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Full text of "Deutsche Verfassungsgeschichte"

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Deutsche 



Verfassungsgeschichte 



von 



Georg Waitz, 



1. Band. 



' Kiel. 
Schwers'sche Buchhandlung. 
1844. 



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HERRN PROFESSOR 



LEOPOLD RANKE. 



A» 



JJie erste grössere Arbeit die mir zu vollenden vergönnt 
wird und die ganz unabhängig von äussern Anlässen 
entstanden ist^ erlaube ich mir Ihnen zu überreichen, 
als ein Zeichen dankbarer Erinnerung an die Zeit da 
Sie mir Lehrer und Freund zugleich waren j als einen 
geringen Beweis treuer Anhänglichkeit und Liebe, durch die 
ich mich Ihnen, auch in der Ferne, nahe verbunden fiihle. 
Gönnen Sie dem Buche eine freundliche Aufnahme! 

Nicht viel habe ich zur Erläuterung oder Recht- 
fertigung hinzuzufügen. Ich weiss dass ich eine schwierige 
Arbeit übernommen habe und andern so wenig wie mir 
selbst genügen werde. Aber dass ich nicht leichtsinnig 
gearbeitet, werden hoffentlich Sie, und auch andere 
strengere Richter werden es zugestehen. Der Gegenstand 
ist es werth dass man ihm alle Kräfte widme. Nicht 
auf einmal wird es gelingen die herrschende Verwirrung 
zu überwinden und an die Stelle oft willkührlicher An^ 
nahmen, falscher oder einseitiger Auff^assungen , die volle 
Richtigkeit und ungetrübte Wahrheit zu setzen. Ich habe 
darnach gestrebt, aber ich weiss dass ich sie nicht immer 
gefunden, und es mag das öfter der Fall sein als ich 
es jetzt einsehe. Hie und da habe ich vielleicht zu viel 
gewagt} doch unrd das der richtigen Erkenntniss geringelt 
Schaden thun, und mitunter wenigstens den Weg zu 
derselben anbahnen helfen. 



Sie wundern ück vklleicht dtus ich so wät in 
rechishistori^e Forsdkimgen mich eingetassm habe^ Aber 
Sie werden gewiss auch zugeben j dass die Arbeit ohne 
das nicht unPemommen werden kownte} und da mögen 
Sie eich erinnern ^ dass ich schon auf der Universität 
mit Vorliebe den Studien des deutschen Rechts mich 
zuwandte und nahe daran war mich densdben ganz und 
auf immer zu widmen f nun hat hier die ahe Vorliebe 
sich wieder geltend gemacht. Und ich fand dass gerade 
auf diesem Gebiete mehr zu thun und zu bekämpfen^ 
freilich auch leichter zu irren war^ als auf dem Felde 
das man gewöhnlich der Geschichte anzuweisen pflegt. 
Die Zustände des alten RomSy der Zusammenhang aller 
rechtlichen und politischen Verhältnisse in dem römischen 
Staate sind besser ergründet ^ richtiger aufgefasst^ deut- 
licher dargelegt j als die unserer heimathlichen Vorzeit} 
so grosses auch mitlebendey von mir hoch verehrte Männer 
auf diesem Gebiete geleistet haben. — Dass ich diesen 
und andern oft entschieden widersprochen ^ den Irrthum 
gerügt habe wo ich ihn zu finden glaubte^ werden Sie 
mir nicht als vermessene Ueberschätzung eigener Leistung 
zurechnen. Sie wissen dass es mir nur um Wahrheit 
zu thun ist. 

Kiel, dm 26. März 1844. • 

G. Waitz, 



Inhalt. 



Pag. 

Einleitung ^ XI— XXVII 

Die Verfassung des deutschen Volks vor der 
Zeit der grossen Wanderungen. 

üeber die Germania des Tacitus als Hauptquelle 3 — 5 

1. Lebensweise und Sitte • • • . 6 — 18 

Korperbau 6, felrzielmng 7, Wehrhaftmachung 7, 
Waffen 8, Kleidung 9, Gerath 9. 10, Schmuck 10, 
Wohnungen 10, Schiff'ahrt 10. 11. — Lebensweise 11, 
Schmause 12, Spiel 12. 13, Lieder 13, Gastfrennd- ' 
Schaft 14, Treue 14; — Ehe 14. 15, väterliche 
Gewalt 16, Verwandt chaft 16. — 6otterv«rehraDg 
16. 17. — Stande de« Volks 17. — Ackerbau 17. 18. 

2. Ackerbau und Grundbesitz ^ • • • • 19 — 31 

Die Deutschen hatten keine eigentlichen Städte 19, 
trieben aber hauptsächlich Ackerbau 20. 21. Die 
Nachrichten des Tacitus 22, haben nichts mit denen 
des Caesar gemein 23 — 25, sondern es ist von der 
Vertheilnng der Feidmark an die Mitglieder einer 
Dorfschaft die Rede 25—28. Es gab theiis Dörfer 
theils EinKelhofe 28 — 80. Feldgemeinschaft und 
Markgenossenschaft 26. 30. 31. 

3. Das Dorf, die Gemeinde, der Gau .....32—52 

Heer und Volk waren eins 31 (vergl. 263. 268); 
im Heer gab es Hundertschaften 32 , auch als Land- 
eintheilung 33 » gleichbedeutend mit Harde 34. 35. 49 ; 
und diese fanden si€hj|ioii in ältester Zeit 36. 37, 
und bestanden urfiprdJi^ch «lu 100 Hufen 37. — 



vni 

Nur der Grundbesitz bestimmte die Theiioahme an 
der Gemeinde 38 , nicht die 'Wehrhaftmachung allein 
39 — 41. Theiibarkeit des Grundbesitzes und dessen 
Folgen 41. 42. — Entstehung der Gemeinde und Ver- 
haltniss zur Familie 42—46. — Es gab keine Zehnt- 
schaften als Unterabtheiiung der Hundertschaften 
47 (258 — 263) , aber diese waren Theile des Gaus 48, 
der Gau das Gebiet der Volkerschaft 49. Yergleichung 
mit nordischen Verhältnissen 50. Sprachgebrauch 
des Tacitus 51. 52. — Verfassung 'der Dörfer 52. 

4. Die VolksyersammluDgen 53 — 64 

Versammlung der Hundertschaft und des Gaus 53. 54. 
Sie war Gericht 55. Weitere Geschäfte 56. Beschrei- 
bung der Versammlung 56 — 60. Thingfrieden und 
darauf beruhende Macht der Priester 58. 59. — 
Spätere Landesversammlung 60 — 63. — Der Umstand 
in älterer und neuerer Zeit 63. 64. 

5. Der Adel 65—85 

Odelsbauer und Hauldr in Norwegen 65. Adel und 
Odel 66. Es gab einen Adel bei den alten Deut- 
schen 66. 67. Nachrichten des Tacitus 67. 68. Es 
waren nicht blos die Mitglieder de» Königsgeschlech- 
tes^ 69 — 77. Entstehung und Bedeutung des Adels 
78 — 82 (keine Verbindung mit dem Priesterthum 
78.79). Rechte 82— 85. Grundbesitz des Adels 85. 

6. Die Fürsten und das Gefolge 86—154 

Die principes des Tacitus bezeichnen nicht den Adel 86, 
sondern die Obrigkeiten (Fürsten) 87. Diese wurden 
nicht ausschliesslich aus dem Adel gewählt 88 — 92. 
Eben sie , und sie aliein , nicht die Adligen , hatten 
ein Gefolge 92—98. Die ,centeni comites' 99. 100. 
113. — 1) Die Fürsten. Unterschied zwischen 
den Fürsten des Kriegs und des Friedens 101 — 103, 
zwischen den Vorstehern des Dorfs (?) , der Hundert- 
schaft und des Gaus 103 — 110. Geischäfte derselben : 
in Volksversammlung 110, und Gericht 111 (die 
Gemeinde urtheilte 112 — 114), bei Opfern und an- 
dern heiligen Handlungen 115 (Verbindung der Für- 
stenmacht mit dem Priesterthum 115 — 118). Vor- 
rechte 119. 120. — 2) Das Gefolge. Wesen 
desselben 120 — 123. V^rtheidigung gegen andere 
Auffassungen 124 — 126. Bildung eines neuen Dienst- 
adels aus den Gefolgschaften 127 — 129, der von 
dem alten Adel völlig verschie^fhkwar 129—137. 
Verschiedenheit des Beneficlalwesenih37— 141. Man 



IX 

Pa». 

hat Unrecht die Wandernngen der Deutscben , das 
Konigthttm u. a. aus dem Gefolgewesen abzuleiten 
1 4 1—147. Untergang desselben 147. 148. 
Anmerkung 1. lieber die principes in einigen Stel- 
len des Tacitns 149»] 53. 
Anmerkung 2. Ueber die antrustiones 152 — 154. 

7. Die Könige 155—177 

Das Konigthum bestand nur bei einigen Stammen 
155. .156. Allmähliches Hervortreten desselben 157. 
158. Entstehung 159, nicht aus den Gefolgschaften 
1 60— 1 65. Bedeu tung 1 65 — 1 70 ( bestimmte Königs- 
geschlechter 69. 166. 167). Vorrechte: Gefolge 
127. 140. 145. 154. 171, Grundbesitz und Beneficien 
171. 172> Ernennung der Grafen und anderer Rich- 
ter 172 — 175. Einfluss aufs Gericht, Konigsbann 
176. Konigsschutz 176. 

8. Freiheit und Recht 178—224 

Adel, Freie, Freigelassene 178.179. JJten 179—183. 
Sklaven 183. — Die Freiheit allein gab Recht 184. 
Begriff der Freiheit und des Rechts 185. 186. Friede, 
Friedensbruch , Friedlosigkeit 186. 187. — Verbrechen 
und Strafe 188 — 191. Auch die Compösitionen sind 
Strafe 191 ff. 212. Die Rache in ihrem Verhältniss 
zum Recht 192. 193. 197. Friedens^geld 193. 194. 
Es gab kein Fehderecht 195—197. — Einfluss der 
Gemeinde auf privatrechtiiche Verhältnisse; ÜVehr- 
haftmachung, Freilassung^ Ehe 198, Veräusserung 
von Grundbesitz 199. 200. — Privatrechtliche Bedeu- 
tung der Familie: Erbrecht 201. 202. Vormund- 
schaft 203. Pflicht zur Blutrache 203, 204. Ver 
hältniss des Mutterbruders zum Neffen 205 — 207. 
Familiengericht 208. Es bestand keine Pflicht zur 
Theilnahme an der Fehde 209 , wohl aber zur Rechts- 
hälfe 210. Conjuratoren 210. 211. Haften für das 
Wehrgeld 212-215. Lösung von der Familie 215. 
Beschränkung und Aufbebung der Familienverbin- 
dung 216. — Die Gemeindegen^ossen standen nicht 
in ähnlicher Verbindung wie die Familienglieder, nicht 
in Gesammtburgschaft 217. Pflichten derselben 218. 
Geschlechter und Gilden 219—223. — Schluss ^24. 

Beilage 1. Von der sogenannten Gesammtburg- 
schaft 225—274 



Die älteren verstehen daru^^r eine Wehrgeldsburg- 
schaft der Gemeindegeno|^V225 — 227; eine solche 
fand sich nicht bei den AnPIsachsen 227—232, son- 



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Deutsche 



Yerfassungsgeschichte 



Georg Waitz, 



1. Band. 



' Kiel. 

Schwers'sche Buchhandlung. 
1844. 



HERRN PROFESSOR 



LEOPOLD RANKE. 



XVI 

entgegen, nach der alle Eines Ursprungs waren, nicht 
blos alle Abkömmlinge des Gottes , sondern eines Stamm- 
vaters, der selber schon nicht mehr Gott ^, der eben 
der Gründer dieses Volkes war. Er, derMannus, hatte 
drei Söhne, die Eponymen der drei grossen Stämme 
die unter den Deutschen hervortreten. 

Diese Trennung nach drei Stämmen, oder n^ 
möchte lieber sagen, diese Vereinigung der kleineren 
Völkerschaften zu grösseren Ganzen und unter umfassen- 
deren Namen, war damals, so weit wir sehen, ohne alle 
politische Bedeutung; in der Geschichte selbst tritt sie 
uns deshalb nirgends entgegen. Aber sie hatte einen 
wirklichen Grund , natürliche Verhältnisse bedingten diese 
Sonderung, qnd im Laufe der Zeit machte sie sich gel- 
tend; ja der Gegensatz durchlebt die ganze spätere 
Geschichte Deutschlands. Denn als ein Jahrhundert 
später ein höheres politisches Bewusstsein unter den 
Deutschen entstand, das vielleicht erst im Gegensatz, 

T 
(Grimm, D. Mytb., Anh. p. XXVII) die Sache verwirrt; es scheint 

eine Entstelinng der Zeit da die Deutschen sich über ganz Europa 
Terbreitet hatten, wo nun alle Volker, in deren Lande sie gezogen 
waren, als ihnen stammverwandt erscheinen sollten. 

' Denn Mannus war der Mensch, oder doch der vom Gott 
geboren die Menschen zengte , vielleicht dürfte man sagen : der 
Menschen vater, und daher kann man ihn wohl nicht mit Grimm a. a. 
O. p. XXIX mit Wodan zusammenhalten. — Wir finden es öfter in 
ethnogonischen Sagen, dass nicht der Gott, nicht der erste in der 
Reihe als der Vater der — in der Regel sind es drei — eigent- 
lichen Stammvater angesehen wird, sondern diese erst von seinem 
Sohn abgeleitet werden. Wie auf den Tuisco Mannus und dann 
erst die drei Söhne folgen , so steht in der nordischen Sage zwischen 
Borr und den drei Wesen Odhinn. Vili und Ve der Sohn jenes, 
Bnri; in der gothlandischen Ti^B||| ist nicht Thielvar, sondern 
erst sein Sohn Haefdhi der VateNHT Guti , Graipr und Gunfiann. 



vm 

im Kampfe gegen die Romer erweckt worden ist, da ver- 
schwanden die zahllosen kleinen Gaugemeinden, die uns 
früher getrennt und mit eigenen Namen entgegen treten ; 
die sich näher stammverwandt waren, flössen zusammen; 
statt der Völkerschaften traten die Stämme auf: im 
Norden die Sachsen, am Rhein die Franken, im Süden 
Alamannen oder Schwaben, im Mitteilande die Thüringer. 
Was sind sie anders als die alten Ingävonen , Iscävonen 
und Herminonen? ^ Die letzten haben sich getheilt, 
sie sind in den Bewegungen des zweiten bis vierten 
Jahrhunderts unserer Zeitrechnung aus einander gerissen 
und in sehr verschiedene Bahnen geführt worden. Ein 
Theil des deutschen Volks aber ist bei jener Sonderung 
in drei Stämme zur Seite gelassen : der gothische Stamm. 
Plinius ^ fuhrt ihn neben den andern auf; es ist aber 

' Dasselbe ist ia ähnlicher Weise von J. Grimm und Zenss 
(p. 78. 79) ausgesprochen worden. Doch nimmt der letztere ganz 
gegen alle Zeugnisse Istaevones als Bezeichnung des gothischen 
Stammes, rechnet die Franken zu den Herminones. Grimm nennt 
nur die .Thüringer als die Nachkommen der Herminones ; ich meine 
aber, dass eigentlich die Alamannen (Schwaben) dafür angesehed 
werden müssen. Es gab Volkerschaften, die man diesen Haupt- 
stammen nichl: ohne weiteres zuzählen darf, die man als Neben- 
zweige > als Uebergänge von dem einen zum andern betrachten muss. 
So verhalten sich die Friesen zu den Sachsen; durch geschichtliche 
Verhältnisse anfangs den Franken > dann den Sachsen verbunden, 
sind die Thüringer ihrer ursprunglichen Stellung entfremdet worden ; 
die Baiern, die ich glaube als dem gothischen Stamm angehörig 
auffuhren zu können, scheinen doch auch andere, namentlich sue- 
vische Elemente in sich aufgenommen zu haben, und daher z. B. 
die grosse Verwandschaft mancher Verhältnisse mit den Langobar- 
den zu erklären zu sein ; und die T^ngobarden nähern sich wieder 
den Sachsen. «^ib 

* IV, 14; ausserdem'^IPR die Pencini, die aber als ein 
Volk, dessen germanischer Ursprung zweifelhaft, das jedenfalls früh 



xvin 

deutlich, dass er id der alten Ueberlieferung keinen 
Pli^z hatte. Er war den übrigen Deutschen fremder, 
stand ihnen ferner, den nordischen Germanen dagegen 
naher als einer der ändern ^. Durch wunderbare Schick-^ 
sale wurde er später weit nach Osten und Westen 
verschlagen, über die Grenzen des deutschen Landes 
nicht blos, sondern aus Europa hinaus getrieben, und 
fand so seinen Untergang, als die Deutschen in der 
Heimath sich eben in den neuen Verhältnissen und Ver- 
bindungen zu entwickeln begannen. Dennoch blieb er 
diesen nicht ganz fremd, einzelne Völkerschaften, die 
ihm zugezählt werden müssen , waren zurückgeblie- 
ben, und aus diesen ging der Stamm der Baiern her- 
vor^, der nun, zumal seit der Thüringer Macht und 

Ton den übrigen ganz getrennt worden ist, hier nicht in Betracht 
kommen können. 

^ Das eigenthiimliche Yerhaltniss der Gothen zu den nordi- 
schen und deutschen Germanen — denn dass die Gothen südlich 
und nordlich der Ostsee ganz verschiedene Volker seien, kann ich 
mich nicht überreden — zu bestimmen, hat seine grossen Schwie- 
rigkeiten; und die nordischen Forscher (Rask, Geijer u. a.) haben 
die Sache keineswegs erledigt. Ansprechend ist die Ansicht Key- 
ser's in der oben angeführten Abhandlung, die Gothen in Skandi- 
navien seien rein deutsche Germanen und erst später von den 
einziehenden nordischen vertrieben. Doch hat auch sie ihr sehr 
bedenkliches. 

* Ich weiss wohl dass Zeuss und Wittmann in ihren Abhand- 
lungen ,die Herkunft der Bayern von den Marcomannen ' besonders 
dieser Ansicht entgegentreten; doch haben mich ihre Gründe nicht 
überzeugt. Wenigstens der historische Beweis dass die Marcomannen 
die Vorfahren der Baiern sind ist nicht geführt und kann nicht 
geführt werden ; spraekliche Gründe weiss ich wohl zu achten , doch 
scheint mir die Unmöglichkeit d||^othische Volkerschaften einen 
, Haupttheil der Baiern bilden ral^p dargethan zu sein. Vergl. 
p. XVII n. 1. 



XIX 



Selbständigkeit untergegangeu war, den übrigen sich 
anscbioss als einer der im deutschen Lande herrschenden. 
Und es sind diese vier Stämme , die fortan das deutsche 
Volk ausmachen , erst, getrennt und in gesonderter Ent- 
Wickelung, dann verbunden in dem deutschen Reiche, 
das eben auf ihrer Vereinigung beruhte. 

Es sei mir gestattet daran zu erinnern, wie dies 
geschah. 

Nicht blos der gothische Stamm fast ganz, auch 
Zweige der andern hatten sich über die alten Grenzen 
Deutschlands hinaus verbreitet; es giebt kein -Land des 
südlichen und westlichen Europas, wohin sie nicht ie^ 
mals gelangten, wo nicht neue Herrschaften von ihnen 
gegründet, deutsches Wesen und deutsche Institutionen 
von Uinen hingebracht worden sind. Doch meist war 
das nur ein Uebergang zu anderen Staatsformen, zur 
Bildung neuer Nationalitäten; eigenUich deutsdi wurden 
die eroberten Länder nicht, blieben selbst die Volker 
nicht welche sie eingenommen hatten. Auch die Angel-^ 
Sachsen, die sich am unvermischtesten erhielten, Hessen 
manches von dem Heimathlichen (allen, oder bildeten 
es in eigenthümlicher mitunter fremdartiger Weise f<H*t. 
Man kann nicht sagen , dass diese Eroberungen db 
Grenzen Deutschlands erweitert hätten. Nur die näch^ 
sten NacU^arlande , vieUeicht schon Iraher von einer 
germanischen Bevölkerung bewohnt, kamen onn ^mz 
in ihre Gewalt und wurden zu wesentlich deutschen 
umgeschaifen ; wie südlich der Donau, so westlich vom 
Rhein. Hier waren es die Franken die die Eroberung 
vollbrachten , und ihr^M König gelang es auch im 
eigentlichen Gallien einen mächtigen Staat zu gründen. 



Von einem kleinen Gau im Norden Galliens ging 
Chlodowech aus; als er starb, gehorchte ihm nicht blos 
das ganze Land bis zur Garonne, auch die einzelnen 
Zweige des fränkischen Stammes waren unter ihm ver- 
einigt, die Burgunder gedemüthigt, der grösste Theil 
der Alamannen ihm unterworfen. Auf dem deutschen 
Volke, ja auf dem echt deutschen Lande der Franken 
beruhte die Herrschaft; aber die romanischen Elemente 
waren in den neuen Staat mit aufgenommen. Auch 
hatte Chlodowech sich zum Ghristenthum gewandt und 
zwar zum Bekenntniss der römischen Kirche. Seine 
Bedeutung ist wesentlich die, dass er romanisches und 
germanisches Wesen vermittelte, nicht so bewusst, mit 
bestimmtem Hinblick auf ein nahes Ziel, wie sein Zeit- 
genosse Theoderich. Er erscheint, wie Gregor von 
Tours es sagt^, als ein Werkzeug Gottes, in dessen 
waltendem Rathe bestimmt war, dass der absterbenden 
römischen Welt ein neuer lebendiger Keim eingepflanzt, 
dem germanischen Geiste aber ein den Process der Aus- 
bildung förderndes Element zugebracht werden solltet 
Von einem Trieb grossartiger Gründung geleitet, hat 
Chlodowech ein Werk begonnen, das die ganze Zukunft 
Deutschlands in sich fasst: denn er hat den Grund gelegt 
zu einem deutschen Reiche , hat Deutschland dem Chri- 
stenthum aufgeschlossen, Romanisches dem Germanisjchen, 
das Alterthum dem Mittelalter verbunden. 

Chlodowechs Werk haben die beiden nächsten 
Nachfolger fortgesetzt. Theuderich brach die Macht und 

> II, 40: Prosternebat enjm quotidie Deus hostes eius sub 
mann ipsius et augebat regnum el^^ Vergl. Lobeil , Gregor von 
Tours und seine Zeit p. 265, H. Müller, die Lex Sallca p. 194 n. 



XXI 

eroberte das Reich der Thüringer; gleichzeitig wurde 
das Königreich Burguiid von den Franken vernichtet; 
dem Theudebert aber gelang es, nicht blos die Ala- 
niannen völlig , sondern auch die Baiern , im Süden die 
Alpenlande , im Norden sächsische Gegenden seiner Herr- 
schaft zu unterwerfen. Schon damals war fast ganz 
Deutschland vereinigt unter Einem König, der in jenen 
Gebieten westlich vom Rhein seinen Sitz hatte, die 
damals völlig deutsch geworden waren ; während die 
romanischen Theile des Frankenreichs unter andern Köni- 
gen desselben Hauses standen. 

Aber was schnell und glücklich in solcher Weise 
begründet war, hatte doch noch keinen festen Bestand. 
Seit Ghlotachar IL die gesammten fränkischen Lande 
unter seiner Herrschaft vereinigte, begann eineReactiott 
der andern Deutschen gegen den herrschenden Stamm; 
die territoriale Macht der Volksherzoge kam empor, 
und sie bot alles auf, um ihre Unabhängigkeit dem 
merowingischen Königshause gegenüber zu behaupten. 
Zwei Jahrhunderte sind von diesem Kampf erfüllt; das 
alte Königsgeschlecht sank dahin, und ein anderes, aus 
dem deutsch - fränkischen Lande, Austrasien, hervor- 
gegangen, trat an seine Stelle. Die Franzosen haben 
nicht Unrecht, wenn sie dies als einen zweiten Sieg des 
germanischen Prinzips betrachten ^. 

Die neuen Könige verfolgten den Weg den Chlo- 
dowechs Geschlecht gegangen: nicht blos Frankenland, 
Deutschland wollten sie beherrschen. Als der Herzog 

Thassilo ins Kloster geschickt und Baiern fränkischen 

« 

> Thierry, lettressarNMFstoiredeFranee, 6. ed., p. 140.168. 
Yergl. Gttiseot, bist de la civilisation , 1. ed., 11 , p. 239. 



XXil 

Grafen untergehe» war, da hatte Karl das wieder ge- 
wonnen was einst Theudehert besessen. Er hatte mehr; 
auch die einst westgothischen Provinzen im südlichen 
Gallien , das Reich der Langobarden in Italien , das diese 
von den Ostgothen 'geerbt, standen unter seiner Herr- 
schaft, dazu die Besitzungen der Britten auf dem Fest- 
lande und das Land der Basken, im Osten slavische 
und avarische Gebiete, und auch was von dem römischen 
Reich übrig war und an dasselbe erinnerte, Rom selbst 
mit dem obersten Bischof, alle Sitze der abendländischen 
Imperatoren waren in seiner Gewalt ^. Darum wurde 
Karl römischer Kaiser, und er hörte auf ein deutscher 
König zu sein. So sehr er heimische Tracht und Sitte 
ehrte, deutsche'Sprache liebte und begünstigte, deutsche 
Lieder samttieltei sein Standpunkt ist kein deutscher 
mehr, es ist ein europäischer, welthistorischer. Was 
er that, war die Vollendung dessen was Chlodowech 
begonnen hatte, aber er that es bewusster, entschiede- 
ner, nicht für ein einzelnes Volk. Die römische Kirche 
.verband er aufs engste mit seinem Reiche; alles was 
von römischer Bildung noch übrig war, Führte er diesem 
zu. So aber war die Wissenschaft die er erweckte doch 
wesentlich eine römisch -^ kirchliche ; die Geistlichkeit, 

' Ann. Lauresh. a. 801: visum est et ipeo apdstolico Leanf 
et Hhiversis eanc'tis pat'ribus qiii lu ipso coücitio aderant seu reliqno 
christiano populo, ut ipsum Carolum regem Franchorum imperato- 
rem nominare debuissent, qui ipsam Romam tenebat, ubi'semper 
caesarea sedere soliti erant, sen reliquas sedes qaas ipse perltaliam 
9ea GaUiam necnon e% GermaAilim tenebat; qnia Dens omnipotens 
has oinnes sedes in potestate eins concessit , ideo lustum eis esse 
yidebatiir, ut ipse com Dei adiutoÄ et univerlso christiano populo 
petente ipsum noradn abteret. Vergl. Ranke , die Rom. PSb^e I , p. 20. 



XXill 



die an seinen Gesetzen , seinen Gründangen den bedeu- 
tendsten Antbeil hatte , brachte römische Elemente 
herzo; es war das römische Reich das er stiftete und 
in dem die Herrschaft über die Franken, die Lango*^ 
bardeii, die Gothen und die Sachsen aufging. Es ist 
nicht zu bestreiten , Karl hat auch hierdurch für Deutsch- 
.land einö grosse Bedeutung; es ist wohl hervorzuheben, 
dass er die deutschen Stamme, euch die entfernteren, 
mit Ausnahme der Angelsachsen und der gothischen 
Ueberbleibsel in Asturien, alle noch einmal KUSBmmen-* 
brachte; für Deutschland aber das wichtigste war die 
ünterwerfting der Sachsen. 

In den weiten Ebenen des nordwestlichen Germ«-, 
niens war einer de^ HauptstämmiB des deutschen Volkes 
sitzen geblieben^ in ungebrochener Selbstfindigkeit den 
Franken gegenüber. Keinem Fürsten gehoröhlen die 
Treien Sachsen^ am wenigsten einem fremden. Alle 
deutschen Stämme , die von dem heimischen Boden 
getrennt , in neue Lebensverhältnisse hinausgetrieben 
waten 9 hMten sich bald dem Ghrislenthum ergeben; es 
ist als seien die Bande, die sie an diö Stammesgötter 
fesselten, geföst worden, da sie die alten Wohnsitze 
verliessen. Die Sachsen aber, die der Heimath, waren 
auch den Göttern treto geblieben. Für beides, den 
alten Gbuben und die alte Freiheit, bestanden sie den 
hartnäd^igsten und ausdauerndsten Kampf. Aber Kai4 
siegte. Bis zur Ostsee, bis zu unserm Meeresbusen, 
wo seine Marken wider die Dänen und die afoodriliscben 
Slaven sich berührten , reichte nun die fränkische Herr- 
schaft. Kein deutsches Reich hat Karl gegründet, aber 
er machte hierdurch die Gründung desselben möglich. 



MIT 

« 

Id dieser Erweiterung der fräDkischeo Monarchie 
lag ein Keim zur Auflösung derselben. Denn die Ver- 
bindung der Sachsen mit den übrigen deutschen Stammen 
verlieh dem germanischen Element eine solche Stärke, 
dass es sich dem romanischen entgegensetzen und sich, 
abgesondert von den gallisch -fränkischen und den italisch- 
langobardischen Theilen des Reichs, zu einer eigen- 
thümlichen Entwickelung erheben konnte. 

Es ist, wenn ich nicht irre, zuerst in Frankreich 
ausgesprochen ^, dieTheilung der karolingischen Monarchie, 
die Kriege die ihr vorangingen, und die Bewegungen 
die sie hervorrief, seien nichts gewesen, als eine noth- 
^ wendige Reaction gegen die Politik Karls des Grossen, 
die bemüht gewesen war die verschiedenen Nationali- 
täten zu verschmelzen. Mat hat dagegen Einspruch 
erhoben ^ ; aber gewiss liegt eine grosse Wahrheit in 
dieser Behauptung. Es geschah die Auflösung nicht 
in einem regelmässigen Verlaufe, vielmehr wirkten eine 
Menge von Zufälligkeiten ein und schoben die Verhält- 
nisse so oder anders. Auch gingen die Stämme und 
Völker nicht so aus der Vereinigung hervor, wie sie 
einst darin aufgenommen waren; sondern es hatte sieb 
das Zusammengehörige an einander geschlossen, man- 
cherlei Um- und Anbildungen hatten Statt gefunden; 
und neue Geaammtheiten , grössere ausgebildetere Natio- 
nalitäten sind 08 die uns nun entgegentreten. Hier ist 
der wahre Anfangspunkt für die Geschichte der wich- 
tigsten europäischen Staaten. Auch das deutsche Reich 

* Thiwy, leltre 11. ^ 

* Giiiiot «. «. O. ir» p. 448, Gn^rard in einer Abhandlung 
di« er itt der Parlter Akadeni« geleaen. 



XXV 

hat damals seinen Anfang genommen; suchen wir eine 
genaue Bestimmung desselben , so werden wir sagen 
müssen , der Verdüner Vertrag hat es in die Geschichte 
eingeführt. Nun sonderte das deutsche Volk sich ab 
von den übrigen Völkern Europas, die es zum Theil 
unterworfen und mit seinem Blute erneuert hatte, mit 
denen es zuletzt zu Einem Reiche vereinigt gewesen war; 
die Hauptstämme aber die deutsch geblieben schlössen 
sich zusammen ; dass noch einige Gaue die dazu gehör- 
ten fehlten war von geringer Bedeutung ; jene waren zu 
«inem politischen Ganzen verbunden, dem die andern 
sich leicht einfiigen konnten. Wohl ein Jahrtausend 
vorher kennen wir ein deutsches Volk, erforschen wir 
die deutsche Geschichte; erst von diesem Tage an bestand 
ein deutsches Reich ^« 

Aber die Grundlagen auf denen es beruhte , die 
Zustände die in ihm herrschten gehören wesentlich der 
früheren Zeit an; alle politischen und rechtlichen Elemente 
der deutschen Reichsverfassung haben hier ihre Wurzel ; 
in zusammenhängender, nie ganz unterbrochener Ent- 
Wickelung sind sie hervorgewachsen, und es ist uns in 
den meisten Fällen vergönnt, eben den allmählichen 
Fortschritt, die stufenweise Ausbildung der Keime, die 
Umbildung der ursprünglichen Institutionen zu dem was 
später bestand zu erkennen. 

Doch so sehr wir ein Recht haben, ja in den 
meisten Fällen genöthigt sind , diesen Zusammenhang des 

^ Wegen der weiteren Ausfuhrnng mnss ich vorläufig auf 
mein schon angeführtes Programm ,Ueber die Gründung des deut- 
schen Reichs durch den Vertrag zu Verdün' verweisen. In der Fort- 
setzung dieses Buchs werde ich auf den Gegenstand zurackkommea. 



XXYI 



späteren mit dem früheren , diesen stetigen Fortgang in 
den Verfassungsverhältnissen geltend zn machen , so 
wichtig erscheint es doch bei einem näheren Eingehen 
aaf den Gegenstand, dass wir nicht rücksichtslos was 
der späteren Zeit angehört auf die älteren Zustände 
übertragen , oder umgekehrt diese wiederfinden , wo schon 
wesentliche Veränderungen eingetreten sind, durchgrei- 
fende Umgestaltungen Statt gefunden haben. Jeder 
erkennt dass wie Leben und Sitte so auch Recht und 
Verfassung des deutschen Volks , da es zertheilt in eine 
Menge kleiner Gaugemeinden oder Vötkerschaften zuerst 
in der Geschichte auftritt, völlig verschieden sind von 
den Verhältnissen die nach der Vereinigung der grossen 
Stämme zu mächtigen Herrschaften bestanden^ das Volk 
war aus den beschränkten engen Zuständen herausgetre- 
ten, die mächtigsten historischen Begebenheiten, Wan- 
derungen, Kämpfe, hatte es durchlebt, zumTheil selbst 
veranlasst, neue Gebiete eingenommen, neue Formen 
der Herrschaft kennen gelernt und sicli angeeignet. 'Eine 
geringere aber doch noch immer sehr erhebliche Ver- 
schiedenheit zeigt sich, wenn wir das fränkische Reich, 
eben das welches unter allen am meisten rein deutsche 
Elemente bewahrt und jederzeit am nächsten, mit dem 
Heimathslande in Verbindung gestanden hat, mit dem 
vergleichen welches wir zuerst das deutsche zu nennen be- 
rechtigt sind; gleich zu Anfang, und immer mehr je weiter 
dieses von d^ übrigen karolingischen Staaten sich abson- 
dert, je selbständiger, eigenthümlicher , ich muss sagen 
deutscher es sich zu entwickeln vermag. Und welche 
Umwandelungen dann das deutsche Reich selbst erfahren 
bat, daran brauche ich hier nicht zu erijuiero. 



XXVII 



Meine Absicht ist die Verfassung des deutschen 
Volks und des deutschen Staats^ so bald ein solcher 
besteht, in den verschiedenen Zeiten der Geschithte, 
so umfassend, so sorgfältig es mir gegeben ist, zu 
ergründen und darzustellen. Das erste Buch beschränkt 
sich auf jene Periode da die grossen Wanderungen noch 
nicht Statt gefunden hatten; nur zur Erläuterung, wie 
man leicht erkennen^ wird , ist auf spätere Zustände Rück- 
sicht genommen worden. • — Nicht den ausserhalb der 
Grenzen Deutschlands und ohne allen Zusammenhang 
mit dem deutschen Boden gegründeten Reichen werde 
ich eine besondere Darstellung widmen können; die 
Vergleichung ihrer Verfassungsverhältnisse dient häufig 
den Zustand in der Heimath, mitunter auch den im 
(ränkischen Reiche aufzuhellen, Zweifel zu erledigen, 
Irrthümer zu beseitigen; ihre selbständige Entwickelung 
aber gehört anderen Gebieten der Geschichte an. Mit 
der Verfassung des fränkrschen Staats, aus dem das 
deutsche Reich sich herausgebildet und im einzelnen wie 
im ganzen wichtiges beibehalten hat, wird sich die Fort- 
setzung zunächst zu beschäftigen haben. 



Die 



Verfassung des deutschea Volks 



vor der Zeit 



der grossen Wandenuigen. 



Schon im zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung 
erschien das deutsche Volk dem Fremden, dem Feinde 
von solcher Bedeutung, dass der grösste Geschieht- 
Schreiber dessen das römische Kaiserthum sich rühmt, 
einer der ersten aller Zeiten, ihren Zuständen eine 
eigene Darstellung widmete, ein Buch in dem jede 
Zeile wie von dem ernsten Sinn und scharfen Blick so 
von dem Inteiiesse des Autors für den Gegenstand, von 
der Liebe mit der das Werk unternommen ist, Zeug- 
niss giebt. Nun glaubt niemand mehr, dass Tacitus 
eine Satire auf Rom zu schreiben, oder, wie Plato in 
der Republik den idealen Staat schildert, ein Volk 
darzustellen die Absicht hatte, wie er es am reinsten 
und edelsten sich denken mochte ; es ist derselbe 
Historiker, der die Geschichte der eigenen Zeit und 
dessen er selbst Zeuge war voll Mitgefühl und tiefer 
Wahrheit schildert, der auch das fremde Volk in seiner 
£igenthümlichkeit aufzufassen verstand und zu beschrei-^ 
ben würdigte. Und wir zweifeln nicht, dass es dieser 
Schilderung werth war. Keiner entzieht sich dem 
Eindruck den die Germania macht; dem Römer aber, 
dem Zeitgenossen gab sie ein Bild, das ihn ich weiss 



nicht ob mehr mit Bewunderung oder mit Schrecken 
erfüllen musste, mit Schrecken vor der eigenen Zukunft. 
Ein Volk eigenster Natur, allen andern die der alten 
Welt bekannt waren und ihr angehörten verschieden, 
die Zeiten der ersten Bewegung und Ansiedelung hinter 
sich, in weiten Gebieten sesshaft, den römischen Gren- 
zen in drohender Nähe; $eine Natur kräftig, hart, ans 
Rohe grenzend, der Charakter aber edel, rein; die 
Zustände lebendig hervorgewachsen, in naturgemässer 
Entwickelung begriffen und reichster Entwickelung fähig. 
Nicht alle sahen dies; aber wer könnte sagen, dass es 
dem Tacitus unverstanden geblieben sei. Während die 
Zeitgenossen, wenn eine Niederlage am Rhein verkündet 
wurde, zitterten, dann wieder in stolzer Sicherheit sich 
wiegten und des Barbaren spotteten, weil sie ihn nicht 
kannten, sieht Tacitus die volle Bedeutung des Volks ^. 
Er kennt es, in seinen Schwächen, aber auch in seiner 
Grösse. Im Einzelnen mochte er sich täuschen oder 
nicht völlig unterrichtet sein ; den Charakter der Deut- 
schen , ihr Leben , ihre Institutionen , ich möchte hinzu- 
setzen ihre Zukunft, hat er richtig aufgefasst, und er 
hat dem eine Fülle des Einzelnen hinzugefügt, dass es 
möglich ist, auch Besonderheiten wie des häuslichen 
Lebens so der öffentlichen Zustände zu erkennen und 
uns zu vergegenwärtigen. 

Doch nicht alles ist so klar, dass nicht Erläuterung 
und weitere Aufhellung erwünscht, ja nothwendig sein 

1 Man lese die Worte über Arminias Ann. If, 88: TJberator 
haad dubie Germaniae . . . caniturque adhuc barbaras apud gentes, 
Graecoram annalibus ignotus, qui sua tantiim mirantar, Romanis 
haud perinde celebris, dum vetera extoUimus, recentiam iocuriosi. 



sollte ; und wie vieles in der Beziehung geleistet werden 
kann, wird deutlich, wenn wir unsere Kenntniss und 
die Auffassung des Buchs zu unserer Zeit mit der auch 
nur einige Jahrzehnte früher vergleichen. Und auch wir 
beginnen vielleicht erst die Germania recht zu verstehen ; 
wenigstens fehlt noch vieles dass wir gan; und voll- 
kommen ihren lohalt uns angeeignet hätten. 

Ihr rechtes Verständniss ist aber zugleich Ver- 
ständniss der Anfange der deutschen Geschichte, deren 
Kenntniss ja grossentheils auf dem Einen Zeugniss beruht. 
Wir können keinen Schritt machen bei der Erforschung 
derselben ohne auf Tacitus zurückzukommen. 

Das wird auch unsere Darstellung zeigen; sie ist 
auf diesem Grunde entstanden, immer zu diesem Buche 
zurückgekehrt, sie wäre ohne dasselbe gar nicht mög- 
lich gewesen; fast um ein halbes Idirtauseod später hätte 
die Untersuchung begonnen werden müssen, die wir 
nun bis zu den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrech- 
nung , ja da wir hier einmal festen Fuss gefosst haben, 
auch Dod) weiter zurückleiten können. Und darum 
schien es billig hier diesen Ausgang zu nebmen. Auch 
hat nur Tacitus uns Lebensweise und Sitte der Deut- 
schen in ältester Zeit geschildert. Wie aber wollten 
wir die Verfassung, die politischen Ordnungen des Vol- 
kes begreifen, wenn uns diese fremd geblieben wären. 



6 



1. Lebensweise und Sitte. 

Sehr verschieden haben jederzeit dieUrtbeile über 
die alten Germanen gelautet, und noch immer scheint es 
nicht ohne Schwierigkeit die sich schroff gegenüber- 
stehenden Ansichten auszugleichen und zu versöhnen. 
Auch Einheimische , besonders aber Fremde lassen nicht 
ab von der Behauptung, jene Deutsche die Tacitus 
kannte seien Wilde gewesen wie sie heute und seit 
Menschengedenken in den andern Erdtheilen wohnen, 
nicht wesentlich verschieden weder in der Art des Lebens 
und allen äussern Zuständen noch an sittlicher Kraft und 
geistigem Vermögen. Ich kann mich nicht entschliessen 
diese Ansicht ausführlich zu widerlegen. Wer sich 
nicht anders überreden kann, für den giebt es keine 
Geschichte. Ebenso wenig aber bin ich gemeint, den- 
jenigen beizustimmen welche in den Germanen ein Volk 
erkennen, das besser, vollkommener, reiner gewesen 
als irgend ein anderes der Geschichte. 

Tacitus schiklert uns die Deutschen anders. Nicht 
alles in seinem Bilde ist schön und glänzend, gebüh- 
rendem Lobe auch verdienter Tadel beigefügt; aber nur 
um so mehr trägt die Darstellung das Gepräge der Wahr- 
heit an sich, und gerne mag man sich ihr anschliessen. 

Der Deutsche war gross, an Körper stark und 
kräftig, von Geburt und durch Erziehung ; langes, blon- 
des Haar und blaue Augen zeichneten ihn aus ^. 

' Germ. c. 4: Unde habitus qiioqne corporum, quanquam 
in tanto hominam numero> idem: omnibni» truces et coeralei OGiili^ 



Einfach und schlicht wachsen die Kinder heran ; 
wenig bekleidet, ohne das Bequeme und Zierliche das 
fortgeschrittene Gultor gewährt zu kennen, ohne Sorge 
selbst für Reinlichheit, lebt Jung und Alt daher ^. Aber 
<Ue Mutter selbst nährt die Säuglinge, und schon mit 
der Milch empfangen sie die Kraft und den tüchtigen 
Sinn die auch das weibliche Geschlecht auszeichnen. ^ 
Die Kinder der Herren und der Sklaven wachsen zu- 
sammen auf, nicht äusserer Schmuck, nicht bessere 
Pflege unterscheidet sie; aber so wie sie herangewachsen 
sind, macht die eingeborne Kraft den Freigebornen 
kund ^. — Der erwachsene Jüngling wird in der Ver- 
sammlung des Volks mit den Waffen bekleidet und 
für wehrhaft d. i. für mündig erklärt*. Die Waffen 
legt er dann nicht wieder ab, sie begleiten ihn durchs 

rutilae comae, magna corpora et tantam ad impetom valida. Vergl. 
dasa die Erlaiiteningen voa Rühs uod Gerlach, auch Ukert, Ger- 
mania p. 197 ff., ein Boch auf das ich mich der Kürze wegen hier 
öfter beziehe, am ausführlichsten Barth, Teatsohiands Urgeschichte 
(2. And.) IV p« 1 — 21. Bei vielen Schwächen scheiot mir das 
doch bei weitem der beste Theil des Buchs zn sein» 

' c. 20: In omni domo nudi ac sordidi in hos artus. In 
haec corpora, qoae miramur, excreseunt« 

* Sna quemqae mater uheribus aÜt^ nee anciHis ac nutrici- 
bns delegantur. — Nee virgines festinantar; eadem juventa , simih's 
proceritas) pares validaeque miscentur, ac robora parentum liberi 
referunt; Tergl. c. 7. 

" Domtnom ac servom naWs edncationis deliciis dignoscas; 
inter eadem pecora. In eadem hnmo degant, donec aetas separet 
ingennos, virtiis agnoscat. 

* c 13: Tum in ipso conciiio yel principnm aliquis Tel 
pater vel propinquus scnto frameaqne juvenem ornant } haec apiid 
ülos toga , hie primtts jurentae honos ; airte hoc domus pars videntar, 
mox rei publicae. 



8 

ganze Leben ^ : der kurze Speer ^ Framea nennen sie 
ihn, zum Augriff, ein grosser Schild im Kampfe zum 
Schutz 2 ; seltener werden Schwerdter und grössere 
Lanzen gebraucht, auch andere Waffen kommen vor; 
aber weder Harnische noch Helme sind üblich ^; sie 
kämpfen fast nackt ^. Meistens zu Fuss, doch nicht 
selten auch zu Pferde ^. Das Kriegsross steht in 
Ehren ^. 



^ c. 13: Nihil autem neque publicae neque privatae rei nisi 
armati agunt; c. 12: considunt armati; c. 22: Tum ad negotia, 
Dec minus eaepe ad convivia procedunt armati. Vergl. Grimm 
R. A. p. 287. 

* c. 13: Scuto frameaque juvenem ornant; c. 6: hastas, 
Tel ipsorum vocabulo frameas, gerunt, aogusto et brevi ferro, sed 
ita acri et ad usus habili, nt eodcm telo, prout ratio poscit, vel 
cominns ve! eminus pugnent. Et eques quidem scuto frameaque 
contentus est. Vergl. Klemm, Handbuch der germanischen Alter- 
thumeknnde p. 238. 

' c. 6: Rari gladiis aut majoribus lanceis utuntur — paucis 
loricae, vix uni alterique cassis aut galea; Ann. 11, 14: nön loricam 
Germano , non galeam i ne scuta quidem ferro nervoque firmata, 
sed Timinum textus, Tel tenues fucatas colore tabulas; primam 
utcumqne aciem hastatam, ceteris praeusta aut brevia tela. Dazu 
Rühs und Gerlach, auch Klemm p. 234 ff., Barth p. 343 ff. 

^ Nudi aut sagulo ieves; Hist. II, 22: cohortes Germanorum 
cantu truci et more patrio nudis corporibus super humeros scuta 
quatlentium. Vergl. von den Franken Agathias II, 5; von den 
Herulern Paulus DIac. I, 22. ^ 

* In Universum aestimanti plus penes peditem roboris; 
c. 30. von den Chatten : Omne robur in pedite ; vergl. Florus IV, 2. 
lieber die Geschicklichkeit im Kampf zu Pferde vergl. ausser c 6. 
und 32., auch Caesar IV, 12, anderes bei Barth p. 376; über die 
besondere Kampfweisc wo Reiter und Fussstreiter gemischt sind : 
Caesar I, 48 (vergl. VII, 65. VIII, 13), Ammianus XVI, 12, 22. 

* c. 14: Esjgunt enim principis sui liberalitate illum bella- 
torem equum. 



9 

Trotz des rauhen Glimas ^ sind sie auch daheim 
wenig bekleidet, begreiflich, da sie am Heerde Schutz 
und Wärme suchen ^ , wogegen dort nur der Krieges- 
eifer sie unempfindlich machen kann gegen Kälte und 
Nässe. Sonst tragen sie Mäntel, auf der Schulter mit 
der Spange zusammengefasst, auch Pelze ^ , selbst 
enganliegende Kleider scheinen ihnen früh bekannt ge- 
wesen zu sein , Wämser und Hosen *. Die Tracht der 
Frauen ist von der männlichen nicht sehr verschieden, 
doch bedienen sie sich öfter leinener Stoife, und sie 
wissen sie mit rothen Streifen zu verzieren *. — Von 
Geräth ist wenig die Rede ^ ; die Gräber, die zu 

^ c. 5 : Terra etsi aliquanto specie differt, in universnm 
tarnen aut silvis horrida aut paludibus foeda , humidior qua Gallias^ 
yentosior qua Noricam ac Pannoniani aspicit. Vergl. Ukert p. 170 ff. 

* c. 17 : cetera intecti totos dies jaxta focum ignemque agont; 
Caesar IV, 1 : Atqae in eam se consnetndinem adduxerunt , ut locis 
frigidissimis ncque vestitas praeter pelles habeant quidquam , quaram 
propter exiguitatem magna est corporis pars aperta; VI, 21: pelUbus 
aut parTis rhenonum tegimentis utantur^ magna corporis parte nuda. 

^ c. 17: Tegumcn omnibus sagum, fibula aut si desit spina 
consertum. — Gerunt et ferarum pelles, proximi ripae ncgiigenter, 
ulteriores exquisitius , ut qnibus nullus per commercia cultus. Eligunt 
feras et detracta velamina spargnnt macuiis pellibusque belluarum, 
qoas exterior oceanus atque ignotum mare gignit. Dazu einiges 
bei Gerlach, anderes Klemm p. 51 ff., Ukert p. 211, besonders 
Barth p. 25 ff. 

^ Locupletissimi veste distinguuntur non fluitante sicut Sar- 
matae ac Parthi, sed stricta et singulos artus exprimente ; vergl. 
Gerlacfa p. 120* 

^ Nee aiius feminis quam viris habitns, nisi quod feminae 
saepius lineis amictibus velantur eosque purpura variant partemque 
vestitus superioris in manicas non extendunt, nudae brachia ac 
lacertos, sed et proxima pars pectoris patet. 

• Ukert p. 208. — Barth p. 155 ff. weiss freilich vielerlei 
zusammen zn bringen. 



10 

durchforschen sich immer grösserer Eifer zeigt, haben 
mancherlei aufbewahrt, und es fehlte, sehen wir, nicht 
an Kunstfertigkeit^/ Was zum Krieg, zur Jagd, zum 
Ackerbau, zum häuslichen Leben erforderlich war, 
wussten sie zu fertigen, früher aus Stein, dann aus 
Bronze, auch aus Eisen ^. Dies war ein seltenes Metall^, 
aber man kannte es, auch Gold und Schmuck mancherlei 
Art aus Bernstein und andern Stoffen ^, weniger Silber, 
geprägtes Geld nur was der Verkehr mit andern 
Völkern brachte ^. Die Weiber webten ^, — Man baute 
die Häuser von Holz und liebte es sie einfach weiss 
zu färben ^ ; in der Erde barg man Früchte und 
anderen Vorrath ® ; künstliche Baue werden nur selten, 
nur uuter besonderen Verhältnissen erwähnt ^. Auch 
die Flüsse wusste man zu befahren; die Anwohner der 

^ Klemm p* 49, 150 ff. Doch in de« Waffen nalla culta« 
jactatk), fiCHta tantum lectissimis coioribos distitignont, c. 6. 

* Ich kann mich mit den jetzt beliebten Ansichten unserer 
Antiqaare, dass die verschiedenen Stoffe nicht bloss verschiedenen 
Zeiten > sondern verschiedenen Völkern angehören , nicht befreunden. 

' c. 6: Ne ferrnm qnidem superest. * Klemm p. 64. 
« c. 5. Vergl. Klemm p. 143. 

* Plinius h. n. XVilll, 1, 2: GaHiae universae vela textint, 
)am qnidem et transrhenanl hostes, n«c pnichriorem aliam vestem 
eoriim feminae novere. Yergl. Ukert p. 210, Klemm p. 146. 

^ c. 16: Ne caementorum quidem apud illos ant tegularum 
usus ; materia ad omnia ntuntur informi et citra speciem ant de- 
lectationem. Qnaedam loca diligentias illinunt terra ita pnra ac 
splendente, ut picturam ac lineamenta colorum imitetur. 

* Solent et subterraneos specns apeHre eosque molto insuper 
fim^ onerant , suffngium hiemi et receptacnlom frugibus ; quhi 
rigorem frigorum ejusmodi locis moüinnt etc. Yergl. Ukert p. 206. 

« Ukert p. 206. Es ist doch wichtig den deutschen Zu- 
standen die nordischen zu verglichen ; über diese s. Fian Magnussen, 
Bidrag til nordlsk archaeologie. Kbhvn. 1880. 8. 



11 

Küste steuerten mit sicherem Kiel schon früh in das 
offene Meer *. 

Die Sitte ist einfach, strenge, nicht roh oder wild. 
Das Leben entbehrt doch nicht aller Genüsse und Freuden. 

Den Krieg sieht der Mann als Hauptbeschäftigung 
an ^ ; daheim baut er wohl den Acker , doch kann er 
es , überlässt er die Arbeit dem Sklaven ^ ; im Hause 
müssen Weib und Kind tfaätig sein ^. Giebt es nichts 
zu thun, nichts im Felde, nichts auf der Jagd, nichts 
in Volksversammlung and Gericht, dann sitzen auch 
die kräftigen Männer um den Heerd in träger Ruhe ^. < — 
Da sie aufgestanden, haben sie gebadet, öfter warm als 
kalt ^ ; dann gingen sie ins Haus tum Essen ; darnach 
Arbeit oder Ruhe, wie es sich trifft. Schmause und 
Gelage lieben alle ^« Die Speisen sind einfach : Obst, 

^ Ukert p. 221, Barth p. 145 ff. l>ie Geschidite der Sachsen, 
Friesen und anderer Stämme giebt von dem letzteren Zeagniss. 

* Caesar IV, 1: Multomque sunt in Tenationibus; VI, 21: 
VHa omnis in venationibus atque in stndiis rei militaris consistit. 
Und davon giebt die ganze Geschichte Zengniss. ' c. 25. 

^ c. 25: Cetera domns officia nxor ac liberl exseqauntur ; 
c. 15: delegata domus et penatium et agrorum cnra feminis 
Bvnibosqne et infirmissimo caique ex familia. 

* c. 15: Cluotiens beila non ineunt, non mnltnm venatibns, 
plus per otium transigont dediti somno ciboque, fortissimns quisqne 
«e beUieosissimus nihil agens — hebent mira diversiUte naturae, 
i|«iim iidem ^omines sie ament inertiam et odeiint qnietem; €.17: 
totos dies Juxta focum atqoe ignem agunt. 

* c. 22: Statim e somno, quem plertimqne in diem extra- 
hont, lavantnr, saepios caiida, nt apad <qsos pfarinmm hiems 
•eeipat. Caesar sagt IV, I : nt — latentar in fiuminibiMs, VI, 22: 
q«od et promiscüe in flnminibns perlauntur. 

^ Laati cibom capiunt ; separatae singnlfs sedes et sua cuique 
mensa. Tum ad negotia nee minus saepe ad eonvivia procedvBt 



12 

Milch, Wild, Fleisch von der Heerde und Früchte 
des Feldes 1. Dazu wird Bier getrunken, das sie aus 
Getreide zu brauen verstehen ^ ; auch Meth ; oft bis 
tief in die Nacht ^. Da verhandeln sie auch wichtige 
Dinge, Gemeindeangelegenheiten und anderes wird be- 
rathen * : die Deutschen haben es von jeher geliebt 
beim Mahl und beim Wein — sie bauten ihn damals 
noch nicht, aber kauften ihn von den Nachbarn ^ — 
dem Herzen Luft zu machen und Wort gegen Wort 
zu tauschen. — Hier sind sie unmässig, der Leidenschaft 
nicht Herr; Trunkenheit und in der Trunkenheit rohes 
Betragen war schon damals deutsches Laster ^. Mehr 
noch schadete die Liebe zum Spiel, die sie bis zum 



armati ; c. 14 : epulae et ijuanquam incompti largi tarnen apparatus 
pro stipendio cedunt. 

1 c. 23 : Cibi simplices : agrestia poma , recens fera aut 
lac concretum ; Caesar IV, 1 : Neque multum frnmento sed maximain 
partem lacte atque pecore Ti?unt; VI, 22: majorque pars yictus 
eorum in lacte, caseo, carne consistit. Vergl. Ukert p. 212, 
Barth p. 57. 

^ c. 23 : Fotui humor ex hordeo aut frnmento in qnandam 
simllitudinem vini corruptus. 

' €.22: Diem noctemqne continuare potando nulli probrnm; 
c. 23: Sine apparatu, sine blandimentis expellunt famem; adversus 
sitim non eadem temperantia. 

^ c. 22: De reconciliandis invicem inimicitiis et jnngendis 
affinitatibus et asciscendis principibus, de pace denique ac bello 
plerumque in convivüs Consultant, tanquam nullo magis tempore 
aut ad simplices cogitationes pateat animus aut ad magnas incalescat. 

^ c 23« Proximi ripae et vinnm mercantnr. 

* c. 22 : Crebrae , ut inter Tinolentos , rixae raro conviciis, 
saepius caede et vulneribus transiguntur; c. 23: Si indniseris ebrie- 
tati suggerendo quantum concnpiscunt , haud minus facile vitiis 
quam armis vincentur. 



13 

äass^ten treibt ; Hab und Gut , das liebste , die 
eigene Freiheit geben sie Preiss ^. 

Doch ein Volk ist darum nicht ohne Sitte, 
auch das Leben der Deutschen war nicht ohne tie- 
feren Gehalt. 

Beim Mahl und in der Schlacht singen sie von 
den Thaten der Vorfahren ^ ^ diesen zur Ehre , sich zur 
Ermunterung; das ist ihnen Pflicht und Freude zugleich. 
Kriegerische Spiele erfreuen die Jugend, und körper- 
liches Geschick giebt Ehre und Auszeichnung ^. Die 
starken Körper können viel ertragen, Kälte besser als 
Hitze, Entbehrungen eher als übertriebenen Genuss. 
Heftig, ungestüm sind sie beim Angriff, doch die 
Ausdauer nicht immer dem Anfang gleich ^. Ihre 



' c. 24 : Aleam , quod mirere , sobrii inter seria exercent, 
tanta lucrandi perdendive temeritate, ut, quum omnia defecerunt, 
extremo ac novissimo jactu de libertate ac de corpore contendant. 
Yictus ToluDtariani servitutem adit; qaamvis juvenior, quamvis 
robustior, alligarise ac venire patitur: ea est in re prava pervicacia^ 
ipsi fidem vocant. 

' c. 3: Celebrant carminibus antiquis> quod unum apud 
illos memoriae et annalium genug est etc. — Herculem . . . ituri 
in proelia canunt ; Ann. II, 88. Vergl. die Stellen die gesammelt 
sind bei Edelestand du Meril , po^sies populaires Latines antdrieures 
au douzi^me siecle p. 40. 235. 

' c 24: Genus spectaculorum unum atque in omni coetu 
idem. Nudi juvenes , quibus id ludicrum est , inter gladios se atque 
infestas frameas saltn jaciunt. Esercitatio artem paravit, ars 
decorem; non in quaestum tarnen aut mercedem, quamvis audacis 
lasciviae pretium est voluptas spectantium. 

^ c. 4 : Magna corpora et tantum ad impetum valida. La- 
boris atque operum non eadem patientia , minimeque situm aestumque 
tolerare, frigora atque inediam coelo solove assueverunt. Vergl. 
Ann. 11, 14. und die Citate bei Ukert p. 201, Barth p. 125 ff. 



14 

Klugheit und Verschlageufaeit wird wohl gerügt ^ ; 
doch im Ganzen ist der Sinn gerade und offen und 
ohne Falsch 2. Der Deutsche ist gastfrei gegen den 
Genossen und Nachbarn, auch den Fremden, wenn 
er empfohlen oder bekannt ist ^ ; sonst freilich geniesst 
der Fremde schlechteres Recht wo er hinkommt ^. 
Hinterlist und Verrath sind selten und werden aufs 
härteste bestraft ^. Der Mann ist treu in allen Ver- 
hältnissen ^, treu zunächst im eigenen Hause , gegen 
die Frau. Er kennt keine Vielweiberei ^. Spät wählt 
er die Gefährtin des Lebens, keusch und rein tritt er 
in die Ehe ^, auf deren Heiligkeit er strenge halt ^, 

^ Vellejns 11, 118 : Uli, qaod nisi expertus vix credat, in summa 
feritate Tersatissimi , natumqae mendacio genns. Vergl. Ukert p. 202. 

' c. 22 : Gens non astata nee callida aperit adhuc secreta 
pectoris licentia joci. 

* c. 21 : ConTictibus et hospitiis non alia gens effusius 
indulget. Quemcumqne raortalium arcere tecto nefas habetur ; pro 
fortuna quisque apparatis epulis excipit. 'Quum defecere, qui modo 
hospes fuerat, monstrator hospitii et comes; proximam domom 
non inyitati adeunt, nee interest, pari hnmanitate accipiuntur. 
Notum ignotumqne, quantum ad jus hospitis, nemo discernit. 
Abennti si quid poposcerit concedere moris, et poscendi invicem 
eadem facilitas. ^ Grimm R. A. p. 396. 

^ c. 12 : proditores et transfugas arboribus suspendnnt. 

* Vergl. p. 13 n. 1. 

^ c. 18: Quanqnam severa iilic matriraonia, nee allam 
Biornm partem magis lauda?eris. Nam prope soli barbarorum 
BiDgnlis oxoribus contenti sunt, exceptis admodmn paucis, qui 
n^n libidine sed ob nobiiitatem plurimis nuptiis ambiuntur. 

' c. 20: Sera Juvenuai Tenus eoque ioexhausta pnbertaa. 
Nee Tirgines festinanturf Caesar Vi, 21: Clni diutissime impuberes 
permaoserunty maximam inter snos feront laudem; hoc ali staturam» 
all hoc Tires nervosqne confirmari putant. Intra annum itro vicesi- 
mnm feminae notitiam habuisse, in turpissimia habent rebus. 

* c. 19: Ergo septa pudicitia agunt — Paucissima in tarn 



IS 

Die Geschenke^ die der Mann der Frau, die Frau 
dem Manne bietet, die wir als Mitgift oder Morgengabe 
bezeichnen, sollen die Gemeinsamkeit alles Lebens und 
Strebens bezeichnen; Rinder und Rosse, Waffen und 
Geräth empPangt und giebt sie ^. Die Frau theilt dann 
alles mit dem Mann, sogar die Gefahren der Schlacht, 
wo sie zur tapferen Ausdauer, ermahnt, zum Siege 
anfeuert ^. Mehr als bei andern Völkern ist das Weib 
geehrt; man glaubt sie seien höherer Gunst der Götter 
gewürdigt ^ ; nicht Priesterinnen aber Wahrsagerinnen 

Bamerosa gente adalteria, quoram poena praeseas et marltis per- 
missa. (Vergl. Wilda, das Strafrecht der Germanen p. 823.) Absciflis 
crioiboB nudatam coram propinquis expellit domo maritus ac per 
omaem vicam verbere agit. Publicatae eoim padicitiae nulhi venia; 
DOB forma, noB aetate, non opibus maritum invenerit 

^ c. 18: Muoera non ad deliciaa muliebres quaesita, nee 
quibaa Bova nnpta comatur, sed bovea et frenatmn equum et seit- 
tarn cBoi framea gladioqoe. In baec mnnera usor accipitur, atqne 
invicem ipsa armorum aliqiiid Tiro affert (Ob die folgenden 
Worte in denen Tacitas den Sinn dieser Geschenke bezeichnet so 
ganz genau zu nehmen sind , mag dahin gestellt bleiben ; vergl. 
Grimm R. A. p. 437.) Hoc maximnm vincolam, haec arcana sacra, 
hos coojagales deos arbitrantur. Ne se mniier extra virtotBrn 
cogitationes extraqne belloram casus pntet, ipsis incipientis matr»- 
monti auspiciis admonetur venire se laboram periculoramque sociam, 
idem in pace, idem in proelio passuram ausuramque. Hoc juncti 
bovesy hoc paratus eqnos» hoc data arma dennnciant; sicvivendum, 
sie pereandam. 

* c. 7: In proximopignora, ande feminaram ululatas andiri, 
n&de vagitua infantiam; bi cuique sanctissimi testes, hi maximi 
laudatorea. Ad natrea, ad conjuges vulnera ferunt; nee illae 
nnmerare aut exigere piagas pavent, cibosqae et hortamina pu- 
gnantibua gestant Yergl. c. 8 und was Rühs und andere Ausleger 
Bu diesen Stellen sammeln. 

' c. 8 : Inesse quin etiam sanctum aliquid et providua 
pBtaut y Bec aut consilia earum aspemantnr aut responsa negligunt. 



16 

werden uns genannt ^, die auf das Geschick der Völker 
mehr als einmal bedeutenden Einfluss übten. Der 
Mann gegen die Frau, der Vater gegen die Rinder 
hat ein starkes Recht, er kann die schwachen aussetzen, 
tödten 2 ; doch ohne Noth und dringenden Grund macht 
er keinen Gebrauch davon ; die Sitte mässigt i^ie 
Strenge zu der er befugt ist ^. — Das Band der 
Verwandschaft ist noch kräftig, giebt Rechte und 
Pflichten die jedem obliegen und auch entferntere Glie- 
der der Familie zusammenhalten *. 

Die Verehrung der Götter ist einfach und zeugt 
von einem tieferen Sinn des Volks ^. Nicht dass man 

1 Grimm D. M. (2. Aufl.) p. 84. * Grimm R. A. p. 450. 455. 

* c. 19: Numernm liberorum finire aut quenqnam ex agnatis 
necare flagitium habetur; plusqae ibi boni mores yalent quam alibi 
bonae leges. ^ c. 20. 21. Näheres im achfen Abschnitt. 

* c. 9: Ceterum nee cohibere parietibus deos neque in 
utiam humani oris speciem assimiiare ex magnitndine coelestium 
arbitrantur. Lucus ac nemora consecrant, deorumqne nominibus 
appellant secretum illud quod sola reverentia vident. Die letzten 
Worte hat man in der Regel sehr missyerstanden. Rühs übersetzt: 
,nnd sie nennen mit dem Namen der Gotter jenes Geheime was 
sie bloss in Ehrfurcht sehen ' ; Gerlach : , und nennen mit der 
Gotter Namen jenes Geheimniss das sie nur in Ehrfucht schauen* : 
ähnlich andere, Gutmann sogar: ,und rufen unter gottlichen 
Namen jenes unerforschliche Wesen an das nur ihr ehrfurchtsvolles 
Gemiith erkennt'. Der Sinn ist aber offenbar nur dieser: Sie 
bauen keine Tempel, sondern sie weihen den Göttern Haine, und 
benennen diese nach dem Namen der Gotter, denen sie heilig sind ; 
an sich, sagt Tacitus, ist der Wald ja kein Heiligthum, nur 
durch ihre Verehrung machen sie ihn dazu (sola reverentia vident 
secretum). Dass bestimmte Haine einzelnen Gottern heilig waren, 
ist aus vielen Zeugnissen deutlich : Ann. II , 12 : silvam Herculi 
sacram ; Ann. IV, 73 : lucum quem Baduhennae vocant ; Germ. 
€. 40 : castum nemus der Nerthus ; c. 43 : apud Naharvalos 
antiquae religionis Incns ostenditnr. Irre ich nicht, so versteht 



17 

nicht Opfer, auch Menschenopfer, Symbole der Gott- 
heiten 5 Tempel und Priester gekannt hätte ; aber es 
war nicht zu grausamer Rohheit, zu grobem Bilderdienst 
oder zu gewaltsamer Priesterherrschaft ausgeartet. Die 
Götter wurden geehrt und gesühnt; sie leiten und 
bestimmen das Leben, um alles erforscht man ihren 
Willen , durch Loose , im Flug der Vögel , im Wiehern 
heiliger Rosse ^. 

Das Volk ist ständisch gesondert: Edle, Freie, 
Freigelassene, Sklaven. Die Freien sind der Kern des 
Volks, das Volk selbst 2. Freigelassene und Sklaven, 
soweit diese nicht die Dienste des Hauses zu besorgen 
haben, empfangen Aecker und bauen sie zum eigenen 
Unterhalt, zum Nutzen des Herrn ^. Und bei allen 
Stämmen ist der Ackerbau bekannt^. Es ist ein 
Irrthum, wenn man ihn bei den Deutschen, wie sie 
in der Geschichte uns entgegen treten, gar nicht oder 
nur in beschränkter, unvollkommener Weise finden 
will. Da er eine Hauptquelle des Unterhalts ist, so 

auch Grimm die Stelle 8o> D. M. p. 70, 2. Aufl. p. 92; vergl. 
den Zusatz zu der Note p. 61. 

* c. 9. Grimm's deutsche Mythologie gewahrt im einzelnea 
alle Belege. * Das Nähere s. unten. 

* c. 25 : Ceteris servis non in nostrum morem descriptis 
per familiam ministeriis utuntur (vergl. Grimm R. A. p. 350) ; suam 
qoisque sedem, suos penates regit. Frumenti modum dominus aut 
pecoris aut Testis ut colono injnngit — Liberti non multum supra 
servos sunt , raro aliquod momentnm in domo , nunquam in civitate, 
exceptis duntaxat iis gentibus quae regnantnr. Ibi enim et super 
ingenoos et super nobiles ascendunt. 

* Unter den altern vergl. besonders Anton, Geschichte der 
tentschen Landwirthschaft I, p. 22 ff. und dazu Klemm p. 137, 
zuletzt Ukcrt p. 203. 213, Barth, 2. Aufl., IV, p. 62 ff. 

2 



18 

kommt es Urnen allezeit auf festea Grundbesitz am 
meisten an. Völkerschaften, die die heimischen Sitze 
verlassen haben und kriegerischem unstätem Leben sich 
hingeben, suchen doch immer wieder feste Wohnsitze 
zu erlangen; das ist ihr Streben, ihre Forderung wohin 
sie kommen ^ , und wenn sie solche gewonnen haben, 
richten sie sich schnell und leicht auf fremdem Boden 
ein, lernen auch unter anderm als dem heimischen Him«- 
mel die Früchte bauen, deren sie zum Leben bedürfen. 

Dem entsprach auch die ganze Art des Lebens. 
Nicht in Städten wohnten sie beisammen, sie duldeten 
keine geschlossenen Wohnsitze unter sich ; sie liebten 
6S sich zerstreut anzusiedeln, wie ihnen Quell, Flur 
und Hain gefielen ^. So Tacitus. 

Aber diese Verhältnisse müssen wir einer genaueren 
Betrachtung unterwerfen, um von ihnen aus uns den 
Weg zu weiteren Ansichten zu bahnen. 

* So die Cimbern, PlatarcM Marias c. 24; dieÜsipeten ond 
Tencbterer, Caesar IV, 7 (vel sibi agros attribuant Tel patiantnr 
(BQS teqere quos armis po«sedermt) ; Ariovist, Caesar I, 32. — 
Caesar furchtet, ne propter bonitatem agrornm Germani qui trans 
Rbenum incoluot e suis finibus io Helvetiorum fines transirent. 
I, 28. Wie später in der ;Seit der 'Wanderungen die deutschen 
Stämme, sobald sie mit den Römern in Berührung kommen, immer 
Land verlangen , in den eroberten Provinzen bestimmte Theile des 
Grund und Bo'dens fQr sich in Anspruch nehmen, ist bekannt genug. 

* c. 16: Nullas Germanorum populis urbes habitari satis 
notum est ; ne pati quidem inter se jonctas sedes. Colunt discreti 
ac divers! , ut fons, ut campus, ut nemus placuit. Yicos locant, 
non in nostrum morem connexis et cohaerentibus aediticiis; suam 
qnisque domum spatio circumdat. 



18 



2. Ackerbau und Grundbesitz« 

Gerade die Nachrichten die Tacitus von dem 
Ackerbau der Deutschen giebt sind der Gegenstand 
mannigfacher Zweifel und Erörterungen gewesen; bald 
hat man sie bestritten oder doch geglaubt kein beson- 
deres Gewicht auf sie legen zu dürfen, bald umgekehrt 
alles, auch das fremdartigste, aus ihnen folgern wollen. 

Zunächst dass die Deutschen keine Städte hatten, 
wie sie die Römer kannten und Tacitus vor Augen 
hatte, scheint mir kann keinem Zweifel unterliegen. 
Die festen Plätze, Castelle oder Burgen, die hie und 
da erwähnt werden ^ und die als Zufluchtstätten im 
Kriege dienten, wird man nicht für Städte in jenem Sinn 
des Wortes halten dürfen; auch die Orte oder Städte 
wie sie Ptolemäus in ziemlicher Anzahl nennt, kommen 
hier doch nicht in Betracht; aus Handelsberichten hat 
er seine Angaben entnommen und alle möglichen An- 
siedelungen und Wohnplätze , Stationen auf den Strassen, 
Ueberfahrten an den Flüssen, Landungsplätze an den 
Küsten sind unter dem Namen zusammengefasst ; später 
gab das alles wohl Grund zur Entstehung städtischer. 

1 Oppida Ubiorum nnd Saevornm» bei Caesar II, 29. IV, 19. 
VI, 10; Ubiorum oppidam auch Tac. Ann. I, 36. XII, 27; Bata?oroiii 
oppidum, Hist. V, 19 ; ausserdem Marcomannorum regia castellum- 
que iaxta situm, Ann. II, 56; die Burg in der Segestes belagert 
wurde, Ann. I, 57; die castella des Vannius, Ann. XII, 29; 
Mattinm die Hauptstadt (caput) der Chatten, Ann. I, 56. Vergl. 
über die Bedeutung von oppidum Caesar V, 21 , und im Ganzen 
Kruse, in aeinem Archiv (1. Band) 2. Heft p. 3 ff., der mir doch 
zu viel zu behaupten scheint, auch Ukert p« 204 — 207. 



90 

Anlagen, für Städte können diese Orte damals nicht 
gelten. Die ganze Geschichte bezeugt, dass Tacitus 
hier nicht zu viel gesagt hat. Immer waren die 
Deutschen städtischem Zusammenleben abgeneigt ^, 
schon damals nicht weil sie wild und nomadenartig 
umherzogen ^, sondern weil sie hauptsächlich dem 
Ackerbau oblagen. 

Auch das hat man bestritten, aber ich werde 
nun nicht nöthig haben es näher zu erweisen. Wo 
solche Liebe zum Grundbesitz sich zeigt, der Herr dem 
Sklaven Aecker anweist die er bestellt, wo Speisen 
und Getränke den Gebrauch des Getreides deutlich 
zeigen, und es auch an bestimmten Zeugnissen nicht 
fehlt die vom Ackerbau Nachricht geben 3, darf wohl 
alle Einrede und aller Zweifel als nichtig abgewiesen 

^ Die rnnros coloniae hassen sie als muDimenta servitii, 
Hist. IV, 64. Da die Dentschen die gallischen Städte erobert 
haben , bewohnen sie das umliegende Land ; nam ipsa oppida nt 
circumdata retiis busta deciinant, Ammian. XVI, 2, 12. (Ukert 
p. 205 führt noch eine Stelle des Julianus, epist. ad Athen, p. 278 
an.) Darum ist Deutschland im Innern noch Jahrhunderte spater 
so arm an festen Plätzen $ vergl. Liudprandns II, 24: Saxonum 
terra — nee montibus adjuta nee firmissimis oppidis est munita; 
Ekkehardus a. 1073 : necdum enim plures habebat Saxonia munitiones. 

• Die Nachrichten des Strabo VII, 1 und anderer werden 
durch bessere Zeugnisse hinlänglich widerlegt. Tac. Germ. c. 46: 
Hl tamen inter Germanos potins referuntur, quia et domos fin- 
gunt et scuta gestaut et peditum usu ac pernacitate gaudent; 
quae omnia diversa Sarmatis sunt, in plaustro eqnoque viventibus. 

* Caesar IV, 1 von den Usipeten: Causa transeundi fuit, 
quod — agricultura prohibebantur ; Plinins XVII, 7, 4: Ubios 
gentium solos novimus , qui fertilissimum agrum colentes etc. ; Tacitus 
Ann. XllI, 54 von den Friesen: fixerant domos, semina arvis in- 
tulerant utque patrinm solum exercebant; vergl. auch Germ. c. 26: 
sola terrae seges imperatnr. 



21 

werden. — Auch eine grosse Verschiedenheit nach 
den einzelnen Stämmen vermag ich nicht nachzuweisen; 
von einzelnen Völkerschaften, die gerade besonders im 
Kriege sich gefielen oder aus der Heimath fortgetrieben 
neue Wohnsitze suchend umherirrten, darf nicht auf 
andere , auf allgemeine Verhältnisse geschlossen werden ^. 
Gewiss gab es auch grosse Verschiedenheiten des 
Lebens zwischen den Stämmen des Südens und des 
Nordens, auch zwischen den Küsten- oder Bergbewoh- 
nern und denen der Ebenen, die Stammessonderung 
selbst mag solche veranlasst haben ; doch sind wir 
nicht im Stande dies im einzelnen zu verfolgen. Von 
jenem grossen Unterschied aber den man zwischen den 
Völkern die zu den Sueven gerechnet werden und den 
übrigen Germanen machen zu müssen glaubt, weiss 
wenigstens Tacitus nichts zu sagen. Er unterscheidet 
sie am Ende nur an der Art wie sie das Haar tragen. 
Anderes mag ihm entgangen, von ihm nicht angeführt 
worden sein ; ein solcher Gegensatz aber, dass die 
einen feste Sitze gehabt, den Acker gebaut, die andern 
unstät und unsesshaft gewesen seien, nur dem Krieg, 
der Jagd und ähnlichen Beschäftigungen hingegeben, 
konnte ihm nicht entgehen und konnte auch nicht 
unausgesprochen bleiben. Auch sonst hat man viel 
von Sueven und Nichtsueven gefabelt ^. 

^ Auf sie geht aber Caesar VI, 22: Agricnlturae nonstudent. 

' Ich will hiermit nicht Gaupp's Bemühangen zwischen den 
Saeven und Nichtsueven zu unterscheiden (Das alte Gesetz der 
Thüringer p. 24 ff.) bezeichnet haben , da ich bereitwillig das 
Fleissige und selbst Scharfsinnige in den Arbeiten des Verfassers 
anerkenne, so wenig ich auch meist mit seinen Ansichten mich 
befreunden kann. 



22 

Aber auch wenn man zugiebt, dass Ackerbau 
allgemein verbreitet war, so ist doch Streit unter den 
Neuem j wie er getrieben wurde und wie er weiter 
auf die übrigen Verhältnisse des Lebens eingewirkt bat. 

Während einige das Wohnen auf Einzelhöfen, 
wie es in einigen Theilen Deutschlands bis auf den 
heutigen Tag Sitte ist, für das ursprüngliche halten 
und nicht bloss Städte, auch alle sonstigen Vereinigungen 
der Wohnplätze unter den Germanen in Abrede stellen, 
heben andere hervor, wie sich früh schon ein Zu- 
sammenwobnen in Dörfern nachweisen lasse , sie sind der 
Meinung, dass gemeinsame Ansiedelungen, geroeinsame 
Benutzung der Aecker von ältester, vorgeschichtlicher 
Zeit her unter ihnen Statt gefunden haben. Für beides 
soll Tacitus Zeugniss geben. Auf die Worte die ich 
schon anführte : , Sie wohnen gesondert und getrennt, 
wie Quelle, wie Flur, wie Harn gefiel,' legen jene 
Gewicht, diese heben hervor, wie gleich hinzugefügt 
werde, dass sie Dörfer bauten ^. Und er beschreibt 
dieselben näher ^. Die Häuser lagen nicht eng zusammen 

' Vicos locant, c. 16. Diese kommen nun auch vor c. 12: 
iura per pagos vieosque reddunt; c. 19: per omnem vicum vcrbere 
agit; c,%6 (s. p. 23 n, 3); Ann. I, 50: ventumqne ad vicos Marsornm; 
1, 56: rellqui omissis pagis vicisque In Silvas dispergnntur, von 
den Chatten; Ann. XlII, 57: ignes terra editi villas, arva, vicos 
passim corripiebant, bei den Ubiern; Caesar IV, ]9: omnibus vicis 
aedificiisque incensis, von den Sigambern; Ammiamis XVI f, 10, 7: 
rex cnm — vicorun reliquias cerneret exu«torum, von den Ala- 
manneD. Vicus ist, wie diese Stellen, auch Caesar I, 5. II, 7. 
111, 1. VI, 6. VII, 14. Livius XXXV, 11 und andere zeigen, ein 
Ort mit zusamme\)liegenden Wohnplätzen, den man erobern*, 
anzünden kann. Vergl. Kruse p. 31 ff. 

' Non in nostrum morem connexis et cohaerentibus aedificiis; 
snam quisque domum spatio circumdat, — die Grunde die er 



d3 

in einer fortlanfdnden , gescfilos^nen Strasse ^ sondern 
jedes war von einem Raum zu Hof und Garten, dem 
Toft wie es in der nordischen Sprache beisst ^, umgeben. 

Wir müssen mehreres herbeiziehen , um zur 
deutlichen Einsicht in diese Verhältnisse zu gelangen. 

Tacitus spricht dn einer andern Stelle von der 
Vertbeilung der Aecker ^ j von ganzen Dorfschaften 
seien sie in Besitz genommen und dann nach gewissen 
Verhältnissen ausgetbeilt worden; die Grösse der Felder 
babe die Theilung leicht gemacht. Damit hat man in 
der Regel die Nachrichten die Caesar giebt ift Verbindung 
gebracht. ^Keiner hat^ sagt dieser^, ein bestimmtes 
Mafass Ackers ader eigene Grenzen, sondern die Obrig^ 
keiten und Fürsten vertheilen auf ein Jahr den Geschlech-* 
lern und dmrch Verwandschaft verbundene» so viel und 

angfebt siDd nun freilich nichf sehr zutreffend: sive a^tersns casus 
ignis reinedium, sive ingcitia aedificandi. 

' Olufseu, Bidrag til oplysning om Danmarks Hidvortes 
forfatniiig i de seldre tider (in Det Kongel. Danske Videnskab. 
Selskabs phil. og bist. Afhandlinger. 1. Deel.> p. 340. Das Wort 
findet sich auch bei den Angelsachsen', Leo, Rectitudines p. 56. 

' c. 26 : AgFi pro, nuinero cultorufn ab> utiiversf» vicis oeeii' 
pantar, quos mox inter se secnndum dignationem partiuntur. Fa- 
cilitatem partiendi camporum spatia praestant. Das ,ab universis 
vicis' scheint mir, auch nach dem was Gerlach dagegen gesagt hat 
(p. ^0% die bessere Lesart, auch handschriftlich Wenigstens eben 
so gut wie das ,in vfces, per vices' (,in vicem' Ifest dtt Merkwürdige 
Leidener Codex den Tross herausgegeben, p. ^J beglaubij^t. Yergt. 
H. MIHlcr, der Lex Safica — Alter und H^mat p. 163. fr». 

' VI, 22 : neque quisquam agri modum certum aut fincs 
habet proprios ; sed magistratus ac principes in annos singulos 
gentibus cognatlonibusque . frominniti , qnl una coiernnt qnantum 
et quo bco visutnr est Agti attribuunt, äfque anno pöst afio 
transire cogunU 



34 

wo es ihnen gut dünkt des Ackers und nöthigen sie 
alljährlich den Besitz zu wechseln/ Vergleichen wir eine 
andere Stelle, so sehen wir dass er von den Sueven, 
die ihm bekannt geworden, spricht ; bei diesen giebt 
es keinen eigenthümlichen und festen Besitz am Acker, 
niemand baut länger als ein Jahr dasselbe Grundstück^. 
Aber er schildert zugleich das kriegerische Leben 
derselben, wie tausend alljährlich zum Kriege auszogen, 
während andere tausend daheim das Land bauten, und 
wie sie jährlich damit wechselten^. Er sagt auch, dass 
jener Wechsel, von dem er an der andern Stelle 
spricht, deshalb geschah, damit sie nicht an festen 
Wohnsitzen zu viel Gefallen fänden und sich des Krieges 
entwöhnten ^. Hat er hierin Recht, und wir haben 
keinen Grund daran zu zweifeln, so beruhte das alles 
auf bestimmten Anordnungen ; ein eigenthümlich organi- 
sirter militairischer Staat tritt uns entgegen, dessen 
besondere Verhältnisse scflche Einrichtungen zweckmässig, 
vielleicht nothwendig erscheinen liessen. Man hat daher 
Unrecht die Nachricht auf die Germanen überhaupt zu 
beziehen, nicht minder aber, wie mir scheint, den 
Worten Gewalt anzuthun und sie so zu erklären *, als 

1 IV, 1 : Sed privati ac separat! agri apud eos nihil est, 
neque longius anno remanere uno in loco incolendi causa licet. 

' Hl centum pagos habere dicnntur, ex quibus quotannis 
singala miliia armatorum bellandi causa ex finibus educuntur. 
Reliqai qni domo manserint se atque iilos alunt. Hi rursus invicem 
anno post in armis sunt, illi domi remanent. Sic neque agricultura, 
nee ratio atque usus belli intermittitur. 

B VI, 22: ne assidua consuetudine capti, Studium belli 
gerundi agricultura commutent. Er fügt noch andere Gründe hinzu. 

♦ Eichhorn D. St. u. R. G. § 14 a. 



25 

sei bloss von dem Wechsel der Aecker die Rede der 
durch die sogenannte Dreifelderwirthschaft herbeigeführt 
vird ; ich trage selbst Bedenken sie auf die Feldgemein- 
schaft zu beziehen und jene umfassendste Art derselben, 
die sich auch auf Acker- und Gartenland erstreckt, 
wie sie noch in unserer Zeit nicht ganz verschwunden 
ist und in früheren Jahrhunderten in viel weiterem 
Umfang herrschte, hier angedeutet zu finden ^ ; es war 
eben ein besonderes, das nur bei den Völkerschaften 
die ihm bekannt geworden waren und nicht einmal bei 
allen sich fand ^, und wir bedürfen jener Erklärungen 
nicht, um die Ansicht abzuweisen, die auf diese Stellen 
gestützt den Deutschen jener Zeit allen festen Grund- 
besitz oder gar allen ordentlichen Ackerbau abzusprechen 
geneigt ist. Ebenso wenig aber haben die Nachrichten 
des Tacitus mit denen des Caesar etwas gemein; so viel 
er ihn auch sonst benutzt, auch wohl missverstanden 
hat, hier muss er aus eigener besserer Kenntuiss ge- 
schrieben haben. Beim Caesar ist von der Vertheilung 
des ganzen Landes an Geschlechter und Familien, hier 
von der einer Feldmark unter die Mitglieder der Dorf- 
schaft die Rede. 

Wie die Ansiedelung einer solchen Dorfschaft 
geschah und die Vertheilung des Grundes und Bodens 
von den Mitgliedern vorgenommen wurde, ist uns in 



' Hanssen, Ansichten über das Agrarwesen der Vorzeit. 
Zweite Lieferung p. 8. in Faick's N. Staatsb. Magazin VI. Die 
erste Lieferung, ebendort IV, ist eine freie Bearbeitung der schon 
angeführten Schrift von Olufsen. 

> H. Müller p. 175 (f. Caesar selbst sagt nachher VI, 29: 
minime omnes Germani agriculturae stadent. 



96 

neuerer Zeit hauptsächNeh aus nordischen Quellen uml 
mit besonderer Rücksicht auf danische VerhäitDiase 
nachgewiesen worden ^. Hatte sich eine Anzahl von 
Familien vereinigt, so wählten sie den Ort zur neuen 
Ansiedelung ; sie nahmen den Platz . für das Dorf und 
die Feldmark in Besitz; dort empfing jeder was nötbig 
war für Haus, Hof und Garten, den Toft; hier wurde 
das ganze Feld nach seiner BeschafTenheit in mehrere 
Theiie , die Kamp hiessen , und jeder dieser in schmale 
Aecker zertheilt ; und jeder empfing von jedem Kamp 
den seinen. So geschah es dass alle zu ihrem Rechte 
kamen un<J keiner vor dem andern als he\orz\jt^ 
erscheinen konnte ; denn an gutem und schlechtem 
Ackerland, fettem und magerm Boden, Weide und 
Wiesengrund — denn darnach wurden verschiedene 
Kampe gemacht — erhielt jeder gleichen Antheit. Nor 
nach besondern Verhältnissen in denen einer zur Ge- 
sammtheit stand ^ konnten ihm mehrere Loose zufallen. 
Reichte der vertheiUe Acker nicht aus, so wurde ein 
neues Feld, Kamp, in Anbau genommen, und jeder 
erhielt auch hiervon seine Quote. Die vollste Feld- 
gemeinschaft würde nun darin bestehen, dass diese 
Qöfotcn (Aecker) jährlich wechselten und gar nicht in 

^ In den aogefuhvtei» AJ)&iaidittDgen von Olnfsen und Hans^eir. 
Auf diese stützt sich Dahlmann^ Gesch. von Dännemark I, p. 133. ff. 

