativen Eingriff verweigerten. Es ist eine Forderung 
der Humanität, jedem Patienten die Entscheidung darüber zu 
lassen, ob er ein Glied verlieren will oder nicht; es muss aber 
meines Erachtens ein Modus gefunden werden, um verwundete 
Soldaten zu veranlassen, dem Arzte nothwendig erscheinende 
Operationen ohne weiteres zu gestatten. 4 Es sei dies eine der 
Discussion würdige Aufgabe. 

Abgesehen davon, dass Verf. die Machtvollkommenheit der ärztlichen 
Ressorts der Kriegsministerien ebenso wie den Werth von Discussionen 
überschätzt, liegt in dem letzten der angeführten Sätze schon ein 
unlösbarer Widerspruch. (Ref. möchte aber bei dieser Gelegenheit die 
ausserhalb der militärärztlicben Sphäre stehenden Chirurgen darauf hin- 
weisen, dass die oft gegen das eigene Interesse verstossende Selbstbestimmung 
Kranker eines derjenigen Momente ist, welche die Tbätigkeit des militär¬ 
ärztlichen Operateurs überhaupt lähmen. Hier ist an den Herrn Verf. etwas 
herangetreten, mit dem wir manchmal bei den unbedeutendsten Eingriffen 
zu rechnen haben. Ist doch sogar die Frage aufgeworfen worden, ob 
der Militärarzt nicht die Genehmigung eines Patienten zur Vornahme 
einer subcutanen Injection haben müsse! An Derartiges mögen die Herren 

•) Vergl. die Darlegungen v. Bergmannes in seinem Vortrage über die Ent¬ 
wickelung der modernen Trepanationslehre. Berl. klin. Wochenschr. 1886 No. 39. 

40 


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604 


Chirurgen denken, wenn je zuweilen Leute ihre Hülfe suchen, die mit 
einem Leiden aus dem Dienst entlassen sind, welches durch eine recht¬ 
zeitige Operation zu beseitigen gewesen wäre. Der Leidende sagt später 
sicherlich nicht, dass er den vorgeschlagenen Eingriff verweigert habe, 
und ein hässliches Urtheil über die Militärärzte ist dann leicht gefallt 
und verbreitet.) 

Verf. schliesst mit dem Wunsche, dass in kommenden Kriegen 
nicht nur ausgezeichnete Heerführer und vollkommene Waffen die Ver¬ 
wunderung der Mit- und Nachwelt erregen mögen: „auch die Hülfe, welche 
den verwundeten Vaterlandsvertheidigern geboten wird, soll nicht sowohl 
durch stete Bereitwilligkeit und Opferfreudigkeit, als vielmehr durch 
Vorbereitung im Frieden, durch rationelle Inscenirung und durch militärische 
Accurate8se und Ausdauer impon'iren und segensreich wirken . u Diese 
Mahnung ist für das deutsche Heeres-Sanitätswesen nicht nöthig. Band I 
des Kriegs - Sanitäts - Berichtes für 1870/71 hat erwiesen, dass sich 
nach dem Standpunkte damaligen Wissens und Könnens unser Sanitäts¬ 
wesen vollkommen auf der Höhe der Zeit befand. Das Werk hat 
manche, von anderen Interessenten gepflegte gegentheilige Legende 
durch die Macht des Tbatsächlichen unbarmherzig zerstört. Aber eines 
bitten wir bei Beurtheilung reglementarischer Feld-Sanitätsausrüstungen 
und vor den bezüglichen Rathschlägen an die Militärverwaltung za 
bedenken. Jede Feldsanitätsorganisation beruht auf einem Compromiss 
zwischen dem Wünschenswerthen und dem Erreichbaren. Dieses Wort, 
von einer so schwerwiegenden Autorität, wie der*des jetzigen Kriegs¬ 
ministers, in seinem Werk über den Dienst des Generalstabes ausgesprochen, 
wird künftig noch mehr Geltung haben, als bisher. Bei Verlust¬ 
grössen, wie sie in modernen Völkerschlachten vorauszu- 
seben sind,*) giebt es — mit oder ohne Rothes Kreuz — 
keine Vorbereitung, welche dem augenblicklichen Bedürfniss 
genügen kann. Das ist ein Gesetz, mit dem sich Heer und 
Volk abzufinden haben und dessen Unabänderlichkeit keinen 
Vorwurf gestattet, wenn man weise, dass die Fürsorge bis an 
die Grenze des Erreichbaren getrieben ist. Denn die Sanitäts¬ 
vorbereitung findet eine eherne Schranke an der zulässigen 
Ausdehnung der Trains, die zu überschreiten der Kriegszweck 
niemals gestatten wird. Im Erreichbaren sind die Wünsche des 
Herrn Verf. bei uns ihrer Erfüllung nahe. Die sachliche Vorbereitung 
ist in enger Verbindung mit den roaassgebendsten Chirurgen nach den 
ConferenzbeschlÜ88en von 1884 in einer Weise ins Werk gesetzt, von 
der sich die Theilnehmer der Naturforscherversammlung zu Berlin im 
Herbst 1886 an dem in der Academie und im Friedrich Wilhelms- 
Institut ausgestellten Sanitätsmaterial überzeugen konnten. Was der 
Antiseptiker braucht, ist vorhanden. Etwaigen Modeliebhabereien dieses 
oder jenen Klinikers Rechnung zu tragen, ist die Verantwortung der 
Sanitäts Verwaltung für die rechte Anlage der ihr anvertrauten Summen 
viel zu gross. Dass übrigens die Dauer der Brauchbarkeit des antiseptischen 
Materials eine für die Anforderungen der Armee völlig genügende ist**). 


*) D. militarärztl. Zeitschr. 1881. S. 371. Die dort gegebene Zahlenberechnung 
wird sich nach Einführung des Repetirgewehres wohl noch als viel zu klein erweisen. 

**) Dass die Bestände der Depots laufend verausgabt und aufgefrischt werden, 
weiss Jeder, der gedient hat. 


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605 


zeigen die Erfahrungen unserer nach denselben Principien ausgerüsteten 
Marine. Dieselbe bat hiermit in den überseeischen Gefechten der letzten 
Jahre bei einer nicht unerheblichen Zahl z. Th. schwer Verwundeter 
and im tropischen Clima die vollkommensten Erfolge primärer Antiseptik 
erzielt W ir verweisen wiederholt auf die ausserhalb der militärärztlichen 
Kreise viel zu wenig gewürdigten, statistisch und casuistisch überaus 
reichhaltigen Armee- und Marine-Sanitätsberichte.*) 

Der Leser verzeihe die Abschweifung. Aber das Referat bot will¬ 
kommene Gelegenheit, an der Hand der Bemerkungen des Herrn Verf. 
einige Fragen aufklarend zu erörtern, die nach dem litterarisch ausser¬ 
ordentlich fructificirten serbisch bulgarischen Feldzuge von verschiedenen 
Seiten, nicht immer objectiv und nicht überall auf gründliche Kenntniss 
der Verhältnisse gestützt, discutirt worden sind. Körting. 


Kriegschirurgisches aus der Bulgarei. Von Dr. Langenbuch 
Sep. Abdr. aus der Deutschen Mediz. Wochenschrift 1886.**) 

Verf. war zur gleichen Zeit und aus gleicher Veranlassung in Sophia, 
wie Prof. Gluck. Sein Material war dasselbe, seine Behandlungsweise . 
ebenfalls die lehrreiche Application der Antiseptik auf vernachlässigte 
Fälle. Trotzdem bietet seine Arbeit eine Reihe von Besonderheiten, 
welche auch nach und neben den Gluck’schen Mittheilungen das Interesse 
unseres Leserkreises in hohem Grade verdienen. 

Die äusserst lebendige Schilderung der Reise und der ersten Ein¬ 
drücke auf dem Kriegsschauplätze müssen wir leider übergehen; ebenso* 
wenig gestattet der Raum, auf die beherzigenswerten Darlegungen 
einzugehen, mit denen Verf. die mangelhafte Vorbereitung des Bulgarischen 
Militär-Sanitätswesens gegenüber den billigen Vorwürfen zu entschuldigen 
sucht, die laut geworden sind. Dass ein Staat, der überhaupt noch in den 
Kinderschuhen steckte, in diesen Dingen nicht auf der Höhe abendländischer 
Entwickelung stehen konnte, hätte von den Tadlern mehr berücksichtigt 
werden sollen. 

Alle übernommenen Wunden jauchten. Häufig mit Jodoformwicken 
verschlossen, boten sie verengte oder beinahe geheilte Eingangsöffnungen, 
aus denen sich ein bräunliches, äusserst übelriechendes Secret ergoss, 
dem zu einer bucbtigen Cloake umgeformten Schusscanal entstammend. 
Sehr drastisch schildert L. den Eindruck dieser Wunden auf seine antiseptisch 
verwöhnten Assistenten. Er giebt bei dieser Gelegenheit seinen Bedenken 
hinsichtlich der jetzigen, notbgedrungen einseitigen Ausbildung der jungen 
Chirurgen Ausdruck, denen ganz die Gelegenheit fehlt, den Kampf mit 
der inficirten Schusswunde zu erlernen. Und doch wäre dies erwünscht, 
denn wir dürfen uns aus den früher berührten Gründen nicht der 
sanguinischen Hoffnung hingeben, in einem künftigen europäischen Kriege 
sämmtliche Verwundete einer primären zuverlässigen Antiseptik theil- 
haftig zu sehen; und zwar sowohl im Hinblick auf ihre zeitweilige 
Anhäufung, wie darauf, dass die in den Friedens-Lazarethen und Cursen 
geschulten activen Militärärzte einschliesslich der dienstpflichtigen Fach- 


•) Vergl. S. 612. 

Die Arbeit ist vor der des Prof. Gluck erschienen, dem Ref. aber erst 
nach Fertigstellung obiger Besprechung bekannt geworden. 

40* 


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606 


chirargen nar die Minderzahl desjenigen ärztlichen Personales bildea, 
welches dann in Uniform erscheint. 

Die mechanische Reinigung der Wunden geschah bei L. nicht 
anders wie bei Gluck. Besonders hebt L. die Anlage entsprechender 
Gegeuoffnungen hervor, zu denen man sich den Weg vom Fundus der 
Senkungen aus mit stumpfen Instrumenten bahnen soll. Diese Ans- 
flusscanäle sollen durch Drains weitester Nummern, mit starren Wanden, 
offen gehalten werden. Für den Verband jauchender Wunden betont 
L. vor Allem die NothWendigkeit, dass derselbe befähigt sei, die Secret- 
maasen auf das Vollständigste abzusaugen, festzuhalten und zu deainficiren. 
Dazu dienen besonders die absorbirenden Stoffe wie Torfmull, Moos¬ 
präparate, Holzwatte und Holzwolle, deren letztere, mit Sublimat 
zubereitet, auf der vom Verf. geleiteten chirurgischen Abtheiluug des 
Lazaruskrankenhauses ausschliesslich zur Verwendung kommt, da diese 
Stoffe nur in Gazesäcken zu benutzen und deshalb für den Kriegs-Sanitäts¬ 
dienst erster Linie nicht recht verwendbar sind, so hat L. auch den 
feuchten Sublimatwatteverband erprobt Er legt über die Wunde 
eine mehrblättrige Jodoform- oder Sublimatmullschicht, darüber ein weit 
überragendes Polster entfetteter Verbandwatte, die vorher in eine l%o 
, Lösung von Sublimat getaucht und massig ausgedrückt ist, befestigt dies mit 
Gazebinden und applicirt darüber fixirende Gaze. Diese Methode (für 
die, beiläufig bemerkt, die neue Beilage 5 der Kriegs-Sanitäts-Ordnung 
das Material im grössten Maassstabe bereitstellt) leistete L. so Gutes, dass 
meist schon nach den ersten Verbänden Jauchung und Gestank auf¬ 
horten, und dass bald zu Dauerverbänden übergegangen werden konnte. 
Vom Jodoform ist L. nicht so eingenommen. Er schätzt es für Mund- 
und Afterhöhle, verlangt aber für seine Anwendung strenge Kritik, und 
hält namentlich auch die Tamponirung grösserer Wunden damit nicht in 
jedem Falle für unbedenklich. Er wünscht kein bleibendes Desinficiens 
in der Wunde, so lange es möglich ist, durch ausreichende Ausräumung, 
Anlegung weiter Abflusscanäle und energische Absaugung der Secrete 
die Desinfection derselben ausserhalb des Körpers vorzunehmen.*) 

Zur Anlegung fixirender Verbände bediente sich L. ausschliesslich 
mehrfach zusammengelegter, mit gestärkten Gazebinden umwickelter 
Holzspanstreifen, die er in grosser Menge vorbereitet mitgebracht 
hatte. Dieselben sind leicht anzulegen und abzunehmen, genügend starr 
und doch elastisch und mehrmals zu gebrauchen. Gyps kam ebensowenig 
zur Verwendung wie bei Gluck. 

Betreffs der Operationen bei septisch Inficirten warnt L. vor zu 
grosser Sparsamkeit Er sah beim Zurücklassen der Endigungen von 
Jauchecanalen öfter Muskelnekrose in deren Bereich und damit conische 
Stumpfbildung. Die ausgeführten Operationen waren folgende: 


•) Welche Vorwürfe von berufener und auch recht unberufener Seite sind 
nicht gegen die Armee-Sanitäts-Verwaltung gerichtet worden, dass sie dem mit 
8500 g bei den Feld-Sanitätsformationen erster und zweiter Linie vertretenen Jodo¬ 
form nicht einen noch breiteren Kaum gewährt hat! Wir empfehlen diesen Kritikern 
Langenbuch’s Ausführungen, die wir durchaus theilen, und den Bericht über 
den österreichischen Feldzug in der Herzegowina 1882 von Myrdacz, der bis 
jetzt in der nicht militärärztlichen Litteratur keinesweges die ihm gebührende 
Beachtung gefunden hat. 


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607 


Operation 

Korpertheil 

Zahl 

ge¬ 

heilt 

gestor¬ 

ben 

an 

Exarticu- 

Oberschenkel. 

2 

2 

B 


lationen 

Knie.■ . 

1 

1 




Fass (3 Syme 3 Chopart) 

6 

5 

H 

Trismus 


Zehen . 

6 

6 





16 

14 

m 


Amputationen 

Oberschenkel. 

D 

6 

3 

1 Moribund 



■ 



operirt 

1 Embolie 



I ; 



1 Ent- 



■| 



kräftung 


Unterschenkel. 


4 

— 



Fass. 

3 

3 





16 

13 

—r 


Resectionen 

Brustbein. 



1 

Verjau¬ 


Rippen . 



— 

chung des 


Schulter gelenk. 



— 

Media¬ 


Humeruscontinuität . . . 



— 

stinum 


Ulna. 



— 



Hand. 

i 


— 





6 

1 


Debridements 

Brust und Bauch .... 

16 


B 

Leberver¬ 


Oberarm. 

9 



jauchung 


Vorderarm. 

2 





Hand. 

4 





Oberschenkel. 

6 





Unterschenkel. 






Fass. 

5 

5 

- 




53 

52 

■ii 


Ligatnr 

Femoralis. 

2 

2 

— 



Summa 

93 

87 

6 



Da alle Operirten septisch inficirt waren, so sind diese Erfolge 
erstaanlich. Wir haben die Tabelle aber noch aus einem anderen Grande 
mitgetheilt. Sie gewährt einen Blick auf die Umgestaltung der kriegs- 
chirurgiscben Indicationen durch die Antiseptik. Die typischen Operationen 
incl. der Continuitätsligaturen treten zurück gegenüber den Debridements 
mit Erhaltung des Gliedes. Diese Entwickelung ist seit v. Volkmann’s 
berühmter Abhandlung über die Behandlung der complicirten Fracturen 
eine durchaus stetige gewesen; sie hat im Feldzage 1877/78, da, wo 


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608 


Antiseptiker thatig waren, ihren Fortgang gezeigt, nnd noch letzthin 
konnten wir bei Besprechung der Thätigkeit der französischen Chirurgen 
in Tonking auf sie Bezog nehmen. In L.’s Tabelle tritt sie besonders 
sinnfällig in die Erscheinung. Körting. 


Statistischer Sanitätsbericht ober die Kaiserlich Deutsche 
Marine für den Zeitraum vom 1. April 1883 bis 31. März 1885. 
(Beilage zum Marineverordnungsblatt No. 11.) 

Die Anordnung des vorliegenden Berichts ist dieselbe geblieben, wie 
in den früheren Jahren, nur erstreckt sich die Berichterstattung diesmal 
über einen zweijährigen Zeitraum, während früher die Berichte alljährlich 
zu erscheinen pflegten. Der I. Th eil bespricht die Kränklichkeit, den 
Abgang durch Dienstunbrauchbarkeit und Invalidität sowie die Sterblich¬ 
keit im Allgemeinen, während der II. Theil im Speciellen die Krank¬ 
heitsverhältnisse auf den verschiedenen Schiffsstationen und bei den 
Marinetheilen am Lande betrachtet. Im III. Theil werden reichhaltige 
tabellarische Krankheits-Uebersichten gegeben. — Die bisherigen aus¬ 
wärtigen Schiffsstationen sind im 2. Berichtjahre um eine — Afrika — 
vermehrt worden. 

Nachstehende Uebersicht ergiebt die wichtigsten Zahlen der Kranken¬ 
bewegung auf den verschiedenen Stationen und am Lande. 




An Bord der Schiffe in 


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P 

Besatzongs- TI 883/841 
stärke aufZeitJ [Mann 

9 reducirt 11884/85J 

1743 

218 

1071 

205 

— 

2512 

i 

4730 

10479 

1770 

191 

633 

61 

911 

2631 


6000 

12197 

Kranken- ( 1883 / 84 L , 
Zugang { 1884/85 J 00 

1153,2 

1151,4 

j 775,0 

^ 1092,7 

1 


1177,9 


1241,4 

1159,1 

1580,8 1 

1607,3 

1 

1037,9 

1 1 

1049,2 ! 

1363,3 

773,1 


918,3 

1034.0 

Abgang %o 

1076,3^ 









gcheilt | 1884/85 


1064,2' 

713,4 

921,9 


900,5 

925,9 

1155,8 

1029,7 

1513,6 

1471,2 

966,8 

901,6, 

1215,1 

567,8 

KCjjjJjj 

859,5 

933,4 

gestorben j 

l,l| 

3 , 4 : 

— 

2,8 

6,3 


3,3 

0,4 


2,7 

3,3 

1,7 

0 6 

. . ( 1883/84 

evacuirt j 1884 } 85 

44,2 

41,3 

44,8 

161,0 

_ 

271,4 

147,7 

24,5 

92,1 

46,3, 

62,8 

22,1 

98,0 

53,8 

199,6 

111,0 

21,5 

67,0 

Im Bestand t 1883/84 ) Q , 

31 ,g| 

45,9| 

14,0| 

9,8 


6,0 

16,8 

58,4 

35,6 

verblieben ( 1884/85 J /0 ° 

17,5 

73,3, 

1 

42,71 

49,2 

91, lj 

5,3 

27,7 

34,0 

30.5 


ode 


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609 


Der Gesammt-Krankenzugang hatte somit im 2. Berichtjahr am 
1254 %o abgenommen and zwar war diese Abnahme bedingt durch Ver¬ 
besserung des Gesundheitszustandes am Lande namentlich hei der Nord¬ 
see-Station. An Bord war eine Vermehrung des Zugangs um 54,7 %o ein¬ 
getreten. 

Die'durchschnittliche Beh andlungsdauer stellte sich überhaupt 
in der Marine l883/*4 auf 12/2 und 1884/85 auf 11,8 Tage, und zwar 
war dieselbe an Bord etwas langer, als am Lande. Die ungünstigsten 
Verhältnisse zeigten hierbei die Schiffe in tropischen Gewässern, wo die 
durchschnittliche Behandlungsdauer bis zu 21.4 Tagen betrug. 

Der tägliche Krankenstand — im Ganzen 1883/84 41,2%o und 
1884/85 35,4 %o — war an Bord um 3,0 bezw. 11,2 %o höher ,als am Lande. 
Am grössten war derselbe in der Südsee, wo täglich 69,7 bezw. 68,5 %o 
der Besatzung krank waren. 

Unter den allgemeinen Erkrankungen (116,2 bezw. 138,4%o) 
waren die eigentlichen acuten Infectionskrankheiten mit 76,5 bezw. I07.8°/oo 
vertreten; vorherrschend waren Malariafieber (66,0 bezw. 97,4 °/oo), 
welche vorwiegend im Auslande acquirirt wurden. Am häufigsten waren 
Malariafieber auf den Schiffen in Ostasien und Afrika, wo 1884/85 der 
Zugang an solchen 367,8 bezw. 271,1 %o betrug. — Remittenten wurden 
1883/84 40 und 1884/85 502 Fälle beobachtet, von denen 402 mit 7 Todes¬ 
fällen auf Ostasien, 92 mit 2 Todesfällen auf Afrika, 5 auf die Südsee 
und 3 auf das Mittelmeer entfielen. — Abdominaltyphus wurde im 
Ganzen 52 mal (4 mal mit tödtlichem Ausgange) beobachtet. Ostasien 
war am meisten betroffen (17 Fälle), demnächst folgten Amerika mit 5 
und Afrika mit 4 Erkrankungen. Von Ruhr kamen während der beiden 
Jahre 64 Fälle zur Beobachtung, 59 derselben entfielen auf die Schiffe 
im Auslände; 1 Fall endete in Amerika tödtlich. — Asiatische Cholera 
trat nur 1883/84 auf unseren Schiffen auf und zwar in je 4 Fällen in 
Ostasien und der Südsee; 1 Mann erlag der Krankheit. — Acute 
Exantheme kamen vorwiegend am Lande vor (26 mal Scharlach, 7 mal 
Masern, 1 mal modificirte Pocken); im Auslande wurden nur 1 Fall von 
Masern (Südsee) und 2 Fälle von Pocken (Ostasien) beobachtet. — Vom 
Hitzschlag wurden 26 Mann befallen und zwar waren es meist Leute 
in der Maschine bezw. im Heizraum während des Dämpfens in den 
Tropen, 1 mal erfolgte der Tod. — Skorbut endlich kam nur 1 mal am 
Lande vor; an Bord wurde die Krankheit infolge der Verbesserung der 
Ernährung und der sonstigen hygienischen Verhältnisse während des 
2jährigen Berichtzeitraums nicht beobachtet. 

Krankheiten der Athmungsorgane —1883/84im Ganzen 102,4%o 
und 1884/85 76,8 °/oo — kamen überwiegend am Lande vor and waren auf 
den Schiffen in tropischen Gewässern recht selten. 

Krankheiten der Ernährungsorgane dagegen waren nach Aus¬ 
schluss der Mandelentzündungen, welche ätiologisch und nach ihrer Ver¬ 
breitung der Gruppe der Athmungsorgane zuzuzählen sind, an Bord im 
Auslande erheblich häufiger, als am Lande, indem dort 1883/84 119,5 %o 
und 1884/85 170,8 %o an solchen erkrankten, während am Lande nur 
62,9 bezw. 81,8 %o dieser Erkrankungen vorkamen. Namentlich häufig 
waren an Bord im Auslande acute und chronische Catarrhe des Magens 
und des Darms, d. h. derjenigen Organe, welche zuerst und am meisten 
direct und indirect von der Nahrung beeinflusst werden. 

Venerische Leiden (im Ganzen 155,3 bezw. 108,6°/oo) waren im 


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610 


2. Berichtjahre am 46,7 °/oo vermindert. 1883/84 fiel das Maximam des 
Zugangs mit 213,4 % 0 auf Ostasien, 1884/85 dagegen mit 261,7 %© auf 
die Südsee. 

Von mechanischen Verletzungen gingen 1883/84 249,2 %o and 
1884/85 226,2 %o za und zwar waren die Schiffsbesatzungen und Marine¬ 
theile am Lande ungefähr in gleicher Weise betroffen; die schweren 
Verletzungen aber waren auf den Schiffen weit überwiegend, z. B. kamen 
von 135 Knochenbrüchen und Verrenkungen 90, und von 2481 Quetschungen 
und Zerreissungen 1647 an Bord vor. 

Von den einzelnen Besatzungskategorien hatten, wie in früheren 
Jahren, das Matrosenpersonal den höchsten, Offiziere etc. und Handwerker 
dagegen den niedrigsten Zugang. 

Als dienstunbrauchbar wurden in beiden Jahren zusammen ge¬ 
nommen 287 Mann (12,6 °/oo) entlassen und zwar 144 — 6,4 %o — ent¬ 
weder sofort nach der Einstellung oder innerhalb der nächsten 3 Monate. 
Den häufigsten Anlass zur Dienstunbrauchbarkeit gaben Leiden der Augen 
und der Bewegungsorgane, demnächst Eingeweidebrüche und Lungen¬ 
schwindsucht. 

Als halbinvalide gelangten 52 Mann (2,3%o) und als ganzin¬ 
valide 71 Mann (3,2 % 0 ) zur Entlassung. Den häufigsten Anlass zur 
Invalidität gaben Leiden der Bewegungsorgane (Functionsstorungen der 
Arme bezw. Beine nach Knochenbrüchen und anderen schweren Ver¬ 
letzungen); 65 mal lag äussere und 13 mal innere Dienstbeschädigung vor; 
4 mal war sie nach contagiöser Augenkrankheit (im Ausland erworben) 
und 41 mal nach vieljähriger Dienstzeit entstanden. 

Die gesammte Sterblichkeit belief sich auf 123 Todesfälle, von 
denen 62 an Bord und 61 am Lande vorkamen. Im Verhältniss zur 
Kopfstärke starben an Bord 5,2 %o, am Lande 5,7 °/oo und überhaupt in 
der Marine 5,4 °/oo. An Bord endeten 3,0 %o durch Krankheit, 0,2 %* 
durch Selbstmord pnd 2,0 %>o durch Unglücksfall bezw. Verwundung, 
während die betreffenden Zahlen am Lande 4.7 %o, 0,5 %o und 0,5 °/oo be¬ 
trugen. Die Sterblichkeit durch Unglücksfall war demnach an Bord 
4 mal grosser, als am Lande, während hier die Sterblichkeit durch Krank¬ 
heit erheblich überwog. Die häufigste Ursache zu Todesfällen durch 
Krankheit gaben Lungenleiden (40 mal, davon 30 mal am Lande); Todes¬ 
fälle durch Malariafieber kamen ausschliesslich im Auslande vor (7 in 
Ostasien und 2 in Afrika). — Durch Selbstmord starben 3 Mann an Bord 
und 5 am Lande, durch Unglücksfall etc. dort 24 und hier 5 Mann; Fall 
über Bord bezw. aus der Takelung an Deck gaben am häufigsten Anlass. 

Von den speciellen Krankheitsverhältnissen auf den einzdnen Schiffs¬ 
stationen, die im II. Theil ausführlich besprochen werden, kann hier nur 
auszugsweise Einiges erwähnt werden. 

In Ostasien befanden sich 8 Schiffe mit 4407 — auf Zeit reducirt 
3513 Mann Besatzung. Es erkrankten während des Berichtzeitraums 
4753 Mann (1353,0 %<>), von denen 19 (5,4 %o) theils an Bord theils nach 
ihrer Evacuation in Hospitäler starben. — An echten Pocken erkrankte 
1 nicht revaccinirter Matrose von „Elisabeth“ in Yokohama, wo Pocken 
namentlich unter den Eingeborenen weit verbreitet waren. Trotz des 
engen Zusammenlebens an Bord kamen weitere Pockenfälle unter der 
Besatzung, welche bis auf den. Erkrankten revaccinirt war, nicht vor. — 
Unterleibstyphus wurde in 14 Fällen (mit 1 Todesfall) beobachtet. 
Ueber die Art, wie die Infection stattgefunden hatte, liess sich nichts 


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611 


Bestimmtes feststellen, es wird indessen in einer Anmerkung darauf hin¬ 
gewiesen, dass in englischen Sani tatsberichten Erkrankungen an Cholera 
und Typhus in japanischen und chinesischen Häfen auf den Genuss von 
Limonade und künstlichem Selterwasser, welches von Eingeborenen be¬ 
zogen worden war, zurückgeführt worden sind. — Malariafieber waren 
namentlich im 2. Berichtjahr sehr häufig, indem in diesem 651 Mann 
(367,8 %o) an solchen erkrankten, während 1883/84 nur 155 Mann (88,9 %o) 
zugegangen waren; in 422 Fällen handelte es sich um Remittenten. Die 
Infection wurde in 280 Fällen auf Singapore (New-Harbour) und bei 150 
auf Tschifu und Schanghai bezw. Wnsung zuruckgefuhrt, die übrigen 
Erkrankungen stammten aus den verschiedensten Plätzen. Am schwersten 
waren „Stosch“, „Prinz Adalbert tt und „Leipzig“ betroffen. Die erstge¬ 
nannten beiden Schiffe hatten der französisch-chinesischen Verwickelungen 
wegen während der heissen Monate August bis October in dem ungesunden, 
rings von sumpfigem Terrain umgebenen Wusungfluss sich auf halten 
müssen und während dieser Zeit 89 schwere Malariafieber acquirirt; 
5 derselben führten unter typhösen Erscheinungen schnell zum Tode und 
2 weitere Todesfälle traten durch Erschöpfung bei lange bestehendem 
hohen Fieber ein. „Leipzig“ dagegen hatte einer Havarie wegen sich in 
das Dock New-Harbour bei Singapore begeben und dort 3 Monate ver¬ 
weilen müssen. Während dieser Zeit erkrankten 316 Mann, fast dreiviertel 
der Besatzung, am Fieber. Man dachte anfangs an eine Dengue-Epidemie, 
es stellte sich aber in der Folge*heraus, dass es sich um Malaria handelte. 
Die Krankheit verlief meist sehr schwer, jedoch traten Todesfälle nicht 
ein. — An Ruhr litten 40 Mann mit 26,3 Tagen durchschnittlicher Be¬ 
handlungsdauer; alle wurden geheilt. — Asiatische Cholera kam 3 mal 
auf „Stosch“ und 1 mal auf „Elisabeth“ zur Beobachtung; erstere Er¬ 
krankungen, von denen 1 tödtlich endete, stammten aus Kung-kung-tau 
in Nordchina, die letztere aus Saigon. 

In das Marine-Lazareth zu Yokohama wurden 157 Kranke mit 
4111 Behandlungstagen aufgenommen. 47 Kranke gehörten deutschen 
und 3 russischen Kriegsschiffen an; ausserdem wurden 34 Angehörige 
des Deutschen Reichs, 21 Asiaten und 32 Civilisten fremder Nationen 
behandelt. 

Die Südsee war mit 3 Schiffen besetzt, welche eine Besatzung von 
507 — auf Zeit reducirt 409 Mann hatten. Im Ganzen erkrankten 548 
Mann (1339,8 %o) ; vorherrschend waren Krankheiten der äusseren Be¬ 
deckungen. An Malariafiebern litten 20 Mann. Die Fieber wurden am 
häufigsten in Neu-Guinea acquirirt, verliefen aber leicht — Asiatische 
Cholera kam in 4 Fällen auf „Carola“ in Zugang, nachdem das Schiff 
so eben von Batavia weggegangen war; die Erkrankten wurden geheilt 
Gegen Ende der Regenzeit traten auf den Samoa-Inseln und den daselbst 
liegenden Schiffen Entzündungen bezw. Vereiterungen der Leisten¬ 
drüsen, verbunden mit hohem intermittirenden Fieber, in epidemischer 
Verbreitung auf; Eingeborene und Weisse wurden in gleicher Weise be¬ 
fallen, die Krankheit verlief aber stets günstig. 

In amerikanischen Gewässern befanden sich 6 Schiffe mit 2008 
— auf Zeit reducirt 1704 Mann Besatzung. Der Krankenzugang betrug 
im Ganzen 1472 Mann (863,8 %o). — Von Malariafieber wurden nur 
48 Fälle beobachtet, die meist von Westindischen Inseln stammten und 
leicht verliefen. — An Ruhr erkrankten 23 Mann, von denen 1 starb.— 
Abdominaltyphus endlich ging in 4 Fällen auf „Marie“ zn. Wo die 


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Infection des zuerst Erkraukten stattgehabt hatte, liess sich nicht mit 
Sicherheit feststellen, die später Erkrankten hatten sich wahrscheinlich 
trotz aller Vorsichtsmaassregeln bei der Wartung und Pflege des ersten 
Typhuskranken inficirt. 

Die Mittelmeerstation war mit 3 Schiffen besetzt, welche eine 
Besatzung von 408 — auf Zeit reducirt 266 Mann hatten. Im Ganzen 
erkrankten 286 Mann (1075,2 %o) von denen 1 (an Abdominaltyphus) 
starb. 

Die afrikanische Station wurde 1884/85 neu errichtet und zwar 
befanden sich 7 Schiffe längere oder kürzere Zeit auf derselben, welche 
eine Besatzung von 1718 — auf Zeit reducirt 911 Mann hatten. — Der 
Krankenzugang betrug 1242 Mann (1363,3 %>o), von denen 9 (9,9 %o) 
starben. Am zahlreichsten waren die Allgemein-Erkrankungen (309,6 %•) 
und unter diesen die Malariafieber, von denen 247 Fälle (271,1 °/oo) mit 
92 Remittenten behandelt wurden; 200 derselben wurden geheilt, 18 auf 
andere Schiffe evacuirt, 2 starben und 27 blieben im Bestand. Bei weitem 
die Mehrzahl der Fieber war auf den Aufenthalt im Kamernnflnsse zu* 
ruckzuführen; letzterer hat flache, vielfach mit Mangroven bewachsene 
Ufer, die bei der Ebbe weithin trocken fallen. Von diesen Ufern gehen 
zahlreiche Wasserläufe aus, welche während der Ebbe ausgedehnte mit 
zahlreichen Wassertümpeln versehene Sümpfe darstellen, also locale Ver¬ 
hältnisse darbieten, wie sie zur Erzeugung von Malaria, zumal unter der 
Einwirkung des Tropenklimas, als sehr geeignet bekannt sind. So sind 
auch unter den dort wohnenden Europäern die Fieber recht häufig, zumal 
die Wohnsitze nicht auf höher gelegenen Punkten der Ufer, sondern aus 
Handelsrücksichten dicht am Flusse, bezw. auf Hulks aufgeschlagen sind, 
welche im Flusse verankert liegen. Auch unter den an letzterem wohnen¬ 
den Eingeborenen kommt Malaria vor, aber seltener und nur in leichten 
Formen. — Recht häufig waren ferner Krankheiten der Ernährungs¬ 
organe infolge der andauernden Verpflegung mit Dauer-Proviant. Auf 
„Bismarck* B., wo während eines Aufenthaltes von 103 Tagen in 
Kamerun nur an 6 Tagen Frischproviant hatte verausgabt werden können, 
gingen 436,3%o solcher Erkrankungen zu. — Unter den mechanischen 
Verletzungen werden die Verwundungen aufgezählt, welche bei dem 
Gefecht im Kamerunfluss am 20. December 1884 vorgekommen 
waren; es waren die Folgenden: 1) Schuss in das linke Scheitelbein mit 
Gebirnvorfall; Tod nach 12 Stunden. — 2) Schuss durch das rechte Auge; 
die Kugel war dicht vor und über dem äusseren Gehörgang eingetreten 
und batte den Bulbus zerstört; Heilung unter Sublimatmull-Verbänden. — 
3) Weichtbeil-Schusswunde des linken Oberarms und der linken Schulter; 
die Kugel hatte zunächst den Arm und dann noch die Schulter durch¬ 
bohrt, sodass je 2 Ein- und Austrittsöffnungen vorhanden waren; Heilung 
in 3 Wochen. — 4) Schuss in die linke Schulter ohne Knochenverletzung; 
Heilung in 2 Wochen. — 5) Schusswunde in die Brust; die Kugel war 
in die linke Brustseite ein- und in der Mitte des Rückens ausgetreten; 
Heilung nach 4 Wochen. — 6) Schuss in die rechte Backe; das Projectil 
war im Oberkiefer stecken geblieben und wurde von der Mundhöhle aus 
entfernt; schnelle Heilung. — Ausserdem kamen noch 3 ganz leichte Ver¬ 
wundungen vor. 

Die Schiffe des westafrikanischen Geschwaders waren mit Sublimat- 
Verbandstoffen ausgerüstet, wie sie jetzt in der Marine allgemein eingeführt 
sind, und das neue Verbandmaterial hat sich hei diesen Verwundungen, 


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613 


sowie bei den zahlreichen anderen mechanischen Verletzungen ganz vor¬ 
trefflich bewährt; Reizerscheinnngen oder gar Vergiftungssymptome traten 
nie aaf, Wandkrank beiten worden mit Sicherheit vermieden. Als weiterer 
Vorzog des Sublimatmull-Verbandes wird die Geruchlosigkeit desselben 
hervorgehoben, welche bei den engen Verhältnissen an Bord nicht hoch 
genug zu schätzen ist. Auf „ Bismarck“ wurde auch die relativ kurze 
Durchschnittsbehandlung der chronischen Hantgeschwüre, Zellgewebsent¬ 
zündungen etc. zum grössten Theil dem neu eingeführten Antisepticum 
zugeschrieben. 

In den heimischen Gewässern befand sich eine grosse Anzahl 
von Schiffen, meist zu Uebungszwecken, im Dienst; die Besatzung der¬ 
selben betrug 12 218, auf Zeit reducirt 5143 Mann. Es erkrankten 
4978 Mann (967,9 %o), vorwiegend waren mechanische Verletzungen. 

Die Durchschnittsstärke der am Lande befindlichen Marinetheile 
endlich betrug 1883/84 4730 und 1884/85 6000 Mann. Im Ganzen wurden 
während beider Jahre 11 106 Mann (1035,0 %o) behandelt und zwar war 
die Nordsee-Station 2—3 fach so stark betroffen, wie die Ostsee-Station. 
Obwohl jedoch der Krankenzugang in Wilhelmshaven noch immer be¬ 
deutend höher ist, als in Kiel, haben sich die Gesundheitsverhältnisse in 
ersterer Stadt gegen früher ganz erheblich ^gebessert; denn noch 1881/82 
waren daselbst die Allgemein-Erkrankungen 6 mal häufiger gewesen, als 
in Kiel. Diese Besserung tritt besonders bei den Wechselfieber-Er¬ 
krankungen zu Tage, indem 1881/82 214,5 %o, 1882/83 172,1 %o, 
1883/84 124,1 %o und 1884/85 nur noch 60,0 %o an solchen erkrankten. 

Eiste. 


Lehrbuch der Pathologischen Mykologie, Vorlesungen für 
Aerzte und Studirende. Von Dr. Baum garten, a. ö. Professor 
an der Universität Königsberg. Erste Hälfte. Allgemeiner Tbeil, 
mit 25, grösstentheils nach eigenen Präparaten des Verfassers, in 
Photozinkographie ausgeführten Original-Abbildungen. (Preis 5 Mark.) 
Braunschweig, Harald Brubn, Verlagsbuchhandlung 1 für Natur¬ 
wissenschaft und Medicin. 1886. 

Kaum ein halbes Jahr ist vergangen, seit uns Bau mg arten mit 
seinem vortrefflichen „Jahresbericht über die Fortschritte in der Lehre 
von den pathogenen Mikroorganismen“ beschenkt hat, und schon wieder 
tritt der überaus rührige Autor mit einem neuen, umfangreichen Werke 
vor die Oeffentlichkeit! — 

Wie wir in unserem Referate über die erstgenannte Arbeit Baom- 
garten’s (cfr. Heft 7 S. 357 dieser Zeitschrift) sagten, der Name des 
Autors allein bürge für deren Gründlichkeit und Sachgemässheit, so gilt 
dies in fast noch höherem Grade von der uns vorliegenden „Ersten 
Hälfte“ des neuen Lehrbuchs. — Was uns zunächst und hauptsächlich 
bei der Lectüre gefesselt uud geradezu wohlgethan hat, ist die überaus 
klare, präcise Art der Diction und die, den Leser wie ein erfrischender 
Hauch anwehende, scharfe und dabei doch streng objectiv, das pro et contra 
stets gewissenhaft ab wägende Kritik, welche durch das ganze Buch hin¬ 
durchgeht. Weder die anscheinend bestbegründete, noch die spitzfindigste, 
bestechendste Hypothese bleibt unzergliedert. Ueberall sehen wir das 
Messer des Anatomen, welcher den Dingen auf den Grund geht und, 
„schichtweise“ vordringend, stets den wahren Kern der Sache blosszulegen 


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bestrebt ist. Und gerade ein Capitel, wie das vorliegende, verlangt eben 
diese Art des Vorgebens, wenn dem grossen, nicht specialistischen Lese- 
publicum ein wirklicher Nutzen geschafft, und Missverständnisse bezw. 
Täuschungen, wie sie gerade bei einem relativ so jungen, rasch auf¬ 
strebenden Forschungsgebiet, wie dem bacteriologischen — nach der 
optimistischen wie pessimistischen Seite hin —, sich so leicht Geltung 
verschaffen, klargelegt und beseitigt werden sollen. 

Die pathologische Mykologie ist bis jetzt von keiner der verschiedenen 
Disciplinen des medicinischen Studiums vollständig übernommen; wenn 
der Verfasser dieselbe mit dem vorliegenden Werke für die pathologische 
Anatomie reclamirt, so geschieht dies in dem vollen Bewusstsein, dass 
sie, in dieses Forschungsgebiet vollberechtigt aufgenommen, durch dasselbe 
befruchtet und dasselbe wieder befruchtend, „als ein wesentlicher Theil 
der pathologisch-anatomischen Lehre behandelt, hier den geeigneten Boden 
ihrer eigenen Entwickelnng und auch die pathologische Anatomie ihr 
(der Bacteriologie) weitreichendes Licht der Aufklärung über die Pathologie 
zu verbreiten, die geeigneten Mittel findet“. — 

Das Buch soll, durch Zusammenfassung aller auf dem Gebiete der 
Bacteriologie wissenswerthen und an verschiedenen Orten zerstreuten 
Details, in erster Linie ein Bedürfniss der Medicin Studirenden befriedigen 
und sie, ohne natürlich den Unterricht durch Vorlesungen und eigenes 
praktisches Arbeiten zu ersetzen, vor allen Dingen einführen in die Lehre, 
ihnen Anleitung geben, die Vorlesungen ergänzen und für das weitere 
Stndium eine leicht fassliche Stütze gewähren. Indess auch dem ärztlichen 
Publicum will das Werk einen Dienst erweisen, indem es dem denkenden 
Arzt, der bisher genöthigt war, bei seinen Beobachtungen am Kranken¬ 
bette die Krankheitserscheinungen als etwas thatsäcblich Gegebenes, Un¬ 
vermitteltes mit seinem sonstigen Wissen von der Natur hinzunehmen, 
eine Brücke herstellt, welche zu einer befriedigenden Verbindung seiner 
physiologischen, pathologisch-anatomischen und sonstigen Kenntnisse mit 
dem Inhalte seines eigenen Beobachtungsmaterials führt. — Dieser zwei¬ 
fachen Aufgabe ist, unseres Erachtens nach, der Verfasser voll und ganz 
gerecht geworden. Die Art der Darstellung in Form von „Vorlesungen“ 
gestattete es, das an sich oft etwas spröde, trockene Material, ohne der 
Wissenschaftlichkeit Abbruch zu thun, in ein leichteres, gefälligeres Gewand 
zu kleiden, als es in der Regel systematische Lehrbücher aufzuweisen 
pflegen, und hierdurch das Interesse des Lesers dauernd zu fesseln. Der 
Stoff ist durchaus harmonisch abgewogen, nirgends ein Zuviel und ein 
Zuwenig. Auch der Specialist wird an zahlreichen Stellen Anregung und 
durch die Eigenartigkeit des Verfassers in der Auffassung und Erklärung 
hypothetischer Gegenstände Genuss und Belehrung finden. 

In der ersten Vorlesung wird in knapper Form ein historisch-kritischer 
Ueberblick über die Entwickelung der Lehre von pathogenen Mikro¬ 
organismen gegeben und vor Allem das unvergängliche Verdienst R. Koch’s 
auf dem Gebiet der Bacterienerforscbung ins hellste Licht gestellt. 

Die zweite Vorlesung enthält die Besprechung der allgemeinen Morpho¬ 
logie und Biologie der pathogenen Mikroorganismen (a. Pilze, b. Bacterien, 
c. Mycetozoen, Flagellaten und Protozoen). Vortreffliche Abbildungen 
im Text erleichtern das Verständniss der einzelnen Formen und Arten 
wesentlich. 

Die dritte Vorlesung bringt Allgemeines über Infection: Vorkommen 
und Verbreitung der pathogenen Mikroorganismen ausserhalb des Menschen- 


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und Thierkörpers; Gefahr und Art der Ansteckung; künstliche Ab- 
schwächung, Schutzimpfung, Immunität und Prädisposition; locale und 
allgemeine Infection. Vererbung pathogener Mikroorganismen; Erklärungs¬ 
versuch der pathogenen Wirkung. Heilung infectiöser Krankheiten. 

In der vierten Vorlesung wird die Frage der Mutabilität der ßacterien 
und Pilze, sowie die Classification der Bacterien abgehandelt und ein 
übersichtliches, unseren jetzigen Kenntnissen entsprechendes Schema der 
betreffenden Mikroorganismen zusammengestellt. 

Mit dem mikroskopischen Nachweise der pathogenen Mikroorganismen, 
den Culturmethoden, den lnfectionsversuchen an Thieren und endlich 
den Desinfectionsmethoden beschäftigen sich die Vorlesungen 5, 6 und 7. 

Jeder einzelnen Vorlesung ist eine sorgfältige Zusammenstellung der 
Litter&tur, auf welche die Darstellung der einzelnen Thatsachen sich 
gründet, beigefügt. — 

Der specielle Theil wird in weiteren sieben Vorlesungen enthalten: 
die einzelnen, insbesondere die menschliche Pathologie interessirenden, 
pathogenen Mikroorganismen. — 

Wenn derselbe, woran wir keinen Augenblick zweifeln, seinem Vor¬ 
gänger sich gleichwertbig erweist, so glauben wir, dem Lehrbuch eine 
sehr günstige Aufnahme und weite Verbreitung prognosticiren zu können. 

Pfuhl (Hamburg). 


In der No. 16/1886 der „Archives de Mödecine et de Pharmacie militaires* 
finden wir eine Abhandlung: Ueber die Veränderungen, welche 
die in Magazinen lagernden Instrumente aus Kautschuk 
erleiden, und über die Mittel zur Abhülfe. 

Es handelt sich um den Auszug eine9 von der „Revisions-Commission 
der Modelle des Sanitätsmaterials“ dem Ministerium erstatteten Berichtes 
über eine Frage, welche auch für uns von hohem Interesse ist. 

Instrumente aus Kautschuk verändern sich mehr oder weniger, 
wenn sie einige Jahre in Magazinen gelegen haben; das Material wird 
trocken, brüchig und ^unelastisch, namentlich, wenn es in Büchsen auf¬ 
bewahrt wurde, wie die Gummibinden von „Esmarch“, Nicaise, die Drain¬ 
röhren, wenn sie gerollt und geknickt lagen. Weniger leiden die betr. 
Bestandtheile der Sprayapparate (Richardson, Ballon am Politzer etc.). 

Die Nachfragen bei Kaufleuten und Fabrikanten über ihre Methoden, 
diese Uebelstände zu vermeiden, hatten keine befriedigenden Resultate. 

Bei der jetzigen Aufbewahrungsweise ist die Conservirung unmöglich; 
die „Bandes d’Esmarck et de Nicaise tt müssen mindestens ein Mal monat¬ 
lich herausgenommen und tüchtig gedehnt, die Drainröhren im Freien 
oder in aseptischer Flüssigkeit aufgehängt, und Alles an einem feuchten, 
constant kühlen, dunklen Orte aufbewahrt werden. Alle diese Bedin¬ 
gungen zu erfüllen, ist unmöglich; die empfohlenen Vorsichtsmaassregeln 
sind entweder unzureichend, oder auch nicht ausführbar. Es muss des¬ 
halb, namentlich für die drei genannten Gegenstände (Esmarch’s Binden, 
Nicaise’s Schläuche, Drainröhren), welche kostspielig und doch in grossen 
Mengen aufzubewahren sind, nach einem widerstandsfähigeren Material 
gesucht werden. Die bisher gebräuchlichen Esmarcb'schen Binden aus 
Gummi- und Seidengewebe sind ganz zu verwerfen. Die dünnen Gummi¬ 
fäden verändern sich sehr leicht, die Binden sind sehr schwer zu reinigen. 
Die Commission dachte zuerst daran, elastische Binden überhaupt für 


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616 


überflüssig za erküren, weil ein geschickter Chirorg die Blutleere auch 
mit einer gewöhnlichen trocknen oder angefeucbteten (natürlich nach 
dem Anlegen von der Peripherie her befeuchteten, Ref.) leinenen, seidenen 
oder Flanellbinde, nach vorheriger Elevation, ausführen könne. Vielfache 
Versuche haben aber ergeben, dass dies doch nur ein Nothbehelf sein 
kann. Möglich ist es, völlige Blutleere auf diese Weise herzustellen; aber 
die Methode ist schwierig und unsicher, sie verlangt grosse Kraftanwen¬ 
dung (stimmt nicht mit unseren Erfahrungen, Ref.) und macht ein Tour- 
niquet notbwendig. Elastisches Material ist also nicht zu entbehren; es 
wird aber für die unbrauchbaren elastischen Gewebe, und an Stelle des 
gewöhnlichen Kautschuk die Beschaffung des K. pur en feuille, K. en 
feuilles anglais, dit „Mackintosch“ empfohlen, welcher dem Einfloss der 
Luft am besten widersteht. Er ist weiss, wenn er bei 140 ° vnlcanisirt 
war; durch Färbung mit metallischen Substanzen wird er immer unrein, 
weniger elastisch und haltbar. Das sicherste Mittel, die Qualität zu er¬ 
kennen, ist das Gewicht; je reiner er ist, desto weniger wiegt er. Bei 
mehr als 140° darf er nicht vnlcanisirt sein, weil er sonst unrein und 
schlecht wird. — Auf Grund dieser Ergebnisse hat die Commission eine 
Reibe von Modellen herstellen lassen, um durch Versuche die grössere 
Haltbarkeit zu constatiren. Binden und Drains wurden mit Blut, Eiter, 
verschiedenen antiseptischen Flüssigkeiten in Berührung gebracht, 
auch mehrere Tage bei einer Temperatur von 60° aufbewahrt, ohne 
irgendwie zu leiden (freilich immer noch keine jahrelange Magazin¬ 
lagerang, Ref.). Auch die verschiedenen Ballons sind aus demselben 
Material hergestellt; nur wird dieses mit Schwefelkohlenstoff und Kal. 
carbon. behandelt, nicht bei 140 ° vnlcanisirt. Der Preis ist derselbe; die 
Commission empfiehlt deshalb vollständigen Ersatz der betr. Bestände und 
giebt in einer genauen „Notice“ weitere Vorschriften für Fabrikation, 
Beurtheilung, Verwendung, Aufbewahrung; für Herstellung Esmarch'scher 
Binden, Nicaise’scher Schläuche, Drains, Gummikatheter, Sonden, für 
Injections- und Spray-Apparate u. s. w. Zum Schlüsse wird bei der grossen 
Wichtigkeit, welche die Art des Vulcanisirens hat, vorgeschlagen, dass 
ein sachverständiger Beamter diesen Theil der Fabrikation überwacht und 
dass in seiner Gegenwart die gelieferten Stücke vor dem Vulcanisiren 
(H. M. und Monat und Jahr) abzustempeln sind. A. Koehler. 


Mittheilungen. 


Auf Anregung des Generalarztes der Landwehr Dr. Wasserfuhr 
und unter reger Betheiligung einer grossen Zahl der betr. Collegen hat sich 
im September die Bildung eines kameradschaftlichen Vereines 
unter den Sanitätsoffizieren des Reserve-Land wehr-Regiments 
(1. Berlin) No. 35 vollzogen. Der Verein bezweckt nach den vorliegenden, 
vom Bezirkscommandeur genehmigten Statuten die Pflege ehrenhafter und 
kameradschaftlicher Gesinnung durch gesellige Zusammenkünfte und 
geeignete wissenschaftliche Vorträge. Im Vorstande sind ausser dem Ge¬ 
nannten die Herren Ober-Stabsarzt der Landwehr Dr. Marcuse, Stabs¬ 
ärzte der Landwehr etc. Becher, Braehmer, Gaffky, Jung, Menger. 


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617 


Wir wünschen dem joDgeo Unternehmen von Herzen Gluck. Das¬ 
selbe kann nur dazu dienen, die gemeinschaftlichen Interessen des gesamm- 
ten Sanitätsoffizier-Corps zn heben und zu fördern. Ktg. 


Am 3. August 1886 starb zu Haipbong an Malaria der Chefarzt des 
dortigen Lazareths, Medecin principal Zuber, noch nicht 40 Jahre alt. 
Einer der hervorragendsten französischen Sanitätsoffiziere, eng betheiligt 
an den grossen reorganisatorischen Arbeiten des Sanitätscorps, dem er 
angehörte, ist er auch den deutschen Militärärzten in gutem Andenken, 
die Paris besuchten nnd sich beim Studium französischer Einrichtungen 
seiner Beihulfe erfreuen konnten. 1883 hatte Unterzeichneter Gelegenheit, 
Z. mehrmals durch die Hygiene-Ausstellung zu fuhren und hierbei sein 
gründliches Wissen wie seinen kritischen Verstand kennen zu lernen. 
Die Archives de medecine et de pharmacie militaires widmen ihm, ihrem 
Mitbegründer und thätigen Förderer, Worte der wärmsten Anerkennung. 

_ Ktg. 


General-Rapport 

von den Kranken der Königlich Preussischen Armee, des XII. (Königlich 

Sächsischen) und des XIII. (Königlich Wurttembergischen) Armee-Corps, 
sowie der dem XV. Armee-Corps attachirten Königlich Bayerischen 
Besatzungs-Brigade pro Monat September 1886. 

1) Bestand am 31. August 1886 : 8 583 Mann und 43 Invaliden 

2) Zugang: 

im Lazareth 8 668 Mann und 1 Invaliden, 

im Revier 7 908 - - 12 _ 

Sum ma 16 576 Mann und 13 Invaliden. 

Mithin Summa des Bestandes und Zuganges 25 153 Mann und 56 Invaliden, 
in Procenten der Effectivstärke 7,5% und 19,7%. 

3) Abgang: 

geheilt. 16 450 Mann, 15 Invaliden, 

gestorben .... 84 — 

invalide. 194 - — 

dienstunbrauchbar . 216 — 

anderweitig . . . 1256 - — 

Summa . . 18 200 Mann, 15 Invaliden. 

4) Hiernach sind: 

geheilt 65,4% der Kranken der Armee und 26,8% der erkrankten 
Invaliden, 

gestorben 0,33% der Kranken der Armee und —,% der erkrankten 
Invaliden. 

5) Mithin Bestand: 

am 30. September 1886 6 959 Mann und 41 Invaliden, 

in Procenten der Effectivstärke 2,1% und 14,4%. 

Von diesem Krankenstände befanden sich: 

im Lazareth 5 064 Mann und 6 Invaliden, 
im Revier 1895 - 35 


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618 


Es sind also von 300 Kranken 196,2 geheilt, 1,0 gestorben, 2.3 als 
invalide v 2,6 als dienstunbranchbar, 15,0 anderweitig abgegangen, 82,9 im 
Bestand geblieben. 

Von den Gestorbenen der activen Truppen haben gelitten an: 
Scharlach 1, Blutvergiftung 2, Unterleibstyphus 17, acutem Gelenkrheu¬ 
matismus 1, Blutarmuth 1, Hitzschlag 2, bösartigen Geschwülsten 1, 
Wundstarrkrampf 1, Hirn- und Hirnhautleiden 4, acutem Kehlkopf- und 
Luftröhrenkatarrh 1, Lungenentzündung 12, Lungenschwindsucht 18, 
Brustfellentzündung 2, Blinddarmentzündung 1, Leberleiden 3, Bauchfell¬ 
entzündung 7, Nierenleiden 1, Zellgewebsentzündung 1, Knochen- und 
Knochenhautentzündung 2, Kniegelenksentzündung 1; an den Folgen 
einer Verunglückung: Hufschlag 1, Sturz vom Bagagewagen 1, durch 
Zusammenstoss zweier Eisenbahnzüge 1; an den Folgen eines Selbst¬ 
mordversuchs: Erschiessen 2. 

Mit Hinzurechnung der niöht in militarärztlicher Behandlung Verstor¬ 
benen sind in der Armee im Ganzen noch 38 Todesfälle vorgekommen, 
davon 8 durch Krankheiten, 15 durch Verunglückung, 15 durch Selbstmord. 
Von den Invaliden: durch Krankheiten 1; so dass die Armee im Ganzen 
122 Mann und 1 Invaliden durch den Tod verloren hat. 

Nachträglich pro August er.: 

3 Verunglückungen durch Ertrinken, 2 Selbstmorde durch Vergiftung 
und Ertränken. 


Gedruckt in der Königlichen Hofbuehdruckerei Ton B.S. Mittler und Sohn in Berlin, Kochetruee iS-70, 


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Amtliches Beiblatt 

zar 

Deutschen militärärztlichen Zeitschrift. 

1886. — Fünfzehnter Jahrgang. — M 1. 


Berlin, den 27. November 1885. 

Zusammensetzung der Prüfungs-Commission 

für die militärärztlichen Prüfungen des Jahres 1886. 

I. Für specielle Kriegschirurgie und Operationen. 

1. Generalarzt 1. Classe a la suite des Sanitäts-Corps, Geheimer Ober-Medicinal- 
Rath, Professor Dr. Barde leben. 

2. Königlich bayerischer Generalarzt 1. Classe a la suite, Geheimer Medicinal-Rath, 
Professor Dr. v. Bergmann. 

II. Für die Kriegsheilkunde im Allgemeinen. 

3. Oberstabsarzt 1. Classe und 2. Garnisonarzt von Berlin Dr. Grasnick. (An 
Stelle des Oberstabsarztes 1. Classe Dr. Wolff vom 2. Garde-Ulanen-Regiment, 
welcher auf seinen Antrag von den Functionen als Examinator enthoben ist.) 

4. Oberstabsarzt 1. Classe und Regimentsarzt des 2. Garde-Feld-Artillerie-Regiments, 
Professor Dr. Fraentzel. 

5. Oberstabsarzt 2. Classe und Regimentsarzt des 3. Garde-Grenadier-Regiments 

Königin Dr. Karpinski. . 

6. Oberstabsarzt 2. Classe und Bataillonsarzt des 2. Bataillons 2. Garde-Regiments 
z. F. Dr. Köhler. (An Stelle des verstorbenen Oberstabsarztes 1. Classe 
Dr. Starcke.) 

in. Für Militärgesundheitspflege und Sanitätspolizei. 

7. Generalarzt 1. CI. a la suite des Sanitäts-Corps, Geheimer Ober-Medicinal-Rath 
Dr. Mehlhausen. 

8. Generalarzt 2. Classe ä la suite des Sanitäts-Corps, Geheimer Ober-Regierungs- 
Rath a. D. Dr. Struck. 

IV. Für die Kenntniss der Verwaltung des Militär-Sanitätswesens, 
sowie der Militär-Verwaltung im Allgemeinen. 

9. Generalarzt 1. Classe und Subdirector des medicinisch-chirurgischen Friedrich- 
Wilhelms-Instituts Dr. Schubert. 

10. Oberstabsarzt 1. Classe und Regimentsarzt des 2. Garde-Regiments z. F. 
Dr. Burchardt. 

11. Oberstabsarzt 1. Classe an der Militär-Tum-Anstalt, Professor Dr. Rabl- 
Rückhard. 

12. Generalarzt 1. Classe der Marine Dr. Wenzel. (Nur für Marineärzte.) 


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Die mündliche praktische Prüfung findet von 1886 ah wiederum nur einmal 
jährlich, voraussichtlich im Mai, statt, nachdem die lleberleitung des schriftlichen 
Examens auf die Assistenzärzte 1. Classe und des mündlich-praktischen auf Stabs¬ 
ärzte im 1. Dienstjahre ihrer Charge nunmehr beendet ist. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 
v. Lauer. v. Coler. 

No. 1202/11. M. M. A. 


Berlin, den 12. November 1885. 

Die Königliche Intendantur wird ergebenst ersucht, zur Disposition der Unter¬ 
zeichneten Abtheilung noch weitere 

500 ungefütterte blau und weiss gestreifte Krankenröcke, 

500 gefütterte dergleichen 

neuester Probe gefälligst in Bestellung zu geben und zur Verdingung einen Sub¬ 
missions-Termin auf den 15. December d. Js. anzuberaumen. 

Soweit die Lieferungsfrist keine zu beschränkte wird und dadurch nicht höhere 
Preise gefordert werden, sind die Einlieferungs-Termine so zu bedingen, dass die 
Abnahme der Lieferungen und die Verrechnung der Kosten möglichst noch im 
laufenden Etatsjahre erfolgen kann. 

Nach beendeter Submission ist über das Resultat unter Angabe der disponibel 
zu stellenden Kosten zu berichten. 

Kriegsministerium; Militär-Mediciual-Abtheilung. 
v. Lauer. v. Coler. 

No. 436. 11. M. M. A. 


Berlin, den 19. November 1885. 

Die Königliche Intendantur wird ergebenst ersucht, behufs Feststellung des 
durchschnittlichen Jahresbetrages an Kosten, welche durch Fortgewährung des Lohnes 
an erkrankte Lazareth-Köchinnen während der Zeit ihrer Nichtbeschäftigung wegen 
Krankheit entstanden sind, gefälligst hierher mitzutheilen: 

a. welche Lazareth-Köchinnen im dortseitigen Verwaltungsbezirk seit dem 
1. April v. Js. bis Ende September er. krankheitshalber voriibergehend 
den Köchinnendienst nicht haben verrichten können; 

b. auf welche Zeitdauer die einzelnen Köchinnen durch Krankheit an der 
Ausübung der desfallsigen Dienste verhindert gewesen und 

c. welche Lohnbeträge den erkrankten Köchinnen während der Zeit ihrer 
Nichtbeschäftigung weitergezahlt worden sind. 

Ausserdem wolle die Königliche Intendantur gefälligst näher angeben, welcher 
Betrag für sämmtlichc Lazareth-Köchinnen des dortseitigen Verwaltungsbezirks zu¬ 
sammen jährlich ungefähr als antheiliges Drittel der Krankenversicherungs-Beiträge 
von der Militär-Verwaltung zu zahlen ist. 

Der Erledigung dieser Verfügung wird bis zum 15. nächsten Monats entgegen¬ 
gesehen. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 
v. Lauer. v. Coler. 

No. 344. 11. M. M. A. 


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s 



T* 


Berlin, den 23. November 1885. 

Der Königlichen Intendantur erwidert die Unterzeichnete Abtheilung auf den 
.Bericht vom 30. Juli er. (J.-No. 2866/7 V), in welchem mit Ermächtigung des König¬ 
lichen Gener&l-Commandos gegen die Von Letzterem angeordnete Verwendung halb- 
invalider Unteroffiziere als Lazareth-Rechnungsfuhrer Bedenken administrativer Natur 
vorgebracht werden, im Einverständnis mit dem Königlichen Allgemeinen Kriegs- 
Departement Nachstehendes ergebenst. 

In den Bestimmungen des Friedens-Lazareth-Reglements (§§ 78 ff.) ist zum 
Ausdruck gelangt, dass bei denjenigen Lazarethen, wo keine Inspectoren angestelit 
sind, qnalificirte Unteroffiziere als Rechnungsführer commandirt werden, dass 
dieselben möglichst vor Uebernahme der Rechnungsführer-Geschäfte informatorisch 
zu beschäftigen sind, und dass mit denselben so selten wie möglich zu wechseln ist. 

An diesen Bestimmungen ist festzuhalten und ist daher dafür Sorge zu tragen, 
dass als Lazareth-Rechnungsfuhrer nur geeignete Unteroffiziere commandirt werden. 

Die qu. Qualification wird von einem guten Theil der halbinvaliden Unteroffiziere 
indess nachgewiesen bezw. auf Grund vorgängiger informatorischer Beschäftigung 
unschwer erreicht werden können. 

Sind qualificirte Halbinvalide aber verfügbar, so wird durch deren Heranziehung 
der doppelte Zweck erreicht, dass einmal diese Halbinvaliden eine angemessene 
dienstliche Verwendung finden und ferner die andernfalls zur Wahrnehmung der 
Lazarcth-Rechnungsführer-Geschäfte aus dem Frontdienst abzueommandirenden Unter¬ 
offiziere diesem Dienst erhalten bleiben. 

Die Lazareth-Rechnungsführerstellen werden daher grundsätzlich durch quali¬ 
ficirte Halbinvalide zu besetzen sein, sofern bei letzteren die vorbezeichneten Be¬ 
dingungen zutreffen und dieselben voraussichtlich erst nach längerer Zeit ans dem 
aetiven Dienst ausscheiden. 

Die Königliche Intendantur wird ergebenst ersucht, das Weitere hiernach 
gefälligst zn veranlassen und dem Königlichen General-Commando darüber Vortrag 
zu halten. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 

An die Königliche Intendantur 2. Armee-Corps zu Stettin. 

Abschrift hiervon wird der Königlichen Intendantur zur gefälligen Kenntniss- 
nalimc ergebenst übersandt. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 
v. Lauer. v. Coler. 

No. 1987/10. M. M. A. 


Berlin, den 26. November 1885. 

Nach den auf die Verfügung vom 7. August 1884 — J.-No. 255. 7. M. M. A. —- 
erstatteten Berichten haben die angesteilten Trageversuche mit Leder-Pantoffeln für 
Militär-Lazarethe noch zu keinem Ergebnisse geführt, welches für eine endgültige 
Entscheidung als ausreichend zu erachten wäre. 

Die Ansichten, ob für das Oberleder Kalb- oder Rindleder am geeignetsten 
zu verwenden sei, stehen sich fast zu gleichen Theilen gegenüber: ferner ist von 
einzelnen Seiten bemängelt, dass das zum Oberleder der überwiesenen Probe- 
Pantoffeln verwendete Material überhaupt nicht gut war und daher vorläufig ein 
bestimmtes Urtheil nicht abgegeben werden könne. 


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Auch machen sich Stimmen dafür geltend, dass das beabsichtigte Anbringen 
einer Futter-Auflage auf der Brandsohle nicht zweckmässig erscheine, weil sich die¬ 
selbe leicht von der Brandsohle ablöse, sich häufig am ganzen Rande des Hackens 
ab- bezw. durchstosse und bei Reparaturen der Futter-Auflage unter Erhöhung der 
diesfälligen Kosten ein Auseinandernehmen der Brand- und Hauptsohle noth- 
wendig sei. 

Im Uebrigen ist zur Sache noch Folgendes zur Sprache gebracht worden: 

1. machte sich ein häufiges Abtrennen der Sohle vom Oberleder bemerklich 
und ist daher zur Erwägung gestellt, die Befestigung der Sohle mittelst 
Nagelung durch Holzstifte, anstatt ein Aufhähen mittelst Pechdrahts, zu 
bewirken, bezw. beim Aufnähen die Stiche enger wie bei den Probe- 
Pantoffeln auszuführen; 

2. wird zur Erörterung empfohlen, ob die Pantoffeln in ungeschwärztem oder 
in geschwärztem Zustande zu beschaffen und in Tragung zu geben sind, 
sowie 

3. ob, wie von einer Seite als zweckmässig hervorgehoben, es für zulässig 
erachtet werden kann, eine vom Hacken bis gegen die Mitte des Fusses 
reichende Einlage in die Sohle von Schusterspahn anstatt einer solchen 
von Leder zu verwenden. 

Hiernach erscheinen weitere Trageversuche nothwendig und wird die Königliche 
Intendantur ergebenst ersucht, nach Belieben dortseits Probe-Pantoffeln, und zwar 
mit Oberleder theils von Kalb-, theils von Rindleder anfertigen und den Lazarethen 
des Corps zu Trageversuchen überweisen zu lassen. 

Ueber das Resultat wolle die Königliche Intendantur, nachdem auch das Gut¬ 
achten des Herrn Corps-General-Arztes eingeholt und dem Königlichen General- 
Commando im Vortragswege Kenntniss gegeben ist, zum 1. Oetober 1886 gefälligst 
berichten. 

Soweit nach den seitherigen diesseitigen Entscheidungen eine Beschaffung von 
Leder-Pantoffeln mit Rücksicht auf die in Aussicht stehende neue Probe Vorbehalten 
war, wird die Beschaffung der Pantoffeln nach der seitherigen Probe hiermit ge¬ 
nehmigt. Es wird sich indess empfehlen, Schusterspahn bis auf Weiteres nicht in 
die Sohlen hineinarbeiten zu lassen, auch wenn in einzelnen der seitherigen Proben 
ein solcher enthalten sein sollte. 

Sollte der dortseitige Fonds zur Beschaffung der qu. Pantoffeln nicht mehr die 
Mittel bieten, so ist vor der Beschaffung unter Vorlage eines Kostenanschlages 
hierher zu berichten. 

Knegsministerium; Militär-Medieinal-Abtheilung, 
v. Lauer. v. Coler. 

No. 365. 11. M. M. A. 


Berlin, den 28. November 1885. 

Nach dem Erlasse vom 4. September 1876 sind diejenigen Geldmittel, welche 
für Baulichkeiten in den Garnison-Lazarethen über den Etat der Corpszahlungs¬ 
stelle beim Capitel 29 Titel 16 in Anspruch genommen werden, durch eine im 
Frühjahr hierher einzusendende Uebersicht anzumelden. Auf diese Uebersicht erfolgt 
indess keine Entscheidung, sondern es sind die erforderlichen Beträge durch 
besondere Berichte, soweit vorgeschrieben unter Beifügung der bezüglichen Bau- 


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projecte, za beantragen. Im Anschluss daran wird hiermit bestimmt, dass die letzt¬ 
erwähnten Anträge innerhalb der ersten vier Monate des Etatsjahres hier eingehen 
müssen. Soweit dies nicht geschieht, wird diesseits angenommen, dass von der 
Ausführung der betreffenden Baulichkeiten entweder ganz Abstand genommen ist, 
oder dass dieselben verschoben sind, oder für Rechnung des dortseitigen Dispositions¬ 
fonds zur Ausführung gelangen, und wird dann über die event. zum Zwecke 
reservirten Mittel anderweitig verfügt werden. Sollte ausnahmsweise der Fall ein- 
treten, dass über einen Bau, welcher nothwendigerweise noch in dem betreffenden 
Etatsjahre zur Ausführung kommen muss, eine Vorlage nicht rechtzeitig hierher 
gelangen kann, so wären innerhalb der obigen Frist die diesfälligen Umstände behufs 
weiterer Reservirung der erforderlichen Geldmittel hier anzuzeigen. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 
v. Lauer. • v. Coler. 

No. 1719/11. M. M. A. 


Berlin, den 30. November 1885. 

Die Königliche Intendantur wird unter Bezugnahme auf den diesseitigen Erlass 
vom 29. Februar v. Js. — No. 768. 2. M. M. A. — ergebenst ersucht, die Gamison- 
Lazaretbe des dortseitigen Verwaltungs-Bezirks bezüglich der für die Lazareth- 
Bibliotheken zur Beschaffung auszuwählenden Bücher auf die neuesten Publicationen 
(Bände 13 bis 15) der im Verlage von M. Woywod zu Breslau erscheinenden 
,Vaterländischen Geschichte- und Unterhaltungs-Bibliothek" aufmerksam zu machen. 
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 
v. Lauer. v. Coler. 

No. 939. 11. M. M. A. 


Berlin, den 4. December 1885. 

Es sind seither von den Intendanturen vielfach Anträge auf Genehmigung von 
Feuerungs-Portionssätzen für solche Heizanlagen hier zur Vorlage gekommen, welche 
sich in die in der Beilage U zum Friedens-Lazareth-Reglement berücksichtigten 
gewöhnlichen Ofen- und Herdeinrichtungen nicht einreihen lassen, ohne dass aus 
den betreffenden Vorlagen entnommen werden konnte, ob — wie es mit Rücksicht 
auf etwaige technische Eigenthümlichkeiten der Heizanlagen für erforderlich zu 
erachten — bei den entsprechenden Vorverhandlungen der zuständige Local-Baubeamte 
bezw. das technische Mitglied der Intendantur betheiligt gewesen. 

Die Königliche Intendantur wird ergebenst ersucht, gefälligst zu veranlassen, 
dass fortan in den vorgedachten Fällen die Local-Baubeamten bezw. das dortseitige 
technische Mitglied mitwirken, und dass in den betreffenden Vorlagen ersichtlich 
gemacht wird, wie dieser Vorschrift entsprochen worden ist 

Ob die Betheiligung des Baubeamten sich auf eine schriftliche Begutachtung der 
vom Lazareth aufgenommenen Vorverhandlungen zu beschränken hat, oder ob in 
einzelnen Fällen die zeitweise persönliche Anwesenheit des Ersteren bei den Heiz¬ 
versuchen etc. als wünschenswert zu erachten ist, hängt von der Eigenart der 
bezüglichen Heizvorrichtungen ab und bleibt der Erwägung der betheiligten Local¬ 
instanzen bezw. der Entscheidung der Königlichen Intendantur überlassen. Auch 


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wolle die Königliche Intendantur künftig in den gedachten Füllen mit den des- 
lallsigen Anträgen — soweit dies zum Verständniss der Heizanlagen erforderlich 
erscheint — gefälligst Zeichnungen der letzteren hierher gelangen lassen. 

Kriegsministerinm; Militär-Medicinal-Abtheilung, 
v. Lauer. v. Coler. 

No. 1132. 11. M. M. A. 


Personal-Veränderungen im Sanitäts-Corps. 

Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen. 

Dr. Thewalt, Assist-Arzt 1. CI. der, Landw. vom Res.-Landw.-Bat (Frank¬ 
furt a. M.) No* 80, der Abschied ertheilt. — Befördert werden: Dr. Peiper, 
Ober-Stabsarzt 2. CI. von der Haupt-Cadettenanstalt, — Dr. Seulen, Ober-Stabsarzt 
2. CI. und Regts.-Arzt vom 2. Nass. Inf.-Regt. No. 88, — zu Ober-Stabsärzten 

1. CI., — Dr. John, Stabs- und Bats.-Arzt vom Fus.-Bat. 4. Oberschles.Int-Regts. 
No. 63, zum Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt des 2. Grosshereogi. Hess. InL- 
Regts. (Grossherzog) No. 116, — Dr. Herter, Stabsarzt von der Unteroff.-Schule 
in Weissenfels, zum Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt des Niederschles. Feld- 
Art.-Regts. No. 5, — Dr. CI aussen, Stabs- und Bats.-Arzt vom Westf. Pion.-Bat. 
No. 7, zum Ober-Stabsarzt 2. CI. und Gam.-Arzt in Rastatt, — Dr. Niesse, 
Assist.-Arzt 1. CI. vom 4. Gärde-Regt. zu Fuss, zum Stabs- und Bats.-Arzt des Füs.- 
Bats. 6. Rhein. Inf.-Regts. No. 68, — Dr. Musehold, Assist.-Arzt 1. CI. vom 

2. Garde-Regt. zu Fuss, zum Stabs- und Bats.-Arzt des Pomm. Pion.-Bats. No. 2, 

— Dr. Pfuhl, Assist.-Arzt 1. CI. in der etatsmäss. Stelle bei dem Gen.- und Corps¬ 
arzt des I. Armee-Corps, zum Stabsarzt bei dem Fuss-Art.-Regt. No. 11, — 
Dr. Overweg, Assist.-Arzt 1. CI. in der etatsmäss. Stelle bei dem Gen.- und 
Corpsarzt des III. Armee-Corps, zum Stabs- und Bats.-Arzt des 2. B&ts. des Leib- 
Gren.-Regts. (1. Brandenburg.) No. 8, — Dr. Schmidt, Dr. Drei sing, Marine- 
Assist. -Aerzte 1. CI. von der 1. Matros.-Div., zu Marine-Stabsärzten, vorläufig ohne 
Patent; — die Unterärzte der Res.: Dr. Kresin vom 1. Bat. (Danzig) 8. Ost- 
preuss. Landw.-Regts. No. 45, — Dommer, Neumann vom Res.-Landw.-Bat. 
(Königsberg) No. 33, — Dr. Brenssell, Dr. Badt, Dr. Krieger vom Res.-Landw.- 
Regt. (1. Berlin) No. 35, — Dr. Kirchner vom 1. Bat. Res.-Landw.-Regts. No. 71, 

— Dr. Lünen borg vom 2. Bat. (Recklinghausen) 5. Westfal. Landw.-Regts. No. 53, 

— Kühn vom 2. Bat. (Rostock) 2. Grossherzogi. Mecklenb. Landw.-Regts. No. 90, 

— Flinke vom 2. Bat. (Nienburg) 1. Hannov. Landw.-Regts. No. 74, — Kir- 
berger vom Res.-Landw.-Bat. (Frankfurt a. M.) No. 80, — Dr. Orth vom 1. Bat. 
(Darmstadt I) 1. Grossherzogi. Hess. Landw.-Regts. No. 115, — Dr. Fischer vom 
2. Bat. (Eisenach) 5. Thüring. Landw.-Regts. No. 94, — Dr. Hoffmann, Dr. Bayer 
vom 2. Bat. (Halle) 2. Magdeburg. Landw.-Regts. No. 27, — Dr. Locherer, 
Dr. Ratz, Dr. Sonntag vom 1. Bat. (Freiborg) 5. Bad. Landw.-Regts. No. 113, 

— Finck, Dr. Mays vom 2. Bat. (Heidelberg) 2. Bad. Landw.-Regts. No. 110, — 
Feldmann vom Unterelsäss. Res.-Landw.-Bat. (Strassburg) No. 98, — Dr. Hoff- 
mann vom 1. Bat. (1. Trier) 8. Rhein. Landw.-Regts. No. 70, — Dr. Mirbach 
vom 1'. Bat. (Siegburg) 2. Rhein. Landw.-Regts. No. 28, — Dr. Lüssem vom 

2. Bat. (Bonn) 2. Rhein. Landw.-Regts. No. 28, — Dr. Bock vom 2. Bat, (Graf¬ 
rath) 8. Westfal. Landw.-Regts. No. 57, — Classen, Aue vom 1. Bat. (Hildesheim) 

3. Hannov. Landw.-Regts. No. 79, — Dr. Reineeke, Dr. Fleischhauer vom 
2. Bat. (Göttingen) 3. Hannov. Landw.Regts. No. 79, — Welcker vom Res.-Landw.- 
Bat. (Hannover) No. 73, — Dr. Greiff, vom 2. Bat. (2. Münster) 1. Westfäl. Landw.- 
Regts. No. 13, — zu Assist.-Aerzten 2. CI. der Reserve befördert. — 
Dr. Schauss, Stabs- und Bats.-Arzt vom Fus.-Bat. 3. Thüring. Inf.-Regts. No. 71, 

— Dr. Torges, Stabs- und Bats.-Arz, vom Füs.-Bat. 1. Magdeburg. Inf.-Regts. 

N<>. 26, — der Chaiakter als Ober-Stabsarzt 2. CI. verliehen. — 


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7 


Dr. Schneider, Dr. Gaehde, Stabsärzte von der Marine, ein Patent ihrer Charge 
verliehen. — Versetzt werden: Dr. Zimmermann, Ober-Stabsarzt 1. CI. und 
Regts.-Arzt vom 2. Grossherzogl. Hess. Inf.-Regt. (Grossherzog) No. 116, zum 

1. Nassau. Inf.-Regt. No. 87, — Dr. Krosta, Stabs- und Bats.-Arzt vom 2. Bat. 
des Leib-Gren.-Regts. fl. Brandenburg.) No. 8, zur Unteroff.-Schule in Weissenfels, 
— Dr. Schirach, Stabs- und Bats.-Arzt vom Pomm. Pion.-Bat. No. 2, zum Füs.- 
Bat. 4. Oberschles. Inf.-Regts. No. 63, — Dr. Peipers, Stabsarzt vom medicinisch- 
chirurgischen Friedrich Wilhelms-Institut, Bats.-Arzt zum Westfäl. Pion.-Bat. 
No. 7, — Dr. Bart old, Stabs- und Bats.-Arzt vom Füs.-Bat. 6. Rhein. Inf.-Regts. 
No. 68, — zum medicinisch-chirurgischen Friedrich Wilhelms-Institut, — Dr. Kretz- 
Rchmar, Assist-Arzt 1. CI. vom 3. Thöring. Inf.-Regt No. 71, zum Altmärk. 
Ulan.-Regt. No. 16, — Dr. Scholze, Assist-Arzt 1. CI. vom 2. Niederschles. Inf.- 
Regt No. 47, zum 2^ Pomm. Feld-Art-Regt. No. 17, — Buchholtz, Assist.-Arzt 

2. CI. vom 6. Brandenburg. Inf.-Regt. No. 52, zum 1. Brandenburg. Feld-Art-Regt. 
No. 3 (General-Feldzeugmeister), — Vick, Assist-Arzt 2. CI. vom 2. Pomm. Feld- 
Art-Regt. No. 17, zum 8. Pomm. Inf.-Regt No. 61; — der Abschied wird 
bewilligt: Dr. Heller, Ober-Stabsarzt 1. CI. u. Regts.-Arzt vom 1. Nassau. Inf.-Regt. 
No. 87, mit Pension und seiner bisher. Uniform, — Dr. Grosser, Ober-Stabsarzt 1. CI. 
ii. Regts.-Arzt vom Niederschles. Feld-Art-Regt. No. 5, mit Pension und seiner bisher. 
Uniform, — Dr. Hoffmann, Ober-Stabsarzt 2. CI. und Garn.-Arzt in Rastatt, 
mit Pension und seiner bisher. Uniform, — Dr. Siedamgrotzky, Stabsarzt vom 
Fnss-Art-Regt. No. 11, mit Pension und seiner bisher. Uniform, — Dr. Koll, 
Aflsist.-Arzt 1. CI. vom Königs-Hus.-Regt (1. Rhein.) No. 7, als Stabsarzt mit 
Pension, — Dr. Kögel, Stabsarzt der Res. vom Res.-Landw.-Bat (Magdeburg) 
No. 36, mit seiner bisher. Uniform, — Dr. Wedel, Stabsarzt der Res. vom Res. 
Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35; — den Stabsärzten der Landw.: Dr. Czesch 
vom 2. Bat. (Ratibor) 1. Oberschles. Landw.-Regts. No. 22, mit seiner bisherigen 
Uniform, — Dr. Odebrecht vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, — Dr. Jehn 
vom 2. Bat. (Saarlouis) 4. Rhein. Landw.-Regts. No. 30, — Dr. Schiefferdecker 
vom 2. Bat. (Göttingen) 3. Hannov. Landw.-Regts. No. 79, — Dr. Thier, Dr. Feiber 
vom 1. Bat. (Nassau) 1. Nassau. Landw.-Regts. No. 87, — Dr. Fritzen, Assist- 
Arzt 1. CI. der Landw. vom 2. Bat (Düsseldorf) 4. Westfäl. Landw.-Regts. No. 17. 

Berlin, den 17. December 1885. 


Nachweisung der bei dem Sanitäts-Corps pro Monat November 1885 
eingetretenen Veränderungen. 

Durch Verfügung des General-Stabsarztes der Armee. 

Den 11. November 1885. 

I>r. Diesing, bisher einjährig-freiwilliger Arzt vom 4. Magdeburg. Inf.-Regt. No. 67, 
zum Unterarzt ernannt und mit Wahrnehmung einer bei diesem Regiment 
vacanten Assist-Arztstelle beauftragt. 


Veränderungen im Königlich Bayerischen Sanitäts-Corps. 

Den 22. November 1885. 

Ebstein, Unterarzt im 1. Ulan.-Regt. Kronprinz Friedrich Wilhelm des Deutschen 
Reiches und von Preussen, zum Assist-Arzt 2. CI. befördert 

Den 9. December 1885. 

Die Unterärzte der Res.; Dr. Kuisl (Wasserburg), Dr. Höpfl (Weilheim), 
Koch, Dr. Kuntzen, Dr. Wagenhäuser, Rauh, Wulschner (München I), 
Dr. Redenbacher (München 11), Dr. Steininger (Passau), Rapp (Dillingen), 
Dr. Hermann, Dr. Raab, Daumenlang (Erlangen), Dr. Schmitt, Dr. Cahn 
(Würzburg), Dr. Willms, Dr. Nöller (Aechaffenburg), Dr. H oncamp (Kaisers¬ 
lautern), zu Assist.-Aerzten 2. CI. des Beurlaubtenstandes befördert. 


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Veränderungen im Königlich Sächsischen Sanitäts-Corps. 

Allerhöchster Beschluss vom 19. December 1885. 

Dr. Meyer, Oberstabsarzt 2. CL und Begimentsarzt des Carabinier-Regiments, zum 
Oberstabsarzt 1. CI. mit einem Patente vom 5. Januar 1885, 

Dr. Zocher, charakt. Oberstabsarzt 2. CI. vom 1. Feld-Artillerie-Regiment No. 12, 
beauftragt mit der Wahrnehmung des regimentsärztlichen Dienstes bei dem 
6. Infanterie-Regiment No. 105, zum etatsmassigen Oberstabsarzt 2. CI. und 
Regimentsarzt des letztgenannten Regiments, 

Dr. Machate, Assistenzarzt 1. CI. im 2. Husaren-Regiment „Kronprinz Friedrich 
Wilhelm des Deutschen Reichs und von Preussen“ No. 19, zum Stabs- und 
Bataillonsarzt im 7. Infanterie-Regiment „Prinz Georg“ No. 106, 

Dr. Rösch, Assistenzarzt 2. CI. im 10. Infanterie-Regiment No. 134, zum Assistenz¬ 
arzt 1. CI. befördert. 

Dr. Zimmer, Oberstabsarzt 1. CI. und Regimentsarzt des 10. Infanterie-Regiments 
No. J34, auf den Etat der Ganiisonärzte unter gleichzeitiger Beauftragung 
mit den Functionen des Divisionsarztes der 2. Infanterie-Division No. 24 und 
mit der Wahrnehmung des chefarztlichen Dienstes beim Garpisonlazareth zu 
Leipzig, 

Dr. Döhler, Oberstabsarzt 1. CI. und Regimentsarzt des 6. Infanterie-Regiments 
No. 105, befehligt zur Wahrnehmung des regimentsärztlichen Dienstes bei dem 
10. Infanterie-Regiment No. 134, als Regimentsarzt zu letztgenanntem Regimeote, 
Dr. Nicolai, Oberstabsarzt 2. CI. und Bataillonsarzt des 2. Jäger-Bataillons 
No. 13, als Regimentsarzt zum 1. Feld-Artillerie-Regiment No. 12, 

Dr. Friederich, Stabs- und Bataillonsarzt im 2. Grenadier-Regiment No. 101 
„Kaiser Wilhelm, König von Preussen“, zum 2- Jäger-Bataillon No. 13, 

Dr. .Würzler, Stabs- und Bataillonsarzt im 7. Infanterie-Regiment „Prinz Georg* 
No. 106, unter Belassung in seinem Commando zur Universität Leipzig zum 
2. Grenadier-Regiment No. 101 „Kaiser Wilhelm, König von Preussen“, 

Dr. Näther, Assistenzarzt 1. CI. im 7. Infanterie-Regiment „Prinz Georg“ No. 106, 
zum 2. Husaren-Regiment „Kronprinz Friedrich Wilhelm des Deutschen Reich» 
und von Preussen“ No. 19 (Garnison Lausigk) — versetzt. 

Dr. Strüh, Stabsarzt im Fuss-Artillerie-Regiment No. 12, in Genehmigung seines 
Gesuches aus Allerhöchsten Kriegsdiensten mit der gesetzlichen Pension und 
der Erlaubniss zum Forttragen seiner bisherigen Uniform mit den vorgeschriebenen 
Abzeichen der Abschied bewilligt. 

Dr. Meyer, Assistenzarzt 1. CI. im 4. Infanterie-Regiment No. 103, aus dem 
activen Dienste ausgeschieden und zu den Sanität« - Offizieren des 2. Bats. 
(Zittau) 3. Landw.-Regts. No. 102 übergetreten. 


, Veränderungen im Königlich Württembergischen Sanitäts-Corps. 

Den 25. November 1885. 

Dr. Dietlen, Assist.-Arzt 1. CI. im Gren.-Regt. König Carl No. 123, zum 2. Drag.- 
Regt. No. 26, 

Dr. Seifriz, Assist.-Arzt 1. CI. im 2. Drag.-Regt. No. 26, zum Train-Bat. No. 13, — 
versetzt. 

Den 7. December 1885. 

Dr. Piesbergen, Unterarzt der Res. im 2. Bat. (Reutlingen) 1. Landw.-Regts. 
No. 119, zum Assist.-Arzt 2. CI. der Res. ernannt. 

Dr. Sehe Hing, Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. 3. Inf.-Regts. No. 121, zum 
Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt des Inf.-Regts. König Wilhelm No. 124, 

Dr. Dannecker, Assist.-Arzt 1. CI. in der etatsmäss. Stelle beim Corps-General¬ 
arzt, zum Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. 3. Inf.-Regts. No. 121, — befördert. 

Die As8ist.-Aerzte 1. CI. der Landw.: Dr. Wiedenmann im 1. Bat. (Gmünd) 
6. Landw.-Regts. No. 124, 

Dr. Kreuser im 2. Bat. (Ludwigsburg) 3. Landw.-Regts. No. 121, 

Dr. Gros im 2. Bat. (Ulm) 6. Landw.-Regts. No. 124, — zu Stabsärzten der 
Landw. befördert. 


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Veränderungen im Herzoglich Braunschweigischen Sanitäts-Corps. 

Den 24. November 1885. 

Dr. Deicke, Unterarzt der Res. vom 1. Bat. (Braunschweig I) Herzogi. Braunschweig. 
Landw.-Regts. No. 92, zum Assist.-Arzt 2. CI. der Res. befördert. 


Familiennachrichten. 

Verlobungen: Dr. Schreyer, Stabsarzt der Res., mit Frl. Marie Tauscher 
(Zeitz). 

Verbindungen: Dr. Hoepner, Assist-Arzt 1. CI. im 2. Brandenb. Feld-Art.- 
Regt. No. 18, mit Frl. Elisabeth Kienast (Frankfurt a. O.—Charlottenburg). 
Todesfälle: Dr. Labes, Stabs- und Bats.-Arzt im 5. Ostpreuss. Inf.-Regt. No. 41, 
— Dr. Anton Besnard, Königl. Bayerischer Generalarzt a. D. (München), — 
Dr. Hibsch, Oberstabs- und Regts.-Arzt des Cürass.-Regts. Königin (Pomm.) 
No. 2 (Pasewalk). 


Gedruckt in der Königlichen Hofbnchdrnckerei von E. S. Mittler and Sohn 
Berlin, Kochstrasse 68 - 70. 


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Amtliches Beiblatt 

znr 

Deutschen militärärztlichen Zeitschrift 


1886. — Fünfzehnter Jahrgang. — M 2. 


Armee-Verordnudga-Blatt No. 26. 1885. 

Revierkrankenstuben in den Kasernen. 

Berlin, den 29. November 1885. 

Ans militärdienstlichen Rücksichten sowie zur besseren Sicherung der Erfolge 
in der Behandlung der revierkranken Mannschaften ist <fie Einrichtung besonderer 
Revierkrankenstnben in den Kasernen als Bedürfnis* anerkannt worden. 

In Erweiterung der Bestimmung im §. 32,1 der Garnisonverwaltungs-Ordnung 
wird daher Folgendes bestimmt: 

1) Bei Kaeernen-Neubauten ist von vornherein eine Mannscbaftsstube als Revier¬ 
krankenstube zu bestimmen. 

2) Die Einrichtung von Revierkrankenstuben in bereits vorhandenen Kasemements 
ist an die Bedingung geknüpft, dass dieselbe eine stärkere (Ueber-) Belegung 
der Mannschaftsstuben oder eine Dislocirung von Mannschaften in Bütger- 
quartiere nicht zur Folge haben darf. 

3) Die räumliche Ausdehnung der Revierkrankenstuben ist nach der vollen Etats- 
stärke der Trnppentheile, einschliesslich der etwa noch auf Bürgerquartiere an¬ 
gewiesenen Mannschaften, zu bemessen. 

4) Hinsicht« der Einrichtung und Benutzung der Revierkrankenstuben und hinsicbts 
der Regelung des Dienstbetriebes auf denselben wird auf die nachfolgenden 
Bestimmungen hingewiesen. Die entstehenden einmaligen und laufenden 
Kosten sind auf den Garnisonvcrwahungsfonds zu übernehmen, mit Ausnahme 
der Aufwendungen für die unter 7. 1 der Bestimmungen bezeichnten Gegen¬ 
stände, welche aus dem Krankenpflegefonds zu bestreiten sind. 

Kriegsministerium. 

Bronsart v. Schellendorff. 

No. 997/11. M. O. D. 4. 


Bestimmungen 

über Einrichtung und Benutzung der Revierkrankenstuben. 

1) Die Einführung der Revierkrankenstuben bezweckt die angemessene Unterkunft 
und stete Beaufsichtigung solcher Revierkranker, bei denen behufs baldiger 
Herstellung der Dienstfähigkeit besondere auf die Ermöglichung eines gleich- 
massigen ruhigen Verhaltens, event. der Bettlage, und auf die gesicherte Durch¬ 
führung bestimmter ärztlicher Verordnungen Werth zu legen ist. 

2) Bestimmt ausgeschlossen von der Aufnahme in die Revierkrankenstuben 
sind ansteckende Kranke, einschliesslich solcher, bei welchen nach Lage der 
Verhältnisse der Ausbruch einer ansteckenden Krankheit befürchtet wird. 

. Hierher sind auch zu rechnen Kranke mit tuberkulösen Luugealeiden. 


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3) Die zweckentsprechende Aaswahl der Kranken für die Aufnahme in die 
Revierkrankenstuben sowie die sachgemässe Handhabung des Dienstes auf 
denselben unterliegt nach den Anordnungen der Truppenbefehlshaber der 
Controle der zuständigen oberen Militärärzte. 

4) Die Grösse der Revierkrankenstnben ist im Allgemeinen für eine Kranken- 
zahl Ton l 1 /s% der Etatsstärke des Truppentheils bei einem Luftraum von 
etwa 20 cbm pro Mann zu berechnen. 

Für ein Infanterie-Bataillon und Cavallerie-Regiment würde mithin eine 
I2männige Stube dem Zwecke entsprechen, welche indess nur mit 9 Mann 
(einschliesslich des bei 11 erwähnten Lazarefthgehülfen) zu belegen ist, so 
lange anderweit noch disponibler Raum für die zu kasernirenden Mannschaften 
vorhanden ist. 

ö) Die Einrichtung gemeinsamer Revierkrankenstuben für grossere Verbände als 
ein Infanterie -Bataillon bezw. ein Cavallerie-Regiment wird sich in der Regel 
nicht empfehlen. Doch erscheint es zweckmässig, bei geschlossenen Kasernen 
für zwei Bataillone die beiden Revierkrankenstuben nebeneinander zu legen 
und durch eine Thür zu verbinden, um die Beaufsichtigung durch einen 
Lazaretbgehfilfen zu ermöglichen. 

In geschlossenen Kasemements für 3 Bataillone Hesse sich dieselbe Maassregel 
durchfuhren, wenn zwei nebeneinander liegende Revierkrankenstuben — jede 
für sechs Compagnien, also etwa bis zu 12—13 Mann Krankenbelegungsstärke — 
eingerichtet werden. 

0) Die Revierkrankenstnben sollen eine für die regelmässige Lufteraeuernng 
günstige Lage haben. 

Zur Förderung der Ventilation und Erhaltung einer möglichst staubfreien 
Luft sind Fenster und Thüren mit besonderen Vorrichtungen in Form von 
stellbaren Kippfenstern an Stelle einer oberen Scheibe, und mit Schieber- 
Schlitzöffnungen in den unteren Thürfülhmgen zu versehen. Bei Kasernen- 
Nenbauten würde als zweckmassige Einrichtung hinzutreten können die Anlage 
eines Ventilationsschlotes neben der Esse. Die Fassböden erhalten Oelanstricfa. 
7) Die Ausstattung der Zimmer ist im Allgemeinen die kasemementsmässige. 
Hinzu treten: 

a. graue Fensterrouleanx, 

b. Trinkgläser, für jeden Mann eins, 

c. Nachtgeschirre von Fayence mit Deckel, für jeden Mann eins, 

d. Speigläser für die Hälfte der Belegungsziffer, 

e. ein verschliessbarer Schrank mit mehreren Fächern zur Aufbewahrung 
der Krankenlisten, der Utensilien und Medicatoentc für den Revierdienst, 

f. Waschbecken, für jeden Mann eins, ausserdem eins für den revierdiensfc- 
«buenden Arzt, 

g. an Handtüchern für den ärztlichen Dienstbetrieb 
2 für den revierdienstthuenden Arzt, 

2 für den Lazarethgehülfen, 

h. 1 Fussbadewanne, 

i. 1 Stubenthermometer, 

k. 1 Eimer von emaillirtem Eisenblech zum Gebrauch für den Fall, dass als 
Verbandwasser Sublimatlösungen Verwendung finden, 


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L an chirurgischen Utensilien: 

1 Irrigator, 

1 Eiterbecken, 

1 Thermometer zum Messen der Körperwärme. 

Zn e bleibt die Mittheilung einer Zeichnung und Beschreibung des zu ge¬ 
währenden Schrankes Vorbehalten. 

8) Die zur Aufnahme in die Revierkrankenstuben bestimmten, kasernirten 
Mannschaften bringen das Bettzeug der verlassenen Lagerstelle, sowie die 
Handtücher mit. Bei vollständig kasernirten Truppentheilen sind deshalb die 
Bettstellen in den Revierkrankenstuben nur mit gefüllten Strohsäcken zu 
versehen. 

9) Den Kranken sind ausser den zum Anzug erforderlichen Bekleidungsstücken 
Waffen, Montirungs- und Ausrüstungsstücke bei der Aufnahme in die Revier¬ 
krankenstuben nicht mitzugeben. 

10) Der ärztliche Dienst auf den Revierkrankenstuben ist als Theil des Revier¬ 
dienstes von dem mit letzterem beauftragten Militärarzt zu versehen. Demselben 
liegen zugleich die Anordnungen für eine gesundheitsgemässe Unterkunft der 
Kranken und die Controle über die Erhaltung salubrer Verhältnisse ob. 

Die Abhaltung des täglichen Revierkrankendienstes findet in der Regel 
nicht auf den Revierkrankenstuben statt. Die Vornahme einzelner, besondere 
Sorgfalt erheischender Untersuchungen auf denselben ist hierdurch nicht aus¬ 
geschlossen. 

11) Auf jeder Revierkrankenstube ist ein Lazarethgehülfe als Stubenältester 
kasernementsmässig unterzubringen. 

Derselbe ist für die Aufrecbterbaltung der Ordnung Und Sauberkeit auf 
dem Zimmer, sowie für die Ausführung der ärztlichen Anordnungen ver¬ 
antwortlich. 

Für Fälle etwaiger Abwesenheit des Lazarethgehülfen ist die stete Beauf¬ 
sichtigung der Kranken durch Einrichtung eines Lazarethgehülfen-du jour- 
Dienstes — soweit dies die allgemeinen Dienst- und Personalverhältnisse 
gestatten — za sichern. 

. 12) Zur Reinhaltung der Revierkrankenstuben und der Utensilien dürfen nach Be¬ 
stimmung des dienstthuenden Arztes Leichtkranke — auch solche, welche nicht 
auf diesen Stuben untergebracht sind — herangezogen werden. 


Berlin, den 17. December 1885. 

Auf den Bericht der Königlichen Intendantur vom 11. d. Mts. erklärt sich die 
Abtheilung damit einverstanden, dass bei den zur vorläufigen Aufnahme von Geistes¬ 
kranken bestimmten Zimmern der Garnison-Lazarethe, und zwar auch bei denjenigen, 
welche mit dem im §. 23 der Grundsätze für Lazareth-Neubauten vorgesehenen 
Lattenverschlage versehen sind, in den Thüren Vorrichtungen zur unbemerkten 
Beobachtung der Kranken (kleine Fensterchen) angebracht werden. Auch findet sich 
gegen die Herstellung der in dem genannten Paragraphen bezeichneten Schutzvor¬ 
richtungen in den betreffenden Zimmern der grösseren Lazarethe, soweit jene noch 
nicht vorhanden sind, nichts zu erinnern. 

In kleineren Lazarethen wird die Einrichtung von solchen besonderen Zimmern 
in der Regel zu vermeiden und Anordnung zu treffen sein, dass die Kranken in den 


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bezüglichen nur selten vorkommenden Fällen möglichst gleich nach einem grösseren 
mit den betreffenden Vorkehrungen versehenen Lazareth übergeführt werden 

Kriegsministerium; Militür-Medicinal-Abtheilung. 

I. V. 

ger. v. Coler. Grossheiiu. 

No. 794. 12. 85. M. M. A. 

Berlin, den 31. December 1885. 

Durch den Erlass des Königlichen Militär-Oeconomie-Departements vom 
6. Juni 1882 — No. 1013/4. 82. M. 0. D. 4. — war die Königliche Intendantur 
hinsichtlich des Zustandes der „bei militärfiscalischen Etablissements* vorhandenen 
Senk- bezw. Sickergruben zu Erhebungen „im dortseitigen Geschäftabezirk“ ver¬ 
anlasst worden. 

Dieser Erlass ist von einer Seite als nur auf den Geschäftsbereich des genannten 
Departements bezüglich angesehen, und den Lazarethen nicht mitgetheilt worden, so 
dass infolge dessen diese zum Theile die nöthige Aufmerksamkeit auf das etwaige 
Vorhandensein von schädlichen Gruben nicht verwendet haben. 

Für den Fall, dass Aehnliehes auch im dortigen Geschäftsbezirk stattgefunden 
haben sollte, wird der Königlichen Intendantur die nachträgliche weitere Veranlassung 
ergebenst anheimgestellt. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 
v. Lauer. v. Coler. 

No. 1213/12. M. M. A. _ 

Berlin, den 6. Januar 1886. 

Euer Hochwohl geboren erwidert die Unterzeichnete Abtheilung anf das gefällige 
Schreiben vom 15. v. Mts. (J.-No. 4060) — die Einsendung der Berichte über die 
Erfolge der Zeltbehandlung gemäss der Verfügung vom 6. Juli pr. -— J.-No. 680/7. 
M. M. A. betreffend — etgebenst, dass die fragliche Berichterstattung am zweck- 
mässigsten nach Schluss der Belegungsperiode erfolgt. Es wird indessen für aus¬ 
reichend erachtet, wenn zunächst nur die erstmalige Belegung eingehend behandelt 
wird, für die Zukunft dagegen besondere Berichte nur insoweit erstattet werden, als 
nach dortseitiger Ansicht wichtigere Wahrnehmungen znr Sprache zo bringen sind. 

Die in der Instruction für die Militärärzte zur Ausführung der ärztlichen Rapport- 
und Berichterstattung unter HI. C. 3. getroffene Bestimmung wird dadurch nicht 
geändert. 

Kriegsministerium: Militär-Medicinal-Abtheilung. 
v. Lauer. v. Coler. 

No. 1065/12. M. M. A. 

Berlin, den 7. Januar 1886. 

Die Abtheilung hat aus den s. p. r. beigefügten Jouraalblättern über den an 
Lungentaberculose verstorbenen Musketier St. ersehen, dass derselbe, obwohl bereits 
vor Antritt der Badekur das Vorhandensein von Tnberkelbacillen bei ihm constatiit 
und eine Besserung durch Benutzung des Bades offenbar nicht erzielt worden war, 
nach Rückkehr aus letzterem und vor der erneuten Aufnahme in das Lazareth 
14 Tage lang im Revier behandelt worden ist ln der Annahme, dass derselbe 
während dieser Zeit in der Kaserne bezw. im Quartier mit anderen Mannschaften 


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zusammengelegen bat, sieht sich die Abtheilung za dem Ersuchen veranlasst, die 
unterstellten Militärärzte auf die Unzulässigkeit eines derartigen Verfahrens hinweisen 
za wollen. 

Die diesseitige Verfügung vom 31. August 1882 — No. 230. 4. 82. M. M. A. — 
bezweckt, die in den Anfangsstadien chronischer, speciell tuberculöser Lungenleiden 
befindlichen Mannschaften nicht nur im Interesse ihrer selbst, sondern auch im 
Interesse der anderen Mannschaften möglichst bald dem Truppendienste zu entziehen. 
Diesem Zwecke entspricht es, dass Mannschaften, bei denen die tuberculöse Natur 
eines Lungenleidens festgestellt ist, sofort und dauernd, so lange sie der Trqppe 
noch angehören, durch Aufnahme in das Lazareth ausser Gemeinschaft mit den 
anderen Mannschaften des Truppentheils gesetzt werden. Dass auch im Lazareth 
eine entsprechende Absonderung derartiger Kranker geboten ist, würde mit Bezug 
auf pass. 5 genannter Verfügung in Erinnerung zu bringen sein. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abftheilung. 
v. Lauer. v. Coler. 

No. 1514. 12. 85. M. M. A. 

Berlin, den 17. Januar 1886. 

Der Königlichen Intendantur erwidert die Unterzeichnete Abtheilung auf den 
Bericht vom 26. November v. Js. — No. 1691. 11. — bei Rücksendung der Anlagen 
desselben ergebenst, dass die Beschaffung eines Kokoslaüfers von 25 Meter Länge 
zur Belegung des Corridors vor den mit Kranken belegten Stuben im Garnison- 
Lazareth zu Lötzen ausnahmsweise nachträglich genehmigt wird. 

Gleichzeitig wird die Königliche Intendantur ermächtigt, für die Folge auf die 
etwa dort eingehenden Anträge von Lazareth-Verwaltungen wegen Beschaffung von 
Kokoslaüfern zur Belegung der Corridore nach Anhörung des Corps-Generalarztes 
unter Berücksichtigung nachfolgender Punkte selbstständig Entscheidung zu treffen: 

1) Wo sich der Verkehr auf den Corridoren vermöge disciplinarer etc. Maass¬ 
nahmen ohnehin in geräuschloser Weise vollzieht, bedarf es einer Belegung derselben 
mit Kokoslaüfern überhaupt nicht. 

2) In solchen Lazarethen, wo disciplinare etc. Anordnungen zur Dämpfung des 
Schalles auf den Corridoren nicht ausreichen, ist eine Belegung mit Kokosläufem in 
Berücksichtigung der localen Verhältnisse nur insoweit nachzugeben, als es sich um 
Corridortheile handelt, welche sich vor den mit Schwerkranken belegten Stuben 
befinden. 

3) Für die zur Verwendung gelangenden Kokosläufer ist in der Regel eine 
Breite von 66 cm als ausreichend zu erachten. 

4) Die in jedem Falle auf das Billigste zu bedingenden Beschaffungskosten 
sind — sofern es sich nicht um Beschaffung für Rechnung eines Neubaufbnds 
handelt — aus dem Utensilienkosten-Fonds der Königlichen Intendantur zu bestreiten. 
Die Inanspruchnahme ausserordentlicher Zuschüsse zu dem dortseitigen Dispositions- 
Fonds für den gedachten Zweck ist zu vermeiden. 

5) Der Erlass vom 12. März 1866 — No. 493. 1. 66. M. O. D. 4. — betreffend 
die Beschaffung von Kokosdecken zum Zweck der Fassreinigung — erleidet durch 
das Vorstehende keine Aenderung. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung, 
gez. v. Lauer. Zehr. 

No. 269. 12. M. M. A. 


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Personal-Veränderungen im Sanitats - Corps. 

Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen. 