* Das kann unter dem ,secnndum dignationem' in der (p. 23 
n. 2 ) angeführten Steife des Tacitus verstanden werden ; vergl. 
Oiufsen p. 272: ,jenachdem ein Dorfsmand in Folge seiner groäserii 
oder geringern Theilnahmc an dem Ganzen mehrere oder breitere 
Aecker empfangen sollte.* Aber Stand, Würde kann eben sehr 
oft zu sotehem Vorzug berechtigt haben. Die Worte anf die Be- 
schaffenheit des Bodens zu beziehen , seheint mh* nicht mogtieh. 



27 

festes PmateigeBthum übergingen ; eine Einncbtimg die 
auch mit einem aasgebildeten Ackerbau gar nicht so 
unverträglich ist und die vielleicht Tacitus andeutet wenn 
er 99^: , Jährlich wechsehi sie die Felder, und es 
bleibt Acker übrig ^.^ Doch finden sich zu wenige 
Sporen dass dies das ursprüngliche Verhältniss gewesen 
sei; fast überall ^ wo wir die Zustände erkennen, sind 
auch bei der mit dieser Art der Theilung Dothwendig 
verbundenen iPeklgemeinscbaft , d. h. gemeinschaftlichen 
Bewirthschaftong, die Aecker im wahren Eigevthum der 
Sorfjgenossen , und nur die Benutzung derselben ist an 
die allgemeine Regel oder den gemeisamen Beschhss 
gebunden. Die Worte des Tacitus aber können dock 
sehr woM von dem Wechsel im Gebrauch verstanden 
werden : ^Jährlich wechsein sie cBe Felder, und eia TheH 
dies Ackers liegt brach ^.^ Wir gehen, gbHibe ich, 
weit genug, wenn wir di<e vorhergehenden Worte* 
jeneft nordischen Zi»tänden gemäss erklären. 

Dazu aber, meine ich,, sind wir wohl bereefaligt, 
und nur «nf sieche Weise kann die Stelle richt% auf«* 
gefass^ werden. Denn von einem öfter oder gar 
jährlich wiederkehrendem Besitzergreifen der Aecker 
und einer dann jedesmat aufs neue vorgenommenen 

^ c. 26 : arva per annos mutant et superest a^er. So 
Ha«flMii p. 8. 

* Biirzehi« Ansnahmei) fährt HansaeB p. 8 — 11 an, die jedoch 
kaum zu Rückschlüssen aaf allgemeinere Verhältnisse berechtigen« 

* So Eichhorn a. a. O., H. Müller p. f78 n. a. Anton 
(Commentar zur Uebersetznng der Germania p. 130, Gesch. der 
teutschen Landwirthschaft p. 24-)^ versteht es von dem Austheiien 
des Lande» durch den Gutsherrn an die landbavenden Sk^aven, 
Hörige», von denen c. 23' die Rede ist. * p. 23 n. 2. 



38 

Theilung derselben Cann die Rede nicht sein, weder 
die Feldgemeinschaft noch die mit einer Gemein- 
benutzung des Wiesenlandes in Verbindung stehende 
Dreifelderwirthschaft kann auf solche Weise angedeutet 
werden. Wir müssen annehmen , dass Tacitus ein 
Verhältniss der Art falsch aufgefasst und undeutlich 
beschrieben habe ^5 oder seine Worte auf jene ersten 
Ansiedelungen beziehen 2, die gewiss noch zu seiner 
Zeit und lange nachher sich häufig wiederholten, sei 
es dass ein erobertes Land in Besitz und in Anbau 
genommen ward, oder dass ein bis dahin ödes Land 
nun ebenfalls Bewohner erhielt, die den Wald lichteten 
und das Feld urbar machten. 
/ An dieser Stelle also hat erfl ^e dorfmässigen 

\ Ansiedelungen beschrieben mit Rücksicht auf die Art 
/ der Ackertheilung, an der andern der ich früher ge- 
\ dachte die Beschaffenheit des Dorfes selbst; dort ist 
es das Verhältniss der Menschen zum Laude und dessen 
Anbau, hier die Art ihres Wohnens die er uns ver- 
; gegenwärtigt ; beide Nachrichten ergänzen sich gegen- 
seitig und nur verbunden geben sie ein deutliches Bild 
von diesen Zuständen. 

Doch haben sie nicht ausschliesslich gegolten. 
Es finden sich Gegenden, wo einzelnliegende Höfe, 

^ Auch Erklärungen die auf bestimmte Örtliche Beschaffen- 
heit des Bodens Röcksicht nehmen, wie sie öfter gegeben sind, 
(zuletzt von Ukert p. 214) reichen nicht aus. 

* Das ,occupare' deutet ein Besitzergreifen herrenlosen 
Gutes an; das ,mox partiuntar' bezeichnet jedenfalls eine ein- 
malige Handlung^ nicht etwas regelmässig Wiederkehrendes. Erst 
nachdem von der Theilung die Rede war heisst es: arva per 
annos mutant , das Vorhergehende geschab also nicht jährlich. 



39 

jeder mit seinen Aeckern und andern Ländereien um- 
geben, die Regel sind; in Westphalen, in Schwaben 
hat sich das bis auf den heutigen Tag erhalten ^. Es 
war das bei den Germanen überhaupt weder das ältere, 
noch das vorherrschende ; aber es bestand neben dem 
Wohnen in Dörfern, und beide Arten des Anbaus 
scheinen sich unabhängig von einander ausgebildet zu 
haben , sei es dass die Beschaffenheit des Bodens oder 
andere Umstände darauf einwirkten. Caesar kennt diese 
Einzelhöfe nicht ; dass Tacitus sie beschreibt nehmen 
die meisten an. Jenes Gesondert- und Getrennt-wohnen, 
wie Hain und Flur, Quelle und Bach einem jeden 
gefallen, scheint recht eigentlich dies zu bezeichnen. 
Doch wird man bedenken müssen, dass unmittelbar 
darauf der Dörfer Erwähnung geschieht, dass es zu- 
nächst nur der Gegensatz ist gegen die Städte und 
geschlossenen Wohnsitze wie sie die Römer kannten, 
der hervorgehoben wird. Beides aber, der Bau der 
Dörfer und die Einzelhöfe bilden einen solchen Gegen- 
satz ; genauer zwischen ihnen zu unterscheiden , lag 
dem Tacitus nicht nahe^; nur das eigenthümliche , der 

* Von jenem gicbt besonders Moser uns Nachricht, für 
dieses bernfe ich mich auf Gerlach, Erläuterung p. 115. 

* Ich sage daher nicht mit H.Müller p. 161 (ähnlich schon 
früher Weiske, «die Grundlagen der frühern Verfassung Teutsch- 
lands p. 2), dass auch das ,colunt discreti ac diversi etc.' sich 
auf die Dorfer beziehe, finde aber dass er mit Recht hervorhebt, 
dass in dem Satz ,ne pati quidem inter se junctas scdes' der Ge- 
gensatz zu dem Vorhergehenden in dem ,pati', nicht in dem 
, junctas sedes', das mit urbes ziemlich gleichbedeutend ist, gefun- 
den werden muss. — Ebenso wenig aber ist es möglich, in den 
auf einander folgenden Sätzen gerade eine Unterscheidung beider 
Arten des Wohnens zu erkennen. 



I 



30 

' römisehefi Lebensweise entgegengesetzte hob er hervor, 
die kleinero Unterschiede des deutschen Lebens liess 
er zur Seite. 

In der That ist auch die Verschiedenheit zwischen 
beiden Arten des Anbaus nicht so gross, dass nicht 
analoge Verhältnisse Statt gefunden haben sollten. Auch 
die Einzelböfe konnten so gut wie die in Dörfern 
zusammenliegenden unter sich in mancheriei Verbindun- 
gen stehen. Gemeinwälder, Gemeinweiden konnte es 
auch hier geben ; statt der Feldgemeinschaüt bestand 
hier Markgenossenschaft, worunter wir ein loseres, 
weniger umfassendes Verhältniss verstehen : während 
dort auch die Bewirthschaftung der Aecker der allge- 
meinen Anordnung unterworfen ist, kommt hier bloss 
die gemeinschaftliche Benutzung des schwer theilbaren 
Bodens, des Waldes, der Weide, der eigentlichen 
Mark, in Betracht ^. Nicht überall wo es Einzelböfe 
gab wird auch Markgenossenschaft bestanden haben, 
auch bei Zusamroenwohnen in Dörfern und statt der 
strengen Feldgemeinsdbaft mitunter nur jene sich finden^; 
in der Regel aber wird beides in einem gewissen 

^ Vergl. Moser, Osnabrtickische Geschichte 1. Abschnitt § 9. 
(Sämmtliche Werke VI, p. 11.)* Grimm R. A. p. 497 nimmt deo 
Ausdrack anfangs in umfassenderer Bedeutung , . für Feldgemein- 
schaft, schränkt ihn zuletzt jedoch auf das ein was auch wir dar- 
unter verstehen; vergl. Haussen a. a. O. p. 5. 

* Doch ist merkwürdig und wohl hervorzuheben, dass wenig- 
stens in den Marken am Oberrhein, nach v. Low, über die Mark- 
genossenschaften p. 7, niemals Bewohner Eines Dorfes oder einzelner 
Hofe sich in dem Besitz einer Mark befinden und in Markgenossen- 
schaft stehen, sondern stets wenigstens zwei oder mehrere Dorfer 
daran participiren. 



31 

Zasammenhange stehen, wie denn in Westphalen beides, 
Einzelhöfe und Markgenossenschaften mehr als in andern 
Gegenden vorherrschend sind. 

Wenn man Unrecht hat die Gemeinschaft der 
Aecker und die Verhältnisse die damit zusammenhängen 
(ur das in ältester Zeit unter den Deutschen allein 
geltende anzusehen, so ist es nicht minder irrig wenn 
man jene westpbälischen Einrichtungen für das vor- 
herrschende ausgiebt ; die Ansicht ^ , nach der die 
Markgenossenschaften die Grundlage aller politischen 
Vereinigung bei den Deutschen gewesen sind, muss 
entschieden aufgegeben werden. 

Aber die Wichtigkeit des Grundbesitzes zeigt 
sich uns deutlich, die Art und Weise wie er gewonnen 
war und wie ihn jeder besass, ist von grosser Bedeu- 
tung ; darnach richteten sich die Lebensverhältnisse, 
die Befugnisse und Pflichten eines jeden hingen davon 
ab. Und nicht allein die Beziehungen des privaten 
Lebens, auch das öflfentliche Recht wurde hiervon 
bestimmt. 

^ Moser itt ihr Begründer und bat ihr bis auf den beuti- 
gen Tag Auseha verschafft ; er selbst beschränkt jedoch das ganze 
auf sein Land und hütet sich vor unhistorischer Verallgemeinerung. 
Andere haben dies beibehalten und weiter ausgeführt, auch Eich- 
horn §. 14 a y der sich jedoch ausdrücklich (5. Aufl. p. 57) dagegen 
verwahrt, als wolle er die Markgenossenschaft als das Prinzip der 
germanischen Gesellschaftsverfassung betrachten. 



33 



3. Das Dorf ^ die Gemeinde, der Gau. 

Die Begriffe Volk und Heer standen von den 
ältesten Zeiten her bei allen Germanen in der engsten 
Beziehung zu einander, sie waren gewissermassen iden- 
tisch ; das zum Krieg ausziehende Volk bildete das Heer, 
dieses stellt zugleich die Gesammtheit des Volkes dar ^. 

Das Heer aber war nach Hundertschaften geglie- 
dert; je hundert — sei es dass wir an die gewöhnliche 
Bedeutung der Zahl oder an das besonders im Norden 
aber auch bei deutschen Stämmen übliche Grosshundert, 
120, zu denken haben ^ — bildeten eine Abtheilung 
die daher ihren Namen hatte ^. Auch ihr Hauptmann 

^ Es ist bekannt genug me oft exercitns bei den Franken 
und andern Stämmen das Volk bedeutet, vergl. Phillips D. G. 
ly p. 412, und so noch bei TVidukindus I, 26: congregatis prio- 
cipibus et natu majoribus exercitus Francorum, und gleich darauf: 
coram omni populo Francorum. Dies aus den Gefolgschaften her- 
zuleiten > ist gar kein Grund vorhanden. 

* S. hierüber besonders Sachsse, observatio de territoriis 
civitatum earumque partibus ex regimine quod' vocatur Gauver- 
fassung (Juris publici velerum Germanorum specimen). Heidelber- 
gae 1834. 8. p. 9. 17, auch Leo, Geschichte von Italien I^ p. 58. 

' Germ. c. 6 : Definitur et numerus : centeni ex singulis 
pagis sunt idque ipsum inter suos vocantur; et qnod primo numerus 
fuit, iam nomen et honor est. Das gebt nicht auf die ex omni 
jnventute delecti pedites die bestimmt waren mit den Reitern zu 
kämpfen, obschon die meisten Interpreten des Tacitus es so ver- 
stehen. Es giebt dies an sich keinen rechten Sinn, dass hundert 
aus jedem Gau gerade für diesen Zweck erlesen seien, steht auch 
mit dem Bericht des Caesar I, 48 in Widerspruch, nach deni 
jeder Reiter sich selbst den ihm zugewiesenen Fassstreiter aus- 
wählen durfte, was an sich ganz wahrscheinlich ist. Becker, 



33 

trug einen Namen der an diesen Ursprang erinnerte, 
^centenarius^ in den lateinischen Quellen, wofür Ulfila 
,hundafaths^ zu gebraueben scheint ^. Die hundert aber 
waren aus einem und demselben Distrikt ( Gau ^, wenn 
wir das Wort nicht in zu bestimmtem Sinne nehmen). 
Wir finden aber weiter dass auch das Land nach Hun- 
dertschaften gelheilt war: ,huntari^ ist in den alamanni- 
schen Denkmälern ein Distrikt kleiner als der Gau ^, 
, hundrede ^ bei den Angelsachsen die Unterabtheilung 
der Shire*; ^centenae' oder ,centanae^ werden in den 
Gesetzen der Franken öfter erwähnt ^ , und auch bei 

Aomerkungen und Excurse zu Tacitns Germania p. 48 hält das 
,idqae ipsom inter soos vocantor' für sehr danket nnd beklagt sich 
dass die Ausleger keine Erklärung geben. Sie haben es vielleicht 
für unnofehig gehalten , wenigstens die Historiker und Rechtshistori' 
ker, so viel ich sehe, alle es richtig Terstanden. Es heisst ganz 
einfach: , diese Schaaren heissen centeni (natürlich gab es ein 
deutsches Wort dafür), und was anfangs blos Zahlbegriff war, 
ist nun ein technischer und zugleich ehrenvoller Name geworden/ 
Vergl. Velschow, de institutis militaribns Danorum p. 51. Dass ich 
auf H. Müller's wunderliche Ansichten (a. a. O. p. 210 ff.) eingehe, 
wird hoffentlich niemand verlangen. Solche Spielereien mit Worten 
und Begriffen führen uns in die Zeiten der gröbsten Unkritik zurück. 

^ In militärischer Bedeutung erscheint das Wort besonders 
noch bei den Westgothen^ LexWisigoth. IX, 2, 1. Yergl. Grimm 
R. A. p. 754. * centeni ex singulis pagis sunt. 

' Stellen bei Grimm p. 532; yergl. Stalin, Wirtembergische 
Geschichte I, p. 278 ff. 

^ Lappen berg, Geschichte von England I, p.584j vergl. Leo, 
rectitudines p. 177. Zu vergleichen ist besonders das Judicium qua- 
liter hnndretum teneri debeat, in der neuen Ausgabe der angel- 
sächsischen Gesetze (Ancient lawa and Institutes of England. 1840 
fol.) p. 523, der angelsächsische Text ebendaselbst p. 109. Andere 
Steifen weist der Index s. t. hundred nach. Ich führe noch Lex 
Henrici I. c. 6 an: comitatns in centurias — distinguuntur. 

» Childeberti decret. c 11. 12, ChlQtfaacharii decret. c. 1. 

3 



34 

andern Stämmen finden sieh Spesen derselben ^ ; end^ 
lieh auch in nordisehen Quellen wird das entspreehende 
Wort ^hundari^ gefunden und wie das angelsächsische 
hundrede erklärt als ein Bezirk der 100 Hufen in sieh 
fasste '• Derselben Bedeutung aber war das nordische 
,herad^; jhet'y sagt Snorri, ein Haufe ton hundert^; 

Ga^rard , essai sur ie Systeme des divisions territoriales de la Gaule 
p. 54 if. sucht nachzuweiseu , dass die Ceotene als Eintheitnng des 
Landes erst ans der karolingischen Zelt herstamme; vorher sei sie 
nur eine Vereinigung von 100 Personen oder Familienvätern, beson- 
ders zu kriegerischen Zwecken, gewesen. Ich meine, er hat in s^ 
weit recht, als erst im 9. Jahrhundert centena als geographische 
Bezeichnung begegnet — die ältesten Beispiele die er anführt sind 
aus dem später von ihm herausgegebenen Poljpticnm Irminonis: 
eentena Corbonensis im pagus Oximensis, centena Cannocensis im 
pagus Carnotinus; andere finden sich im Chron. Fontenellense c. 7 
(Pertz 11^ p. BT9. 281): centena Noviacensis, Alancionensis, 
Saginsis — ; dagegen stand audi vorher ohne Zweifel die Eintheilung 
des Volks mit der des Landes in Verbindung und ist nicht bloss 
von dem Heer auf dieses übertragen worden. So wie es einen 
centenarius als Beamten gab , musste es auch eine centena als Bezirk 
geben. — Aehnlich wie Guerard sehen auch Eichhorn und Wilda, 
Strafrecht p. 127, die Sache an. 

^ Lex Alamann. tit. 36, c. 1. Von den Sachsen s. unten. 
Allerlei was hierhin gehören kann stellt Barth p. 200 zusammen. 

* Grimm R. A. p. 632. 533 , I^ppenberg p. 585. Der richlige 
Begriff ging freilich auch bei den Angeisachsen später verloren, 
wie z. B. aus einer Stelle des dialogus de scaccario erhellt, die 
Thorpe in dem Glossariom zu den Ancient laws anführt: ex 
hydarum aliquot centenariis , sed non de terminatis constat ; quidam 
enim ex pluribus, quidam ex paucioribus constat. Und so hält 
VfWda. p. 127 n. es überhaupt für eine spätere und unrichtige 
Erklärung, und meint es sei gar kein Zahlbegriff mit dem Worte 
verbunden gewesen. 

' herr er hundrat, in Snorri's Skalda, eine Steile die ich 
aus Dahlmann 1, p. 140 n. entlehne; vergl. Veischow p.* 63. 
Durchaus unrichtig erscheint mir die Ansicht von Sachsse a. a. Q- 
p. 30. 27, det herad und hundari für vemcbiedeB hält Und jenes 



yhetad^ ist gleiebbedetttend mit tmndari, md^ Herred im 
DeüiftclieD, Harde im Deutsehefi , dis Wort, das überatt 
im Norden die Theile eiaes poütischen Ganzen, des 
Reichs, beEeicboete. Sehr wahrscheinlich dass sie das 
ursprüngliche waren, vor der eigentlichen Reichsbildnng 
vorhanden; Ihren Ursprung auf eine spätere administra* 
live Einrichtung zurückzufubren , scheint unmöglich ^. 
Nicht Dänemark allein, auch Schweden kennt diese Ein- 
theilong, in Norwegen finden sich wenigstens Spuren 
derselben ^. Fast bei allen Stämmen der deutschen 
Germanen werden Hundertschaften erwähnt, und es scheint 
mir nicht dass wir berechtigt sind, diese aus einer blos- 
sen Uebertragung der militärischen Verhältnisse auf Grund 
und Boden zu erklären, so dass bei den Eroberungen 
der Deutschen, da das Land ausgetheilt wurde, einzel- 
nen Abtheilungen des Heers einzeihe Distrikte angewie- 
sen wurden und daher diese den Namen empfingen den 
jene führten^. Es wäre denkbar dass das Wort ,cen- 
tenartus^, das später häufiger einen Richter als einen 
Heerführer bezeichnete — auch das deutsche, lateinisch 
geformte Wort ,hunno^ wird so gebraucht * — doch 

mit dem deatscliea Gau zusammenstellt. Das von ihm angenommene 
Duodecimalsystem ist viel zu künstlich ^ um jemals gegolten zu 
haben. Nach ihm hat ein Reich 4 Provinzen, die Provinz 3 Sys- 
sein oder comitatus, das Syssei oder der comitatns 3 baerad oder 
Gaae> die baerad oder der Gau 4 hundari; so wären im Reich 
12 Syssei, im Sy$sel 12 Hundertschaften gewesen, deren jede dann 
12 decaniae u. s. w. in sieh gefasst habe. 

* Mit Recht hat Dahlmann I, p. 145 n. sich gegen diese 
Ansicht Faick's und Jahn's erklärt. * Dahlmann II, p. 294. 

' So Eichhorn S 23 o. Cf Leo, Universalgeschichte II, 
(2te Aufl.) p. 10. 52. 

^ Grimm R. A. p. 756. Wie die deutsche Form eigentlich 

3* 



nrsprangKdi nur im Heere gegoiteo habe und spater 
auf andere Beamte obertragen worden sei , weniger wahr- 
scheinlich schon dass man einen Landdistrikt eine Hun- 
dertschaft genannt habe, weO sich dort eine solche 
Abtheilong Soldaten angesiedelt hatte, Tast undenkbar 
dass dies gleichmassig bei allen deutschen Stammen unter 
den verschiedensten Verhaltnissen geschehen sei. Aber 
nicht allein dies, auch der ganze Zusammenhang alt- 
deutscher Institutionen wird uns nöthigen, diese Einthei- 
lung auch des Landes für etwas ursprüngliches, allen 
Germanen angehöriges zu halten. Denn wie das Heer 
nur das im Kriege befindliche Volk darstellt, so sind 
auch alle militärischen Verhiltnisse nirgends von den 
übrigen Zustanden des Lebens zu trennen ; immer befin- 
den sich kriegerische und richteriiche Gewalt in Einer 
Hand ^; wie das Volk Heer ist, die Versammlung des 
Volks Gericht, so ist der Richter auch Heerführer. Eine 
Eintheilung des Heers setzt daher stets eine gleiche des 
Volks voraus, die des Volks muss mit der des Landes 
identisch sein. 

In spaterer Zeit wurde wenigstens bei den nordi- 
schen Germanen der Kriegsdienst nicht nach der Zahl 
der waffenrahigen Männer sondern der Grundstücke gelei- 
stet; so viele Hufen (Hafnir) in einem Distrikt, so viele 

gelantet ist zweifelhaft. Für ceatena steht auch oentoria, centario 
aber übersetzt Tatian ,hantari*; Graff, Sprachschatz lY, p. 976. 
1 Ich will mich hier blos auf Savigny, Gesch. des R. Rechts 
im M. A. (2te Aa6.) I, p. 265 beziehen, der dies als das Resul- 
tat einer ganz andern Untersuchung hinstellt. Vergl. auch Phillips 
P. G. ly p. 140, der auf seinem Wege zu diesem Ziel gelangt. 
Auf verschiedene Weise kann man es erklären, über die Sache selbst 
Ist k«in Zweifel. 



37 

Krieger mussten zum Heer gestellt werden ^ ; waren es 
hundert, so mussten eben so viele Hufen da sein, und 
eben aus diesen bestand die hundari des Nordens. Auch 
Tacitus sagt nicht , dass das Heer nach Haufen von hun- 
dert und tausend getheilt war, sondern dass je hundert 
aus einem Distrikt (Gau) hervorgingen; eben darum war 
dieser eine Hundertschaft, huntari,und diese Eintheilung 
also gewissermassen vor dem Heer, wenigstens unmittel- 
bar mit demselben gegeben; das Vorkommen derselben 
im Heer lässt stets auf die ihr entsprechende des Lan- 
des schliessen. Wir werden uns daher nicht der Fol- 
gerung entziehen, dass eine solche schon in den deutschen 
Verhältnissen die Tacitus schildert sich vorfand, wenn .er 
ihrer auch nicht ausdrückliche Erwähnung thut ^. 

* Velschow p. 58. 

* Das haben auch schon Anton , Gesch. d. t. Landwirtbschaft 
I , p. 60. n. a. angenommen. Nach ihnen ist auch die Nachricht 
des Caesar und Tacitus von den 100 Gauen der Sueven (Caesar 
IV, 1: Hi centum pagos habere dicuntur; I, 37: pagos centnm 
Snevorum ad ripas Rheni consedisse; Germ. c. 39: centum pagi iis 
habitantur) hierauf zu bezieben und nur aus einem Missverstand- 
nisse hervorgegangen; ans den Hundertschaften , die entweder Theile 
der pagi oder selbst die pagi waren, seien hundert pagi geworden. 
Vergl. Grimm R. A. p. 532. Merkwürdig dass schon Caesar mit 
den 100 pagis die 1000 Streiter in Verbindung bringt, doch ist 
nicht deutlich ob alle zusammen oder jeder so viele stellt oder ob 
nur ganz im allgemeinen 1000 gegen 1000 gerechnet werden. Aber 
noch eine andere Stelle dieses Schriftstellers kann man anfuhren : II, 28, 
nach der die Nervier einst aus 60000 Waffenfähigen bestanden und 
600 Senatoren hatten; das würde heissen, es waren 600 Hundert- 
schaften; was freilich kaum glaublich erscheint, aber zu den 100 
pagis der Sueven, den 500 der Hillevionen in Skandinavien (Plinius 
b. n. IV, 13, 27) doch wohl passen möchte. — Ueber die Stelle 
des Tacitus c. 12 s. unten. 



38 

Das aber giebt den besten Beweis^ welche Bedea-- 
tung damala der Grundbesitz hatte. Nach ihm richtete 
sich die Eäntheihing des Landes, des Volks, des Heers. 
Nicht der Freigeborne als solcher, sondern gewissar- 
massen als Repräsentant seines Gates war zum Heerdienst 
verpflichtet, so im Norden^ so bei den Angelsachsen^ 
so, dürfen wir annehmen, auch bei den Deutschen im 
ältester Zeit. Und da Heer und Volksversammlung, 
Rechte und Pflichten im engsten Zusammenhang stand^ 
alle Verhähuisse auf demselben Prinzip beruhten, so wird 
es wahrscheinlich dass auch nur der Grundbe»tz die voHeii 
politischen Rechte, Theilnahme an der Gemeinde und 
ihrer Versanmilung gewährte. In der ursprünglidieQ 
Hundertschaft bestand diese aus den Besitzern der hvu^ 
dert Hufen, und wie sie die Versammlung bildeten, so 
waren sie es die in den Krieg zogen. 

Es könnte scheinen dass wir uns zu weit von blos- 
sen Folgerungen haben führen lassen. Diese Ansiebt 
steht mit dem Bilde, das man sich nicht selten von dem 
Zustand der Deutschen in ältester Zeit zu machen pflegt, 
in starkem Widerspruch ; nur aus den deutlichsten Zeug- 
nissen, wird man einwenden, dürfe solches entnommen 
werden. Doch sind andere auf anderm Wege zu der- 
selben Annahme gelangt. ,Der Freie ist echten Eigen- 
thums fähig; von diesem Eigenthum hängt dann weiter 
die TheBnahme* an Gericht und Volksversammlung ab ^.^ 
Die arimanni, boni bomines oder wie die Ausdrücke für 

1 Grimm R. A. p. 990. Und es ist das mm finde andh Hie 
ÄDsidit die Moser ausfuhrt I, § 24 (p. 36): ,DJe SelbstTertheidl- 
gung and das Et^DtliUB eines Wehrgntes — machen sein We- 
sen ans/ 



die yoHdii Freien seia mögeo ^ , die un Besitze aller 
Rechte und Befugnisse sich befaodeD , sind nur diejeni- 
gen die freies Grundeigenthum besitzen ^. Auch später 
wurde die Tfaeilnahme an dem Recht der Markgenossen 
davon bedingt; wenigstens erscheint alles and^e als Aus- 
nabme oder spätere Einschränkung des alten Prinzips ' ; 
dass in der Dorfschaft der Besitz eines Hofes und der 
dazu gehörigen Aecker nothwendig war um Theil an den 
weitem Rechten der Dorigenossen zu haben, liegt in 
4er Natur der Sache. Wer hinreichendes^ Grundeigen- 
thum' besass , wgr frei von Bürgenstellung nach späterem 
Recht ^. Und auch andere Verhältnisse des deutschen 
Rechts stehen hiermit in voller Uebereinstimmung. 

So lange der Sohn nicht eigenen Besitz, und zwar 
Grundbesitz erwarb, blieb er in demMundium desVa- 
i&rs ^; nicht die Wehrhaftmachung allein entzog ihn 
demselben, erhob ihn zur vollen Selbatändigkeit dem 
Vater, dem übrigen Volk gegenüber. Freilich sagt 
Tacitus, wer mit den Waffen in öffentlicher Versammlung * 

1 Vergl. Savigny I, p. 11>1 ff., Grinm p. 291 ff. 

^ Eichhorn erklärt mit Recht § 48 n. b. den Arimanneii als 
den Freien der zum Krieg avf gerufen ist ; alt «olcfaer heisst er auch 
bomo exercitalis. Doch i&t das nur eine Seite des Yerhältnisses, 
die andere wird dadurch angedeutet dass arimannia das freie Eigen- 
thunr beeeichnet; Sangny I, p. 203. 

* Vergl. V. Low, Marlcgenossenschaften p. 77. 29 , Blantschli, 
St. u. R. C. der Stadt — Zürich p. 25l. In den oberrheinischen 
Maiicen kommen allerdings spater, wie dort gezeigt wird, Ausnah- 
men Tor. 

^ Sachsenspiegel II, 5: Swe so egenes also vele hevet, dat 
is bedere is den sin weregelt, binnem deme gerichte, de ne daif 
nene« bürgen setten; woraus man freilich nicht Folgerungen eiehen 
darf wie Schaumann, Gesch. des niedersächsischen Volks p. 80 
n. 6 thut. • Phillips D. G. I, p. 196. 197. 



4» 

bekleidet wordea sei, habe aufgehört dem Hause anzu- 
gehören, er sei ein Glied der Gemeinde, ein Theil des 
Staats geworden ^ , und zwar nicht blos weil er frei- 
geboren war und' ein bestimmtes Alter erreicht hatte, 
sondern weil die Versammlung des Volks selbst ihn der 
Ehre für würdig erklärte 2. Doch konnte die Wehr- 
haftmachung in jungen Jahren verliehen werden und ward 
es gewöhnlich ; wie es scheint vertrat sie die Stelle der 
gesetzlichen Mündigkeit ^ ; gab wenigstens einzelne Rechte, 
Freiheit von#der väterlichen Gewalt , eine gewisse Selb- 
ständigkeit selbst dem Vater gegenübe/; wer wehrhaft 
geworden , gehörte allerdings nun nicht mehr dem Hause 
allein an, auch die Gemeinde hatte ein Recht an ihn, 
er an den Schutz der Gemeinde; aber dass er sofort 
selbständig in dieselbe eingetreten sei, gleichberechtigt 
mit dem Vater und den grundbesitzenden Genossen, 
liegt nicht in den Worten des Tacitus ^, und steht mit 
allem was wir sonst ermitteln können in solchem Wider- 

^ ante hoc domna pars Tidentur, mos rcipublicae, c. 13. 

* sed arma azurnere non ante cuiquam moris quam civitas 
suffecturum probaverit, c. 13. 

* Vergl. Grifflm p. 413 ff., Kraut, die Vormundschaft I, 
p. 110, nach denen die Mündigkeit ursprünglich gar nicht an ein 
bestimmtes Jahr gebunden war. 

* Den n. 1 angeführten Worten geht voran : haec apnd illos 
toga, hie primus juventae bonos. — Das sagen auch nicht die Worte 
des ostgothischen Königs 'fheoderich, Cassiodori Var. I, 38: Sicjnve- 
nes nostri qui ad exercitnm probantur idonei indignum est ut ad 
Yitam suam disponendam dicantur infirmi, et putentur domum suam 
non regere, qui creduntur bella posse tractare. Gothis aetatem 
legitimam virtus facit, et qui Talet bestem confodere, ab omni se 
jam debet tuitione vindicare. Vergl. J. von Glöden, das romische 
Recht im ostgothischen Reiche p. 96 ff., ans dem ich diese Stelle 
und die Verbesserung , tuitione^ statt ,Titio^ entnommen habe. 



41 

Spruch, dass wir es ohne Bedenken in Abrede stellen 
dürfen. Im Kriegsdienst mochte wohl der Sohn den 
Vater vertreten; es heisst in den spätem Bestimmungen 
nicht dass der Herr der Hufe zu Felde ziehen soll, 
sondern nur dass die Hufe den Krieger stellt. Ob in 
der Volksversammlung dasselbe zulässig gewesen, ist 
schwer zu entscheiden; ich finde es wahrscheinlich dass 
die Sitte es nicht gestattete. — Wenn der Sohn mütter- 
liches Gut empfing, durch Abschichtung, trat er aus 
dem Mundium des. Vaters völlig heraus ^ ; denn damit 
wurde er ein Glied der Gemein<le, in der er nun sein 
Eigen zu vertreten hatte. War eine andere Art des 
Erwerbes möglich, musste auch sie dieselben Rechte 
gewähren. Sonst löste erst der Tod des Vaters das 
Band, und nun fiel durch Erbgang der Grundbesitz an 
die Söhne, die damit Glieder der Gemeinde wurden, 
zum vollen Recht gelangten. 

Dass eine Theilung des Gutes unter mehrere ver- 
wehrt war, scheint mir nicht angenommen werden zu 
können 2. Die Vergleichung der Zustände im Norden ^ 
und auch bei den Deutschen in späterer Zeit ^ scheint 
darzuthun , dass wenn die Söhne nicht zu gleichen Thei- 
len erbten, doch nicht einer den andern ausschloss. 

Traten aber alle die auch nur einen Theil des 
Grundbesitzes empfingen in die Gemeinde ein, so muss 

1 Eichhorn § 63. 

* Das will H. Müller p. 166 — 168 darthuD, aber ohne hin- 
reichenden Grund. Auch Haussen p- 28 halt es für das ursprüng- 
liche, sagt aber selbst dass die Gesetze nichts davon enthalten. 

* Dahlmann I, p. 137. 

^ In den fränkischen Gesetzen und Formeln ( vergl. besonders 
Marcolf II, 12) wird nur hervorgehoben, dass die Töchter nicht 



nehr bald die ursprünglicbe ZM der Hufen im Dorfe^ 
d^ huDdei:t in der Hundertschaft überscfaritben sein, und 
•damit muss das Wort die ursprüngliche Sedeutong verloren, 
sich zu einer ganz allgemeinen Bezeichnung umgewan* 
delt haben, deren Ursprung man kaum noch kannte; 
die fränkische centena, die alamannische huntari, die 
nordische heräd, selbst die angelsächsiache hunderde, 
geben gleicher Weise einen Beleg dazu, la die ganze 
«rsprikiglidie Vertheilung des Grundbesitzes hätte ver-<- 
ändert, eine gerährliche Auflosung der wahrien Grund"* 
iagen der Staatsverbindung, wenn man so sich ausdrücken 
darf, herbeigeführt werden müssen, wenn nicht dieThei«^ 
hmg durch Sitte und Bedürfniss beschränkt, zu grosser 
Zersplitterung durch Auswanderung — an urbariahigem, 
kl Anbau zu nehmendem Land war kein Uangel — ^ und 
dwrch andere Umstände gewehrt worden wäre ^. 

Ehe wir aber weiter gehen , werden wir die Frage 
nicht abweisen können, ob dieses Vorherrschen des Grund- 
besitzes, die Bedeutung die er in der Verfassung hat, den 
Germaneu eigen ist so weit wir in ihrer Geschichte mak^ 
wärfs gehen können, oder ob wir Nachrichten von einem 
Zustande finden, da noch andere, natürlichere Verhält^ 
nisse die bestimmenden waren. Denn das wird jeder 
zugeben , dass das Binden von Rechten und Pflichten an 
Grund und Boden , nicht minder sowohl das Theilen der 
Feldmark unter die gemeinschaftlichen Ansiedler, als die 
Verbindung zur Markgenossenschaft, schon einer Stufe 

miterben konnten , ein Vorrecht des altern Sobns gegfen die Jnngern 
wird nirgends angedeutet, und kommt anob sonst lange nicht tot. 
^ Yergl. über das eigen tbümliche Ausbauen im Norden, wo 
ein Dorf häufig mehrere Toditerdorfer von sich ausgehen liess, 
Hanssen p. 24 ff. 



48 

4er Entwickelong aagehoren, da man sich ¥on den 
iaehslen Ordnungen und Bedingoogen des Lebens los- 
gemacht hatte. Die Zeugnisse über Markgenossenschaft 
gehören einer verbältnissmässig späten Zeit an, man 
konnte so weit gehen, ihr Vorhandensein in der Zeit 
sait der vir nns beschäftigen ganz zu läugnen ^. Es 
trägt aber ük die Hauptsache wenig aus; denn sowohl 
die Borfeinrichtiingen und die damit zusammenhängende 
Feldgemeinscliaft als auch die politisch ««-militärisehe Gii»* 
derung nadi Hunderten wird der taeitoischen Zeit nicht 
abgesprocbeo werden können. Beide deuten auf ein 
enges Band das zwischen Volk und Boden bestand. 
Während 'die Völker sich auf der Wanderung befanden 
neue Wohnsitae suchend^ wurde es gelöst und nur die 
köermf berubeode libederung des Heers kam da nodi 
m Betracht Aber so wie die neuen Sitze eingenom- 
men sind, seben wir alle Stämme dieselben oiibr dodi 
Ibnliche Verhältnisse neu begründen. An den alten 
Ikundhigen hielten sie fest, wenn sie auch auf denselben 
weiter bauten, maw^es in den neuen Zuständen anders 
weiter bildeten. 

Aber auch in den beimathfiehen Zuständen selbst 
wird eine Fortbildung, eine stufenweise Entwidkelung 
angenoimmen werden müssen, wenn wir auch nicht kn 
Stande sind derselben Schritt für Schritt zu Iblgeoi. 
leb glaube nicht, dass die Crensanen, da sie in der Ge^ 
sehichte auftreten, ^rst auf dem Uebergang aus den 

^ VerifL Weiske p. 33 IT., der mit Recbt, wi« mir soMiit, 
die Ansicht MSser's, Rogge's u. a. bestreitet, als habe es von Ab- 
fADg her besondere Markgerichte neben den Volksgerichten gege- 
ben. Dazu "Wilda p. 126. üeber die Verbindung der Markverhalt- 
«läse «nd Doffgemeloden la Alamannien a. Bluntschli I, p. 86« 



44 

nomadenartigen Leben in das eines sesshaften ackerbau- 
treibenden Volkes standen, wenigstens nur einzelne Stamme 
noch.) und vielleicht diese eher durch einen Rückfall in 
einen Zustand der Auflösung und unruhiger Bewegung, 
als dass sie diesem noch gar nicht entsagt gehabt hätten. 
Indessen ein Uebergang muss einmal Statt gefunden haben. 
Die Frage ist nur, ob in den Wohnsitzen da wir sie 
finden oder in einer andern Heimath die wir nicht 
nennen können , und diese Frage ist gleichbedeutend mit 
der, ob. in geschichtlicher oder nur in vorhistorischer 
Zeit jene Verhältnisse die wir die natürlicheren nennen 
angenommen werden sollen, da nicht Grundbesitz und 
Nachbarschaft, nicht Districtseintheilung und bestimmtes 
Zahlenverhältniss, sondern allein Verwandschaft und Fami- 
lieuzusammenhang das verbindetfde und herrschende waren. 
Denn darüber dass aus der Familie die Gemeinde, 
der Staat erwachsen, ist nun kein Streit; nur dass die 
Historie die Betrachtung dieses Ueberganges von sich 
zu weisen , die Bildung der Gemeinde als vollzogen anzu- 
nehmen hat; erst da das geschehen, tritt ein Volk in 
die Geschichte ein. Das sind ganz isolirte, abnorme 
Verhältnisse, wenn wir auf Island das Zusamnientreten 
der Familien zur politischen Gemeinschaft beobachten, 
das Werden des Staates Schritt fiir Schritt begleiten 
können. So interessant es ist, zu Folgerungen und 
Rückschlüssen wird es uns nicht berechtigen , schon des- 
halb nicht, weil alle die an dieser Staatsbildung Theil 
nahmen, einem ändern Gemeinwesen früher angehört 
hatten. 

Doch auch innerhalb der Gemeinde konnte die Familie 
ihre Bedeutung haben; Nachwirkungen des altern Zustandes 



45 

finden wir auch noch in späterer Zeit Tacitus sagt dass 
im Heer der Deutschen die einzelnen Haufen sich nach 
Familien und Yerwandschaften bildeten ^ : während schon 
die Eintheilung nach Hundertschaften bestand, die vor- 
herrschende war, hatte doch auch diese älteste natür- 
lichste Verbindung ihre Geltung, und das war möglich, 
da die Familienglieder leicht zur gemeinschaftlichen An* 
siedelung sich verbanden ^ , Rinder und Vettern zusam- 
menblieben, wenn sie nicht zur Auswauderung oder zum 
Ausbauen genöthigt wurden. W^eiter aber werden wir 
auch nicht gelangen; wir werden unten sehen, dass die 
Familie in den Verhältnissen des Rechts noch von gros- 
ser durchgreifender Wichtigkeit war; aber alles nur inner- 
halb der Gemeinde. So wie ein politisches Bewusstsein 
sich zu bilden anrängt, treten Verwandschaft und Ge- 
schlechtsverbindung in den Hintergrund; die Familien 
werden nicht bloss von dem Staate überwölbt, zu einer 
höhern Einheit verbunden, sie gehen auch in ihn auf, 
verlieren zuerst ihre ausschliessliche, dann alle politische 
Bedeutung; andere Verhältnisse werden die entscheidenden, 

^ c. 7: non casus nee fortuita conglob«tio turmam ant caneum 
fach 9 sed familiae et propinquitates. Ich mochte es doch nicht 
wagen, das letzte Wort mit , Nachbarschaften ' zu übersetzen > eben- 
sowenig mit Eichhorn (p. 84) an Geschlechter zu denken in dem 
Sinn den Niebuhr den romischen gentes giebt. 

* Yergl. die V^orte des Caesar VI , 22 : gentibus cognationi- 
bosque hominnm qui una coiernnt quantum et quo loco visum est 
agri attribuunt. Bei den Angelsachsen heisst ,maeghte' ein Land, 
welches die Genossen eines Geschlechtes oder Stammes , eine Magen- 
Schaft , wie sie im Kriege zusammen gefochten und erobert hatten, 
so im Frieden zusammen erhielten, Lappenberg I, p. 583. An dies 
Yerhältniss erinnert auch die Stelle der Lex Alamannorum tit. 84: 
Si qua contentio orta fuerit inter duas genealogias de termino terrae 
eorom; yergl. XJnger, die altdeutsche Gerichtsverfassung p. 5. 



und nur (ar d«s Pmatrecht behaupten jene ihre G^ong. 
Dass man später den Versuch macht andere Einrich- 
tungen an^ ihre Stelle zu setien, genossenschaftliehe, 
corporative Verbindungen, welche Rechte und Pflichten 
übernehmen sollen die aus dem Begriff der Familie 
herrorgegangen waren , findet sich wohl; id>er dass soldie 
Institute den ältesten Zeiten angehören, ist nicht nach** 
weisbar, und man muss in Abrede stellen dass sie gleich*- 
zeitig sind mit dem Entstehen der Gemeindeverbindung^ 
der staatlichen Bildung; nicht das ursprüngliche Wesen 
der Familie, das eben nothwendig ein Ende fand ao 
wie der höhere Begriff sich bildete und das deshalb 
auch durch nichts vertreten werden konnte, sondern die 
priyatrechtliche Bedeutung derselben, als auch diese ni 
schwinden begann, sollten sie ersetzen. Erst wenn wir 
von den rechtlichen Verhältnissen der Familie in der 
Gemeinde sprechen , können wir näher hierauf eingehen. 
Indem wir shdt entwickelten, dass der Grundbesitz, 
die gemeinschaftliche Ansiedelung, die Nachbarschaft, wie 
die Lebenszustände so die politischen Rechte unter den 
Germanen bestimmten, sahen wir zugleich, dass eine 
besondere Eintheilung nach Hunderten damit zusammen- 
hing, oder wie wir vielleicht richtiger sagen, die Ge- 
meindeverbindung ursprünglich auf einer Vereinigung von 
hundert Hufen — ich kann wohl eben so richtig oder 
richtiger sagen : Höfen — beruhte. Aber es fragt sich, 
ob dies die einzige Gliederung war die bestand, ob eine 
Vereinigung der Hundertschaften, ob eine Sonderung 
derselben in kleinere Abiheilungen sich fand. Zunächst 
bei dem Heere werden wir beides wahrscheinlich finden, 
und neben den» centenarius steht bei den Westgotheo 



43 

wirklieb auf der einen Seite ein qningentenarins und 
nnlienarins , auf der andern ein decanus« Doch jene 
höbern Beamten finden sich nur bei gothiseben Völkern ^, 
und nur die besondere Einrichtung des Kriegsbeers 
scheint hier zu den Stellen wie zu den Namen Aniass 
gegeben zu haben. Anders der decanus; er erscheint 
auch^anderswo als Beamter geringeren Ranges als der 
centenarius ; doch ist nirgends eine Beziehung auf 
eine Eintheilung des Volkes oder Landes zu erken-* 
nen^ so dass es wenigstens zweifelhaft bleibt, ob 
diese Benennung wirklich auf eine der Gliederung nach 
Hundertschaften entsprechende nach Zehnern Bezug hat, 
oder blos nach der Analogie des Wortes centenarius 
(ur einen untern Beamten später gebildet worden ist. 
Das Vorhandensein wirklicher Zehentschaften unter den 
germanischen Stämmen in älterer Zeit hat man allen 
Grund in Abrede zu stellen ; im skandinavischen Norden 
findet sich davon keine Spur; bei den meisten deutschen 
Stämmen lassen sie sich nicht nachweisen; angelsächsische 
Einrichtungen die auf ihnen beruhen gehören einer spä-« 
tem Zeit an; sie sind zu bestimmten Zwecken, durch 
ausdrücUiehes Gesetz eingeführt; nichts berechtigt eine 
altgermanische Einrichtung in ihnen zu erkennen ^. 

Gewiss aber musste eine höhere Einheit die Hun-« 
dertschaften zusammenfassen. Es lässt sich nicht denken, 

^ Der quingentenarias meines Wissens nur bei den West- 
gothen, Lex Wisigoth. II, 1, 26$ I?^, 2, 1; der millenarins anch 
bei den Ostgothen , Cassiodori Var. V, 2t ( miilenarii - provinciae 
Piceni et Samnii), andVandalen, Papeacordt, Geschichte der Tfttt- 
dah'scben Herrschaft in Afrtca p. 235. 

^ Vergl. die Beilage und was schon Weiske p. 15 ff. ausgefafart 
hat, dem ich hierin ganz beistimme; auchGu^rard a*a.O. p. 61 ff* 



48 

dass ein todtes Zahiensystem allein herrschte, alle Ver- 
hältoisse mechanisch regelte, alle weiteren, natürlichen 
Verbindungen aufhob. Nur innerhalb dieser konnte jenes 
seine Geltung haben. Diese höhere Einheit war aber 
nicht eine Tausendschaft; es war die* natürliche des 
Stammes — oder weil das Wort, dessen wir uns auch 
für eine grössere Verbindung bedienen, leicht Misiver- 
ständnisse erregen kann und uns ein Wort das den 
Begriff des Zweiges ausdrückt abgeht, so sage ich lieber: 
der Völkerschaft, der Gemeinde. Die grossen deutschen 
Stämme, deren wir drei oder vier zählen, bestehen, 
da wir ihnen in der Geschichte zuerst begegnen, aus 
einer grössern Anzahl solcher Völkerschaften, deren 
jede eine Gemeinde bildete , einen Gau bewohnte , einen 
eigenen Namen Führte. Es gab umfassendere Namen, 
die mehrere unter sich näher verwandte zusammen bezeich- 
neten; aber wir sehen deutlich, dass auch jeder Gau 
einen besondern hatte, er nach der Völkerschaft oder 
die Völkerschaft nach ihm. Diese Namen sind es die 
die Geographen, besonders Ptolemaeus aufgezeichnet haben, 
und sie sind auch später nicht ganz verschwunden, son- 
dern treten oft auf überraschende Weise wieder hervor, 
« als schon die Benennungen der grossen Stämme allgejnein, 
wenigstens in der Geschichte, herrschend geworden wa- 
ren ^ ; gewiss ein Beweis von der grossen Stätigkeit der 
ursprünglichen Zustände. 

' Das scheint mir in Ledebnr's Bemühungen um die Geogra- 
phie des Mittelalters die meiste Anerkennung zu verdienen , das 
Bestreben das Fortleben der alten YoilLer in spateren Gaunamea 
nachzuweisen; nur dass man sich yon TVilllLuhr frei zu halten 
hat. 



49 

Wie ein solcher Gau sich gebildet, welchen Um- 
fang er gehabt hat, kann niemand sagen. Es ist keine 
Eintheilung des Landes oder des Volks zu diesem oder 
jenem Zwecke ; vielmehr mit dem Entstehen des Volks • 
oder doch der einzelnen Völkerschaften ist auch dies 
gegeben; denn es sind die Unterschiede innerhalb der 
allgemeinen Volksthümlichkeit die hier ihren Ausdruck 
erlangt haben. Nicht von dem Boden, der Vertheilung 
des Territoriums ist dies ausgegangen, sondern so weit 
die Völkerschaft wohnte , reichte ihr Gau. So nothwen- 
dig wie mit dem deutschen Volk ein deutsches Land, 
Deutschland, gegeben ist, so nothwendig entstehen mit 
der Zertheilung des Volks nach Stämmen und der Stämme 
in Völkerschaften auch jene territorialen Abtheilungen die 
wir Gaue nennen ^. Und ein solcher Gau zerfiel dann 
in Hundertschaften; eine Eintheilung bei der schon poli-- 
tische Gesichtspunkte die vorherrschenden waren. 

Man meint freihch dass im Norden die Harde (he- 
rad, hundari) dem deutschen Gau entspreche. Aber 
es zeigt sich doch ein wesentlicher Unterschied. Mit 
dem Gau verbindet sich stets der Begriff einer gewissen 
volksthümlichen Unterscheidung innerhalb eines Stamms 

^ Diesen richtigen Begriff eines Gaus hat Weiske gar nicht 
gefasst, wenigstens nicht festgehalten (vergKp. 12), wenn er gegen 
das Vorhandensein von Gauen in älterer Zeit ankämpft. Auch er 
lässt die Völkerschaft in Centenen zerfallen, braucht aber Völker- 
schaft und Volksstamm identisch und scheint dabei nur an grossere 
Stämme zu denken. Nichts hindert aber auch hier grössere Gaue 
anzunehmen, wie ja auch im Mittelalter z. B. den Bructerern 
der Boroctragau entsprach. In späterer Zeit wird häufig der 
Gau als pagns einer bestimmten Völkerschaft benannt z. B. pagus 
Hattuariornm > Menapiorum , Nordsuavorum , Nordthuringoram , Bar^ 
dorum n. a. 



M 

4«tti er angehört; dieH«rde, aoch in späterer Zeit, trägt 
stets de« Character eiier Uaterabtheilimg an sich. lieber 
der.Harde stehen in Dänemaifc die Syssei, in Norwegen 
die Fylke». E% unterliegt keinem Zweifel dass die lets- 
tem ürfiprÜDglich in voller Selbständigkeit neben ein- 
ander blestaoden; -es sind die Herrschaften und kleinen 
Reiche die Harakl tereinigte ^, die früher aber ilure 
befiondem Könige und Fürsteki halten und ihren Urs{nrung 
offenbar uralter Sonderung der Bevölkerung verdanken« 
W«rum iiollen wir nicht anoehmen, dass die dänischen 
Syssel dasselbe sind? Der Name, der auf administra- 
tive Beziehungen hinweist ^, kann später eingeführt, an 
die Stelle eines altern getreten sein; wie auch in Nor- 
wegen nachher die Fylken als Syssel oder Aemter be- 
aseichnet wurden; die Eintheilang selbst scheint ihren 
Ursprung iu frühester Zeit zu haben, ein Ausdruck der 
Absonderung und Zerlheilung innerhalb des dänischen 
Volks zu sein. So entsprechen Fylken und Syssel wie 
die Shires in England , die auf denselben Ursprung zurück- 
geführt werden müssen ^, den deutschen Gauen ^. Und 
Gaue, Shires, Syssel und Fylken hatten unter sich Hundert- 
schaften (huntari, hundrede, hündari,centenae),Harden. 

1 Dahlmann II, p. 294. 

^ Darauf legt Dahlmann I, p. 144 Gewicht ^ der der Ansicht 
Larsen's^ der ich gefolgt bin, entgegentritt. 

' Lappenberg I, p. 581, wo lehrreiche Bemerkungen nbef 
das Wesen der angelsachsischen Gintheilungen des Landes sich ßnden. 

* Zum Tbeil stimmt auch Sachsse a. a. O. p. 10 hiermit 
ttberein, indem er Syssel, Shire und Grafschaft gleichstellt, aber 
ganz ungehörig unterscheidet er schon in ältester Zeit zwischen 
Grafschaften nnd Gauen p. 2t und setzt die letzteren den Har- 
den gleich 9 als Abiheilung zwiächen Grafschaften und Hondeii- 
Schäften. 



51 

Die Schriftsteller habea diese Begrifie oft nicht 
gaoau unterschieden. Sie benennen unbestimmt den 
grössern oder kleinem, den auf Stammesunterschieden 
bembeiiden wie den bloss künstlich abgesonderten Distrikt 
mit dem Worte ,pagas^. Anders Tacitus; so viel ich 
sehe, hezeicfaoet das Wort bei ihm nur den kleinem 
Beurk, die Untorabtheilung des Gaus, die Hundert- 
schaft^; den höhern Begriff, jene Einheit der Völker« 
schftft^ bezeichnet er mit dem Worte ,civitas^ ^. Wo 

^ Das glaube ich hat Weiske nachgewiesen. ,_ c. 6. 12 kann 
pagos gewiss nar die Hundertschaft bezeichnen; auch c. 39, wie 
man die Sieile auch Mislegen nag , muss an diese gedacht werden. 
Gana unbestimmt sind AniL I, 66: ooiissis pagis vicisque, undHist. 
IVy 16. 26: wo Nerviorum Germanorumque und Gugernorujn pagi 
erwähnt werden. 

* c. 8, 10 (sacerdos civitatis, prineeps civitatis), 12 (regl 
Tel civUati)« 13 (guem civitat probavetji , apud üaitiBias civjtates), 
15 (Mos est civitatlbus), 19 (Melius quidem adhuc eae civitates 
etc.), '30 (ceterae civitates, in quas Germania patescit), 41 (Her- 
mtiodttrorum drltas), 43 (Ln^giorum nomen in plnres civitates dif- 
fasam), 44 (Suionnm hinc civitates), Ann. I, 37 (Ubiornm civi- 
tas), XIII, 67 (ebenso). Man sieht eine Volkerschaft bildete mit- 
unter Eme civitas , bald waren mehrere civitates nnter Einem Namen, 
der dai>n eia Stammesname ist, znsammengefasst ; jenes die Her- 
mundaren, dies Lygier and Snionen — gerade hier nennt Ptole- 
maeus die Namen der einzelnen Völker- und Gauschkften — ; in 
der Regel scheint jedoch das erstere Statt gefunden zu haben. Auch 
die gadlischen Volker bilden jedes eine civilas; vergl. Hist. 1, 53. 
54. IV, 70 und andere Stellen ; das Wort bezeichnet hier bald den 
Staat bald die Stadt derselben. Der Sprachgebrauch des Caesar 
aber schäiirt etwas verschieden zu sein. ,Civitas* bezeichnet bei ihm 
immer den €taat, die Gesammtheit eines ganzen Volks, wie be- 
sonders Stellen wie VII, 15 und andere zeigen. Wenn er sagt 
1,12: omnis civitas Helvetia in quatuor pagos divisa est, so würde 
Tacitus wohl von 4 civitates Helvetiorum gesprochen haben. — Die 
Woffte ,popnliis' ,gen8^ aiid ,natio ' hält dieser weniger aus einander, 
fihw»hl erx.M ia der ^ensSiieToniai mehrere nationes unterscheidet. 

4* 



53 

er jvicus' braucht, redet er von den Dörfern, gemein- 
schädlichen Ansiedelungen. Diese haben mit der Hundert- 
schaft nichts gemein ; so sehr auch beide auf ackerbauliche 
Zustände hinweisen , doch stehen sie ausser aller weitern 
Verbindung mit einander; in der Regel werden in einer 
Hundertschaft sich mehrere Dörfer, vici, befunden haben ^. 
Die Grundbesitzer des Dorfes, sahen wir, standen 
in Feldgemeinschaft oder Markgenossenschaft; sie bildeten 
eine Gemeinheit, in die, wenigstens bei den salischen 
Franken, ohne förmlichen Beschluss niemand aufgenom- 
men werden konnte ^ ; sie hatten vielleicht ihre eigenen 
Vorsteher^. Sonst ist von der Verfassung der Dörfer 
— später heissen sie ,villae' * — nichts bekannt *; 
auch bedurfte es weiterer Einrichtungen nicht; wie die 
Einzelwohner hatten alle Dorfgenossen Theil an den 
Verhältnissen der Hundertschaft, der Gaugemeinde* 

1 Dies hat schon Wilda p..l29 mit Recht gegen Wciske ein- 
gewandt, der pagus, Hundertschaft, ricns und Mark identificiren will. 

^ Lex Sal. tit. 45. Der Widerspruch eines einzelnen genügte 
um den Fremdling auszutreiben. Vergl. über diese Steile Eichhorn, 
in der Zeitschrift I, p. 181, mit dem Pardessus in seiner Ausgabe 
p. 392 im ganzen übereinstimmt. ' S. unten im 6. Abschnitt. 

* Von den viliis iudominicatis, wie Eichhorn sie nennt, wo 
aller Grundbesitz in einer Hand lag und neben dem Herrn nur 
Hörige wohnten, ist hier natürlich nicht die Rede. 

^ Eichhorn a. a. O. p. 169 ff. geht freilich viel weiter (weni- 
ger schon D. St. u. R. G. § 83. 84 a.). Nach ihm hat die Gemeinde- 
Terbindung der Dorfgenossen eine dreifache Beziehung: 1) auf das 
Markrecht. Ich stimme bei, nur das ich mich gegen Markgerichte, 
die von den Volksgerichtcn verschieden sind, erklären muss (vergl* 
p. 43 n. J); 2) auf die Gesammtbürgscbaft. Nach meiner Meinung 
gab es weder eine solche noch die damit in Verbindung gebrachten 
Zehntächaften, Decanien, unter den Deutschen der älteren Zeit» 
dass die letzteren mit den Dorfern In Zusammenhang standen , würde 
sich auch wenn man ihr Vorhandensein zugäbe Dicht nachweisen 



63 



4. Die YolksyersammlaDgen. 

Die Fülle der politischen Macht unter den Ger- 
manen war bei der Gemeinde, deren Versammlung — 
vir können das Wort Thing dem Sprachgebrauch der 
Skandinavier und Sachsen entlehnen; ganz fremd ist es 
auch den oberdeutschen Stämmen nicht gewesen * — 
alles Recht und alle Herrschaft in sich vereinigte, von 
der alle Gewalt ausging. • 

{ Wie aber die Eintheilungen des Volks, der Völ- 

; kerschaft verschieden waren , so auch die Versammlungen 
'in denen sie erschienen. Jede Hundertschaft hatte ihr 
ieigenes Thing, in dem die Angelegenheiten derselben 
^behandelt und erledigt wurden. Aber auch der Gau 
featte seine Versammlung. Neben dem Heradsthing be- 
stand in Norwegen das Fylkithing, in Dänemark das 
$ysselthing, in England neben der Versammlung der 
Hundrede der Shiregemot; in Deutschland gab es eine 

lassen ; 3) auf die allgemeine Gerichtsverfassung. Ob es ein beson- 
deres Dorfgericht gab, ist doch noch sehr zweifelhaft. Weder der 
decannsy noch der tunginus, am wenigsten der grafio in der Lex 
Salica 45 , 2. 50 , 3. wird für einen Dorfrichter gelten können. Der 
tit. 45 beweist weder das Dasein einer engern Gesammtbürgschaft 
noch eines Markrechts ^ sondern blos einer geschlossenen Verbindung 
der Dorfgenossen, in die niemand als durch Gesammtbeschluss 
(antequam conventum fuerit, in einem Paragraph dieses Titels der 
sich nur in dem Text III, Herold's und der Lex emendala findet) 
oder Verjährung eintreten konnte. 

1 Grimm R. A. p. 747, Graff, Sprachschatz V, p. 176 ff. 



64 

Malstatt wie in jeder Gentene so im Gau ^J Ja wir 
sehen, wie unter den Friesen, im Brokmerlande , die vier 
Distrikte — ,Burar^, Bauerschaften, heissen sie — aus 
denen es bestand, jeder seine besondere Versammlung 
hielt , zugleich aber zweimal im Jahr alle sich vereinigten 
und die gemeine Gemeinde ^ bildeten. 

Dass ein Unterschied zwischen den Geschäften die- 
ser Versammlungen war, die allgemeineren hier, die beson- 
deren Interessen der kleinern Gemeinde dort verhandelt 
wurden, liegt in der Natur der Sache. Näheres aber 
lässt sich mit einiger Sicherheit nicht augeben. Tacitus 
scheint nur die grössere Versammlung des ganzen Gaus, 
der Völkerschaft, vor Augen gehabt zu haben ^. Die 
eigentlich politische Macht lag in ihrer Hand; sie gab 
und handhabte das Gesetz, sie war zugleich Gericht, 
entschied und beauftragte mit der Ausführung. Doch 

y Dies mit Weiske für eine Einrichtung spaterer Zeit za haU 
teO) scheint mir ganz unbegründet. 

^ Der AusdrucI^ ,mena mente^ findet sich nicht im Brok- 
merlande, wie Rieh thofen, Wörterbuch p. 921 bemerkt; dagegen ist 
hier der Ausdruck ,mena log* gewöhnlich; s. die Stellen eb. p. 908 
gesammelt. § 140 heisst es, eine Sache solle kommen ,a bredra 
warf, zum breitern, höhern Gerichte. ,Conciiio populorum com- 
muni, quod ab ipsis (Sueonibus) warph, a nobis thinc vocatur^ 
Adamus Brem. c. 229. 

' Vergl. unten. Er braucht stets den Ausdruck conciliom, 
c. 12. 13; yergl. Hist. IV, 64: concilium Agrippinensium, d. i. die 
Volksversammlung der Ubier in Köln. Und so schon Caesar VI, 
23: iibi qnis ex principibus In concilio dixit) IV, 19: Suevos, 
— more suo concilio habito, and von den Trevirern V, 66: In- 
dnciomarus — armatnm concilium Indicit; hoc more Gallorom est 
initium belli, quo lege communi omnes puberes armati convenire 
consueverunt — . In eo concilio etc.; vergl. I, 18 und sonst sehr 
häufig von den Versammlungen die die Gallier allein oder mit Cae- 
sar hielten. 



an allem hatte audi die VeniamailiiDg der Haodertschaft 
Tbeil; sie war für defi kleinem Rreb gans dasselbe 
was jeiie für die grössere Gemeinheit. 

Vor allem war die VeTsamnhmg auch Gericht, 
oder richtiger sie war eben Geriebt. * , Unter Geriebt 
denken wir uns heutzutage vonsugsweise Entscheidung 
der Rechtsstreite oder Bestrafung der Verbrechen. Ur- 
sprünglich aber überwog die Vorstellung von Volksver«»- 
sammlung (coneilium), in welcher alle öffentlichen Ange-*- 
legenheiten der Mark , des Gaus und der Landschaft zur 
Sprache kamen, alle Feierlichkeiten des unstreitigen 
Rechts, was wir freiwillige Gerichtsbarkeit nennen, vor- 
genommen, endlich auch Zwistigkeiten beurtheilt und 
Bussen erkannt wurden ^.^ Ob es förmlich bestimmt 
war, welche Sache in der Gauversammlung und welche in 
der der Hundertschaft %vi entscheiden war, ist schwer 
zu sagen ; selbst in späterer Zeit wissen wir nicht genau, 
was dem Centenarius entzogen und dem Grafen vorbe- 
halten war ^ ; erst in karolingischer Zeit ist das Verhält- 
niss beider näher bestimmt worden, aber so wenig dies 
als die Analogie nordischer, besonders isländischer Zustände 
kann hinreiGhende Anhaltspunkte geben , um Vermuthun- 
gen auch nur zu einiger Wahrscheinlichkeit zu erheben. 

* Grirom R. A. p. 745. Der Ausdruck des Tacitus c. 12: 
, Licet apud concillum accusare qnoque et discrimen capitis inten* 
dere' scheint daher nicht genau zu ^ein ; ich werde aber unten 
zeigen 9 dass er durchaus zutreffend ist. 

* Eichhorn § 74. Vergl. über die Befugnisse des Centenars 
Weiske p. 56, des Grafen p. 74. Ich bemerke dass ich allerdings 
das spatere Grafengericht ats ans dem des Gans hervorgegangen 
ansehe, jedoch die mannigfachen Modificationen und Abänderungen, 
die aus spätem Einrichtungen fränkischer Herrschaft hervorgingen, 
wohl zu berücksichtigen finde. 



.56 

Wir dürfen höchstens sagen, dass, wenn zwischen Mit- 
gliedern verschiedener Hundertschaften gestritten wurde, 
der Gauversammlung die Entscheidung zustand^, ebenso 
wo es sich um Lebensstrafen handelte, schon deshalb 
weil das Verbrechen das so zu strafen war in der Regel 
gegen die gesammte Gemeinde nicht gegen einen Ein- 
zelnen verübt war 2, Dagegen über Eigen, auch unbe- 
wegliches , kann gewiss auch die Hundertschaft gesprochen 
haben; in ihr gerade war dasselbe vertreten, und die 
Gleichberechtigten, Mitbetheiligten waren es die dann 
urtheilten. 

Wie nun aber weiter in den Versammlungen alle 
allgemeinen Angelegenheiten berathen und entschieden 
wurden, so auch die Geschäfte vorgenommen die öffent- 
licher Anerkennung und Beglaubigung bedurften. Darum 
fand hier die Wehrhaftmachung der Jünglinge Statt ^. 
Auch die Obrigkeiten wurden hier gewählt. 

Von anderm redet Tacitus nicht; es ist auch alles 
hierin enthalten. Die Versammlung selbst aber beschreibt 
er anschaulich und lebendig, so dass ich wenig hinzu- 
zusetzen finde. 

Es gab, sagt er, regelmässige und uuregelmässige 
Versammlungen ^ , wie es später hiess gebotenes und 
ungebotenes Thing. Nicht von grössern Landesversamm- 
lungen, wie sie sich nachher bildeten und in der Regel 
nur einmal, mitunter dreimal jährlich gehalten wurden, 

* Vergl. über Island Dahlmann II, p. 209. * S. unten. 

3 Tum in ipso concilio etc. c. 13. Vergl. unten im 8. Abschnitt. 

* c, 11: CoeuDty nisi quid fortuitum et subitum incidit, 
certis diebus, quum aut inchoatur luna aut implelur; nam agendis 
rebus hoc auspicatissimum initium credunt. 



57 

ist hier die Rede, sondern von den öfter wiederkehrenden 
des Gaus, der Hundertschaft ^. Diese richteten sich 
nach dem Mondwechsel , so wahrscheinlich dass mit jedem 
Neu- 2 und Vollmond oder doch einmal im Monat Ver- 
sammlung war, wie im Lande Hadeln immer auf deni 
vollen Monat Gericht gehalten wurde ^ und die Gerichts- 
fristen von 14 Tagen oder Nächten ^ auf einen solchen 
Ursprung hinweisen, auch spätere Gesetze ausdrücklich 
diese Zeit als die regelmässige bezeichnen ^. So war 

^ Ganz irrig ist die Auffassung Ungers, die altdeutsche 
Gerichtsverfassung p. 110, die Htägige Versammlung sei das ge- 
botene > die ein- bis dreimal jährlich gehaltene das ungebotene Thing. 
Tacitns kennt nur jene, und setzt ihr die bei ausserordentlichen 
Gelegenheiten berufene entgegen. 

^ Von den Gothen sagt Sidonius Apoll, carm. 7, v. 452: 
Lana nova veterum coetus de morc Getarum Contrahitur. 

» Grimm R. A. p. 821. 

* Nee dierum numerum, ut nos, sed noctium computant; 
sie constituunt, sie condicunt; nox ducere diem videtur. 

^ Lex Baiuvariorum II, 15: Ut placita fi|int per kalendas 
aut post quindecim dies, si necesse est^ ad causas inquirendas, ut 
Sit pax in provincia, et omnes liberi conveniant constitutis diebus 
ubi judex ordinaverit, et nemo sit ausus contemnere venire ad 
piacitum. — Lex Alamannorum 36: Conventus autcm secundum 
consnetudinem antiquam fiat in omni centena coram comite aut 
misso et coram centenario. Ipsum piacitum fiat de sabbato in sab- 
batnm aut quaü die comes aut centenarius voluerit, a septem in 
Septem noctes, quando pax parva est in provincia; quando autem 
melior e»t, post quatuordecim noctes fiat conventus in omni cen- 
tena, — Dazu vergleiche das Judicium qualiter hundretum teneri 
debeat. 1. Inprimis ut conveniant semper ad 4 ebdomadas, et faciat 
omnis homo rectum alii ; vergl. Edward c. 11; Lex Henrici I. 
c. VII, § 4: Debet autem scyresmot et burgemot bis, hundreta vel 
wapentagia duodecies in anno congregari , et sex diebus antea sub- 
moniri, nisi publicum commodum vel regis dominica necessitas ter- 
minnm preveniat; c. LI, § 2 fast gleichlautend^ nur dass 7 Tage 
bestimmt werden. 



58 

der Tag des ungebotenen Things jedermana bekannt, 
und auch das gebotene scheint frühzeitig yerkündigt wor- 
den zu sein, denen wenigstens die hier zunächst zu 
thun hatten. 

Aber nicht alle finden sich regelmässig eiu; meh- 
rere Tage gehen hin ehe die Versammlung vollzählig 
ist ^. Daher war oft harte Strafe darauf gesetzt wenn 
einer zu spät in derselben erschien; bei den Trevirern 
sollte der zuletzt kommende mit dem Leben hassen ^, 
In Island waren mehrere Tage zu den Reisen zum All- 
thing bestimmt; wer aber doch den genau festgesetzten 
Anfangstag versäumte, verfiel sogleich in Strafe ^. Der 
freien ungezügelten Willkühr suchte man durch solche 
Anordnung entgegen zu wirken. 

Waren alle erschienen, so ward die Versammlung 
eröffnet. Alle aber waren bewaffnet ^ ; wir sahen schon 
dass das als Recht des freien Mannes galt. Daher war das 
versammelte Volk zugleich das Heer und umgekehrt 
stellt das Heer auch die Gesammtheit des Volkes dar. 
So wie es vereinigt ist, steht es unter dem besondem 
Schutz der Götter; der Thingfrieden, Heerfrieden herr- 
schen, und die höchste richterliche Gewalt ist allein in 
der Hand der Priester, die wachen dass kein Friedens- 
bruch erfolge, und wenn es geschieht, ihn strafen im 
Namen der beleidigten Götter deren Diener sie sind ^, — 

^ llludex libertatevitiam, quod non »imul nee ut jussi con* 

teniunt , sed et alter et tertius dies cunctatione coeuntium absumitor. 

• Caesar V, 66. » Dahlmann H, p. 211. 

* Ut turbae placait, considunt armati. 

^ Silentium per sacerdotes , quibos tum et coercendi jus est, 
imperatiir. Vergl. vom Heer c. 7: Ceterum neque animad?ertere 
neque vincire, ne verberare quidem, nisi sacerdotibus permiMiia^ 



89 

Von den Priestern vird auch entschieden, ob eine 
Berathung den Göttern genehm ist Loose werden gewor- 
fen, und nur wenn sie günstig fallen, beginnt die Ver- 
handlung ^. So fragte der König der Schweden, als 
Anskar gekommen war und das Christenthum predigen 
wollte, die Götter was ihr Wille sei, und da das Loos 
entschied dass die christliche Religion gelehrt werden 
solle, trug er die Sache dem Volke vor ^. — Der 
Priester verkündet dann den Gerichtsbann ^, und die 
Versammlung isteröfihet. Der König, oder wo es könig- 
liche Gewalt nicht giebt der gewählte Fürst , beginnt die 
Verhandlung *• Dann spricht jeder wie ihn Alter, Adel, 
KriegsruKm oder Beredsamkeit auszeichnet; keiner gebie- 
tet , nur das Ansehn das ihm beiwohnt übt seinen Ein- 
fluss. Auch findet sich nichts von concurrirender Gewalt 
des Fürsten und des Volks , nichts von einer Sonderung 
nach Ständen und zu verschiedener Berathung. Die 

nöü quasi in pMnam, nee ducis jnssu, sed velut deo imperante, 
quem adesse bellantibus credunt. Richtig scheint mir \^ilda p. 239. 
234 diese so verschieden gedeuteten Nachrichten erklärt zu haben. 
^ Auspicia sortesque ut qui maxime observant ; — si publice 
consületnr^ sacerdos civitatis — interpretatur. Si prohibaerant, 
niilla de eadem re in eundcm diem consultatio. c 10. 

* Rimberti vitaAnskarii c27: Nam rex, congregatis primo 
principibas sais, de hac patris nostri legatione cum eis tractare^ 
coepit. dui Bortibus quaerendum statuerunt quae super hoc deornm 
esset voloDtas. Exeuntes igitur more ipsorum in campom, miserunt 
Bortes ; cetiditque sors qaod Dei volantate christiana religio ibi fun- 
daretnr. — Deinde cum dies placiti advenisset — rex — intimari 
fecit populo. 

* Silentium ^ imperatnr; vergl. Grimm R. A. p. 751. 

^ Mox rex vel princeps, prout aetas cuique, prout nobili- 
tas, prout decus bellorum, pront facundia est , aadiuntur aactoritate 
BoadeacU magis quam iubeadi poteatate. 



VenamnüaDg entscheidet und ihreEDtscheidaiig istGeseti, 
Recht Vorschlage werden mil hutem Zonirond Waffen- 
gekliir begrassl wenn sie gefatten; lautes onwilKges Ge- 
schrei verwirft was missliebig erscheint ^. 

Es ist onnöthig weitere Belege za dem za sammeln 
was Tacitos darstellt; die Geschichte giebt Beispiele 
genug Yon allem was hier angeführt wird. Alle germa- 
nischen Stamme, besonders die des Nordens, haben 
hieran lange festgehalten. 

Doch ist auch manches auf eigenthfimliche Weise 
umgebildet worden; wo alle Verhältnisse, der Zustand 
des Volks und der Verfassung sich änderten, konnten 
die Versammlungen , die die Grundlage von all^m waren, 
nicht in derselben Weise wie früher fortbestehen. 

Als die Völkerschaften sich zu grossem Ganzen 
zusammenschlössen, die Stammesverbindung lebendig und 
politisch wirksam sich zeigte, kamen zu dem Thing der 
Hundertschaft und des Gaus das allgemeine Landesthing, 
die Versammlung des Stammes, des Reiches. Da konn- 
ten nicht alle Freie erscheinen; schon die Entfernung, 
die Grösse des Volks machten es unmöglich. Von den 
Sachsen wird uns gesagt ^, dass Abgeordnete aus allen 

' Si displicuit sententia, fremita aspernantur; sin placoit, 
frameas concatiunt, honoratissimam assensus genus est armis laa- 
dare. Vergl. Hist. V, 17: Ubi sono armorain tripudiisque, ita illia 
mos, approbata sunt dicta ; Caesar VII, 21: Conclamat omnis 
multitudo et suo more armis concrepat Andere Stellen bei Grimm 
R. A. p. 770 ff. 

* Hucbaldi vita S. Lebnini, Pertz 11, p. 361 : Statnto 
quoque tempore anni semel ex singulis pagis atque ex — ordinibus 
tripartitis singiilaiim viri duodeeim electi et in unum coliecti, in 
media Saxonia secus flumen Wiseram et locnm Markio nuncopatam 
exercebant generale concilium, tractantea sancientea et propalaotea 



61 

Gauen zur grossen Landesversainmiung zu Marklo einmal 
jährlich zusammenkamen; und ich sehe keinen Grund 
die Nachricht in Zweifel zu ziehen ^. Schon Tacitus 
weiss zu erzählen, dass die stammverwandten suevischen 
Völker bei den Semnonen in einem heiligen Hain Ver- 
sammlung hielten^; nur von den Opfern die hier dar- 
gebracht wurden hat er gehört; aber wenigstens anderswo, 
auch bei den Sachsen ^^ waren die grossen Opfer mit 
den jährlichen Versammlungen des Volks verbunden ^. Auch 
hier waren es Abgeordnete der einzelnen Völkerschaften, 

communis commoda utilitatis iuxta placitum a se statutae legis. 
Sed etsi forte Belli terreret exitium, si pacis arrideret gaudium, 
consulebant ad haec quid sibi foret agendum. 

^ Vergl. Hildebrand, de veteram Saxonum republica p. 35 
Gaupp, Recht und Verfassung der alten Sachsen p. 33. Schau- 
mann, Geschichte des nieders'achsischen Volks p. 73 verwirft die 
ganze Nachricht , doch ohne dass ich seinen Gründen irgend etwa» 
einräumen könnte. 

* c. 39: Vetustissimos se nobilissimosque Suevorum Semno- 
nes memorant. Fides antiquitatis religione firmatur. Stato tempore 
in silvam auguriis patrum et prisca formidine sacram omnes ejus- 
dem sanguinis populi legationibus coeunt, caesoque publice homine, 
celebrant barbari ritus horrenda primordia. 

' In der vita S. Lebuini heisst es p. 362 weiter: Omnis 
Itaqne concionis illius multitudo, ex divers! s partibus coacta, primo 
suorum proävorum servare contendit instituta, numinibus videlicet 
suis Vota solvens ac sacridcra. 

* S. besonders Geljer, Geschichte Schwedens I, p. 99: ,Die 
grossen jährlichen Opferungen slimmelten und vereinigten das Volk. 
Wo man sie hielt war Friede, und selbst die Theiliiehmung an 
ihnen bezeichnete den Frieden der verschiedenen Stämme unter ein- 
ander. Unter dem Schutze dieses Friedens ward das Opfer nebst 
der dazu gehörenden Mahlzeit angestellt , Berathschlagung gehal- 
ten, Urtheil gefällt, Kanfhandel getrieben, weswegen Ting, der 
alte Name dieser Zusammenkünfte, zugleich Opfer, Gastmahl, 
Reichstag, Gerichtstag und Jahrmarkt bedeutet ^ Vergl. Dahlmann 
II, p. 117 und bes. Grimm R. Ä. p. 245. 745. 



anderswo die Angesebensteii im Staate die erschieneib 
Bei den Angelsachsen bildeten die Ersten des Landes 
den Micelgemot ; auch in der Yersanunlung der Sbire 
kamen die Vornehmsten ^, nur in der Hundertschaft, 
wie es sdieint , alle freien Gnindbesitzer zusammen. In 
Norwegen war sogar nur der zu kommen verpfliditet 
und seine Stimme zu geben berufen den des Kmigs 
Vogt dazu bestimmte; in Island bestand das Allthing nur 
aus den Gaden und Beisitzern die diese selbst sich wähl- 
ten ^ ; bei dem freien Volk der Dithmarschen bildeten 
ausschliesslich die Beamteten die Landesversammlung ^ ; 
nicht anders war es, so viel ich sehe, auf der friesi- 
schen Landesgemeinde zu Upstallesboom, wo die Richter 
und Vorsteher der einzelnen Seelande zusammenkamen ^. 
Von den besondern Formen des fränkischen Staats , wie 
da die Reichsversammlung sich bildete, doch nicht so 
ganz wie man wohl meint ohne Zusammenhang mit den 
altgermanischen Institutionen ^ , und wie sie überging in 
das deutsche Reich, habe ich hier nicht zu sprechen. 

* Lappenberg I, p. 577.581. Tergl. Leo^rectitudinesp. 178. 

• Dahlmann II, p. 323. 189. 

" DdhImatiD in s. Ausgabe des Neocorus, Anh. 19, 11, p. 543. 

^ Vergl. Wiarda, von den Landtagen der alten Friesen^ Ich 
beziehe mich besonders auf die Gesetze bei Richthofen p. 103, §6: 
Quicunque iurati seu consules ad^negotium pacis in Obstalsbaem 
deputati etc. (im friesischen Text : een riachter); in der Einleitung 
p. 102 heisst es jedoch: bos grietmanni, judices, praelatiet cLerns,' 
und in den Zusätzen: Nos gretmanni et judices — cum prelatis et 
dericis etc. Die Aufnahme der Geistlichen gebort offenbar einer 
spätem Zeit an. Doch beziehe ich mich nur mit Vorsicht auf fde-^ 
sische Verhältnisse bis wir Richthofen's Darstellung der Verfas- 
sung und des Rechts erhalten. 

^ Vergl. bes. die Bemerl^uogeB von Gtimm R. A. .p. 24$. 



63 

Ueberall aber liegt eine Beschränkung des alten Prinzips 
EQ Tage; die yeränderten Yerhäitnisse führten mitNoth- 
wendigkeit dazu; in der Versammlung die ein ganzes 
Aber weite Gaue ausgebreitetes Volk repräsentiren sollte 
var es unmöglich dass jeder einzeln und selbstberech- 
tigt erschien; ihm musste es geniigen, in hergebrachter 
Weise mit den Nachbarn zusammen zu kommen, den 
näheren oder entfernteren^ zu berathen, zu entscheiden 
was ihnen oblag. Die allgemeinen Angelegenheiten waren 
ihnen entzogen, so wie die Selbständigkeit, die Isolirt- 
iieit der Gemeinde, des Gaus ein Ende erreicht hatten. 
Doch mochte auf der allgemeinen Versammlung, 
wo Abgeordnete, oder erlesene durch Stand oder Amt 
ausgezeichnete Männer die Stimme hatten , auch das 
übrige Volk erscheinen, im Kreise umher zuhören und 
«eine Zustimmung geben. So reiste auf Island doch fast 
jeder zum Allthing , um an einem Rechtshandel Theil zu 
nehmen, Zeugniss zu geben ^ oder war das nicht der 
Fall , um zu sdien und zu hören was vorging. Nicht Mos 
die Abgeordneten der Gaue erschienen auf der Landes- 
Tersammlung der Sachsen; auch sonst sammelte sich 
mancherlei Volk und bildete einen Kreis um die Bera- 
tiienden her i. Nicht anders wird es in älterer Zeit 
gewesen sein, und nicht zu streng wird man es fassen 
dürfen, dass nur wer Eigen in der Gemeinde besass 

^ Tita S. Lebdini a. a. O.: Instante igitor temporis articolo, 
quo ipsius concilii alToret concio, adsunt quorom intererat, coetit 
undiqne secnm agglomerato. Zeugnisse über den Umstand 
bei Grimm R. A. p. 769. Selbst die Stelle der Lex Wisigoth. II, 
2,2: Andientia non tumultu aut clamore turbetur, sed in parte 
positis qui causam non habent, Uli soll Judicium ingrediantur quos 
constat interesse debere etc. bestätigt nur die Regel. 



64 

zum Kommen and Stimmen befugt war. Sollten Urthei- 
ler, Schöffen, gewählt werden, oder war ein Beschluss 
streitig und es kam auf die Zahl derer an die dafür 
oder dagegen waren, da hielt man sich gewiss an die 
strenge Ordnung; da wurden nur die Arimannen, Voll- 
bürger berücksichtigt. Bei allgemeinen Berathungen aber 
mochte schwerlich das Recht so streng gewogen werden; 
man zählte nicht ängstlich die Stimmen, lauter allge- 
meiner Ruf auch des Umstandes nahm an oder verwarf. 
Wer mag zweifeln, dass, galt es Krieg oder Frieden, 
Freiheit oder sonst das Wohl des Ganzen, auch die 
Söhne, auch die nicht Ansässigen, alle Waffenfähige, 
ihre Meinung ausgesprochen, ihre Stimme geltend ge- 
macht haben. 

Nach einem Prinzip der politischen Ordnung 
forschen wir und erkennen den Grundbesitz als sol- 
ches an; auf ihm waren die Einrichtungen die sich 
fanden begründet; aber auf diesem Grunde hatten auch 
andere Verhältnisse Raum sich zu regen und wirksam 
zu erweisen. Das freie, kräftige, jeder Beschränkung 
ungewohnte Volk achtete wohl der Formen wo es Noth 
that, aber es gab dem Leben, dem Augenblick sein 
Recht. Die Geschichte ' ist nicht in Widerspruch mit 
dem was wir als das Gesetzmässige in den Institutionen 
der Germanen zu erkennen meinen; aber sie ist mehr 
als eine blosse Bestätigung des Gesetzes, als eine Bewe- 
gung nach der vorgeschriebenen Regel. 



65 



5. Der Adel. 

Schon mehr als eiomal habe ich bei dieser Betrach- 
tung der ältesten deutschen Verfassung die nordischen 
Zustände zur Yergleichung herbeigezogen, nicht als meinte 
ich, man sei berechtigt alles was hier sich entwickelt 
hat auch in Deutschland zu suchen und immer auf gleich- 
artige Bildungen zu schliessen , sondern nur um auf analoge 
Verhältnisse hinzuweisen , die wenigstens in vielen Fällen 
aus derselben Wurzel wie die deutschen Einrichtungen 
hervorgewachsen sind. 

So will ich auch noch einmal an das besondere 
Ansehd erinnern das im hohen Norden mit festem Grund- 
besitz verbunden war. Der freiheitliebendste Stamm der 
skandinavischen Germanen, die Norweger, erkannten kein 
Vorrecht an als das hierauf beruhte. Der Odelsbauer 
allein hatte Bedeutung in der Gemeinde, es war ererbter, 
rechtlich geschützter qnd bevorzugter Grundbesitz der 
ihn auszeichnete, und den zu bewahren das Volk bis 
auf den heutigen Tag gestrebt hat. Unter den Odels- 
bauernaber ragte der ,hauldr^ hervor d. h. dessen Odel 
von Vater und Mutter her ohne Unterbrechung durch 
Erbgang erworben war; er den doppeltes Wehrgeld 
auszeichnete , der sich wohl den Jarlen gleich und wür- 
dig dünkte auch um Königstöchter zu freien ^. Freilich 
stehen diese Verhältnisse sehr vereinzelt, selbst den 
Dänen und Schweden ist solcher Vorzug eines Grundbesitzes 

^ Dahlmann 11, p. 303; rergl Wilda in Richter's kritischen 
Jahrbüchern 1837. p. 335 ff. 

5 



es 

vor dem andern jederzeit fremd geblieben ; etwas Gleich- 
artiges wird sich in Deutschland nirgends nachweisen lassen. 

Es bleibt aber doch die Frage y ob nicht in ande- 
rer Weise ein bevorrechteter, grösseres Ansehn, erwei- 
terte Befugnisse verleihender Grundbesitz avich schon im 
alten Deutschland sich fand. Es ist vor kurzem behaup- 
tet worden ^, und so undenkbar scheint es zunächst 
nicht. Doch ist die Sache nicht so leicht zu erledige«. 
Wir müssen suchen auf anderm Wege näher zu bestim- 
men worauf es hier ankommt. 

Adel (adal) mid Odel (nodal), die Worte stehen 
offenbar in Zusammenhang ^. Doch mag dieses Wort 
eher von jenem als umgekehrt Adel von Odel herzolei- 
terr sein. Adel bezeichnet das Geschlecht, Odel das 
Gut des Geschlechtes. Adaling, Edeling, ist wer vom 
GescMechto stammt, dessen Geschfecht ihm seine Stel- 
hing, eine ffedeuUmg giebf. Es drückt entschiedeii 
einen Vorzug aus, der mit der Greburt gegeben, durch 
kein persönliches Verdienst, nicht durch Amt oder sow- 
stige Leistung erworben werden kann. Auf das Maas» 
d^r Vorrechte kommt es bei dem Begriff zunächst nicht 
at*. Seihtet die Heulde in I^forwegea können wohl ede>- 
geborne Männer hefesen *, ebschoft sie kein anderes 
Vorrecht hatten ah ihnen der ererble, gesehl'echtsmäs-* 
sige Grundbesitz verlieb. 

Dass es unter den^ Deutsebe» schon ii> ältester Zeil 
einen solchen Adel gegeben hat, kam nicht i» Abrede 

^ R Milliter a. a. CX p. 17^ ^ ¥ngrer a. a« O. p. 21 ; T«rgL 
Leo, rectitudines p. 145. Die Ansicht findet sich freilich schon Tiel 
friüier» * Graff; Spvacbschats I, p. 141 — ^144. 

* Dahlmann 11, p. 304 d. S. 



«7 

gestellt werden; die Quellen geben deutliches Zeugniss 
davon, und niemand der unbefangen und ohne vor-r 
gefassle Ansicht* sich ihnen zuwendet wird es verkennen 
können. Aber so sehr man Recht hat dies hervor- 
zuhebea und festzuhalten, so sehr hat man sich zu hüten, 
dasg man das Wesen des deutschen Adels nicht falsch 
auffasse ^. 

Wir halten uns zunächst an die Nachrichten die 
Tacitus giebt. 

Er kennt und nennt Adel und Adlige an mehreren 
Stellen; ,nobiIttas^ ,nobites^ sind die Worte die er 
dafiir gebraucht. Neben einander erscheinen Adlige (nobi- 
les), Freie (ingenui), Freigelassene (liberti, libertini) 
und Sklaven 2, Adlige werden als Heerführer ^ und in 
andern Verhältnissen ^ genannt ; junge Adlige lieben 
besonders den Krieg und suchen ihn auch in der Ferne 

^ Es ist das zugleich mein Urtheil über v. Savigny's Bei- 
trag zur Rechtsgeschichte des Adels im neuern Europa. In der 
Hauptsache scheint er mir ebenso sehr Recht wie in den meisten 
Einzelheiten Unrecht zu haben. Wilda's Kritik in Richter's krit. 
Jahrbüchern 1837, der noch einmal das Nichtvorhandensein eines 
Adels als eines eigenen Standes darthun will, enthält im einzelnen 
viel beachtungswerthes , im ganzen scheint sie mir aber die >Vahr- 
heit durchaus zu verfehlen. Nur das ist nachgewiesen, dass aus 
höherem Wehrgeld nicht immer auf Adel geschlossen werden kann. 

* c. 25: ibi enim (liberti) et super ingenuos et super nobi- 
lea as.cendunt ; c. 44 : Enimvero nequc nobilem neque ingenuum ne 
libertinum qnidem armis praeponere regia utilitas est. Vergl. Grimm 
R. A. p. 226. 

" Hist IV, 12: cohortibus, quas Tetere instituto nobilissimi 
popalariom regebant, bei den Batavern. 

^ multi nobilium unter den Batavern , Ann. II, 11; erat 
aatem. Inter Gothones nobiHs javenis^ Ann. II, 62; feminae nobi- 
les, roter qua» oxor ArmiaU eaderaque filia Segesiis, Ann. I, 57. 

•■ 5* ' 



68 

wenn daheim Frieden ist ^; gerne nahm man Adlige, 
aacb Jungtrauen, zu Geiseln, weil man glaubte dadurch 
die Völkerschaften sich fester zu verbinden ^ ; die Ver- 
mählung des Adligen wurd^ besonders gesucht, und er 
nahm wohl, und zwar aus diesem Grunde, mehr als 
eine Frau ^. Auch andere Vorrechte werden erwähnt. 
Ausgezeichneter Adel gereicht schon den Junglingen zum 
Vortheil ^ ; Adel gehört zu den Eigenschaften die auf- 
fordern in der Versammlung zu reden und Ansehn beim 
Volke verschaffen ^ ; aus oder nach dem Adel endlich 
werden die Könige gewählt *. Vom Trevirer Glassicus 
wird Adel und königliches Geschlecht gerühmt ^. Bei 
den Cheruskern, erzählt Tacitus ^ , waren alle Adlige 

* ^ c. 14: Si civitas in qna orti sunt longa pace et otio tor- 
peat, plerique nobiliam adolescentium petunt nitro eas nationesquae 
tum bellnm aliqaod gerunt. 

* Hist. IV, 28: societate nobilissimis obsidum firmata; Germ, 
c. 8: adeo nt efficacins obligentur animi civitatum,, qoibus inter 
obsides puellae quoqne nobiles imperantnr. 

> c. 18: non libidine sed ob nobilitatem plnrimis nuptiis 
(admodum panci) ambiuntnr. 

* c. 13: Insignis nobiiitas ant magna patrum merita princi- 
pis dignaiionem etiam adolescentulU assignant. lieber diese Stelle 
0. unten die erste Anmerkung zum 6. Abacbnitt. 

* c. 11: prout aetas cuique, pront nobiiitas , prout decus 
bellornm, prout facundia est, audiuntur etc. 

' c. 7: reges ex nobilitate — sumunt. Nur die beiden letz- 
ten Stellen und die c. 13 fübrt Pardessus in der 5. Dissertation 
zu seiner Ausgabe der Lex Salica (Loi Salique. Paris 1843. 4.) 
p. 498 an, und meint, wenn er bier nobiiitas von personlichen Vor- 
zügen erklärt, den Adel bei den alten Deutschen überhaupt beseitigt 
zu haben. 

^ Hist. IV, 55: Classicns nobilitate opibusque ante alios; 
regiun) illi genus et pace belloque clara origo. 

* Ann. XI, 16: amissis per interna bella nobilibus et ono 
reliquo stirpis regiae— ; 17: qnando nobilitate ceteroa anteiret etc. 



e9 

bis auf Italicus gefallen; dieser aber, der alle ändern 
an Adel übertraf und allein vom Konigsgeschlecht übrig 
war, wurde nun zum Herrscher gewählt. 

Nur Eins wird in diesen Stellen dem Adel zuge- 
schrieben das als ein Wesentliches erscheint, das ihn 
über alle hervorhebt. Denn jenen Vorzug den seine 
Söhne hatten konnten auch persönliche Verdienste des 
Vaters verschaffen; in der Volksversammlung aber galt 
Alter, Kriegsruhm, Beredsamkeit nicht weniger als Adel. 
Aber zur Rönigswürde berufen konnte niemand werden 
den nicht der Adel seines Geschlechtes dazu bestimmte. 

Deshalb hat man behauptet ^ , das sei Adel aus 
Königsgeschlecht stammen ; Anrecht auf die Königswürde 
haben sei das Vorrecht, das Wesen des Adels. 

Man wird Bedenken tragen müssen so ohne wei- 
teres dieser Ansicht beizutreten; wir können aber nicht 
umhin näher auf die Sache einzugehen. 

Dass die Könige der alten Germanen überall wo 
sie sich finden aus bestimmten Geschlechtern genommen 
wurden, ist gewiss genug; innerhalb derselben mochte 
man wählen, aber von denselben abweichen nicht ohne 

m 

^ Lobell, Gregor von Toars und seine Zeit p. 115. 116; 
Tergl. über die angelsächsischen Verhältnisse Lappenberg I , p. 562. 
Schon Grimm R. A. p. 269 sagt: ,Da der Adel überhaupt angese- 
hen werden muss nicht als ein ursprünglich von dem Stand der 
Freien verschiedenes, vielmehr als ein aus ihm durch die nähere 
Beziehung auf die Würde des Herrschers und Königs hervorgegan- 
genes % fasst aber^ wie mir scheint, die Sache zu unbestimmt (er 
fügt selbst hinzu: ,da er also seiner Natur nach eine unbestimm- 
tere Bildung als jener hat ' ) und unterscheidet nicht genug die Zei- 
ten und die Verhältnisse. — Ich bemerke noch dass ich hier einiges 
von dem wiederhole was ich schon in der Recension von Lobell's 
Buch in den Gott Gel. Anz. 1841 St. 78. 79 p. 778 gesagt habe. 



70 

besondere Noth; das Wahlrecht des Volks war durch 
den Erhanspruch des Königshauses gebunden; zu allen 
Zeiten der deutschen Geschichte ist das der Fall gewe- 
sen. Jene Geschlechter reichen oft in das Dunkel hei- 
liger Urzeit hinauf; aber auch wenn ein Fürst zuerst 
das Rönigthum einführte, ehrte das Volk die Rechte 
der Nachkommen; wie Marobods Stamm alsbald als ein 
königlicher angesehen wurde ^ , da er doch selbst erst 
die Herrschaft begründet, für sich geschaffen hatte. 

Auch werden diese Geschlechter zum Adel gerech- 
net; Tacitus sagt das deutlich an mehreren Stellen 2^ 
und wir finden es in späteren Zeiten hinlänglich bestätigt; 
der Sohn eines angelsächsischen Königs • wird ätheling 
genannt ^ , die Angehörigen der Könige stehen überall 
dem Adel gleich, mitunter scheinen sie allein denselben 
zu bilden. 

Aber es gab Völkerschaften , bei denen nicht Königs- 
Würde bestand und doch ein Adel war; es gab andere, 
denen mit Bestimmtheit mdhr als ein adliges Geschlecht 
Zugeschrieben werden kann. Beide Verhältnisse for- 
dern eine nähere Erörterung. 

D# erstere so zu erklären als sei hier das König- 
thum untergegangen, einst habe es auch bei diesen 
Stämmen bestanden, sei bei allen herrschend gewesen *, 
widerstreitet aller Geschichte ; den ganzen Gang der 
politischen Entwickelung bei den deutschen Germanen 

1 c. 42: M&rcomaniiis Qaadisque — reges manserunt ex 
gente ipsoriim, nobile Marobodui et T«idri genus. 

* Eben c. 7. 42. Ann. Xf, 16. 17 scheinen mir das aufs 
deutKchste darzuthun. 

8 Phillips D. G. I, p. 113, ^ Lappenberg I, p. 662. 

'^ Löbell p. 523, Barth, Urgeschichte IV, p. 238. 



71 

mossten wir umkebren um m die«er Annabnie zu gelaDgeo. , 
Nicht allein dass die Quellen einer ehemaligen, durch 
•politische Revolutionen dann später beseitigten Königs- 
faerrschaft nirgends gedenken; auch alles übrige steht 
einer solchen Auffassung entgegen. 

Vollkommen organisch ausgebildet ist der Zustand 
der Verfassung bei den Völkern die der Königsherrschaft 
ermangeln, ich erinnere nur an den sächsischen Stamm^ 
und mit grosser Hartnäckigkeit halten sie an den For- 
men fest in denen sich ihre Freiheit bewegt, nicht weil 
sie mühsam erworben ,' sondern weil sie mit der Natur 
ihnen angewachsen sind. Dagegen auch wo Königthum 
herrscht, sehen wir nicht dass man sich demselben ent- 
gegensetzt, an eine Abschaffung desselben denkt; wird 
auch einmal die Reihe der Könige unterbrochen ^ , so 
doch nur auf kurze Zeit, und es hat dann in besondern 
historischen Verhältnissen seinen Grund; nirgends zeigt 
sich eine demokratische Opposition dem Königthum gegen- 
über, wie sie sich finden müsste, wenn jene freie Ver- 
fassung anderef Stämme aus einer Bewegung gegen dasselbe 
hervorgegangen v^e. Beide Staatsbildungen stehen 
gesondert , wenigstens bei den meisten Stänmaen ; die 
eine scheint so ursprünglich wie die andere zu sein ^. 

' Bei den Franken dorefa die Herrschaft des Aegidias , ob- 
gleich Gregorina Tur. II , 12 auch diesen als rex bezeichnet; bei den 
Westgolhen nachdem sie sich ?on den Ostgothen getrennt hatten 
ehe sie den Alarich wählten; bei den Langobarden nach* dem Tode 
des Gleph, Panlas Diac. II, 32; bei den Angelsachsen in VfesseiL, 
Beda IV, 13. Auch aus der nordischen Sagengeschichte lässt sich 
ein Beispiel anführen, Saxo VII, ed. Müller p. 350: Ctui quum se 
consuetae nobilitatis regimine defectos viderent, regnnm popn« 
laribus tradunt, creatisqne ex plebe principibus etc. 

* Man denke namentlich an den skandmarischen Norden, 



72 

Doch giebt es Völkerschaftea wo sie im Kampf 
mit einander stehen oder sonst auf eigenthümliche Weise 
sich berühren. Bei einigen denen Königsherrschaft fremd 
ist giebt es Familien die als königlich benannt werden; 
auch ohne König königliches Geschlecht. Dem Julius 
Paulus und Claudius Civilis legt Tacitus königliche Ab- 
kunft bei ^, obschon die Bataver und andere westliche 
Stämme denen sie angehören früher keine Könige kann- 
ten 2. Auch der Trevirer Classicus soll aus königlichem 
Geschlechte stammen ^5 da^ doch seine Vorfahren nur 
als Fürsten (principes) des Volks erscheinen. AlsArmi- 
nius in den Verdacht kam nach dem Königthum zu streben, 
erhob sich gegen ihn das Volk das ihm so vieles ver- 
dankte*, und er büsste den Versuch mit dem Leben; 
nichtsdestoweniger wird seinem Neffen königliche Abkunft 
zugeschriebeQ , ja diese und diese allein verschaffte ihm 
die Herrschaft über sein Volk. Es reicht nicht aus dass 
man sagt, das Königthum von dem hier die Rede 
führe mit Unrecht den Namen, nur ein Fürstenthum, 
ein anderweitiges Regiment sei gemeint, ebensowenig 
dass man wo von königlichem Geschlecht gesprochen wird 
den Ausdruck für ungenau erklärt ^ ; Tacitus hat sicher 

wo auch die frühsten mythisch -historischen Erinnerungen sich an die 
Namen von Konigen knüpfen und in allen Perioden der Geschichte 
Konigsherrschaft gilt. 

^ Hist. IV, 13 : regia stirpe mnlto ceteros anteibant. 

' ^Später hat freilich Ammianus XVJ ^ 12, 45: Batavi venere 
cum regibus. 

^ Die Stelle s. oben p. 68 n. 7. lieber Induciomarns vergi. 
Caesar V, 3. 

* Ann. II , 88 : Arminias regnum affectans — libertatem 
popularium adversam habuit. 

^ So Siefert, de veterum Germanarum gentium regibus. 



73 

nicht ohne Grund die Worte gewählt und wusste was 
er damit bezeichnen wollte. Auch bei den Stämmen 
die keine Könige hatten konnte es ein Geschlecht geben 
das gewissermassen den Anspruch hatte es zu sein, des- 
halb weil es das edelste war, seinen Ursprung zu den 
Göttern hinaufführte, seit Jahrhunderten als das erste, 
heiligste von allem Volk geehrt und anerkannt wurde, und 
darum konnte es königlich heissen. Auch König, ku- 
ning , hängt mit einem Wort zusammen das Geschlecht 
bedeutet; es war das Geschlecht der Geschlechter aus 
dem er gewählt wurde, der Adel des Adels. 

Gab es aber bei einigen Völkerschaften königlichen 
Adel ohne Königthum , so fand sich häufiger und gewöhn- 
licher Adel wo weder von dem einen noch dem andern 
die Rede ist. Tacitus hat bei seiner Schilderung der 
germanischen Zustände, das erhellt leicht, überall haupt- 
sächlich die Stämme vor Augen wo kein Königthum sich 
ausgebildet hatte; er gedenkt desselben nur als Aus- 
nahme, er nimmt Rücksicht darauf, aber er hebt es 
dann auch ausdrücklich hervor. Dagegen Adel kennt 
er überall, spricht von demselben ohne alle Beschrän- 
kung; es giebt der adeligen Jünglinge so viele, dass 
sie bei den Kriegen benachbarter Stämme auftreten; in 
den Volksversammlungen ist der Adel von Bedeutung, 
er erscheint durchaus als ein Stand der den übrigen zu 
vergleichen war. Von einem einzelnen, unter jeder 
Völkerschaft isolirt lebendem, mit jenem besondern An- 
spruch versehenem Geschlechte, wenn wir uns dasselbe 
auch noch so zahlreich und vielverzweigt denken, hätte 

Neobrandenburgi 1818. 4. p. 9, Gaupp, das Gesetz der Thüringer 
p. 101, auch H. Müller p. 187 and vorher. Dagegen LöbeU p. 518. 



74 

«der SebrifkiteUer so nicht sprechen können. Dara kommt 
4ms auch wirklich das Eönigsgeschlecht und anderer 
Adel aus einander gehalten werden, vom Tactius selbst 
wo er die Erhebung des Italicus erzählt Alle Adligen 
waren gestorben und vom Rönigsgeschlecht war dieser allein 
qbrig; so wird doch deutlich zwischen beiden unter- 
schieden. Lieber als den in Rom lebenden Italicus hätte 
man einen andern erhoben, wenn nur Adel ihn aus- 
gezeichnet hätte. Sollte niemand, meinten einige, in 
der Heimath sich finden, der würdig sei an die Spitze 
des Volks zu treten. Es war keiner, und deshalb wurde 
Italicus aus Rom berufen und zum König gewählt ^. 
Die Erzählung zeigt, dass wohl auch die andern Ge- 
schlechter des Adels ein gewisses Anrecht an die höchste 
Gewalt, dasRönigthum hatten, nur ein niederes, beschränk- 
teres; es hätte den in der Fremde lebenden Italicus 
ausgeschlossen, aber es trat erst ein, wenn das könig- 
liche Geschlecht erloschen oder durch besondere Umstände 
unFähig geworden war die Herrschaft weiter zu fuhren. 
So zeigt es sich auch bei den Gothen. Das Geschledit 
der Amaler war das königliche; aber es gab ein zwei- 
tes, das ihm nahe kam, eine secunda nobilitas, dieBal- 
then 2, Als sich das Volk spakete, die' Westgothen 

1 Ann. XI, 16. Die Worte ,adeo nemioem iisdem in ter- 
ris ortum, qui priocipem locum impleat' darf maa nicht so verste- 
hen, als sei nur von einem Fürstenthum die Rede, als stände 
,priucipis locum ^; es heisst zu bestimmt vorher: regem Romaepeti- 
vit, tmd gleich darauf: si filius hostilt in solo aduhus in regnum 
venisset. 

^ Jordanis c. 29: Alaricum, cui erat post Amalos secunda 
nobilitas Bafthorumque ex genere origo mirifica , quod dudum ob 
aadaciam vir totis tmkha , id est audax , Donen inter suos aoceperat 



75 

von den Ostgotben trennten und zu einem besonderen 
Staat absonderten, da wurde dies Geschlecht unter ibnea 
als das erste, zur Eönigswürde berechtigte angesehen; 
¥orher_ aber in dem einigen ungetrennten Volke stand 
es jenem nach, es war Adel, aber kein königlicher 
Adel. Seine Bedeutung konnte nicht darauf beruhen, 
dass die Gothen sich gewöhnt hatten die Berechtigung 
zur königlichen Macht mehreren Geschlechtern zugleich 
zuzuschreiben^. An sich schon ist das undenkbar, wider- 
spricht allen politischen Verhältnissen, die Geschichte 
weiss nichts davon zu sagen. Erst da ein neues Volk 
entstanden war, musste auch ein neues Geschlecht zum 
königlidien gcwissermassen gemacht werden ^ ; Adel aber 
war es schon vorher gewesen. Beruft man sich dagegen 

1 ivie LÖbell mH p. 523 n. 

* Zweifelhaft kann es sein, ob wir dies erst mit der Wahl 
Alarichs eintreten lassen oder mit Jordanis in altere Zeit zurück- 
versetzen. Dieser sagt nemlich c. 5 schon von der Zeit da die 
Gothen noch in den Gegenden desPontus wohnten: divisi per fimi- 
lias Vesegothae famUiae Baltkorum , Ostrogothae praedaris Amalis 
serviebant, und es scheint mir nicht uöthigdies mitAschbach (Geschichte 
der Westgothen p. 66 n. 42) für blosse historische Anticipation zu 
liaiten. Freilich gehört es nicht jn Jene ferne Urzeit die Jordanis 
andeutet , aber ich sehe doch keinen Grund zu zweifeln , dass gleich 
bei der ersten Theilung des Volks in die beiden Stsmme — und 
diese geschah doch jedenfalls schon in jenen Sitzen — auch in 
jedem derselben das edelste Geschlecht als das herrschende hervor- 
trat. Es verlor bei den Westgothen spater nur deshalb auf lange 
Zeit seine Bedeutung, weil diese nieder den Ostgotben unterworfen 
waren (c. 17. 24. 48), es trat aber in seine Rechte wieder ein, 
sobald die Königsherrschaft hergestellt wurde. Wollte man aber 
auch annehmen, dass diese erst mit Alarich ihren Anfang genom- 
men , wenigstens vorher kein Baithe sie erlangt hätte , so wäre das 
doch kein Grund, nra mit Aschbach (a. a. O.) und Luden (Ge- 
schichte der Teutschea II, p. 337. 569) zu behaupten, dass das 



76 

auf die Verhältnisse der Angelsachsen , bei denen es 
keinen andern Aäel gab als den der Königsgeschlechter ^, 
so muss man daran erinnern, dass es neu gebildete, 
von den heimathlichen durch wichtige historische Vor- 
gänge getrennte Zustände sind die hier vorliegen. Nicht 
das ganze Volk der Sachsen und Angeln wanderte aus, 
sondern einzelne Abtheilungen, Haufen, jeder unter sei- 
nem besonderen Führer. Dass darunter keine andere 
Adelsgeschlechter waren * als die in der neuen Heimath 
zur Herrschaft; gelangten, ist eine historische Thatsache 
die sich leicht erklären lässt, die aber zu Rückschlüssen 
auf heimische Verhältnisse nicht berechtigt. Wir wissen 
dass es bei den Sachsen wahren Adel gab ^ , obgleich 
nirgends weniger eine Spur von Königsherrschaft zu finden 
ist. Erst unter den ganz neuen Verhältnissen in die 
das Volk auf dem fremden Boden eintrat hat sich diese 
gebildet; aus dem Adel ging nun das Königthum her- 
vor, nicht umgekehrt beruht der Adel auf dem Begriff 
der Königswürde. ^ 

Zahlreich sind aber die Adelsgeschlechter bei den 
einzelnen Stämmen niemals gewesen. Bei den Baiern 
finden wir neben dem herzoglichen Hause der Agilolfingen, 

Geschlecht selbst erst von Alarich begründet worden sei. ^s würde 
im Gegentheil nnr folgen, dass es um so länger einen Adel ohne 
Bezng auf königliche Rechte Bei den Gothen gegeben habe. 

^ Schmidt, die Gesetze der Angelsachsen p. LXXIV, Lap- 
penberg I, p. 562. Den Gegenbemerkungen von Leo, rectitiidines 
p. 163 kann ich mich nicht anscbliessen. 

^ Das geht ans den Nachrichten des Nithardus, Rudolfus 
u. a», die v. Savigny p. 7 ff.' zusammenstellt , so bestimmt hervor, 
dass es unbegreiflich ist , wie Schaumann p. 78 , Wilda bei Richter 
p. 242 (der seine Meinung jedoch. Strafrecht p. 99, schon modi- 
ficirt hat) Einspruch erheben können. 



77 

das wahrscheinlich eiast ein königliches war ^, vier andere 
Geschlechter^, mit bestimmten Namen bezeichnet, vor 
allem Volk ausgezeichnet und geehrt. Man hat wohl 
gemeint, es seien die Häuptlinge der verschiedenen zu 
dem Stamme der Baiern zusammengeflossenen Völker- 
schaften gewesen; und ich will es nicht gerade be- 
streiten. Wenn man aber glaubt, auf diesem Wege 
überhaupt die Entstehung und das Wesen des Adels 
erklären zu können; er sei vielleicht nicht immer das 
zum Königthum berechtigte Geschlecht, aber ursprüng- 
lich sei er das gewesen und nur durch historische Ver- 
hältnisse, vornemlich durch Vereinigung mehrerer Völker- 
schaften, Unterwerfung einer unter die andere, habe 
er diese Bedeutung verloren : so muss ich doch Bedenken 
tragen dieser Ansicht beizutreten. Die Jarlgeschlechter 
des Nordens werden, und wie es scheint mit gutem 
Grund, auf diesen Ursprung zurückgeführt; dort gab es 
in der That keinen Adel als der auf Verwandschaft mit 
dem Königshause oder auf Abstammung von alten nun 
ihrer Herrschaft beraubten Königsgeschlechtern beruhte ^. 
In Deutschland aber findet sich Adel bei Stämmen wo 
von Königen nie die Rede ist, es finden sich mehrere 

^Paulas Diac. nennt mehrmals den Herzog der Baiern rex; 
es ist bekannt genug dass die grossen deutschen Herzogthumer 
später häufig regna genannt werden. 

^ Lex Bajuvariorum tit. 2. c. 20: De genealogta qui Tocantur 
Huosidroza, Fagana, Hahilinga, Anniona; ist! sunt quasi primi 
post Agilolfingos^ qui sunt de genere ducali. Ulis enim duplnm 
honorem concedimus. Et sie duplam compositionem accipiant. Agilol- 
iingi rero usque ad dncem in quadruplum componantnr, quiasummi 
principes sunt inter eos. Ueber die Lesart yergl. Grimm R. A. 
p. 270. * Dahlmann I, p. 173. 174. II, p. 304. 



78 

GescMechter neben einander wo die Geschichte von Yer- 
bindung mehrerer Völkerschaften nichts zu berichten weiss. 
b eine vorhistorische , aller Ueberlieferung vorangehende 
Zeit müssten wir hinaufsteigen, um eine solche Ent- 
wickelung möglich zu finden. Wer wollte es gerade 
leugnen, dass dort auch Revolutionen solcher Art vor* 
gegangen sein können. Ob wir uns aber darauf berQ'- 
fen oder ob wir aussprechen dass der Ursprung des 
Adeb sich unsern Blicken entzieht, scheint mir völlig 
dasselbe. 

Nicht Wos die Nachricht von den vier Geschlech- 
tem bei den Baiern, auch andere Umstände machen es 
deutlich, dass der Adel nicht zahlreich unter den Deut- 
schen war. Dass kein anderer sächsischer Adel nach 
Brittannien zog als der zur Herrschaft gelangte , habe ich 
schon angeföhrt. Bei den Cheruskern waren alle AdKge 
in den innern Kriegen der letzten Jahre gefallen ^ ; an 
emen grossen Theil des Volks ist dabei nicht zu denken. 
Unter den Franken finden wir, als sie Gallien erobert 
hatten., keine deutlichen Spuren eines alten Adels; es 
kann sein, dass er in den neuen Verhältnissen seine 
ake Bedeutung verloren hatte ; es ist aber wohl möglich, 
dass er in den vorhergehenden Bewegungen und Kämpfen 
untergegangen war bis auf das Königsgeschlecht 2. 

Um so wichtiger ist es, nach der Bedeutung, den 
Rechten dieser Adelsgeschlechter zu fragen. Aber nichts 
weniger als deutlich liegen diese zu Tage; es ist nicht 
HMAder schwierig hierüber ins Reine zu kommen als die 
Entstehung des Adels anzugeben. 

1 Ann. XI, 16: amissia per interna bella nobilibos. 
« Lobell p. 165. 166. 



7ft 

Bie Meinung dass der Adel , wie er iins sich zeigte, 
bfes auf grösserem Grundbesitz beruht habe, müssen 
wir DUR entschieden aufgeben. Das raüsste ein ganz 
anderer, viel ausgedehnterer, zahlreicherer gewesen sein; 
der hatte sich vielfach, alle Tage neu bilden^ auch nicht 
UBter^ehen können; denn wer den gleichen, oder doch 
wer dee einmal berechtigten Grundbesitz ^ erwarb , musste 
auch die darauf hafleoden Rechte erlangen. Der Vor-t 
zug wäre doch immer nur ein beschränkter gewesen; 
kein so eigenthümlicher Gegensatz zwischen diesen Ge« 
seMechtern und dem übrigen Volk wie er sich findet 
könnte sich herausgebildet haben ^. 

Von andern ist auf die Verbindung des Adels mit 
dem Priesterthum hingewiesen ^, doch nur Vermuthun« 
gen sind aufgestellt , kein historischer Zusammenhang ist 
dargethan worden. Und so viel ich sehe lassen weder 
allgemeine Verhältnisse noch besondere Zeugnisse etwas 
derartiges erkennen. Wohl, übte wie in der Familie der 
Hausherr, so in der Gemeinde, im Ga» der Vorsteher 
desselben priesterliche Functionen aus; aber nur in so 
fern als er die. Herrschaft führte ^ ; auch die Obrigkeiten 

1 Den. Edelkof , wie sieh das H. Müller denkt. 

* Noeh \iol weniger kann Wilda's Aniücht bestehen , der blas 
frjkeero Besitz und ähnliche zufällige Auszeichnungen wie Aemter 
und dergl. für den Grund ansieht , warum einige Tof den andeca 
ILftog , höheres Wehrgeld und anderes voraus hatten. Wie es Athelbon- 
tden gab, so hätten auch solche Athalingo, nobiles^ prirai, genaaiit 

w«fdeo können (bei Richter p. 343). Gerade aber in solchen Fra- 
0fft g^wgt es nIclU die todten Bestimmungen der Gesetze zu erklä- 
re« , sottdern man muss die lebendige Geschichte befragen. 

* Sichhorn § 14 b a.B, Leo, Geschichte von Italien I> p.5a, 
Pfail6p9 l, p. 111 /Grimm R. A. p. 270. 

^ Man scheint in der Regel beides zu sehr ffir gUichbedeutend 



80 

die nicht aus dem Adel, wenigstens nicht ausschliesslich, 
hervorgegangen waren , sind in dem Besitz priesterlicher 
Rechte ^. Von priesterlichen Geschlechtern aber, die nicht 
zugleich königliche gewesen , weiss die Geschichte nichts 
zu berichten ^. Nur in so weit als man den Adel mit 
dem Königthum in Verbindung bringt, in ihm die herr- 
schenden Geschlechter findet, in so weit man also in 
jene vorhistorische Zeit zurückgeht , kann man auch eine 
Verbindung dieser Art wahrscheinlich finden. Zu des 
Tacitus Zeit sind Adel und Priesterthum völlig geschie- 
den ^ ; die Bedeutung die der Adel damals hatte kann 
nicht auf priesterlichen Vorrechten beruhen. 

zu halten 9 wenigstens was Eichhorn anführt bezieht sich nur auf 
die Obrigkeiten oder muss auf andere Weise (über die Rechte des 
Priesters im Heer und in der VolksTersammlung s. oben p. 58. 59) 
erklärt werden ; nur Phillips 'unterscheidet beides. Doch die Gründe, 
warum der Adel auch .als solcher priesterlicher Natur gewesen sei> 
sind durch kein Zeugniss zu bestärken und halten auch an sich 
nicht Stich. Denn so wie mehrere Familien sich zu einer Gemeinde, 
Gemeinden zu einem grössern Staats- und Yolksverbande vereinigt 
hatten , musste das Recht zu opfern nicht den Nachkommen irgend 
eines Erstgebornen 9 den niemand unter so verschiedenen eben nicht 
mehr blos durch verwandschaftliche Beziehungen verbundenen Hän- 
sern hätte nachweisen können , sondern dem Vorsteher der Gemeinde, 
dem herrschenden Geschlechte wo es ein solches gab, sonst dem 
der an der Spitze derselben stand, zufallen. Das Vorhandensein 
solcher priesterlicher Geschlechter leugnet selbst Mone , Geschichte 
des Heidenthums JI, p. 12. Es würde aber viel zu weit führen, 
immer diese phillipsischen Erfindungen zu widerlegen; wie ich denn 
den, freilich sehr verschiedenen, Ausführungen eines andern deutschen 
Historikers lieber ganz aus dem Wege gegangen bin. ^ S. unten. 

^ Die hütetragenden adligen Priester die Jordanis erwähnt, 
c. 11 , scheinen nicht den Gothen sondern den Geten anzugehören, 
obgleich das folgende allerdings sich auf jene bezieht, s. unten. 

* Das zeigen alle Stellen wo Tacitus von den sacerdotes 
(spricht 9 die ich unten noch näher anführen werde. 



81 

Worin sie deon bestand? ich weiss es mit Be- 
stimmtbeit nicbt zu sagen, und alle Zeugnisse die uns 
zu Gebote stehen geben keine Antwort. Die Verhält- 
rilsse werden als gegeben betrachtet, weder nach ihrer 
Entstehung noch nach ihrer Bedeutung haben die Zeit- 
genossen gefragt. Nun bleibt nichts übrig als zu sagen : die 
Bedeutung des Adels war eine historische ^. Sie bestand 
und wurde um deswillen anerkannt; durch Umstände, 
deren Entwickelung zu begleiten nicht vergönnt ist, hat- 
ten sich diese Geschlechter von den übrigen Freien 
gesondert. Wie das Königsgescblecht, so wurzelten 
auch diese in einer Urzeit; so wenig man sagen kann 
wie jenes zu seiner Würde gekommen , so wenig ist es 
möglich die Anfänge und das Wesen des Adels zu bestim- 
men; heiliges Dunkel umgab seinen Ursprung, den man 
wohl an die Götter knüpfte; in der Meinung, dem Be- 
wusfitsein des Volks lebte die Idee seines Vorrechts. 



1 Savigny sagt p. 29: , Fragt man endlich nach der ersten 
Entstehung des hier dargestellten Adels , so ist darauf am wenig* 
sten eine bestimmte Antwort möglich. Ob er aus vorgeschichtlichen 
Eroberungen herkam , oder aus der Einwanderung minder zahlrei- 
cher, aber hoher gebildeter Stämme, das vermögen wir nicht za 
bestimmen^ Er findet dann aber doch eine ursprüngliche Stammes- 
verschiedenheit wahrscheinlich. Ich kann dem nicht beistimmen, 
sondern sage mit Tacitns c. 4: Ipse eorum opinionibus accedo, qui 
Germaniae populos nnllis aliis aliarum nationnm connubiis infectos 
propriam et sinceram et tantum sut similem gentem exstitisse arbi- 
trantnr. Die ganze Geschichte giebt, scheint mir, davon Zeugniss. 
— Andere Ansichten von dpr Entstehung des Adels, MSser's, es 
seien die erblich gewordenen Officierstellen , Montag's , einzelne seien 
um ihrer Verdienste willen mit bestimmten Vorrechten von der Ge- 
meinde aasgerustet worden' und ihnen zugleich die Erblichkeit zage- 
standen, brauche ich nur zu erwähnen. Eine andere werden wir 
noch nntea kennen lernen. 

6 



Jene Vcrhiknine die ich anfohrte, einitniBligB Heirschaft 
Qod ^mit ycrbandenes Stammespriesterdiiini, koDoea 
auf die Bildung dessdheo Einflsss gehdbt, vielleicht sie 
fcranlasst haben; nwr nachireisen lassl es sich nietft, 
und spater bat der Adel diese Rechte nidit asehr, 
geschweige dass seio Wesen hieraaf benifate. Was aber 
auch der Grand der Enlstehong gewesen sein mag, so 
wie der Vorzug des Geschlechts anerkannt war, so blieb 
er, and behauptete sich auch als die Grundlage ver-* 
schwand auf der er berahte. Das Wesen des Adels 
ist eben Erblichkeit, hierauf, nicht auf das Maass der 
Vorrechte kommt es an. 

Ein Ausdruck des höheren Ansehns das er im 
Volke genoss, der höheren Freiheit die man ihm bei-« 
legte, scheint schon in frühester Zeit ein höheres Wehr-« 
geld gewesen zu sein. Man hat freilich Unrecht, jeder«^ 
zeit aus einer Verschiedenheit des Wehrgelds auch auf 
ständische Sonderung zu schliessen. Es sollte ein Maass- 
stab der Schätzung sein deren man jeden einzelnen 
werth achtete; sehr verschiedene Umstände konnten bei- 
tragen dasselbe zu erhöhen, persönliches Ansebn das 
einer im Volke genoss ^^ später besonders das Verhält-» 
niss zu dem Herrscher, Königsdienst ; vielleicht darf 
man behaupten dass auch bei den Deutschen mitunter 
ein bestimmtes Maass von Grundbesitz den Anlass dasu 
gab 2^ wie es im Norden bei dem Hauldr der FaH war. 

^ Wilda, Strafrecht p. 368, der übeiJiaupt am ausiiUirüch- 
iten von dem Wehrgelde gehandelt hat 

^ Wilda bei Richter p. 337. 34 J. Er «31 nachweisen daat 
die minores in den alamannbchen, burgondischen und langobardi-- 
•dien Qesetzen Freie sind die keinen GrondbesUz haben ; ihr Webrg«Id 
ist das des gewohnlichen Freien , hoher dasdes iBedim ^ meliorissimni 



Aibar 4afii idt ktim Ofimd AM und Wtbtgdd ToUig m 
trennen; später wenigstens stehen beide jeileneit in der 
üäeiisten Bezfefcung zu einander; wie tnindere Freiheit 
imr Atispfiich mif geringeres Wehtgeid gab^ so kam 
4era Adel stets ein höheres za. Und Int maki Unreif 
WS der Yerschiedei^eit des Wehrgeldes auf Vo^handen^ 
sein des Adels zu schKessen, so wird man dodi keift 
Bedenken tragen dürfen umgekehrt auch scheu in äiteatet 
Zeit ^ dem Adel ein höheres Wehrgeld beizulegen. 
Bedenklicher scheint es zu bestimmen, tiach welchem 
Maasstab die Erhöhung Statt fand; spätere Gesetze zeigen 
eine grosse Mannigfaltigkeit der Verhältnisse, in denen 
man nicht gleich eine allgemeine Regel erkennt. Doch 
wird sich bei näherer Betrachtung wohl nachweisen las- 
sen, dass ursprünglich das Doppelte des Wehrgeldes 
d#s für den Freien galt fiir den Adligen angesetzt war ^, 

oder pt-imas, und diese hüt WHda f«r frei^ Griuideigeiitliüiiier. 
£*<sc^eidender Bcbeint nir was p. 339 angefähl-t wird, dafls bei 
den Angelsachsen ein Kearl der 5 Hyden Land erwarb das Recht 
eines Than «Erhielt, worauf auch Unger a. a. O. p, 22 sich beruft, 
wäan er den A<lel anf btosseBi Grundbesitz beruhen lasst. 

^ Tacitus erwähnt des Webi'geldieB nicht ausdrücklich, aber 
er kennt ts ohne Zv^ifel wenn er c. 21 sagt: Luitur enim etiam 
hotticidiam certo arnientorum ac peooru« nutoiero. 

^ Grimm R. A. p. 274 stellt die verschiedenen Angaben spa- 
terer Geseüße zusammen. Darnach schwanken die Verhättnisse von 
1^: 1 bis z« 6; 1. Allein sie betreffen eine Zeit wo alle Zustande 
md auch die Bedentnng des Adels sich wesentlich geändert hatten, 
und am Ende lässt sich in der scheinbaren Unregelmässigkeit doch 
noch ein «trsprfingKch Gleichmässiges erkennen. Bei den Baiern, 
wo wk gerade noch die vier Geschlechter des nraken Adel« finden, 
war das Verhall nise 2 : 1. Ebenso ist das des burgundischen Gesetzes 
(Wilda, Strafrecht p. 423), und auch bei den Langobarden wird 
e» sioh als das urspräagliche nacbwelaen lassen (TiVilda p. 424 ff.); 
bei allen dreiYölkera war das Wehrg^d detr Adels 300 zu AdO des 

6* 



84 

wie umgekehrt der Minderfreie fast immer halb so hoch 
als jener angeschlagen wurde ^. 

Dass der Adel sich streng von den Freien sonderte, 
ist wohl wahrscheinlich; wir haben eine Nachricht dass 
bei den Sachsen die Ehe zwischen Standesungenossen 
verwehrt war ^, und ich sehe keinen Grund ihr den 
Glauben zu versagen^. Doch will ich darum nicht be- 
haupten dass überall die gleiche Ansicht herrschend war^. 

freien. Aach bei den Friesen war dies Terhältniss wenigstens in 
einigen Distrikten die Regel (Wilda p. 430) und scheint anderswo 
nur durch spatere Bestimmung abgeändert zu sein; bei den Ala- 
mannen und den Sachsen lässt sich wenigstens in den Bnssesätzen 
eine Spur derselben Gliederung erkennen (Grimm p. 2r4 n. *** ^ 
Gaupp, das Gesetz der Thüringer p. 20 n. 163 , Recht und Ver- 
fassung der alten Sachsen p. 48). Nur in den Rechtsmonumenten 
der Franken , bei denen Ton einem alten Adel überhaupt keine Rede 
ist , und der Thüringer , wo das Yerhaltniss 3:1 ist , findet sich 
nichts was an jene älteste Regel erinnert (vergl. jedoch über die 
Lex Angliorum et Werinomm Lappenberg I , p. 95 ) ^ das Yerhalt- 
niss bei den Sachsen und Angelsachsen 6 : 1 verräth deutlicli eine 
spätere Zeit. Nehmen wir dazu dass der Freie zum litus fast immer 
in dem Yerhaltniss 2 : 1 steht , so dürfen wir dasselbe wohl mit 
Sicherheit als das ursprüngliche auch beim Adel behaupten; eine 
Annahme die ich denn auch schon bei Lappenberg finde* 

' Yergl. Grimm a. a. O. Dass man bei der Berechnung von 
dem Ansatz des Freien ausging, bemerkt derselbe p. 661. Daa 
Yerhaltniss war also 2:1:^. 

* Rudolfus, transl. S. Alexandri c 1 (Pertz II, p. 675); 
Quatuor igitnr difierentiis gens illa consistit, nobilium scilicet et 
Jiberorum, libertorum atque servorum. Et id legibus firmatum, at 
nulla pars in copulandis conjugiis proprtae sortis terminos trans- 
ferat, sed nobilis nobilem ducat nxorem et über liberam^ libertas 
conjnngatur llbertae et servus ancillae. Si vero quispiam horam 
Bibi non congruentem et genere praestantiorem duxerit axorem , cum 
vltae suae damno componat. 

* Schaumann p. 103 AT. eifert besonders gegen dieADnahme 
der Todesstrafe. ^ Das meint Savigny p. 26. 



85 

Freilich wurde selbst im Norden auf Gleichheit des Stan- 
des bei den Ehen gesehen ^. 

Von anderen bestimmten Vorrechten des Adels ist 
in den Quellen nichts zu lesen. Es ist durchaus wahr- 
scheinlich, dass diese Adeisgeschlechter im Besitz eines 
ausgedehnten Grundbesitzes waren , auf dem Hörige sassen 
und den Acker bauten ^. Aber auch die Freien hatten 
das; der Besitz des Adels mochte grösser sein, und 
daher dem einzelnen grösseres Ansehn , höheren Einfluss, 
eine bedeutendere Stellung verleihen; aber es ist das 
kein charakteristischer Unterschied, und besondere Vor- 
rechte dieses Grundes und Bodens, ich wiederhole es, 
lassen sich nicht nachweisen 3. Nicht anders ist es mit 
Vorzügen und Vorrechten, die man sonst dem Adel 
zugeschrieben hat. Nur aus Missverständniss anderer 
Verhältnisse ist man zu solchen Annahmen gelangt. Was 
man detai Adel beilegt, kommt den Fürsten zu ^. 

^ Dahlmaon 11, p. 24r. 304. Vergl. KoIderup-RosenviDge,- 
Grundrids af den daaske Retshistorie § 86. ' Tacitus c. 25. 

' Die Ansicht Montag's, Staatsbürger^ Freiheit I, p. 125, 
dass das Gut des deutschen Adels schon in frühester Zeit nicht 
blos Ton der gewohnlichen Gerichtsbarkeit eximirt war, sondern 
auch selbst Gerichtsbarkeit hatte, brauche ich hier nicht zu widerlegen. 

^ Ich muss mich hier ganz besonders gegen Savigny's Auf- 
fassung erklaren, die jedoch meistentheils mit dem was Eichhorn 
früher aufgestellt hat übereinstimmt. Am besten hat Lobell p. 502 
sie bestritten, mit dem ich im Folgenden häufig zusammenstimme. 



86 



ß. Die Fürsten und das Gefolge« 

Die Fürsten sind von dem Adel durchaus verschieden. 
Ich setze das deutsche Wort wo Tacitus ^principes^ 
nennt; ^nobiles^ habe ich Adlige^ ,nobiIitas^ Adel über-i' 
setzt. Aber auch die ^principes^ hat man für Adlige 
gebalten ^, wenigstens aus dem Adel hervorgehen lassen. 

Ich gedenkq zu geigen das& das nicht der Fall war.. 
Zu dem Zwecke sind die Stellen wo Tacitus von ihnen, 
spricht in nähere Betrachtung zu ziehen. 

Die Fürsten (principes) werden in den Volks- 
versammlungen gewählt 2. Die wichtigsten Geschäfte 
sind in ihren Händen. Von ihnen werden geringere Aor» 
gelegenheiten entschieden ^, bedeutendere berathen und 
wie es scheint der Versammlung vorgetragen; sie wer- 
den mit dem Köoig als diejenigen genannt, die zuerst 
in derselben reden ^; sie sind es mitunter, die den 
J[üngling wehrbaß; machen ^ y sie leiten dsts Gericht odec 

> Eichhorn S 14b wo er von dem Adel spricht bezieht sich 
Tiel mehr auf die Stellen des Tacitus die von den principes handeln 
als auf die wo die nobiles genannt werden. Sa\igny p. 5 sucht 
geradezu darznthun d'ass unter den principes eben nur der Adel zu 
verstehen sei. 

' c. 12: Elignntnr In lisdem conciliis et principes; vergl. 
c. 22: de adsciscendis principibus — Consultant 

' c. 11: De minoribus rebus principes cousaltant, de majo- 
ribus omnes^ ita tamen, ut ea quoque qnorum penes plebem arbi- 
trlum est , apud principes pertractentur (die Aenderung , pretracten^ 
tur' ist allerdings nicht nötl\jg) vergl. Gerlach in der Erläuterung 
p. 108). * c. 11: Mox rex vel princeps etc. 

* c. 13: Tum in ipso concilio principum aliquis etc. 



87 

wie Tteitus es sieb ievkt sind selbst Bickter in den 
GQueii und Getneinden ^ ; sie erschehieii' wie die Könige 
anefa bei relrgiösea Gebräuchen tbätig ^ ; sie sind end- 
Neb mit eifiem Gefolge umgeben ^ das sich an sie an- 
schliesst, sie als Häapter und Fahrer auf besondere 
Weise ehrt und auszeichnet^. B%i einem Stamm, wird 
noch angeführt, trugen sie einen schöneren Haarschmock 
als andere *. 

leb darf fragen: sind das Vorrecfate, Befugnisse^ 
wie sle^ einem Stande den andern gegenüber beizuwohneiv 
pflegen? kann mM in deften den sie zugeschrieben wer-" 
den Adlige erkennen? ist es nicht deutlich, dass biet 
ron Obrigkeiten die Rede ist? Es ist doch undenkbar^, 
d#sd dem Adel eine solchef Macht eingetäumt werdet» 
sei , dass er als Stand einen Theit dep Gesctöfte allein 
besorgte, ein^ andern wenigstens far m\t beri^th, wkf 
er heutzutage wohl in besonderer Kammer sänfeh 
Eininss' auf die Anfgefegenheiteft des Landes geltend 
nideht. ^Dagegen verstdit e^ sich fast ?on selbst, das» 
die erwählten obrigkeitKchenf Personen nnbedeutenderd 
Angelegenheiten ohße den Bath <kr Gemeinde entsctrie-' 
den^ wichtigieife auch bte^^iders, vor det Volksvef satriraH 
lung beriethen, dann dieser Mittheilung machten, hier 
die Sache vortrugen. Diesen Obrigkeiten , die ich Für- 
sten nannte, wird das Volk (plebs), nicht dem^ Ade^ 
entgegengestellt. Wenn die Fürsten entfenit seien, 

^ Id der Stelld p. 86 n. 2* fahrt Tacituls fort: qtti jura pet 
pttgos vicosque- reddünf?. 

* c. 10 f quos pretfs'os' sa'crk) cürt-ü — rex v^l pilrictfps civi- 
tatis couritantur. . » c. 13 ff. 

* c. 38 : priDci[]ie8 et' ornatioreta hfabent. 

" Fvetlicb n{|illiiifEi€Sl!o)'tf^:62'g^ri^ dteH ttttbddenlelicir tftti 



8S 

sagte Segestes zum Varus, werde das Volk nichts wa- 
gen ^. Wie müssten wir uns die Deutschen denken, 
wenn wir annehmen wollten , das Volk habe ohne seinen 
Adel nichts zu unternehmen, sich nicht zu vertheidigen 
gewagt; so wenig sei auf die freien Männer angekommen. 
Aber jeder weiss dass die Entfernung der Fürsten, der 
Führer, auf die das Volk zu sehen gewohnt und ver- 
pflichtet ist, leicht den Muth und die Kraft desselben 
lähmt. In den Staaten wo keine Könige sich 6nden 
üben die Fürsten die Geschäfte die sonst jenen zukom- 
men; nicht von dem Adel als solchem, nur von den 
Vorstehern des Staates kann das gelten. 

Auch die Gegner find nicht durchaus anderer Mei- 
nung; sie sehen wohl dass principes oft nichts anders 
als die Obrigkeiten bezeichnen könne, aber sie meinen 
nur deshalb würden sie so genannt, weil sie aus dem 
Adel hervorgegangen seien ^; Tacitus sage nicht, dass 
die principes die dem Gericht vorstanden überhaupt 
erwählt, sondern dass einzelne aus dem Stande dersel- 
ben zu diesem Zwecke ausgewählt wurden ^. Allein 
diese Erklärung lässt sich den Worten des Schriftstellers 
inderThat nicht abgewinnen^; und jenes muss ich für 

^ Ann. ly 55: snasitque Varo, ut se et Ärminium et cete- 
roB proccres vinciret; nihil ausuram plebem principibus amotis. 
Vergl. Löbell p. 508. 

* So besondera Eichhorn § 14b n. e, H. Mutier p. 170. 

* Savigny p. 9 n., dem Richthofen, friesisches Wörterbuch 
p. 609 beistimmt. Ebenso H. Müller p. 171 ff. 

* Die Worte c. 12 ,EIiguntur in iisdem conciliis et principes, 
qui jura per pagos vicosque reddant^ lassen, so wie Savigny sie 
richtig anführt, eine doppelte Erklärung gar nicht zu. Um erklären 
zu können: ,E8 werden einzelne principes aus dem ganzen Stande 
derselben ausgewählt um das Richteramt zu bekleiden % muss man 



88 

eine durchaus unbegrändete Anoabme erklären. Wenn 
man unbefangen an die Zeugnisse der Alten berantritt, 
wird man keine Spur eines solcben Vorrechts finden das 
der Adel gehabt habe, wenigstens Tacitus gedenkt des- 
selben mit keinem Worte. Nirgends bezeichnet bei ihm 
,principes^ die Adligen; diese werden ^nobiles^ genannt, 
und aufs genauste wird zwischen beiden Begrifien unter- 
schieden ^. 

Wo von den Volksversammlungen die Rede ist, 
sagt er, hier rede der König oder Fürst, weiter wen 
Alter, Adel, Kriegsruhm oder Beredsamkeit auszeich- 
nen ; er rechnet Adel zu den persönlichen Eigenschaften 
die Achtung und Ansehn gewähren ; der Fürst aber wird 
dem König hier wie an andern Stellen gleich gestellt. 
Anderswo wird gesagt, ausgezeichneter Adel oder grosse 
Verdienste des Vaters verschafften auch dem Jünglinge 
schon die Beachtung des Fürsten ^ ; den Vorzug also 

durchaus wenigsteos , reddant ' statt , reddunt ' lesen , wie H. Muller 
p. 172 auch thut, wie aber iu lieiner Handschrift, ich glaube auch 
in keiner Ausgabe gefunden wird. Dass auch die Stelle c. 22 die- 
ser Erklärung entgegen steht, hat schon Löbell p. 505 bemerkt. 

* Dagegen scheinen die Ausdrucke ,proceres' ,priniores' unbe- 
stimmterer Bedeutung zu sein und die Angeseheneren des Volks, 
mochte es nun Geschlecht oder Amt eein das sie hervorhob, zu bezeich- 
nen; Ann. I, 55 steht proceres gleichbedeutend mit principes, II, 15 
sind es die Führer im Heer, Hist. V, 25 sind sie, wie an der 
ersten Stelle der plebs, dem vulgus entgegengesetzt. Ebenso ste- 
hen Ann. II, 19 plebes, primores zusammen; Hist. IV, 14: primores 
gentis et promptissimos vulgi ; unbestimmter sind: Ann. II, 9: cum 
ceteris primoribus Arminius; II, 62: corruptis primoribus. 

* * c. 13: Insignis nobilitas aut magna patrum merita princi- 
pis dignationem etiam adoleseentulis assignant. Erklärt man diese 
Steile , wie oft und auch von Eichhorn § 1 4b n. i geschieht , wie 
ich aber ffir unrichtig halte (s. unten Anmerk» 1): ,8ie verschaffen 



90 

den der Adel gewähren aucb penMliche VerdieBste 
de» Vaters ^ ; ganz verschieden von jenem ist die 
Würde und die Stellung eines Fürsten. Die Begrifie 
wie die Worte werden genau aus einander geMten ^ ; 

auch Jünglingen die Wurde eines princep8% so ist der Gegensatz 
zwischen Adel und Furstenwurde nur noch bestimmter ausgedruclct; 
der Adel konnte dann wohl ein Vorrecht, aber eben darum kein 
ausschliessliches Recht verleihen. ^ 

^ Mit Recht bemerkt Lobell p. &08 gegen Eichhorn (§ 14b 
n. o), dass das ,aut* nicht erklärend verstanden werden könne. 

* Die Stellen , die man sonst noch anführt um darzuthun dass 
principes den Adel bezeichne, habe ich auch sdioir erwähnt, oder 
werde unten darauf znruckkonunen. Auch e. 12 stellt das Volk 
(plebs) als Gemeinde den Obrigkeiten gegenüber; vergl. LobeU 
p. 507. 508. Dass man nicht Richter aus den principes wählte, 
sondern diese eben durch Wahl erst principes wurden, ist oben 
Baobgewiesen worden* — Minder genau ist der Sprachgebraack des 
Caesar, der V, Z- erst ¥on ,nonnulli principes* spricht die zu Caesar 
kamen , dann hinzufügt , Induciomarus , der mit Cingetorix , de prin- 
cipatu' stritt, habe nicht kommen wollen, ne omnis nobilitatls dis- 
cessu plebs propter imprudentiam laberetur. Hier bezeichnet, scheint 
es, nobilitas die Gesammtheit der prineipes^ An andern- Stellen aber 
unterscheidet er sehr wohi zwischen beiden ; VI » 12 : Sequani — omni 
Dobilitate Aeduorum interfecta, tantum potentia antecesserant, ut 
— obsides ab iis principum fllios acciperent. Hier sind die princi- 
pes wenigstens nicht Adlige, und auch bei den Trevirem ist das 
nicht der Fall, principes bezeichnet auch hier zunächst die Vov- 
steher des Staats ; die Würde des Obersten , der dem ganzen Staate 
vorstand und dem Gaufürsten zu vergleichen ist, heisst prineipatus 
Yt^ 8;* zugleich gebraucht Caesar das Wort von denHätiptlingen d<$r 
verschiedenen Partheien^ wie aus Vi , Irl hervorgeht , und wenn« wt« 
onS' an die eigenthümliche Verfassung der gallischen' Staaten* erin- 
nern, wo nur die Druiden: und Ritter (equites) von Bedeaünig 
waren (VI, Id. 15), so werden wir uns nicht wundern* dass diese 
auch als nobilea bezeichnet werden. koiMiten.. Bei den Germaneif ist 
das aber entsefaieden nicht der Fall, und Eiohhom hat gewiss^ Un- 
recht, wenn er auch beim Tacitus , nobilitas ' im römischen' Sinn 
de» Worts für die Bbseicfanttiig eines Geschlechtes* hält^ dM Mit 



der Bobilis ist ausgeieichnet durch dasAnsehn das ibm 
sein Geflchiecht verleiht, der prioceps verdankt seine 
Bedeutung dem Amte das er bekleidet, der Wurde zu 
der er gewählt ist. Auch Adlige konnten dazu geaom-» 
me» werden, wie sie heute Beamte werden; aber 
Beamte und Adel fielen so wenig damals wie heute 
zusammen ^. 

Mit Recht ist darauf aufmerksam gemacht worden ^, 
dassi diesem VeihäUniss seine Bestätigung in den spätem 

längerer Zeit schon obrigkeitliche Aemter belileidet habe ; vergl. Lo- 
bei! p. 508 > der auch schon p. 506 darauf hinweist, daii in den 
YolMrecbten umd allen spatern Denkmälern nobiles der Ausdruck 
für den. Adel ist, dagegen principes immer die Obrigkeiten bezeichnet, 
niemals einen Stand. Das letztere gilt auch von Caesar, bei dem 
IT, 1 1 pvHicifeft ac sanatus- der Ubier offenbai die Förstei» nad die 
Gemeinde sind, IV, 12 die pfinci|)e& et majoves natu die FvucsteB 
nnd sonstigen Angesehenen des Volks. Ebenso werden VI, 22: 
magistratus ac prhicipes ziemlich gleichbedeutend neben einander 
g^teHl; sie fertheilen die Aecker an die eih^einen- Familien;. und-vmA 
VI,. 2$ sind die principes regionnm atqiie pagprum die Eiohter,^ 
überall also nichts weniger als Adel. 

^ Tch mnss hier der schon p. 67 n. 3 angeführten Stelfb 
ans Hist. IV, 12> gedenken, die dtsn. meisten entgangen an seiki 
acheiftt,. wenjgsteas gewöhnlich nicht benutzt wird: quas- («ohoT'^ 
tes) vetere: instituto nobilissimi popolarium tegebant. Allein sie 
beweist in der That nichts gegen die hier ansgesprochne Ansicht. 
Denn erstlich ist hier nur von Heerführern die Rede , sodann wird 
es als etwaä eigenthOnilich^s hervorgelioben was hior alte Sitte sei, 
um] so, wienigter kaitn angepommerv werdbn,. dass< d\eß\ bei allen 
«brigen QermafiiBn sieh von selbst \«rBtand. 

^ Von Gaopp,. Gese/tm der Thndnger p*. lß% 120^ djor auch 
aehoQ' richtig den Uö^ersphied. sswisehen' prinotpesi und; nobile» m^ 
gefejMt: hfti nnd seine Angjoht, nur entftofaiedeBef!; g^gen Sa»igny'a 
Elinnedfr (p» 8*) h^ite v/etribbeidigien. sioUent al« ets,. B«!3ht und VetAift- 
swig^ den allen* Stehlen p» 23 ,. gasohehen i»t. Dagegen bati QArtli» 
Wn^eseUuhte p. 208. 25^t 257«, diese Begrifft, sehr gut' aus einan- 
der gehalten und richtiger als alle unsere ReöbtshtatoriheKdangefitelit. 



92 

Zuständen der Sachsen findet. Bei ihnen wie bei den 
übrigen deutschen Stämmen gab es die drei Stände der 
Adligen, der Freien, der Liten oder Lazzen; Sklaven 
werden nicht ffir einen Stand gerechnet. Ohne alle 
Beziehung aber mf diese Eintheilung des Volks wird 
uns gesagt, dass jedem Gau ein Fäi*st (princeps) vor- 
stand, der auch hier, wie deuthch erhellt, aus der Mitte 
des Volks erwählt wurde *^. Nur selten werden ältere 
Zustände so treffend durch spätere Verhältnisse erläu- 
tert werden. 

Aber nicht aller Widerspruch ist schon beseitigt, 
vielmehr noch einer Ansicht zu gedenken , die diese Ver- 
hältnisse auf eigenthümliche Weise darstellt und die Zu- 
stände der alten Germanen erst im rechten Zusammenhang 
aufzufassen den Anspruch macht. 

Die Fürsten (principes) erscheinen nicht blos als 
Obrigkeiten, als solche an der Spitze der Gemeinden 
oder Staaten, sondern auch als Häupter eines Gefolges, 
das sich freiwillig an sie anschloss, ihnen ein grösseres 
Ansehn und besondere Bedeutung verlieh. In der Regel 
hat man beides aus einander gehalten, die Fürsten als 
Vorsteher der Gemeinden von solchen Gefolgeführem 

^ Die befite Nachricht in der vita S. Lebnini von Hucbaldus,. 
Pertz H, p. 361: Sunt denique ibi qui illorum liogoa edlingi , sunt 
qui frilingi> sunt qul lassi dicuntur; quod in latina sronat lingna 
nobilesy ingenuiles atque serviles. Pro suo vero libitu, conslHo 
qiioqoe ut sibi videbatar pradenti , singulis pagis principes praeerant 
fiingnli. Ohne allen Grund greift Schaumann p. 73 n. 40 diese Nach- 
richt an , indem er sich ein ganz besonderes System der Marken- 
verwaltong ausdenkt. Nur zu oft giebt der Verfasser nicht Resul- 
tate gewissenhafter Studien sondern vorgefasste Ansichten und 
selbsterdachte Verhältnisse. 



83 

unterschieden; Tacitus habe (ur beide, wohl in manchem 
ähnliche , doch ihrem Wesen nach verschiedene Verhält- 
nisse denselben Ausdruck gebraucht. Dem wird entgegnet, 
und mit Recht, dass eine solche Verschiedenheit nicht 
wohl angenommen werden könne. Die principes waren im 
Besitz sowohl der vorher bezeichneten Rechte als auch 
desjenigen ein Gefolge zuhalten, sie bildeten, scheint es, 
eine mächtige Aristokratie, und dieser, sagt man dann^, 
könne der Adel nicht fremd gewesen sein, es könne 
die Theilnahme an derselben auch nicht von einem an 
sich zufälligen und veränderlichen Umstand, eben der 
Bildung eines Gefolges , abgehangen haben. Dieser 
VSTidersprucb verschwinde aber, wenn man annehme, es 
sei eben das Vorrecht des Adels gewesen, ein Gefolge 
von Freien zu halten, und es habe jedes Mitglied die- 
ses Standes seinen Einfluss in der Verfassung nur in 
so fern geltend machen können, als er jenes Vorrecht 
benutzt und auch wirklich ein Gefolge gebildet habe. 
Also abweichend von der Ansicht anderer ^^ die sowohl 
die politischen Befugnisse als das Recht zum Gefolge 
gleichmässig vom Adel abhängig machen, aber neben 
einander bestehen lassen ohne das eine von dem andern 
herzuleiten , wird hier angenommen , Adel sei die Grund- 
bedingung aller politischen Macht und Bedeutung gewe- 
sen; ihm habe es zunächst zugestanden, und ihm allein, 
ein Gefolge zu halten, von dem wirklichen Halten des- 
selben sei dann die Theilnahme an der Ausübung der 
sonstigen Vorrechte , besonders der Verwaltung des Staa- 
tes abhängig gewesen. 

* Savigny p. 6. 
. * ntmientlich Eichkorn'a S 14 1>* 



94 

Eine AnflhssuQg der geriBaiiischea Zastämle, 4te 
sich wohl empfiehlt durch die innere Consequenc die 
sie denselben giebt, die aber doch sofort als sehr be-^ 
denklich erscheinen mass-, die, und das ist die Haopt«* 
sacke, weder in den Qoetlen ihre B^rundung findet 
noch ans einer allgemeinen Betrachtong der Verhätteiisse 
gerechtfertigt werden kann. 

Habe ich bisher nachgewiesen, dass die Forsten 
die Vorsteher der Staaten waren, in keiner Verbindung 
mit dem Adel standen, Adel kein Erforderniss war um 
zu jener Stelhing erhoben zu werden, so wird es jetzt 
darauf ankommen darzuthun, dass auch das Recht ein 
Gefolge zu haben keineswegs hiervon abhing, dass dre 
Fürsten also weder in dem einen noch dem andern Sinn 
ausschliesslich aus der Mitte eines bevorrechteten Stan- 
des hervorgingen. 

Ein ausdrückliches Zeugniss dass es auf den Adel 
nicht ankam um ein Gefolge halten zu dürfen , lässt sich 
freilich nicht anführen, aber eben so wenig ist die ent- 
gegengesetzte Meinung aus den Quellen zu begründen; 
nur eine falsche oder künstliche Erklärung einiger Stel- 
len des Tacitus hat als Bestätigung angeführt werden 
können , wird aber einer richtigen Interpretation gegen- 
über sich nicht behaupten lassen ^. 

Freilich noch weniger wird man sagen dürfen, 
dass jeder dem es beliebte und der etwa Vermögen und 
persönliche Eigenschaften dazu hatte ein solches Gefolge 
zu halten berechtigt war. Es hätte die Ordnung des 
Staats durchbrechen , mächtige Häuptlinge der Gemeinde 

i S. die erste Anmerkang am Ende 4ie8«« AUflehnitts. 



95 

^«genäbersteHen , die Mtelit des persönlichen Eiiiflosses 
über die des Gesetzes erheben , Freiheit und Sidierheit 
der einzeben gefährden, vernichten müssen. Aber nicht 
«nders wäre es gewesen wenn alles aaf den Adel ange«- 
kömmeo wäre; die Zahl derer die ein Gefolge UAen 
konmra wäre wohl kleiner, die Macht derjenigen die es 
wirklich hielten nur um so grösser gewesen. Denken 
wir uns aber gar diese adligen Häuptlinge als die eiDp- 
«gen die im Staate zu politischer Macht und öffentlichen 
Aemtern berechtigt waren , in einem wie abnormen, 
wunderbaren Zustande hätte sich dann das deutsche 
Staatswe^^eu befunden ! Die Freiheit der Staaten die 
der Königshervscfaaft ermangelten, aber solche Obrig« 
keiten empfingen , müsste eine viel geringere , wenigstens 
viel unheilvollere gewesen sein als die der Königreiche, 
da ihr die übermächtigste Aristokratie gegenüberstand, 
da die Gewalt nicht blos in den Händen des Adels war, 
sondern gerade desjenigen Theiis der ach reich und 
mächtig genug fühlte um tapfere Begleiter um sich zu 
versamnaeln. Adel wäre wohl die Grundlage aller Macht 
gewesen, blos äussere Mittel aber, Reichthum und ein 
Gefolge hätten nicht allein den grossem Einfluss, son- 
dern geradezu das politische Recht begründet. Auf die 
Wahl konnte da nicht viel mehr ankommen. War das 
Gefolge die Bedingung unter der jemand, und zwar nur 
ein Adliger, als Richter, Vorsteher einer Gemeinde ge- 
waMt werden konnte, so wird weder die Freiheit der 
Wahl hoch anzuschlagen noch das Recht des Volks 
überhaupt von Bedeutung gewesen sein ; ein Verhältniss 
wie es sich in der That «nicht leicht mit der Freiheit 
des genüanischen VeUi;s' vereinigen lässt, das kk 



glaube niemand mit den Nachrichten des Caesar und 
Tacitus in Uebereinstimmung bringen kann. 

So wird sich wohl keine von beiden Ansichten be- 
haupten lassen, weder die gewöhnliche dass jeder ohne 
Ausnahme befugt war ein Gefolge zu halten, noch die 
andere dass nur der Adel es durfte und dies (ur ihn 
das Mittel war zur Ausübung wichtiger politischer Rechte 
zu gelangen. Diese beruft sich darauf, dass es nur auf 
solche Weise möglich sei, beim Tacitus immer an die- 
selben Fürsten zu denken , da sonst dasselbe Wort bald 
die Vorsteher der Staaten bezeichneV die durch Wahl 
des Volks zu ihrer Würde erhoben wurden, bald aber 
von Häuptlingen gebraucht werde, die nur durch das 
Gefolge das sich um sie gesammelt hatte zu dieser 
Stellung gelangten; eine Ungenauigkeit des Ausdrucks 
die dem Schriftsteller in der Tbat nicht zugetraut wer- 
den kann ^. 

Eine genauere Betrachtung seiner Nachrichten zeigt 
dass daran nicht zu denken, dass bei ihm immer von 
denselben Fürsten die Rede ist. Habe ich das dar- 
getban , so wird es , hoffe ich , gelingen , das Wesen des 
Gefolges und der Verhältnisse die mit ihm zusammen- 
hängen richtig zu bestimmen; es wird sich ergeben, dass 
alle Verhältnisse im besten Zusammenhang stehen und 
dass wir um einen solchen nachzuweisen nicht genöthigt 
sind, kühnen Vermuthungen uns hinzugeben, die in 
Widerspruch sind mit dem ganzen Leben des deut- 
schen Volkes. 

1 Was Lobe!! p. 506 zur Yertheidignng dieser Ansicht ge- 
gen Savigny anfahrt , befriedigt in %einer Weise. Noch unhaltbarer 
liit was Wilda bei Richter p. 326 Vorbringt. 



97 

TacitQs hat von den VolksversammlaDgen, der TheS- 
nahme der Fürsten an denselben gesprochen ^ , dann 
erzählt, dass sie, die das Recht handhaben, eben hier 
gewählt werden ; darauf (ugt er hinzu, in diesen Versamm- 
lungen würden auch die Jünglinge wehrhaft gemacht : einer 
der Verwandten oder der Fürsten bekleidet sie ipit den 
Waffeii. Nun geht er weiter und sagt: ,Ist der Jüng- 
ling von hohem Adel oder sind die Verdienste seines 
Vaters besonders gross und ausgezeichnet gewesen, so 
ist das ein Grund, dass der Fürst ihn schon früh her- 
vorzieht, ihn den stärkern und schon erprobten gleich- 
stellt, wie diese in sein Gefolge aufnimmt ^. Denn 
auch für diese durch Adel oder Ruhm der Väter aus- 
gezeichneten Jünglinge ist es keine Schande zu den Be- 
gleitern (Gefährten) zu gehören. Nach dem Urtheil 
dessen der an der Spitze des Gefolges steht lassen sich 
selbst Stufen in demselben unterscheiden ^.' Und nun 
fährt er fort von dem eigenthümlichen Verhältnisse des 
Gefolges zu sprechen. Es ist doch durchaus unmöglich, 
hier unter dem Fürsten (princeps) bald eine gewählte 
Obrigkeit bald einen blossen Häuptling zu verstehen, 
dasselbe Wort in unmittelbarem Fortgang und Zusam- 
menhang der Darstellung bald in dem einen bald in 
dem andern Sinn zu fassen ^. Ebenso wenig aber 

> c. 11. 12. 13. 

* So darf ich mit Rucksicht auf Anmerkung 1. unten die 
Steile des c. 13 erklaren. 

' Nee rubor inter comites aspici; gradus quin etiam ipse 
comitatus habet judicio ejus quem sectantnr. 

" 4 Vl^jlda bei Richter p. 325 will dies vertheidigen. Was über 
die taciteische Darstellung gesagt wird ist wohl im ganzen richtig; 
allerdings liebt es Tacitna seine Uebergange wie ganz gelegentlich 

7 



sAeiot es mir biemacb nilfisfig das Gefolge fiir das 
Vorangehende, für die Bedingung der obrigkeillidieQ 
Würde zu halten. Im Gegentheil es liegt deutlich zu 
Tage, dass Tacitus die von der Gemeinde in denVer-» 
Sammlungen gewählten Fürsten als diejenigen betekhoet 
die «eben auch ein solehes Gefolge hatten» 

Und das ist nun das Wesen der Sache. Nicht 
Adel gab das Recht zum Gefolge, nicht Adel imd Ge- 
folge dasBecht zu obrigkeitlichen Stellen', ebenso wenig 
hing es von Willkühr oder zurälligen Umständen ab 
ob einer sich mit einem Gefolge umgab, sondern es 
war das ein Becht des Fürsten, eine Folge seiner hö«- 
heren Stellung, ein Ausfluss der ihm vom Volke über- 
tragenen höheren Gewalt ^. 

So ist alles im besten Zusammenhang, und jeder 
Widerspruch zwischen diesem Recht und de» übrigen 

zu machen , kÜBstlich ,za TerdeoMn , aber dass er deshalb deaselben 
Ausdrack von zwei ganz verschiedenen Verhältnissen gebraachte , ge- 
rade den Uebergang von einem znm andern machte weil er dasselbe 
Wort für beide passend fand (oder soll schon bei den Deutschen 
Kin Wort beide Verhältnisse bezeichnet haben? das ist nun gar 
nicht denkbar wenn sie nicht wirklich mit einander zusammenhingen), 
ist doch unmöglich anzunehmen » und heisst den Tacitus herabsetzen 
nicht sein Verdienst ins rechte Licht setzen. 

' Am richtigsten hat Gaopp, das alte Gesetz der Thüringer 
p. 103, die Sache aufgefasst, nur dass er noch unentschieden schwankt, 
ob es wirklich Wahl war die znm princeps machte > und später wenig- 
stens das Gefolge allein für hinreichend dazu ansieht , ja aus der 
Zahl der vorhandenen principes dann erst die Richter wählen lasst, 
und so gutentheils wieder das aufgiebt was er richtig festgesetzt 
hatte. Dass der Fostgang der Geschichte an diesen VerhäUnissen 
manches verändert hat, gebe ich zu; ich habe meine Ansicht aus 
einer unbefangenen Interpretation des Tacitus entnommen und halte 
mich zunächst f^i seine Zeiten. 



m 

Itistitdtidftign iis^ Volks ist gehoben; die Freiheit des 
Vofts Wurde nkht gefährdet*^ wenn die Vorsteher die 
iB selbst sich wähUe auch aaf diese Weise aasgezeich- 
11^^ mit gipösserer Macht ausgerüstet waren. 

E(» bleibt nur eine Schwierigkeit zu beseitigen, 
die jedoch nicht aus dem V^esen der Sache , nur 
aus den Worten des Tacitus hervorgeht. Wo er von 
der Thätigkeit der Fürsten als Richter spricht, Tügt er 
hinzu : ^Jedem waren hundert Geföhrten (comites) aus dem 
Volk ( aus der Gemeinde ) beigegeben , zum Bath und zur 
Vermehrung des Ansehns ^.' Und gleich darauf handelt 
er von andern Gefährten die das Gefolge des Fürsten 
bildeten. Sind die Fürsten an beiden Stellen dieselben, 
so, wird man sagen, müssen es auch die Gefährten, 
die Begleiter oder welches Wort man wählen will, sein. 
Der Unterschied aber zwischen beiden ist deutlich. Jene 
aus dem Volk gewählt oder nach bestimmter Begel aus 
der Bütte desselben hetvorgegangen , in bestimmter An- 
zahl , um Bath zu ertheilen , um das Ansehn des Bich- 
ters zu erhöhen; diese wohl auch Ansehn gebend, doch 
Dicht durch Wahl der Gemeinde oder gesetzliche Ord- 
nung dazu berufen, sondern durch freiwilligen Anschluss 
dem Fürsten ergeben, nicht eine bestimmte Anzahl, 
sondern unbestimmt viele , je mehr je besser ^. So 
iirt es ganz unmöglich immer an dieselben comites zu 
denken, ich trage Bedenken auch nur anzunehmen, dass 

1 c. 12: Centeni sitfignlis ex plebe comites consiliam simal 
dt anctoritas adsunt. 

* c. 13: Magno s^mper electorum javenum globo circum- 
dari, in pace decns, ia hello praesidiam. Nee solum in sna gente 
cnfqoey sed apud finithnaa qnoque ciTitatei» id nomen, ea gloria 
est, 81 ntitttero' afc virtttte comitätud emineat. 

7* 



100 

Tacitus m seiner Vorstellung beide zosamnaengebracbt 
und de3halb dass^be Wort gebraucht habe ^. Be^i- 
ter, Geföhrten, comites, konnten doch die einen so gut 
wie die andern heissen ^; den Unterschied zwischen 
ihnen hebt er deutlich hervor; dass der Ausdruck zu 
einem Missverständniss Anlass geben werde, war nicht 
vorauszusehen; dass man, weil die Begleiter nicht die«- 
selben waren, auch die Fürsten für verschieden halten 
müsse, scheint mir nicht begründet^. Der ganze Zu- 
sammenhang der Darstellung ist dawider. 

Es wird nun darauf ankommen, uns das Wesen, 
die Stellung und die Befugnisse der Fürsten zu ver- 
gegenwärtigen. 

Tacitus, sahen wir schon, unterscheidet zwischen 
den kleineren Gemeinden, den Hundertschaften , und den 
grösseren Vereinigungen ganzer Völkerschaften. In jeder 

1 So Savigny, Gesch. des R. Rechts I, p. 266 n.: »Es ist 
iadessen sehr möglich , dass in den Nachrichten die Tacitus bennfzt 
hat durchaus Terschiedene Einrichtungen (Schöffen und Gefolge) 
verwirrt worden sind*. 

* Dagegen wird ,comitatns' nur von dem Gefolge , nicht tob 
demCoHegium der lOÖ Beisitzer gebraucht. Das Wort auf romische 
Terhältnisse angewandt, blos in der Bedeutung von Begleitung , fin- 
det sich Hist. IT, 14. 

* So Wilda bei Richter p. 326. Einen Znsammenhang zwi- 
schen beiden scheint besonders Gaupp , Gesetz der Thüringer p. 105, 
anzunehmen, doch ohne deutlich zu sagen wie er sich die Sache 
denkt. Ich komme noch hierauf zurück. — Sind die clientes die 
Tacitus in seinen andern Werken einige Male nennt dieselben wie 
diese comites? Nur bei Fürsten werden sie erwähnt, Ann. I, 57: 
Segestes magna cum propinquorum et clientinm manu; II, 45: In- 
gniomerus cum manu clientium; XII, 30: Vanninsfloh, secuti sunt 
mox clientes et acceptls agris in Pannonia locati sunt, wo freilich 
an eine grossere Schaar Begleiter gedacht zu werden acheint. 



101 

von diesen musste es Vorsteher, Richter, wie wir sagen 
Forsten geben. Es bedarfte aber nicht blos der Obrig- 
keiten (ur den Frieden, anch der Vorsteher, Anführer 
fmr den Krieg. Beides fiel in der Regel nicht zusammen. 
Von den Sachsen sagt Beda ^: ,Sie haben kei- 
nen König, sondern eine grössere Anzahl Satrapen, wie 
er das aasdrückt, sind dem Volke vorgesetzt, und wenn 
ein Krieg droht, looseo sie, und wen das Loos be- 
stinmit, dem folgen alle als Führer für die Zeit des 
Ij^rieges und gehorchen ihm; wenn der Krieg aber zu 
Ende ist, sind wieder alle Satrapen sich gleicht Die 
Satrapen sind die Fürsten (principes) ^ von denen in 
andern Quellen die Rede ist ^ ; und schon die Nachricht 
des Caesar finden wir ^ dieser Erzählung bestätigt ^ : 

> Hkt. eccl. y, 10: Nod enim habent regem iidem antiqni 
Saxones, sedsatrapas plurimoa snaegentipraepositos, qui ingrnente 
belli articolo mittunt aequaliter sortes, et qnemcumque sorg ostea- 
derit, hunc tempore belli ducem omnes sequuntur; huic obtempe- 
rant ; peracto aiitem bello , rnrsura aequalls potentiae fiuot satrapae. 

* Eine verkehrtere Erklärung als die Schaumann's p. 68 
n. 30 lässt sich doch nicht denken. Er sagt: ,Wenn Beda H. e. 
T, 10 citirt werden soll (ich meine das war doch nothig, wenn es 
sidi Ton quellenmässiger Geschichte, und nicht vom Denken und 
Erfinden elaer Verfassung handelt) , so denke ich mir unter Satrapae 
nicht etwa Edle, so wie später Grafen, sondern Satrapa ist jeder 
Freie in dem Kreise seiner Unfreien, welche gewiss zahlreich ge- 
nug waren, um zu jener Benennung in berechtigen'. 

* Die Stelle der vita S. Lebnini habe ich schon oben p. 92 
n. 1 angeführt. Vollkommen richtig aufgefasst sind diese Verhält- 
nisse von Ganpp, Recht und Verfassung der alten Sachsen p. 21. 

^ VI , 23 : Quum bellum civttas aut illatum defendit aut infert, 
magistratus qui ei bello praesint , ut vitae necisqne habeant pote- 
statem, delignntnr. In pace nullus communis est magistratus, sed 
principes regionum atque pagorum inter suos ius dicunt controver- 
siasqae mlnnunt. 



, Wenn ein Staat , eim Völkerscbaft, eioen Kricig %u ffib^ 
ren hat, sei es datift sie angegriffep vird oder angreift^ 
so werden ObrigkeiteQ gewäUt um im Kriege die Lei«r 
tung zu babeo^ Im Frieden dagegen giebt e& beiM 
gemeiDSchaMicbe Obri^eit, sendern diei Füret^n der 
Landschaften und Gaue sprecbeu Reeht und entscheiden 
Streitigkeiten ^ U«id ai^K Tacitus sagt^: ^Ueerföhrer 
(Herzoge) wählen sie nach Tächjtigkeit , Tapferkeit^; hm 
sehen sie nicht auf das Geschlecht wie b«i der WaiU 
der Könige« Es war also da wo es keine Könige gab 
ein Unterschied zwischen den Obrigkeitto. des Krteges 
und des Friedens; jene waren nicht Uos fiir d^n kieioern 
Distrikt, in d^r Regel nicht blos für den.eiiizekien Gm, 
sondern vw ißm ganzes^ Stanfft der dien Kriieg führte 
gewählt; ihre Gewalt war eine höhere, aber sie erlosch 
so wie der Krieg zu Ende war. Dagegen asbeint die 
der Fürsten eine dauernde, in der Regel wohl lebens- 
längliche gewesen zu sein 2. Freilich sagen die Quellen 
das nicht ausdrücklich; aber der GegiansAtz gegen die 
kürzere Datier der Heerföhrcrschaft nothigt schon es 
anzunehmen; auch sind nur so die YerhältnissQ des Got 
folges zu erklären. Bßi d^en Sachsen wurdo^ aber der 
Herzog aus 'der Mitte der Fürsten gewählt; ich zweifle 
nicht dass das die Regel war, so dass jederzeit der 
Herzog zugleich als Füi'st axig?ii[|hi(^, werden kaisin -^ 

^ Rege^ ex nol)illtat(&, dm^ en virtate sumnM« Eft haon 
nicht mehr für eioe Erklarimg. die»er M^ortß gelten ^ean msi»; «dr 
nimmt, es sei auch bei deo. diices. aufs GiQscbleqht, nuj: neben dem 
Adel zugleich auf persönliche £igeiischaft«n geaehtn., wie. EidbdNifB 
S 14 b n. p uffd H. Algier p. 171. i^einen; ^rgl^ Lobell p. 6^7^ 

> Von einer JSrblichl;,€^it dieser Würde i^t dagegen kekke Sp«f 
zu finden. 



IM 

selbst wtmn jene VorausBeteu&g imriditig wäre, stände 
dieser Annahme nichts entgegen •'^^ aHes was von jenen 
^Ity rem ihren Rechten wenn audi nicht von ihren Ge- 
sebäften, mv»^ auf diese AnwendiiDg finden; dass auch 
ihnen, ihnen vorzugsweise, ein Gefolge eigen war, ist 
sieht zu bezweifeln. 

Es war alte Sitte dass der gewählte Herzog von 
dem Volke auf den Schild gehoben und so von allen 
jubelnd als Fährer begrüsst wurde ^. Und auch auf die 
Könige ist die Sitte übertragen und hat sich lange bei 
verschiedenen Stämmen bewahrt ^. 

Sehen wir nun ab von diesen Kiiegsanfnhrem , so 
sind es zunächst die Vorsteher des Gaus und die der 
Hundertschaft die wir unterscheiden. Es ist freilich 
noch die Frage ob mit Rechte Tacitus spricht nicht 
von einem Beamten der der ganzen Vöiicerschaft vor« 
stand; in jeder allgemeinen Versammlung lässt er die 
Richter der kleinem Distrikte erwähk werden ^ denn was er 
,pagus^ nennt müssen wir für eine Hundertschaft eriilären ^. 

Nicht anders bei den Sachsen. Auch das Dorf, 
scheint es , hatte hier seinen Vorsteher ^, und wnr sind 

* Hi«t. IV, 15: Briniio(eiaCiittninefate) — impositus scuto 
more gentis et sustinentSum humeris vibratirs dnx deKgitor. 

* IMe Steifen bei 6rfmm>lt. A. p. 234. Doch sucht LaMI 
p. 224 n. nachzuweisen, dass es nur dann geschah wenn von dei* 
erbHchen Folge abgewichen, ein neuer Konig rein nach dem Willen 
des Volks erhoben wurde; ich gtaube mit Recht. Wenigstens fand 
naddier die feierliche Salbung, die gewissermassen an die Stelle 
jener Inauguration trat, zu Anfang auch nur dann Statt wenn ein 
neues Geschlecht auf den Thron erhoben wurde. * S. oben p. 51. 

^ Bs heisst Beda H. e. V, 10 : QvA Tenientes in prOYineram, 
IntraTÖmnt hospitinm cujnsdam TiHici petietuntque' ab eo ut trans- 
mitteretttnr ad satrapanr qui: super enm erat. Viflicus ist hier der 



104 

vielleicht berechtigt j eine Einrichtung die wir bei diesem 
Volke finden ) d^s so treu alle altgermanisehen Einrich- 
tungen bewahrt hat ^, ^auch bei andern Stämmen in 
älteren Zeiten vorauszusetzen. Unmittelbar über den 



Vorsteher des Dorfs; die Einwohner heissen viöiiii; in der angel- 
sächsischen Uebersetzung steht ,tiingerefa' (bei Smith p. 624); and 
es scheint mir unzulässig mit Richthofen, altfriesisches "Wörterbuch 
p. 786, darunter den sachsischen Schultheiss zu verstehen. Ueber 
,tun' vergl.Leo, rectitudines p. 24 — 26. Man möchte wohl geneigt 
sein auch den thnnginus (tunginus, thunzinus, tunzinus) des sali- 
schen Gesetzes für einen solchen Vorsteher des Dorfs, der villa> 
zu halten; Tergl. Eichhorn in der Zeitschrift f. g.R. W. I, p. ]74n., 
Grimm R. A. p. 534, Unger a. a. O. p. 134 ff. Doch mtiss ich 
der andern Ansicht die den tunginus und den centenarius für iden- 
tisch hält beipflichten (Savigny I, p. 273 n., Pardessus zur Lex 
Salica p. 579). Denn das , thnnginus aut centenarius' in 44, 1. 
46, 1. scheint doch nur eine doppelte Bezeichnung für denselben 
Beamten sein s^«u können, wie in dem Wolfenbütteler Text 76 
(Chlodowechi ca/Itula c. 9 beiPertz) steht: judex, hoc est comes 
aut grafio. Es ist zu bemerken dass in tit.^60 erst der Text III 
und die Lex emendata den Zusatz ,aat centenarium' haben; in 
50, 2. ist überall nur der thnnginus genannt und offenbar der 
ordentliche Richter im mallus , und über ihm steht der grafio (50, 3), 
den man nur nicht mit Eichhorn a. a. O. p. 175 n. für den Dorf- 
Torsteher halten darf. Ebenso heisst es 46 am Ende: in raallo 
publico legitimo , hoc est in mallobergo ante theoda aut thunginum. 
— Die Ansicht Faick's , Handbuch des Schi. -Holst« Privatrechts II, 
p. 271 n. 83, der vicarius sei von vicus abzuleiten und als Vor- 
steher des Dorfs zu verstehen , wird sich doch nicht rechtfertigen 
lassen 5 vergl. Weiske p. 38 n. 

^ Darum scheint es mir auch gar nicht so willkührlich dass 
Rudolf von Fulda in seiner Beschreibung Sachsens die Nachrichten 
und selbst die Worte des Tacitus theUweise wiederholt; ;er wusste 
wohl was er schrieb und entnahm gewiss nur das der taciteischen 
Darstellung was noch in seiner Zelt geltend war; also wohl ein 
Beweis wie wahr und gut der grosse Römer geschildert hat. Ob 
auch Hucbaldus in der vita S. Lebuini den Tacitus vor sich hatte ? 
Er hat nichts geradezu entlehnt, aber die Uebereinstimmung des 



Vorstehern des Dorfs aber stehen die Satrapen, die 
Fürsten der Gaue oder Handertschaften« Es ist 
wahrscbeinlich dass die sächsischen pagi^ die geringeren 
Umfangs waren ^ , mit diesen zusammenfielen. Denn 
die Dörfer (vici) und. Hundertschaften wird man nicht 
ior gleichbedeutend halten, ebenso wenig aber anneh- 
meo können, dass diese den Sachsen gefehlt hätten, 
da dann ihr Hervortreten bei den Angelsachsen nicht 
zu erklären wäre ^, da ausserdem die entsprechende 
Hardeneiotheilung wenigstens später in dem benach-* 
harten Lande der Angeln bestand, wo sie schwerUcb 
erst mit der dänischen Herrschaft eingeführt worden 
ist ^; es finden sich doch bei den Sachsen selbst 

Sprachgebrauchs ist merkwürdig. .Wie ,principe8* für die Vorateber 
der HandertschafteD , so ivird auch ,conciIiam* für die Vollu?ef« 
sammlaog gebraucht. 

^ Dass die sächsischen pagi kleiner waren als die Gaue der 
andern Stämme, wird besonders aus der Einrichtung Karls des Gr. 
gefolgert , der mehrere solcher sächsischen pagi vereinigte , um zwei 
fränkische Provinzen (Gaue?) daraus zu machen; Eichhorn § 83 
n. 1. Die Urkunde Karls auf die es ankommt bei Lappenberg, 
Hamburgisches Urkundenbuch p. 5. 