Befördert werden: Der Ober-Stabsarzt 2. CI. Dr. Zimmermann, Garnison¬ 
arzt in Metz, zum Ober-Stabsarzt 1 . CI., — die Assistenzärzte 1 . CI. der 
Rese rve: Dr. Wolff vom 2. Bat. (Mühlhausen i/Th.) 1. Thüring. Landw.-Regts. No. 31, 

— Dr. Klee und Dr. Boer vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, —Dr. Rühl- 
mann vom 2. Bat. (Sondershausen) 3. Thüring. Landw.-Regts. No. 71, —Dr. Stach 
v. Goltzheim vom 2. Bat. (Saarburg) Lothring. Landw.-Regts.No. 128, — Dr. Ritter 
vom 1. Bat. (Ruppin) 8. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 64, —Dr Benthaus vom 
2. Bat (Paderborn) 6. Westf. Landw.-Regts. No. 55, — und Dr. Reich vom Res.- 
Landw.-Regts.(l.Breslau)No.38,—zuStabsärzten der Reserve;—die Assistenz¬ 
ärzte 1. CI. der Landwehr: Dr.Klein vom Res.-Landw.-Regt.(Cöln) No. 40,— 
Dr. Simon vom 2. Bat (Wohlan) 1. Schles. Landw.-Regts. No. 10, — Dr. Roth 
und Dr. Zetzsche vom 2. Bat. (Gera) 7. Thüring. Landw.-Regts. No. 96, — 
Dr. Klingholz vom 1. Bat. (Essen) 8. Westfäl. Landw.-Regts. No. 57, — Dr. Hensgen 
vom 2. Bat. (Deutz) 6. Rhein. Landw.-Regts. No. 68, — Dr. v. Zuchowski 
vom 1. Bat. (Neutomischel) 3. Posen. Landw.-Regts. No. 58, — Dr. Barten, 
Dr. Be um er und Dr. Schmidt vom 1. Bat (Anklam) 1. Pommer. Landw.-Regts« 
No. 2, — Dr. Witte vom 2. Bat. (Stralsund) 1. Pommer. Landw.-Regts. No. 2,— 
Dr. Gerhartz vom 2. Bat. (Bonn) 2. Rhein. Landw.-Regts. No. 28,-— Dr. Schauss 
und Dr. Krebs vom 2. Bat. (Deutsch-Crone) 4. Pommer. Landw.-Regts. No. 21,— 
Dr. Rose vom 2. Bat. (Iserlohn) 7. Westfäl. Landw.-Regts. No. 56, — Dr. Erdner 
von* 2. Bat. (Samter) 1. Posen. Landw.-Regts. No. 18, — Dr. Hoppe vom Res.- 
Landw.-Bat. (Stettin) No. 34, — Dr. Schoetz vom Res.-Landw.-Regt (1. Berlin) 
No. 35, — Dr. Witkowski vom Unter-Elsässischen Res.-Landw.-Bat (Strassburg) 
No. 98, — Dr. Nesemann vom 2. Bat (Cüstrin) 1. Brandenburg. Landw.-Regts. 
No. 8, — Custodis vom 2. Bat. (Andernach) 7. Rhein. Landw.-Regts. No. 69, — 
Dr. Michaeli vom 1. Bat. (Crossen) 2. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 12, — 
Dr. Staub vom 1. Bat. (St Wendel) 4. Rhein. Landw.-Regts. No. 30, — Dr. Bernard 
vom 2. Bat. (Ratibor) 1. Oberschles. Landw.-Regts. No. 22, — Dr. Glogowski vom 
2. Bat. (Ostrowo) 4. Posen. Landw.-Regts. No. 59, — Dr. Fahrenhorst vom 
2. Bat (Gräfratb) 8. Westfäl. Landw.-Regts. No. 57, — und Dr. Kugler vom 
1. Bat (Donaueschingen) 6. Bad. Landw.-Regts. No. 114, — zu Stabsärzten der 
Lapdwehr; — die Assistenzärzte 2. CI. der Reserve: Dr. v. Wilm vom 
1. Bat. (Hildesheim) 3. Hannover. Landw.-Regts. No. 79, — Dr. Melchert vom 
1. Bat. (Schwerin) 1. Grossherzogi. Mecklenburg. Landw.-Regts. No.89. — Dr. Naber¬ 
schulte vom 1. Bat (Bochum) 7. Westfäl. Landw.-Regts. No. 56, — Dr. Koepe 
und Dr. Hellmann vom 1. Bat. (Soest) 3. Westfäl. Landw.-Regts. No. 16, — 
Dr. Meurer vom 2. Bat (Düsseldorf) 4. Westfäl. Landw.-Regts. No. 17, — 
Dr. Fischer vom Res.-Landw.-Bat. (Königsberg) No. 33, — Martell vom Res.- 
Landw.-Regt. (1. Breslau) No. 38, — Dr. Steffann und Dr. Marr vom 1. Bat. 
(Hamburg) 2. Hanseat. Landw.-Regts. No. 76, — Dr. Schütze vom 1. Bat (Lötzen) 
6. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 43, —r Dr. E ichholz vom 1. Bai. (Weimar) 5. Thüring. 
Landw.-Regts. No. 94, — Dr. Witthauer vom 2. Bat (Eisenach) 6. Thüring. 
Landw.-Regts. No. 94, — Dr. Volbehr vom 2. Bat (Rendsburg) Holstein. 
Landw.-Regts. No. 85, — Dr. Siemerling und Dr. Saalfeld vom Res.-Landw.- 
Regt (1. Berlin) No. 35, — Dr. Schütz vom 2. Bat (Saarlouis) 4. Rhein. Landw. 
Regts. No. 30, — Dr. Heimann vom 2. Bat. (Offenburg) 4. Bad. Landw.-Regts. 
No. 112, — und Wagner vom 1. Bat. (Freiburg) 5. Bad. Landw.-Regts. No. 113, 

— zu Assistenzärzten 1. CI. der Reserve; —die Assistenzärzte 2. CI. der 
Landwehr: Dr. Rumler vom 2. Bat (Rostock) 2. Grossherzogi. Mecklenburg. Landw.- 
Regts. No. 90, — Seidel vom Ober-Elsässischen Res.-Landw.-Bat. (Mülhausen i/E.) 
No. 99, — Dr. Asch vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, — Dr. Thier¬ 
felder vom Unter-Elsässischen Res.-Landw.-Bat (Strassbnrg) No. 98, — und 
Dr. v. Glan vom 1. Bat (Aurich) Ostfries. Landw.-Regts. No. 78, — zu 
Assistenzärzten!. CI. der Landwehr;— der Assistenzarzt 2.. CI. der Marine- 


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17 


Re«. Dr. Doehle vom 1. Bat. (Kiel) Holstein. Landw.-Regts. No. 85 zum Assistenz¬ 
arzt 1. CL der Marine-Reserve;—der Assistenzarzt 2. CI. der Seewehr 
Dr. Reh der vom Res.-Landw.-Bat (Altona) No. 86 zum Assistenzarzt 1. CI. der 
Seewehr; — die Unterärzte der Reserve: Buchholz vom Res.-Landw.-Bat. 
(Königsberg) No. 33, — Dr. Laffert vom 1. Bat (Gotha) 6. Thüring. Landw.- 
Regts. No. 95, — Weinert vom 2. Bat. (Muskau) 1. Westpreuss. Landw.-Regts No. 6, 
— Dr. Polzin vom 1. Bat. (Anclam) 1. Pommer. Landw.-Regts. No. 2, — 
Dr. Stemann und Dr. Schaeffer vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, — 
Dr. Sepp vom Res.-Landw.-Bat (Magdeburg) No. 36, — Dr. Hesselbach, 
Heidenhain und Dr. Wachsmutb vom 2. Bat. (Halle) 2. Magdeburg. Landw.-Regts. 
No. 27, — Dr. Haug vom 2. Bat. (Burg) 1. Magdeburg. Landw.-Regts. No. 26, — 
Dr. Sohaefer vom 2. Bat (Sondershausen) 3. Thüring. Landw.-Regts. No. 71, — 
Dr. Drobnik vom 2. Bat (Schrimm) 2. Posen. Landw.-Regts. No. 19, — 
Dr. Knauer vom 2. Bat (Oels) 3. Niederschles. Landw.-Regts. No. 50, — 
Dr. Meridies vom 2. Bat. (Oppeln) 4. Oberschles. Landw.-Regts. No. 63,— Schlief 
vom 1. Bat (Neutomischel) 3. Posen. Landw.-Regts. No. 58, — Dr. Heptner 
vom 1. Bat. (Gleiwitz)3. Oberschles. Landw.-Regts. No. 62, — Dr. Schmitz und 
Dr. Neglein vom Res.-Landw.-Regt (Coeln) No. 40, — Dr. Bissmeyer vom 
2. Bat (Bonn) 2. Rhein. Landw.-Regts- No. 28, — Dr. Giesler vom 1. Bat. 
(Kiel) Holstein. Landw.-Regts. No. 85, — Dr. Oettinger vom 1. Bat (Hamburg) 
2. Hanseat. Landw.-Regts. No. 76, — Dr. Deneke vom 2. Bat. (Celle) 2. Hannover. 
Dandw.-Regts. No. 77, —• Dr. Müller, Dr. Burkhardt und Ackermann vom 
1. Bat (Weimar) 5.Thüring. Landw.-Regts. No. 94,—Dr. Gress vom 1. Bat (Freiburg) 
5. Bad. Landw.-Regts. No. 113 — und Eyles vom Unter-Elsäss. Res.-Landw.-Bat 
(Strassburg)No. 98,— zu Assistenzärzten 2. Cl.der Reserve; sowie der Unter¬ 
arzt der Marine-Res. Dr. Trainer vom 1. Bat (Kiel) Holstein. Landw.-Regts. No. 85 
zum Assistenzarzt 2. CI. der Marine-Reserve. — Versetzt werden: 
Der Stabs- und Bats.-Arzt Dr. Schweiger vom Füs.-Bat. 3. Ostpreuss. Gren,- 
Regts. No. 4 zum Füs.-Bat 5. Ostpreuss. Inf.-Regts. No. 41; — die Assistenzärzte 
1. CI. Dr. Pusch vom Brandenburg. Train-Bat. No. 3 in die etatsmässige Stelle 
bei dem General- und Corpsarzt des 3. Armee-Corps, — und Dr. Korsch vom 
Ostpreuss. Kür.-Regt No. 3 (Graf Wrangel) in die etatsmässige Stelle bei dem 
General- und CorpsarZt des 1. Armee-Corps; — sowie die Assistenzärzte 2. CI. 
Dr. Grawitz vom Oberschles. Feld-Art Regt. No. 21 zum 2- Garde-Regt z. F.,— 
Dr. Friedemann vom Fuss-Art-Regt. No. 11 zum Pommer. Füs.-Regt No. 34, — 
Dr. Wegelj vom Pommer. Füs.-Regt. No. 34 zum Fuss-Art-Regt. No. 11 — und 
Dr. Müller vom Schleswig. Inf.-Regt No. 84 zum Litthau. Ulanen-Regt. No. 12. — 
Der Abschied wird bewilligt: DenStabsärzten der Landwehr: Dr. Riess und 
Dr. Benicke vom Res.-Landw.-Regt (1. Berlin) No. 35, dem Dr. Riess mit der 
Erlaubnis« zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vor- 
gescbriebenen Abzeichen, — Dr. Seiler vom 1. Bat (Rawitsch) 4. Posen. Landw.- 
Regts. No. 59, — Dr. A Ibers vom 2. Bat (Beuthen) 2. Oberschles. Landw.-Regts. 
No. 23, — Dr. Finger vom 2. Bat (Saarlouis) 4. Rhein. Landw.-Regts. No. 30,— 
Dr. Ente neuer vom 1. Bat (Neuwied) 3. Rhein. Landw.-Regts. No. 29 — und 
Dr. Wrede vom Res.-Landw.-Regt (Cöln) No. 40, — sowie den Assistenzärzten 
1 . CI. der Landwehr Dr. Schröter vom 1 . Bat (Danzig) 8. Ostpreuss. Landw.- 
Regts, No. 45, — Dr. Dormann vom 2. Bat (Düsseldorf) 4. Westfal. Landw.- 
Regts. No. 17, — Dr. Köhler vom 2. Bat (Weilburg) 2. Nassau. Landw.-Regts. 
No. 88 — und Dr. Esch vom 1. Bat (Kirn) 7. Rhein. Landw.-Regts. No. 69. 

Berlin, den 26. Januar 1886. 


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Nachweisung der bei dem Sanitäts-Corps pro Monat December 1885 
eingetretenen Veränderungen. 

Durch Verfügung des Kriegsministerinms. 

Den 15. December 1885. 

Dr. Koch, Assist.-Arzt 2. CI. vom 1. Schles. Gren.-Regt No. 10, 

Wefers, Assist.-Arzt 2. CI. vom 8. Po mm. Inf.-Begt. No. 61, — beide vom 
1. Januar 1886 ab zur Dienstleistung bei der Kaiserlichen Marine commandirt. 


Veränderungen im Königlich Bayerischen Sanitäts-Corps. 

Den 17. December 1885. 

Dr. Säubert (Gunzenhausen), Dr. Weiss (Nürnberg), Assist.-Aerzte 1. CI. des 
Beurlaubtenstandes, 4er Abschied ertheilt. 

Dr. An ge rer, Assist.-Arzt 1. CI. des Beurlaubtenstandes und ausserordentlicher 
Professor der Medicin an der Universität München, unter Beförderung zum 
Ober-Stabsarzt 2. CI. und unter Stellung ä la suite des Sanitätscorps, die Function 
eines Docenten der chirurgischen Fächer am Operationscurs für Militärärzte 
übertragen. 

Den 29. December 1885. 

Dr. Hauer, Ober-Stabsart 2. CI. des 10. Inl-Regts. Prinz Ludwig, mit Pension, — 
Dr. Reichel, Ober-Stabsarzt 2. CI. des 14. Inf.-Regte. Herzog Carl Theodor, 
mit Pension, — zur Disposition gestellt. 

Dr. Moser, Stabsarzt vom 13. Inf.-Regt. Kaiser Franz Joseph von Oesterreich, zum 
10. Inf.-Regt. Prinz Ludwig versetzt. 

Dr. Maas, Generalarzt 2. CI., zum Generalarzt 1. CI. a la suite des Sanitätscorps, — 

Dr. Fischer, Assist.-Arzt 1. CI. vom 9. Inl-Regt Wrede, im 10. InL-Regt. Prinz 
Ludwig, — Dr. Schilffarth, Assist-Arzt 1. CI. vom 1. Chev.-Regt Kaiser 
Alexander von Russland, im 14. Inl-Regt. Herzog Carl Theodor, — zu Stabs¬ 
ärzten, 

Dr. Liegl (Rosenheim), — Dr. Beetz (München 1), — Dr. Flesch (Kempten), 
— Dr. Winter (Augsburg), — Dr. Hausmann (Hof), — Dr. Leineweber, 
— Dr. Dietz (Kissingen), — Dr. Dültgen (Aschafienburg), — Dr. Hen- 
drichs, — Dr. Vossschulte (Kaiserslautern), Assist-Aerzte 1. CL des 
Beurlaubtenstandes, — zu Stabsärzten des Beurlaubtenstandes, 

Dr. Schröder, Assist.-Arzt 2. CI. im Inf.-Leib-Regt., — Dr. Hofbauer, Assist- 
Arzt 2. CI. im 4. Chev.-Regt-, — zu Assist,-Aerzten 1. CI., 

Dr. Mayr, — Dr. Sartorius (Rosenheim), — Dr. Völk (München I), — Dr. Kolb- 
mann (Gunzenhausen), — Dr. Enzensperger (Straubing), — Dr. Beutner 
(Hof), — Dr. Hoffmann (Erlangen), — Dr. Mathias (Kissingen), — Schulte - 
Bockholt (Würzburg), — Dr. Bitsch, — Dr. Klug, — Dr. Langreuter, 
Nickel (Aschaffenburg), — Dr. Flocken (Landau), Assist-Aerzte 2. CI. des 
Beurlaubtenstandes,—zu Assist-Aerzten 1.C1. des Beurlaubtenstandez 
— befördert. 

Dr. Kuby, Ober-Stabsarzt 1. CL ä la suite des Sanitätscorps, — Dr. Ändert, 
Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt im 1. Feld-Art-Regt. Prinz Luitpold, — 
Dr. Wigand, Oberstabsarzt 2. CI. als Regts.-Arzt des 8. Inf.-Regts. Pranckh, — 
ein Patent ihrer Charge verliehen. 

Den 6. Januar 1886. 

Dr. Hof mann (Würzburg), Assist.-Arzt 1. CI. des Beurlaubtenstandes, zum Stabsarzt 
befördert. 

Den 9. Januar 1886. 

Deubner, Assist.-Arzt 2. CI. des Beurlaubtenstandes (Würzburg), der Abschied 
bewilligt« 

Den 11. Januar 1886. 

Dr. Krimke, Assist.-Arzt 2. CL des 4. Inf.-Regts. König Carl von Württemberg, in 
den Beurlaubtenstand des Sanitätscorps versetzt. 


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Dyck, Issmer, Niedermair, Kenner, Sturm, Dr. Schlutins, Dr. Juhl, 
Schlamm, Kieger, Meier (München I), Dr. Seligmann (Regensburg), 
Bosenbäum (Ansbach), Dr. Münchmeyer, Dr. Dietz, Dr. Thomsen (Würz¬ 
burg), Dr. Creutz (Kaiserslautern), Dr. Fei beimann (Speyer),— Unterärzte 
d. Res., — zu Assist-Aerzten 2. CI. des Beurlaubtenstandes befördert. 


Veränderungen im Königlich Sächsischen Sanitäts-Corps. 

Allerhöchster Beschluss vom 17. Januar 1886. 

Dr. Krebs, Assist.-Arzt 1. CI. im Garde-Reiter-Regt., znm Stabs- und Abtheilungs¬ 
arzt im 1. Feld-Art.-Regt. Ko. 12 (Garnison Riesa), 

Dr. Rau, Assist-Arzt 1. CI. der Res. des Res.-Landw.-Bats. (Dresden) No. 108, und 
Dr. Polenz, Assist-Arzt 1. CI. der Res. des 2. Bats. (Meissen) 4. Landw.-Regts. 
No. 103, — zu Stabsärzten der Reserve; 

Dr. Meyer, Assist-Arzt 2. CI. im Fass-Art-Regt No. 12, nnd Dr. Wilke, Assist- 
Arzt 2. CI. im 4. Inf.-Regt. No. 103, letzterer unter Belassnng in seinem Com- 
mando zur Sanitätsdirection, — zu Assist-Aerzten 1. CI.; 

Kertscher, Assist-Arzt 2. CI. der Landw. des 2. Bats. (Zittau), 3. Landw.-Regts. 

No. 102, zum Assist-Arzt 1. CL der Landwehr, 

Dr. Fichtner. Unterarzt im 1. (Leib-) Gren.-Regt No. 100, zum Assist-Arzt 2. CI., 
Macke, Unterarzt der Res. des 1. Bats. (Leipzig), 7. Landw.-Regts. No. 106 und 
Dr. Barth, Unterarzt der Res. des 1. Bats. (Chemnitz), 2. Landw.-Regts. No. 101, 
— zu Assist.-Aerzten 2. CI. der Res. — befördert. 

Dr. Lübbert, Assist-Arzt 2. CI. ä la suite des Sanitätscorps, der Charakter eines 
Assist-Arztes 1. CI. verliehen. 

Dr. Arland, Stabs- und Abtheilungsarzt im 1. Feld-Art.-Regt. No. 12, zum Fuss- 
Art-Regt. No. 12 versetzt 


Veränderungen im Königlich Württembergischen Sanitäts-Corps. 

Den 8. Januar 1886. 

Andrassy, Unterarzt der Res. im 2. Bat. (Reutlingen) 1. Landw.-Regts. No. 119, 
zum Assist-Arzt 2. CI. der Res. ernannt. 


Veränderungen im Herzoglich Braunschweigischen Sanitäts-Corps. 

Den 1. Januar 1886. , 

Dr. Clemens, Stabsarzt der Landw. des 2. Bats. (Braunschweig II), Herzogi. Landw.- 
Regts. No. 92, der erbetene Abschied bewilligt 


Orden und Auszeichnungen. 

Rothen Adler-Orden 3. CI. mit Schleife nnd Schwertern am Ringe: 

Dem Ober-Stabsarzt 1. CI. nnd Regts.-Am des 2. Garde-Ulan.-Regts. Dr. Wolff. 

Rothen Adler-Orden 4. CL: 

Dem Ober-Stabsarzt 1. CL und Regts.-Arzt Dr. Ax, vom 8. Westfäl. Inf.-Regt 
No. 57. — Dem Ober-Stabsarzt 2. Cl. der Landw. Dr. Simon, vom 1. Bat 
(Landsberg) 5. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 48. — Dem Ober-Stabsant 
2. Cl. nnd Regts.-Arzt Dr. Wieblitz, vom 5. Pomm. Inf.-Regt. No. 42. — 
Dem Ober-Stabsarzt 2. CL nnd Regts.-Arzt Dr. Aefner, vom Ostpreuss. 
Ulait-Regt No. 8. — Dem Ober-Stabsarzt 2. CL and Regts.-Arzt Dr. Schaefer, 
vom Grossherzogl. Hess. Feld-Art-Regt No. 25. — Dem Ober-Stabsarzt 2. Cl. 
nnd Regts.-Arzt Dr. Böhme, vom 2. Hanseat. Inf. - Regt No. 76. — Dem 
Stabs- und Bats.-Arzt Dr. Reischauer, vom 5. Thüring. Inf.-Regt No. 94. — 
Dem Marine-Stabsarzt Dr. Kleffel. 

Kronen-Orden 2. CL: 

Dem Generalarzt 1. Cl. der Marine Dr. Wenzel. 


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Kronen-Orden 3. CL mit Schwertern am Ringe: 

Dem Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt Dr. Wevdener, vom Brandenburg. 
Cürass.-Regt. No. 6. — Dem Ober-Stabsarzt 1.C1. und Regts.-Arzt Dr. Bor et ins , 
vom Westpreuss. Feld-Art.-Regt. No. 16. 

Kronen-Orden 3. CI.: 

Dem Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt Dr. Fraentzel, vom 2. Garde- 
Feld-Art.-Regt. — Dem Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt Dr. Kapesser, 
vom Hess. Drag.-Regt. No. 23. — Dem Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt 
Dr. Düsterberg, vom 1. Hannov. Feld-Art.-Begt No. 10. — Dem Ober- 
Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt Dr. Wüstefeld, vom 2. Hannov. Ulan.- 
Regt. No. 14. — Dem Ober-Stabsarzt 1. CI. und Gamisonarzt in Berlin 
Dr. Grasnick. 

Kronen-Orden 4. CI.: 

Dem Unterarzt Koch bei der UnterofL-Schale in Weissenfels. 

Ritterkreuz 1. CI. des Königl. Württemberg. Friedrich-Ordens: 

Dem Stabsarzt Dr. Hirsch im Grossherzogi. Hess. Feld-Art-Regt. No. 25. 

Ritterkreuz 1. CI. des Verdienst-Ordens vom heiligen Michael: 

Dem Ober-Stabsarzt 1. CI. Dr. Buchetmann, Referent im Kriegsministerium. 


Familiennachrichten. 

Verlobungen: Dr. Niebergall, Stabsarzt bei dem medicin.-Chirurg. Friedrich- 
Wilhelms-lnstitut, mit Frl. Elisabeth Heise (Berlin). — Dr. Bussenius, 
Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt vom 4. Thüring. Inf.-Regt. No. 72, mit 
Frl. Elise Götting. 

Geburten (Sohn): Dr. Sussdorf, Stabsarzt (Dresden), 

Todesfälle: Braun, Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt des 6. Bad. Inf.-Regts. 
No. 114. — Dr. Flügge, Ober-Stabsarzt 1. CL im 1. Hannov. Landw.-Regt. 
No. 74 (Osnabrück;. — Dr. Wilckens, Marine-Stabsarzt an Bord S. M. Kreuzer- 
corvette „Marie“ (Mittelmeer). — Dr. Dominick, Ober-Stabsarzt a. D. 


Gedruckt Id der Könl(licben Uofbucbdrackerei von E. 8 . Mittler und Sohn, Berlin kodutnaee W—7<xf 


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Amtliches Beiblatt 

zur 

Deutschen militärärztlichen Zeitschrift 

1886. — Fünfzehnter Jahrgang. — M 3. 


Berlin, den 4. Februar 1886. 

Es wird zur Förderung der .Reinlichkeit und zur Schonung des Anstriches etc. 
der Waschtische in den Krankenstuben für nothwendig erachtet, dass zur Benutzung 
▼on Seiten der Kranken Seifnapfe beschafft und unterhalten werden. Für den ge¬ 
dachten Zweck genügen Seifnäpfe aus Fayence ohne Rost, jedoch mit geripptem 
Boden, welche nach den im Verwaltungs-Bezirk der Intendantur des 3. Armee-Corps 
gemachten Erfahrungen für den Preis von 11 bis 15 Pf. pro Stück haben beschafft 
werden können. Die Anzahl der zu beschaffenden bezw. zu unterhaltenden derartigen 
Näpfe ist nach der Zahl des Sollbestandes an Waschschüsseln bei den einzelneu 
Lazarethen zu bemessen. 

Der Königlichen Intendantur wird hierdurch die weitere Veranlassung zur Be¬ 
schaffung etc. der vorbezeichneten Seifnäpfe für Rechnung des dortseitigen Utensilien¬ 
kosten-Fonds ergebenst anheimgestellt. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung, 
v. Lauer. v. Coler. 

No. 745. 11. M. M. A. 


Berlin, den 11. Februar 1886. 

Der Erlass des Königlichen Miiitär-Oekonomie-Departeinents vom 31. Dezember 1885, 
No. 171/11. 85. M. O. D- 4, in Betreff der periodischen Einsendung von Bau-Rapporten 
findet auch auf das diesseitige Ressort mit der Maassgabe Anwendung, 

1) dass zu 3 des Erlasses die einzelnen Bauten nicht nur bis zur Fertigstellung bezw. 
Belegung, sondern mit Rücksicht auf die besondern Verhältnisse bei den 
Lazarethbauten wie bisher bis zum Abschlüsse der betreffenden Baufonds und 
Rechnungs-Dechargirung fortzufübren sind, 

2) dass den am 1. April einzusendenden Bau-Rapporten nach Maassgabe der Ver¬ 
fügung vom 2. Januar 1882, No. 981/10. M. O. D. 4, ein zweites Exemplar bezw. 
ein Auszug beizufugen ist, in welchem letztem die bereits in Benutzung ge¬ 
nommenen Bauten fortgelassen werden können. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung, 
gez. v. Lauer. Grossheim. 

No. 1418. 12. M. M. A. __ 

Berlin, den 17. Februar 1886. 

Des Herrn Kriegsministers Excelleuz haben im Einverständnis mit Seiner 
Excellenz dem Herrn Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegen- 
heiten in besonderer Fürsorge für die von den Sanitäts - Offizieren erstrebte Fort¬ 
bildung, unter Bereitstellung der erforderlichen Mittel die Abhaltung von Uebungen 
in den hygienischen und bacteriologischen Untersuchungs- Methoden bei dem 


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hygienischen Institut der Universität Berlin unter Leitung des Herrn Geh. Medicin&l- 
Raths Koch in Verbindung mit den Fortbildungs-Cursen genehmigt Für die Ober- 
Stabsärzte bleiben die Uebungen zunächst auf Vorträge und Demonstrationen von 
Apparaten, Zeichnungen und dergleichen beschränkt. 

Zu den praktischen Uebungen sind die in den Garnisonlazarethen am Sitz des 
Gcneral-Commandos befindlichen grossen Mikroskope erforderlich. 

Euer Hochwohlgeboren werden daher ergebenst ersucht, gefälligst veranlassen 
zu wollen, dass das dem dortigen Armee-Corps überwiesene grosse Mikroskop, sorg¬ 
fältig verpackt, an das hiesige hygienische Institut der Universität Berlin, Kloster- 
Strasse 36, so zeitig abgesandt werde, dass dasselbe am 6. März d. J. daselbst eingeht, 
um bei dem vom 8. bis 27. März d. J. hier stattfindenden Fortbildungs-Cursus für 
Assistenz-Aerzte Verwendung finden zu können. Nach Beendigung dieses Cursus 
wird dasselbe unverweilt dorthin zurückgesandt werden. 

Dem Königlichen General -Commando wollen Euer Hochwohlgeboren hierüber 
gefälligst Vortrag halten mit dem Bemerken, dass diesseits die Beschaffung und 
Ueberweisung eines zweiten grossen Mikroskops angestrebt werden wird, damit auch 
für die Zeit, wo das eine zu den Cursen benutzt wird, sich ein solches dort befindet. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 
v. Lauer. v. Coler. 

No. 747. 2. M. M. A. 


Personal-Veränderungen im Sanitäts-Corps. 

Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen. 

Befördert werden: Die Oberstabsärzte 1. CI. der Landwehr Dr. Wasaer¬ 
fuhr, und Professor Dr. Schweigger, beide vom Res.-Landw.-Regt (1. Berlin) 
No. 35, zu Generalärzten 2. CI. der Landwehr; — der Oberstabsarzt 2. CI. der 
Landw. Prof. Dr. Trendelenburg vom 2. Bat. (Bonn) 2. Rhein. Landw.-Regts. 
No. 28 zum Oberstabsarzt 1. CI. der Landw.; — der Stabsarzt der Reserve Prof. 
Dr. Kraske vom 1. Bat. (Freiburg) 5. Bad. Landw. - Regts. No. 113 zum Ober¬ 
stabsarzt 2. CI. der Res.; —die Assist-Aerzte 1. CI.: Dr. Weisser vom 2. Nieder- 
schles. Inf.-Regt. No. 47, zum Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. 5. Brandenburg. 
Inf.-Regts. No. 48, — und Dr. Wutzdorff vom Tbüring. Hus.-Regt. No. 12, zum 
Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. 1. Hess. Inf.-Regts. No. 81; — die AssisL-Aerzte 
2. CI. der Res.: Dr. Wischhusen vom 1. Bat. (Halberstadt) 3. Magdeburg. Land¬ 
wehr-Regts. No. 66, — Dr. Görtz vom 1. Bat. (Mainz) 4. GrossherzogL Hess. 
Landw.-Regts. No. 118, — Dr. Stremlow vom 2. Bat. (Cöslin) 2. Po mm. Landw.- 
Regts. No. 9, — Dr. Eppner vom 1. Bat. (Essen) 8. Westfäl. Landw. - Regts. 
No. 57, — Dr. Ludwig vom 1. Bat. (Bartenstein) 5. Ostpreuss. Landw. - Regts. 
No. 41, — Dr. Middeldorpf vom 1. Bat. (Freiburg) 5. Bad. Landw. - Regts. 
No. 113, Dr. Keberlet vom 2. Bat. (Jülich) 5. Rhein. Landw.-Regts. Na 65, — 
Dr. Mayer vom 2. Bat. (Coblenz) 3. Rhein. Landw.-Regts. No. 29, — Dr. Ober¬ 
beck vom 1. Bat. (Hildesheim) 3. Hannov. Landw.-Regts. No. 79, —Dr. Makrocki 
vom 1. Bat. (Potsdam) 3. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 20, — Kraemer und 
Herzog vom 2. Bat. (Offenburg) 4. Bad. Landw.-Regts. No. 112, — Dr. Hasen- 
clever vom 1. Bat. (Aachen) 1. Rhein. Landw.-Regts. No. 25, — Dr. Strube vom 
2. Bat. (Halle) 2. Magdeburg. Landw.-Regts. No. 27, — Dr. Kasprzik vom 
1. Bat. (Danzig) 8. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 45, — Dr. Wo 1 ffberg vom Res.- 
Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, — Dr. Dluhosch vom 1. Bat. (Neustadt) 8. Posaun. 
Landw.-Regts. No. 61, — Becker und Dr. Langner vom 2. Bat. (Liegnitz) 2. West- 
preuss. Landw.-Regts. No. 7, — und Dr. Kuwert vom 1. Bat. (Tilsit) 1. Ostpmeoss. 


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Landw.-Regts. No. 1, — zu Assist-A erzten 1. CI. der Res.; — die Assist.- 
Aerzte 2. CI. der Landw.: Dr. Schi eck vom 1. Bat. (Altenburg) 7. Thüring. Landw.- 
Regts. No. 96, — Dr. Reinhold vom 1. Bat. (Arolsen) 3. Hess. Landw.-Regts. 
No. 83, — Dr. Kloster halfen vom 1. Bat. (Neuss) 6. Rhein. Landw .-Regts. No. 68, 

— und Dr. Schmidt vom Res.-Landw.-Regt (Cöln) No. 40, — zu Assistenz- 
Aerzten 1. CL der Landw.; — die Assist.-Aerzte 2. CI. der Marine-Reserve: 
Henrichsen vom Res. - Landw. - Bat. (Altona) No. 86, — und Dr. Wieck vom 
2. Bat (Rendsburg) Holstein. Landw.-Regts. No. 85, — zu Assist.-Aerzten 1. CI. 
der Marine-Reserve; — die Unterärzte der Res.: Jordan vom Res.-Landw.-Bat 
(Königsberg) No. 33, — Dr. Fuchs vom 2. Bat. (Perleberg) 4. Brandenburg- Land¬ 
wehr-Regts. No. 24, — Dr. Siemon vom 1. Bat. (Potsdam) 3. Brandenburg. 
Landw.-Regts. No. 20, — Dr. Kornblum, Kleinwächter, Dr. Behnke und 
Dr. Weiland vom Res. - Landw. - Regt. (1. Berlin) No. 35, — Dr. Schmidt vom 
2. Bat. (Teltow) 7. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 60, — Dr. Boetticher vom 
1. Bat. (Rappin) 8. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 64, — Dr. Knauf und 
Dr. Pfeifer vom 1. Bat (Weimar) 5* Thüring. Landw.-Regts. No. 94, — Dr. Keil 
vom 2. Bat (Halle) 2. Magdeburg. Landw.-Regts. No. 27, — Dr. Nimsch vom 

1. Bat (Lauban) 2. Niederschles. Landw.-Regts. No. 47, — Dr. Wallentin vom 
Res. - Landw. - Regt. (1. Breslau) No. 38, — Dr. Schubert vom 1. Bat (Glatz) 

2. Schles. Landw.-Regts. No. 11, — Dr. Middelschulte vom 2. Bat. (Dortmund) 

3. Westfäl. Landw.-Regts. No. 16, — Schleid vom 1. Bat. (Hamburg) 2. Hanseat. 
Landw.-Regts. No. 76, — Dr. Weiler vom Res.-Landw.-Bat (Hannover) No. 73, 

— Hiemenz vom 2. Bat (Andernach) 7. Rhein. Landw.-Regts. No. 69, — und 
Ruckert vom 1. Bat. (Marburg) 1. Hess. Landw.-Regts. No. 81, — zu Assist.- 
Aerzten 2. CI- der Res. — Dem Stabsarzt a. D. Dr. Feuerstack, zuletzt Bats.- 
Arzt des 2. Bats. 3. Niederschles. Inf.-Regts. No. 50, wird der Charakter als Ober 
Stabsarzt 2. CI. verliehen. — Versetzt werden: der Stabs- und Bats.-Arzt 
Dr. Heckenbach vom 2. Bat. 5. Brandenburg. Inf.-Regts. No. 48 als Abtheil.-Arzt 
zur 2. Abtheil, des 2. Rhein. Feld-Art.-Regts. No. 23; — die Assist.-Aerzte 1. CL: 
Dr. Dubbert vom Magdeburg. Cür.-Regt No. 7 zum 5. Brandenburg. Inf.-Regt. 
No. 48, — und Dr. Prast vom Schles. Ulan.-Regt. No. 2 zum Invalidenhause zu 
Berlin; — sowie der Assist-Arzt 2. CI. Dr. Passow vom 5. Thüring. Inf.-Regt. 
No. 94 (Grossherzog von Sachsen) zum 6. Thüring. Inf.-Regt. No. 95. — Der Ab¬ 
schied wird bewilligt: dem Stabsarzt der Landw. Dr. Sabo vom 2. Bataillon 
(Cosel) 3. Oberschles. Landw.-Regts. No. 62 mit der gesetzlichen Pension; — dem 
Oberstabsarzt 2. CI. der Landw. Dr. Meulenbergh vom 1. Bat. (Erkelenz) 5. Rhein. 
Landw. - Regts. No. 65 mit der Erlaubnis zum Tragen seiner bisherigen Uniform 
mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen, — dem Stabsarzt der Res. 
Dr- Hoppe vom 1. Bat- (Gleiwitz) 3. Oberschles. Landw.-Regts. No. 62 mit der 
Erlaubnis zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vor¬ 
geschriebenen Abzeichen; — den Stabsärzten der Landw.: Dr. Patzschke vom 
1. Bat. (Weissenfels) 4. Thüring. Landw.-Regts. No. 72, — und Dr. Wronka vom 
1. Bat (Sprottau) 1. Niederschles. Landw.-Regts. No. 46; — sowie den Assist- 
Aerzten 1. CL der Landw.: Dr. Engel vom Res.-Landw.-Regt (1. Berlin) No. 35, 

— und Dr. Bresgen vom Res. - Landw. - Bat. (Frankfurt a. M.) No. 80. — Es 
scheiden aus dem activen Sanitäts-Corps aus: der Assist-Arzt 1. Classe 
Dr. Jacoby vom 1. Magdeburg. InL-Regt. No. 26, unter Uebertritt zu den Sanitäts¬ 
offizieren der Res. des 2. Bats. (Perleberg) 4. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 24, 

— sowie der Assist.-Arzt 2. CL Wolf vom 1. Grossherzogi. Hess. Drag.-Regt 
(Garde-Drag.-Regt.) No. 23, unter Uebertritt zu den Sanitäts-Offizieren der Res: des 
1. Bats. (Darmstadt I.) 1. Grossherzogi. Hess. Landw.-Regts. No. 115. 

Berlin, den 20. Februar 1886. 


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Nachweis ung der bei dem Sanitäts-Corps pro Monat Januar 1886 
eingetretenen Veränderungen. 

I. Durch Verfügung des Kriegsministeriums. 

Den 28. Januar 1886. 

Dr. Rahts, Stabsarzt beim Grenadier-Regiment Kronprinz (1. Ostpreussischen) No. 1 
vom 1. Februar 1886 ab auf die Dauer von sechs Monaten zum Kaiserlichen 
Gesundheitsamte commandirt. 

II. Durch Verfügung des Generalstabsarztes der Armee. 

Den 20. Januar 1886. 

Rougemont, Unterarzt vom Ostpreussischen Füsilier-Regiment No. 33 mit Wahr¬ 
nehmung einer bei diesem Regiment vacanten Assistenzarztstelle beauftragt. 


Veränderungen im Königlich Bayerischen Sanitäts-Corps. 

Den 8. Februar 1886. 

Dr. Wingefelder, Ober-Stabsarzt 1. CI., Regts.-Arzt des 4. Chev.-Regts. König und 
beauftragt mit Wahrnehmung der Function als Divisionsarzt der 2. Div., mit 
Pension und mit der Erlaubnis zum Tragen der Uniform der Abschied bewilligt 
Den 10. Februar 1886. 

Dr. Strauss, Stabsarzt vom 15. Inf.-Regt. König Albert von Sachsen, zum 5. Inf.- 
Regt. Grossherzog von Hessen versetzt. 

_ ^ 

Veränderungen im Königlich Sächsischen Sanitäts-Corps. 

Durch Verfügung des Kriegsministeriums vom 3. Februar 1886. 

Dr. Bur dach, einjähr.-freiw. Arzt des Schützen- (Fus.-) Regts. »Prinz Georg“ No. 108 
und Kockel, einjähr.-freiw. Arzt des 1. (Leib-) Gren.-Regts. No. 100, als Unter¬ 
ärzte des activen Dienststandes unter Beauftragung mit Wahrnehmung vacanter 
assistenzärztlicher Stellen und zwar etc. Dr. Burdach bei dem Schützen- (Füs.-) 
Regt. »Prinz Georg* No. 108 und etc. Kockel bei dem 2. Gren.-Regt. No. 101 
»Kaiser Wilhelm, König von Preussen“ angestellt 

Allerhöchster Beschluss vom 20. Februar 1886. 

Trenkler, Unterarzt des 2. Gren.-Regts. No. 101 »Kaiser Wilhelm, König von 
Preussen“, zum Assist-Arzt 2. CI. bei dem 1. Feld-Art.-Regt No. 12 (Garnison 
Dresden), 

Nagel, Unterarzt des Beurlaubtenstandes des 1. Bat. (Leipzig) 7. Landw.-Regts. No. 106, 
und Rossler, Unterarzt des Beurlaubtenstandes des 1. Bat (Zwickau) 6. Landw.- 
Regts. No. 105, — zu Assist.-Aerzten 2. CI. der Res. *— befördert. 

Dr. Hesselbach, Assist-Arzt 2. CI. des 1. Feld-Art.-Regts. No. 12, zum 8. Inf.-Regt 
»Prinz Johann Georg“ No. 107 versetzt. 

Dr. Sern au, Stabsarzt der Res. des 1. Bats. (Borna) 8. Landw.-Regts. No. 107, aus 
Allerhöchsten Kriegsdiensten behufs Ueberführung in den Landsturm die er¬ 
betene Verabschiedung bewilligt. 


Orden und Auszeichnungen. 

Königl. Preuss. Kronen-Orden 3. CI: 

Dem Ober-Stabsarzt 1. CI. a. D. Dr. Heller, bisher Regiments-Arzt des 
1. Nassauischen Inf.-Regts. No. 87. 

Dem Ober-Stabsarzt 1. CI. a. D. Dr. Grosser, bisher Regts. - Arzt des Nieder- 
schlesischen Feld-Art.-Regts. No. 5. 

König!. Sachs, silberne Rettungs- Medaille nebst der Befiigniss zum Tragen am 
weissen Bande: 

Dem Assist-Arzt 2. CI. der Res. des 1. Bats. (Chemnitz) 2. Landw.-Regts. No. 101 
Dr. Barth. 


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Familien-N achrich ten. 

Verlobungeu: Dr. Johannes Müller, Assist.-Arzt 1. CI. der Marine, mit Frl. 

_ Nanny Warna (Kiel). — Dr. Schiller, Assist.-Arzt 1. CI. im 2. Garde-Feld- 
Art.-Regt., mit FH. Anna Goldbeck (Berlin). — Dr. Max Wolf, Assist-Arzt 
der Bayerischen Landw., mit Frl. Friederike Kilian (Einersheim-Nenzepheim). — 
Dr. Franz Neamann, Assist.-Arzt 1. CI. der Reserve, mit Frl. Elise Wachs - 
rauth (Leobschütz-Dresden). — Dr. Spies, Stabsarzt im Feld-Art.-Regt No. 15, 
mit Frl. Ellen Steinhausen (Strassburg i. E.-Frankfurt a. M.). 

Geburten: (Sohn) Dr. Schlacke, Assist-Arzt 1. CI. im Altmärk. Ulanen-Rfegt No. 16. 

Todesfälle: Dr. Meinecke, Ober-Stabsarzt 1 . CI. a. D. (Bunzlau). — Dr. Joh. 
Völker, Stabsarzt der Landw. (Gronau). 


Gedruckt in der Königlichen Hofbuchdrmkerei \on K S Mittler und Sohn, Berlin SW., Kochetraw Ö8-70. 


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Amtliches Beiblatt 

zur 

Deutschen militärärztlichen Zeitschrift 

1886. — Fünfzehnter Jahrgang. — M 4. 


Berlin, den 24- Januar 1886. 

Ein hier zur Kenntniss gelangter Specialfall giebt der Unterzeichneten Abtheilung 
Veranlassung darauf aufmerksam zu machen, dass die diesseitige Verfügung vom 
19. März 1878 No. 231. 3. 78. M. M. A. durch das Inkrafttreten der Pharmacopoea 
Germanica ed. alt. modificirt ist. 

Die Eisenchloridlösung der früheren Pharmacopoe, deren Anwendung in der 
bezeichneten Verfügung vorgeschrieben war, besass ein specifisches Gewicht von 
1,48(1—1,484, was einem Eisengehalte von rund 15 Procent entsprach. Die Eisen¬ 
chloridflüssigkeit der neuen Pharmacopoe soll 1,280—1,282 specifisches Gewicht bei 
einem Eisengehalte von rund 10 Procent besitzen. Es werden daher an Stelle von 
je einem Gramm der früher vorgeschriebenen Eisenchloridlösung nunmehr ein und 
einhalb Gramm der zur Zeit officiellen Lösung bei dem Präcipitations-Verfahren 
zur Reinigung von Trinkwasser anzuwenden sein. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung, 
v. Lauer. v. Coler. 

No. 1370. 1. M. M. A. 


Berlin, den 24. Februar 1886. 

Euer Hochwohlgeboren werden ergebenst ersucht, die durch die diesseitige Ver¬ 
fügung vom 17. Juli 1883 No. 1087. 7. M. M. A. für die Einstellungen eingeführte 
kurze Form der Meldung unter Berücksichtigung der erforderlichen Abänderungen 
künftig auch für die Entlassung der einjährig-freiwilligen und Unter-Aerzte, sowie 
für alle Mittheilungen über Personalien — wie Commandirungen, Zutheilungen, Ver¬ 
setzungen innerhalb des Regiments, Krank- und Gesundmeldungen, Verlobungen, 
Beurlaubungen nach Berlin u. s. w. — in Gebrauch ziehen zu wollen, bei denen 
nur die Thatsache selbst, ohne näheren Bericht, den Inhalt der Meldung ausmacht. 

Desgleichen können für alle terminmässigen und sonstigen Eingaben, auf welche 
der letztere Grundsatz ebenfalls Anwendung findet, die Begleitschreiben durch Br. m. 
Zuschriften auf gebrochenen halben Bogen, auch unter Benutzung metallographirter 
Schemata, ersetzt werden. 

Zu beachten bleibt, dass, mit Rücksicht auf die Nothwendigkeit die Personalien 
der Militärärzte hier getrennt zu halten, Meldungen der oben gedachten Art, welche 
mehrere Militärärzte betreffen, für jeden einzelnen aufzustellen sind. 

Etwa entgegenstehende Bestimmungen werden hiermit aufgehoben. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 
v. Lauer. v. Coler. 

No. 1382. 2. M. M. A. 


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A.-V.-Bl. No. 4. 


Anstrich in den Latrinen der Lazarethe. 

Berlin, den 25. Febraar 1886. 

Zur Beseitigung von Zweifeln wird darauf hingewiesen, dass in den Latrinen 
der Lazarethe nicht allein für die Sitz- und Vorderbretter, sondern auch für die die 
einzelnen Aborte umschliessenden Bretterverschläge, soweit dieselben gehobelt sind, 
und für die etwa vorhandenen gehobelten Dielungen ein Oelfarben-Anstrich oder 
eine dreimalige heisse Oelung behufs der besseren Beinhaltung zulässig und noth- 
wendig ist. Wo ein solcher Anstrich fehlen sollte, ist derselbe nach Maassgabe der 
vorhandenen Geldmittel noch zu bewirken. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung, 
v. Lauer. Grossheim. 

No. 1140/2. 86. M. M. A. 


Berlin, den 4. März 1886. 

Das Königliche General-Commando benachrichtigt die Unterzeichnete Abtheilung 
unter Bezugnahme auf das Schreiben des Königlichen Militär-Oekonomie-Departer 
ments vom 8. November 1883 No. 370. 10. M. 0, D. 3 ganz ergebenst, dass es 
künftig gestattet sein soll, solchen an hartnäckigen Fussschweissen leidenden Mann¬ 
schaften, bei denen sich die sonst gebräuchlichen Mittel, wie Salicylsäure u. s. w., zur 
Bekämpfung der nachtheiligen Folgen jener Fussschweisse ausnahmsweise unwirksam 
erwiesen haben, auf Kosten des Militär-Medicinal-Fonds Einlegesohlen aus Bade¬ 
schwamm zu verabreichen, sofern von diesen nach dem pflichtmässigen Ermessen 
der Truppenärzte ein wesentlicher Nutzen zu erwarten ist. Die Beschaffung der 
Einlegesohlen würde, unter Beachtung einer angemessenen Sparsamkeit, in jedem 
einzelnen Falle nach Maassgabe des § 32 der Arznei-Verpflegungs-Instruction zu er¬ 
folgen haben. Die Kosten sind bei Titel 13 des Etatscapitels 29 zu verrechnen. 

Das Königliche General-Commando wird gebeten, das hiernach Erforderliche 
geneigtest veranlassen zu wollen. 

Kriegsministerium; Militär-Medizinal-Abtheilung. 
v. Lauer. v* Coler. 

No. 1364. 2. 86. M. M. A. 


Personal-Veränderungen im Sanitäts-Corps. 

Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen. 

Befördert werden: Der Oberstabsarzt 2. CI. und Begimentsarzt Dr. Berkofskv 
vom Inf.-Begt. Prinz Friedrich Karl von Preussen (8. Brandenburg.) No. 64, zum 
Oberstabsarzt 1. CI.; die Assist.-Aerzte 2. CI. der Bes.: Havemann vom 1. Bat. 
(Wismar) 2. Grossherzogi. Mecklenburg. Landw.-Begts. No. 90, — Martin vom 
2. Bat. (Gräfrath) 8. Westfäl. Landw.-Begts. No. 57, — Dr. Pel ckmann vom 2. Bat. 
(Stralsund) 1. Pommerschen Landw.-Begts. No. 2, — Dr. Bath vom 1. Bat. (Erkelenz) 
5. Bhein. Landw.-Begts. No. 65, — Dr. Kitz I. vom 2, Bat. (Jülich) 6. Bhein. 
Landw.-Begts. No. 65, — Dr. Bachoff vom 1. Bat. (Gotha) 6. Thüring. Landw.- 
Begts. No. 95, — Dr. Kamm vom Keserve-Landw.-Kegt. (1. Breslau) No. 38, — 
Dr. Lehmann vom Bes.-Landw.-Bat (Stettin) No. 34, — Dr. Kramer vom 2. Bat. 
(Göttingen) 3. Hannov. Landw.-Begts. No. 79, — Dr. Samter vom Bes.-Landw.- 
Bat. (Königsberg) No. 33, — Dr. Nonnig vom 1. Bat. (Bernau) 4. Brandenburg. 


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29 


Landw.-Regte. No. 24, — Dr. Pelckmann und Dr. Memelsdorf vom Res.- 
Landw.-Regt (1. Berlin) No. 35, — Dr. Lenzmann vom 1. Bat. (Wesel) 5. Westf&l. 
Landw.-Regts. No. 53, — Dr. Eschle vom 1. Bat. (Hamburg) 2. Hanseat. Landw.- 
Regts. No. 76, — Fahrenholtz vom 2. Bat. (Preuss. Holland) 7. Ostpreuss. 
Landw.-Regts. No. 44, — Dr. Herrmann vom 2. Bat. (Wehlau) 1. Ostpreuss. 
Landw.-Regts. No. 1, — Dr. v. Lukowicz vom 1. Bat. (Könitz) 4. Pommer. 
Landw.-Regts. No. 21, — Dr. Kübitz vom 2. Bat. (Burg) 1. Magdeburg. Landw.- 
Regts. No. 26, — Dr. Perlia vom 1. Bat. (Aachen) 1. Rhein. Landw.-Regts. 
No. 25, — Dt. Gruber vom 2. Bat. (Goldap) 6. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 43, — 
Dr. Maeltzer vom 2. Bat (Oels) 3. Niederschles. Landw.-Regts. No. 50, — Dr. Kriele 
vom 2. Bat (Sondershansen) 3. Thüring. Landw.-Regts. No. 71, — und Dr. Natorp 
vom 1. Bat. (Ruppin) 8. Brandenburg. Landw.-Rigts. No. 64, — zu Assist.-Aerzten 

1. CI. der Reserve; — die Assist.-Aerzte 2. CI. der Landw.: Dr. Puth vom 2. Bat. 
(Friedberg) 1. Grossherzogi. Hess. Landw.-Regts. No. 116, — und Dr. Nöll vom 

2. Bat. (Attendorn) 2. Hess. Landw.-Regts. No. 82, — zu Assist-Aerzten 1. CI. 
der Landwehr; — der Marine-Assist-Arzt 1. CI. Niemann von der 2. Matrosen- 
Division zum Marine-Stabsarzt, vorläufig ohne Patent; die Unterärzte: Dr. Diesing 
vom 4. Magdeburg. Int-Regt. No. 67, — Dr. Schiefer vom 5. Rhein. Inf.-Regt 
No. 65, — Dr. Hahn vom 5. Bad. Inf.-Regt. No. 113, — und Rougemont vom 
Ostpreuss. Füs.-Regt No. 33, dieser unter gleichzeitiger Versetzung zum Oberschles. 
Feld-Art.-Regt No. 21, — zu Assist-Aerzten 2. Ch; — die Unterärzte der 
Reserve: Wallis vom 2. Bat (Prenzlnu) 8. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 64, — 
Genrich vom 1. Bat (Brandenburg a. H.) 7. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 60, — 
Dr. Helming vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, — Loeffler vom 2. Bat. 
(Naumburg) 4. Thüring. Landw.-Regts. No. 72, — Dr. v. Lukowicz, — und 
Goehlich vom Res.-Landw.-Regt. (1. Breslau) No. 38, — v. Jagodzinski 
vom 1. Bat (Posen) 1. Posen. Landw.-Regts. No. 18, — und Dr. Schmidt vom 
2. Bat (Ratibor) 1. Oberschles. Landw.-Regts. No. 22, — zu Assist-Aerzten 
2. CI. der Res.; — sowie der Unterarzt der Marine-Res. Dr. Hoepfner vom 1. Bat. 
(Kiel) Holstein. Landw.-Regts. No. 85 zum Assist-Arzt 2. CI. der Marine-Res. — 
Versetzt werden: der Oberstabsarzt 1. CI. und Regimentsarzt Dr. Thalwitzer 
vom Ostpreuss. Drag.-Regt No. 10, unter Belassung in dem Verhältniss als mit 
Wahrnehmung der divisionsärztlichen Functionen bei der 30. Division beauftragt, 
zum Schleswig - Holstein. Drag.-Regt No. 13; — der Oberstabsarzt 2. CI. und 
Regimentsarzt Dr. Krisch vom Schleswig-Holstein. Drag.-Regt. No. 13 zum 
2. Hannov. Ulanen-Regt. No. 14; — der Oberstabsarzt 1. CI. und Regimentsarzt 
Dr. Wüstefeld vom 2. Hannov. Ulanen-Regt. No. 14 zum Kürassier-Regt Königin 
(Pommerschen) No. 2; — der Stabs- und Bats.-Arzt Dr. Nagel vom 2. Bat 5. Pomm. 
Infi-Regte. No. 42 zum Füsilier-Bat. dieses Regts.; — die Assist -Aerzte 1. CI.: 
Dr. Nehbel vom 4. Pommerschen Inf.-Regt No. 21 zum 3. Ostpreuss. Grenadier- 
Regt No. 4, — Dr. Schoenbals vom 2. Hanseat Inf.-Regt. No. 76 zum Kadetten¬ 
hause zu Plön, — Dr. Grünert vom Schleswig-Holstein. Drag.-Regt No. 13 zum 
2. Hannov. Ulanen-Regt. No. 14, — Dr. Pauli vom Kadettenhause zu Plön zum 
Kaiser Alexander Garde-Grenad.-Regt No. 1, — und Dr. Lauff vom 1. Westfal. 
Hus.-Regt No. 8 zum Inf.-Regt. No. 131, — der Oberstabsarzt 1. CI. und Regts.- 
Arzt Dr. Schmundt vom Westpreuss. Kürassier-Regt No. 5 wird, in Genehmigung 
seines Abschiedsgesuches, mit dem Charakter als Generalarzt 2. CL und der gesetzlichen 
Pension zur Disposition gestellt. — Der Abschied wird bewilligt: Dem Assist- 
Arzt 1. CL Dr. Eichbaum vom Magdeburg. Feld-Artillerie-Regt No. 4 mit der 
gesetzlichen Pension; — den Stabsärzten der L&ndw.: Dr. Vossius vom 2. Bat. 
(Dt Krone) 4. Pommer. Landw.-Regts. No. 21. — Dr. Baas und Dr. König vom 
1. Bat. (Mainz) 4. Grossherzogi. Hess. Landw.-Regts. No. 118, — Dr. Witkowski 
vom Unter-Elsäss. Res.-Landw.-Bat (Strassburg) No. 98, — und Dr, Höynck 
vom 1. Bat. (Meschede) 2. Hess. Landw.-Regts. No. 82, diesem mit der Erlaubniss 
zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen 
Abzeichen, — den Assist-Aerzten 1. CL der Landw.: Dr. Cieälewicz vom 1. Bat 
(Inowrazlaw) 7. Pommer. Landw.-Regts. No. 54, — Dr. Wossidlo vom Res.-Landw.- 
Regt (1. Berlin) No. 35, — Dr. Wesenberg vom 1. Bat (Schwerin) 1. Grossherzogl. 