* Eichhorn in der eben angeführten Stelle sagt, die sächsi- 
schen Gaue seien den fränkischen Cepten ähnlich gewesen, § 23 
n. d aber läugnet er das Vorhandensein der Centenen unter den Sach- 
sen ^ und braucht das Vorkommen derselben bei den Angelsachsen 
zum Beweis, dass diese Eintheilung erst aus dem Heerwesen ent- 
standen sei. Die hundari des Nordens , selbst die huntari derAla- 
mannen werden doch schwerlich mit irgend welcher Wahrscheinlichkeit 
auf diese Weise erklärt werden können , und so dürfen wir auch 
dieser Behauptung widersprechen. 

* Nur den nordischen Namen führte sie nicht, hiess wohl 
auch nidit Hundertschaft; wenigstens in den angiischen Reichen in 
England wurde die Abtheilung der shire nicht huudrede sondern 
wapeatake genannt ; der Begriff seheint aber ganz derselbe gewesen 
zu sein;, vergl. Lappenberg , Gesch. von England l, p. 91. 



106 

Boch einselne Spuren dieser Ekitbeilung nach Hud- 
derten ^ ; und da nicht Gaue und Hundertochaften 
neben einander vorkommen, sondern eine gleichm'asa^ 
Eintheilung des ganzen Landes in kleinere Distrikte, so 
glaube ich, dass wir diese (iir Hundertschaften zu hal- 
ten^ haben ^ und dass von eigenthehen Gauen nicht üe 
Rede ist, weil die einzelnen kleinen Völkerschaften (Gau- 
gemeinden im alten und ursprünglichen Sinn des Wort») 
die zusanmien das Volk (den Stamm) der Sachsen bil- 
deten, ihre Selbständigkeit aufgegeben hatten und ia 
dem grossem Ganzen aufgegangen waren; nur iinre 
Unterabtheilungen waren gebUeben und zeigten sieh auch 
unter den veränderten Verhältnissen noch von Bedeu*- 
tung ^. Da hatte jede denn ihren Fürsten, den wir 
dem der Hundertschaft im übrigen Deiäschland^ völlig 
an die Seite stellen müssen. 



Aber dass es auch Vorsteher der Gaue^gab, überall 
wo dieise bestanden , lässt sich doch nicht in Zweifel ziehen. 
Wo wir nähere Kunde von den Einrichtungen germanischer 



^ Caphnlare Paderbninnense (Saxonicnm) e. 15 r ad nnam- 
qnamqae ecciesiam cnrte et duos mansos terrae pagenses ad 
ecclesram recarrentes condonant, et inter centnm yiginti homfnes, 
nobiles et ingenuis simiiiter et litos, serTum et ancitlam eklem 
ecdesiae tribuant. Von dem Grosshnndert ist hier die Rede. Auf 
die Bedeutung der Stelle hat Weiske p. 30 aufmerksam gemacht. 

* Nur dass sie urobl nicht so hiessen sondern den N^nien 
der Gaue führten ^ der wenigstens in dem spätera ,Gogreve^ uns 
optgegentritt 

^ Id den sptttem wirklichen Gauen des Saehsenlandes zeigt 
sich aber sogleich wieder die Beziehung auf die Völkerschaften dfe 
dieselben inne hatten* Ich erinnere nur an den Bardengau , Sueyen- 
gaUy Nordthoriogergau, Friesoneveld^ pagus Boroetra n. a. 



Völker hibeo^ tretaa oda diese entgegen. Bei den nor- 
dischen Germanen zunächst gab es^ auf jedem Tbng 
einen Lagmann, der die Vetbaiidking leitete, für die' 
Kenntnias des Beohts: im Volk zu sorgen hatte; in 
Schweden wäMte ihn die Versanunkng seihst auf 
Lebenszeit; in MoPvegeD, wo die Heerschaft: des Kfidigs 
mehr bedeutete , ernannte ihn dieser ; Lögsögomadr, 
Gesetzspreeher ^, hiess er auflsboid, uiid seine Stellung 
wie seine Geschäfte waren etwas anderer Art. Doch 
sind diese Beamte nicht gerade den Fürsten der Deutschen 
gleich zu stellen, wenigstens nur eine Seite des Ver-* 
bäÜBisses in dem die^e standen lässt sich dur(^ die 
Vergleichung erläutern. Ausserdem gab es aber in 
den Harden nicht blos , auch in den Fylkeo und Sys- 
aefaa hestonderQ Vorsteher; das waren die Jarle; die der 
Harden hiessen in Notiregen Hersen , beide in der Regel 
vom Könige ernannt, mitunter mit erbh'chem Anspruch 
ao die WiMrde ^* Aebnlich war es bei den Angelsacb-* 
sen : in jeder« Shire ein Ealdorman , aber gewählt von 
der Gemeinde , neben ihm später der königliche Gerefa ; 
auch, in jeder Hundctrtschaft ein Vorsteher, der den 
Namen des Aeitosten ^ Hundredes^ealdor, fährte^. Auch 
bei den meisten i^rigien deutschen Stämmen lässt sich 
in späterer Zeit. ein höherer Beamte nachweisen, unter 
dena. dee Ceoteuaiius oder wie seio Name sein moctde 

^ Pier fnesischiQ >a9e£[a' ist seiner Bedeotuog nach dassolbei 
\erg\. iinteg. 

* Qie Bel«g4& hl^zn riod, leicht in . PabUnun»'« tr^fflieheDi 
Btt^e »1. finden. 

*^ Lappeabergi^p. 583-^586; Tergl. PbillipS', angelsachsische 
Reokb9..Ȥ.M nad dasGJesMriuai an Thoi^e's Aasg>abe derGesetea. 



108 

stand 1, and es ist darcbaos kein Grand vorbanden dies 
für eine Einrichtung erst dieser Zeit, for hervor- 
gegangen ans der Kömgsherrschaft zu halten^; ob der 
Name aber, der sich spater findet, Graf, grafio, greva, 
gerefa, den ältesten Deutschen bekannt war 3, muss 
dahin gestellt bleiben; für so unmöglich möchte ich es 

1 DenVeweU hat ansfohrlich and ▼olistandig schon Savigoy, 
Geschichte I, p. 265 ff. geführt 

* Das sucht Weiske p. 64 ff. darzuthnn. Doch hat diese 
Ansicht meines üVissens durchaus keine Zustimmung gefunden; es 
musste denn Unger p. 152 so su verstehen sein. Barth p. 297 
will die Verschiedenheit der Grafen und der alten Richter («Fürsten) 
behaupten. 

* H. Muller p. 200 ff. Eine strenge Kritik der bisherigen 
Etymologien hat Richthofen , altfriesisches Wörterbuch p. 786 gege- 
ben. Der Name findet sich in nnzweifethaft alten Denkmalern nur 
bei den Franken nnd den ihrer Herrschaft nnterworfenen Stammen ; 
doch ist es merkwürdig, dass Paulus V, 36 es besonders herror«- 
hebt dass die Baiern so den comes nannten (cum comite Baioario- 
tum quem illi gravionem dicunt ) , dass das Wort nicht blos bei den 
Angelsachsen sondern auch bei den Sachsen nnd Friesen von Verhält- 
nissen gebraucht wird wo die Franken niemals Grafen kannten 
(Gogreve, meregrare, deichgreve), dass es sogar in der nordischen 
Sprache sich findet. Richthofen meint, die Angelsachsen selbst be- 
zeichneten es als ein fremdes Wort und beruft sich auf Leges 
Edwardi 26 § 1 (Schmid p. 293); Greve quidem nomen est pote- 
statis Latinorum lingua, Tel expresse idem , quod praefectura. Allein 
nur die falsche Interpunction hat ihn zu dem Irrthum verleitet. Es 
ist zn lesen : Greve quidem nomen est potestatis , Latinomm lingua 
vel expresse idem quod praefectura , wie der zweite Text jener Ge- 
setze deutlich zeigt: Greve quoque nomen est potestatis ; Latinomm 
lingua nihil expressius sonat quam praefectura; in dem berichtigten 
Texte der neuen Ausgabe von Thorpe heisst es : Greve autem nomen 
est potestatis: apud nos (und der Verfasser ist ein romanisch ge- 
bildeter Normanne) autem nichil melius videtur esse quod praefe- 
ctura. Der Grund wird dann angefahrt: Est enim multiplex nomen; 
greve eoim dicitnr de scira, dewapentagiis, dehundredo, debiirgis> 



100 

doch Dicht halten. Die Namen aber konnten bei den 
Terschiedenen Stammen verschieden sein, die Verhält-- 
nisse, das dorfen wir festhalten, waren sich ahnlich, avi 
gleichen Grundlagen gebildet, bis zu den grossen Wan- 
derungen auch ^eichmässig, so weit wir sehen können^ 
fortentwickelt. 

Der Fürst in diesem Sinne des Worts war dann 
für den ganzen Gau, die ganze Völkerschaft gewählt, 
und seine Stellung konnte der eines Königs verglichen 
werden ; sie stand wenigstens der eines Herzogs an 
Ansehn und Bedeutung wohl nicht nach. Denn nicht 
selten war das Gebiet das die Völkerschaft bewohnte 
von ansehnlichem Umfang, ihre Zahl gross, ihre Macht 
von Bedeutung; ein Fürst der Cherusker, der Chatten ^ 
muss als solcher schon eine mächtige Stellung eingenom- 
men haben. Solche Fürsten hatten die Stämme die der 
Königsherrschaft entbehrten; das war die Stellung Atha- 
narichs, des Richters der Gothen ^, und anderer die 
nicht blos dorch kriegerische Gewalt erhoben waren. 
Nur werden wir Bedenken tragen, ihnen diese abzusprechen 

de viilifl« Es wird eine angeLsacheische Etymologie de« Worts ver- 
sucht and hinzugefügt: Frisones et Flandrenses comites suos mere- 
grave vocant, quasi majores Tel bonos pacificos. 

> Ann. II, 7 erscheint Arpos princeps Chattorum; JI, 88: 
Adgandeatrias princeps Chattorum; XI, 16: Actuinerus prinoeps 
Chattorum, was doch jedesmal der princeps des ganzen Volks zu 
sein scheint. So war die Stellung des Arminius, und schon sein 
Tater Segimer heisst princeps gentis ejus, Yeliejus^ II, 118. Und 
mehrere 4Je den Namen Konig bei den Schriftstellern fuhren, schei- 
nen nur solche Fürsten gewesen zu sein; vergl. unten und Barth 
p. 251. 

* S. meine Schrift über das Leben und die Lehre des Ul- 
fila p. 38. 



IIA 

«der evst durch besondere Wahl aaf sie äbergehen za. 
hssen ^. Der Umfoog, die Bedeatang ihrer Macht 
frscheifit freilich dann sehr yerschieden yon der welche 
wir deo Vorstehern kleioerer 6aae oder der Hondert-- 
scbaften beilegen dürfen. Doch der Begriff ist derselbe, 
mit Recht nennt Tacitus alle mit demselben Namen; es 
waren vom Volk gewählte Fürsten. 

Von den Geschäften nun nnd den Rechten dieser 
Fürsten ist noch näher za handeln« So wenig wir aber 
genau unterscheiden können zwischen dem was der Ver- 
sammlung des Gaus zustand und den Befugnissen welche 
die Hundertschaft auszuüben berechtigt war, so wenig 
können wir die Functionen der höheren und unteren Be- 
amten — denn das waren jene Fürsten — aus einan- 
der halten. Die Stellung ^in der sie sich zur Versammlung 
befanden, aus der sie hervorgingen, mit der sie die 
Gewalt nicht allein tbeilten, sondern in deren Namen 
sie sie eigentlich nur übten, macht es nothwendig, dass 
so weit die Befugnisse dieser reichten auch ihre Gewalt 
sich erstreckt haben mnss, so dass beide ganz auf die- 
selbe Weise bestimmt und begrenzt waren. Alle 
fUllber hatten gleiche Pffichten und ziemlich dieselben 
Geschäfte, ursprünglich wenigstens waren sie sich 
nicht einander untergeordnet , alle gleicbmässig vom Volk 
gewählt; der Vorsteher der Hundertschaft handeke im 
kleineren Kreise, in seiner Gemeinde, wie der Fürst 
des Gaus in der grösseren Vereinigung. Nur dass bei 
der Gauversammlung auch die Vorsteher der einzelnen 

> Vielleicht konnten sie daher anch mitunter ,daces^ heissen ; 
00 bei den Wanken; so Tietletcht der dnx Mar sornAi , Ann. 11, 25; 
daxBatavorum, Ann. 11, 11. 



111 

Haodert^diaften zuaammeD kamen und bier) und wabr- 
scheinlich auch m andern Zeiten, vereinigt berietfaeO) 
auch manches entschieden , was nicht vor das Volk ger 
bracht zu werden brauchte ^. Man darf nur an das 
AUtbiüg der Isländer, an die spätem Zustände derFrie-* 
sen ^ und Dithmarschen ^ erinnern , um die Einrede 
abzuweisen , dass das dem Wesen altdeutscher Zustande 
widerspreche« In der Versammlung selbst scheint die 
Stelluqg der Fürsten mit der der nordischen Lagmänner 
Aehnlichkeit gehabt zu haben. Sie trugen vor, sie leiteten 
die Verhandlung , aber die Entscheidung war beim Volke. 
Das Volk auch fand das Recht , sprach das Urtheil. 
Es ist römisdie AufiSaissung der Verhältnisse, wennTaci-' 
tus von den Fürsten sagt: ,sie sprechen Recht in Gauen 
und Dörfern ^.' Ich lege hier kein Gewicht darauf, 
dass zwischen Gau- und Dorf- richtern, -Vorstehern 
unterschieden zu werden scheint; denn es bleibt doch 
zweifelhaft ob Tacitus dies hat ausdrücken wollen ^ ; wir 

^ So ganz wortlich verstehe ich Tacitus c. 11: t)e minori- 
bo« rebus priecipes Consultant, de maioribus omnes; ita tarnen , nt 
ea quoqae quorum penes plebem arbitrium est apud principes per« 
tractentar. 

* Dass die vier redjewa des Brokmerlandes zusammen rich- 
ten konnten, ist nichts so auffallendes^ wie Unger p. 225 meint. 
In Island waren in den FrühUngegericÜten immer drei Goden , Dahl- 
nana II, p. 208. 

* Hie»r bestand die ganze Landesversammlung aus Beamten. 
^ c. 12: qoi jura per pagos yicosque reddnnt. 

^ Yergl. Ann. I, 56: omissis pagis vicisqoe, wo die Worte 
ohne bestimmte Bezeichnung neben einander stehen. Die Stelle des 
Caeaar VI, 23 ,principes regionum atque pagorum inter suos {us 
dicunt controversiasque minnunt \ scheint ihm vorgeschwebt z« haben. 
Es ist zu bemerken dass deutsche Glossen, Gau' nicht mit ,pagusS 
sondern mit , regio' übersetzen^ Graff, Sprachschatz lY^ p. 275. 



113 

sind auf keinen Fall berechtigt den Unterschied der 
Hundertschaften, und Gaue in diesen Worten angedeu- 
tet zu finden; ob es aber einen eigenen Dorfrichter 
gab ist zweifelhaft^, und es würde uns wenigstens be- 
fremden, auch ihn zu den Fürsten, principes, gerechnet 
zu sehen. Ich hebe aber hervor, dass nicht wie Taci- 
tus es zu denken scheint die Obrigkeiten das Recht 
sprachen, es ist doch sehr die Frage ob sie auch nur 
Antheil daran hatten ^ ; sondern ihre Aufgabe war das 
Gericht zu leiten; die Gemeinde selbst, mitunter viel- 
leicht auserwählte Urtheiler aus derselben ^, entschieden 

* S. p. 104. Denn gab es auch Vorsteher der Dorf er, so 
ist doch noch sehr die Frage, ob eigene Dorfgerichte > Tefschieden 
von denen der Handertschaft. 

> Wenn ich Eichhorn § 26 (5te Aufl. p. 194) und § 75. 
(p. 405) recht verstehe, so ist seine Ansicht, die gewählten prin- 
cipe# seien wirklich Richter, Rechtsprecher, nicht bios Vorsteher 
des Gerichts gewesen, nnd erst spater sei beides getrennt, das 
letztere dem königlichen Beamten , das erstere einer besondern aus ' 
dem Volke gewählten Person übergeben worden; er lässt dann frei- 
lich auch den judex nicht ohne Theiinahme, Zustimmung der Ge- 
meinde oder einzelner aus derselben urtheilen. Was dafür aber 
angeführt werden kann, scheint mir durchaus nicht beweisend and 
Savigny's Darstellung ' (vergl. bes. I, p. 256 ff.) so befriedigend 
dass man ihr nichts abzuziehen oder zuzusetzen hat. Was Unger 
p. 114 ff. anfuhrt ist zu Tereinzelt oder spät um darauf Gewicht 
zu legen , höchstens würde es aber beweisen , dass der judex Ein- 
flnss auf das Urtheil , nicht dass er selbst Theil an der Findung 
desselben hatte. — Den bairischen judex (Rogge p. 77 ff.) und 
den friesischen asega (Richthofen im Wörterbuch p. 609) wird man 
nicht BHt dem princeps oder späteren comes gleichstellen dürfen ; 
sie urtheilten, wenn gleich mit der Gemeinde; Tergl. unten. 

' Savigny auch in der neuen Ausgabe I, p. 238. 239 be- 
streitet entschieden das Vorkommen derselben in älterer Zeit. Den- 
noch halten Eichhorn § 75, Unger p. 112 ff. n. a. an derMeinang 
fest, dass es schon sehr früh, namentlich für das gebotene Gericht, 
eine bestimmte Anzahl Tdn Urtheilern gab. Für die Zeit mit der 



113 

was Recht sei. Und hiervon spricht vielleicht Tacitus, 
wenn er der hundert Begleiter des richtenden Fürsten 
erwähnt ^. Es ist möglich, dass blos der Name der 
Hundertschaften und des Beamten der an der Spitze 
derselben stand, centenarius, hunno und wie derselbe 
deutsch lauten mochte, zu dieser Nachricht den Anlass gege- 
ben hat ^ ; doch wahrscheinlicher dass eben die hundert 
Grundbesitzer , die die Gemeinde ausmachten die wir Hun- 
dertschaft nennen, gemeint sind ^. Sie waren es die 
in der Versammlung erschienen , hier ihre Stimme gaben 
und dieUrtheile fanden; mit dem Fürsten zusammen bil- 
deten sie das Gericht, und sie konnten wohl als ein Rath *, 
als eine ihm zugeordnete Behörde angesehen werden; sie 
fährten vielleicht einen Namen der sich erhielt als lange die 
Hundertzahl überschritten, in Vergessenheit gerathen war ^. 

vrir uns hier beschäftigen scheint es mir aber doch sehr zweifelhaft. 
Anch in Dänemark war es spätere Einrichtung; Dahlmann II J, 
p. 33. 

^ c. 12: centeni singniis ex plebe comites consilium simul 
et anctoritas adsunt. 

* Auf dieselbe Weise wie die hundert Gaue derSueven viel- 
leicht auf diese Weise entstanden sind. — Noch bestimmter meint 
Barth p. 290, die centeni seien eben für die Centenarien zu halten. 

' Diese Erklärung hatWeiske p. 8, auch Unger p. 51. 108. 

^ An sie ist denn wohl auch, zu denken wenn Caesar IV, 11 
principes ac senatus Ubiorum nennt Die Treverorum senatores, 
Tac. Hist. y, 28 , möchte ich aber nicht so erklären ; die Verfassung 
der Treviri war offenbar gallisch nicht deutsch. 

^ Deshalb war es dem Tacitus nicht deutlich warum es hun- 
dert waren oder warum sie so hiesscn; er denkt wie es scheint an 
eine Wahl aus der Gemeinde, doch sagt er das nicht ausdrücklich; 
Im Verhältniss zu der Gaugemeinde waren sie aber allerdings ex 
plebe ; jedenfalls ist das M issyerständniss ein geringeres als bei jeder 
andern Erklärung. — Auch Pardessus in der 9ten Abhandlung zu 
seiner Ausgabe der Lex Salica p. 576 bezieht die Stelle des Tacitus 

8 



114 

Nor die Versammking des Gaus erschien dem Tacitos 
als wahre VolksversanimluDg, und diese meint er wenn 
er von dem ,concilium^ spricht, die kleinere der Hun- 
dertschaft betrachtete er als einen Rath der dem Beam- 
ten, Fürsten, beigegeben war, nicht blos zumUrtheilen 
in Rechtsstreitigkeiten , anch wenn es anderes zu yerhan-. 
dein gab. In der Regel, daran ist nicht zu zweifeln, 
wurden hier alle Sachen abgemacht die nur die Hun- 
dertschaft betrafen, auch alle Streitigkeiten kamen hier 
zur Entscheidung; nur besondere Fälle wurden an die 
Gauversammlung gebracht^. So war es in Island, in 
Dithmarschen , bei den Friesen im Brokmerlande , und 
wo wir sonst Nachricht von der Wirksamkeit der allge- 
meinen Volksversammlung haben. 

Wie die Volksversammlung mit Opfern eröffnet 
wurde, Gericht mit religiösen Gebräuchen verbunden 
war ^, so erscheint auch wohl der Fürst hierbei thätig. 

anf die urtheilende Gemeinde, nnd meiot dass die Worte «con- 
siliam' und ,aactorita8' recht eigentlich ihr Verhältniss zom Grafen 
bezeichne; consilium die mitrathende und entscheidende Versamm- 
lung, auctoritas der von ihnen gefasste Beschluss. Auf ,centeni' 
legt er kein Gewicht $ am wenigsten aber ist es zulässig dies, wie 
Savigny 1 , p. 266 n. will , als Glossem aus dem Text zu werfen, 
da es doch in keiner Handschrift fehlt. Schwierige Worte, und 
besonders solche anf denen die Bedeutung einer Stelle beruht, zu 
streichen , ist ein Verfahren gegen das die Kritik sich nicht genug 
Terwahren kann. 

* Nun ist es deutlich dass die Worte c. 12 ,Licet.apud 
concilium accusare quoque et discrimen capitis intendere etc/ TolU 
kommen genau sind. Die Regel war es nicht dass bei der grossen 
Volksversammlung geklagt und von ihr entschieden wurde, aber es 
gab Fälle wo es gestattet war und geschehen musste; vergl. über 
diese Stelle H. Müller p. 209. 210, der die Bedeutung der centeni 
aber durchaus verkennt. * Grimm R. A. p. 715. 



116 

Wenn die heiligen Rosse angeschirrt worden um durch 
ihr Wiehern den Willen der Götter kundzuthun, dann 
begleitete sie der Vorsteher des Volks, mochte es ein 
König oder gewählter Fürst sein ^. Doch ist dies das 
einzige was hierüber in den Quellen sich findet, und 
auch hier wird der Priester neben dem König oder 
Fürsten genannt ; diese kamen doch nur als die 
Repräsentanten des Staats, als besonders betheiligt bei 
dem was der Rathschluss der Götter verhängen mochte. 
Dagegen sind umgekehrt auch die Priester im Heere 
und in der Volksversammlung thätig; dort wachen sie 
über den Frieden und das Recht, hier verkünden sie 
den Bann und so lange er währt sind sie die Richter 
in der Versammlung ^. Man bat daraus auf eine alte 
Verbindung von Obrigkeit und Priesterthum schliessen 
wollen; es sei dies übrig geblieben aus einer Zeit da 
Priesterherrschaft galt, Priesterthum und politische Macht 
vereinigt waren, und zwar in den Händen bestimmter 
Geschlechter, eines priesterlichen Adels ^. Von diesem 
nun findet sich nirgends eine Spur; aus den Zeugnissen 
die vorliegen lässt sich nichts der Art entnehmen. Nicht 
der Adel erscheint im Besitz priesterlicher Rechte — ich 
habe das schon an anderer Stelle bemerkt * — sondern 
die Priester üben bestimmte Functionen da aus wo zu- 
nächst nur weltliche Behörden berufen scheinen zu handeln; 

^ c. 10: pressos sacro carrn sacerdos ac rex vel princeps 
dvitatis comitantar hinnitasque ac fremitus obserrant. 

^ S. oben p. 57. 

> Ich fähre nur Eichhorn § 14 b an, da seine Bemerkungen 
wohl am meisten daza beigetragen haben dieser Ansicht vielfachen 
Beifall zu verschaffen. ^ S. oben p. 80. 

8* - 



116 

aber wahrscheinlich nur deshalb geschah es , weil in dem 
Volke die Vorstellang lebte, dass wo Volk und Heer 
Tersammek waren der höhere Gottesfriede herrsche ond 
deshalb aach die Sichernng desselben, die Strafe der 
Uebertreter den Dienern der Götter überlassen werden 
müsse. 

Nnr weniges wird sonst von den Priestern der 
Deutschen berichtet ^ ; nur an einer Stelle erscheint ein 
Oberpriester mit ausgedehnter Macht und Gewalt ^. 
Ueberall ist ihre Stellung von der der weltlichen Herr- 
scher, der Obrigkeiten , völlig verschieden; diese werden 
unmittelbar neben ihnen genannt ^ , in anderer Weise 
als sie thätig. 

Dennoch giebt es Umstände die eine Verbindung 
richterlicher und priesterlicher Functionen in früherer 
Zeit wahrscheinlich machen; nur an den Adel ist dabei 
nicht zu denken. 

V^^as der Priester für den Staat thut, das thut der 
einzelne in seinem Hause. Die Familie ist ja Vorbild, 
ist der Keim des Staates; alle Gewalt und Regierung 
hat ihren Ausgangspunkt, wenigstens ihre Analogie in 
derselben. V^as der Familienvater Tür das Haus, das 

1 Vergl. Mone II, p. 10 ff., Grimm D. M. p. 78 ff. Die 
HaupUtellen sind, ausser Tac. c. 10» 11, was c 40 von dem Prie- 
ster der Nerthus erzählt wird, c. 43 der sacerdos muliebri habitu. 
StraboVII, 1 nennt einen Priester der Chatten ^ Beda II, 13 einen 
der Angelsachsen t 

' Ammianns XXVIII, 5, 14: sacerdos apud Burgundios 
omnium maximos Tocator sinistas, et est perpetuus, obnoxias dis- 
criminibus nuHis ut reges. 

* Eben in c. 10 und bei Ammianus 1. 1.: Apnd hos generali 
nomine rex adpellatar heudinos. 



117 

ist fär den Staat zuDächst der Vorsteher, der Färst; 
in allen Beziehungen, auch gegen die Götter muss er 
das Volk vertreten. Und so konnte in Norwegen jeder 
Herse für die Harde, jeder Jarl für das Fylki opfern, 
für den ganzen Staat, das gesammte Volk, konnte es 
der König. Noch bestimmter tritt uns die Verbindung 
beider Gewalten in Island entgegen; die Godar d. s. 
die Richter waren ursprünglich auch Priester , ihre Macht 
schloss sich an den Tempel an, dem sie vorstanden, der 
ihnen angehörte, mit dem das Thing in unmittelbarer 
Verbindung stand, sie waren in der That Priester und 
Richter zugleich und blieben dieses als sie aufhörten 
jenes zu sein ^. ^uch die zwölf Äsen selbst hiessen 
hofgodar ^ ; sie sind gewissermassen die Priester unter 
ihrem Obern Odhinn, aber auch die Herren unter dem 
obersten Herrn. Ich möchte aber doch nicht behaup- 
ten, dass die obrigkeitliche, richterliche Gewalt als ein 
Ausfluss der priesterlichen anzusehen sei, sondern wir 
müssen annehmen dass eben der Vorsteher des Volks 
als solcher auch mit jener Machtvollkommenheit ausge- 
rüstet war; beide erscheinen dann allerdings als eng 
mit einander verbunden , und erst eine spätere Zeit , eine 
fortgeschrittene Entwickelung der Verfassung,^ vielleicht 
auch eine Umbildung des Cultus , hat zur Trennung ge- 
fuhrt. Auch bei den Deutschen mag das der Fall 
gewesen sein; dass der friesische Asega einst auch Prie- 
ster war, wusste man noch in späterer Zeit ^, doch 

1 Dahlmann II, p. 117. 185, Grimm R. A. p. 751. 

* Soorri, Ynglingasaga c. 2. 

* a«cga — qnia significat sacerdotem, bei Richthofen p. 6; 
vergl. Wörterbuch p. 609. Die angeführten Stellen können doch 



118 

zaerst und vor allem war er Rechtsprecher, Richter i, 
nnd diese Bedeutung blieb ihm als jene längst ver- 
schwunden war. Möglich dass bei einigen Stämmen 
die Verbindung bis zur Einfahrung des Ghristenthums 
bestand ; das seltene Vorkommen der Priester in späte- 
rer Zeit, in den Geschichten der Bekehrungen möchte 
sich so erklären lassen 2. Freilich ist von einem Prie- 
ster der Sachsen einmal die Red« ^ , violleicht gab es 
einen Oberpriester des ganzen Volks wie bei den Bur- 
gundern; in den einzelnen Gauen oder Distrikten aber 
besorgte, so scheint es, der Fürst die priesterlichen 
Geschäfte ^. 

nicht beweisen, das« sie jederzeit aus beÜmmten Geschlechtern 
gewählt wurden ; nur die Verwandtschaft mit dem der für den ersten 
galt wird einmal hervorgehoben. 

> Das zeigt eben der Name, lieber ^wart s. Grimm D. M. 
p. 79. Dieser Name , Rechtswart ^ blieb dem Priester, wogegen 
jener Ton den Richtern allein gebraucht wurde. 

^ Dagegen spricht dass^wir später Functionen die an heidnische 
Zelt erinnern in den Händen christlicher Geistlichen finden , wie es im 
Brokmerlande der Fall zu sein scheint (Unger p. 2^); obgleich 
es doch wohl noch zweifelhaft sein kann ob der helgena mon wirk- 
lich ein Geistlicher war; vergl. Richthofen, Wörterbuch p. 805. 748. 

* Rudolfns, translatio S. Alexandri c. 2, wo er freilich den 
Tacitus ausschreibt. Deshalb hat Schau mann diese Stelle wohl nicht 
beachtet; nach meiner Ueberzeugung aber (vergl. oben p. 104 n. 1) 
Ist sie doch nicht so ganz zu übergehen, vielmehr besonders her- 
vorzuheben dass Rudolf US statt ,sacerdo8 civitatis' setzt ,sacerdo8 
populi ^, was einen Priester dea ganzen Volks und Landes anzudeu- 
ten scheint. Sonst stimme ich hier Schaumann p. 136 ff. bei, der 
nur unbegreiflicher Weise den ,Tir Dei'«in der vita S. Columbani, 
der niemand anders ist als der heilige Colnmban selbst, für eiiien 
Priester des Wuotan hält (n. 70). 

^ So kam es nicht, wie Eichhorn S Hb n. n, Leo, Ge- 
schichte von Italien I^ p. 59, meinen, darauf an dass der Adel, 
sondern daat die Vorsteher des Valks für das Christenthmn gewonnen 



iid 

Die Fürsten aber, welche Vorsteher, Richter und 
Yielleicht auch Priester der Gauen und der Hundert- 
schaften waren, genossen unzweifelhaft höhere Ehre und 
bedeutenderes Ansehn unter ihrem Volke. Es war keine 
ausgedehnte, unbeschränkte Gewalt die iu ihre Hände 
gelegt wurde ^ ; doch Gehorsam , wenigstens Achtung 
und Ehrfurcht vor dem Vorsteher des Staats ist mit 
Freiheit nicht unverträglich. Den besten, tüchtigsten 
wählen die guten ^, tapfern, und ihm ordnen sie sich 
freiwiüig unter. Seia Recht war es Geschenke von dem 
Volk zu empfangen dem er vorstand ^ ; auf den grossen 
Versammlungen erschien jeder und brachte was er dem 
Fürsten zu geben hatte , Früchte des Landes , Vieh oder 
worin der Reichthum des einzelnen bestand. Das war 
der Lohn für das Amt, und es mehrte seinen Reich- 
thum. Von anderer Ehre die er genoss wird aus so 
früher Zeit wenig überliefert; Tacitus gedenkt nur des 
Haarschmucks der sie bei den Sneven auszeichnete ^ ; 

wurden, nnd das zeigt auch die Geschiehte der Franken nnd der 
meisten andern Stämme; wo es Könige gab, waren sie es, die die 
Religion des Volles bestimmten. 

^ c. 11: audiuntsr aactoritate snadendi raagis quam iubendf 
potestate. 

> Die boni faoffliaes, Gntenleute;^ Savigny I, p. 219. 220. 

» c. 15: Mos est civitatibus nitro ac Tiritim eonferre priii- . 
cipibns vel armentorum vel frogum , quod pro honore acceptum eHam 
necessitatibus subvenit. Dass hier von den Staaten die Rede ist 
deren Fürsten sie waren , zeigen die folgenden Worte : gaudent prae- 
cipne tinitimarum gentium donis; vergl. Grimm R. A. p. 240. Srhon 
diese Stelle mochte hinreichen, um die Identität der principe» als 
Obrigkeiten und als Gefolgsführer darzutbun. 

* c. 38 : apud Sueros nsque ad canitiem horrentera captlltmi 
retro sequuntur ac saepe in ipso vertice religant ; principes et 
ornatiorem habent. 



120 

es ist wohl unnütz zu fragen, ob anderswo schon da- 
mals langes wallendes Haar als ein Zeichen der ober- 
sten Gewalt angesehen wurde ^, ob sonst Schmuck 
und Tracht den Fürsten vor der Menge auszeichnete ^^ 
ob er den Stab des Richters und den Speer des Her- 
zogs führte ^, oder wie sonst die Macht und die Würde 
die er inne hatte sinnbildlich dargestellt wurde. 

Sein Ansehn aber und seine Ehr« vermehrte das 
Gefolge das ihn umgab. 

Von diesem ist näher zu reden. Nicht eben rich- 
tig hat man meistenstheils die Nachrichten die Tacitus 
giebt verstanden. 

Tapfere Manner aus dem Volke schlössen sich dem 
Fürsten an, in der Kraft der Jugend, doch keine Kin- 
der mehr, sie mussten stark, ihr Muth erprobt sein*; 
jüngere wurden nur aufgenommen, wenn erlauchte Herkunft 

1 Obschon die Erzählungen des Jordanis c. 11 sich auf die 
Geten, nicht auf dieGothen zu beziehen scheinen > so gehört doch 
folgende Nachricht entschieden diesen an : reliquam vero gentem 
(im Gegensatz geghn die pileati) capillatos dicere jussit, quod 
nomen Gothi pro magno suscipientes , adhnc hodie suis cantionibus 
reminiscuntur. Von diesen Gedichten wissen wir freilich nichts, 
wir finden aber die capillati in dem Edictum Theodorici c. 145 
und in der Ueberschrift Von Cassiodori Var. IV, 49. Es sind aber 
die sämmtlichen freien Gothen darunter verstanden, und auch sonst 
war langes Haar zu tragen Recht und Zeichen des Freien, der 
Vorzug des Königs also nur ein relativer; vergl. Grimm R. A. 
p. 283. 239. 

' Bessere Tracht der Reichen erwähnt Tac. c. 17, bessere 
Waffen c. 6. Auf beides wurde später besonderes Gewicht gelegt, 
und ich zweifle nicht dass auch in frühester Zeit schon dasselbe geschah. 

' Vergl.. Grimm R. A. p. 241. Der Godi auf Island trug 
als Zeichen seiner Amtsgewalt einen silbernen Handring, Dahlmann 
II, p. 185. 

* c. 13: robustioribus ac jam probatis aggregantur. 



121 

oder Verdienst der Väter sie dem Fürsten empfah- 
len ^. Eidlich ^ verpflichteten sich alle zur unbedingten 
Treue. Und es galt für eine Ehre im Gefolge zu sein, 
dem Fürsten zu dienen, Edle und Freie waren hier 
verbunden ^, zu gleicher Treue , gleicher Pflicht. Unter 
ihnen herrschte V^^etteifer der erste zu sein ; von dem 
Urtheil des Fürsten aber hing es ab, er bestimmte 
die Folge 5 wie jeder des höhern Platzes würdig erschien; 
und so gab es Stufen im Gomitat, die man durch 
aushaltenden treuen Dienst der Reihe nach ersteigen 
konnte ^. Im Frieden gab das Gefolge Ehre und Ruhm, 
die Fürsten strebten darnach die zahlreichsten und eifrig- 
sten Gefährten zu haben ^; im Kriege dienten sie zum Schutz, 
sie umgaben die Person des Fürsten, sie wetteiferten 
mit ihm an Tapferkeit und kühnem Muth ^, auch ihre 
Thaten nutzten nur seinem Ruhm, denn ihm wurden 

^ S. die erste Anmerkung. 

* c. 14: fortia facta gloriae eins assignare, praecipnum sa- 
cramentum est. 

^ Dass blos Adlige im Gefolge waren, wie man aas dem 
yplerique nobilium adolescentium' c. 14 (s. die erste Anmerkung) 
hat schliessen wollen , ist noch weniger darzuthun als dass blos 
Edle berechtigt waren ein solches zu haben. 

^ c. 13: gradus quin etiam ipse comitatus habet jndicio ejus 
quem sectantur. Die Worte sind oft ganz missdentet worden (schon 
von Moser I, § 36), wobei man aber das Judicio ejus quem se- 
ctantur' nicht beachtet und keine Rücksicht auf das folgende nimmt, 
das eng hiermit zu verbinden ist: magnaque et comitum aemu- 
latio, quibus primus apud principem suum locus. Zur Erläuterung 
dient was Leo, über Beowulf p. 66 n. anführt. 

' Die Stelle fährt fort: et principuni cui plurimi et acerrimi 
comites ; haec dignitas, hae vires. Magno semper electorum juve- 
num globo circumdari, in pace decus, in hello praesidium. 

• c. 14: Cluum ventum in acjem> turpe principi virtute^vioci, 
turpe comitatui vlrtutem principis non adaequare. 



123 

sie zugeschrieben ^, in seinem Namen, zu seinem Yor*- 
theil geübt: die Fürsten stritten für den Sieg, die 
Gefährten nur für den Fürsten ^. Sie mussten ihn 
yertheidigen , selbst mit ihrem Leben; fand er dennoch 
seinen Tod im Kampfe 3, so galt es fiir schimpflich ihn 
zu überleben, für ihn nicht blos, auch nach ihm dmiss- 
ten sie den Tod suchen ^. Als Lohn erhielten sie 
Waffen und Rosse , auch von der Beute des Krieges ihren 
Äntheil; die Geschenke die dem Fürsten, dargebrachl 
wurden kamen auch ihnen zu Gute ^. 

Grosses Gefolge gab auch Ansehn bei den benadi«- 
barten Stämmen; diese Fürsten wurden von fremden 
Gesandten aufgesucht , mit reichen Gaben beschenkt, 
um Hülfe gebeten. Oft leisteten sie sie, oft reichte 
ihr Name hin den Krieg zu entscheiden ^. 

1 sua quoqiie fortia facta gloriae ejus assignare. 

^ principes pro victoria pugnadt«, comites pro principe. 

^ illam defendere, taeri — praecipuum sacramentum est 

^ iam Tero infame in omnem vitam ac probrosum supersti- 
tem principi suo ex acie recessisee. Vergl. Ammian. XVI , 12, 60: 
comites — flagitium arbitrati post regem vivere Tel pro rege non 
mori, si ita tulerit casns etc. und das Beowulfslied v. 2895 nach 
EttmüIIer's Uebersetzung: ,Des Landrechtes muss jeder der Män- 
ner dieser Magschaft nun beraubet gehti , wenn der Recken Schaar 
efire FIncht erfähret fern im Lande, die treulose That. Tod ist 
besser der Eorle jeglichem denn ehrlos Leben*. Beownlfs Gefähr- 
ten hatten ihn beim lebensgefährlichen Kampf verlassen. 

' materia mnnificentiae per bella et raptus — aber auch : 
Mos est civitatibus etc. quod pro honore acceptum etiam necessita- 
tibus subvenit , und : Gaudent praecipue finitimarum gentium donis, 
quae non modo a singulis y sed publice mittnutnr , electi equi , magna 
arma, phalerae torquesque; womit zu verbinden ist: Exlgnnt enim 
(comites) prmcipis sui liberalitate illum bellatorem equum, illam 
cmentam victricemqae frameam. 

* c. 13 : Nee solum in sua geote cuique sed apnd finitlans 



123 

Giebt es keinen Kriege so lebt das Gefolge miuH 
sig; einen Theil der Zeit widmen sie der Jagd, den 
grösseren dem Essen und Schlafen. Unthätig und in träger 
Ruhe verharren dann die tapfern Krieger. Den Ackerbau 
uberlässt der deutsche Mann den Weibern und Sklaven ; 
damit befasst er sich nicht, lieber ergtebt er sich beque- 
mem Müssiggang ^. Doch hasst er solche Ruhe und 
sucht kriegerische Beschäftigung auch in der Ferne. 
Wo es Kampf und Krieg giebt, da stürmen die edeln 
Jünglinge hin , sie suchen den Herrn der ihrer .Hülle be- 
darf ^; denn der Fürst der im Frieden lebt ist nicht 
im Stande ein grosses Gefolge zu emähreti ; dort aber sind 

quoque civitates id nomen, ea gloria est, si nuniero ac yirtute 
comitatus emineat. Expetuutur enim legationibus et muoeribus 
ornantttr, et ipsa plerumque fama bella profligant. 

^ c. 15: Qaotiens bella non ineunt, dod multnm veaatlbas, 
plas per otiara transigunt dediti somno ciboqne, fortiseimus qaisque 
ac bellicosissimiis oibil agens , delegata domns et penatium et agro- 
nim cura femiais senibnsque et infinnissima cuique exfamilia» ipsi 
hebent, mira diversitate naturae, qaum iidem bomines sie ament 
inertiam et oderint quietem. Man hat seit Moser oft Gewicht dar- 
auf gelegt, dass diese Schilderung nicht auf alle Germanen gehe, 
nur Ton den Gefolgen tli die Rede. Zunächst allerdings. Doch 
halt sich Tacitus wohl nicht so ausschliesslich an dies Verhältniss, 
sondern da er von dem kriegerischen Leben spricht das jenes führte, 
schildert er zugleich Sinn und Lebensweise der freien Deutschen 
überhaupt. Vergl. c>17: totos dies juxta focum atque ignem agunt, 
c 22 : tum ad negotia , nee minus saepe ad convivia procedunt 
Geschichte und Sage liefern uns* Zuge genug von dem Leben der 
Fürsten und ihrer Leute , die alles bestätigen was hier gesagt wird. 

* c. 14: Si civitas, in qua ort! sunt^ longa pace et otio 
torpeat, plerique noblHam adoiescentiun p^tunt nitro eas nationea, 
qnae tnm bellum aliqaod gerunt, quia et ingrata genti quie« et 
facilius inter ancipitia clarescunt, magnumque comitatum non nisi 
Ti belloque tueare. Hier steht auf jeden Fall nicht, daaa die Für- 
sten auszogen und in der Fremde Krieg suchten um ihr G^oJge 



124 

sie willkommen und können denken leichter Ruhm und 
Ehre und Beute zu gewinnen. 

Manches in diesem Bilde, wird man sagen, passe 
nicht auf die Fürsten, die Vorsteher und Richter der 
Gemeinden waren , gewählt nicht für Krieg und Heeres- 
führung sondern für friedliche Geschäfte. Das Gefolge, 
meint man, sei doch hauptsächlich kriegerischer Natur 
gewesen, nur für Zeiten des Kampfs und unruhiger Be- 
wegung passend. Da ziehe der Fürst mit den Gefährten 
aus, suche und finde Ruhm und Beute, wenn nicht in 
der Nähe, so bei fernen Stämmen deren Kriege er 
theilt. Man erinnert wohl an jene Seekönige des Nor- 
dens, die keine Herrschaft, keine Heimath hatten als 
ihr SchiflF, ihre Begleiter und was mit ihnen gewonnen 
und behauptet ward. Auch in der deutschen Geschichte 
fehlt es nicht an ähnlichen Beispielen, an Heerführern, 
die ihren Waffen, der Schaar die ihnen folgt, ihrem 
Glücke vertrauen. Keine Frage dass weit ah^von ihnen 
die Richter stehen, die in den einzelnen Gemeinden 
gewählt wurden um für die Sicherheit des Ganzen, für 
Recht und Gerechtigkeit zu sorgen» 

Jenes sind aber Verhältnisse die mit dem Gefolge 
zum Theil gar nichts zu thun haben. Doch nicht so 
ausschliesslich war dies für den Krieg bestimmt; auch 
im Frieden gab es Ehre, sagt Tacitus, und er hebt 
gerade hervor, wie es döfnn müssig und unthätig lebte. 
Nur war es hier kleiner als zur Zeit des Kriegs, da 
der Fürst aus eigenen Mitteln nicht die gleiche Zahl 
der Gefährten erhalten konnte. Auch sind die Begriffe 

zu nnterhalten. Ich glaube die Erklärung die ich gebe wird sich 
als die richtige zeigen. 



125 

fürstlicher und kriegerischer Gewalt nicht so wesentlich 
verschieden , nicht die Herrschaft selbst , nur das Maass 
und die Art der Ausübung ist eine andere. Nicht blos 
die Vorsteher der kleineren und 'grösseren Gemeinden, 
auch die Herzoge, sahen wir schon, gehörten zu den 
Fürsten; auch sie können in gewissen Verhältnissen als 
Richter erscheinen. Wie der Graf im fränkischen Reiche 
später zugleich Heer und Gericht leitete, obrigkeitliche 
Functionen jeder Art im Frieden ausübte, und im Kriege 
als ein mächtiger Beamter dastand der unter dem 
Herzog die Mannschaft seines Gaus führte, so wird es 
ähnlich auch in älteren Zeiten gewesen sein ^. Auch 
standen nicht alle Gaue mit andern in solcher Verbin- 
dung, dass sie sich zu einem grösseren im Kriege eng 
vereinigten Ganzen mit ihnen verbinden konnten; nur in 
späteren Verhältnissen finden wir die Beispiele dazu; 
Tacitus kennt den Gegensatz zwischen den Obrigkeiten 
des Krieges und des Friedens noch nicht in dieser Weise ^ ; 
der Fürst des Gaus nimmt ganz die Stelle ein die bei 
andern Stämmen der König hat, und nicht an blos civile 
Gewalt ist hier zu denken, sondern er war der Vor- 
steher des Gaus , der Völkerschaft, nach allen Seiten hin, 
ganz den Jarlen des Nordens, den Ealdormen der An- 
gelsachsen zu vergleichen^. Und nichts hindert alles was 

* Savigny I, p. 265 hält es wohl mit Recht für die allge- 
meine Regel, dass die obrigkeitliche Person die dem Gericht vor- 
stand and die er ganz allgemein mit dem Namen Graf bezeichnet 
Zugleich die Freien seines Sprengeis im Kriege fährte. 

* Er spricht wohl an verschiedenen Stellen von duces und 
principes , aber er sagt nicht dass diese ohne kriegerische Thaltg- 
keit gewesen seien, nicht einmal dass erst ans ihrer Mitte der dux 
gewählt warde, wie es später bei den Sachsen geschah. •/ 

/ • Vergl. oben p. 109. 



196 

Tacitos TOD den FiirsteD und ihrem Gefolge sagt aof 
sie zu beziehen ^. Oft genug mögen sie daheim mäs« 
sig gesessen oder sich die Zeit mit Jagd and andern 
Vergnügungen yertrieben haben; auch fremden Stammen 
können sie Hülfe geleistet und von ihnen dafür Geschenke 
zum Lohn empfangen haben; dass das geschah, bei 
verwandten Stämmen, ist noch kein Beweis von einem 
unruhigen , unstäten Leben , wie man es mit den Gefolg- 
schaften verbunden sein lässt; ebenso wenig dass edle, 
muthige Jünglinge auch in der Fremde Kriegsruhm zu 
suchen geneigt waren. Es traten Zeiten ein, wo Fürsten 
mit Gefolge und Volk auszogen, um nun nicht blos 
Beute, um neue Sitze zu gewinnen; und es liegt in der 
Natur der Sache dass sich da andere Verhältnisse ent- 
wickeln mussten. Als es allgemeiner geschah , als solche 
Bewegung fast alle Stämme ergri£f, änderte sich der 
ganze Zustand des germanischen Volks. Die Verhältnisse 
dieser Zeiten darf man nicht auf die früheren übertragen. 

Ich kann aber nicht umhin noch näher hierauf ein- 
zugehen; es sind wichtige auch für diese Untersuchung 
bedeutende Fragen die sich hieran knüpfen. 

Edle und Freie dienten in dem Gefolge; die Söhne 
der alten Adelsgeschlechter, der Fürsten selbst haben 

1 Es Mt daher nnnotfaig mit Gaupp, das Gesetz der Thü- 
ringer p. 103, anzunehmen, dass es aach principes mit Comitaten 
ohne Ricfateramt (richtiger wäre: überhaupt ohne obrigkeitliches 
Amt) gegeben habe. Wer das Richteramt in einem Gau bekleidete, 
konnte doch an fremden Kriegen unmöglich Theil nehmen, sagt er. 
Ich habe schon bemerkt, dass das vom Tacitus auch nicht in der 
"Weise behauptet wird wie man oft meint, und erinnere nur daran, 
wie gewöhnlich es war dass der comes zu Felde zog, auch ia 
weite Ferne, auf Jahre ; und doch war er der Richter ia seinem Gau. 



127 

es mcbt verschmäht hieran Tbeil zu nehmen. Was wir 
aus dem Tacitus schliessen können, bestätigen die Ge- 
dichte die uns die Zustände des ältesten deutschen 
Lebens abspiegeln ^ ; dem Etzel , den wir in den Nibe- 
lungen durchaus als deutschen Fürsten zu denken haben, 
dienen 24 Fürsten ^. 

. Und auch der Dienst selbst gab Ehre. 
Schon Tacitus deutet es an , und die späteren Zei- 
ten geben Beispiele genug dass es so war. An die 
Stelle der Fürsten waren Könige getreten, und diese 
waren es nun auch die allein oder doch vorzugsweise 
ein Gefolge hielten. Wer aber unter den Franken in 
ein solches Verhältoiss zum Könige trat, genoss ein 
dreimal höheres Wehrgeld als ein anderer Freier ^ ; 
auch bei den Langobarden waren die Gasindi des Kö- 
nigs, wie hier die Gefährten heissen *, durch grösseres 
Webrgeld ausgezeichnet ^. Am weitesten, am künstlichsten 

^ Auch haben schon mehrere darauf aufmerksam gemacht 
wie ans ihnen die Nachrichten des Tacitus erläutert werden können; 
die Sammlungen Hessen sich aber wohl noch bedeutend vermehren. 
Gewiss wird Grimmas lange erwartetes Buch über Leben und Sitten 
der Deutschen auch auf diese Weise Licht über viele Verhältnisse 
verbreiten. 

' Nibelungen 1282 Lachm. Ein anderes älteres Beispiel ans 
Beownlf hebt Leo in s. Schrift über dieses interessante Denkmal 
altdeutscher Poesie p. 98 n. ** hervor. 

^ Wohl nicht ein 3 ^ 3mal höheres, wie Gaupp a. a. O. 
p. 165 will; s.Savigny, Beitrag p. 19 n., Wilda, Strafrecht p. 419. 

^ In dem alten langobardischen Wörterbuch , bei Haupt Zelt- 
schrift für deutsches Alterthura I^ p.551, heisst es: casindloa regia 
id est qui palacio regis custodiunt. 

* Lex Lintprandi 62 (VI^ 9): De gasindiis vero nostris 
volumus^ ut quicumque ex mioimis occisus fuerit in tali ordine, 
pro eo quod nobis descrvire videtur, 200 sol. fiat com- 



128 

aber ist dies bei den Angelsachsen ausgebildet worden^ 
denn hier bestimmte das Verhältniss zum König , die Art 
des Dienstes nicht allein das Wehrgeld, auch die son- 
stige Bedeutung, man kann sagen den Rang des ein- 
zelnen in mannigfacher und gliederreicher Abstufung ^. 
Es bildete sich aus diesen Verhältnissen eine Verschie- 
denheit des Standes, ein neuer Adel, wenn wir das 
Wort in diesem Sinne zu gebrauchen uns erlauben wollen ^. 
Es war das ein reiner Dienstadel , dessen Bedeutung 
in der Ehre lag die ihm der Dienst gewährte und die 
ihren Ausdruck fand in dem Wehrgeld das die Könige 
ihren Genossen zuerkannten. Weil er dem Könige 
diente, wurde er vor den andern erhoben ^; ob er ihm 
näher oder femer stand ^, war der Maasstab der angelegt 
wurde. Aber nur die Königsherrschaft, nicht das ake 

positns , majores vero secundum qualis persona fuerit , nt in nostra 
consideratione vel successoram nostrorum debeat permanere, quo- 
modo usqoe ad 300 sol. jpsa debeat ascendere compositio. 

^ Schmid , Gesetze der Angelsachsen p. LXXIV, Leo , recti- 
tudines p. 167 ff.; Tergl. Lappenberg I, p. 569. 

* Vergl. Leo, Geschichte von Italien p. 71. 

* S. die Stelle p. 127n.5 und Marcalfi form. I, 18: Rectum 
est y ut qui nobis fidem pollicentnr inlaesam nostro tueantur auxilio. 
— Et si quis fortasse eum interficere praesumpserit , noTerit se 
wirgildo suo solidis sexcentis esseculpabilemjudicetur. Yergi. Fürth, 
die Ministerialen p. 21, M^ilda, Strafrecht p. 263. Selbst den Skla- 
ven des Königs wurde ein höherer Werth beigelegt; Fürth p. II. 

^ Schon in K. Jnas Gesetzen c. 45 erscheint der cyninges 
tfaegn ; ebenso in dem Frieden zwischen Aelfred und Guthrnm c. 3 ; 
regis thaynus in Aethelreds Gesetze YIIE, c. 2; bestimmter heisst 
es in K. Cannts weltlichem Gesetze c. 72 : cyninges thegenes the him 
nyhste syndon. Sie heissen wohl die ,eaxl gesteallan', die an der 
Achsel stehen , sie sind es die an des Königs Tafel essen dürfen ; 
yergl. Leo , über Beowalf p. 66 n. 97. 



129 

FürsteDthum konnte einen solchen Einfluss äussern, 
konnte neue Verhältnisse dieser Art hervorrufen und 
begründen. Es mag gelingen den Keim zu diesen Ent- 
wickelungen in den altgermanischen Verhältnissen nach- 
zuweisen; mehr als bedenklich aber, völlig unzulässig 
muss es erscheinen diese nach den späteren Bildungen 
zu beurtheilen. Neue Standesverschiedenheiten sind ent- 
standen, ein neuer Adel hat sich gebildet; aber ganz 
und gar ist er von dem alten Adel verschieden; er bat 
nichts als die höhere Ehre die er genoss mit ihm ge- 
mein; Entstehung, Stellung, Rechte und PQichten sind 
andere und gehören einer ganz andern Zeit und Ent- 
wickelung an. 

Es sind nun nicht bestimmte uralte Geschlechter 
die uns entgegentreten , sondern zu Anfang blos einzelne 
Bevorzugte, deren Recht sich erst nach und nach mit 
bestimmtem Grundbesitz verknüpft, dann erblich, und 
dadurch erst wahrer Standesvorzug, Adel wird. Zwi- 
schen diesem Adel und dem Recht zum Königthum 
giebt es. keinerlei Verbindung; die Mitglieder desselben 
sind dem Königsgeschlechte nicht mehr gleich an V^ürde 
und Recht, selbst der alte Name Adalingi, Edelinge, 
wird nicht von ihnen gebraucht. 

Es ist also unrichtig allen germanischen Adel, auch 
den der ältesten Zeit, auf diese V^eise entstehen zu 
lassen, keinen andern anzuerkennen als den der sich 
durch das Gefolgewesen gebildet hat ^ — eine Meinung 

' Schon R. Scbmid , die Gesetze der Angelsachsen p. LXXIY 
scheint dieser Meinung zn sein, die dann besonders von Gaapp, 
Gesetz der Thüringer p. 105 ff., vertreten wird. Auch Wilda o. 
a. neigen sich dieser Ansicht zn , wogegen Leo In der nenea 

9 



190 

der friifaer zu gedenken mir weder nöthig noch zweck- 
mässig erschien; ich finde dass man ebenso Unrecht 
hat, wenn man den neuen Adel aus dem alten ableiten 
oder doch mit demselben in Verbindung bringen will. 

Man nimmt an , aller alter Adel sei in das Gefolge 
des Könfgs getreten , er selbst mit seinem eigenen Ge- 
folge, und zunächst sei kein anderer als er dazu b^ech- 
tigt gewesen; und so habe der Stand im ganzen, die 
einzelnen Geschlechter sogar haben fortgedauert, in ihrem 
Bestände, in ihrer Bedeutung wesentlich unverändert; 
das sei der einzige Unterschied gewesen, dass nun die 
Herren der Gefolge einen höheren Herrn, den König, 
über sich hatten ^, 

Diese Annahme beruht auf einer doppelten Voraus- 
setzung, einmal dass es zu dem V^esen des Adels ge- 
hörte ein Gefolge zu halten , sodann ^ass nur der Adel 
in das Königsgefolge eintreten konnte. Ich glaube jene 
Meinung schon oben widerlegt zu haben; es ist kaum 
zu sagen auf wie schwachen Gründen diese beruht. 

Von den meisten deutschen Stämmen wissen wir 
nichts was zu einer solchen Behauptung berechtigen könnte. 
Der Adel den die Gesetze der Sachsen, Friesen, Thü- 
ringer kennen hat mit dem Gefolgewesen überall nichts 
zu thun; nicht anders ist es mit den alten Geschlech7 
tern des bairiscben Stammes ^ , wo erst später ein neuer 

Bearbeitnng der Geschichte des M. A. (Universalgeschichte II, 2te 
Anfl., p. 6) den Adel ans den Gefolgsh'äoptern sich bilden lässt. 
* Savigny p. 7. 26 ff. 
* < Decretum Tassilonis c. 7: De eo qnod ut servi principis 

qui dicuntur adelschalc sunm habeant weregeldnm iuxta morem quem 
habuerunt snb parentibns ejus et ceteri minores weregeldi ioxta 
legem suam , ita constitjiit. 8. De eo quod parentes principis quod- 



iSl 

Sboeiesvonag aus imi Gefolge des Herzogs (princeps) 
/sidi gebildet ^u haben scheint , der aber von dem wah-- 
reo Adel uaterschiedeu wird, lieber die ständische 
Gliedervag bei den Alamannen brauche ich kaum zu 
spredben; weder ihr Ursprung noch ihre Bed«itung hat 
bisher recht ins Licht gesetzt werden können ^. Ver- 
wandt sind die Verhältnisse der Burgundionen ; wie dort 
primi, mediani und mini^di oder minores neben ein- 
ander stehen, so hier die optimales nobUes, mediocres 
und minores; es ist wahrscheinlich dass die beiden un- 
tern Klassen eine Abstufung innerhalb des Standes Aex 
Freien bezeichnen ^ ; die dritte, obere, wird schon 

cnnqne praestitum fuit nobilibas intra BaioarioB hoc constitait at 
permaneret , et esset sub potestate aniascujusque relinquendum 
posteris, quamdiu stabiles foedere servassent apnd prin- 
cipem ad serTiendum sibi» et baec firma permanerent, ka 
coDstituit. Das letzte Capitel verstehe ich nicht so dass die nobl- 
les dem Fürsten dienten , sondern die , parentes principis *' — und das 
sind, glaube ich> dieselben die c. 7 ,servi principis'. heissen, nicht 
die Verwandten des Fürsten — »ollen daaselbe Recht haben wie die 
Adligen ^ und von jenen , nicht von diesen ist dann im folgenden die 
Rede. Unterschieden werden beide wenigstens c. 5: De eo quod 
ins ac legem , quam habuerunt in diebns patris sui nobiles et Uberi 
et servi eius , ita donaverat et constituit ut firma fieret , wo die 
serri ejns offenbar dieselben sind wie c. 7 die servi principis. Von 
dem Adel ist c. 6 und 12 die Rede: si quis de nobili genere, quod 
qnisqais de nobili genere. 

^ Ausser Eichhorn S 47, Ganpp p. 178.184, Savigny p. 12. 
13, Wilda p. 422, s. auch Bluntschli, St. u. R. 6. der Stadt und 
Landschaft Zürich I, p. 30, Stalin p. 201, Reyscher, bei Bauer 
Schwaben wie es war und ist p. 384. 

^ Darin scheinen mir Gaupp p. 173 , Wiida bei Richter 

p. 831 ff. dnrohaus Recht eu haben; vergl. oben p. 82 n. 2. Bei 

den Alamannen wenigstens, in deren Gesetzen die Liten, denen 

. man sonst die minores gleichstellt , Torkommea , giebt auch Eichhorn 

S 74 4ie V^rftobiedeiriheit so. Mfllio«M wd laiiM^ftidi ersehetsMi 

9* 



132 

deshalb ab Adel erscheinen und führt bei den Bürgan- 
dionen auch den Namen ; ob dieser aber mit dem alten 
Adel zusammenhängt oder vielmehr aus dem Gefolge- 
wesen sich gebildet hat, ist nicht zu erkennen. Ich 
glaube jenes. Denn auch bei den Langobarden werden 
primi genannt ^ ; wir wissen aber dass es hier alte Ge- 
schle;chter gab, die in unmittelbarer Beziehung zur 
Kanigswurde standen , obschon nicht ein einzelnes^ sich 
ds das eigentlich königliche behauptet hat, sondern der 
Reihe nach aus ihnen die Herrscher hervorgegangen 
sind ^. Die davon übrig waren sind es die jenen Na- 
men führen, sie stehen den Freien gegenüber^, und 
geniessen das doppelte Wehrgeld wie es vor Alters dem 
Adel hergebracht war *• Ganz verschieden davon ist der 

aach in den von Pertz sogenannten Capitnla Chlodowechi regis c. 9, 
wo es offenbar Freie sind; vergl. Pardessus in der vierten Disser- 
tation p. 469. Dass eigentlich keine wahre Standesverschiedenheit 
mit den Worten mediocres und minores angedeutet wird , zeigt auch 
das Capitolare a. 779 ( Pertz , Legg. I, p. 40) wo comites medio- 
cres und minores neben fortiores genannt werden. 

' Lex Liutprandi 62 (VI, 9): Consuetudo enim est, at 
pro minima persona quae exercitalis homo invenitur esse, 150 so), 
componantur, et pro eo qui primus est 300 sol. 

* S. die Stellen bei Savigny p. 21. 

* Hier werde ich die wunderliche Glosse aus dem langob ar- 
dischen 'Wörterbuch anfuhren müssen , bei Haupt I , p. 588 : Threus, 
id est homines meciani, qui non sunt nobiles, da auch hier Freie 
den Adligen entgegengestellt werden. Doch verhehle ich nicht dass 
im codex Vaticanus ganz anders gelesen wird: Thereus, dispari- 
liter sen ignobiliter natus qui eciam dicitur nothus. 

^ Hierin mnss ich Savigny durchaas beistimmen ; die Bemer- 
iLongen Wilda's bei Richter p< 346 widerlegen nichts. Das seltene 
(einmalige?) Vorkommen der primi zeigt aber, dass auch hier der 
alte Adel im Aassterben begriffen war$ vergl. Lobell p. 163» 



133 

Rang den der Königsdienst verlieh; er ist mit dem Stand 
der Freien nicht blos vereinbar ^, er scheint sogar aus- 
schliesslich von diesem gesucht worden zu sein, da sich 
kein höheres Wehrgeld für den Edeln findet der in ein 
solches Verhältniss eingetreten war; sogar die Freigelas-- 
senen konnten sich in dem Gesinde eines Herzogs, 
wahrscheinlich auch des Königs befinden ^. 

Bei den Angelsachsen steht der neue, der Dienst- 
adel ohne alle Verbindung mit alten Geschlechtem; keine 
Spur dass er aus diesen hervorgegangen war, dass nicht 
jeder Stand an dem Königsdienste Theil nehmen und 
durch ihn gehoben werden konnte ^. 

Da ist es schon an sich wahrscheinlich dass es bei 
den Franken, auf die man sich vorzugsweise beruft, 
nicht anders gewesen sei. Von altem nationalen Adel 
findet sich in ihren Gesetzen keine Nachricht. Nur die 
dem Könige Treue gelobt hatten, ,in truste^ sich be- 
fanden, die Antrustionen wie sie hiessen, genossen das 
höhere Wehrgeld. Daneben wird dasselbe jedem zuer- 
kannt der Kriegsdienst leistet; wer dies that, wie es in 

' Das giebt auch Savigny p. 24 zd, halt es aber für eine 
Ausnahme. 

• Edictum Rotharis c. 228: Si Ubertns homo —in gasindio 
dncis — donom vel manus conqoisierit etc. 

" Nur Leo, rectitndines p. 16d> leitet die eorlas von den 
altsächsischen Adalingen ab> allein ich finde weder innere noch äus- 
sere Grunde dafür angeführt; es müsste denn sein dass die angel- 
sächsische Uebersetzung von Beda's ,satrapa' darch ,ealdorman' 
dies beweisen sollte» Allein zunächst war der satrapa nicht noth- 
wendig ein Adliger , dann bemerkt Leo p. 165 selbst dass eorl und 
eaidorman nicht gleichbedeutend sind^ und was Wilda dagegen an- 
fuhrt p. 411 n. 1. scheint mir ganz unerheblich; vergl. Lappenberg 
I, p. 566. 567 und das Glossarium von Thorpe s. v. 



134 

den Gesetzen heisst ,iD hoste ^ sieh befend, wurde eines 
höheren Schutzes werth gehalten; es war eine Pflicht 
gegen das Vaterland, gegen den Köpig, die er erfuDte, 
und sein Friede war deshalb höber, geheiligter als im 
gewöhnlichen Leben. Das war aber ein yorübergehen- ■ 
des , es änderte nicht den ganzen Zustand , ich darf sagen 
Stand des Mannes; wer sich aber in des Königs Dienst 
begab , der trat aus dem früheren Verhältniss ganz her- 
aus, emp6ng höhere Ehre, änderte eben seinen Stand ^. 
Durch einen besonderen Eid wurde er zur Treue yer- 
pflichtet und so zum Antrustio gemacht ^, und es scheint 
mir keinem Zweifel zu unterliegen dass jeder Freie das 
konnte, ich finde keine Spur weder dass die Antrustio- 
nen ausschliesslich oder hauptsächlich nur Adlige waren, 
noch dass diese ohne besondere Reception schon durch 
ihre Geburt in diesem Verhältniss sich befunden hätten ^ . 
Nicht unwahrscheinlich dünkt es mich, dass der alte 
fränkische Adel ganz untergegangen war ^, und nun wie 

* Ueber den Unterschied des »in hoste' und ,in truste' sein 
•• gegen Grimm R. A. p. 269 besonders Eichhorn S 26 n. I , Gaupp 
p. 168—172. 

* In der Formel (Marculf I, 18) deren Anfang nndSchluss 
ich schon oben p. 128 n. 3 angeführt habe, heisst es noch: Et' 
quia iile fidelis Deo propitio noster veniens ibi in paiatio nostro una 
cum arma sua in mann nostra trustem et fidelitatem nobis tIsus 
est conjurasse , propterea per praesentem praeceptnm decernimus ac 
jttbemus, ut deincep« memoratns illein numero antrastionam compiitetur. 

* S. die Anmerkung 2 am Ende dieses Abschnitts. 

^ So Lobeil p. 165 ff. Ich habe früher angenommen dass 
doch auch der alte Adel an dem neuen Theil gehabt« in ihm auf- 
gegangen sei; allein mir scheint, es hätte dann desselben so gut 
wie In den langobardischen Gesetzen Erwähnung geschehen müssen ; 
ich finde es doch unwahrscheinlich, dass der Dienst schon so hoch 
imAnsehn gestiegen war ^ dass er allen ursprünglichen Standcsyorsug 



135 

^ei den Aogelsachseo und Langobarden s6 auch hier 
aus den Freien durch Dienstehre sich eio neuer Standes- 
unterschied bildete, der dann erst allmählich sich befestigte, 
erblich, zu einem wahren Adel wurde. Wie unter den 
Langobarden auch der Litus im Gesinde des Herrschers 
sein konnte, so finden wir auch bei den Franken nicht 
bloss. den Römer in dem gleichen Verhältniss ^, sondern 
auch der Litus ist in truste, ohne dass er darum auf- 
hörte Litus zu sein ^. Wie könnte man zweifeln dass 
die Freien gleiches Recht hatten, dass auch sie und* 
nicht blos die von altem Adel Antrustionen werden konnten? 
Auch sagen die Gesetze es ausdräcklich ^. Hätte ihnen 

überragt nnd vergessen gemacht haben sollte. Aber wenn wir auch 
alten Adel anter den Antrustionen finden und also zugeben wollten, 
dass der Vorzug des Adelstandes und der des Konigdienstes als 
völlig verschmolzen erscheine (Savigny p.24), so würden wir doch 
festhalten müssen, dass es dann auf den Adel gar nicht angekom- 
men , nicht die übrigen durch den Dienst zu ihm erhoben , . sondern 
umgekehrt er in dem Dienst den übrigen Freien gleichgestellt, also 
herabgesetzt worden sei. 

^ als conviva regis, ein Au&drnck der sich auch in der Lex 
Burgundionum 38, 2 findet, ohne dass hier jedoch etwas über das 
Wehrgeld bestimmt wäre. Es ist durchaus willkührlich wenn Savigny 
p. ^8 auch hier römischen Adel als Voraussetzung der Aufnahme 
in dies Verhältniss ansieht. 

* Sonst konnte es eben nicht heissen litus in truste. Er 
erscheint in der Recapitul. legis Salicae c. 30. Vergl. über diese 
Verhaltnisse Grimm R. A. p. 269, Ganpp p. 167. 

* Lex Salica Heroldi 66, 4 wo von dem ingenuus die Rede 
ist: si vero in triste (truste) dominica ille qui occisus est occisus 
fuerit etc. 9 eine Stelle die Savigny auch selbst p. 19 n. 1 anführt, 
dabei aber aus den entsprechenden Worten der Lex emendata nach- 
weisen will dass ein ingenuus in truste von dem antrustio verschie- 
den war. Er giebt aber selbst zu dass ihr Wehrgeld dasselbe war. 
Lex Sal. emendata 66 , 2 scheint allerdings nicht leicht zu erklären 
(vergl. Wilda p. 419); aber Savigny's Interpretation, ^ie gerade 



136 

das aber Adel gegeben, wären die Antrustionen Adel 
gewesen, so hätte aus jenen ein besonderer Litenadel 
entstehen müssen. So aber flössen diese Verhältnisse in 
einander, aus der persönlichen Auszeichnung, die jeden 
zunächst nur über die Standesgenossen erhob ^, wurde 
erst später ein allgemeines Standesrecht; ähnlich wie im 
Mittelalter in dem Ritterstande freie Vasallen und unfreie. 
Ministerialen zusammen sich über den blos Freien erho- 
ben, bildete sich auch hier ein neuer, alle anderen 
unterschiede vertilgender Dienstadel aus ^. 

Es würde zu weit fähren wenn ich näher hierauf 
eingehen , ausrührlich das Wesen und die Rechte dieses 
Adels bei den Franken oder bei den andern deutschen 
Stämmen , wo ähnliche Uebergänge Statt fanden , erörtern 
wollte. Hier kam es nur darauf an zu zeigen, dass 
dieser mit dem alten Adel in keinem unmittelbaren 

die anstossig^en Worte anslässt, befriedigt durchaus nicht; die Yer- 
gleichung mit den altern Texten (tit. 63) zeigt, dass nur eine 
ungeschickte Redaction in der Lex emendata vorliegt (die hier 
offenbar den III Text bei Pardessus mit dem anderer Handschrif- 
ten combinirt hat) und dass allerdings an den antrustio zu denken 
ist. Auch in der recapitnlatio ist der homo in truste dominica eben 
der antrustio, dessen nicht besonders Erwähnung geschieht. 

^ den litus in truste über die andern Liten , den ingennus 
in truste über die andern Freien , nicht jenen über einen Freien 
(obschon das Wehrgeld hoher war, 300 : 200), nicht diesen über 
den Adel, wenn es noch Adel gegeben hatte. 

* Auf breiterer Grundlage, grosserem Grundbesitz, Beklei- 
dung wichtiger Aemter und andern Verhältnissen die Ansehn ver- 
liehen, lässt Löbell p. 172 ff. den fränkischen Adel entstehen. Ich 
glaube allerdings, dass es auf alle diese Verhältnisse ankommen 
konnte 9 dass jedoch zur Bildung des eigentlichen Standesbegriffs 
noch ein besonderes hinzukommen musste, was jenen unbestimmten 
Verhältnissen einen bestimmten Charakter gab. 



137 

Zosammenbange stand; es genügt uns festzuhalten dass 
er als ein Resultat des Gefolgewesens angesehen werden 
muss, und ich will nur darauf aufmerksam machen, wie 
er meist nur bei den Völkern die die Heimath verlas- 
sen und neue Reiche gegründet haben, und auch hier 
in der Regel erst in späterer Zeit zur Ausbildung ge- 
kommen ist ^. 

Eine wesentliche Umwandelung erlitt nemlich das 
Gefolgewesen dadurch, dass in den neu gegründeten 

^ Undentlich ist ob die ,gardiogi' gothischer Stamme Adel 
sind oder nicht , nnd wenn jenes , ob man sie für alten oder neuen 
Adel zu halten hat. Aschbach, Geschichte der Westgothen p. 263, 
betrachtet sie als Adlige die ^von alten edlen Familien abstammend 
als reiche Gutsbesitzer glänzten (darauf soll das Wort hindeuten) 
und oft am Hofe des Königs sich aufhielten ohne ein Amt oder 
eine "Wurde zu haben', als den eigentlichen Erbadel der Westgo- 
then. Dagegen sagt J. Grimm bei Lembke , Geschichte von Spa- 
nien I, p. 178 n.: ,Die westgothischen gardingos scheinen mir eher 
vornehme Höflinge als Gutsbesitzer, wiewohl sich auch dieser Sinn 
mit dem Wort vertragt'. Hiernach konnte man also an Dienstadel 
denken $ die Meinung aber dass es alter Adel war findet ihre Be- 
stätigung in der Nachricht des Victor Tunnun. (Roncallius, vetu- 
stiora Latinorum chronica 11^ p. 364), der nahe Verwandte des 
vandalischen Königs , gardingos' nennt. Ich lasse es dahin gestellt, 
ob man daraus mit Papencordt p. 227 schliessen darf dass dieser 
Name auch bei den Vandalen üblich war , oder ob man annehmen soll 
dass Victor den ihm aus den Verhältnissen der Westgothen bekann- 
ten Ausdruck auf die Vandalen übertrug; jedenfalls aber musste er 
wissen was darunter verstanden war. Merkwürdig ist noch die von 
Lembke p. 179 n. 1 angeführte Stelle aus der Historia Wambae 
c. 7: Hildigiso snb gardingatus adhuc officio consistente, wonach 
man es eher für die Bezeichnung eines Amts als eines Standes 
halten sollte. — Von einem hohem Wehrgelde wissen wir bei den West- 
gothen nichts; dagegen erwähnen die Gesetze nobiles, auch pri- 
mores , primates , an einer Stelle ist von der nobilitas generis die 
Rede; s. Lembke p. 176. Daneben gab es aber auch regnm fide- 
les, die Güter, regia beneficia, erhielten; ebend. p. .188. 



138 

Reichen oder in den neu eroberten Provinzen ein bedeu- 
tender Grundbesitz dem Könige zufiel , der von ihm theils 
seinen Gerährten, tbeils andern aus dem Volke verlie- 
hen wurde, welche hierfiir bestimmte Verpflichtungen, 
zunächst in der Regel zu Kriegsdiensten äbernabmen. 
Das Reneficialwesen bildete sich aus. Man hat sich 
gewöhnt auch dies als eine unmittelbare Fortbildung des 
Gefolgewesens anzusehen^. Allein ich glaube auch das 
mit Unrecht. Es ist von andern darauf hingewiesen 
worden 2, dass die Anfänge oder Vorbilder dieser Ver- 
hältnisse in römischen Einrichtungen zu suchen sind. 
Schon da wurde Grundbesitz verliehen um dalur Kriegs- 
dienst zu leisten. Nicht so wesentlich anderes war es 
was nun geschah; nur die veränderte Lage der Dinge 
führte auch verschiedene Verhältnisse mit sich. Nun 
theilte der König sein Land , den ihm persönlich 

^ Montesquieu, esprit des lois XXX, art. 14, unter den 
Neuem Eichborn § 26, besonders Phillips I, p. 404 ff. Yergl. 
Guizot, essais sur l'hlstoire de France (a. 1823) p. 122 ff., der 
die Unterschiede der frühem und spätem Zustände gut darstellt, 
doch immer noch zu sehr das Gefolgewesen in den Beneficial Ver- 
hältnissen wiederfindet; ebenso Pardessus zur Lex Salica p. 490 ff. 
Dagegen unterscheidet doch schon Zopfl D. St. u. R. G. I, p. 134. 
137 zwischen beiden. Er hält die Ministerialen der fränkischen Zeit 
für die alten Gefolgsgenossen , verschieden von den Inhabern der 
Beaeficien; vergl. Fürth, die Ministerialen p. 27 ff., dem ich jedoch 
nicht in allem beistimmen kann. 

> Schon von Gibbon, Tillemont u. a. , besonders aber von 
Palgrave, the rise and progress of the english Commonwealth I, 
p. 351. 356. 495, dem Leo, Universalgeschichte II, p. 52 folgt. 
Auch franzosische Scriftsteller haben neuerdings hierauf hingewie- 
sen; vergl. Laboulaye, hist. du droit de propri^te fonci^re p. 124, 
obschon sich dieser selbst p. 314 ff. Ton der ge wohnlichen Ansicht 
nicht losmacht. 



gehörenden {Grundbesitz aus; die Yerpflicbtung gegen den 
Staat wurde durch die gegen den König ersetzt. Es 
ist nicht zu bezweifeln, dass viele der alten Gefährten, 
TieUeicbt alle, daran Theil nahmen, in dies Verhältniss 
übergingen; «ber nicht sie allein, auch andere thaten 
es, und nicht dadurch wurden diese zu Geßhrten des 
Königs im lilten Sinne des Worts ^ , sie traten nicht in 
das besondere Verhältniss des Gomitats. Eben die Formel 

^ Das halte ich für einen sehr wesentlichen Pnnkt. Dass 
jeder der ein Beneficium besass dem Konig dienen musste (Eich- 
horn, 5te Ausg. I, p. 189, Paigrav6 p. 579) scheint mir ganz 
gewiss, obschon nach Mabfy auch Lobeii p. 192 dagegen Einsprach 
erhebt. Dass Kriegsdienst auf Grundbesitz haftete ist wie wir sahen 
altgermanische Einrichtung, dass er nun von solchem Grundbesitz 
der Tom Konige verliehen wurde, widerruflich, lebenslänglich, erst 
spater erbtkh, diesem geleistet werden musste, liegt in der Natur 
der Sache. Auch das Wesen der romischen beneficia bestand darin 
dass solche Dienste von den Empfängern geleistet wurden. — Der 
Empfänger trat aber dadurch nicht in das besondere Verhältniss 
eines Gefährten ; man irrt, wenn man allen Dienst, auch gegen den 
Konig, hiervon abhängig macht. Ich glaube behaupten zu därfen 
dass ,leudes' nicht die Mitglieder des Gefolges bezeichnet sondern 
die ein Gut (beneficium) vom Konig erhalten oder ihm aufgetragen 
hatten und ihm nun dadurch verpflichtet waren. Und ich kann 
auch Palgrave p. 505 nicht zugeben dass diese weitere Verpflich- 
tung zn Treue, Rath und Beistand anfangs nur zufällig in dersel- 
ben Person vereinigt war ( The engagement and the donation , the 
Teutonic homage and the Roman grant would be so united in the 
same person, that at last the one would seem to be the necessary 
consequence of the other. The relationship of vassalage, origi- 
naHy personal , became annexed to the tennre of land ) ; ich glaube 
die Deutschen knüpften sie unmittelbar an eine solche Verleihung 
von Land; diese sollte mehr als dem Empfänger blos Grundbesitz 
und Einnahme verschaffen^ sie, sollte ihn an den Herrn mit enge- 
ren Banden knüpfen; und sehr oft war es nicht eine Verleihung 
sondern 'Anftragung des Guts , die dann nur diesen Zweck habeir 
konnte. 



140 

durch die ein Aotrustio vom fränkischen König aufge- 
nommen wurde zeigt dass es hierbei nicht auf empfan- 
genen Grundbesitz — von dem ist gar nicht die Rede ^ — , 
nicht auf sonstige Bedingungen, sondern blos auf den 
Eid der besonderen Treue ankam. Nur wer diesen 
geleistet und sich dadurch in ein ganz eigenthümliches 
Verhältniss zum König. gesetzt hatte, gehörte zu dem 
Gesinde, Geleite, Gefolge desselben. 

Ueberall wird nun der König, oder wo es einen 
Herzog gab dieser, als das Haupt des Gefolges bezeich- 
net, kein anderer stand ihm hierin gleich; er war an 
die Stelle des alten Fürsten getreten und das Recht 
das diesem beiwohnte war auf ihn übergegangen; es ist 
durchaus folgerecht dass jederzeit mit der höchsten Ge- 
walt im Staate auch diese Befugniss , die eine so bedeu- 
tende Macht begründen konnte, verbunden war ^. Land- 
besitz, Beneficien, aber konnte auch ein anderer verleihen, 
mochte er edel oder blos frei sein, Eigen oder selbst 
nur Beneficium besitzen; hier konnte sich deshalb jene 
Gliederung ausbilden die man vergebens im Gefolge 
nachzuweisen bemüht ist 



^ Man wird ja wohl nicht arimannia (s. Anmerkung: 2) in 
dieser Bedeutung in Schutz nehmen. Wie wenig die Meinung be- 
gründet ist, dass jeder antrustio ein Lehn erhalten habe, bemerkt 
schon Lobell p. 161 n. 4; vergl. p. 167. 

^ Dagegen andere Dienstverhältnisse, mochten sie nun anf 
Ertheiinng Ton Beneficien oder sonstigen Verpflichtungen beruhen, 
bildeten sich auch zwischen Privaten. Dahin gebort was Pardessus 
zur Lex Salica p. 500 anführt, ebenso eine Reihe von Verhältnis- 
sen bei den Angelsachsen; vergl. Leo, rectitudines p. 149, der je- 
doch viel zu viel systematisirt. Das Wort ,gasindii^ bezeichnet oft 
auch untere Diener; vergl. Pardessus p. 484 n. 



141 

Wir haben hier nicht näher auf die Verhältnisse 
des Beneficialwesens einzugehen; allerdings ist es ein 
echt deutsches geworden , die besondere Verpflichtung 
zur Treue die damit verbunden war , überhaupt die 
ethischen Elemente die in dieser Verbindung zu Tage 
liegen, sind aus dem eigensten Wesen des deutschen 
Geistes geflossen. Was anderswo in verschiedener Weise, 
in untergeordneter Bedeutung sich fand, hat hierdurch 
wie einen tieferen Inhalt so eine viel grössere historische 
Wichtigkeit erlangt ^. Dieselben Elemente die im Gefolge- 
wesen sich nachweisen lassen wird man auch hier zum 
Tbeil aufzeigen können ; sie sind vielleicht theilweise 
doch von jenem ausgegangen , übertragen worden ; aber 
wir werden kein Recht haben das eine für einen blossen 
Ausfluss oder eine Weiterbildung des andern zu halten. 

Wenn es unrichtig erscheint allen Adel aus dem 
Gefolge hervorgehen zu lassen, wenn es wenigstens eine 
einseitige Auffassung ist die das Beneficialwesen für eine 
blosse Fortbildung der Verhältnisse hält die auf dem 
Gefolge beruhten: so isf es noch weniger mit der Ge- 
schichte in Uebereinstimmung zu bringen, wenn man 
dieselben zur Grundlage neuer Staatsbildungen macht, nicht 
bloss grössere Schaaren, Heereshaufen, sondern ganze 
Völker auf diese Weise vereinigt, das Königthum sammt 
dem Adel , überhaupt die Ordnungen des spätem 
germanischen Staatslebens auf diese Weise gebildet 
denkt 2. 

^ Das ist anch von Palgraye p. 500 ff. selbst sehr wohl 
bemerkt worden. 

* Da das die Ansicht der meisten Nenern ist, so verweise 
ich nar anf Eichhorn § 17, der sagt: , Manche deutsche Völker 



143 

Es ist zunächst eine Stelle des Caesar, auf die 
es hier ankommt. Er erzählt ^ : , Wenn eio Fürst in 
der Versammlung auftrat, sich zum Führer für eio Unter- 
nehmen anbot, zur Theilnahme daran aufforderte, so 
schloss sich ihm an wer zb der Sache und zu ihm Ver- 
trauen hatte; sie versprachen Hülfe und mussten sie nun 
leisten , wenn sie nicht für wortbrüchig und beeresflüchtig 
gehalten werden wollten ^ Die Nachricht bringt mao in 
Verbindung mit dem was Tacitus von dem Gefolge sagt 
und meint diese seien nun auf solche Weise entstanden, 
wie Caesar es schildert seien Fürst und Gefährten ausge- 
zogen um Beute und Land zu suchen ; und so habe jen^ 
unruhige Wandern und Ziehen begonnen das so eigea- 
thümlich die früheren Zeiten der deutschen Geschichte 
characterisirt; alles unternehmende Leben der germani- 
schen Volksstämme stelle sich hierin dar; alle Erobe- 
rungen der Germanen seien lediglich auf diese Weise 
gemacht; die ganze Völkerwanderung müsse man betradi- 
ten als eine Entwicklung der Keime die uns Tacitus 
in dem Gefolge schildere ^. ^ Aber beim Caesar ist 

sind selbst ihrem Ursprang nach nichts anders als ein grosses Djeast- 
gefoIgeS und Phillips D. G. I» p. 392 ff., der diese Ansicht, Ick 
kaon nicht anders sagen als bis zur Caricatur ausgebildet hat. 

^ VI, 23: Atque ubi qais ex principibus in concitio disit 
se ducem fore, qui sequi velint profiteantur : consurgunt ii qui et 
causam et hominem probant suumque anxilium pollicentur atque a 
maltitudine collaudantur; qui ex iis secuti non sunt, in desertornm 
ac prodltorum numero ducantur omniamque iis rerum postea fides 
derogatur. 

' Savigny p. 27. 28, der gar nicht einmal die Stelle des 
Caesar anführt, sie jedoch, indem er sich auf Eichhorn § 16 be- 
zieht, voraussetzt; da dieser seine Ansicht, daas die meisten Er- 
oberungen ^»fikfi detr m^stgefalgeAM^tder VofegffiMlndwi gMWieM»« 



143 

offenbar von dem Comttat gar nicht die Rede ^ , nicht 
von einer einigen dauernden Vereinigung, die Fürst und 
Gefährten schlössen und durch die sie sich aufs engste 
verbanden, spricht er, sondern von einem einzelnen 
Zuge, einer besondern Unternehmung, zu der ein küh- 
ner Führer Genossen zu versammeln bemüht war. Es 
ist als wenn ein bekannter Hauptmann im löten und 
16ten Jahrhuiulert seine Fahne aufsteckte und seine 
Werbetrommel ertönen liess um Landsknechte zu irgend 
einem kriegerischen Unternehmen zu vereinigen. So 
wenig hier die Söldlinge die ihm zuliefen, so wenig 
banden dort die durch Aussicht auf Beute gewonnenen 
Genossen im Verhältniss des Gomitats. Auch sie waren 
zur Treue, zur Erfüllung des gegebenen Versprechens 
verpQichtet, so gut wie jeder Soldat seiner Fahne treu 
bleuten muss; von einer besondern persönlichen eidlichen 
Verpflichtung , wie sie beim Gefolge Statt fand , ist hier 
nicht die Rede. 

Solche Unternehmungen sind es aber die man als 
Zuge, Kriege und Eroberungen von den Gefolgschaften 
ausgeführt zu betrachten sich gewöhnt hat: das Unter- 
nehmen des Ariovist, die Züge der Franken und 

besonders auf Caesars Worte gründet (n. h). Ich finde nicht dass 
Moser sich auf diese beruft > obschon sonst die ganze Auffassung 
wohl von ihm ausgeht. 

* Weil Schaumann p. 56 ron dem falschen Begriff des Comi- 
tats ausgeht und diesen mit der Geschichte nicht in Uebereinstim- 
mang findet , will er das Gefolgewesen selbst nur in eingeschränkter 
Weise bestehen lassen ; wo Frieden herrschte und die höchste Ge- 
walt den freien Männern zustand > habe es gar nicht bestanden. 
Bei richtiger Auffassung der Sache wird es solcher unbegründe- 
ten Beschränkung nicht bedürfen. 



144 

Angelsachsen, der Gothen und Langobarden , die Unter- 
nehmungen des Radagais und . Odovakar hat man auf 
dieselbe Weise beurtheilen, aus Einer Quelle ableiten 
wollen. Aber das ist wider alle Zeugnisse der Geschichte. 
Bald sind es einzelne Schaaren, bald ganze Völker- 
schaften die in Bewegung gerathen, einen Eroberungs- 
krieg beginnen , einen Zug nach fremden Landen unter- 
nehmen, sei es weil ein anderes Volk sie drängt oder 
weil Uebervölkerung sie zum Auswandern nöthigt oder 
weil sie sich bessere Sitze zu erwerben gedenken, sei es 
endlich dass auch sie in die unruhige Bewegung, die 
damals fast alle deutschen Stämme ergriffen hatte, mit- 
hineingezogeu wurden; .bald ist es ein König, Heer- 
könig kann man sagen, bald ein Herzog, der an ihrer 
Spitze steht; auch verschiedene Völkerschaften, oder doch 
Schaaren die verschiedenen angehören, finden wir ver- 
einigt, mitunter jeden Haufen unter seinem, ein ander 
Mal alle unter einem gemeinschaftlichen Führer; bald 
treten sie feindlich den Römern entgegen und suchen 
mit Gewalt sich der Lande, der Herrschaft, die diese 
kaum noch zu behaupten im Stande sind, zu bemäch- 
tigen; bald nehmen sie Sold von ihnen, statt Geld auch 
Landbesitz, werden aufgenommen in den Verband des 
römischen Staats, doch nur um ihn auflösen, zerstören 
zu helfen. Dif Verhältnisse sind sich ähnlich und doch 
in jedem Fall verschieden ^. Fasst man alles zusammen, 
so ist es jene mächtige Bewegung, die man nicht mit 

* Vergl. Leo'g Bemerkungen in der Geschichte des M, A. 
(Universalgeschichte II, 2teAnfl. p. T), der sich von der gewöhn- 
lichen Einseitigkeit losgemacht hat. Schon in der Geschichte von 
Italien I^ p.70 unterscheidet er zwischen dem Heer und dem Gefolge. 



145 

Unrecht die Völkerwanderung genannt hat; denn mei- • 
stens sind es doch ganze Völkerschaften und Stämme 
die daher ziehen , mit Weib und Kind und allem beweg- 
lichen Gut; das Volk ist zum Heer geworden , der König 
ist ein Heerkönig. Es hat das mit dem Gefolgewesen 
ganz und gar nichts zu thun; weder auf die Entstehung 
dieser Verhältnisse noch auf den Fortgang des Ereig- 
nisses hat dies den mindesten Einflnss geübt. Innerhalb 
dieser wandernden Völkerheere mag es Gefolgschaften 
gegeben haben wie es deren daheim gab ^. Aber sie 
haben keine grosse Ausdehnung gehabt; ich sagte schon, 
dass nun nur das Haupt eines solchen Volks , der Herzog 
oder König , an der Spitze derselben stehen konnte ^ ; 

^ Den Unterschied zwischen Heer und Gefolge blit Lobetl 
p. 510 ff. sehr gut hervorgehoben und an einzelnen Beispielen nach- 
gewiesen. Wohl wird das Gefolge zum Heer gezählt, nie das Heer 
als Gefolge bezeichnet. 

* Kein vollständigerer und besserer Beweis lasst sich fuhren 
als ans dem Beowulf, der die Verhältnisse der Gefolgschaft anfs 
anschaulichste darstellt und uns einen tiefen Blick in das Leben der 
alten Fürsten und ihrer Gefährten thun lässt, wie kein anderes Denk- 
mal des Alterthnras, wie keine duelle der Geschichte. Hier ist 
Beowulf zu Anfang der Dienstmann (thegn) des Hygelac, obschoa 
dnrch Yerwandschaft mit ihm verbunden und mit gleichem Recht 
an die Herrschaft (v. 2211 ff. Ettmüller; vergl. Leo p. 101); da 
er auszieht um dem Hrodghar Hülfe zu leisten , nimmt er Gefährten 
mit sich; doch stehen die nicht im Verhältniss des Gefolges zu ihm, 
sondern er sucht sie sich erst unter dem Volke der Geaten aus 
(v. 206). Nachher (v. 262) nennt er sich und sie zusammen 
Hygelacs Heerdgenossen , nie heissen sie sein Gefolge , seine Gefähr- 
ten. Aber da er König wird, hat er Genossen, er setzt die Zeit 
da er selbst im Gefolge war derjenigen entgegen wo er das Volk 
und die Gefährten beherrscht (vergl. Leo p. 108). Da diese ihn 
verlassen werden sie geschimpft als eidbrüchig und ehrlos (vergl. 
oben p. 122 n. 4). 

10 



146 

nicht der Adel als solcher, wissen wir, hatte das Recht 
ein Gornftat zu bilden, nur der Fürst, der H&uptling. 
Es können sich mehrere derselben zu einem gemein- 
samen Unternehmen verbunden haben und so auch meh- 
rere Gefolge in einem Heere vereinigt gewesen sein; 
aber es ist eine unrichtige Vorstellung, wenn man sich 
das Heer, das Volk selbst, aus einzelnen etwa durch 
die Pflicht die jeder gegen den König hatte zusammen- 
gehaltenen Gefolgschallten zusammengesetzt denkt ^ ; von 
einer künstlichen Gliederung und Abstufung, also dass 
die Vornehmsten im Comitat des Königs standen, dann 
selbst wieder ein Gefolge hatten, die Mitglieder dessel- 
ben vielleicht noch einmal von Gefährten umgeben 
waren ^, kann in den ursprünglichen Verhältnissen gar 
nicht die Rede sein. 

Wenn man so weit geht, ganze Völker im Gefolgs- 
verbande stehen zu lassen ^, bleibt in der That auch 
nicht das geringste von den besondern Verhältnissen des 
Comitats mehr übrig; es giebt aber nichts widersinni- 
geres als ein enges persönliches Verhältniss in solcher 
Allgemeinheit zu denken dass alle Eigenthumlichkeit auf- 
gehoben und zu nichte gemacht wird. Und doch sieht 
jene Ansicht, wenn sie consequent ihren Weg verfolgt, 

^ Das iflt auch die Assicht Savigoy's p. 28. Yergl. Goizot, 
eMais p. 153 n. 1 y der sich jedoch anf eine Zeit bezieht wo an 
die Stelle des persönlichen Bandes der Gefolgschaften das reale der 
Beneficien getreten war. 

* So besonders Phillips a. a. O. 

' R. Schmid, Gesetze der AagelsachseD p. LXXII. Ans 
dem Eid der Treue» den der Unterthan dem König leisten musste, 
will er das folgern; andere sind ihm beigetreten» ]>odi Lappenberg>*a 
Darstellung der angelsächsischen Zustande zeigt am besten ^ wiewe- 
nig man auch dort einer solchen Yoraassetzung bedarf. 



147 

mit eioer gewisnea Nothwendigkeit sich xu dieser Behauptung 
getrieben« Schon daraus, meine ich, ergiebt sich, dasa 
ihre Voraussetzung irrig sein müsse. Aus den Quellen 
lässt sie sich nicht begründen, die Geschichte selbst 
widerstreitet ihr; mannigfacher, reicher sind die Erschei- 
nungen die sie uns bietet, nicht nach Einem Gesetz 
zu erklären; tiefer liegen die Wurzeln der Institute die 
man auf solche Weise abzuleiten gedenkt; bei dem Adel 
habe ich es zu zeigen gesucht; von dem Königthum 
werde ich gleich zu sprechen haben; fremdartige Bil«* 
düngen sind dann hinzugetreten, und statt dass das 
Gefolgewesen iiir die Grundlage aller späteren Einrich- 
tungen und Staatsformen gelten soll, werden wir sagen 
müssen, dass es seine Basis verlor, dass seine Bedeu- 
tung, die auf beschränkten Verhältnissen, unansgebil- 
deteren staatlichen Zuständen beruhte, wenigstens mit 
diesen zusammenhing, in den weiteren Kreisen in die 
das deutsche Volk eintrat, den neuen Staatsformeu die 
es sich schuf, sich nicht behaupten, nach und nach 
wenigstens zurückgedrängt werden, untergehen musste. 
Da lebt die Erinnerung daran nur in den Gedich- 
ten fort ^, die uns die Zustände altgermanischen Lebens 
oft so wahr und lebendig abspiegeln ^. Hier finden wir 

^ Die alten Namen aber erhatten sich zum Theil in den Zeiten 
der Beneficien und Lehne. So sagt Otto Frising., Gesta Friderici 
ll^ia, YfO er Ton den Lehnsgebrauchen auf den roncalischen Feldern 
spricht : Ibi Hgno in altum porrecto scntum suspenditnr uniTersornm- 
que eqnitnm agmen feuda habentinm ad excabias proxima nocte 
principi (d. i. dem Kaiser) faciendas per curiae praeconem 
ezposcitar) quod sectantes qui In ejus comitatu fuerunt, 
singuli singulos beneficiatos suos per praecoses exposcunt. 

* Vergl. besonders denBeowulf, derToft dieser Bezichangen 
ist; anch die Nibelungen gewähren noch reichen Stoff. 

10* 



148 

die Getreuen um den König, in seinem Dienste, an 
seinem Hofe. Nicht von Grundbesitz ist da die Rede, 
den der einzelne empfangt, und von dem er nur einen 
Dienst zu leisten hat, der ihn nicht hindert regelmässig 
auf dem fernen Gute zu leben, der ihm wenig mehr 
auflegt als au den Kriegen des Königs Theil zu nehmen; 
sondern der Gefährte ist allezeit bei dem Herrn den er 
sichf gewählt hat , theilt mit ihm Freud und Leid , daheim 
und im Felde; Waffen und Geschmeide und was die 
Kriegsbeute sonst liefert sind sein Lohn ^ ; er schmaust 
in der Halle und ergötzt sich am kreisenden Becher ^ ; 
aber er fehlt nicht wo es gilt, und manchen Kampf 
besteht er dem Fürsten zu Ehren ^ ; treu ist und bleibt 
er bis zum Tode. — Aber immer seltener zeigt uns 
die Geschichte was das Lied feiert; die Verbindung der 
Gefährten verliert die alte Heiligkeit, die eigenthümliche 
Bedeutung. Neue Verhältnisse werden herrschend. Sie 
schliessen sich an das frühere an, nehmen es in sich 

1 Beownlf v. 65 ff. Hrodghar lässt den grossen Methsaal 
bauen, nm drinnen alles zu vertheüen was er besass, da reichte 
er ihnen Ringe und andere Geschenke, zugleich aber liess er sich 
den Eid dek* Treue schworen. *— Diese thegnen heissen v. 262 
2423 Heerdgenossen , v. 345. 1728 Bank- (Tisch-) genossen des 
Königs, T. 1254 Bierdegen (so Ettmüüer); die Halle da der Konig 
sitzt heisst gifheal, sein Sitz gifstol (Leo p. 72 n.). 

* Den die K5niginn selbst darbietet, Beowulf v. 621 ff. 
1182. 1996, auch die Tochter des Königs, v. 2035. 

» Nibel, 1735 Lachm. 

Er und der von Spane traten manegen stic, 
do si hie bi Etzel vahten manegen wie 

ze ^ren dem künege. 
Selbst die Geschenke die er erhält bringt er dem Fürsten dar 
Beowttif V. 2162 ff. 



149 

auf. Man kann nicht sagen dass sie aus ihm, wenigstens 
nicht dass sie nur aus diesem hervorgegangen wären. 

Anmerkung 1. 
(zQ p. 94.) 

Aus demTacitus selbst hat man zu erweisen gesucht, dass die 
principes Adlige waren, dass nur Adlige Obrigkeiten oder Richter 
werden, nur sie ein Gefolge halten konnten, und wasSavigny p. 5 
anführt soll dann zugleich darthun , dass beides in genauem Zusam- 
menhang mit einander stand. Da ich die Stellen des Tacitus die 
sich auf das erstere beziehen schon oben p. 88 ff. besprochen habe, 
so kommen hier besonders noch zwei in Betracht. Die eine c 14: 
Si civitas — otio torpeat, plerique nobilium adolescentium petunt 
ultro eas nationes , qnae tum bellum aliquod gerunt ; qnia — ma- 
gnum comitatum nonnisi vi belloque tueantur. So fuhrt Sairigny die 
Stelle n. 1 an und sagt im Texte, hier wurden die principes ge- 
radezu als der junge Adel bezeichnet. Allein daran ist in der Tbat 
g-ar nicht zu denken. Zunächst ist , tueantur' für ,tueare' schlechte 
Lesart einiger Ausgaben und einer Handschrift, eine andere hat 
,tuentur'; Gerlach sagt mit Recht: sunt mera inventa librariorum. 
Dann ist der Satz so abgekürzt gar nicht zu verstehen. Liest 
man vollständig: >quia et ingrata genti quies et facilius inter anct- 
pitia clarescunt, magnumque comitatum nonnisi vi belloque tueare', 
so ist deutlich, dass diese let^n Worte sic^ nicht auf die nobiles 
adolescentes beziehen können; diese erscheinen als Gefährten nicht 
als Fürsten , wie schon Wilda, bei Richter p. 324, bemerkt hat. Und 
es folgt nun auch nicht, dass alle Gefährten adlige Jünglinge wa- 
ren, das Gefolge blos aus diesen bestand, sondern es heisst nur, 
dass adlige Jünglinge, wenn daheim Frieden war und kein Ruhm 
zu erwerben (Si civitas in qua orti sunt longa pace et otio torpeat), 
auch fremde Kriegsdienste suchten. Die Stelle also beweist nichts 
für den Adel der Gefährten, geschweige denn für den der Fürsten. 

Zweitens sind dann die Worte c. 13 zu erklären, die man 
ebenfalls hierauf hat beziehen wollen: Insignis nobilitas aut magna 
patrnm merita principis dignationem etiam adolescentulis assignant; 
ceteri (oder ceteris) robustioribus acjam pridem probatis aggregan- 
tur; nee rubor inter comites aspici. Savigny p. 6 legt Gewicht auf 
den Ausdruck jinsignis nobilitas' ; Adel gehorte nach ihm zur Würde eines 
princeps, doch nicht jeder Adlige erreichte sie, wenigstens in der Regel 
nur der welcher schon zu Jahren gekommen war; aber ausgezeicbneteo 



160 

erlaoohier Adel 00 wie grosse Verdienste des (natürlich adligen) 
Vaters verschafften sie auch dem Jünglinge schon. — Es ist an sich 
nicht leicht zn erklaren, wie gerade die Verdienste der Vater oder 
der besondere Glanz des Geschlechtes die alten Deutschen bewogen 
haben sollten, jemanden in ,der ersten halbunreifen Jugend' schon 
znr Würde eines princeps zu erheben, oder, da von einer Wahl 
nach Savigny's Ansicht nicht die Rede sein kann , sich einem sol- 
chen als Gefährten anzuschliessen und ihn so zur Ausübung der 
politischen Rechte seipes Standes schon in jungen Jahren zu berech- 
tigen. Es ist überhaupt nicht deutlich, wie Savigny sich das Ge- 
folgehalten denkt , ob blos von dem Willen des Adligen oder von 
der Zustimmung des Volks abhangig; das letzte muss doch jeden- 
falls in so weit angenommen werden, als niemand, auch der Vor- 
nehmste nicht , den freien Deutschen zum Eintritt in sein Gefolge 
zwingen konnte. — Die Stelle aber unterliegt noch mannigfachen 
ganz andern Schwierigkeiten, und ist stets auf sehr verschiedene 
Weise erklärt worden; selbst über die Lesart ist noch Streit. Bre- 
dow und Walther wollen in dem ,assignant dignationem' die Be- 
zeichnung eines künftigen erkennen; ,sie verschaffen den Anspruch 
auf die Würde eines princeps', oder ,sie bestimmen ihnen gewisser- 
massen dieselbe, designiren sie zu derselben ^ Beide behalten die 
Lesart ,ceteris' bei, und Walther versteht darunter die übrigen 
Fürsten, denen diese zugesellt, d. h. gleichgestellt werden. Bach 
schliesst sich der gewöhnlichen Erklärung an: ,sie verschaffen die 
Würde eines princeps', vertheidigt zugleich die Lesart ,ceterisS 
und meint der Sinn sei> sie würden principes, aber als solche doch 
den übrigen Gefährten zugesellt ; auch den principes , heisse es dann 
weiter, gereiche es nicht zur Schande Gefährten zu werden. Mit 
Recht hat Gerlach (Erläuterung p. 112) diese Erklärungen be- 
kämpft; ,ceteris' ist, wenn man ,dignatio principis' so auffasst, 
ganz unzulässig. Denn werden die adligen Jünglinge principes oder 
erhalten auch nur die Aussicht es zu werden, so kann das ,ceteris^ 
sich weder auf die übrigen principes beziehen, für die ,robustiori- 
bus et jam pridem probatis' ein ganz unzulässiger Ausdruck wäre, 
noch auf die übrigen Jünglinge , da auch diese , freilich aus andern 
Gründen, nicht so heissen, auch keinenfalls die sein können denen 
die jungen principes gleichgestellt werden. Bach's Erklärung aber 
ist unter allen die verkehrteste, da ein princeps d. h. ein Gefolge- 
herr nicht selbst in einem Gefolge sich befinden kann. Es bleibt 
dann nichts übrig als mit Gerlach n. a. (auch Savigny) ,ceteri' 
za lesen nnd zu erklären: , Hochadlige und durch Verdienst der 



151 

Vater aosgezeichnete JuDglinge erhalten dieStelloog eines princeps, 
die übrigen treten in da« Gefolge ein'; eine Erklärung die doch 
aach unserer Auffassung nicht entgegensteht, noch Savigny*s Be- 
hauptung begründet , da , wenn hiersu auch insignis nobilitas Yerhitffc, 
doch keineswegs folgt dass überall zur Würde des princeps Adel 
(nobititas) erfordert wurde, im Gegentheii — wie ich schon oben 
p. 90 n. 1 bemerkte — die magna patrum merita entschieden als 
eia davon getrenntes und gleichwohl dasselbe Recht gewährendes 
angeführt werden; wo es gewiss willkührlich ist ebenfalls Adel 
vorauszusetzen. Wenn in unsern Tagen jemand dem Ausland er- 
Bählt, wie bei uns hoher Adel auch Jünglingen wichtige Stellen im 
Heer und sonstigem Dienste verschafft, so würde dieser ja doch, 
glücklicher Weise, Unrecht haben daraus zu folgern, dass nun zu 
allen Aemtern Adel nothwendige Bedingung sei. — Es giebt aber 
noch eine ganz andere Erklärung dieser Stelle, die von Oreilli 
(symbolae criticae et philolog. in C. C. Taciti Germaniam. Turid 
1819. p. 15) und mit einigen Abweichungen von Becker (Anmer- 
kungen und Excurse p. 75) aufgestellt worden ist. (Auch Barth, 
Urgeschichte IV, p. 331, nimmt sie an.) Darnach ist ,dignatio' im 
transitiven Sinn zu nehmen: ,sie verschafften ihm die Würdigung 
des Fürsten (Auszeichnung von Fürsten, sagt Becker weniger gut), 
sie sind der Grund dass dieser sie dessen für würdig achtet was 
ihnen sonst noch nicht zugestanden worden wäre', und die Frage 
ist nur, ob darunter die Theilnahme am Comitat (so Oreilli) oder 
mit Bezug auf das Vorhergehende bies die frühere Wehrhaftmachung 
(so Becker) zu verstehen sei. Auf diese Weise ist ,oeteris' leicht 
zu erklären: ,di6 so ausgezeichneten, gewürdigten wurden den 
übrigen kiäftigeren und schon erprobten zugeseilt' d.h. nicht als ihr 
Gefolge, sondern gleichgestellt, und wie Oreilli es fasst, mit ihnen 
zugleich ins Gefolge aufgenommen. Ich ziehe aber diese Erklärung 
vor, weil sie das handschriftliche ,ceteris' beibehält und passend 
erklärt, weil sie die doch nicht unbedenkliche Annahme entfernt, 
dass die Deutschen so viel auf den Adel gegeben hätten , um seinet- 
willen auch den Jüngling zum princeps zu wählen, und well sie 
endlich es unnothig macht das , robastioribns et jam pridem pro- 
batis ' auf prindpes , Gefolgeherren , zu beziehen , was auch bei Ger- 
lach's Erklärung nicht vermieden wird, aber doch ganz unpassend 
erscheint , da diese Worte blos den Gegensatz gegen die nnmfindige 
Jugend; nicht die Eigenschaften die von einem princeps gefordert 
werden mussten anzeigen können. Ich zweifle auch nicht dass Oreitli's 
Erklärung die richtige isty die durch den ZasammeDhang gerechtfertigt 



163 

wird ond sich weit mehr als Becker's geiwnngene Rackbesiehang 
anf das Vorhergehende empfiehlt. 

Zuletzt will ich hier noch einer Stelle gedenken, die man mei- 
nes 'Wissens freilich in diesem Zusammenhang noch nicht benutzt 
hat, auf die man sich aber doch möglicher Weise einmal berufen 
konnte. In der Lex Saxonum tit. 17 heisst es nemlich: Liber homo 
qui sub tntela nobilis cujuslibet erat etc., und es ist allerdings nicht 
leicht zu sagen , wie ein Adliger dazu kam eine Vormundschaft über 
einen freien Grundeigenthümer zu fuhren, aber mit Beseler, Erb- 
verträge I , p. 63 , an das alte Dienstgefolge zu denken ist doch gar 
kein Grund vorhanden; auch was Gaupp, Recht und Verfassung 
der alten Sachsen p. 215ff. , beibringt, scheint mir nicht genügend. 
Am wenigsten aber wurde folgen dass immer Adlige die Rechte der 
Gefolgeherren über Freie hat|en. 

Und so glaube ich nicht zu viel gesagt zu haben, wenn ich 
behauptete dass die Quellen nichts von dem Gefolge als einem be- 
sondern Adelsrechte wissen. Ein anderes Zeugniss späterer Zeit, 
auf das man sich auch wohl berufen hat , wird die folgende Anmer- 
kung besprechen. 

Anmerkung 2. 
(zu p. 134.) 
Schon Montesquieu (Esprit des loix, 1. XXX, c. 22) hat die 
Behauptung aufgestellt, die Antrnstionen seien Adlige, nur diese 
hätten ursprünglich ein Lehn erhalten — denn das bezeichnet nach 
ihm der Name — , sie wären aber auch alle als Getreue desK5nigs 
in diesen Stand getreten, und erst nach und nach andere ihnen 
gleichgestellt worden. . Seitdem ist die Frage in Frankreich vielfach 
besprochen und erörtert worden ^ ohne dass man sagen könnte sie 
aei zur vollen Entscheidung gebracht , es haben fast jederzeit poli- 
tische Ansichten auf die Beantwortung ihren Einfluss geübt. Vergl. 
was hierüber zuletzt Pardessus in seinen Erlänterung^en zur Lex Salica, 
5te Dissertation, p. 497 ff., gesagt hat. Aber auch in Deutsch- 
land ist die Sache Gegenstand wiederholter Erörterung gewesen, 
und besser, entschiedener als in Frankreich selbst ist hierMontes- 
quieu's Ansicht vertheidigt worden. Freilich behaupten Eichhorn 
S 47 und Savigny p. 18 nicht gerade dass nur Altadlige den Stand 
der Antrnstionen ausgemacht hätten, sie meinen aber, dass der 
Begriff der Antrnstionen mit dem des germanischen Uradels zusam- 
menhängen müsse, und dass nnr später auch andere durch Reichthum, 
Amt oder dergl. ausgezeichnete Personen in dasselbe Verhältniss 



163 

aofefeDommen seien. Sie halten es dabei for das entscheidende, 
dass der Äntrnstio ebenso wie der alte deutsche Ade! ein Dienst- 
gefo!g:e hatte und damit in das Gefolge des Königs eintrat. Nun 
habe ich oben die Ansicht zu widerlegen gesucht, dass überhaupt 
das Wesen des Adels oder irgend ein Recht desselben im Halten 
eines Gefolges bestanden habe, und muss noch entschiedener der 
Ansicht entgegentreten, dass das bei den Antrnstionen der Fall 
gewesen sei. Den Beweis soll die p. 134 n. 2 angeführte Formel 
liefern, wo in den Ausgaben statt ,cum arma sua' gelesen wird 
,cnm arimannia sna'. Dies Wort soll Gefolge bedeuten, und so 
jene Annahme hierdurch sicher begründet sein. Ich will kein zu 
grosses Gewicht darauf legen, dass diese Bedeutung durchaus nicht 
weiter nachweisbar i^ , obschon doch auch das auffallend sein muss ; 
wo das Wort sonst vorkommt, bezeichnet es das freie Eigenthum 
oder eine bestimmte Abgabe (Savigny, Geschichte I, p. 202 ff.); 
schon Grimm (R. A. p. 292) hat dann bemerkt dass , arimannia' 
nicht frankische Form sein könne, auch schon angenommen dass es 
nur durch Conjectur in den Text gekommen sei. Und das ist nun 
auch wirklich der Fall. Eichhorn sucht aber dennoch, in der 5ten 
Auflage der deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, s^(|Uil das Wort 
, arimannia' wie den Begriff der Antrustionen als eines Adels der 
ein Gefolge hatte und im Gefolge stand , gegen Lobell , der (p. 159 ff.) 
jene Gründe schon geltend gemacht hat, zu yertheidigen. Jenes 
nnn auf jeden Fall mit Unrecht. Ich habe schon in der Anzeige 
des Lobeli'schen Buches bemerkt (Gott. G. A. 1841 St. 78. 79. 
p. 781 ) dass die Handschriften der Formel nur , arma ' anerkennen, 
und es kann daher keinen Augenblick zweifelhaft sein dass , ariman- 
nia' eine Conjectur Pithou's ist , der an dem freilich schlechten, 
aber in diesen Formeln (d. h. dem handschriftlichen Texte dersel- 
ben; denn auch an andern Stellen haben die Herausgeber nach- 
geholfen) nicht ungewöhnlichen Latein Anstoss nahm. Mir scheint 
auch ,cum arma sua' einen völlig genügenden und guten Sinn zu 
geben (auchPalgrave II, p. CCCLXXXVlll zieht diese Lesart vor), 
und es dünkt mich jedenfalls richtiger daran festzuhalten, als eine 
Form zu schützen, die handschriftlicher Beglaubigung entbehrt, 
der Sprache entgegen ist, deren angebliche Bedeutung nicht nach- 
gewiesen werden kann und die unerachtet aller dieser Gebrechen 
dazu dienen soll eine Ansicht zu stützen, der alle weitere Begrün- 
dung abgeht und die offenbar nur aus dieser Stelle entstanden ist. 
Denn wenn Eichhorn meint (§47 p. 283), dass das Wegfallen 
dieses Zeugnisses an sich nichts ändere, da es schon aus der Natur 



154 

der Sache folge, dass die Aatrastionen al« dih hSheren Lende« 
ein Gefolge hatten , so muss ich dem freilich sehr entschieden wider- 
sprechen. Von 'einem wirl^lichen Gefolge anderer als des Königs 
bei den Franken ist in keinem historischen Zeugnisse die Rede, 
nur aus späteren Beneficiai- und Lehnseinrichtungen hat man dar- 
auf geschlossen. Allerdings muss ein Unterscliied zwischen den 
Leudes und den Antru^ionen Statt gefunden haben; ich gehe wohl 
nicht zu weit wenn ich behaupte dass jene gar kein eigentliches 
Dienstgefolge im ursprunglichen Sinn des Wortes bildeten ; jedenfalls 
werden die Antrustionen niemals zu ihnen gerechnet oder als die edel- 
sten unter ihnen genannt ; denn die unbestimmten Ausdrucke , pro- 
ceres' ,optimates' n. s. w. gerade auf die Antrustionen zu beziehen 
(Kichhorn $ 26 n.) sind wir nicht berechtigt. Die Analogie der 
Yerhältnuse bei den übrigen deutschen Stämmen verbietet in den 
fränkischen Antrustionen alten Adel zu suchen ; wer sich unbefangen 
mit der Geschichte und den Zuständen des fränkischen Staats be- 
schäftigt, muss gewiss zu der Ueberzeugung kommen, dass von 
einem solchen keine Spur sich findet; so Pertz, die Geschichte der 
merowingischen Hausmeier p. 117 ff., dem ich nur nicht zugebe 
dass es anGi|Atiher keinen Adel gegeben habe, Guizot, essais p.814, 
Löbell a. a. O. , Pardessus a. a. O. (obschon auch dieser p. 503 
die arimannia anführt ). Und allerdings , meine ich , muss man daran 
festhalten dass der Rechtsbegriff des neuen Adels nicht aus den 
alten abgeleitet werden kann (Eichhorn § 47 n. k^); denn das 
Prinzip für jenen ist der Dienst oder doch das Verhältniss znm 
Konig, nur dadurch wird er gehoben , nicht in ihm selbst liegt seine 
Bedeutung, wie es beim alten Adel unzweifelhaft war und bei allem 
wahren Adel sein muss. Erst als das Recht des Antrnstio erblich 
wurde, kann man ihn zum Adel zählen. — Grimm R. A. p. 275^ 
der wohl einsieht dass nicht der Adel allein unter den Antrustionen 
verstanden werden könne und dass in der Formel des Marculf von 
Adligen nicht die Rede sei, nimmt an, dass diese sich von selbst 
in dem Verhältniss der Gefolgschaft befanden, durch Geburt An- 
trustionen waren , wogegen andere nur durch einen besonderen Act« 
wie es jene Formel darstellt , aufgenommen , recipirt werden konnten. 
Allein er rechnet überhaupt Dienst und Antheil am Gefolge zu den 
wesentlichen Eigenschaften des alten Adels ; worin ich ihm durchaus 
nicht beistinunen kann. Ist das aber nicht der Fall, so wird auch 
jene, offenbar sehr moderne, Auffassung sich nicht behaupten lassen. 



166 



H. Die Könige. 

Haben wir uns bisher hauptsächlich mit den Stäm- 
meo beschäftigt wo alle Gewalt und Herrschaft bei 
der Gemeinde war oder doch aus ihr hervorging, und 
sind wir besonders den Verhältnissen nachgegangen die 
sich auf dieser Grundlage entwickelt und lange J^hre 
hindurch ungefährdet behauptet haben: so gab es doch 
in frühester historischer Zeit auch andere Formen der 
Verfassung, aus anderer Wurzel erwachsen, nicht min- 
der alt und ursprünglich so viel wir sehen können, 
die später sogar die herrschenden bei fast allen Völ- 
kerschaften Deutschlands geworden sind. 

Nur bei einigen Stämmen bestand das Königthum 
zu des Tacitus Zeit, bei denen die er zu den Sueven 
rechnet, besonders den Völkerschaften die im weiten 
Osten Sassen , den Quadeu und Marcomannen ^ an der 
Donau , den Gothen und andern die ihnen verwandt oder 
benachbart waren ^ , endlich den nördlichen Germanen 
auf der skandinavischen Halbinsel ^. Bei einigen ist 
der Anfang desselben historisch nachzuweisen und Taci- 
tus selber kennt ihn; die nordischen Germanen aber und 

^ c. 42. Hierhin gehören derVannius Suevis a Draso cae- 
sare impositus, Ann. XII, 29, und Sido atque Italiens reges Sue- 
Torum , Hist. III , 5. 

* c 43: Gothones regiuintnr, paulo jara adductius quam 
ceterae Germanorum gentes, nondum tarnen sapra libertatem. — 
OmDinm karam geatinm insigna — erga reges obsequiom. 

» c. 44. 



156 

nnter den Deatscheo die Goihen siod der Konigsherr- 
schall ODterworfea gewesen so weit wir in der Geschichte 
lorückgehen können. Hier besonders treten denn auch 
alte Königsgeschlechter entgegen, die ihren Ursprang 
an die Götter knöpften und deren Recht also in dunk- 
ler Urzeit zu wurzeln schien. 

Dass auch anderswo unter den Deutschen einmal 
Königsherrschaft gegolten habe , dieselbe aber verdrängt, 
abgeschafft worden sei, ist eine Annahme die aller Be- 
gründung entbehrt^. Nichts berechtigt uns, das König- 
thum (ur das ursprünglichste, dem germanischen Volk, 
um so zu sagen, von Natur eigene zu halten; können 
wir auch dort nicht über dasselbe hinausblicken, doch 
mögen wir eher einen andern Zustand, den der Volks- 
freiheit, vor der Herrschaft des einzelnen denken, als 
umgekehrt diese an die Spitze stellen und dann durch 
umwälzende Bewegungen beseitigen lassen ; deshalb 
besonders, weil wir anderer Orten jenen Gang verfolgen 
können, und sehen, wie bald auch unter solchen Ver- 
hältnissen die Würde und das Geschlecht des Königs 
als wohlbefestigt , fast heilig erschienen. Aber wir werden 
doch Bedenken tragen um deswillen die Zustände für ganz 
dieselben zu halten; fiir uns, die wir an dem Maass 
geschichtlicher Kenntniss festhalten, ist es ein wesent- 
licher Unterschied, ob bei einem Stamme der Anfang 
des Königthums sich aller Ueberlieferung entzieht oder 
ob wir dessen Begründung nachzuweisen im Stande sind. 

1 S. oben p. ro. Eine blosse Wortklauberei aber ist es, 
wenn H. Maller p. 180 ff. die Vorsteher der Gaae, die prindpes 
also, für die wahren alten konnnge ausgiebt, und von ihnen dann 
die andern Konige unterscheidet 



167 

Bei mehr als einem Stamm ist dies der Fall. 
Marobod schwang sich zur Königsherrschaft über die 
Mareomannen empor und gründete ein mächtiges Reich 
im Südwesten Deutschlands zu einer Zeit da die Ein- 
wirkung Roms auf die Germanen begann; er selbst ward 
vertrieben, aber sein und seines Nachfolgers Geschlecht 
behauptete die königliche Würde ^ . — Als Armin , der 
Zeitgenosse Marobods und der selbst sein Volk gegen 
diesen in den Krieg führte, in den Verdacht kam nach 
der gleichen Würde zu trachten, fand er seinen Tod 
von den Händen der Volksgenossen die die Freiheit zu 
behaupten gedachten; aber seinen Neffen Italiens berief 
dasselbe Volk zur königlichen Herrschaft ^. Auch unter 
den Bructerern, einem andern Stamm des westlichen 
Deutschlands, wird um diese Zeit ein König genannt^, 
etwas später Masyos bei den Semnonen *; ob sie mit Recht 
den Namen fähren oder nur deshalb weil das Wort 
(rex) auch für den Inhaber anderer Herrschaft gebraucht 
werden konnte, ist nicht deutlich^. Den Vibilius aber 
nennt Tacitus selbst König der Hermunduren ^. So 

' c. 42: Marcomaonis Quadisqae usqne ad nostram memo- 
riam reges manserant ex gente ipsornm , nobile Marobodui et Tadri 
genas. 

* S. oben p. 72. Einen Konig der Chernsl^er, Chariomerufl^ 
erwähnt dann Dio LXVII ,5. 

' Plinius, epist. II, 7: Spnrinna Bructerum regem vi et 
armis induxit in regnum. ^ Dio LXVIT, 5. 

^ Hierhin gehören denn auch die Batavi cum regibus bei 
Ammianus XVI, 12, 44. 

' Ann. XII, 29. Dagegen trage ich Bedenken die Friesen 
Verritus und Malorix y qoi nationem eam regebant in quantnm Ger- 
mani regnantar (Ann. XIH, 54) geradezu für Konige im wahren 
Sinn des Worts zu halten. Den Konig der Teutonen Thentobochns 



158 

vie später die grossen Stämme in der Geschickte auf- 
treten , finden wir sie meistens unter Königen , mcht blos 
die gothischen und die ihnen verwandten Völker, Gepiden, 
Yandalen , Burgundioneu , auch die Alamannen und andere. 
Nicht lange so erheben auch die Franken einen König; 
die Sachsen in der Heimath halten sich von dieser Ver- 
änderung fern ^, aber die stammverwandten Langobarden 
erwählen einen König, die Angelsachsen treten in der 
neuen Heimath unter Königen auf, deren Geschlechter 
ihren Ursprung bis auf Wodan zurückführen ; selbst den 
Angein die zurück geblieben scheint später Königsherr- 
schaft nicht fremd gewesen zu sein ^. Mehr als einmal 
fuhren die Herzoge der Baiern diesen Namen ^ ; thürin- 
gische Könige kommen vor fast so früh als der Name 

bei Florus III, 3, und den der Cimbern Boiorix bringe ich hier 
nicht in Anschlag, da mr es nicht mit deutschen Völkern in der 
Heimath zu thnn haben. Auch ArioTistus führte den Konigsnamen, 
doch Caesar sagt I, 43: quod rex adpellatus esset a senatn. 

^ Beda V, II : Non enim habent regem iidem antiqui Saxo- 
Bes; Hncbaldus, Vita S. Lebuini (Pertz II, p. 361): InSaxonnm 
gente priscis temporibus neque summi caelestisque regis inerat noti- 
tia — , neque terreni alicujus regis dignitas et honorificentia , cujus 
regeretur providientia , corrigeretur censura, defenderetur indnstria. 

* Ich berufe mich dafür nicht blos auf das angelsächsische 
Lied des Wanderers, in dem Offa der anglische Konig bedeutend 
hervortritt; es konnte nicht genügend erscheinen, da hier allen 
Stämmen (doch werden die Sachsen nicht genannt, wohl aber die 
Friesen) Konige zugeschrieben werden, obschon die Worte doch 
besonders bestimmt lauten : 

ac Offa gesloh aerest monna, 
cniht vesende, cynerica msst. 
Es kommt aber dazu dass auch in den dänischen Sagen Offa als Kö- 
nig erscheint, wenn gleich nicht der Angeln, sondern der Dänen selbst. 

' Paulus Diac. III, 10. Nicht wenig Gewicht legt darauf 
PaUhansen in seiner Urgeschichte der Baiero, Belege |k S. 



169 

des Volks in der Geschichte erscheint ^ ; aach ein König 
der Warner wird genannt. 

Wohl müssen wir fragen : wie entstand dieses König- 
thum, was ist sein Wesen, wodurch unterscheidet es 
sich von anderer Herrschergewalt? 

Ich habe es schon gesagt, mit keiner historischen 
Betrachtung reichen wir bei einzelnen Stämmen bis zn 
seinem Ursprung hinauf ; auf eigenthümliche, völlig unbe- 
kannte Weise hat sich hier die Königsherrschaft gebildet ^, 
und ist dann festgewurzelt, ein durchaus wesentlicher 
Theil des Staats geworden. Und was hier bestand wurde 
dann Vorbild für die andern Völkerschaften; mit einer 
gewissen Nothwendigkeit wurden diese zu demselben 
hingeführt, die einen früher, die andern später; nur 
wenige haben sich ihm ganz und auf immer entzogen. 
Im ganzen erscheint das Königthum in der bestimmten 
Form in der es auftritt als ein Erzeugniss echt germa- 
nischen Lebens, nicht von aussenher zugebracht, anderen 
Zuständen, etwa den Monarchien des Alterthüms nach- 
gebildet, sondern iif ursprünglicher Eigenthümlichkeit 
unter den Germanen hervorgewachsen, gewissermassen 
durch sie in die Geschichte eingeführt^. Darum kommt 
es so leicht bei allen •Stammen zur Gellung, ohne dass 
es Kämpfe und heftige Bewegungen veranlasst; auch 

» Cassiodori Var. III, 3. IV, 1. 

* Das ist weseotlich festzahalten; vergl. Lobell p. 514 ff., 
der die ÄnsiGht R. Schmid's (p. LXX), Gaupp's (p. 99 C 109. 
121), der auch Eichborn (S 17), H. Müller (p. 179) u. a. bei- 
pflichteD , das» nemlich alle« eigentliche Königthum ans der Stellung 
eines Crefolgsberm abzuleiten sei , mit Recht bestreitet. ' 

' Denn sehr wesentlich unterscheidet sich doch das König* 
thnm der Deutschen von dem der alten Welt. 



160 

diejenigen denen es ursprünglich fremd war gewöhnen 
sich alsbald demselben an, nehmen es auf, ohne dass 
sie nöthig haben darum von alter Sitte und sonstigen 
Einrichtungen zu lassen. 

Die besonderen Verhältnisse freilich unter denen 
die Veränderung geschah können sehr verschiedene gewesen 
sein; die Vereinigung mehrerer Völkerschaften, kleinerer 
Gemeinden zu einer grösseren Herrschaft, Wanderun- 
gen, das Einnehmen neuer Wohnsitze oder andere Be- 
gebenheiten die die bisherigen Lebensverhältnisse änderten, 
einer neuen Entwickelung entgegenfahrten. Wir finden 
wohl kaum ein Beispiel dass der Versuch König zu 
werden von dem Fürsten gemacht worden sei ^ ; in der 
Regel ist es das Volk selbst, das den König erhebt, 
wählt, ausdrücklich zu dieser Würde, meistens aber den 
welcher bisher schon als Fürst oder Herzog an der Spitze 
desselben stand. Das Volk wählte, nicht das Gefolge 
allein; mochten die Getreuen auch einmal den Antrieb 
geben, die Gesammtheit der Volksgenossen musste zu- 
stimmen. Wie es eine irrige Vorstellung ist ganze 
Heere und Völker im Gefolgsverbande zu denken, so 

^ Eben Armins Geschichte kan^ dafür angeführt werden, 
wenn Tacitns sie ganz richtig aufgefasst hat. Vielleicht auch die 
Erhebung Marobod^s; doch führt er erst die Marcomannen nach 
Böhmen , unterwirft mehrere der benachbarten Volker und scheiot 
erst dann und dadurch Konig geworden zu sein; vergl. Veliejns II, 
108: Maroboduus genere nobiüs (^IdKoTtjg nennt ihnStrabo) — non 
tumultuarium neque fortuitum neque mobilem, sed ex voluntate 
parcntium constantem, inter suos occupavit principatum 
et certum imperium; Timque regiam complexus animo, statnit — 
eo progredi , ubi — sua faceret potentissima. Occnpatis igitur quos 
praediximus locis, finitimos omnes ant hello domuit ant conditioni- 
bus juris sni fecit. 



161 

beruht es auch auf falscher Voraussetzung, wenn man 
das Königtbum überhaupt oder doch in den meisten 
Fällen aus der Gefolgsfiihrung hervorgehen lässt. 

Die nähere Betrachtung der Art und Weise wie 
die Königsherrschaft bei einigen Völkern entstand wird 
zur Begründung dieser Behauptung dienen. 

Ich lasse da jene ältesten Verhältnisse des König- 
thums bei den skandinavischen Germanen und andern 
Stämmen zur Seite, die niemand auf jene Weise wird 
ableiten und ^klären wollen. Auch bei den Alamannen 
und Franken ist die Entstehung desselben doch nicht 
deutlich zu erkennen. Jene treten unter mehrere Herr- 
schaften getheilt in die Geschichte ein, nicht weniger 
als sieben Könige kämpfen in der grossen Schlacht bei 
Strassburg; erst später vermindert sich ihre Zahl, zu- 
gleich aber sinkt die Bedeutung der Würde, und von 
den Franken bezwungen, kennen die Alamannen nur 
Herzoge, keine Könige mehr ^. Umgekehrt werden 
die Führer des fränkischen Volks anfangs Herzoge, nur 
selten, und missbräuchlich wie es scheint, Könige ge- 
nannt 2. Gregor von Tours weiss von keinem König vor 

* Die einzelnen Nachrichten sind fleissig gesammelt von Sta- 
lin I» p. 158; doch scheint er mir Unrecht 2u haben immer von 
Herzogen oder Konigen zu sprechen , als sei das einerlei. Schon dasa 
auf das Geschlecht gesehen wurde, zeigt dass nicht von Herzogen 
im alten Sinn des Worts die Rede ist; später ging aber allerdings 
das Konigthum einzelner Stämme in ein Herzogthom über, dann 
besonders wenn sie einem andern unterworfen wurden. 

' So besonders der Mellobaudes res bei Ammianus XXX, 
3, 7. Yergl. Gregorius Turon. 11, 9: De Francorum yero regibus 
quis fuerit primus , a multis ignoratur. Nam cum multa de eis SuU 
pieil Alexandri narret historia, non tarnen regem primum eorum 
ullatenus nominat, sed dnces eos haboisse dicit; qnae tarnen de 

11 



Gihyjo ZV sagev ^. Naofaher firidenf sieb wie bei de« 
Aiamaimen so auch bei d«n FrankeD mehrere Könige 
neben einaflider, jede Völkerschaft cKe zu diesen Stammel 
gebort hat einen besoodem Honig ^ ; erst Chledowech 
vemtchiet sie und t#itt als alleiniger Herrseber, als wahrer 
Volkskönig auf. Gieieh anfangs aber zeigt sieb nnn ein 
Geschlecht, das edelste im Volk, ab dasjenige dds zur 
Königswürde bentfen ist^ iisd aus dem aocb alle die 
frülieren Herrscher hervorgegangen sein sollen ^ , das 
Geschlecht def Merowinger. 

eisdem referat memorare videtar. Nam — adjungit: ,Eo tempore 
6enobande Marcomere tt Sonnond ditcibusr PrafMci ete. ^ Spiiter 
beisst es: ^Marcomere 6t Sannooe Franc«rnni regaUbna' hoiI: 
ySiinnonem et Marcomerem subregnlos FrancoramS Dann fährt 
Gregorfort: Iterum hie relictis tarn docibus quam regalibns, aperte 
Francofl regem habere desigrmt^ liajiTsque nomen praetermittens ait : 
yDehinc Eogenlus tyraimüs — cum Alamaanonim et Franooram 
regibus etc/. Dann eine Stelle aas Renatus Profuturus Fn'gerido« 
und die Bemerkung: Movet nos haec cansa, quod cum aliarom gen- 
tium reges nominat, cur non nominet et Francornm. 

' Nachdem er die in voriger Note mitgetbeilten Stellen aus 
andern Schriftstellern angeführt hat, sagt er: da die Franken über 
den Rhein gezogen, ibijnxta pagos vel civitates reges crinitos super 
se creaVisse de prim^i et ut ita dicam nabiliori suorum familia, und 
fügt hinzu: Ferunt etiam tunc Chlogionem utilem ac nobilissimum 
in gente sua regem Francornm fuisse. So such in d'et ältesten 
Genealogie der fränkischen Könige (Perta II, p. 3^): Primus res 
Francorum Chlojo. 

* Yergl. Leo in der Universalgesofaicbt« 11^ P* S^y ddsseii 
Behauptungen jedoch noch nälherer Begrumlung bedürfen« 

' S. die n. 1 angfeföhrteii Worte Gregorys, w# man» aber 
das ,ut ita dicam noMlion sttorum familia' doch nicht so rerstehen 
darf, als wolle Gr^or sich entschuldigen dass er die Famifie ade- 
lig, nobjlis, nenne; sondern den Gebraoch des Compäralirs, die 
Bezeichnung der Fanifie ala von höherem Adel , glauht er so bevor- 
worten zu müssen. Er fugt hinzu: Quod postea ppobatom Chi»- 
dovecha Tictoriue tradidere. 
i 



Iffi 

DemtKeher liegeo diese Vovginge^ die Anfing der 
kooigltchea Herrficbafty bei andern StäoMiieA zu Tage* 
Seit die Westgethen. sieb tob den Ostgothe» getrennt 
kiUen, entbehrten sie eigener Könige. Fürsten, ach- 
ter wie sie biessen^ gab es die dem Tolk oder seinen 
einzelnen Abtbeihingen vorstanden , Athanarich^, Fridigera 
und andere ^ . Als aber die Gothen an einem neuen Unter- 
nehmen sich rüsteten und einer kräftigeren Leitung za 
l»edärfen glaubten, da wählten sie deiiAleriofa aus dem 
Gescbleehte der Balthen zum König ^ , «od Ton dem 
Augenblick an blieb die Königsherrschaft unter densel*** 
ben bestehen. — Odovaker war an der Spitse von Schaa- 
ren merschiedener Völker nach' Italien gegangen; er war 
Haupt eines Gefolges, zugleich von einem grösseren 
Heer umgeben, doch war er nicht König, so wenig es 
viele andere die deutsche Truppen führten und bald fär 
bald gegen Rom stritten gewesen waren. Erst als die 
Eroberung Italiens vollendet war und keine andere Herr- 
schaft im Lande bestand, wählten die Deutschen ihren 
Fürsten zum König, nicht zum König Italiens sondern zu 
ihrem König ^ . — Nun galt es för ruhmvoll Königsherrschaft 

* Jordanis c. 26: primates ooriun et ^nces qui regum Tice 
illis praeerant. Den Athanarich, dessen eigentlicher Titel judex war, 
nennt Jordanis freilich c. 28 auch rex. 

' Ibid. c. 29: Mox Gothis fastidium eorum increTit, Teren- 
tesque ne longa pace eorum se solveret fortitudo , ordinant super 
86 regem ATaricum. Und erst nach der Königswahl tritt dieser 
b^eutend unter seinem Volke hervor: Mox nt ergo antefatus Ala- 
T1CU8 creatus est rex , cum suis deliberans soasit eos suo labore 
qa«erere regna. 

^ VerglManso, Geschidrte des ostgotbbchen Rekhs p. 34 n. 
Btet noch ungedrockte Chronik sagt: Intra Italiam Eruli qnt Ro- 
mano juri suberant regem creant nomine Odoacrem , o4«r in andern 

11^ 



164 

zu haben. Da die Langobarden sahen, sagt Paulas, 
dass alle Völker Könige hatten, so wollten auch sie 
deren nicht entbehren und erhoben den Ageimundus ^. 
Ganz dieselbe Sage hat sich später unter den Franken 
ausgebildet; auch sie wären nur dem Beispiel anderer 
Völker gefolgt, da sie Königsherrschaft bei sich ein- 
führten ^. Ein Volk das besiegt, geschwächt war, musste 
darauf Terzichten einen eigenen König an seiner Spitze 
zu sehen; so berichtet es Paulus tou denHerulern und 
Gepiden ^ ; damit gab es aber in der Regel seine Selbstän- 
digkeit auf und verschwand unter den mächtigeren Nachbarn. 
Aus diesem allem erhellt, dass Königthum ina 
Bewusstsein des Volks wesentlich von jeder andern 

Receniionen : "flernli qui intra Italiam habitatores regem creant nomioe 
Odoacrein. — Odoachar ab exercitn gno rex levatur. Vergl. Cas- 
siodori chron.: nomenqae regia Odouaacar adsumpsit, cum tameo 
nee porpnra nee regalibua ateretar insignibus. 

* Paolos Diac. I, 14: Mortob interea Ibor et Ayome doci- 
bos — noientes jam oltra Langobardi esse sob docibua, regem sibi 
ad ceterarom instar gentinm statoeront. Regnavit igitnr soper eos 
primos Agelmondns , filios Äyonis , ex prosepia docens origioem 
GoDgiogorom ( so die goten Handschriften ) , qoae apod eos genero- 
sior habebatoT. Das ,generosior* ist dasselbe was bei den Franken 
^nobilior' hiess. Statt ,Gungingi' beisst das Geschlecht in dem 
Prolog des Rotharis (cod. Madritensis) ,Gugingos'. An ,guniogi^ 
= koningi ist also wohl aof keinen Fall zo denken. 

* Gesta Francorom c. 4 : Tone defoncto Sonnone et accepto 
consilio in ono primato eorom onum habere principem, petie- 
ront consiliom Marchomiro , ot regem onum haberent sicot et ceterae 
gentes. At illc dedit eis consilium et elegtrunt Faramondum, 
filiom ipsios Marchomiri , et levaveront cum super se regem crinitom. 

' Paolos Diac. I; 20: Ita omois Herulorom virtos concldit« 
nt ultra snper se regem omnino non haberent; I, 27: Gepidoruoi 
vero genas ita est diminutom, ot ex illo jam tempore ultra non 
haboerint regem. 



165 

Herrschaft verschieden war; fast immer ist es ein bestimmter 
Akt durch den es eingeführt wird, nicht immer histo- 
risch nachweisbar — auch die Thüringer erhalten Könige 
ohne dass man zeigen könnte unter welchen Ver- 
hältnissen es geschah ^ — , oft aber wenigstens in der 
Sage als wichtige, ohne Zweifel die wichtigste Verfas- 
sungsveranderung festgehalten. Wohl mag mitunter auch 
die blosse Heerrührerschaft den fremden Schriftstellern 
so erscheinen , wie Ariovist und Radagais ^ den Namen 
führen; auch mögen wir wohl das Wort , Heerkönig ^ 
zur Bezeichnung des eigenthümlichen Verhältnisses in 
dem diese zu ihrem Heere standen gebrauchen , müssen 
es aber immer von dem wahren Königthum unterschei- 
den, können nur zugeben, dass jenes mitunter zur Ein- 
führung eines solchen den Anlass gab. Aber nicht 
einmal als Regel darf es gelten; am wenigsten ist der 
Begriff des Königthums auf solche Weise entstanden *. 

Es ist vielleicht nicht ^hne Schwierigkeit eben diesen 
Begriff, das Wesen des Königthums genau zu bestimmen. 

Ich glaube man muss zuerst hervorheben, dass es 
nicht blos lebenslängliche sondern erbliche Gewalt war 
die damit übertragen wurde ^, freilich nicht dass sie nach 
strengem Erbrecht von einem auf den andern überging, 

1 Yielleicht ist schon an den Yibilius rex Hermandarornm 
zu erinnern. 

* Radagaysas rex Gothorum >. Aagustinua serm. 105, c. 10. 
Vergl. Bnnau, Teutsche Kaiser- und Reichshistorie H, p. 733, wo 
sich diese und andere Stellen der Chroniken finden. 

> Vergl. Barth a. a. 0. p. 240. 

^ Denn dass die Gewalt der Fürsten oder Grafen jemals 
erblich gewesen sei, wie Savigny I, p. 266 a. a. annehmen, halte 
ich ISr dnrchans anwahrscheinlich. 



iondero 86 dan die (MstiOiiiiCe ffanilie^ die edeble tn* 
ter deD edeln, das Köiiigsgeschlecht , den Anspnich 
hatte dam aos seiner Mitte ^r König geoommeo urerde. 
Das Recht den Ffitvten m wählen war nicfal aoigehaben, 
aber an die Familie gcJbanden, «ehr oder rainder «treng 
anf diese besclirinki. Wenn im Norden die Häuser der 
Yn^iager nnd Skjoidunger Jahrhunderte bog im Besüz 
der Herrschaft waren und niemand den nicht Verwand- 
Schaft diesen ^Geschlechtern f erband gegen sie Anspruch 
anf das Königthum zn erheben wagte, so ist ähnKehes 
auch den deutschen Stämmen nicht fremd gewesen. 
HeiUg war die Herkunft und das Recht der Amaler 
unter den Gothen ^, sogar ein Weib i)e8tieg den ost- 
gothischen Thron; die stammverwandten Vandaien wähl*- 
ten ^us dem Geschlecht der Asdingi fln^en König^^ und 
schon Geiserich suchte die Folge dncch ein eigenes £rb-^ 
gese(2 zu .ordneo; alleKöBige der Angi^achsen geboren 
ßescbiecbtem an die ron Wodan ihren Ufspcung her- 
leiten nnd Ton der ersten Ansiedelung nn ab königüdie 
ersebrfnen^; auch bei den Burgundern gatt erbliches 
Recht des Königdiauses^, nicbt anders bei .den inensten 

1 Casftio^oriiB Vw. >VXII, 2: A^haliirjcvs rex «en«^. Qao- 
Diam qnaeTis claritas generis Amalis cedit , et sicut qoi ex vobia 
nascitijjr origo aeDatoria mmcujvitarj ita qoi .ei^hac .fanylia pro- 
greditar , regno dignissimus approbatar. S. die Genealogie bei Jor- 
danla c. 14. Das Geschlecht heisst c. 60: Amalorum nobilitas. 

• 'Jorttanis c. 22: A-sdingöram e stirpe qaae inter eos emi- 
ntt genusqne indicat befHcösis^finuin. 'Yergl. Papencordt p. 216 ' n. 

• Vergl. PfaiHips, AngeisaiJhsische Rechtsgeschtchte p. «8 
und die Stammtafeln bei Gritmn D. M., Afthaag, p. 4 '^. 

« ^Gregoriiu T^iren. 11^:28: ifwt a«item et Gandenchus rex 
AirgQiidiootioi , ex genereAtttanarici regia ^era^ntoris '-^.iiulc ifoe- 
runt quatnor filii etc. Ea ist ld«edr ein ilRsthnm, wenn iUllitit, 



iäbrigea ieuts^ben Vö&eiiD, auch bei den fraDken. Es 
msr dach eine Revolution als Pippin fikh ao die Stelle 
der alten Merowinger setzte. Nicht so lange erhielt 
sich JEün GescWecht ibei den X^aogojbiarclen, doch auch 
iiier sah .man d^auf ^, und nur innere JLriege und Unru- 
hi^n scheinen den Wßcbsel veranlasst zu haben* Aqi 
venigsteu hat hei den Westgothen ein .bestimmtes könig- 
J|iches:l|ßus sich befestigen können ^.^ doch immer wieder 
:«rjgrde der Versuch .gemacht; auch hier waren es die 
4Qnerw Bewegungen eines unruhigen allheimischer Sitte 
naehr eptrremdeten Volkes die sieb deip entgegenstelken. 
JEijpeq Beweis aber wie viel Gewicht die deutschen dar- 
auf .legten ihre Könige aus altem d^zu -berechtigtem 
Gesehlechte ,zu wählen, giebt uns das Volk der Hernien 
AjUß ihren Sitzen ßu der Donau schicken ;sie Gesandte 
z^ d^l^ 'D^cb Skandinavien abgezpgeniep Stammesgenossen 
i;^ ^octb^r den Mann zu holen der wiird^ $ei di^ Krpne 

^. (Gr. .1, p: aqr. ^f,.(li9sp f«r ^igebyr^e desw^tgot^M^cheii Ce- 
scblecbts der Balthen hält. Athanarich war kein Balthe. 

^ Dem Geschlecht derGungingi folgten andere, doch in der 
Regel mehrere K5nige ans demselben. Noch später ist die Ver- 
wandscfaaft mit der TheodeKnde entscheidend f&r die Wahl der zu- 
nächst folgenden Könige; selbst einen Baiern ninimt man deshalb auf. 

? Am längsten, behauptete sich das Geschlecht des Theode- 
ricus^ den einige nach den Versen des Sidonius Apollinaris VII, 
505: vel velle abolere 

Qtiae noster peccant avus, ^uem fuscat id unum 

Quod te, Roma, capit 
für einen Enkel Alarichs halten. Allerdings führt der Enkel des 
^heoderich wieder den Namen ^l^rich; d«ch scheint mir jene 'An- 
n«biiie bed8n.kUch, da Jordanis mid fstdorus dies doch sch^reiiiM^ 
mit StiNftcbweigea übergangen hatt«?. J)anB hat 9i«h 'freUich d93 
Geschlacfat <d«r >Bakheii km ^cht laogpe behi^uptet 



168 

zu empfangen ^ ; gerade wie einst die Cherusker selbst 
in Rom den Abkömmling ihres vornehmsten Geschlech- 
tes suchten. 

Es finden sich, schon ans älterer Zeit, Zeugnisse, 
dass ein König abgesetzt, entfernt werden konnte , wegen 
Untüchtigkeit, weil er den Göttern verhasst erschien 2; 
doch sind das Ausnahmen, und die Geschichte selbst 
weiss kaum ein Beispiel aufzuführen. Sie spricht auch 
selten von Empörungen der ganzen Nation gegen die 
Königsherrschaft; ein öfterer Wechsel der Geschlechter 
findet sich doch nur bei den Völkern die sich die. Un- 
sitten der letzten Römerzeit angeeignet hatten. Da war 
die eigenthämlich germanische Heiligkeit des König- 
thums untergegangen, das nun einen neuen Halt in 
christlichen Grundsätzen und Lehren zu finden suchte. 
Eine wunderlich verwirrte üeberlieferung aber ist was Pro- 
cop von den Herulern berichtet, sie hätten ihren König 
erschlagen, weil sie die Lust ankam auch einmal ohne 
König zu sein^. Jedenfalls gereute es sie bald, und 



' Procopius de b. G. II, 15: "Kqovkoif — intfixpap rdSy 
XoyCfXUiP T&ras ig Bcvkr^v rr^v yijifßv , rovg dU^ivyri<so(Aivovg r« 
9i€il xofÄtovPTCcg f ^v upa irrav^a BVQity aTfAarog rov ßac&kefov 
olo( TS ädiv, 

< Von den Burgundern Ammianus XXVII, 5, 14: Apnd hos 
generali nomine rex adpellatur hendinos, et ritu veteri potestate 
deposita removetur, si sub eo fortuna titabaverit belli vel segetum 
copiam ncgaverit terra. Beispiele aus dem Norden giebt Grimm 
R. A. p. 232. 

» Procopius de b. G. II, 14: "Egovloi, t6 rov tQonov t* 
^gtC^^fS xa* fiapKiSdes Iv^HldfAiro^ ig top avTtop ^ijya — ilttm- 
vaCtas roy äy&Qianoy an ovdifA$äg ahiag ixTii^yav y äkko ovd^r 
inivty^orUß 5 ^^^ äßaifikevTot ro komor ßovkovrak elva^. 



lee 

da scheuten sie jenen Zug in wette Fernen nicht , um 
zum alten Geschlechte zurückzukehren. 

So ist das Köntgthum eii)liche Herrschergewalt nach 
allen Seiten hin , so weit Herrschergewalt bei den Deut- 
schen überhaupt reichte, mit allen Befugnissen die der 
einzelne dem Volke gegenüber erhalten und ausüben 
konnte. Und es dari nicht eine Seite vor der andern 
hervorgehoben werden. 

Man hat gemeint das Königthum hänge mit altem 
Oberpriesterthum zusammen ^. Allerdings finden sich 
bei den nordischen Germanen Spuren einer solchen Ver- 
bindung, auch bei den gothischen Stämmen mag etwas 
ähnliches sich nachweisen lassen ^ ; aber weder den Ur- 
sprung noch das ganze Wesen des Königthums kann 
man hierin begründet finden. Wie alle Herrschergewalt 
mit priesterlichen Rechten verbunden war in heidnischer 
Zeit ^, so auch die höchste von allen , die königliche Macht. 
Da aber das Königthum bei den meisten Stämmen auf- 
kam, hatte sich die Trennung obrigkeitlicher und prie- 
sterlicher Functionen schon durchgesetzt, und es konnten 
die nun zur Herrschaft gelangenden Königsfamilien nicht in 
jene unmittelbare Verbindung mit den Göttern gesetzt wer- 
den, wie sie den alten heiligen Geschlechtern zuzukommen 

* Grimm, R.A. p. 243^ H. Müller, Lex Sali ca p. 179, der 
jedoch gar nicht von eigentlichen Konigen spricht. 

* Die Vorfahren der gothischen Konige sind die , anses ' von 
denen Jordanis c. 13 sagt: proceres suos, qiiorum quasi fortona 
vincebant, non pnros homines sed semideos id est anses vocavere. 
l>en Camosicus, von dem Jordanis eil berichtet: Hie etenim et 
rex illis et pontifex ob soam peritiam habebatur et in summa justitia 
populos judicabat, glaube ich nicht den Gothen sondern denGeten 
Yindiciren zu müssen. ' S. oben p. 116. 



am 

«diien ^. Nor bei Aen Angeliachftai, deren ganae Ge^ 
schichte sich bald eiirSage ungestattete vnd duveh koae 
•gleichseitige AiifzeichmNig festgehaltea mvxAe , kMote es- 
gescAieheii und ist es «wirklicb der Fall geweses. 

Das KoDigthum ist weder iprierterlich nooh miHr- 
iärisch seinem Ursprung und seinem Wesen nadi; aber 
es ist beides zugleich und anderes dazu; dünn der König 
ist Herrscher, und alles was dem Fürsten bei andem 
«Stimmen zusteht, das gehört zum Recht und zur Gewalt 
4es Königs, fis mag woM sein dass die Kriegsföhrung 
am meisten hervortritt, die Würde und den NameB 
des Königs am meisten Terherriicht, dass sie denAnlass 
gab das Königthum bei einzelnen Völkern zur Anerkenn 
nung zu bringen; mehr im Kriege als im Frieden bei* 
durfte man des einigen gl^hgebieienden Führers; aber 
die 'Herrschaft im Frieden ist von niefat geringerer Bedeu^ 
iung, sie gehört zum Wesen der Sache so gut wie 
jene. Der König beruft und leitet die Versammlung 
des V<^, emprängt die Geschenke die man ihm datir 
abringt, er hat den Vorsitz im Gericht^, lüalleicht die 
'Macht zu richten und zu entsdieiden. Das letzte (v^ 
tich nur 'in beschrankter Weise. Keine ungebundene, 
freie Gewtflt steht den Königen zu ^. Aus der Geschicble 

' Das hat Pfafllips, D. €. I, p. 419, dureheua verkannt; 
seine Darstellung Ton der sieh entwickelnden Konigs^ewalferscheint 
mie so manches in dem Bach faat nur als ein Traum des Verfassers. 

* In so weit aber auch nitr in sosveit hat .uianBecfat wemi 
man sagt, königliche nnd fürstliche Gewalt, die des nex und ^prio- 
ceps; seien nicht wesentlich verschieden gewesen) wieTacitus vom 
Kooig halicus aagt, Ann. XI, 16: prmdpem locam implet. Aber 
•d«r Gri»d auf dem sie beruhte war ein verschiedener. 

' c. 7: nee regibus l^fimta ac Ubera potestas. Yepgl. iber 



tn 

dker Slämne lassen sieh Beispieie aDfufaren vdie das dai>- 
4hiui; die Ge^dbichte CUoobweciis, der les nur seinen 
Bitten, seinem persönlich«« Ansefan verdwble das» ikn 
ieiii Stüok der Beute voriveg zueckannt «wucde^ tder der 
^elegenheil; Klarten mnss um den Widerspruch des ei»^ 
meinen 2u xüobligeo, giebt 4avmi ein «edeodes «Zeiignias ^.. 
AlieTdrngs aber^vermi^ehte iie ksäftige PepsiädBlichkeit 
^l«iich ohne ^rengeiBereehtigiiiig., ofaoe liass was dem 
^seinen gelang au dien fiefugnissen des Senigs ühßSH- 
iiaopt ^gerechnet veiden könnte. So weit sein ilirm 
reichte, gebot der König, der Herr im Kriege wie im 
Frieden. 

Und auch ihm gereichte es zum Ansöhn dass er 
mit zahlreichem Gefolge umgeben war. Die Gefährten 
dienten ihm und gehorchten seinem Willen; mit ihrem 
Beistand konnte er vollfähren was leu thun die Ipeien 
Volksgenossen nicht verpflichtet, nicht gewilügt waren. 

Dass der König schon daheim grösseren Grund- 
besitz hatte, liegt in der Natur der Sache. Jede Er- 
oberung wird diesen bedeutend erwettert hab^i; in dem 
onterworfenen Lande iälk ihm ein nicht geringer Theil des 
'Grund und Bodens zu , den er thieils selbst von 'Höri;- 
gen verwalten lässt; den grösseren Thißil aber giebt er 
den Gelahrten und andern aus dem YoUse, ^m ihren 
Dienst zu belohnen, um sie zur Treue zu verpflichten. 
Besonders dieses Verhältniss, ilberhiaupt die Ausdeh- 
nung der TMacht nach aussen., die Unterwerfung von 

die fränkischen .Zustande Pardessiis in 4er 9tev DtJ^sf^i^UtJoii zur 
^ex Salica.p. 567 ff. 

' Vergl. Lobeil p. 212. 



173 

Völkern die anderer Herrschaft gewöhnt waren, und die 
zu strengerem Gehorsam und Dienst verpflichtet wurden, 
hat die Königsroacht gesteigert und gehoben. 

Nun ist der König auch im Besitz eines nieht 
unwichtigen Rechtes: er ernennt die Obrigkeiten die 
unter ihm, dem Herrscher des Volkes und Landes, in 
den einzelnen Gauen Richter und Vorsteher sind ^. 
Bei den Franken wurden die Grafen — denn das ist 
nun der Name der überall gebraucht wird ^ — vom 
König bestellt, und von einer Theilnahme des Volks 
dabei ist nicht die Rede ^ ; auch der comes der Ost- 
gothen wird von dem König ernannt^; bei den West- 
gothen ^, Vandalen ^, Burgundionen ^, Langobarden ^ 
ist dasselbe der Fall; von andern Stämmen fehlt uns 

> Vergl. im allgemeinen Savigny I, p. 266^ aach Grimm 
R. A. p. 752, Unger p. 141 ff. 211. 

" Vcrgl. oben p. 108. 

•> Lobell p. 202; Eichborn, über die ursprüngliche Einrieb- 
tung der Provinzialverwaltnng im fränkischen Reich, in der Zeit- 
schrift r. g. R. W. VIII , p. 299. 

^ Manso, Geschichte des ostgothischen Reichs p. 95. Dasa 
er nichts sei als der judex militaris der Romer, sucht J. v. Glodeo, 
das romische Recht im ostgothischen Reich p. 57 ff. , nachzuweisen s 
doch bin ich nicht durchaus überzeugt worden. 

^ Aschbach p. 261. 262, Lembke p. 209. 

' Papencordt p. 225. 226, Marcus, histoire des Vandates 
p. 186. 190. 

^ Die judices a nobb deputati in tit. 3 des Additamentum 1 
der Lex Burgundionum sind freilich von den comites verschieden, 
doch lässt sich nicht zweifeln dass auch diese von den Königen 
ernannt wurden. Yergl. Eichhorn a. a. O. p» 295. 

• Ed. Rotharis c. 25 : judex qui in loco ordinatus est a rege- 
Dass judex der Name für den sonst Graf genannten Beamten ist, 
zeigt Savigny I, p. 282. 



173 

KenntDiss der ursprünglichen Zustande; seit die Alaman- 
nen, die Baiern, die Thüringer frankischer Herrschaft 
unterworfen waren, hat dasselbe Sjatt gefunden; bei 
den Angelsachsen kam es wenigstens sehr bald dahin, 
dass statt der vom Volk gewählten Ealdormen könig- 
liche Beamte eingesetzt wurden ^. Diese Ueberein- 
Stimmung berechtigt zu der Annahme, dass die Ernen- 
nung dieser Obrigkeiten, die an die Stelle der alten 
Fürsten, Richter, traten, als ein Recht des Königs ange- 
sehen und gleich mit der Einführung königlicher Herr- 
schaft der Gemeinde entzogen wurde. Und was von 
den Grafen gilt wird auch von denen gelten die unter 
ihnen standen , den Vorstehern der Hundertschaften, 
oder wie diese Verhältnisse sich jetzt ausgebildet haben 
mögen ^. — Dass die Grafen nichts seien als die Ge- 
Tahrten des Königs, oder die Vorsteher der einzelnen 
Abtheilungen in den grossen Gefolgschaften^, ist eine 
Ansicht mit deren Widerlegung ich mich hier nun nicht 
aufzuhalten brauche. Ihre Ernennung ist ein wahres 
Königsrecht , und nicht aus andern zurälligeq Umständen 
zu erklären; schon in ältester Zeit scheint auf diese 
Weise dasKönigthum von anderer Herrschaft sich unter- 
schieden zu haben. Man darf daran erinnern , dass auch 
bei den nordgermanischen Stämmen der König jederzeit 
die Beamten für alle Theile des Reichs, die Befehls- 

> Phillips, A. R. 6. p. 78, Lappenberg I^ p. 563. 

* Vergl. Unger p. 147. 

* Phillips D. G. I, p. 420 3 Leo, Universalgeschichte 11, 
p. 10. Was er hier und sonst (p. 19) Heerverfassung nennt, muss 
KonigsverfasBung heissen. Es ist doch noch die Frage, ob alle 
Grafen von Fürsten (Konigen) eingesetzt wurden; aber gewiss 
setzten alle Konige Grafen* 



174 

htktn ies Heers, in der Regei audb die Leüef der 
LaddesthiAge, die Lagmänner^ ernannte ^. 

Neben dem Gtafea erscheint bei efoigen VoäLern 
ein Richter (judex), niclil: mit der Leitung des Gerickts^ 
der Au»(»hn»ng des Urtbeib beatiftragt, sondere mm 
Il8cfat»prechen berufen. Das8 er an die Stelle der Ge- 
meinde getreten sei, nicht miehr die Gesanimtbetl der 
Freien sondern er allein das Urtfaeii gefunden habe ^y 
ist nickt wahrscheinlich; die Vergleiehmig dessen was 
bei andern Stämmen bestand lässt erkennen dass es 
ein. Rechtskundiger war, der den Urtheilern ans dem 
Volke ßechtsb^hrung za geben hatte ^. Das scheint 
die orspföngUehe Bedeutung des Asega bei den Friesen 
z» sein, und mehr als der Fürst oder Graf ist ar de» 
ROfdisehen Lagmann an die Seite zu stellen; eigentlicb 
Tereinigt dieser Befugnisse beider in sieb ohne bdde 
durchaus zu rißrtreten. Da aber jener Richter an 'dem 
öigentUehen Rechtfinden wesentlichen AntheA hatte , nkhi 
aetten vor oder selbst sts^t der Gemeinde das Urtheil 
sprafeh, sa scheint es in der Natur der Sache zu liegen^ 
dam ihn diese , auch wo die Wahl* des Grafen ihr ent** 
zogen war, ernannte oder doch an der Bestimmung desael«^ 
ben Antheil hatte f und dass das letztere bei den Ala-* 
mannen der Fall war, wird ausdrikklicb gesagt^; die 
Friesen wählten jederzek ihren Asega auch als sie unter 

^ Nur in Sc]^.wed«tt Waklte die VofksfersamiiilaDg eleu Lag- 
mann selbst, Dahlmann II, p. 327. * Rogge p. 77 ff. 

* Maurer, Ge?ch«ehte de» altgeitnamseben QerklitsTerfah- 
reaa pf-22, Grimm, R. A. p. TBt, dem nun aueb EHchkorn § 7a 
tmd hl der Zeitselifift VHI, p. 3oa beipflichtet 

* Lex Alamannornm ttt« 41, c. 1: Nemo cavsas andire prae^ 
isumat nisi qui a diice per conventionem populi Judex constitntasesf. 



179 

Gi^afea afanden ^ ; wer die SagtUronen dev FriAbeft 
«mannle) ist aus d^n QmiteD mtht zu ersehen ^. 

War es in ältester Zeit schon üblich dass man ki' 
gewissen Fallen einzelne a«s der Mittci der GemeiiMie 
aoswaUte^ die mit einera solchen judex oder ohoe ihn 
das IJrlbeil sprachen^ so wird man geneigt sein anzu- 
nehmen j dass £e Bestimmung derselben der Wahl di0a 
Volkes überlassen gewesen sei ^ ; selbst in späterer Zeit, 
wo es regeknässige EinricMung wurde ^ scheint dies zum 
Recht desselben geböten zu müssen. Doch wurden 
die SeaMnen — so hiessen sie später — immer voä 
dem königlichen Beamten ernannt; aber mit Zustimmung 
des Volkes, dessen Wunaeh und WUle hier von ent- 
acbeidender Bedeutung sein sollte ^. 

Indem aber der König den Beamten der das Ge- 
riebt leitete und yon dem die Handhabung der Gereeb^ 

ut caasas jndicet In der Lex Bajuvariorum tit. 2, c. 15, 2 heUst 
es nur: jodicem qui ibi constitatus est jddicare. 

1 Eichhorn II, 9 285 c, Richthofen , Worterbach p. 609. 

^ Nur das bemerkt schon Sarigfny 1, p. 363, da«s es elä«' 
dwwrinie Ward9, niekt ein Toräbti^elKiides Cresobält vfwtf das *iit 
dem Namen ausgedrückt wurde. 

' Doch sind Grimm R. A. p. 773. 774 und Eichhorn § -75, 
p. 403 anderer Meinung. Nur wenn die Rschinburgen als Zeugen 
erschienen, seien sie gewählt und zwar von den Partheien. Vergl. 
Savigny I, p. 249. 

^ Die beweisenden Stellen bei Savigny I, p. 236 n., Grimm 
R. A. p. 776. Doch ist es offenbar zu viel gesagt, wenn jen^f 
p. 249 bemerkt: yDie Neuerung bestand dann blos darin dass die 
SebofTen der gefooteüien Gerichte, weldbc vormal« für jedefi einzelnen 
Falt TOQ den Grafen oder ihren Steil vvrtretern wiilkihrlkh ernamt 
worden, nnimebr auf eioe bleibendcl^eiae nnd dnrch Wahl des 
Yolks bestimmt Werden sollten ^ Vergk was Eichhorn in d«r dl«a 
Aufl. § 165 n. a. gegen Unger's Anffassnng bemerkt hat. 



176 

tigkeit zunächst abhing ernannte, indem er darch ihn 
auf die Bestimmung des rechtskundigen Beisitzers nicht 
Mos sondern auch auf die der urtheilenden Gemeinde- 
glieder den bedeutendsten Einfluss übte, indem dann 
sein Beamter die Ausführung der Rechtssprüche besorgte 
und in seinem Namen die Strafen verhängte , musste er 
als der Mittelpunkt aller richterlichen Gewalt, als der 
Quell des Rechtes erscheinen ^. Da wurde auch der 
Bruch des Friedens als Beleidigung des Königs ange- 
sehen; der Königsbann trat an die Stelle des Friedens- 
geldes 3. Da ist der König gedacht wie früher nur 
die Gemeinde des Volkes. 

Nicht anders vielleicht in den Fällen wo wir später 
den besonderen Königsschutz finden ; den Freien ersetzte 
er die Familie wenn sie fehlte , den Freigelassenen den 
Herrn; dafiir genoss der König ihre Rechte, zu erben, 
das Wehrgeld zu empfangen ^. Es ist möglich dass 
sich diese Vorstellung erst später mit der königlichen 
Gewalt verknüpfte ^; jedenfalls dehnte sie sich weiter 
aus; alle Schwachen und Hölfsbedürftigen waren nun 
auf diese gewiesen ; sie erscheint als eine allgemein 

^ Vergl. Unger p. 211. 213. Die Bemerkungen Woringen's, 
Beiträge zur Geschichte des deutschen Strafrechts p. 157 ff. j schei- 
nen mir theilweise auf Misverständniss zu beruhen. 

« S. Woringen p. 166, Wilda, Strafrecht p. 470, deren 
Auffassung bei einigen Verschiedenheiten doch im ganzen dieselbe ist. 

> S. Kraut, Vormundschaft I, p. 63 ff. Vergl. unten. 

^ Aber auf keinen Fall kann ich zugeben dass es daher 
komme, weil sich in der Konigsgewalt zuerst eine eigentliche Staats- 
gewalt bei den Germanen bildete, wie Kraut p. 68 meint. Seine 
Darstellung ist ganz auf die Ansichten Rogge's begründet, gewiss 
zu nicht geringem Nachtheil derselben. 



177 

schinnende Gewalt, die das Recht und den Frieden im 
ganzen wie für jeden einzelnen handhabt und bewahrt. 
Aber vielleicht schon zu weit ist diese Betrachtung 
des Königthums und der Verhältnisse die auf ihm be- 
ruhten oder mit ihm in Zusammenhang standen über 
die ihr gesteckten Grenzen hinausgegangen. Es war 
eine grosse folgenreiche Veränderung, da das was zu 
Tacitus Zeiten nur bei wenigen entfernten Stämmen galt zu 
dem allgemein herrschenden ward, durch die bedeutend- 
sten historischen Vorgänge herbetgerührt, selbst ein wich- 
tiges Ereigniss der Geschichte. Da kamen viele Umstände 
zusammen die neue, von allem frühem verschiedenartige 
Verhältnisse herbeiführten; einen Theil derselben^ doch 
bei weitem nicht alle haben wir kennen gelernt. V^äh- 
rend wir suchen aus der Vergleichung späterer Zustände 
ein helleres Licht auch über die älteren Zeiten zu ver- 
breiten, müssen wir jederzeit warnen dass man nicht 
zu weit auf diesem Wege gehe; es thut noth, die Unter-*» 
schiede hervorzuheben und darauf hinzuweisen dass nicht 
alles immer so war wie es sich später zeigt. 

V^ir verweilen in den Zeiten, da noch die Volks- 
gemeinde die herrschende war; und haben wir uns einen 
Augenblick von diesem Standpunkt entfernt, so eilen 
wir auf ihn zurückzukehren und andere Verhältnisse, die 
vielleicht nicht alle geradezu politische genannt, zur 
Verfassung gerechnet werden können, die aber in der 
nächsten Verbindung damit standen und auf die Aus- 
bildung derselben den grössten EinDuss übten , ins Auge 
zu fassen. 



13 



/ 

178 



8. Freiheit und Recht 

Die politischen Verhältoisse des deaUcfaen Yolk^ 
wie sie Tacitii^ schildert berohten, habeti wir gesebeo^ 
auf einer ausgebildeten Gemeindeverfassung. Von j^ned 
vorhistorischen Zeiten, da nur die Familie Bedeutung 
hatte ^ ist. nicht mehr die Rede; es war die Genossen- 
schaft deif durch Grundbesitz vollberechtigten Freien die 
die Gemeinde bildete, bei der alle politische Gewalt 
ihren Ausgang und Mittelpunkt hatte« 

Es gab edle, in höherer Wärdigkeit anerkannte 
Geschlechter. Worin aber auch die Bedeutung ibnres 
Adels bestanden haben mag, ein höheres Recht im Staate 
hatten sie nicht; der Edle wanr auch ein Freier, und nur 
das gUiche Recht wie dieser übte er aus ^. Andere 
Abstufungen der Freied sind späteren Ursprungs und 
zweifelhafter Bedeutung. 

Neben den Freien standen die Freigelassenen, ihnen 
in det Regel wedeif an politischen Rechten noch an per- 
sönlichen gleich. Iht Wehrgeld ist das halbe eines 
Freien 5 sie sind nicht echten Eigenthums Tähig, konn- 
ten nicht in Volksversammlung und Gericht etBcheinen« 
Sie bebauten das Land das ihnen dazu angewiesen Wer, 
sie standen in dem Schutz, Mundium, ihres Herrn oder 

' Diese frühere Ansieht Savi^y's (fioch in der 2ten Aufl. 
der Geschichte des R. R. I, p. 189) muss man gegen die wesent- 
lich verschiedene die in dem Beitrage zar Geschichte des Adels aus- 
gesprochen ist festhalten. 



179 

dessen der seine Stelle vertrat. Die Arten der Frei- 
lassung, die Rechte die sie gab waren später verschie- 
den ; doch ist es zweifelhaft , ob der Freigelassene jemals 
dem Freigebomen völlig gleich gestellt wurde, gleich 
auch an politischen Rechten ^. 

Wohl ist der Ausspruch des Tacitus wahr, dass 
nur Königsherrschaft dem Freigelassenen eine Bedeutung 
im Staate geben konnte ^. Hier im Schutz des Königs, 
als Mitglied im Gefolge , im Besitz eines königlichen 
Guts, im Dienst daheim und im Kriege, mochten sie 
Ansehn, Würde, Macht erlangen. Wenig wusste die 
Zeit da Tacitus schrieb hiervon zu reden. 

Es standen andere in den deutschen Gemeinden 
den Freigelassenen gleich ^, die Leten , Liten oder Lazzen, 

^ Grimm R. A. p. 331 ff., Eichborn § 51 , PardestHs zur Lex 
Salica p. 529. Yergl. unten p. 184. Auch der Freigfelassene der ingennna 
wurde, das Wehrgeld eines Freien erhielt, stand doch noch in dem 
Mundiam des Königs. Nun laognet freilich Kraut, die Vormund« 
Schaft p. 66, dass der Konigsschutie den des Herrn vertreten habe: 
er habe nur in dem mangelnden Familienschutce seinen Grund und 
solle diesen ersetzen« Aber mir soheint das nicht richtig aussein, 
wenigstens nicht xu erweisen das« der Freigelassene dann die volle 
(politische) Freiheit hatte. Denn der allgemeine Familienscbuts 
ruht wenn einer desselben nicht bedarf, der Freigelassene stand 
aber immer eben als solcher in dem Mnndlum des Königs. — Oder 
darf man aoph dies in Abrede stellen? Ausdruclüich -gesagt wird 
es freilich, so viel ich sehe, nirgende, nur daraus geschlossen dasi 
der I^onig dts Wehrgeld au empfangen, ihn pelbst au beerben 
berechtigt war. * 

* c. 85: Liberti aon multom supra ler^ sunt ^ raro aliquod 
momeoiaai ia domo, nnaquam in ciritate, exeeptis dnntaxat iis 
genUboB qua« regoantvr. 

* Vergl. Grimm R. A. p. 306 ff. Er bemerkt, dass der 
Freigelassen« oft kein titns, der litus kein libertos war, und es ist 
bekannt genug dass wenigstens bei den Langobarden nur eine Art 

12* 



180 

wie sie in den Denkmälern verschiedener Stamme genannt 
werden ^. lieber das Recht derselben ist viel gestritten 
worden, ob sie Freie waren oder unfrei. Sie waren 
eben keins von beiden, sie bildeten einen besondern 
Stand, der unter den Freien stand wie der Adel dar- 
über, der sein besonderes Recht hatte und anerkannt 
war als Theil der Gemeinde ^. Schon darum waren 

der FreilaMong: geradezu zum aldio — und das scheint gleich- 
bedeutend mit Utas — machte. Wohl aber mochte ich glauben 
dass jenes das ursprüngliche war 9 es entspricht dem ,non multum 
supra servos sunt' des Tacitus, darauf fuhrt der Sprachgebrauch 
mehrerer Quellen die ,liberti' für ,litt' setzen : Rudolfus In der Trans- 
latio S. Alexandri c. 1 , Lex Salica.tit. 26, wo die Ueberschrift 
lautet: De libertis dimissis, der Text aber von den Liten handelt. 
Eine alte Glosse (Grimm p. 309) erklart: aldio, statu über, liber- 
tusy cum impositione operarum. Vergl. Wilda, bei Richter p. 330. 

> Dass die Liten schon dieser Zeit angehören scheint mir 
unzweifelhaft^ und was Zopfl, D. St u. R. G. I, p. 40 n. 3, be- 
merkt ohne Grund. Gar viele Verhaltnisse sind uns aus frühester 
Zelt nicht ausdrücklich bezeugt, tragen aber so sehr das Gepräge 
des Alters an sich , kommen so allgemein bei allen Stämmen vor, dass 
an dem Vorhandensein derselben in dieser Zeit nicht zu zweifeln ist. 

' Das hebt mit Recht besonders Bluntschli a, a. O. p. 43 
hervor, hält aber doch mit Grimm, Gaupp, das Gesetz der Thü- 
ringer p. 149 ff., u. a. an der Ansicht fest dass es Unfreie waren. 
Man kann einfach erwidern , ein Freigelassener kann nie ein Unfreier 
sein , und freigelassen war auch derjenige der blos zum aldio ge- 
macht war; in einem Verhältniss der Abhängigkeit aber kann er 
und kann auch ein anderer stehen ohne darum Knecht , servus , zu 
sein; und ich glaube man lässt sich nur irren, weil man statt des- 
sen das negative Wort , unfrei' gebraucht. Gaupp, Recht und Vet- 
fassung derSachsei^. 218 ff., bemerkt auch selbst, dass der Herr 
des Liten nicht eine Gewere an demselben hatte, sondern dieser in 
dem Mundium des Herrn stand. Ich kann es daher nur als einen 
ungenauen Ausdruck bezeichnen, wenn in der Lex Frislonum XI, 1. 2 
und in einem Capitulare Karls des Grossen vom Jahr 801 c. 6 
(Pertz I, p. 84) ihr Verhältnis» ,servitus' genannt wird. In der 



181 

sie keine Knechte, der Werth der Persönlichkeit war 
gesichert durch das Wehrgeld das ihnen gebührte; aber 
frei können wir sie nicht nennen , da sich mit dem Worte 
ein anderer, ein politischer Sinn in jener Zeit verbindet 
Sie besassen ihren Grundbesitz nicht als freies Eigen, 
sondern er war mit Abgaben und Diensten belastet ^ ; 
das war das Wesentliche des Verhältnisses, damit ver- 
band sich der Begriff geringerer Ehre , minderen Rech- 
tes, und diesen Begriff hielt man fest auch in seiner 
Verschiedenheit gegen andere unfreie Verhältnisse. Dies 
Bewusstsein rechtlicher Verschiedenheit würde sich erhal- 
ten haben , wenn auch nicht bestimmte Leistungen daran 
erinnert , die einzelnen den einzelnen gegenüber in 

letzten Stelle lässt es sich jedoch altgemein als , Dienst' auffassen; 
eine Formel (form. Sirmond. 44) zeigt dass jemand in obseqnio et 
servitio alterius ingennili ordine sich befinden konnte; ein solches 
Verhaltniss konnte gelost ond dies eine Freilassung genannt werden 
(LexSal. 26, 1: Si quis homo ingennus aliennm letnm extra con- 
silium domini sui ante rege per dinario dimiserlt); es konnte end- 
lich Im Lanf der Zeit, bei einzelnen Stammen, anter besonderen 
Verhältnissen dahin kommen, dass ein solcher Zustand für Knecht- 
schaft angesehen wurde , und es scheint das bei den Friesen in der 
That geschehen zu sein; allein wir sind gewiss nicht berechtigt 
dies für das ursprüngliche, bei allen Stämmen geltende zu halten. 
Vergl. Pardessus zur hex Salica p. 479 ff. Wohl möglich dass im 
karolingischen Reich diese veränderte Ansicht sich besonders geltend 
machte , and deshalb» die Gesetze Karls und die unter seiner Auto- 
rität redigirten Leges die Sache so auffassen, deshalb anchNithar- 
das das Wort ,liti' mit , serviles ' übersetzt (IV, 2: sunt enim inter 
illos qui edhilingi, sunt qui frillngi, sunt qui lazzi illornm lingua 
dicuntur; latina vero lingua hoc sunt: nobiles, ingenuiles, servi- 
les), während Rudolfus ,liberti^ sagt. — Gaupp's Ansicht p. 144 ff.» 
dass die Liten sich nur bei den nichtsuevischen Völkern finden, 
kann ich gar nicht beipflichten; vergl. Bluntschli p. 42. 