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Mecklenburg. Landw. - Regts. No. 89, — Dr. Renner vom 1. Bat. (Hamburg) 
2. Hanseat Landw.-Regts. No, 76, — Dr. Knöner vom Res.-Landw.-Bat. (Hannover) 
No. 73, — Dr. Röder vom 1. Bat (Darmstadt I) 1. GroesherzogL Hessischen 
Landw.-Regts. No. 115, — Dr. Wolf vom 2. Bat (Worms) 4. Grossberzogl. Hess. 
Landw.-Regts. No. 118, — und Dr. Sommerlat vom Res.-Landw.-Bat 
(Frankfurt a. M.) No. 80, diesem mit der Erlaubniss zum Tragen seiner bisherigen 
Uniform mit den für Verabschiedete vorgescbriebenen Abzeichen; — dem Assist- 
Arzt 2. CI. der Res. Dr. Berckholtz vom 2. Bat (Torgau) 4. Magdeburg. Landw.- 
Regts. No. 67, diesem behufs Uebertritts in Königl. Sachs. Militärdienste, — sowie 
dem Assist-Arzt 2. CI. der Marine-Res. Dr. Wall vom 1. Bat. (Kiel) Holsteinschen 
Landw.-Regts. No. 85. — Der Assist-Arzt 2. CI. Dr. Seiffart vom 6. Pommer. Inf.- 
Regt No. 49 scheidet aus dem activen Sanitäts-Corps aus und tritt zu den Sanitäts¬ 
offizieren der Res. des 1. Bats. (Weimar) 5. Thüring. Landw.-Regts. No. 94 über. 

Berlin, den 18. März 1886. 


Veränderungen im Königlich Sächsischen Sanitäts-Corps. 

Allerhöchster Beschluss vom 17. März 1886. 

Klien, Unterarzt der Res. des 2. Bats. (Meissen) 4. Landw.-Regts. No. 103. zum 
Assistenzarzt 2. CI. der Res. befördert. 

Dr. Langer, Assistenzarzt 1. CI. des 5. Inf.-Regts. „Prinz Friedrich August“ No. 104, 
unter Enthebung von dem Commando zur Universität Leipzig, zum Schützen- 
Füsilier-) Regiment „Prinz Georg“ No. 108, 

Dr. Werner, Assistenzarzt 1. CI. des 2. Ulanen-Regts. No. 18, zum 9. Inf.-Regt. 
No. 133, 

Kruspe, Assistenzarzt 1. CI. des Schützen- (Füsilier-) Regts. „Prinz Georg* No. 108, 
unter Enthebung von dem Commando zum Stadtkrankenhanse in Dresden- 
Friedrichstadt zum 2. Ulanen-Regt. No. 18 (Garnison Geithain), 

Dr. Ru dl off, Assistenzarzt 1. CI. des 9. Inf.-Regts. No. 133, zum 4. Inf.-Regt. 
No. 103, 

Dr. Pässler, Assistenzarzt 2. CI. des 2. Jäger-Bataillons No. 13 und 

Dr. Radestock, Assistenzarzt 2. CI. des Carabinier-Regts., dieser unter gleichzeitiger 
Befehligung zum Stadtkrankenhause in Dresden-Friedrichstadt, zum 5. Inf.-Regt. 
„Prinz Friedrich August“ No. 104, — versetzt. 

Dr. Golebiewski, Assistenzarzt 2. CI. des Pionier-Bataillons No. 12, aus dem 
activen Sanitäts • Corps ausgeschieden und zu den Sanitäts-Offizieren der Res. 
des Res.-Landw.-Bats. (Dresden) No. 108 übergetreten. 

Durch Verfügung des Kriegsministeriums. 

Dr. Würzler, Stabsarzt des 2. Grenadier-Regts. No. 101 „Kaiser Wilhelm, König 
von Preussen“, von dem Commando zum hygienischen Institute der Universität 
Leipzig zur Dienstleistung bei genanntem Regimente zurückgekehlt. 

Dr. Becker, Assistenzarzt 1. CI. des 7. Inf.-Regts. No. 106, zum hygienischen In¬ 
stitute der Universität Leipzig befehligt, und 

Dr. Wilke, Assistenzarzt 1. CI. des 4. Inf.-Regts. No. 103, unter gleichzeitiger Ent¬ 
hebung von dem Commando zur Sanitäts - Direction, zur Universität Leipzig 
commandirt. 


Veränderungen im Königlich Württembergischen Sanitäts-Corps. 

Den 11. März 1886. 

Koch, Unterarzt der Res. im Res.-Landw.-Bat. (Stuttgart) No. 127, zum Assistenz¬ 
arzt 2. CI. der Res. ernannt. 

Dr. Müller, Assistenzarzt 1. CI. im Gren. - Regt. „Königin Olga“ No. 119, vom 
1. April d. J. ab auf ein Jahr zur Universität Tübingen commandirt. 


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"TT 


— 31 - 


Orden und Auszeichnungen. 

Kothen Adler-Orden 4. CI.: 

Dem Ober-Stabsarzt a. D- Dr. Platner zu Witzen hausen. 


Familien-Nachrichten. 

Verbindungen: Dr. Adrian, Assistenzarzt 1. CI. im 1. Scbles. Hus.-Regt. No. 4, 
mit Frl. Gertrud Hoppe (Konstadt O.-Schl.) — 

Geburten: (Tochter) Dr. Ewe, Stabsarzt a. D. (Nenndorf). — 

Todesfälle: Dr. Goerl, Assistenzarzt 1. CI. der Reserve (Bromberg)/— Dr. 
Alfred Möller, Stabsarzt und Abtheilungs-Arzt im 2. Garde - Feld-Ardll.-Regt. 
(Berlin). 


Gedruckt in der Königlichen Bofbuchdroekerei von E- 8. Mittler und Sohn, Berlin SW., Kocbstra»«e M-70. 


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Amtliches Beiblatt 

zur 

Deutschen militärärztlichen Zeitschrift 

1886. — Fünfzehnter Jahrgang. — Jtä 5. 


Berlin, den 4. Februar 1886. 

Es wird zur Förderung der Reinlichkeit und zur Schonung des Anstriches etc. 
der Waschtische in den Krankenstuben für nothwendig erachtet, dass zur Benutzung 
von Seiten der Kranken Seifnäpfe beschafft und unterhalten werden. Für den 
gedachten Zweck genügen Seifnäpfe aus Fayence ohne Rost, jedoch mit geripptem 
Boden, welche nach den im Verwaltungsbezirk der Intendantur des III. Armee-Corps 
gemachten Erfahrungen für den Preis von 11 bis 15 Pf. pro Stück haben beschafft 
werden können. Die Anzahl der zu beschaffenden bezw. zu unterhaltenden der¬ 
artigen Näpfe ist nach der Zahl des Sollbestandes an Waschschüsseln bei den ein¬ 
zelnen Lazarethen zu bemessen. 

Der Königlichen Intendantur wird hiernach die weitere Veranlassung zur Be¬ 
schaffung etc. der vorbezeichneten Seifnäpfe für Rechnung des dortseitigen Uten¬ 
silienkosten-Fonds ergebenst anheim gestellt. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 
v. Lauer. v. Coler. 

No. 745. 11. M. M. A. 


Berlin, den 11. Februar 1886. 

Der Erlass des Königlichen Militär - Oekonomie - Departements vom 31. De- 
cember 1885, No. 171/11. 85. M. 0. D. 4., in Betreff der periodischen Einsendung 
von Bau-Rapporten findet auch auf das diesseitige Ressort mit der Maassgabe An¬ 
wendung : 

1) dass zu 3 des Erlasses die einzelnen Bauten nicht nur bis zur Fertigstellung 
bezw. Belegung, sondern mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse bei den 
Lazarethbauten wie bisher bis zum Abschlüsse der betreffenden Baufonds und Rech- 
nungs-Dechargirung fortzuführen sind; 

2) dass den am 1. April einzusendenden Bau - Rapporten nach Maassgabe der 
Verfügung vom 2. Januar 1882, No. 981/10. M. O. D. 4., ein zweites Exemplar 
bezw. ein Auszug beizufügen ist, in welch letzterem die bereits in Benutzung 
genommenen Bauten fortgelassen werden können. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 
v. Lauer. Grossheim. 

No. 1418. 12. M. M. A. 


Berlin, den 13. Februar 1886. 

Behufs der Befreiung der LazarethkÖchinnen vom Krankenversicherungszwange 
und der davon zu erwartenden Erleichterungen für die Lazarethe bei der Annahme 
derartiger geeigneter Persönlichkeiten wird es für zweckmässig erachtet, denselben 


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34 


für den Fall ihrer Erkrankung und dadurch bedingter Unfähigkeit zur Ausübung 
ihres Dienstes den Fortbezug des Lohnes bis zur Dauer von 13 Wochen zu ge¬ 
währleisten. 

Die Königliche Intendantur wird ergebenst ersucht, unter Berücksichtigung der 
Bestimmungen im zweiten Absatz des § 15 des Gesetzes über die Ausdehnung der 
Unfall- und Krankenversicherung vom 28. Mai 1885 das nach Vorstehendem Er¬ 
forderliche gefälligst in der Weise zu veranlassen, dass die Verpflichtung der Lazareth- 
köchinnen zur Krankenversicherung mit Ende März d. Js. auf hört. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung, 
v. Lauer. v. Coler. 

No. 268/2. M. M. A. _____ 

Berlin, den 16. Februar 1886. 

Die der Abtheilung vorgelegten Nach Weisungen über den voraussichtlichen Be¬ 
darf der Garnison - Lazarethe an ärztlichem Sanitätsmaterial pro 1886/87 geben zu 
folgenden Bestimmungen Veranlassung. 

1) Die nachstehend bezeichneten ärztlichen Geräthe und Verbandmittel, zu denen 
Proben unterm 2. v. Mts. No. 1332/12. M. M. A. neu gegeben worden, sind für 
die Gamison-Lazarethe schon pro 1886/87 zu beschaffen: 


Bezeichnung der ärztlichen Geräthe 
und Verbandmittel 

Es dürfen € 

Garnison- 

für 12 Com¬ 
pagnien und 
darüber 

rhalten die 

Lazarethe 

für weniger 
als 12 Com¬ 
pagnien etc. 

Höchstpreis 

im 

Einzelnen 

M. | Pt 

emaillirtes Eiterbecken . . . 


2 

1 

1 

60 

emaillirter Irrigator .... 

. . . 

2 

1 

1 

90 

Schlauch von schwarzem Gummi, 1,5 m 





lang. 

. . . 

2 

1 

2 

10 

Ansatzspitze von Glas . . . 




— 

22 

Schlundpinsel. 

. . . 



— 

45 

Cambric. 

Meter 



— 

40 

starkes Catgut. 

- 



— 

06 

mittleres -. 

- 



— 

05 

feine 8 -. 

- 



— 

04 

starke Drainröhre .... 

- 



— 

92 

mittlere - . 

- 


— 

78 

feine - . 

- 


— 

65 

entfetteter Mull. 

- 



— 

m 

Sicherheitsnadel. 

. . . 



— 

01 

starke, rohe drellirte Seide . 

Gramm 



— 

07 

mittlere - - 

- 



— 

09 

feine - - 

- 



— 

11 

wasserdichter Verbandstoff 

Meter 



1 

35 

entfettete Watte (Wundwatte), 

Kilogr. 



2 

— 

gewöhnliche ungeleimte Watte, 

Kilogr. 



1 

75 


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35 


2) Der zu schätzende Jahresbedarf an ärztlichen Geräthen und Verbandmitteln 
— nach Abrechnung der disponiblen Bestände und der Gegenstände zu 5 und 6 — 
ist auf einmal zu beschaffen, damit der Austausch der neu beschafften Gegenstände 
gegen gleichartige ältere des Train-Depots und der Festungslazareth-Depots (Auf¬ 
frischung) nur einmal im Jahre stattzufinden braucht. 

3) Euer Hoch wohlgeboren wollen Sich s. Z. gefälligst davon Ueberzeugung ver¬ 
schaffen, dass die von der Verbandmittelreserve angekauften Gegenstände mit den 
Proben genau übereinstimmen. 

4) Auf die anzukaufenden einfachen Bruchbänder sind die zu den Medicin- und 
Bandagenkasten für Batterien etc. gehörigen Bruchbänder in Anrechnung zu bringen, 
desgleichen auf den anzukaufenden Fenerschwamm und Waschschwamm der für 
die Medicinwagen und Medicinkarren vorhandene Schwamm. Erforderlichenfalls 
sind schon jetzt die qu. Bruchbänder und der qu. Schwamm zum Auf brauch heran¬ 
zuziehen. 

5) Folgende Gegenstände sind vom Ankauf ausgeschlossen: 

a. Alle nicht probemässigen Instrumente, Geräthe und Verbandmittel; 

b. imprägnirte Verbandstoffe. — Die Imprägnirung muss in den Lazarethen er¬ 
folgen. 

c. Alle ausseretatsmässigen Geräthe und Verbandmittel, welche denselben 
Zwecken dienen, für welche etatsmässige Gegenstände vorhanden sind, z. B. Gutta¬ 
perchapapier, Mackintosh. 

d. Folgende Gegenstände: 

Armkissen, 

Armtragekapseln von Blech mit Zubehör, 

Drahtgeflecht mit Zubehör, 

Beckenstützen, 

Beinbruchladen, 

Beinbruchschweben, 

Bistouris und Lanzetten im Besteck, 
künstliche Blutegel, 

Brenneisen, 

doppelt geneigte schiefe Ebene, 

Drahthosen mit Zubehör, 

Drabtgamaschen do., 

nierenförmige Eiterbecken von Messingblech, 

Flaschenzug mit Zubehör, 

Gypsscheere, 

transportabeler Inductionsapparat, 

Instrumente zu Augenoperationen, Augengläser u. «. w. im Besteck. 
Instrumente zur Obduction im Besteck, 

- Tracheotomie do., 

Irrigatoren von Blech, 

Zinnspitzen zum Irrigator, 

Karbolsprüher, 

Doppelgebläse, 

Kopfhetze, 


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Nadeln im Besteck, 

Nadelhalter, 

Unterbindungsnadeln, 

grosse Beinschienen aus Hohlblech, 

Ellenbogen-Resections-Doppelschienen, 

Transport- und Lagerungsschiene nach v. Langenbeck, 

Satz englische Schienen, 

hölzerne Schiene für Vorderarm und Hand, 

Paar hölzerne Schienen mit Blechhülsen zum Zusammenfügen, 
kleine Siebdrahtscbienen, 

Schröpfapparat und Theile daraus, 

Spritze zu Klysmen und Futteral, 

Verbandzeug für Aerzte, 

Wundtafelchen, 
baumwollenes Band, 

Binden von Flanell, welche nicht 6 m lang und 7 cm breit sind, 
Binden von Gaze, welche nicht 8 m lang und 12 cm breit oder 

5m- 10 cm 

4m- 12 cm sind, 

leinene Binden, 

Fläschchen mit Catgut, 

Charpie-Baumwolle, 
dünner geglühter Eisendraht, 

Kupferdraht, 

die feinere Drainröhre der Probe von 1882, 

Mitellen, 

Tapetenspan, 

Verbandjute, 

dreieckige Verbandtücher und 
Wachstaffet. 


6) Leinene Charpie, Compressen aus alter weisser Leinwand und alte weisse 
Leinwand sind ebenfalls vom Ankauf ausgeschlossen. Diese Verbandmittel müssen 
aus alter ausrangirter Wäsche der Militärverwaltung hergestellt werden. 

7) Der etwaige Bedarf an den Gegenständen zu 5 d ist hierher anzumelden, 
doch nicht in jedem einzelnen Bedarfsfälle, sondern gleich im Umfange für die 
Gesammtheit der Lazarethe des Armee-Corps auf etwa ein Jahr. 

Die Verfügung vom 14. März 1884 No. 670. 3. M. M. A. wird hierdurch auf¬ 
gehoben. 

8) Die in dem Verzeichniss auf der letzten Seite unter A. aufgeführten Gegen¬ 
stände wollen Euer Hoch wohlgeboren gefälligst von der dortigen Verbandmittelreserve 
aus dem diesseitigen Dispositionsbestande entnehmen und an die Verbandmittelreserve 
des daneben angegebenen Armee-Corps abgeben bezw. bei dem eigenen Armee-Corps 
in den Bestand zur Deckung des laufenden Bedarfs übertragen lassen. 

9) Die in demselben Verzeichniss unter B. aufgeführten Gegenstände wird die 
dortige Verbandmittelreserve zum Aufbrauch überwiesen erhalten. 


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37 


10) Hinsichts der leinenen Binden wird noch ergebenst bemerkt, dass an 
Stelle viermetriger zunächst die dreimetrigen oder die sonst vorhandenen leinenen 
Binden aufgebraucht werden sollen. 

11) Wo nur Schröpfschnepper als Bedarf angegeben sind, aber vollständige 
Schröpfzeuge zur Ueberweisung kommen, sind aus letzteren die einzelnen Theile 
nach Bedarf auffeubrauchen. 

12) Der Bedarf an Verbandjute ist zunächst durch Aufbrauch des eisernen 
Bestandes der Verbandmittelreserve zu decken. Euer Hochwohlgeboren wollen aber 
s. Z. gefälligst hierher angeben, wenn der eiserne Bestand aufgebraucht sein wird. 

Für die Verbandmittelreserve sind zwei Exemplare dieser Verfügung beigelegt, 
die Königliche Corps-Intendantur erhält Abschrift, Euer Hoch wohlgeboren ersucht 
die Abtheilung ergebenst um gefällige weitere Veranlassung. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung, 
v. Lauer. v. Coler. 

No. 440. 2. 86. M. M. A. 


Verzeichniss 

der von der Corps-Verbandmittelreserve abzugebenden bezw. zu empfangenden 
ärztlichen Instrumente, Geräthe und Verbandmittel. 


Armee-Corps 

Bezeichnung der abzugebenden bezw. zu empfangenden 
Gegenstände. 


A. Abzugeben: 


Berlin, den 14. März 1886. 

Es ist diesseits die Anfertigung der Beschreibung eines Verbindezeltes nebst 
Signalvorrichtung, sowie von Abbildungen dazu (siehe Beilage 6 zur Kriegs-Sani- 
täts-Ordnung A laufende No. 144) herbeigefuhrt worden. 

Euer Hochwohlgeboren übersendet die Unterzeichnete Abtheilung ein Exemplar 
dieser Beschreibung nebst Abbildungen (letztere in 2 Blatt) anbei ergebenst. 

Der Abschnitt „das Aufschlagen des Verbindezeltes* in der Instruction für die 
Militär-Aerzte zum Unterricht der Krankenträger vom 25. Juni 1875 Seite 45 u. s. w. 
wird durch die Anlage entsprechend modificirt. Ein diesfälliger Nachtrag wird 
s. Z. herausgegeben werden. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilang, 
v. Lauer. v. Coler. 

No. 339. 1. M. M. A. 


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38 


Beschreibung eines Verbindezeltes nebst Signal Vorrichtung. 

(Siebe Abbildungen.)*) 

I. Gestalt, Grösse and Gewicht des Zeltes. 

Das Verbindezelt hat im Grundriss die Form eines Rechteckes von 4,10 m 
Länge und 3,50 m Breite von Mitte bis Mitte der Zeltstangen gemessen and bis 
zur First eine Höhe von rot. 2,60 m. Die senkrecht stehenden Seitenwände sind 
bis zur Dachkante 1,88 m hoch. Das Gewicht des Zeltes beträgt ohne SignalVor¬ 
richtung etwa 82 bis 85 kg, mit Signalvorrichtuhg etwa 104 bis 107 kg. 

II. Bestandtheile des Zeltes. 

Das Verbindezelt besteht aus dem Zeitplan, dem Firstbalken, 2 Setzstangen, 
2 Fusskreuzen, 12 Seitenstangen, 2 grossen Puppen, 12 kleinen Puppen (Holzeicheln), 
1 Nationalflagge, 2 Sturm-, 12 Knieleinen nebst 20 Schiebern einschliesslich 4 zur 
Reserve und 40 Zeltpflöcken (Häringen), einschliesslich 4 zur Reserve. 

Ausserdem gehören zu dem Verbindezelte 4 Hämmer, ein Sack, sowie die 
Signalvorrichtung. 

III. Beschreibung und Zweck der einzelnen Theile. 

1) Der Zeitplan, aus Zeltdach, Seiten- und Giebelwänden bestehend (h und n), 
dient zur Bekleidung des Zeltes. Das Dach und die Seitentheile aus wasserdicht 
präparirtem Segeltuch, die Giebelwände aus Segelleinwand sind durch Nähte mit 
einander fest verbunden. 

In der Mittellinie des Zeltdaches befindet sich an jedem Ende ein auf der inneren 
und äusseren Seite mit Lederstficken umnähtes Loch für den Dorn der Setzstange. 
An der innem Seite ist der Zeitplan und zwar da, wo das Dach mit den Giebel- 
und Seitenwänden zusammengenäht ist, mit 35 mm breitem Gurtband besetzt. Ein 
gleicher Besatz befindet sich an der inneren Seite der Giebel- und Seitenwände 
24 cm von der unteren Kante entfernt. 

In dem zuerst erwähnten Besätze sind, innen und aussen durch aufgenähte 
Lederstucke verstärkt, 12 Löcher für die Seitenstangen, in dem zuletzt erwähnten 
40 Löcher für die Strick leinen (p) und zwar zu 20 Paar gruppirt eingeschnitten. 
Von den 20 Paar Löchern befinden sich 12 Paar unter den 12 Löchern für die 
Seitenstangen und 2 Paar an jeder halben Giebelwand. Die Strickleinen sind durch 
je ein Paar Löcher so durchgezogen und innerhalb durch je einen aufgeschobenen 
Holzknopf (r) und vorgeschürzten Knoten befestigt, dass ausserhalb eine kurze 
Schlinge bleibt, durch welche die Wände mittelst des Zeltpflocks am Boden fest¬ 
gehalten werden. Zur Verbindung der Seitenwände mit den Seitenstangen sind für 
jede Stange 3 Schlaufen in Abständen von 45 cm an den Seitentheilen aufgenäht 
Ausserdem sind am Zeltplane noch vier längere zum Festhalten der geöffneten Giebel- 
theile bestimmte Schlaufen und zwar im oberen Gurtbesatz dicht unter den Löchern 
für die Eckseitenstangen festgenäht. Diese Schlaufen werden beim Oeffnen der 
Giebeltheile nach aussen über die Puppen der Eckseitenstangen gehängt 

Die Giebelwände, welche an das Dach und die Seitenwände angenäht sind, 
bestehen aus je zwei über die Mittellinie des Zeltes 25 cm übergreifenden Theilen, 
welche hier durch 6 Paar Bindebänder zusammengehalten werden. 

# ) Nur im Dienstwege einzusehen. 


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2) Der Firstbalken (c) hat das Zeltdach zu tragen; er ist in zwei Theile zer¬ 
legbar und bildet im Querschnitt die Form eines Rechteckes, dessen obere Seite 
abgerundet ist. Die beiden Theile des Firstbalkens sind da, wo sie verbunden 
werden, entsprechend abgeschrägt Zur Verbindung dient eine auf dem einen 
Theile mit Holzschrauben befestigte Eisenblechhülse, in die der andere Theil ein¬ 
geschoben wird. Eine Klammer an dem einen Theile, die mit ihrem Haken in 
eine auf dem anderen Balkentheile eingeschraubte Oese greift, hindert das Heraus¬ 
ziehen aus der Hülse. Die beiden Enden des zusammengesetzten Balkens sind durch 
aufgesetzte, kurze Eisenhülsen verstärkt und zur Aufnahme des Doms der Setz¬ 
stange vertikal durchlocht. 

3) Die Setzstangen (b) bilden die Träger des Firstbalkens. Dieselben sind 
rund, 50 mm stark, 2,51 m lang (ezcl. des oberen Doms und am oberen Ende mit 
einem Dome versehen; ein an diesem Ende umgelegter Eisenring sichert die Stange 
gegen Ausbrechen des Doms. Letzterer hat am Ende ein Schraubengewinde zur 
Aufnahme der grossen Puppe. Die Spitze des eisernen Doms, welche in das Hirn¬ 
holz der Stange eingetrieben wird, muss rauh gemacht eingehauen werden, um 
ein Lockern zu verhüten. 

4) Die Fnsskreuze (a) dienen zur Unterlage für die Setzstangen und verhindern, 
dass letztere in den weichen Erdboden eingedrückt werden. Sie bestehen aus zwei 
rechtwinkelig sich kreuzenden 310 mm langen Hölzern, die durch eine Holzschraube 
in der Mitte zusammengehalten werden. Im Kreuzungspunkte der Hölzer befindet r 
sich eine 15 mm tiefe Ausdrehung als Basis für die Setzstange. 

5) Die Seitenstangen (d), ähnlich den Setzstangen, jedoch nur 1,88 m lang excl. 
des oberen Doms und 30 mm stark, sind Träger des Zeitplans an den Seitenkanten 
und geben den Seitenwänden Halt gegen Seitenschwankungen. Am oberen, durch 
einen eisernen Ring geschützten Ende der Seitenstangen befindet sich ein eiserner 
11,5 lang vorragender Dom zur Aufnahme des Zeitplanes und einer kleinen Puppe. 

6) Die grossen und kleinen Puppen (k) haben den Anstrich des Feldlazareth- 
materials (blau und weiss). In die eine grosse Puppe ist der Stock der National¬ 
flagge eingeleimt 

7) Die Nationalflagge besteht aus einem, im fertigen Zustande 73 cm langen, 
66 cm breiten Flaggentuch (schwarz, weiss, roth) in 73 cm langen und 22 cm. breiten 
Streifen, welches unter Benutzung eines Lederstreifens an den Flaggenstock fest- 

, genagelt ist 

8) Die Sturm- und Knieleinen (1 und m) mit Schiebern (o) geben dem Zelt im 
Verein mit den Zeltpflöcken einen festen Halt gegen Verschieben und Umkippen. 
Die Sturmleinen, 16 m lang, sind etwa 8 mm stark und in der Mitte zu einer 
Schlaufe verschlungen, die über den Dora der Setzstange geschoben wird. Die 
Schleife in der Mitte der Sturmleinen ist so herzustellen, dass die beiden Enden 
rieh kreuzen. Die Knieleinen, 4 m lang und etwa 6 mm stark, sind durch im 
Zeltdach befindliche Löcher für die Seitenstangen gezogen und durch einen aufge¬ 
schobenen Holzknopf und vorgeschürzten Knoten gegen das Durchziehen gesichert. 
Die Holzschieber (o), gegen das Abgleiten von der Leine durch einen einfachen 
Knoten geschützt, gestatten ein schnelles Bilden und Festziehen von Schlingen über 
den Zeltpflöcken. 


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9) Die Zeltpflöcke (Häringe) (s), aas rothriisternem Holze, halten mit 
ihrem hakenförmigen Kopfe die Sturm-, Knie- und Strickleinen dicht über dem 
Erdboden fest. 

IV. Beschreibung der Zubehörstücke des Zeltes. 

1) Die Handschlägel (?) sind zum Einschlagen der Zeltpflöcke bestimmt. Der 
Schlägel, aus Weissbuchenholz, tonnenförmig, 16 cm lang, hat einen 'mittleren 
Durchmesser von 10 cm, an den Schlagseiten einen solchen von 9 cm, während der 
Stiel aus gradfaserigem, nicht geschwemmtem Eschenholz oder Hickoryholze 50 cm 
lang ist, einen ovalen Querschnitt hat und sich nach hinten zu verstärkt. 

2) Der Sack, aus Leinwand, dient zur Aufbewahrung der Zeltpflöcke, Puppen 
und Hammer; er ist 1,25 m lang und 82 cm breit. 

V. Beschreibung der Signalvorrichtung. 

Die Signalvorrichtung ist zur Kenntlichmachung des Verbandplatzes bestimmt. 
Sie besteht aus der Signalstange, der Signallaterne mit Reverber und der Neutrali¬ 
tätsflagge. Ausserdem gehört zu derselben ein Eisenblech-Futteral und ein Weiden¬ 
korb. 

1) Die Signalstange (e) besteht aus dreiTheilen: dem Unter-, Mittel- und Ober¬ 
stück. 

a. Das Unterstück, in Fuss-, Mittel- und Obertheil zerfallend, ist 1,79 m lang. 
Der Fusstheil ist mit einem geschmiedeten, spitzen Eisenschuh versehen, der Mittel¬ 
theil ist vierkantig und hat zwei senkrecht zu einanderstehende, längliche Durch¬ 
lochungen für 2 Hölzer (Durchsteckpflöcke), die 17 cm von Mitte zu Mitte ausein¬ 
ander liegen. Die Durchsteckpflöcke, 0,50 m lang, sind bestimmt, der bis über den 
oberen Pflock in die Erde einzugrabenden Signalstange einen festen Halt zu geben. 
An den vierkantigen Mitteltheil schliesst sich der cylindrische Obertheil. Letzterer 
hat an seinem oberen Ende eine mit Holzschrauben befestigte Hülse aus Gasrohr 
zur Aufnahme des Mittelstücks der Signalstange. Zur Befestigung des Mittelstücks 
in der oben erwähnten, mit einem Loch versehenen Hülse dient ein an einer Kramine 
durch eine kurze Kette befestigter Vorstecker. 

b. Das Mittelstück, eine cylindrische Stange von 1,62 m Länge, ist am oberen Ende 
ebenfalls mit einer Hülse aus Gasrohr und zwar zur Aufnahme des Oberstücks ver¬ 
sehen. Zum Festhalten des letzteren dient eine Klemmschraube. Um ein Platzen 
des Gasrohrs zu verhüten und der Klemmschraube einen grösseren Halt zu geben, 
ist die Hülse durch einen eisernen Ring verstärkt, in welchen das Loch mit Mutter¬ 
gewinde eingebobrt ist. 

c. Das Oberstück ist gleichfalls eine cylindrische Stange von 1,92 m Länge. 
Am oberen Ende ist dasselbe mit Vorrichtungen zum Aufbringen der Neutralitäts¬ 
flagge und zur Befestigung der Signallaterne versehen. Die erstere Vorrichtung ist 
drehbar und mittelst zweier Ringe auf dem Oberstück befestigt; sie besteht aus zwei 
senkrechten Schienen, einer wagerechten Schiene und einer schrägstehenden Strebe. 
Der obere Ring wird durch drei in Holz eingelassene und mittelst Holzschrauben 
befestigte Federn dicht unter der Gasrohr-Hülse gehalten und hat zwei genau einander 
gegenüberliegende Knöpfe, hinter bezw. an welchen die senkrechten Schienen be¬ 
weglich hängen. Der untere Ring, drehbar und beweglich ncch unten, hat in 
gleicher Weise 2 Knöpfe, über welche die mit Loch und Schlitz versehenen unteren 


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41 


Enden der senkrechten Schiene gesteckt werden. Im oberen Ring ist die Vage- 
rechte^ Schiene und im unteren Ringe die Strebe charnierartig eingefugt, beide 
Theile sind um einen Niet drehbar miteinander verbunden. Die senkrechten 
Schienen haben je drei, in gleichen Abständen auf ^ 4 , und 8/4 der Länge der 
Schienen stehende Knöpfe. 

Beim Gebrauch wird der untere Ring nebst Strebe und wagerechter Schiene 
soweit gehoben, dass die unteren Enden der senkrechten Schienen mittelst der 
Löcher und Schlitze über die Knöpfe des unteren Ringes gesteckt werden können. 
Dadurch wird der Ring in bestimmter Höhe gehalten, und mit ihm Strebe und 
wagerechte Schiene in die richtige Lage gestellt. An jeder Seite sind nunmehr fünf 
Knöpfe in gleichen Abständen vorhanden (einer am oberen Ringe, drei an der senkrechten 
Schiene und einer am unteren Ringe), an welche die Flagge an beliebiger Seite ange¬ 
knöpft wird. Die obere Kante der Flagge wird an dem wagerechten Arm mittelst 
2 Paar Bändern festgebunden, während die Spitze des Arms in ein auf der oberen 
Kante der Flagge befindliches Lederfutter gesteckt wird. 

Die Vorrichtung zur Aufnahme der Signallaterne ist gleich der Vorrichtung 
am oberen Ende des Mittelstilcks. 

2 ) Die Signallaterne (g) mit Reverber, besteht ans der Röhre, mit der sie 
in den Hohlcylinder des Obertheils eingesetzx und vermittelst der Klemmschraube 
festgehalten wird, der eigentlichen Laterne mit drei rothen und einer weissen Scheibe, 
welch’ letztere in die seitwärts zu öffnende Thür eingesetzt ist, und dem nach 
oben durch ein Charnier zu öffnenden Deckel mit Klappe. 

Die Röhre ist in ganzer Höhe des Eingriffs in das Oberstück der Signal¬ 
stange mit einem Eisenrohr zu ummanteln. 

In der Röhre befindet sich oben das Licht, darunter eine bewegliche Blech¬ 
kapsel und unter dieser eine Spiralfeder. Die Blecbkapsel ist zweiseitig, umfasst nach 
oben das untere Ende des Lichts und nach unten den oberen Theil der Spiral¬ 
feder. Das Licht (in der Regel Wachslicht) wird durch die Spiralfeder stets nach 
oben gedrückt, begrenzt wird dieser Druck durch die Kappe, welche mit ihrer 
Nase über die Wulst der Röhre greift. Ein vierfacher Reverber, der mit seinem 
Fus 8 an die Röhre greift und auf den Laternenboden aufsteht, erhöht die Stärke 
des Lichtscheins. 

3) Die Neutralitätsflagge besteht aus einem weissen, 1,25 m langen und 
0,83 m breiten Flaggentuche mit eingeheftetem, rothem Kreuze (Genfer Kreuz). 

4) Das Eisenblechfutteral W. (Laternengehäuse) dient zur Aufbewahrung der 
Laterne beim Nichtgebrauch, der Weidenkorb zur Verpackung der Laterne mit 
Futteral. 

VI. Aufstellung des Zeltes. 

Zur Aufstellung des Zeltes ist, wenn angängig, ein Platz von 12 m Länge und 
8,8 m Breite zn wählen. Die Aufstellung selbst geschieht am besten durch eine 
Patrouille — also 12 Krankenträger des Sanitäts - Detachements, die in drei Ab¬ 
theilungen (Tragen) arbeiten — in drei Tempos. 

Erstes Tempo. 

Vorbereitungen zum Aufrichten. 

Die 1. und 2. Trage breiten den Zeitplan so auseinander, dass die Aussen- 
fiäche mit den daran befestigten Leinen auf den Boden zu liegen kommt. Zu 


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gleicher Zeit setzt die 3. Trage den Firstbalken zusammen und legt denselben in 
die Mitte des ausgebreiteten Planes ein. Die 2. Trage nimmt die Setzstangen und 
schiebt die eisernen Dorne derselben durch die Löcher in dem Firstbalken und in 
dem Plane, Trage 1 schlägt jetzt die eine Hälfte des Planes über den Firstbalken 
nach der andern Seite hinüber, nimmt die Sturmleinen und steckt die beiden 
grossen Puppen auf die Dorne der Setzstangen. 

Zweites Tempo. 

Das Aufrichten des Zeltes. 

Die 4 Mann der ersten Trage behalten jeder ein Ende der beiden Sturmleinen 
in der Hand. Auf das Commando „Achtung — auf* ziehen die 2 Mann an der 
überschlagenen Seite des Zeltes langsam und gleichmässig an, während beim Er¬ 
heben des Zeltes Trage 2 die unteren Enden der Setzstangen genau in die Fuss- 
kreuze eingefügt und die Setzstangen, wenn sie aufgerichtet sind, festhält. Nun 
halten auch die beiden anderen Leute von Trage 1 mit ihren Sturmleinen fest 
gegen, um ein Ueberfallen des Zeltes zu verhüten, und Trage 3 schlägt sofort die 
für die Sturmleinen bestimmten Häringe ein und zieht sie damit an. Die 1. Trage 
behält jedoch die Leinen fest in der Hand. 

Drittes Tempo. 

Das Befestigen des Zeltes. 

Ist so das Zelt aufgerichtet, dann nehmen die 4 Mann der Trage 3 die 
Seitenstangen und stecken sie mit den Dornen durch die Oeffnungen des Zeit¬ 
planes, indem sie die Stangen zugleich fest in den Boden einstossen. Nachdem die 
Trage 2 gleichzeitig die kleinen Puppen auf die Dome aussen anfgesteckt hat, 
schlagen Trage 2 und 3 die für die Stripp- und Knieleinen bestimmten Häringe 
ein, indem sie mit denselben die Leinen fest anziehen. Erst wenn so alle Leinen 
festgespannt sind, lässt Trage 1 die Sturmleinen los. 

Sogleich nach erfolgter Aufstellung des Zeltes wird eine Trage zur Auf¬ 
stellung der Signalvorrichtung commandirt. 

VII. Aufstellung der Signalvorrichtung. 

Die Signalvorrichtung ist in solcher Entfernung von dem Zelte aufzustellen, 
dass der Transport der Verwundeten durch dieselbe nicht behindert wird. 

Die einzelnen Theile der Signalvorrichtung werden von der commandirten 
Trage zusammengesetzt. Die Laterne wird mit der Tülle in die Hülse der Stange 
eingesetzt und festgeschraubt und die Neutralitätsflagge an die eisernen Seitenstäbe 
eingeknöpft und befestigt. Darauf werden durch die im Unterstück der Stange 
befindlichen Durchlochungen die Durchsteckpflöcke gesteckt und es wird die Stange 
bis über den oberen Pflock in die Erde eingegraben, auch der Boden zwischen den 
Pflöcken gut festgetreten. 

VIII. Niederlegung des Zeltes. 

Soll das Zelt abgenommen werden, so haben zunächst Trage 1 und 2 die 
Häringe, welche die Knie- und Strippleinen halten, herauszuziehen, während Trage 3 
die kleinen Puppen ab- und die Seitenstangen herausnimmt. 

Trage 1 tritt nun an die Sturznleinen und hält diese, während Trage 2 di« 
Häringe derselben löst und herauszieht. 


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43 


Das Herunter!assen des Weites an den Stunnleinen geschieht non auf das 
Commando: „Achtung — rechts (links) nieder!“ Auf dieses Commando ziehen die 
2 Mann der rechten (linken) Seite ihre Leinen an, während die 2 Mann der ent¬ 
gegengesetzten Seite langsam nachlassen, so dass das Zelt allmälig zu Boden kommt. 

Liegt das Zelt, so niipmt Trage 1 die grossen Puppen ab und legt die Sturm¬ 
leinen zusammen. 

Trage 2 hebt die Setzstangen mit den Fusskreuzen heraus und Trage 3 nimmt 
den Firstbalken and hakt ihn auseinander. 

Häringe, Puppen und Hämmer müssen sofort wieder in den Sack gethan, die 
Seitenstangen zusammengebunden und der Zeitplan möglichst glatt zusammengelegt 
werden. * 

Nach dem Zusammenlegen des Zeltes wird eine Trage zum Abnehmen und 
Verpacken der Signalvorrichtung commandirt. 

A.-V.-B1. No. 8. 

Ausbildung der Krankenträger für den Krankentransport auf Eisen¬ 
bahnen. 

Berlin, den 19. März 1886. 

Zur Vervollständigung der Ausbildung der Krankenträger erscheint es nothwendig, 
diese Mannschaften künftig auch über die Herrichtung der inneren Ausstattung von 
Eisenbahnwagen, welche nach §. 161 der Kriegs -Sanitäts- Ordnung vom 10. Januar 
1878 zur Improvisation von Hülfs-Lazarethzügen Verwendung finden sollen, praktisch 
unterweisen zu lassen, und wird zu diesem Zweck Folgendes bestimmt: 

1) Die Unterweisung wird an deh letzten beiden Tagen der zehntägigen praktischen 
Krankenträgerübungen der Mannschaften des activen Dienststandes, sowie deijenigen 
des Beurlaubtenstandes vorgenommmen. 

2) Dieselbe erstreckt sich auf die Herrichtung je eines Güterwagens nach Grund- 
schem und nach Hamburger System bei jeder Uebung (Beilage 44 der Kriegs-Sani- 
täts-Ordnung), sowie auf das Ein- und Ausladen von Verwundeten (Beilage 43 der 
Kriegs-Sani täts-Ordnung). 

3) Das hierzu erforderliche Krankentransportmaterial wird aus den Beständen 
der Lazareth- Reserve -Depots nach Maassgabe des §. 45 der Dienstvorschriften für 
den Train im Frieden entnommen. 

4) Die beiden Güterwagen sind bei den Königlichen Eisenbahndirectionen auf 
zwei Tage gegen Erstattung der Wagenmiethe zu requiriren bezw. ist wegen ihrer 
Gestellung unter gleichen Bedingungen mit der sonst zuständigen obersten Eisenbahn¬ 
behörde etc. in Verbindung zu treten. 

5) Das hiernach Erforderliche ist seitens der Königlichen Generalcommandos 
zu veranlassen. 

Nach einer an das Kriegsministerium gelangten Mittheilung des Herrn Ministers 
der öffentlichen Arbeiten vom 26. Januar er. — II a 809 — sind die Königlichen 
Eisenbahndirectionen angewiesen worden, den Requisitionen der Königlichen General¬ 
commandos um leihweise Ueberlassung der Güterwagen für beregte Zwecke seiner 
Zeit Folge zu geben und die Vornahme der zweitägigen Uebungen an geeigneten 
Punkten der dazu in Aussicht zu nehmenden Bahnhöfe zu gestatten. 

Kriegsministerium. 

Bronsart v. Schellendorff, 

No. 10/2. 86. M. M. A. ___ 


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44 


Personal-Veränderungen im Sanitäts-Corps. 

Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen. 

Befördert werden: Der Stabsarzt Dr. Haase vom Garde-Schützen-Bat,unter 
Entbindung von dem Commando als Hülfsreferent bei der Militär-Medicinal-Abtheilung 
des Kriegsministeriums, zum Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt des 1. Hess. 
Inf.-Regts. No. 81; die Assist.-Aerzte 1. CI.: Dr. Schneider vom Hess. Feld-Art- 
Regt. No. 11 zum Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. 1. Westpreuss. Grenad. - Regts. 
No. 6, Dr. Thel in der etatsmässigen Stelle bei dem General- und Corpsarzt des 
11. Armee-Corps zum Stabs- und Bats.-Arzt des 3. Bats. Hess. Fös.-Regts. No. 80, 
Dr. Nehbel vom 3. Ostpreuss. Grenad.-Regt No. 4 zum Stabs- und Bats.-Arzt des 
Füs.-Bats. dieses Regts., Dr. Dressei vom 2. Schles. Hus.-Regt. No. 6 zum Stabs¬ 
und Bats.-Arzt des Brandenburg. Pion.-Bats. No. 3, und Dr. Doepner vom West¬ 
preuss. Cürassier-Regt. No. 5 zum Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. Schles. Fös.- 
Regts. No. 38; die Assist.-Aerzte 2. CI. der Res.: Dr. Albrecht vom 1. Bat. (Schwerin) 
1. Grossherzogi. Mecklenburg. Landw.-Regts. No. 89, — Dr. Kramer vom 2. Bat 
(2. Trier) 8. Rhein. Landw.-Regts. No. 70, — Dr. Schroeder und Dr. Potthast 
vom 2. Bat. (Paderborn) 6. Westfal. Landw.-Regts. No. 55, — Everth vom 2. BÄt 
(Prenzlau) 8. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 64, — Dr. Hübner und Dr. Krauss 
vom Res.-Landw.-Regt. (1. Breslau) No. 38, — Hagemann vom 1. Bat. (1. Münster) 

1. Westfal. Landw.-Regts. No. 13, — Dr. Wehn vom Res.-Landw.-Regt (Cöln) 
No. 40, — Dr. Lorenz und Dr. Barth vom 1. Bat. (Weissenfels) 4. Thüring. 
Landw.-Regts. No. 72, — Dr. Böttger vom 2. Bat (Halle) 2. Magdeburg. Landw.- 
Regts. No. 27, — Dr. Dinkelacker vom Res.-Landw.-Bat. (Altona) No. 86, — 
Dr. Göbeler vom 2. Bat. (Neu-Strelitz) 1. Grossherzogi. Mecklenburg. Landw.- 
Regts. No. 89, — Dr- Trautvetter vom 2. Bat. (Meiningen) 6. Thüring. Landw.-Regts. 
No. 95, — Dr. Brednow vom 2. Bat. (Cöslin) 2. Pommer. Landw.-Regts. No. 9, 

— Dr. Hauchecorne und Dr. v. Laszewski vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) 
No. 35, — Dr. König vom 2. Bat. (Cüstrin) 1. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 8, 

— Dr. Neu mann, vom 2. Bat. (Sorau) 2- Brandenburg. Landw.-Regts. No. 12, — 
Neubauer vom 1. Bat. (Wismar) 2. Grossherzogi. Mecklenburg. Landw.-Regts. 
No. 90, — Dr. Co mp es vom 1. Bat. (Freiburg) 5. Bad. Landw-Regts. No. 113, — 
und Dr. Senzig vom 2. Bat. (Saarlouis) 4. Rhein. Landw.-Regts. No. 30, — zu 
Assist. - Aerzten 1. CI. der Res.; — die Assist-Aerzte 2. CI. der Landw.: 
Dr. Winter vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, — Dr. Land rock vom 

2. Bat (Meiningen) 6. Thüring. Landw.-Regts. No. 95, — und Prahl vom 1. Bat 
(Kiel) Holstein. Landw.-Regts. No. 85, — zu Assist.-Aerzten 1. CI. der Landw.; 
die Unterärzte: Dr. Arndt vom Ostpreuss. Füs.-Regt No. 33, — Beckmann vom 
8. Pommer. Inf.-Regt. No. 61, dieser unter Versetzung zum 6. Pommer, Inf.-Regt 
No. 49, Dr. Krem er vom Cürassier-Regt. Königin (Pommerschen) No. 2, — Löchner 
vom 1. Brandenburg Feld-Art.-Regt. No. 3 (General-Feldzeugmeister), dieser unter 
Versetzung zum 4. Pommer. Inf.-Regt. No. 21, — Dr. Uhl vom Magdebuig. Jäger- 
Bat. No. 4, unter Versetzung zum 4. Thüring. Inf.-Regt No. 72, — Dr. Lotsch 
vom Inf.-Regt. No. 132, unter Versetzung zum 6. Brandenburg. Inf.-Regt No. 52, — 
und Dr. Baege vom Hus.-Regt Kaiser Franz Joseph von Oesterreich, König von 
Ungarn (Schleswig-Holstein.) No. 16, unter Versetzung zum 1. Magdeburg. Inf.- 
Regt. No. 26, — zu Assist.-Aerzten 2. CI.; die Unterärzte der Reserve: Funck 
vom 2. Bat. (Freistadt) 1. Niederschles. Landw.-Regts. No. 46, — Dr. Sperling, 
Dr. Aye, Dr. Lövinson und Dr. Düsterwald vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) 
No. 35, — Dr. Brey er und Zdralek vom Res.-Landw.-Regt. (1. Breslau) No. 38, — 
Dr. Bernhard vom 2. Bat. (Brieg) 4. Niederschles. Landw.-Regts. No. 51, — Simons 
vom 2. Bat. (Saarlouis) 4. Rhein. Landw.-Regts. No. 30, — Dr. Cramer vom 
(1. Bat. (Stendal) 1. Magdeburg. Landw.-Regts. No. 26, — Home ist er vom 1. Bat 
Kiel) Holstein. Landw.-Regts. No. 85, — Westendorf vom 1. Bat. (Hamburg) 
2. Hanseat. Landw.-Regts. No. 76, — Burgtorf vom 2. Bat (2. Oldenburg) Olden¬ 
burg. Landw.-Regts. No. 91, — Braun vom 1. Bat (Marburg) 1. Hess. Landw.- 
Regts. No. 81, — Weng vom 1. Bat. (Bruchsal) 3. Bad. Landw.-Regts. No. 111, — 


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Dr. Fischbein vom 2. Bat. (Dortmund) 3. Westfal. Landw.-Regts. No. 16; — und 
Dr. Levinstein vom 2. Bat (Teltow) 7. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 60, — 
zu Assist.-Aerzten 2. CI. der Res.; —der Unterarzt der Landw. Dr. Branden¬ 
burg vom 2. Bat (Wohlan) 1. Schles. Landw.-Regts. No. 10 zum Assist-Arzt 2. CI. 
der Landw.; der Unterarzt der Marine-Res. Tjarks vom 1 . Bat (Kiel) Holstein. 
Landw.-Regts. No. 85, zum Assist-Arzt 2 . CI. der Marine-Res. — Versetzt werden: 
Der Oberstabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt Dr. v. Kranz vom 1 . Hess. Inf.-Regt 
No. 81 zum 6 . Bad. Inf.-Regt No. 114; die Stabs- und Bats.-Aerzte Dr. Riebe 
vom 2. Bat. 1 . Westpreuss. Grenad.-Regts. No. 6 zum 2 . Bat. 4. Posen. Inf.-Regts. 
No. 59, und Dr. Hümmerich vom 3. Bat. Hess. Füs.-Regts. No. 80 zum Garde- 
Schützen -Bat, der Stabsarzt Dr. Rochs vom medicinisch-chirurgischen Friedrich- 
Wilhelms-Institut als Abtheilungsarzt zur 2 . Abtheilung des 2. Garde-Feld-Art-Regts., 
der Stabsarzt Dr. Bungeroth vom medicinisch - chirurgischen Friedrich-Wilhelms- 
Institut als Bats.-Arzt zum 3. Bat Niederrhein. Füs.-Regts. No. 39; der Stabsarzt 
Dr. Schwieger vom medicinisch-chirurgischen Friedrich-Wilhelms-Institut und 
commandirt zur Dienstleistung bei dem Bezirks-Commando des Res.-Landw.-Regts. 
( 2 . Berlin) No. 35, zu diesem Bezirks-Commando; die Stabs- und Bats.-Aerzte 
Dr. Baerensprung vom Brandenburg. Pion.-Bat. No. 3, — und Dr. Renvers 
vom 3. Bat. Niederrhein. Füs.-Regts. No. 39, — beide zum medicinisch-chirurgischen 
Friedrich-Wilhelms-Institut; die Assist.-Aerzte 1 . CI.: Dr. Terstesse vom 3. Hannov. 
Inf.-Regt. No. 79, zum 1 . Hannov. Inf.-Regt No. 74, Dr. Krause vom Garde- 
Schützen - Bat. zum Bezirks-Commando des Res. - Landw. - Regte. ( 1 . Berlin) N 6 . 35, 
Scriba vom Inf.-Regt. No. 129 /zum Hess. Feld-Art.-Regt. No. 11, Dr. Kobelins 
vom 4. Thüring. Inf.-Regt. No. 72 zum 2. Schles. Hus.-Regt. No. 6 , Dr. Klamroth 
vom Hess. Train-Bat No. 11 in die etatsmässige Stelle bei dem General- und 
Coipsarzt des 11 . Armee-Corps, und Dr. Hahn v. Dorsche vom 3. Hess. Inf.-Regt 
No. 83 zum Westpreuss. Cürassier-Regt. No. 5; die Assist.-Aerzte 2. CI.: Dr. Letz 
vom Ostpreuss. Füs.-Regt No. 33 zum Nass. Feld-Art.-Regt. No. 27, Dr. Keitel 
vom 4. Bad. Inf.-Regt. Prinz Wilhelm No. 112 zum Kaiser Franz Garde-Gren. - Regt. 
No. 2 , und Dr. Koch vom 1 . Schles. Grenad.-Regt. No. 10 und commandirt zur 
Dienstleistung bei der Marine, zur Marine. — Der Stabs- und Bats.-Arzt Dr. Krocker 
vom Garde-Schützen-Bat. wird als Hülfsreferent zur Militär-Medicinal-Abtheilung des 
Kriegsmioisteriums commandirt — Der Abschied bewilligt: Dem Ober-Stabsarzt 
1 . CL Dr. Hoepffner, Marine-Stationsarzt der Ostsee, unter Verleihung des Charakters 
als Generalarzt 2 . CI., mit der gesetzlichen Pension und der Erlaubnis zum Tragen 
der Uniform der Marine-Aerzte mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Ab¬ 
zeichen; dem Stabs- und Bats.-Arzt Dr. Rosenzweig vom 2 . Bat. Schles. Füs.- 
Regts. No. 38, unter Verleihung des Charakters als Ober-Stabsarzt 2 . CI., mit der 
gesetzlichen Pension und der Erlaubnis zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit 
den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen; dem Stabs- und Bats.-Arzt 
Dr. Wollf vom 2. Bat. 4. Pos 6 n. Inf.-Regts. No. 59 mit der gesetzlichen Pension 
und der Erlaubnis zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete 
vorgeschriebenen Abzeichen; dem Assist.-Arzt 2. CI. Apstein vom Westpreuss. 
Feld-Art.-Regt. No. 16 mit der gesetzlichen Pension; ferner: den Stabsärzten der 
Landw.: Dr. Hahn vom 1 . Bat. (Brandenburg a. H.) 7. Brandenburg. Landw.-Regts. 
No. 60, Dr. Lodemann, und Dr. Block vom Res.-Landw.-Bat. (Hannover) No. 73 ; 
sowie dem Assist.-Arzt 1. CI. der Landw. Dr. König vom 1 . Bat. finden; 2 . Westfal! 
Landw.-Regts. No. 15. 