1 Das ist schon das Verhaltniss der Letilm romischen Reiche, 
die doch niemand für servi oder unfreie halten wird. * 



182 

gewisser Abhängigkeit gestaoden hätten. Ob das ietste 
immer der Fall war, lässt sich freilich becweifeln; die 
Regel scheint es allerdings gewesen zu sein. Es kommt 
darauf an , wie der Stand der Liten entstanden war. Man 
meint wohl ^, dass ganze Völker durch Unterwerfung in 
denselben versetzt worden sind, so dass eki Stamm den 
andeiti besiegte, sich unterwarf, dieser seinen Gründer 
besitz ganz oder theil weise behielt, aber mit gemindor- 
ter Freiheit, zü Abgaben und Diensten verpflichtet. 
Doch sind Veiinderungeo dieser Art nicht mit Sicherheit 
in der Geschichte nachzuweisen; nur von den Liten der 
Sachsen sagen es einige Quellen ^ ; und wenigstens dieser 
früheren Zeit scheinen solche Verhältnisse ganz fremd 

> Eichhorn, in der Zeitschrift I, p. 158, D. St. u. R. G. 
§ 49; vergl. Palgrave p. 24 ff. 

* Gft ist nanieDtKch <Ke Ansicht deis Sachsenspiegels III, 44, 
und hierauf besieht sich auch Biohhom , allein offenbar mehr ein 
Versuch historische Vei^ältniase zh erklären als ein iiistorlsches 
Zeagnifis. Doeh giebt «s aitere Nachrichten die der Veif asser lie- 
vntzt zu haben «cheint. Schon Rudolftis , Translatio S. Alesandri 
G. 1 (Pertz II, p. 675) sagt: Qui eam (terram) diridentes, com 
multi ex eis in hello cebidissent et pro raritate eomm tota nb eis 
occapan non potuit, |»arteBi illins et eam qnam maxime ipiae -respidt 
orientem colonis tradebant , singaK pro sorte «na , sab Iribnto exer- 
cendam. Doch wird ea nichl gesagt und es scheint audh kaum die 
Meinung des Rndolf , dass die Colonen ans den besiegten Thiria- 
gern genommen wurden. Das spricht aber Widukindns aus I, M: 
Parte qiioque agrorum com anlicis auxiliariis ▼el mannmis^is «liatri- 
bnta, retiquias pulitoe gentis tribate «ondempnaveront; unde usqiie 
liodie gens Saxonum triformi genere ac lege praeter condltionem 
servilem dividitur ; eine Stelle die man nur nicht »mit ISchadmaifn 
p. 92 «rklaren darf. Noch bestimmter Albertus Stad. (ed. Kalpis 
p. 209): plures aotem se eis dederunt proprios^ et qui ab «eia 
Vhrere suot permissi , litoaes sunt ab eodem rocabulo nnncupati ; 
iode litones In iproviffdü SaxAuum «ant exorli. 



IflS 

g9V«seo zu sein ; Kriegfigefaogensehaft begröndete Koedbir 
Schaft. War es aber d^ Fall, so mochten vielleicht 
die Unterworfenen den Siegem überhaupt, nicht der 
eiBzelna dem einzelaen dienen. Doch noch weniger iist 
von solchen Zuständen die Rede ^. 

ßs gab eodlicb «uch Knechte upt^r dien Peutschen, 
md auch unter ihnen fanden Abstufungei» jSti»tt. Gewiss 
mefat alle die wir ^ter fiodeq gj^höref» der ältesten 
Zeil an, di^ meiste« werden sieb in dm o^VieQ I^ehe^ßr 
•Vierhajltnjssieiß und den verÄnderi^Q ipolitmh^ Zustünden 
der spftterep Jahrhundeijbe, deren IXßpilgmler isie «itfr- 
zieigen, gebildet habea. Aber d^e Anf^mjg/d finden #icb 
im frühester Zeit^. 

ßei der Betrachtung d^ Verfassung der ajtea Peutr- 
scfaeü sind alle diese yenhiUtnisse yo« geringer Wichtigkeit. 
Nw als Gegepsailz gegetp die Rechte d^ Freien, ,nicbt 

> Von den Sachsen sagt Rudolfus a. a. O : colonis tradebant, 
singuli pro sorte sua. Schaumann's Idee p. 54. 91, dass die Uten, 
die Ihm Unfreie sind, immer rnhig auf den alten Aeefcern sitzen 
blieben > wenn anch dieflerr«n abzogen, und bei neuen Eroberun- 
gen nur diese wechselten, ist ganz ohne Begründung. 

* c. 25: Ceteris servis non in nostrum morem descriptis per 
familiam ministeriisntnntur; suam qnisque sedem , suos penaUs regit. 
Frumenti modnm dominus aut pecoris aut vestis nt colono injungit, 
et servus hactenns paret. Das ist ein Verhaltniss von dem der 
Uten nicht wesentlich verschieden , nur dass hier veu wirklicher 
Unfreiheit die Rede ist. Auch bemerkt Orimm R, A. p. 950 wohl 
mitReehft, dass man das , servus iiacteous pAret' nicht zu wortüoh 
nehmen dusfe. Einer häcteren Knechtschaft gedenkt Tacitns seihst 
c. 34 : Servos condicionis hujns — die ducch ihr eigenes 'Verschat- 
den in den Sklavenstand geriethen — per commeroia tsadunt'; do«h 
ervMÜiQt er «nur eine adbr beschrankte Art der Entsitebun^; «ueh 
zur Strafe , scheint es , kiumte man serv«s werden , gewiss aber 
war &riegsgefaii^iis€ba(t. ein EntsAehungsgiund. 



184 

um ihrer selbst willen mussten wir ihrer gedenken. 
Dass die Freigelassenen und Liten — denn von den 
Knechten kann nicht die Rede sein — an der Volks- 
gemeinde Theil gehabt hatten , kann ich mich nicht 
überreden ^. ^ 

So dürfen wir sagen: die Freiheit allein gab Recht; 
Recht und Freiheit waren identisch. Man hat auch 
gesagt^, Freiheit sei Ehre; doch* nur insofern als Ehre 
eben das und nicht mehr ist als was jedem nothwendig 
eigen sein muss um Theil zu haben am Recht, an der 
Rechtsgenossenschaft der Gemeinde. Denn darin liegt 
alles begründet. Was jeder für sich ist, ohne Rück- 
sicht auf die Gemeinschaft in der er steht, sei es die 
der Familie oder des Staates, das gehört weder dem 
Rechte noch der Geschichte an; ob er da thun durfte, 
wozu er den Willen und selbst oder mit Hülfe anderer 
die Kraft hatte ', ist eine Frage die ganz ausserhalb 



^ Nur HocbaldcM in der vita S. Lebuioi sagt, aus den 3 
Ständen seien die 12 Gesandten zur grossen Landesversammlung 
aasgewahlt worden (ex singniis pagis atque ex iisdem ordinibus 
tripartitis siDgillatim Tiri duodecim electi ) ; in den Krieg zogen die 
liti nur mit ihrem Herrn , wurden nicht selbständig aufgeboten , und 
deshalb konnten sie auch nicht in der Yolksversammlung besonders 
vertreten sein; so wenig wie andere die im Mundium standen. 

* Moser, in der Vorrede zur Osnabrückischen Geschichte. 

' Rogge a. a. O. p. 1. Uns Nachgebornen ' erscheint es 
doch fast unbegreiflich , wie Rogge's Buch so grossen Ruhm erwor- 
ben hat 5 den grossten durch Grimm'sWort in der Vorrede zu den 
R. A. p. VII n*. Nachdem Eichhorn und Savigny geschrieben, 
war es doch nicht so ausserordentliches, im einzelnen manches 
genauer auszuführen und schärfer zu bestimmen. Im allgemeinen 
hat die Darstellung gewiss zu grossen Irrthümern Anlass gegeben, 
die Auffassung ist hier oft so wunderlich, dass man es kaum noch 



185 

alier historischen Betrachtung liegt; das ist eine Freiheit 
mit der wir wenigstens uns nicht zu beschäftigen haben. 
So wie sich ein Gesammtbewusstsein gebildet hat, der 
einzelne das Glied eines grössern Ganzen geworden ist, 
hat es damit ein Ende; sich eine Gemeinde, Gemeinde- 
Verfassung und zugleich jenen Begriff von Freiheit zu 
denken , ist ein Widerspruch den niemand zu lösen 
vermag. 

Ist die wahre Freiheit gegeben mit der Bildung 
der Gemeinde , so tritt auch mit dieser sofort das Recht 
als solches ins Leben. Es giebt kein Recht ohne den 
Begriff des Staats, vor den Anföngen desselben; aber 
es entsteht so wie sich die einzelnen in solcher Gemein- 
schaft fühlen; nicht in der Familie hat es seine Wur- 
zeln, sondern in der Gemeinde; — denn so nenne ich 
jene Anfange des staatlichen Lebens; der Staat selbst 
entsteht wenn die einzelnen Gemeinden des Volkes sich 
zur politischen Einheit verbinden. 

Und das Recht ist dann der Mittelpunkt aller Ver- 
hältnisse. Was ist die Gemeinde- Volks -Versammlung 
anders als dass sie bestimme was Recht sei? im allge- 
meinen, indem das Gesetz oder was seine Stelle ver- 
tritt von ihr ausgeht, in ihr, sofern es sich unbewusst 
gebildet hat, Anerkennung erhält; im besondem, da 
jede Handlung^ wenn es darauf ankommt, hier in ihrem 
Verhältniss zum Begriff des Rechts bestimmt wird. Das 
Recht des einzelnen ist hieran Theil zu nehmen, dass 
nichts ohne ihn, wider ihn geschehe. Diesem Recht 

aafifahrJich widerlegten ma^^. Wo es Noth that , hat es Wilda 
gelehrt und gründlich und ausführlich genug gethan. 



entspricht 'aber nothwendig auch die Pflicht sich dem 
Willen der Gesaramtheit^den hieraaf bemheiiden Ordr- 
nangen m fugen, tot allem das Recht selbst ids solches 
anznerkenneo. Wie Biemand das Geneindefeld mders 
besteHen durfte als der Bescfaluss der Gesamm&eit «es 
wollte , niemand den Wald ausroden um Kmn zu bauen 
oder seinen Antbeil an der Weide mit Holz besaeo, 
so konnte auch keiner anderen höheren Bestimmmgeo 
atch entziehen, niemand wider ftecht wid Gesetz thon 
was ihn gelüstete, weil er 4ie Kraft dajsu m tiabeo 
ghubte; sondern er fand das Maass seines Wdlens ia 
den Sek'anken die eben mit der Gemeinde, ab 4em 
ersten Anfiinge staatlicher Bildung, gesetet waren. 

In der Gemeinde aber musste Friede herrschen ^. 
Ohne den Begriff des Fnedens ist keine V^rbindng 
mehrerer, keine Gemeinsamkeit, keine fiemebdemöglseb« 
Aber wie. hier <Ue wahre Freäieit nichts ist als Theil>- 
nahme an dem Recht, so ist auch der Foiede nur der 
2ustand des Rechts. Jeder Bruch des Friedens ist also 
Unrecht, und jede Verletzung des Rechts ein Fjiedees^ 
bmcb. Das stand keinem frei dagegen zu handeln, 
weil die eigene Lust ihn trieb, die Kraft auszureichen 
sdbien. Wer es versuchte , handelte gegen die Gemeii]^ 
und ilur Recht; hatte sie es nicht hindern könneja, &o 
musste sie es sühnen, strafen. 

Es «sind das Begiiffe deren Begründung .dJbr iGe- 
schicbte Torangebt, da: frühsten Gostaltimg meosdilic^r 
LebensyerhäHnisse angehört NicU; mit :ihrer£iitstehwig 



'1 S. WUda, straf recht p. 225 C -264 C, an den leb mich 
hier anschlieMe, 



und ersten Entwickelang, nur mit der Art wie sie im 
einzehieo Fall erscheinen und wirksam sind, wird sich 
die Historie za beschäftigen haben. Und schon ram 
Tweiten Mal sind- wir so bis zu den aussersten Anfang 
grenzen unserer Wissenschaft gelangt, nicht weil die 
deiBtschen Zustände die uns vorliegen dahin gehören, 
«endem zunächst weil Missververständniss md irrige 
Auffassung sie dahin hat verrücken wollen. Doch auch 
BUS einem andern Grunde. 

Der Begriff des Friedens als der Grundlage des 
Rechts hat sich in germanischen Verhättnissen bestinam- 
ter ausgeprägt, länger und reiner erhalten als es anderswo 
der Fall ist; besonders bei den nordischen Germanen. 
Die Strafe für den Friedensbruch war Friedlosi^eit. 
Wer selbst den Frieden nicht achtete, mfit Gewaltthat 
oder iBiuT andere Weise ihn störte, war es nicht werth 
daran Theil zu haben^ er wurde desselben für verlustig 
erklärt. Und damit wurde er aus der Gemeinde aus- 
gestossen; nicht Mos alles Recht das ihm in derselben 
zugestanden batte war damit vernichtet; friedlos war 
mehr bIs rechtlos ; seflsst den Schutz seiner Person, 
seines Lebens hatte er verloren. Freilich finden wir 
in deutschen Rechten hiervon keine deutlidien Spuren * ; 

1 Als U«berbleibse1 aft«D Rechts scheint citirt werden su 
diirfea Lex Sal. 55, 2: Si corpas jam sepnitum effaderit (effode- 
rit) et ««pollaTerit et ei fuerit adprobataia, war gas sit usque in 
die itia quam ille cam parentibos ipsias -defancti conveniat , et ipei 
^o enm Togare debent nt ille int er homines licea-t acce- 
denre. ßt qni ei anteqaam »pftveDttbas eonponat au't p^aneni de- 
derit ant hoapilitatem 'dederit, sen parentes seni «n^cor 
proxima, eoo dinarios — culpabüis judicotar. 0er Text des 
Herold 58 , 1 hat die B62eichnaDg ^antiqua fege'. Vecgl. Wilda p. S78 ff. 



188 

doch bei den skandinavischeD Germanen lebten diese 
Prinzipien lange kraMg fort, und wir dürfen scbiiessen 
dass sie einst auch bei den stammverwandten Deutschen 
die geltenden waren. Aber schon in der Zeit dieTaci- 
tus schildert ^ war es nicht mehr der Fall. Der Begriff 
des Unrechts hat sich weiter gebildet; man unterschied 
die Verbrechen, und auf bestimmte Strafen wurde von 
der Gemeinde ericannt ^. 

Verbrechen die gegen das Volk, den Staat, ver- 
übt wurden, die das Wesen der Gemeindeverbindung 
angriffen, worden mit dem Tode bestraft. Und den Hoch- 
verräthem standen die Ueberlaufer gleich, die sich von 
der Gemeinschaft der sie angehörten — das Heer ist 
ja das Volk — lossagten. Nichts mehr als das, könnte 
man denken, habe in derBefugniss des einzelnen gestan- 
den, zu leben wo« er wollte, sich anzuschliessen an wen 
ihm beliebte; wäre jener Begriff von unbeschränkter 
persönlicher Freiheit auch nur einigermassen begründet, 
hier hätte er sich wirksam zeigen müssen. Aber gerade 
das Gegentheil war der Fall. Weil das Recht des ein- 
zelnen in der Theilnahme an der Genossenschaft bestand, 
so war das Aufgeben derselben ein Bruch des Rechtes^; 
er sagte sich los von dem Frieden der in der Gemeinde 
herrschte ; - ursprünglich wäre er friedlos geworden, 
und dann konnte jeder ihn straflos tödten; nun wurde 

^ Die Worte c. 6 , nee aat sacris adesse aut conciliaoi inire 
igoominioflo fas' deuten die Rechtslosigkelt an. 

* c. 12: Distinetio poenarum ex delicto: proditores et trann- 
fngas arboribus anspendant, i^avos et imbelles et corpore infamea 
coeno ac palude, injecta insu per crate , mergnnt; diTersitas sopplioii 
illud respicit, tanquam scelera oitendi oporteat dorn paniuntur, 
flagitia abscondi. Dazu im allgemeinen Wiida p. 153 ff. 



18» 

Todesstrafe über ihn erkannt. Er frevelte gegen die 
Gemeinde , er sündigte auch gegen die heimischen Göt- 
ter, deren Heiligthümer er verliess, und vielleicht des- 
halb wurde er an einem Baume aufgehängt ^ ; also 
geschah es mit den Opfern -die den Göttern dargebracht 
wurden. 

Andere Verbrechen die für die schimpflichsten gal- 
ten strafte man auf andere Weise : die Missethäter wurden 
mit Erde beschüttet, in den Sumpf versenkt, dem Auge 
der Mitlebenden entzogen; so gross schien die Schand- 
that die sie verübt dass man ihr Andenken vertilgen, 
es vergessen machen wollte dass sie je zur Gemeinschaft 
des Volks gehört hatten. Dass man das solchen that 
die sich bösen Lüsten Preiss gaben oder unfreiwillig 
zum Opfer wurden, darf uns nicht Wunder nehmen 2; 
nicht damit machen wir die Deutschen edler dass wir 
ihnen Kenntniss der Laster absprechen ; wie sie es straf- 
ten zeigt uns die sittliche Ansicht die ihnen eigen war. 
Nicht so leicht aber ist zu erklären, warum auch Feig- 
linge und die das Heer verliessen ^ solche Strafe traf, 

^ S. Wilda p. 155. Tacitos eigeae Erklärung wird wobl 
schwerlich aasreichen. 

* ^corpore infames' kann ich nur in eigentlicher Bedeutung 
(Ann. I, 73) nehmen; dass die Deutsclien solches litten, zeigt 
Hist. IV, 14: impubes sed forma conspicui ad stuprum trahebantur. 
Vergl. Barth, Urgeschichte IV, p. 272. Nicht immer sind harte 
Gesetze ein Beweis von Tugend, öfter lasst das Gegentheil sich 
achliessen; hier aber darf man wohl an der Reinheit der Sitte nicht 
zweifeln. Auch den mit Gewalt beschimpften wollte man in der 
Gemeiode nicht dulden und vertilgte ihn von der Erde. 

* Die , ignavi et imbelles *' haben den Erklärern viel zu sebaflTen 
gemacht, besonders da nach c. 6 das Verlassen des Schildes, also 
das Ergreifen der Flucht im Kampfe /nur Rechtlosigkeit begründete. 



190 

ÜBSt eine härtere als die gegen Uebertäufer fesitgesetzt 
war. Ich fürchte fast zu weit zu gehen wenn ich es 
auf folgende Weise erkläre. Wer zu den Feinden 
überging, die Gemeinde verliess, allen Rechten, selbst 
den vaterländischen Heiligthümern entsagte, wurde als 
ein friedloser getödtet, den Göttern zur Sühne darge-- 
bracht; aber es lag keine Feigheit in seiner That, sein 
Recht und seinen Frieden opferte er, abeir nicht die 
persönliche Würdigkeit und Ehre gab er auf; er woUle 
in dem fremden, feindlichen Staat das suchen was ihm 
bisher der heimatliche gewährt hatte. Wer aber feige 
das Heer verliess, von dem Genossen in der gemein- 
schaftlichen Gefahr sich trennte ^, der beschimpfte sich 
selbst, machte sich der Genossenschaft freier Männer 
unwerth; wie jener der fremder Lust gedient den Körper 
geschändet hatte, so dieser seine Ehre, sein Recht. 
Das Vergehen erschien schimpflich wie kein anderes, 

Man ist zu den wanderlichsten Erklirnngen gekommen. Auch 
'Wilda'g Meinung y Strafrecht p. 154, es seien alle zu verstehen die 
ein schimpfliches Verbrechen begangen hatten, kann ich nicht bei- 
stimmen; das können jene Worte nicht bedeuten. Es bleibt nichts 
iibrig als es auf die zu beziehen die widerrechtlich das Heer ?er- 
Hessen ; was ein anderes war als in der Hitze des Kampfs den Schild 
Terlieren oder ihn in Stich lassen um das Leben zu retten. Si quis 
adeo contumax aut snperbus exstiterit , nt demisso exercitn absque 
jussu vel licentia regia domum revertatur et quod nos theiidiscft 
lingua dicimus heriliz fecerit, ipse ut rens majestatis vitae pericu- 
lum incurrat. Pertz, Leg. I, p. 83. Grimm R. A. p. 695 weist 
nach dass die schimpfliche Strafe für solchen Frevel noch im späterQ 
Mittelalter bekannt war. 

1 Das hebt besonders tias langobardische Recht berror. 
Edictum Rotharis c. 7: Si quis contra iBimkos pugnando eollegam 
suum dimiserit aut astalium eum fecerit, id est eiim decepedt et 
cum eo non laboravf^rit, animae incurrat periculain. 



191 

und der es beging wurde aus der Gemewschult der 
MeDsehed g^ilgt* 

Man hat behauptet, nur in solchen ganz besonderen 
FSdIen habe eine eigentliche Strafgewalt bei den Deut- 
schen gegolten; ida übrigen habe der Begriff des Ver- 
brechens und der der Strafe ihnen gefehlt; überall sonst 
stehe Freiheit der Freiheit entgegen; eines jeden Recht 
reiche nur so weit als seine Gewalt; es finde keinen 
weitem Schatz , wenn er es nicht selbst zu vertheidigen^ 
den Eingriff abzuwehren oder zu rächen wisse ^. 

Ich habe mich gegen die Auffassung die dieser 
Ansicht zu Grunde liegt schon mehr als einmal erklärt; 
doch kann ich nicht unterlassen zu zeigen wie wenig 
begründet auch diese Behauptung ist ^. 

Taeitos spricht von einem solchen Zustande nicht« 
Er kennt Strafen atich für geriogere Vergehen ; mit 
Geld oder Geldeiwerth werden sie gesühnt, gebüsst ^. 
Aber Tacitus, meint man, habe die Verhältnisse nicht 
richtig Erkannt ^; nicht als Strafe seien jene Brüchen 

* Rogge p. 4y clem Tiele obne weitered gefolgt sind. 

* DaM ich liier besonders IVlIda's gelehfte und grfiadliche 
Partteilung benutst habe» yeratebt sich von selbst. 

' a 12: Sed et levioribns delictis pro modo poena (die 
Lesart ,poenarum' lasst sich wohl vertheidigen, macht aber den 
Gedatiketi utrd den Ausdruck sehr schleppend); equorum pecorum- 
qne tiulnero convi^ti mulctattlur. 

^ Auch Woringen, der in seinen Beiträgen zur Geschichte 
des deutschen Strafrechts , noch vor Wilda , diesen Verhältnissen eine 
iteissige Untersuchung gewidmet hat, sagt so (p. 2r n. 11); er 
erkennt den Deutschen ein eigenes Strafrecht zu, aber dieCompo- 
sltiohett hfitteii nttsserhalb desselben gestanden; eine Meinung die 
an sich Vf«i Bedenkliches hat und ta der wir doch in keioer Weise 
geaotbigt sind. Eben TacititB widerspricht ihr» und ich «ehe nicht 
dass historische Zeugnisse oder Stellen der Gesetze dafür angeführt 



192 

zu betrachten , sondern nur als Entschädigung des Ver- 
letzten, oder vielmehr als ein Preiss der gezahlt wurde 
die drohende Rache desselben abzukaufen. Denn das 
sei das ursprüngliche gewesen dass jeder sich selbst 
Recht verschaffie, Rache übte mit der Macht die er 
hatte, mit der Hülfe die ihm die Freunde gewährten; 
wollte der Gegner diese dulden , so war er zu weiterem 
nicht verpQichtet; nur um sie abzuwenden ' verstand er 
sich dazu Busse zu zahlen. — Es ist in dieser Auf- 
fassung jedenfalls Wahres und Falsches vermengt. Dass 
die Rache noch Raum hatte unier den Deutschen , unter- 
liegt keinem Zweifel, vor allem wenn ein Mord gethan 
war. Wohl mögen wir zugeben, dass die Blutrache so 
alt sei wie das Menschengeschlecht und aus den früh- 
sten Zuständen übergegangen in die Zeiten da Gemeinde- 
verbindung und gesetzliche Ordnung herrschten ; bei allen 
Völkern finden wir sie , wie im Mittelalter so im Alter- 
thum; sie war nicht blos erlaubt, in gewissen Fällen 
geboten, geheiligt; so bei den Hellenen wie bei den 
Germanen. Es galt für schimpflich Blut mit Geld süh- 
nen zu lassen; und dies war die Strafe die das deutsche 
Recht bestimmte ^. Aber doch nicht immer war es der 
Fall, es konnte auch für edler gelten abzustehen von 
der Rache und sich mit dem Gegner friedlich zu ver- 
gleichen ^, wie es in der Regel wenigstens nützlicher, 

werden konnten; dass sie aber nicht aus dem Wesen der Sache 
gefolgert werden müssen hoffe ich dargethan zu haben. 

1 c. 21 : Luitur enim etiam homicidinm certo armentorum 
ac pecomm numero recipitqae satisfactionem universa domas. 

^ Wilda p. 176, freilich ein Beispiel aus Island ^ aus »pate- 
rcr Zelt.' 



198 

dem Wohl des Ganzen erspriesslicher war ^. Dana 
wurde die Busse gezahlt die das Gesetz bestimmte. 
Die Busse aber, darüber scheint mir kann kein Zwei- 
fel obwalten, war nicht blosser Schadensersatz, nicht 
der Preiss für den Frieden * , sondern sie war Sahne 
des Verbrechens. Wegen des Frevels gegen den ein- 
zelnen, gegen sein Leben oder sein Gut, erkannte die 
Gemeinde nicht auf den Tod; das Leben zu fordern, 
blieb dem Beleidigten überlassen, aus Rache, nicht aus 
Recht ^. Das Recht bestimmte nur Sühne, und zwar 
für die Beleidigung wie für den Schaden, ausserdem 
für die Friedensstörung die damit Statt gefunden hatte ^. 
Darum fiel sie nicht ausschliesslich dem Beschädigten, 
dem Verletzten zu , sondern ein Theil ward dem Könige 
oder dem Staate ^^ ich vermuthe dem der dem Staate 
Yorstand, dem Fürsten ^, gezahlt; was man später als 

^ Die Stelle p. 192 n. 1 fahrt fort: tttiliter io pnblicam qnia 
perictilosiores sont inimicitiae jaxta libertatem. 

' Nur die letzte Ansicht hat Woringen p. 65 ff. 70. 

> Yergl. Grimm, in der Zeitschrift f. g. R. W* I, p. 325. 

^ Eichhorn hält aach in der 5ten Aufl. der D. St. n. R. G. 
I, p. 395 n. f an der Meinung fest dass nicht alle Verbrechea 
einen Friedensbruch enthielten ; doch ist das eben nur eine Ansicht, 
streng aus den Quellen wohl weder das eine noch das andere zu 
erweisen. Aber sich auf die Unkunde des Tacitus als Ausländers 
zu berufen scheint mir eine schlechte Begründung, zumal da die 
allgemeine Auffassung der Sache doch entschieden für "Wilda's An- 
sicht sprechen wird. 

' c. 12: Pars mulctae regi Tel civitati, pars ipsi qui vindi* 
cator vel propinquis ejus exsolvitur. Bei den Franken wahrschein- 
lich ein Drittel) Wilda p. 467, Pardessus p. 652. 

* Doch macht Woringen p. 90 darauf aufmerksam , dass nach 
einigen friesischen Gesetzen das Friedensgeld an die Gemeinde selbst 
fiel (vergl. Richthofen, Worterbuchp. 761 )$ vielleicht auch anderswo 
war das der Fall. 

13 



194 

Friedensgeld von der eigentlicheo Bosse nnterschiedea 
hat, welches aber ursprünglich gewiss mit derselben 
tusamroenhing, in gewissem Sinne eins war ^. Dem 
Einen Verbrechen stand Eine Strafe gegenüber; nar die 
verschiedenen Beziehmigen in denen jenes verletzte, 
zugleich den einzelnen und das Recht der Gesaromtheit, 
konnten dahin fuhren auch das Strafgeld zu theilen, um 
beiden dadurch Genugthuung ' zu verschaffen. Nicht 
Wiliköhr und Vertrag bestimmte die Grösse der Busse ^, 

* Worifigeo's Ansicht von der Bedeutung des Friedensgeldes 
weicht ton der hier ausgesprochenen sehr ab. Nach ihni steht es 
atisaer aller Verbindung zur Coaposition» ist später ans blossen 
Grinden der Zweckmässigkeit, als .Conventionalstrafe* eingeführt 
(p. 123). Doch fuhrt er richtig aus dass es für den Bruch des 
Friedens als Sühne, nicht als Preis für die Wiedererlangung dessel- 
ben angesehen werden mnss (p. 108 (f.), wogegen. Wilda p. 439 
SU dieser Ansicht zarfickgekebrt ist. Meine Meinung ist dass nicht 
das Friedensgeld später als ein ganz Verschiedenes zu der Com- 
Position hinzugekommen 9 sondern mit dieser zugleich entstanden 
und erst später als etwas daTon zu unterscheidendes aufgefasst ist ; 
wogegen anfangs nur die Art des Verbrechens die Sondernng be- 
stimmte , anch wohl mitunter das Suhngeld blos als eigentliche com- 
positio oder als blosses frednm angesehen wurde. 

* ysatisfactio' schon In derp. 192 n. 1 angeführten Stelle des 
Taeitos ; ?ergl. Grimm R. A. p« 649. Häufiger ist später ,eompositio% 
nicht als sei es Beilegung der Fehde, sondern der Feindschaft und 
der Schuld die diese hervorgerufen; ,componere atque satisfacere* 
stehen zusammen von derSibne eines Diebstahls in form. Bignon.36. 
Gregorius Turon. de miraenlis S. Martini IV, c. 26 sagt: conpo- 
sitionem fisco debitam quam illi fredum vocant. Hier kann das 
Wort doch nicht Beilegung der Fehde bedeuten« 

* Davon findet sich in Deutschland durchaus keine Spur, 
und ich finde keinen Grund mit Wilda p. 368 dies für das ursprung- 
lichste zu halten ; Oberhaupt lässt doch auch er bei dem Zahlen des 
Wehrgeldes zo sehr die Idee des Vertrags vorherrschen, als sei 
erst nach und nach das Vertragsmässige zum Gesetzmässigen ge- 
worden. Das können doch Stellen wie Lex Frisiooua II, 2: inini- 



aMdem es bestand eine feste Regel, and aob genauste 
wurden die einzelnen Verhältnisse unterschieden und fixirt. 
Aueh konnte jederzeit der Verbrecher belangt wer- 
den die Busse zu leisten; es stand nicht bei ihm zu 
wählen eb er es thun oder die Rache tragen wollte. 
Das wäre ein wahres Fehderecht gewesen, wie man es 
nennt ^, wenn das von seinem Willen abgehangen, wenn 
er dann hätte Widerstand leisten dürfen so weit und 
80 lange er im Stande dazu war. Aber dabei konnte 
kein Recht, keine Staatsverbindung bestehen. Und so 
ist diese Ansicht auch wider alle Zeugnisse, weder die 
Geschichte noch die Gesetze wissen davon zu berichten. 

eltl«! propio^orum boninis occisi patiator» donec qnomodo poto«* 
Ht eorum ^micjtifini afiipiscatur, oder 11, 3: dpoec cum eis quoqoo 
modo potuerit in gratiam revertatur, II, 5: donec se cum eis recon- 
cUiet, nicht erweisen, da nicht von einem enillicbei) Ziihlen des ge- 
setzlichen Wehrgoldes sondern voa einem sonstigen Abkommen und 
Versöhnen die Rede -ist, wie ixrir dies in mehreren Formeln bezeich- 
net finden (Marculf II, 18. Lindenbr. 82'). Denn den Preis der 
in solchem Falle gezahlt wird darf man auf keinen Fall für das 
Wjehrgeld halten > das man durch gerichtliche Klage forderte and 
erlangte; davon ist in form. Marcplf. app. 23. 51, Bignon. 7. 8, 
Lindenbr. 124 die Rede, und man braucht nur die verschiedeoen 
Formeln neben einander zu halten ^ um die vollige Verschiedenheit 
einzusehen. Weniger deutlich ist form. Sirmond. 39, wo der Be- 
klagte vor dem Richter sich zu einer compositio verpflichtet wie sie 
dem Kläger gefällt, von dem Wehrgeld und von richterlichem Ur< 
theil ist aber nicht die Rede. 

* Eogge hat diese Ansicht aufgestellt und sie hat bis auf 
den heutigen Tag Anhänger genug gefunden , besonders hat Phil- 
MpP I, p. 124 sie apfs abentheuerlichst« ausgemalt. Doch sclioo 
Sichhprn § 76, der den Namen beibehält, stellt die Sache in Abreda« 
a^dhWpriqgan p. 38 ff., und &ie ist nun von Wilda p. )90 ff. aus- 
fghr^h widerlegt. Aach Barth IV, p. d02 hat sich mit unvericht- 
Ushen Qrmdea dagegen erklärt. 

- 13^ 



196 

Nor ein doppeltes war möglich. Einmal der Beleidigte 
lOg es Tor Rache zu üben, d. h. die Blatschuld mit 
Blut zu sähneu; da konnte es niemand dem Gegner 
wehren Widerstand zu leisten ^ ; die Gemeinde konnte 
nur suchen den Frieden herzustellen , beide zur gesetz- 
lichen Entscheidung zu bewegen; sie mnsste um das zu 
erreichen die Befugniss zur Rache beschranken; und in 
der That sehen wir, wie alle späteren Gesetze darauf 
ausgehen dies zu thun. Das andere war, der Beklagte 
weigerte sich vor Gericht zu erscheinen. Da wurde er 
allen Schutzes verlustig den die Gemeinde gewährte, 
er wurde friedlos nach altem Recht ^ , nun mochte er 
sehen wie er sich der Rache des Gegners entzöge ; wie 
man einst straflos jeden Friedlosen erschlagen konnte, 
so war dieser nun völlig der Rache Preiss gegeben ^ 

'' Grimm R. A. p. 648 n. Darum scheint es mir zn ?iel 
wenn Wilda p. 189 sagt: ,Wer beim "Widerstand f^egen die Rache 
eine Verletzung begeht, oder einen zweiten Todtschlag, fugt nur 
eine zweite Missethat zu der ersten'. 

* Lex Salica tit. 56. De eum qui ad mallum venire contem- 
nit; Cbildeberti regis capitula c. 6 (Pertzll, p. 7). Ganz verkehrt 
ist es wenn Rogge p. 22 n. 32 dies blos darauf bezieht, dass der 
Beklagte vor Gericht erscheinen und erklären mnsste ob er Busse 
leisten oder Fehde fuhren wollte. Es heisst nicht blos : SF quis 
ad mallum venire contempserit , sondern auch: aut quod ei a rachl* 
neburgiis fuerit jiidicatnm adimplere distulerit etc. Die Strafe die 
nach manchen Vorgangen verhängt wird , ist folgende: rex ad quem 
mannitus est extra sermonem suum ponat eum. Tunc ipse culpa- 
bilis et omnes res suas erunt. Et quicunque eum aut paverit aut 
bospitalem dederit» etiam si uxor sua proxima — 600 dinarios — 
cnipabilisjudicetur; d. i. was in der oben (p. I879. 1) angeführten 
Stelle hiess : wargus sit. Vergl. im allgemeinen Pardessus p. 612. 656. 

* Die Stellen die Rogge p. 23 n. 33 anfuhrt , um zu bewei- 
sen dass der Beklagte wählen konnte ob er die Genugthuong leisten 
oder die Fehde auf sich nehmen wollte , beziehen sich hierauf. Lex 



197 

und mochte sich selber zurechnen was ihm geschah. 
In beiden Fällen aber war die Rache anerkannt von dem 
Recht, aufgenommen in dasselbe, und daher nicht in 
Widerspruch mit den Verhältnissen die wir als die in 
der Gemeinde geltenden bezeichnet haben. 

Auch die rechtlichen Zustände der Deutschen zeu- 
gen nicht von roher Willkühr, stuch sie bestätigen was 
die Betrachtung der politischen Verhältnisse lehrte, dass 
die Freiheit des einzelnen nicht ausserhalb der Gemeinde 
stand, sondern erst durch diese wie Anerkennung so rechte 
Bedeutung erhielt. Wenn man dies festhalten muss 
eiopr Ansicht gegenüber , die die unbeschränkte persön« 
liehe Willkühr des einzelnen als das Wesen der deut- 
schen Freiheit , als das Prinzip der bestehenden Einrich- 
tungen hinstellen will, so muss man sich doch auf der 
andern Seite ebenso sehr verwahren gegen eine Auf- 
fassung, die alle Privatverhältnisse völlig aufgehen lässt 
in den Beziehungen zur Gemeinde, die nicht zufrieden 
das politische Recht jedes einzelnen hieraus abzuleiten, 
auch das ganze private und häusliche Leben hieran 
gebunden findet. 

Saxon. II y 5: compositionem persokat Tel faidam portet) Lege« 
Edwardi c. 12: Emendacionem faciat parentibas aut gnerram pacia> 
tar, nnde Angli -proverbium habebant: Biege spere of side oiSer 
bere^.qnod est dicere: lanceam eme de latere aut fer eam ( Grimm, 
in der Zeitschrift I, p.326). In der Lex Frisionnm tit. 2 (s. p. 194 
n. 3 ) wird ein Fall vorausgesetzt wo -kein Wehrgeld gezahlt werden 
sollte, wo man aber die Rache nicht ausschliessen konnte. ,faida' ist 
nicht Fehde, bei der wir uns immer zwei Partbeien thätig denken, 
sondern Feindschaft (Lex Rotharis c. 74: faida quod est inimicicia), 
Rache; ,faldosus* derjenige zunächst der dieser Rache ausgesetzt 
ist, dann jeder der beleidigt, verletzt und noch nicht gesühnt hat, 
nicht anagesohnt ist. S. Wilda p. 193. 



196 

Manche Verbältoisfte die wir dem Privatreofat tn^ 
rechnen mässen hatten mich eine Bedeutung über die 
Grenzen des Hauses, der Familie' htnatts, und wtirdeii 
dieshalb öffentlich, vor der Gemeinde veHzogen. Aber 
der besondere Grund warom es geschah wird sich jedes« 
mal nachweisen lassen. 

.Wir wissen dass der Junglmg in der Gemeinde"* 
Versammlung wehrhaft gemacht, för mündig etlLlärt 
wurde ^ ; es ist dicht zweifelhaft dass euch die Erthei-^ 
luttg voller Freibeit^ecbte, wenn sie in früher Zeit 
schon Statt fand , nur hier erfolgen konnte ^ ; deM wer 
ein politisdies Recht in der Gemeinde erwei4)eB t^er 
giur in die Versammlung eintreten wellte, nttsste hier 
anerkannt., aufgenomraeii sein. Auch vreim jemand -Mk 
eineffsu nahm, miisste vielleicht derVeitrfi^ öffentlich 
vor dem Richter und dem Volke gesdileesen tmi treslt« 
tigt werden; hier in dem Mallmki wurden sie vennüfaü, 
d. h. v^lobt ^, so galt der Bund für rechtskräftig und 

' S. oben p. 39. 55. 

* S. Grimm R.A. p. 332. 335, Eichhorn S 51 ; vergl. jedoch 
oben p. 179. Am deutlichsten ist das angfelsächsische Recht. Le|f. 
Willelmi III, 15: Si qui vero velit servam snum liberum facere, 
tradat «am Ticecomiti pe^ mannm dextram in pteno iH>mfCata, 
qnietam itlam clumare debet n j«igo ^erritatis «ne per mamunis^* 
nem et ostendat ei liberas rias et portns et tradlit illi libera a^lll^ 
scilket lanoeam et gladinn; deinde lilfer homo efßcitcrr. Hier kt 
offenbar von voller Freiheit die tteÖe. Vergl. Leg. Henrici LXXViff, I. 
*^ Von den Langobarden sagt Panlus Diac. 1 , 13: Langobardi -*- 
ot bellatorum possint ampltare immeftam , plnres a aerrili jngo erep- 
tos ad libertatis ataton perducimt; utqne rata eorom haben povset 
libertas , saneiunt more selito per sagittam, immarmuriaRtes 
bihiloffiinas ob rei flrmitatem quaedam patria verba. 

' Ich habe geglaubt diese Ansiclit Grimmas p. 433, Erch- 
horn'a S &4 nicht reriaasen ca dirfeo. l>och sagt Tacitm c. 10 



It» 

begrändete Rechte und Pfltebteo wie sie aus solcher 
Vwbindung iiidit aUeia für die Ehegeoossen, auch für 
die AogehörigeD erwuchsen. Auch die Uebertragung 
des Gutes das als Kaufjpreis gegeben wurde fand hier 
Statt, wenigstens später da ^ ganz oder theilweise der 
Frau zur Mitgift hestimittt war und dann nicht selten 
in Grundeigenthum bestand ^. Da aber das politische 
Recht sich m den Grundbesitz knüpfte, so waren auch 
die Veränderungen die daniC Yorgenommen wurden iiir 



nor: intersunt parentes et propinqui, and so liewst «s in i\t. 70 
dtfLex^^lica ewendaU: Si qiii« ßliav aiioMm ad conjugimn qaae- 
sierit praesentibns suis et puellae parentibus. Poch fehlt der Titel 
in den alteren Texten. Nur bei der Verheirathnng einer Wittwe 
wird ausdrücklich eine öffentliche Handlung erwähnt; tit. 44, 1: 
Sic«! adsoUt bomo noriens et viduam «dimiaerit qui ean Toloerit 
accipere, antequam sibi copulet ante thungintim aut centenario, ho« 
est ut thanginus aut centenarius mallo indicant etc. — Vergl. Fre- 
degarii hist. epitom. c. 18: Die Gesandten Chlodowechs die am die 
Chrotechitdis werben, afferentes soHdum et denariiHn, «t mos er«t 
Francorum, eam partibns Chlodovei sponsant, placitum ad praesens 
petentes^ nt ipsam ad coi\jugium traderet Chlodoveo. N«lla staute 
mora Inito placito Cabillono, nuptiae praeparantor ; eine Stelle auf 
die Pardessus p. 668 aufmerksam gemacht hat. Auch die Aus- 
drucke der form. Bignon. 5 , Dum et ego te per solidum et denarium 
secandum legem Salicam tIsus fui sponsare', Lindenbr. 75 >ego te 
solido et denario secundum legem Salicam sponsare deberem', kön- 
nea sieb vielleicht hierauf beziehen. Doch scheint die Oe^ntlichkeit 
der Verlobung zu einer blossen Form geworden^ und :ivenigstena 
in einzelnen Fällen eine öffentliche ^eirath an die Stelle getreten 
zu sein. 

1 Vergl. Baseler, Erbyertrage i, p. 208 ff. Taoitns in der 
eben p. 15 o. 1 angeführten Stelle spricht nw "von beweglichen 
Sachen , nad erwähnt aueh nicht daas der Vater oder wer «onst das 
Mnsdlum über die Frau hatte einen TbeH als Kaufpreis eriMt. 
Data dieser aber altgermanisch und allen Stämmen gemein war läatt 
sich nicht iNeaweifeto ; s, Kravt, Vormundadiaft p. 171. 



900 

die Gemeinde von Wichtigkeit; am wenigsten wenn 
Erbfolge es vom Vater auf den Sohn • oder an den 
nächsten Verwandten brachte ; da bedurfte es wenigstens 
keiner weiteren Form zor Beglaubigung. Anders wenn 
der Eigenthümer es einwi Fremden übertrug. Die 
Rechte der Familie konnten hier in Betracht kommen, 
und Gesetz oder Sitte sorgte dass sie nicht verletzt wür- 
den ^ ; aber auch die Gemeinde war betheiligt, und 
darum war es Regel dass nur in ihrer Versammlung die 
feierliche Uebertragung , Auflassung wie man später 
sagte, Statt hatte ^. 

Weiter zu gehen, meine ich, sind wir aber nicht 
berechtigt, wir haben keinen Grund der Gemeinde einen 
grösseren Einfluss auf die Verhältnisse der einzelnen 
zuzuschreiben , weitere Verpflichtungen , eine engere 
Verbindung der Mitglieder anzunehmen ^. Die Familie 
war aufgenommen in die Gemeinde, den Staat, ein Theil 
ihres Wesens war darin aufgegangen ^; aber sie hatte 

^ Das giebt auch Beseler zu, wenn er p. 51 ff. bestreitet 
dass den Erben ein absolutes Recht zugestanden habe Yeräussernn- 
gen durch ihre Nichteinwillignng zu hindern. Eichhornes Meinung 
S 57, dass die Erben bei der Uebertragung in öffentlicher Ver- 
sammlung ihren "Widerspruch erheben mussten oder ihr Recht Terlo- 
ren, scheint mir nicht aus den Quellen begründet werden zu können. 

* Aus den spateren Zustanden Schlüsse für die älteste Zeit 
zu machen ist an sich sehr misslich. Ich finde was Beseler p. 38 ff. 
gegen die gewöhnliche Ansicht anführt nicht ausreichend, und schon 
durch die Bemerkung Bluntschli's p. 89, dass zu Gunsten derKir- 
chen später eine Ausnahme gemacht sei , widerlegt. 

^ Darin stimme ich Beseler p. 38 ganz bei. Am wenigsten 
ist die Ansicht, z. B. von Zöpfl D. St. u. R« G. I, p. 43, der 
Gemeinde habe ein Gesammteigenthum an allem Grund und Boden 
zugestanden und den einzelnen Familien sei nur ein rechtlich aner« 
kannter Besitz eingeräumt, zu billigen. * $• oben p. 45, 



201 

ihre eigenthümliche Bedeutung nicht verloren, sie war 
keineswegs ganz untergegangen in der grösseren, allge- 
meineren Vereinigung; auch in dem Staate, unter dem 
mächtigen Dach das sich über alle wölbte, stehen die 
einzelnen Familien da, als natärliche Verbindungen mit 
besonderen Rechten , von eigenthümlicher Kraft und 
Geltung. Noch heutzutage und zu. allen Zeiten, bei 
allen Völkern ist es der Fall; wie viel mehr lässt es 
sich erwarten zu einer Zeit die den ursprunglichen Ver- 
haltnissen, den Anfangen weiterer Entwickelungen , so 
viel näher stand l. Es kommt darauf an dies genauer 
als es bisher geschehen konnte ins Auge zu fassen; wir 
werden so Gelegenheit haben die Grenzen beider, der 
Familie und der Gemeinde, näher zu bestimmen. 

Unter allen Rechten die aus dem Zusammenhang 
der Familie erwachsen das natürlichste und daher auch 
das allgemeinste ist das Recht zu erben; keinem Volke 
ist es fremd, stärker aber, durchgreifender zeigt es 
sich, je weniger künstliche Verhältnisse die natürlichen 
Zustände zersetzt und aufgelöst haben. Die Deutschen 
kannten keinen Ersatz des natürlichen Rechts in ältester 

' Einen interessanten Beitrag zu der Erörterung der Ver- 
hältnisse die ich im folgenden zu behandeln habe giebt Paulssen, 
de «ntiqni populorum juris hereditarii nexu cum eornm statu rivili ; 
die Sectio 1. Havniae 1822. 8. beschäftigt sich mit dem deutschen 
und skandinavischen Recht. Doch geht der Verfasser zu sehr von 
dem Gedanken aus , die Staatsverbindnng sei zu roh , mangelhaft 
gewesen, und deshalb habe man der Familie besondere Rechte ein- 
räumen, ihre Macht erhöhen müssen (s. p. 37); da doch offenbar 
diese Verhältnisse nicht künstlich und planvoll gemacht sind, son- 
dern die Bedeutung und das strenge Recht der Familie das ursprüng- 
liche war, das nur nach and nach zurücktrat vor dem sich aus- 
dehnenden Begriff der Staatsgewalt. 



Zeit; Dar MoCsyenrandsciMft war die Gnindl«^ des- 
selben ^. Söhne, Brüder, Vaterbrüder werden als die 
naehsten Erben genannt '; die Brudersofane dürfen wck/t 
ansgelassen werden, sie gingen nach der Parentetenfotge 
Aem Ohehn ?or. -*^ Bei allen deatschen Völkeni ist 
später em Vorzug des Mannsstaroms vor dem weiblichen 
nachzuweisen. Söhne schlössen häufig Töchter aus, 
Grundbesitz kam nur an den Sohn '• Ich glaube das« 
das letztere altes Recht war, und dass die Bedentong 
die der Grundbesitz in der Gemeinde hatte dies hin*- 
KngKch erklärt^; es warnotbwendig dass es ein Mann 
war der den Hof yertrat in der Volksversanunlang wie 
im Heer, auf dem die Reckte die zugleich jPiRhten 
waren beruhten. 

^ e. ftO: {Ier«dM Utmtn fUMMsoresfce svt cni^ae Hlieri ti 
nuHnn tefttameBlum. «Auf jeden Fall liefert die Geschiclite des 
deotficfaen Rechts einen Tollstandigen Commentar zu diesem berubm- 
teti Aussprach', Beseler, firbvertrag^e I, p. 9. 

* 8i liberi non mint, proxini fi^radas in yo rocoflao ne fratres, 
patmi, avimcoK. Das beeonders zu dieser Stelle häufig aageluhrte 
Buch von Maier y Germaniens Urverfassung 1798, habe ich nicht 
vergleichen können, obschon der Inhalt des Bnchs gemde der Auf- 
gabe die ich mir hier gestellt habe, ganz anzugehören scheint. 
¥tiigl. ibesnnders Blnntschli p. IIS. 

* EichbomS65, Paolasen p. 4S, Grimoi R. «A. p. 407.472, 
Pblilipi D. G. I, p. 606 if. Anders Zopfl § 14, der Gewicht danw 
nnf legt daas auch der afonculns bei Tacitns genannt wird, jedodi 
ecst -atuAk dem patrons. 

* Es ist streng genommen nicht 'die Yerbindliehkeit am 
Kriegsdienst, wogegen Efchborn S 19 n. c sich erkfört, aondeni 
ilas ganze mit dem Grundbesitz nusammenhangende politische Hecht, 
worauf es ankam. Die Ansichten von Phillips D. G. i, p. 69. 164. 
172 mochten doch schwerlioh vor einer nöchternen Kritik bestehen. 
Auch Panhisen p. 41 erklärt es blos afts «ier Unfähigkeit Bintraebe 
ZQ üben. 



MS 

Wtsder das Weib noch Rinder, die nicht iMirhaft, 
trar^D dat« im Stande; sie bedurften eines Schntces in 
der Gemeinde ) der sie in derVersaromhing, im Gericht 
vertrat, ihre Rechte schötKte, ihr Eigen bewabrte K 
Zmi&chst lag es dem Vafter ob für die Kinder, dem 
Matm fw seine Fran; waren die aber nicht mehr am 
Leben, so fiel die Vormundschaft dem näohsten mSrnn-» 
Kchen Venmtidteii r<m Mannesseite zu, dem nächstm 
Schwettmagen nach dem Sprachgebraocih des spateren 
Rechtes K 

£s war weiter die Pfltdit der Familie den encMa** 
genen Verwandten zu rächen , sei es dass Blut mit Blut 
gesühnt oder Klage angestellt und das gesetzliche Wehr- 
geld gefordert wurde ^ ; auch hier lag es dem zuerst 
ob der 'durch das Blut dem Todten am nächsten Ter- 
bunden war^; nur wo dieser die Pflicht versSuttrte oder 
gehindert war sie zu erfüllen, konnte ein entteruterer 
sich bemfen fühlen an seine SteUe m treten und m 
thcm 'Was POi^t der ganzen FamiKe wanr. 

1 S. Krauts ai« YoitiiiifMifldiBrt p. S1. ]>oeii tat der'Ckand 
Ml» V<A-ttl»ii^eliaft nicht ^\e «r «wfnt dfe Utrfibijfk^k dh Wüffte 
Ml trm^fsn md WMb ttä iPühneD^ sonder» di« Ünmoglichkfeit vor 
der iR^hrhaftttMMliuitg ^er M€nd%k«it in dor ¥olk«vcir0«iiiiiilmf 
Sil oraeh^nen ; «ml diMer Gnmd gHt «adi You «ncfii «fdevii Per^ 
goivsii die dor Vor«i«nd««lHift «itftorworfeii siad^ PneififolaiseDeft^ 
Oeisteikrtfaken u. a. * Krauft p. im. 

> Vot^. Rogg« p. Id, IVilda ^. 172. Auäh dte Vc^fMcfi- 
l^ng des 6eiBordotOB warde wohl uls «lae Vormuiidsehaft «iig<eseli^a> 
EniQt p.^l. 

- ^ Krtiat p. led: ,DeiHiiiiadh koimeii wir den Suts attMeUoo-s 
Dars^lhe Vorwandta , woltther, wena JoiMnd «rvbblligen ist, als Vor- 
fliiMfd des Todtschlags für ihn aufsatrotaa htirt) Ist aiMh» w«nii ^ 
bai veiaea iMihzeHaa ^aiaea Torttunds bedarf, sein Yediter Y^rarand'. 
Dacli im <dtfa leutefie «fehl ^d^ des ^mtoft. 



904 

Es ist nicht ganx deutlich in wie weit dies mit dem 
Erbrecht in onmittelbarer Verbindung stand; man hat wohl 
gedacht, dem Recht aufs Erbe müsse auch eine oft 
schwere Pflicht gegenüberstehen , oder für die Erfuilung 
dieser werde der Verwandte durch das Gut das er erben 
konnte entschädigt; aber nicht das scheint die Ansicht der 
Deutschen, nicht das eine Folge des andern gewesen tu 
sein^; sondern alles ging aus derselben Wurzel, dem- 
selben Prinzip hervor 2, und nur insofern hing es zu- 
sammen als das natürliche Band der Familie sich in 
den verschiedenen Verhältnissen gleichmässig wirksam 
zeigte ^. 

t Gegen diese Ansicht Eichhorn's § 19 n. a. s auch Bese- 
1er p. 49. 

* Vergl. Phillips I, p. 199, obschon ich mit der Auffassung 
desselben doch keineswegs einverstanden bin. 

' c. 21: Suscipere tarn inimicitias seu patris seu propinqui 
quam amicitias necesse est. Es folgen die Worte: nee implacabiles 
durant. Lnitur enim etc. ( oben p. 1 92 n. 1 ) ; alles im engsten 
Zusammenhang mit den yorhergehenden Worten des c. 20: Qaanto 
plus propInquorum , qno major affinium numerus, tanto gratiosior 
senectus, nee nlla orbitatis pretia. Man sollte aus der zweiten 
Hälfte des c 20 (von ,Sororum filiis^ an) -und dem Anfang-des 
c. 21 (bis Juxtalibertatem'), die durchaus zusammengehören, ein 
iMgenes Kapitel machen. Denn oft stört solche äussere Eintbeilung 
die richtige Auffassung mehr als billig. — Auch die Lex Angliorura 
et Werinorum tit. 6 c* 5 scheint mir eben nicht mehr zu sagen: 
Ad qaemcunqne hereditas terrae pervenerit, ad illum vestis bellica, 
id est iorica, et ultio proximi et solutio leudis debet pertinere; 
vergl. Beseler p. 51 n. 8. Dagegen sagt K. Liudprand H, 7: Die 
zum Erben eingesetzte Tochter solle das Wehrgeld nichir empfsn* 
gen, weil sie nicht Blutrache üben konnte; freilich selbst eine Ab- 
weichung von dem behaupteten Prinzip, deren ausdrückliche Fest- 
setzung aber eine entgegenstehende B^gel vorauszusetzen scheint. 
Ein solches regelmässiges Zusammentreffen bezweifle ich aber auch 
nicht , nur dass der Rechtsgrund zu dem einen in dem andern sa 



90» 

«Ehe wir weitergehen , müssen wir noch einer Be- 
sonderheit in der Auffassung der Verwandschafl; bei den 
alten Deutschen gedenken. Der Mutterbruder hatte 
gegen den Neffen väterliche Rechte und Pflichten. Die- 
ser, genoss, sagt Tacitus ^, bei ihm dieselbe Ehre wie 
beim Vater. Ja einige hielten dies Band für noch fester 
und heiliger als das zwischen Vater und Sohn , und bei 
der Wahl der Geisel wurde hierauf besondere Rücksicht 
genommen, als werde damit der einzelne noch stärker, 
die Familie in noch weiterem Umfang verpflichtet. Auf- 
fallend erscheint' hier zumeist dass cognatischcr Verwand- 
schaft diese Bedeutung zugeschrieben wird, da sonst 
überall nur der Mannsstamm und die auf ihm beruhende 
Verwandschaft als Rechte - und Pflichten - verleihend 
angesehen wird. Verschiedene Erklärungen sind ver- 
sucht ^ ; ich erwähne einer die darauf ausgeht der 

suchen ist; wäre das der Fall, konnte eine solche Aosnahme gw 
nicht Statt finden. 

> c. 21 : Sororum filiis idem apnd a?uncalnm qui ad patrem 
honor. Quidam sanctioreni arctioremqne hunc nexum san^nlnis 
arbitrantnr et in accipiendis obsidibns magis exigunt^ tanqnam et 
animam firmias et domnm latins teneant. 

* Wilda*s Erklärung p. 212: ,anch unter der Mundschaft 
des fernen Blntsfrenndes fand der Mundling nicht unwirksameren 
Schatz als bei seinen nächsten Angehörigen, ja die Pflicht dea 
Mnndwaldes wird nach vieler Ansicht um so heiliger gehalten wenn 
die Bande des Blutes weniger enge waren', ist viel zu allgemein 
und nimmt keine Rücksicht auf den besondern Umstand dass nur 
die Schwestersohne begünstigt waren ; ja der letzte Satz , dass bei 
entfernterer Verwandschaft , wo ,der Schutz nicht auf Eltern- und 
Geschwisterliebe beruhte, sondern Sache der Ehre war', derselbe 
stärker gewesen sei, ist ganz gegen die Prinzipien des deutschen 
Rechts. Auch Paulssen p. 51 bezieht die Stelle auf die Rechte 
der Vormundschaft. 



S06 

Verwftodscbaft iiberhaupt ooch eine vetteie Bedeutung 
so geben, Wef in Vormondschait steht, wird gesagt '^^ 
konnte in den Fall kommen eines Sohutses auch gegen 
den Vormund zu bedürfen; er war nicht recbtloa*ihni 
gegenüber, aber nicht er selbst konnte sein Re<At ver« 
treten, und deshalb waren daau andere, und zwar in 
der Regel auch Verwandte verpHichtet; gegen den Ehe-* 
mann als Vormund der Frau die Angehörigen d^sel«» 
ben ^ , gegen den Vater als Vormund des Sohns die 
nächsten Verwandten der Mutter ^ ; dies war ja der 
Mutterbruder; und so sei die Nachricht des Tacitui 
erklärt und auf einen allgemeinen Grundsatz zurück* 
geführt Es gehört nicht zu meiner Aufgabe diese An-* 
sieht im ganzen zu beurtheilen; ich mache nur darauf 
aufmerksam, dass bei der eigentlichen Vormundschaft, 
wo der Agnat berufen wurde die Stelle des Vaters ^u 
vertreten , von einer solchen Bestimmung nicht die Rede 
ist, da doch hier ungleich mehr darauf angekommea 
wäre die Rechte des Mündels zu sichern als dem Vater 
gegenüber die des Kindes. — Aber dass die mütterliche 
Verwandschaft nicht ohne Bedeutung war, geht aller- 
dings schon aus dieser Nachricht hervor; auch sind wir 

1 Kraut p. 38 ff. 

* Kraut p. 40 ff. der eioeSpur davon selbst in denWortea 
des Tacitus findet c. 19: nudatam coram propinquis expellU 
domo maritus. 

» Gegen den Herrn als Vormund ^der Freigelassenen der 
König, Kraut p. 48, und daher soll es kommen da«s in denStaa* 
ten mit Konigsberrschaft die Freigelassenen melir galten; ic* 95; 
Labert! non multum supra scrvos sunt, raro aliquod mom^ntnm io 
domo, nunquam in civitate, ezceptis duntAxat iis gentibus ^ae 
regnantur. Doch die gezwungenste Erklärung die floh denken )äs4l^i 



$m sfMKerer Zeit nicht ganz ohne bestat^nde Zeug* 
msse ; der Sohn wird de« Bruder der Fraa empfohlen ^ ; 
er werde rächen, bdsst es, was an ihnen gefreyelt 
worden sei. Möglich dass auf diese Ansicht auch das 
einwirkte , dass die Schwester wenn sie in dem Mundium 
des Bruders stand der Tochter gleich galt; wo dann 
ihre Söhne dem Oheim gegenüber als Enkel erschienen. 
Enkel und Neffe werden im deutschen Mittelalter mit 
demselben Worte bezeichnet ^. Wie weit auch jene 
rechtlichen Beziehungen der Verwandschaft sieb an die-« 
ses Verhältniss anschlössen, ist nicht deutlich; dass der 
mütterliche Oheim zu den nächsten Erben gerechnet 
wird , lässt sich hierhin zählen ^ ; aus späterer Zeit wird 

' Von Etzei, in den Nibelungen, ed. Lachniann 1861 ff.s 
Do der kunic riche »inen sun ersacb, 

ZOO einen konemägen er guetlicben spracb: 

yNa sehet, vrionde mine, daz ist min einic sun 

unde oach ivrere swesteri daz mag in allen wesen fmn* 

Gevaht er nach dem könne , er wirt ein knene man, 
rieh und vil edele, atar.c unde wol getan, 

lebe ich debeine wile, ich gib im zweif lant: , 

80 mag iu wol gedienen des jnngen Ortliebes hant. 

Dar umbe bite ich gerne iuch lieben vriunt min, 

swenn ir ze lande ritet wider an den Rin , 

s6 snlt ir mit iu foeren Iwer swester suon, 

unde solt ooch an dem kinde tu gensediciichen toon. 
Und ziehet in ze eren, nnz er werde man. 

hat in in den landen iemen iht getan, 

daz hilpet er iu rechen gewahset im sin lip..^ 

Schoo Oreilli p. 21 hat auf diese Steile aufmerksam gemacht. 

* ,nepos'. Nach Leo, über Beowulf p. 12, bezieht sich 
da« angelsächsische ,nefa' nrspronglich nor auf die Yerwandschaft 
«wischen Motterbmder und Schwestersohn. Deutsche Glossen zei- 
gen jedoch für ,nero^ nur den Gebrauch des lateinischen ,nepos^; 
Oraff, Sprachschatz It , p. 1052. 

* S. oben p. 202 n. 2. Dazo Paulasea p. 49 ff. 



906 

man aDfahren dürfen, dass nach salischem Recht aach 
die VerwandteD der Mutter zum Hallen (ur das Wehr- 
geld herbeigezogen werden konnten ^. 

Denn weiter als wir bisher gesehen haben zeigte 
sich das Band der Verwandschaft wirksam. Dass die 
Familie den Verstorbenen erbte, den Unmündigen schützte, 
den Erschlagenen rächte , sind Verhältnisse die aus den 
natürlichsten Prinzipien hervorgehen, die in ihrer All- 
gemeinheit auch allen Völkern bekannt und eigen sind. 
Waren die Mitglieder der Familie, wie es scheint, ver- 
pflichtet unter einander Frieden zu halten , war es ihnen 
verwehrt vor Gericht gegen einander zu klagen, einen 
Zweikampf zu kämpfen, bestanden vielleicht — doch 
wissen die Quellen nichts davon — eigene Familien- 
gerichte ^, so ist auch darin etwas besonderes nicht zu 
finden. Aber dass auch die Familie ihre Mitglieder 
vertrat der Gemeinde wie den einzelnen gegenüber, sie 
vor Gericht vertheidigte , für sie haftete, das finden wir 
in der Weise wie die Deutschen es kannten bei keinem 
andern Volke. 

Man ist auch hier zu dem Begrifi" der Fehde zurück- 
gegangen und hat behauptet, nicht blos die einzelnen, 

^ Dies zeigt der merkwürdige Titel 58 de chrenechrnda, 
▼on dem ich unten noch sprechen moss. Nach Mutter und Bruder 
kommen hier die Schwester der Mutter und ihre Sohne. Freilich 
hat der Text I diese Bestimmung anders, statt der Mutter den 
Vater , statt der Mutterschwester und deren Kinder blos , super suos 
— Id est super tres de generatione matris et super tres de genera- 
tlone patris qui proximiores sunt', wogegen hier Text 11 nur die 
Taterlicben, Text III, IV nur die mütterlichen Verwandten nennea, 
die sie der Mutter und ihren Kindern nachstellen. 

* Vergl. Kraut p. 30, Unger p. 81. 



209 

die ganzen Familien hätten Fehde gegen|| einander gefiihrt; 
mit gesammter Macht seiner Verwandschaft habe wie 
der Verletzte sich rächen so der Thäter sich schützen 
dürfen; alle Angehörigen seien wie zur Theilnahme an 
der Rache , so zur gemeinsamen Vertheidigung verpflich- 
tet gewesen^; und daraus müsse man erklären, dass 
ihnen später andere Pflichten auferlegt wurden, die 
an die SteUe dieser ursprünglich ihnen obliegenden 
traten. 

Dass oft geschah was hier behauptet wird ist keine 
Frage; aber daraus folgt nicht dass es für Pflicht und 
für Recht galt ^. Wir sehen , wie ganze Geschlechter 
sich feindlich gegenüberstanden, wie Frevel zur Rache, 
geübte Rache zu neuen Freveln Anlass gab; die Ge- 
schichte Islands und auch anderer Gegenden zeigt wie 
weit dies führen , zu welcher Höhe die Leidenschaft und 
der Hass der Familien sich steigern konnte. Aber das 
ist kein Beleg dafür dass es Recht war was auf solche 
Weise geschah. Im Gegentheil es war wider das Recht. 
Denn so wie der Begriff eines solchen bestand — und 
wir haben gesehen dass er bestand — , war es unmög- 
lich , dass es Pflicht sein konnte das Unrecht zu schützen 
und an der Vertheidigung dessen der es geübt hatte 
Antheil zu nehmen; der Begriff der Ordnung und des 

' Rogge p. 6 , der sich aaf die p. 204 n. 3 angeführte Stelle 
des Tacitas beruft, Phillips I, p. 124. 

* Das Gesetz Aelfreds c. 42: ^sefter f>8ere ilcan wisan mon 
mot feohtan mid his geborene maege, gif hine mon on woh on« 
feohtaif (In derselben Welse kann jemand mit seinem angeborenen 
Magen fechten, wenn jemand unrechtmässig gegen ihn ficht)' setzt 
nicht voraus dass früher das Gegentheil Statt gefunden habe 9 es 
sucht nur den Missbrauch zu beschränken. 

14 



910 

Rechts 1IUIS8 hier stärker gewesen sein ab das Band 
der Familie ^. 

Aber dass diese an der rechtiicheD Vertheidigmig 
ihrer Hitglieder Tbeil nimmt, dass sie hilft den Frevei 
sühnen den diese begangen haben , ist nieht wider das 
Recht, es dient nur dasselbe aufrecht zu erhalten oder 
zur leichtem Anwendung su bringen ; und es liegt nichts 
vor das uns nötbigte oder auch nur berechtigte, diese 
Rechtshälfe aus einem Zustand des Unrechts und der 
Gewaltsamkeit abzuleiten. Was wir aber finden ist dieses. 

Die Eideshelfer, Conjuratoren , die es beschworen 
dass der Angeklagte Glauben verdiene, seine Aussage, 
sein Eid die eines redlichen Mannes seien, worden aus 
der Familie genommen ^ ; aber sie liehen ihm diesen 
Beistand, nicht weil sie auch zur thätigen Hülfe verpflich- 
tet gewesen wären ^, sondern einmal weil sie wii^eo 
mossten wer er sei und welcher Werth seiner Vertheidigung 

* Vergl. aech die Bemerkoogen Wilda's , Strafrecht p. 189 ff. 

* Die beweisenden Stellen giebt Krant p. 28 n. 3 an. 

* Nach Hogge p. 144 erschienen die Eideshelfer ursprung- 
lich nur um ta zeigen dass einer Pehdegenossen habe und im Stande 
Bei mit Gewalt an widerstehen. Weicher Uebergtng ron da bia sn 
der Auffassung dass sie nur da waren um die Ueberzeugung von 
der Wahrheit der Aassage des Beklagten zu beschworen! Da nun 
aber das Recht zur Fehde nach Rogge tioch in spätester ISpIt 
gedauert hat, und die Selbstrache sich wirklich noch lange erhielt, 
so ist es doch merkwürdig daat in den Gesetze« nirgead« eine Ver- 
bindung zwischen beiden angedeutet wird ; denn Lex Roiharia 
c. 367 wird man doch nicht mit Rogge p. 164 so erklären wollen. 
Folgendes spricht entschieden dagegen. In der Lex Salica tit. 60^ 
wo gelehrt wird wie jemand sich Ton der FarnUte lossi^n kann, 
heisst es: quod juraraeoto et de heredltatem et totam rationMi 
illorum tollati ?on der Fehde ist nicht die Rede, ebensowenig fS» 
wo der Fall besprochen wird wenn bod ein Verwandter stirbt (p. 215 d. S)- 



911 

lukomme ^, sodano weil ihfion daran gele^o war dasi 
seine Unschuld anerkannt werde , weil ihnen, die (ur 
seio Unrecht mitzuhaften hatt^, auch Gelegenheit und 
Mittel geboten werden mussten danntfaun, dass ein sol- 
chea nicht vorhanden, daas keine Verurtheilung oder 
Strafe zulässig sei. Nicht als eine Pflicht allein zum 
Schutz des einzelnen FamiitengUedes, sondern iris ein 
Recht der Familie Selbst muss es aogesehen werden ^, 
durch gesammten einigen Ausspruch die Anschuldigung 
zurückzuweisen, die wenn sie durchgeführt wurde allen 
zum Nachtbeil gereichte. Dass dabei kein Unrecht 
geschehe , hat man später besondere Bestimmungen 
getroffen ^. Auch ist in der Folge dieser Begriff wohl 
«uriickgebreten, und nur die Aussage einer bestimmten 
Anzahl unbescholtener Männer, die theiiweise von dem 
Kläger selbst ernannt wurden, ist es dann worauf es 
ankommt. In älterer Zeit aber war es anders, da stand 

' Es scheint mir das jedoch nnr ein untergeordnetes Moment 
zu sein , und auf Iceinen Fall kann man , mit Rosenvinge , diss. de 
Qsu juramenti , sectio 2 , p. 9 , in dem Institut der Consacramentalen 
nur eine Appellation an das Urtheil der Mitbürger über die Rein- 
heit des Lebens eines Angelilagten finden. 

* So wird es auch in der p. 210 n. 3 angeführten Stelle der 
Lex Salica neben dem Erbrecht aufgeführt. Und damit ist denn alles 
wuBderlid^ und unbegreifliche, das Rogge p. 141 findet, entfernt, 
ohne ebenso wnnderliehes nnd noch unbegreiflicheres an die Stelle 
»1 fetzen. 

' Namentlich dass der KISger selbst die Eideshelfer wenig- 
atoM sam Theil auswähke; worüber ausser Rogge p. ia9 ff., Ro- 
senvinge p. 168 ff., aueb Pardesstts p. 627 ff. gehandelt hat, doch 
ohne jene eu. kennen; eodann dass fiidesbeifer mir zugelassen wur- 
den, si probatio non est eerta; Pardesstts p. 62S. Dagegen fsl 
yfhl nkht z« bezweifeln» 4uß den wuHiUU^h falsch Schworenden 
eii9h iMich sUteft^m Recht Strafe traf. 

14* 



319 

diese Vertheidigung der Familie mit ihrer Pflicht für 
das Webrgeld zu hallen in nächstem Zasammenhang ^. 
Eine solche Verpflichtung aber war dem alten 
deutschen Rechte eigen ^ ; sei es weil die Familie selbst 
unter der Rache leiden konnte ^ und daher beitragen 
sollte dass auf gesetzlichem Wege der Verletzte befrie- 
digt werde, sei es weil eben der Begriff der Familie 
ein solches Haften für die Schuld des einzelnen zu 
fordern schien und eben um deswillen, nicht aus blos- 
sen Griinden der Zweckmässigkeit und Niitzlichkeit, ein 
solcher Grundsatz in die Rechtsansicht der Germanen 
aufgenommen wurde. Ich verhehle nicht dass mir die 
letztere Ansicht den Vonug zu verdienen scheint; denn 
nur sie macht es möglich, der Busse, dem Wehrgeld, an 
dessen Entrichtung die Verwandten Theil nehmen sollteo, 
den strafrechtlichen Character völlig zu sichern ^ ; da sie 

^ Dies hat Rogge p. 156 ff. auft beste dargethan , es wird 
aber eben auf diese Weise auch Tollkommen erklart. Der Eid der 
Conjuratoren war ein Mittel die Strafe , d. h. die Zahlung des Wehr- 
geldes , abzuwenden; je grosser dies war, je grösser masste auch 
die Zahl derer sein die es bestritten and aufhoben. Auch Im nor- 
dischen Recht bestand dies Verhältniss; Rosenvinge, Grnndrids af 
det danske Retshistorie § 176 n. 6, der in seiner Abhandlung de 
Qsa juramenti ausführlicher hierüber handelt 

* Ueber diese , Magenbargschaft ^ bei den Angelsachsen 
vergl. besonders R. Schmidt im Hermes XXXII, p. 247 ff., der 
aber fast alle Pflichten und Rechte der Familie, auch Vormund- 
schaft, Blutrache u. a. auf dies Prinzip zurückfahrt. 

* Mag man sich das nun wieder so denken dass in manchen 
Fallen die Rache des Verletzten nicht durch den Tod des einen 
gesättigt war, oder dass Rache und Gegenrache leicht za fort- 
gehenden Familienfeindschaften den Anlass gaben. 

* Wllda, der die entgegengesetzte Ansicht ausfuhrt and da- 
bei viel zu sehr, wi« mir scheint, darauf aas ist, das Haften 4.er 



313 

D«ch der andern Auffassang doch nur als Abfindung für 
drohende Rache und sonstige Nachtheile erscheinen. 
Dass die Strafe aber nicht der einzelne, sondern sein 
ganzes Geschlecht mit ihm tragen sollte, ist eben ein 
starkes Zeugniss von dem engen Zusammenhang in dem 
die einzelnen Glieder standen. Was einer frevelte das 
büssten sie alle. Dafür hatten sie das Recht die Sühne 
zu empfangen die (ur den erschlagenen Verwandten 
gezahlt werden musste ^. Beides steht wieder in unmittel- 
barem Zusammenhang mit einander. Und dies Recht am 
Wehrgeld Theil zu nehmen, also auch die Pflicht für 
dasselbe zu haften, erstreckten sich weiter als das Erb- 
recht; hier schloss wenigstens der nähere den ferneren 
aus, was dort, so lange denn Oberhaupt diese Haftung 
der Familie dauerte , der Fall nicht war ^. Da aber 
nur bei Todtschlag die Busse, d. i. eben das Wehr- 
geld, den Verwandten zukommen konnte, so hafteten 
sie auch nur in diesem Fall. War jemand sonst be- 
schädigt, verletzt, so gehörte ihm allein die Busse; 
hatte er den Schaden, die Verletzung zugefügt, so haf- 
tete er allein dafür. Man könnte sagen, es sei das dem 
Wesen der Sache entgegen , das Band der Familie habe 
sich in allen Fällen gleichmässig thätig erweisen müssen. 
Doch ist über die Sache kein Zweifel ^, und ich glaube 

Familie aU etwas spateres, darch äussere Zweckmassigkeit einge- 
führtes nachzuweisen , mnss daher anch gegen seine sonstige Ansicht 
sagen, p. 371: ,Das Wehrgeld, welches in solcher Absicht and 
anter solchen Verhältnissen gezahlt wurde, tragt gar nichts von 
der Natur der Strafe an sich^ 

1 Wilda p. 373, auch Paulssen p. 22, Feuerbach p. 38. 

* Vergl. Grimm R.A.p.663, auchWilda>.390n.,Beselerl,p.50. 

• Grimm R. A. p. 669, WUda p. 370. 



914 

die Gegenseitigkeit 4es VefhiltiMses erkÜtt es toH- 
komineD ^. Die Busse sollte auch dea Schaden ersels€D, 
der Schaden war aher dem eimelnen ragelogt; wo Aer 
die Theihahme am Gemiss ansgescblossen war, striniMe 
sich das Geßhl eine Gemeinsamkeit der Leistung anzu- 
nehmen und zur Pflicht zu machen ^. 

Auch auf andere Weise ist man spiter von der 
Strenge des alten Grmdsaties abgewichen '• War 
ursprünglich die Ansicht der Sache die gewesen, das« 
die Familie mit dem Thater sugleiek (w die AuAraa*- 
gung des Wehrgeldes haftete, die Schuld mit ihm trag 
und busste, und weigerte sie sich dessen auch mit ihm 
der Rache Preiss gegeben war, so unterschied man mm 
bei einigen Stammen^ awisdien dem was die Verwand- 
ten zu leisten hatten, der Geschlecbtsbusse , und dem 
eigentlichen Wehrgeld, (ur das nur-der Verbrecher und 

^ Bei Wilda'i Anticbt mfisste man sagen , weil in diesein 
Fall kdneKacbe znlitsig, sei auch kein Grand gewesen die Fimllfe 
eintreten tn lassen. 

< HieiTon bitte die Folge «ein müssen , dais in diesen Fallea 
ursprünglich keine Conjnratoren zolissig waren. DogIi gestehe ich 
dass davon wenigstens in den Volksrecbten keine Spar sich findet; 
nur bei civilen Recbtsetreitigkeiten scheinen sie blos aosnabmeweiae 
angewandt sh sein; nnd aneh hier ist Pardesens p. 6^1 anderer 
Meinung. Aber ich glanbe aach dass dies Institut in der Zeit der 
Yotksrechte seine urspranglicbe Bedeutung verloren hatte und lu 
einem blossen Beweismittel umgebildet worden war. 

* WUda hat p. 873 die Entwickefung dieser Lehre ^ani 
anders besthmnen wollen, allein ich kann mich von der RicbllgiKeit 
seiner Annahme nicht überzeugen. Mir scheint das Haften der 
Familie das ursprüngliche zu sein und dann bei verschiedenen Stäm- 
men eine Entwickeinng nach verschiedenen Seiten hin Statt geftm- 
den zu haben. 

« Bei den nordisehen Yetfcera, WÜda p. 880; bei den Angel- 
iachsen, p. 386. 



315 

die oädistea Aogehorigett iulteteo , währeod sich die obri'» 
geo durch die Zahlung jener lösen, von allem Anspruch 
befreien konnten. Anderswo scheint die Sache einen 
andern Gang genommen zu haben; die Pflicht der Familie 
ist nicht von der des Thaters getrennt, Geschlechtsbusse 
and Wehrgeld Verden nicht unterschieden ^ ; aber die 
Helfe die jene leistet ist eine subsidiäre geworden, nur 
in bestimmten Fällen, watest gewissen Yoraussetuingen, 
io eigenthümlicher Weise und Reihenfolge tritt sie ein *. 
Und mehr und mehr ward ihre Theilnaltme dann be- 
sdoränkt, bis sie zuletst vor den christlichen Vorstel- 
hingen Ton Recht und Gerechtigkeit ganz gewichen ist 
Jene alte Zeit da noch Begriff und Wesen der 
Familie stark und kräftig waren, liess es zu, dass der 
einzelne sich Ceiertieh jn der Versammlung von ihr los^ 
sa^, von den Pflichten wie von den Rechten ^. Später 

' Aus der Tbeilnng des Wehrgeldes anter die Sohne und 
Verwandte nach salfsckem Recht darf doch wohl nicht auf dietJn- 
tertcheidang einer F«oillieib«iee, für die nur jene, und einer 0e- 
schlechtsbusse, für die diese gehaftet hätten, geschlossen werden, 
wie Wiida p. 890 es zu thun scheint. Eine aMiche Theiinng fand 
sich auch uttd erhielt sich sehr lange bei ^m Friesen , wo bestinunte 
«itferntere Verwandte ein Drittel der ooMpositio, ,nientele' genannt, 
erhielten ; Rieh thofen, Worterb. p. SSI. Bei den Dithmarscfaern, wo 'ahn- 
lidies bestand, hiess es , bane* ; IllichelseD,dillinu Rechts^aellen p. 889. 

• Wilda p. 889. Hier konunt jener mertEwürdige Titd M 
der Lex Saliea ,De chreaecruda' in Betracht, wo im Grunde die 
Bestinuwingen , wie die Verwandten sur Haftung herbeigezo^^en 
werden , weniger Schwierigkeift machen als die Reihenfolge in der 
sie genannt sind <T«rgl. oben p. 208 n. l). 

* Das ist der tit. SO der Lex Saliea ,De eam qui se de 
pareotilla tollere vult': §1. In aallo ante thunginnm ambulare debet 
et ibi tres foatis «IninoB super capat snu» fraogere debet. EtiHos 
per qualtuor partes in malle jaclart debet, et ibi dicere debet, qood 
(se de) jnraneoto «t de IttnedkateB at totam laitioaem iUotam 



916 

hatte das keioen Sinn und keine Bedeutung mehr, und 
es verschwand aus dem Rechte der meisten Stamme. 

Die Familienbande wurden gelöst. Je grösser die 
Gemeinden wurden, je mehr das politische Bewusstsein 
der Zusammengehörigkeit in weiteren Kreisen sich geltend 
machte , desto mehr gingen die Mitglieder der einzelnen 
Familien aus einander, die Angehörigen trennten sich, 
und das Prinzip der Nachbarschaft verdrängte das der 
Verwandschaft; der Staat und seine Gliederungen traten 
ganz an die Stelle der natürlicheren Verbindungen. Da 
das völlig der Fall war und eine neue Staatsordnung 
zugleich mit neuen zum Theil von aussen her zuge- 
brachten Lebensansichten unter den Deutschen zu herr- 
schen begann , da war es wo man jene Familienverpflich- 
tungen völlig aufhob. Jedoch erst^dann. Vorher während 
einer langen Periode mannigfacher Entwickelung waren 
sie geblieben, nicht unverändert in der alten Schärfe 
und Consequenz, umgebildet wie wir sahen, aber doch 
ihrem wesentlichen Bestände nach dieselben. 

tollat. S 2. Et si postea aliquis de suis parentibns aut occidaiar aot 
moriatur, nulla ad eam nee hereditas nee conpositio perteneat, sed 
hereditatem ipsius fiscas adquirat. Das letzte druckt Text II anders 
ans: Si vero illi (iüe) aut moriatur aut hoccidatnr, compositio ad 
fisco perTeoiat ; noch deutlicher III : Si vero ille aut occidatur aut 
moriatur, conpositio aut hereditas suis parentibus non pertinet causa, 
«ed ad fisco pertineat aut cui fiscus dare voluerit; womit die Lex 
emendata übereinstimmt. Hieraus entlehnt ist die Stelle der Leges 
Henrici LXXXVIII, § 13, doch mit einigen Veränderungen: Si 
quis propter faidiam vel causam aliquam de parenteia se 
Tetit tollere et eam forisjnraverit et de societate et hereditate et 
tota illins se racione separet, si postea aliquis de parentibns suis 
abjnratis moriatur vel occidatur, ntchil ad eum de hereditate vel 
composicione pertineat; si antem ipse moriatur vel occidatur, here- 
ditas vel composicio filiis suis vel dominis juste proveniat. 



217 

Aber es fragt sich ob nicht andere Bestimmungen 
ergänzend, stellvertretend eintraten, ob nicht sogar früher 
schon ein anderes Band ebenso wirksam gewesen ist 
als das der Familie, das der Gemeinde nemlich; und 
hier gilt es, wie ich oben andeutete, die Grenzen zwi- 
schen dieser und der Familie genauer zu bestimmen. 
Gerade in Beziehung auf die Pflicht für begangene Schuld 
oder zu andern Zwecken für einander zu haften, hat 
man behauptet, dass die Genossen aller oder doch be- 
stimmter Gemeinden in demselben Verhaltniss wie die 
Familienglieder zu eipander gestanden hätten. Sie befan- 
den sich, wie man das nennt, in Gesammtbürgschaft» 
Diese sei unter den Deutschen der ältesten Zeit allge- 
mein verbreitet, allen Stämmen bekannt, ja man geht 
so weit zu sagen, sie sei das Prinzip, die Grundlage 
zu fast allen andern Rechtsverhältnissen gewesen. 

Sonderbar dass die Quellen davon gar nichts wis- 
sen; dass nicht Tacitus, nicht die Volksrechte die geringste 
Andeutung davon geben. Auch den Angelsachsen der 
älteren Zeit, auf deren Verhältnisse man sich beruft, 
ist diese Art der Bürgschaft durchaus unbekannt; erst 
in später, wahrscheinlich normannischer Zeit ist in Eng- 
land eine Einrichtung zu polizeilichen Zwecken getroffen, 
der man jenen Namen wohl mit Recht beilegen darf, 
die man aber nicht ohne die grösste V^illkühr für ur- 
gennanisch halten, auf den Boden des alten Deutschlands 
fibertragen kann ^. Von einer Pflicht der Gemeinde- 
genossen für das V^ehrgeld zu haften, wie sie unter 
den Verwandten herrschend war, ist in der That nir- 
gends die Rede; sie hat nie und bei keinem deutschen 

* Ich habe dies alles in der ersten Beilage auszufahren gesucht. 



^218 

Stamm besUoden; die staatliehen und verwaociscbaftlicbeD 
Beziehangefl berühren sich hier in keiner Weise. 

Dass aber die TheUnahine an der Gemeindeverbio» 
doag jedem wie Rechte gab so auch Pflichten aufer^ 
legte, wird man nicht in Abrede stellen, Pffichten nicht 
Uos gegen das Ganze sondern auch gegen die einzehien 
Genossen ^. Sie mochten sich wohl Hülfe in derNotb, 
Unterstützung zu diesem oder jenem UnteroeJimen lei-* 
sten ^ « auch Beistand zur Erlangung des Rechts ; oia« 
gemeinsame Verfolgung der üebelthäter kam Statt ge^ 
fattdeB, Vereinigungen zur Asfrechtbaltong von Skh&r* 
heit und Frieden werden jeden in Ansproch genommen 
bii>efi. Ohnedies ist ein genossenschaftliches, gemetade*» 
artiges Zasammenleben gar nicht denkbar , und wo ham 
aiisgebikiete obrigkeitliche , polizeiliche Gewalt sich findet, 
muss €l)en das freie Zusamraenwidken der einzelnen ihre 
Stelle ersetzen, oder wie wir richtiger sagen werden, 
jene polizeiltche Gewalt wird erst dann nöthig, wenn die 
Genossenschaft der Gemeinde als solche nicht mehr ans-^ 
reidit zur Erlangung der Zwecke auf die e$ ankommt, 
wenn auch hier die natürlichen Verhältnisse stumpf ge- 
worden, ihre eigentbumliche Kraft vedoren haben. 

Alle diese PflicMen der Nachbarsdiaft und der. 
Gemeindeverbindung sind vöilig verschieden von denen 
dk aus dem Wesen der Familie hervorgiagen. Die 

^ Es scheint mir aber ein Misebrauch zu «ein, wenn mao 
das auch Gesammtbürgschaft nennt CWilda, Strafrecht p. 186), 
«Is käme es darauf an das Wort nur auf irgend eine Weise zu 
retten. Schon zu viel Missbrauch ist mit dem Worte getriebet, 
das allerverschiedenartigste darunter verstanden, um nicht zu wün- 
schen, dass es ganz aus der deutschen Rechtsgeschichte verschwin- 
dfa wge. « Wüdft p. 141. 14S. 