Berlin, den 20. April 1886. 


Nachweisung der beim Sanitätscorps im Monat März 1886 ein¬ 
getretenen Veränderungen. 

Durch Verfügung des General-Stabsarztes der Armee. 

Den 5. März 18 86 . 

Dr. Arndt, Unterarzt vom Ostpreuss. Füs.-Regt. No. 33 , 

Dr. Baege, Unterarzt vom Hus.-Regt. Kaiser Franz Joseph von Oesterreich König 
von Ungarn (Schleswig-Holstein.) No. 16, 6 


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Dr. Kremer, Unterarzt vom Cür.-Regt. Königin (Pomm.) No. 2, 

Dr. Uhl, Unterarzt vom Magdeburg. Jäger-Bat. No. 4; 

den 13. März 1886, 

Dr. Leuchert, Unterarzt vom Hannov. Pion.-Bat. No. 10; 

den 20. März 1886, 

Jacobi, Unterarzt vom Schles. Feld-Art.-Regt. No. 6, — sämmtlich mit Wahr¬ 
nehmung je einer bei den betreff. Truppentheilen vacanten Assist. - Anstelle 
beauftragt. 

Dr. Kübler, Unterarzt vom Magdeburg. Füs.-Regt No. 36, 

Dr. Stern, Unterarzt vom Feld-Art-Regt. No. 16; 

den 26. März 1886, 

Dr. Johannes, Unterarzt vom Thüring. Feld-Art.-Regt. No. 19, — sämmtlich mit 
Wahrnehmung je einer bei den betreff. Truppentheilen vacanten Assist.-Arztstel)e 
beauftragt. 


Veränderungen im Königlich Bayerischen Sanitäts-Corps. 

Den 3. April 1886. 

Dr. Schiestl, Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt vom 3. Chev.-Regt. Herzog 
Maximilian, mit Pension zur Disp. gestellt. 

Dr. Müller, Ober-Stabsarzt 1. CL, Garnisonarzt von der Commandantur Würzburg, 
als Regts.-Arzt zum 4. Chev.-Regt. König, unter gleichzeitiger Beauftragung mit 
Wahrnehmung der divisionsärztlichen Function bei der 2. Div., 

Dr. Leitenstorfer, Stabsarzt vom 2. Train-Bat., als Garnisonarzt zur Comntan- 
dantur Würzburg, 

Dr. v. Varennes-Mondasse, Stabsarzt vom 1. Train-Bat., als Bats.-Arzt zum 
15. Inl-Regt. König Albert von Sachsen, 

Dr. Kölsch, Stabsarzt vom 10. Inl-Regt. Prinz Ludwig, zum 1. Fuss-Art-Regt. 
Bothmer, 

Dr. Roth, Stabsarzt vom 17. Inf.-Regt Orff, zum 2. Fuss-Art-Regt, 

Dr. Zimmermann, Assist-Arzt 1. CI. vom 1. Fuss-Art-Regt. Bothmer, unter Ver¬ 
leihung des Charakters als Stabsarzt, als Bats.-Arzt zum 4. Inl-Regt König 
Carl von Württemberg, 

Dr. Koch, Assist.-Arzt 1. CI. vom 10. Inf.-Regt. Prinz Ludwig, zum 1. Train-Bau, 

Brückl, Assist-Arzt 2. CI. vom 12. Inf.-Regt Prinz Arnulf, zum 1. Fuss-Art-Regt. 
Bothmer, 

Dr. Münch, Assist.-Arzt 2. CI. vom 5. Inl-Regt Grossherzog von Hessen, zum 
2. Train-Bat, — versetzt. 

Dr. Mo8er, Stabsarzt, als Regts.-Arzt im 10. Inl-Regt. Prinz Ludwig, 

Dr. Deininger, Stabsarzt vom 3. Feld-Art-Regt. Königin Mutter, als Regts.-Arzt 
im 3. Chev.-Regt Herzog Maximilian, — zu Ober-Stabsärzten 2. CI. befördert. 

Die Assist-Aerzte 1. CI.: 

Dr. Lacher, vom 3. Inf.-Regt. Prinz Carl von Bayern, als Bats.-Arzt im 17. Inl- 
Regt Orff, 

Dr. Büchner, vom 1. Feld-Art.-Regt. Prinz Luitpold, als Abtheil.-Arzt im 3. Feld- 
Art.-Regt Königin Mutter, — zu Stabsärzten, 

Dr. Hermann, Lochbrunner (MünchenI), Kienningers (Augsburg), Dr. Reichart 
(Ingolstadt), Dr. Ehr mann, Dr. Selig (Aschaffenburg), Dr. Pauli (Landau), 
Assist-Aerzte 1. CI. des Beurlaubtenstandes, zu Stabsärzten des Beurlaubten¬ 
standes, — befördert. 

Die Assist.-Aerzte 2. CI.: 

Dr. Fruth im 2. Inf.-Regt. Kronprinz, 

Dr. Hering im 5. Chev.-Regt Prinz Otto, — zu Assist-Aerzten 1. CI., 

Dr. Bernpointner (Mindelheim), Dr. Schech (Ingolstadt), Dr. Rauch (Hof), 
Dr. Schülein (Bayreuth), Dr. Walter (Nürnberg), Veltung, Dr. Zeitler 
(Erlangen), Dr. Entres, Dr. Schuster (Kitzingen), Dr. H ausmann (Bamberg) 


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Kemper (Kissingen), Dr. Schirmer, Dr. Kräh (Aschaffenburg), Held (Speyer), 
Dr. Breith (Zweibrücken), Assist.-Aerzte 2. CI. des Beurlaubtenstandes, zu 
Assist-Aerzten 1. CI. des Beurlaubtenstandes, — befördert. 

Dr. Mayrhofer, Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt im 18. Inf,-Regt. Prinz 
Ludwig Ferdinand, 

Dr. Ebenböch, Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt im 2. Chev.-Regt. Taxis, 
— ein Patent ihrer Charge verliehen. 

Dr. Schmid, Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt im 12. Inf.-Regt. Prinz Arnulf, 
als Ober-Stabsarzt 1. CI., 

Dr. So Ihrig, Stabs- und Abtheil.-Arzt im 3. Feld-Art.-Regt. Königin Mutter, als 
Ober-Stabsarzt 2. CI., — charakterisirt. ' 

Durch Verfügung des Kriegsministeriums. 

Den 13. April 1886. 

Seitz, einjährig-freiwilliger Arzt des 1. Inf.-Regts. König, zum Unterarzt im 12. Inf.- 
Regt. Prinz Arnulf, unter gleichzeitiger Beauftragung mit Wahrnehmung einer 
vacanten Assist-Arztstelle, ernannt. 

Den 17. April 1886. 

Dr. Goldstein (Aschaffenburg), Dr. Schmitz (Zweibrüeken), Assist. - Aerzte 1. CI. 
des Beurlaubtenstandes, der Abschied ertheilt. 


VeräDderuDgen im Königlich Sächsischen Sanitäts-Corps. 

Allerhöchster Beschluss vom 22. April 1886. 

Dr. Oelsner und Dr. Kuntze, Unterärzte der Res. des Res.-Landw.-Bats. (Dresden) 
No. 108 und, 

Dr. Klinkhardt, Unterarzt der Res. des 1. Bats (Leipzig) 7. Landw.-Regts No. 106, 
zu Assistenzärzten 2. CI. der Reserve — befördert. 

Dr. Berckholtz, Königl. Preuss. Assistenzarzt 2. CI. der Res. a. D., als Assistenz¬ 
arzt 2. CI. unter dem 1. Mai er. bei dem Garde-Reiter-Regiment angestellt. 

Dr. v. Villers, Assistenzarzt 1. CI. des 3. Infanterie-Regiments No. 102, zum 
2. Ulanen-Regiment No. 18 (Garnison Geithain) versetzt. 

Dr. Werner, Assistenzarzt 1. CI. des 9. Infanterie-Regiments No. 133, aus dem 
activen Sanitäts-Corps ausgeschieden und zu den Sanitäts-Offizieren der Reserve 
des 1. Bats. (Borna) 8. Landw.-Regts. No. 107 übergetreten. 

Dr. Lier, Stabs- und Bataillonsarzt des 5. Infanterie-Regiments „Prinz Friedrich 
August 4 No. 104, in Genehmigung seines Gesuches mit der gesetzlichen Pension, 
aus Allerhöchsten Kriegsdiensten, und 

Dr. Freitag undDr. Meybürg, Stabsärzte der Res. des 1. Bats. (Plauen) 5. Landw.- 
Regts. No. 104, aus Allerhöchsten Kriegsdiensten behufs Ueberführung in den 
Landsturm — der Abschied bewilligt. 

Durch Verfügung des Kriegsministeriums vom 25. März 1886. 

Schneider, Oberapotheker der Res. im Bezirke des 1. Bats. (Plauen) 5. Landw.- 
Regts. No. 104, befehligt zu einer viermonatlichen Probedienstleistung behufs 
Wahrnehmung des Dienstes der vacanten Corps-Stabsapothekerstelle des XII. (K.S.) 
Armee-Corps, unterm 1. April er. zum Corps-Stabsapotheker ernannt. 


Veränderungen im Königlich Württembergischen Sanitäts-Corps. 

Dr. Lech ler, Unterarzt im 7. Infanterie - Regiment No. 125, unter Versetzung in 
das 4. Infanterie-Regiment No. 122, zum Assistenzarzt 2. CL ernannt. 
Schlesinger, Stabsarzt der Landw. im 2. Bat. (Hall) 4. Landw.-Regts. No. 122, 
Dr. Jahn, Assistenzarzt 1. CI. im 8. Inf.-Regt. No. 126, — der Abschied bewilligt. 


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Orden und Auszeichnungen. 

Ritterkreuz 1. CI. des Badischen Ordens vom Zähringer Löwen: 

Dem Ober-Stabsarzt a. D. Dr. Nüsse (Potsdam). 
Ritterkreuz 1. CI. des Königl. Sächsischen Albrechts-Orden: 

Dem Stabsarzt a. D. Dr. Crede (Dresden). 


Familien-N achrich ten. 

Verlobungen: Pfeffer, Assistenzarzt 1. CI. im 4. Pomm. Inf.-Regt. No. 21, mit 
Frl. Rosa Rudies (Thorn). — Dr. Heinicke, Assistenzarzt 1. CI. im 
2. Thüring. Inf.-Regt. No. 32, mit Frl. Helene Feder (Coburg). 
Verbindungen: Dr. Otto Marsch, Assistenzarzt 1. CI. im Regt, der Gardes du 
Corps, mit Frl. Hedwig Brunner. — Dr. Nepomuk Weber, Königl. Bayer. 
Ober-Stabsarzt a. D., mit Frl. Marie Weber (München). 

Geburten: (Tochter): Dr. Heckenbach, Stabs- und Abtheil.-Arzt in Düsseldorf.— 
Dr. Lange, Stabsarzt in Saarlouis. — 

Todesfälle: Moritz Kruspe, Assistenzarzt 1. CI. im Sachs. 2. Ulanen - Regiment 
No. 18. — Dr. Zollenkopf, Stabs- und Bats.-Arzt im Sachs. Infanterie-Regt. 
No. 102. — Dr. Söltl, Bayer. Ober-Stabsarzt a. D. (Langenbruck). — 
Dr. Buchholz, Ober-Stabsarzt a. D. (Spandau). 


Gedruckt in der Königlichen Bofbuchdruckerei ron E. S. Mittler und Sohn, Berlin, Kocbetraue G8— 7<s. 


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Amtliches Beiblatt 

zur 

Deutschen militärärztlichen Zeitschrift 

1886. — Fünfzehnter Jahrgang. — M 6. 


Berlin, den 31. März 1886. 

Die jährlich zunehmenden Badegesnche inactiver Mannschaften machen eine 
Beschränkung der Badebewilligungen, wie Vereinfachung des Geschäftsverkehrs 
nothwendig. 

Es kann daher von diesem Jahre ab die Wohlthat einer kostenfreien Badecur nur 
denjenigen als invalide anerkannten, unbemittelten Mannschaften zugewendet werden, 
deren Leiden zweifellos aus einer Kriegs- oder Friedens-Dienstbeschädigung herrührt 

Inactive Mannschaften, welche auf Grund des §.110 des Militär-Pensions-Gesetzes 
oder auf Grund der Allerhöchsten Cabinets-Ordre vom 12. Juli 1884 (A.-V.-B1. S. 139) 
Unterstützungen erhalten, werden bezüglich der Badecuren den Pensionsempfängern 
gleich erachtet 

Dagegen können die im Civilstaatsdienst (§. 106 des Militär-Pensions-Gesetzes) 
angestellten oder aus diesem Dienst als Pensionäre wieder ausgeschiedenen ehe¬ 
maligen Militär-Invaliden beim Nachweise des Zusammenhanges ihres jetzigen Leidens 
mit einer Kriegs-, oder Friedens-Dienstbeschädigung gleich den in der Militär-Ver¬ 
waltung als Beamte angestellten Invaliden nur noch gegen Bezahlung der Selbstkosten 
zu Badecuren zugdassen werden. 

Bezüglich der Badecuren für die hn activen Dienst befindlichen Mannschaften 
vem Feldwebel abwärts verbleibt es bei deit bisherigen Bestimmungen. 

Die Entscheidung auf die Anträge wegen Zulassung inactiver Mannschaften zu 
kostenfreien Badecuren nach den der Militär-Verwaltung zur Verfügung stehenden 
Carorton, desgleichen die Bewilligung von Badecuren gegen Bezahlung der Selbst¬ 
kosten wird wieder, wie es bis zum Erfass der Badebeatimmungen vom 18. Juni 1878 
der Fall war, den Königlichen General-Coimnandos übertragen. 

Aus dem allgemeinen Pensionsfonds sind daher für das Jahr 1886 die Mittel 
abgezweigt, um in Summe 185 Invaliden etc. zu kostenfreien Badecuren ohne dies¬ 
seitige Genehmigung zulassen zu können. 

Der Entscheidung der Unterzeichneten Abtheilung unterliegen die Gesuche um 
BadeeurbewilKgungett 

a. in den für gewöhnlich den Mannschaften nicht zugänglichen Curorten, wie 
* Karlsbad, Marienbad etc., 

b. für tu Bayern, Sachsen und Württemberg lebende Preussische Invalide, 

c. für m den Garnfoon-Lazarethen als Passanten verpflegte Mannschaften und 

d. die Gesuche um Gewährung von Beihülfen zum häuslichen Gebrauch von 
Brunnen oder Bädern für solche inactive Mannschaften, deren Leiden 
bereits soweit vorgeschritten ist, dass von einer Badecur höchstens ein 
kurz vorübergehender Erfolg erwartet werden kann. 


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Aasserdem wird die Abtheilung Badecuren für in Preussen lebende Königlich 
Bayerische, Württembergische und Sächsische Invalide, sowie für Invalide der 
Kaiserlichen Marine vermitteln. 

Bezüglich der Kostenverrechnung wird ganz ergebenst ersucht, die Liquidationen 
über Badecurkoaten für inacdve Mannschaften gleich nach Beendigung der Cursaison 
aufstellen und von den Intendanturen ohne Verzug auf die Militär-Pensions-Casse 
hierselbst zur Verausgabung beim Abschnitt »Insgemein“ der reservirten Fonds des 
Allgemeinen Pensionsfonds anweisen zu lassen, damit rechtzeitig die wirklichen 
Kosten bekannt werden und über die Gesammtmittel des Titels sicher disponirt 
werden kann. 

Um später eine Ausgleichung in der Zahl der den Königlichen General-Commandos 
überlassenen Curbewilligungen nach Maassgabe der thatsächlichen Verhältnisse 
bewirken zu können, haben die Intendanturen in der alljährlich im Frühjahr ein- 
zureichenden Nachweisung über getroffene Badevorkehrungen unter Bubrik «Zahl 
der Mannschaften, welche im Vorjahre die Cur gebraucht haben* anzugeben, wie 
viel inactive Mannschaften aus jedem Armee-Corps zu kostenfreien Curen ä conto 
des Allgemeinen Pensionsfonds zugelassen waren. 

.Abdrücke dieses Erlasses für die Divisions - Commandos werden zur 

Benachrichtigung der Landwehr-Bataillone und Divisions-Intendanturen unter dem 
ergebensten Ersuchen beigefügt, hiervon dem Corps-Generalarzt und der Corps- 
Intendantur sehr gefälligst Kenntniss geben zu wollen. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal - Abtheilung, 
v. Lauer. Lentze. 

No. 597/1. M. M. A. 


Berlin, den 5. April 1886. 

Die Königliche Intendantur wird mit Bezug auf den Bericht vom 30. v. Mts. 
und auf den Schlusspassus der Verfügung vom 23. Februar 1881 No. 668. 12. M. 
O. D. 4 ergebenst benachrichtigt, dass auf die danach am 1. April jeden Jahres 
zu erstattenden Anzeigen über die etwa für das folgende Etatsjahr zu beantragenden 
ersten Bauraten für das diesseitige Ressort künftig verzichtet wird, da die betreffenden 
Verhältnisse hier auch ohne jene Anzeigen übersehen werden können. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung, 
v. Laner. v. Coler. 

No. 124. 4. M. M. A. 


Berlin, den 7. April 1886. 

Mit Bezug auf die Verfügung des Königlichen Militär-Oekonomie-Departements 
vom 22. Februar er. No. 667. 1. M. 0. D. 4, Latrinen-Einrichtungen betreffend, 
wird ergebenst darauf aufmerksam gemacht, dass das sogenannte Mainzer Tonnen¬ 
wagen-System für Garnison-Lazarethe nach den Verfügungen des genannten Departe¬ 
ments vom 19. Juni 1883 No. 463. 3. M. 0. D. 4 und vom 26. November 1884 
No. 518. 9. M. O. D. 4, Passus 1 in der Regel nicht anwendbar ist, weil die Noth- 
wendigkeit besonderer Abfallrohre für jeden Sitz und die nach verschiedenen Stock¬ 
werke zu trennende Ventilation Schwierigkeiten verursachen. Wenn dasselbe in 


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besonderen Fällen bei eingeschossigen Krankengebäuden (Baracken) zulässig erscheint, 
ist solches bezw. die Abweichung von dem Normal-Tonnen-System in den betreffenden 
Projecten zu begründen. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung, 
v. Lauer. v. Coler. 

No. 1496. 1. M. M. A. 


A.-V.-Bl. No. 13. 

Neubearbeitete Beilage 5 der Kriegs-Sanitäts-Ordnung, 
Medicinisch-chirurgischer Etat. 

Berlin, den 13. Mai 1886. 

Behufs Durchführung der antiseptischen Wundbehandlung im Felde hat das 
Feld-Sanität8xnaterial wesentlich umgestaltet und die Beilage 5 der Kriegs-Sanitäts- 
Ordnung vom 10. Januar 1878, Medicinisch-chirurgischer Etat, neu bearbeitet werden 
müssen. 

Die neu bearbeitete Beilage wird den Königlichen Commandobehörden in der 
erforderlichen Zahl nebst Vertheilungsplan unter Umschlag zugehen. 

Demnächst ist dafür Sorge zu tragen, dass jedem Exemplar der Kriegs-Sanitäts- 
Ordnung die bisherige Beilage 5, Seite 287 bis 404, entnommen und die neue Bei¬ 
lage, Seite 287 bis 404 w, einverleibt wird. 

Die letztere Beilage wird im Verlage der Königlichen Hofbuchhandlung von 
E. 8. Mittler und Sohn, Berlin SW., Kochstrasse No. 68—70, und zwar bei 
directer Bestellung zum Preise von 1 Mark pro Exemplar erscheinen. 

Kriegaministerium. 

Bronsart v. Schellendorfi 

No. 1884/4. 86. M. M. A. 


Personal-Veränderungen im Sanitäts-Corps. 

Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen. 

Befördert werden: die Ober-Stabsärzte 2. Classe und Regimentsärzte: 
Dr. Wie blitz vom 5. Pommerschen Infanterie-Regt. No. 42, — Dr. Kuhrt vom 
Altmärk. Ulanen-Regt. No. 16, — Dr. Schoenleben vom 1. Schles. Drag.-Regt. 
No. 4, — Dr. Koke vom 7. Rhein. Inf.-Regt. No. 69, — sowie der Ober-Stabs¬ 
arzt 2. CI. Dr. Nieter, Garaisonarzt in Neisse, — zu Ober-Stabsärzten 1. CI.; 
der Ober-Stabsarzt 2. CI. Dr. Grossheim, Referent bei der Militär-Medicinal-Abthei¬ 
lung des Kriegsministeriums, zum Ober-Stabsarzt 1. CI., dieser vorläufig ohne Patent; 
die Stabs- und Bataillonsärzte: Dr. Weber vom 2. Bat. 4. Garde-Gren.-Regts. 
Königin zum Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt des 5. Westfäl. Inf.-Regts. 
No. 53, — Dr. Zabel vom 2. Bat. Inf.-Regts. Prinz Friedrich Karl von Preussen 
(8. Brandenburgischen) No. 64 zum Ober - Stabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt des 
Ostpreussischen Drag.-Regts. No. 10, — Dr. Bernigau vom 2. Bat. 3. Brandenburg. 
Inf.-Regt8. No. 20 zum Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt des 1. Westfäl. Inf.- 
Regts. No. 13, — Dr. Wallmüller vom 2. Bat. 4. Westfäl. Inf.-Regts. No. 17 zum 
Ober-Stabsarzt 2. CI. und Garaisonarzt in Danzig, — Dr. Beese 1 vom 2. Bat. 6. Wesfäl. 
Inl-Regts. No. 55 zum Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt des Gren.-Regte. 
Kronprinz (1. Ostpreussischen) No. 1, — und Dr. Schlott vom 2. Bat. 3. Grossherzogi. 
Hessischen Inf.-Regts. (Leib-Regiments) No. 117 zum Ober-Stabsarzt 2. CI. und 
Regimentsarzt des Westpreuss. Cürassier-Regts. No. 5; — der Stabsarzt Dr. 


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Koenig von der Unfceroff.-Schule in Potsdam zum Ober-Stabsarzt U. GL und 
Regimentsarzt des 1. Garde - Ulanen - Regts.; — die Assistenzärzte l. CUsse: 
Dr. Schjerning in der etatsmässigen Stelle bei dem General- und Corpsarzt des 
Garde-Corps zum Stabs- und Bataillonsarzt des 2. Bats. 4. Garde-Gren.-Regts. 
Königin, — Dr. Heinrici vom Ostpreuss. Ulanen-Regt No. 8 zum Stabs- und 
Bataillonsarzt des 2. Bats. 3. Niederschles. Inf.-Regts. No. 50, — Dr. Neumann 
vom 1. Garde-Feld-Artillerie-Regt. zum Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. In£-Regts. 
Prinz Friedrich Karl von Preussen (8. Brandenburgischen) No. 64, —Dr. Breitung 
vom Kaiser Franz Garde-Gren.-Regt. No. 2 zum Stabs- und Bataillonsarzt des 

2. Bats. 6. Westfäl. Inf.-Regts. No. 55, — Dr. Dengel vom Kaiser Alexander 
Garde-Gren.-Regt. No. 1 zum Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. 3. Brandenburg. 
Inf.-Regts. No. 20, — Dr. Thiele vom 3. Garde-Regt zu Fuss zum Stabs- und 
Abth.-Arzt der Reitenden Abtheilung Niederschles. Feld-ArtilL-Regts. No. 5, — 
Dr. v. Platen vom 3. Pomm. Inf.-Regt No. 14 zum Stabs- und Bats.-Arzt des 

3. Bats. Sobleswig-Holsteinschen Fus.-Regts. No. 86, — und Dr. Gehrick vom 1« 
Haimov. Inf.-Regt No. 74 zum Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. 4. Westfäl. 
Inf.-Regts. No. 17; — die Assist-Aerzte 2. CL der Reserve; Dr. Bremer vom 
1. Bat (Danzig) 8. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 45, — Dr. Backhaus vom 

1. Bat (Hemfeld) 2. Thüring. Landw. - Regts. No. 32, — Dr. Cordes vom 2. Bat 
(Längen) Ostfries. Landw.-Regts. No. 78, — Dr. Karst vom 1. Bat (Brandenburg a./H.) 
7. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 60, — Dr. Bielefeld vom 1. Bat (Giessen) 

2. Grossherzogi. Hess. Landw.-Regts. No. 116,— Dr. Reichel, Dr. Wiesenthal, 
Dr. Morgenstern und Dr. Gottstein vom Res.-Landw.-Regt (1. Berlin) No. 35,— 
Dr. Jannes vom 1. Bat (Aachen) 1. Rhein.Landw.-Regts. No. 25,— Dr. Weissenfels 
vom 2. Bat (Fulda) 1. Hess* Laudw.-Regts. No. 81, — Dr. Skrseczek vom 
1. Bat (Rybnik) 1. Oberschles. Landw.-Regts. No. 22, — Dr. Bogatsoh vom Res.- 
Landw.-Regt. (L Breslau) No. 38, —Dr. Menke vom 2. Bat (Paderborn) 6. WestfäL 
Landw.-Regts. No. 55, — Dr. Martheus vom 1. Bat (Detmold) 6. Westfäl. Landw.- 
Regts. No. 55, — Dannhausen vom 1. Bat (Hildesheim) 3, Hannover. Landw.- 
Regts. No. 79, — Dr. T immer mann vom 2. Bat (Torgau) 4. Magdeburg. Landw.- 
Regts. No. 67, — Dr. Reiss vom Res.-Landw.-Regt (Cöln) No. 40 , — und 
Dr. Leineweber vom 2. Bat. (2. Münster) 1. Westfäl. Landw.-Regts. No. 13, — 
zu Assistenzärzten 1. Classe der Reserve; die Assistenzärzte 2. CL der 
Landwehr: Dr. Weber vom 1. Bat (Potsdam) 3. Brandenburg. Landw.-Regts. 
No. 20, — Dr. Lesser vom 1. Bat (Bitterfeld) 4. Magdeburg. Landw.-Regts. 
No. 67, — Dr. Korn vom 1. Bat (StWendel) 4.Rhein. Landw.-Regts. No.30,— 
Dr. v. Sehlen vom Res.-Landw.-Bat. (Hannover) No. 73, — und Dr. Benckiser 
vom 2. Bat (Heidelberg) 2. Bad. Landw.-Regts. No. 110, — zu Assistenzärzten 

1. CI. der Landwehr; die Unterärzte: Dr. Kühler vom Magdeburg. Füs.- 
Regt No. 36, — Dr; Johannes vom Thüring. Feld-Artil).-Regt No. 19, dieser 
unter Versetzung zum 3. Pomm. Inf.-Regt No. 14, — Dr. Roland vom 4. Nieder¬ 
schles. Inf.-Regt No. 51, — Jacob! vom Schles. Feld-Artill.-Regt No. 6, di es e r 
unter Versetzung zum Leib-Curass.-Regt (Schlesischen) No. 1, — Dr. Len eher t 
vom Hannover. Pionier-Bat No. 10, unter Versetzung zum 4. Bad. Inf.-Regt Prinz 
Wilhelm No. 112, — Dr. Spiering vom Hess. Feld-ArtilL-Regt No. 11, — mmi 
Dr. Stern vom Feld-Artill.-Regt No. 15, — au Assistenzärzten 2. CL; die 
Unterärzte der Reserve: Dr. Messerscbmidt, Dr. Steffen und Dr. Bublits 
vom 1. Bat. (Anolam) 1. Pommer. Landw.-Regts. No. 2. — Dr. Apolant vom 

2. Bat (Nienburg) 1. Hannover. Landw.-Regts. No. 74, — Dr. Langerhans vom 
Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, — Keil vom 2. Bat (Halle) 2. Magdeburg. 
Landw.-Regts. No. 27, — Dr. Franke und Dr. Scholz vom Res.-Laadw.-Regt 
(1. Breslau) No. 38, —Dr. Wachsnervom 2. Bat (Benthes) 2. Oberschles. Landw.- 
Regts. No* 23, —- Dr. Vagedes vom 1. Bat (1. Münster) 1. Westfäl. Landw.- 
Regts. No. 13, — Dr. Ott vom 1. Bat (Kiel) Holstein. Landw.-Regts. Ne. 85, — 
Günter vom 1. Bat (Hildesheim) 3. Hannover. Landw.-Regts. No. T9, — Dr. Jacebi 
vom Re8.-Landw.-Bat. (Hannover) No. 73, — Dr. Rittsteiner vom Ree-Landw.- 
Bat (Frankfurt a. M.) No. 80, — Dr. Grobe vom 9. Bat (Meiningen) 6. ThAriag. 
Landw.-Regts. No. 95, — Dr. Hassenstein vom 2. Bat (Torgaa) 4. M a g d e barg. 


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Landw.-Regts. No. 67, — and Dr. Wilhelm Tom Unterelsäss. Res.-Landw.-Bat. 
(Strassbarg) No. 98, — za Assistenzärzten 2. CL der Reserve. — Der Ober- 
Stabsarzt 2. CL und Bataillonsarzt Dr. Köhler vom 2 . Bat, 2. Garde-Regts. zu 
Fass wird, anter Verleihung eines Patents seiner Charge, zum Regimentsarzt des 
2 . Garde-Regts. za Fass ernannt. — Die Ober-Stabs&rzte 1 . CI. and Regimentsärzte 
Dr. Weber vom 6 . Ostpreuss. Inf.-Regt. No. 43, and Dr. Förster vom 9. Westfäl. 
Feld-Artill.-Regt. No. 22, werden mit Wahrnehmung der drrißionsärstlichen Functio¬ 
nen, ersterer bei der 1 . Division, letzterer bei der 13. Division, beaaftragt. — 
Versetzt werden: Der Ober-Stabsarzt 1 . CI. and Regts.-Arzt Dr. Burehard vom 
2. Garde-Regt. zu Fuss in die erste Garnisonarzt-Stelle zu Berlin; — der Ober- 
Stabsarzt 2. CI. Dr. Bobrik, Garnisonarzt in Danzig, als Regts.-Arzt zum Ost¬ 
preuss. Cürass.-Regt. No. 3 Graf Wrangel; — der Stabs- und Abtheil.-Arzt 
Dr. Riebei von der Reitenden Abtheil, des Niederschles. Feld-Artill.-Regts. No. 5 
als Bat».-Arzt zum 2. Bat. 2. Garde-Regts. zu Fass; — der Stabs- und Baia.-Arzt 
Dr. Smits vom 3. Bat. Scblesw.-Holstein. Füs.-Regts. No. 86 zum Fua-Bat 
2. Nassau. InL-Regts. No. 88 ; — der Stabsarzt Dr. Gallenkamp vom Garde-Fuss- 
Artill.-Regt. zur Unteroffizierschale in Potsdam; — der Stabs- und Bats.-Arzt 
Dr. Ruprecht vom 2. Bat. 3. Niederschles. Inf.-Regts. No. 50 zum Garde-Fuss- 
Art.-Regt; — die Assistenzärzte 1 . CI.: Dr. Brettner vom Invalidenhaase za 
Berlin zum 1 . Garde - Feld- Art - Regt., — Dr. Schwarze vom 2 . Garde-Drag.- 
Regt. in die etatsmässige Stelle bei dem General- und Corpsarzt des Garde-Corps, — 
Dr. Wichnra vom Leib-Cörass-Regt. (Schlesischen) No. 1 zum Schles. Ulanen- 
Regt No. 2, und Dr. Schmidt vom Schleswig. Feld-Art-Regt. No. 9 zum 2 . Garde- 
Drag.-Regt. — Der Abschied wird bewilligt: den Ober-Stabsärzten 1 .CI. and 
Regimentsärzten: Dr. Tegener vom 1 . Garde - Ulanen - Regt., — Dr. Korff 
vom 1 . Westfäl. Inf.-Regt. No. 13, beauftragt mit Wahrnehmung der divisions¬ 
ärztlichen Functionen bei der 13. Div* — Professor Dr. petruschky vom Gren.- 
Regi. Kronprinz ( 1 . Ostpreussischen) No. 1, beauftragt mit Wahrnehmung der 
divlsionsärzdichen Functionen bei der 1 . Div., — und Dr. Erdmann vom Ost¬ 
preuss. Cürass.-Regt. No. 3 Graf Wrangel, — allen vier mit der gesetzlichen 
Pension, dem Charakter als Generalarzt 2 . CI. und der Erlaubnis zum Tragen 
ihrer bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen; — 
dem Ober-Stabearzt 1 . CI. Dr. Ochwadt, 1 . Oamisonarzt in Berlin, unter Ver¬ 
leihung des Charakters als Generalarzt 2 . CI., mit der gesetzlichen Pension und 
der Erlaubnis« zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den ffir Verabschiedete 
vorgeschriebenen Abzeichen; — dem Ober-Stabsarzt 2 . CI. und Regimentsarzt 
Dr. Remacly vom 5. Westfäl. Inf.-Regt. No. 53, und dem Stabs- und Bats.-Arzt 
Dr. Kr5eher vom Ffis.-Bat. 2. Nassau. Inf.-Regt«. No. 88 , diesen beiden mit der 
gesetzlichen Pension und der Erlaubniss zum Tragen ihrer bisherigen Uniform mit 
den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen; — ferner: dem Stabsarzt 
der Reserve Dr. Bernheim vom Res.-Landw.-Regt. (1* Berlin) No. 35; den 
Stabsärzten der Landw.: Dr. Lewinski und Dr. Borgmann vom Res.-Landw.-Regt. 
(1. Berlin) No. 35, — Dr. Kiam&nn vom 2 . Bat. (Jüterbog) 3. Brandenbarg. Landw. - 
Regts. No. 20, — Dr. Wortmann vom 2 . Bat. (Iserlohn) 7. Westfäl. Landw.-Regts. 
No. 56, —und Dr. Wendt vom 1 . Bat (Schwerin) 1 . Grossherzogi. Mecklenburg. 
Landw.-Regts. No. 89; — den Assist-Aerzten 1. CL der Landw.: Dr. Schnabel vom 
2 .Bat.(Kosten) 8 .Pos. Landw.-Regts. No. 58, — Dr. Boesensell vom 2.Bat (Reckling¬ 
hausen) 5. Westfäl Landw.-Regts. No. 53, — und Dr. Jung vom 1 . Bat (Kim) 
7. Rhein. Landw.-Regts. No. 69; — sowie dem Assist-Arzt 2 . CI. der Res. 
Dr. Regling vom 2. Bat (Rastenburg) 5. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 41. 

Berlin, den 15. Mai 1886. 


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Nachweisung der beim Sanitätscorps im Monat April 1886 ein¬ 
getretenen Veränderungen. 

Durch Verfögung des General-Stabsarztes der Armee. 

Den 7, April 1886, 

Dr. Spiering, Unterarzt vom Hess. Feld-Art-Regt. No. 11, 

Schmidt, Unterarzt vom 3. Thüring. Inf.-Regt No. 71, 

Dr. Hol and, Unterarzt vom 4. Niederschles. Inf.-Regt No. 61, 

Dr. Grassmann, Unterarzt vom 1. Oberschles, Int-Regt No. 22; 

den 17. April 1886, 

Dr. Loewe, Unterarzt vom Hohenzollem. Füs.-Regt No. 40; 

den 30. April 1886, 

Dr. Wilberg, Unterarzt vom 2. Hannover. Inf.-Regt. No. 77, — sämmttich mit 
Wahrnehmung je einer bei den betreff. Truppentheilen vacanten Assist-Arztstelle 
beauftragt 


Veränderungen im Königlich Bayerischen Sanitäts-Corps. 

Den 21. April 1886. 

Dr. Horlacher, Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regte.-Arzt des 1. Ulan.-Regts. Kron¬ 
prinz Friedrich Wilhelm des Deutschen Reiches und von Preussen, mit Pension 
. und mit der Erlaubnis zum Tragen der Uniform der Abschied bewilligt 

Dr. Anderl, Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt des 1. Feld-Art-Regts. Prinz 
Luitpold, zum Kriegsministerium, 

Dr. Buchetmann, Ober-Stabsarzt 1. CI., Referent im Kriegsministerium, als 
Regts.-Arzt zum 1. Feld-Art.-Regt Prinz Luitpold, 

Dr. Popp, Stabsarzt vom 16. Inf.-Regt vacant König Alfons von Spanien, zum 
Garnison-Lazaretb Fürstenfeld, 

Dr. Eyerich, Assist-Arzt 1. CI. vom 2. Feld-Art-Regt Horn, zum General- 
commando II. Armee-Corps, 

Dr. Patin, Assist-Arzt 1. CI. vom Generalcommando II. Armee-Corps, zum 2. Feld- 
Art.-Regt Horn, — versetzt. 

Dr. Neumaier, Stabsarzt vom Garnisonlazareth Fürstenfeld, zum Ober-Stabsarzt 2. CI. 
und Regts.-Arzt im 1. Ulan.-Regt Kronprinz Friedrich Wilhelm des Deutschen 
Reiches und von Preussen, 

Dr. Heim, Assist-Arzt 2. CI. im 6. Inf.-Regt. Kaiser W ilhelm König von Preussen, 
zum Assist-Arzt 1. CI., 

Dr. Frobenius, Dr. Kronacher, Schwaiger, Dr. Walther, Dr. Panizza, 
Dr. Krämer (München I), Dr. Lauter (München II), Kimmerle (Kempten), 
Fauler (Mindelheim), Dr. Weber (Augsburg), Bundschu, Dr. Cremer 
(Dillingen), Dr. Mulzer (Regensburg), Boecale (Amberg), Dr. Haselhorst, 
Dr. Struck, Dr. Löhlein, Dr. Höltzke (Hof), Barabo, Dr. Koch, 
Dr. Pauschinger, Dr. Rupprecht (Nürnberg), Dr. Köberlin, Dr. Krämer 
(Erlangen), Dr. Porzelt, Dr. Bretz (Kitzingen), Dr. Börner, Hansmann, 
Dr. Brandewiede, Dr. Boitin (Kissingen), Dr. Unckenbold, Dr. Siebert, 
Schneider, Dr. Hennecke, Dr. Diefenbach, Dr. Lentz (Aschaffenburg), 
Müller (Kaiserslautern), Recum, Ullrich (Speyer), Dr. Teutsch (Landau), 
Dr. Müller (Zweibrücken), Assist-Aerzte 2. CL des Beurlaubtenstandes, zu 
Assist-Aerzten 1. CI. des Beurlaubtenstandes, 

Möhlmann (Kissingen), Mayer (Würzburg), Richter (Kaiserslautern), Reudel- 
huber (Speyer), Unterärzte der Res., zu Assist-Aerzten 2. CI. des Bear- 
laubtenstandes, — befördert. 

Dr. Zimmermann, Stabs- und Bats.-Arzt im 4. Inf.-Regt. König Carl von Württem¬ 
berg, ein Patent seiner Charge verliehen, 

Dr. Schneider, Assist-Arzt 1. CI. a. D., als Assist-Arzt 1. CI. des Beurlanbten- 
standes mit einem Patent vom 2. November 1881 wiedereingereiht 


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Durch Verfügung des Kriegsministeriums. 

Den 18. Mai 1886. 

Hoff mann, einjährig-freiwilliger Arzt, zum Unterarzt im 5. Inf.-Regt. Grossherzog 
yon Hessen ernannt und gleichzeitig mit Wahrnehmung einer vacanten Assist.- 
Arztstelle beauftragt. 


Orden und Auszeichnungen. 

Rother Adler-Orden 4. Classe: 

Dem Marine-Stabsarzt Dr. Schotte. 

Venezuelanischer Orden der Büste Bolivars 4. Classe: 

Dem Marine-Stabsarzt Dr. Dippe. 

Dem Marine-Stabsarzt Dr. Brunhoff. 


Familien - Nachrichten. 

Verbindungen! Dr. Kluge, Assist.-Arzt 1. CI. im Hannov. Hus.-Regt. No. 15, 
mit Frl. Clara Nitze (Arneburg). 

Geburten (Sohn): Dr. Schedler, Assist-Arzt 1. CI. (Weilburg). — Dr. König, 
Stabsarzt (Potsdam). 

Todesfälle: Dr. Bufe, Stabs- und Bats.-Arzt im 8. Rhein. Inf.-Regt. No. 70 
(Diedenhofen). 


Gedruckt Ja der Kdnif liehen Ho fbuchd racker ei von B. S. Mittler und Sohn, Berlin, Kochetruee 68-70. 


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Amtliches Beiblatt 

zur 

Deutschen militärärztlichen Zeitschrift. 

1886. — Fünfzehnter Jahrgang. — M 7. 


Berlin, den 19. April 1886. 

Der Besitzer der Wasserheilanstalt zu Bad Elgersburg i. Th., Stabs¬ 
arzt der Landwehr Dr. Barwinski, hat sich erboten, den einer Cur bedürftigen 
activen und inactiven Offizieren, Sanitätsoffizieren und Militärbeamten in seiner 
Anstalt ohne Rücksicht auf die Saison Curerleichterungen durch Bewilligung 
eines Erlasses von 10 pCt. auf die Gesammtrechnung für Wohnung, Verpflegung, 
Bäder, ärztliche Behandlung etc. zu gewähren, auch den eine Cur nicht gebrauchenden 
Offizieren etc. und den sie begleitenden Angehörigen billigere Preise für Wohnung 
und Pension, als die Taxe vorschreibt, in Rechnung zu stellen. 

Die Unterzeichnete Abtheilung hat dieses Anerbieten annehmen zu sollen ge¬ 
glaubt und gestattet sich, das etc. ganz ergebenst zu ersuchen, den betreffenden 
Kreisen hiervon geneigtest mit dem Bemerken Kenntniss geben lassen zu wollen, 
dass im Bedürfnissfalle die Reflectanten sich mit dem Besitzer der Anstalt direct 
in Verbindung zu setzen haben würden. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 

An sämmtliche Generalcommandos. 

Ew. etc. spricht die Unterzeichnete Abtheilung für Ihr Anerbieten, den in 
Ihrer Anstalt aufgenommenen Offizieren etc. Curerleichterungen durch Bewilligung 
niedriger Preise gewähren zu wollen, den verbindlichsten Dank aus mit dem Hinzu¬ 
fügen, dass von Ihrer^ Offerte den Königlichen General-Commandos behufs weiterer 
Mittheilung Kenntniss gegeben worden ist. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 

An 

den Königlichen Stabsarzt der Landwehr 
Herrn Dr. Barwinski 

Hochwohlgeboren 

in 

Bad Elgersburg i. Th. 

No. 188/1. M. M. A. 

Berlin, den 21. Mai 1886. 

Die Abtheilung nimmt Veranlassung, den unterstehenden Lazarethen die genaue 
Beachtung der Vorschriften im §. 437 des Friedens-Lazareth-Reglements 
in Erinnerung zu bringen, nach welchen am Schlüsse eines jeden Tages die an 
demselben vorgekommenen Einnahmen an Victualien in das Einnahme-Manual 
dergestalt eingetragen werden sollen, dass auf einer Linie die Gesammt-Einnahme 


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für jeden Tag nachgewiesen wird, wenn auch an einem Tage verschiedene Ein* 
lieferungen eines und desselben Beköstigungsartikels stattgefunden haben. 

Ebenso ist auf die Vorschrift im letzten Absatz des §. 437 aufmerksam za 
machen, nach welcher die auf Grund der täglichen Diätzettel und sonstigen ärzt¬ 
lichen Verschreibungen im Laufe eines Tages verausgabten Victualien am Tages- 
schlusse in das Ausgabe-Manual einzutragen sind, woselbst die Ausgabe für jeden 
Tag ebenfalls auf einer Linie nachgewiesen wird. (Conf. auch pass. 5 des Erlasses 
vom 19. Juni 1854 — No. 600. 5. M. 0. D. 4 B. — Seiten 109/110 der zweiten Zu- 
sanjmenstellung der Nachtrags-Bestimmungen zum Friedens-Lazareth-Reglement.) 

Auch die Bestimmung im §. 440 des Friedens-Lazareth-Reglements, nach 
welcher in den Victualien-Mänaalen keine Rasuren Vorkommen dürfen, ist den 
unterstehenden Lazarethen einzuschärfen. 

Demnächst werden die Deputirten der Königlichen Intendantur bei den Local- 
Revisionen der Lazarethe der genauen Beachtung der vorerwähnten Bestimmungen 
sowie überhaupt der Vorschriften über den Victualien-Verkehr, insbesondere hinsichts 
der Qualität der Verpflegungsgegenstände, der Art ihrer Aufbewahrung und Ver¬ 
ausgabung, der Bereitung der Speisen etc. ihre besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden 
und etwaige Verstösse gegen dieselben bei der Königlichen Intendantur behufs event. 
sofortiger ernster Ahndung zur Sprache zu bringen haben. Ueber wichtigere Fälle 
derartiger Verstösse ist hierher zu berichten. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 

An sämmtliche Königliche Corps-Intendanturen. 

| 

Abschrift hiervon wird Euer Hochwohlgeboren mit dem Ersuchen ergebenst 
übersandt, gefälligst die unterstehenden Lazarethe dahin mit Weisung zu versehen, 
dass die Chefärzte bei der Beaufsichtigung des Victualien-Verkehrs auf die Be¬ 
achtung der vorerwähnten Vorschriften zu halten, und die ordinirenden Aerzte bei 
den Diätverordnungen sich streng in den Grenzen der Beköstigungs-Vorschriften zu 
halten haben. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheihing. 

No. 436/5. M. M. A. 1. 


Berlin, den 22. Mai 1886. 

Es ist der Fall vorgekommen, dass das Contracts-Verhältniss mit dem 
Lieferanten von Lebensmitteln für ein Garnison-Lazareth entgegen 
dem fiskalischen Interesse nicht sofort hat gelöst werden können, 
weil die in dem betreffendem Arme(-Corps-Bezirk gebräuchlichen und auch dem 
betreffenden Vertrage zu Grunde gelegten Bedingungen für die Lieferung von 
Victualien für die Garnison - Lazarethe entgegenstanden. Dieselben 
enthielten in Ansehung der Sicherung der Erfüllung der contractlichen Verpflichtungen 
von Seiten des Lieferanten lediglich die Bestimmung, dass bei nicht rechtzeitiger 
Lieferung, oder wenn die Waare nicht die bedungene Qualität hat, und der 
Lieferant sich weigert, dieselbe sofort durch zweifellos den Bedingungen entsprechende 
zu ersetzen, die empfangsberechtigte Behörde befugt ist, die Waare zu jedem Preise 
auf Kosten des Lieferanten zu beschaffen und sich für die hierdurch erwachsenden. 


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Kosten, insbesondere auch aus der Caution des Lieferanten, schadlos zu halten; nur 
für den Fall, dass die Caution in dieser Weise ganz verbraucht ist, ist der Behörde 
die Befugniss Vorbehalten, den Vertrag aufzuheben. 

Wenngleich die Lieferungsverträge in der Regel nur auf ein Jahr geschlossen 
werden, erscheint es bei der grossen Bedeutung, die der Versorgung der Lazarethe 
mit tadellosen Lebensmitteln beizulegen ist, doch zweckmässig, dass die Intendanturen 
sich bezüglich der Aufhebung der betreffenden Lieferungsverträge weitergehende 
Befugnisse sichern, und die Berechtigung zur Aufhebung schon für den Fall Vor¬ 
behalten, dass von der Maassnahme der anderweitigen Beschaffung der Waare auf 
Kosten des Lieferanten wiederholt Gebrauch gemacht werden muss. 

Durch die Aufnahme einer solchen Clausel wurde voraussichtlich die Möglich¬ 
keit gegeben, ihre Beziehungen zu einem nicht in jeder Beziehung reellen Lieferanten 
bei strenger Controle seiner Lieferungen in nicht zu langer Frist zu lösen. 

Der Königlichen Intendantur bleibt hiernach die geeignete weitere Veranlassung 
ergebenst anheimgestellt. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 
v. Lauer. v. Coler. 

No. 806/5. M. M. A. 

Berlin, den 4. Juni 1886. 

Euer Hochwohlgeboren wird auf das gefällige Schreiben vom 12. April 1886 
J.-No. 1359. 86 ergebenst erwiedert, dass in weiterer Ausdehnung der diesseitigen 
Verfügung vom 29. September 1873 ausser dem Seesalz auch Badezusätze 
von Stassfurter Salz, Wittekinder, Kreuznacher Badesalz und Mutter¬ 
lauge für Rechnung des Militärfonds den Soldatenfrauen und Kindern ver¬ 
abreicht werden können, sofern ärztlicherseits die Verordnung von Bädern der 
genannten Art zur Wiederherstellung der Gesundheit nothwendig erachtet wird 
und Euer Hoch wohlgeboren diese Noth Wendigkeit anerkennen. 

- Von Euer Hochwohlgeboren wird bei Revision der betreffenden Rechnungen 
in geeigneter Weise auf Beobachtung der gebotenen Sparsamkeit bei den in Rede 
stehenden Verordnungen und insbesondere darauf hinzuwirken sein, dass das durch 
die diesseitige Verfügung vom 24. September 1878 No. 721. 9. M. M. A. gestattete 
Seesalz nicht ohne zwingenden Grund durch theuerere Badesalze oder Mutterlaugen 
ersetzt wird. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 

No. 976. 4. 86. M. M. A. 


Berlin, den 6. Juni 1886. 

Die Veränderungen, welche bei den ärztlichen Instrumenten, Geräthen 
und Verbandmitteln der Feld-Sanitätsformationen und der Truppen-Arznei¬ 
behältnisse gemäss der unterm 13. Mai 1886 — Armee-Verordnungs-Blatt Seite 159 — 
herausgegebenen neuen Beilage 5 zur Kriegs-Sanitäts-Ordnung eintreten, sind zu¬ 
sammengestellt und mit Ausfuhrungsbestimmungen versehen worden. Von dieser 
Zusammenstellung des Zugangs und des Abgangs an ärztlichem Sanitätsmaterial beehrt 
dem Königlichen Generalcommando sich die Unterzeichnete Abtheilung Exemplare 
mit dem Ersuchen ganz ergebenst zu übersenden, sehr gefällig die weitere Ver- 


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anlassung treffen und darauf hinwirken zu lassen, dass die zur Durchführung der 
antiseptischen Wundbehandlung im Felde erforderliche Umgestaltung des Sanitäts- 
materials möglichst beschleunigt wird. 

Von obiger Zahl der übersandten Exemplare können Corpsarzt und Corpsintendantur 
je2. Traindepot, Verbandmittel-Reserve und die grossen Garnison-Lazarethe je 1 erhalten. 
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung, 
v. Lauer. Grossheim. 

No. 386/6. M. M. A. 


Berlin, den 7. Juni 1886. 

Der Königlichen Intendantur wird beifolgend eine von den Fabrikanten 
Rietschel und Henneberg hierselbst hierher eingesandte Schrift über die von 
denselben hergestellten Desinfections - Apparate zur Kenntnissnahme, Mit¬ 
theilung an den Herrn Corpsarzt und zur Erwägung darüber ergebenst übersandt, 
ob in vorkommenden Bedarfsfällen namentlich in grösseren Lazarethen von diesen 
Apparaten Gebrauch zu machen wäre. Dieselben sollen sich vor anderen ähnlichen 
Apparaten durch Einfachheit und geringen Brennmaterialien-Verbrauch auszeichnen, 
und haben ausserdem den Vorzug, dass kein Anschluss an einen vorhandenen 
Dampfentwickler erforderlich ist, sondern strömende Dämpfe ohne Spannung zur 
Verwendung kommen, und dass daher die polizeilichen Vorschriften über Dampf kesseL 
Anlagen nicht zur Geltung kommen. 

Nach einer Mittheilung des Kaiserlichen Reichs-Gesundheitsamts sind Versuche 
mit dem unter A. II. der Anlage beschriebenen Apparat im Allgemeinen zufrieden¬ 
stellend ausgefallen, Das Reichs-Gesundheitsamt hat zugleich empfohlen, bei Be¬ 
schaffung von Desinfections-Apparaten die Wirksamkeit derselben durch ein 
elektrisches Thermometer mit Läutewerk (vergl. auch Seite 30 der Beilage) prüfen 
zu lassen. Die Königliche Intendantur wird daher ermächtigt, für den dortigen 
Corpsbereich ein solches Thermometer beschaffen zu lassen, und damit eine Prüfung 
der event. zu beschaffenden sowie der bereits vorhandenen Desinfections-Apparate, 
welche auf Verwendung strömender Dämpfe beruhen, bewirken zu lassen. 

Kriegsministerium; Militär-Medidnal-Abtheilung. 
v. Lauer. v. Coler. 

No. 212/6. 86. M. M. A. 

Berlin, den 7. Juni 1886. 

Euer Hoch wohlgeboren ersucht die Abtheilung ergebenst, die Sanitätsoffiziere 
gefälligst darauf aufmerksam zu machen, dass die Nennung der Namen von 
militärischen Kranken in wissenschaftlichen Arbeiten, welche für die 
Oeffentlichkeit bestimmt sind, nicht Platz greifen darf. Auch aus der Mittheilung 
von Obductionsergebnissen ist alles wegzulassen, was nicht zum Befunde selbst 
gehört Es liegt auf der Hand, dass hierdurch der Zweck der Veröffentlichungen 
wichtiger Beobachtungen, der Heilung anderer Kranker förderlich zu sein, in keiner 
Weise beeinträchtigt wird. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung, 
v. Lauer. v. Coler. 

No. 529/6. 86. M. M. A. 


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61 


Personal-Veränderungen im Sanitats- Corps. 

Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen. 

Auf die Gesuche des Sanitäts-Corps für den Monat Mai er. bestimme Ich hier¬ 
durch Folgendes: Befördert werden: der Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt 
Dr. Havixbeck vom 4. Westfal. Inf.-Regt. No. 17 zum Ober-Stabsarzt 1. CI., — 
der Marine-Oberstabsarzt 2. CI. Dr. Gutschow von der 1. Matr.-Div. zum Marine- 
Oberstabsarzt 1. CI., — der Marine-Stabsarzt Dr. Braune von der 2. Matr.-Div. 
zum Marine-Oberstabsarzt 2. CI., — und der Marine-Assist.-Arzt 1. CI. Eiste von 
der 2. Matr.-Div. zum Marine-Stabsarzt, — letztere drei vorläufig ohne Patent; — 
die Unterärzte: Dr. Loewe vom Hohenzollem. Füs.-Regt. No. 40, unter Versetzung 
zum Schleswig. Feld-Art.-Regt. No. 9, — Dr. Wilberg vom 2. Hannov. Inf.-Regt. 
No. 77, unter Versetzung zum 1. Hess. Inf.-Regt. No. 81, — und Dr. Grassmann 
vom 1. Oberschles. Inf.-Regt No. 22, — zu Assist.-Aerzten 2. CI.; — der 
Marine-Unterarzt Thalen von der 1. Matr.-Div. zum Marine-Assist-Arzt 2. CI.; — 
die Unterärzte der Res.: Dr. Korth vom 1. Bat. (Schivelbein) 2. Pomm. Landw.- 
Regts. No. 9, — Dr. Wagner vom 2. Bat (Pr. Stargardt) 8. Pomm. Landw.-Regts. 
No. 61, — Dr. Poggendorff vom 1. Bat. (Anclam) 1. Pomm. Landw.-Regts. 
No. 2, — Dr. Aly vom Res.-Landw.-Bat (Magdeburg) No. 36, — Dr. Gerhartz 
vom Res.-Landw.-Regt. (Cöln) No. 40, — Dr. Beckmann vom 1. Bat (1.Münster) 

1. Westfal. Landw.-Regts. No. 13, — Schultz vom 1. Bat. (Hamburg) 2. Hanseat 
Landw.-Regts. No. 76, — Dr. Lehzen vom Res.-Landw.-Bat (Hannover) No. 73, 
— Gelpke vom 2. Bat. (Halle) 2. Magdeburg. Landw.-Regts. No. 27, — Dr. Thor- 
mählen vom 2. Bat (Göttingen) 3. Hannov. Landw.-Regts. No. 79, — Lorenz 
vom 2. Bat (Mühlhausen i. Th.) 1. Thüring. Landw.-Regts. No. 31, — Regge vom 

2. Bat (Gumbinnen) 2. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 3, — Dr. Kriege vom Unter- 
Elsäss. Res.-Landw.-Bat (Strassburg) No. 98, — Dr. Altmann vom 1. Bat (Lüne¬ 
burg) 2. Hannov. Landw.-Regts. No. 77, — und Dr. Walter vom 1. Bat. (Bremen) 
1. Hanseat Landw.-Regts. No. 75, — zu Assist-Aerzten 2. CI. der Res.; — der 
Unterarzt der Marine-Reserve Marxsen vom 1. Bat. (Kiel) Holstein. Landw.-Regts. 
No. 85 zum Assist-Arzt 2. Ci. der Marine-Reserve. — Der Marine-Oberstabsarzt 
1. Ci. Dr. Hüthe von der 1. Matr.-Div. wird zum Marine-Stationsarzt der Ostsee 
ernannt. — Der Stabsarzt Dr. Dassow, a la suite des Sanitäts-Corps, wird, unter 
Wiedereinrangirung in dasselbe, zum Bats.-Arzt des 2. Bats. 3. Grossherzogi. Hess. 
InL-Regts. (Leib-Regts.) No. 117 ernannt. — Versetzt werden: der Stabs- und 
Bats.-Arzt Dr. Plagge vom Hess. Jäger-Bat. No. 11 zum 2. Bat. 8. Rhein. Inf.- 
Regts. No. 70; — der Stabsarzt Dr. Niebergall vom medicinisch-chirurgischen 
Friedrich-Wilhelms-Institut als Bats.-Arzt zum Hess. Jäger-Bat. No. 11; — die 
r Assist.-Aerzte 2. CI.: Dr. Albrecht vom Hess. Jäger-Bat No. 11 zum 3. Hannov. 
Inf.-Regt. No. 79, — Dr. Proetzsch vom 3. Hess. Inf.-Regt No. 83 zum Cadetten- 
hause zu Oranienstein, — Dr. Walger vom Cadettenhause zu Oranienstein zum 

3. Hess. Inf.-Regt. No. 83, — und Wefers vom 8. Pomm. Inf.-Regt. No. 61, 
commandirt zur Dienstleistung bei der Marine, zur Marine. — Der Abschied 
wird bewilligt: dem Generalarzt 2. CI. und Regts.-Arzt Dr. Starke vom 7. Pomm. 
Inf.-Regt. No. 54 mit der gesetzlichen Pension und der Erlaubniss zum Tragen 
seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen, 
sowie unter Verleihung des Rothen Adler-Ordens 3. CI. mit der Schleife; — dem 
Assist-Arzt 1. CI. Schwanneke vom Magdeburg. Train-Bat No. 4 mit der gesetz- 
lieben Pension; — dem Marine-Oberstabsarzt 2. CI. Dr. Klefeker von der 1. Matr.- 
Div., unter Verleihung des Charakters als Marine-Oberstabsarzt 1. CI., mit der ge¬ 
setzlichen Pension und der Erlaubniss zum Tragen der Uniform der Marineärzte 
mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen; — dem Marine-Stabsarzt 
Dr. Gärtner von der 1. Matr.-Div. mit der gesetzlichen Pension und der Erlaub¬ 
niss zum Tragen der Uniform der Marineärzte mit den für Verabschiedete vorge¬ 
schriebenen Abzeichen; — dem Stabsarzt der Res. Dr. Qu ade vom Res.-Landw.- 
Bat. (Stettin) No. 34 mit der Erlaubniss zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit 
den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen; — den Stabsärzten der Landw.: 


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62 


Dr. Briesewitz und Dr. Sem rau vom 1. Bat (Danzig) 8. Ostpreuss. Landw.- 
Regts. No. 45, — Dr. Schlötke vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, — 
Dr. Haverkamp vom l. Bat (Bochum) 7. Westfal. Landw.-Regts» No. 56, — 
Dr. Th eis vom 1. Bat. (Neuwied) 3. Rhein. Landw.-Regts. No. 29, — Dr. Vossen 
vom 1. Bat (Aachen) 1. Rhein. Landw.-Regts. No. 25, — Dr. Hennings vom 
Res.-Landw.-Bat (Altona) No. 86, — Dr. v. Brunn vom 2. Bat. (Rostock) 2. Groas- 
herzogl. Mecklenburg. Landw.-Regts. No. 90, — Dr. Seebohm vom Res.-Landw.- 
Bat. (Hannover) No. 73, — Dr. Eysell, Dr. Joost und Dr. Glässner vom 
2. Bat. (1. Cassel) 3. Hess. Landw.-Regts. No. 83, — Dr. Peitavy vom 2. Bat. 
(Heidelberg) 2. Bad. Landw.-Regts. No. 110, — Dr. Fischer vom Unter-Klsäss. 
Res.-Landw.-Bat. (Strassburg) No. 98, •— und Dr. Stumpf vom 1. Bat. (Weissen- 
fels) 4. Thüring. Landw.-Regts. No. 72, — diesem mit der Erlaubnis* zum Tragen 
seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen, 
‘sowie den Assist-Aerzten 1. CI. der Landw.: Dr. Steinmeier vom 1. Bat.(Minden) 
2. Westfal. Landw.-Regts. No. 15, — Dr. Schultze vom 2. Bat. (Düsseldorf) 
4. Westfäl. Landw.-Regts. No. 17, — Dr. Apfel vom Res.-Landw.-Regt (Cöln) 
No. 40, — Dr. ZurmQyer vom 1. Bat. (Aurich) Ostfries. Landw.-Regts. No. 78, 
— Dr. Engelbrecht vom 1. Bat (Braunschweig) Braunschweig. Landw.-Regts. 
No. 92, — und Dr. Rehn vom Res.-Landw.-Bat. (Frankfurt a» M.) No. 80. — 
Dem Stabsarzt a. D. Dr. Sabo, zuletzt bei den Sanitäts-Offizieren der Landw. des 
2. Bats. (Cosel) 3. Oberschles. Landw.-Regts. No. 62, wird die Erlaubnis mm 
Tragen der Uniform des Sanitäts-Corps mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen 
Abzeichen ertheilt. 

Ems, den 22. Juni 1886. 


Nachweisung der beim Sanitätscorps im Monat Mai 1886 ein¬ 
getretenen Veränderungen. 

Durch Verfügung des General-Stabsarztes der Armee. 

Den 8. Mai er. 

Thalen, bisher einjährig-freiwilliger Arzt der Marine, zum Unterarzt der Marine 
ernannt und mit Wahrnehmung einer bei derselben vacanten Assist.-Arzt-SteUe 
beauftragt. 

Den 10. Mai er. 

Dr. Ger lach, Unterarzt vom Grossherzogi. Hess. Feld-Art-Regt No. 25 (Gtoss- 
herzogl. Art.-Corps), mit Wahrnehmung einer bei diesem Regt, vacanten Aasiat.- 
Arzt-Stelle beauftragt. 

Den 15. Mai er. 

Dr. Dunbar, Unterarzt von der KaiserL Marine, zum 1. Pomm. Feld-Art-Regt No. 2, 
und 

Dr. Thomas, Unterarzt vom Westfal. Füs.-Regt. No. 37, zur Kaiserl. Marine — 
versetzt. 

Den 21. Mai er. 

Dr. Parthey, Unterarzt vom 1. Hannov. Inf.-Regt. No. 74, 

den 26. Mai er. 

Dr. Hoenow, Unterarzt vom Fuss-Art.-Regt. No. 10, 

Dr. Festenberg, Unterarzt vom 3. Grossherzogi. Hess. Inf.-Regt (Leib-Regt) 
No. 117, 

Dr. Thomas, Unterarzt von der Kaiserl. Marine, — alle vier mit Wahrnehmung 
je einer bei den betr. Truppentheilen bezw. bei der Kaiserl. Marino vacanten 
Assist.-Arzt-Stelle beauftragt 


ü(druckt in der Xöuifllcben Ho fbu eh druck er ei von B. 8. Mittler and Sohn, Berlin Kodutnu*« CS— 70 . 


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Amtliches Beiblatt 

zur 

Deutschen militärärztlichen Zeitschrift. 


1886. — FüBfzehnter Jahrgang. — M 8. 


A.-V.-BL No. 14. 

Berlin, den 20. Mai 1886. 

Behufs Beschränkung der Lazaretheinrichtungen, namentlich an kleinen Garnison¬ 
orten, ist die Ueberführung von transportfähigen Kranken einer Garnison 
nach dem Lazareth einer andern möglichst nahegelegenen Garnison allgemein 
zulässig. Dieses Verfahren kommt nach den in Einzelfallen getroffenen Anordnungen 
bereits in Anwendung für die Garnisonen von der Stärke eines Infanterie-Bataillons 
und weniger, in welchen die Lazarethe nach Maassgabe des Erlasses an die Corps- 
Intendanturen vom 2. Juli 1884, No. 47/7. 84. M. M. A. aufgehoben sind oder nach 
den noch ausstehenden weiteren Verhandlungen aufgehoben werden, empfiehlt sich 
aber auch für Garnisonen von grösserer Stärke in denjenigen Fällen, in welchen 
die vorhandenen Lazarethrftume nach Umfang und Beschaffenheit den Anforderungen 
nicht genügen und bei steigender Krankenzahl die geeignete Unterbringung der 
Kranken zugleich mit Rücksicht auf die nothwendige Reinigung, Lüftung und 
Desinficirung bezw. bauliche Instandsetzung der Krankenzimmer auf Schwierig¬ 
keiten stösst. 

Die zur Ausführung jener Maassregel erforderlichen besonderen Anordnungen 
unter Berücksichtigung der zulässigen Art des Transports, der Krankheitsformen 
und sonstigen besonderen Umstände haben die Corpsärzte im Einvernehmen mit 
den Corps-Intendanturen event. auf Antrag oder nach Anhörung der betheiligten 
Lazarethe, soweit es bisher noch nicht geschehen, entweder für jeden Ort ein für 
alle Mal oder für jeden einzelnen Fall zu treffen bezw. berbeizuführen. In 
dringenden Fällen können aus Orten, für welche eine solche Bestimmung nicht 
getroffen ist, Kranke nach einem andern Lazareth nach Anfrage bei letzterem bezw. 
unter Benachrichtigung desselben auch ohne vorherige Genehmigung der Provinzial¬ 
instanz, jedoch unter gleichzeitiger Mittheilung an dieselbe, übergeführt werden. 

Wenn als zur Aufnahme der betreffenden Kranken geeignet ein benachbartes, 
zu einem andern Corpsbereich gehöriges Garnisonlazareth in Betracht kommt, haben 
die betheiligten Provinzialbehörden das Erforderliche unter sich zu vereinbaren und 
nur im Nichteinigungsfalle an die Militär-Medicinal-Abtheilung zu berichten. 

Die Corps-Generalärzte haben gelegentlich der Rapporterstattung und der 
Besichtigungsreisen die genügende Befolgung der getroffenen Anordnungen zu 
überwachen und über die letzteren, sowie über deren Ausführung Ende April jeden 
Jahres der Militär-Medicinal-Abtheilung Mittheilung zu machen. 

Schliesslich wird noch bestimmt, dass die durch die Ueberführung der kranken 
Mannschaften nach anderen Garnisonlazarethen und durch deren Rücktransport 


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nach ihrer Garnison entstehenden Kosten vom laufenden Etatsjahre ab in den 
Unterhaltungskosten'Rechnungen der Lazarethe zur Verrechnung beim Cap. 29, 
Tit 12 zu verausgaben Bind. 

Kriegsministerium. 

Bronsart v. Schellendorff. 

No. 654/2. M. M. A. 


A.-V.-Bl. No. 15. 

Berlin, den 16. Juni 1886. 

Diejenigen Bandagentornister, deren erste Ausstattung mit Arsaeien und 
Verbandmitteln nach §. 3, 1 der Beilage 1 zur Baiegs-Sanitäts-Ordnung von den 
Dispensiranstalten der betreffenden Garnison- oder Speciallazarethe zu bewirken 
ist, sollen fortan in diesen Lazarethen, nicht bei den Truppentheilen, auf¬ 
bewahrt werden. §. 61 der Instruction über die Versorgung der Armee mit 
Arzneien und Verbandmitteln vom 12. Juni 1874 wird hierdurch abgeändert. 

Die erforderliche Abgabe der Bandagentornister an die Lazarethe ist zu 
bewirken. 

An Orten ohne Militärlazareth, §. 3, 3 der oben bezeichneten Beilage, werden 
die Bandagentornister bei dem Truppentheil aufbewahrt. 

Kriegsministerium. 

Bronsart v. Schellendorff. 

No. 634/5. 86. M. M. A. 


Berlin, den 28. Juni 1886. 

Nach dem Berichte vom 7. Mai er. — J. No. 1926/4. V. — haben sich die in 
Tragung gegebenen baumwollenen Socken der Firma N. L. Homburger 
Söhne daselbst, welche sowohl an der Ferse als an den Fnssspitzen zur Ver¬ 
meidung des Wundreibens der Füsse an den betreffenden Stellen ohne Naht her¬ 
gestellt sind, bewährt. Auch die von der Intendantur III. Armee-Corps an- 
geordneten Trageversuche mit diesen Socken haben einen günstigen Erfolg gehabt 
und ist nur als ein Uebelstand hervorgehoben, dass die Verbindung des oberen 
Randes mit den eigentlichen Socken mangelhaft sei, so dass schon nach kurzer 
Zeit Reparaturen vorgenommen werden mussten. 

Es empfiehlt sich hiernach die Fortsetzung der Trageversuche mit derartigen, 
event. verbesserten baumwollenen Socken. 

Die Königliche Intendantur wird ergebenst ersucht, von der vorerwähnten 
Firma 70 Paar baumwollene Socken gefälligst beschaffen und je 5 Paar den 
übrigen Intendanturen überweisen zu lassen. Mit 5 Paar Socken sind bei einzelnen 
Lazarethen im dortseitigen Corps weitere Trage versuche vorzunehmen. 

Ueber den Ausfall der Versuche sowie darüber, ob es sich empfiehlt, an Stelle 
der seitherigen Probe eine Probe nach dem von Homburger Söhne gelieferten 
Muster einzuführen, wird nach Anhörung des Herrn Corps-Generalarztes einer 
gefälligen Berichterstattung zum 1. Januar 1887 ergebenst entgegengesehen. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 


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65 


Abschrift hierron wird der Königlichen Intendantur zur Kenntniss und gleich¬ 
mütigen weiteren Veranlassung wegen Erprobung der banmwoUenen Socken bei 
einzelnen Lazarethen des Corps ergebenst übersandt. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 

LY, 

r. Coler. Zehr. 

No. 960/5. M. M. A. 


Berlin, den 9. Juli 1886. 

Ew. Hochwohlgeboren übersendet die Abtheilung in der Anlage zur gefälligen 
Kenntnissnahme ergebenst die Neubearbeitung der Verfügung rom 24. Juni 1881, 
No. 1103. 6. M. M. A., von der jeder zur militärärztlichen Prüfung einberufene 
Sanitätsoffizier bei Uebersendung der Aufgabe einen Abzug erhält* 

Es ist Bedacht genommen, den Wünschen der Herren Examinatoren nach den 
Erfahrungen der letzten fünf Prüfungsjahre Rechnung zu tragen. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 

I. V. 

v. Coler. Lentze. 

An 

den Königlichen Generalarzt. 

Berlin, den 9. Juli 1886. 

Bestimmungen, 

welche bei Bearbeitung der gestellten Aufgabe zu beachten sind. 

1) Die Arbeit ist ein dienstlicher Auftrag und unbedingt und rechtzeitig 
anzufertigen. (§. 10 der Vorschriften vom 12. Juni 1881.) 

2) Litterarische Leistungen, deren Anrechnung an Stelle der Arbeit gewünscht 
wird, sind spätestens vorzulegen, sobald dem Examinanden die Aufgabe zugegangen 
ist. Phjsikatsarbeiten kommen nur dann zur Anrechnung, wenn das ganze 
Physikatsexamen bestanden ist, nicht nur der schriftliche Theil. Die frühere Vorlage 
solcher zum Ersatz des schriftlichen Prüfungsabschnittes bestimmter Leistungen etc. 
ist statthaft. 

^ 3) Der Examinand hat sich streng an das Thema zu halten. Längere Ein¬ 
leitungen sind ebenso zu vermeiden, wie die breite Anführung wörtlicher Citate, 
durch welche nur der Umfang, nicht der Inhalt der Arbeit vermehrt wird. Es 
wird erwartet, in derselben womöglich Ergebnisse eigener Untersuchungen und 
Erfahrungen, jedenfalls aber eine sachgemässe Kritik fremder Beobachtungen 
niedergelegt zu finden. Am Schlüsse ist das Hauptergebnis in kurzen, möglichst 
scharf gefassten Sätzen hinzustellen. 

4) Die Arbeit muss mit einem Inhaltsverzeichnis nebst Seitenhinweis versehen 
sein. Auf die erste Seite links oben ist die Aufgabe zu setzen, darunter der Tag 
des Empfanges und der Absendung. 

&) Der vollständigen Namens- und Chargenbezeichnung am Schlüsse geht die 
Versicherung vorauf, dass die Arbeit, abgesehen von literarischen Hülfsmitteln» 
vom Verfasser ohne fremde Beihülfe angefertigt ist. Die Litteraturquellen sind 


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unter dem Text der betreffenden Seite so anzuführen, dass Umfang und Art ihrer 
Benutzung genau geprüft werden kann. 

6) Die Arbeit ist in einem steifen Deckel geheftet oder gebunden und voll¬ 
ständig paginirt einznreichen. Sie ist auf die rechte Seite der in der Mitte 
gebrochenen Bogen deutlich zu schreiben. Schreibt der Examinand keine leicht 
leserliche Handschrift, so hat er für eine gute Abschrift zu sorgen, für deren 
Richtigkeit und Reinheit von Schreibfehlern ihm die Verantwortung zufallt 
Kriegsministerium; Militär-Medicinal- Abtheilung. 

I. V. 

v. Coler. Lentze. 

No. 603/7« M. M. A. 


Personal-Verändeningen im Sanitäts-Corps. 

Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen. 

Befördert werden: der Oberstabsarzt 2. CI. der Landwehr Dr. Mannkopff 
vom 1. Bat (Marburg) 1. Hessischen Landw.-Regts. No. 81 zum Oberstabsarzt 1. CL 
der Landwehr; — der Stabs- und Bats.-Arzt Dr. Langsch vom 2. Bat 4. Pomm. 
Inl-Regts. No*. 21 zum Oberstabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt des 3. Brandenburg. 
Inl-Regts. No. 20; — die Assistenzärzte 1. CI.: Michaelis vom 1. Leib-Husaren- 
Regt No. 1 zum Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. 4. Pomm. Inf.-Regts. No. 21, — 
Dr. Dieckmann vom Militär-Reit-Institut zum Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. 
7. Brandenburg. Inf.-Regts. No. 60, — Dr. Langerfeldt vom 1. Hanseatischen 
Inf.-Regt. No. 75 zum Stabs- und Bats.-Arzt des Füsilier-Bats. 1. Hess. Int-Regts. 
No. 81, — Dr. Spiess vom Regiment der Gardes du Corps zum Stabs- und 
Garnisonarzt in Torgau, — Dr. Musehold vom 3. Garde-Grenadier-Regt Königin 
Elisabeth zum Stabs- und Abtheilungsarzt der reitenden Abtheilung des Magdeburg. 
Feld-Art-Regts. No. 4, — und Dr. Scheider vom Brandenburg. Husaren-Regt 
(Zietensche Husaren) No. 3 zum Stabs- und Bats.-Arzt des Magdeburg. Pionier- 
Bats. No. 4; — die Assistenzärzte 1. CI. der Reserve: Dr. Soltsien vom Res.- 
Landw.-Bat (Altona) No. 86, — Dr. Berner vom 2. Bat (Neu-Strelitz) 1. Gross- 
herzoglich Mecklenburgischen Landwehr-Regiments No. 89, — Dr. Hüpeden und 
Kohlrausch vom Reserve-Landwehr-Bataillon (Hannover) No. 73, — Dr. Keller 
vom 2. Bataillon (Heidelberg) 2. Bad. Landw.-Regts. No. 110, — Dr. Liävin vom 

1. Bat (Danzig) 8. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 45, — Dr. Marcuse vom 1. Bat, 
(Tilsit) 1. Ostpreuss, Landw.-Regts. No. 1, — Dr. Schirmer vom 2. Bat. (Meiningen) 
6. Thüringischen Landw.-Regts. No. 95, — Dr. Wengler vom 2. Bat (Göttingen) 
3. Hannov. Landw.-Regts. No. 79, — Dr. Gerth vom 2. Bat. (Naugard) 5. Pomm. 
Landw.-Regts. No. 42, — Dr. Overkamp vom 2. Bat. (2. Munster) 1. Westfalischen 
Landw.-Regts. No. 13, — Dr. Levy vom 1. Bat (Hamburg) 2. Hanseat Landw.- 
Regts. No. 76, — Dr. Schibaiski vom 2. Bat. (Beuthen) 2. Oberschles. Landw.- 
Regts. No. 23, — und Dr. Brockmüller vom 2. Bat. (Deutz) 6. Rhein. Landw.- 
Regts. No. 68 — zu Stabsärzten der Reserve; — die Assistenzärzte 1. Cl. 
der Landwehr: Dr. Heilig tag vom 1. Bat (Andaxn) 1. Pomm. Landw.-Regts. 
No. 2, — Dr. Cuntz vom 2. Bataillon (Wiesbaden) 1. Nassauischen Landw.-Regts. 
No. 87, — Dr. Minssen und Dr. Dithmar vom 1. Bat (1. Oldenburg) Olden- 
burgischen Landwehr-Regiments No. 91, — Dr. Schröder, Dr. Tiedemann und 
Dr. Garvens vom 1. Bat. (Hamburg) 2. Hanseatischen Landw.-Regts. No. 76, — 
Dr. Funccius vom Res.-Landw.-Bat. (Barmen) No. 39, — Dr. Hesse vom Res.- 
Landw.-Bat. (Frankfurt a.M.) No. 80, — Dr. Schulz vom 1. Bat. (1. Braunschweig) 
Braunschweig. Landw.-Regts. No. 92, — Dr. Gebhardt vom 2. Bat (Heidelberg) 

2. Badischen Landw.-Regts. No. 110, Dr. Lehnebach vom 1. Bat. (Hersfeld) 


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2. Thüring. Landw.-Regts. No. 32, — Dr. Grau vom 2. Bat. (Fulda) 1. Hessischen 
Landw. Regte. No. 81, — Dr. Knies und Dr. Wils er vom 2. Bat. (Karlsruhe) 

3. Bad. Landw.-Regte. No. 111, — Dr. Hirschfeld vom Res.-Landw.-Bat (Königs¬ 
berg) No. 33, — Dr. Dembowski vom 2. Bat. (Rastenburg) 5. Ostpreuss. Landw.- 
Regte. No. 41, — Dr. Ti 11 ner vom 2. Bat (Freistadt) 1. Niederschlag. Landw.- 
Regts. No. 46, — Dr. Avorweg vom 2. Bat (Attendorn) 2. Hess. Landw.-Regte. 
No. 82, — Dr. Lepper vom 2. Bat (Dortmund) 3. Westfalischen Landw.-Regts. 
No. 16, — Dr. Schmittmann vom 1. Bataillon (Wesel) 5. Westfalischen Landw.- 
Regte. No. 53, — Dr. Steinohrt vom 1. Bataillon (Wismar) 2. Grossherzoglich 
Mecklenburg. Landw.-Regts. No. 90, — Dr. Heldmann vom 2. Bat (Nienburg) 

1. Hannoverschen Landw.-Regts. No. 74, — Dr. Fuchs vom 1. Bataillon (Rawitsch) 

4. Posenschen Landw.-Regts. No. 59, — Dr. Schwarz vom 2. Bat (Erbach i. 0.) 
3. Grossherzogi. Hess. Landw.-Regte. No. 117, — Dr. v. Tempski vom 1. Bat 
(Dt Ejlau) 7. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 44, — Dr. Rapp vom 1. Bat (Darm- 
stadt 1) 1. Grossherzogi. Hess. Landw.-Regts. No. 115, — Dr. Schulz vom 1. Bat 
(Schivelbein) 2. Pomm. Landw.-Regte. No. 9, — Dr. Schläger vom Res.-Landw.- 
Bat. (Hannover) No. 73, — Dr. Lorentz vom 2. Bat (Deutz) 6. Rhein. Landw.- 
Regte. No. 68, — Dr. Dressen vom 1. Bat (Aachen) 1. Rhein. Landw.-Regts. 
No. 25, — Dr. Lesser vom Res.-Landw.-Regt (1. Berlin) No. 35, — Dr. Kulen- 
kampff vom 1. Bat (Bremen) 1. Hanseat Landw.-Regts. No. 75, — Dr. Grodzki 
vom 1. Bataillon (Posen) 1. Posenschen Landw.-Regts. No. 18 und Dr. Bauer vom 

2. Bat. (Teltow) 7. Brandenburg. Landw.-Regts. No.60 — zu Stabsärzten der Land¬ 
wehr; die Assistenzärzte 2. 01.: Dr. Machatius vom Kadettenbause zu Potsdam, — 
Dr. Hauptner von der Artillerie-Schiess-Schule, — Dr. Prasse vom Königs-Gren.- 
Regt (2. Westpreussischen) No. 7, — Dr. Bol dt vom Schlesw.-Holstein. Füs.-Regt 
No. 86, — Dr. Dütschke vom 2. Hannover. Ülanen-Regt No. 14, — Dr. Busse 
vom 4. Oberschles. Inf.-Regt. No. 63, — Dr. Michaelis vom 3. Ostpreuss. Gren.- 
Regt. No. 4, — Dr. Paalzow vom 7. Thüring. Inf.-Regt. No. 96, — Dr. Hartung 
vom 2. Leib-Hus.-Regt. No. 2, — Dr. Kahnt vom 2. Bad. Feld-Art-Regt No. 30, 
— und Dr. Praetorius vom Grossherzogi. Mecklenburg. Jäger-Bat. No. 14, zu 
Assistenzärzten 1. € lasse; die Marine - Assistenzärzte 2. CL Dr. Lenz und 
Dr. Runkwitz zu Marine-Assistenzärzten 1. Classe; die Assistenzärzte 
2. CI. der Reserve: Dr. Müller vom 2. Bat (Stockach) 6. Bad. Landw.-Regte. 
No. 114, — Dr. Thier vom 1. Bat (Aachen) 1. Rhein. Landw.-Regts. No. 25, •— 
Dr. Ruff vom 1. Bat (Donaueschingen) 6. Bad. Landw.-Regts. No. 114, — Dr. 
Lux vom 2. Bat (Wohlau) 1. Schles. Landw.-Regts. No. 10, — Dr. Lechler vom 
2. Bat (Rostock) 2. Grossherzog]. Mecklenburg. Landw.-Regts. No. 90, — Reis 
vom 2. Bat. (Heidelberg) 2. Bad. Landw.-Regte. No. 110, — Dr. Karsten vom 
1. Bat (Schwerin) 1. Grossherzogi. Mecklenburg. Landw.-Regts. No. 89, — Schmok 
vom 2. Bat (Lübeck) 2. Hanseat Landw.-Regte. No. 76, — Dr. Waldvogel vom 
1. Bat (Gotha) 6. Thüring. Landw.-Regte. No. 95, — Dr. Herzfeld vom Res.- 
Landw.-Bat (Königsberg) No. 33, — Muehl vom 2. Bat (Schneidemühl) 3. Pomm. 
Landw..Regte. No. 14, — Dr. Pee und Dr. Thorn vom 2. Bat (Halle) 2. Magde¬ 
burg. Landw.-Regts. No. 27, — Farke vom L Bat (Siegburg) 2. Rhein. Landw.- 
Regts. No. 28, — Hintze vom 1. Bat. (Hildesheim) 3. Hannov. Landw.-Regte. 
No. 79, — und Schröder vom 2. Bat. (Cüstrin) 1. Brandenburg. Landw.-Regts. 
No. 8, zu Assistenzärzten 1. Classe der Reserve; die Assistenzärzte 2. CI. 
der Landwehr: Dr. Schuberg vom 2. Bat (Karlsruhe) 3. Bad. Landw.-Regts. 
No. 111, — Dr. Haas und Dr. Neuhaus vom 2. Bat (Düsseldorf) 4. Westßl. 
Landw.-Regte. No. 17, zu Assistenzärzten 1. Classe der Landwehr; die 
Unterärzte: Dr. Parthey vom 1. Hannov. Int-Regt No. 74, — und Dr. Hoenow 
vom Fuss-Art-Regt No. 10, zu Assistenzärzten 2. Classe; der Marine-Unter¬ 
arzt Dr. Thomas von der 2. Matrosen-Division zum Marine-Assistenzarzt 2. CI; 
die Unterärzte der Reserve; Fischer vom 1. Bat (Danzig) 8. Ostpreuss. Landw. 
Regte. No. 45, — Zerrath vom Res.-Landw.-Bat (Königsberg) No. 33, — Dr. 
Levy vom Res.-Landw.-Regt (1. Berlin) No. 35, — Dr. Rakowicz vom 2. Bat 
(Samter) 1. Posen. Landw.-Regts. No. 18, — Dr. Paul vom Res.-Landw.-Regt 
(1. Breslau) No. 38, — Dr. Fassbender vom 1. Bat (1. Münster) 1. Westfal. 


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68 


Landw.-Regts. No. 13, — Braun vom 1. Bat (Minden) 2. Westfal. Landw.-Regts. 
No. 15, — Dr. Baumgarten vom 2. Bat (Coblenz) 3. Rhein. Landw.-Regts. 
No. 29, — Dr. Keller vom 1. Bat (St Wendel) 4. Rhein. Landw.-Regts. No. 30, 

— Dr. Linke vom 2. Bat. (Halle) 2. Magdeburg. Landw.-Regts. No. 27, — Dr. 
Rennebaum vom 1. Bat (Aurich) Ostfries. Landw.-Regts. No. 78, — Dr. Sauer 
vom Res.-Landw.-Bat (Frankfurt a. M.) No. 80, — Dr. Gereon vom 2. Bat 
(Karlsruhe) 3. Bad. Landw.-Regts. No. 111, — Guttenberg und Jonasson vom 

1. Bat. (Freiburg) 5. Bad. Landw.-Regts. No. 113, — und Dr. Streicher vom 

2. Bat (Lörrach) 5. Bad. Landw.-Regts. No. 113, zu Assistenzärzten 2. Classe 
der Reserve; sowie der Unterarzt der Landwehr Dr. Polzin vom 1. Bat (Dieden- 
hofen) Lothring. Landw.-Regts. No. 128 zum Assistenzarzt 2. Gl. der Landwehr. — - 
Dem Oberstabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt Dr. Schräder vom 3. Garde-Regt zu 
Fuss wird der Charakter als Oberstabsarzt 1. CI. verliehen. — Versetzt werden: 
der Oberstabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt Dr. Viedebantt vom 3. Brandenburg. 
InL-Regt. No. 20 zum 7. Pomm. Inf.-Regt No. 54; der Stabs- und Bata-Arzt Dr. 
He ns ol dt vom 2. Bat. 7. Brandenburg. Inf.-Regts. No. 60 zum medicinisch-chirur- 
gischen Friedrich Wilhelms-Institut; der Stabsarzt Dr. Rudel off vom medicinifch- 
chirurgischen Friedrich Wilhelms-Institut als Bats.-Arzt zum Füs.-Bat des Kaiser 
Franz Garde-Gren.-Regts. No. 2; der Stabsarzt Dr. Rothe, Garnisonarzt in Torgau, 
als Bats.-Arzt zum 2. Bat. 3. Brandenburg. Infc-Regts. No. 20; der Assistenzarzt 

1. CI. Dr. Körbitz von der Haupt-Cadettenanstalt zum Militär-Reitinstitut; der 
Assistenzarzt 1. CI. Dr. Menzel vom Festungsgefängniss in Spandau zum 
Regt, der Gardes du Corps, — der Assistenzarzt 1. Classe Dr. Witte vom 
8. Ostpreuss. Inf.-Regt. No. 45 zu dem Festungsgefängniss in Spandau; — und 
der Assistenzarzt 2. Classe Dr. Parthey vom Holstein. Feld-Art-Regt No. 24 
zur Haupt-Cadetten-Anstalt. — Dem Stabs- und Abtheil.-Arzt Dr. Rost von der 
reitenden Abtheilung des Magdeburg. Feld-Art.-Regte. No. 4 wird ein einjähriger 
Urlaub unter Stellnng ä la suite des Sanitäts - Corps bewilligt. — Der Abschied 
wird bewilligt: Dem Oberstabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt Dr. Paulicky vom 

2. Niederschles. Inf.-Regt. No. 47 mit der gesetzlichen Pension und der Erlaubnis* 
zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen 
Abzeichen; dem Stabs- und Bats.-Arzt Dr. Voigtei vom Magdeburg. Pion.-Bat No. 4, 
diesem mit der gesetzl. Pension, dem Charakter als Oberstabsarzt 2. CI. und der 
Erlaubnis zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vor¬ 
geschriebenen Abzeichen, sowie dem Stabs- und Bats.-Arzt Dr. Saegert vom Füs.- 
Bat. 1. Hess. Inf.-Regts. No. 81, mit der gesetzl. Pension und der Erlaubnis« zum 
Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen 
Abzeichen, ferner: den Stabsärzten der Landwehr Dr. Urbansky vom 1. Bat. 
(Gnesen) 3. Pomm. Landw.-Regts. No. 14; Dr. Thayssen vom Res.-Landw.'Regt. 

(1. Berlin) No. 35; Dr. Herges vom 1. Bat. (1. Trier) 8. Rhein. Landw.-Regts. No. 70, 
diesem mit der Erlaubniss zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Ver¬ 
abschiedete vorgeschriebenen Abzeichen, und Dr. Vierzeiler vomjl. Bat (Dann¬ 
stadt II) 3. Grossherzogi. Hess. Landw.-Regts. No. 117, letzterem ausnahmsweise 
mit der Erlaubniss zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete 
vörgeschriebenen Abzeichen, dem Assist-Arzt 1. CI. der Res. Dr. Bo ege hold 
vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35; sowie den Assist-Aerzten 1. CI. der Landw. 
Dr. Marechaux vom Res.-Landw.-Bat. (Magdeburg) No. 36; Dr. Lesser vom 
1. Bat (Bitterfeld) 4. Magdeburg. Landw.-Regts. No. 67; Dr. Kräh vom Rea.-Landw.- 
Bat. (Hannover) No. 73 und Dr. Wachsmuth vom 2. Bat (Celle) 2. Hannov. 
Landw.-Regts. No. 77.— Es scheiden aus dem activen Sanitäts-Corps aus: 
Der Stabs- und Bats.-Arzt. Dr. Dengel vom 2. Bat. 3. Brandenburg. Inf.-Regts. No. 20 
unter Uebertritt zu den Sanitäts-Offiziereu der Res. des Res.-Landw.-Regts. (1. Berlin) 
No. 35 und der Assist-Arzt 1. CI. Dr. Sa lenz vom 3. Brandenburg. Inf.-Regt No. 20 
unter Uebertritt zu den Sanitäts-Offizieren der Res. des 1. Bats. (Bitterfeld) 

1. Magdeburg. Landw.-Regts. No. 67. 

Bad Gastein, den 27. Juli 1886. 


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Nachweisung der beim Sanitäts-Corps pro Monat Juni 1886 
eingetretenen Verändeiungen. 

Durch Verfügung des General-Stabsarztes der Armee. 

Den 1. Juni er. 

Ullrich, bisher einjährig-freiwilliger Arzt vom Schles, Fuss-ArJ;.-Regt No. 6, 
unter Versetzung zum 2. Oberschles. Inf.-Regt No. 23 zum Unterarzt ernannt 
und mit Wahrnehmung einer bei diesem Regiment vacanten Assist-Arzt-Stelle 
beauftragt 

Den 7. Juni er. 

Erdmann, Unterarzt vom Hannov. Train-Bat No. 10, 

Dr. Dun bar, Unterarzt vom 1. Pomm. Feld-Art-Regt No. 2, 

den 28. Juni er. 

Dr. Uppenkamp, Unterarzt vom 1. Westfal. InL-Regt No. 13, 

Dr. Thiele, Unterarzt vom Westfal. Pion,-Bat. No. 7, — alle vier mit Wahr¬ 
nehmung je einer bei den betreffenden Truppentheilen vacanten Anssist.-Arzt- 
Stelle beauftragt 


Veränderungen im Königlich Sächsischen Sanitäts-Corps. 

Durch Verfügung des Kriegsministeriums vom 15. Mai 1886. 

Dr. Zimmer, einjährig-freiwilliger Arzt des 1. Feld-Art-Regts. No. 12, als 
Unterarzt des activen Dienststandes unter gleichzeitiger Beauftragung mit Wahr¬ 
nehmung einer vacanten assistenzärztlichen Stelle bei diesem Regiment angestellt 

Allerhöchster Beschluss vom 22. Mai 1886. 

Dr. Schaffrath, Assist-Arzt 1. CI. des 1. (Leib-) Gren.-Regts. No. 100, zum 
Stabs- und Bats.-Arzt bei dem 3. Bat des 5. Inf.-Regts. »Prinz Friedrich August" 
No. 104, — Dr. Pöschke, Assist-Arzt 1. CI. des 1. Hus.-Regts. No. 18, zum 
Stabs- und Bats.-Arzt bei dem 2. Bat. des 3. Inf.-Regts. No. 102, — Dr. Hessel¬ 
bach, Assist.-Arzt 2. CI. des 8. Inf.-Regts. »Prinz Johann Georg" No. 107, zum 
Assist-Arzt 1. CI., — Dr. Burdach, Unterarzt des Schützen- (Füs.-) Regts. 
»Prinz Georg" No. 108, unter Belassung in seinem Commando als Hülfsarbeiter 
zur Sanitäts-Direction, — und Kockel, Unterarzt des 2. Gren.-Regts. No. 101 
»Kaiser Wilhelm, König von Preussen" — zu Assist.-Aerzten 2. CI.; — 
Dr. Hennig, Unterarzt der Res. des 1. Bats. (Leipzig) 7. Landw.-Regts. No. 106, — 
und Dr. Kölln er, Unterarzt der Res. des 1. Bats. (Zwickau) 6. Landw.-Regts. 
No. 105, — zu Assist-Aerzten 2. CI. der Reserve; — Dr. Lohe, Unterarzt 
der Landw. des 2. Bats. (Döbeln) 8. Landw.-Regts. No. 107, zum Assist-Arzt 2. CI. 
der Landwehr — befördert. — Dr. Lübbert, charakterisier Assist-Arzt 1. CI. 
ä la suite des Sanitäts-Corps, unter Ernennung zum etatsmässigen Assist-Arzt 1. CI. 
mit einem Patente vom Tage der Charakterisirung bei dem 1. Feld-Art-Regt. 
No. 12 (Garnison Dresden) vom 1. Juni er. ab wieder einrangirt. — Dr. Trenkler, 
Assist-Arzt 2. CI. des 1. Feld-Art-Regts. No. 12, zum 9- Inf.-Regt No. 133 
versetzt — Dr. Meunier, Assist.-Arzt 1. CI. der Res. des 1. Bats. (Plauen) 
5. Landw.-Regts. No. 104, aus Allerhöchsten Kriegsdiensten behufs Ueberführung 
in den Landsturm der Abschied bewilligt. 

Allerhöchster Beschluss vom 25. Juni 1886. 

Haubold, Assist.-Arzt 2. CI. der Res. des 1. Bats. (Chemnitz) 2. Landw.- 
Regts. No. 101, — Dr. Birkner, Assist-Arzt 2. CI. der Res. des 2. Bats. 
(Frankenberg) 2. Landw.-Regts. No. 101, — Dr. Lichtenstein und Dr. Döring, 
Assist-Aerzte 2. CI. der Res. des 2. Bats. (Zittau) 3. Landw.-Regts. No. 102, — 
Dr. Braunschweig und Dr. Krutzsch, Assist-Aerzte 2. CI. der Res. des 


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1. Bats. (Bautzen) 4. Landw.-Regts. No. 103, — Dr. Fiedler, Assist-Arzt 2. CI. 
der Res. des 2. Bats. (Meissen) 4. Landw.-Regts. No. 103, — Dr. Mfiller, Aseist- 
Arzt 2. CI. der Res. des 2. Bats. (Schneeberg) 5. Landw.-Regts. No. 104, — 
Rückart, Assist.-Arzt 2. CI. der Res. des 1. Bats. (Zwickau) 6. Landw.-Regts. 
No. 105, — Dr. Rossbach, Assist.-Arzt 2. CI. der Res. des 2. Bats. (Glauchau) 

6. Ldw.-Regts. No. 105, — Dr. Gessler, Dr. Donat, Dr. Carl, Dr. v. Stieglitz, 
Dr. Sonnenkalb, Dr. Westpbal, Dr. v. Mangoldt, Dr. Thiersch und 
Dr. Güntz, Assict.-Aerzte 2. CI. der Res. des 1. Bats. (Leipzig) 7. Landw.-Regts. 
No. 106, — Werner, Assist-Arzt 2. CI. der Res. des 2. Bats. (Warzen) 7. Landw.- 
Regts. No. 106, — Dr. Pohl und Hennig, Assist.-Aerzte 2. CI. der Res. des 

1. Bats. (Borna) 8. Landw.-Regts. No. 107, — Krönig, Dr. Winkler und 
Dr. Jässing, Assist.-Aerzte 2. CI. der Res. des Res.-Landw.-Bats. (Dresden) 
No. 108, — zu Assist-Aerzteu 1. CI. der Res.; — Dr. Scfcinze, Assist-- 
Arzt 2. CI. der Landw. des 1. Bats. (Plauen) 5. Landw.-Regts. No. 104, — und 
Dr. Merkel, Assist-Arzt 2. CI. der Landw. des 2. Bats. (Schneeberg) 5. Landw.- 
Regts. No. 104, — zu Assist-Aerzten L CI. der Landw.; — Dr. Schmidt, 
Unterarzt des 2. Gren.-Regts. »Kaiser Wilhelm, König von Prensseu*, zum Assist- 
Arzt 2. CI. bei dem 1. Hus.-Regt. No. 18; — Dr. Brey er, Unterarzt der Res. 
des 1. Bats. (Chemnitz) 2. Landw.-Regts. No. 101, — und Dr. Roth, Unterarzt 
der Res. des 1. Bats. (Leipzig) 7. Landw.-Regts. No. 106, — zu Assist-Aerzten 

2. CI. der Res. — befördert. 

Allerhöchster Beschluss vom 15. Jul« 1666. 

Dr. Hansemann, Unterarzt des Beurlaubtenstandes des 1. Bats. (Leipzig) 

7. Landw.-Regts. No. 106, — und Eisfeld, Unterarzt des Beurlaubtenstandes des 
Res -Land w.-Bats. (Dresden) No. 108, — zu Assist-Aerzten 2.C1. der R«».; —» 
und Dr. Fischer, Unterarzt dee Beurlaubteustandes des 1.Bats. (Leipzig) 7. Landw.- 
Regts. No. 106, zum Assist-Arzt 2. CL der Landw. — befördert. 


Veränderungen im Königlich Bayerischen Sanitäte-Corps. 

Den 19. Mai 188«. 

Dr. Hendrichs, Stabsarzt des Beurlaubtenstandes (Kaiserslautern), 

Dr. Grödel, Assist-Arzt 1. CI. des Beurlaubtenstandes (Aschaffenburg), diesem mit 
der Erlaubnis zum Tragen der Uniform, 

Hartig, Assist-Arzt 2. CI. des Beurlaubtenstandes (Kitzingen). — der Abschied 
ertheilt. 

Den 24. Mai 1886. 

Dr. Lindner, Assist-Arzt 2. CI. des 17. Inf.-Regts. Orff, in den Beurlaubten« tand 
de« Sanitäts-Corps versetzt. 

Durch Verfügung des Kriegsministeriums. 

Den 31. Mai 1886. 

Dr. Zeitler, einjährig - freiwilliger Arzt, zum Unterarzt im 2. PfetL-Bat, unter 
gleichzeitiger Beauftragung mit Wahrnehmung einer vaeanteu Assist- A rztsteBe, 
ernannt 

Den 8. Juni 1886. 

Dr. Laubmann, Assist-Arzt 1. CI. vom 1. Inf.-Regt. König, zum 1. Feld-Art- 
Regt Prinz Luitpold, 

Büttner, Assist-Arzt 2. CI. vom 4. Feld-Art-Rogt König, zum 1. In£-Ragt König, 

Dr. Meyer, Assist-Arzt 2. CI. des Beurlaubtenstandee, in den Friedenastand des 
4. Feld-Art-Regts. König mit einem Patent vom 13. Mai 188^ — versetzt. 

Webersberger, Unterarzt im 1. Chev.-Regt Kaiser Alexander von Russland, zum 
Assist-Arzt 2. Gl., 


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Assmann, Dr. P ankok, Zehn der, Wen gier, Fachs (München I), Dr. Bi ec hei e 
(Mindelheim), Dr. Sartorius (Erlangen), Dr. Froese (Kissingen), Dr. Brenn¬ 
stahl (Aschaffenburg), Unterärzte der Res., zu Assist-Aerzten 2. CI. des Be¬ 
urlaubtenstandes, — befördert. 

Den 5. Juli 1896. 

Dr. Frobenius, Dr. Panizza (München I), Assist-Aerzte 1. CI. des Beurlaubten¬ 
standes, 

Stöpel (Landau), Assist-Arzt 2. Q. des Beurlaubtenstandes, — der Abschied 
ertheilt. 

Den 8. Juli 1886. 

Gessner, Schulz, Dr. Bonse, Freese, Bitter, Hamkens (München I), Jahn 
(Hof), Dr. Silberschmidt (Ansbach), Dr. Greder, Pfeiffer (Erlangen), 
Schweickert, Dr. Tornier, Dr. Oesterlein (Wurzburg), Unterärzte des 
Beurlaubtenstandes, zu Assist - Aerzten 2. CI. des Beurlaubtenstandes — be¬ 
fördert 


Yeräadßrungea im Königlich Wärttembergiscben Sanitäts-Corps. 

Den 7. Juni 1886. 

Dr.ßtei macker, Unterarzt der Ras. im 2. Bat (Ulm) 6. I^andw^Ragtt No. 124, 
zum Assist-Arzt 2. CI der Res. ernannt 

Den 7. Juli 1886. 

Ni es, Unterarzt im Gren.-Regt König Carl No. 123, zum Assist-Arzt 2. CI. 
ernannt —Dr. Berg, Oberstabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt im 7. Ini-Regt No. 125, 
unter Verleihung des Charakters als Oberstabsarzt L CI., mit Pension und mit der 
Uniform des Sanitäts-Corps der Abschied bewilligt. 

Den 8. Juli 1666. 

Die Assist-Aerzte 2. Ci. der Bes.: Knies im 1. Bat (Ravensburg) 
2. Landw.-Regts. No. 120, '— Dr. Prinzing im 2. Bart (Ulm) 6. Landw.-Regts. 
No. 124, — Dr. Binder im 2. Bat (Biberach) 2. Landw.-Regts. No. 120, — 
Dr. Köbel im Res.-Landw.-Bat (Stuttgart) No. 127, — Reichert im 2. Bat 
(Esslingen) 8. Landw.-Regts. No. 126, — zu Assist-Aerzten L CI. der Res., 
— Dr. Römer, Assist.-Arzt 2. CI. der Landw. im Res.-Landw.-Bat (Stuttgart) 
No. 127, zum Assist-Arzt 1. CI. der Landw., — befördert — Die Assist- 
Aerzte 2. CI. der Res.: Dr. Mauk im 1. Bat (Heilbronn) 4. Landw.-Regts. 
No. 122, — Dr. Rathgeb im 1. Bat (Ehingen) 8. Landw.-Regts. No. 126, — zu 
Assist-Aerzten 1. CI. der Res., — Dr. Krauss, Assist-Arzt 2. CI. der 
Landw. im 2. Bat (Ludwigsburg) 3. Landw.-Regts. No. 121, zum Assist-Arzt 
1. CI. der Landw., — befördert — Die Assist-Aerzte 2. CI. der Res.: 
Dr. Weil, Dr. Katz im Res.-Landw.-Bat (Stuttgart) No. 127, — Dr. Gmelin 
im 1. Bat (Ehingen) 8. Landw.-Regts. No. 126, — Dr. Hürthle im 2. Bat (Reut¬ 
lingen) 1. Landw.-Regts. No. 119. — zu Assist-Aerzten 1. CI. der Res., — 
Dr. Dietz, Assist-Arzt 2. CI. der Landw. im 1. Bat (Heilbronn) 4. Landw.-Regts. 
No. 122, zum Assist.-Arzt 1. CI. der Landw., — Dr. Klopfer, Assist-Arzt 2. CI. 
im Gren.-Regt Königin Olga No. 119, zum Assist-Arzt 1. CI., — befördert 


Ordensverleihungen. 

Preussische. 

Rother Adler-Orden 4. CI. mit Schwertern. 

Dr. Schneider, Marine-Assist-Arzt 1. CI. an Bord S. M. Kreuzer „Albatros". 
Rother Adler-Orden 4. CI. 

Marine-Stabsärzte Dr. Gärtner und Dr. Thoerner. 

Kronen-Orden 3. CI. 

Oberstabsarzt der Landw. a. D. Dr. Jiittweg. 



72 


Andere. 

'Ritterkreuz 1. CI. des Herzogi. Sachs. Ernestin. Hausordens. 

Dr. Weiss, Oberstabsarzt, und Dr. Klopstech, Stabsarzt, im 2, Thüring. 
Inf.-Regt. No. 32. 