919 ^ 

staatKciie Verbindung iM niemals an die SteHe der natvr^ 
lichen getreten; diese hat ihre politische Bedeutung an 
jene aufgegeben, ihre rechtlichen Wirkungen aber sind 
Stets gesondert, dem Prinzip und der Aeosserung nach 
verschieden geblieben. 

Eine andere Frage ist es, ob nicht innerhalb der 
Gemeinde Vereinigungen sich bildeten, die das Wesen 
und die Rechte der Familie auszudehnen oder zu ersetzen 
bestimmt waren. Beides ist nicht einerlei , und die l^rage 
nnss fär jedes besonders beantwortet werden. Eine 
Aosdehoung, Erweiterung des Begriffs der Familie finde 
ich in jenen Geschlechtern, in denen nicht blos die 
dmrdi wirkliche Verwands<^afl; terbundenen znsanunen- 
gefassl, vereinigt waren, sondern die zum TbeH aus 
Mitgliedern bestanden, deren verwafidsciiaftliefae Bezie* 
tnitig zu den andern nicht etwa bios in Vergessenheit 
geratben war sondern niemals Statt gefenden hatte, die 
zugewandert, förmlich recipirt, ja die möglicher Weise 
zuerst ohne alle R»cksidit auf gemeinsame Abstammtmg 
zusanmiengetreten , zusamniengefugt waren. So sind die 
€pescblei^ter in den Staaten des Altertfaoms gewesen, 
nidbt vor der Staatsverbindimg vortianden und blos m 
'iiese au%enommen, sondern bei der Begründung der 
Verfassung «ingelührt, regelmässig gebildet; so finden 
sie sidi in den Städten desMittelatters, so erklärt mm 
die Sladiten und Kluften der Ditbmarscber ; und was 
sich hier im späteren Mittelalter findet, das, meint man, 
aei nicht als neue Bildung anzusehen sondern nur »Is 
die Anwendung einer unvordenklich alten Ordnung, welche 
allen deutschen Völkern ursprünglich gemein war^. — 

^ Niebuhr, Römische Geschtcbtt I (ate Aofl.), p. 356, 



Von den Geschlechtern in dentsdien und italienischen 
Städten des Mittelalters werde ich hier nicht lu sprechen 
haben; sie müssen anf jeden Fall spater, und gewiss 
ohne alle RQcksicIit anf Verwandschaft , gebildet sein; 
ob das gleiche aber Ton den dithmarsischen Slachten 
gesagt werden darf, mochte doch manchem Zweifel 
unterliegen; Ttehnehr scheinen diese von dem Begriff 
der Familie ausgegangen lu sein und als wahre Erwei- 
terungen derselben, durch Aufnahme Fremder, Zuge- 
wanderter, aufgefasst werden lu mässen^. Dass aber 
bei andern deutschen Stammen in früherer Zeit sich 
kunstliche Bildungen der Art nachweisen lassen, muss 
ich in Abrede stellen; ob eine Ausdehnung des Begriffs 
und des Rechts der Familie auf andere als die wahren 
Blutsrerwandten , scheint mir wenigstens noch zweifel- 
haft; aber die Möglichkeit dass dies der Fall war will 
ich nicht bestreiten ^ , und dann mussten wir allerdings 
annehmen, dass auf diese auch alle Rechte und PQich- 
ten die aus dem Wesen der Familie erwuchsen iiber* 
gegangen waren. So finden wir es bei den Dithmarschem: 
die Geschlecbtsvettern hafteten für das Wehrgeld, sie 
nahmen Tbeil an der Mannbusse, sie leisteten und 
empfingen Hülfe und Beisteuer. Wir wissen dass auch 
den Gentilen im römischen Staate ähnliches oblag '. , 
Aber das ist auffallig dass die ältesten Volksrechte, die 
von den Rechten und Verpflichtungen der eigentlichen 

' Vergl. Dahlmann , zum Neoconia I , p. 595. 596 , Geschichte 
▼on DäDDemark IH , p. 272. Eine ausfohrlichere UntersnchoD^ über 
das Wesen derselben hat Michelsen a. a. O. p. VI versprochen. 

* Darauf geht Eichhorn aas in der Anmerkung zu § 18, 
aber sehr mit Unrecht nennt er auch das Gesammtburgschaft 

' Niebahr a« a. O. p. 352. 



221 

Familie sprechen, diesen Geschlechtsgenosseo , wenn wir 
denn solche in den Mitgliedern der Fareu, den Fara- 
mannen , erkennen dürfen ^ , nichts davon beilegen ^ ; 
da doch nach dem natürlichen Gang der Entwickelung, 
wie die Familie und ihr Recht vor der Geschlechts- 
verbindung da war und diese eben aus jener hervorging, 
wenigstens so lange das Recht der Familie bestand , auch 
das des Geschlechts hätte aufrecht erhalten werden 
müssen ^. 

' Der Ausdruck ,faramanDi' findet sich nur lo der Lex 
Bargondionum tit. 54 , c. 2: De exartis qnoqae novam nunc et 
soperfluam faramannorum competitionem et calumniam a possessoram 
gravamine et inquietudine hac lege praecipimos suhmoveri; vergl. 
Eichhorn a. a. O. p. 83. ,Fara' fär Geschlecht findet sich bei den 
Langobarden, Paulus Diac. II, 9: nisi ei quas ipse eligere Tolais- 
set Langobardorum faras, hoc est generationes Tel lineas,-tribueret. 
Factamque est et — qnas optaverat Langobardorum praecipuas 
prosapias — accepit; und so sagt denn auch jenes mehrfach ange- 
führte langobardische Wörterbuch, bei Haupt I, p. 552, im codex 
Vaticanüs: ,fara, genealogia, generatio' (oder ,genus'; ,gno* für 
ygns')' ^D <^cin Ton La CaTa: ,fara id est parentela'; und so dür- 
fen wir also allerdings sowohl in der Stelle der Lex Alamannorum 
tit. 84 ,Si qua contentio orta fuerit inter dnas genealogias de ter- 
mino terrae eorum', als auch in dem Titel der Lex Salica ,De enm 
qui se de parentilla tollere Tult' (s. oben p. 215 n. 3) den latei- 
nischen Worten das deutsche ,fara' substituiren. Aber in allen 
diesen Stellen liegt noch nicht der Beweis dass die farae etwaa 
anderes waren als durch wirkliche Verwaudschaft Verbundene, son- 
dern es folgt zunächst nur dass Tacitus mit allem Recht bemerkt 
dass auch die Verwandtschaft noch innerhalb der Gemeinde kraf- 
tig und wirksam war. Doch die Möglichkeit dass der Begriff sich 
schon weiter erstreckte, will ich nicht in Abrede stellen. 

* Man müsste denn wirklich^ wie die vorige Note die Mög- 
lichkeit zugiebt, unter der ,parentela' des salischen Gesetzes eine 
lolche erweiterte nicht mehr reine FamilieuTerbindung Terstehen; 
doch tragt Eichhorn p. 85 selbst Bedenken dies anzunehmen. 

* Eichhorn nimmt das Gegentheil an und meint dass das 
Recht Ton der bürgerlichen Verwandschaft , die er dann für identisch 



Es komnat noch eio anderes hinz«. In späterer 
Zeit entstehen wirklich Vereinigungen , welche die Aurgabo 
haben einzelne Mitglieder der Gemeinde innerhalb der- 
selben zu verbinden, zu verschiedenen Zwecken zu ver-* 
einigen; man nennt sie Gilden. Ihre Einrichtung und 
Ordnung ist so verschieden wie ihr Zweck, sie sind 
aber rein mechanischer Natur, ohne alle Verbindung 
mit der Familie auf der einen , der Gemeinde ^ auf der 
andern Seite; auch mit jenen Geschlechtern haben w 
nichts zu thun. Sie sjpd eben entstanden zu einer Zeit da 
der Familienzusammenhang sich mehr und mehr aufloste, 
auch seine privatrechtliche Bedeutung verlor, mit der 
Bestimmung, von andern Grundlagen aus das zu leisten 
was bisher der Familie allein überlassen gewesen war ^. 
Mögen ihre Anraoge auch weit zurückgehen, der Zeit, 
mit der wir uns hier beschäftigen sind sie natürlich 
fremd gewesen. Hätten aber damals und später jene 
Geschlechter neben der Familie oder über sie hinaus 
bestanden , so hätten sie nothwendig auf die Bildung der 
Gilden einen bestimmten Einfluss üben, oder richtiger sie 
hätten ihre Entstehung überflüssig machen müssen. Von 
dem ersteren finden wir keine Spur; dies aber scheint 

mit der Gesammtbiirgschaft hält, auf die natürliche beschränkt wor- 
den sei ; allein dann muss man jene für ganz unabhängig Ton dieser 
halten^ wie Niebubr es thut, und auch wohl Eichhorn es will, was 
aber bei den alten Deutschen ganz unzulässig erscheint. Geschieht 
das nicht und sieht man diese Geschlechter als eine spätere Aas- 
dehjuing des Familienbegriffs an , so ist es doch unmöglich ihre 
Bedeutung früher als diese aufboren zu lassen. 

* Ein anderes ist es dass die Gilden auf die Büdun|; neuer 
Gemeindeverfassungen in den Städten Einfluss hatten. 

* lieber die Bedeutung der Gilden bei den Angelsachsen 
habe ich unten in der ersten Beilage einige» angemerkt. 



393 

Biil Recht behauptet werden zu können, da wenigstens 
iD Dithmarscheo von Gilden neben den Slacbten und 
Kluften nichts verlautet. 

So sind wir an das Ende dieser Untersuchung 
gelangt. Wir gingen von der Frage aus, ob die Ge- 
meinde ihren Mitgliedern Rechte und Pflichten auferlegte, 
wie sie aus dem Begriff der Familie hervorgingen; wir 
mussten es entschieden in Abrede stellen; wir fagen 
hio2a dass besondere Anstalten zu diesem Zwecke ge«» 
gründet erst einer viel späteren Zeit angehören. Ob 
jemala das ganze Volk nach Geschlechtem getheilt winr, 
die eben ein anderes waren als Familien im weiteren 
Sinne des Worts, lassen wir in Zweifel; hinreichende 
Zeugnisse liegen nicht vor , namentlich Tacitus weiss 
nichts davon zu berichten. 

Alle Verhältnisse des deutschen Lebens beruhen 
auf den zwei Grundlagen, der Familie und der Gemeinde. 
Wir fragen nicht wie diese geworden ist, die Geschichte 
beginnt erst da sie besteht. Nun führen die privat- 
rechtlichen Verhältnisse auf jene zurück , aus dem 
Wesen der Gemeinde gehen alle Zustände des öffent- 
lichen Lebens und Rechtes hervor; beide stehen »aber 
nicht gesondert neben einander, sondern sind auf das 
engste verbunden, greifen auf das lebendigte in ein- 
ander ein, nur die wissenschaftliche Betrachtung kann 
sie sondern, in dem Leben sind sie so verwachsen, dass 
es deutlich ist wie sie aus Einer Wurzel entsprungen 
sind, dass ihre Stämme sich in einander schlingen und 
die reichen Bildungen die in der Geschichte vorliegen, 
wie die Zweige und Blätter einer vollen Krone hervor- 
wachsend, auf ihnen ruhen und sie umhüllen. 



334 

Die Zeit der grossen Wanderungen tritt ein; von 
dem heimathlichen Boden ziehen die Völker fort; die 
grössten Bewegungen von denen die Geschichte zu reden 
weiss haben Statt, die den bisherigen Zustand erschüt- 
tern, auflösen, aber sofort zu neuen Bildungen fuhren. 
Und schnell heben diese sich aus der Verwirrung und 
scheinbaren Zerstörung hervor, frisch und lebenskräftig 
wachsen sie weiter. Aus den Völkerschaften und Stam- 
men sind Völker geworden, alus den Gemeinden Staa- 
ten, manche Zweige sind abgefallen, andere Keime haben 
nun erst getrieben. Alles ist anders geworden, und ver- 
schieden hat es sich an verschiedenen Orten entwickelt; 
aber die Wurzel ist dieselbe geblieben , und nicht weni- 
ger reich und stark ist der Baum der nun gewachsen. 



S35 



Beilage 1. 



Ton der sogenannten Gesammtbiirgschaft. 

Den Namen der Gesammtbiirgschaft hat so viel 
ich weiss Moser in die deutsche Geschichte eingeführt. 
Eichhorn, Rogge und andere haben diesen Begriff zuerst 
weiter ausgebildet , und trotz mannichfachen Widerspruchs 
hat sich bis auf den heutigen Tag die Meinung behaup- 
tet, es sei dieselbe eine den deutschen Verhältnissen 
eigenthömliche y nach vielen Seiten hin einflussreiche und 
wichtige Institution gewesen. Doch schon der Begriff 
den man mit dem Worte verbindet ist nicht immer 
derselbe i. Moser sagt ^^ zur andern d. h. der eigent- 
lich staatlichen Vereinigung habe gehört ,dass ein jeder 
seine gewisse feststehende Taxe oder Wehrung empfingt, 
weiter ^dass man sich einander diese Wehrung versicherte 
und sich dafür niilt gesammter Hand verbürgtet Ob- 
schon Moser dies behauptet ohne nach den Zeugnissen der 
Quellen zu fragen, es dann wohl in seiner Weise geist- 
reich ausfährt, immer aber ohne eigentliche Begründung 

' Vergl. Feuerbach , de universali fidejussione qaam Germa- 
nice Gesammtbürgschaft vocant p. 5 ff. Wir^^verden unten sehen 
daas Schmid und Ung:er etwas ganz anderes unter dem Worte ver- 
stehen; ich habe auch schon (p. 218 n. 1) bemerkt dass es fast 
auf ein Spielen mit dem Worte herauskommt > wenn Wilda die 
aligemeiosten Pflichten der Gemeindeglieder mit diesem Worte be- 
zeichnet. * $ 15. 16. 

15 



zu geben, so sagt Eichhorn doch, freilich in einer frii- 
heren Abhandlung ^, er setze es , besonders aus Höser^s 
Schriften als bekannt und erwiesen voraus, dass nach 
germanischen Begriffen alles Recht von der Gesammt- 
bürgschaft ausging, durch welche sich die Gesammtheit 
der vollbürtigen Staatsbürger Leben, Ehre und Eigen- 
thum gewährtet Nicht ganz so weit, in andern Bezie- 
hungen aber viel weiter, geht Rogge, wenn er sagt^, 
die Volksverbindung habe eine Sicherheit fiir den gemei- 
nen Frieden begriindet durch die Gesamrotbürgschaft, 
, vermöge deren eine germanische Gemeinde jedem ihrer 
Mitglieder (ur das Wehrgeld seiner Blutsfreunde und 
iur seine Compositionen wegen jedes von einem andern 
Gemeindegiiede an ihm verübten Friedbruches haftete, 
wenn der Schuldige selbst und seine mit ihm zur Busse 
verpflichtete Familie nicht Zahlung leisten konnte. So 
waren also, fahrt er fort, die Glieder jeder Gemeinde 
für den gemeinen Frieden unter einander verbürgt; uud 
auf dieselbe Weise waren es die verschiedenen kleineren 
Gemeinden unter einander durch die Yolksverbindung 
des ganzen Gaues ^ 

Sehen wir von dem letzteren und von den weiter 
gehenden aber unbestimmten Folgerungen Eichhorn's ab, 
so wird hier für das wesentliche dieser sogenannten 
Gesammtbürgschaft gehalten, dass wie sonst die Glieder 
der Familien so nun die Mitglieder der Gemeinden ^ 

* in der Zeiftchrift f. g. R. W. I, p. 172. 
« S 6, p. 25. 

* Mit Eecht UDterscheidet Schmid , im Hermes XXXII, 
p. 234, die« als eigentliche Gesammtbürgschaft von der Rechtt- 
burgschaft der Familie ^ des Hausvaters u. a., die man ungehörig 



^3tt 

fyt einatider hafteten , einer (ur i^ andern da» Wehr^ 
geld zu zahlen verpflichtet war; wa$ an und für sich 
von keiner grossen Bedeutung zu sein scheint , aber da-^ 
durch wichtig wird , dass es ein Uebertragen der Familien- 
pfliehten auf die Gemeinde voraussetzt, ja dass man nuA 
alles Recht in derselben auf diesen Grund zurückfähren 
zu können glaubt. Wir fragen hier nicht ob das ietz-^ 
tere sich als richtig bewährt, es kommt zunächst darauf 
an zu sehen 9 in wie fern die Voraussetzung selbst für 
begründet gelten kann , ob in der That ein solches 
wechselseitiges Sichverburgen der Gemeindegenossen Statt 
gefunden hat* 

Man weist uns nach, bei den Angelsachsen 6ei es 
der Fall gewesen. Freilich, giebt man zu, der Üeber-*' 
lieferung nach erst seit König Aelfreds Zeiten; doch 
meint man hinreichenden Grund zu heben, Wenigstens 
die Gtundzüge für viel älter, für urgermanisch zu hal-^ 
ten ^ ; man 6ndet Spuren des Institutes in dem Rechte 
der Franken und anderer deutscher Völker, man meint 
wohl dass diese selbst den Einrichtungen der Angel- 
sachsen zum Vorbild und Muster gedient haben. 

Da ist zuerst zu bemerken , wie schon andere gese*^ 
hen und dargethan haben ^ dass bei den Angelsachsen 
eine gegenseitige Verbürgung des Wehrgeldes sich nur 
unter Verwandten findet, ausserdem nur in Verhältnissen 
die denen der Familie nachgebildet Worden sind; sie 

oft mit i^MT verwechselt hat. Was Gfimm R. A. p. 291 für «tttea 
Begriff mit dem Worte Gesamtiitb^rgsciiaft, die er in Verbittdnfig 
mit Reclltsgenossenscliaft setzt, terbnidet, i»t mir nicht deatiich. 

^ EiehhdrM a. a. O. p. 179) t«rgl. Satfgiiy I, p.f/9. Üebe# 
K. AellVIds EioHehtangen a. tttitetl. 

* R. Schmi4 p. 256 ff., Üager p. 40. 

15» 



328 

besteht auch hier nur in beschränkter Änwendang, durch 
das Gesetz bestimmt und von der ursprünglichen Alige- 
meinheit auf engere Grenzen zurückgeführt 

Ein Gesetz König Aelfreds sagt ^, dass wenn je- 
mand der keine vaterlichen Verwandten hat einen andern 
erschlägt, ein Drittel des Wehrgeldes von den mütter- 
lichen Verwandten, ein zweites Drittel von den ,Gegyldan^ 
gezahlt werden solle, Tür das letzte Drittel hafte er 
selbst (fliehe er, wie es im Gesetze heisst). Fehlten ihm 
auch die mütterlichen Verwandten , so sollten die Gegyl- 
dan die Hälfte zahlen; ,und für die Hälfte fliehe er^ 
Dem entsprechend erhielten, wenn ein solcher Mann 
erschlagen wurde , die Hälfte seines Wehrgeldes die 
Gegyldan, die andere Hälfte der König. Hier erscheint 
die Geschlechtsbusse als ein Theil des Wehrgeldes ganz 
gesondert von dem wofür der Thäter selbst haftet ^ ; 
die alten Zustände waren also schon wesentlich ver- 
schwunden , und es war kein grosser Schritt , als König 
£admund auch dies abschaffte und die Theilnahme der 

* c. 27: Gif feedren-maega maegleas mon gefeohte and mon 
ofslea, and {>onne gif he niedren- msegas haebbe, gielden {>a f>a>s 
weres {>riddan dael , f>rlddan drol f>a gegyldan , for f>riddan dael he 
fleo. Gif he niedren -maegas nage, gieldan |>a gegildan healfne, 
for healfne he fleo. c. 28: Gif mon swa geradne mon ofslea, gif 
he maegas nage, gielde mon healfne cyninge , healfne pam gegildan. 
Uebersetzt in Lex Henrici LXXY, c. 10: Si quis autem paterna 
cognacione carens male pugnet ut hominem occidat , si tunc cogna- 
cionem maternam habeat, reddat ipsa terciam partem were, ter> 
ciam congildones, pro tercia fugiat. Si nee maternam cognationem 
habeat, reddant congildones dimidiam weram, pro dimidia fagiat 
Tel componat. Si quis occidatur ejusmodi, secandum legem 
pristinam, si parentela careat, reddatur dimidiam regi, dimidiam 
congildonibas. Vergl. die alte lateinische Uebersetzung, Anc. lawt 
p. 494. > Vergl. Wilda, Strafrecht p. 38a ff. 



229 

Familie am Wehrgeid ganz beseitigte ^ ; so dass Tortan 
Yon einer Bürgschaft in diesem Sinn bei den Angel- 
sachsen gar nicht mehr die Rede sein kann. Dass er 
auch das Haften der Gegyldan aufgehoben wird nicht 
gesagt; und es war auch wohl nicht der Fall. Es ist 
freilich nicht ganz deutlich wer darunter zu verstehen 
sei. Doch zweifle ich nicht dass, wie der Name es 
andeutet, die Gildegenossen, die Mitglieder einer Gilde, 
gemeint sind. 

Denn solche Vereinigungen zu gegenseitigem Schutz, 
zur Sicherung des Rechts und des Friedens, finden wir 
unter den Angelsachsen allerdings schon in ziemlich 
früher Zeit. Ihre Wirksamkeit war eine sehr umfas- 
sende, nach den Zeiten und Umständen auch wohl ver- 
schiedenartige.' Nach dem Statut der Londoner Gilde, 
das in die Zeiten des Königs Aethelstan gehört ^, war 
ein Hauptzweck derselben bei der grossen Unsicherheit 
des Eigenthums die bestand Abhülfe zu gewähren, den 
Diebstahl zu hindern und den einzelnen gegen den Scha- 
den der ihm durch einen solchen erwachsen konnte zu 
sichern. So mussten alle Mitglieder jährlich eine gewisse 
Summe beitragen, um den Verlust welchen der einzelne 
erlitt zu ersetzen ^ ; eine Assecuranzcompagnie gegen 
den Diebstahl könnte man es nennen. Jede Sache war 
zu dem Zweck zu einer bestimmten Summe geschätzt, 
die der Verletzte als Entschädigung erhielt *. Die Mit- 
glieder waren aber verpflichtet auch sonst gegen den 
Diebstahl und den Dieb auf jede Weise zu wirken und 

^ Eadmond's weltliches Gesetz c. 1. 

* Judicia civitatis Lundoniae, ia Ancient laws p. 97. 

» C. 2. * c. 6. 



990 

weder NachforschoDgen noch andere Mittel uoTersucbt 
zu lassen. Um diese verschiedenen Zwecke zo erreichen, 
waren dann in der Gilde noch andere Einrichtungen ge- 
troffen, auf die wir unten zuräckkommen werden. Immer 
aber war die Absicht dieser Verbindung nur den Gilde- 
genossen Ersatz und Hülfe zu verschaffen ^, sie scheint 
sich nicht so weit erstreckt zu haben dass die Mitglie- 
der auch gegen den Ungenossen fiir die Schuld des 
einzelnen hafteten. Dagegen schworen sie, nach einem 
andern Statut ^, sich gegenseitig in allen weltlichen und 
geistlichen Dingen beizustehen, sie empfingen das Wehr- 
geld eines erschlagenen Mitgliedes und steuerten dem 
bei welcher ein solches zu entrichten hatte. Und das ist 
ea was in dem Gesetze Aelfreds von den Gegyldan gesagt 
wird, so dass ich nicht zweifeln kann dass hier eben die 
Gildegeoossen gemeint sind ^ ; es wird das Verhältniss 

* So gewahrten sie sich anter eiDander Beisteuer za einer 
Reise, Unterstätzung wenn ein Haus abbrannte und dergl.; Wilda, 
das GSidenweaen im Mittelalter p. 38. 

* ebendaselbst p. 43. 44, R. Schmid i^ a. O. p. 361. 

* So R. Schmid p. 257, Lappenberg I , p. 589 , Thorpe in 
dem Glossar zu den Ancient laws. Wilda p. 388 zieht diese Er- 
klaroflg in Zweifel, weil die C^üdegenossen nicht nach Velksrecbli 
karteten und ihre Verpfllohtong nur in den Gildtesta^iiiten nidit iq 
den allgemeinen Gesetzen festgestellt werden konnte. Aber 4^4 
Tolksrecht konnte eine solche Verpflichtung doch nicht ignoriren. 
Befand sick jemand in einer Güde, so bestand eine doppelte Haf- 
tung für ihn,, einmal nach Yolksrecht der Verwandten, dann n^b 
Gilderecht der Genossen. Sollte der Kläger nun beide UeJian^(\ 
können oder welchen er wollte? Diesen Fall scheint Aelfred's Gesetz 
Tor Augen zu haben. Es setst voraus dass die Täterlichen Ver- 
wandten vor der Gilde haften, und bestimmt dass bei mütterlichen 
diese blos concurriren , wenn jene aber fehlen , das ganze Wehrgeld, 
so weit nicb^ des Verbrecher aHeia dalüf haftet, übevnebmen soll. 
Aus den von Wilda angeführten Stellen folgt in der 7hat nicht 



S31 

derselben za den Verwandten festgesetzt; eineBestimmuDg 
die in der That nicht fehlen durfte , wenn nicht fortwäh- 
rend ConQicte der verschiedensten Art entstehen sollten. 

Diese Gilden waren also allerdings an die Stelle 
der Verwandten getreten, übten Rechte und Pflichten 
die ursprünglich nur diesen oblagen; es war ihr Zweck 
den mit Auflösung der Familienbande sich lockernden 
Verbaltnisseo einen neuen Halt und Zusammenhang zu 
geben ^. Aber wie früh wir anch ihre Anfange setzen 
wollen y den ältesten Zeiten des germanischen Lebens 
oder auch nur der_ angelsächsischen Entwickehmg können 
sie nicht angehören. Am wenigsten sind wir zu der 
Behauptung berechtigt, dass die Einrichtungen die hier 
sich fanden, die Grundsätze die in ihren Gesetzen sich 
aussprachen, jemals in der Gemeinde selbst bestanden 
und gegolten hatten , und nur von dieser auf besondere 
Vereinigungen in derselben übertragen waren; nicht die 
Pflichten der Gemeindegenossen , sondern der Familiea- 
glieder wurden von den Angehörigen der GiMen über- 
nomoien. Als die Familie in den Staat aufgegangen 
war, in ihm erst ihre wenn ich so sagen darf politische, 
dann auch einen Theil ihrer privaten Bedeutung verlo- 
ren hatte, traten die Gilden an ihre Stelle, um das zu 
leisten was die Gemeinden nie geleistet hatten und ihrer 
Natur nach zu leisten nkht im Stande waren. 

Dass eine gegenseitige Verbürgung des Wehrgeldes 
unter allen Mitgliedern der Gemeinde, e'me Gesammt- 

dass ,gegyidan' g^leichbedeutead sei mit ^geferan^ «der von Ver- 
wandten gebraucht werde. 

^ Vergl. auch Schanmann p. 569, der aur das Ganze tn 
aoBSchii^sslich auf die Sicherung des Lehrgeldes bezieht. 



bürgschaft in dem Sinn weichen Moser und Rogge dem 
Worte geben, bei den Angelsachsen nicht bestand ^, 
wird aus dem was wir bisher entwickelten mit Bestimmt- 
heit gefolgert werden können. Wo die Bürgschaft der 
Familie nur in beschränkter Anwendung sich fand und 
bald ganz aufgehoben wurde, wo es besonderer Ver- 
bindungen und Institute bedurfte um ihre Stelle zu 
vertreten, kann von einer solchen allgemeinen Pflicht, 
einer alle gleichmässig umfassenden Einrichtung offenbar 
nicht die Rede sein; auch wissen die Quellen davon 
nichts zu sagen. 

Um so mehr ist man geneigt eine andere Verbin- 
dung aller Gemeindeglieder zur Aufrechthaltung des Frie- 
dens und Rechtes , eine Friedensbürgschaft wie man 
sagt, für uralt in den angelsächsischen Institutionen , Tur 
ursprünglich germanisch zu erklären; der Begriff ist von 
dem was früher angenommen wurde wesentlich ver- 
schieden, doch immer noch wichtig genug um länger 
dabei zu verweilen. So oft die Stellen wo davon die 
Rede ist auch abgeschrieben sind, doch werden wir uns 
der vollständigen Mittheilung derselben nicht entschlagen 
können. Es sind aber folgende: 

* Wie Phillips, Angelsachs. Rechtsgesch. p. 98 ff., die Sache 
Terwirrt hat, ist schon von R. Schmid p. 256 bemerkt. Er und 
aoch Feuerbach p. 63 (Rogge p. 60 n. 76 a) nehmen mit den älte- 
ren Erklärern der angelsächsischen Gesetze an, dass die gegyldan 
( congildones , gildones) nicht die Mitglieder bestimmter Gilden, 
sondern der Zehntschaften sind, von denen ich unten sprechen 
werde, und bringen auf diese Weise eine Wehrgeldsburgschaft für 
diese heraus , von der die Gesetze richtig verstanden durchaus 
nichts wissen; vergl. Unger p. 40. 



Leges Edward! confeisorit c. 20i De frli(borigis % et 
quod soll Eboracenses vocant frilTb'orch , tenmenoe tale ', i. e. sermo 
decem bominom. 

Alia pax maxima est, per quam omnes firmiori statu snsten- 
tantnr, scilicet fidejassionU stabilitate quam Angli vocant ,frii(bor- 
gasS preter Eborarenses qiii vocant eam «tenmanne taleS hoc est 
Domeram 10 hominam. Et hoc est quod de omnibas viliis tocina 
regni sub decennali fidejassione debeant omnes esse, ita quod si 
unns ex decem forisfecerit , novem enm haberent ad rectum. Quod 
si aufugeret et dicerent quod non possent eum habere ad rectum, 
daretur eis ad minus a justicia regis spacium 30 dierum et nnius 
diei. Et si possent cum invenire, adducerent eum ad jnsticiam. 
Ipse qnidem de suo restauret dampnum quod fecerat , et de corpore 
suo fiat justicia, si ad hoc forisfecerit. Si autem infra supradictum 
terminum inveniri non poterit, qnia in omni frii(borge unns erat 
capitalis quem ipsi vocabant fri'ttborgheved , ipse capitalis acciperet 
duoa de melioribus in suo friilburge , et de tribos frilfborgis pro- 
pinqnioribus vicinis suis accipiat de unoquoquc capitaldm et similitcr 
duoa de melioribus, si poterit eos habere, et se duodecimo expur- 
get se et friifborgum snum, si facere poterit, de forisfacto et fuga 
sopradicti malefactoris. Quod si facere non poterit, restauraret 
dampnum quod ipse fecerat de proprio forisfactoris quantum dura- 
verit et de sno} et erga justiciam emendent secundum quod legali- 
ter jttdicatum fuerit eis. Et tarnen sacramentum quod non potnerunt 
complere per vicinos , per se ipsos novem jurent se esse immunes. 
Et si aliquem potuerint recuperare, adducent eum ad justiciam, si 
potnerint} aut dicent justicie nbi sit. 

ist in dieser Stelle die Art der Verpflichtung uod 
was damit in Verbindung steht ausführlich beschrieben, 

^ So schreibt die neue Ausgabe der angelsächsischen Gesetze; 
d. h. Friedensbärgschaft. Die früher üblichen Formen ,friborg^ 
, freoborg S d. i. Freibürgschaft , scheinen aller Auctorität zu erman- 
geln. In dem Texte habe ich Fridborg gesetzt , da in dieser Schrift 
das iS fehlte y Frithborg aber zu fremdartig erschien. 



334 

so giebt uns eine andere über die EtnrichtUBg selbst 
noch nähere Auskunft: 

c. 28. Quare friKborgi constituti sunt. 

Com autem \iderunt quod aliqui stiilti libenter forisfaciebant 
erga ficinos suos, sapienciores ceperunt consilium inter se, quomodo 
eo8 reprimerent, et sie imposuerunt justiciarios super quosque 10 
frilTborgos, qnos decanos possnmus dicere, Anglicc antem «tyenf>e 
heved* vocati sunt, hoc est caput 10. Isti autem inter villas inter 
Ticinos tractabant causas, et secundum quod forisfacture erant 
emendaciones et ordinaciones faciebant, Tidelicet de pascuis, de 
pratis, de messibus, de certacionibus inter vicinos et de multis 
hnjusmodi que frequenter insurgunt. 

c 29. Cum autem majores cause insurgebant, referebant eas 
ad alios majores justiciarios , quos sapientes snpradicti super eos 
constituerant , scilicet super 10 decanos, qnos possumus vocare 
centenarios , quia super centum fri^borgos judicabant. 

Hiernach sind nun alle Einwohner des Reichs in 
Zehntschaften vertheilt die Fridborg heissen — auch die 
euuelnen Mitglieder fuhren diesen Namen ^ — und 
deren Vorsteher, das Haupt der Zehn oder der Zebnt- 
sehaft, auch mit dem Namen decanus bezeichnet wird. 
In der letzten Stelle erseheifit dieser zugleich »Is Rieb« 
ter tn geringlugigen Sachen. Wichtiger aber ist es, 
dass nach c. 20 die zehn die jedesmal in einer solchen 
Vereinigung standen, in gewisser Weise für einander 
haften, Bürgschaft leisten mussten. Von einer Verbür- 
gung des Wehrgeldes ist freilich nicht die Rede ^ ; 

» R. Schmid p. 237, Savigny I, p. 228 n. 

* Das ist um so mehr hervorzuheben, da M^ser § 16 n. a 
uad viele andere nach ihm diese Stellen gerade citiren um eine 
Terburgung des Wehrgeldes als aitgermanisch darzuthun. Auch 
haben Feuerbach p. 6t, R. Schmid und Unger, auch Lappenberg 
I, p, 590, befetla die UnauliMigkeit dieser Behauptuag dargethan. 



99» 

aber wohl vod Pflichten die man ebenfalls mit dem 
Namen einer Gesammtbürgsch^ft glaubt bezeichnen zu 
können. Wenn nemlich einer von den Genossen dieser 
kleinen Gemeinden ein Verbrechen begeht, so sollen 
ihn die neun zu Recht anhalten, (ur seine Erscheinung 
Tor Gericht Sorge tragen. Geschieht das, so sind sie 
?on aller Verantwortlichkeit frei; können sie es aber 
nicht dahin bringen, so tritt ihre Haftung ein. Doch 
auch von dieser können sie sich lösen, dadurch dass 
der Vorsteher des Fridborg mit zwei Genossen aus dem- 
setben und mit den Vorstehern und je zwei Genossen 
der drei nächsten Fridborg zusftRNfnen , also durch einen 
Zwölfmanneneid, sich reinigt, dass sie keinen Antheil 
an der Schuld und der Flucht des Verbrechers haben. 
Kann derselbe diesen Eid nicht leisten, so soll er den 
Schaden ersetzen, zunächst freilich aus dem Eigenthum 
des Verbrechers, das fehlende muss er jedoch aus dem 
seinen (und dem des Fridbofg?) hiosufiigen, zugleich 
müssen nun die neun schwören, dass sie keinen Theil 
an der Schuld, haben und dass sie wenn sie können 
dei^ Verbrecher vor Gerieht fuhren oder doch diesem 
anzeigen woHen wo er sich aufhalte. — Im wesentlichen 
war es also nur ein doppeltes was ihnen oblag; sie 
hatten einmal zu sorgen dass der Verbrecher vor Gericht 
erschiene; sie hafteten dann für den Schaden den er 
zugefügt hatte, jedoch nur wenn sie den Thäter nicht 
zu stellen vermochten , wenn, sie selbst durch einen völli-' 
gen Eid sieh nicht reinigen konnten ^, wenn endlich das 
Gut desThäters dazu nicht ausreichte; in der That eine 

* IMese nicht unnresentliehe Bestimmong lässt Unger p. 88 
ausy mit dem ich hier sonst ganz übereinstimme* 



sehr subsidiarische Verpflichtung, die aufs gemessenste 
bestimmt, auf» künstlichste geregelt ist, in der wir nichts 
von altgerroanischer Sitte erkennen können, die einen 
rein polizeilichen Charakter an sich trägt. Daher haben 
die englischen Geschichtsforscher und Rechtshistoriker 
auch fast allgemein das ganze fiir eine Einrichtung spä*» 
terer Zeit gehalten ^ ; nur den deutschen Gelehrten ist es 
gelungen, hierin wichtige, über das deutsche Alterthum 
überhaupt lichtverbreitende Institutionen zu erkennen 3. 

Wir werden Ursache haben uns in den älteren 
Gesetzen der Angelsachsen umzusehen, ob sich Spuren 
dieser Einrichtungen finden. 

Da werden die Zehntschaften allerdings schon in 
früheren Denkmälern erwähnt. Zuerst die ,teothing-men^ 

^ Ich kann Hallam, Earopa im Mittelalter, D. Uebers. , H, 
p. 177 ff. y Thorpe im Glossar zn den Ancient law« s. v. frilTborgf, 
besonders Palgrave, the rise and progress of tbe English Common- 
wealth I, p. 191 ff., H, p. CXX ff. citiren. 

* Um von den altern und von Phillips nicht zu sprechen, 
80 zweifelt anch R. Schmid nicht daran dass diese Einrichtungen 
der Hauptsache nach uralt bei den Angelsachsen waren. Feuerbach 
p. 62 lässt sie freilich erst nach und nach durch ausdrückliche 
Gesetzgebung der Konige io dieser Weise ausgebildet werden ; Lap- 
penberg, der p. 590 mit Palgrave eine Umbildung durch die Nor- 
mannen annimmt , sucht im Vorhergehenden diese Einrichtung doch 
mit älteren Verhältnissen in Verbindung zu bringen ; besonders aber 
hat wieder Unger p. 39 ff. sich bemüht diese allgemeine Friedens- 
bürgschaft als altangelsächsisch nicht blos sondern auch als alt- 
germanisch zu erweisen , freilich nur weil das seinen Ansichten von 
dem Zustand der alten Deutschen entspricht, ohne weitere Beweise 
beibringen zu können und ohne die Arbeiten der Engländer irgend 
zu kennen; auch Eichhorn D. St. u. R. G. 1, $ 18, scheint nicht 
an dem Alter wenigstens der angelsächsischen Einrichtungen zu 
zweifeln. Am bestimmtesten hat sich Wilda, Strafrecht p. 67 ff., 
dagegen erklärt; doch konnte ich mich nicht bei seiner Ausführung 
beruhigen. 



237 

in der ConstitutioD von den Hundertschaften ^ ; es schei- 
nen die Mitglieder einer Zehntschaft gemeint za sein. 
Doch ist von einer solchen weder in diesem Gesetze 
noch in andern der nächsten Zeit (vorCnut) die Rede^ 
alles wird sonst auf die Hundertschaften zurückgeführt 
und nach diesen bestimmt. Nur in den Friedensgilden 
werden besondere Vereinigungen von je zehn Personen 
erwähnt, die den Namen ^hynden^ führen^, aber von 
den ^teothing^ oder ,teothung^, die hier ebenfalls vor- 
kommen, verschieden zu sein scheinen*''. Denn während 

^ c. 2: Gyf neod on handa stände» cyiSe bit man ifam faun- 
dredes-men, and he sylTiTan Üam teolfing-mannom (die lateinische 
Uebersetzung^ ,Si necesse sit in manibus, indicetur hominibus hun- 
dreti, et ipsi postea denoncient hominibus decimaram ' ist nicht g^anz 
richtig); c. 4: buton he haebbc Utes hundredes manna gewitnyssa, 
oiMTe ifaes teoiTing-mannes (sine testimonio hominis hundreti vel 
homioum decimalium). 

* Jüdicia civitatis Lnndoniae c. 3 und Thorpe im Glossar s. y. 

* Nach Thorpe im Glossar ist eben yteolTing' oder teolfung 
der Name dieser Zehntschaften in den Gilden und von den Frilf' 
borg ivesentlich zu unterscheiden. Doch scheint mir in folgenden 
zwei Stellen der angeführten Gildestatuten das Wort nicht von den 
Zehntscbaftcn innerhalb der Gilde, sondern von den Landdistrikten 
die diesen Namen fähren verstanden werden zu müssen: c. 4: and 

s>]>{>an him swor bürste , paet man funde «nne man psßt 

mare folc sig, swa of anre teoifunge f>aer laesse folc sy (den lücken- 
haften Text giebt die lateinische Uebersetzung so : et postqnam 
vestigium deerit» inveniatur semper de duabus decimis unus 
homo, obi magis populi sit; sie de nna decima, ubi minus sit 
populi); c. 8: f>ffit we us gegaderian a emban aenne monalf — f>a 
hynden - menn and f>a {>e f>a teolf unge bewitan ; wo die lateinische 
Uebersetzung ,ut conveniamus semper ad unum mensem — per hin- 
denos homines et. eos qui decimas custodiunt* offenbar ungenügend 
ist, und der Sinn nur sein kann dass die Vorsteher der Hynden 
Q&d der Teolfung sich versammeln sollen; so dass beide nicht die* 
selben sein können. 



SS8 

jene aus z^n Personen und zwar Mitgliedern der Gilde 
bestehen, beziehen diese sieb auf Grund und Boden, 
sind eine Eintheilung des Landes; die Zahl der Ein*- 
wohner ist bald grösser bald geringer, gewiss immer 
weit über zehn ^ ; sie scheinen eine Unterabtheilung der 
Hundertschaften gebildet zu haben; und von ihnen ist 
offenbar die Rede wenn dem König Aelfred die Ein- 
theilung des Landes in Hundertschaften und Zehntschaf« 
ten zugeschrieben wird ^ ; auf sie, wie es scheint, bezieht 
sich auch die Vorschrift des Königs Cnut, dass jeder 
Freie sich in einer Hundertschaft und Zehntschaft befin- 
den solle ^, Ganz verschieden ist dann aber jene Ver- 
bindung von je zehn die Fridborg genannt wird, ohne 
alle Beziehung auf eine Eintheilung des Landes, nicht 
blos dem Namen nach sondern wirklich eine Zehntschaft, 
keiner Ausdehnung und Erweiterung fähig, rein person- 
licher Natur *. Man kann auch schon die Vorschrift 
des Königs Cnut hierauf beziehen ^ ; doch weiss ich nicht 

^ Das ist besonders aus der angeführtea Stelle der Judtck 
civitatis Lundoniae c. 4 deutlich. * S. unteo. 

3 Cnut's weltliches Gesetz c. 20: And we wylla'tf f>aet mit 
freoman beo on hundrede and on teolFunge gebrobt ete. (Et volü- 
mos ut omnis homo über in hundreto et in decima positus stt qui ete. ). 

* Unger's Vermuthung, p«46, dass nicht je zehn freie Man^ 
ner, sondern zehn Häupter einer an Grundbesitz geknüpften Familie, 
zehn Freihöfe, die Verbindung bildeten, entbehrt allen Grandes. 
« ^ Folgendes lässt sich dafür anfuhren. Cnut's Bestimmuiig 

ist in den Leges Henrici I. c. Vlll, § 2 wiederholt: Comamois 
quippe commodi provida dispensaclone statutum est ut a duodecimo 
etatts sue anno et in hundreto sit et decima vel plegio liberal!, 
quisquis were vel wite Tel jure liberi drgnus curat estimari; ebed- 
daselbst heisst es aber § 1 : Special! tarnen plenitudine , Si ♦pus eat^ 
bis in anno eonveniant in hundretum suom quicumqu« Uberi ^ a4 
dinoscendum scilicet inter cetera si decanie pleae aiat^ v«l 



ob meo geoügendeD Grund dazu hat; andere Spuren 
Yon einer solchen Eintheilung des Volkes in der Zeit der 
früheren angelsächsischen Könige finden wir nicht ^. 

Schon das wird- uns bedenklich machen die Ein- 
richtung die in den sogenannten Gesetzen K. Eadward's 
geschildert wird für viel älter als die Zeit der Abfassung 
zu halten. In noch weit höherem Maasse aber wird dies 
der Fall sein , wenn wir die Bestimmungen über die 
Bürgschaft welche hier gegeben werden mit denen der 
früheren Zeit Vergleichen. 

Die Vorschrift eines der ältesten Gesetze die uns 
erhalten sind ^, dass ein Dieb sich mit Eideshelfern aus 
dem Dorfe zu dem er gehört reinigen soll, hat mit den . 
besonderen Bürgschaftsverhältnissen mit denen wir uns 
hier beschäftiget! gar nichts zu thun. Bestimmungen 

qiii, qnomodo, qna racionc recesserint vel superaccreverint. Presit 
autem singulU hominum novenis decimus etc. Es scheint mir aber 
sehr die Frage , ob nicht der Verfasser dieser Compilation hier g^anz 
verschiedenartige Dinge zusammeDgesteilt hat. Der Scbluss dieses 
CapitelSj § 6, zeigt dass er die Leges Edwardi vor sich hatte, 
womit er anderes planlos verband ; vergl. die Noten p. 267 u. p. 269. 

' Denn was Lappenberg I, p. 588 (nach Palgrave p. 200) 
von alten Zehntschaften im Heer anfuhrt scheint mir nicht hierhin 
zu gehören , auch rechter Begründung zu entbehren. Jedenfalls ist 
die Meinung durch nichts belegt, dass ihre Mitgllieder sich das 
Wehrgeld gegenseitig verbürgt hätten; selbst Paigrave spricht davon 
nicht, sondern nur dass sie wegen Naclilässigkeiten u. dergl. einer 
für den andern verantwortlieh waren. % 

' HIoifhaer und Eadric c. 5. — Eichhorn, in der Zeitschrift 
I, p. 179, führt diese Stelle zum Beweise an, dass sich lange vor 
Aelfred von der engeren Gesammtburgschaft unverkennbare Sparen 
finden i sogar c. 15 , dass jemand für einen Fremden der drei Tage 
bei ihm gewohnt hat haften muss , soll dies beweisen. Ich weiss in 
der That nicht , was Eichhorn hier und an manchen andern Stellen 
unter engerer Gesammtburgschaft versteht. 



340 

aber die darauf ausgehen dem Diebstahl zu wehren, den 
Uebelthäter zu verfolgen, wurden schon in dieser und 
der nächsten Zeit nicht selten getroffen; besonders die 
Gesetze K. Ina's geben dazu hinlänglichen Beleg. Später 
suchte man besonders die Rechtsverlolgung zu sichern. 
Es wurde von König Eadward verordnet, dass wenn 
einer des Diebstahls bezüchtigt wurde, er von den Ver- 
wandten oder Freunden verbürgt werden konnte, wenn 
er deren nicht hatte oder sie nicht wollten, durch seine 
eigenen Güter; stand ihm keins von beiden zu Gebote, 
so wurde er gefangen gehalten; und liessen ihn die 
Verwandten ganz im Stiche und fand er niemanden der 
für ihn Busse zahlte, so blieb er in der Knechtschaft ^. 
König Aethelstan verfügte , dass ein Dieb 40 Tage 
gefangen sitzen sollte; dann mochte man ihn lösen, aber 
die Verwandten mussten zugleich Bürgschaft leisten dass 
er nicht wieder stehle; geschah das dennoch, so mussten 
sie ihn wieder in Gefangenschaft bringen, oder mit sei- 
nem W^ehrgelde haften, auch dem Könige 120 Schil- 
linge als W^ette zahlen ^. Hier sollte also die Familie 
Sicherung gegen das Verbrechen des einzelnen gewähren ; 
was mit dem Haften für das Wehrgeld wohl eine ge- 
wisse Aehnlichkeit hat , was aber nicht aus dem Wesen 
der Familie hervorgeht, sondern erst durch besonderes 
Gesetz, zu polizeilichen Zwecken eingeführt, und deshalb 
«uch auf andere ausgedehnt ist die aus Freundschaft 
oder anderen Gründen für den Schuldigen bärgen wollten. 
Der König traf dann eine andere Verfiigung, die den- 
selben Zweck zu erreichen suchte ^ ; die Verwandten 

< Eadward c. 6. 9. * Aethelitan Ij c. 1. 
' ebendaselbtt c. 9. 



241 

herreribser Leute sollten sorgen diesen einen Herrn in 
der Gemeinde zu verschaffen; denn wie die Familie für 
die Angehörigen, so musste jederzeit der Herr für die 
ihm Unterworfenen haften, wie durch andere Gesetze 
wiederholt eingeschärft wurde ^ ; wer aber keinen Herrn 
fand, der sollte, nach einem alten Gesetze^ das den 
Fremden der sich nicht zu legitimiren wusste als Dieb 
verurtheilte, als ein solcher angesehen werden, und jeder 
jfer auf ihn stiess konnte ihn erschlagen. — In allen diesen 
Bestimmungen findet sich noch keine Spur davon dass 
die Gemeindegenossen irgendwie für einander hafteten; 
nur die Verhältnisse der Familie, der Herrschaft legten 
diese Pflichten auf; zur Begründung ähnlicher Ver- 
pflichtungen in bestimmten £reisen , in beschränkter 
Anwendung, dienten jene Friedensgiiden , die beson- 
ders in dieser Zeit eingerichtet zu sein scheinen; aber 
dass sie nothwendig wurden, ist uns eben ein Beweis 
dass allgemeine Vorschriften ähnlicher Art wie die welche 
in ihnen herrschend waren damals nicht bestanden ^. 

Weder die Gilden aber noch die Gesetze welche sich 
auf die Bürgschaft der Familie und der Herren bezogen, 
erschienen im Laufe der Zeit als genügend zur Aufrecht- 
haltung der rechtlichen Ordnung, nach der die angel- 
sächsischen Könige des lOten Jahrhunderts — denn es 
ist nicht unnöthig einmal daran zu erinnern dass wir uns 
in dieser Zeit befinden — fortwährend zu streben hattl^ 
Daher trifft König Eadgar (959 — 975) folgende 

> R. Schmid p. 263. * Wihtraed c. 28, Ine c. 20. 

* Uiiger p. 41 meint, die Gilde sei eine Nachbildung des 
l^ri'Vborg; ich antworte einfach dass die Quellen jene wenigstens 100 
Jahre früher als diese kennen. 

16 



949 

BeMinuwQgep: ßixmü dass derVonteber der Hwdertr«' 
9chaft mt d9fi der 2«bnt9ebaften zusaoiiQen des Di^b 
verfolgen und di3 gesfroUene Gut aufspüi-en soli; aiAch 
der BasiUer des geetohle^ien Viehs — deim too dem 
besonders ist die Hede — soll hidfteo; ja niemaDd soU 
uobekeontes Vieh obpe ein Zeu^ias des Centeoars und 
Elecanus, wie wir webi sagen därfea, erwerben nv4 
besitzen; verfolgt man die Spur eines Diebstabld aber 
die eine Hundertschaft hinaus, so soll der Vorsteher dA 
andeni davon unterrichtet werden und an der Verfol- 
gung Tbeil oebmen ^. Wichtiger noch ist die andere 
Verfiügung ^ : Jedermann möge zusehen dass er einen 
Bürgen habe, dw ihn zu allem Recht leite und halle, 
wd wepn er Unrecht tbue und entfliehe, für ihn tarage 
was derselbe zu tragen habe. Nur wenn der Bürge 
innerhalb zwölf Moni^ des Tbäters sich bemächtigt 
und ihn vor Gericht stellt, erhält er zurück was er frü- 
her bezahlt liat. Ist einer anrüchig und kann keinen 
Bärgen finden, so soll er eingesteckt und sein Gut ihm 
entzogen werden ^« 

Die letzte Ver^dnong ist für uns von besonder 
rar Wichtigkeit, da sie ein System ausgedehnter gegen- 
seitiger Verbürgung einführt, wie es früher nicht bestanden 
bat, wie es aber von Eadgar selbst und den folgenden 
Königen besteigt und weiter ausgeführt worden ist. Wir 
l(pen nun die andern Beetimftiungen die zur Vermei- 
dmg von Diebstahlen getroffen werden zur Seite und 

^ Die Conttitutio» von den Handertschaften c. 2 — 5. 
* B!adg.ar II , c. 6: And finde bim selc man f»aBt he borh 
hsbbe^ and ae borh hine ^onne to »Icon rihte gelaede and gehealde etc. 
•er. 



313 

verfdlgi^n Äiö EntWickelung dieser Maossregel. In eiiiem 
andern Gesetz desselben Königs heisst es ^ : ,Das ist 
nun wus ich wifl dass jedermann uiiter Bärgschafl stehe, 
sowohl innerhalb der Burgen als ausserhalb der Burgen^; 
und Aefhelred bestätigt es mit folgenden Wortei^ ^ : 
,Das ist dass jeder freie Mann einen treuen Bürgen 
habe, dass der Bürge ihn zu allem Recht halte wenn 
er angeklagt werden sollte*. — jÄü jedeni Recht leiten 
und halten S ,zu jedem Recht halten^ d. h. sorgen dass 
er vor Gerifcht erscheine und sich verantworte. Zu die- 
sem Zwecke also, zur Sicherung der Rechlsvef folgung, 
soll jeder zusehen dass er einen Burgen in seiner Ge- 
meinde finde. — Ganz denselben Zweck hatten aber die 
Fridborg ^ ; gerade hier lag es jedem ob Tür den anderri 
Aese BGrgschan; zu übernehtneh. Während hier jeder 

^ Eadgar, snpplemertt c. 3: fiaet is j^oirne fiaet ic i^illb, |>aet 
aei€ mimn sy uitder borge ge btBnin burgmn ge butori borgam. 
Die folgenden Worte, die Schmid falsch gelesen unil daher auch 
falsch erklart hat, beziehen sich schon auf etwas anderes, darauf 
tiemlfch dass in Jeder Burg und in Jeder Hnndettschaft bä^timmte 
Manner ausgewählt werden sollen , Tor denen alle Käufe und Ver- 
käufe vorzunehmen sind , damit jeder durch ihr Zeugnis« darthun 
könne dass er seine Sache rechtmässig erworben hübe und sie nicht 
gestohlen sei ; — gewiss der beste Beweis welcher besonderen Mittel 
man bedurfte, um die Rechtssicherheit aufreckt zu erhalten. 

* Aethelred I , c. 1 : ^aet fs p»t »te f^omati getreowne 
borb haebbe ^aet se borh hine to aelcon rihte gehestde gif h« 1^ 
t^htlad wnrlfe. 

' Bie Worte ,eiiln kabereilt ad rectum^ efntspirechen ganz 
dte ,zd alleril Recht haltend In deta lutdnisdiien Uebersetxningen 
der oben . angefahrten Giisetze heisst ^s Eadgar II, 6: et ducat 
۟m ard omne rectum) Aethelred I, It^qui tum ad omne rectum 
presentet ; in dem gleidi anznfährendeii Ges^ze Cnuts c. SO: et 
addncat ad omne rectum. 

16' 



244 

eiuen Bürgen oder vielmehr neun solcher Bürgen ein 
für alle Mal hatte, wird es dort ihm aufgegeben dafür 
zu sorgen dass er einen finde; wofür hier durch allge- 
meine gesetzliche Anordnung gesorgt ist, das bleibt dort 
dem einzelnen zu thun überlassen. Es ist deutlich dass 
beides nicht neben einander bestanden haben kann. Jene 
Vorschriften der angelsächsischen Könige beziehen sich 
daher nicht etwa auf die Fridborg ^ oder setzen sie 
voraus, sondern im Gegentheil sie zeigen aufs deutlichste 
dass sie nicht bestanden, dass eine Einrichtung der Art 
damals noch völlig unbekannt war. Und bis ans Ende 
des loten Jahrhunderts, bis an das Ende des unab- 
hängigen angelsächsischen Staates ist von ihnen nirgends 
die Rede. 

Da wird man aber glauben in folgendem Gesetz 
König Gnut's eine Spur derselben zu finden 2; ^IJnd wir 
wollen dass jeder Freie in eine Hundertschaft und in 
eine Zehntschaft gebracht sei, wer Anspruch macht auf 
Reinigungseid und Were, wenn jemand ihn anklagen 
will da er über 12 Winter alt ist, oder er sei hinfort 

* Das sieht Unger p. 42 ein, bringt aber nnn die wnnder- 
Hchsten Gründe bei warum trotz der Friifborg solclie Burgschaften 
nothig gewesen sein sollen. Die Hauptsache ist: ,so waren auch 
auf dem Lande wohl die meisten der alten Friirborg aufgelöst ' ; 
allein die Zeugnisse die ihrer überhaupt erwähnen gehören erst einer 

Sleutend spateren Zeit an als der wo sie aufgelost sein sollen* 
i einem solchen Verfahren hört alle historische Kritilt auf. 

* CnQt*s weltliches Gesetz c. 20: And we wyllaif {»»t selc 
freoman beo on hundrede and on tectfunge gebroht f>e lade wyrife 
beon wylle of>I>e weres wyrlfey gyf hine hwa afylle ofer 12 wintre, 
o]>I>e he ne beo sy{>f»an seniges freorihtes wyrde, sy he heoiif-faest 
sy he folgere. And {»et selc sy on hundrede and on borge gebroht, 
and gehealde se borh hine and gelaede to aelcan rihte. 



245 

nicht würdig zu irgend welchen Rechten eines Freien, 
möge er ansässig sein oder Folger. Und dass jeder 
in eine Hundertschaft gebracht sei und unter Bürgschaft, 
und der Bürge halte und leite ihn zu allem Rechte — 
Hier wird ein doppeltes verordnet, dass jeder sich in 
einer Hundertschaft und Zehntschaft befinden , und dass 
er einen Bürgen haben soll der für sein Erscheinen 
vor Gericht einstehe ; und dies scheint mit der Einrieb-' 
tung' des Fridborg nahe genug zusammenzutreffen. Doch 
ist noch ein sehr wesentlicher Unterschied ^. Auch hier 
verbürgen die Mitglieder der Zehntschaft sich nicht gegen- 
seitig , sondern auch nach diesem Gesetz soll jeder zusehen 
dass es einen Bürgen finde; wohl verbürgt einer den 
andern, doch nur wie sie freiwillig sich dazu vereinigen ^. 
Dann ist wenigstens noch^ zweifelhaft ob die Zehntschaft 
hier eine blosse Vereinigung von zehn Personen bedeu- 
tet; am wenigsten kann man annehmen dass Cnut solche 
durch dieses Gesetz eingeführt habe; was. er verordnet 
ist eigentlich nur, dass jeder, auch der einen Herrn hat, 
in die Zehntschaft eingeführt werden und einen bestimm- 
ten Bürgen stellen soll. Denn es wird hinzugefügt, 
mancher mächtige Mann wolle seine Leute vertheidigen 
wie es ihn am besten dünke, bald als Freie bald als 
Hörige ; diese Ungerechtigkeit wolle der König nicht 
dulden, und darum solle jeder Freie, möge er selb- 
ständig sein oder in Dienstverhältnissen stehen, d€bi 

> Und der ist mit Recht hervorgehobea von Palgraye I, 
p. 196. ir, p. CXX. • 

* Wilda, Slrafrecbt p. 71, erklärt dies Gesetz nicht richtig, 
wenn er durch dasselbe die allgemeine gegenseitige Verbiirgung ein- 
fuhren lässt. 



aUgemeioea Ge$eUe folgeo. Weiter fiaden sieh Yor« 
schriften, wie es n»it dem gehalten werden soll der 
das Vertrauen beim Volk oder bei der Hundertschaft ^ 
-— von der Zebntschaft auf die es, wenn die Fridborg 
bestanden hätten, besonders ankommen mosste, ist hier 
nicht die Rede ' — * verloren hatte. Kann er noch 
Bürgen finden, so ist es gut; sonst bemächtige man 
sich seiner und nehme ihm alles was er hat; ist jemand 
bei allem Volk ohne Vertrauen und kann gar keine 
Büxgschaft finden, so tödte man ihn als einen Schuldigen ^. 
Alle diese Vorschriften zeigen, dass hier die Bürg- 
schaft etwas freiwillig übernommenes ist, nichts gesetzlich 
für den einzelnen bestimmtes. Jeder soUte einer Hundert- 
schaft und Zehntschaft angehören , jeder Bürgschaft suchen ; 
aber nicht jeder fand sie. Da iat es denn begreiflich 
dass man später noch einen Schritt weiter ging und eine 
allgemeine Einrichtung traf, nach der jeder bestimmte 
Bürgen haben und selbst wieder Bürge sein musstte. 
Nicht der bestehenden Zebntschaften , die Eintheilung des 
Landes waren, bediente man sich dazu, sondern man 

^ c. 26 jfolceun^etrywcS c.3p ,UDgetrywe ^am handrede * 
scheint mir Schmid richtig zu übersetzen , ohne Vertrauen % er durfte 
dann aber auch c. 32 (30 seiner Ausgabe) ,sy ^e eallum folce 
angeirywe sy^ nicht übersfitzen: , allem Volk ungetreu ist^ 

* UeberhfMipt niqht vqa dieser, sondern iiiinier nur von der. 
Hunder^tschaft. Wer VerlrtMien hat, kann sich mit einfachem Eid 
reinigen, wer unglaubwürdig ist, dem soll ein Eid in drei Hundert- 
schaften gewählt werden (c. 22); die Hundertschaft erhalt die 
Half^ VOR con^scirtMP Gut eiaea der keive Burgsclicft gefunden 
hat (g.25); ihr mass man sich verantworten, bei ihr ist alle Ent- 
scheidung (c. 30. 31). 

* A^ch Aßthelr^ l, 4 verorduot die« wenn jefnti)4 ohn« 
Burgen ist. 



347 

l^idete neue Abtheilungm von je zehn freiem Manuetn^j 
and legte ihnen die Pflicht auf immer einer für ^ den 
andern die Bürgschaft tu leisten die früher jeder sieh 
erst d«irch besonderes Abkemmen mit dieseitir oder jenem 
verscshaften musste. Und als diese Einrichtungen einmal 

^ Diese YerschiedeDheit der ZehniechafteR erkeRneii freilkll 
die meisten Forscher nicht an. — Palg^rave aber nnterscheidet sie 
sehr bestimmt II, p. CXXI: Such divisions — are clearly to by . 
distingnished from tbe personal arrays. Üemelbe sagt I, p. 192: 
TytbiogBj araociations whicb, in tfae Sazon era, were of onequat 
exteot, according to the custom of the conntry, ten behig the 
smallest number of vvhich a Tything could be composed , and from 
wbence it derived its name. Er halt überhaupt die Zehh2ahl für 
gflME unwichtig. Er sagt p. 197: the coIlecHve Free- l^iedges were 
not formed according to a uniform system. In East Anglia, in 
'Middlesex, inKent« and in many Sbires ofMercia theVillains were 
toid otr into bands, of not less tlian ten, commanded by the chief 
Piedge or Senior of the Borgh , from' whose pe^soaal apt)e1lBtidii 
tbe »Tything' or , Borgh ^ was named (& B. Fnincui^ Plegiifs Hu- 
gonis de la Grave, Decenna Thomae de Westen, wie die Beispiele 
hier und andere il, p. CX'Xr n. angeführt wefdett), jufet as in 
common langaage a compaiiy of aoldi^rs it cafled after its offieer. 
An ancient fragment of a Saxon custumal shows that the number 
might be greatly extended by the custom of the country, and, 
occasfonally, tbe wbole Towttship formed but one Fi^nkpledgts, ta 
which tbe name of Tythiog was gjiven; iil some of the Shirei of 
Wessex and Mercia we find them nsed as convertible terms , yet not 
so but that it jji^y be pecceived that the , Villa' was the designa- 
tion of the district; whilst the ,Theoting' was the proper denomi- 
uation of the inhaMtumfa whlch it contained. Diese Bein^tküng^ 
gründen sich znm Theil auf eine p. CXXV n. mitgetheilte Stella 
des Holkham Manuseript (s. Therpe, in dtt Vorrede p. V. Xl); 
I>eeimatio continet decem^ septuagtnta Tel octoginta horiiiues , secüti^ 
dorn loci consuetiidinfem , qol omaes debent ess« fidejussores sitign- 
lorum, ita quod si quts illortftf calumpnia patitur, eeteti Whttä 
pteducant ad jfustitiam , et sl' negat, es sna prot>*tfa d^citoatioii^V^f- 
gationem legfl^em* debet halrer^. DeyHtfati» autem alicubi dtcituf 
vulgo warda, id est observatio, BdAlüet svbf ofta socfetate tfrbetti TCfl 



248 

getroffen waren, oder gleich während mau sie traf, fügte 
man^noch andere Bestimmungen hinzu , welche dazu bei- 
tragen sollten die Rechtssicherheit zu erhöhen : wenn die 
Genossen sich nicht von jedem Verdacht der Theihiahme 
reinigen, den Thäter nicht vor Gericht stellen konnten, 
so sollten sie fiir den Schaden den er angerichtet haf- 
ten, sobald sein eigenes Gut nicht ausreichte ihn zu 
decken. Von etwas derartigem ist früher nirgends die 
Rede; es muss eine ganz neue Einrichtung sein, die 
ausser allem Zusammenhang mit älteren Gewohnheiten 
und Rechtsbestimmungen steht, bei der wohl andere 
Einrichtungen namentlich die der Gilden als Vorbild 
gedient haben , die aber den Charakter legislativer Vor- 
schrift deutlich an sich trägt, die nur durch eine starke 
umfassende Herrscbergewalt eingeführt sein kann , da sie 
in die Verhältnisse des Privatrechts mächtig eingreifen und 
den Zustand aller einzelnen wesentlich verändern m.usste. 

Wir suchen aber vergebens nach einem Gesetz, 
das diese Einrichtung begründet habe. Die Rechts- 
sammlung die den Namen Eadward's des Bekenners trägt 
kündigt sich an als eine Aufzeichnung sächsischer Rechts- 
grundsätze, die unter der Herrschaft ^Wilhelm's des 
Eroberers bestätigt wurden, damit der Rechtszustand 

centenam debent servare. Alicabi dicitar horch , Id est fidejussor, 
propter saperius dictam causam, scilicet fidejussorem (fidejussio- 
nem?) coaimnneiii ; aticubi vero decimatio, quia decem ad miaus 
debent inesse. — Ans allem diesem erhellt dieutlich , dass diese wirk- 
lichen oder sogenannten Zefantschaften mit denen welche man als eine 
Eintheilung des Landes ansehen moss nichts zu thun hatten. In 
lateinischen Urkunden heissen jene ^decenna', II, p. CXXJII n. 31, 
CXXIV n. 32. Nach späteren Berichten (a. a. O.) sollen sie aber 
aus 12 Personen bestanden haben. 



249 

der unter dem letzten Angelsachsen Eadward bestanden 
hatte aufrecht erhalten oder hergestellt werde ^. Eadward 
aber hatte den Thron bestiegen als die Herrschaft der 
Dänen zu Ende gegangen war. Es scheint an sich nicht 
unwahrscheinhch , dass er , der die Verhältnisse der Insel 
neu zu ordnen hatte, jene Einrichtung traf, von der, 
wie wir gesehen haben, zu König Cnut^s Zeiten noch 
keine Spur sich fand. Doch ist noch anderes zu erwägen. 
Man wird zuerst dagegen einwenden müssen, dass 
in den Gesetzen WilheWs selbst dieses Instituts keine 
Erwähnung geschieht, dass im Gegentheil hier ein ähn- 
licher Zustand wie unter Gnut und den früheren Königen 
angedeutet zu werden scheint. Es heisst I , c. 20 : 
,e puis seient tuz ies uilains en francplege^ (c. 25 des 
lateinischen Textes : , Omnis qui sibi vult justiciam exhi- 
beri vel se pro legali et justiciabili haberi sit in franc- 
plegio^); III, c. 14: , Omnis homo qui voluerit se 
teneri pro libero sit in plegio, ut plegius eum habeat 
ad justiciam si quod offenderit^ Gesetze, welche nur 
die Vorschriften der altern angelsächsischen Könige wieder- 
holen, dass jeder sich einen Bürgen suchen soll, und 
die mit der Einrichtung der Fridborg kaum verträglich 
erscheinen. Es heisst in der letzten Stelle weiter: ,Et 
quisquam evaserit talium, videant plegii ut solvant quod 
columpniatum est, et purgent se quia in eväso nullam 
fraudem noverint. Requiratur hundredus et comitatus, 
sicut antecessores statuerunt; et qui juste venire debent 
et noiuerint, summoneantur semel; et si secundo non 

' So die Ueberschrift der Gesetze p. 100. Die Stelle des 
Chron. Lichfeldiense ,' die Thorpe in der Vorrede p. V anführt, ist 
nur hieraus und aus c. 34 abgeschrieben. - 



SSO 

venerint, acciptatur unus bos; et st tercio, alms bos; 
et si qoarto, reddatur de rebus hujus hoRMois quod 
ealampniatom est, quod dicitur ceapgeid et kisuper regis 
forisfaetura ^ Das sind BestimmangeB die wohl eine 
gewisse Aehnlichkeit mit denen haben welche in den 
Fridborg galten , doch auch wieder in sehr wesentlichen 
Punkten von ihnen abweichen, bei denen es naraentKcti 
anflaüt, dass der Hundertschaft gedacht wird und nicht 
jener Eintheilung nach Zehnen^ 

Erinnern wir uns nun der Worte des c. 28 der 
Leges Edwardi : ,Gum autem viderunt quod aliqui stiilti 
libenter forisfaciebant erga ticinoa snos, sapienciores 
eeperunt consilium inter se quomodo eos repri-« 
merent et sie imposnerunt justioaarios supes 
quosque decem fridborgos, quos decano^ posra-' 
mus dicere etc. % so müssen wir fragen, wer diese 
weisen Männer waren denen diese Einrichtungen tage-* 
schrieben werden. Im unmittelbar vorhergehenden ist 
Yon ihnen nicht die Rede, unbekannte weise Münner 
des Alterthums aber können doch nicht so aof einmal 
eingefühtt werden; es unterliegt wohl keinem* Zweifel 
dass die gemeint sind von welchen es in der IJeberschrift 
heisst: der König ,fecit summoniri per nnivepsos petrie 
oomitatus Anglos nobiles, sapientes et in lege sna era-* 
ditos^ Von ihnen wird im folgenden erzählt; niefat 
ihre Arbeit, sondern einen Bericht über ihre Arbeit 
haben wir vor uns. ,A sancta igitur ecclesia, heisst: es 
c. 1, eix)rdium sumentes — pacem itlius et libertatem 
concionati sunt dicentes ^ ; in c. 34 wird über den 
Erfolg ihrer Thätigkeit berichtet ; an mehr als einer 
Stelle zeigt der Schreiber dass er ein NariMnoe 



35t 

ist ^. Also nach der Meiouag eines Autors*, der in der 
spateren normannischen Zeit diese AuCEeichnung unter- 
nahm ,' haben weise Männer aus den Angelsachsen unter 
der Regierung Wilhebn's des Eroberers die Zebntscbaf- 
ten eingerichtet. Man kann einwenden, er sage dasselbe 
von den Hundertscliaften , von denen wir wissen AdA9 
sie in älterer Zeit schon bestanden. Aber seine Hundert*^ 
Schäften sind so wenig wie die Zehntschaften die alten 
territorialen Eintheilungeu dieses Namens* Demt wie 
die Zehntschaften aus zehn, so besteben jene genau aus 
hundert Personen ^, da doch natürlich dieser Begriff der 
Hundrede in den sechs Jahrhunderten angelsächsischer 
Herrschaft längst untergegangen war ^. Ist die Nachricht 

' c. 35: nominavit eum «{»eling qqod dos dicinus domicelr 
luni; sed dos de pIuribuB, quia filios baronum Tocamus domicellos, 
Angli autem nullum preter filios regnm vocant c. 11 wird der 
Enkel Wilhelm's des Eroberers 'Wilhelm der Rothe getiannt Doch 
ist die Zeit der EntstehuDg nicht ganz deutlich. Die Gesetze Ead- 
ward's (laga regisEdwardi) werden meines Wissens zuerst erwähnt 
in der Urkunde Heinrich's I. die den Anfang der Leges Henrici I. 
.bildet, c. II, S 1. 4. So werden wir doch nicht mit Phillips^ Engl. 
Reichs - und Rechtsgeschichte I , p. 2$t4., ihre Abfassung bis in die 
Zeit Heinrich's II. hinabsetecn können; wir mussten denn den vor- 
handenen Text von dem dort und sonst angeführten für verschieden 
oder die Urkunde für falsch halten. 

• Denn die Erklärung von Savigny I, p. 278 n. und Phil- 
Hps, Angels. Rechtsgesch. § 31 n. 304, dass die Hundertschaft ans 
100 Fri'tfborg von je zehn Personen bestand, halte ich entschieden 
far unrichtig; vergl. R. Schmid p. 237, Yelschow, de institntis 
militaribns p. 55 n., Lappenberg 1, p. 568 n. Fri-ffborg bedeutet 
in diesen Gesetzen Bürgschaft (c. 21), die Zehntschaft deren Mit- 
glieder in solcher Bürgschaft unter einander stehen (c. 20), das 
einzelne Mitglied derselben (c. 28). 

• Der Verfasser geht freilich von diesen Hundertschaften 
c. 29 KU dem hundredum über in c. 29 und 30 , doch sagt er selbst 
nicht dass sie identisch sind; sehr möglich dass er jene sich blo9 
erdichtete ; s. die folgende Note. 



353 

also nicht ganz aus der Lull gegriffen, ^o ist auch hier 
von einer neuen Einrichtung die Rede, bei der man 
sich wohl an ältere Namen und einst gewesene Verhält- 
nisse anschloss , die aber durchaus auf andern Grundlagen 
beruhte ^. Mit dieser ganzen Einrichtung stehen nun 
aber die Bürgschaftsverhäitnisse , die in c. 20 geschildert 
werden, in der nächsten Verbindung, sie können ohne jene 
^gar nicht gedacht werden. Sie sind aber zu genau beschrie- 
ben um zu zweifeln dass sie jemals Statt gefunden hätten ; 
' — und es ist dies der Grund warum ich auch den Nach- 
richten des c. 26 nicht den Glauben versagen mag — ; 
sie können dann aber erst unter oder nach der Regie- 
rung Wilhelm's des Eroberers eingeführt sein , und der 
Zustand in dem sich das neue Reich damals befand 
konnte dazu leicht genug einen Anlass bieten. Es ist 
zudem , wie wir sahen , doch nur eine consequente Fort- 
bildung dessen was unter Cnut und seinen Vorgängern 
angeordnet war und was Wilhelm selbst durch andere 
Gesetze bestätigt hatte. 

Doch darf ich nicht verhehlen , dass man einiges 
gegen diese Ausführung einwenden kann. Vorzüglich 

^ leb läugne nicht dass hier manches dunkel bleibt. In den 
Leges Henrici I. c. VI, § 1 heisst es: comitatus in centuiias et 
si^essocna disttngunntur. Centurie vel hondreta in decanias vel 
decimas et dominorum plegios. Darnach sind die Bürgschaftsver- 
bindungen von den ( alten ) Zehntschaften verschieden ; doch ist nur 
Ton den alten Hundertschaften die Rede , und dass andere gebildet 
seien von wirklich 100 Personen bleibt in der That sehr zweifelhaft. 
Dagegen bestätigt auch c. VIII, § 1, wie schon oben p. 238 n. 5 
angeführt ist, das Vorhandensein wirklicher Zehntschaften ; nur darf 
man nicht S 2 die Worte , vel plegio liberali * mit R. Schmid p. 298 
für eine Erklärung des vorhergehenden ,decima% für eine Ueber- 
setzung also von ,friiFborg^ halten. 



253 

dass Geschichtschreiber des 12ten Jahrhunderts dem 
Aelfred dieselben oder doch ähnliche Einrichtungen zu- 
schreiben wie wir sie in den Leges Edwardi dargestellt 
finden. Beim Ingulphus ^ lesen wir: 

Exemplo namque Danorumqne colore etiam quidem indigeaarnm 
latrociDiis ac rapinU incendere coeperant duos cupiens rex com- 
pescere et de hojasmodi excessibus cohibere, totias Angliae pagos I 
et proTincias in comitatas primus omniani commatavit ^ comitatus 
in centnrias id est hundredas et in decimas id est titbingas * divi- 
Sit, Qt omnis indigena legalis in aliqoa centaria et decima existeret, 
et si quis suspectus de aliqno latrocinio, per snam centuriam vel 
decnriam vel condempnatns vel invadiatus poenam demeritam vel 
incnrreret vel vitaret. Praefectos vero provinciarum , qni antea vice- 
domini, in duo officia divisit, id est in judices quos nunc justitia- 
rio8 vocamas , et in vicecomites qni adhoc idem nomen retineot. 

Und Willelmus Malmesburiensis erzählt^: 

Et quia occasione barbarorum indigenae etiam in rapinas anhe- 
laverant , adeo ut nulli tutus commeatus esset sine armorum prae- 
sidio , centurias quas hundred dicunt et decimas quas tithingaa 
vocant instituit, nt omnis Anglus legaliter duntaxat vivens baberet 
et centuriam et decimam. Qnod si «quis alicujus delicti insimulare- 1 
tar, statim ex centnria et decima exhiberet qui eufb vadarentnr; 
qui vero ejnsmodi vadem non reperiret, severitatem legum h^^rreret. 
Si quis autem reus vel ante vadationem vel post transfugeret, omnes 
ex centnria et decima regis mnitam incurrerent. 

Beide Nachrichten obschon sie nicht ganz über- 
einstimmen , hängen aufs genauste zusammen und sind 

^ f 1130. Ich habe nur die Ausgabe von Savile (Francof. 
1601) benutzen können. Da steht die'Stelle p. 870. 

^ ^trithlngas^ hat die angeführte Ausgabe. 

® "i 1141. Anch hier habe ich der neuen früher von mir 
benutzten Ausgabe von Hardy jetzt entbehrt. Es ist B. 11, Sa- 
vile p. 44. 



954 

wesentlich nur Für Ein Zeugniss «u halteh ^. Es ist 
hier aber offenbar die Rede von der Eintheilung des 
Landes in Hundertschaften und Zehntschaften, wefehe 
keinen Zusammenhang mit der Bürgschaft der Fridborg 
hatte; sodann wird die Vorschrift, die wir erst in K. 
Gmit's Gesetzen fmden, dem Aelfired zugeschrieben, da 
doch weder seine noch die Gesetze seiner Nachfolger 
irgend etwas derartiges enthalten; weiter heisst es beim 
Wnielmus, dass jeder Angeklagte sich selbst einen Bär- 
gen suchen solle , eine Nachricht die wieder dem Beste- 
hen der Fridborg widerspricht und an jene Gesetze K. 
Eadgar's und seiner Nachfolger erinnert; erst ganz zuletzt 
wird hinzugefügt was auf die Einrichtung einer förmli- 
chen Gesammtbürgschaft sich zu beziehen scheint ; doch 
wird auch nicht gesagt dass die Genossen der Zehnt- 
schaft und Hundertschaft für den Flüchtigen hafteten 
sondern nur dass sie bestraft wurden wenn sie den 
Schuldigen entfliehen liessen. — Wir sehen, hier ist 
90 verschiedenartiges in solcher Verwirrung zusammeti« 
gehäuft, dass wir diese Nachrichten unmöglich für irgend 
begründet halten können; die Ehitheilung des Landes 
in Handertschaften und wahrscheinlich auch in Zehnt-^ 
Schäften gehört einer viel früheren, das übrige was an 
sie geknüpft wird einer entschieden späteren Zeit an; 
Schriftsteller des 12ten Jahrhunderts haben das wovon 
sie nar unsichere Kunde hatten auf deA Namen des 
grossen Königs zurückgeführt, der ihnen der Gründer 

1 Vergl. Lappenberg I, p. LXIII. Doch mochte ich nicht 
glauben dass diese Steifen aus Wllbeltt dem Text des Jngulph 
erst später elirgeschaltet seien. 



355 

eiaes neuen En^aods zu seia schien ^. Am wenigsten 
können sie, die des eigentlichen Fridborg gar nicht 
gedenken 9 unserer Annahme dass dieser vor der nor- 
mannischen Zeit nicht bestanden • habe , entgegen gehal-* 
ten werden. 

Denn mag auch der Beweis den ich zuletzt zu 
föhren suchte , dass nach dem Verfasser der sogenannten 
Leges Edwardi erst die Weisen aus dem Volke der Angel- 
sachsen unter König Wilhelm die Einrichtung der Frid- 
borg getroffen haben , für nicht völlig ausreichend gelten : 
so hat uns doch die genauere Untersuchung der Biirg- 
schaftsverhältnisse bis auf Cnut's, ja bis auf Wilhelm's 
Zeiten^ gezeigt , dass die Gesammtbürgsehaft wie sie dort 
beschrieben wird früher nicht bestand und vor der nor- 
mannischen Zeit nicht eingeführt worden sein kann. Sie 
ist nichts angelsächsisches, nichts eigenthümlich germani- 
sches, sie ist das Produkt einer lange fortgesetzten, 
consequent fortschreitenden polizeilichen Legislation 2. 

' Ich kann mich mit der Art und Weise wie Lappenberg 
1 , p. 334 diese Nachrichten deutet und auslegt nicht befreunden ; wenn 
ich gleich gerne zugebe dass eine Hersteilung und zum Theil neue 
Anordnung der verschiedenen hier erwähnten Verhältnisse vom Ael- 
fred vorgenommen worden sein mag. Vergl. R. Schmid p. 240. 

^ Ich hatte diese Darstellung vollendet , als ich durch die Güte 
des Herrn Dr. Lappenberg Palgrave's oben angeführtes wichtiges, 
auf dem Continent zn wenig bel^aontes Buch erhielt. Ich habe hie 
und da noch einzelnes aus ihm nachtragen können , jedoch keinen 
Grund zu irgend welcher Veränderung meiner Ansieht gefunden. 
Idi glaube aber hier den Gang seiner Untersuchung und die wich- 
tigsten Resultate angeben zu müssen. Nachdem Palgrave sich gegen 
die übertriebenen Vorstellungen einiger englischen Schriftsteller von 
der Bedeutung und Wichtigkeit der Rechtsbargschaft erklärt hat 
(I, p. 192), unterscheidet er zunächst zwischen der Bürgschaft 
des Herrn für seine Untergebenen und der Gesammt- oder gegen- 



356 

Und erinnern wir uns nun dass Moser aus diesen 
Nachrichten seine Ansicht von der Gesammtbürgschaft 

# 

seitigeD Bürgschaft der Nachbarn, die auf den Zehntschaftea be- 
ruhte. Die Zeit da die letztere entstand , sagt er, sei nicht bekannt, 
wahrscheinlich habe sich vor der Eroberung der Normannen die 
Verbindung die auf Verwandschaft bernhte hierzu ausgebildet. Denn 
in der Zeit der danischen Herrschaft waren die Bande der Verwand- 
schaft gelost und unsicher geworden , Raub und Diebstahle nahmen 
Ueberhand , und die Gesetze die auf eine Verborgnng der einzelnen 
abzweckten wurden geschärft. Doch wird anerkannt dass weder 
hier, noch in den Gildestatuten, noch in den Gesetzen Cnnt's, noch 
in denen Wilhelm's des Eroberers die Gesammtbürgschaft der 
freeborg ( so schreibt der Verfasser) sich finde; und es wird hinzu- 
gefugt (p. 196), wir müssten uns begnügen dies Institut zu betrach- 
ten wie es sich nach der Eroberung in Ostangeln, Kent, Wessen 
und einigen Theilcn von Mercia fand. Hier zeige sich nun, dasa 
die Mitglieder der ersten Klasse aller Angelsachsen , die Twelf- 
hendmen , als Herren andere als Untergebene in Bürgschaft hatten, 
die der untersten aber, die Twyhendmen, die doch noch frei wa- 
ren, in solchen Vereinigungen von bald geringerem bald grosserem 
Umfang, die doch alle Zehntschaften hiessen, sich befanden 9 wäh- 
rend die zweite Klasse, die in der Mitte zwischen beiden stand, 
weder andere verbürgte noch selbst der Bürgschaft bedurfte. — 
Palgrave erklärt sich dann gegen die Meinung dass solche Gesammt- 
bürgschaft auch auf dem Continent sich finde und das Vorkommen 
der Zehntschiiften etwas dafür beweise; denn nicht die Eintheilung 
nach zehn, sondern die gegenseitige Verantwortlichkeit mache das 
Wesen des angelsächsischen Institutes aus. Er äussert dann die 
(von Lappenberg I, p. 588 aufgenommene; s. oben p. 239 n. 1 ) 
Vermuthnng, es möge diese Gesammtbürgschaft in militärischen 
Verhältnissen ihren Ursprung oder ihr Vorbild haben; ,wardS die 
Wache, und ,teothing' würden gleichbedeutend gebraucht, auch 
sonst seien militärische Einrichtungen zu friedlichen umgewandelt 
worden. Es wird weiter bemerkt dass einzelnen Gegenden Englands, 
namentlich Northnmberland, das Institut überhaupt unbekannt gewe- 
sen sei , dass dort aber die allgemeine Verpflichtung der Gemeinden 
ihre Stelle vertreten habe. Nur als eine Modification dieser , schliesst 
Palgrave, erscheint die Gesammtbürgschaft; ohne Verbindung mit 
Gerichtsbarkeit, noch weniger mit irgend einem Vorthell für das 



257 

entlehot und keine andere Beweise beigebracht hat, dass 
alle späteren , so viel sie auch sons^i Spuren des Institutes 
nachweisen zu können glaubten, doch immer hierauf 
zurückkommen und einräumen mussten dass eine eigent- 
liche Darstellung der Sache nur aus dieser Quelle 
entnommen werden könne: so werden wir wohl sagen 
dürfen, dass eine grössere Täuschung, ein gröberer 



Volk, war die Zehntschaft eine Verbindaog (Geschlecht, sept), 
Dicht durch Verwandschaft, sondern darch das Gesetas begründet, 
zuerst wahrscheinlich anf bestimmte Distrikte beschrankt, nnd nach- 
her weiter ausgedehnt (p. 204). — Was das Wesen der Sache 
betrifft so stimme ich dem Verfasser ganz bei; (er sagt p. 192: 
9 Statt aus der Ausübung constitationeller Freiheit hervorzugehen, 
ist es vielmehr zu betrachten als ein System strenger Aufsicht, 
Unterordnung und Einschränkung'; II, p. CXXVI: ,e8 war eine 
Beschrankung den Klassen aufgelegt welche ihrer Lage nach ursprüng- 
lich dem Verdacht und dem Misstrauen ausgesetzt waren; es war 
ein System blos erdacht um das Volk in Unterwürfigkeit zu halten 
und wohl geeignet dieser Absicht zo entsprechen*.). Dagegen scheint 
mir die Entstehung nicht bestimmt genug ins Auge gefasst zu sein. 
Falgrave bemerkt freilich (p. 201) dass die Einrichtung wahrschein- 
lich durch Wilhelm den Eroberer verstärkt und mehr befestigt , auch 
aber die ursprünglichen Grenzen aasgedehnt worden sei > eben als ein 
Mittel das Volk besser in Gehorsam zu halten ; doch giebt er immer 
noch die Jdee eines älteren Ursprungs nicht auf. In dem zweiten 
Bande (p. CXXllI), wo er anf diesen Gegenstand zurückkommt, 
meint er die Gesammtbürgschaft sei gegen das Ende der angelsäch- 
sischen Herrschaft in Wessex und Mercia zur Ausbildung gekommen, 
zwischen Cnut und Wilhelm dann weiter entwickelt worden; es ist, 
sagt er, nicht unwahrscheinlich dass die Normannen vollendeten 
was die Dänen begonnen hatten. Ich erwidere hierauf blos , was ich 
oben auszuführen . suchte , dass sich vor der normannischen Zeit 
kein Zeugniss , keine Spur des Institutes findet, während es nachher 
häufig erwähnt wird nnd in den Rechtsverhältnissen der normanni- 
schen Zeit eine bedeutende Stellung einnimmt ; nnd ich glaube dar- 
nach mit Sicherheit annehmen zu dürfen , dass es in dieser nicht blos 
umgebildet und ausgedehnt, sondern zuerst eingeführt worden ist. 

17 



Irrthoi» sdteo «of dem Gebiete der Getchichte erfbn» 
den worden itt 
y Cs gib keine Gesamintbärgscbaft unter den Angel- 

sadiien, weder für deg Wehrgeld noch id irgend wel- 
chem andern Sin* , weder wr üoch nach Aelfred's Zeiten. 

Nun wird es leicht zu erweisen sein dass auch bei 
andern deutschen Stämmen, wenigstens in älterer Zeit, 
keine Einrichtungen, keine Verhältnisse bestanden, die 
man^mit diesem Namen zu bezeichnen berechtigt wäre. 

Man beroft sich zunächst darauf dass es auch 
anderswo Zehntschaften gab wie bei den Angelsachsen 
und dass die gleiche Eintheilung auch gleiche Einrich- 
tungen vernratheo ksse. Die Behauptung ist freilieb 
schon entkräftet, wenn wir daran erinnern dass die alten 
Zehntschaften der Angelsachsen , eine Eintheilung des 
Landes, sich als völlig verschieden zeigen von jen^ 
welche Fridborg hiessen und die bestimmt aus jedesmal 
zehn Personen, oder sei es auch Grundbesitzern, bestan- 
den, und dass also, wenn auch eine Unterabtheilung der 
Hundertschaften die jenen älteren entspräche bei andern 
deutschen Stämmen nachgewiesen werden könnte, dies 
keineswegs berechtigen würde in ihnen solche eigen- 
thümliche Bürfsehaftsverhältnisse vorauszusetzen. Aber 
ich glaube auch nicht dass es jemals solche Zehntschaften 
bei den Deutschen gegeben hat. 