Commandeur-Insignien 2. CI. des Herzogi. Anhalt. Hansordens Al- 
brecht des Bären. 

Dr. Lommer, Generalarzt 2. CI. u. Corpsarzt des IV. Armee-Corps. 
Ritter-Insignien 1. CI. desselben Ordens. 

Dr. Frankel, Stabsarzt im Anhalt Inf.-Regt No. 93. 

Ritterkreuz 1. CI. des Königl. Sachs. Albrecht-Ordens. 

Dr. Paetsch, Stabsarzt im 2. Schlei. Jäger-Bat No. 6. 


Familien-Nachrichten. 

Verlobt: Dr. Grittnerj Königl. Sächs. Assist-Arzt der Landw., mit Frl. Maria 
Kiesewetter (Grottkau—Wernersdorf). 

Verheirathet: Dr. Lev in st ein, Assist.-Arzt der Res., mit Frl. Hedwig Bi sch off 
(Schöneberg—Berlin). — Dr. Kern, Stabsarzt, mit Frl. Elsbeth ▼. Jüoques- 
Maumont (Lübeck). — Dr. Dü ms, Königl. Sächs. Stabsarzt, mit Frl. Gertrud 
Schmidt (Leipzig). — Dr. Niebergail, Stabsarzt, mit Frl. Elisabeth Heise 
(Berlin). — Dr. Remacly, Oberstabsarzt a. D., mit Frl. Marie Hartmann 
(Schneidemühl). 

Geburten (Sohn): Stabsarzt Dr. Reiche] (Freiberg i. S.). — Oberstabsarzt 
Dr. Schneider (Nürnberg)! 

* (Tochter): Stabsarzt Dr. Bech (Marienberg). — Assist.-Arzt Dr. Krause (Steglitz). 
— Stabsarzt Dr. Renvers (Berlin). 

Todesfälle: Dr. Menzel, Oberstabsarzt a. D. (Berlin). — Dr. Oeltze, Ober¬ 
stabsarzt a. D. (Gnesen). — Dr. Heine, Stabsarzt a. D. (Czechozyn-Rheda). 
— Dr. Schroter, Oberstabsarzt a. D. (Ludwigsburg). — Dr. Stroth bäum, 
Stabsarzt der Landw. (Barmen). — Dr. Juzi, Oberstabsarzt, Sohn Ernst (Trier). 
— Stabsarzt Dr. Bruberger (Berlin). — Dr. Frerichs, Marine-Assist.-Arzt 
(Zanzibar). 


G«druckt in dtr Königl. Hofbuchdmckerei von E. & Mittler u. Sohn, Berlin, KoäutniH 58-70. 


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Amtliches Beiblatt 

zar 

Deutschen militärärztlichen Zeitschrift 


1886. — Fünfzehnter Jahrgang. — M 9. 


A.-V.-Bl. No. 18. 


Berlin, den 8. Juli 1886. 

Auf Grund des §. 22 des Reglements über das Kassenwesen bei den Truppen 
wird Folgendes bestimmt: 

1) Die Truppen sowie diejenigen Formationen (Institute und Anstalten), bei welchen 
Kassen-Kommissionen bestehen, haben das Kassenjoumal und jedes Abrechnungs¬ 
buch in je zwei Exemplaren zu führen, von denen das eine die Einnahme und 
Ausgabe des 1. und 3., das zweite diejenigen des 2. und 4. Vierteljahres umfasst. 

2) Am ersten Tage jedes Vierteljahres unmittelbar nach Anfertigung des vorge¬ 
schriebenen Kassenabschlusses (Allerhöchste Kabinets-Ordre vom 7. Mai 1885, 
A.-V.-BI. S. 134) sind die verbliebenen Bestände und Vorschüsse in die für 
dieses Vierteljahr bestimmten Bücher zu übertragen. 

Die abgeschlossenen Bücher sind unter Beifügung deijenigen Beläge, welche 
nicht mit den Liquidationen cingereicht werden müssen, im Laufe des ersten 
Monats an die Intendantur einzusenden. Die Beläge zu dem Conto der Offi¬ 
zier-Kleiderkasse können jedoch zurückbehalten werden. 

3) Die Intendantur hat die Bücher und Beläge zu prüfen und, mit Prüfungs¬ 
bescheinigung versehen, vor Ablauf des Vierteljahres zurückzusenden, nachdem 
über die bei anderer Gelegenheit etwa nochmals zu prüfenden Angaben Ver¬ 
merke zurückbehalten sind. 

Die Prüfung, sowie die Erledigung von Erinnerungen erfolgt im Sinne des 
§. 99, 3 des Geldverpflegungs-Reglements für das preussische Heer im Frieden. 
Ueber solche Ausgaben, welche bei einer nicht demselben Geschäftsbereich an- 
gehörigen Kasse vereinnahmt sein müssen, haben die Intendanturen einander 
Mittheilung zu machen. 

4) Zur Zeit der ökonomischen Musterung müssen sämmtliche Kassenbücher bei der 
Kassen-Kommission sich befinden. 

5) Mit Einsendung der Bücher an die Intendanturen ist im Oktober d. J. zu be¬ 
ginnen. 

6) Während der Dauer einer Mobilmachung treten diese Bestimmungen für den 
mobilen Theil der Armee ausser Anwendung, und gelten für denselben die 
bisherigen Vorschriften. 

7) Die vorstehenden Bestimmungen über Führung und Revision der Bücher lassen 
die übrigen Vorschriften des Kassenreglements unberührt. 

Kriegsministerium. 

Bronsart v. Schellendorff. 

No. 552/5. 86. M. O. D. 3. 


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74 


A.-V.-Bl. No. 19. 

Berlin, den 25. Juli 1886. 

Die nach den Bestimmungen vom 18. Juni 1878 (Beilage zum Armee-Verordnungs- 
Blatt No. 13) in Bäder zum Gebrauche von Curen entsendeten activen Mannschaften 
sind in den Verpflegungs-Rapporten als „commandirt“ zu führen. Für die Familien 
der zu solchem Zwecke entsendeten Unteroffiziere ist der unter Ziffer 10 der Aller¬ 
höchsten Cabinets-Ordre vom 25. März 1886 (Armee-Verordnungs-BlattS.91) bestimmte 
Löhnungszuschuss zuständig. 

Kriegsministerium; Militär-Oekonomie-Departement. 

I. V. 

Blume. Aldenkortt. 

No. 264/7. 86. M. O. D. 3. 


A.-V.-Bl. No. 19. 

Berlin, den 26. Juli 1886. 

Der II. Band des Sanitätsberichts über die Deutschen Heere im Kriege gegen 
Frankreich 1870/71 wird nebst einem Vertheilungsplane mittels Umschlags venandt 
werden. Die zur Ausgabe gelangten Bände des Berichts sind bei der Königikfcen 
Hofbuchhandlung von E. S. Mittler & Sohn, Berlin SW., Kochstrasse 68—70, zum 
Ladenpreise von 50 JC für den I. Band, 45 JC für den II. Band, 42,50 JC für den 
IV. Band und 36 JC für den VII. Band im Einzelnen käuflich. 

Die Offiziere, Sanitätsoffiziere und Beamten des Deutschen Heeres können die 
bezüglichen Bände durch Vermittelung der Militär-Medicinal-Abtheilung zum 
ermässigten Preise von 40 Jt für den I., 36 JC für den n., 34 JC für den IV. und 
27 JC für den VII. Band beziehen. 

Kriegsministerium. 

Bronsart v. Schellendorff. 

No. 1181/7. M. M. A. 


Personal-Veränderungen im Sanitäts-Corps. 

Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen. 

Nachweisung der beim Sanitäts-Corps pro Monat Juli 1886 
eingetretenen Veränderungen. 

Durch Verfügung des Kriegsministeriums. 

Den 8. Juli 1886. 

Dr. Rahts, Stabsarzt beim Gren.-Regt. Kronprinz (1. Ostpreussischee) No. 1 
vom 1. August er. ab auf weitere 6 Monate zum Kaiserlichen Gesundheitsamte 
commandirt. 

Den 5. August 1886. 

Dr. He rt wi g, Stabsarzt der Landw. vom Res. Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, — 
Dr. Haagen, Assist.-Arzt 2. CI. der Res. von demselben Landw.-Regt., — der Ab 
chied ertheilt. 


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75 


Den 14. August 1886. 

Dr. Schmundt, Gen.-Arzt 2. CI. z. D., zuletzt Ober-Stabsarzt 1. CI. und 
Regts.-Arzt des Westpreuss. Cür.-Regts. No. 5, unter Belassung seiner bisher. Uni¬ 
form, mit Pension verabschiedet. 

Den 17. August 1886. 

Dr. Rhein, Assist-Arzt 1. CI. der Landw. vom 2. Bat (Bonn) 2. Rheinischen 
Landw.-Regts. No. 28, der Abschied ertheilt 

Durch Verfügung des General-Stabsarztes der Armee. 

Den 1. Juli 1886. 

Dr. Rothamel, Unterarzt vom Westfalischen Ulanen-Regt. No. 5, — Dr. Neu¬ 
mann, Unterarzt vom 2. Schlesischen Jäger-Bat. No. 6, 

den 6. Juli 1886. • 

Hoff mann, dienstpflichtiger Arzt unter Anstellung beim Holstein. Feld-Art. - 
Regt. No. 24 — zum Unterarzt des Friedensstandes ernannt. 

Den 8. Juli 1886. 

Stenber, Unterarzt vom 1. Magdeb. Inf.-Regt. No. 26, — Dr. Reinbrecht, 
Unterarzt vom 1. Hess. Inf.-Regt. No. 81, — Dr. Nickel, Unterarzt vom 2. Ost- 
preuss. Gren.-Regt No. 3, — Mersmann, Unterarzt vom Inf.-Regt. No. 128, — 
Jahn, Unterarzt vom Colberg. Gren.-Regt. (2. Pommersches) No. 9, 

den 17. Juli 1886, 

Dr. Paeprer, Unterarzt vom Garde Fuss-Art.-Regt.,— Baehr, Unterarzt vom 
Niederschles. Feld-Art.-Regt. No. 5—sämmtlich mit Wahrnehmung je einer bei den 
betreffenden Truppentheilen vacanten Assistenzarztstelle beauftragt. 


Veränderungen im Königlich Sächsischen Sanitäts-Corps. 

Allerhöchster Beschluss vom 27. August 1886. 

Dr. Rietschler, Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regimentsarzt des 2. Husaren-Regi- 
ments „Kronprinz Friedrich Wilhelm des Deutschen Reichs und von Preussen* 
No. 19 und 

Dr. Schirmer, Stabs- und Bataillonsarzt des 8. Infanterie-Regiments „Prinz 
Johann Georg“ No. 107 mit dem Charakter als Ober-Stabsarzt 2. CI. Beiden mit 
der gesetzlichen Pension und der Erlaubniss zum Forttragen der bisherigen Uniform 
mit den vorgeschriebenen Abzeichen der Abschied bewilligt. 


Veränderungen im Königlich Bayerischen Sanitäts-Corps. 

Den 17. Juli 1886. 

Dr. Walther (München I)» Assist.-Arzt 1. CI. des Beurlaubtenstandes, — Ur¬ 
laub (München II), Rottmeister (Mindelheim), Assist.-Aerzte 2. CI. des Beur¬ 
laubtenstandes — der Abschied ertheilt. 

Den 1. August 1886. 

Dr. Weinig, Assist.-Arzt 2. CI. des 13. Inf.-Regts. Kaiser Franz Joseph von 
Oesterreich, in den Beurlaubtenstand des Sanitätscorps versetzt. — Dr. Helfe- 
rich, Ober-Stabsarzt 2. CL, zum Ober-Stabsarzt 1. CI. ä la suite des Sanitätscorps 
befördert. 


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76 


Den 12. August 1886. 

Dr. Sartorius (Würzburg), Stabsarzt des Beurlaubtenstandes, mit der Erlaub' 
niss zum Tragen der Uniform, — Dr. Dietrich (Aschaffenburg), Assist.-Arzt 1 . CI. 
des Beurlaubtenstandes, — Dr. Ritter (Würzburg), Dr. Faber (Aschaffenburg), 
As8ist.-Aerzte 2. CI. des Beurlaubtenstandes, — der Abschied ertheilt. 


Veränderungen im Königlich Württembergischen Sanitäts-Corps. 

Den 20. Juli 1886. 

Stegmeyer, Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt im Gren.-Regt. König Carl 

No. 123, in gleicher Eigenschaft in das 7. Inf.-Regt. No. 125 versetzt. — Dr.Hast- 

reiter, Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. 8. Inf.-Regts. No 126, zum Ober-Stabs¬ 
arzt 2. CI. und Regts.-Arzt im Gren.-Regt. König Carl No. 123 befördert. — 
Dr. Hegelmaier, Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. Infc-Regts. Kaiser Wilhelm 
König von Preussen No. 120, in gleicher Eigenschaft zum 2. Bat. 8. Inl-Regts. No. 126 
versetzt. — Dr.‘ Hauff, Assist.-Arzt 1. CI. der Res. im Res.Landw.-Bat. (Stuttgart) 
No. 127, — Süsskind, Assist.-Arzt 1. CI. der Res. im 1. Bat. (Calw) 1. Landw. - 

Regts. No. 119, — zu Stabsärzten der Res., — Kappes, Assist.-Arzt 1. CI. der 

Landw. im 1. Bat. (Heilbronn) 4. Landw.-Regts. No. 122, zum Stabsarzt der Landw., 
— Dr. Schaller, Assist.-Arzt 1. CI. im Drag.-Regt. Königin Olga No. 25, zum 
Stabs- und Bats.-Arzt des 2. Bats. Inf.-Regts. Kaiser Wilhelm König von Preussen 
No. 120, — befördert. 

Den 8. August 1886. 

Dr. Reinhardt, Unterarzt im 3. Inf.-Regt. No. 121, zum Assist.-Arzt 2. CI. 
ernannt. 


Ordensverleihungen. 

Preus8ische. 

Rother Adler-Orden 3. CI. mit der Schleife: 

Dr. Starke, Generalarzt 2. CI. a. D. in Colberg, bisher Regts.-Arzt des 7. Pomm. 
Inf.-Regts. No. 54. 

Andere. 

Commandeurkreuz 2. CI. des Königlich Schwedischen Wasa-Ordens: 
Dr. v. Volkmaun, ordentlicher Professor der medicinischen Facultät der Uni¬ 
versität zu Halle, Geheimer Medicinalrath und General-Arzt 1. CI. ä la suite 
des Sanitätscorps. 


Familien-N achrich ten. 

Verlobt: Dr. Witte, Königl. Preuss. Assist.-Arzt 1. CI., mit Frl. Berta Schu¬ 
macher (Domkau—Schandau). 

Geburten (Sohn): Assist.-Arzt 1. CI. Dr. Lindemann (Posen). 

(Tochter): Assist.-Arzt 1. CI. Dr. Kreysern (Fürstenwalde). 

Todesfälle: Dr. Hegener, Stabsarzt der Landw. (Stolberg, Rheinprovinz). — 
Dr. Eckstein, Stabsarzt a. D. (Neustettin). — Dr. Daffner, Stabsarzt, Frau 
Josefine (München). 


Oedxuckt in der Käuflichen Hofbuchdruckerei von E. S. Mittler und 8ohn, Berlin SW., Kochstrusne 68-7ft. 


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Amtliches Beiblatt 


zor 


Deutschen militärärztlichen Zeitschrift 


1886. 


— Fünfzehnter Jahrgang. 


M 10 . 


Berlin, den 24. Juli 1886. 

Euer Hochwohlgeboren fibersendet die Unterzeichnete Abtheilung beifolgend er¬ 
gebenst das Werk »Die transportable Lazareth -Baracke“ zur gefälligen 
Kenntnisnahme und mit dem Ersuchen, die beiden Exemplare bei den Sanitäts¬ 
offizieren des Corpsbereichs in Umlauf zu setzen und demnächst das eine in Ihrem 
Bureau, das andere in dem hierzu geeignetsten Garnison-Lazareth inventarisiren und 
aufstellen zu lassen. 

Diesseits wird auf eine eingehendere Information über den Inhalt des Werkes 
seitens der Sanitäts-Offiziere Werth gelegt, damit dieselben die Erfahrungen kennen 
und würdigen, welche zur Anwendung des Systems transportabler Baracken geführt 
haben, zugleich aber auch die bisherigen Leistungen auf diesem Gebiete zu über¬ 
sehen vermögen, um aus ihnen im Bedarfsfall für das Wohl der Kranken und auch 
für die ökonomischen Interessen der Militärverwaltung Nutzen zu ziehen. 

Dem Königlichen General - Commando, welchem diesseits ein Exemplar des 
Werkes übersandt worden ist, wollen Euer Hochwohlgeboren gefälligst über das¬ 
selbe Vortrag machen. 

Einer Namhaftmachung des Garnison-Lazareths, welchem Euer Hochwohl¬ 
geboren das Ihnen übersandte zweite Exemplar zuzuweisen beabsichtigen, darf 
ergebenst entgegengesehen werden. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 

L V. 

Lentze. Körting. 

No. 1408/7. M. M. A. 


Berlin, den 19. August 1886. 

Zur Erleichterung der Herstellung von Mullcompressen und von Binden soll 
jedes Traindepot und jede Verbandmittelreserve eine Verbandmittel-Schneide- und 
eine Verbandmittel-Wickelmaschine erhalten. 

Das Traindepot III. Armee - Corps wird den vorbezeichneten Stellen diese 
Maschinen nach erfolgter Beschaffung übersenden und je 2 Exemplare der von dem 
Erfinder der Maschinen, Hauptmann Gemmel, gegebenen Gebrauchsanweisung 
beifügen. 

Die Kosten der Beschaffung und Unterhaltung der Maschinen hat Titel 15 des 
Capitels 29, Militär-Medicinalfonds, zu tragen. 

Die Königliche Intendantur wolle gefälligst das Weitere veranlassen. 
Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 

L V. 

v. Coler. Zehr. 

No. 1387/7. M. M. A. 


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78 


Berlin, den 9. September 1886. 

Es hat sich die Noth wendigkeit herausgestellt, dass die Abtheilong schneller 
als es durch die monatliche Rapporterstattung geschieht, über ausseigewöhnliche 
Erkrankungen unterrichtet werde. Euer Hochwohlgeboren werden daher ergebenst 
ersucht, nicht bloss den Ausbruch von Epidemien, sondern auch Massenerkrankungen 
jeder Art, desgleichen alle solche Unglücksfalle, welche entweder eine grössere Zahl 
von Mannschaften betreffen oder durch ihre Art Aufsehen zu erregen geeignet sind, 
ungesäumt hierher melden zu wollen. 

Insbesondere wird für die Zukunft einer gefälligen sofortigen Mittheilung über 
jeden Fall von Hitzschlag bezw. Sonnenstich, event. unter Darlegung der näheren 
Umstände der Erkrankung, ergebenst entgegengesehen. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 

I. V. 

v. Coler. Zehr. 

No. 457. 9. M. M. A. 


A.-V.-Bl. No. 22. 

Abgekürzte Bezeichnung der Abtheilungen des Kriegsministeriums 
und provisorische Aenderung der Geschäfts-Eintheilung bei demselben. 

Berlin, den 20. September 1886. 

Mit Genehmigung Seiner Majestät des Kaisers und Königs erhalten vom 1. Oc- 
tober d. Js. ab die Abtheilungen des Kriegsministeriums abgekürzte Bezeichnungen. 

Von demselben Zeitpunkte ab wird provisorisch eine anderweite Geschäfts-Eiu- 
theilung beim Kriegsministerium eintreten. 

Beide Aenderungen ergiebt nachstehende Uebersicht. 

Central-Abtheilung. Wie bisher. 

Allgemeines Kriegs-Departement. 

Armee-Ab theilung. 

Organisation der Armee im Frieden und im Kriege. — Aufstellung des Etats- 
Capitels 24 der fortdauernden Ausgaben. — Ersatzwesen. — Angelegenheiten des 
Beurlaubtenstandes und des Landsturms. — Grössere Truppen-Uebungen und Uebungen 
der Ersatzreserve. — Dislocation. — Eisenbahnwesen. — Chäussee- und Wasserbauten. 
— Etappen-Angelegenheiten. — Militär* Conventionen. — Specielle Dienstangelegen¬ 
heiten des Generalstabes einschliesslich Landesvermessungswesen*, der Eisenbahn¬ 
truppen und der Luftschiffer - Abtheilung. — Literarische und statistische An¬ 
gelegenheiten. — Geschäftsverkehr in der Armee. 

Infan t er ie-Abth eil u ng. 

Specielle Dienstangelegenheiten der Infanterie und der Jäger (einschliesslich des 
Eintritts in die Forstlehre). — Infanteristische Institute. — Militärmusik. — Innerer 
Dienst. — Gamisondienst. — Polizei-Angelegenheiten. — Versorgung der Armee 
mit Handfeuer- und blanken Waffen. — Angelegenheiten der Büchsenmacher. — 
Militär-Erziehungs- und Bildungswesen (mit Ausschluss der Vereinigten Artillerie- 
und Ingenieur-Schule und der Prüfungs- Commission für Hauptleute und Premier— 
lientenants der Artillerie). — Ergänzung der Offiziere des Friedensstandes. 





Cavalieri e-Abtheilung. 

Specieller Dienst der Cavalleria. — Militär-Bei t-Institut. — Veterinärwesen. — 
Laadgendarmerie, Leib* and Feldgendarmerie. — Feldjäger. — Postwesen. — Feld* 
geräth der Armee. — Specieller Dienst des Trains. 

Artillerie-Abtheilung. 

Wie bisher, nnr giebt sie die Versorgung der Armee mit Handfeuer- und 
blanken Waffen, sowie die Angelegenheiten der Büchsenmacher ab und übernimmt 
dagegen die Angelegenheiten der Vereinigten Artillerie- und Ingenieur-Schule und 
der Prüfungs-Commission für Hauptleute und Premierlieutenants der Artillerie. 

Ingenieur-Abtheilung. Wie bisher. 

Technische Abtheilung. Wie bisher. 

Militär-Oekonomie-Departement. 

Kassen-Abtheilung. Verpflegungs-Abtheilung. Bekleidungs- 
Abtheilnng. Servis-Abtheilnng. Bau-Abtheilung. 

Wie bisher, jedoch tritt bei der Bekleidungs-Abtheilnng die Verwaltung des 
Unterstützungsfonds für Offiziere nnd Offizier-Aspiranten des Friedensstandes hinzu. 

Departement für das Invalidenwesen. 

Pens io ns- Abtheilung. Im Allgemeinen wie die bisherige Abtheilnng A. 

Unterstützungs - Abtheil nng. Im Allgemeinen wie die bisherige Ab¬ 
teilung B. 

Anstellnngs-Abtheilung. 

Anstellung inactiver Offiziere und Mannschaften. — Krieger-Vereine. — Straf¬ 
vollstreckung. — Arbeiter-Abtheilungen. — Militär-Kirchenwesen. — Militär-Justiz¬ 
wesen. — Ehrengerichtliche Angelegenheiten. — Disciplinar - Angelegenheiten. — 
Begnadigungs-Angelegenheiten. — Ausl ieferungs-Angelegenheiten. — Besteuerungs- 
Angelegenheiten. — Heiraths- Angelegenheiten. — Wahl-Angelegenheiten. — Stamm- 
listen. — Orden. — Fahnen. 

Remontirungs-Abtheilnng. Wie bisher. 

Medicinal-Abtheilung. Wie bisher. 

Dies wird hierdurch zur Kenntniss der Armee gebracht. 

Kriegsministerium. 

Bronsart v. Schellendorff. 


Personal-Veränderungen im Sanitäts-Corps. 

Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen. 

Befördert werden: Der Assist-Arzt 1. CI. Dr. Terstesse vom 1. Hannov. 
Inf.-Regt. No. 74 zum Stabsarzt bei dem Niederscbles. Fuss-Art.-Regt No. 6; die 
Assist-Aerzte 1. CI. der Res.: Dr. Hessler vom 2. Bat. (Halle) 2. Magdeburg«. 
Landw.-Regts. No. 27, — Dr. Tamm vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, — 
Dr. Brand vom 2. Bat. (Dortmund) 3. Westfäi. Landw.-Regts. No. 16, — 
Dr. Heymann vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, — Dr. Stehle vom 
2. Bat. (Stockach) 6. Bad. Landw.-Regts. No. 114, — Dr. Richter vom Res.* 


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80 


Landw.-Regt. (1. Breslau) No. 38, — Dr. Stachel hausen Tom Res.-Landw.-Bat 
(Barmen) No. 39, — Dr. Friedländer vom 1. Bat. (Danzig) 8. Ostpreuss. Landw. - 
Regts. No. 45, — Dr. Totenhoefer vom Res.-Landw.-Regt (1. Breslau) No. 38, — 
Dr. Szumski vom 1. Bat. (Gnesen) 3. Pomm. Landw.-Regts. No. 14, — Dr. Voigt 
vom 2. Bat. (Wiesbaden) 1. Nassau. Landw.-Regts. No. 87, — und Dr. Roller vom 

1. Bat. (1. Trier) 8. Rhein. Landw.-Regts. No. 70, — zu Stabsärzten der Res.; die 
Assist.-Aerzte 1. CI. der Marine-Res. Dr. Neuber vom 1. Bat. (Kiel) Holstein. 
Landw.-Regts. No. 85, und Dr. Walle vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, 
zu Stabsärzten der Marine-Res.; die Assist.-Aerzte 1. CI. der Landw.: Dr. Haunhorst 
vom 2. Bat. (Gräfrath) 8. Westfäl. Landw.-Regts. No. 57, — Dr. Brockhaus vom 

2. Bat. (Bonn) 2. Rhein. Landw.-Regts. No. 28, — Dr. Reinhard vom 1. Bat. 
(Hamburg) 2. Hanseat. Landw.-Regts. No. 76, — Dr. Hinrichs vom 2. Bat. 
(Rendsburg) Holstein. Landw.-Regts. No. 85, — Dr. Möller vom 2. Bat (Gera) 
7. Thuring. Landw.-Regts. No. 96, — Burger vom 1. Bat. (Freiburg) 5. Bad. 
Landw.-Regts. No. 113, — Dr. Grobelny vom 1. Bat. (Rawitsch) 4. Posenschen 
Landw.-Regts. No. 59, — Dr. Schweitzer vom 1. Bat. (Neuwied) 3. Rhein. 
Landw.-Regts. No. 29, — Dr. Bertling vom 2. Bat. (Gräfrath) 8. Westfäl Landw.- 
Regts. No. 57, — Dr. Elstner vom 2. Bat (Hirschberg) 2. Niederschles. Landw.- 
Regts. No. 47, — Dr. Minor vom 2. Bat. (Wiesbaden) 1. Nassau. Landw.-Regts. No. 87, 
— Dr. Runge vom 1. Bat. (Tilsit) 1. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 1, — Dr. Bange 
vom 1. Bat. (Meschede) 2. Hess. Landw.-Regts. No. 82, — Dr. Schultz vom 

2. Bat. (Pr. Stargardt) 8. Pomm. Landw.-Regts. No. 61, — Dr. Karpinski vom 
1. Bat. (Frankfurt) 1. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 8, — Dr. Rättig vom 
1. Bat (Bitterfeld) 4. Magdeburg. Landw.-Regts. No. 67, — Dr. Schroeter vom 
1. Bat. (Hamburg) 2. Hanseat Landw.-Regts. No. 76, — Dr. Wittek vom 2. Bat 
(Ratibor) 1. Oberschles. Landw.-Regts. No. 22, — Dr. Dittmer vom 1. Bat (Neu¬ 
wied) 3. Rhein. Landw.-Regts. No. 29, — Dr. Biskamp vom 2. Bat (1. Cassel) 

3. Hess. Landw.-Regts. No. 83, — Dr. Oidtmann vom 1. Bat. (Aachen) 1. Rhein, 
Landw.-Regts. No. 25, — Dr. Bock vom 1. Bat. (Erfurt) 3. Thflring. Landw.-Regts. 
No. 71, — Dr. Vogler vom 1. Bat. (Nassau) 1. Nassau. Landw.-Regts. No. 87, — 
Dr. Wentscher vom 1. Bat. (Thorn) 8. Pomm. Landw.-Regts. No. 61, — 
Dr. Brüning vom 1. Bat. (Soest) 3. Westfal. Landw.-Regts. No. 16, — Dr. Kraut¬ 
wurst vom 2. Bat (Ratibor) 1. Oberschles. Landw.-Regts. No. 22, — Dr. Zipp 
vom 1. Bat (Freiburg) 5. Bad. Landw.-Regts. No. 113, — Dr. Lürman vom 

1. Bat. (Bremen) 1. Hanseat. Landw.-Regts. No. 75, — Dr. Kluge vom 2. Bat 
(Paderborn) 6. Westfal. Landw.-Regts. No. 55, — Dr. Hommelsheim vom 1. Bat 
(Aachen) 1. Rhein. Landw.-Regts. No. 25, — Dr. Beyer vom 1. Bat (Lauban) 

2. Niederschles. Landw.-Regts. No. 47, — Dr. Huck vom 1. Bat (Bremen) 

1. Hanseat Landw.-Regts. No. 75, — Dr. Fraenkel vom 1. Bat (Hamburg) 

2. Hanseat. Landw.-Regts. No. 76, — Dr. Pinner vom Res.-Landw.-Bat. (Frank¬ 
furt a. M.) No. 80, — und Dr. Nuss bäum vom 2. Bat (Bonn) 2. Rhein. Landw.- 
Regts. No. 28, — zu Stabsärzten der Landw.; die Assist.-Aerzte 2. CI.: Dr. Leopold 
vom 1. Niederschles. Inf.-Regt. No. 46, — Dr. Ilberg vom 3. Schles. Drag.-Regt 
No. 15, — Dr. Roth vom Westfäl. Cürassier-Regt. No. 4, — Dr. Weber vom 
Rhein. Train-Bat No. 8, — Dr. Buchholtz vom 1. Brandenburg. Feld-Art-Regt 
No. 3 (General-Feldzeugmeister), — und Dr. Sander von der Marine — zu Assist- 
Aerzten 1. CI.; der Marine-Stabsarzt Dr. Die hl von der 1. Matrosen-Division zum 
Marine-Oberstabsarzt 2. CI., vorläufig ohne Patent; die Marine-Assist-Aerzte 1. CI. 
Weinheimer von der 2. Matrosen-Div. und Dr. Richter von der 1. Matrosen- 
Div. zu Marine-Stabsärzten, beide vorläufig ohne Patent; die Unterärzte: Dr. Nickel 
vom 2. Ostpreuss. Gren.-Regt No. 3, — Dr. Dunbar vom 1. Pomm. Feld-Art- 
Regt No. 2, — Steuber vom 1. Magdeburg. Inf.-Regt. No. 26, dieser unter Ver¬ 
setzung zum Magdeburg. Train-Bat. No. 4, <— Dr. Neumann vom 2. Schles. 
Jäger-Bat No. 6 unter Versetzung zum Westfäl. Fös.-Regt. No. 37, — Mönc k 
vom Westfäl. Train-Bat No. 7, — Dr. Uppenkamp vom 1. Westfal Inf.-Regt No. 13, 
dieser unter Versetzung zum 1. Westfäl Hus.-Regl No. 8, — Dr. Rothamel vom 
Westfäl Ulanen-Regt. No. 5, — Dr. Thiele vom Westfäl Pionier-Bat No. 7, 
dieser unter Versetzung zum 2. Rhein. Hus.-Regt No. 9, — Erdmann vom Hannov. 


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Train-Bat. No. 10, unter Versetzung zum 4. Garde - Gren. - Regt. Königin, — 
Dr. Festenberg vom 3. Grossherzogi. Hess. Inf.-Regt. (Leib - Regiment) No. 117, 
unter Versetzung zum 1. Nassau. Inf.-Regt No. 87, — und Dr. Ger lach vom 
Grossherzogi. Hess. Feld-Art.-Regt No. 25 (Grossherzogi. Art.-Corps) unter Ver¬ 
setzung zum 1. Grossherzogi. Hess. Int- (Leibgarde-) Regt. No. 115, — zu Assist- 
Aerzten 2. CI.; die Unterärzte der Res.: Dr. Israel vom 2. Bat. (1. Cassel) 

3. Hess. Landw.-Regts. No. 83, — Dr. Weiermiller vom 2. Bat (Teltow) 
7. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 60, — Dr. Br oll und Gürtler vom Reserve- 
Landw.-Regt (1. Breslau) No. 38, — Dr. Hillebrand vom 2. Bat. (Düsseldorf) 

4. Westfal. Landw.-Regts. No. 17, — Dr. Esmarch und Dr. Paschen vom Res.- 
Landw.-Bat (Altona) No. 86, — und Dr. Bickel vom 2. Bat. (Wiesbaden) 
1. Nassau. Landw.-Regts. No. 87, — zu Assist.-Aerzten 2. CI. der Res. — Dem 
Stabsarzt Dr. Brun hoff von der Marine wird ein Patent seiner Charge vom 
27. Juli er. verliehen. — Die Assist.-Aerzte 2. CI. der Res.: Lange vom 2. Bat. 
(1. Cassel) 3. Hess. Landw.-Regts. No. 83 und Dr. Scholz vom 1. Bat (Darmstadt I) 

1. Grossherzogi. Hess. Landw.-Regts. No. 115 werden im activen Sanitäts-Corps 
und zwar als Assist-Aerzte 2. CI. mit Patent vom heutigen Tage', ersterer bei der 
Marine, letzterer bei dem 1. Schles. Gren.-Regt. No. 10, angestellt — Versetzt 
werden: Der Stabs- und Abtheilungsarzt Dr. Richter von der reitenden Abtheilung 
des 1. Pomm. Feld- Art. -Regts. No. 2 als Bats.-Arzt zum 2. Bat. Colberg. Gren.- 
Regts. (2. Pomm.) No. 9 und der Stabs- und Bats.-Arzt Dr. Lagus vom 2. Bat. 
Colberg. Gren.-Regts. (2. Pomm.) No. 9 als Abtheilungsarzt zur reitenden Abtheilung 
des 1. Pomm. Feld-Art.-Regts. No. 2. — Der Abschied wird bewilligt: Dem 
Stabsarzt Dr. Eunau vom Niederschles. Fuss-Art.-Regt. No 5 mit der gesetzlichen 
Pension und der Erlaubniss zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für 
Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen; den Stabsärzten der Res. Dr. Schück 
vom 1. Bat. (Görlitz) 1. Westpreuss. Landw.-Regts. No. 6, diesem mit der Erlaubniss 
zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen 
Abzeichen und Dr. Buchwald vom Res.-Landw.-Regt. (1. Breslau) No. 38; den 
Stabsärzten der Landw.: Dr. Liedtke vom 2. Bat (Goldap) 6. Ostpreuss. Landw.- 
Regts. No. 43, Dr. Lehmann vom 1. Bat (Landsberg) 5. Brandenburg. Landw.- 
Regts. No. 48, Kü hme vom 1. Bat. (Sangerhausen) 1. Thüring. Landw.-Regts. No. 31, 
Dr. Collenberg vom 2. Bat. (Hirschberg) 2. Niederschles. Landw.-Regts. No* 47, 
Dr. Schäfer vom 2. Bat (2. Münster) 1. Westfal. Landw.-Regts. No. 13, Dr. Niessen 
vom 1. Bat. (Kirn) 7. Rhein. Landw.-Regts. No. 69, Dr. Prigge vom 1. Bat. 
(Neuwied) 3. Rhein. Landw.-Regts. No. 29, Dr. Krämer vom Res.-Landw.-Regt. 
(Cöln) No. 40, Dr. Horn vom 2. Bat (Apenrade) Schleswig. Landw.-Regts. No. 84 
und Dr. Sebold vom 2. Bat. (1. Cassel) 3. Hess. Landw.-Regts. No. 83; den 
Assist-Aerzten 1. CI. der Landw.: Dr. Storbeck vom Res.-Landw.-Bat. (Magdeburg) 
No. 36, Dr. Schoetensack vom 2. Bat (Mühlhausen i. Th.) 1. Thüring. Landw.- 
Regts. No. 31, Dr. Schulte vom 2. Bat. (Dortmund) 3. Westfäl. Landw.-Regts. No. 16 
und Dr. Kriesche vom 1. Bat. (Rastatt) 4. Bad. Landw.-Regts. No. 112. — Der 
Marine-Assist.-Arzt 1. CI. Dr. Lenz von der 2. Matrosen-Division scheidet aus dem 
activen Sanitäts-Corps aus und tritt zu den Sanitats-Offizieren der Marine-Res. des 

2. Bats. (1. Cassel) 3. Hess. Landw.-Regts. No. 83 über. 

Schloss Babelsberg, den 24. August 1886. 


Befördert werden:die Oberstabsärzte 2. CI. und Regimentsärzte: Dr. Th eie¬ 
rn ann rom 1. Bad. Leib-Dragoner-Regt. No. 20, — und Dr. Schneider vom 
Inf.-Regt No. 128, — zu Oberstabsärzten 1. CI., die Assistenzärzte 2. CI. 
der Res.: Dr. SeiffaTt vom 1. Bat. (Weimar) 5. Thüring. Landw.-Regts. No. 94,— 
Dr. Hell vom 1. Bat. (Hamburg) 2. Hanseat. Landw.-Regts. No 76, — Dr. Massen 
vom 1. Bat. (Bremen) 1. Hanseat. Landw.-Regts. No. 75, — Dr. Lucanus vom 

1. Bat. (Mainz) 4. Grossherzogi. Hess. Landw.-Regts. No. 118, — Dr. Grothaus 
vom 1. Bat. (Osnabrück) 1. Hannov. Landw.-Regts. No. 74, — Dr. Meller vom 

2. Bat. (Düsseldorf) 4. Westfäl. Landw.-Regts. No. 17, — Dr. Liebeschütz vom 
1. Bat. (Dessau) Anhalt. Landw.-Regts. No. 93, — Dr. Elle vom Res.-Landw.-Bat 


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(Frankfurt a. M.) No. 80, — Dr. Backenköhler vom 2. Bat (Göttingen) 3. Hannov. 
Landw.-Regts. No. 79, — Dr. Draeck vom 1. Bat. (Geldern) 4. Westfal. Landw.- 
Regts. No. 17, — Dr. Nagel vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No- 36, — und 
Dr. Wirth vom 1. Bat. (Bochum) 7. Westfal. Landw.-Regts. No- 56, — an 
Assistenzärzten 1. CI. der Reserve; die Assistenzärzte 2. CL der Lsadv.: 
Dr. Tilger vom Ober-Elsäss. Res.-L&ndw.-Bat. (Mülhansen i. E.) No. 99, — und 
Dr. Barelmann vom 1. Bat. (Kiel) Holstein. Landw.-Regts. No. 85, — xu 
Assistenzärzten 1. CI. der Landw.; die Marine-Assistenzärzte 2. CI. Ehr. Möller, 
König, Dr. Dammann, Dr. Koch, Dr. Davids und Dr. Olshausen von der 
2. Matrosen-Division, und Dr. Tereszkiewicz von der 1. Matrose n-Diviaion, — xn 
Marine-Assistenzärzten 1., CI. diese sieben vorläufig ohne Patent; die Unter¬ 
ärzte: Dr. Paeprer vom Garde-Fuss-Art.-Regt, unter Versetzung zum Thüring. 
Husaren-Regt. No. 12, — Roehr vom 3. Ostpreuss, Grenadier-Regt No- 4, — 
Schmidt vom 3. Thüring. Inf.-Regt No. 71, — Dr. Reinbrecht vom 1. Hess. 
Inf,-Regt, No. 81, dieser unter Versetzung zum Brandenburg. Husaren - Regt 
(Zietensche Husaren) No. 3, — Greifenhagen vom 2. Grossherzogi. Hesa. InL- 
Regt. (Grossherzog) No. 116, — und Kloidt vom 6. Bad. In£-Regt No. 114, dieser 
unter Versetzung zum Kurmärk. Dragoner-Regt No. 14, — zu Assistenzärzten 

2. CI.; der Marine-Unterarzt Dr. Rüge von der 2. Matrosen-Division zum Marine- 
Assistenzarzt 2. CI.; die Unterärzte der Reserve: Dr. Schüler vom Res. Landw.- 
Bat (Altona) No. 86, — Dr. Neu mann vom 1. Bat. (Potsdam) 3. Branden- 
burgischen Landwehr-Regiments No. 20,— Köhn vom Reserve-Landwehr-Kegiment 
(1 Berlin) No. 35, — Schultz vom 1. Bataillon (Görlitz) 1. Westprenesiecbea 
Landw.-Regts. No. 6, — Dr. Lewy vom Res. - Landw. - Regt (1. Breslau) No. 36, 
— Dr. Kellendonk vom 1. Bat. (Wesel) 5. Westfal. Landw.-Regts. No. 53, — 
Dr. Robolski vom 2. Bat (Lübeck) 2. Hanseat Landw.-Regts. No. 76, — 
Dr. Falkenthal vom 2. Bat (Cüstrin) 1. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 8, — 
Dr. Sn eil vom 1. Bat. (Hildesheim) 3. Hannov. Landw.-Regts, No. 79, — Ihr. Ort¬ 
weiler vom 2. Bat (Meiningen) 6. Thüring. Landw.-Regts. No. 95, — Dr. Krnmm- 
hoff vom 2. Bat (Eisenach) 5. Thüring. Landw.-Regts. No. 94, — Dr. Wolff 
vom Res. - Landw. - Bat. (Frankfurt a. M.) No. 80, — Dr. Hofmann vom 2. BaL 
(Meiningen) 6, Thüring. Landw.-Regts. No. 95, nnd — Dr. Gassert vom 2. Bst. 
(Stockach) 6. Bad. Landw.-Regts. No. 114, — zu Assist.-Aezten 2. CI. der 
Res.; — der Unterarzt der Mar.-Res. Dr. Winckler vom Res.rLandw.-Bat. (Königs¬ 
berg) No. 33 zum Assist.-Arzt. 2. CI. der Mar.-Res.; — der Unterarzt der Landw. 
Dr. Rosenthal vom 2. Bat (Teltow) 7. Brandenburg. Landw.-Regts No. 60 zum 
Assist-Arzt 2. CI. der Landw. — Dem Oberstabsarzt 1. CI. Dr Bäuerlein von 
der Marine wird ein Patent seiner Charge verliehen. — Der Oberstabsarzt 1. CL 
und Regt8. - Arzt Dr. Boretius vom Westpreuss. Feld-Art-Regt No. 16 wird mit 
Wahrnehmung der divisionsärztlichen Functionen bei der 2. Div., — und der Ober¬ 
stabsarzt 1. CI. Dr. Scheidemann, Garn.-Arzt in Stettin, mit Wahrnehmung der 
divisionsärztlichen Functionen bei der 3. Div. — beauftragt — Versetzt 
torerden: Der Stabsarzt Dr. Pfuhl vom Fuse-Art.-Regt No. 11 zum mediewiBcfc- 
chirurgiscben Friedrich-Wilhelms-Institut; — der Assist-Arzt 1. Cl. Dr. Gaedkens 
vom Brandenburg. Hus.-Regt. (Zietensche Husaren) No. 3 zum Brandenburg. Train* 
Bat No. 3; — der Assist.-Arzt 2. Cl. Dr. Ostmann vom Holstein. Int-Regt 
No. 85 zum 1. Thüring. Inf.-Regt. No. 31, — und der Marine - Assist-Arzt 1. CI. 
Dr. Müller von der 1. Matr. -Div. zur Armee und zwar zum Holstein. InC-Regt 
No. 85» — Der Abschied wird bewilligt: Dem Oberstabsarzt 1. Cl. und Regi¬ 
mentsarzt Dr. Ewermann vom 1. Leib - Hus. - Regt. No. 1, beauftragt mit Wahr¬ 
nehmung der divisionsärztlichen Functionen bei der 2. Div., mit der gesetzlichen 
Pension, dem Charakter als Generalarzt 2. Classe und der Erlaubnis zum Tragen 
seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen; — 
dem Oberstabsarzt 1. Cl. und Regts.-Arzt Dr. Ho mann vom Pomm. Füs.-Regt. 
No. 34, beauftragt mit Wahrnehmung der divisionsärztlichen Functionen bei der 

3. Div., unter Verleihung des Charakters als Generalarzt 2. C1. 9 mit der gesetzlichen 
Pension und der Erlaubniss zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für 
Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen; dem Oberstabsarzt 2. CL Dr. Bad- f 


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stübncr, Garnisonarzt in Glatz, mit der gesetzlichen Pension und der Erlaubniss 
zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen 
Abzeichen; dem Stabs- und Bat.-Arzt Dr. Ideler vom 1. Bat. 5. Pomm. Inf.-Regts. 
No. 42 mit der gesetzlichen Pension, dem Charakter als Oberstabsarzt 2. CI. und 
der Erlaubniss zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete 
vorgeschriebenen Abzeichen; den Stabsärzten der Reserve: Dr. Krön vom 
Res.-"Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35 und Dr. Mallinckrodt vom 1. Bat. (Wesel) 
5. Westfal. Landw.-Regts. No. 53; den Stabsärzten der Landw. Dr. Assmann 
vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, diesem mit der Erlaubniss zum Tragen 
seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen, 
!>r. Schmidt vom 1. Bat. (Anclam) 1. Pomm. Landw.-Legts. No. 2, Dr. Paterna 
vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, und Dr. Ad ick es vom Res.-Landw.- 
Bat. (Hannover) No. 73; den Assistenzärzten 1. Cl. der Landw., Dr. Ziehe vom 
2. Bat. (Rastenburg) 5. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 41, Dr. Grochtmann vom 
2. Bat. (Teltow) 7. Brandenb. Landw.-Regts. No. 60, Dr. Stühmer vom Res.-Landw.- 
Bat. (Magdeburg) No. 36, Dr. Schüssler vom 1. Bat. (Bremen) 1. Hanseat. Landw.- 
Regts. No. 75, Dr. Schmidt vom 1. Bat. (Hamburg) 2. Hanseat. Landw.-Regts. 
No. 76, Dr. Bode vom 2. Bat. (2. Braunschweig) Braunschweig. Landw.-Regts. 
No. 92, und Dr. Thilo vom 1. Bat. (1. Braunschweig) Braunschweig. Landw.-Regts. 
No. 92. — Der Stabs- und Bats.-Arzt Dr. Huld vom 2. Bat. 6. Pomm. Inf.-Regts. 
No. 49 scheidet mit der gesetzlichen Pension aus. — Der Assist-Arzt 1. Cl. Fick 
vom Littb. Ulanen-Regt. No. 12, und der Assist-Arzt 2. CI. Löchner vom 
4. Pomm. Inf.-Regt. No. 21 scheiden aus dem activen Sanitäts-Corps aus und treten 
zu den Sanitäts-Offizieren der Landw. des Res.-Landw.-Regts. (1. Berlin) No. 35 über 
Baden-Baden, den 28. September 1886. 


Nachweisung der bei dem Sanitäts-Corps pro Monat Juli und 
August 1886 eingetretenen Veränderungen. 

Durch Verfügung des Kriegsministeriums. 

Den 20. August 1886. 

Dr. Weidenhammer, Assist-Arzt 2. Cl. vom 1. Grossherzogi. Hess. Inf.- (Leib¬ 
garde-) Regt No. 115, 

Dr. Schumann, Assist.-Arzt 2. Cl. vom 4. Garde-Gren.-Regt. Königin, 

Lerche, Assist.-Arzt 2. CI. vom Pomm. Drag.-Regt. No. 11, 

Bischof, Assist.« Arzt 2. Cl. vom Rhein. Fuss - Art. - Regt. No. 8, — alle vier vom 
1. September er. ab zur Dienstleistung bei der Kaiserlichen Marine commandirt. 

Durch Verfügung des Generalstabsarztes der Armee. 

Den 31. Juli 1886. 

Appellus, Unterarzt vom 5. Bad. Inf.-Regt No. 113, 

Bötticher, Unterarzt vom 8. Ostpreuss. Inf.-Regt. No. 45, 

Dr. Eckermann, Unterarzt vom 1. Hanseat. Inf.-Regt. No. 75. 

Dr. G rieb sch, Unterarzt vom 6. Pomm. Inf.-Regt No. 49, 

Steger, Unterarzt vom 1. Schles. Jäger-Bat. No. 5, 

Streit, Unterarzt vom 4. Thüring. Inf.-Regt. No. 72, 

Vollbrecht, Unterarzt vom 2. Grossherzogi. Mecklenburg. Drag.-Regt. No. 18, 

den 5. August 1886. 

Dr. Wassmund, Unterarzt vom 3. Brandenburg. Inf.-Regt. No. 20, 
Greifenhagen, Unterarzt vom 2. Grossherzogi. Hess. Inf.-Regt. (Grossherzog) 
No. 116, 

Müller, Unterarzt vom Neumärk. Drag.-Regt. No. 3, 

Kloidt, Unterarzt vom 6. Bad. Inf.-Regt. No. 114, 

Röhr, Unterarzt vom 3. Ostpreuss. Gren.-Regt No. 4, 

Dr. Rüge, Unterarzt von der Kaiserlichen Marine, 

Richter, Unterarzt vom Ostpreuss. Fuss-Art.-Regt. No. 1, 

Boedeker, Unterarzt vom Oldenburg. Inf.-Regt. No. 91, 

Grosser, Unterarzt vom 1. Grossherzogi. Hess. Inf.- (Leibgarde-) Regt. No. 115, 


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den 7. August 1886. 

Reepei, bisher einjährig-freiwilliger Arzt vom 3. Garde-Grenadier-Regt. Königin 
Elisabeth, zum Unterarzt ernannt, — sämmtlich mit Wahrnehmung je einer bei 
den betreffenden Truppentbeilen resp. bei der Marine vacanten Assistenzarzt- 
Stelle beauftragt. 


Veränderungen im Königlich Sächsischen Sanitäts-Corps. 

Den 27. August 1886. 

Dr. Rietschler, Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt des 2. Hus.-Regts. Kronprinz 
Friedrich Wilhelm des Deutschen Reiches und von Preussen No. 19, * 

Dr. Schirmer, Stabs- und Bats.-Arzt des 8. Inf. - Regts. Prinz Johann Georg 
No. 107, diesem unter Verleihung des Charakters als Ober-Stabsarzt 2. CI. mit 
der gesetzlichen Pension und der Erlaubniss zum Forttragen der bisherigen 
Uniform mit den vorgeschriebenen Abzeichen, — der erbetene Abschied 
bewilligt. 


Allerhöchster Beschluss vom 27. September 1886. 

Dr. Käppler, Stabs- und Bataillonsarzt des 3. Inf.-Regts. No. 102, zum Ober- 
Stabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt des 2. Husaren - Regiments „Kronprinz Friedrich 
Wilhelm des Deutschen Reiches und von Preussen“ No. 19, — Dr. Paak, Assist.- 
Arzt 1. CI. des 9. Inf.-Regts. No. 133, unter Enthebung von dem Commando 
zum Kaiserlichen Gesundheitsamt in Berlin, zum Stabs- und Bataillonsarzt bei dem 

4. Inf.-Regt. No- 103,— Dr. Fröhlich, Assistenzarzt 1. CI. des Carabinier-Regts., 
zum Stabs- und Abtheilungsarzt bei dem 1. Feld-Artillerie-Regiment No. 12 
(Garnison Riesa), — Dr. Pässler und Dr. Radestock, Assistenzärzte 2. CI. des 

5. Inf.-Regts. „Prinz Friedrich August“ No. 104, ersterer unter gleichzeitiger Ver¬ 
setzung zu den Sanitäts-Offizieren der Reserve, letzterer unter Belassung in seinem 
Commando zum Stadtkrankenhause in Friedrichstadt-Dresden, zu Assistenzärzten 
1. CI. — Dr. Zimmer, Unterarzt des 1. Feld-Artillerie-Regiments No. 12, zum 
Assistenzarzt 2. CI., — Dr. Huck, Assistenzarzt 1. CI. der Res. des 1. Bats. 
fPirna) 3. Landw.-Regts. No. 102, — Dr. Römer, Assistenzarzt 1. CI. der Res. 
des 1. Bat. (Plauen) 5. Landw.-Regts. No. 104, — Dr. Gr fine, Assistenzarzt 

1. CI. der Res. des 1. Bats. (Leipzig) 7. Landw.-Regts. No. 106 und — Dr. Gast 
und Dr. Findeisen, Assistenzärzte 1. CI. der Res. des Res.-Landw.-Bats. (Dresden) 
No. 108, zu Stabsärzten der Reserve, — Dr. Schiman6ki, Assistenzarzt 1. CI. 
der Landw. des 1. Bats. (Bautzen) 4. Landw.-Regts. No. 103 und — Dr. Ludwig, 
Assistenzarzt 1. CI. der Landw. des 1. Bats. (Leipzig) 7. Landw.-Regts. No. 106, 
zu Stabsärzten der Landwehr, — Dr. Jäger, Assistenzarzt 2. CI. der Res. 
des 1. Bats. (Pirna) 3. Landw.-Regts. No. 102, — Dr. Götze, Assistenzarzt 2. CI. 
der Res. des 2. Bats. (Zittau) 3. Landw.-Regts. No. 102, — Dr. Gleich, Assistenzarzt 

2. CI. der Res. des 1. Bats. (Bautzen) 4. Landw.-Regts. No. 103, — Giessen, 
Assistenzarzt 2. CI. der Res. des 2. Bats. (Glauchau) 6. Landw.-Regts. No. 105, — 
Dr. Küster, Dr. Zenker, Dr. Schmidt, Dr. Schmiedt, Dr. Fritzsche, 
Dr. Thummler und Dr. Lew in, Assistenzärzte 2. CI* der Res. des 1. Bats. 
(Leipzig) 7. Landw.-Regts. No. 106,— Dr. Golebiewski, Dr. Hempel, Stübing, 
Dr. Schwendler und Dr. Buttner-Wobst, Assistenzärzte 2. CI. der Res. des 
Res.-Landw.-Bats. (Dresden) No. 108, zu Assistenzärzten 1. CI. der Reserve, — 
Dr. Hauschild und Glöckner, Unterärzte der Res. des Res.-Landw.-Bats. 
(Dresden) No. 108, zu Assistenzärzten 2. CI. der Reserve — befördert. — 
Dr. Haase, Stabs- und Bataillonsarzt des 4. Infanterie-Regiments No. 103, in 
gleicher Eigenschaft zum 8. Infanterie-Regiment „Prinz Johann Georg* No. 107, — 
Creuzinger, Assistenzarzt 1. CI. des 3. Inf.-Regts. No. 102, unter Enthebung von 
seinem Commando zum Stadtkrankenhause in Friedrichstadt-Dresden, zum Carabinier* 
Regt. (Garnison Pegau), — Dr. Trautschold, Assistenzarzt 1. CI. des 2. Feld- 
Art.-Regts. No. 28, zum 3. Inf.-Regt. No. 102, — Dr. Kampf, Assistenzarzt 1. CI. 