Ich bemeri^e zonädist dass ein deutsches Wort 
für diesen Begriff sich nirgends findet ^ ; lateinisch müssen 

1 DeiiB ,s6baaDBga' Ib einigen Glowen als Üebersetsmg 
VOR ,^iiria^ (Graff, Sfracbscbati Y, p. 630) dürfen wir d«oli 
niebt so anseben. VieHeicbt hatten wir aber Grand biemacb »Utt 
yZebnliebaft' a« sagen ,Zebn«iig'. 



w ,deeani«^ oder ,decuria^ erwarte»; und jelic« lasen 
vir in dem Gesetze der Westgothen ^ ; es bezeichnet 
hier aber eine blosse Heereseintheilung , und ick habe 
schon oben bemerkt ^, dass vir. durchaus keinen Grund 
haben diese weitere Gliederung des Heeres Tur etwas 
ursprüngliches, mit einer Eintheilung des Volkes oder 
Landes zusammenhängendes zu halten« — An vielen Stel- 
len begegnen wir wohl einem decanus, einem Zehniog 
oder Zehninger wie wir nach dem Vorgänge alter Gl<^«* 
sen ^ übersetzen dürfen j aber die Bedeutung desselben 
ist eine sehr verschiedenartige, und auf ein Vorhanden-^ 
sein von Zehntschailen, deren Vorsteher, Richter er 
gewesen wäre, lässt sich nirgends scbliessen ^. 

Bei den in Deutschland sesshaft gebliebenen Völ-* 
kern findet sich das Wort höchst selten; ich kann nur 
eine Stelle des bairisehen Gesetzes, aus alatnannischen 
oder gar thüringischen, sächsischen, friesischen Monu-^ 
menten kein einziges Zeugniss beibringen; dort bezeich- 
net es freilich einen Unterbeamten des centurio, aber 
im Heere, in rein militärischer Beziehung '^. Man weiss 

> IX , 2 , 4 : Si decanng retinqneos decaniam suam de ho«U 
ad domum snani refagerit etc. ^ p. 4T. 

^ S. die Stellen bei Graff a. a. O. — , SchultiieiM ' fw das dem 
decanufl entsprediende Wort sa balten (Giehbora $ T4), scheint 
mir ohne allen Grund. 

^ Das ist für Gallien auch das Resultat der ersten grund- 
lidien Untersuchung über diesen Gegenstand Ton Gu^rard, essat 
sur le Systeme des divisions territoriaies de la Gaule p. 61 ff, 

* 11 y 5 , ] : Si quis in exercitu iufra provinciaa sine jus* 
sione dncis sui per fortiam bostilem aliqnid depraedare Toluerit — ^ 
hoc omnim» detestamur ne tiat. Et exinde curam habeat comes in 
suo comitatu. . P^^ni^t enim ordiaationem suam super centuriones et 
decBuos , et unusquisqiie prevideat siios quas regit ut contra legem 
neu faciant. 

17* 



900 

das8 auch in andern Verhaltnissen das bairische Gesetz 
dem westgoihischen nahe steht, aus demselben wie es 
scheint zum Theil entlehnt ist ^ ; ich erinnere daran dass 
auch jsius allgemeinereo Gründen bei den Baiern eine 
Herkunft aus gothischem Stamme angenommen worden 
ist ' ; ich bin jedenfalls überzeugt dass die Stelle nicht 
mehr erweist als was die Worte enthalten, dass es im 
bairischen Heer eine Gliederung nach Zehnern und dem 
entsprechende Befehlshaber gab. 

Dass dasselbe aber bei den Westgothen der Fall 
war-^, habe ich schon früher bemerkt, und des Decanus 
erwähnen die Gesetze in Verbindung mit den Millenarien 
und Centenarien an mehreren Stellen ; er ist Befehlshaber 
der kleinsten Abtbeilung im Heer, er scheint wie die 
übrigen Heerführer zugleich richterliche Functionen aus- 
geübt zu haben ^. Bei den Ostgothen und Vandalen 
dagegen wird er nicht genannt^. 

' Diese Meinung ist mir wahrscheinlicher als dass umgekehrt 
die Westgothen das bairische Rechtsbuch benutzt hatten; vergl. 
Bichbom I, § 40. Eio ähnliches Gesetz ist VIII , 1, 9, das wohl 
in der altem Redaction dem der I^x BajuTariorum zu Grunde lie- 
gen konnte. 

* S. meine Bemerkungen in der Einleitung. 

' Die Hauptstelle ist: H, 1, 26: dnod omnis qni potesta- 
tem accipit judicandi judicis nomine censeatur ex lege. — ideo dux, 
comes , vicarlus , pacis assertor , tiuphadus , millenarius , quiogente- 
narius, centenarius', decanus ^ defensor, nomerarlus etc. Die mili- 
tärische Bedeutung erhellt aus den Gesetzen von IX, 2. Gleich 
das erste Gesetz heisst: Si hi qui in exercitu praepositi sunt etc. 
Sl certe decanus fnerit etc.; dann die schon angeführte Stelle c. 4; 
ebendaselbst heisst es: Quod si aliquls qui In thiuphadia sua foerat 
nnmeratus sine permissu thiophadi sui vel quingentenarii aut cen- 
tenarii vel decani sui de hoste ad domum suam refugerit etc. 

* Nur der Analogie nach glaubt Marcus, histoire des Tan-- 
dalet p. 190» auf das Yorhandensein der decani schliessen su 



261 

Als richterlicher oder polizeilicher Beamter erscheint 
der decanus in den älteren Gesetzen der Langobarden ^ ; 
auch in den der fränkischen Zeit kommt er vor ^ ; über 
seine Stellung aber sind wir weniger im klaren als 
irgendwo sonst; nur das scheint deutlich dass er unter 
allen die unterste Stelle einnahm ^, und nach der Ana- 
logie' der westgothischen Einrichtungen mögen wir wohl 
vermuthen dass auch hier eine Eintheilung des Heeres 
der Ursprung dieser Würde gewäsen ist *. 

Am häufigsten werden decani in den fränkischen 
Quellen genannt; aber hier hat das Wort einen sehr 
verschiedenen Sinn. Von der Bedeutung desselben in 

dürfen. — Ich trage hier die Bemerkang nach (zu p. 47 n. 1 ) dass 
derselbe aas dem Victor Cartennensis. den Namen ,taihanhundafath^ 
für den millenarius beibringt, Nar ist die Existenz dieses Bachs 
mir einigermassen verdächtig. Nach dem Verfasser findet es sich 
in Mfentras schediasmata antiqua. Madrid. 1645. 4. Papencordt 
hat das Buch Tcrgebens in deutschen und italienischen Bibliotheken 
gesucht, ich mit ebenso wenig Erfolg in Paris, man hat mir hier 
versichert es finde sich in keiner spanischen Bibliographie. Der 
Verfasser Herr Marcus , von mir selbst darum angegangen, behaup- 
tete es in Dijon benutzt zu haben , woher sagte er nicht. Es 
wäre wichtig die Existenz jenes Buchs zu vergewissern. 

' Lex Liutprandi V, 15: tunc decanus aut saltarius qui in 
loco ordinatus fuerit — ad scultahis suum perducat; VI, 31: Si 

qnis judex, aut sculdais aut saltarius vei decanus quod sciat 

judex aut sculdais et saltarius et decanus Et si decanus aut 

saltarius — sculdai suo manifestaverit nt unusquisque scul- 
dais aut saltarius atque decanus jurare debeat judici suo. 

* Pippini capit. Langob. a. 782. c. 9: apud locnm conjorent 
seultasios, decanos, saltarlos vel loco positos. 

' Sie stehen unter dem Schultheiss , und werden bald vor 
hM nach dem Saltarius genannt; es ist entschieden unrichtig wenn 
Unger p. 150 sie den fränkischen Centenarien gleichstellt. 

^ Vergl. 1^0 , Geschichte von Italien I , p. 69. Dass aber 
die yfarae' Zehnten gewesen, ist ganz undenkbar. 



964 

von solchen aus zehn Personen bestehenden Abtbeilun- 
gen oder Haufen finden. 

Im salischen Gesetz wird an mehreren Stellen von 
Verbrechen gesprochen die von einem Contuberniam 
oder von irgend jemand mit oder in einem Contuber- 
nium verübt worden sind, und dabei ist einmal davon 
die Rede, wie erst der Anführer und dann dreimal je 
drei Genossen bestraft werden sollen. Lex Salica 43, 
c. 3 : , Si vero foris casa sive iter agens sive in agro 
positus a contubemio fuerit interfectus tres amplius habue- 
rit piagas, tunc Ires de eo contubemio qui adprobati« 
fuerint singillatim mortem illius conjactant. Et tres si 
plures fuerint 1200 dinarios — solvant. Et tres adhuc 
de eo contubemio 600 dinarios — culpabiles judicentur^ 
Ganz ähnlich sind die Bestimmungen in tit. 42, ~c. 3: 
,Si vero corpus occisi hominis tres vel amplius habuerit 
piagas , tres quibus inculpatur qui in eo contubemio fuisse 
proba(n)tur, legem superius conpraehensa cogantur eisol- 
vere. Alii vero tres de eo contubemio 3600 dinarios 
— solvant. Et tres adhuc in tertio loco de eo con- 
tubemio 1800 dinarios -r' culp. jud.S 

Hiernach scheinen zehn Personen ein Goniubernium 
gebildet zu haben; auch sagt Vegetius ^ dass schon 

> de re militari II, 8: Erant etiam centuriones qui singulas 
centurias curabant, qui nunc centenarii nominantar. Erant decani 
denis militibus praepositi, qui dudc caput contubernii vocantar; 
II, 13: Kursus ipsae centüriae in contnbernia divisae sunt, ut 
decem militibus sub uno papilione degentibus unus quasi praeesset 
decanus, qui caput contubernii nominatur. — Feuerbach p. S7 n. 
ivendet ein, es seien 11 gewesen und Vegetius selbst sage II , 25: 
siDguIa contubernia — b. e. undecimbomines; d. b. aber 10 und der 
•Vorsteher , freilich anders als es in der Lex Salica vorausgesetzt zu 
werden scheint. Allein darin konnte leicht eine Verschiedenheit Statt 



9« 

im römischen Heere Contubernium einen Haufen von 
zehn Mann bezeichnete. So nimmt Rogge an ^, dass / 
diese fränkischen Contubernia den angelsächsischen Frid- / 
borg entsprachen, eben nur einen andern Namen führten, 
dem Wesen nach aber ganz dasselbe waren. Feuerbach 
ist dieser Meinung mit gutem Grunde entgegengetreten 3, 
und ich glaube niemand wird ihr jetzt so ohne weiteres 
Zustimmung schenken. Ob man aber alle Beziehung 
auf die Zehnzahl beim Contubernium in Abrede zu stellen 
habe, scheint mir doch noch zweifelhaft ^. 

Manches freilich scheint dafür zu sprechen , zunächst 
dass es in einigen Stellen zweifelhaft gelassen wird ob 
und wie viele Mitglieder noch zu dem Contubernium 
gehörten ^, sodann dass andere darauf hindeuten als sei 
ein solches Contubernium erst zu einem bestimmten Zwecke 
gesammelt, gemacht worden ^. Es steht dem aber ent- 

fioden , dass man entweder je 10 einen eilften vorsetzte oder aus 
10 einen zum Hauptmann wählte. 

1 p. 62. Ihm stimmt Grimm R. A. p. 294 bei. 

* p. 81 ff. * Fenerbach p. 88 ff. sacht es darzuthun. 

^ So in der schon angeführten Stelle 43, 3 die Worte ,si 
plures fuerint'; wogegen doch das ,tres adhuc de eo contubernio^ 
wohl die drei noch übrigen bezeichnen konnte; dann 14, 5: Siquia 
hominem migrante adsalierit, quanti in contubernio vel super- 
ventum — 2500 dinarios — cnip. jud. 6. Si qnisvilla aliena ad- 
salierit, quanti in eo contubernio probantur etc. 

* 42,1: Si quis collecto contubernio hominem ingenuo 
in domo sna adsalierit; Childeberti reg\fi capit. c. 5, 3: Si quis 
ingennam feminam a contubernio (facto) aut pnellam in itinere 
aat quodlibet locum ferre praesumpserit , quam unus tam plurimi 
qui ipsum scelns admississe fuerit adprobatus, 200 sol. culp. jud. 
De iilo contubernio si adhuc remanserit qui ipsum scelus non admi* 
serit et ibi fuisse noscuntur, si plures a minorem numerum fuerit, 
tres et ipsi 45 sol. solvant. Doch ist in der letzten Stelle , facto* 
nur Lesart einer Handschrift, 



gegen, 4as6 doch auch von Mitglieclero des CoMuberaiuins 
die Rede ist welche nicht an derThatTheil genommen hatten 
und von denen es sich fragte ob sie nur zugegen gewesen 
waren ^ ; es kommt 4azu dass Lex Ripuarionim 41 , c, 2 
und 3 der Faii unterschieden wird wo em Coati^Mrutum 
und wo einer ,cum sateUitibus suis^ handelte (2: Stquis 
a contttbemio probabiliter figatus super res aüenas fuerit, 
eum ad excusationem non permittioMis. 3: Sed st nnua 
hoofto cum sateUitibus suis hominem Kgavertt, aut ipsum 
excusare permktimus etc.). Hier' eracbeiiit offenlMr 
das Contuberniom als ebe l>esi]»nite höherer AiChtung 
geniessende Vereinigung, «ud es wird daher nicht fiar 
eine BeaeichBung blos eiaes beliebigen Haufens, einer 
für eine einsehe That eusansmengebrachteii Scbaar gdten 
können^. Ebenso wenig aber befiiedigea die meisten 
Eridärungen die man sonst yc^rsucht hat; weder auf 4ie 
Gefolgschaften^, noch auf die Fehde führende Familie ^, 

' Das hat schon Feuerbach p. 103 n. gegen Aia gew«biJi<4ie 
Ansicht geltend gemacht. 

* Folgende Stelle giebt keinen hMtimmten Aafechliiss : Form. 
Bign. 7: qutiiter renieM homo aliqui« — w co«taberni» hominem 
aUqiiera — adsallisset et ipsam ibidem inlerlecisfiet — — Inter- 
f»eUabant hominem qui eoram parenlem w contabernio adialtoet 
vel interfedsset etc. 

■ Das ist die ältere und so viel ich a^ auch WUda'« An- 
sicht , Strafrecht p. 953 , obf cfaon er ron doem Gefolge sprichl. 

^ Was Feuerbach p. 98 ff. dafür anführt scheint mir nichts 
zu erweisen , auch wenn n|an die gewöhnliche Ansicht ?om 4ibefelge 
i>eibehalt ; nach unserer Anffassui^ kann davon gar nicht die Bede sei«. 

A Woringen p. 63 hat das eben behauptet aber in J^iner 
Weise wahrscheinlich gemacht. Er eagt blos, ein .Angriff auf 4i^ 
Haus sei eine Ueberschreitnng des Fehderechts und daher strafbar 
gewesea; auf alle übrigen Beziehungen in denen das Contoberniiiai 
vorkommt nimoH; er so gut wie gar keine Rücksicht Dena das 
wird man nicht dafür gelten lassen wann er sagt: dase ek Conlu* 



287 

noch acrf die Gilden ^ kann es sich bezieben. Es muss 
entweder eine Verbindung mehrerer gleichberechtigter freier 
Gemeindegenossen oder eine andere die öffenth'cher Auto- 
rität genoss gewesen sein. Undenkbar aber scheint es 
dass irgend eine Vereinigung die zu friedlichen Zwecken, 
wie die Gilden , zur grössern Rechtssicherheit, wie die 
angelsachsischen Fridborg, eingeführt war, sich zu solchen 
Freveln verbunden hätte , wenigstens , dass es so häufig 
vorkam dass das Gesetz darauf Rucksicht zu nehmen 
hatte. Benutzen wir aber jene Nachrichten des Vegetius, 
erinnern wir uns dass wenigstens in andern deutschen 
Heeren jene kleinen Abtheilungen von je zehn Kriegern 
bestanden , so wird es wohl nicht unwahrscheinlich dün- 
ken dass sie auch bei den Franken eingefaiirt , vielleicht 
von den Römern zu ihnen wie zu den Gothen sammt 
dem Namen übergegangen waren *. Auch das deutsdie 
Wort das in andern Quellen zur Bezeichnung des Con- 
tuberniums gebraucfht wird ,hariraida^ ,heriretta^ scheint 
für diese Erklärung zu sprechen ^. Dabei ist nicht 

bernium auch sonst Gewaltthaten ausübte sei sehr wohl erklärbar; 
,denn dazu mochte sich eine Familie, die der Sitte nach eine stets 
bewiffiiete, trotzige Genossensdiaft bildete. Seicht versucht fühlend 

^ Weislie p. 19, uod sein Recensent in Richter'« krit. Jahr- 
buchern 1837 p. 127, Unger p. 66 äussern diese Vermuthuog. Aber 
die Gilden waren doch nicht da um Verbrechen aufizufuhren. 

• Die Vermuthung dass unter dem Yförte eine AbtheHuag 
von Kriegern zu Terstehen sei hat doch auch schon Weiske a. a. O. 
gekftbt. So erklärt sich auch die Stelle der Lex Ripuarionim, jtf 
aao konnte hier Tielleicht an einen Haufen Soldaten denken, der 
als Wache, Polizei, gebraucht wurde, wie dasPalgrave p. 200 von 
der angelsächsiechen Zehotschaft behauptet. 

' Lex Ripuariornm tit. 64: Si quis homlnem in domo pro- 
l»ria cum hariraida interleoeFit , auctor factitriplici wergiido mul- 
tetor et tres prioraa 90 soiidia culpabiles J^||p9Blttf ; et qaanti 



ausgeschlossen dass der Aasdruck CootuberDium später 
auch etwas anderes als eine Schaar von zehn bezeich- 
nete, dass er oft, so gut wie Centena, Hundertschaft, 
ohne Rücksicht auf den Zahibegriff von der kleinsten 
Abtheilung des Heeres gebraucht wurde; und entweder 
hieraus oder weil nicht immer alle Mitglieder an dem 
Verbrechen Theil hatten, wird es sich erklaren dass 
auch die Gesetze nicht an allen Stellen eine bestimmte 
Zahl der Theilnehmer voraussetzen. Dass aber ein sol- 
cher Haufen, eine solche Abtheilung von Soldaten, zu- 
sammen einen gewaltsamen Einbruch, Raub und Tod- 
schlag verübte, mochte wohl oft genug vorkommen um 
darauf im Gesetze Rücksicht nehmen zu müssen; diese 
Bestimmungen tragen fast einen militärisch -disciplinaren 
Charakter an sich; wie es wohl auch bei andern Thei- 
len des Gesetzes gesagt werden könnte, die von einer 
Zeit zeugen da Heer und Volk noch in mancher Bezie- 
hung zusammenfielen, aber nicht der Begriff des Volks 
sondern der des unruhigen beutelustigen, roh geworde- 
nen Heeres der vorherrschende geworden war. 
\ Ob diese Heereseintheilung des fränkischen Volks 

^ auch in anderer staatsrechtlicher Beziehung eine Bedeutung 

V ei saDguinem fuderiot , unusqnisque wergildo eum componat et 
qaanticunque post auctorem saDguinis effusores vel post tres priores 
faeriDt, unusquisque 15 solidis multetur, et qnicquid ibi talaverint, 
restituant ; eine Stelle die durchaus dem tit. 42 der Lex Salica ent- 
spricht, wie Feuerbach schon angeführt hat. Dasselbe Wort findet 
sich nnn auch Lex Baju?. HI,. 8, 1: Si quis liberum hostili mann 
cinxerit, quod beriraita dicunt, id est cum 42clypei8, et sagittam 
in cnrtem projecerit aut quodcunque telarum genos , cum 40 solidis 
conponat. Hier ist Sinn und Zusammenhang freilich ein anderer, 
wir sehen aber dass das Wort sich auf das Heer bezog, einen 
Heereshanfen bezeichnete; die etymologische Bedeutung des Worts 
lasst Graff, Spr«i||pchatz II, p. 479, in Zweifel 



hatte wissen wir nicht ; dass ihr Vorsteher decanus 
hiess und dieser Name von diesen Verhältnissen erst 
später auf andere überging können wir nur vermuthen; 
es mag sein , ja es ist nach der Bedeutung des Heeres 
auch in jener Zeit nicht unwahrscheinlich , dass wie jeder 
Freie dem Heere angehörte auch jeder einem bestimm- 
ten Contubernium zugerechnet wurde*^; aber dass dar- 
aus weitere Rechte und Pflichten fiir ihn hervorgingen 
müssen wir in Abrede stellen, weil eben die Quellen 
dessen nirgends Erwähnung thun. Denn das ist hervor- 
zuheben, dass nach den angeflihrten Stellen des salischen 
Gesetzes die Contubernalen nicht als solche für einander 
hafteten, sondern es wird immer der Fall vorausgesetzt 
dass sie zusammen gefrevelt hatten, dass sie wenigstens 
bei der Verübung des Verbrechens zugegen gewesen 
waren 2, so dass von einer gegenseitigen Bürgschaft in 
der That hier am wenigsten die Rede sein kann ^, 

Um so sicherer hat man geglaubt dieselbe in andern 
Stellen nachweisen zu können. Nach einer Bestimmung 
König Childebert's II. sollte die Hundertschaft (Centena) 

* Weiske p. 17 bezweifelt dies wie micb dunkt ohne Grand. 

^ Dass da mm Dicht ohne weiteres alle zur Strafe gezogen 
wurden, entspricht andern Bestimmungen des deutschen Rechts , wie 
Feuerbach p. 91 ff. gut ausgeführt hat. Und deshalb haben wir 
darchans keinen Grund mit Rogge Spuren des Contuberniums oder 
gar der Gesammtbürgschaft in Stellen wie Lex Salica 13, Lex 
Ripuar. 64, Lex Angliorum et Werinorum 10 c. 9 zu finden; wo 
erst der Anführer, dann 3 Gehülfen und etwa weitere 3 verantwort- 
lich gemacht werden. 

' Es ist das von vielen bemerkt , aber eigentlich von Rogge 
selbst auch nicht anders behauptet worden , der sich in demGedan- 
t ken gefiel dass eine solche Zehntschaft ihper engen Verbindung wegen 
auch immer zusammen Verbrechen beging. 



970 

fiir den Diebstahl haften; sie sollte gleich den Ersatz 
fiir denselben leisten und dann die Sache verfolgen; 
fand sie dann den Dieb in einer andern Centene und 
konnte diese den Thäter nicht austreiben oder auslieferci, 
so sollte diese den Schaden ersetzen und sich mit zwölf 
Eideshelfern reinigen. Childeberti decretio c. 11. 12: 
,Similiter convenit, ut si furtum factum fuerit, capitale 
de praesente centena restituat, et causa centenarius cuai 
centena requirat. Pari conditione convenit^ ut si centena 
posita in vestigia in alia centena aut quos fidelium nostro- 
rum ipsum vestigium miserit, et eum ad alia centena 
minime expellere potuerit, aut convictus reddat latronem 
aut capitale de praesente restituat et cum duodecim 
personas se ex hoc sacramento exuat^ Dies Gesetz 
wurde von König Chlotachar II. bestätigt. Da andere 
Maassregeln, namentlich nächtliche Wachen ^, zur Ver- 
hinderung des Diebstahls nicht ausgereicht hätten, so 
sollten nun die Centenen für den Schaden der in ihrer 
Mitte geschehen war haften und den Thäter verfolgen. 
Chlotharii decretio c. 1: ,Decretum est ut, qui(a) ad 
vigilias — constituti nocturnas diversos fures non cape- 
rent, eo quod per diversa intercedente conludio scelera 
sua praetermissa custodias exercerent (heisst das: die 
Wachen selbst begangen Frevel?) ,centenas fierent (dass 
das nicht bedeuten könne, es sollen jetzt erst Centenen 
gebildet werden , haben schon andere^ bemerkt). In 

I Lassen sich diese mit den englischen (p. 267 n. 8) ver- 
gleichen, können diese eben von solchen Coniubernien gehalten sein? 
Das contuberninm hier für einen Theil der Handertschaft zn halten, 
die den Uebelthäter verfolgen mnsste , ist ganz willkuhrlich. 

« Weiske p. 59, auch Unger p. 58. 



271 

cujm centena aliquid deperieril, capat trusies restituat 
et latro insequatur vel in alterias ceütenatn vestigium 
proponat aut deducat. Et ad hoc admoniti si neglexerint, 
quidos solidos cooponat; capitaie tarnen qai perdiderat, 
a centena illa accipiat absque dubio , hoc est de secunda 
vel tercia ^ . ' 

Diese Bestimmungen haben mit den späteren angel- 
sächsischen Einrichtungen manche Aehnlichkeit und sind 
älter als diese; ich halte es nicht für unmöglich dass 
sie ihnen als Vorbild gedjent haben ^ ; jedenfalls hat 
derselbe Grund beide ins Leben gerufen^ die grosse 
Unsicherheit des Eigenthums die damals herrschte, die 
Schwierigkeit auf anderm Wege Verbrechen gegen das- 
selbe zu bestrafen und den einzelnen Schutz oder Ent- 
schädigung zu verschaffen. Es ist auch dies eine rein 
polizeiliche Einrichtung, den älteren Zeiten fremd, auch 
später nicht weiter nachzuweisen, mit der W^ehrgelds- 
bürgschaft in gar keiner Verbindung ^, vielleicht eine 
Gesammtbürgschaft zu nennen , aber jedenfalls sehr ver- 
schieden >on dem Begriff den man gewöhnlich mit diesem 
Worte verbindet, und statt das Vorhandensein einer 
solchen in ältester Zeit darzuthun selbst ein Beweis 
dass den altgermanischen Zuständen solche Bestimmun- 
gen durchaus fremd gewesen sind ^. 

* Im einzelnen unterliegt diese Stelle noch manchen Schnie- 
rigkeken; vergl. Woringen p. 45. 

* Eichborn in der Zeitschrift I, p. 179. 171, nnr darf man 
nicht glauben dass auch die Zehntschaften und Handertschaften 
auf solche Weise bei den Angelsachsen eingeführt seien, ebenso 
wenig. den König Aelfred für den Urheber halten. 

B Vergl. Fenerbach p. 112 ff., Weiske p. 60, Wiida p. 73. 
Auch Woringen p. 48, Unger p. 55 ff. thun nichts anderes dar. 
^ Dass die oben p. 52 angefahrte Stelle der Lex Salica 



972 

Und auch anderswo finden wir keine Spur davon. 
Man müsste denn folgende Stelle dafür halten: 

Lex Wisigothorum VI, 1, 8: ,Omnia crimina suos 
sequantor auotores. Nee pater pro filio^ nee filius pro 
patre, nee uxor pro marito, nee maritus pro uiore, 
nee frater pro fratre, nee vicinus pro vicino, nee pro- 
pinquus pro propinquo ullam calumniam pertimescat ^ 

Es ist ein Gesetz das früher bestehende Verhält- 
nisse aufhebt oder wenigstens als ganz beseitigt darstellt; 
hinfort soll der Verbrecher ^allein seine Schuld tragen 
und kein anderer , weder Verwandte noch Nachbarn — 
denn diese sind doch ohne Zweifel unter dem Worte 
jvicini' zu verstehen ^, — sollen dafür haften, mit 
Anforderungen belästigt werden. Es ist das aber in 
solcher Allgemeinheit ausgesprochen , so ohne alle Bezie- 
hung auf besondere Verhältnisse oder Einrichtungen, 
dass man nicht viel daraus wird entnehmen können; 
das Gesetz scheint nur alle Beziehungen in denen jemand 
stehen konnte aufzählen zu wollen, damit der Satz als 

tit. 45 nichts mit der Gesamnitbarg^schaft, wie Eichhorn froher, 
Zeitschrift I , p. 181 ^ annahm, zu thun habe , ist schon von Fenerbach 
p. 79 ff, bemerict und Eichhorn selbst schAt diese Meinung aufge- 
geben zu haben; was aber Unger p. 54 beibringt ist ganz nichtig; 
denn dass die TÜla die Stelle des friirborg vertrete, die vicini die 
friirborg8gIieder seien, lässt sich wohl sagen aber nicht beweisen. 
Den Namen der Rachinburgen wird wohl niemand mit demselben 
p. 53 als Beweis für die Gesammtburgschaft anfuhren. 

* Feuerbach p. 119 n. will das Wort auch auf Verwandte 
beziehen. Mit Recht widersprechen Eichhorn D. St. u. R. G. 1, 
p. 83, Unger p. 60. ,Ticini' ist gerade das technische Wort für 
die Bewohner derselben vilia; Lex Salica 45, 3. Dagegen scheint 
es freilich im edictum Chilperici regis c. 3 und 9 (Pertz Legg« Uy 
p, 10. 11) Verwandte zu bedeuten. 



273 

ohne alle Beschränkung geltend angesehen werde. Dass 
den Nachbarn unter bestimmten Verhältnissen irgend 
welche Verpflichtungen gegen einander obliegen konnten, 
bin ich gar nicht gewillt zu bestreiten; noch spät finden 
sich Spuren davon ^; man thut'aber sehr Unrecht da- 
bei sogleich an die Gesammtbürgschaft zu denken. 

In der Voraussetzung dass diese sich aller Orten 
finden mässe hat man auf die willkührlichste Weise 
die verschiedenartigsten Verhältnisse, polizeiliche Ein- 
richtungen des Staates m^ Verpflichtungen der Dorf^ 
genossen unter einander, Zehntschalten und Gilden, hierauf 
beziehen, Stellen der Gesetze welche auch nicht die min- 
deste Beziehung dazu haben auf diese Weise erklären 
wollen. Was man unter den Friesen zu finden meinte 
hat sich als völlig nichtig ausgewiesen ^ ; die wargilda 
der Sachsen ist durch eine blosse Berichtigung der Les- 
art verschwunden ^. Da nun von einer allgemeinen 

1 Weiske p. 61 fuhrt eine Urkunde aas der Schweiz vom 
Jahre 1291 an (Kopp, Urkunden zur Geschichte der eidgenössischen 
Bünde p. 83 ) : Et si quis judicio rebellis exstiterit ac de ipsias per- 
tinatia quis de conspiratis dampnificatus fuerity predictum contu- 
macem ad prestandam satisfactionem jurati conpellere tenentur 
nniversi. Gewiss werden^- sich aus späteren Urkunden , Weisthumern 
oder Dorfordnungen noch mehr ahnliche Bestimmungen sammeln 
lassen. 

* Rogge's Erklamng der Lex Frisionum II, 1. 2. ist in der 
That ein Beweis wie man alles aus allem machen kann. S. Feuer- 
bach p. 25, Woringen p. 49, Unger p. 32» Wilda p. 631 n. 

' So hat denn auch Ganpp , Recht und Verfassung der alten 
Sachsen, auf einem Carton p. 34, seine frühere (Gesetz der Thü- 
ringer p. 134) unglückliche and willkührliche Erklärung zurück- 
genommen nnd Grimm's Bemerkung über wargida mitgetheilt. Es 
ist unbegreiflich , wie Schaumann p. 174 und 80 n. h nun noch, 
aaf Möser'sche *und Rogge'sche Ideen gestützt , in solcher Weise 

18 



374 

YerbürgUDg für das Wehrgt^d sieb nirgtods räe Spur 
ßadet , eine gewisse Haftung für Verbrechen ven Gemeinde- 
genossen erst in spater Zeit bei den Franken, in noch 
späterer bei den Angelsachsen ans polizeilichen Gründen 
eingeführt worden ist, die Fridbiurg aber, die das genauste 
Bild der alten Einrichtungen geben sollten, erst der 
normannischen Zeit in England angehören, so wird von 
einer GesammtbQrgschaft im ältesten deutschen Recht 
nicht mehr die Rede sein können. Das Wort hat Ver- 
wirrung genug angerichtet; ^ haben ein Recht es ganz 
zu vertilgen; weder der Begriff noch die Benennung 
sind jemals deutsdi gewesen. 

über Gesanuntburgschaft onter den Sachseo sprechen kano, ohne 
sich auch nur im mindesten qm einen Beweis zu bemühen. 



275 



Beilage 2. 

lieber die Zwölfzahl in den germanischen 
Yerhältnissen. ' 

Wir haben keiue Gelegenheit gefunden anf die 
eigenthämliche Wichtigkeit hinzüweiton die die Zwölf- 
zahi in den germanischen Verhältnissen hat ^. In deh 
ältesten deutschen Denkmälern ist davon nicht die Rede, 
und unsere Untersuchung hat uns deshalb auch nicht 
zu einer näheren Erörterung der Sache geführt ; wir wür- 
den aber Unrecht thun , wenn wir sie deshalb ganz ausser 
Acht lassen , oder wenn wir für das Resultat einer spä- 
teren Entwickelung halten wollten was sich auf so gleich- 
massige Weise unter den verschiedensten Verhältnissen, 
fast bei allen Stämmen, zu allen Zeiten findet. Aber 
doch ist es mehr bei dem einen als bei dem andern 
der Fall, und eine allmählige Verbreitung, eine Ueber- 
tragung von Volk zu Volk in früherer oder späterer 
Zeit, wird sich nicht ganz von der Hand weisen lassen. 
Ich kann es nicht auf mich nehmen den Gang dieser 
Verbreitung Schritt fiir Schritt zu begleiten; ich will 
nur die Beispiele , etwas vollständiger zasammenstellen 

> Vergl. nüt oben p. 94 n. 3. Des ZwSHmanpöDfeides hi 
gelegfentlich gedacbt worden. 

18 ♦ 



276 

als es bisher geschehen ist ^. Indem ich mit dem skan- 
dinavischen Norden beginne, meine ich anzudeuten, 
dass hier wenn nicht der Ausgangspunkt für die übrigen, 
so docli eine der ältesten Stätten da die Zwoifzahl heilig 
geachtet wurde, sich findet. 

Alle die von dieser Sache gehandelt haben weisen 
zuerst auf die zwölf Äsen hin , die schon die Lieder der 
älteren Edda kennen ^, mit denen Snorri seinen Bericht 
von den ältesten Zuständen der Götter- und Menschen- 
welt beginnt^. 'Sie sind es« die eben als Opferer und 
Richter zugleich erscheinen und mit Odhinn dem ober- 
sten Gotte die Welt beherrschen und regieren. Es 
liegt weit ab von der Aufgabe dieser Betrachtung nach 
der Bedeutung dieser Götterzahl zu fragen, an die Ver- 
bindung mit den zwölf Bildern des Thierkreises und den 

^ Ausser einigen alteren Arbeiten sind anzufahren Bader, de 
Judiciis duodecimviralibus populorum septentrionalium ac Germaniae 
(Buderi oposcnla. Jenae 1745. 8. p. 561 ff.) ; Westphalen in 
der Einleitung zu Tom. III seiner Monumenta inedita p. 62 ff.; 
Dreyer, Versuch einer Abhandlung von dem Nutzen der heidnischen 
Gottes -gelahrthcit in Erklärung derTeutschen Rechte und Gewohn- 
heiten mittler Zeiten (Sammlung vermischter Abhandlungen. Rostock 
und Wismar 1756. 2ter Theil) p. 822 ff.; Sachsse, juris public! 
Teterum Germanorum specimen. Heidelbergae 1834. p. 16 ff.; 
Palgrave a. a. O. p. 118—137. — Grimm in den R. A. p. 217 Ist . 
ungewöhnlich kurz. Den Nachweis mehrerer Stellen aus deutschen 
und nordischen Sagen verdanke ich der Gute des Hrn. Dr. Mullen- 
hoff, eines gründlichen Kenners derselben. 

* Hjnditt - liof) 27. Yergl. die jüngere Edda , Daema- 
sag. 18. 

« YngUngasaga c. 2; vergl. die Einleitung zur jungern Edda ' 
c. 3.— Hr. Dr. Mfillenhoff meint, auch die Zahl 13 der Valkyriea 
(Grimnismal 36« Edda 1, p. 57) sei so aufzufassen dass an eine 
Gottinn (Hildr, deren Name, ebenso wie Thrudhr, überhaupt Val- 
kyrie bedeutet) mit 12 Begleiterinnen gedacht werde. 



277 

Monaten des Jahres zu erinnern ^. Hier genügt es 
festzuhalten dass die Zahl welche man in der Götterwelt 
selbst als die herrschende ansah eine heilige sein musste. 
Und so heisst es auch in einer andern, freilich wenig 
authentischen, Ueberlieferung , die Götter selbst hatten 
sie in ihren . Schutz genommen ^. 

Wir finden nun dass die Zahl in den verschiedensten 
Verhältnissen wiederkehrt, göttlichen wie menschlichen, 
in sagenhaften Ueberlieferungen und politisch -rechtlichen 
Institutionen. Ich will an das erinnern was mir bekannt 
geworden ist. 

Weil die Zahl heilig, war es eine Gnade der Göt- 
ter dass sie den Jockur mit zwölf Fingern geboren 
werden Hessen; Thor selbst trug eine, Krone mit zwölf 
Sternen ^. Gefeierte Helden haben zwölf Söhne * oder 
zwölf Begleiter ^ ; wer grosses verübte , wird zwölf andern 
an Kraft gleich gestellt , hat zwölf Feinde erschlagen ; 
der König giebt seinen Söhnen zwölf Palläste , oder ver- 
heisst zwölf Burgen; zwölf Grafen, zwölf Mönche, zwölf 
Jarle begleiten eine edele Jungfrau ^. 

' Mone, Geschichte de« Heidenthums I, p. 387, Geijer, 
Schwedens Urgeschichte I, p. 289, Finn Magnussen, zar Edda 
IH, p. 269. 

• * Sigsgardssaga FraelLna, bei Dreyer p. 822. (Sigurgard 
Fraekne's, nach Müller, Sagabibliothek III, p. 484 ein spater (und 
fremder?) Roman). 

» Dreyer p. 821 

* Arngrimus, Saxo V, p. 250 mit Möiler's Note. In der 
Vilkfnasaga c. 185 ff. erscheinen 11 Sohne Isung's und Siegfried, 
der an die Stelle des zwölften getreten zu sein scheint. 

» Der Schwede Withscrcus, Saxo IX, p. 456. 

* Die letzten Stellen sind aas der Vilkinasaga schon von 
Sadisse p. 19, 20 angeführt. Ausführlicher hat sie mir Hr. Dr, 



Attf eiaeo ganx aadern Bodeo ? ersetxe» wir oos, 
weoo wir die Stelleo beachteo wo zwölf ak runde Zahl 
erscheint Zwölf Schaafe biUeteo eine Heerde, auch 
zwölf Rosse und zwölf Schweine wurden mit einem gemein- 
samen Namen bezeichnet ^. 

Von besonderer Wichtigkeit aber sind &r uns lUe 
Verhältnisse, wo eine Hehrzahl von Personen öffenthch 
thätig sein sollte für daa Volk oder aus der Mitte des* 
selben hervorging zur Berathung und Entscheidung wich- 
tiger Angelegenheiten; es war die Regel dass es jedesmal 
zwölf waren. Man folgte dabei dem Vorbild des Götter- 
reichs oder nahm die Zahl welche heilig und zugleich 
jedem geläuGg war und die als die rechte und gesetzliche 
von vornherein erschien. Schon die'älteste Sagengeschichte 
kennt zwölf Richter ^ ; und die zwölf Urtheiler (Na^fninger) 

MulleDboflT mitgetheilt : c. 9 Konig Samson verleiht an Ermenrich 
•einen Sohn zwölf Bargen in Spanien; c. 18 der K5nig too Yil- 
hinaland an seinen Sohn Vade zwölf Palläste; c.~ 55 König Oaerieh 
aendet zwölf Ritter ans; c. 84.. 88 s. unten p. 288 n. 7; c. 213 die 
Königstochter Hilde wird auf dem Wege zur Kirche von zwölf 
Grafen, zwölf Mönchen , zwölf Jarlen begleitet; c. S32 Herzog Oeid 
zieht mit zwölf Rittern ans um Gudrun zu werben. 

* Jfydske Lot lii, 40, 1 ( ed. Rosenringe p. 380): Min aen 
tolf not. »r» sei hiort tolf hora stoth. tolf swin wrat (lateiaische 
Uebers.: Duodecim pecora sunt hyoord, 12 equi qui dicantqr. hons 
•ttnt Atoath, 12 porci sunt wrath). Vergl. Slunalagh IX, c. 3« 

* Saxo IX y p. 447: Prael^rea, (Beegneroa), ut omni« con- 
troverslarnm lis, semotis actionum instrumentis, nee accHsanti^^impe- 
titione nee rei defensione admissa , duodecim patrum approbatorum 
Judiciomandaretur, Institnit« Vergl. die Literatur, w^eicbe Rosen vinge, 
Grundrids I, p. 21 n. e, dazu apfuhrt. — Herrararsaga e. 14 (der 
alteren Ausgaben): Heidrekr kongr — valdi banii til tolf menn hin» 
vitrustu, at dsBma um oll f»au mal, er stör sökum gegndi i hanns 
riM (latein.* Uebers. ed. Snhm p. 125: Res Heidrekns — duodecim 
vires «^pientissimof, del^it a(l dijodicandiini.can^aa omne8^inMgii9>. 



S79 

finden sieh später im dänischen ^ wie im schwedischen 
Recht ^ ; und anch in Norwegen fehlt es nicht an der- 
selben Ordnung: zwöH Richter waren es auf^emHar- 
desthing^, 3 H 12 bildeten das Landgericht auf dem 
fiiulething in früheren wie in späteren Zeiten ^ , zwölf 
weise Männer hatte König Olaf der Heilige um sich die 
einen Rath und eine Art Ho%ericht bildeten ^ , zwölf 
Rathmänner und zwölf die aus den Mitgliedern des Lag« 
thing ernannt waren sassen in dem Stadtgericht zu 
Bergen ^ ; in Island war wenigstens zwölf die höchste 
Zahl derer die in einer Sache sk , Gerufene^ den Aus- 
spruch über das Recht thaten ^. — Wie der Richter 
zwölf waren, so auch der Eideshelfer, im dänischen und 
mitunter auch im norwegischen Recht; waren es aber 
nicht zwölf, so waren es die Hälfte , oder zweimal , drei- 
mal zwölf welche in einer Sache schworen ®. — Aber 
auch in andern Verhältnissen, wo es auf eine Vertre- 
tung des Volkes ankam, zeigt sich dieselbe Zahl von 
Bedeutung. In Norwegen sollten nach altem Recht «wölf 
Männer aus jeder Diöcese an der Ernennung des Königs 

^ Rosenvinge II, p. 140. 144. 148, Dahlmann UI5 p. 33. 

* S. schon Bader p. 568, Geijer, Geschichte von Schwe* 
den I, p. 269. * Dafalmann II, p. 339. 

*■ Galadiingslaug von Konig Magnus, ftingfarar-bolkr c. 2. 
Vergi. die von Dahlmann II, p. 329 angeführte Stelle aus der Egilssaga. 

^ Snorri, in der Saga af Olafi hinom helga c. 96 (Heims- 
loringla II, p. 136): Olafr konnngr hafdi iafnan med ser XII ena 
spokosto menn, fieir er sato yfir domora med hanom oc rede um 
vandamal (latein. Cebers. : Olafus rex sibi adjunxerat qui semper 
in aula versabantur 12 sapientissimos viros qui in causis judicandi» 
lateri ejus adhaerentes negotia difficiliora tractabant). 

< Dahlmann H, p. 352. ^ Ebend. p. 200. 

* Rosenvinge 11, p. 133. 136. 



980 

Theil haben ^; auch König Magnus behielt es in so weit 
bei, dass, wenn es überhaupt zur Wahl kam, auch jeder 
Bischof mit dem Sysselmann zwölf der verständigsten 
Männer aus seinem Bisthum nahm die zur Wahlversamm- 
lung kamen ^ ; und es ist überliefert dass nach ähnlicher 
Ordnung König Sverrir wirklich den Thron bestieg '. 
Ebenso waren es auch nach der späteren Verfassung 
Schwedens zwölf kundige angesehene Männer die aus 
jeder Landschaft ausgewählt wurden um an der Königs- 
wahl Theil zu nehmen ^. 

Ich zweifle nicht dass auch noch andere politische 
Verhältnisse auf derselben Grundlage beruhten; ich 6nde 
wenigstens die Angabe dass jedes Fylki zwölf Schiffe 
zur Flotte gestellt habe ^ ; und es behält die Nachricht 
ihr Interesse, auch wenn sich zeigen sollte dass sie Usto- 
risch nicht weiter begründet werden kann. 

Wenden wir uns aber von den nordischen Ger- 
manen zu den deutschen Stämmen , so werden wir zunächst 
bei den Sachsen und den verwandten Völkerschaften fast 

> Hakon's Galetiogslog I, c. 1, bei Pans, Sämling: af gamle 
norske Love I, p. 3 s tilligemed 12 af de vittigste insend af hvert 
bispedomme som de tilnaevne med sig. 

* Magna« Galathlngslaag, Krisünndoms - bolkr c. 5: Oc 
nefni biskop hver or sino bl«kopsdömi oc syslomenn konongs f>eir 
Sem f»ar ero til/ tolf hina vitrazto baendor eptir sinni samvitzko 
(latein. Uebers.: Episcopns autem qoilibet in sua dioce«i et procu- 
ratores regii qui in eadem habitant doodecim eolonos qaos pruden- 
tissimos esse ducunt ex animi sui sententia evocent). — Dahlosann 
II, p. 356 scheint mir nicht richtig die 12 von dem Sysselmann 
gewählten für verschieden von denen die der Bischof ernannte in 
halten. 

* Dahlmann II, p. 357 n. 1. « Geijer I, p. 261. 

* Oddur in der Olaf - Trygwasonssaga c. 41 (ein Citat da» 
ich nicht habe nachsehen können). 



381 

ganz dieselben Erscheinungen wie dort in Skandinavien 
finden. Schon in ältester Zeit, heisst es, seien zwölf 
Abgeordnete aus jedem Gau und jedem Stande auf der 
Landesversammlung zu Marklo zusammengekommen ^. 
Nach einer freilich späten und sagenhaften Ueberlieferung 
sollen es zwölf Fürsten oderEdelinge der Sachsen gewe- 
sen sein, aus deren Mitte der König (oder Herzog) 
gewählt wurde ^. Man darf auch an die zwölf Grafen 
erinnern die in grosser Heeresschlacht wider die Dänen 
fielen ^. Die zwölf Urtheiler sind hier weniger häufig 
als in andern Gegenden, doch finden sie sich unter- 
weilen ^ ; die zwölf Eideshelfer kommen bei dem ver- 
wandten Stamme der Friesen oft genug vor ^ ; daneben 
das Collegium der Zwölfer, die den Schöffen wenigstens 
verwandt sind ^. Die , starke Nemede^ bei den Dith- 
marschern, ein Eidgericht verschieden von den Eides- 
helfern, welche sich daneben finden, bestand aus zwölf 
Personen^; auch das höchste Gericht, das zugleich die 

1 S. die Stelle des Hucbaldos oben p. 60 n. 2. 

* Die sogenannte Chronik des Botho, bei Leibnitz SS. R. 
Br. 111, p. 292: Busse twelff edelinghe der Sassen de reden oTer 
dat lant to Sassen, und quemen in der weken eyns to samede, 
unde reden dar over wes deme lande not was , unde wanere dat se 
krich In dat land to Sassen badden , so koren se van den twelffen 
eynen de was ore konig de wile dat de krich warde. 

* Ann. Fuld. a. 880. 

* Weichbild c. 10. 16 nennt den Schul theiss mit 1 1 Schöffen. 
Vergl. über Holstein 9 wo es nur ansnahmsweise der Fall ist, West- 
phalen a. a. O. p. 64, Faick, Handbuch 111, 1. p. 86. 

* Richthofen, im Wörterbuch p. 1097. Bei den Sachsen 
scheinen sie sich nicht zu finden; der Sachsenspiegel I, 6, $ 2 
erwähnt jedoch eines Eides von 72. 

< Grimm R. A. p. 779, Richthofen a. a. O. p. 1097. 
^ Dahlmann zumNeocorus I, p. 546, Michelsen, Sammlung 
dithmafe'scher Rechtsquelien p. 287 und p. VI, 



oberste Regieningdliehorde des Laodes war, war an» 
aehtundvierzig Mitgliedern zusanunengesetzt, und iuhrte 
davon den Namen; das Land war in vier Dö8ke eio- 
getbeilt, und aus jedem scheinen zwölf hervorgegangen 
zu sein ^. — Wie vielfach die Bedeutung der Zwolf- 
zabl unter den Angelsachsen hervortritt, ist zuletzt von 
Palgrave nachgewiesen worden ^ : zwölf Schöffen , zwölf 
Eidesbelfer, zwölf Männer aus jeder Shire, wenn es stdi 
um die Erledigung allgemeiner Angelegenheiten handeUe. 
Da Wilhelm der Eroberer die Rechtsgewobnheiten der 
Ang^achsen aufzeichnen lassen woIHe, heisst es, er 
habe zwölf weise und im Recht erfahrene Männer aua 
jeder Grafschaft auswählen lassen ^. Aus der späteren 
Geschichte Englands liessen sich der Beispiele viele sam- 
meln. Eine Ueberlieferung lässt schon die Angeln welch» 
den Grund zu dem ostanglischen Reiche legten ihren Zug^ 
unter zwölf Führern unternehmen ^. Wie die nordische 
Sage ihre Helden über zwölf Kämpfer den Sieg davon- 
tragen lässt, so berichtet die angelsächsische von zwölf 
Schaaren der Britten die Hengist besiegt und den zwölf 
Anfuhrern derselben welche er getödtet *. — Auch bei 

1 Michelsen p. 345 , Dahlmann, Geschichte von Däimemaiit 
IH, p. 387. • I, p. 118 ff. 

* Leges Edward! conf. in der Ueberschrift : fecit summoniri 
per nniversoa patrie comitatas Anglos nobiles, sapientea et in lege 
aua eruditos , ut eoruni consuetndinea ab ipsis audiret Electis igitiir 
de singnlifl tocias patrie comitetiba» 12 etc. 

^ Ich kann mich dafür nnr anf die von Sacbase angefahrte 
Hi»toire d'Angleterre von Rapin Thoyraa (A la Haj^e 1749) I, 
p. 120 beziehen. Unter den von ihm angeführten Quellen habe ich 
den Müthaens Westmonasteriensis nicht zur Hand gehabt) wahr> 
acheiiilioh wird er die Nachricht enthalten. 

^ Henricus Huntindonensi», bei Savile p. 811« 



des Langobardeo galt diese Zahl in wicbligen VerbaUnis&eA. 
Während der einheimische Chronist yon mehr als dreizig 
Herzogen spricht die nach Cleph's Tode das Volk be- 
herrschten, sagt eine andere, historisch minder glanbwär- 
dige aber dnrch die sagenhafte Auffassung meri^wärdige 
Qaelle, zwölf Herzöge hatten zwölf Jahre lang ohne 
König die Regierung geiuhrt ^. Auch hier finden sich 
Spuren der zwölf Richter ^, die zwölf Eideshelfer kom- 
men in spateren italischen Urkunden vor ^. 

Die sächsischen . Stamme aber sind es bei denen 
wir ebenso wie bei den Skandinaviern die urs|Nrüngliche 
Geltung des Grossbunderts (= 120) mit Sicherheit 
annehmen dürfen ^, dem eben die Grosszehn (=12) 
ab keinace Einheit zn Grunde lag. Beides stand unzwei- 
felhaft in der nächsten Verbindung zu einander, und 
wir werden Grund haben die Entstehung des Grosshnn- 
derb ans der eigenthämlichen Bedeutung der ZwölEuU, 
nicht umgekehrt diese ans dem Gebrauch von 120 = 100 
herzuleiten, werden also das Grosshnndert selbst da 

' Fredegarii chron, c. 45: doodecim doces Laogobardonui 
dnodedm anois sioe regibo» traosigernnt. Die andere Nadirichi 
hat Paolu Dom:. U, 32. i 

* Leo, Gescbicbte von Iftaliea I, p. 70. 

* Urkiude der Grafion Mathilde vom Jahre 1101 , bei 
Ughelli II, p.285: nbi es illis doodectm ad »anm negottam confir- 
mandsB» jopare pnratis. 

^ VergL das Capitnlare Saxonnm c 9: Item placnit nft — 
domnns nx — aolidos aexaginU maltiplieare in daplom et solidoa 
eeotnn — conponere faciat Anch die oben p. 106 n. 1 angefihrte 
Stelle des Capit. Paderbnmoense gdlort hierhin. — Dass aber da» 
Grosshnndert jemals ans 12 H 12 » 144 bestanden, kann ich 
Saehsse doch nidit wohl zngebcn. Nnr das Wehrgeld TOn 144* 
solidi fSr die nobiles In der Lex Saxonnm lasst stdi dafür 
ren , aber doch wohl anch aaf andere Wdse erklären. 



384 

einen Beweis von der Wichtigkeit der Zwölf anfuhren 
können , ebenso wie die Verhältnisse in denen die durch 
andere Vermehrung aus zwölf entstandenen Zahlen , 24, 
36, 48, 60, 72, 96, herrschend erscheinen. 

Aber auch da zeigt sich die Zwölfzahl von ähnlicher 
Bedeutung wo wir in Abrede stellen müssen dass jemals 
eine Rechnung nach Grosshunderten gegolten habe. Bei 
den Gothen freilich , bei denen wir wegen ihrer eigenthöm- 
Kchen Verwandschaft mit den nordischen Germanen beides 
am ersten voraussetzen möchten , finden wir keine Spuren 
davon; meines Wissens wenigstens tritt die Zwölfzahl 
in den Einrichtungen derselben nirgends hervor, viel- 
mehr hat ein reines Decimalsystem in ihrer Heerverfas- 
sung bestanden. Dennoch erscheint später auch in den 
spanischen Reichen diese eigenthiimliche Zahl. Zwölf 
Almocaden gehörten dazu um jemanden in diesen Stand 
aufzunehmen; so machten zwölf Adaliden den Adaliden, 
zwölf ricos horabres erhoben den König ^. Die sagen- 
hafte Geschichte Aragoniens berichtet von zwölf Männern, 
denen die Regierung des Reiches aufgetragen worden sei^. 

Häufiger erscheinen diese Verhältnisse unter den 
Franken , bei denen die Zwölf zum Theil in denselben, 
zum Theil in ähnlichen Beziehungen wie bei den früher 
erwähnten Stämmen sich findet. Zwölf Schoflen werden 
wir auch hier als die Regel in ältester Zeit zu betrachten 

^ Ich enUebne dies ans Palgrave p. 179 — 181 , der Siete 
Partldas del Rey Don Alonso P. II , tit. 22, 1. 1 — 6 and Fueros 
del Reyno de Navarra üb. I, tit 1 anfahrt. 

* Sachsse p. 19. Da von einer Begebenheit des Jahres 843 
die Rede sein soll, so kann nur eine der spateren sagen- und 
mährchenhaften Geschichten Aragoniens die duelle dieser Nach- 
richt sein. 



285 

haben , eine Zahl an deren Stelle erst später die 
geringere, sieben, getreten zu sein scheint^, und wir 
haben nun nicht nöthig nach besonderen Gründen dafür 
zu fragen, sondern erkennen wie dies mit alten urger- 
manischen Zuständen oder Vorstellungen zusammenhängt. 
— Merkwürdig|[PllBt dass unter den Franken die Ansicht 
ausgesprochen wird, zwölf Grafschaften bildeten ein Her* 
zogthum ^, wie zwölf Bisthümer ein Erzbisthum. Pippin, 
sagen gleichzeitige Quellen, gab seinem Bruder zwölf 
Grafschaften in Neustrien ^, und Einhard macht dazu 
den merkwürdigen Zusatz ^, es sei das , more ducum ^ 

• * Grimm R. A. p. 777. Vergl. Unger p. 181 ff. der anderer 
Meinung ist und die Zwoifzahl aus dem Zwölfmanneneid des Friifborg 
(oben p. 235) entstehen lassf, da doch offenbar hier eine Zahl 
von Zwölf zusammengebracht wird, weil sie überall in solchen Ver< 
hältnissen als nothwendig erschien. Es ist als wenn man das Ent- 
stehen Ton Zehntscbaften daraus erklären wollte, dass einmal in 
einem bestimmten Falle 3 und andere 3 und nochmals 3 mit einem 
Häuptling zusammengethan worden seien. 

^ S. hierüber Pfeffinger, Vitriarius illustratus II, p. 30 nnd 
besonders Sachsse p. 19, dem ich die Hinweisung auf. diese und 
mehrere andere Stellen verdanke. 

* Ann. Lauriss. minores (Pertz I, p. 116): Griphoni par- 
tibus Niustriae 12 comitatns dedit; Ann. Lauriss. majores a. 748 
(ib. p. 136): Grifonem vero partibus Niustriae misit et dedit ei 
12 comitatus. 

* ib. p. 137: Griphonem more docum duodecim comitatibns 
donavit. Alle anderen Stellen sind aus dieser Quelle geflossen; 
auch Lehmann, Speiersche Chronik II, c. 16 (ed. a. 1612, p. 81): 
,Zum andern wirdt es (das Wort Herzog) gebraucht für einen 
hohen Standt und Officirer des Reichs , der dem Konig und dem 
Reich Treuw und Huldt geschworen, und von denselben ein gantz 
Provintz oder Landschafft als Beyern, Sasen, Francken oder Ale- 
mannien zu Lehen und verwalten getragen , der jedem zwolff Gra- 
ven als Gehülffen der Regierung von Konig und Reich zugeordnet 
worden'. Er citirt dann die Stellen der Aun. von Grifo und dass 



geschehen, eine gleichsam herzogliche Wurde sei ihm 
damit zuerkannt worden. Auf das Vorkommen gleicher 
Verhältnisse bei den Bisthümern lege ich hier kein Ge* 
wicht, so sehr die Eintheilungen der Kirche auch oft 
den politischen nachgebildet worden sind; es liegt zu 
nahe an die zwölf Apostel zu denke^B^ weitere Ver- 
gleichungen zulässig zu 6nden. Sehr bestimmt dagegen 
lautet die Stelle des Chronisten Robertus^: ,Provincia 
quidem est quae unum habet metropolitanum , doodecim 
consules et unum regem ^ — Auch lassen sich aus 
sagenhaften Ueberlieferungen noch weitere Belege für 
diese Ansicht gewinnen. Dem ersten Landgrafen von 
Thüringen sollen noch von Karl dem Grossen zwölf Grafen 
als Beisitzer gegeben worden sein^; was denn freilich 
an die zwölf Schöffen erinnert, zugleich aber auch an 
die zwölf Edelinge , aus deren Mitte der sächsische König 
hervorging ^. Und auch in nordischen Sagen finden 
sich Ueberlieferungen nach denen ein Land aus zwölf 
Reichen bestanden haben soll. Deutschland^ heisst es 

der Herzog Bruno von Sachsen mit zwölf Grafen erschlagen wurde 
(oben p. 281). — Eine andere Stelle aber, die Pfefßnger a. a. O. 
anfährt, nach der das Herzogthum des Baldricns Forojuliensis in 
zwölf Grafschaften zertheilt wurde, darf nicht mehr herbeigezogen 
werden , da sowohl die Ann. Einbardi als die hieraus geschöpfte 
Yita HIndowici statt ,in ter quatuor comites' lesen ,inter quatuor 
comites^ 

^ Hb. IV, angeführt von Sachsse p. 20. Es ist wohl Rober- 
tttfl Alttssiodorensis gemeint. 

^ Legenda S. Bonifacii II, 8 bei Mencken I, p. 845: dans 
ei auctoritatem nt de notis Thnringiae comitibus — sex eligeret. 
Qui sex una cum landgrayio adhnc sex de optimis et santoribus 
terrae eligere debent. — Clui dnodecim lantgravio jnrare debent de 
administrafirda cuique jnstitia sine dolo. * S. oben p. 261 n. 2. 



287 

in der Hervararsaga ^ , omfasste wie Norwegen zwölf 
Königreiche. Von zwölf Abtheilungen Schwedens ist in 
einer andern Erzählung die Rede, aus denen zwölf (oder 
aus jeder zwölf?) alte und weise Männer ausgewählt 
wurden die den Staat regierten ^. Hierzu werde ich 
noch anführen dürfen dass einmal z^ölf Herzoge aus dem 
fränkischen Burgund zusammen in den Krieg zogen ^. 

Wenden wir uns zuletzt zum späteren deutschen 
Mittelalter, so begegnen uns dieselben Verhältnisse in 
verschiedenen Anwendungen. Die Zahl der zwölf Rieh-* 
ter kennt der Schwabenspiegel ^, und sie kehrt wieder 
in Reichs-, Land- und Stadt-, in Lehns-, Adels -^ 
Kriegs- und Seegerichten , zu den verschiedensten Zeiten 
und in fast allen Gegenden Deutschlands ^. 

1 c. 18 der alteren Ausgabe, c. 20 ed. Rafn, Fornaldar- 
aogur I, p. 509: {»ydskaland er talit tolf konungariki semNorvegr. 

* Vita S. Sigfridi , angeführt von Finn Magnossen , Edda III 
(Lexicon mythologicnm ) p. 290 n.: Erant doodecnn tribus in hnc 
terra, per quarum magnatea vel nobiles respublica sive leges anti- 
qaae tum regebantur. — Electi qaippe siint ?iri duodecim antiqulo" 
res et BapieDtiorea ex bis tribubua. 

* Fredegarii chron. c. 78. Es heisst freilich: atatnena eis 
capnt exercitus noraiDe Chadoindum — qni com 10 dacibua cum 
exercitibua — perrexissent: Allein es werden ausser dem Chadoin« 
das noch 11 andere Namen genannt. — Sachsse p. 19 fuhrt auch 
an, nach Jordanis hatten die Alamannen das südliche Deutschland 
unter zwölf Heerführern (praefecti) besetzt r doch ist mir diese 
Stelle nicht bekannt und auch bei weiterem Suchen habe ich sie 
nicht auffinden können. 

^ c. 18 (ed. Lassberg p. 176): Ein herre sol zem minsten 
zwelf man han da er nmbe leben rihtet. Auch im Landrecht c. 179 
(p. 82) findet sich ^% Angabe: Ez ist etwa gewonheit daz man 
zwelf manne nimet die suln gerihtes helfen. 

* Ich verweise hier auf die Sammlungen Buder's p. 576 ff, 
Vergl Maarer p. 116, Grimm R. A. p. 777. 



Aber auch den deutseben Sagen des Mittelalters ist 
sie eigen , und dies mag besonders noch als ein Zeugoiss 
alter Heiligkeit hervorgehoben werden. Dietrich hatte 
zwölf Helden ^, und dieselbe Zahl vielleicht schon 
Ermenrich und Etzei ^. Auch dem burgunder König 
dienten zwölf Mannen; so kämpften sie mit Walther ^, 
so hüteten sie den Rosengarten ^ ; und auch in den 
Nibelungen tritt diese Zahl uns entgegen '^. Siegfried, 
wenn er die Tarnkappe tragt, hat die Kraft von zwölf 
anderen Männern ^ ; einmal werden ihm auch zwölf 
Schwerter beigelegt ^. Es sind der Erschlagenen zwölf 
um die die Klage trauert ®. Die Angaben der Vilkinasaga 
sind auch grösstentheils aus deutschen Quellen geflossen ; 
hier hat Walther zwölf Begleiter und kämpft mit zwölf 

* W. Grimm» Deutsche Heldensage p. 102. 247. 

* Hr. Dr. Mullenhoff bemerkt: , Ermenrich und Etzel müssen 
gleich viel Mannen haben, da sie schon in Scdpesvidsith wie spa- 
ter in der Rabenschlacht am Weichselwalde im Kampf gegen ein- 
ander liegen. Die bestimmte Zahl 12 findet sich jedoch nirgends 
ausdrücklich. Im Scopesyidsith v. 110 — 124 sind unter Ermen- 
rieh's Helden schon langob ardische und andere eingemischt, die 
letzten 40 yon v. 119 an sind jedoch nicht interpolirt. Bei Etzel 
schwanken die Angaben, entfernen sich jedoch nicht weit Ton der 
regelmassigen Zahl; Biterolf (W. Grimm, Heldensage p. 197) und 
Dietriches Flucht (ebend. p. 211) enthalten offenbar sehr Wel will- 
kuhrlicfaes '. 

* J. Grimm, nsum Waltharius p. 115. 

* W. Grimm, in der Vorrede zu seiner Ausgabe p. IX. 

^ Lachmann, Anmerkungen p. 9, nach dem die Zahl zwölf 
bei den Nibelungen und ihren Mannen nicht alt ist. Sollten aber 
Abweichungen einzelner Quellen nicht oft nur als Störungen der 
alten und echten Ueberiieferung anzusehen sein? 

' Nibelungen 336. 

^ S. Wackernagel, in Haupt's Zeitschrift II, p. 540. 

' Dies führt Lachmann, Anmerkungen p. 289, aus. 



289 

hunischcn Helden ^. Und andere Sagen stimmen damit 
überein. König Rüther^ hat zwölf Herzoge, Asprian 
zwölf Riesen , Berchter zwölf Söhne , wie diese Zahl oben 
in nordischen Sagen nachgewiesen worden ist. Und auch 
die zwölf Pairs Karls des Grossen gehören hierhin , wenn 
die Zahl auch erst später festgesetzt und den histori-* 
sehen zwölf Pairs des französischen Reiches nachgebildet 
sein sollte ^. 

Ich zweifle nicht dass diese Beispiele sich noch 
bedeutend werden vermehren lassen; ich füge aus der 
späteren Geschichte des Mittelalters noch eins hinzu. 
Da Constantinopel von den Kreuzfahrern und Venetianern 
angegriffen wurde , schlössen sie einen Vertrag, nach dem 
zwölf weise Männer aus jedem der beiden Völker aus- 
gewählt werden sollten um die Beute zu theilen^, und 
zwölf im ganzen um den ersten lateinischen Kaiser zu 
ernennen. Andere werden anderes anzuführen wissen. 
Aber was ich beigebracht habe wird genügen, um die 
weiteste Verbreitung dieser in den mannichfachsten 

< c. 84 (Ermearich sendet deo Walther mit zwölf Beglei- 
tern, Etzel den Osid mit ebenso vielen, um ihre Freundschaft zu 
befestigen). 87. Die andern Stellen ans der Viikinasaga s. oben 
p. 277 n. 6. Ich glaube dass in solchen Nebensachen der nordische 
Bearbeiter doch oft ge*ändert hat. 

* In Massmann's Gedichten des 11. Jahrh., v. 742. 466. 

* Die Ursprünglichlceit der Zahl bezweifelt W. Grimm, Ru- 
landes liet, Vorrede p. CXIII. 

^ Villeharduin c. 123: Et lors seroient pris douze des plus 
sages de l'ost des pelerins et douze des Venissiens etc.; vorher : 
six horaes seroient deFran9oi8 et six de Venissiens et ciljureroient 
sor sains que il esliroient a empereor celui etc.; vergl. die von 
Schlosser, Weltgeschichte 111, 2, 1, p. 55 n. g, angeführte Stell» 
einer griechischen Chronil^. 

19 



VerhäHiHMen vorherrscheiMteo ZwölfzaM darzuthun. Viele 
der aikgeführten Beispieie, der Qaeilen au9 denen sie 
geschöpft sind, geboren einer späteren Zeit an; nebe^ 
den gerichtlichen Institutionen sind es besonders die 
Sagen und sagenhaften Ueberlieferungen in denen uns 
die Sache entgegentrijtt Aber wir haben gewiss keinen 
Grund den Ursprung selbst erst, in späteren Jahrbunder tea 
zu suchen., sondern was so gleichroässig im Südieo 
und Norden,' in Sage und Geschichte, in Recht und 
Staatsveriassung hervortritt, muss seinieo Gjrund, seine 
Wurzel in älteren Zeiten , in der Anschauung des Volks 
schon in den frühesten Jahrhunderten haben., Aber das 
ist wohl möglich, dass ein Stamm den andern voranging; 
und da scheint es dass zunäichst die nordischen Ger- 
manen, unter den Deutschen aber die logävonen, dann 
auch die Iscaevonen diese Heiligkeit der Zwöirzalil kann- 
ten; weder unter den Sueven noch unter den Gotben 
kommen frühere und unzweifelhafte Beispiele davon vor. 
Jene aber waren es dann die auf ihren Zügen mit 
anderen Einrichtungen und Gewohnheiten auch dies in 
die neue Heimath, zu andern Völkern übertrugen, die 
ingävonischen Angeln, Sachsen und Friesen nach Eng- 
land, die ihnen verwandten Langobarden nach Italien, 
die iscävonischen Franken aber nach Gallien und in das 
übrige Deutschland» 

Wie dem aber auch sei , jedenfalls glaube ich dass 
es eine wesentlich und ursprünglich germanische An- 
schauung ist die sich hierin ausspricht, und lasse mich 
dadurch, nicht irre machen dass auch andere Völker 
häu6g der Zwölfzahl ähnliche Wichtigkeit beigelegt haben. 
Die zwölf Söhne Jacobs und die zwölf Stämme Israels, 



S91 

die zwölf Apostel , die zwölf Geronten der Trojaner und 
Phäaken, die zwölf Lucuroonen der Etrusker, die zwölf 
Lictoren Roms sammt den zwölf Tafeln, und was man 
sonst noch angeführt hat ^ oder anfuhren mag, zeigen 
wohl dass auch in weiterem Umfang Beispiele ähnlicher 
Einrichtungen gefunden werden können. Diese mögen 
alle oder doch zum Theil mit den zwölf Monaten und 
den zwölf Bildern des Thierkreises in Verbindung gebracht 
werden, und auch die Zwölf in den nordischen und 
deutschen Verhältnissen mag man darauf beziehen : immer 
doch behalten diese ihre eigenihämliche Bedeutung, 
, welche nicht durch allgemeinere Vergleichungen auf- 
gehoben und ihres Interesses ' beraubt werden kann. 
Vieles in den deutschen Zuständen und Einrichtungen 
kehrt anderswo in ähnlicher Weise wieder, aber dass 
und wie es eben bei den Deutschen erscheint, verdient 
nachgewiesen zu werden, und nur damit hat sich diese 
Arbeit zu beschäftigen. 

* Finn Magnussen, in der Note zumLexicon mythologicum 
p. 290. 



19^ 



393 



Die Stellen aus der Germania des Tacitus die 
erklärt worden sind. 

c. 2. Ccicbrant etc. p. XIV. XV (n. 1). 

Ceterum GermaDiae Tocabnlnm etc. p. Xil n. 1. 
c. 6. Definitar et nomerus; centeni etc. p. 32 n. 3. 51 n. 1. 

Nee aut sacris adesae etc. p. 188 n. 1. 
c. 7. Reges e\ nobititate etc. p. 68 (n. 6). 102 n. 1. 

Nee regibuB infinita etc. p. 170. 

Ceterum neqae animadvertere etc. p. 58 n. & 

Non casas sed familiae etc. p. 45 (n. 1). 
c. 9. Ceterum nee cohibere etc. p. 16 n. 5. 
c. 10. Anspicia sortesqne etc." p. 59. 
c. 11. De mtnoribus rebus principes etc. p. 86 n. 3. 111 (n. 1 ). 

Coeunt etc. p. 56 ff. 

Silentium per sacerdotes etc. p. 58 (n. 5). 

Mox res ?el princeps etc. p. 89. . 
c. 12. Licet apud concilium etc. p. 114 n. 1. 

Distinctio poenarom etc. p. 188 ff. ( , ignavi et imbelles ^ 
p. 188 n. 3; , corpore infames' p. 188 n. 2). 

Sed et leTioribos etc. p. 191 (n. 3). 

Pars mulctae regi etc. p. 193 (n. 5). 

Eliguntur in iisdem etc. p. 88 n. 4. (,per pagos vicosque^ 
p. 51 n. 1. 111). 

Centeni singniis etc. p. 99. 113 (n. 5). 
c. 13 ff. p. 120 ff. 
c. 13. Sed arma sumere etc. p. 40 (n. 3. 4). 

Insjgnis nobilitas etc. p. 97 ff. 89 n. 2. 90 n. 1. 149—151. 

Gradus quin et^am etc. p. 121 n. 4. 
c. 14. Sl civitas in qua etc. p. 149. 



293 

c. 15. diiotiens bella etc. p. 123 n. 1. 

.Mo8 est civitaiibus etc. p. 119 d. 3. 
c. 16. Nollas Germanorum etc. p. 22 — 28. (^ne pati qaidem etc.* 

p. 29 n. 2). 
c. 16. Dotem non nxor etc. manera etc. p. 15. 199 d. 1. 

Intersnnt parentea etc. p. 198 n. 3. 
c. 19. coram propinquis p. 206 n. 2. 
c. 20. Sororum filiis etc. p. 205 ff. 

Herede« tarnen etc. p. 202—204. 207. 
c. 21. Suscipere tarn iniinicitias etc. p. 204 n. 3. 

Luitar enim etiam homicidiam etc. p.83 n. 1. 192. 194 n. 2. 
c. 22. de — asciscendis principibus p. 88 n. 4. 
c. 25. Ceteris servis etc. p. 183 n. 2. 

Liberti non mnltnm etc. p. 179. 206 n. 3. 
c. 26. Agri pro niimero etc. p. 23 (n. 2). 26 n. 2. 28 (n. 2). 

Arva per annos mutant etc. p. 27. 
c. 39. Stato tempore in silvam etc. p. 37 n. 2. 51 n. 1. 



WortregisteV. 



adaly adalingi 66; vergl. nobilefl. 

aldiones 180. 

aotrastiones 188. 134 (n. 2). 136 (n. 3). 186 n. I. 1Ö2--1&4. 

arimanni 38. 89 n. 2. — arimaDoia 39 d. 2. 153. 140 n. 1. 

asega 107 n. 1. 112 n. 2. 117 (n. 3). 174. 

beDeficium 187 n. 1. 138 ff. 

centena 38 (n. 6). 57 d. 5. 247 n. 1. 269—271. — centuria 

83 n. 4. 35 n. 4. 252 n. 1. 253. — Vergl. hundari, hundert- 

schaft. — centenarius 83. 8&. 55 ( 0.2). 108 d. 4. 118 (n. 2). 

234. 261 n. 8. 262 d. 1. 264 n. 1. 270. — centurio 35 b. 4. 

259 n. 5. 262 d. 1. 264 n. 1. 
civitas 51 (n. 2). 
oiientea 100 n. 3. 

comites 99 ff. 120 ff. 149. — comitatus 100 n. 2. 147 n. 1. 
compositio 194 n. 2. 

concitiam 54 n. 3. 55 n. 1. 104 o. 1. 114 (q. 1). 
congildones 8. gilden. 

coDJoratorea (consacramentales) 210. 214 n. 2. 
contuberniuni 264—269. 270 d. 1. 
coüTiva regis 135 n. 1. 
decania 238 n. 5. 259 (n. 1). — decenna 247 n. 1. — dedma 

237 n. 1. 3. 252 n. 1. 253. — decimatio 247 n. 1. — decaria 

258 n. 1. 259. — Vergl. teolfiog, zehanunga. — decanus 47. 

52 n. 5. 234. 242. 250. 259—263. 264 n. 1. 269. — 

decurio 262 n. 1. 
dux 101—103. 125 (d. 2). 
ealdorman 133 n. 8. 
eori 133 D. 3. 
faida, faidosas 196 n. 3. 
fara, faramaoni 221 (d. 1). 261 n. 4. 
fredum 194 (d. 2). 
fri«borg 233 ff. 238. 243 ff. 251 n. 3. 252 n. 1. 263 n. 1. 

271 n. 4. 
gardiDgi 137 n. 1. 

gasiodl 127. 140 d. 2. in gasindip dncis 133 n. 2. 
genealogia, geoeratio 221 n. 1. 
Gildea 46. 228 ff. 267 (n. 1). — congildones , gildones, gegyl- 

dan 228 (n. 2). 230 (n. 3). 
grafio 52 n. 5. 108 (n. 3). 
hariraida, heriraita 267 (n. 3). 
herad, harde 34. 49. 
bundafaths 33, 



haodari 34. — huntari 33. — hundrede 33. 244 n. 2. 253. hnn- 

dredus 249. hundretum 57 n. 5. 252 n. 1. — Vergl. centena. 

— lieber die Hundertschaften im allgemeinen s. 32 ff. 37. 

49. 105 (n. 2). 113. 2a7. 238. 242. 244 ff. 251 (o. 3). 

252 ff. 269 ff: — huono 35. 
judex 112 n. 2. 172 n. 4. 7. 8. 174. 
kamp 26. 

kuning 73. 156 n. 
leudes 139 n. 1. 154w. 
liberti 133 (n. 2). 179 (n. 3). 
liti 135. 179 ff. 

Markgenossenschaft 30 (n. 1). 43. 
medlt,. mediani 82 i». 2. 131. — hominea medani 139 n. 3. — 

mediocres 131 (n. 2). 
millenarius 47 n. 1. 260 n. 4. 
minoflidi 131. — minores 82 n. 9. 13} (n. 2). 
nobiles, nobilitas 67. 68. 71 n. I. 74 n. 2. 89. 90 n. 2. 91(n. 1). 

92 (n. 1). 130 n. 2. 131. 132 n. 2. 137 n. 1. 149. 152. 

160 n. 1. 162 n. 1. 3. 164 n. 1. 
pagus 51 (n. 1). 105 (n. 1). 111 n. 5» 
parentela, parentillb 215c n. 9, 221 n. 1. 2. 
primi 82 n. 2. 131. 132 (m 4). 
principes 86 ff. 90 n. 2. 91. 92 (n. 1). 96 ff. 100 ff. 104 n. 5. 

109 n. 1. 119 D. 3. 125 n. 2. 126 n. 1. 130 n. 2. UTn. 1. 

149—152. — priitoipatns 90 n. 2. 160 n. I. 
qulngentenartüs 47 n. 1. 
regio 1.11 n. 5. ^ 

rex 157. 161 n. 2. 165. 
sacerdos 116. 117 (n. 3). 118 (n. 3). 
satisfactio 194 n. 2. 
satrepae 101. 133. 
tathnnhundafath 260 n. 4. 
teoifing, teoiTang 237 (n. 3). 244 (n. 2). 247 n. 1. 256 n. — 

tithinga 253. — Yergl. decania , zehanunga. 
tbing 53 ff. 
toft 23 (n. 1). 

ton lOB n. 4. — ttingerefa 103 n. 4. 
tunginns 52* n. 5. 103 n. 4; 
vicarins 103 ir. 4. 262 n. 1. 
vicu« 22 n. 1. 52. — vieani 103 ii. 4. -— vicini 234. 271 n. 4. 

272 n. 1. 
Villa 52. 

Tülicus 103 n. 4. 

warda 247 n. 1. 256 n.^ yergl. 267 n. 2. 270 n. l. 
wargns 187 n. 1. 196 n. 2. 

zehanunga 258 n. 1. — Vergl. decania, teoiring. — lieber Zehnt- 
schaften im allgemeinen s. 47, 52 n. 5. 236 ff. 242. 244 ff. 

247 n. 251 ff. 258 ff. 



Nachbesserungen. 



Eigentliche Druckfehler werden sich ktunii einzelne finden ; doch^ 
sind einige kleine Nachrassigkeiten nicht Termieden worden. Es 
sind hie und da grosse Anfangsbuchslaben stehen geblieben , die 
nach dem sonst befolgten Prinzip nicht hätten zugelassen werden 
sollen; z.B. «Statt haben S , Statt finden S auch »Theil haben' und 
ähnlicheü. Ausserdem bemerke ich: 

S. 28 Z. 14 lies: ,hat er die'. 

S. 39 n^3 Z. 2 lies: ,R. G.' 

S. 47 Z. 15 lies: , Zehntschaften ^ 

S. 62 Z. 10 lies: , Ditmarscher '. 

S. 87 Z. 11 lies: , denen welchen sie'. 

S. 128 n. 4 ist statt des ,th' das angelsächsische f> zusetzen. 

S. 160 Z. 6 lies: , verschieden '. 

S. 16a Z. 12 lies: ,Odovakar'. 

S. 205 n. 1 lies: ,c. 20*. 

S. 235 Z. 20 setze das Comma nach , haben'. 

S. 268 Z. 19 setze ein Comma nach , unruhigen'. 

Kleine Zusätze werden sich yielleicht an mehreren Stellen machen 
lassen; ich begnüge mich folgendes anzuführen: 

Zu S. 82 n. 2. Palgra?e p. 31 bemerkt , dass. es schon alt- 
brittisches Gesetz war, dass ein grosserer Landbesitz, hier 
wenn er mehrere Generationen hindurch in denselben Händen 
sich befand , Freiheit von Abhängigkeitsverhältnissen und ein 
höheres Ansehn im Volke verlieh. 

Zu S. 113 n. 5. Hier hätte ich anfuhren sollen dass ältere 
Schriftsteller häufig ,centenl' haben weglassen oder in ,certi' 
verändern wollen (unter den neuern auch Maurerp. 17), dass 
also Savigny diesen Irrthum nur mit andern gemein hat. 
Zu S. 281. Ich durfte nicht vergessen zu bemerken dass es 
in Schleswig - Holstein eine Landesregierung von zwölf Mitglie- 
dern gegeben hat. Christian I. setzte sie ein. Jensen und 
Hegewisch, Privilegien p. 61. 



Gbenbafelbjl tx^ö^Untn früher: 

2(td^it> fiir ®t\ä)\ä)U, ^tatiftif, ^unbe bet SBetwaUuna unb £anbelted^te 

bet ^erjodt^ümer ©d^ledwt'd/ ^olflein unb ßauenbuvg. {)erauds 

gegeben »on ©tatör. |)rof. Dr. 9^. galct. Ir— Sr Soj^rgang, 

1842—1844. 3)ei: So^tg. öon 4 heften ge§. 3 fRt^. 8 @r. 
Asmussen, Dr. J.» De fontibus Adami Bremensis comment. 

1834. 4. geh. 12 Gr. 

9{eue ittelei; SBld'tter. ^erauögeg. t)on 2(b9. ^. ^acflenö. 1843. 

9lo. I. gr. 8. ge^. 5 ®v. 

1843. U dmxt. (II— VII). gc^. 1 m^. 

1844. U Cluart. (I— VI), ge^. 1 !Rt^. 

a5rinfmann,8«ub., (D6.s2fpp.59?Qt^) Uebei: @(§»urgertd&te tnStrofs 

fo^en unb beten (Stnfii^r. tn ^olf!. unb @d^le6w. 1843. ge^. 4 ®r. 
@taba/ @. 3./ 2Cnbeutungen/ bie 9feform bet; Sret^ett^flrafen tn ben 

^erjogt^. @d[|leöw. unb J&oljl. betreffenb. 1840. ge^. 6 ©tr. 
J|)anffen, ^rof. ©., ®q8 2Crat SBorbeö^olm im ^^erjogt^. •golftem. 

@tne flattf!. fO^onograp^te auf ^tftor. ©runblage. ^i't einer idum. 

^atU. 1842. gel). 2 m^. 

^tte beö 2Cmtd/ge$et4net4>on9. @eer}/ gefloc^en oon 9)ldbel, 

col. befonberö 10 ©r. 

Ojlwalb/ Dr. Qr|)r. S<^- ^b-/ ^nt^iStt bet; 9)7i{t)len}n)ang nad) gemein 

nem beutf^en Bltä)U and) ^inftd^tlidS) M 2(n!auf6 t>on ^ü^Un- 
• |)robucten eine Sefd&rdfnfung bet; soiö^unbannpflid^tigen ? 3tn 

^inblic!e auf einige fRcö^HfäH^ auö bem ptflent^- SRageburg unb 

•^erjogt^. Sauenburg t>erneinenb 6eanttt)ortet. 1843. ge(). 8 ©t;. 
f)a Ulfen, 9)rof. ^. jD. ^^x., Se^rbud^ beö 9)rioatred&t6 bet; .&erjogs 

t^umet; ©d^tedwig unb ^olftein, wie and) bed ^eqogt|). Sauenburg. 

^miU »erb. unb t>erm. 2CufI. 1842. 2 SRt^. 

® arauw/ ©efd^id^tl. gorfd^ung über bie ®uUig!eit M 3i6mx\^:^uftU 

nianifd(fen ated^tö im ^erjogt^. @d^le$tt)ig. 1842. 21 @r. 

®(^irad^/ <S. t)., Ueber bie t>on ben ^olfleinifd^en @tdfnben beantragte 

ateform M @traft)erfa^renö. 1843. ge^. 8 ®v, 

&tiin, Dr. Z., jDie ©efdS;ki^te bed bdnifd^en CTiDilprocefTed unb bad ^eus 

tige SBerfa^ren. ZU SSeitrag ju einer Dergleid^enben S^ed^töwilfens 

fc^aft. 1841. 1 dit^. 8 ®r. 



S^uird^arbi, 9)rof. Dr. ®. 6., (Sefd^id^te unb Snf^itutionen bei SR^mi- 
fdjien afec^td. 1834. 1 SRt^. 

3o()annfen/ Dr. 3. |>.; n^Uv hci^ ©tubfum ber @taat9n>tffenf(l^aften. 
1832. ge(). 2 ®r. 



M •mmf es, Th., De coU^ii« et «o^alidU R«maB«raiD. AcccdL 
iiMcripti« LaooTioa. 1843. geh. 20 Gr. 

Osenbruggea, Dr. E.» Ziit InterpreUtUn des Carpntf joria 
cUilii. Eid fcriti«cher Beitrag. 1SI2. geh. 6 Gr. 

30tifen^ l)rof. Dr. 9t,, Btitxä^t {at Sttitit nnb ^nr Sktft« etnt§ öliges 
meintn pofiHoen f)tlt)atrr(^t§. I.Sb. U^ft 1812. ^e^ 20 9r. 

Wnlff, A. G., De pignore a creditorii heredibiu io familiae 
heritcaodae jodicinm dedacto. 1843. geh. 8 Gr. 



9^al\^bäu^, 9rof. Dr.^.ajl.,9^dnomeno(.Sl([tter. 1840. gt^. 10®r. 

, 2>ie moberne Bop^ifit 1842. ge^. 4 ®r. 

Zweien/ 9rof. Dr. X 2). e^^^runbrif b. anol^t. ec^f. 1834. 12®r. 



@4((Sn){d ; ^olfteintf^tr (Snomoii/ ein aUdemetneö Sefebuc!^, infonber^eit 
fSt bfe e^ulingenb. .^erauödedebtn oon Dberconftftoriotrat|^ Dr. 
e I. ^ a t m «. 3n>ctte ^ufl. (3 1 Sod) 8. 

2(ugg. I (Gd^ulauddabe). Ocbtn.'^apier. 12 ®x. 

» 1^ (Se^d^f^enfau^dabe). S^eltnpap. 9^^ 1^ ®^- 

0Cb- 18 ®r. 
Siol!«bud|i für bal 3a^i; 1844/ mit befonbertt dificffld^t auf bte ^eqod- 
t^ümet @d^(e6totd/ •^otftdn unb eauenburg. 9Sit SSeitrdgen t)on 
g. »ecfcc/ ^. aSiernoftfi, |)rof. ©a^Imann, ®. g. ©itt- 
mönn, (5to«r. galt!/ Ö. y. J&anfcn, 3. Z^- 9Roramfcn/ 
yaftör 2C. SÄoraj^t/ JRauer t, |)rof. Seaöit/ 9rof. ®. •&. ». 
©d^itbert/ |)a{loi;@. S3a(entiner/ ^aflor @- S3 ergmann, 
a:§. SBolbfen s^torm, ?)rof. 2öurm. ^rauSg. »on Ä. 8. 
Sferna^ü. S){{t 2a{abtr.t}on @onberlanb. 16. ge^. 12®r. 



SSon bev @d^wer«'f(!^m Suc^^anMung m Atel ftnb 
yix bejie^en: 
Stäben; ®. &/ (Slefc^i^te beS bdfnifd^en Steici^d. 2Cu6 bem )Ddfntfdiieii 

t>on Äobiefen. Stxzi, 1799. 9 @r. 

Cr^irifttant; SB. @./ ©efd^id^te ber ^r jogt^fimer ^^d^teöwig unb ^ol- 

ftetn (big jum 3a^re 1694). 8 S^te. 9){tt SRegifter oon ^ ein je. 

gleniburg unb Äiel, 1775—1812. 4 «t^. 8 ®r. 

•i^egewif^l , 9rof. S). ^.; ^flor. tt. litee. Xuff%. Itlel, 1801. 8 @r. 
yribiUgien ber @^ledt9ig'.&olfiein{f4>eu 9iitterfc^aft. J^r^u^gegeben t)on 

3eiifeniiAb4^edeii){f4. 4. Mt; 1797. ^i^x^f* 1 9et^ 



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