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de« 8. Inf.-Regts. „Prinz Johann Georg* No. 107, unter Enthebung von dem Com- 
mando zur Universität Leipzig, zum 2. Feld-Art-Regt No. 28 (Garnison Pirna), — 
Dr. Meyer, Assistenzarzt 1. CI. des Fuss-Art.-Regts. No. 12, unter gleichzeitiger 
Commandirung zum Stadtkrankenhause in Friedrichstadt-Dresden, zum 3. Int-Regt 
No. 102, — Dr. Trenkler, Assistenzarzt 2. CI. des 9. Inf.-Regts. No. 133, zum 
Fuss-Art.-Regt.No. 12, —Dr. Berckholtz, Assistenzarzt 2. CI. des Garde-Reiter- 
Regts., unter gleichzeitiger Commandirung zum Kaiserlichen Gesundheitsamt in Berlin 
vom 1. October a. c. ab, zum 9. Inf-Regt. No. 133, -—versetzt — Dr. Raben* 
hörst, Stabsarzt ä la suite des Sanitäts-Corps und beim medicinisch-chirurgischen 
Friedrich-Wilhelms-Institut in Berlin verwendet gewesen, vom 1. October a. c. ab 
als Bataillonsarzt bei dem 3. Inf.-Regt No. 102 wieder einrangirt — Dr. Krebs, 
Stabs- und Abtheilungsarzt des 1. Feld-Art-Regts. No. 12, vom 1. October a. c. ab, 
behufs Verwendung bei dem medicinisch-chirurgischen Friedrich-Wilhelms-Institut 
in Berlin ä la suite des Sanitäts-Corps gestellt — Dr. Xroitzsch, Stabsarzt der 
Landw. des 1. Bats. (Leipzig) 7. Landw.-Regts. No. 106 und — Dr. Beenen, 
Assistenzarzt 1. CI. der Landw. des 2. Bats. (Meissen) 4. Landw.-Regts. No. 103, 
aus Allerhöchsten Kriegsdiensten behufs Ueberfuhrnng in den Landsturm, — der 
Abschied bewilligt. 

Durch Verfügung des Kriegsministeriums vom 28. September 1886. 

Dr. Rösch, Assistenzarzt 1. CI. des 10. Inf.-Regts. No. 134, von seinem Com- 
mando zur Universität Leipzig abgelöst. — Dr. Hesselbach, Assistenzarzt 1. CI. des 
8. Inf.-Regts. „Prinz Johann Georg* No. 107 und — Dr. Fichtner, Assistenzarzt 2. CI. 
des 1. (Leib-) Grenadier-Regts. No. 100, — zur Universität Leipzig commandirt 


Veränderungen im Königlich Bayerischen Sanitäts-Corps. 

Den 26. August 1886. 

Dr. Blanalt (Neustadt a./WN.), Dr. De Ahna (Hof), Dr. Westholt (Aschaffen¬ 
burg), Dr. Esser (Kaiserslautern), Assist-Aerzte 1. CL des Beurlaubtenstandes 
zu Stabsärzten des Beurlaubtenstandes, — Röll, Dr. Pickel, Dr. Ebendorf 
(Mönchen I), Dr. Grahamer (Kempten), Unterärzte des Beurlaubtenstandes, zu 
jAssist-Aerzten 2. CI. des Beurlaubtenstandes — befördert. 

Den 2. September 1886. 

Seitz, Unterarzt im 12. Inf.-Regt. Prinz Arnulf zum Assist.-Arzt 2. CL befördert. 

Den 24. September 1886. 

Dr. Ekarius (Zweibrücken), Assist.-Arzt 2. CI. des Beurlaubtenstandes, der Ab¬ 
schied bewilligt. 


Veränderungen im Königlich Württembergischen Sanitäts-Corps. 

Den 20. August 1886. 

Dr. Neidert, Unterarzt der Res. vom KönigL Bayer. Landw.-Bez.-Commando 
Mönchen I, unter Uebertritt in Königl. Württemberg. Dienste, zum Unterarzt 
des Friedensstandes ernannt und mit der Wahrnehmung einer bei dem Inf.- 
Regt. König Wilhelm No. 124 vacanten Assi st.-Arztstelle beauftragt. 

Den 18. September 1886. 

Dr. Graeter, Assist.-Arzt 2. CI. im 7. Inf.-Regt. No. 125, ausgeschieden, unter 
gleichzeitigem Uebertritt zu den Sanitätsoffizieren des Beurlaubtenstandes. 

Dr. Lechler, Assist-Arzt 2. CI. im 4. Inf.-Regt No. 122, mit Pension der Ab¬ 
schied bewilligt. 


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86 


Durch Verfügung des Corps-Generalarztes. 

Den 21. September 1886. 

Dr. Frank, Dr. Widenmann, Studirende der militärärztlichen Bildungsanstalten 
zu Berlin, vom 1. October d. J. ab zu Unterärzten des activen Dienststandes 
ernannt und ersterer beim 7. Inf. - Regt. No. 125, letzterer beim Inf. - Regt. 
Kaiser Wilhelm König von Preussen No. 120 angestellt. 


Ordensverleihungen. 

Preussische. 

Rother Adler-Orden 3. CI.: 

Generalarzt 1. CI. Dr. v. Bergmann, ä la suite des Sanitäts-Corps. 

Rother Adler-Orden 4. Ci.: 

Dr. Werner, Stabsarzt vom Ostpreuss. Füs.-Regt. No. 33, zur Dienstleistung 
bei der Militär-Medicinal-Abtheilung des Kriegsministeriums commandirt. 

Andere. 

Silberne Medaille des Königlichen Verdienst-Ordens der Bayerischen 
Krone: 

Weissensel, Ober-Uazarethgehülfe des 2. Feld-Art.-Regts., in huldvollster 
Anerkennung seiner opferwilligen und erfolgreichen HAlfeleistung für die Ver¬ 
wundeten bei dem am 1. Juli d. J. in der Nähe von Würzburg stattgehabten 
Eisenbahnunfall. 

Ritterkreuz 2. CI. des Grossherzoglich Badischen Ordens vom Zäh¬ 
ringer Löwen: 

Ober-Stabsarzt 2. CI. Dr. Wallmüller, Garn.-Arzt in Danzig. 

Ritterkreuz 1. CI. des Verdienst-Ordens Philipps des Grossmüthigen: 
Stabsarzt Dr. Rabenau, im 2. Inf.-Regt. (Grossherzog) No. 116, 

Stabsarzt Dr. Schellmann, im 4. Inf.-Regt. (Prinz Carl) No. 118, 

Stabsarzt Dr. Hirsch im Feld-Art.-Regt. No. 25 (Grossherzogi. Art.-Corps). 

Comthurkreuz des Kaiserlich Oesterreichischen Leopold-Ordens: 

Dr. Leuthold, Professor, Generalarzt 2. Cl. und Regts.-Arzt des Garde-Cür.- 
Regts., Leibarzt Sr. Majestät des Kaisers und Königs. 


Familien-N achrichten. 

Verlobt: Dr. Reiss, Assist-Arzt im Leib-Gren.-Regt. (1. Brandenburg.) No. 8, mit 
Frl. Elli Marschhausen (Frankfurt a. O.). — Dr. v. Kühlewein, Stabsarzt 
des Füs.- (Leib-) Bats. Braunschweig. Inf.-Regts. No. 92, mit Frl. Elsbeth 
Schmidt (Metz). 

Verheirathet: Dr. Alfred Körbitz, Assist.-Arzt 1. Cl. vom Militär-Reitinstitut, 
mit Rosa Körbitz geb. Salomon (Berlin). 

Geburten (Sohn): Dr. Cruz, Assist.-Arzt 1. CI. (Wesel). — Dr. Wolff, Ober- 
Stabsarzt (Berlin). — Dr, Hoepner, Assist.-Arzt 1. Cl. (Frankfurt a. O.). 

(Tochter): Dr. Nagel, Stabsarzt (Greifswald). —Dr. Kap ff, Stabsarzt (Schlett- 
stadt). — Dr. Schmiedicke, Assist-Arzt 1. CI. (Hamburg). — Dr. Hering, 
Stabs- und Bats.-Arzt (Frankfurt a. O.). — Dr. Alberti, Stabsarzt (Potsdam). 

Todesfall: Dr. Edmund Kunstmann, Königl. Bayer. Ober-Stabsarzt 1. Cl. &. D. 
(München). 


(•«druckt in der Königlichen Hof buchdruckerei von g. S. Mittler and Sohn, Berlin SW., KochstreMe W - JO. 


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Amtliches Beiblatt 

£ur 

Deutschen militärärztlichen Zeitschrift 

1886. — Fünfzehnter Jahrgang. — Jß 11. 


Personal-Veränderungen im Sanitäts-Corps. 

Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen. 

Befördert werden: der Oberstabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt Dr. Büttner 
vom 1. Hanseat Inf.-Regt No. 75 zum Oberstabsarzt 1. CI., — die Stabs- und 
Bataillonsärzte: Dr. Pfeiffer vom Füsilier-Bat. 1. Nassauiscben Inf.-Regts. No. 87 
zum Oberstabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt des Pommerschen Füsilier-Regts. No. 34, — 
Dr. Uhl vom Füsilier-Bat 1. Rhein. Inf.-Regts. No. 25 zum Oberstabsarzt 2. CI. 
und Kegimentsarzt des 2. Niederschlesischen Inf.-Regts. No. 47, —■ Dr. Scheller 
vom 2. Bat. Oldenburgischen Inf.-Regts. No. 91 zum Oberstabsarzt 2. CI. und 
Garnisonarzt in Thom — und Dr. Frankel vom 2. Bat. Anhaitischen Inf.-Regts. 
No. 93 zum Oberstabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt des Ostpreuss. Ulanen-Regts. 
No. 8; — die Assistenzärzte 1. CI.: Dr. Zimmermann vom 2. Schles. Dragoner- 
Regt. No. 8 zum Stabs- und Bataillonsarzt des 2. Bats. 6. Pomm. Inf.-Regts. No. 49, — 
Dr. Rönnberg vom Grossherzogi. Mecklenburg. Füs.-Regt No. 90 zum Stabs-und 
Bataillon«arzt des 2. Bats. Colbergschen Grenadier- Regts. (2. Pommerschen) No. 9, — 
Klopsch vom 1. Schlesischen Dragoner-Regt. No. 4 zum Stabs- und Bataillons¬ 
arzt des Füs.-Bats. 7. Rhein. Inf.-Regts. No. 69,— Fleissner vom 2. Schlesischen 
Dragoner-Regt No. 8 zum Stabs- und Bataillonsarzt des Füs.-Bats. 1. Rheinischen 
Inf.-Regts. No. 25, — Dr. Leu vom Garde-Pionier-Bat. zum Stabs- und Bataillons¬ 
arzt des Füs.-Bats. 2. Magdeburg. Inf.-Regts. No. 27, — Dr. Salzwedel vom 
Thüring- Feld-Art-Regt. No. 19 zum Stabs- und Bataillonsarzt des Füs.-Bats. 
1. Nassau. Inf.-Regts. No. 87, — Dr. Fricke vom Oldenburg. Dragoner-Regt. 
No. 19 zum Stabs- und Bataillonsarzt des 2. Bats. Oldenburg. Inf.-Regts. No. 91 
— und Nitze vom Ostpreuss. Ulanen-Regt No. 8 zum Stabsarzt bei dem Fuss- 
Art.-Regt. No. 11; — die Unterärzte: Dr. Jahn vom Colberg. Grenadier-Regt. 
(2. Pomm.) No. 9, unter Versetzung zum 8. Pomm. Inf.-Regt. No. 61, — Dr. Wass- 
mund vom 3. Brandenburg. Inf.-Regt No. 20 — und Baehr vom Niederschles. 
Feld-Art.-Regt. No. 5, dieser unter Versetzung zum 4. Posen. Inf.-Regt No. 59, — 
zu Assistenzärzten 2. CI.; die Unterärzte der Res.: Goth vom 2. Bataillon 
(Halle) 2. Magdeburg. Landw.-Regts. No. 27, — Dr. Pulewka vom 2. Bat. 
(Rastenburg) 5. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 41, — Dr. Bajohr vom 1. Bat. 
(Dt. Eylau) 7. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 44, — Dr. Hoffmann, Schultze 
und Dr. Bai Heul vom Res.-Landw.-Regt. (1. Berlin) No. 35, — Dr. Seiffert 
vom 2. Bat. (Beuthen) 2. Oberschles. Landw.-Regts. No. 23, — Hoerner vom 
Unter-Elsässischen Res.-Landw.-Bat. (Strassburg) No. 98 — uud Stahl vom 1. Bat. 
(Hamburg) 2. Hanseat Landw.-Regts. No. 76, — zu Assist-Aerzten 2. CI. der 
Reserve; — sowie der Unterarzt der Marine-Reserve Haacke vom 1. Bat 
(Kiel) Holstein. Landw.-Regts. No. 85 zum Assistenzarzt 2. CI. der Marine-Reserve. — 
Versetzt werden: der Oberstabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt Dr. Aefner vom 
Ostpreuss. Ulanen-Regt No. 8 zum 1. Leib-Husaren-Regt. No. 1; — die Stabs¬ 
und Bataillonsärzte: Dr. Pochhammer vom Füs.-Bat 2. Magdeburg. Inf.-Regts. 
No. 27 zum 1. Bat 5. Pomm. Inf.-Regts. No. 42, und Dr. Hartung vom Füs.-Bat. 
7. Rhein. Inf.-Regts. No. 69 zum 2. Bat. Anhalt. Inf.-Regts. No. 93; — die 
Assistenzärzte 1. CI.: Dr. Schnee vom 4. Ostpreuss. Grenadier-Regt. No. 5 zum 


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2. Hanseat. Inf.-Hegt No. 76, — Dr. Strauch vom 4. Posen. Inf.-Regt No. 59 
zum 2. Schlesischen Dragoner-Regt No. 8, — Dr. Grethe vom 2. Posen. Inf.- 
Regt No. 19 zum 1. Hannover. Feld-Art.-Regt No. 10 — und Dr. Kranzfelder 
vom 1. Schles. Grenadier-Regt. No. 10 zum Garde-Pionier-Bat. — sowie die Assi¬ 
stenzärzte 2. CI. Dr. Berthold vom 1. Hannover. Feld-Art.-Regt No. 10 zum 
Hannover. Train-Bat. No. 10 — und Dr. Roehr vom 3. Ostpreuss. Grenadier- 
Regt. No. 4 zum 4. Ostpreuss. Grenadier-Regt. No. 5. — Der Abschied wird 
bewillig't: dem Oberstabsarzt 1. CI. Dr. Passauer, Garnisonarzt in Thorn, mit 
der gesetzlichen Pension und der Erlaubnis zum Tragen seiner bisherigen Uniform 
mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen und unter Verleihung des 
Königlichen Kronen-Ordens 3. CI.; — dem Stabs- und Bataillonsarzt Dr. Richter 
vom 2. Bat. Colberg. Grenadier-Regts. (2. Pommer.) No. 9 mit der gesetzlichen 
Pension und der Erlaubniss zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für 
Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen; — den Stabsärzten der Landwehr: 
Dr. Beinlich vom 1. Bat. (Glatz) 2. Schlesischen Landw.-Regts. No. 11, diesem 
mit der Erlaubniss zum Tragen seiner bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete 
vorgeschriebenen Abzeichen, — Dr. Litzmann vom Res.-Landw.-Bat (Altona) 
No. 86 — und Dr. Franke vom Res.-Landw.-Bat. (Hannover) No. 73; — den 
Assistenzärzten 1.C1. der Landw.: Dr. Rausche vom Res.-Landw.-Bat. (Magdeburg) 
No. 36, — Dr. Roeper vom 2. Bat. (Paderborn) 6. Westfäl. Landw.-Regts. No. 55 
— und Dr. Kleinau vom 1. Bat (1. Braunschweig) Braunschweig. Landw.-Regts. 
No. 92; sowie dem Assistenzarzt 1. CI. der Seewehr Dr. Spenkuch vom 1. Bat 
(Mosbach) 2. Badischen Landw.-Regts. No. 110. 

Baden-Baden, den 16. October 1886. 


Nachweisung der bei dem Sanitäts-Corps pro Monat September 1886 
eingetretenen Veränderungen. 

Durch Verfügung des Generalstabsarztes der Armee. 

Den 11. September 1886. 

Die nachstehend aufgeführten bisherigen Studirenden der militärärztlichen Bildungs¬ 
anstalten werden vom 1. October er. ab zu Unterärzten ernannt und bei den 
genannten 'fruppentheilen angestellt und zwar: 

Dr. Dautwiz beim Schleswig-Holstein. Drag.-Regt No. 13, 

Dr. Barth beim 1. Rhein. Inf.-Regt. No. 25, 

Dr. Nothnagel beim 3. Hess. Inf.-Regt. No. 83, 

Dr. Gillet beim 1. Rhein. Feld-Art.-Regt. No. 8, 

Dr. Oppermann beim 8. Ostpreuss. Inf.-Regt No. 45, 

Krüger beim Anhalt. Inf.-Regt No. 93, 

Goldstandt beim 4. Brandenburg. Inf.-Regt. No. 24 (Grossherzog Friedrich Franz H. 

von Mecklenburg-Schwerin), 

Dr. Koch beim 2. Schles. Gren.-Regt. No. 11, 

Altgelt beim 2. Hannover. Inf.-Regt. No. 77, 

Lorentz beim Hus.-Regt. Kaiser Franz Joseph von Oesterreich König von Ungarn 
(Schleswig-Holsteinsches) No. 16, 

Metsch beim 3. Magdeburg. Inf.-Regt. No. 66, 

Dr. Hof mann beim Garde-Fuss-Art-Regt., 

Dr. Leipolz beim Gren.-Regt. Kronprinz (1. Ostpreuss.) No. 1, 

Paulun beim 3. Pommer. Inf.-Regt. No. 14, 

Heermann beim Grossherzogi. Hess. Feld - Art - Regt No. 25 (Grossherzogliches 
Artillerie-Corps), 

Dr. Kremkau beim Leib-Gren.-Regt. (1. Brandenburg.) No. 8, 

Dr. Loewenhardt beim Inf.-Regt. No. 132, 

Bauck beim 3. Garde-Gren.-Regt. Königin Elisabeth, 


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Gossner beim 3. Bad. Inf.-Regt. No. 111, 

Dr. Hahn beim 1. Westfäl. Inf.-Regt. No. 13, 

Huth beim 1. Westpreuss. Gren.-Regt. No. 6, 

Barchewitz beim 7. Pomm. Inf.-Regt. No. 54, 

Dr. Kaether beim Hobenzollern. Fus.-Regt. No. 40, 

Schelle beim Inf. - Regt. Prinz Friedrich Karl von Preussen (8. Brandenbarg.) 
No. 64. 

Den 19. September 1886. 

Bonhof, bisher einjährig-freiwilliger Arzt vom Hess. Train-Bat No. 11, 
Nuszkowski, bisher einjährig-freiwilliger Arzt vom Scbles. Fuss-Art-Regt No. 6 
— dieser unter gleichzeitiger Versetzung zum 2. Oberschles. Inf.-Regt. No. 23 — 
zu Unterärzten ernannt und mit Wahrnehmung je einer bei den betreffenden 
Truppentheilen vacanten Assistenzarzt-Stelle beauftragt. 

Vollbrecht, Unterarzt vom 2. Grossherzogi. Mecklenburg. Drag.-Regt. No. 18 zum 
1. Grossherzogi. Mecklenburg. Drag.-Regt. No. 17 versetzt und mit Wahr¬ 
nehmung der bei diesem Regiment vacanten Assistenzarzt-Stelle beauftragt. 


Den 2. October 1886. 

Seeliger, Assist.-Arzt 2. CI. vom 1. Nassau. Inf.-Regt. No. 87, zum Westpreuss. 
Feld-Art.-Regt No. 16 versetzt. 

Den 5. October 1886. 

Dr. Go lim er, Assist-Arzt 1. CI. a. D., zuletzt im 3. Magdeburg. Inf.-Regt. No. 66, 
der Charakter als Stabsarzt verliehen. 


Veränderungen im Königlich Sächsischen Sanitäts-Corps. 

Allerhöchster Beschluss vom 24. October 1886. 

Dr. Schmidt, Unterarzt des Beurlaubtenstandes des 2. Bats. (Annaberg) 
1. Landw.-Regts. No. 100, — Dr. Weber und Dr. Resch, Unterärzte des Be¬ 
il rlaubtenstand es des 1. Bats. (Leipzig) 7. Landw.-Regts. No. 106 und Dr. Macken¬ 
thum und Dr. Schulze, Unterärzte des Beurlaubtenstandes des Res.-Landw.-Bats. 
(Dresden) No. 108, — zu Assist-Aerzten 2. CI. der Reserve befördert — 
Dr. Wolf, charakt Stabsarzt a la suite dee Sanitäts-Corps in das active Sanitäts- 
Corps, vom 1. Nov. er. ab unter gleichzeitiger Beauftragung mit Wahrnehmung des 
bataillonsärztlichen Dienstes bei dem 3. Bat. 7. Inf.-Regts. „Prinz Georg* No. 106 
wieder einrangirt— Dr. Ritter, Stabsarzt der Landw., und Dr. Bertram, Assist- 
Arzt 1. CI. der Res., beide vom Res. - Landw. - Bat. (Dresden) No. 108, aus Aller¬ 
höchsten Kriegsdiensten behufs Ueberführung in den Landsturm der Abschied be¬ 
willigt 


Veränderungen im Königlich Wurttembergischen Sanitäts-Corps. 

Den 11. October 1886. 

Dr. Hochstetter, Assist.-Arzt 1. CI. im Ulan. - Regt. König Carl No. 19, com- 
mandirt zum Kaiserlicheu Gesundheitsamte in Berlin, bis zum 31. März 1887 
in diesem Commandoverhältniss belassen. 


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Ordensverleihungen. 

Preus sische. 

Rother Adler-Orden 4. CI. mit Schwertern: 

Marine-Assistenzarzt 1. CI. Dr. Schneider. 

Rother Adler-Orden 4. CI.: 

Dr. Thnrn, Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt vom Inf.-Regt No. 130, 

Dr. Ziegler, Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt vom 3. Scbles. Drag.-Regt. 
No. 15, 

Dr. Bender, Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt vom Feld-Art.-Regt No. 31, 
Dr. Lieber, Ober-Stabsarzt 2. CI. und Garn.-Arzt in Strassburg. 
Königlichen Kronen-Orden 3. CI.: 

Rendant des medicinisch - chirurgischen Friedrich-Wilhelms-Instituts zu Berlin, 
Rechnungsrath Moritz, 

Dr. Oppler, Ober-Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt vom 1. Rhein. Int-Regt. 
No. 25, 

Ober - Stabsarzt 1. CI. und Regte. - Arzt. des 1. (Leib-) Gren. -Regte. No. 100 
Dr. Jacobi. 

Andere. 

Ritterkreuz 1. CI. des Herzoglich Sachsen-Ernestinischen Haus-Ordens: 

Ober-Stabsarzt a. D. Dr. Fischer zu Oels. 

Ritterkreuz des Königlich Belgischen Leopold-Ordens: 

Stabsarzt a la suite des Sanit&ts-Corps Dr. Wolf. 


Familien-Nachrichten. 

Verheirathet: Dr. Curt DGtschke, Assist-Arzt 1. CI. . 2. Hannov. Ulanen- 
Regt. No. 14, mit Frl. Anna Meyer (Verden—St. Avold). — Dr. Hahn 
v. Dorsche, Assist.-Arzt 1. CI. im Westpreuss. Cür.-Regt No. 5, mit FrL 
Carus (Berlin). 

Geburten (Sohn): Dr. Gröbenschütz, Stabsarzt (Lübben). 


Gsdruekt in der Königlichen Hofbucbdruckerei von C. S. Mittler und Sohn, Berlin, fcodutrewe GS—TO. 


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Amtliches Beiblatt 

zur 

Deutschen militärärztlichen Zeitschrift. 

1886. — Fünfzehnter Jahrgang. — Jtä 12. 


Berlin, den 23. September 1886. 

Nachdem mittelst Verfügung vom 15. Juli d. J. — J.-No. 467. 7. M. M. A. — 
ein neuer Probedrillichrock für Lazareth-Gehülfeu der Feld-Sanitäts-Formationen 
zur Einführung gelangt ist, wird beabsichtigt, eine Anzahl solcher Röcke den 
Friedens-Lazarethen für diejenigen Lazareth-Gehülfen zu überweisen, welche bei 
Behandlung äusserer Kranker Verwendung finden. 

Es wird genügen, für grössere Lazarethe sechs, für kleinere Lazarethe fünf 
Röcke vorzusehen, welche im Allgemeinen für drei Lazareth-Gehülfen, den öfter 
erforderlichen Wechsel der Röcke zum Reinigen eingerechnet, ausreichend erscheinen. 

In Anbetracht der beschränkten Mittel wird vorläufig die Beschaffung von je 
sechs Röcken für die Garnison-Lazarethe am Sitze der Königlichen Divisions- 
Commandos (beim Garde-Corps für das 1. und 2. Garnison-Lazareth Berlin, beim 
VIJLI. Armee-Corps ausserdem für das Lazareth in Coblenz und beim IX. Armee- 
Corps ausserdem für 'as Lazareth in Altona) hiermit genehmigt und wolle die 
Königliche Intendan das Weitere wegen der Beschaffung und Ueberweisung an 
die Lazarethe veranlassen. 

Die entstehenden Kosten sind beim Titel 15, Capitel 29 zu verrechnen, und 
können dieselben, falls die dortseitigen Mittel nicht ausreichen, behufs extraordinärer 
Disponibelstellung angemeldet werden. 

Die Röcke sind nicht zum gewöhnlichen Dienst auf der Station, sondern ledig¬ 
lich für den Gebrauch bei Operationen, beim Anlegen und Wechseln der Verbände 
und bei etwa sonst noch vom behandelnden Arzt besonders zu bezeichnenden 
Dienstleistungen bestimmt. In der andern Zeit müssen sie an einem vor dem Ein¬ 
stauben etc. geschützten Ort nach Vorschrift des Chef- bezw. ordinirenden Arztes 
aufbewahrt werden. Die Reinigung hat im Lazareth event. nach besonderer Vor¬ 
schrift zu erfolgen. 

Beim Unbrauchbarwerden und Neubeschaffung der Röcke der Friedens-Laza- 
rethe sind die bei den Train-Depots vorhandenen Drillichröcke für die Lazareth- 
Gehülfen der Feld-Sanitäts-Formationen aufzufrischen. 

Der Herr Corps-Generalarzt hat Abschrift hiervon erhalten. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 

L V. 

v. C o 1 e r. Zehr. 

No. 1042. 9. M. M. A. 


Berlin, den 27. September 1886. 

Euer Hochwohlgeboren erwidert die Abtheilung auf die gefällige Anfrage vom 
17. Juli d. J. No. 3644 ergebenst, dass für diejenigen Medicin- und Bandagekasten, 


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welche lediglich zum Gebrauch auf Friedensmärschen bestimmt sind, welche also 
nicht zum Kriegsbedarf gehören, weder signirte Pulverkapseln (Verfügung vom 
3. Juli 1886, No. 924. 6. M. M. A.), noch Verbandmittel und ärztliche Geräthe 
(Verfügung vom 6. Juni 1886, No. 385. 6. M. M. A.) zu beschaffen bezw. besonders 
vorräthig zu halten sind. Bei eintretendem Gebrauch dieser Kasten für Friedens* 
märsche sind die angegebenen Gegenstände nach Maassgabe des wirklichen Bedarfs 
von den Lazarethen herzugeben und erforderlichenfalls zu beschaffen. 

Die etwa bereits beschafften bezüglichen Gegenstände sind anderweit zu ver¬ 
wenden. 

Kriegsministerium; Militär-Medicinal-Abtheilung. 

I. V. 

v. Coler. Zehr. 

No. 1154. 7. M. M. A. _ 

Berlin, den 11. October 1886. 

Euer Hochwohl geboren ersucht die Abtheilung ergebenst um gefällige Ver¬ 
anlassung, dass drei der bei den Garnisonlazarethen des dortigen Armee-Corps 
vorhandenen kleinen Seibert’schen Mikroskope von den Verfertigern W. u. H. Seibert 
in Wetzlar zu grossen Mikroskopen vervollständigt werden. Die Vervollständigung 
hat darin zu bestehen, dass die Instrumente mit Beleuchtungsapparat nach Abbe, 
mit Objectiv I, mit Objectiv für homogene Immersion }/n und mit Revolver* 
Objectivträgern für zwei Objective versehen, dass die Objective II gegen die 
Objective HI umgetauscht und dass entsprechende Kasten gefertigt werden. 

Die Aptirungskosten, welche als besonders zur Verfügung gestellt gelten, find 
von den die vervollständigten Mikroskope empfangenden Garnisonlazarethen in der 
Arzneigeldrechnung pro 1886/87 beim Titel 15 zu verausgaben. 

Welche Garnisonlazarethe die vervollständigten Mikroskope erhalten sollen, 
wollen Euer Hochwohlgeboren bestimmen und demnächst gefälligst eine Uebersicht 
über die bei den Garnisonlazarethen des Armee-Corps vorhandenen Mikroskope 
hierher einreichen. 

Kriegsministerium; Medicinal-Abtheilung. 

I. V. 

v. Coler. Lentze. 

No. 296. 10. M. A. 


Berlin, den 16. October 1886. 

Zusammensetzung der Prüfungs-Commission für die militärärztliohen 
Prüfungen des Jahres 1887. 

L Für specielle Kriegschirurgie und Operationen^ 


Generalarzt 1. CI. ä la suite des Sanitäts-Corps, Geheimer 

Ober-Medicinal-Rath, Professor.Dr. Bardeleben, 

Königlich Bayerischer Generalarzt 1. CI. ä la suite, Geheimer 

Medicinal-Rath, Professor.Dr. v. Bergmann. 


H. Für di« Kriegsheilkunde im Allgemeinen. 
Oberstabsarzt 1. CI. und 2. Garnisonarzt von Berlin . . . Dr. Grasnick, 

Oberstabsarzt 1. CI. und Regimentsarzt des 2. Garde-Feld-Ar¬ 
tillerie-Regiments, Professor.Dr. Fraentzel, 


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Oberstabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt des 3. Garde-Grena¬ 
dier-Regiments Königin Elisabeth.Dr. Karpinski, 

Oberstabsarzt 2. CI. und Regimentsarzt des 2. Garde-Regiments 

zu Fuss.Dr. Köhler. 

UI. Für Militär-Gesundheitspflege und Sanitätspolizei. 
Generalarzt 1. CI. ä la suite des Sanitäts - Corps, Geheimer 

Ober-Medicinal-Rath.Dr. Mehlhausen, 

Generalarzt 2. CI. ä la suite des Sanitäts - Corps, Geheimer 

Ober^Regierongsrath a. D. Dr. Struck. 


IV. Für die Kenntniss der Verwaltung des Militär-Sanitätswesens, 
sowie der Militär-V erwaltung im Allgemeinen. 

Generalarzt 1. CI. und Subdirector des medicinisch-chirurgischen 

Friedrich Wilhelms-Instituts.Dr. Schubert, 

Oberstabsarzt 1. CI. und 1. Gamisonarzt von Berlin . . . Dr. Burchardt, 

Oberstabsarzt 1. CI. der Militär-Tumanstalt, Professor . . . Dr. Rabl-Rückhard, 

Generalarzt 1. CI. der Marine.Dr. Wenzel. 

(Nur für Marineärzte.) 
Kriegsministerium; Medicinal-Abtheilung. 
v. Lauer. v. Co 1er. 

No. 1090. 10. M. A. 


A.-V.-Bl. No. 25. 

Unterrichtsbuch für Lazarethgehülfen. 

Berlin, den 14. November 1886. 

1) An Stelle des bisherigen Leitfadens zum Unterricht der Lazarethgehülfen 
tritt das neubearbeitete Unterrichtsbuch für Lazarethgehülfen. 

Dasselbe wird den Königlichen Commandobehörden etc. in der erforderlichen 
Anzahl von Exemplaren nebst Vertheilungs-Plan zugehen. 

2) Die für die Aufbewahrung und Zutheilung des Leitfadens für den Unterricht 
der Lazarethgehülfen erlassene Verfügung vom 17. September 1883 No. 1705. 4. 
M. M. A. bleibt auch für das Unterrichtsbuch für Lazarethgehülfen bestehen, jedoch 
ist der Berechnung des Bedarfs für die Garnisonlazarethe nicht die Ausstattungs- 
sondern die Normalkrankenzahl zu Grunde zu legen. 

3) Das Unterrichtsbuch für Lazarethgehülfen kann von der Königlichen Hof¬ 
buchhandlung von E. S. Mittler & Sohn, Berlin SW., Kochstrasse No. 68—70, 
bei directer Bestellung seitens der Truppentheile und einzelnen Militär-Personen 
zum Preise von 1 Mark für das geheftete, 1 Mark 25 Pf. für das in Pappe ge¬ 
bundene und 1 Mark 50 Pf. für das in ganz Leinwand gebundene Exemplar be¬ 
zogen werden. 

Kriegsministerium. 

Bronsart v. Schellendorff. 

No. 1526/10. M. A. 


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94 


Personal-Veränderungen im Sanitäts- Corps. 

Ernennungen, Beförderungen, Versetzungen. 

Befördert werden: Dr. Hägens, Oberstabsarzt 2. Cl.'urid Regts.-Arzt vom 
3. Ostpreuss. Gren.-Regt. No. 4, zum Oberstabsarzt 1. CI., — Dr. Körting, Stabs¬ 
arzt vom ö. Thüring. Inf.-Regt. No. 94 (Grossherzog von Sachsen), unter Entbindung 
von dem Commando als Hülfsreferent bei der Medicinal-Abtheil. des Kriegsministe¬ 
riums, zum Oberstabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt des 2. Hanseat. Inf.-Regts. No. 76; 

— die Unterärzte: Dt. Müller vom Neumärk. Drag.-Regt. No. 3, — Ullrich 

vom 2. Oberschles. Inf.-Regt. No. 23, dieser unter Versetzung zum 2. Brandenburg. 
Drag.-Regt. No. 12, — Hoff mann vom. Holstein. Feld-Art.-Regt. No. 24, — zu 
Assist.-Aerzten 2. CI.; — die Unterärzte der Res.: Dr. Forstreuter vom 
2. Bat. (Wehlau) 1. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 1, — Baatz vom 2. Bat. (Marien¬ 
burg) 8. Ostpreuss. Landw.-Regts. No. 45, — Cohn vom 1. Bat. (Weimar) 5. Thüring. 
Landw.-Regts. No. 94, — Dr. Hennig vom 1. Bat. (Danzig) 8. Ostpreuss. Landw.- 
Regts. No. 45, — Friedrich vom 2. Bat. (Halle) 2. Magdeburg. Landw.-Regts. 
No. 27, — Brieger vom Res.-Landw.-Regt. (1. Breslau)No. 38, — Dr.Moenning- 
hoff vom 2. Bat. (Karlsruhe) 3. Bad. Landw.-Regts. No. 111, — Dr. Heyder vom 
2. Bat. (Düsseldorf) 4. Westfal. Landw.-Regts. No. 17, — Dr. Ernst vom Res.- 
Landw.-Regt. (Cöln) No. 40, — Dr. Bahrs vom 1. Bat. (Schleswig) Schleswig. 
Landw.-Regts. No. 84, — zu Assist./-Aerzten 2. CI. der Res.; — die Unter¬ 
ärzte der Res.: Dr. Sachau vom 2. Bat. (Rendsburg) Holstein. Landw.-Regts. 
No. 85, — Dr. Weissmann vom 2. Bat. (Erbach i. O.) 3. Grossherzogi. Hess. 
Landw.-Regts. No. 117, — Dr. Ranke vom 2. Bat. (Celle) 2.,Hannov. Landw.- 

Regts. No. 77, — Dr. Mann vom 2. Bat. (1. Cassel) 3. Hess. Landw.-Regts. 

No. 83, — Dr. Ehrhardt vom 1. Bat. (Gotha) 6. Thüring. Landw.-Regts. No. 95, 

— Dr. Grünewald vom 1. Bat. (Darmstadt I) 1. Grossherzogi. Hess. Landw.- 

Regts. No. 115, — Strubel vom 1. Bai. (Giessen) 2. Grossherzogi. Hess. Landw.- 
Regts. No. 116, — Behm vom Res.-Landw.-Bat. (Magdeburg) No. 36, — Schaeffer 
vom 2. Bat. (Heidelberg) 2. Bad. Landw.-Regts. No. 110, — Dr. Cahen vom Res.- 
Landw.-Bat. (Frankfurt a. M.) No. 80, — Dr. Loewe vom Unterelsäss. Res.- 

Landw.-Bat. (Strassburg) No. 98, — zu Assist.-Aerzten 2. Cl. der Res.; — 

die Unterärzte der Marine-Res.: Lau, Ebermaier, Dr. Ehlers, Dr. Kremser, 
Dr. Marben, sämmtlich vom 1. Bat. (Kiel) Holstein. Landw.-Regts. No. 85, zu 
Assist.-Aerzten 2. Cl. der Marine-Res. — Dr. Grossheim, Oberstabsarzt 1. CL 
und Referent bei der Medicinal-Abtheil. des Kriegsministeriums, ein Patent seiner 
Charge verliehen. — Dr. Scheibe, Stabs- und Bats.-Arzt vom 2. Bat. 1. Magde¬ 
burg. Inf.-Regts. No. 26, zur Dienstleistung als Hülfsreferent bei der Medieinal- 
Abtheilung des Kriegsministeriums, zunächst auf drei Monate commandirt — 
Versetzt werden: Dr. Bo eh me, Oberstabsarzt 2. Cl. und Regts.-Arzt vom 
2. Hanseat. Inf.-Regt. No. 76, unter Verleihung des Charakters als Oberstabsarzt 

1. Cl. und Beauftragung mit Wahrnehmung der divisionsärztlichen Functionen bei 
der 18. Div., zum Schleswig-Holstein. Füs.-Regt No. 86, —- Dr. Weise, Assisi- 
Arzt 1. Cl. vom Ostpreuss. Train-Bat. No. 1, zum 1. Leib-Hus.-Regt. No. 1, — 
Dr. Weidenhammer, Assist.-Arzt 2. Cl. vom 1. Grossherzogi. Hess. Inf.- (Leib¬ 
garde-) Regt. No. 115, unter Beförderung zum Marine-Assist-Arzt 1. Cl., vorläufig 
ohne Patent, zur Marine. — Der Abschied wird bewilligt: Dr. Hoch- 
geladen: Oberstabsarzt 1. Cl. und Regts.-Arzt vom Schleswig-Holstein. Füs.-Regt 
No. 86, beauftragt mit Wahrnehmung der divisionsärztlichen Functionen bei der 
18. Div., als Gen.-Arzt 2. Cl. mit Pension und seiner bisherigen Uniform, — 
Dr. Torges, Oberstabsarzt 2. Cl. und Bats.-Arzt vom Füs.-Bat 1. Magdeburg. 
Inf.-Regts. No. 26, mit Pension und seiner bisherigen Uniform, — Dr. Wil¬ 
helms, Oberstabsarzt 2. Cl. der Landw. vom 1. Bat. (Aachen) 1. Rhein. Landw.- 
Regts. No. 25, mit seiner bisherigen Uniform, — Dr. Moeekel, Oberstabsarzt 

2. Cl. der Landw. vom 1. Bat. (Glatz) 2. Schles. Landw.-Regts. No. 11, mit seiner 
bisherigen Uniform; — den Stabsärzten der Landw.: Dr. Wirth vom 2. Bat (Cosel) 

3. Oberschles. Landw.-Regts. No. 62, mit seiner bisherigen Uniform, — Dr. Süsae- 


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rott vom 1. Bat. (Wismar) 2. Grossherzogi. Mecklenburg. Landw.-Regts. No. 90, 
mit seiner bisherigen Uniform, — Dr. Dannenberg vom 1. Bat. (Frankfurt) 

1. Brandenburg. Landw.-Regts. No. 8, — Dr. Weigmann vom 1. Bat. (Glatz) 

2. Schles. Landw.-Regts. No. 11, — Dr. Breit vom 2. Bat (Beuthen) 2. Ober- 
schles. Landw.-Regts. No. 23, — Dr. Brüning vom 2. Bat. (Recklinghausen) 5. West- 
fäl. Landw.-Regts. No. 53, — Dr. Breuer vom 1. Bat. (Geldern) 4. Westfal. 
Landw.-Regts. No. 17, — Dr. Knaak vom 1. Bat. (Bremen) 1. Hanseat. Landw.- 
Regts. No. 75, — Dr. Gille vom 1. Bat (Saargemünd) Elsass-Lothring. Landw.- 
Regts. No. 129, — Dr. Ulrich vom Unterelsäss. Res.-Landw.-Bat. (Strassburg) 
No. 98; — den Assist.-Aerzten 1. CI. der Landw.: Dr. Piotrowski vom 1. Bat 
(Gnesen) 3. Pomm. Landw.-Regts. No. 14, — Dr. Wegner vom 2. Bat. (Stralsund) 
1. Pomm. Landw.-Regts. No. 2,— Dr. Rensch vom 2. Bat. (Halle) 2. Magdeburg. 
Landw.-Regts. No. 27, — Dr. Schulte-Limbeck vom 1. Bat. (Bochum) 7. West- 
fäl. Landw.-Regts. No. 56, — Dr. Prochownick, Dr. Nebel vom 1. Bat. (Ham¬ 
burg) 2. Hanseat Landw.-Regts. No. 76, — Dr. Gürtler, Assist.-Arzt 2. CI. der 
Res. vom 1. Bat (Sprottau) 1. Niederschles. Landw.-Regts. No. 46. — Heyer, 
Assist-Arzt 2. CI. vom 7. Ostpreuss. Inf.-Regt. No. 44, aus dem activen Sanitäts- 
Corps ausgeschieden und zu den Sanitätsoffizieren der Res. des 1. Bats. (Thom) 
8. Pomm. Landw.-Regts. No. 61 übergetreten. 

Berlin, den 25. November 1886. 


Nachweisnng der beim Sanitäts-Corps im Monat October 1886 
eingetretenen Veränderungen. 

Durch Verfügung des Generalstabsarztes der Armee. 

Den 1. October 1886. 

Schaubach, einjährig-freiwilliger Arzt vom 5. Thüring. Inf.-Regt No. 94 (Gross¬ 
herzog von Sachsen) unter Versetzung zum Grossherzogi. Hess. Feld-Art.-Regt. 
No. 25 (Grossherzogi. Art.-Corps), 

den 18. October 1886. 

Dr. Stapelfeldt, einjährig-freiwilliger Arzt vom Lauenburg. Jäger-Bat. No. 9 unter 
Versetzung zum Grossherzogi. Mecklenburg. Gren.-Regt. No. 89, 

den 20. October 1886. 

Dr. Bonte, einjährig-freiwilliger Arzt von der 1. Matr.-Div., 

sämmtlich zu Unterärzten ernannt und mit Wahrnehmung je einer bei den be¬ 
treffenden Truppentheilen bezw. der Kaiserl. Marine vacanten Assist-Arzt-Stelle 
beauftragt 


Veränderungen im Königlich Bayerischen Sanitäts-CorpB. 

Den 16. October 1886. 

Dr. Ludwig, Assist.-Arzt 1. CI. vom 6. Chev.-Regt. Grossfürst Constantin 
Nicolajewitsch, zum 9. Inf.-Regt. Wrede, — Meyer, Assist-Arzt 2. CI. vom 2. Fuss- 
Art.-Regt., zum 4. Inf.-Regt. König Carl von Württemberg, — versetzt. — Hoff- 
mann, Unterarzt im 5. Inf.-Regt. Grossherzog von Hessen, — Dr. Zeitler, Unter¬ 
arzt vom 2. Pion.-Bat., im 2. Fuss-Art.-Regt., — zu Assist.-Aerzten 2. CI., — 
Dr. Rohmer, Dr. Eisenberger (München I), Westerhoff (Würzburg), Unter¬ 
ärzte der Res., zu Assist.-Aerzten 2. CI. des Beurlaubtenstandes, — befördert. 

I>en 17. October 1886. 

Dr. Kempf (Amberg), Stabsarzt des Beurlaubtenstandes, mit der Erlaubniss 
zum Tragen der Uniform, — Dr. Jäger (Kissingen), Assist.-Arzt 1. CI. des Beur¬ 
laubtenstandes, mit der Erlaubniss zum Tragen der Uniform, — Dr. Versmann 
(Hof), Assist-Arzt 2. CI. des Beurlaubtenstandes, — der Abschied bewilligt 


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Den 11. November 1886. 

Dr. Feldheim (Aschaffenburg), Assist.-Arzt 1. CI. des Beurlaubtenstandes, mit 
der Erlaubnis zum Tragen der Uniform der Abschied bewilligt. — Matthaei, 
Ass ist.-Arzt 2. CI. des 2. Chev.-Regts. Taxis, in den Beurlaubtenstand des Sanitäts- 
Corps versetzt. 

Den 18. November 1886. 

Nadbyl (München I), Unterarzt der Res., zum Unterarzt des activen Dienst- 
Standes im 2. Chev.-Regt Taxis ernannt und zugleich mit 'Wahrnehmung einer 
vacanten Assist.-Arzt-Stelle beauftragt. 

Den 26. November 1886. 

Dr. Ebenhöch, Ober - Stabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt des 2. Chev.-Regts. 
Taxis, mit Pension und mit der Erlaubniss zum Tragen der Uniform der Abschied 
bewilligt. — Dr. Hartl, Assist.-Arzt 1. CI. vom 2. Schweren Reiter-Regt. Kronprinz 
Erzherzog Rudolf von Oesterreich, zum 4. Jäger-Bat. versetzt. — Dr. Anderl, 
Ober-Stabsarzt 1. CI. des Kriegsministeriums, zum Referenten ernannt. — Dr. Bau- 
mann, Stabsarzt vom 4. Jäger-Bat., zum Ober-Stabsarzt 2. CI. und Regts.-Arzt des 
2. Chev.-Regts. Taxis, — Dr. Burgl, Assist.-Arzt 1. CI. im 16. Inf.-Regt vacant 
König Alfons von Spanien, zum Stabsarzt, — Meyer, Assist-Arzt 2. CI. im 4. Int- 
Regt. König Carl von Württemberg, zum Assist. - Arzt 1. CI., — Dr. Martin, 
Dr. Gelbach (München I), Dr. Steinhuber, Dr. Schmitt (Vilsbofen), Dr. Hitzel- 
berger, Stehle (Kempten), Liesching (Augsburg), Dr. Hagl (Dillingen), Dr. Bauer 
(Ingolstadt), Dr. Rohn (Hof), Dr. Heidenhain (Bayreuth), Dr. Stumpf (Kitzingen), 
Schulte, Dr. Müller (Kissingen), Müller (Würzburg), Dr. Krause (Landau), 
Assist - Aerzte 2. CI. des Beurlaubtenstandes, zu Assist - Aerzten 1. CI. des 
Beurlaubtenstandes, — Dr. Müller (Augsburg), Dr. Martius (Bayreuth), 
Scheiding, Dr. Krecke (Erlangen), Klein (Würzburg), Dr. Kesseler (Aschaffen¬ 
burg), Dr. van Nuss (Landau), Unterärzte der Res., zu Assist-Aerzten 2. CI. 
des Beurlaubtenstandes, — befördert. — Dr. Schmid, Ober-Stabsarzt 1. CI. 
und Regts.-Arzt des 12. Inf.-Regts. Prinz Arnulf, ein Patent seiner Charge ver¬ 
liehen. 

Durch Verfügung des Kriegsministeriums. 

Den 23. November 1886. 

Wind, einjährig-freiwilliger Arzt des 2. Schweren Reiter-Regts. Kronprinz 
Erzherzog Rudolf von Oesterreich, zum Unterarzt ernannt und zugleich mit Wahr¬ 
nehmung einer vacanten Assist.-Arzt-Stelle beauftragt. 

Den 27. November 1886. 

Rogner, einjährig-freiwilliger Arzt des 6. Inf.-Regts. Kaiser Wilhelm König 
von Preussen, zum Unterarzt im 1. Pion.-Bat. ernannt und zugleich mit Wahr¬ 
nehmung einer vacanten Assist.-Arztstelle beauftragt. 


VeräuderuDgen im Königlich Sächsischen Sanitäts-CorpB. 

Den 24. October 1886. 

Allerhöchster Beschluss vom 25. November 1886. 

Dr. Krehl, Königl. Preuss. Secondlieutenant der Res. a. D., als Assist-Arzt 
2. CI. der Res. des 1. Bats. (Leipzig) 7. Landw.-Regts. No. 106, mit einem Patente 
vom 16. Juni 1886 angestellt. — Dr. Stephan, Unterarzt der Res. des 1. Bais. 
(Pirna) 3. Landw.-Regts. No. 102, — Dr. Riedel, Dr. Flathe, Dr. Feldmann 
und Dr. Beneke, Unterärzte der Res. des 1. Bats. (Leipzig) 7. Landw.-Regts. 
No. 106, — zu Assist.-Aerzten 2. CI. der Res. befördert — Dr. Brückner, 
Oberstabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt des 1. Hus.-Regte. No. 18, in Genehmigung 
seines Abschiedsgesuches mit der gesetzl. Pension und der Erlaubniss zum Fort¬ 
tragen seiner bisherigen Uniform mit den vorgeschriebenen Abzeichen, sowie unter 


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gleichzeitiger Verleihung des Charakters als Generalarzt 2. CI. zur Disposition ge¬ 
stellt. — Dr. Zinssmann, Stabsarzt der Landw. des 1. Bats. (Leipzig) 7. Landw.- 
Regts. No. 106, — und Dr. Lademacher, Assist.-Arzt 1. CI. der Landw. des 
1. Bats. (Bautzen) 4. Landw.-Regts. No. 103, aus Allerhöchsten Kriegsdiensten be¬ 
hufs Ueberführung zum Landsturm — der Abschied bewilligt. 


Veränderungen im Königlich Württembergischen Sanitäts-Corps. 

Den 1. November 1886. 

Nuding, Stabsarzt der Landw. im 1. Bat. (Calw) 1. Landw.-Regts. No. 119, 
der Abschied bewilligt. 


Ordensverleihungen. 

Preus sische. 

Königlicher Kronen-Orden 3. CI.: 

Dr. Pas sauer, Oberstabsarzt 1. CI. a. D. zu Potsdam, bisher Gam.-Arzt zu 
Thorn. 

Königlicher Kronen-Orden 4. CI.: 

Schaefer, Marine-Assist.-Arzt 1. CI., 

Dr. Cr am er, Stabsarzt der Landw. zu Wiesbaden. 

Andere. 

Comthurkreuz 2. CI. des Herzoglich Sachsen-Ernestinischen Haus- 
Ordens: 

Dr. Lommer, Generalarzt 2. CI., Corpsarzt des IV. Armee-Corps. 


Familien-Nachrichten. 

Verlobt: Dr. Alfred Krimke, Assist.-Arzt der Königl. Bayer. Res., mit Frl. Jo¬ 
sephine Oswald (Auxerre—Saales). — Dr. Zimmermann, Stabs- und Bats.- 
Arzt im 6. Pomm. Inf.-Regt. No. 49, mit Frl. Helene Gräber (Kreuzburg). — 
Dr. Landgraf, Stabsarzt am medicin.-chirurg. Friedrich Wilhelms-Institut, mit 
Frl. Emma Schilling (Berlin). — Dr. Arnold Reinbrecht, Assist-Arzt im 
Brandenburg. Hus.-Regt. (Zietensche Husaren) No. 3, mit Frl. Elisabeth Alt¬ 
haus (Rathenow—Mühlhofenerhütte bei Engers am Rhein). — Dr. Vüllers, 
Stabs- und Bats.-Arzt des Füs.-Bats. 7. Westfal. Inf.-Regts. No. 56, mit Frl. 
Hedwig Everken (Cleve—Paderborn). — Dr. Bücker, Assist-Arzt 1. Ci. in 
der etatsmässigen Stelle beim Corpsarzt des VIII. Armee-Corps, mit Frl. Louise 
Ladner (Coblenz). 

Verheirathet: Dr. Hans Dormagen, Assist.-Arzt 1. Ci. beim 2. Rhein. Feld- 
Art-Regt No. 23, mit Frl. Elise Schniewind (Cöln). 

Geburten (Tochter): Dr. Loeffler, Stabsarzt bei dem medicin.-chirurg. Friedrich 
Wilhelms-Institut, Priv.-Docent an der Universität (Berlin). — Dr. Krocker, 
Stabsarzt vom Garde-Schützen-Bat., commandirt zum Kriegsministerium (Berlin). 
— Dr. Heinrici, Stabsarzt (Rawitscb). 

Gestorben: Dr. Max Reicbardt, Königl. Bayer. Stabsarzt der Res. (München). 
— Dr. G. A. Fischer, Königl. Assist.-Arzt 1. CI. der Landw. (Barmen). — 
A. Panther, Königl. Oberstabsarzt 1. CI. und Regts.-Arzt im 3. Bad. In£- 
Regt No. 111 (Rastatt). 


Gedruckt in der Königlichen Hofbachdruckerei von E. S. Mittler and Sohn, BerUn, Kocbetrecee 68—70. 


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